Konservierungswissenschaften und Restaurierung heute: Von Objekten, Gemälden, Textilien und Steinen 9783205790648, 9783205785798

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Konservierungswissenschaften und Restaurierung heute: Von Objekten, Gemälden, Textilien und Steinen
 9783205790648, 9783205785798

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Konservierungswissenschaft · Restaurierung · Technologie Herausgegeben von Gabriela Krist

Band 7

Gabriela Krist/Martina Griesser-Stermscheg (Hg.) Kathrin Schmidt (Red.)

Konservierungswissenschaften und Restaurierung heute Von Objekten, Gemälden, Textilien und Steinen

Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar

Cover-Abbildung: Im Vordergrund: Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz von 1663, Pfarre Straßburg; Im Hintergrund: Einblick in das Atelier für Textilkonservierung am Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien Fotos: Stefan Olah, Universität für angewandte Kunst Wien

Gedruckt mit Unterstützung durch die Universität für angewandte Kunst Wien

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78579-8

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2010 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H. und Co. KG, Wien · Köln · Weimar http://www.boehlau.at Druck: Impress, SI-1295 Ivančna Gorica

Inhalt

Vorwort Rektor Gerald Bast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einführung der Leiterin der Studienrichtung Gabriela Krist . . . . . . . . . . . . 11 Einführung Martina Griesser-Stermscheg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

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konservierung und restaurierung: diplomarbeiten auswahl 1999–2009 Gemälde Andere über uns: Elke Oberthaler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Eger Die traditionelle „Wiener Retusche“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefanie Gössler Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz von 1663, Pfarre Straßburg – Technologische Untersuchungen, Konservierung und Lagerung . . . . . Judith Kern Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Universalmuseum Joanneum, Graz. Bestandsaufnahme eines spätmittelalterlichen Flügelaltars und seine Restaurierung . . . . . . . .

. 19 . 21

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Objekt Andere über uns: Peter Keller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Hösl Die Kapuzinergruft in Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silvia Kalabis Vorbeugende Konservierung & Archäologie. Situationsanalyse und konservatorisches Konzept für die prähistorische Schausammlung im Naturhistorischen Museum Wien Barbara Schönhardt Kastenkrippen als Materialpotpourris . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kathrin Schmidt Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien. Salzproblematik – Untersuchung und Konservierung . . . . . . . . . . . 105 Stein Andere über uns: Johannes Nimmrichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lisa Gräber Geschichte(n) einer Konservierung. „Alltägliche“ Probleme bei der Erhaltung des polychromen Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf (NÖ). . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marija Milcin Gusselemente aus Romanzement. Ein Versuch zur Wiederentdeckung von historischen Mörtelrezepturen . . . . . . . . . Martin Pliessnig Waldviertler Marmor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Textil Andere über uns: Martá Járó . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edith Oberhumer In situ. Die Problematik der Reinigung und Konservierung eines stark verschmutzten und beschädigten Paravents ohne Demontage der textilen Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angela Sixt „Lasst sie weitertanzen …!? Ein Spagat zwischen Gebrauch und Erhaltung“. Das Figurenspiel (1912–1947) von Richard Teschner im Österreichischen Theatermuseum Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . Hanna Grabner Die Konservierung und Rückformung sogenannter „koptischer“ Schuhe aus dem Universalmuseum Joanneum, Graz und aus Privatbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regina Knaller Der sogenannte Mantel der heiligen Elisabeth. Konservierungswissenschaftliche Untersuchungen und neue Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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ii bestandsaufnahmen und sammlungspflege: projektarbeiten 1999–2009 Andere über uns: Wolfgang Kippes. . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Ghaffari, Marija Milcin Die Steine von Schönbrunn . . . . . . . . . . . . . . . . Martina Griesser-Stermscheg Das Palmenhaus in Schönbrunn (1882): Die „präventive Konservierung“ eines Gewächshauses . . . Gabriela Krist, Stefanie Jahn, Martina Griesser-Stermscheg, Regina Knaller, Eva Götz Folienverpackungen in unklimatisierten Sammlungsdepots

. . . . . . . . 209 . . . . . . . . 211

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iii internationale projekte Andere über uns: Andrea Loseries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriela Krist, Maria Gruber, Tatjana Bayerová The Nako Project. Five years of conservation at the Indo-Tibetian border . . . . . . . . . Nako-Team Eindrücke und Persönliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martina Griesser-Stermscheg, Regina Knaller, Marianne Novotny-Kargl How to care for textile collections: Methods and practical approaches. A workshop report . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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iv dissertationen (Auswahl: laufend) Tanja Bayerová Wall paintings in the Buddhist temple complex at Nako, North India: two years of environmental monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Maria Gruber „Down to Earth“, Lehmrohstoffe und Lehmbautradition in Nako. . . . . 291 Stefanie Jahn Textilimitationen an spätmittelalterlichen Tafelbildern und polychromen Skulpturen in Österreich – Vorlagen, Technologien und Katalog . . . . . 309

Natalia Gustavson Restaurierung zwischen Krieg und Frieden. Napoleon in Österreich und die Folgen für die Restauriergeschichte . . . 323 Eva Putzgruber Glasschmuck des 16. Jahrhunderts. Die Glasschmucksammlung Erzherzog Ferdinands II. in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Roberta Renz Frühe Verwendung von Kunstharzen in der österreichischen und deutschen Malerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

v kurzfassungen aller diplomarbeiten seit 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

Vorwort

Ebenso wie die Schaffung von Kunst stellt auch das Konservieren und Restaurieren derselben einen zentralen gesellschaftlichen Beitrag dar. Nur durch konservatorisches Arbeiten ist sicherzustellen, dass historisch relevante Beiträge und künstlerische Positionen ihre langfristige Wirksamkeit zu entfalten vermögen. Dass Kunst gesellschaftliche Wirkungskraft hat, ist keine Frage, sondern eine über Jahrhunderte, ja Jahrtausende erwiesene Tatsache. Und gleichermaßen zeigt uns die Geschichte, dass die eine lebendige Gesellschaft kennzeichnende Erneuerung von Kunst und Kultur auch die Auseinandersetzung mit dem Bestehenden und deren Reflexion an Traditionen als wesentliches Identifikations- und Innovationselement braucht. So stellen die in diesem Buch beschriebenen Arbeiten nicht nur einen wichtigen Beitrag zur künstlerisch-wissenschaftlichen Disziplin der Konservierung und Erhaltung künstlerischer Werte dar, sondern auch einen Beitrag zu gesellschaftlicher Identifikation und Erneuerung. In Geschichte und Gegenwart der Angewandten ist die Disziplin der Konservierung-Restaurierung daher wesentliches Element unserer Lehr- und Forschungstätigkeit. Gabriela Krist, der Leiterin des Instituts für Konservierung und Restaurierung, und ihrem gesamten Team ist daher namens der Universität für angewandte Kunst Wien zu gratulieren und zu danken für die in den letzten zehn Jahren erbrachten Leistungen, die dem Institut große nationale wie internationale Anerkennung gebracht haben. Dr. Gerald Bast Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien

Einführung der Leiterin der Studienrichtung Gabriela Krist

1999 wurde ich an die Universität für angewandte Kunst berufen und mit der Leitung der damaligen Meisterklasse für Restaurierung und Konservierung betraut. Übernehmen konnte ich ein gut bestelltes Haus, zwei Klassen in der Expositur Salzgries 14, eine für die am Haus traditionelle Metallrestaurierung, die andere, die von meinem Vorgänger Prof. Hubert Dietrich an der Angewandten neu aufgebaute Gemälderestaurierung. Beide Stockwerke waren in den 1980er-Jahren als Restaurierungsateliers entsprechend neu gestaltet und eingerichtet worden. Auch personell war die Meisterschule mit zwei Fachklassen gut ausgestattet. Meine Berufung war ja mit dem Wunsch der Universitätsleitung verknüpft, zwei neue Klassen zu etablieren, die Textil- und Steinrestaurierung. Für den neuen Fachbereich Textil wurde mir ein weiteres Stockwerk am Salzgries zur Verfügung gestellt, weiters finanzielle Mittel, um die Räumlichkeiten in ein modernes Restaurierungsatelier umzubauen. Auch die Fotografie sollte mit Röntgenequipment aufgestockt werden, das neue Foto-Röntgenstudio wurde auch im neu hinzugekommenen Stockwerk eingerichtet, ebenso eine StudentInnenküche und ein seit Langem geforderter Seminar-Vorlesungssaal. Für die Steinrestaurierung fand man in den Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamtes, im Arsenal, eine Unterkunft, die ehemalige Wandmalereirestaurierungshalle eignete sich hervorragend als Steinrestaurierungsatelier. Doz. Dr. Manfred Koller ist für die bisher zehnjährige Gastfreundschaft und unbürokratische Lösung zu danken, die bis heute gilt. Die traditionelle Metallrestaurierung wurde 2000 zur Objektrestaurierung ausgeweitet. Gründe dafür waren ein damaliger MetallrestauratorenInnenüberschuss, gerade in Wien, und ein Bedarf an spezialisierten akademischen RestauratorInnen für Keramik, Glas und Bodenfunde. Das Museum für angewandte Kunst und Mag. Manfred Trummer, Leiter der Restaurierung am Museum für angewandte Kunst, deckt seit Beginn als Universitätslektor die Spezialisierungsrichtung Keramik- und Glaskonservierung, Mag. Michael Marius, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Bodenfunde, die Konservierung archäologischer Objekte, ab. Die Konservierung und Restaurierung moderner, zeitgenössischer Kunst sollte verstärkt Berücksichtigung finden, was fachbereichsübergreifend gelöst wurde. 2000 war ein markantes Jahr für das Hochschulwesen. Die Akademien und Kunsthochschulen wurden zu Universitäten umstrukturiert, die Meisterschulen abgeschafft,

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Einführung

ein neues Studiengesetz trat in Kraft, neue Studienpläne mussten erstellt werden. Die Universitäten wurden ausgegliedert. Wir hielten, und das gilt bis heute, am 5-jährigen Diplomstudium fest – die rezenten Entwicklungen in unserem Nachbarland Deutschland, wo heute fast alle Hochschulen mit Restauratorenausbildung bereits auf Bachelor-/Masterprogramme umgestellt haben, zeigen, dass wir ausharren sollen. Mein anfängliches Bemühen war es, den fachbereichsübergreifenden methodischen Diskurs zu fördern und Grenzen zwischen den ehemals streng abgegrenzten Fachklassen aufzumachen. Was wir beibehalten haben, und das ist der rote Faden, der die Vergangenheit mit der Zukunft verbindet, ist der Praxisbezug und die Projektarbeit, also die restauratorische Arbeit am Original. Die von den Vorgängern etablierten Kontakte zur Denkmalpflege, Bundes- und Landesmuseen und Kirche wurden im letzten Jahrzehnt erheblich ausgebaut. Derzeit arbeitet das Conservation Department für die Wiener Bundesmuseen und Sammlungen, in den Bundesländern zählen vom Burgenland bis Vorarlberg die Landesmuseen zu unseren Projektpartnern und Auftraggebern. In der Denkmalpflege werden sowohl von den Restaurierwerkstätten Forschungs- und Restauriervorhaben an uns vergeben wie auch von den diversen Landeskonservatoraten. Auch für Stifte, Klöster und Diözesanmuseen durften wir in den letzten Jahren im Rahmen von Studentenprojekten und Diplomarbeiten tätig sein. Das auf- und ausgebaute Netzwerk an Projektpartnern und Auftraggebern ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für den Praxisunterricht, braucht es doch eine Fülle von unterschiedlichen praktischen Projekten mit variablem Schwierigkeitsgrad für die Studierenden in den jeweiligen Ausbildungsstufen. Nur durch den aktuellen Praxisbezug kann man die Studierenden für das Berufsleben entsprechend vorbereiten, unsere exzellente Absolventenperformance am Arbeitsmarkt bestätigt die im Studium vorgegebenen praktischen Schwerpunktsetzungen. Engagiert haben wir uns in den letzten Jahren für die vorbeugende Konservierung starkgemacht, Kompetenz und Erfahrungen auf dem Gebiet der Sammlungspflege und des Depotmanagements in allen Fachbereichen gesammelt. Die aktuelle Wirtschaftskrise, die sich natürlich auch auf unserem Sektor schmerzlich spürbar macht, zeigt noch deutlicher, dass in Zukunft Gelder für groß angelegte, zyklisch wiederkehrende Restauriervorhaben knapper werden. Die Investition in Prävention statt Restaurierung rechnet sich, für Sammlungen bedeutet dies, dass kontinuierliche Pflege, Vorbeugung, gute Depots und geschultes Personal auf allen Ebenen für die langfristige Erhaltung unserer Kunst- und Kulturgüter ausschlaggebend sind. Für alle Fachbereiche gilt es, in Zukunft die Vorsorge und Wartung verstärkt wahrzunehmen und gemeinsam mit den Museen und der Denkmalpflege neue Erhaltungsstrategien zu entwickeln.

Gabriela Krist

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Auch die Kriterien für Einzelrestaurierungen haben sich in den letzten zehn Jahren verändert. War meine Generation noch stolz, Doublierungen, Wachsharztränkungen, Parkettierungen etc. zunächst durchführen zu können und dann später wieder abzuschaffen, zeichnet sich heute eine neuerliche Gegenbewegung ab, die wieder verstärkt auf die vielfältigen praktischen Grundlagen der Restaurierung zurückgreift und die gestalterische, ästhetisch bedingte Komplettheit der Kunstwerke sowie Rekonstruktionsaufgaben fordert. Jede Zeit hat ihre Bedürfnisse: Im Bestreben der letzten Jahrzehnte, die Minimalintervention zu propagieren und die natur- und materialwissenschaftliche Forschung in den Vordergrund zu spielen, ist viel an handwerklichen, künstlerischen und praktisch-restauratorischen Fähigkeiten verloren gegangen, auf die aber eine aktuelle Restaurierung nicht verzichten darf. Es gilt also, ein ausgewogenes Gleichgewicht an Theorie und Praxis im Studium zu verankern und die konservierungswissenschaftliche Forschung als die Disziplin der akademischen RestauratorenInnen zu verankern. Wir RestauratorenInnen wollen heute auch als Forscherinnen wahrgenommen werden. Forschung geschieht in Diplomarbeiten und Dissertationen, aber auch in groß angelegten Forschungsprojekten (z.B. Folienprojekt), wo Studierende und Lehrende wichtige Beiträge zur „angewandten Forschung“ leisten. Der vorliegende Band dient auch als Leistungsschau der DiplomandInnen und DissertantInnen. Für Diplomarbeiten, die ja weitgehend von den Studierenden selbst gewählt werden und die ein praktisches, komplexes Restaurierprojekt mit einer damit verschränkten Forschungsarbeit verbinden, haben wir in letzter Zeit auch Sammlungsund Ensemblethemen angeregt, und sind damit über die klassische Diplomaufgabe, die ein Einzelobjekt behandelt, hinausgegangen. Für Dissertationen, die rein theoretische Forschungsarbeiten darstellen, sind die Aufarbeitung und Aufbereitung der österreichischen Restauriergeschichte, technische Kunstgeschichte, ein methodischer Diskurs und Reflexion zur Restaurierpraxis als Betreuerin meine Lieblingsthemen, ebenso die Einbeziehung und Mitgestaltung internationaler konservierungswissenschaftlicher Forschung. Meine internationalen Fachkontakte und Erfahrungen konnte ich meinen MitarbeiterInnen und Studierenden zur Verfügung stellen. Meine ständige Mitarbeit und Netzwerkpflege im Vorstand von ICCROM und IIC war und ist eine wichtige Voraussetzung hierfür. Über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen ist die Devise. In den letzten Jahren haben wir Kooperationen mit großen Museen im Ausland aufgebaut, die es den Studierenden ermöglichen, ein Auslandssemester mit Museumspraxis zu absolvieren. Fast alle StudentInnen nehmen dieses Angebot wahr und machen sich ein Bild, wie die Konservierung und Restaurierung in Italien, Großbritannien, Skandinavien, den Niederlanden und Canada läuft. Ein rezentes Abkommen mit dem Conservation Department des

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Einführung

British Museum in London ist hier beispielhaft hervorzuheben, ermöglicht es u. a. nun die erste praktische Diplomarbeit, die von uns an einer bedeutenden Sammlung im europäischen Ausland durchgeführt wird. Seit 2004 sind wir in Nako, Himachal Pradesh, Indien, tätig und erforschen und restaurieren gemeinsam mit Studierenden und Absolventinnen einen buddhistischen Tempelkomplex, natürlich in enger Kooperation mit der Dorfgemeinschaft. Die bisher sieben jeweils im Sommer durchgeführten Arbeitskampagnen haben nicht nur fachlich gefordert, sondern auch menschlich geformt, die Teamarbeit unter extremen Bedingungen geschult und das Verantwortungsbewusstsein für das gemeinsame kulturelle Erbe vermittelt. Auch im Rahmen des Nako-Projektes konnten Diplomarbeiten und Dissertationen im internationalen Kontext durchgeführt werden. Unsere Hilfestellung für den Aufbau der akademischen Restaurierung in Sarajevo, Bosnien-Herzegowina und Lemberg, Ukraine soll in den nächsten Jahren verstärkt werden. Wir bemühen uns, ordentliche Studierende dieser Länder bei uns auszubilden, die nach dem Studium in ihrem Land als Schlüsselpersonen für den Aufbau der Restaurierung eingesetzt werden können. Auf dem postgradualen Sektor haben wir ein Kursprogramm zur Sammlungspflege etabliert, das auch als Absolventinnenfortbildung dient, und bereits mit großem Erfolg in Wien, Sarajevo und New Delhi zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten abgehalten wurde. Ein indisch-österreichisches Masterprogramm zum Thema Museumsmanagement und Sammlungspflege wird gerade mit dem indischen Kultusministerium ausverhandelt. Die vorliegende Jubiläumspublikation des Conservation Departments, die von den MitarbeiterInnen, AbsolventInnen, Studierenden und Projektpartnern getragen wird, illustriert die Entwicklung der Profession in den letzten Jahren. Der Erfolg des Conservation Departments basiert auf seinem Team, dem mein ganzer Dank für Engagement, Professionalität und Einsatz gilt: Dr. Martina Griesser-Stermscheg, die gemeinsam mit Dip.-Ing. Tatjana Bayerová und Marion Haupt von Beginn an die Entwicklung und Gestaltung des Departments mitgetragen haben, Mag. Stefanie Jahn, Dipl.-Rest. Regina Knaller, Mag. Marija Milcin, Mag. Marie Gruber. Weiters gilt unser Dank allen UniversitätslektorInnen und Angehörigen der Universität, die an der Restauriergeschichte des Conservation Departments bisher mitgewirkt haben, zuallererst Rektor Dr. Gerald Bast, für sein Vertrauen und seine Unterstützung in all den Jahren sowie den naturwissenschaftlichen Abteilungen des Hauses, geleitet durch o. Prof. Dr. Alfred Vendl, ao. Prof. Dr. Johannes Weber und ao. Prof. Dr. Bernhard Pichler, weiters den Werkstätten im Haus und den Sammlungen der Universität für angewandte Kunst Wien. Februar 2010

Einführung Martina Griesser-Stermscheg

Als wichtigste Säule unserer Studienrichtung, und das unterscheidet uns international betrachtet von den meisten Restauratoren-Studiengängen, gilt immer noch der hohe Anteil an Projektunterricht, also die kontinuierliche Übung der konservatorisch-restauratorischen Praxis am Originalobjekt. Wir haben sehr oft, dank unserer unentbehrlichen Partner, das Privileg, an äußerst hochkarätigen Objekten arbeiten zu dürfen; und damit haben unsere Studierenden die Möglichkeit, ihre konservatorische Expertise an Objekten höchster künstlerischer, handwerklicher oder technischer Qualität zu erproben. Wir trainieren jedoch ebenso das Verständnis für weniger prominente, meist vernachlässigte Objekte, um bei passender Gelegenheit die Anwaltschaft für diese übernehmen zu können – denn sie benötigen gewöhnlich mehr Schutz, Engagement und Vermittlung als die erste Riege der Meisterwerke. Ein vernünftiger Ausgleich zwischen der Arbeit am Einzelobjekt und der präventiv gedachten Konzepterstellung für den Erhalt von Sammlungen in ihrer Gesamtheit fordern eine vielseitige Palette von Fähigkeiten, neben der klassischen restauratorischen Arbeit auch Management-Kenntnisse und ausgeprägtes Artikulationsvermögen in Team-Prozessen. Zudem bewegen wir uns zwischen dem ehrgeizigen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, legen aber selbstverständlich gleich hohe Gewichtung auf die ästhetische wie konservatorisch-technische Schulung unserer Studierenden im praktischen Umgang mit Objekten und Sammlungen. Wissenschaftlichkeit und Praxiserfahrung brauchen Zeit, um darin gut zu werden – Zeit, die oft fehlt. Dass es aus unserer Sicht nicht immer leicht ist, die projektorientierte Lehre inhaltlich wie didaktisch auf höchstem Niveau zu halten, gleichzeitig aber Drittmittel zu erwirtschaften, ist klar. Steigende Studierenden-Zahlen bei immer größerem Spezialisierungsbedarf führen aus administrativer Notwendigkeit zu einer Verschulung im Alltag, die leider manchmal zu wenig Freiraum für das Experimentieren im Sinne einer innovativen Methodensuche lässt. An dieser Stelle ist erneut den vielen Partnern zu danken, die gerne mit besonders ungewöhnlichen und komplexen restauratorischen Problemstellungen an uns herantreten – und uns nur dadurch den Freiraum geben, problemorientierte Grundlagenforschung zu betreiben, deren Ergebnisse wiederum für Restauratorenkollegen, Kustoden, Denkmalpfleger oder Archäologen einen Mehrwert haben. Die Emanzipation und Positionierung im akademischen Kanon, vor allem gegenüber den anerkannten wissenschaftlichen Disziplinen der Natur- und Kunst-/Kulturwissenschaften, gelingt allmählich immer mehr durch Diplomarbeiten, Dissertationen, aber auch durch mehrjährige

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Einführung

Forschungsprojekte oder in Semesterarbeiten. Dieser vorliegende Band soll dazu beitragen, die – aufgrund der gebotenen Vielfältigkeit – manchmal so schwer zu definierende, junge Disziplin der Konservierungswissenschaften auf ihrem aktuellen Stand zu präsentieren. Dank gebührt allen Absolventen, die als Autoren beigetragen haben, aber auch meinen Kollegen, die seit der Bestellung von Frau Prof. Krist im Jahr 1999 den zentralen Projektunterricht wesentlich mitbegleitet haben und im Hintergrund zum Gelingen der vorliegenden Arbeiten beitrugen: Tanja Bayerová, Barbara Matuella, Corinna Kienzler, Marianne Novotny-Kargl, Regina Knaller, Christoph Tinzl, Susanne Beseler, Marija Milcin, Johannes Nimmrichter, Manfred Trummer, Michael Marius, Karl Herold, Martina Spiegl, Stefanie Jahn, Roberta Renz, Eva Jörg und Eva Götz. Die Studienrichtung Konservierung-Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst Wien ist keine Ausbildung, sondern ein Studium. Ganz im Sinne der rezenten Studentenproteste rund um den Bologna-Prozess sehen wir uns als Bildungsstätte und nicht als Ausbildungsprogramm. Unser Beruf und die damit verbundene große Verantwortung gibt das so vor: Denn wer nach fünf (oder gar drei) Jahren Studium glaubt, er sei ein „fertig ausgebildeter Restaurator“, der irrt. Bei uns gibt es kein Patentrezept pro Objektgattung, das man jederzeit aus der Tasche ziehen könnte. Bei uns lernt man, so hoffe ich, dass man nie aufhören darf zu lernen, nie müde wird zu recherchieren, nach unkonventionellen Methoden sucht, den neuesten Erkenntnisstand nicht scheut, den Austausch mit Fachkollegen pflegt und die „manual skills“ stets meisterhaft optimiert. Wir vermitteln, wie man sich einem Objekt richtig nähert, keine Angst, aber immer den nötigen Respekt hat – und wie man immer für Überraschungen offen bleibt: Denn einzigartige Objekte sind auch immer für einzigartige Überraschungen gut. In diesem Sinne haben wir, so glaube ich, einen wunderschönen Beruf. März 2010

gemälde

andere über uns elke oberthaler kunsthistorisches museum wien

Kunsthistorisches Museum, Gemälderestaurierung – Universität für angewandte Kunst, Institut für Konservierung und Restaurierung

Die Verbindung zwischen der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums und des Institutes für Konservierung und Restaurierung an der Universität für Angewandte Kunst hat eine lange Tradition, diese Verbindung wurde in den letzten 10 Jahren auf verschiedenen Ebenen gepflegt und intensiviert. Da gibt es die alljährlichen Besuche der StudentInnen in unserer Werkstätte zur Einführung der neuen Jahrgänge in methodische und organisatorische Fragen der Restaurierung im Museumskontext. Darüber hinaus wurden zahlreiche Diplomprojekte realisiert, die sich für beide Seiten sehr ergebnisreich gestalteten: Die StudentInnen haben die Möglichkeit an interessanten Werken und Fragestellungen zu arbeiten und mit der Sammlung und den Restauratoren des Kunsthistorischen Museums in Kontakt zu kommen, für unsere Seite wiederum besteht die die Möglichkeit, Fragestellungen und Werke zu vergeben, deren Realisierung sich aus verschiedenen Gründen im regulären Arbeitsprogramm als schwierig erweist. Durch die Lehrtätigkeit der Museumsrestauratoren an der Universität ist es möglich, den StudentInnen Einblicke in das aktuelle Geschehen am Haus zu geben und umgekehrt ist der Kontakt mit dem Nachwuchs für uns sehr wichtig und positiv. Ich hoffe sehr, dass diese Zusammenarbeit eine intensive Fortsetzung findet!

claudia eger

Die traditionelle „Wiener Retusche“

zusammenfassung Am Kunsthistorischen Museum in Wien wurde Mitte des 20. Jahrhunderts eine Retuschiermethode von Josef Hajsinek entwickelt und von seinen Nachfolgern, vor allem von Hubert Dietrich, verbessert. Dabei werden glatt gekittete Fehlstellen in der Malschicht mit Gouachefarben vorretuschiert und an die Struktur ihrer Umgebung angeglichen. Die weiteren Schritte der Integration erfolgen mit Harz-Ölfarben, die mit feinen Strichen und Punkten aufgetragen werden, bis sich die Fehlstelle schließt. Die Harz-Ölretusche wird in vielen Ländern aufgrund des problematischen Alterungsverhaltens ihrer Bindemittel abgelehnt. Die Praxis zeigt jedoch, dass sich die traditionelle „Wiener Retusche“ als äußerst erfolgreich bewährt, wenn bestimmte Kriterien berücksichtigt werden. Diese werden anhand der Restaurierung des Barockgemäldes „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm, aus der Sammlung des Wien Museums, schrittweise vorgestellt.

einleitung Dem folgenden Beitrag liegt eine Diplomarbeit zugrunde, die im Juni 2005 abgeschlossen wurde.1 Sie behandelt sowohl theoretisch als auch praktisch die Problematik der optischen Integration von Fehlstellen. Die Möglichkeiten der Fehlstellenintegration sind so vielfältig, sodass eine kritische Auseinandersetzung in diesem Rahmen nur in Bezug auf die traditionelle „Wiener Retusche“ erfolgte. Die Entwicklung dieser Retuschiermethode wird von den Anfängen durch Josef Hajsinek (1889–1973) über die Verbesserungen von Hubert Dietrich (1930–2006) bis zum heutigen Stand aufgezeigt. Die Durchführung der Retusche zählt zu einer der schwierigsten Aufgaben der Restaurierung, da sie sowohl die ästhetische als auch die materialtechnische Problemstellung berücksichtigen sollte. Laut Nicolaus hat „kein anderes Restaurierungsproblem in

1

Eger, C., Die traditionelle „Wiener Retusche“ am Beispiel des Barockgemäldes „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm, Diplomarbeit an der Universität für angewandte Kunst, Wien 2005.

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der Vergangenheit so im Mittelpunkt heftiger Auseinandersetzungen gestanden wie die Fehlstellenergänzung“.2 Die Problematik besteht vor allem darin, dass es keine allgemein gültige Methode oder Empfehlung für die Fehlstellenschließung gibt. Die praktische Ausführung der Retusche wird in vielen Fällen wesentlich von der subjektiven Wahrnehmung des ausführenden Restaurators und des individuellen Wissens- und Erfahrungsstandes bestimmt. Angesichts des komplexen und umfangreichen Themas erfolgt hier eine Beschränkung auf die traditionelle „Wiener Retusche“, die praxisbezogen erörtert wird. Die Praxis zeigt, dass sich diese Methode als äußerst erfolgreich bewährt, wenn bestimmte Kriterien berücksichtigt werden. Diese werden anhand der Restaurierung des Gemäldes „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm3 demonstriert.

entwicklung der traditionellen „wiener retusche“ Hajsinek gilt als Begründer dieser in Wien etablierten und bis heute häufig praktizierten Retuschiermethode. Er war von 1939 bis 1968 leitender Restaurator in der Gemälderestaurierwerkstätte des Kunsthistorischen Museums (KHM). Hajsineks Grundprinzip war es, beim Retuschiervorgang „keinerlei Originalmalschicht zu überdecken, sondern nur den Bereich der ausgekitteten Fehlstelle“ zu behandeln.4 Dieser Ansatz war zu seiner Zeit sehr fortschrittlich, da die großzügige Übermalung ganzer Bildpartien und die Umgestaltung von Darstellungen zur Verdeckung von Schäden nicht unüblich waren. Das Wissen über Hajsineks Vorgehensweisen und vor allem die Weitergabe seiner Erfahrungen an nachfolgende Restauratorengenerationen sind zu einem wesentlichen Teil Prof. Hubert Dietrich zu verdanken. Er war Hajsineks Nachfolger im KHM und gab die unter Berücksichtigung des aktuellen Wissenstandes seiner Zeit weiterentwickelte Form der traditionellen „Wiener Retusche“ während seiner Zeit als Leiter der Meisterklasse für Konservierung und Restaurierung an der damaligen Hochschule für angewandte Kunst (1980–1998) an seine Mitarbeiter und Studenten weiter. Hajsinek hat in den meisten Fällen die Erzielung einer „Vollretusche“ angestrebt.5 2 3

4 5

Nicolaus, K., Handbuch der Gemälderestaurierung, Köln 1986, S. 257. Das Gemälde „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm gehört dem Wien Museum und wurde dankenswerterweise für die Diplomarbeit zur Verfügung gestellt. Es gibt keine genaue Datierung des Gemäldes. Dietrich, H., Josef Hajsinek und seine Schule, in: Restaurierte Gemälde – Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien 1996, S. 17. Vollretusche bedeutet, dass jede Fehlstelle im Bild bearbeitet wird und sich die retuschierten Bereiche komplett in die originale Malschicht einfügen. Dietrich, Hubert, Josef Hajsinek und seine Schule, in: Restaurierte Gemälde – Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien 1996, S. 19.

Die traditionelle „Wiener Retusche“

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ietrich ging dazu über, die Fehlstellen weit weniger dicht zu schließen.6 Der Erfolg der Retusche ist jedoch nicht nur vom Harz-Ölauftrag abhängig, sondern beginnt bereits bei der Kittung und der darauf aufgebauten Vorretusche. Gelingt es nicht, die gekitteten Fehlstellen optisch an die originale Oberflächenstruktur anzugleichen, kann keine befriedigende Integration erzielt werden. Während der Retusche werden zuerst die Fehlstellen innerhalb der Malschicht glatt gekittet, dann mit Gouachefarben strukturiert und an die Farbigkeit der Umgebung angepasst. Der gewählte Farbton ist etwas heller und „kühler“ als die Originalmalschicht (Abb. 1). Nach einer Abschichtung erfolgt das Aneinandersetzen vieler feiner verschiedenfarbiger Punkte sowie Striche mit Harz-Ölfarben, die den angestrebten Farbton im Auge des Betrachters ergeben (Abb. 2). Der Grund für die Wahl verschienfarbiger Punkte und Striche besteht darin, dass sich die Malfarben im Lauf der Zeit unterschiedlich stark verändern. Erdfarben sind zum Beispiel alterungsbeständiger als weiße Farben. Es ist bekannt, dass sich die Harz-Ölretuschen nach einigen Jahren verändern. Sie vergilben und dunkeln häufig nach, außerdem werden sie mit der Zeit transparenter. Um diesen Veränderungen bereits während des Aufbaus der Retusche vorzubeugen, wird der Farbton der Vorretusche mit Gouachefarben heller und „kühler“ als jener der HarzÖlfarben gewählt. Dadurch, dass die Harz-Ölfarben nicht flächig, sondern mit feinen Punkten und Strichen aufgetragen werden, können die Gouachefarben den negativen Veränderungen entgegenwirken. Ein weiterer großer Vorteil der traditionellen „Wiener Retusche“ ist die Möglichkeit, optisch-farbliche Veränderungen der Retuschen durch minimale restauratorische Eingriffe im Laufe der Zeit zu verbessern. In diesem Fall reicht häufig bereits die Überarbeitung mit wenigen Farbpunkten und Strichen aus, um die Störungen auszugleichen. Diese durch Dietrich verbesserte Methode der traditionellen „Wiener Retusche“ wird am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien bis heute tradiert und praktiziert.

durchführung der traditionellen „wiener retusche“ am beispiel des „blumenstilllebens mit kaninchen“ Bei dem barocken Gemälde „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm7 handelt es sich um eine Ölmalerei auf grundierter Leinwand in einfacher Leinenbindung. Vor Beginn der Konservierung und Restaurierung des Gemäldes im Zuge 6 7

Freundliche mündliche Mitteilung von H. Dietrich, Wien, April 2005. Franz Werner von Tamm wurde am 6. 3. 1658 in Hamburg geboren und verstarb am 20. 7. 1724 in Wien. Im 18. Jahrhundert hatte er einen bedeutenden Einfluss auf die Stilllebenmalerei in Österreich und besonders Wien. Er wurde zu einem führenden Vertreter dieser Gattung.

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der Diplomarbeit am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst, wies das Gemälde zahlreiche Schäden auf. Das Schadensbild vor Beginn der Arbeit kann hier nur kurz beschrieben werden. Eine umfassende Dokumentation sowie die Beschreibung durchgeführter naturwissenschaftlicher und strahlendiagnostischer Untersuchungen finden sich in der Diplomarbeit. Auch die durchgeführten konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen können hier nicht genau ausgeführt werden, da dies den Rahmen sprengen würde. Nur die Arbeitsschritte, die in direktem Zusammenhang mit der Retusche stehen, werden ausführlich behandelt.

veränderungen und schäden am gemälde „blumenstillleben mit kaninchen“ Die Schäden betrafen sowohl den Bildträger, die Grundierung, die Malschicht, den Firnis als auch den Keilrahmen. Die Leinwand wies neben anderen Beschädigungen mehrere Materialverluste wie Löcher auf. Die Grundierung hatte zwar eine gute Haftung zur Malschicht, jedoch nicht zur Leinwand. Dadurch gab es zahlreiche Ausbrüche und Fehlstellen im gesamten Malschichtpaket, die bis zum Bildträger reichten. Neben diesen Malschichtverlusten gab es auch zahlreiche Bereiche mit lockeren Malschichtschollen. Umfangreiche und großflächige Haftungsverluste bestanden hauptsächlich in den Randbereichen und im Hintergrund des rechten Bildbereichs. Das ästhetische Erscheinungsbild des Gemäldes wurde außerdem durch optisch unpassende und farblich veränderte Retuschen sowie Übermalungen gestört. Ein weiteres Schadensbild stellten die zahlreichen Abreibungen der Oberfläche dar. In diesen Bereichen kam die rote Grundierung zum Vorschein, was die gesamte Farbwirkung negativ beeinträchtigte. Auf der Malschicht befanden sich mehrere Firnisschichten, die stark vergilbt und fleckig waren. Dies wirkte sich optisch sehr störend auf das ästhetische Erscheinungsbild und die Lesbarkeit der Darstellung aus.

konservierung und restaurierung des gemäldes „blumenstillleben mit kaninchen“ Zu Beginn der Konservierung und Restaurierung wurde die lockere Malschicht gefestigt. Anschließend erfolgte die Verklebung kleinerer Löcher im Bildträger mit Leinwandfäden sowie die Einsetzung einer Gewebeintarsie zur Schließung einer großen Fehlstelle. Der Bildträger wurde vom Keilrahmen abgespannt und die Umschlagkanten planiert. Das auf einen Arbeitsrahmen montierte Gemälde wurde einer Firnisreduzierung und

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-ausgleichung unterzogen. Im Anschluss konnten störende Kittungen, Retuschen und Übermalungen reduziert beziehungsweise abgenommen werden. Danach wurde ein Zwischenfirnis auf die Malschichtoberfläche aufgebracht. Der folgende Arbeitsschritt, die Kittung der Fehlstellen, beeinflusst das Gelingen der Retusche wesentlich.

kittung Vor Beginn der Retusche wurden vorbereitende Maßnahmen, wie die Kittung der Fehlstellen innerhalb der Malschicht, durchgeführt (Abb. 3). Dabei erfolgte eine exakte Auffüllung der Malschichtausbrüche mit einer Kittmasse, um die unterschiedlichen Niveaus auszugleichen. Große Fehlstellen wurden vor dem Auftrag der Kittmasse vorgeleimt, um eine gute Haftung zwischen Leinwand und Kittung zu gewährleisten. Die Kittmasse besteht aus Champagner- und Tritonkreide (1:1 VT),8 Leim (meist Störleim)9 und je einem Tropfen Fungizid sowie Leinöl. Die Kittmasse wurde mit passenden Werkzeugen aufgetragen. Am besten eignen sich dazu biegsame Spachteln. Nach der Durchtrocknung wurden die Kittungen mit leicht befeuchteten10 Wattestäbchen, einem Baumwolltuch oder einem Kork der unmittelbaren Umgebung angepasst. Gleichzeitig wurde versucht, eine glatte Oberfläche innerhalb der gekitteten Bereiche zu erzielen. Durch diese „Abkittung“ gelangen meist Überschüsse der angefeuchteten Kittmasse auf die originale Malschicht, die sich als weißliche Schleier abzeichnen. Diese „Kittschleiher“ müssen mit befeuchteten Wattestäbchen entfernt werden. Die Kittmasse setzte sich unter Hajsinek aus Champagnerkreide und Tritonkreide (1:1), Knochenleim oder Hasenhautleim und einem Tropfen Fungizid zusammen. Dietrich verbesserte die Rezeptur, indem er der Kittmasse einen Tropfen Leinöl zufügte. Dadurch wurde sie wesentlich elastischer und die Abnahme der „Kittschleier“ leichter durchführbar. An der Universität für angewandte Kunst wird heute ausschließlich Störleim verwendet. Besonders für die Kittung von großen Fehlstellen ist Störleim als Bindemittel der Kittmasse besser als andere Proteinleime geeignet, da er kaum Spannungen innerhalb des Materials verursacht.

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Champagnerkreide ist natürliches Calciumkarbonat. Tritonkreide ist eine selektionierte Kreide aus dem Vorkommen im Leithagebirge. Bezugsadresse: Kremer Pigmente GmbH & Co.KG, Hauptstrasse 41–47, D-88317 Aichstetten. 9 3iger Störleim und 1/3 RT Tylose. Störleim wird aus den Schwimmblasen von Stören gewonnen. Tylose ist ein Celluloseether. 10 Zum Anfeuchten wird Speichel und destilliertes Wasser verwendet.

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vorretusche und strukturierung der kittungen Im Anschluss erfolgt eine Vorretusche mit Gouachefarben.11 Diese dient zur Erzeugung der Oberflächenstruktur auf der glatt gekitteten Oberfläche. Die Strukturierung im Vorfeld der Harz-Ölretusche ist die Basis für eine optimale Integration der Fehlstellen. Die Farbe wird mit dem Pinsel auf die gekitteten Fehlstellen aufgetragen und so lange modelliert, bis eine der originalen Farbschicht angepasste Strukturierung erreicht ist. In den meisten Fällen wird bei Leinwandgemälden erst die Gewebestruktur nachgebildet und dann alle anderen Strukturelemente hinzugefügt, wie spezielle Pinselführung oder Pastositäten. Es muss jedoch nicht nur ein Relief aufgebaut werden, sondern auch die Vertiefungen, wie zum Beispiel das charakteristische Malschichtcraquelé, berücksichtigt werden. Dieses wird meist mit einer Nadel in die noch feuchte Gouachefarbe eingeritzt. Der gewählte Farbton der Vorretusche nähert sich dem zu imitierenden Bereich an, bleibt jedoch etwas heller und „kühler“. Der Grund dafür ist, dass Harz-Ölfarben wie erwähnt mit zunehmendem Alter dunkler und transparenter werden sowie vergilben. Tritt dies ein, schafft die Vorretusche so einen gewissen Ausgleich und die retuschierten Bereiche erscheinen optisch nicht so störend. Hajsinek verwendete Linel-Temperafarben der Firma Lefranc & Bourgeois. Diese wurden zu seiner Zeit unter dem Namen „Tempera-Brillante“ vermarktet.12 Der große Nachteil dieser Temperafarben bestand darin, dass sie sehr hygroskopische Eigenschaften aufwiesen und nicht komplett durchtrockneten.13 Dietrich führte eine Verbesserung zum Strukturaufbau durch, indem er zur Ausführung der Vorretusche Gouachefarben der französischen Firma Lefranc & Bourgeois einführte. Diese eigneten sich besser, da sie im Gegensatz zur Tempera trocknen und ein stabiles Farbsystem darstellen.

gouachefarben Gouachefarben enthalten neben Pigmenten und einem wasserlöslichen Bindemittel meist Gummiarabikum,14 immer weiße Pigmente und Füllstoffe. Dadurch besitzen sie einen 11

Es wurden Linel-extrafeine-Gouachefarben der Firma Lefranc & Bourgeois verwendet. Die verwendete Palette umfasst folgende Farben: Titanweiß, Permanentweiß, Kadmiumgelb hell/dunkel, Kadmiumrot hell/dunkel, Carminrot, Gelber Ocker, Siena gebrannt, Vandyckbraun, Smaragdgrün, Brillantgrün, Elfenbeinschwarz, Ultramarinblau hell, Preußischblau und Indigo. 12 Die „Tempera-Brillante“ wird heute nicht mehr produziert. Reschke, S., Die gekittete Fehlstelle und ihre Strukturierung, Diplomarbeit an der Fachhochschule Köln, 1990, S. 26. 13 Freundliche mündliche Mitteilung von H. Dietrich, April, 2005. 14 Aus dem Datenblatt der Firma Lefranc & Bourgeois erfährt man, dass das in ihren Farben enthaltene Bindemittel Gummiarabikum ist. Gummiarabikum ist das natürliche Sekret verschiedener, meist nordafrikanischer Akazienarten.

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gewissen Körper und sind zur Schaffung deckender Farbaufstriche sowie Pastositäten gut geeignet. Gouachefarben stellen also ein ideales Farbsystem dar, um in mehreren Schritten die Strukturformen der originalen Oberfläche auf den gekitteten Fehlstellen zu imitieren. Sie können den Bewegungen des Bildträgers folgen, ohne dass dadurch Sprünge und Risse entstehen. Ein großer Nachteil ist ihre Sensibilität auf Feuchtigkeit, was bei Gouachemalereien zu erheblichen Schäden führen kann. In trockener Umgebung sind Gouachefarben jedoch ein stabiles System. Bei der traditionellen „Wiener Retusche“ werden sie einerseits durch die Kittungen, auf denen sie liegen, andererseits durch die darüber aufgebrachten Schichten vor Umwelteinflüssen, besonders Feuchtigkeit, abgeschirmt. Die Kittungen ergeben einen idealen Untergrund für die Gouachefarben, da sie weder zu rau noch zu glatt sind. So können eine gute Adhäsion zwischen dem Kitt und den Gouachefarben erzielt und Abplatzungen der Farbe vermieden werden. Weiters werden Gouachefarben durch hygroskopische Zusätze15 modifiziert, um die Elastizität der Farbaufstriche zu gewährleisten.

isolierschicht Die vorretuschierten, stark saugenden Bereiche werden abisoliert, um zu verhindern, dass die Bindemittel der nachfolgenden Harz-Ölretusche in die Gouachefarben eindringen und zu farblichen Veränderungen und Glanzverminderung führen. Zur Isolierung der vorretuschierten Bereiche diente eine 25ige Dammarlösung16 in Shellsol A17 und Shellsol T18 (3 VT + 7 VT). Abhängig von der Dichte der aufgebrachten Isolierung lässt sich dadurch bereits vorab der Glanz der nachfolgenden Retusche beeinflussen. Der Auftrag mittels Pinsel erfolgt so lange, bis sich die Gouacheretusche in ihrem Glanz der Malschichtoberfläche nähert. Je dünner und weniger dicht die Isolierschicht aufgetragen wird, desto matter erscheint die später aufgebrachte Retusche. Hajsinek behandelte die vorretuschierten Kittungen mit einer Schellacklösung 19 (Schellack in Alkohol). Dietrich suchte nach einem besser geeigneten Medium zur Iso15 Hygroskopische Zusätze sind zum Beispiel Glyzerin oder früher auch häufig häufig Honig. Ehrenfort, C., Aquarell- und Gouachefarben, Diplomarbeit, Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart 1993. 16 Dammar eignet sich besser als Mastix, da sich Mastix schlecht in Shellsol auflösen lässt. Dammar ist das Harz von Bäumen, die in Indien und Südostasien vorkommen. Mastix ist das Harz der Mastix-Pistazienbäume, die in Europa vorwiegend auf der griechischen Insel Chios vorkommen. 17 Shellsol A ist ein aromatisches Kohlenwasserstoffgemisch, vgl. Sicherheitsdatenblatt der Firma Kremer Pigmente. Bezugsadresse: Kremer Pigmente GmbH & Co.KG, Hauptstraße 41–47, D-88317 Aichstetten. 18 Shellsol T ist ein isoparaffinisches Kohlenwasserstoffgemisch, vgl. Sicherheitsdatenblatt der Firma Kremer Pigmente. Bezugsadresse: Kremer Pigmente GmbH & Co.KG, Hauptstraße 41–47, D-88317 Aichstetten. 19 Schellack ist ein Harz, das von der weiblichen Lackschildlaus ausgeschieden wird. Doerner, M., Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Stuttgart, 1985, 16. Auflage, S. 6.

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lierung der Gouacheretusche. Es wurde beobachtet, dass Schellack ein negatives Alterungsverhalten aufweist, da er mit der Zeit vergilbt sowie spröde und unlöslich wird. Ein weiterer großer Nachteil der Schellacklösung ist der Alkohol, in dem Schellack gelöst ist. Dieser löst auch den Firnis der originalen Malschicht in den Randbereichen der Fehlstellen an. Dietrich führte vorerst die Isolierung der Gouacheretusche mit stark verdünntem Paraloid B72 in Xylol ein. Davon kam er jedoch nach kurzer Zeit wieder ab, da dieses Kunstharz, seiner Meinung nach, einen „plastikartigen“ Film ausbildete.20 Eine Mischung aus Dammar und Benzin erwies sich als Ersatz geeignet. Benzin stellt ein ideales Lösungsmittel für Dammar dar, weiters wird damit der Firnis der Malschicht in den Randbereichen nicht angelöst.

zwischenfirnis Mit dem Zwischenfirnis soll, vorbereitend für die Harz-Ölretusche, ein gleichmäßiger und durchgehender Oberflächenglanz auf der gesamten Bildoberfläche erzielt werden. Der Zwischenfirnis enthält 1 VT Mastix und 8 VT Terpentin. Ein gleichmäßiger Auftrag gelingt am besten durch Aufsprühen des Firnisses mit einer Spritzpistole. Wichtig ist, dass sehr wenig Material aufgesprüht wird, da der Zwischenfirnis relativ dünn sein sollte. Anschließend wird er mit einem breiten Pinsel verstrichen, bis die Oberfläche „trocken“ und verdichtet ist. Der von Hajsinek aufgebrachte Zwischenfirnis enthielt 1 VT Mastix zu 6 VT Terpentin. Dietrich veränderte das Mischungsverhältnis und verwendete die Mischung 1 VT Mastix zu 8 VT Terpentin.

harz-ölretusche Das Hauptziel der Harz-Ölretusche ist das optische Schließen der Fehlstellen und die Verbesserung des Gesamteindrucks des Gemäldes. Hajsineks Grundsatz, „die Richtschnur für die Ergänzung ist äußerste Zurückhaltung“21, gilt auch heute noch. Es wird versucht, mit einem geringen Aufwand und möglichst wenig Farbmaterial eine maximale Wirkung zu erzielen. Auf die vorretuschierten, abisolierten Bereiche werden Harz-Ölfarben22 aufgebracht 20 Freundliche mündliche Mitteilung von M. Spiegl, Mai 2005. 21 Dietrich, H., „Restauriermethode nach Prof. J. Hajsinek“, Diplomarbeit, Akademie der Bildenden Künste Wien, 1968, S. 12. 22 Zur Ausführung der Harz-Ölretusche wurden Mussini, feinste Künstler Harz-Ölfarben der Firma H. Schmincke & Co, angewendet. Die verwendete Palette umfasst folgende Farben: Titanweiß, Bleiweiß,

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und der Farbigkeit der Umgebung angepasst. Zur Verdünnung und Mischung der HarzÖlfarben diente ein Malmittel aus 1 VT Mastix zu 20 VT Terpentin. Der Auftrag der Harz-Ölfarben erfolgt nicht deckend oder lasierend, sondern durch das Aneinandersetzen feiner Punkte und Striche. Der gewünschte Farbwert wird dadurch erzielt, dass die in den unterschiedlichen Farben und Nuancen ausgeführten Strukturen erst im Auge des Betrachters den erwünschten Farbwert ergeben: Die traditionelle „Wiener Retusche“ stellt kein starres System dar, welches in derselben Art und Weise bei jedem Gemälde angewendet wird, sondern während des Arbeitsprozesses und je nach Objekt variiert werden kann. Bei genauer Betrachtung und geringer Distanz zum Gemälde ist die Retusche zu erkennen und von der originalen Malschicht unterscheidbar. Hajsinek verwendete bereits Harz-Ölfarben der Firma H. Schmincke & Co23, wobei seine Palette 19 unterschiedliche Farben der Marke Mussini umfasste.24 Auffallend ist, dass die Palette keine grüne Farbe beinhaltete. Hajsinek hat das Grün selbst angemischt. Er mischte und verdünnte die Farben auf der Palette mit einem Malmittel aus 1 VT Mastix zu 6 VT Terpentin. Während des Retuschiervorgangs legte Hajsinek mehrere Farblasuren übereinander, um den passenden Farbton zu erzielen. Nach jeder Schicht wurde ein Zwischenfirnis aufgebracht.25 Hajsinek hat die Harz-Ölfarben zwar mit feinen Punkten und Strichen aufgebracht, jedoch zusätzlich als Abschluss eine Lasur gelegt, um die Retuschen „unsichtbar“ in die originale Malschicht zu integrieren. Dietrich hat Hajsineks Farbpalette aufgestockt.26 Dabei achtete er vor allem auf die Verwendung stabilerer Farben, wie zum Beispiel Alizarinkrapplack, welcher den weniger beständigen Wurzelkrapplack ersetzte. Außerdem änderte er das Mischungsverhältnis von Hajsineks Malmitteln auf 1 VT Mastix zu 20 VT Terpentin. Die verwendeten Mussini Harz-Ölfarben der Firma HG. Schmincke & Co enthalten unterschiedliche Pigmente und eine Mischung aus dem Naturharz Dammar sowie

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Zinkweiß, Neapelgelb hell/dunkel, Kadmiumgelb hell/dunkel, Indischgelb, Lichter Ocker, Seine gebrannt, Englischrot hell, Terra di pozzuoli, Caput mortuum dunkel, Kadmiumrot hell/dunkel, Alizarinkrapplack dunkel, Vandyckbraun, Elfenbeinschwarz, Stil de grain, Lampenschwarz, Chromoxidgrün feurig/stumpf, Saftgrün, Kobaltblau hell, Künstliches Ultramarinblau dunkel, Preußischblau und Indigo. Die Firma H. Schmincke & Co wurde 1881 von den Chemikern Hermann Schmincke und Josef Horadam gegründet. Die Mussini Produkte wurden nach dem Florentiner Maler Cesare Mussini (geb. zwischen 1797–1811, gest. 1871), S. 8. Hajsineks Palette umfasste folgende Farben: Titanweiß, Neapelgelb dunkel, Kadmiumgelb hell/dunkel, Indischgelb, Ocker, Siena gebrannt, Englischrot, Terra di pozzuoli, Kadmiumrot hell/dunkel, Wurzelkrapplack, Vandyckbraun, Elfenbeinschwarz, Stil de grain, Chromoxidgrün feurig, Kobaltblau, Ultramarinblau, Preußischblau. Der Zwischenfirnis setzte sich aus 1 VT Mastix zu 6 VT Terpentin zusammen. Farben, die der Palette zugefügt wurden, waren Zinkweiß, Bleiweiß, Neapelgelb hell, Caput mortuum, Zinnobergrün hell/dunkel, Chromoxidgrün, Indigo, Lampenschwarz und Alizarinkrapplack. Zinnobergrün wird heute von der Firma H. Schmincke & Co nicht mehr produziert.

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vier unterschiedliche Ölsorten, wie Leinöl, Walnussöl, Mohnöl und Sonnenblumenöl.27 Durch diese Kombination werden die positiven Eigenschaften und Vorteile des Harzes und der unterschiedlichen Öle ausgenützt. Die Ölbindemittel werden aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften auf die Pigmente abgestimmt.28 Die Mussini-Harz-Ölfarben enthalten, laut Broschüre, Pigmente mit guter Qualität, hoher Reinheit und höchstmöglicher Lichtechtheit.

schlussfirnis Der Schlussfirnis erfüllt hauptsächlich zwei Aufgaben. Er dient einerseits als Schutzschicht gegen Umwelteinflüsse und mechanische Einwirkungen und andererseits schafft er eine optisch ansprechende, einheitlich glänzende Oberfläche. Der Schlussfirnis enthält je nach erwünschtem Oberflächenglanz 1 VT Mastix und 6–8 VT Terpentin. Er wurde auf die gesamte Bildoberfläche aufgebracht. Wie bereits beim Zwischenfirnis erörtert, eignet sich am besten das Aufsprühen des Firnisses mit einer Spritzpistole. Das Aufstreichen mittels eines breiten Pinsels ist aber ebenfalls möglich. Abschließend wird der aufgesprühte Firnis mit trockenen Pinseln so lange in senkrechter und waagrechter Strichrichtung vertrieben, bis er angezogen hat. Der „Streichfirnis“ bestand unter Hajsinek aus einer Mischung von 1 VT Mastix zu 6 VT Terpentin und der „Spritzfirnis“ aus 2 VT „Streichfirnis“ zu 1 VT Terpentin. Hajsinek strich den Firnis häufig mit dem Pinsel auf. Dietrich verwendete als Schlussfirnis eine Mischung aus 1 VT Mastix zu 6 VT Terpentin oder einen weiteren Firnis, der aus 1 VT Mastix zu 8 VT Terpentin bestand. Dietrich bevorzugte im Gegensatz zu Hajsinek das Aufsprühen des Firnisses mit der Spritzpistole.

schlussfolgerungen und aussicht Seit den Anfängen der traditionellen „Wiener Retusche“ durch Hajsinek in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden immer wieder Verbesserungen der Vorgehensweise und der Materialauswahl vorgenommen. Dennoch weist diese Retuschiermethode einige Schwachpunkte auf, welche vor allem das ungünstige Alterungsverhalten der Bindemittel Öl und Harz betreffen. Aufgrund der damit verbundenen Veränderungen der 27 Diese Informationen entstammen der Broschüre über Mussini, feinste Künstler Harz-Ölfarben. 28 Weißpigmente enthalten mehr Sonnenblumenöl und Walnussöl, da diese eine geringere Tendenz zur Vergilbung aufweisen, während andere Pigmente wiederum mehr Leinöl benötigen, da dies schnellere Trocknungszeiten aufweist.

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retuschierten Bereiche findet die Harz-Ölretusche außerhalb Österreichs fast keine Anwendung mehr. Häufig wird im Ausland einer Kombination aus Pigmenten mit Kunstharz- bzw. Polymerprodukten der Vorzug gegeben.29 Dafür wird auch eine erschwerte Handhabung in Kauf genommen, wie zum Beispiel in Großbritannien, wo die Retusche meist mit in Paraloid B7230 gebundenen Pigmenten und Xylol31 als Lösungsmittel durchgeführt wird.32 Die Retuschen weisen meist eine längere Haltbarkeit auf, da Kunstharz als Bindemittel beständiger ist als beispielsweise Harz-Öl. Der Unterschied liegt nicht nur in der Materialauswahl, sondern auch in der Ausführung und Technik. Die Farben werden flächig auf die Fehlstellen aufgebracht, während bei der traditionellen „Wiener Retusche“ mit feinen Punkten und Strichen gearbeitet wird. Die Ungewissheit über die genaue Zusammensetzung der Tubenfarben stellt ein weiteres Problem für Restauratoren dar.33 Die Praxis zeigt jedoch, dass sich die traditionelle Wiener Retuschiermethode als äußerst erfolgreich bewährt, wenn bestimmte Kriterien berücksichtigt werden. Dabei spielen die Übung und das Geschick des ausführenden Restaurators eine große Rolle. Dies zeigt sich beispielsweise an Gemälden des Kunsthistorischen Museums, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Hajsinek und Dietrich mittels der traditionellen „Wiener Retusche“ behandelt wurden.34 Die Evaluierung35 der retuschierten Stellen zeigt deutlich, dass durch eine sorgsame und feine Ausführung gute langfristige Ergebnisse erzielt werden können. Auch die Schichtdicke beeinflusst das Ausmaß der eintretenden Veränderungen. Durch eine geringe Menge an Harz-Ölfarben kann das Nachdunkeln der Farben hinausgezögert und relativ gering gehalten werden. Je dicker der Farbauftrag ist, desto schneller und stärker dunkeln die Retuschen nach. Ein großer Vorteil der 29 Unterschiedliche Möglichkeiten der Verwendung von Kunstharzen bzw. Polymerprodukten als Bindemittel für Retuschierfarben vgl. Koller, J./Baumer, U., Stabilität und Widerablösbarkeit von Retuschen auf Gemälden – Eine Betrachtung aus materialtechnischer Sicht, in: Schädler-Saub, U., Die Kunst der Restaurierung – Entwicklung und Tendenzen der Restaurierungsästhetik in Europa, München, 2005, S. 233–243. 30 Paraloid ist ein Acrylharz. Bezugsadresse: Deffner Deffner & Johann GmbH, Fachgroßhandel für Restaurierungsbedarf, Mühläcker Straße 13, D-97520 Röthlein. 31 Xylol (Aromat) ist ein mittelflüchtiges, unpolares Lösemittel. Bezugsadresse: Deffner & Johann GmbH, Fachgroßhandel für Restaurierungsbedarf, Mühläcker Straße 13, D-97520 Röthlein. 32 Praxissemester 2004, National Museum & Gallery, Cardiff/ Wales. 33 Die Herstellerfirmen geben meist keine genauen Auskünfte über die Rezepturen oder Inhaltsstoffe. 34 Dabei handelt es sich um folgende Gemälde: Geertgen tot Sint Jans, „Schicksal der irdischen Überreste Johannis d. Täufers“, ab 1448 (von Hajsinek retuschiert), Peter Paul Rubens, „Haupt der Medusa“, um 1617/18 (von Dietrich 1965 retuschiert), Geertgen tot Sint Jans, „Beweinung Christi“, ab 1448 (von Dietrich 1967/68 retuschiert) und Raffael, „Madonna im Grünen“, 1505/06 (von Dietrich 1982 retuschiert). 35 Die Evaluierung erfolgte 2004/2005 im Zuge der Diplomarbeit. Siehe dazu Eger, C., Die traditionelle „Wiener Retusche“ am Beispiel des Barockgemäldes „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2005, S. 32–38.

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traditionellen „Wiener Retusche“ ist die Möglichkeit, optisch-farbliche Veränderungen von Retuschen durch minimale Eingriffe zu verbessern. In diesem Fall reicht oft schon die Überarbeitung mit wenigen Farbpunkten und -strichen aus, um die Störungen auszugleichen. Voraussagen zum Alterungsverhalten der traditionellen „Wiener Retusche“ sind aufgrund des Zusammenspiels zahlreicher Faktoren schwer zu treffen. Dietrich schätzte die Haltbarkeit seiner Retusche mit Harz-Ölfarben auf 30 bis 40 Jahre.36 Die Fehlstellen innerhalb der Malschicht des Gemäldes „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm konnten im Zuge der Diplomarbeit mittels der traditionellen „Wiener Retusche“ mit einem guten Ergebnis integriert werden (Abb. 4). Auch heute, über fünf Jahre später, gliedern sie sich gut in das optische Erscheinungsbild der Malschicht ein und zeigen keine negativen (Farb-)Veränderungen. Es wäre von Interesse, die traditionelle „Wiener Retusche“ an restaurierten Gemälden auch in Zukunft zu evaluieren. Sicherlich könnte diese Retuschiermethode noch weiter verbessert und perfektioniert werden. Abstract The traditional “Wiener Retusche” (“Viennese style of retouching”) invented by Josef Hajsinek in the middle of the 20th century, was further developed and modified by his successors, especially by Hubert Dietrich. Thereby the filled losses in the paint layer are first painted with gouache colours to imitate the structure of the canvas and the original paint layer. Afterwards oil-resin colours are applied with fine points and lines. Most countries avoid the use of oil-resin colours for the retouching because of changes of the binding media during aging. However practical experience has proved, that retouching in the Viennese style shows very good results, if some precautions are followed. Using the conservation and restoration of a Baroque painting “Blumenstillleben mit Kaninchen” (“Still-life with flowers and a rabbit”) by Franz Werner von Tamm as a case study, the traditional “Wiener Retusche” method is demonstrated step by step in this diploma thesis.

36 Dietrich, H., Josef Hajsinek und seine Schule, in: Restaurierte Gemälde, Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien, 1996, S. 1.

Die traditionelle „Wiener Retusche“

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literatur Dietrich, H., Restauriermethode nach Prof. J. Hajsinek, Diplomarbeit, Akademie der Bildenden Künste Wien, 1968. Dietrich, H., Josef Hajsineks und seine Schule, in: Restaurierte Gemälde – Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien 1996. Doerner, M., Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Stuttgart, 1985, 16. Auflage. Eger, C., Die traditionelle „Wiener Retusche“ am Beispiel des Barockgemäldes „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm, Diplomarbeit an der Universität für angewandte Kunst, Wien 2005. Ehrenfort, C., Aquarell- und Gouachefarben, Diplomarbeit, Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart 1993. Koller, J./Baumer, U., Stabilität und Wiederablösbarkeit von Retuschen auf Gemälden – Eine Betrachtung aus materialtechnischer Sicht, in: Schädler-Saub, U., Die Kunst der Restaurierung – Entwicklung und Tendenzen der Restaurierungsästhetik in Europa, München, 2005, S. 233–243. Nicolaus, K., Handbuch der Gemälderestaurierung, Köln 1986. Reschke, S., Die gekittete Fehlstelle und ihre Strukturierung, Diplomarbeit an der Fachhochschule Köln, 1990.

stefanie gössler

Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz, Pfarre Straßburg, von 1663 technologische untersuchungen, konservierung und lagerung 1

zusammenfassung Innerhalb der beeindruckenden Landschaft der Kärntner Fastentücher stellt das Kraßnitzer Fastentuch ein farbenprächtiges Zeugnis religiöser Volkskunst aus dem 17. Jahrhundert dar. Nach einer Einführung in die Ikonographie und Geschichte wird der technologische Aufbau und Malprozess des Tuchs, d.h. die Verwendung von Leimfarben, deren Auftrag und analysierte Pigmente, eingehend betrachtet, basierend auf umfassenden konservierungswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen. Ein Wasserschaden im unteren Bereich hat zu einem massiven Abbau des textilen Bildträgers und zu Schäden an der Malschicht geführt. Da partielle Flicken früherer Restaurierungen die grundlegende Problematik des brüchigen Gewebes nicht behoben haben, sondern zu neuen Rissen führten, erfolgt eine Entrestaurierung und erneute nähtechnische Sicherung mittels eines ganzflächigen Stützgewebes. Die durch die gerollte Lagerung gebrochene Malschicht und abstehende Malschichtschollen werden partiell gefestigt. Zur vorbeugenden Konservierung wird die Verbesserung der Lagerungssituation und der Bau einer geeigneten Kiste für den Transport und die Lagerung des Tuchs angestrebt.

einleitung Laut Inschrift2 wurde das Kraßnitzer Fastentuch 1663 durch Gregor Werzer der Kirche St. Martin in Kraßnitz gestiftet, und zwar im Rahmen der Neuaufstellung des barocken

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Das Kraßnitzer Fastentuch wurde im Rahmen einer Diplomarbeit 2008/09 am Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, behandelt. Vgl. Gössler, St., Kärntner Fastentücher: Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz von 1663, Pfarre Straßburg. Untersuchung, Konservierung und Lagerung, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. Die Inschrift lautet: GOT ZU LOB UND EHR UND DER HIMELKINIGEN MARIA DEN H: PISCHOF S: MARDIN HAT GRÖGOR WERZER UNGEDERA DU SEIN HAUS MACHEN LASEN 1663.

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Stefanie Gössler

Hochaltars 1660.3 Mit seinen Maßen von 334 x 298 cm dient es zur Verhängung des Altars während der 40-tägigen Fastenzeit und erfüllt somit die Funktion als Ansage und Kennzeichnung der Zeit der %uße. Während des restlichen Jahres wird es gerollt gelagert. 1963 wurde das damals schon außer Gebrauch gesetzte Fastentuch wiederaufgefunden und zur Aufbewahrung in das Volkskundemuseum auf die Burg Straßburg gebracht. 1987 musste das Tuch nach Schloss Pöckstein umgelagert werden, wo es flach am Dachboden ausgelegt bis zu seiner ersten dokumentierten Restaurierung 1993 in den Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamtes aufbewahrt wurde.4 Nach der Restaurierung wurde es erneut seinem ursprünglichen Aufhängungsort in der Pfarrkirche St. Martin in Kraßnitz zugeführt und bereits 2001 mussten weitere bestandserhaltende Maßnahmen durchgeführt werden.5

darstellung Das Fastentuch zeigt in 16 Bildfeldern die Passion Christi: Vier Bildfelder in vier Reihen werden von einem einfachen, dunkelbraun aufgemalten Rahmenraster umgeben. Die Inschrift befindet sich an der horizontalen Rahmenleiste oberhalb der untersten Bildreihe. In horizontaler Leserichtung von links oben nach rechts unten erzählen die Darstellungen in Feldern das Geschehen des letzten Abendmahls, am Ölberg, der Gefangennahme, Jesus vor dem Hohepriester, Pilatus und Herodes, der Geißelung, der Dornenkrönung, Ecce Homo, der Kreuztragung, der Kreuznagelung, Kreuzigung und Kreuzabnahme, der Grablegung, der Auferstehung und Himmelfahrt Christi (Abb. 1, Vorderseitenansicht vor der Restaurierung). Der bühnenartige Charakter der Szenen weist auf eine starke Beeinflussung der Darstellung durch reale Passionsspiele hin, welche bei der damaligen Bevölkerung sehr beliebt waren. Künstler und Werkstätte sind unbekannt, aber vermutlich von einer provinziellen Herkunft, da die stilistische Ausführung des Tuchs von einer einfachen und plakativen, volkstümlichen Malweise geprägt ist. Oft findet man Unstimmigkeiten und Fehler in den Proportionen der Figuren. Das Kraßnitzer Tuch gehört zur Gruppe der Kärntner Fastentücher, die der religiösen Volkskunst entstammen. Die frühesten erhaltenen, jenes aus Gurk (1458) oder Haimburg (1504), zeugen von dieser Jahrhunderte alten Tradition des auch heute noch lebendigen Brauchtums in Kärnten. Die Gestaltung der Tücher erlebte im Laufe der

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Sörries, R., Die alpenländischen Fastentücher, Klagenfurt 1988, S. 116 f. Mitteilung Dr. E. Mahlknecht, Diözesankonservator, Diözese Gurk-Klagenfurt, am 16. 01. 2009. Durchgeführt von Fa. Campidell, Kärnten.

Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz

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Jahrhunderte einige formale und stilistische Veränderungen. Das Kraßnitzer Fastentuch ist in dieser Hinsicht ein besonderes Beispiel, da es am formalen Aufbau in Bildfeldern des 15./16. Jahrhunderts6 festhält, aber mit seiner geringeren Größe, der Aufhängung direkt vor dem Altaraufsatz und der Konzentration auf Bildthemen der Passion Christi die neuen Entwicklungen des 17. Jahrhunderts aufnimmt.7

technologischer aufbau Der Bestand des Fastentuchs wurde mittels konservierungswissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Untersuchungen erforscht und dokumentiert. Vergleichbare Forschungen findet man bei Ranacher8, Hoke9 und Koller10, welche Untersuchungen im Rahmen der Restaurierungen von Kärntner Fastentüchern in den Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamts publizierten. Umfassende Untersuchungen der Zittauer Fastentücher wurden auch mit Beiträgen von Schießl, Schaible und Wülfert veröffentlicht.11 Der Bildträger des Kraßnitzer Fastentuchs setzt sich aus drei vertikalen Stoffbahnen von rund 79 cm zusammen, welche mittels Überwindlingsstichen zusammengenäht sind.12 Aus dem gesamten oberen Rand des Bildträgers wurde eine 6–8 cm breite, durchgehende Schlaufe genäht, an der das Tuch mittels einer durchgeschobenen Stange vor

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Kärntner Fastentücher des 15./16. Jahrhunderts zeigen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, worin das gesamte damalige Weltbild als heilsgeschichtliches Geschehen dargestellt wurde. Rainer, O., Dom zu Gurk. Fastentuch, (Neuaufl.), Gurk 2005, S. 4 f., und Emminghaus, J. H., Das Fastentuch, in: Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte, Bd. VII, München 1981, S. 838 f. 7 Im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelten sich der Zentraltypus, bei dem sich um ein zentrales Kruzifix Szenen aus der Passion Christi anordnen, und der einszenige Typus, wobei auf der gesamten Fläche nur eine Darstellung gezeigt wird. Sörries, R., Die alpenländischen Fastentücher, Klagenfurt 1988, S. 261 f. 8 Ranacher, M., Painted Lenten Veils and Wall Coverings in Austria. Technique and Conservation, in: Brommelle, Norman S./ Thomson, Garry/ Smith, Perry (Hg.), IIC Preprints of the Contributions to the Vienna Congress 7–13 Sept. 1980, London 1980, S. 142–148. 9 Hoke, K., Zur Restaurierung gotischer Fastentücher, in: Restauratorenblätter 13/1992, S. 97–103. 10 Koller, M., Das Fastentuch von 1640 des Österreichischen Museums für Völkerkunde. Zur Bedeutung und Restaurierung im Rahmen der Fastentücher Österreichs, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 99/1996, S. 59–82 und Koller, M., Die Untersuchung und Restaurierung des Millstätter Fastentuchs, in: Carinthia I Jg. 187/1997, S. 358–362. 11 Tüchleinmalereien in Zittau und Riggisberg, in: Riggisberger Berichte 4, Riggisberg 1996, und Schießl, U./ Wülfert, S./ Kühnen, R., Technical Observations on the So-called “Großes Zittauer Fastentuch”, in: Villers, C. (Hg.), The Fabric of Images. European Paintings on Textile Supports in the 14th and 15th Centuries, London 2000, S. 99–108. 12 Anhand der Webkanten, welche entlang aller Stoffränder verlaufen, konnte man feststellen, dass die Kettfäden senkrecht und die Schussfäden waagrecht verlaufen sowie jeweils die gesamte Webbreite verwendet wurde.

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den Altaraufsatz gehängt werden kann. Als Material wurde ein dicht gewebtes Leinengewebe13 mit einfacher Leinenbindung verwendet.14 Unregelmäßige Verdickungen im Fadenverlauf und der ungleichmäßig gewebte Charakter zeichnen die Leinwand als ein am Handwebstuhl gefertigtes Gewebe aus. Zur Vorbereitung des textilen Bildträgers auf den Malprozess diente eine Imprägnierung des Gewebes. Sie sollte ein Auslaufen und Durchdringen der Farben auf die Rückseite verhindern. Histochemische Anfärbetests15 und Untersuchungen am Rasterelektronenmikroskop16 ergaben, dass in den meisten Probenquerschliffen proteinisch gebundene Steinkreidepartikel17 um die Fasern des Bildträgers liegen. Daraus kann man zwei mögliche Arten der Vorbereitung des Bildträgers ableiten: Zum einen kann das Tuch nur mit Leimwasser behandelt worden sein, da die Steinkreidepartikel an den Fasern auch aus der darüber aufgetragenen Malschicht stammen könnten. Zum anderen kann Leimwasser angereichert mit Steinkreide sehr dünn und ungleichmäßig, d.h. zügig, aufgetragen worden sein. Dies würde mit den Ergebnissen der im Zuge der 1993 durchgeführten Restaurierung des Kraßnitzer Fastentuchs getätigten Untersuchungen18 übereinstimmen, welche besagen, dass das „Gewebe mit dünner Kreide imprägniert“ wurde. So handelt es sich offenbar um eine Kombination aus Vorleimung und dünnster Grundierung. Diese Vorbereitung der Leinwand ist ungewöhnlich und konnte bis jetzt an keinem anderen Kärntner Fastentuch festgestellt werden.19 Lediglich am Großen Zittauer Fastentuch, rund 200 Jahre zuvor (1472), ohne zeitliche und örtliche Bezüge zum Kraßnitzer Tuch, findet sich eine ähnliche Vorbereitung des Bildträgers: Über einer proteinischen Vorleimung wurde hauchdünn proteinisch gebundener Kalk aufgetragen, sodass nur Partikel um die Fasern liegen.20 Schießl findet einen Ansatzpunkt für diese

13 Die Faseranalytik mittels Durchlicht- und Polarisationsmikroskopie wurde mit aProf. Mag. Dr. Regina Hofmann-de Keijzer am Institut für Kunst und Technologie, Universität für angewandte Kunst Wien, durchgeführt. 14 10 Schuss- und 8 Kettfäden pro cm2, Z-Drehung der Fasern, 0,3–2 mm Fadenstärke. 15 Naturwissenschaftliche Untersuchungen an Malschichtproben wurden mit Dipl.-Ing. Tanja Bayerová am Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, durchgeführt. 16 REM-EDX durchgeführt von aProf. DI Rudolf Erlach am Institut für Kunst und Technologie, Universität für angewandte Kunst Wien. 17 Steinkreide ist pulverisierter dolomitischer Kalkstein. Hering, B., Weiße Farbmittel, Nürnberg 2000, S. 124. 18 Naturwissenschaftliche Untersuchungen des Bundesdenkmalamts, durchgeführt von Dr. Paschinger. Siehe dazu den Laborbericht 156 - 195/93 und BDA Dokumentation zu W8405. 19 Koller, M., Das Fastentuch von 1640 des österreichischen Museums für Völkerkunde. Zur Bedeutung und Restaurierung im Rahmen der Fastentücher Österreichs, in: Österreichische Zeitschrift für Völkerkunde 99/1996, S. 67. Beispielsweise konnte am Millstätter Fastentuch, 1593, auch Stärkekleister festgestellt werden. Koller, M., Die Untersuchung und Restaurierung des Millstätter Fastentuchs, in: Carinthia I 187/1997, S. 359. 20 Wülfert, Untersuchungen Zittau und Riggisberger Tüchleinmalereien 1996, S. 168.

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Vorgehensweise in Cennino Cenninis „Libro dell’arte“, um 1400. Gips und Leim werden mit etwas Stärke und Zucker vermischt. Diese Mischung wird über der getrockneten Vorleimung mit einem flachen Messer gleichzeitig aufgetragen und wieder abgeschabt, sodass nur die Fadenzwischenräume ausgefüllt sind.21 Die Malschicht mit ihrer unebenen, wenig geschlossenen und matten Oberfläche sowie porösen Konsistenz wurde mit tierischem Leim gebunden. Die Untersuchung mittels Gaschromatografie/Massenspektrometrie22 engte die Auswahl des Bindemittels auf tierischen Leim, vermutlich Hasenhautleim, ein. Der Malschichtauftrag am Kraßnitzer Fastentuch erfolgte in mehreren Gestaltungsstufen oder Arbeitsphasen (Abb. 2: Detail Farbauftrag in drei Schichten). Zu Beginn wurde eine Unterzeichnung angelegt, welche der Künstler mit Eisenoxidrot ausführte.23 Zuerst wurden das Rastersystem der Bildfelder und die Rahmenleisten angelegt, in welche dann die Umrisse der Figuren, Gegenstände, Architekturelemente etc. eingetragen wurden. Man kann sich vorstellen, dass der Künstler für die geraden Linien der Bildfelder Hilfsmittel wie Leisten oder gespannte Schnüre verwendete, wohingegen die Zeichnung der Figuren etc. mit freier Hand und schnellem Pinselduktus durchgeführt worden sind. Es wurden auch keine Hinweise auf irgendeine Art der Übertragungshilfe von einer Vorzeichnung, wie Quadratraster oder Lochpause, gefunden. Da dieses Medium kaum Korrekturen während des Schaffensprozesses zulässt, sind öfters falsch angelegte Linien der Unterzeichnung zu entdecken, welche der Künstler mit dem Farbauftrag überdeckt hat und somit die Zeichnung korrigierte. Als nächster Schritt erfolgte der erste flächige Farbauftrag, wobei die Umrisslinien und Hintergründe mit einem den unterschiedlichen Farbbereichen entsprechenden hellen Lokalton gefüllt wurden. Auch hier kann eine bestimmte Abfolge der nacheinander aufgetragenen Farbpartien nachvollzogen werden. Die Farben des Himmels, des Bodens bzw. der Wiese sowie der Architekturelemente im Hintergrund wurde immer vor der farbigen Gestaltung der Figuren angelegt. Dies erkennt man an den Grenzen der einzelnen Farbbereiche, wo es zu Überschneidungen der Farbaufträge kam. Die Hintergrundfarbe liegt dabei grundsätzlich unter jener der Figuren, wie auch blaue Farbspritzer des Himmelfarbtons. Die Farbe des Inkarnats wurde zuletzt angelegt. In einem nächsten Arbeitsschritt wurden die Schattenbereiche aufgetragen, welche

21 Schießl, U., Zur Maltechnik des Großen Zittauer Fastentuches, in: Tüchleinmalereien in Zittau und Riggisberg, Riggisberger Berichte 4, Riggisberg 1996, S. 76 ff. 22 Durchgeführt von DI Dr. Václav Pitthard im naturwissenschaftlichen Labor des Kunsthistorischen Museums Wien. 23 Bei genauerer Betrachtung der Grenzflächen bzw. Umrisse werden die Linien der dunkelroten Unterzeichnung mit bloßem Auge sichtbar, da die Deckkraft der darüber liegenden Malschicht nicht ausreicht oder die darüber liegende Malschicht abgerieben oder verloren gegangen ist.

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der Künstler in dunkleren Abstufungen des entsprechenden Farbbereichs malte. Damit wurde Figuren und Gegenständen Körperhaftigkeit verliehen, wie z.B. die Falten der Gewänder. Anschließend wurden mit dunklen Konturen die Umrisse nachgezogen, um eine bessere Fernwirkung zu erreichen. Mit weiß ausgemischten Höhungen setzte der Künstler letzte Akzente in Gesichtern oder Gewändern. Details wie Stöcke, Spieße, Seile, Wolken am Himmel und Federbuschen an Helmen liegen zumeist als oberste Malschicht über bereits gemalten Figuren und Hintergründen. In einem der letzten Arbeitsschritte wurde schließlich das Rahmensystem mit dunkelbrauner Farbe gefüllt. Der deckende Farbauftrag mit den kräftig leuchtenden Farben ist in den gut erhaltenen oberen zwei Bildreihen des Kraßnitzer Fastentuchs noch eindrucksvoll sichtbar. An manchen Stellen ist die Farbe so dünn aufgetragen, dass die Gewebestruktur noch sichtbar ist. An anderen, dick aufgetragenen Farbbereichen liegt eine durchgehende Schicht auf den Fasern auf. 24 Die Farbpalette des Künstlers aus Kraßnitz gestaltet sich sehr einfach. Für die vielen unterschiedlichen Farbbereiche wurden allein Mennige, Smalte, Malachit, roter, gelber sowie brauner Ocker (Umbra), Kohlenstoffschwarz und Steinkreide25 identifiziert. Mischte er diese Pigmente, erhielt er die vorliegenden vielfältigen Farbvariationen. Diese Pigmente waren in der damaligen Zeit leicht erhältliche und weitverbreitete Materialien. Lediglich Smalte wurde erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts vermehrt als Pigment eingesetzt. Manche Bereiche der Leinwand beließ der Künstler bewusst ohne Malschicht und integrierte somit den Bildträger in die farbliche Gestaltung, z.B. an Haaren und Bärten. Beispielsweise für Schattenbereiche wurde Kohlenstoffschwarz und in gelben oder roten Farbbereichen Umbra dem Lokalton beigemischt, Höhungen bzw. helle Lokaltöne mit Steinkreide aufgehellt.

zustand und frühere restaurierungen Obwohl der allgemeine Erhaltungszustand des Fastentuchs als relativ gut angesehen werden kann, so findet man vor allem in der untersten Bildreihe massive Schäden am Bildträger. Aufgrund mehrerer Wasserschäden und der Tatsache, dass der untere Rand des Bildträgers bei der gerollten Lagerung ungeschützt außen lag und somit Umwelteinflüssen, wie direkte Sonneneinstrahlung oder hoher relativer Luftfeuchtigkeit, stark 24 Dannegger beschreibt vergleichbar, dass der Farbauftrag „(…) die Zwischenräume der einzelnen Fasern aufgefüllt sind und eine eindeutige Schicht über den Fasern liegt“. Dannegger, M., Untersuchung an einem Ensemble gemalter Tapisserie-Imitationen des 18. Jahrhunderts aus dem Kollegium St. Michael in Freiburg, Dipl.Arb., Hochschule der Künste Bern 1990, S. 49. 25 Die Kreide fungiert in der Gouachetechnik nicht als reiner Füllstoff, sondern wird als Weißpigment verwendet.

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ausgesetzt war, entstand sprödes, verbräuntes und brüchiges Gewebe, das die grundlegende Schadensproblematik des Objekts darstellt. Dort verursachte die alljährliche mechanische Belastung während des Gebrauchs zahlreiche Risse und Löcher. Außerdem entstanden dadurch großflächige Fehlstellen in der Malschicht, wodurch der bunte, farbig leuchtende Farbeindruck in der unteren Bildhälfte verloren ging. Zusätzlich wurde die Malschicht durch die gerollte Lagerung des Tuchs mit der Bildseite nach innen in horizontaler Richtung gestaucht. So entstanden über die gesamte Oberfläche des Tuchs an den Stauchungslinien kleine Bruchstücke in der Malschicht, welche die Haftung zum Untergrund verloren haben. Besonders große Farbverluste weisen grüne und blaue Farbbereiche auf, weil diese sehr dick aufgetragen worden sind und eine große Partikelgröße gemeinsam haben.26 Durch die gerollte Lagerung entstanden außerdem Knitter und Knicke im Bildträger. Ein weiteres Schadensbild zeigt sich an den grünen Farbpartien aus kupferhaltigem Malachit, wo sich das Gewebe mehr oder weniger stark verbräunte. Grund dafür ist die Oxidation des Gewebes, verursacht durch die Katalysatorwirkung des Schwermetalls Kupfer.27 Das wiederholte Aufnageln des Fastentuchs an seinen Rändern – als Reparatur- und Montagemaßnahme – führte im Laufe der Zeit zu groben Gewebeverletzungen. All diese Schäden wurden während der Restaurierung 1993 behandelt.28 Die Malschicht wurde großflächig gefestigt, gereinigt sowie eine Magnesiumcarbonatlösung aufgesprüht, welche den „Kupferfraß“ an verbräunten Leinwandbereichen vorbeugen sollte. Die zahlreichen Risse und Löcher unterlegte man partiell mit Leinengewebeflicken, welche mit senkrechten Spannstichen vernäht wurden. Auch die an den Nagellöchern stark ausge26 Auch am Gurker Fastentuch und am Zittauer Fastentuch konnte beobachtet werden, dass die blauen und grünen Farbbereiche der Azurit- und Malachitschichten reduziert vorliegen. Schießl äußert, dass die gröbere Pigmentkörnung, welche für die intensive Farbigkeit notwendig ist, die Haftung des Farbfilms vermindert. Ranacher, M., Painted Lenten Veils and Wall Coverings in Austria. Technique and Conservation, in: Brommelle, Norman S./Thomson, Garry/Smith, Perry (Hg.), IIC Preprints of the Contributions to the Vienna Congress 7–13 Sept. 1980, London 1980, S. 145, und Schießl, U., Zur Maltechnik des Großen Zittauer Fastentuches, in: Tüchleinmalereien in Zittau und Riggisberg, [Riggisberger Berichte 4], Riggisberg 1996, S. 85. 27 Vergleichbar mit „Kupferfraß“ an Papierobjekten. Banik, G./Stachelberger, H./Wächter, O., Investigation of the Destructive Action of Copper Pigments on Paper and Consequences for Conservation, in: Brommelle, N.S.; Thompson, G. (Hg.), IIC, Contributions to the Washington Congress, 3.–9. September 1982, Preprints, London 1982,S. 75 ff. Der Kupferfraß an grünen, aber auch blauen Farbbereichen durch die Verwendung von kupferhaltigen Pigmenten konnte an einigen Kärntner Fastentüchern wie Gurk, Maria Bichl, Sternberg beobachtet werden. Siehe dazu Hoke, K., Zur Restaurierung gotischer Fastentücher, in: Restauratorenblätter 13/1992, S. 97, und Ranacher, M., Painted Lenten Veils and Wall Coverings in Austria. Technique and Conservation, in: Brommelle, Norman S./Thomson, Garry/Smith, Perry (Hg.), IIC Preprints of the Contributions to the Vienna Congress 7–13 Sept. 1980, London 1980, S. 145. 28 Dokumentation der Werkstätten des Bundesdenkmalamts W8405.

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rissenen Ränder sowie die Aufhängeschlaufe wurden nähtechnisch mit einem Gewebestreifen gesichert. Die großflächigen Fehlstellen wurden mit Aquarellfarben retuschiert, sodass man auch in der unteren Hälfte des Fastentuchs ein geschlossenes Erscheinungsbild erhielt. Im Zuge der Restaurierung 2001 wurden an vier neu entstandenen Rissen am unteren Rand Flicken mit synthetischem Klebstoff (Polyvinylacetat-Dispersion) angebracht. Der Klebstoff drang vollständig in das Gewebe ein. Mit der Zeit bildete sich ein durch und durch verhärtetes und brüchiges Material. Die Maßnahmen jener Restaurierungen, welche die Risse und Löcher mittels partieller Flicken zu schließen versuchten, haben allerdings die grundlegende Problematik des abgebauten und brüchigen Gewebes nicht behoben. Vielmehr entstanden an den Flicken, insbesondere an den aufgeklebten, neue Risse im geschwächten Gewebe (Abb. 3: Rückseite, Riss um den aufgeklebten Flicken). Da das Tuch weiterhin auf einer Rolle mit zu kleinem Durchmesser (von 10 cm) mit der Bildseite nach innen gelagert wurde, was grundsätzlich zu Schäden führt, hat sich außerdem ein partieller Festigungsbedarf an den gestauchten Malschichtbereichen ergeben. Die Oberflächenverschmutzung des Fastentuchs beschränkte sich auf lose aufliegende Staub- und Schmutzauflagen, welche ästhetisch nicht störend wirkten.

ziel der konservierung und restaurierung 2008/09 Das Kraßnitzer Fastentuch soll weiterhin in Gebrauch bleiben und jährlich zur Fastenzeit vor dem Hochaltar der Kirche des Hl. Martin präsentiert werden. Deshalb bestand das vorrangige Ziel darin, das abgebaute Gewebe sowie Risse im unteren Bereich des textilen Bildträgers mittels konservatorischer Maßnahmen zu sichern. Ebenso bedurfte die gebrochene Malschicht einer Festigung. Die Maßnahmen dürfen das Erscheinungsbild und den textilen Charakter des Objektes nicht beeinträchtigen. Auch die Form der Hängung, an der Oberseite mittels Stange, die der ursprünglichen Präsentation aller Kärntner Fastentücher entspricht, sollte erhalten bleiben. Da das Fastentuch nicht in der Kraßnitzer Kirche gelagert werden kann, muss die Transportfähigkeit gewährleistet bleiben. Zur vorbeugenden Konservierung muss die Lagerungssituation verbessert und gesicherte Transportbedingungen geschaffen werden.

durchgeführte massnahmen Um die gesamte Fläche des Fastentuchs bearbeiten zu können, wurde es an Ober- und Unterseite über zwei Rollen auf- und gleichzeitig abgerollt, derart konnten auch Bereiche in der Mitte des Tuches zugänglich gemacht werden.

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Die partielle Festigung der Malschicht wurde mit 2iger Methylcellulose29 in deionisiertem Wasser durchgeführt. Für die Abnahme loser Staub- und Schmutzauflagen kam ein handelsüblicher Staubsauger zum Einsatz. Dabei wurde die Oberfläche nicht berührt und Partikel nur mit dem Luftsog entfernt. Knitter und Verfaltungen im Bildträger konnten mit einem Ultraschallvernebler30 geglättet werden. Der geknickte Bereich der Leinwand wurde von der Rückseite her leicht befeuchtet und anschließend ließ man ihn beschwert trocknen. Nach zwei bis drei Wiederholungen des Befeuchtens waren die Falten der Leinwand ausreichend reduziert. Für die Konsolidierung der brüchigen Leinwand entschied man sich, die Flicken der vorangegangenen Restaurierungen abzunehmen und eine Sicherung mittels eines ganzflächigen, nähtechnisch angebrachten Stützgewebes vorzunehmen. Auch die Schlaufe zur Aufhängung wurde geöffnet und eine neue aus dem Stützgewebe gebildet. Dadurch wird das Originalgewebe an der Schlaufe entlastet. Das ganzflächige Stützgewebe hat den Vorteil, dass es das Gewicht des Originals trägt, sodass der vertikale Zug, welcher während der Hängung im Originalgewebe wirkt, verringert wird. So bietet diese Methode, vor allem weil das Fastentuch noch im Gebrauch ist, ganzflächigen Schutz und Stütze. Aufgenähte Flicken wurden mit Schere und Pinzette entfernt. Zur Abnahme der aufgeklebten Flicken musste der Klebstoff mit einer Ethanol-Wasser Mischung, verdickt mit Hydroxypropylcellulose31, vorgequollen werden. Die Rückstände des Klebstoffes konnten nicht vollständig aus den Fasern entfernt werden. Als Stützgewebe wurde ein Leinengewebe mit ausreichender Stabilität und ähnlicher Struktur gewählt, welches sich bei Wechsel der relativen Luftfeuchte möglichst ident verhält. Das Stützgewebe wurde vorgewaschen, um Appreturen zu entfernen, die Flexibilität zu erhöhen und seine Reaktion auf Feuchtigkeit zu vermindern.32 Stützgewebe und Original wurden miteinander verbunden, indem in regelmäßigen Abständen Stützlinien aus Vorstichreihen zueinander versetzt genäht wurden, damit der Zug nicht punktuell wirkt, sondern über die gesamte Fläche verteilt ist.33 Die Ränder der Löcher und Risse wurden mittels vertikal gesetzten Spannstichen am Stützgewebe gesichert (Abb. 4: Detail, mit Spannstichen am Stützgewebe gesicherter Riss). Abschließend wurden Fehlstellen neutral retuschiert, um das Stützgewebe an Rissen und Löchern farblich zu integrieren. Dazu wählte man eine 1ige

29 Methocel A4 C; Deffner & Johann GmbH, D-97520 Röthlein, Mühläcker Straße 13. 30 Ultrasonic Humidifier, Pifco Model Nr. 1077; Preservation Equipment Ltd., Vinces Road, Diss, Norfolk, IP224HQ, England. 31 Klucel G; Deffner & Johann GmbH, D-97520 Röthlein, Mühläcker Straße 13. 32 Das Stützgewebe wurde in kalten und heißen Wechselbädern drei Tage lang gewaschen. 33 Genäht wurde mit einer Rundnadel und lichtechten Baumwoll-Maschinenstickgarn, je nach Farbbereich im passenden Farbton.

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Traganth-Gouache34, welche den Vorteil hat, nicht auf die Rückseite des Stützgewebes durchzudringen und somit keine Flecken zu bilden. Für eine verbesserte Lagersituation ist es wichtig, das Tuch mit der Bildseite nach außen aufzurollen und den Durchmesser der Rolle auf 40 cm zu vergrößern, um die Beanspruchung für die Malschicht so gering wie möglich zu halten. Für den Transport eignet sich eine Kiste mit einer Vorrichtung, wo die Enden der Rolle aufliegen können und festgehalten werden, ohne zu verrutschen. Der Lagerort sollte sauber sein, nicht in Bodennähe und kalten Wänden oder Installationsrohren etc., ohne direkte Sonneneinstrahlung, mit stabilem kühlem und trockenem Klima ohne Kondenswasserbildung, mit ausreichend Luftzirkulation und mit einer Hülle als Staubschutz. Auf regelmäßige Kontrollen während der Lagerung muss besonderer Wert gelegt werden, um Schadensfaktoren frühzeitig zu erkennen und Schäden vorzubeugen.

Abstract In the impressive group of Carinthian Lenten Veils, the Lenten Veil of Kraßnitz is an exceptionally colourful record of religious 17th-century folk art. An introduction to the object’s iconography and history is followed by a detailed description of the Veil’s painting technology and process, like the use of water colours, its application and analysed pigments, based on conservational and scientific analyses. Severe water damage in the Veil’s lower part caused degradation of the canvas and damaged the paint layer. Partial patches from previous conservation treatments did not solve the problem of the brittle canvas. Instead they led to tears and therefore must be removed before a support backing can be sewn on. The paint layer that is broken due to rolled storage must be consolidated. Furthermore, better storage facilities and the construction of an appropriate box for the Veil’s transportation will be suggested.

literatur Banik, G./Stachelberger, H./Wächter, O., Investigation of the Destructive Action of Copper Pigments on Paper and Consequences for Conservation, in: Brommelle, N.S.; Thompson, G. (Hg.), IIC, Contributions to the Washington Congress, 3.–9. September 1982, Preprints, London 1982, S. 75 ff.

34 Der fertige Traganth-Schleim wurde mit Ockerpigmenten angemischt.

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Dannegger, M., Untersuchung an einem Ensemble gemalter Tapisserie-Imitationen des 18. Jahrhunderts aus dem Kollegium St. Michael in Freiburg, Dipl.Arb., Hochschule der Künste Bern 1990. Emminghaus, J. H., Das Fastentuch, in: Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte, Bd. VII, München 1981. Hering, B., Weiße Farbmittel, Nürnberg 2000. Hoke, K., Zur Restaurierung gotischer Fastentücher, in: Restauratorenblätter 13/1992, S. 97–103. Koller, M., Die Untersuchung und Restaurierung des Millstätter Fastentuchs, in: Carinthia I 187/1997, S. 358–362. Koller, M., Das Fastentuch von 1640 des Österreichischen Museums für Völkerkunde. Zur Bedeutung und Restaurierung im Rahmen der Fastentücher Österreichs, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 99/1996, S. 59–82. Rainer, O., Dom zu Gurk. Fastentuch, (Neuaufl.), Gurk 2005. Ranacher, M., Painted Lenten Veils and Wall Coverings in Austria. Technique and Conservation, in: Brommelle, Norman S./Thomson, Garry/Smith, Perry (Hg.), IIC Preprints of the Contributions to the Vienna Congress, 7.–13. Sept. 1980, London 1980, S. 142–148. Schießl, U./Wülfert, S./Kühnen, R., Technical Observations on the So-called “Großes Zittauer Fastentuch”, in: Villers, C. (Hg.), The Fabric of Images. European Paintings on Textile Supports in the 14th and 15th Centuries, London 2000, S. 99–108. Schießl, U., Zur Maltechnik des Großen Zittauer Fastentuches, in: Tüchleinmalereien in Zittau und Riggisberg, [Riggisberger Berichte 4], Riggisberg 1996. Sörries, R., Die alpenländischen Fastentücher, Klagenfurt 1988. Wülfert, Untersuchungen Zittau und Riggisberger Tüchleinmalereien 1996.

judith kern

Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Universalmuseum Joanneum, Graz bestandsaufnahme eines spätmittelalterlichen flügelaltars und seine restaurierung

zusammenfassung Der spätgotische Flügelaltar, Tempera auf Nadelholz, 68 x 72 x 2,8 cm, benannt nach der Apostel-Darstellung der Haupttafel, aus dem Universalmuseum Joanneum ist Thema einer Diplomarbeit von 2008/09. Der ursprüngliche Aufstellungsort des Altars ist unbekannt, die Entstehungszeit wird um 1490 vermutet. Die kunsthistorische Einordnung in das Grenzgebiet von Kärnten/Steiermark/Slowenien wird überprüft und neue Vergleichsbeispiele aus Kärnten und der Steiermark angeführt. Durch naturwissenschaftliche Analysen und konservierungswissenschaftliche Untersuchungen können wichtige Informationen zum Bestand und Zustand gewonnen werden. Eine besondere Problematik der Konservierung des weitgehend originalen Bestandes sind fest anhaftende, fette Schmutzschichten sowie großflächige Tierkotauflagen. Deren Abnahme basiert auf Testreihen verschiedener mechanischer und wässriger Methoden. Der originale Firnis wird dabei erhalten. Spätere Übermalungen werden teilweise abgenommen, teilweise durch farbiges Eintönen zurückgedrängt und in den Bestand integriert.

vorstellung des objektes Das spätgotische Flügelaltärchen (ca. 68 x 72 x 2,8 cm) aus der Alten Galerie des Universalmuseums Joanneum (Graz) wurde im Studienjahr 2008/09 im Rahmen einer Diplomarbeit behandelt.1 Aktuelle Inventarnummer des Altärchens ist „419“. Das Objekt kam im Zuge einer Schenkung von Dechant Michael Beter (1796–1869) aus der Gegend von Köflach ins Joanneum, der genaue Zeitpunkt der Schenkung ist nicht bekannt,

1

Kern, J., Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Landesmuseum Joanneum, Graz. Untersuchung, Konservierung, Restaurierung und kunsthistorische Einordnung eines spätgotischen Flügelaltars, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2009.

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Judith Kern

dürfte allerdings um die Mitte des 19. Jahrhunderts anzusetzen sein, als Beter für die Pfarre Köflach zuständig war. Der Altar wurde seit spätestens 1964 im Depot gelagert und kunstgeschichtlich nur oberflächlich erforscht. Er wird auf ca. 1490 datiert; Herkunftsort und Künstler sind unbekannt, er wird allerdings in das Grenzgebiet zwischen Steiermark und Kärnten eingeordnet. Die Malerei ist durchaus qualitätvoll und zeigt einen sehr persönlichen, ausdrucksvollen Stil mit starker Charakterisierung der Figuren und fein ausgeführten Details. Der in einem weitaus originalen Zustand erhaltene Altar besteht aus einer Haupttafel mit zwei beweglichen Flügeln, wodurch entweder eine Werktags- oder eine Feiertagsseite präsentiert werden kann. Auf den Flügeln der Werktagsseite ist die Verkündigung an Maria abgebildet. Die Feiertagsseite zeigt auf der Haupttafel Christus mit dem Reichsapfel im Kreise der zwölf Apostel. Auf dem linken Flügel ist die hl. Helena, auf dem rechten der hl. Florian dargestellt. Die Hintergründe dieser Tafeln sind mit poliertem Goldhintergrund versehen, die mit reliefartig geschnittenen Gravierungen verziert sind. Das dargestellte Rapportmuster setzt sich aus Granatapfelrosetten, Vögeln und einzelnen Blättern in einfachen Reihen zusammen. Auch die Rückseite der Haupttafel ist bemalt, sie zeigt das Vera Ikon, das Schweißtuch der Veronika mit dem Abbild Christi (Abb. 1: Feiertagsseite, Aufnahme nach der Restaurierung; Abb. 2: Werktagsseite, Aufnahme nach der Restaurierung).

kunstgeschichtliche einordnung des altars In der Literatur findet das Altärchen erstmals 1923 Erwähnung, nämlich in Wilhelm Suidas Die Landesbildergalerie und Skulpturensammlung in Graz. 2 Suida datiert den Altar in das 15. Jahrhundert und geht von einem steirischen Maler aus mit einer gewissen Nähe zum Altar eines steirisch-kärntnerischen Malers. Später nennt Alfred Stange das Altärchen im österreichbezogenen Band von Deutsche Malerei der Gotik im Zusammenhang mit der slowenischen Kunst des späten 15. Jahrhunderts und meint eine Verwandtschaft zu den Spätwerken von Johannes von Laibach zu erkennen.3 Eine weitere Beschreibung befindet sich in Gottfried Biedermanns Katalog. Alte Galerie am Landesmuseum Joanneum von 1982.4 Er bezeichnet den Stil der Figuren als 2 3 4

Suida, W., Die Landesbildergalerie und Skulpturensammlung in Graz, Wien 1923, S. 11. Stange, A., Deutsche Malerei der Gotik. Österreich und der ostdeutsche Siedlungsraum von Danzig bis Siebenbürgen in der Zeit von 1400 bis 1500, München (u.a.) 1961, S. 112. Biedermann, G., Katalog. Alte Galerie Landesmuseum Joanneum. Mittelalterliche Kunst. Tafelwerke – Schreinaltäre – Skulpturen, Graz 1982, S. 131f.

Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Universalmuseum Joanneum, Graz

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„originell und bäuerlich“ und ordnet das Altärchen in das Grenzgebiet zwischen Steiermark und Kärnten ein, wobei er keine besonderen Ähnlichkeiten mit steirischen Tafeln feststellen könne. Seiner Meinung nach ist die Hand des Malers nicht nachzuweisen. Die in der Literatur angeführten Vergleichsbeispiele zeigen bei genauerer Betrachtung nur wenige Übereinstimmungen mit dem vorliegenden Altärchen. Auf der Suche nach relevanten Vergleichen fallen die größten Ähnlichkeiten eines Altars aus der Steiermark (Grenzgebiet zu Oberösterreich) auf, nämlich der Nothelferaltar aus der Spitalskirche von Bad Aussee, ein auf ca. 1480–1490 datiertes Werk eines unbekannten Meisters. Die Übereinstimmungen liegen in der Art der Komposition, dem Gesichts- und Figurentypus sowie in der Behandlung der Stoffdraperien. Ein weiterer Vergleich basiert auf der charakteristischen Schrittstellung der Figuren auf dem Apostelaltar. Diese sind auch ein typisches Merkmal des „Meisters der Amlacher Altarflügel“, der gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Westkärnten tätig war. Ähnlichkeiten bezüglich der außergewöhnlichen Augen der Figuren auf dem Apostelaltar sind in den Gemälden des Marienaltars aus der Stadtpfarrkirche in Hermagor (Südwestkärnten) zu finden. Der Altar stammt von einem unbekannten Maler und wird auf 1485 datiert. Aufgrund der Parallelen mit den eben genannten Werken sind das Herkunftsland des Künstlers, seine Ausbildungsstätte und die Einflüsse in der Steiermark und/oder in Kärnten zu vermuten. Eine Verbindung mit Slowenien, die Stange vermutete, konnte nicht hergestellt werden. Zur Verifizierung der Datierung können die Gravierungen im Goldhintergrund herangezogen werden. Textilien mit naturalistischen Tierdarstellungen wie Vögeln werden in Gemälden hauptsächlich im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts abgebildet.5 Die floralen Ornamente, die in der Gravierung neben den Vögeln dargestellt sind, stellen mit großer Wahrscheinlichkeit Granatapfeldekor dar. Die frühesten datierbaren Darstellungen dieses Mustertypus stammen von 1425 bis 1428; die häufigste Ornamentgruppe stellen sie in der Malerei der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dar.6 Der Altar kann also frühestens 1425 entstanden sein, vermutlich aber in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

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Koch, A., Darstellung von Seidenstoffen auf schwäbischen Gemälden, in: Württembergisches Landesmuseum Stuttgart (Hg.), Graviert, gemalt, gepresst. Spätgotische Retabelverzierungen in Schwaben, Stuttgart 1996, S. 12–17, S. 16. Ebenda, S. 16.

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bestandsaufnahme Die Bestands- und Zustandserfassung des Apostelaltärchens basierte auf optischen Untersuchungen (mit Zuhilfenahme des Stereomikroskops), die von verschiedenen strahlendiagnostischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen ergänzt wurden. 7 Bestand Bildträger Das Flügelaltärchen setzt sich aus der Haupttafel und den beiden seitlichen Flügeln zusammen. Die beidseitig bemalten Tafeln (Nadelholz) sind in Nutrahmen in der Weise der Rahmen-Füllung-Konstruktion8 eingesetzt. Sie sind aus mehreren vertikal zusammengesetzten, stumpf verleimten Brettern aufgebaut. Die Brettstärke beträgt ca. 1 cm. Die Oberfläche des Holzes scheint nicht vollständig glatt, es sind rillenförmige Bearbeitungsspuren in Richtung des Faserverlaufes vorhanden. Überklebungen Um Unebenheiten im Bildträger auszugleichen und besonders um für die Bereiche der Vergoldungen eine flexible Grundlage zu schaffen, wurden große Teile des Bildträgers mit einem Leinwandgewebe kaschiert. An der Feiertagsseite wurde die gesamte Oberfläche beklebt, an der Werktagsseite nur der besonders gefährdete Bereich der Fugen.9 Das für die Kaschierung verwendete Gewebe ist eine sehr feine, dicht gewebte Leinwand (ca. 13 x 15 Fäden pro cm, Leinenbindung). Grundierung Über dem Bildträger liegen mehrere Lagen einer weißen Grundierung. Als Füllstoff diente pulverisierter, dolomitischer Kalkstein10, sogenannte Berg-, Stein- oder Grundier7

Durchgeführt wurden die Untersuchungen am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien (UV-, IR-, Röntgenaufnahmen, Untersuchung der Malschichtproben in Zusammenarbeit mit Univ.-Lekt. Stephan Olah, Univ.-Lekt. Gerhard Ramsebner, Dipl.-Ing. Tanja Bayerova), am Institut für Kunst und Technologie der Universität für angewandte Kunst Wien (REMEDX bei AProf. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach und Dipl.-Ing. Tanja Bayerova, Untersuchung der Schmutzauflagen mit AProf. Mag. Dr. Regina Hofmann-de Keijzer), im Naturwissenschaftlichen Labor des Kunsthistorischen Museums Wien (GC-MS-Untersuchungen durch Dr. Václav Pitthard). 8 Stratmann-Döhler, R., Möbel, Intarsie und Rahmen, in: Weiß, G. (u.a.), Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken. Glas, Keramik und Porzellan. Möbel Intarsie und Rahmen. Lackkunst, Leder, Bd. 3, Stuttgart 1986, S.135–210, S.207. 9 Das Vorhandensein und Ausmaß der Kaschierung kann in den Röntgenaufnahmen ausgemacht werden. 10 Bei dolomitischem Kalkstein handelt es sich um ein Gemenge aus Calcium-Magnesiumcarbonat und Calciumcarbonat: CaCO.MgCO + CaCO. Kühn, H., Farbe, Farbmittel: Pigmente und Bindemittel

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kreide. Als Bindemittel konnte tierischer Leim nachgewiesen werden.11 Die Applikation der Grundierung erfolgte nach dem Zusammensetzen der einzelnen Retabelteile, was am Grundiergrad zwischen Tafeln und Rahmung abzulesen ist. Die Oberfläche der Grundierung zeigt stellenweise parallele horizontale Einkerbungen, die vom Glätten stammen dürften. Solche Einkerbungen wurden schon in mehreren Fällen dokumentiert. Tångeberg beschreibt sie als „…dünne, scharfe Riefen, die als Reihen von geraden, parallelen Linien mit unterschiedlichem Abstand voneinander auftreten …“ und meint, die Spuren rühren vom Glätten mit einer gerade geschliffenen Ziehklinge her.12 Auf der Feiertagsseite wurden Gravierungen in die getrocknete Grundierung gesetzt. Die Umrisse und die wichtigsten Linien der Darstellung wurden zuvor zur besseren Orientierung mit einer Reißnadel eingeritzt, die Hintergrundflächen mit Wuggelungen (Tremolierungen) verziert. Die nicht gewuggelten Flächen des Musters wurden zusätzlich durch plastisches Herausarbeiten gestaltet.13 Sämtliche auf der Feiertagsseite abgebildete Nimben wurden mit dem Zirkel eingeritzt. Unterzeichnung Wie die Infrarotaufnahmen zeigen, wurde vor der Ausführung der Malerei eine Unterzeichnung angelegt. Diese wurde mit schwarzer Farbe (vermutlich einem kohlenstoffhaltigen Pigment) in sehr exakter Weise ausgeführt. Es finden sich Kontur- und Binnenlinien sowie Strich- und Kreuzschraffuren als Charakterisierung von Schattenbereichen. Das Anschwellen der Strichstärke und die Differenzierung des Strichs von hell nach dunkel weist auf die Verwendung eines Pinsels hin. Es sind kaum Pentimenti vorhanden, die Konturen der Figuren und Gegenstände wurden fast ohne Veränderung beibehalten. Isolierung Abgeschichtet wurde die Grundierung mit einer Isolierung, die sich in den Querschliffen als dunkle, gelbliche Schicht über der Grundierung abzeichnet. Als Material diente höchstwahrscheinlich ein tierischer Leim.14 in der Malerei, in: Buchenrieder, F., Gefasste Bildwerke. Untersuchung und Beschreibung von Skulpturenfassungen mit Beispielen aus der praktischen Arbeit der Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 1958–1986, München 1990, S. 289–315, S.294. 11 Die histochemischen Anfärbungen (Reagenz: Ponceau Rot S in CHCOOH 1) zeigten eine eindeutig positive Reaktion auf Proteine. 12 Taneberg, P., Holzskulptur und Altarschrein. Studien zu Form, Material und Technik. Mittelalterliche Plastik in Schweden, München 1989, S. 59. 13 Reliefartig geschnittene Goldgründe sind speziell in der Steiermark zu finden. Baum, E., Österreichische Galerie Wien. Katalog des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst, Katalog I, München 1971, S. 105. 14 Die histochemischen Anfärbungen (Reagenz: Ponceau Rot S in CH3COOH 1) der Querschliffe zeigten eine positive Reaktion auf Protein.

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Malschicht Über der Unterzeichnung liegt eine matte, sehr feine Malerei, die in Temperafarben ausgeführt wurde. Das Bindemittel besteht zum Großteil aus Lein- und/oder Walnussöl mit einem geringen Zusatz eines Kiefernharzes (Kolophonium oder Terpentinöl). Außerdem wurden geringe Anteile von Ei festgestellt.15 Das Bindemittel des blauen Azurit-Hintergrunds (Werktagsseite) ist, wie es Tradition war, höchstwahrscheinlich tierischer Leim. 16 Neben opak aufgetragenen Malschichten (Bleiweiß, Bleizinngelb, Gelber Ocker, Zinnober, Mennige, Ocker, Malachit, Azurit, Kohlenstoffschwarz) arbeitete der Künstler mit Lasuren, die einen verhältnismäßig hohem Bindemittelanteil aufweisen. So ist das Rot aus mehreren Schichten von Zinnober und Lasuren eines organischen Farbstoffes aufgebaut. Die dunkelgrünen Details bestehen aus Malachit mit Kupferlasuren (eventuell Kupferresinat). Der Hintergrund der Gemälderückseite zeigt ein stumpfes Blau, das in einem organischen Farbstoff (vermutlich Indigo) ausgeführt ist. Das Malschichtpaket baut sich allgemein aus zwei bis drei dünnen Farbschichten auf; nur in wenigen Fällen konnten zusätzliche Schichten festgestellt werden. Unter den roten Farbflächen liegt eine dünne, dunkle (schwarz-braune) Untermalung. Unter dem Azurit-Hintergrund der Werktagsseite liegt eine dünne, braune Untermalung.17 Metallauflagen Die Feiertagsseite, die nur für besondere Anlässe (Sonn- und Festtage) bestimmt war, weist zusätzlich zur Bemalung Vergoldungen auf. Diese wurden, wie es traditionell üblich war, bereits vor dem Malvorgang ausgeführt und liegen teilweise unter der Farbschicht. Bei der Vergoldung handelt es sich um polierte Blattvergoldung auf rotem Poliment. Der vergoldete Reichsapfel wurde zusätzlich mit Schwarzlotmalerei verziert. Als Pigment diente vermutlich ein Kohlenstoffschwarz.

15 Die Analyseergebnisse der histochemischen Anfärbungen (Test auf Harze mit Alkanna; Test auf Öle mit Sudanschwarz; Test auf Proteine mit Ponceau Rot S bzw. Amidoschwarz AB 2) konnten durch eine GCMS-Untersuchung der Malschichtprobe bestätigt und die Materialgruppen genauer spezifiziert werden. 16 Die Farbwirkung des Blaus wird durch eine Mischung aus Öl oder Harz verändert und dunkelt nach, was bei Leim nicht der Fall ist. Außerdem verwendete man für Azurit-Hintergründe gerne Leim, um den Kontrast zu den glanzvergoldeten Hintergründen der Feiertagsseite und den vergoldeten Sternen hervorzuheben. Die histochemischen Anfärbungen (Reagenz: Ponceau Rot S in CH3COOH 1) zeigten eine positive Reaktion auf Proteine. 17 Das Unterlegen von Azurit mit einem dunkleren (in der Spätgotik meist dunkelgrauen oder schwarzen) Farbton geschah aus maltechnischen Gründen sowie zur Einsparung des Materials, da die teure Azurit-Farbe so weniger dick aufgetragen werden musste. Die Untermalung mit einem dunkleren Farbton erhöht die Lichtabsorption, wodurch das sonst nicht sehr gut deckende Azurit-Pigment dunkler und farbintensiver erscheint. Klocke, J./Lehmann, J., Technik des Unterlegens von grobkörnigen Pigmenten. Die „Veneda“ des Theophilus, in: Restauro 5/2001, S. 373–375, S. 373.

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Applikationen Als zusätzliche Applikationen wurden im blauen Hintergrundsbereich der Werktagsseiten vergoldete Sterne aufgeklebt. Die sechszackigen und runden Sterne sind aus 0,5 mm dickem Papier bzw. Karton gefertigt. Durch Falten der Sterne in Längsrichtung der Zackenspitzen wurde eine Musterung und Erhabenheit erzielt. Die Papierapplikationen wurden mit einer gelben Untermalung versehen, vergoldet und auf die bereits bemalte Gemäldeoberfläche geklebt. Überzug Es liegt ein Naturharz-Überzug mit Ölanteil über der gesamten Malschicht – ausgenommen dem blauen Hintergrund der Werktagsseite und der Rückseite der Haupttafel. 18 Der Firnis erscheint im UV-Licht in einer bläulich-grünlichen Fluoreszenz. Wie die Untersuchung der Probenquerschliffe zeigt, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den originalen Überzug: Das Malschichtcraquelé verläuft auch durch den Firnis, das heißt, die Applikation des Überzugs muss erfolgt sein, bevor es zu den Alterssprüngen in der Malschicht gekommen ist. Dass die Retabelrückseite nicht gefirnisst wurde, liegt vermutlich in der zu jener Zeit verbreiteten Tradition, die Rückseiten mit matten Wasserfarben zu bemalen bzw. sie matt zu belassen und somit auf einen Überzug zu verzichten. Grund dafür dürfte zum einen sein, dass die Rückseite nicht oder nur selten zu betrachten war und daher eine Art Spartechnik angewandt wurde; zum anderen könnte die Ausführung (als auch die Gestaltung) aufgrund der liturgischen Funktion schlichter gestaltet worden sein: 19 Wie es eine Abstufung in der Ausführung zwischen der Feiertags- und der Werktagsseite gibt, so soll die Rückseite noch etwas weniger prunkvoll ausgestattet sein.20 Rahmung Die drei Rahmen, wie die Bildtafeln aus Nadelholz, bestehen aus je vier Schenkeln, die über Schlitz-Zapfen-Verbindungen zusammengefügt sind. Die waagrechten Leisten sind als sogenannte Federn geschnitten, was heißt, dass das Ende in ganzer Stärke stehen bleibt. Durch diese Art der Eckverbindung wird dem Auseinandergehen der einzelnen 18 Die Identifikation des Materials erfolgte mittels histochemischer Anfärbungen (Test auf Harze mit Alkanna; Test auf Öle mit Sudanschwarz; Test auf Proteine mit Ponceau Rot S bzw. Amidoschwarz AB 2). 19 Kurella, A., Spätgotische Wasserfarbenmalerei auf Holz. Beobachtungen zur Maltechnik matter Malerei, zu ihrer Bedeutung und zu Problemen ihrer Konservierung, Diplomarbeit, Hochschule für Bildende Künste Dresden 2002, S. 13. 20 „Es gibt in den mittelalterlichen Altären allgemein eine Steigerung von den Außenseiten zum Innern, von den Tafeln zum Schnitzwerk, von den Farben zum Gold, von einfachen Techniken zu aufwendigen.“ Taneberg, P., Holzskulptur und Altarschrein. Studien zu Form, Material und Technik. Mittelalterliche Plastik in Schweden, München 1989, S. 272.

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Wangen vorgebeugt. An der Werktagsseite scheint ehemals eine sogenannte Schlag-/ Deckleiste vorhanden gewesen zu sein, eine etwas über den Rahmenschenkel überstehende Leiste, die den Spalt zwischen den beiden Flügeln im geschlossenen Zustand verdeckt. In diesem Bereich war keine Rahmenfassung vorgesehen. Montiert war die Schlagleiste vermutlich über Holzdübel. Zwei Bohrungen an den inneren Rahmenschenkeln, die sich gegenüberliegen, scheinen von einem früheren Schließsystem herzurühren. Zwei Löcher an der Unterkante des Hauptrahmens dürften entweder zur einstigen Montage des Altars gedient haben oder die Tafel war hier ursprünglich auf einer Predella befestigt, die verloren gegangen ist. Die Rahmen der Flügel sind mit dem Rahmen der Haupttafel über je zwei schmiedeeiserne Scharniere miteinander verbunden, die in die Rahmen eingelassen worden sind. Sie sind mit schwarzer Rahmenfarbe überfasst, was sie als originalen Bestandteil kennzeichnet. Die Rahmen wurden im Großen und Ganzen wie die Tafeln behandelt. Instabile Bereiche, wie z.B. die Eckverbindungen, wurden mit Leinwandgewebe bzw. mit Werg kaschiert. Darüber liegt eine dünne Schicht der weißen Bergkreide-Leim-Grundierung. Das Bindemittel der farbigen Rahmenfassung entspricht dem auf der Malfarbe. Die Rahmenfassung der Feiertags- und Rückseite ist in Rot (Mennige und Zinnober) gehalten. Die Werktagsseite ist schwarz (Kohlenstoffschwarz) und gelb (Bleizinngelb) bemalt. Auf der Feiertagsseite ist die Zierleiste mit einer Glanzvergoldung auf rotem Poliment versehen. Die Rahmenplatten der Werktags- und Feiertagsseite sind mit fünfblättrigen Rosettenornamenten aus Silberfolie (oder Zwischgold-Folie21) geschmückt, die mittels Schablonen aufgetragen wurden.22 Die Rahmung der Rückseite weist keinerlei Verzierungen auf. Über der Rahmenfassung (ausgenommen Rahmenrückseite) liegt wie über den Bildtafeln ein Naturharzüberzug mit Ölanteil. Vorangegangene Restaurierungen Während seiner gesamten bisherigen Geschichte wurden am Apostelaltärchen nur sehr wenige, kleine Eingriffe vorgenommen, sodass das heute vorliegende Objekt in einem hohen Maße dem ursprünglichen Erscheinungsbild entspricht. Mit synthetischem Ultramarin wurde der blaue Azurit-Hintergrund der Werktagsseite übermalt. Dieses

21 Im Rasterelektronenmikroskop konnte nur Silber identifiziert werden. Ob ursprünglich auch eine Lage Gold vorhanden gewesen ist, kann nicht beurteilt werden. 22 Beim Auftrag mittels Schablone wird die aus Pergament oder festem Papier bestehende Schablone auf die Oberfläche gelegt und mit Anlegemittel für die Versilberung/Vergoldung bepinselt. Das Blattmetall haftet nur an den benetzten Partien. Fischer, S./Meyer-Canthinoprereira, C., Verzierungstechniken in der Fass- und Tafelmalerei der Hoch- und Spätgotik. In zwei Teilen, Diplomarbeit, Institut für Technologie der Malerei; Stuttgart 1990, S. 74.

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Pigment wird seit 1828 hergestellt. Die einzelnen Ultramarin-Körner der Übermalung erscheinen noch relativ grob und nicht so klein und rund wie die des heute produzierten Pigments. Es ist daher anzunehmen, dass es sich um ein frühes Produkt handelt und die Übermalung vielleicht schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Weiters wurden einige der Ausbrüche in den roten Bereichen der Malerei zu einem ungewissen Zeitpunkt eingefärbt.23 Mit einer rotbraunen Farbe wurde die Rahmung der Werktags- und der Feiertagsseite übermalt. Als Bindemittel konnte Protein nachgewiesen werden. Als Pigmente wurden Roter Ocker mit Spuren von Schweinfurter Grün und Schwerspat verwendet, wodurch die Übermalung zwischen frühestens 1800 und spätestens ca. 1960 datiert werden kann. Die Übermalung der Feiertagsseite wurde in einer früheren Restaurierung bereits abgenommen, wodurch die Oberfläche der originalen Fassung stark angegriffen wurde.

zustand Zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme befindet sich das Apostelaltärchen in einem insgesamt guten Erhaltungszustand. Besonders überrascht der sehr gute Zustand des Bildträgers. Im Laufe der Zeit kommt es bei Tafelbildern häufig zu Verwölbungen bis hin zu Rissen oder Öffnen der Fugen – in diesem Fall zeigen die Bretter regelmäßige, plane Oberflächen ohne das geringste Abzeichnen der Fugen. Einzig durch einen ehemaligen Schädlingsbefall (durch den „Gemeinen Nagekäfer“, lat. Anobium punctatum) ist die Substanz an einigen Stellen leicht geschwächt. Die Überklebungen sind überall intakt; die Grundierung weist großteils ausreichende Haftung zum Bildträger auf und ist nur an wenigen, kleinen Stellen ausgebrochen. Ähnliches gilt für die Malschicht: Eine geringe Schollenbildung an der Feiertagsseite hat zu wenigen Ausbrüchen geführt, die Haftung zur Grundierung ist im Allgemeinen genügend. Auszunehmen vom allgemein guten Erhaltungszustand ist der blaue, überarbeitete Hintergrund der Werktagsseite: Gravierende Schollenbildung hat zu zahlreichen Ausbrüchen der originalen Malschicht wie der Übermalung geführt. Neben diesen Schäden sind im Zuge der Alterung Veränderungen in den dunkelgrünen Farbbereichen aufgetreten. Bei dem mehrschichtig aufgebauten Grün kann eine deutliche Verfärbung der obersten, bindemittelreichen Schicht in den Querschliffen erkannt werden. Die heute dunklen Lasuren erzeugen einen dunkelgrünen bis schwarzen

23 Die Untersuchung ergab, dass Roter Ocker (Eisenoxide verschiedener Zusammensetzung) verwendet worden ist. Da Roter Ocker schon seit jeher und noch heute als Pigment verwendet wird, kann keine Aussage über die zeitliche Ausführung dieser Maßnahme gemacht werden.

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Farbeindruck (Abb. 3: Querschliff einer Malschichtprobe aus dem dunkelgrünen Bereich). Solche Verbräunungen der grünen Lasuren können an zahlreichen Gemälden beobachtet werden; man ging bis vor Kurzem davon aus, dass es sich bei diesen Schichten um Kupferresinat-Lasuren handelt.24 Aktuellere Forschung behauptet, dass die Lasuren in der Regel aus einer Mischung aus fein geriebenem Grünspan mit kaltem Öl bzw. einem Firnismedium bestehen.25 Die Untersuchung der auf dem Apostelaltärchen vorhandenen Kupferlasur im Rasterelektronenmikroskop ergab, dass die darin enthaltenen Kupferionen in den darüber liegenden Firnis ausgewandert sind und auch dort eine starke Verbräunung verursacht haben, die anderswo am Gemälde nicht zu finden ist. Der bräunliche Firnis steigert zusätzlich den dunklen Farbeindruck der grünen Partien. Das Auswandern der Kupferionen in den Firnis erzeugt neben der Verbräunung noch einen anderen Effekt: Die Fluoreszenz, die der Firnis sonst im UV-Licht zeigt, wird ausgelöscht.26 So erscheinen alle dunkelgrünen Farbfelder im UV-Licht schwarz. Die Fehlinterpretation, dass hier Übermalungen vorhanden sein könnten, liegt nahe. Durch die allgemeine Vergilbung des Firnisses kommt es auch in den ursprünglich hellblauen Bereichen zu einer Verschiebung des blauen Farbtons hin zu einem grünen.27 Der Zustand der Vergoldung ist abgesehen von wenigen kleinen Ausbrüchen gut; die Ornamente auf den Rahmen sind nur noch in Resten vorhanden. Mindestens die Hälfte der Papierapplikationen an der Werktagsseite der Flügel ist verloren gegangen, was am natürlichen Abbau des verwendeten Klebemittels liegen könnte. Über sämtlichen Teilen des Altärchens liegen erhebliche Staub- und Schmutzauflagen. Die Rückseite des Altars ist durch besonders starke Verschmutzungen von bis zu 2 mm Stärke beeinträchtigt, die sich möglicherweise während liegender Lagerung des zusammengeklappten Altärchens (mit der Rückseite nach oben) abgesetzt haben. Große Bereiche der Oberfläche sind von diesem wasserlöslichen Material (pH-Wert 7) bedeckt. Es hat die Struktur kleiner Kügelchen (Durchmesser: 1–2 mm), in beigem bis dunkelbraunem Farbton, mit teilweise glänzender Oberfläche. Die Verschmutzungen haben sich mit der Malschichtoberfläche stark verbunden, sodass sie, wo sie bereits abgefallen sind, auch Teile der Malschicht mitgerissen haben. Die Auflagen setzen sich zum großen 24 Woudhuysen-Keller, R./Wouhuysen, P., Thoughts on the Use of Green Glaze Called “Copper Resinate” and its Colour-Changes, in: Hermens, E. (Hg.), Looking through Paintings, London/Leiden 1998, S. 133–146, S.133ff. 25 Van Eikema Hommes, M., Changing Pictures. Discoloration in 15th-17th-Century Oil Paintings, London 2004, S. 81. 26 Kupfer fluorisziert nicht und kann auch die Fluoreszenz anderer fluoriszierender Stoffe auslöschen. 27 Die Farbigkeit der Feiertagsseite wurde in der Literatur fälschlicherweise als Rot-Grün-Verschränkung beschrieben. Biedermann, G., Katalog. Alte Galerie Landesmuseum Joanneum. Mittelalterliche Kunst. Tafelwerke – Schreinaltäre – Skulpturen, Graz 1982, S. 132.

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Teil aus organischen Bestandteilen zusammen.28 Die Art der Kügelchenstruktur lässt an Tierkot denken, doch besteht solcher zum Großteil aus der Nahrung des Tieres. In der Schmutzprobe können aber keine Hinweise dafür entdeckt werden, weshalb diese Vermutung durch die Untersuchungen nicht bestätigt werden konnte.

konservierung und restaurierung Ziel der Maßnahmen Das Apostelaltärchen soll, nachdem es jahrzehntelang im Depot des Universalmuseums Joanneum gelagert gewesen war, nun wieder in einer Ausstellung präsentiert werden. Um dies zu ermöglichen, waren in erster Linie konservatorische Schritte vonnöten, die eine Erhaltung des überlieferten Bestandes gewährleisten. Außerdem soll der Altar mit der größtmöglichen Authentizität gezeigt werden, das heißt, Übermalungen und Schmutzauflagen sollten, soweit wie möglich, abgenommen werden, um die originale Substanz zu präsentieren. Der ursprüngliche Firnis, der in diesem außergewöhnlichen Fall noch erhalten und nie mit einem sekundären Überzug versehen wurde, sollte bewahrt werden. Damit nicht die Schäden am Kunstwerk, sondern die Darstellung bei der Betrachtung im Vordergrund steht, sollten die Fehlstellen optisch zurückgedrängt werden. Das Integrieren der Fehlstellen sollte aber in einer Weise erfolgen, dass kein „neuwertiger“ Zustand vermittelt wird, sondern das gealterte Kunstwerk von den späteren Zutaten unterscheidbar bleibt. Durchgeführte Maßnahmen Malschichtfestigung Die Festigung der Malschicht und der Goldauflagen erfolgte mit Störleim 7. Bei Bedarf wurde mit Ethanol vorgenetzt, um das Eindringvermögen des Störleims zu erhöhen. Nach dem Einbringen des Klebemittels mit einem feinen Pinsel wurden die Malschichtschollen mittels Infrarotstrahlgerät (ca. 20 V) erwärmt und mit einer Holzspachtel/kalten Heizspachtel niedergelegt. Wo der Einsatz des Infrarotstrahlgeräts nicht notwendig war, wurde mit einer erwärmten Heizspachtel gearbeitet. 28 Die Untersuchung im Rasterelektronenmikroskop ergab, dass die Schmutzauflagen v.a. aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehen; daneben sind die Elemente Mg, Al, Si, P, S, K und Ca zu finden. Unter dem Mikroskop werden einige mineralische Kristalle und wenige, kleine Stücke von Pflanzenfasern sichtbar. Außerdem wurden die Fragmente eines Arthropoda (Gliederfüßler, wie z.B. Insekten, Spinnen etc.) entdeckt, wie auch eine unbeschädigte Milbe.

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Festigungsversuche mit Störleim am blauen, überarbeiteten Hintergrund der Werktagsseite stellten sich als unbefriedigend heraus, da das Klebemittel auf der ungefirnissten Oberfläche starke Glanzbildung bewirkte. In einer Testreihe zeigte eine Mischung von Störleim 7 und Methocel A4-C29 2 (1:10) ein optimales Ergebnis. Um das Eindringvermögen dieses etwas viskoseren Festigungsmediums zu erhöhen, wurde stets mit Ethanol vorgenetzt. Das Niederlegen der Schollen erfolgte mit einer Lötnadel, der ein Silikonschuh aufgesetzt war, wodurch keine Glanzstellen verursacht wurden. Oberflächenreinigung Nach der Sicherung sämtlicher loser Malschichtbereiche und Sternapplikationen konnte mit der Oberflächenreinigung begonnen werden. Dazu wurden in einem ersten Schritt lose Staub- und Schmutzauflagen von der gesamten Oberfläche des Altars (ausgenommen Retabelrückseite) mit dem Fehhaarpinsel abgekehrt und mit dem Staubsauger aufgesaugt. In einem zweiten Reinigungsschritt wurde die Malschicht vorsichtig mit dem akapad-Schwamm30 (Härtegrad: weich) abgerieben, um fester anhaftende Auflagen zu entfernen. Auf der Werktags- und Feiertagsseite des Altärchens blieb nach der mechanischen Oberflächenreinigung eine gräuliche, fest anhaftende Schmutzschicht. Um einen Weg zu finden, diese fette Schmutzschicht mit eingelagerten Metallen zu lösen, war eine aufwendige Testreihe nötig, die verschiedene mechanische Verfahren und feuchte Reinigungsmittel einschloss. Die besten Ergebnisse konnten mit Marlipal31 (0,6 in Methocel A4-C 2) erzielt werden. Der Gel-Auftrag erfolgte in kleinen Abschnitten, nach einer Einwirkdauer von 40 Sekunden wurde das Gel mittels Wattestäbchen abgenommen und mit lauwarmem Leitungswasser und Wattestäbchen nachgereinigt. Es wurden zwei Reinigungsschritte dieser Art durchgeführt. Die Goldauflagen wurden mit einem Gemisch aus Isopropanol – Isooctan – Aceton (3:1:1) gereinigt. Die Abnahme der dicken, fest anhaftenden Schmutzauflagen in Form von kleinen Kügelchen auf der Retabelrückseite konnte nicht rein mechanisch erfolgen, da sich die Auflagen stark mit der ungefirnissten Malschichtoberfläche verbunden hatten. Da die Verschmutzungen wasserlöslich sind, konnten sie durch Methocel A4-C (3 in deionisiertem Wasser) angequollen und im erweichten Zustand mit einer hölzernen Spachtel abgeschabt werden. Die Nachreinigung erfolgte mit relativ trockenen Wattestäbchen und Leitungswasser.32 Nach Entfernung der dicken Krusten wurde die verbliebene 29 30 31 32

Methocel A4-C (Methylhydroxypropylcellulose), Fa. Deffner & Johann GmbH. akapad weich (vormals Wishab-Trockenreinigungsschwamm), Fa. Deffner & Johann. Marlipal® 1618/25 (Schuppen), Fa. Kremer Pigmente. Für die Nachreinigung soll stets Leitungswasser verwendet werden, da demineralisierte und destillierte

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Schmutzschicht weiter reduziert, indem sie mechanisch mit einem harten Radierstift33 abgerieben und anschließend mit Leitungswasser und Wattestäbchen nachgereinigt wurde. (Abb. 4: Fotomontage, Reinigung der Rückseite: links – Eingangszustand, Mitte – 1. Reinigungsschritt, rechts – 2. Reinigungsschritt) Abnahme von Überarbeitungen Die Abnahme der rotbraunen Rahmenüberfassung auf der Werktagsseite erfolgte mit einem Gel auf wässriger Basis (Methocel A4-C 5 in deionisiertem Wasser). Nach einer kurzen Einwirkzeit von ca. 2 x 40 Sekunden hatte das Gel die Überfassung so weit angelöst, dass sie mit einem weichen Pinsel aufgerieben und mit einem Wattestäbchen abgenommen werden konnte. Anschließend wurden die Reste mit Leitungswasser und Wattestäbchen entfernt. Die Entfernung der Retuschen an den Bildtafeln der Werktags- und Feiertagsseite erfolgte mittels Klucel-M-Gel34 (2 in deionisiertem Wasser + Ethanol 1:4). Die Abnahme wurde mit trockenen Wattestäbchen, die Nachreinigung mit leicht befeuchteten Wattestäbchen durchgeführt. Integrieren der Ausbrüche Kleinere Ausbrüche im Holz, bedingt durch mechanische Einwirkungen und den Anobienbefall, wurden mit einem Holzkitt aus Bärlappsporen in Hasenhautleim 7 ergänzt. Die Ausbrüche in der Grundierung wurden mit einem flüssig aufgetragenen KreideLeim-Grund (Bologneser- und Champagnerkreide 1:1, in Hasenhautleim 7) gefüllt, die Kittungen anschließend mit einer dünnen Lasur aus Schellack (10 in Ethanol) abgeschichtet. Das farbliche Integrieren der gekitteten Ausbrüche erfolgte mit Gouachefarben bzw. im Bereich der Vergoldungen mit Aquarellfarben. Die Retusche wurde mit feinen, senkrecht verlaufenden Strichen und Punkten aufgebaut. Schutzüberzug Über die gesamte Oberfläche der ungefirnissten Retabelrückseite wurde ein Schutzüberzug aus Klucel E35 (2 in Ethanol) mit einem breiten Pinsel aufgetragen. Auf die gesamte

Wässer als zu aggressiv angesehen werden. Sie können sich schädigend auf die Gemäldeoberfläche auswirken, indem sie z.B. Minerale entziehen und die Oberfläche „auslaugen“. Vgl. Eipper, P.-B. (u.a.), Ölfarbenoberflächenreinigung und ihre Überprüfung durch das Rasterelektronenmikroskop, das Niederdruck-Rasterelektronenmikroskop, die Laser-Profilometrie und die 3D-Messung im Streifenprojektionsverfahren, München 2004, S. 14ff. 33 Journal gum. 34 Klucel® M 63710, Fa. Kremer Pigmente. 35 Klucel® E 63700, Fa. Kremer Pigmente.

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gefirnisste Malerei der Werktags- und Feiertagsseite (die ungefirnisste Ultramarin-Übermalung und die Vergoldungen sind also ausgenommen) wurde ein Überzug aus Klucel E (1 in Ethanol) mit einem Pinsel aufgetragen, der den Farben wieder Tiefe verlieh und den Glanz vereinheitlichte. Behandlung der Scharniere Nach Abnahme der Übermalung auf den Scharnieren wurden diese mechanisch (mit Glasfaserstiften, Stahlwolle und Skalpell) entrostet und mit in Aceton getränkten Wattestäbchen gereinigt und entfettet. Die entrosteten Scharniere wurden mit einer Schicht einer Tanninlösung bestrichen, anschließend wurde ein Schutzüberzug aus Paraloid B72 2 aufgetragen.

resümee In der Diplomarbeit konnten durch die ausführliche Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte des Altärchens neue Vergleichsbeispiele angeführt und der Entstehungsort in das Gebiet von Kärnten und der Steiermark eingeordnet werden. Anhand umfassender naturwissenschaftlicher Analysen und konservierungswissenschaftlicher Untersuchungen konnten wichtige Informationen zum technologischen Aufbau und zum Erhaltungszustand des Altars gewonnen und darauf basierend ein Maßnahmenkonzept definiert werden. Das Ziel der Konservierung und Restaurierung lag in erster Linie in der Erhaltung des Bestandes und der Abnahme von Überarbeitungen, sodass der Altar im Universalmuseum Joanneum wieder in der Neuaufstellung präsentiert werden kann. Abstract The late Gothic triptych, tempera on coniferous wood, 68 x 72 x 2.8 cm, named after the depiction of the apostles on the main panel, is in the collection of the Universalmuseum Joanneum and subject of a Diploma work in 2008/09. The altarpiece’s original location is unknown, the date is assumed to be around 1490. Arthistorical research treats the triptych’s origins in the border region of Carinthia/Styria/Slovenia, new comparisons from Carinthia and Styria are presented. Natural scientific analysis and conservational examination provide important information about the altarpiece’s technology and its state of preservation. A specific conservation problem of the largely original work is the firmly-adhering fatty layers of grime and extensive deposits of animal faeces. Their removal is based on a series of tests of different mechanical and aqueous methods which also aim to preserve the original varnish. Later overpainting will be partly removed, partially toned-down by retouching and visually-integrated into the original substance.

Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Universalmuseum Joanneum, Graz

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objekt

andere über uns peter keller dommuseum zu salzburg

Die Zusammenarbeit des Dommuseums zu Salzburg mit dem Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien

Das Dommuseum hat seit 2005 neun Projekte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Konservierung und Restaurierung durchgeführt, sowohl zur Erfassung als auch zur Konservierung und Restaurierung der Bestände. Dank des beiderseitigen, großen Engagements hat sich die Zusammenarbeit seither sehr positiv entwickelt. 2002 wurden ein Teil der Skulpturen und Gemälde des Museums sowie der gesamte Schatz, 2007–2008 die Paramente des Doms erfasst. Die Aufnahme erfolgte jeweils mit einer Arbeitsgruppe von vier Studierenden, in Begleitung einer Dozentin, unterstützt von einem Fotografen und ggf. einem Mitarbeiter des Doms. Erfasst wurden Titel, Künstler, Datierung, Maße, Material, Technik, Zustand, Empfehlung zur Konservierung/Restaurierung sowie ein Foto. Die Erfassung der Paramente war zahlenmäßig der Höhepunkt der bisherigen Arbeit: In zwei Wochen wurden 2.200 Textilien vom Pluviale bis zum Manipel aufgenommen. In Fortsetzung der Inventarisierung werden derzeit die konservatorischen Bedingungen der Paramentenkammer geprüft. Sieben Gemälde, Skulpturen und kunsthandwerkliche Gegenstände aus dem Domschatz oder dem Museum wurden von Studierenden im Rahmen von Semester- und Diplomarbeiten untersucht und restauriert, darunter: t Himmelsglobus, um 1660/um 1810, Kupfer, bemalt t Versuchung des hl. Antonius, Nachfolge des Hieronymus Bosch, 1525/1550, Öl auf Leinwand t Futterale der Pretiosenmonstranz, 1699, Leder, geprägt, tw. vergoldet. Der Globus fällt durch seine ungewöhnliche Technik auf, die meisten Globen der Zeit sind aus Holz und mit Papier beklebt. Das Gemälde war vielleicht ursprünglich

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Peter Keller

auf Seide gemalt (Tüchleinmalerei). Das Futterale gehört zu einer konservatorisch und kunsthistorisch stark vernachlässigten Gattung. In den Salzburger Kirchenschätzen sind einige Futterale erhalten, sie werden aber kaum gepflegt und gezeigt. Handwerklich sind sie sehr gut gearbeitet, das Futterale der Pretiosenmonstranz ist – dem Inhalt angemessen – in Material und Verarbeitung von höchster Qualität. Die Untersuchung im Rahmen einer Diplomarbeit ergab, dass Futterale, sofern sie nicht beschädigt sind, die beste Aufbewahrungs- und Transportverpackung für liturgische Geräte darstellen. Sie sind auf Maß gearbeitet und sie puffern das Raumklima. Die Studentin entwickelte zudem ein Pflegekonzept, um die Futterale in Zukunft besser bewahren zu können. Die Geräte und Gewänder aus dem Domschatz, sei an dieser Stelle gesagt, unterliegen den besonderen Bedingungen eines kirchlichen Museums: Sie sind nicht musealisiert, sondern teilweise noch in Verwendung. Die Vorhaben und Vorschläge des Instituts für Konservierung und Restaurierung tragen diesem Umstand stets Rechnung. Neben den Erfassungs- und Restaurierungsprojekten führten das Dommuseum und das Institut auch Fortbildungen durch, eine Fortbildung für Mesner zur Reinigung von liturgischen Geräten in Salzburg sowie – gemeinsam mit ICOM Österreich – eine Fortbildung zu Verpackung und Transport von Museumsobjekten in Graz und Hall in Tirol. Die Zusammenarbeit des Museums mit dem Institut für Konservierung und Restaurierung erlaubt den Studierenden, vor Ort unter realistischen Bedingungen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu erproben und zu verbessern. Dem Dommuseum, das nur über 2,5 feste Mitarbeiter und keinen angestellten Restaurator verfügt, erlaubt die Zusammenarbeit, kompetente Mitarbeiter/innen für einen befristeten Zeitraum zu gewinnen und Aufgaben zu erfüllen, die angesichts des Personalstandes und der anderen Aktivitäten nicht zu lösen wären, sowohl auf dem Gebiet der Inventarisierung als auch auf dem der Konservierung und Restaurierung. Und schließlich ergeben sich für beide Seiten wissenschaftliche und technische Fortschritte, nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität des Wissens und der Arbeit.

elisabeth hösl

Die Kapuzinergruft in Wien

zusammenfassung Seit 2004 engagiert sich das Institut für Konservierung und Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst für die Erforschung und den Erhalt der Zinnsarkophage in der Kapuzinergruft. Die einzelnen Projekte werden in diesem Beitrag kurz vorgestellt. Bezug genommen wird auf die Bedeutung und Geschichte der Gruftanlage, den Bestattungsritus und das Gesundheitsrisiko für dort arbeitende Restauratoren. Neue Ergebnisse von Legierungsanalysen von fünf Prunksarkophagen werden vorgestellt und in ihrem zeitlichen Kontext besprochen.

Mit den konservatorischen Problemstellungen in der Kapuzinergruft (auch „Kaisergruft“) in Wien beschäftigt sich das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst in Wien seit dem Jahr 2004. Den Anfang bildete eine Lehrveranstaltung zur Bestandsaufnahme und Evaluierung des Zustandes der gezeigten Sarkophage: Ein Katalog exemplarischer Schäden sowie eine Datenbank zur Erfassung der konservatorisch relevanten Erkenntnisse wurden erstellt und erstmalig eine Besucheranalyse durchgeführt.1 Anschließend wurden alle Böden und Sargoberflächen während einer Projektwoche trocken gereinigt.2 Im folgenden Jahr wurde im Rahmen einer Diplomarbeit3 ein Überblick über die Restauriergeschichte und der dabei zur Anwendung gekommenen Methoden erstellt. Aufgrund der großen historischen und künstlerischen Bedeutung sowie des schlechten Erhaltungszustandes der etwa 50 Zinnsarkophage lassen sich schon zu Mitte des 19. Jahrhunderts Restaurierungen belegen. Große Anstrengungen zur „Rettung der Kapuzinergruft“4 wurden nach dem Zweiten Weltkrieg 1 2 3 4

Konservierungstechnologisches Seminar, Univ.-Ass. M. Griesser-Stermscheg, WS 2004/05. Institut für Konservierungswissenschaften und Restaurierung – Technologie, Konservatorische Bestandsaufnahme der Kapuzinergruft, April 2004, unveröffentlicht. Hösl, E., Die Kapuzinergruft in Wien. Sarkophage aus Zinnlegierungen, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2005. 1956 wurde die „Gesellschaft zur Rettung der Kapuzinergruft“ gegründet. Die Mitglieder sammelten Geld, um die Gruft durch den 1962 erfolgten Bau der Schwanzer-Gruft zu erweitern und die Räume zu klimatisieren. Parallel zu diesen kostspieligen Vorhaben begann man bereits 1955 mit den ersten Restaurierungen.

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Elisabeth Hösl

unternommen und die naturwissenschaftliche Untersuchung der Korrosionsphänomene durch das Bundesdenkmalamt forciert.5 Als erste akademische Restauratoren waren mit Leonhard Stramitz und Josef Ziegler seit den 1970er-Jahren Absolventen der Metallrestaurierungsklasse der Universität für angewandte Kunst in der Gruft tätig. Ebenfalls wurden im Zuge der Diplomarbeit die Auswirkungen einer im Jahr 2003 eingebauten Klimaanlage anhand von Luftfeuchtigkeits- und Temperaturmessungen evaluiert. Denn nicht die viel gefürchtete und in der Kapuzinergruft nie nachgewiesene Zinnpest6, sondern die vor der Klimatisierung sehr hohe Luftfeuchtigkeit hatte zu den teils massiven Abbau- und Korrosionsphänomenen (Abhebung von Schichten, Pustelbildung, Abpudern der Oberflächen) geführt. Im praktischen Teil der Diplomarbeit wurde ein Kindersarkophag exemplarisch restauriert. Es konnte demonstriert werden, dass die konservatorischen Eingriffe dank des nun vorherrschenden guten Raumklimas künftig reduziert werden können. In einem Kooperationsprojekt mit dem Kunsthistorischen Museum arbeitet derzeit Tanja Bayerová als Leiterin des chemischen Labors des Instituts für Konservierung und Restaurierung an einem Forschungsprojekt des Wissenschaftsfonds FWF zum Thema „Organische Überzüge auf metallischen Museumsobjekten“. Organische Auflagen auf Bronzeobjekten der Renaissance- und Barockzeit aus der Sammlung des Kunsthistorischen Museums sollen dabei vergleichsweise analysiert werden. Ebenfalls werden die Überzüge auf den Sarkophagen der Kapuzinergruft untersucht und GC-MS-Analysen7 zur Feststellung ihrer Bindemittel angestellt.

bedeutung und geschichte der gruftanlage Die Kapuzinergruft in Wien wurde 1617 gegründet und ist Bestattungsort von 146 Angehörigen des Hauses Habsburg. Ihre Bedeutsamkeit und weltweite Bekanntheit basiert auf der Prominenz und zum Teil schon mythischen Verklärung der bestatteten Persönlichkeiten, der Berufung hervorragender Künstler zur Gestaltung der Särge und Grufträume sowie der schieren Größe des Bestandes. Sehr reizvoll ist der chronologische kunstge5

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Strebinger, R., Die Schäden an den Sarkophagen der Kapuzinergruft, in: Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege, 5/1951, S. 67–75. Twaroch, F., unveröffentlichter Bericht über Untersuchungen an renovierten Teilen des Zinnsarkophages von Erzherzog Leopold, Wien, 15. Feber 1977, in: Bundesdenkmalamt, 2 Ordner: Wien I., Kapuz. Gruft I und II. Lihl, F., On the Cause of Tin Decay in the Sarcophagi of the “Kapuzinergruft”, in: Studies in Conservation, 2/1953, S. 89–106. Plenderleith, H.J., Organ, R.M., The Decay and Conservation of Museum Objects of Tin, in: Studies in Conservation, 2/1953, S. 63–72. Die Gaschromatografi Gaschromatografie/Massenspektrometrieanalyse e/Massenspektrometrieanalyse der Proben erfolgen am Conservation Science Department des Kunsthistorischen Museums Wien.

Die Kapuzinergruft in Wien

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schichtliche Überblick anhand des Objekttypus Sarkophag analog zum architektonischen Umfeld. Neuerdings ist eine nahezu „museale“ Entwicklung zu verzeichnen. Für den stetigen Besucherstrom, man kann im Schnitt von 800 bis 1000 Personen pro Tag ausgehen,8 erfolgte im Jahr 2003 der Ausbau einer einem modernen „Museum“ entsprechenden Infrastruktur mit großem Eingangsbereich, behindertengerechtem Aufzug, Toilettenanlage, Garderobe und einem „Museums“-Shop. Man war davon ausgegangen, dass die Bestattungstradition im Jahr 1989 mit der Beisetzung der letzten Kaiserin von Österreich, Zita, beendet sei, da für die heutigen Angehörigen des Hauses Habsburg-Lothringen 1971 eine neue Familiengruft in der Loretokapelle des Klosters Muri in der Schweiz eingerichtet worden war.9 Im Jahr 2008 wurde die Grufttradition aber fortgesetzt und einer von Zitas Söhnen, Erzherzog Carl Ludwig, neben ihr in der Kapuzinergruft beigesetzt.10 Den Anfang hatte Kaiserin Anna gemacht, die das Kapuzinerkloster im Jahre 1617 stiftete und sich im Gegenzug wünschte, bei den Mönchen eine Begräbnisstätte für sich und ihren Mann Kaiser Matthias zu finden. Seitdem obliegt die Sorge um die Verstorbenen der Habsburger den Kapuzinern. Den ersten Gruftraum bildet die heute so genannte Gründergruft, welche lediglich Platz für die letzte Ruhestätte des Stifterpaares bietet. Die schlichte Gestaltung der Kaisersärge belegt die ursprüngliche Funktion als reine Begräbnisstätte. Doch die späteren Vertreter des Herrscherhauses wünschten ebenfalls in der Kapuzinergruft begraben zu werden. Daher folgten von 1657 bis 1720 die Erweiterungen in Form der frühbarocken Leopolds- und der Karlsgruft. Die Gruft wurde der Bevölkerung in der Barockzeit zugänglich gemacht und die Särge analog dazu immer aufwendiger gestaltet. Ziel war es, dem Herrschaftsanspruch der Kaiserfamilie würdigen Ausdruck zu verleihen.11 Höhepunkt dieser Entwicklung von Zurschaustellung der Stärke und Macht des Kaiserhauses ist die im Jahre 1753 vollendete spätbarocke Maria-Theresien-Gruft mit dem Doppelsarg der Kaiserin und ihres Mannes Franz Stefan im Zentrum. Der Doppelsarg wurde bereits 16 Jahre vor dem Tod der Kaiserin von Balthasar Ferdinand Moll (1717–1785) nach ihren Wünschen gefertigt.12 Der Bildhauer und Zinngießer Moll fertigte einige der prunkvollsten Särge der Kapuzinergruft. Bis zum Jahr 1842 wurden die Franzensgruft, die Ferdinandsgruft und die Toskanagruft im klassizistischen bzw. neubarocken Stil errichtet. 1845 wurde eine Gasbeleuch-

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Institut für Konservierungswissenschaften und Restaurierung – Technologie, Konservatorische Bestandsaufnahme der Kapuzinergruft, April 2004, unveröffentlicht, S. 13. 9 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 36. 10 Mayr, W., „Heut früh war er noch dort“, in: Der Spiegel, 7/2010, S. 103. 11 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 9. 12 Ebenda, S. 38 und 166.

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tung13 und 1909 elektrisches Licht14 installiert. Im Jahre 1909 wurden die Franz-JosefsGruft und die Gruftkapelle im sezessionistischen Stil fertiggestellt. Die nach ihrem Architekten Karl Schwanzer benannte Schwanzergruft ist im sachlichen und funktionalistischen Stil der 1960er-Jahre als Erweiterungsbau hinzugekommen.15 Im Laufe der Zeit war es immer wieder zu Veränderungen in der Aufstellung der Sarkophage gekommen. In den Publikationen von Wolfsgruber und Ginhart befinden sich Übersichtspläne zu den Situationen der Jahre 188716 und 192517, die belegen, dass die Särge sehr eng und zum Teil aufeinandergestapelt standen.

bestattungsritus Eine Vorstellung vom Sarginneren zu haben ist nicht nur aus konservatorischer Sicht wichtig. Wie so oft haben die zu bewahrenden „Kunstgegenstände“ nicht nur eine künstlerische und historische Bedeutungsebene, sondern auch eine religiöse. Natürlich fungieren die Sarkophage der Kapuzinergruft als Ort der Erinnerung und müssen erhalten werden. Auch wenn gerade in der Barockzeit der Publikumsverkehr und die Zurschaustellung gewünscht waren, ist bei den heutigen Besucherströmen eine pietätvolle Atmosphäre nicht immer zu wahren. Es gilt zu bedenken, dass bei der Restaurierung eines Sarges, gleich ob die sterblichen Reste dabei vorläufig umgebettet werden oder in situ verbleiben, von „letzter Ruhe“ keine Rede sein kann. Nicht nur um die Originalsubstanz zu schonen, sondern auch aus diesem Grund wäre es denkbar, bei einer Restaurierung der Sarkophage der Unversehrtheit von Gestalt und Oberfläche weniger Bedeutung beizumessen und sich stattdessen auf den Erhalt des überlieferten Bestandes in seiner Gesamtheit zu konzentrieren. Nahezu alle Metallsärge beinhalten einen Holzsarg mit dem jeweiligen Leichnam. Ausnahmen bilden die Särge von Maria Elisabeth und Maria Anna, bei denen die Toten direkt in den Übersarg gebettet wurden.18 Der innere Holzsarg wurde üblicherweise bei der Bestattung mit zwei unterschiedlichen Schlössern versperrt. Einer der Schlüssel wurde dem sogenannten Pater Guardian, dem ,Praefectus cryptae‘, zur Verwahrung

13 Wolfsgruber, C., Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887, S. 12. 14 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 31. 15 Ebenda, S. 45. 16 Wolfsgruber, C., Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887. 17 Ginhart, K., Die Kaisergruft bei den PP Kapuzinern in Wien, Wien 1925. 18 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 150.

Die Kapuzinergruft in Wien

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übergeben, der andere kam in den Schlüsselschrank der geistlichen Schatzkammer.19 Erst später wurde der Holzsarg in einen Übersarg aus Metall eingesetzt. Die meisten Leichen der Habsburger wurden seziert, Herzen und Intestina (= Eingeweide) entnommen (= Exenterierung) und nach den Möglichkeiten und Methoden ihrer Zeit einbalsamiert. Die Balsamierung wurde durchgeführt, um den Körper für die Paradierung, die Ausstellung des Leichnams auf dem Paradebett in der Hofburg, ansehnlich zu erhalten. Die fürstliche Selbstdarstellung wurde selbst im Tod durch das aufwendige Trauerzeremoniell fortgeführt. Eine Konservierung darüber hinaus war nicht angestrebt.20 Für die Trennung von Herzen, Eingeweiden und Körpern gibt es mehrere Gründe. Seit dem Mittelalter versuchte man dadurch Verstorbene auf langen Transportwegen oder bei langen Leichenfeiern zu konservieren. Später wurde dieser Brauch bei manchen Herrscherhäusern institutionalisiert und gehörte zum Zeremoniell. Ferner konnte durch die Bestattung an mehreren Orten die Hochachtung gegenüber verschiedenen Personen, Orden oder Kirchen ausgedrückt werden. Das Herz wurde als Sitz der Seele und Persönlichkeit als wichtigstes Organ des Menschen angesehen. Daher befinden sich die meisten Herzen der seit 1618 verstorbenen Habsburger heute in der Loretokapelle der Wiener Augustinerkirche. Zu Lebzeiten waren die Angehörigen des Kaiserhauses dieser Hofpfarrkirche besonders verbunden und wollten dies auch nach dem Tod beibehalten.21 Die Herzen werden in silbernen Behältern mit Deckel aufbewahrt, oft wurde auch die Zunge dazugegeben (z. B. Leopold I, 1640–1705).22 Ein weiterer bedeutender Bestattungsort der Habsburger in Wien ist die Gruftanlage unter St. Stephan. Im ältesten Teil wurden bis 1576 auch die Angehörigen der Habsburger beigesetzt, als es die Gruft bei den Kapuzinern noch nicht gab. Über den Särgen befinden sich heute die kupfernen Gefäße mit den Intestina der später in der Kapuzinergruft bestatteten Persönlichkeiten.23

gesundheitsrisiko für restauratoren Die generelle Angst, dass für den Restaurator bei der Arbeit mit den Sarkophagen ein Gesundheitsrisiko durch die verwesenden Leichen besteht, ist weitgehend unbegründet.

19 Ebenda, S. 34. 20 Ebenda, S. 15 und 33, sowie Hawlik-van de Water, M., Die Methoden des Einbalsamierens vom Altertum bis zur Neuzeit, in: Zeitschrift zur Rettung der Kapuzinergruft, 1 / 2 1988. 21 Bouchal, R., Sachslehner, J., Mystisches Wien. Verborgene Schätze, Versunkene Welten, Orte der Nacht, Wien 2004, S. 71 ff. 22 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 71 f.. 23 Ebenda, S. 72.

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Bei der Verwesung entstehen Leichensäfte, die im Sarginneren als Elektrolyt fungieren. Elektrochemische Korrosion verursacht daraufhin die Bildung von Löchern im Sarkophag, durch welche die Flüssigkeit dann austreten kann. Dies ist in den allermeisten Fällen längst geschehen. Bei den in der Vergangenheit geöffneten Sarkophagen fand man daher ein relativ trockenes Milieu vor. Leider waren auch die hölzernen Innensärge vom Verfall betroffen.24 Die Wahrscheinlichkeit, dass Krankheitserreger noch ansteckend sein könnten, ist sehr gering.25 Von im Sarginneren befindlichen Schimmelorganismen oder Pilzsporen können aber durchaus gesundheitliche Gefahren ausgehen. Daher sollte man sich durch das Tragen von geeigneter Schutzkleidung schützen.26 Die eigentliche Gefahr für die Gesundheit des Restaurators, zumal er sich in der Kapuzinergruft primär mit den Korrosionsphänomenen der Oberflächen befasst, geht von den verwendeten Sargmaterialien aus. Blei, welches in mehr oder weniger hohen Anteilen in den Sarglegierungen enthalten ist, ist bekanntlich ein kumulatives Gift. Der Restaurator muss sich vor der Aufnahme von Bleiverbindungen, Kupfer- und anderen Metallsalzen durch Einatmen oder Hautkontakt schützen.

verwendung von blei-zinn-legierungen in der grossplastik Blei-Zinn-Legierungen als Material für Großplastiken, zu denen auch die Sarkophage der Kapuzinergruft gezählt werden können, sind vielen heutzutage nicht mehr vertraut. In der Barockzeit waren sie aber nicht nur als Material für die bekannteren Porträtbüsten sehr geschätzt, sondern auch für monumentale Außenplastiken, Denkmäler oder Brunnenfiguren. Exemplarisch seien hier die Marienstatue in Salzburg27, der Providentiabrunnen auf dem Neuen Markt in Wien28, das ehemalige Maria-Theresien-Denkmal in Klagenfurt29 und das Reiterstandbild Franz I. Stephan v. Lothringen im Wiener Burg-

24 Ziegler Joseph, Die Sarkophage von Zacharias Lauffer in der Wiener Kapuzinergruft, in: Konservierung von Metallobjekten und Metallfassungen, Restauratorenblätter, Bd. 11, Wien 1990, S. 103–107. 25 Reiter Prof. Dr., Chr., Department für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien, Gespräch am 31. Januar 2005. 26 Siehe dazu: Zum Gesundheitsschutz bei der Arbeit mit Schimmel: Verband der Restauratoren, Schimmel – Gefahr für Mensch und Kulturgut durch Mikroorganismen, VDR-Schriftenreihe Band 1, 2004. 27 Die rund 12 m hohe Mariensäule am Salzburger Domplatz wurde in den Jahre 1766–1771 von den Brüdern Wolfgang und Johann Baptist Hagenauer erstellt. Sie besteht aus einer Legierung, die etwa gleiche Teile Blei und Zinn enthält. 28 Das nach seinem Erbauer Georg Raffael Donner auch Donnerbrunnen genannte Kunstwerk wurde in den Jahren 1737–1739 errichtet. Der Guss erfolgte durch Johann Nikolaus Moll, dem älteren Bruder von Balthasar Ferdinand Moll. Die Brüder fertigten mehrere prunkvolle Sarkophage der Kapuzinergruft. 29 Das Maria-Theresien-Denkmal wurde von Balthasar Ferdinand Moll im Jahr 1756 geschaffen.

Die Kapuzinergruft in Wien

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garten genannt.30 Anhand dieser Beispiele lassen sich die Problemstellungen der BleiZinn-Legierungen, nämlich das „sich Setzen“ unter Eigengewicht, was bei diesen Größenordnungen eine ausgeklügelte innere Stützkonstruktion erforderlich macht, und die verbreitete Unbekanntheit ihrer Verwendung, aufzeigen. Die beiden erstgenannten Plastiken mussten aufgrund der Weichheit des Materials immer wieder restauriert werden, die originalen Brunnenfiguren werden seit 1871 museal präsentiert und stehen heute in der Barocksammlung im Belvedere.31 Das Maria-Theresien-Denkmal wurde nahezu zeitgleich im Jahr 1873 durch ein anderes Bronzedenkmal ersetzt. Hauptgrund dafür dürfte wohl der geänderte Zeitgeschmack sein. Doch finden sich auch Hinweise darüber, dass die Plastik aufgrund ihres Eigengewichts in sich zusammengesackt war und unschöne Formen verursacht hatte, „welche der Spottlust reiche Veranlassung boten“.32 Das Reiterstandbild Franz I. Stephan v. Lothringen wiederum wird von Passanten im Burggarten nicht als Blei-Zinn-Legierung wahrgenommen, sondern für eine Bronze gehalten. Einen wichtigen Überblick über Blei-Zinn-Monumente des 18. und frühen 19. Jahrhunderts mit zahlreichen Abbildungen kann man sich bei Manfred Koller in seinem Beitrag „Zur Material-, Kunst- und Restauriergeschichte der Bleiplastik in Österreich“ verschaffen.33

legierungen der prunksarkophage Es gibt viele und zum Teil widersprüchliche Angaben darüber, aus welcher Legierung die Prunksarkophage in der Kapuzinergruft bestehen.34 Leider lässt sich auch nicht eindeutig eruieren, welche Materialwirkung ursprünglich angestrebt worden war. Dies zu wissen wäre für weitere Konservierungsmaßnahmen und die kunstgeschichtliche Einordnung der Sarkophage aus Zinnlegierungen von Bedeutung. Manfred Koller konnte transparente Schellackfassungen (Goldrubin, teils mit Drachenblut gefärbt) an den Zinnsarkophagen des 17. und 18. Jahrhunderts nachweisen.35 Es besteht die Möglichkeit, dass mit den Lasuren eine Art „Bronzefärbung“ angestrebt worden war. 30 Das Reiterstandbild stammt von Balthasar Ferdinand Moll aus dem Jahr 1781. 31 Koller, M., Zur Material-, Kunst- und Restauriergeschichte der Bleiplastik in Österreich, in: Gobiet, R. (Hg.), Die Salzburger Mariensäule. Zur Konservierung von monumentalen Bleiplastiken, Salzburg 2006, S. 48ff. 32 Schuschnigg, A., Die Bildhauerfamilie Moll, Dissertation, Universität Innsbruck 1928, S. 111 ff. 33 Koller, M., Zur Material-, Kunst- und Restauriergeschichte der Bleiplastik in Österreich, in: Gobiet, R. (Hg.), Die Salzburger Mariensäule. Zur Konservierung von monumentalen Bleiplastiken, Salzburg 2006, S. 48 ff. 34 Durch Josef II. wurde die aufwendige Gestaltung der Sarkophage eingestellt und ab 1790 nur mehr schlichtere Kupfersärge verwendet. 35 Koller, M., Farblüster des Barock auf Metall und Holz, in: Arbeitsblätter für Restauratoren 1977/1, Gruppe 11, S. 17–30. Die schlichten Kupfersarkophage nach der josephinischen Ära wiesen zudem Pigmentierungen auf.

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Balthasar Ferdinand Moll soll zwischen 1748 und 1770 ausschließlich sein Lieblingsmaterial Bronze zur Herstellung von Sarkophagen verwendet haben, welches im Guss seinen künstlerischen Vorstellungen besonders entgegenkommen sei.36 Doch bei einigen dieser Särge offenbart sich schon bei rein optischer Begutachtung der Charakter einer Zinnlegierung. Außerdem werden in älterer Literatur eigentümliche Materialbezeichnungen wie Bronzekomposition, Blei- oder Zinnkomposition genannt. Daher war ein Ziel der im Zuge der Diplomarbeit im Jahr 2004/05 durchgeführten Materialanalysen, die Legierungszusammensetzung einiger aussagekräftiger, in der Vergangenheit noch nicht beprobter Sarkophage exemplarisch zu ermitteln. Beim Sarkophag der Maria Elisabeth werden bei Wolfsgrubers Standardwerk über die Gruft am Ende des 19. Jahrhunderts keine näheren Materialangaben gemacht.37 Magdalena Hawlik van de Water spricht in ihrem Buch aus dem Jahr 1993 von einer Arbeit aus Zinn.38 An fünf Messstellen wurde zerstörungsfrei untersucht und zwei Metallproben wurden entnommen. Es konnten an Deckel und Seitenwand Zinnlegierungen mit unterschiedlich hohem Bleigehalt analysiert werden. Der Sarkophag der Maria Josepha wird in der Literatur als Bronzesarkophag bezeichnet.39 Er wurde an sieben Stellen untersucht. Es handelt sich um eine fast reine Zinnlegierung. Die Sarkophage von Maria Theresia und Christine werden ebenso als Bronze bezeichnet.40 Durch Messungen an vier bzw. sieben Punkten konnten Zinnlegierungen nachgewiesen werden. Der Sarkophag von Leopold Wilhelm ist eine Arbeit von Lothar Som aus dem Jahr 1662. Als Material wird bei Wolfsgruber „Bleikomposition“ genannt.41 Es sollte gemäß unserer Untersuchungsergebnisse ebenfalls von einer Zinnlegierung gesprochen werden. Mithilfe mobiler Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA)42 konnten die Legierungszusammensetzungen der angeführten Sarkophage an insgesamt 27 Messpunkten zerstörungsfrei ermittelt werden. Die unebenen und uneinheitlichen Oberflächen erschwerten an manchen Messpunkten eine quantitative Aussage.43 Für Untersuchungen mit dem Ras36 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 46. 37 Wolfsgruber, C., Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887, S. 195. 38 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 150. 39 Ebenda, S. 194, und Wolfsgruber, C., Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887, S. 239. 40 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft, Wien 1993, S. 198, und Wolfsgruber, C., Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887, S. 241 und 233. 41 Wolfsgruber, C., Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887, S. 118. 42 Die „in situ“-Untersuchungen mittels mobiler Röntgenfluoreszenzanalyse wurden durch das Institut für Naturwissenschaften und Technologien in der Kunst der Akademie der bildenden Künste Wien ausgeführt. 43 Desnica, V., Mäder, M., Schreiner, M., Materialanalytische Untersuchungen an den Sarkophagen in der Kapuzinergruft in Wien, Naturwissenschaften und Technologien in der Kunst, Akademie der bildenden Künste Wien, unveröffentlichter Untersuchungsbericht Nr. 2005/3.

Die Kapuzinergruft in Wien

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terelektronenmikroskop (SEM= Scanning Electron Microscop und EDX = Energiedispersive Röntgenanalyse)44 wurden zwei Metallproben am Sarkophag der Maria Elisabeth und eine Probe am Sarkophag des Leopold Wilhelm entnommen.45 Sarkophag Maria Elisabeth, Statthalterin der Niederlande, Seitenwand selbes Objekt, Sargdeckel Maria Josepha, Tochter Maria Theresias Maria Theresia, Tochter Josephs II. Christine, Tochter von Maria Christine und Herzog Albert von Sachsen-Teschen Bischof Leopold Wilhelm, Sohn Ferdinands II.

Bildhauer/Datierung

Zinngehalt

Bleigehalt

Sonstige

Balthasar Ferdinand Moll, 1754

91,7 %46

6,3 %

1,53 % Cu 0,49 % Fe

62,1 %

29,2 %

4,5 % Fe, 3,6 % Cu, 0,6 % Zn

Balthasar Ferdinand Moll, 1768

98 %

0,3 %

geringe Anteile Fe, Cu, As

Balthasar Ferdinand Moll, 1770

96,3 %

1,3 %

1 % Hg, 0,8 % Fe, 0,5 % Cu

Balthasar Ferdinand Moll, 1768

87,9 %

8,7 %

2,99 % Cu Spuren von Zr und Fe

Lothar Som, 1662

91,59 %

5,9 %

2,51 % Cu

46

Bei allen analysierten Sarkophagen handelt es sich demnach nachweislich um Zinnlegierungen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sarkophage nicht durchgehend dieselbe Zusammensetzung aufweisen (vergl. Sarg Maria Elisabeth), sondern dass jedes einzeln gegossene Stück aus einer anderen Legierung bestehen kann. Zudem treten Inhomogenitäten bei der Zusammensetzung innerhalb eines Gussstückes auf. Bemerkenswert ist der hohe Zinngehalt der Sarkophaglegierungen. Diese Erkenntnis deckt sich mit bereits früher angestellten Legierungsanalysen von Zinnsarkophagen, die von Lihl und Plenderleith zum Teil schon in den 1950er-Jahren veröffentlicht worden sind.

44 SEM/EDX-Untersuchung, ao. Prof. Dipl.-Ing. Erlach, R., Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Kunst und Technologie, Abteilung Archäometrie. 45 Die Metallproben dienten auch zur Ermittlung des Gefüges und der darauf befi befindlichen ndlichen Korrosionsprodukte. Im Zuge der Diplomarbeit wurden auch pulverige Korrosionsprodukte und sich abhebende Schichten untersucht. 46 Bei den Prozentangaben handelt es sich um Gewichtsprozent.

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Sarkophag Doppelsarkophag Kaiser Franz I. Stephan mit Maria Theresia47 Elisabeth Christine48, Gemahlin von Kaiser Karl VI. Erzherzogin Maria Amalia49 Erzherzog Leopold50

Kaiser Karl VI.51

Bildhauer/Datierung

Zinngehalt

Bleigehalt

Sonstige

Balthasar Ferdinand Moll, vor 1780

97,1 %

0,3 %

0,8 % Kupfer

Balthasar Ferdinand Moll, 1751

96,3 %

2,2 %,

1,1 % Kupfer

Georg Lehrl, 1730

96 %

1,4 %

1,2 % Kupfer

Georg Lehrl, 1740

ca. 98 %

unter 0,5 %

unter 1 % Kupfer

Nikolaus Moll, Johann Georg Pichler, 1743; Hinzufügungen 1752 von Balthasar Ferdinand Moll52

93,8 %

3,8 %

1,6 % Kupfer

47, 48, 49, 50, 51, 52

Der hohe Zinngehalt bei den Sarkophagen kann, wenn man ihn mit bekannten Legierungen von anderen Kunstwerken aus Blei-Zinn-Legierungen vergleicht, kein Zufallsprodukt sein. Ein nahezu umgekehrtes Verhältnis der Legierungsbestandteile Blei und Zinn zeigen beispielsweise zwei Außenplastiken von Balthasar Ferdinand Moll, welche durch das Zentrallabor des Bundesdenkmalamts beprobt wurden. Beim Denkmal von König Ludwig v. Ungarn am Basilikaeingang von Mariazell wurde ein Bleigehalt zwischen 88,2  und 97,8  ermittelt. Der Zinngehalt lag nur zwischen 1,7  und 11,3 . Es waren ebenfalls Spuren von Kupfer enthalten. Auch bei dem Reiterstandbild Franz I. Stephan v. Lothringen im Burggarten ergab sich ein Bleigehalt von 95 , bei einem

47 Lihl, F., On the Cause of Tin Decay in the Sarcophagi of the “Kapuzinergruft”, in: Studies in Conservation, Volume 1, Number 2, London 1953, S. 101. 48 Ebenda. 49 Ebenda. 50 Koller, M., Farblüster des Barock auf Metall und Holz, in: Arbeitsblätter für Restauratoren 1977/1, Gruppe 11, S. 20. 51 Plötzl, K., Zu den Legierungen einiger österreichischer Metallkunstwerke des 18. Jahrhunderts, in: Schemper – Sparholz, I., Georg Raphael Donner, Einflüsse und Auswirkungen seiner Kunst. Beiträge zum Symposium in der Österreichischen Galerie im Juli 1993, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 92, Wien 1996, S. 125. 52 Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, S. 154 f.

Die Kapuzinergruft in Wien

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Zinngehalt von nur 5  mit Resten von Kupfer.53 Auch bei vier beprobten Kleinplastiken von Balthasar Ferdinand Moll wurden Werte von um die 71  Blei, 27  Zinn und 1–1,5  Kupfer ermittelt.54 Zinn wird nicht im selben Maße wie Gold oder Silber wegen seines hohen Wertes oder seiner außergewöhnlichen optischen Qualität geschätzt, sondern wegen seiner guten Eigenschaften.55 „Zinn rostet nicht wie Eisen, setzt keinen Grünspan an wie Kupfer und wird nicht so schnell schwarz wie Silber; überdies zerbricht es nicht wie Töpferware.“56 Dennoch ist Zinn ein wertvolles Metall. Zu bedenken ist auch der Materialbedarf bei der enormen Größe der Sarkophage. Die Reinheit des Zinns wurde ähnlich wie beim Silber in Lot angegeben. Die Lötigkeit drückt aus, wie viele Gewichtsteile Zinn entweder in 14 oder 16 Teilen der Legierung enthalten sind.57 Meistens wird mit 16 Teilen gerechnet. Hat eine Legierung beispielsweise 12 Lot, besteht sie aus 12 Gewichtsteilen Zinn und 4 Gewichtsteilen Zusatzstoffen. Für das Legieren mit Blei gibt es zum einen technische, zum anderen wirtschaftliche Gründe. Die Kombination der Metalle hat bessere Gusseigenschaften, einen niedrigeren Schmelzpunkt58 und eine höhere Stabilität als reines Zinn.59 Blei war günstiger in der Anschaffung als Zinn. Je geringer der Bleianteil z.B. bei Geschirr war, desto höher war die Qualität der Zinnlegierung. Denn durch das Strecken mit Blei verliert das Zinn seinen hellen Glanz, die Legierung wird dunkler und stumpfer. Problematisch ist die Legierung vor allem für die Gesundheit, wenn das Blei mit Lebensmitteln in Kontakt kommt, was in der Vergangenheit bei Zinnwaren häufig der Fall war. Vorschriften über Höchstmengen an zugelassenem Bleigehalt gab es daher schon in China vor über 3000 Jahren. Sie waren später ein wichtiges Thema für Regierungen und Zünfte.60 Es gibt nun folgende Möglichkeiten für den hohen Zinngehalt der in der Kapuzinergruft verwendeten Legierungen. Zum einen könnte die Korrosionsbeständigkeit des 53 Koller, M., Zur Material-, Kunst- und Restauriergeschichte der Bleiplastik in Österreich, in: Gobiet, R., Die Salzburger Mariensäule. Zur Konservierung von monumentalen Bleiplastiken, Salzburg 2006, S. 62. 54 Plötzl, K., Zu den Legierungen einiger österreichischer Metallkunstwerke des 18. Jahrhunderts, in: Schemper – Sparholz, I., Georg Raphael Donner, Einflüsse und Auswirkungen seiner Kunst. Beiträge zum Symposium in der Österreichischen Galerie im Juli 1993, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 92, Wien 1996, S. 125. 55 Wacha, G., Zinn und Zinngießer in den Ländern Mitteleuropas, München 1983, S. 7. 56 Mory, L., Schönes Zinn – Geschichte, Formen und Probleme, 3. Aufl., München 1972, S. 16. 57 Fischer, H., Die Bearbeitung der Metalle, Leipzig 1890, S. 53. 58 Legierungen aus Blei und Zinn bilden ein eutektisches System. Bei einem Bleigehalt von ca. 36 liegt das Eutektikum, dessen Schmelzpunkt nur 181° C beträgt. Diese Legierung findet dementsprechend als Lot Verwendung. Aus: Koesling, V., Vom Feuerstein zum Bakelit – Historische Werkstoffe verstehen, Berlin 1999, S. 191, und Brepohl, E., Theorie und Praxis des Goldschmieds, München 1998, S. 320. 59 Berger, W.-L., Zinn, Stuttgart 1966, S. 14 f. 60 Ebenda, S. 14 ff.

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Zinns eine Rolle spielen. Die Verstorbenen könnten den Wunsch geäußert haben, in die für die Bewahrung ihrer sterblichen Reste am besten geeigneten Materialien gebettet zu werden. Schon im Mittelalter wurde Zinn für medizinische Gefäße und Apparate und als Aufbewahrungsgefäß in Apotheken empfohlen und verwendet.61 Ausdruck für die Stabilität und Beständigkeit des Metalls ist, dass man früher Zinnfolie („Stanniol“) zum Konservieren von Lebensmitteln benutzte,62 welches nun vom billigeren Aluminium abgelöst wurde. Laut Manfred Koller war im 18. Jahrhundert eine differenzierte Oberflächengestaltung der „weißen“ Metalllegierungen ohne Überzüge angestrebt worden, was sich mit dem damaligen Zeitgeschmack deckte.63 Es könnten also auch die optisch strahlenderen und länger vor Anlauf beständigeren Eigenschaften des Zinns eine Rolle gespielt haben.

resümee Die im Zuge der vielfältigen Projekte der letzten Jahre gewonnenen Erkenntnisse verdeutlichen, dass bei der Konservierung der Sarkophage nach der statischen Konsolidierung noch mehr als bisher die Erforschung und der Erhalt der Oberflächen fokussiert werden muss. Von großem Vorteil ist hierfür, dass durch die jüngste Klimatisierung gute konservatorische Umgebungsbedingungen herrschen und daher das Aufbringen von Schutzüberzügen nicht mehr erforderlich ist. Durch die jüngsten Legierungsanalysen in der Kapuzinergruft und den Vergleich mit den Bestandteilen anderer Blei-Zinn-Kunstwerke dieser Epoche ergeben sich neue Aspekte für die Kunstgeschichte. Es gilt zu klären, ob bei den Sarkophagen das weiße Erscheinungsbild der auffallend reinen Zinnlegierungen ursprünglich intendiert war und ob die vorgefundenen historischen Überzüge eher gestalterische oder schützende Funktion besaßen. Abstract For several years now, the Conservation Department of the University of Applied Arts Vienna is committed to researching and preserving the tin sarcophagi in the Imperial Burial Vault in 61 Wacha, G., Zinn und Zinngießer in den Ländern Mitteleuropas, München 1983, S. 90 f. 62 Plenderleith, H.J., Organ R.M., The Decay and Conservation of Museum Objects of Tin, in: Studies in Conservation, 2/1953, S. 63. 63 Koller, M., Zur Material-, Kunst- und Restauriergeschichte der Bleiplastik in Österreich, in: Gobiet, R. (Hg.), Die Salzburger Mariensäule. Zur Konservierung von monumentalen Bleiplastiken, Salzburg 2006, S. 42 f.

Die Kapuzinergruft in Wien

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Vienna. This paper gives an overview of the different projects carried out so far. Topics are the history and cultural importance of the crypt, the burial rites, and the potential dangers for the conservator’s health. Five sarcophagi were subject to an alloy analysis of which the results are presented and put into the artistic period’s context.

literatur Berger, W.-L., Zinn, Stuttgart 1966. Bouchal, R., Sachslehner, J., Mystisches Wien. Verborgene Schätze, Versunkene Welten, Orte der Nacht, Wien 2004. Brepohl, E., Theorie und Praxis des Goldschmieds, München 1998. Desnica, V., Mäder, M., Schreiner, M., Materialanalytische Untersuchungen an den Sarkophagen in der Kapuzinergruft in Wien, Naturwissenschaften und Technologien in der Kunst, Akademie der bildenden Künste Wien, unveröffentlichter Untersuchungsbericht Nr. 2005/3. Fischer, H., Die Bearbeitung der Metalle, Leipzig 1890. Ginhart, K., Die Kaisergruft bei den PP Kapuzinern in Wien, Wien 1925. Hawlik-van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993. Hawlik-van de Water, M., Die Methoden des Einbalsamierens vom Altertum bis zur Neuzeit, in: Zeitschrift zur Rettung der Kapuzinergruft, 1/2 1988. Hösl, E., Die Kapuzinergruft in Wien. Sarkophage aus Zinnlegierungen, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2005. Institut für Konservierungswissenschaften und Restaurierung – Technologie, Konservatorische Bestandsaufnahme der Kapuzinergruft, April 2004, unveröffentlichter Bericht. Koller, M., Farblüster des Barock auf Metall und Holz, in: Arbeitsblätter für Restauratoren 1977/1, Gruppe 11, S. 17–30. Koller, M., Zur Material-, Kunst- und Restauriergeschichte der Bleiplastik in Österreich, in: Gobiet, R., Die Salzburger Mariensäule. Zur Konservierung von monumentalen Bleiplastiken, Salzburg 2006, S. 37–62. Koesling, V., Vom Feuerstein zum Bakelit – Historische Werkstoffe verstehen, Berlin 1999. Kunze, E., Korrosion und Korrosionsschutz, Bd. 2, Korrosion der verschiedenen Werkstoffe, Weinheim 2001. Lihl, F., On the Cause of Tin Decay in the Sarcophagi of the „Kapuzinergruft“, in: Studies in Conservation, Volume 1, Number 2, London 1953, S. 89–106. Mayr, W., „Heut früh war er noch dort“. Die Wiener Kapuzinergruft, Mausoleum der einst mächtigsten Dynastie Europas, zählt zum Weltkulturerbe. Doch um den Erhalt der HabsburgerSärge kümmert sich der Staat wenig, in: Der Spiegel, Hamburg, 7/2010, S. 102 f. Mory, L., Schönes Zinn – Geschichte, Formen und Probleme, 3. Aufl., München 1972.

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Plenderleith, H.J., Organ, R.M., The Decay and Conservation of Museum Objects of Tin, in: Studies in Conservation, Volume 1, Number 2, London 1953, S. 63–72. Plötzl, K., Zu den Legierungen einiger österreichischer Metallkunstwerke des 18. Jahrhunderts, in: Schemper – Sparholz, I., Georg Raphael Donner, Einflüsse und Auswirkungen seiner Kunst. Beiträge zum Symposium in der Österreichischen Galerie im Juli 1993, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 92, Wien 1996, S. 123–126. Reiter Prof. Dr., Chr., Department für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien, Gespräch am 31. Januar 2005. Schuschnigg, A., Die Bildhauerfamilie Moll, Dissertation, Innsbruck 1928. Strebinger, R., Die Schäden an den Sarkophagen der Kapuzinergruft, in: Österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege, Jg. 5, Wien 1951, S. 67–75. Twaroch, F., unveröffentlichter Bericht über Untersuchungen an renovierten Teilen des Zinnsarkophages von Erzherzog Leopold, Wien, 15. Feber 1977, in: Bundesdenkmalamt: Wien I., Kapuz. Gruft I und II. Verband der Restauratoren, Schimmel – Gefahr für Mensch und Kulturgut durch Mikroorganismen, VDR-Schriftenreihe Band 1, Stuttgart 2004. Wacha, G., Zinn und Zinngießer in den Ländern Mitteleuropas, München 1983. Wolfsgruber, C., Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887. Ziegler, J., Die Sarkophage von Zacharias Lauffer in der Wiener Kapuzinergruft, in: Konservierung von Metallobjekten und Metallfassungen, Restauratorenblätter, Bd. 11, Wien 1990, S. 103–107.

silvia kalabis

Vorbeugende Konservierung & Archäologie situationsanalyse und konservatorisches konzept für die prähistorische schausammlung im naturhistorischen museum wien

zusammenfassung Die historischen Vitrinen der Prähistorischen Schausammlung im Naturhistorischen Museum Wien bieten keine optimalen Ausstellungs- und Aufbewahrungsbedingungen für die Exponate. Die Vitrinen gehören zur Erstausstattung des Museums von 1889. Das zu erhaltende Gesamtkunstwerk Museum und die damit verbundenen Denkmalschutzbestimmungen verbieten, die Vitrinen auszutauschen. Eine Risikoanalyse, betreffend Klima, Schädlingsbefall, Lichtverhältnisse, Schadstoffe und mechanische Belastung, wird durchgeführt, um die Lage aus konservatorischer Sicht genau einschätzen zu können. Abgestimmt auf die verschiedenen Anforderungen der in der Sammlung vorhandenen Material- und Objektgruppen wird ein Konzept entwickelt, um die Situation zu verbessern. Sowohl die klimatischen Verhältnisse als auch die Schadstoffbelastung erwiesen sich als großes Problem, währenddessen Licht, Schädlinge und mechanische Belastung kein großes Schädigungspotenzial für die Objekte darstellen. Vorgestellt werden einfache und praktikable Lösungsansätze zur Verminderung von Schäden, die durch verschiedene Faktoren verursacht werden. Schadstoffhaltige Materialien sollen isoliert oder ausgetauscht werden. Die Klimasituation soll durch die Schaffung von Mikroklimabereichen für empfindliche Objekte verbessert werden.

Das Naturhistorische Museum im Herzen Wiens gehört mit seinen ca. 20 Millionen Objekten zu den bedeutendsten Naturkundesammlungen weltweit. Das Gebäude war von Anfang an als Museum geplant und ist nicht erst später für die Schausammlung adaptiert worden. Es wurde als historistisches Gesamtkunstwerk konzipiert und ist seit seiner Eröffnung im Jahr 1889 bis heute als solches erhalten geblieben. Das ganze Gebäude, vom Figurenschmuck bis zu den Gemälden und dem Mobiliar, wie Vitrinen und Kästen, ist auf die inhaltliche Zuschreibung und Gliederung der jeweiligen Ausstellungsstücke in den verschiedenen Schausälen abgestimmt (Abb. 1: Ansicht von Saal XIII der Prähistorischen Schausammlung im Naturhistorischen Museum).

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Schon im Jahr 1923 wurde das Museum, wie alle öffentlichen Gebäude, mit seinem gesamten Inhalt „kraft gesetzlicher Vermutung“ unter Denkmalschutz gestellt. Eine gesetzliche Verordnung dazu ist im Jahr 2009 erfolgt. Einerseits ist der Denkmalschutz sehr wichtig, um das einmalige Gesamtkunstwerk zu schützen, andererseits bringt er aber Probleme mit sich, da groß angelegte Umbaumaßnahmen, z. B. auch zur besseren Aufbewahrung der Ausstellungsstücke, kaum möglich sind. Die Aufbewahrungsbedingungen in den historischen Vitrinen sind nicht ideal, was sich an einigen entstandenen Schäden an Objekten zeigt. Deshalb sollen bei der geplanten Umgestaltung einiger Schausäle der Prähistorischen Abteilung neben gestalterischen auch konservatorische Richtlinien berücksichtigt werden. Eine besondere Herausforderung stellen dabei die historischen Vitrinen dar, deren Erhaltung erforderlich ist. Um Lösungsansätze zu finden, wurde im Rahmen einer Diplomarbeit 2008/09 eine genaue Situationsanalyse in der Schausammlung durchgeführt.1 Untersucht werden die verschiedenen Schadensfaktoren wie Klima, Schadstoffe, Schadinsekten, Licht und mechanische Belastung und die in der Sammlung ausgestellten Objekte aus unterschiedlichen Materialien. Es wird analysiert, wie stark die Ausstellungsstücke den einzelnen Schadensfaktoren ausgesetzt sind und welche Materialien darauf empfindlich reagieren. Auf diese Weise konnte beurteilt werden, wo besonders großer Handlungsbedarf besteht. Im Anschluss können nun, basierend auf diesen Ergebnissen, Gegenmaßnahmen entwickelt werden. In der Prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Museums befinden sich keine Naturobjekte, sondern von Menschen geschaffene, kulturgeschichtlich wertvolle Gegenstände. Viele Objekte stammen aus den Sammlungen des k. k. Münz- und Antikenkabinetts2, wie z. B. Funde aus dem Gräberfeld in Hallstatt. Auch die Sammlung der Anthropologischen Gesellschaft in Wien wurde dem Naturhistorischen Museum am 13. Februar 1877 überlassen. Zahlreiche Grabungen ließen die Sammlung bis heute stetig weiterwachsen.3 Von Anfang an waren die Objekte chronologisch geordnet. Sowohl paläontolitische-, neolitische, bronze- und Hallstatt-zeitliche als auch La-Tène-zeitliche und frühmittelalterliche Funde sind vertreten.4 1

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Kalabis, S., Vorbeugende Konservierung und Archäologie. Konservatorische Richtlinien für die Neugestaltung der Prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien mit besonderer Berücksichtigung der denkmalgeschützten Vitrinen, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2009. Heinrich, A., Vom Museum der Anthropologischen Gesellschaft in Wien zur Prähistorischen Sammlung im k.k. Naturhistorischen Hofmuseum (1870–1876–1889–1895), in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, 125/126, 1995/96, S. 11–42, Anm. 15, S. 28. Blaha, C./Jungwirth J./Kromer, K., Geschichte der Anthropologischen und der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien. 90 Jahre anthropologische und prähistorische Forschungsarbeit, in: Annalen des Naturhistorischen Museums Wien 69/1965, S. 451–461, S. 451–455. Riedl-Dorn, C., Das Haus der Wunder. Zur Geschichte des Naturhistorischen Museums in Wien, Wien 1998, S. 206f.

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Die beiden Weltkriege hat die Sammlung weitestgehend unbeschadet überstanden. Nur im Zweiten Weltkrieg wurden die wichtigsten Objekte kurzfristig in den Tresorräumen einiger Wiener Banken sowie in einem zugemauerten Depotraum verwahrt.5 Ab dem Jahr 1960 wurden erstmals massive Veränderungen in der Schausammlung der Abteilung durchgeführt. Die Anzahl der Vitrinen wurde reduziert, und die Wandvitrinen wurden gegen moderne Einbauvitrinen in den Wänden ersetzt. Außerdem wurden historische Vitrinen, die zwischen den Fenstern platziert waren, entfernt. Ein neues Ausstellungskonzept wurde ebenso verwirklicht wie die Erweiterung um zwei Säle.6 Dieser Zustand ist bis heute weitestgehend erhalten geblieben. Lediglich im Schausaal XI wurden ab dem Jahr 1998 Erneuerungen durchgeführt. Eine Innenbeleuchtung wurde nun auch in den Pultvitrinen eingebaut, und durch die Teilung des mittleren Vitrinenschiffes entstand der sog. Venustempel, in der die Venus von Willendorf heute ausgestellt wird. Außerdem wurden wiederum die Wandvitrinen zwischen den Fenstern erneuert.7 Es gehören also nicht alle Vitrinen dem historischen Originalbestand an. Einige stammen aus den 1960er- und andere aus den 1980er-Jahren. Sie sind stilistisch nicht an das ursprüngliche Gesamtkonzept angepasst und stehen somit auch nicht unter Denkmalschutz. Der Austausch dieser Vitrinen gegen konservatorisch geeignetere ist also möglich. Trotz zahlreicher Veränderungen und Umbauten in den Schausälen ist aber das Gesamtkonzept des Museums weitgehend erhalten geblieben. Auch für zukünftige Umbaumaßnahmen soll das Prinzip gelten, den Originalbestand so weit wie möglich zu bewahren, da nicht zuletzt das einmalige Gesamtkonzept zum Erfolg des Museums beiträgt. Um die Aufbewahrung und somit den Erhalt der Ausstellungsstücke verbessern zu können, muss zunächst eine genaue Analyse der verschiedenen Schadensfaktoren stattfinden. Hierfür wurden Klimamessungen, Schadstoffuntersuchungen und ein Insektenmonitoring durchgeführt. Außerdem wurden die Lichtsituation und die mechanische Beanspruchung der Objekte beurteilt. Damit Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in den Sammlungsräumen und in den verschiedenen Vitrinentypen genau analysiert werden konnte, wurden Messungen mit Kompaktdatenloggern8 durchgeführt. Es standen vier Geräte zur Verfügung. Das Aufzeichnungsintervall sollte jeweils 30 min. betragen. So ist es möglich, auch tageszeitliche Schwankungen zu beobachten. Die Datenlog-

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Riedl-Dorn, C., Das Haus der Wunder. Zur Geschichte des Naturhistorischen Museums in Wien, Wien 1998, S. 223f. Angeli, W., Zur Neuaufstellung der Prähistorischen Schausammlung im Naturhistorischen Museum, in: Mitteilungsblatt der Museen Österreichs 7–8/1968, S. 83–88, S. 86f. Freundliche Mitteilung von Hans Reschreiter, Naturhistorisches Museum Wien, E-Mail vom 11.12.2008. Kompaktlogger für Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit „Hygrolog D“, Fa: Rotronic Messgeräte GmbH Deutschland.

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ger wurden an verschiedenen, möglichst aussagekräftigen Standorten platziert. Der erste im Raum, der zweite in einer historischen Vitrine mit Beleuchtung, der dritte in einer ohne Beleuchtung, der vierte in einer Vitrine aus den 1960er-Jahren. Die Messungen erfolgten von Oktober 2008 bis März 2009. Die abgebildeten Kurven von Datenlogger 1 im Raum (Abb. 2, links) und 3 innerhalb einer unbeleuchteten Vitrine (Abb. 2, rechts) sind gut vergleichbar. Es ist deutlich zu sehen, dass die Temperatur nicht durch die Vitrine beeinflusst wird, die Luftfeuchtigkeitsschwankungen aber weit weniger ausgeprägt sind. Gerade tageszeitliche Schwankungen werden minimiert, also gepuffert (Abb. 2: Klimakurven von Oktober 2008 bis März 2009). Zusammenfassend kann durch die Messungen gesagt werden, dass das Klima in der Sammlung von November bis März sehr trocken ist. Die Werte liegen im Schnitt zwischen 18 und 48  relativer Luftfeuchte. Die historischen Vitrinen sind dicht genug um die Luftfeuchtigkeit im Inneren weitgehend zu stabilisieren. Auf die Temperatur haben sie jedoch keinen Einfluss. Die Beleuchtung in den historischen Vitrinen wirkt sich negativ aus, da die Temperaturschwankungen innerhalb eines Tages 6 °C betragen. Die Luftfeuchtigkeit ist zwar ebenfalls stabil, aber noch niedriger als in den unbeleuchteten Vitrinen. Die Vitrinen aus den 1960er-Jahren und später sind hingegen undicht und bieten keine puffernde Wirkung. Die Sonneneinstrahlung von der Westseite des Museums wirkt sich zusätzlich negativ aus. Es entstehen unkontrollierbare Klimaschwankungen. Die historischen Vitrinen bieten also eine bessere Schutzwirkung als die neueren, jedenfalls was das Klima betrifft. Um den Schadstoffgehalt in der Luft zu messen, standen nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Außerdem sind die meisten Messverfahren nur zur Messung von Raumluft konzipiert und eignen sich nicht für enge, abgeschlossene Vitrineninnenräume. Einfach und kostengünstig anzuwenden sind Metallplättchen9 aus Blei, Kupfer und Silber, die für ein halbes Jahr an verschiedenen Standorten ausgelegt werden. Das Anlaufen der verschiedenen Metalle erlaubt Rückschlüsse auf das Vorhandensein von Schadstoffen und die Anlaufgeschwindigkeit auf die bestehende Konzentration.10 Für die kurze Expositionszeit von nur sechs Monaten zeigten die Metallindikatorplättchen erhebliche Veränderungen. Am Silber wird sichtbar, dass die Belastung mit schwefeligen Gasen im Raum stärker ist als in den historischen Vitrinen. Schwefelige Gase entstehen hauptsächlich außerhalb des Museums und gelangen beim Lüften ins Gebäude. Die historischen Vitrinen bieten gegenüber der Außenluft eine Schutzwirkung. Anders verhält es sich in den Vitrinen aus den 1960er-Jahren. Hier ist das Silber stark angelaufen. Dies ist nicht nur 9

Metallplättchen, 99,5  reine oder reinere Metallfolien von 0,1 mm Stärke (Kupfer, Silber, Blei), 10 x 15 mm-Plättchen werden zugeschnitten. 10 Hatchfield, P.B., Pollutants in the Museum Environment. Practical Strategies for Problem Solving in Design, Exhibition and Storage, London 2005, S. 43.

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durch die undichten Vitrinen zu erklären, sondern hauptsächlich durch chloridhältige Exponate aus dem Salzbergwerk in Hallstatt. Die Bleiplättchen zeigten ein ähnliches Bild. Alle sind dunkel angelaufen, die Plättchen im Raum und in der Vitrine aus den 1960er-Jahren aber am stärksten. Die Kupferplättchen sind alle unverändert geblieben. Zusätzlich dazu wurde ein sog. Glasfasersensor11 vom Fraunhofer-Institut aufgestellt. Der Glasfasersensor funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip, die Expositionszeit betrug aber nur drei Monate. Ein Kalium-Silikat-Glas ist in einem Diarahmen auf einer Aluminiummaske befestigt. Das Silikat-Glas reagiert sehr empfindlich auf äußere Einflüsse wie Klimaschwankungen, Schadgase und Mikroorganismen. Es entsteht Oberflächenkorrosion. Nach genau drei Monaten Expositionszeit wurde der Sensor zum Fraunhofer-Institut verbracht und mithilfe von Infrarotspektroskopie analysiert. Je stärker die Korrosion im Vergleich zu einem Modelglas ist, desto höher ist die Schadstoffbelastung. Bedingt können Rückschlüsse auf die Art der Schadstoffbelastung gezogen werden. Eine Analyse von Einzelsubstanzen ist aber nicht möglich.12 Der Glasfasersensor lieferte trotz offensichtlich hoher Schadstoffbelastung in den Vitrinen jedoch kaum ein Ergebnis. Dies ist vor allem auf die extrem niedrige Luftfeuchtigkeit zurückzuführen. Im Expositionszeitraum ist die relative Luftfeuchtigkeit kaum über 35  gestiegen. Der Sensor kann aber erst ab einer relativen Luftfeuchtigkeit um die 50  mit den Schadstoffen reagieren. Aktuelle Versuchsreihen am Fraunhofer-Institut belegen das.13 Wer Messungen mit einem Glasfasersensor durchführen will, sollte das bedenken und wenn möglich während des Messzeitraums die Luft befeuchten. Nicht nur die Umgebungsluft, sondern auch die in den Vitrinen enthaltenen Ausstattungsmaterialien wurden auf ihren Schadstoffgehalt getestet. Hierzu wurden zunächst rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen durchgeführt14, um Antworten auf verschiedene Fragen zu den Materialien zu erlangen. Zusätzlich wurde der sog. Oddy-Test durchgeführt. Er ist eine kostengünstige Möglichkeit, Materialien auf ihre Eignung für den Gebrauch im Museum zu testen. Die Materialien werden hierfür einer Temperatur von 60 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 100  über einen Zeitraum von 28 Tagen hinweg ausgesetzt. Zur Schadstoffidentifizierung wird jeweils ein Indikatorplättchen wiederum aus Kupfer, Blei oder Silber mit dem zu testenden Material in ein versie-

11 Glassensor, Fa: Fraunhofer ISC Bronnbach, 97877 Wertheim, Bronnbach. 12 Schieweck, A., Salthammer, T., Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Raumluft – Baustoffe – Exponate, Braunschweig 2006, S. 78. 13 Freundliche Mitteilung von Gabriele Maas, Fraunhofer ISC Bronnbach, Telefonat am 13.05.2009. 14 Die rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen wurden durchgeführt von AProf. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach, Institut für Kunst und Technologie/Technische Chemie/Archäometrie, Universität für angewandte Kunst Wien.

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geltes Glasgefäß gehängt.15 Getestet wurde das Material der historischen Vitrinen sowie Materialien, die heute für die Gestaltung der Vitrineninnenräume und Beschriftung der Objekte verwendet werden. Darunter sind verschiedene Stoffüberzüge, ein Verbundmaterial aus Papier, Selbstklebefolie und aufgeschäumtem Kern, das für die Beschriftungstafeln verwendet wird, eine PVC-Unterlage in Kunstlederoptik und das Eichenholz, aus dem die Vitrinen selbst hergestellt wurden. Nur ein Stoffüberzug konnte den Oddy-Test bestehen. Bei den übrigen Materialien waren erhebliche Veränderungen an den Metalloberflächen erkennbar, und somit ist ein erhöhter Schadstoffgehalt nachgewiesen. Vor allem die Eichenholzprobe aus den Vitrinen hat an Kupfer und Blei massive Veränderungen verursacht. Die Kupferoberfläche ist schwarz korrodiert, während das Blei kaum mehr einen Metallkern aufweisen konnte. Die Beleuchtung der Schausammlung erfolgt durch Tageslicht und Leuchtstoffröhren. Durch die großen Fensterflächen in allen Räumen tritt Tageslicht in die Sammlung. Bei der Eröffnung des Museums war die Ausstellung auf Tageslichtbeleuchtung abgestimmt und konnte nur so lange gezeigt werden, bis es dunkel wurde. Die künstliche Beleuchtung wurde erst nachträglich, schrittweise ab den 1960er-Jahren, mit dem technischen Fortschritt, in und über den Vitrinen angebracht. Es werden heute Leuchtstoffröhren mit einem hohen UV-Anteil verwendet. Zusätzlich problematisch ist die Erwärmung des Vitrineninnenraumes durch dieses Beleuchtungsmedium in den Vitrinen in Saal XI. Auch ein Insektenmonitoring wurde im Rahmen der Diplomarbeit durchgeführt. Normale Klebefallen16 für alle Insekten und Pheromonfallen für Kleidermotten17 wurden verwendet. Außer einigen Spinnen, Fliegen und einer Heuschrecke wurden keine Insekten detektiert. Sie stellen keine Gefahr für die Ausstellungsstücke dar. Nur auf einigen Pheromonfallen waren vereinzelt Kleidermotten zu finden. Eine Befragung der Mitarbeiter zeigte, dass die Objekte kaum einer mechanischen Belastung ausgesetzt sind, da die Dauerausstellung selten verändert wird und auch kaum Objekte verliehen werden.18 In der Prähistorischen Schausammlung befinden sich Ausstellungsstücke aus den unterschiedlichsten Materialien. Metalle und silikatische Materialien sind ebenso vertreten wie organische Stoffe. Alle Exponate haben unterschiedliche Anforderungen, betreffend

15 Lee, R./Thickett, D., Selection of Materials for the Storage or Display of Museum Objekts, London 1996, S. 14f. 16 Insekten-Fallen “Museum traps”, Fa: R.E. Child BSc., FllC., FSA; 17 Tabot Street, Pontcanna, Cadiff, Wales, CF11 9BW; E-Mail: [email protected] 17 Pheromonfalle für Kleidermotten „Kleidermottenfalle Finicon“, Fa: Pestimo Integrodom GmbH; Moränenstr. 4; 48165 Münster; www.pestimoservices.com 18 Freundliche Mitteilung von Mag. Hans Reschreiter, Naturhistorisches Museum Wien, Gespräch am 23.03.2009.

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Raumklima, Licht und Handhabung. Auch reagieren sie unterschiedlich auf Schadstoffbelastungen oder Schadinsekten. Es befinden sich insgesamt ca. 4160 Objekte in den vier Ausstellungsräumen der Prähistorischen Schausammlung. Die Objekte sind nicht nach Materialgruppen in den Vitrinen angeordnet, sondern nach Zeitstellung, Fundzusammenhang und Fundort. Die Materialverteilung nach Stückzahl der Exponate gibt Aufschluss darüber, welchen prozentualen Anteil die jeweiligen Materialien in der Sammlung ausmachen (Abb. 3: Materialverteilung in der Schausammlung nach Stückzahl der Exponate). Metalle machen einen Anteil von 60,39  der Ausstellungsstücke aus. Vorhanden sind Eisen, Bronze, Blei, Silber und Gold wobei Bronze allein 52,68  ausmacht. Sie benötigen allgemein ein trockenes Klima, am besten unter 45  relativer Luftfeuchte, um Korrosion und Reaktionen mit Schadstoffen vorzubeugen. Anspruchsloser sind silikatische Materialien, die einen Anteil von 29,71  ausmachen. Eine Ausnahme bildet das sehr empfindliche Glas. Es bestehen zwar nur 1,2  der Ausstellungsstücke aus diesem Material, sie benötigen aber ein sehr stabiles, trockenes Klima. Organische Materialien bedingen eher ein stabiles, feuchteres Klima und müssen vor Licht und einige vor Insekten geschützt werden. Sie machen nur einen kleinen Anteil von 9,9  der Schausammlung aus. Besonders empfindlich sind hier einige Wollobjekte, die zwar nur 0,19  der Ausstellungsstücke darstellen, aber im Kontext der Sammlung besonders wertvolle Raritäten sind. Da über die Hälfte aller Objekte aus Bronze gefertigt sind, soll exemplarisch besonders auf dieses Material eingegangen werden. Bronze ist unempfindlich gegenüber Temperaturschwankungen, Schädlingen und Licht. Hohe Luftfeuchtigkeit fördert Korrosion, deshalb sollten 45  relative Luftfeuchte nicht überschritten werden. Sie reagiert besonders empfindlich auf Chloride, Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid und Carbonsäuren wie Ameisen- und Essigsäure.19 Auch gegenüber mechanischer Belastung ist das Material empfindlich. Vor allem durchkorrodierte Objekte sind mit Vorsicht zu behandeln. Die Bronzen in der Ausstellung befinden sich in einem guten Zustand. Es sind keine Ausblühungen sichtbar, und von den Restauratoren der Abteilung wurden über Jahrzehnte hinweg keine Veränderungen festgestellt.20 Das ist vor allem auf die extrem niedrige Luftfeuchtigkeit zurückzuführen. Sowohl Korrosion als auch die Reaktion mit Schadstoffen wird somit verlangsamt. Lediglich Objekte auf einer PVC-Unterlage aus dem Jahr 1965 zeigen eine Beschädigung des Überzuges. Die Weichmacher im PVC21 schädigen zwar nicht das Objekt selbst, aber das verwendete Restaurierungsmaterial. Der 19 Schieweck, A., Salthammer, T., Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Raumluft – Baustoffe – Exponate, Braunschweig 2006, S. 90f. 20 Freundliche Mitteilung von Walter Prenner, Naturhistorisches Museum Wien, Gespräch am 23.03.2009. 21 Hatchfield, P.B., Pollutants in the Museum Environment. Practical Strategies for Problem Solving in Design, Exhibition and Storage, London 2005, S. 25.

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Überzug haftet an den Auflagestellen an und hinterlässt Rückstände, wenn die Bronzen verschoben werden. Der geschlossene Überzug ist somit beschädigt und äußere Einflüsse wie Feuchtigkeit und Schadstoffe gelangen leichter an das Bronzeobjekt. Durch diese Untersuchungsergebnisse und die spezifischen Anforderungen der Materialien an ihre Umgebung konnten Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation entwickelt werden. Es zeigte sich, dass die klimatische Situation und die Schadstoffbelastung in den Vitrinen die größten Gefahren für die Ausstellungsstücke darstellen, während Insekten, Licht und mechanische Belastung eher untergeordnete Rollen spielen. Die relative Luftfeuchte in den Schausälen ist insgesamt sehr trocken. Fast 90  der Objekte bestehen aus Materialien, die zur optimalen Aufbewahrung auch ein trockenes Klima benötigen. Das übrige Zehntel, bei dem es sich vorwiegend um organische Materialien handelt, nimmt aber Schaden durch diese Situation. Angestrebt werden sollte also das Klima in der Gesamtheit trocken zu halten und für die empfindlichen Objekte Mikroklimabereiche mit höherer Luftfeuchtigkeit zu schaffen. Dazu wäre eine Neuaufstellung einiger Objekte nach Materialgruppen und eine Investition in Klimavitrinen erforderlich. Bei der derzeitigen Ausstellung wurden die jeweiligen Anforderungen einzelner Materialien an das Klima nicht berücksichtigt. Jeder Raum ist einem bestimmten Zeitabschnitt wie Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit gewidmet. Die Aufteilung in den Räumen muss erhalten bleiben, um das Ausstellungskonzept nicht zu gefährden. Innerhalb dieser Räume können aber einige Objekte umgestellt werden, da sie alle der gleichen Epoche angehören. Als Beispiel ist hier Saal XIII zu nennen (Abb. 4: links: derzeitige Anordnung der Objekte in Saal XIII; rechts: mögliche Anordnung der Objekte nach Anforderungen der Materialgruppen). Nur die Materialien Bein, Molluskenschalen und Bernstein benötigen in diesem Raum ein stabiles Klimas von ca. 21 ˚C und 50  relativer Luftfeuchtigkeit. Außerdem befinden sich einige sehr empfindliche Objekte aus korrodiertem Glas und Blei in diesem Saal. Beide Materialien benötigen zwar ein trockenes Klima, aber die derzeitige Unterbringung in den historischen Vitrinen ist dennoch nicht angemessen. Für das Glas ist es geringfügig zu warm und die Luftfeuchtigkeit ist zu niedrig und nicht stabil genug. Das Blei reagiert stark mit den organischen Säuren aus dem Eichenholz. Die Glasobjekte können gemeinsam mit den Bleiobjekten in einer schadstofffreien Vitrine bei ca. 18 ˚C und 40  relativer Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden. Die Vitrinen zwischen den Fenstern, auf Abbildung 4 rechts rot eingekreist, können ausgetauscht werden, da sie erst in den 1980er-Jahren eingebaut worden sind und nicht an das Gesamtkonzept des Museums angepasst sind. Idealerweise könnte eine Klimavitrine für Blei und Glas und eine für Bein, Bernstein und Molluskenschalen angeschafft und auf die jeweils benötigten Bedingungen konditioniert werden. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung des gesamten Raumklimas könnten der Einbau von Außenbeschattungsvorrichtungen

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an den Fenstern, das Aufstellen von Luftentfeuchtern im Sommer oder der Einbau von Türen als Klimaschranken sein. Auch Schadstoffe sind ein großes Problem. Vor allem Essigsäure, die vom Eichenholz der Vitrinen emittiert wird, ist hier zu nennen. Unter dem Glasaufsatz erhöht sich die Konzentration mit der Zeit immer mehr, was für 62  aller Ausstellungsstücke eine Gefahr ist. Eine Isolierung des Holzes ist erforderlich. Überzüge haben sich als ungeeignet erwiesen, aber gasdichte Aluminiumverbundfolien, die auf das Holz aufgebügelt werden können, oder verschweißte Metalleinsätze eignen sich gut, was Vergleichsbeispiele an anderen historischen Vitrinen zeigen. In einem groß angelegten Test schnitten die Folien-Typen Melinex 401 (Polyester-Folie22), Moistop 622 (Polyester/Aluminium/Polyethylen-Verbundfolie)23 und Marvelseal 360 A (Polypropylen/Polyethylen/Aluminium/ Polyethylen-Verbundfolie)24 am besten ab. Die Folien können mit einem Folienschweißgerät zu beliebig großen Stücken verschweißt werden. Die Aluminiumverbundfolien Moistop 622 und Marvelseal 360 A können mit einem handelsüblichen Bügeleisen auf die Holzoberfläche aufgebügelt werden. Um die Reversibilität zu wahren, kann dies auch unterlassen werden.25 Auch die schadstoffhaltigen Ausstattungsmaterialien können leicht aus den Vitrinen entfernt werden. Hier ist vor allem die stark weichmacherhaltige PVCEinlage zu nennen, die die Restauriermaterialien an den Objekten angreift. Es ist kaum möglich, bestimmte Produkte für die Vitrinenausstattung zu empfehlen, da technische Datenblätter häufig unvollständige Angaben liefern und die Rezepturen in der chemischen Industrie häufig geändert werden. Zusätze wie Flammschutzmittel, Weichmacher, Anti-Oxidantien, Treib- oder Netzmittel, Biozide und Sikative erschweren das Problem, da Auswirkungen auf andere Materialien kaum vorhersehbar sind. 26 Eine gute Möglichkeit, bedenkenlos auf industriell hergestellte synthetische Produkte, z. B. Textilien, zurückgreifen zu können, ist es, sie vor Gebrauch in den Vitrinen zu testen. Der Oddy-Test ist eine vergleichsweise einfache Option, die in Museen leicht selbst durchgeführt werden kann. Ein Testzeitraum von 28 Tagen macht eine großzügige Vorausplanung notwendig, da auch negative Testergebnisse berücksichtigt werden müssen. Licht, Schädlinge und mechanische Belastung stellen für einen Großteil der Sammlung kein akutes Problem dar, aber auch hier können durch kleine Veränderungen

22 Polyester-Folie „Melinex 401“, Fa: Secol. 23 Polyester-Aluminium-Polyethylen-Verbundfolie „Moistop 622“, Fa: Protective Packaging. 24 Polypropylen-Polyethylen-Aluminium-Polyethylen-Verbundfolie „Marvelseal 360 A“, Fa: Preservation Equipment. 25 Thickett, D., Sealing of MDF to Prevent Corrosive Emissions, in: The Conservator 22/1998, S. 49–56, S. 55. 26 Schieweck, A., Salthammer, T., Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Raumluft – Baustoffe – Exponate, Braunschweig 2006, S. 125f.

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Verbesserungen erreicht werden. Die Beleuchtung in der Schausammlung erfolgt mit Tageslicht und Leuchtstoffröhren. Beides verursacht eine hohe UV-Belastung und Temperaturschwankungen. Da aber mehr als 72  der Ausstellungsstücke nicht empfindlich gegenüber Licht sind, ist die Gefährdung der Sammlung eher gering. Vorhandene Schutzmaßnahmen wie UV-Schutzfolien sollten erneuert werden, da sie schon zehn Jahre alt sind. Rollos sollten repariert und das Aufsichtspersonal auf die richtige Benutzung hingewiesen werden. Falls es zur Entwicklung eines neuen Beleuchtungskonzeptes für die historischen Vitrinen kommt, sollten Beleuchtungsmedien mit niedrigem UV-Anteil, wie LEDs oder Lichtleitfasersysteme, gewählt werden, die keine Erwärmung im Vitrineninnenraum verursachen. LEDs haben einige Vorteile gegenüber herkömmlichen Beleuchtungsmedien. Sie verbrauchen nur sehr wenig Energie, sie emittieren keine UV-Strahlung und sie ermöglichen eine ansprechende Beleuchtung. Die geringe Größe der Lampen macht sie ideal für die Beleuchtung eines Vitrineninnenraumes, da sie unauffällig angebracht werden können. Eine weitere Möglichkeit, die historischen Vitrinen zu beleuchten, sind sog. Lichtleitfasersysteme. Sie beruhen auf der Trennung von Lichtquelle und Lichtaustritt, was viele Vorteile für die Vitrinenbeleuchtung bietet. Die Lichtquelle beinhaltet ein Reflektorsystem, das den Lichtstrahl der Lampe auf die Lichtleitfaser fokussiert, die wiederum das Licht weitertransportiert. Lichtleitfasern bestehen meistens aus Glasfaserbündeln und können das Licht sowohl über die ganze Faserlänge als auch gebündelt am Faserende abgeben. Vorteilhaft ist, dass nur das „reine“ Licht und praktisch keine Wärme und UV-Strahlung in die Vitrine gelangt. Die Wärmeentwicklung ist auf die Lichtquelle beschränkt, die z. B. im unteren Bereich der Vitrine eingebaut werden kann, in dem sich derzeit leere Schubladen befinden.27 Eventuell könnten auch an weniger auffälligen Bereichen Belüftungslöcher eingebohrt werden. Durch Schadinsekten sind ca. 92  der Ausstellungsstücke nicht gefährdet. Dennoch können die wenigen gefährdeten Stücke durch einfache Maßnahmen geschützt werden. In erster Linie ist es wichtig, dass weiterhin regelmäßig gereinigt wird, um Staubansammlungen, die Insekten anlocken, zu verhindern. Auch sollte ein permanentes Monitoring mit Klebefallen durchgeführt werden, um einen Befall frühzeitig zu erkennen und entgegenzuwirken, bevor ernsthafte Schäden an Objekten entstehen. Durch das richtige Abdichten der Vitrinen können Insekten effektiv ausgesperrt werden. Die Ausstellungsstücke sind sehr seltene und nicht nur für die Forschung unschätzbare Objekte, die alle mit größtmöglichem Respekt gehandhabt werden müssen. Die mechanische Belastung der Exponate kann durch die Beachtung einfacher Handhabungsregeln minimiert werden. Beachtet werden muss, dass z. B. immer nur ein Objekt transportiert wird, Gegenstände immer nur an einer stabilen Partie umfasst wer27 Hilbert, G. S., Sammlungsgut in Sicherheit, Berlin 2002, S. 66.

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den, z. B. nicht an Gefäßhenkeln. Ebenso sollten Transporthilfen mit Rollen für schwere Objekte oder Tabletts für kleine Objekte verwendet werden. Objekte dürfen außerdem nie auf dem Untergrund verschoben oder gezogen werden und es ist immer für eine angemessene Verpackung zu sorgen. Auch sollte darauf geachtet werden, dass immer Handschuhe aus Baumwolle, Kunststoff oder Latex getragen werden und Kleidung ohne hervorstehende Knöpfe, Reißverschlüsse oder Gürtelschnallen, durch die das Objekt beschädigt werden könnte. Auch die Verwendung von Tableaus für kleinteilige Objekte wie Ketten und die richtige Montage bedeuten Entlastung für die Objekte. Durch die geplante baldige Umgestaltung der Schausäle bietet sich die Gelegenheit für die Prähistorische Schausammlung, einige der im Rahmen der Diplomarbeit erarbeiteten Maßnahmen zu berücksichtigen. Die Verbesserung der Aufbewahrungsbedingungen soll dabei helfen, die teilweise Jahrtausende alten Ausstellungsstücke auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Abstract The historical display cases from 1889 in the Prehistoric Collection in the Natural History Museum of Vienna do not offer optimal safekeeping conditions for the exhibits. However, it is not possible to exchange them because the building and all the objects inside are protected. A risk analysis on climate, pests, lighting conditions, pollutants and mechanical strain was conducted to evaluate the situation from a conservators view. To improve the situation different demands of material groups in the collection had to be considered. Climate and pollutants were identified as worst impact compared to pests, lighting and mechanical strain. Relatively easy measures to mitigate the problems are suggested: Pollutant-containing materials should be exchanged or isolated. The climate situation should be improved by creating micro-climate areas for sensitive objects.

literatur Angeli, W., Zur Neuaufstellung der Prähistorischen Schausammlung im Naturhistorischen Museum, in: Mitteilungsblatt der Museen Österreichs 7–8/ 1968, S. 83–88. Blaha, C./Jungwirth J./Kromer, K., Geschichte der Anthropologischen und der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien. 90 Jahre anthropologische und prähistorische Forschungsarbeit, in: Annalen des Naturhistorischen Museums Wien 69/1965, S. 451–461. Hatchfield, P.B., Pollutants in the Museum Environment. Practical Strategies for Problem Solving in Design, Exhibition and Storage, London 2005.

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Heinrich, A., Vom Museum der Anthropologischen Gesellschaft in Wien zur Prähistorischen Sammlung im k.k. Naturhistorischen Hofmuseum (1870–1876–1889–1895), in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, 125/126, 1995/96, S. 11–42. Hilbert, G. S., Sammlungsgut in Sicherheit, Berlin 2002. Kalabis, S., Vorbeugende Konservierung und Archäologie. Konservatorische Richtlinien für die Neugestaltung der Prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien mit besonderer Berücksichtigung der denkmalgeschützten Vitrinen, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. Lee, R./Thickett, D., Selection of Materials for the Storage or Display of Museum Objekts, London 1996. Riedl-Dorn, C., Das Haus der Wunder. Zur Geschichte des Naturhistorischen Museums in Wien, Wien 1998. Schieweck, A., Salthammer, T., Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Raumluft – Baustoffe – Exponate, Braunschweig 2006. Thickett, D., Sealing of MDF to Prevent Corrosive Emissions, in: The Conservator 22/1998, S. 49–56.

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Kastenkrippen als Materialpotpourris

zusammenfassung Neben einem Überblick zur historischen Entwicklung der Weihnachtskrippe und der Produktion kommerzieller Krippenfiguren wird die Entstehung der Krippensammlung des Volkskundemuseums am Universalmuseum Joanneum beleuchtet. Es folgt ein Einblick in die Bestandsund Zustandserfassung von Kastenkrippen. Die Konservierung verlangt eine präzise Analyse der Objektgeschichte im volkskundlichen Kontext, wo neben natürlichen Alterungsprozessen auch Gebrauchsspuren, Überarbeitungen durch ehemalige Besitzer sowie museale Altrestaurierungen gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Die Reinigung sowie der Umgang mit Bestand verändernden Maßnahmen werden eingehender besprochen.

Kastenkrippen sind Weihnachtskrippen, die von einem teils offenen, häufig auch verglasten Kasten umschlossen werden. Neben der Namen gebenden Hülle charakterisiert die meist kleinteilige und aus fragilen Materialien zusammengesetzte Krippenlandschaft diese volkskundlichen Objekte. Materialtechnologisch gesehen handelt es sich bei Kastenkrippen um wertvolle Zeugnisse von Fertigungstechniken und Materialmöglichkeiten ihrer Entstehungszeit. Sie verbinden kommerzielle in- und ausländische Krippenwaren mit dem handwerklichen Geschick der Krippenbauer und den von ihnen verwendeten, regionalen Materialien aus Natur und Haushalt. Einen Einblick in die Bandbreite an möglichen Formen und Darstellungen gewähren die Kastenkrippen des Volkskundemuseums am Universalmuseum Joanneum (UMJ). Auf dem museumseigenen Gesamtbestand von 19 Kastenkrippen basiert auch die Diplomarbeit1 der Autorin, die wesentlichen Ergebnisse daraus werden im Folgenden besprochen. Die allgemeine Definition von Krippen sowie deren geschichtlicher Hintergrund geben dazu tiefere Einblicke in die Thematik, die Erzeugung von Handelswaren für den Krippenbau des 19. und 20. Jahrhunderts wird in ihren Grundzügen dargestellt. An der Vielfalt der mitunter in Mas-

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Schönhart, B., Die Kastenkrippen des Volkskundemuseums am Landesmuseum Joanneum. Geschichte – Technologie und Bestand – Konservierung und Restaurierung, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2008.

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sen erzeugten Krippenwaren lassen sich deren wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung sowie die große individuelle Wertschätzung der Besitzer trotz häufig geringer finanzieller Möglichkeiten ablesen. Die Bestandsaufnahme der zumeist reich ausgestatteten Kastenkrippen bedingt eine systematische Vorgehensweise, wozu eine auf möglichst viele Kastenkrippen anwendbare, darstellungsorientierte Gliederung entwickelt wurde und hier vorgestellt wird. Wesentliche Punkte der Konservierung und Restaurierung von Kastenkrippen im Allgemeinen und der Sammlung des Volkskundemuseums im Speziellen sollen schließlich auch die Möglichkeiten ihrer Erhaltung aufzeigen. Dabei werden eine sensible Reinigungsmethode, der Umgang mit Überarbeitungen am Sammlungsbestand sowie die schonenden Maßnahmen präventiver Konservierung näher erläutert.

krippen – weihnachtskrippen – kastenkrippen: definition und geschichtlicher hintergrund Diverse Bezeichnungen für Krippen unterschiedlichster Ausführung oder Herkunft werden in der einschlägigen Literatur oft unklar bzw. nicht definiert und ebenso wenig konsequent verwendet. Diese Problematik soll kurz vorweggenommen werden, um die Deutung und Einordnung im folgenden Text verwendeter Begriffe zu erleichtern. ‚Krippen‘ zeigen nicht ausschließlich die Geburt Jesu Christi. Vielmehr steht die Bezeichnung für sakrale Darstellungs- und Gebrauchsformen, deren Figurenbestände z.B. bei sogenannten ‚Wechsel- oder Jahreskrippen‘ dem Kirchenjahr folgen. Während ‚Osterkrippen‘ die Darstellung der Passion Christi beinhalten, stellen Weihnachtskrippen die Geburt Christi dar. Diese werden ausschließlich während eines begrenzten Zeitraumes gezeigt und stellen eine bildhafte Unterstützung der Gläubigen bei der Heranführung an die Ereignisse im Kirchenjahr dar. Sie gehen auf ikonografisch ähnliche Darstellungen aus liturgischen Weihnachtsspielen, Christkinddarstellungen, plastischen Bildnissen der Geburt Christi2 sowie auf weihnachtskrippenartige Altäre (häufig Marienaltäre) zurück. Letztendlich ist die isolierte Darstellung der Geburt Jesu Christi während des begrenzten Aufstellungszeitraumes vom 24. Dezember bis zum 2. Februar das ausschlaggebende Kriterium für die Bezeichnung ‚Weihnachtskrippe‘. Bei einer ‚Kastenkrippe‘ kann es sich prinzipiell um jede Art von Krippendarstellung – sei es nun Geburt oder Passion – handeln, die in jedem Fall ganz oder teilweise umhüllt sein muss. Im folgenden Text ist mit der Bezeichnung ‚Kastenkrippe‘ stets eine, die

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Sogenannte ‚Ständige Rekonstruktionen‘ wurden in zumeist grottenartig gestalteten Seitennischen von Kirchen errichtet und konnten das gesamte Jahr über besichtigt werden. Vgl. Berliner, R., Die Weihnachtskrippe, München 1955, S. 71.

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Geburtsszene enthaltende Kastenkrippe gemeint. Die ersten Weihnachtskrippen im Alpenraum und nördlich davon sind vor der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts weder im kirchlichen noch im privaten Bereich nachweisbar. Als früheste Weihnachtskrippe dieser Region gilt eine von den Jesuiten 1562 in Prag errichtete.3 Die Geburtsstätte scheint also im kirchlichen Umfeld zu liegen, eine weitläufige Verbreitung erfuhr die Weihnachtskrippe jedoch erst mit der Aufnahme in private Stuben. Im habsburgischen Österreich entwickelten sich Tirol, das Erzbistum Salzburg mit dem Salzkammergut und den daran anschließenden Gebieten sowie Böhmen als erste, traditionelle Krippengebiete. 4 Frühe Belege für Weihnachtskrippen in Adels- oder Bürgerhäusern5 finden sich um 1750, während der Wiener Kaiserhof zu diesem Zeitpunkt noch kaum Interesse an diesen Objekten zeigte.6 Waren bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts Weihnachtskrippen hauptsächlich auf Kirchenräume und Stuben wohlhabender Gesellschaftsschichten beschränkt, trat mit der Jahrhundertwende ein allgemeiner Aufschwung kleiner und einfacher Krippen für breitere Bevölkerungskreise ein. Als Auslöser für diese Entwicklung werden die wiederholten Verbote der allzu pompös gewordenen barocken, kirchlichen Krippen durch Maria Theresia und Josef II. gesehen.7 Ebenso entscheidend für diese Entwicklung war die allmählich einsetzende Produktion der später in großer Stückzahl erzeugten und erschwinglichen Krippenfiguren kleineren Formates. Diese wurden nicht ausschließlich, jedoch sehr häufig in Kästen eingebaut und sind in diesem schützenden Ambiente bis heute erhalten geblieben.

produktion von weihnachtskrippen und krippenfiguren seit beginn des 19. jahrhunderts Die Nachfrage nach günstigen Weihnachtskrippen bzw. Krippenbestandteilen – hauptsächlich der Figuren – stieg mit der oben skizzierten Entwicklung und brachte vor allem 3 4

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Berliner, R., Die Weihnachtskrippe, München 1955, S. 32. Loder, H., Die Geschichte der Krippe, in: Kaindl, H., Evelyn Kaindl-Ranzinger, E. (Hg.), In Dulci Jubilo. Weihnachten in Europa, Ausst.-Kat. Diözesanmuseum Graz, In Dulci Jubilo – Weihnachtskrippen in Europa, 26. 11. 2002–02. 02. 2003, Graz 2002, S. 10–14, S. 14. Koschier, I., Weihnachtskrippen in Kärnten, Kärntner Museumsschriften 63, Klagenfurt 1978, S. 25, und Kretzenbacher, L., Weihnachtskrippen in Steiermark. Kleine Kulturgeschichte eines Volkskunstwerkes, Wien 1953, S. 25. Berliner, R., Die Weihnachtskrippe, München 1955, S. 133. Seit 1670 kam es zu wiederholten Krippenverboten durch Maria Theresia, 1751 und 1782 durch Kaiser Josef II. Letzteres wurde 1804 wieder aufgehoben. Salzburger Museum Carolino Augusteum (Hg.), Die Krippensammlung des Salzburger Museums und Abwehrzauber und Gottvertrauen – Kleinodien Salzburger Volksfrömmigkeit. Ausst.-Kat. Weihnachtsausstellung 1985/86, Jahresschrift 31/1985, Salzburg 1985, S. 15.

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einigen Zentren holzverarbeitender hausindustrieller Fertigung8 neue Absatzmöglichkeiten. Als Haus- oder Heimindustrie gilt eine Produktion dann, wenn die in großen Mengen in der eigenen Wohn- oder Werkstätte hergestellten Waren im Nebenerwerb gefertigt werden. Der Absatz erfolgt entweder über den Hausierhandel, auf Wochenoder Jahrmärkten oder über einen Verleger. Daneben erweiterten die Wachszieher und Drucker ihr Sortiment um Figuren und Zubehör für Weihnachtskrippen. Privatleute fertigten mithilfe dieser Erzeugnisse Einzelstücke, während für den Handel Serien produziert wurden. Dabei prägten Zeitgeschmack, regionale Traditionen, aber auch persönliche Vorlieben das Bild der Weihnachtskrippen. Diese werden damit zum Zeit- und Materialzeugnis, wo sich viele zusammengetragene Dinge wie Perlen, Buntpapiere und wiederverwertetes Material (wie z.B. bereits beschriebenes Papier oder Glasbruch) mit den Krippenwaren des Handels vermengen (Abb. 4). Hier bietet sich ein interessantes Forschungsfeld, denn durch den weitläufigen Vertrieb dieser Waren kann ein Beziehungsnetz zwischen den unterschiedlichsten Weihnachtskrippen in und um Österreich gespannt werden. Ebenso erklärt sich daraus die mitunter erstaunliche Ähnlichkeit unabhängig voneinander gefertigter Weihnachtskrippen und im Besonderen weihnachtlicher Kastenkrippen. Für den Handel wurden nicht ausschließlich Figuren gefertigt, jedoch stellen sie das Gros an kommerziellen Krippenwaren dar und sollen aus diesem Grund eingehender besprochen werden. Obwohl dies nicht für alle Erzeugungsregionen zutrifft, bleibt zu erwähnen, dass Krippenfiguren trotz ihrer Bedeutung häufig nur ein Nebenprodukt der Spielwaren- oder Kerzen- und Votivgabenfertigung bildeten. Eine kommerzielle Fertigung günstiger Figuren aus unterschiedlichen Materialien ist für folgende Gebiete bzw. Firmen nachgewiesen: Weihnachtskrippenfiguren aus: Holz Grödnertal (Südtirol), dem mährischen Ort Grulich und dem Erzgebirge (Tschechien), Berchtesgaden und Oberammergau (Deutschland), in der sogenannten Viechtau (heute Auental, zwischen Traunsee und Attersee) sowie Hallein (Österreich)

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Papier Augsburg (D), Wien (Ö), Prag (T), Böhmen (T)

Wachs Fa. Gebrüder Weinkamer in Salzburg (Ö), Fa. Gautsch in München (D), Oberammergau (D), Mühlviertel (Ö), Böhmen (T)

Buchta, F., Zum Begriff der Hausindustrie in der Volkskunde unter Berücksichtigung der allgemeinen Begriffsgeschichte mit Beispielen von Hausindustrien des 19. Jahrhunderts im Gebiete der Republik Österreich, Dissertation, Universität Wien 1969, S. 69.

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Ton

Papiermaché (di- Brotteig verser Rezepturen) Erzgebirge u.a. in Erzgebirge (T) im Raum um Steyr (Ö), Nassreith (Ö), Wien (Ö), in der sogenannten Viechtau (heute Auental, der Kuntze-Fabrik (T) zwischen Traunsee und Attersee, Ö)

Zentren hausindustrieller Produktion, aus deren Sortiment hölzerne Krippenfiguren bekannt sind (siehe Tabelle oben) und in österreichischen Weihnachtskrippen Verwendung fanden, waren in Österreich und angrenzenden Ländern angesiedelt. Die Zuordnung erhaltener Stücke ist heute schwierig, da die gegenseitige Beeinflussung der Schnitzzentren groß war. Teils wurde Ware aus unterschiedlichen Gegenden im Handel gemeinsam vertrieben, teils zur Weiterverarbeitung in konkurrierende Schnitzregionen versandt. Händler brachten auch fremde Ware als Vorlagen zu ihren Schnitzern, um sie dort billiger fertigen zu lassen. Hinzu kommt, dass unzählige Personen an der Produktion beteiligt waren, deren persönliche Handschriften wiederum zu Abweichungen beitrugen. Die in den unterschiedlichen Gebieten verwendeten Materialien zum Schnitzen, Drechseln und Fassen sind nur teilweise bekannt. In Gröden wurde die Zirbelkiefer und vor allem die billigere Fichte geschnitzt und gedrechselt.9 Für die gedrechselte Ware aus dem Erzgebirge kam nur feinwüchsiges, hochwertiges Fichtenholz infrage, Laubhölzer wie Linde, Erle und Birke verwendete man dort ausschließlich für zartere Teile wie z.B. Geweihe.10 In Oberammergau wurde fast ausschließlich Fichtenholz, selten Erlen- und Lindenholz verarbeitet.11 Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die ‚weiße (rohe) Ware‘ aus dem Grödnertal nach Oberammergau zum Fassen gesandt, da man diese Technik dort nicht beherrschte. Als sich das Wissen um das ‚Anstreichen‘ auch im Tal verbreitete, wurden neben zugekauften Pigmenten auch Rohstoffe aus der Umgebung gewonnen (rosafarbener Lehm, Ruß als Schwarzpigment, Leim). Ein abschließender Lacküberzug (Sandarak, Lärchen- oder Fichtenharz in Spiritus) diente dem Schutz der Ware.12

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Liesenfeld, G., Viechtauer Ware. Studien zum Strukturwandel einer Hausindustrie in Oberösterreich mit besonderer Berücksichtigung der letzten 100 Jahre. Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Bd. 479, Mitteilungen des Institutes für Gegenwartsvolkskunde Nr. 17, Wien 1987. 10 Bilz, H., Das Reifendreherhandwerk im Spielwarengebiet Seiffen. Erzgebirgisches Spielzeugmuseum, Kurort Seiffen-Verlag Sächsische Heimatblätter Dresden (Hg.), Ausst.-Kat., Seiffen 1976, S. 32. 11 Liesenfeld, G., Viechtauer Ware. Studien zum Strukturwandel einer Hausindustrie in Oberösterreich mit besonderer Berücksichtigung der letzten 100 Jahre. Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Bd. 479, Mitteilungen des Institutes für Gegenwartsvolkskunde Nr. 17, Wien 1987, S. 282–287 und Demetz, M., Hausierhandel, Hausindustrie und Kunstgewerbe im Grödnertal. Vom 18. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, 38. Folge, Innsbruck 1987, S. 117. 12 Demetz, M., Hausierhandel, Hausindustrie und Kunstgewerbe im Grödnertal. Vom 18. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, 38. Folge, Innsbruck 1987, S. 79.

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Die Produktion von gegossenen oder in Model gedrückten, vollplastischen sowie reliefartigen Wachsfiguren fiel unter die Zunft der Lebzelter und Wachszieher. Erhaltene Figuren in den Kastenkrippen des Volkskundemuseums am UMJ sowie in einschlägigen Publikationen abgebildete Weihnachtsfiguren belegen eine rege Produktion dieses Figurentypus. Eindeutig zuordenbare Wachsfiguren stammen von den Firmen Gebrüder Weinkamer in Salzburg und Gautsch in München.13 Aus hausindustrieller Fertigung sind einzig aus Oberammergau gemodelte Wachsfiguren bekannt.14 Frei modellierte Wachsfiguren fanden z.B. in den flachen, gläsernen Kastenkrippen aus Mühlviertler (Oberösterreich) bzw. böhmischen Hausindustrien Verwendung (Abb. 1).15 Papierfiguren wurden in unterschiedlichen Techniken gefertigt. Schon für das 18. Jahrhundert ist das Drucken papierener Weihnachtskrippenfiguren für Augsburg belegt.16 Später wurden diese als ‚Wiener Mandlbogen‘, ‚Kreuzerbogen‘ oder ‚Kreuzermannl‘ bekannten kolorierten oder unkolorierten Bögen bzw. Figuren in großer Stückzahl auch in Wien und Prag erzeugt.17 Daneben fertigten böhmische Heimarbeiter Papierfiguren mithilfe von Lochschablonen sowie aus mehreren, gleichzeitig durchstochenen Papierlagen. Meist wurden die Figuren bereits ausgeschnitten, koloriert und für die Aufstellung mit Holzstäbchen versehen, verkauft.18 Österreichische Tonfiguren wurden im Raum um Steyr gefertigt, wo Nagelschmiede schon um 1800 in Tonmodeln geformte Figuren in ihren Essen brannten und diese ‚Loahmmanderl‘ als Einzelstücke oder bereits in Krippen integriert verkauften.19 Ähnliche Figuren entstanden auch in Wien.20 In Nassreith in Tirol wurden halb plastische etwa zehn Zentimeter große Tonfiguren serienmäßig hergestellt.21 Für die Fertigung der ‚Viechtauer Figuren‘ aus Oberösterreich wurden zwei separat in Model gedrückte Ton13 Pfistermeister, U., Wachs. Volkskunst und Brauch. Ein Buch für Sammler und Liebhaber alter Dinge, Bd. 2, Nürnberg 1983. 14 Ebenda, S. 251f. 15 Oberösterreichisches Landesmuseum-Schlossmuseum (Hg.), Krippen, Ausst.-Kat. Schlossmuseum (Dauerausstellung), Ried im Innkreis 1999, S. 16. 16 Gockerell, N., Haberland, W., Krippen im bayerischen Nationalmuseum. Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums, Neue Folge: Bd. 1, München 2005, S. 30. 17 Metken, S., Geschnittenes Papier. Eine Geschichte des Ausschneidens in Europa von 1500 bis heute, München 1978, S. 43. 18 Gockerell, N., Haberland, W., Krippen im bayerischen Nationalmuseum. Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums, Neue Folge: Bd. 1, München 2005, S. 30, und Metken, S., Geschnittenes Papier. Eine Geschichte des Ausschneidens in Europa von 1500 bis heute, München 1978, S. 40f. 19 Mayer, K., Kapfer, G., Weihnachtskrippen aus Garsten, Steyr, Christkindl. Ein Kind ist uns geboren, Steyr 2001, S. 20. 20 Kaut, H., Die Wiener volkstümlichen Krippen und das Wiener Krippenspiel, in: Grass, N. (Hg.), Weihnachtskrippen aus Österreich, Innsbruck 1966, S. 74–85, S. 76. 21 Colleselli, F., Die Weihnachtskrippe in Tirol, in: Grass, N. (Hg.), Weihnachtskrippen aus Österreich, Innsbruck 1966, S. 11–25, S. 18.

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hälften zu einer Form zusammengesetzt oder auch frei modelliert. So entstanden voll plastische Figuren in vier unterschiedlichen Größen.22 Aus Masse geformte Weihnachtskrippenfiguren stehen in engem Zusammenhang mit der Spielzeugfertigung im Erzgebirge. Die variabel zusammengesetzten Rezepturen bestanden hauptsächlich aus Papier, Kreide, Leim, mitunter auch Mehl sowie Knochenleim oder Roggenmehl als Bindemittel. Daneben setzte man Lithopone – ein Pigment aus Zinksulfid und Bariumsulfat –, feine Sägespäne, Ton und Holzasche als Füllstoffe zu. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde auf einen gedrechselten oder geschnitzten Holzkern Masse aufmodelliert und daraus die Figur geformt. Diese Technologie blieb bis ins 20. Jahrhundert unverändert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte auch hier die Produktion von in Negativmodeln geformten Figuren ein. Wurden die ersten Stücke noch aus zwei zur Gänze gefüllten Formhälften zusammengesetzt, ging man bei großvolumigen Figuren später zu einer Reduktion der Wandstärke über. Hierzu wurden die Formen mit einer dünnen Masseschicht ausgekleidet, das Innere blieb hohl. So konnte auch die Rissanfälligkeit der Massen während der Trocknung erheblich reduziert werden. Zur einfacheren Formung, Stabilisierung und Handhabung während des Bearbeitungsprozesses wurden dem Papiermachékorpus auch Armierungen aus Holz oder Draht eingesetzt. Weitere Zutaten aus Papier, Zinn, Leder, Federn, Glas oder Textil wurden an den Figuren angebracht, um daraus z.B. Augen, Geweihe oder Flügel zu fertigen.23 Neben menschlichen und tierischen Figuren wurden auch Pflanzen, Häuser und weitere Krippenbestandteile aus den oben genannten Materialien gefertigt. Daneben finden sich in Kastenkrippen Papierblüten und -blätter, die sich hinsichtlich ihrer Fertigungstechnik von gedruckten Papierfiguren unterscheiden. Diese sind vermutlich der Papierwaren- bzw. der speziellen Papierblumenfertigung zuzuordnen.24

22 Assmann, D., Weihnachtskrippen in Oberösterreich. Geschichte und regionale Entwicklung von den Anfängen bis in die Gegenwart, Ausst. Kat. Schlossmuseum Linz, Zur Krippe her kommet …, 30. 11. 2003–01. 02. 2004, Wien/Linz/Weitra/München 2003, S. 77. 23 Hörandner, E., Model. Geschnitzte Formen für Lebkuchen, Spekulatius und Springerle, München 1985, S. 37, und Leichsenring, C., Massefiguren aus dem Erzgebirge, Sächsische Landesstelle für Volkskultur (Hg.), Reihe Weiss-Grün 14, Dresden 1997. 24 Pieske, C., Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Verarbeitung und Gebrauch 1860 bis 1930, Berlin 1984, S. 196f. Bekannt ist die hausindustrielle Produktion von Papierblumen aus Böhmen mit dem Hauptproduktionsort Sebnitz.

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der kastenkrippenbestand des volkskundemuseums am universalmuseum joanneum – sammlungsgeschichte und bestandserfassung Das Volkskundemuseum am UMJ zählt 19 Kastenkrippen aus Graz sowie aus Gemeinden nördlich der steirischen Landeshauptstadt zu seinem Bestand. Der Großteil der Kastenkrippen kam in der Aufbauzeit bzw. nach Gründung der eigenständigen volkskundlichen Sammlung im Jahr 1913 durch Ankauf oder als Schenkung ans Museum (1912 bis 1986). Das Gros der Kastenkrippen stammt aus dem Privatbereich, während man nur für zwei eine kirchliche Herkunft annehmen kann – diese wurden von Pfarren angekauft. Eine andere erinnert mit ihren schmückenden Perlen- und Drahtgeflechten an Klosterarbeiten.25 Zwei der Kastenkrippen stammen nachweislich aus hausindustrieller Produktion Oberösterreichs oder Böhmens (siehe Abbildung 1).26 An zwei weiteren Sammlungsstücken finden sich ansonsten äußerst seltene Hinweise auf Krippenbauer und Erzeugungsort.27 Die Formen der Weihnachtskrippenkästen verweisen auf ihren ursprünglichen Aufstellungsort. Trapezförmige Kästen fügen sich in Stubenwinkel bzw. den Herrgottswinkel28 ein. Flache, leichte Kästen, häufig aus Papier gefertigt und an der Vorderseite mit einem verglasten, schmückenden Rahmen versehen, eigneten sich besonders für eine Hängung. Häufig blieben die Rückseiten der Kästen unbearbeitet, mitunter finden sich jedoch auch rundum gefasste Kästen, die im Gegensatz zu den erstgenannten nicht nur an einer Wand, sondern auch im Raum aufgestellt werden konnten. Ebenso wie die Kästen bezüglich Form und Gestaltung variieren, beziehen sich auch die innen liegenden Weihnachtskrippen auf unterschiedliche Landschaftstypen (heimisch, orientalisch oder fantastisch). Die Gliederung der Weihnachtskrippen des Volkskundemuseums zeigt den Geburtsort ausschließlich im unteren Bereich und eine prächtige Stadt zurückversetzt darüber – vorausgesetzt, beide sind vorhanden. Steile und mit Zäunen gesäumte Wege verbinden diese Bereiche, deren Umland durch begrünte Wiesenstreifen und steile Hänge geprägt ist. Auf diesen Flächen tummeln sich neben der Heiligen Familie, den Königen, Hirten, Engeln und Tieren auch Personengruppen wie Handwerker, Bergleute, Jäger und die bäuerliche Bevölkerung. Mitunter können solche Darstellungen auch auf die Herkunft des Krippenbauers bzw. seinen Beruf hin-

25 Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 12421: von den Schulschwestern in Friedberg. Inv.Nr. 1936: aus St. Oswald ob Eibiswald. Inv.Nr. 5754: aus Graden bei Köflach. 26 Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 35237 und 152. 27 Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 5751: ‚Für Herrn Jakob Trost zu Judenburg Gemalen von mir Joseph Melling im Jahre 1804‘. Inv.Nr. 5753: ‚Fon: Slatnik Feeit Gracü 1806‘. 28 Ein meist in der Wohnstube oder -küche zu findender Winkel, der mit Heiligenbildern, Kreuzen und anderen religiösen Objekten geschmückt sein kann und der persönlichen Andacht der Familie dient.

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weisen (Abb. 2).29 Ebenfalls vielfältig ist der Geburtsort als Ruine, Höhle oder ähnlich einem Stolleneingang bzw. einer Kapelle gestaltet. Mitunter fehlt Architektur für diese Darstellung gänzlich. Bedeutung wird neben einer üppigen Bepflanzung auch dem Leben spendenden Wasser zugemessen, das in Form von Bächen, Seen, Wasserfällen oder Brunnen in Erscheinung tritt. Des Weiteren sind einige Kästen mit Materialien wie z.B. Papiergirlanden bestückt, die einzig der Zierde dienen, für die Darstellung der Ereignisse in der Weihnachtskrippe jedoch keine Rolle spielen. Um die Bearbeitung des Bestandes übersichtlicher zu gestalten und die Fülle an Materialien und Einzelteilen leichter erfassen zu können, schien eine Gliederung nach darstellerischen Schwerpunkten der Kastenkrippen sinnvoll (Abb. 3). Zum ‚Krippenkasten‘ zählen der Kasten selbst, sämtliche an den Außenseiten montierten Beschläge sowie dessen Fassung und Verzierungen. Die Kästen sind meist aus Holz oder Papier gefertigt, mit Schmuckpapieren oder Fassungen bzw. Vergoldungen versehen und durch Türen und/oder Glasscheiben verschlossen. Der ‚Krippenberg‘ bezieht sich auf den konstruktiven Aufbau sowie die Ausformung der Landschaft. Bei vielen Kastenkrippen lässt sich der exakte Aufbau des Berges rein äußerlich nur vage vermuten. Hinweise geben Abdrücke oder Schäden am Überzugsmaterial (Papier oder Textil) oder auch Nägel und Dübel, die zur Fixierung durch die Außenseiten der Kästen geführt wurden. Bei geöffneten bzw. zerlegten Krippenkästen zeigen sich interessante Aufbauten aus Holzleisten, Rindenstücken und Karton. An zwei Bergen stellte sich das Überzugsmaterial als besonders interessant heraus. Alte Papierblätter aus Rechnungs- oder Inventarbüchern wurden hier verwertet. Die Kategorie ‚Krippenbotanik‘ beinhaltet sowohl getrocknetes Pflanzenmaterial (Moose, Farne, Blütenköpfe, Gräser) und Pflanzendarstellungen aus Papier, Holz, Textil, Wachs und anderen Massen unbekannter Zusammensetzung. Zu den ‚Krippenfiguren‘ zählen sämtliche Darstellungen von Mensch und Tier diverser Materialien und Herstellungstechniken. Den oben genannten kommerziellen Krippenfiguren aus gedrechseltem Holz sowie Papiermaché aus dem Erzgebirge und Grulich konnten einige Stücke zugeordnet werden. In den Bereich ‚Krippenhintergrund‘ fallen sämtliche auf die Innenwände der Kästen gemalten oder geklebten Darstellungen – häufig einer Landschaft –, die sich den anderen Kategorien nicht zuordnen lassen. Den ‚Zusätzlichen Bestandteilen‘ sind schließlich die Architekturteile, Zäune, Brunnen, Wasserdarstellungen, die Futterkrippe, Sterne und rein der Zierde dienende Ausstattungsstücke wie Papiergirlanden, Aragonit bzw. Eisenblüten oder Schneckenhäuser zugerechnet.

29 Beispielhaft hierfür ist eine Krippe der Sammlung (Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 50402), die neben Stolleneingängen und Bergleuten auch eine Darstellung der heiligen Barbara – Schutzpatronin der Bergleute – beinhaltet.

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konservierung und restaurierung von kastenkrippen Die Zustandserfassung der 19 Kastenkrippen zeigte ein breites Schadensspektrum unterschiedlicher Ursachen. Diese Schäden entstanden bereits vor, aber auch nach Eintritt in die Sammlung des Volkskundemuseums. Einerseits waren die Krippen als Objekte in Privatbesitz alljährlich in Verwendung. Während dieses Zeitraumes als auch während ihrer Lagerung konnte sich durch unvorsichtiges Hantieren, mutwillige Zerstörung, ungünstige klimatische Bedingungen und Schädlinge ihr Zustand mitunter wesentlich verschlechtern. Dabei bauten sich organische Bestandteile aufgrund der natürlichen Alterung ab, wie dies besonders deutlich an den getrockneten Pflanzen oder den vergilbten und spröden Papierbestandteilen zu sehen ist. Dieser Ursache können auch Ablösungen und Verluste von verklebten Bestandteilen zugrunde liegen. Durch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Materialien kam es z.B. zur Fleckenbildung durch Korrosionsprodukte von Metallarmierungen an Papier- oder Textilblüten. Bei offenen oder undichten Kästen kann der Innenraum mehr oder weniger stark verstauben. Überarbeitungen bzw. Altrestaurierungen trugen z.B. durch die Verwendung ungeeigneter Klebstoffe und deren unsachgemäße Anwendung oder durch Überfassen schadhafter Bereiche ebenfalls zur Verschlechterung des Zustandes der Kastenkrippen bei. Eine Unterscheidung zwischen im Museum durchgeführten Maßnahmen und Veränderungen bzw. Reparaturen durch die Letztbesitzer ist trotz allem äußerst schwierig. Zwei konservatorische bzw. restauratorische Fragestellungen sollen hier näher besprochen werden. Zum einen die Reinigung, da es sich hierbei um eines der Hauptprobleme bei Kastenkrippen im Allgemeinen handelt und zum anderen der Umgang mit den im Volkskundemuseum vorgenommenen Überarbeitungen, da diese den gesamten Kastenkrippenbestand betreffen. Kastenkrippen verstauben leicht, wenn sie nur teilweise oder undicht verschlossen sind. Daneben können Schädlingsbefall und Zersetzungen von Materialien Reinigungsmaßnahmen erforderlich machen. Da zwischen schädigender und optisch beeinträchtigender Verschmutzung und historischer Spur oftmals nur ein schmaler Grat besteht, ist vor jeder Reinigung eine eingehende Analyse durchzuführen. Neben der Belastung des Objektes durch die Öffnung und Zerlegung des Kastens stellt eine Reinigung immer einen massiven Eingriff sowie eine erhebliche Gefährdung der originalen Substanz dar. Wie fragil Kastenkrippen in ihrem Inneren sind, wurde bereits mehrfach erwähnt. Bei pflanzlichen Materialien sowie den an Krippenbergen fixierten Bestandteilen – wie Glas- und Glimmerstücke, Sand, Partikel von Metallfolien oder Gesteinsstaub – sind viele Reinigungsmethoden aufgrund der erhöhten Bruch- bzw. Ablösegefahr ungeeignet. Durch ihre natürliche Alterung versprödete organische Materialien sowie wasserlösliche

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Binde- und Klebemittel reagieren besonders empfindlich auf Feuchtigkeit, während unpolare Lösemittel (z.B. Benzine) nur bestimmte Schmutzanteile zu lösen vermögen. Demnach sollte auf eine feuchte oder mechanische Reinigung zugunsten der Substanz in sämtlichen Bereichen der Krippenberge und Pflanzen verzichtet werden. Da der Grad der Verschmutzung bei den exemplarisch konservierten Krippen eine Reinigung unumgänglich machte, die Verwendung herkömmlicher Reinigungswerkzeuge wie Pinsel, Schwämmchen oder Wattestäbchen jedoch nicht in Frage kamen, wurde Druckluft zum Aufwirbeln lose aufliegender Verunreinigungen verwendet, die zugleich mit einem Feinstaubsauger abgesaugt wurden. Für diesen sensiblen Reinigungsvorgang sind AirbrushPistolen besonders geeignet, da sie neben der handlichen Bedienung ein präzises Arbeiten durch Regulierbarkeit des Luftdruckes sowie des Sprühradius ermöglichen. Bei den drei im Zuge der Diplomarbeit konservierten und restaurierten Kastenkrippen handelt es sich um Objekte einer Sammlung, die eine gemeinsame Sammlungsgeschichte verbindet. Überarbeitungen wie partielle Neufassungen, Ergänzungen und Positionsänderungen von Bestandteilen sowie zwischen den Kastenkrippen getauschte Figuren veränderten den ursprünglichen Bestand und führten teilweise auch zu einer Schädigung der Originalsubstanz. Dies ist durch historisches Fotomaterial aus dem Archiv des Volkskundemuseums belegt. Ein ehemals zur Sammlung zählender Wachsfigurenbestand von 32 Einzelfiguren gilt heute als verschollen. Möglicherweise wurde dieser Bestand jedoch als Ergänzungsmaterial in den Kastenkrippen verteilt. Die identischen, hellgrünen Überfassungen an mehreren Krippenbergen bzw. Pflanzen konnten ebenfalls als Überarbeitungen nachgewiesen werden.30 Daneben zeugen unsachgemäß und teilweise auch irreversibel aufgebrachte Klebestoffe (u.a. Lösemittelkleber, Schmelzklebstoffe) von nicht sachgemäßen Eingriffen. Aus der eingehenden Diskussion über den weiteren Umgang mit diesen Bestandsveränderungen ergab sich, dass Ergänzungen fehlender Körperteile an Figuren und Tieren nur dann vertretbar sind, wenn Fehlstellen statische Probleme verursachen, die ikonografische Lesbarkeit der Kastenkrippe erschweren oder eine ungestörte Betrachtung wesentlich beeinträchtigen. Zum Beispiel wurden von Schafen aus Wachs geschmolzene Beine nicht ergänzt. Die Ergänzung des verlorenen Hinterkopfes an einer Josefsfigur, dessen gefasstes Gesicht noch vorhanden war, begründete sich hingegen aus dessen Rekonstruierbarkeit, da eine idente, jedoch unbeschädigte Figur in einer der anderen Kastenkrippen vorhanden war. Die Beschädigung dieser prominenten und im Mittelpunkt der Kastenkrippe platzierten Figur wirkte äußerst störend. 30 Die hellgrüne Fassung enthält Schweinfurter Grün (Kupfer-Arsen-Verbindung) sowie Zusätze von Streckmitteln (z.B. Bariumsulfat). Rasterelektronenmikroskopie (Philips XL30 ESEM) mit EDX-Analyse, durchgeführt von: AProf. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach, Institut für Kunst und Technologie, Abteilung Archäometrie, Universität für angewandte Kunst Wien.

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Nachweislich bestandsverändernde Maßnahmen wurden neben den neu hinzugefügten Ergänzungen detailliert dokumentiert, um eine kunst- bzw. kulturhistorische Fehlbewertung bzw. Zuordnung des Kastenkrippenbestandes in zukünftigen Forschungsarbeiten zu verhindern. Abschließend bleibt zu betonen, dass sachgemäß angewandte präventive Konservierungsmaßnahmen gerade bei so schwierig zu bearbeitenden Objekten von unschätzbarem Wert für deren Erhaltung sind. Hierzu zählen klimatische Idealbedingungen von 55 bis 60  relativer Luftfeuchte und Temperaturen unter 18 °C. Staubhüllen schützen ebenfalls vor schädigender Beleuchtung und Handschuhe vor Verunreinigungen durch Schweiß.

resümee Die Literatur zur Weihnachtskrippe wendet sich unterschiedlichen Aspekten zu, wobei Schwerpunkte auf religiöser oder kunst- und kulturhistorischer Sicht liegen bzw. als Anleitungen für den Krippenbau dienen. Materialtechnologische Forschungsergebnisse sowie detaillierte Auflistungen erzeugter Krippenbestandteile sind jedoch kaum enthalten. Hier bietet sich ein noch offenes Forschungsfeld, dessen Ergebnisse eine präzisere Zuordnung einzelner Bestandteile von Kastenkrippen ermöglichen würde. Die Konservierung und Restaurierung von Kastenkrippen kann aufgrund des unterschiedlichen Aufbaues der Objekte sowie der Material- und Zustandsdifferenzen nicht vereinheitlicht werden. Vorgeschlagene Konservierungsmaßnahmen sollten demnach als Hilfestellung, jedoch nicht als allgemein gültige Standardlösung gesehen werden. Letztendlich spielen der Umgang mit den Objekten sowie ihre Lagerung die größte Rolle für den Erhalt von Kastenkrippen. Abstract The historical development and appearance of nativity scenes in general and more specifically the collection of nativity scenes at the Styrian Folk Life Museum is presented. Detailed registration and condition reports of all 19 encased nativity scenes highlights changes of the objects within the folkloristic context caused by age-related material alteration on one hand, but also repairs undertaken by previous owners or improper treatment on the other hand. Furthermore, an assessment of the problems generated by different types of alteration contributes to the development of appropriate conservation concepts of the remaining collection and other such crèche-cases.

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literatur Assmann, D., Weihnachtskrippen in Oberösterreich. Geschichte und regionale Entwicklung von den Anfängen bis in die Gegenwart, Ausst. Kat. Schlossmuseum Linz, Zur Krippe her kommet …, 30. 11. 2003–01. 02. 2004, Wien/Linz/Weitra/München 2003. Berliner, R., Die Weihnachtskrippe, München 1955. Bilz, H., Das Reifendreherhandwerk im Spielwarengebiet Seiffen. Erzgebirgisches Spielzeugmuseum Kurort Seiffen-Verlag Sächsische Heimatblätter Dresden (Hg.), Ausst.-Kat., Seiffen 1976. Buchta, F., Zum Begriff der Hausindustrie in der Volkskunde unter Berücksichtigung der allgemeinen Begriffsgeschichte mit Beispielen von Hausindustrien des 19. Jahrhunderts im Gebiete der Republik Österreich, Dissertation, Universität Wien 1969. Colleselli, F., Die Weihnachtskrippe in Tirol, in: Grass, N. (Hg.), Weihnachtskrippen aus Österreich, Innsbruck 1966, S. 11–25. Demetz, M., Hausierhandel, Hausindustrie und Kunstgewerbe im Grödnertal. Vom 18. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, 38. Folge, Innsbruck 1987. Gockerell, N., Haberland, W., Krippen im bayerischen Nationalmuseum. Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums, Neue Folge: Bd. 1, München 2005. Hörandner, E., Model. Geschnitzte Formen für Lebkuchen, Spekulatius und Springerle, München 1985, S. 37, und Leichsenring, C., Massefiguren aus dem Erzgebirge, Sächsische Landesstelle für Volkskultur (Hg.), Reihe Weiss-Grün 14, Dresden 1997. Kaut, H., Die Wiener volkstümlichen Krippen und das Wiener Krippenspiel, in: Grass, N. (Hg.), Weihnachtskrippen aus Österreich, Innsbruck 1966, S. 74–85. Koschier, I., Weihnachtskrippen in Kärnten, Kärntner Museumsschriften 63, Klagenfurt 1978. Kretzenbacher, L., Weihnachtskrippen in Steiermark. Kleine Kulturgeschichte eines Volkskunstwerkes, Wien 1953. Liesenfeld, G., Viechtauer Ware. Studien zum Strukturwandel einer Hausindustrie in Oberösterreich mit besonderer Berücksichtigung der letzten 100 Jahre. Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Bd. 479, Mitteilungen des Institutes für Gegenwartsvolkskunde Nr. 17, Wien 1987. Loder, H., Die Geschichte der Krippe, in: Kaindl, H., Evelyn Kaindl-Ranzinger, E. (Hg.), In Dulci Jubilo. Weihnachten in Europa, Ausst. Kat. Diözesanmuseum Graz, In Dulci Jubilo – Weihnachtskrippen in Europa, 26. 11. 2002–02. 02. 2003, Graz 2002, S. 10–14. Mayer, K., Kapfer, G., Weihnachtskrippen aus Garsten, Steyr, Christkindl. Ein Kind ist uns geboren, Steyr 2001. Metken, S., Geschnittenes Papier. Eine Geschichte des Ausschneidens in Europa von 1500 bis heute, München 1978. Oberösterreichisches Landesmuseum-Schlossmuseum (Hg.), Krippen, Ausst.-Kat. Schlossmuseum (Dauerausstellung), Ried im Innkreis 1999. Pfistermeister, U., Wachs. Volkskunst und Brauch. Ein Buch für Sammler und Liebhaber alter Dinge, Bd. 2, Nürnberg 1983.

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Pieske, C., Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Verarbeitung und Gebrauch 1860 bis 1930, Berlin 1984. Salzburger Museum Carolino Augusteum (Hg.), Die Krippensammlung des Salzburger Museums und Abwehrzauber und Gottvertrauen – Kleinodien Salzburger Volksfrömmigkeit. Ausst.- Kat. Weihnachtsausstellung 1985/86, Jahresschrift 31/1985, Salzburg 1985. Schönhardt, B., Die Kastenkrippen des Volkskundemuseums am Landesmuseum Joanneum. Geschichte – Technologie und Bestand – Konservierung und Restaurierung, Diplomarbeit Universität für angewandte Kunst Wien 2008.

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Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien. Salzproblematik – Untersuchung und Konservierung1

zusammenfassung Die griechischen Ostraka der Papyrussammlung Wien, die aus der ägyptischen Region Fayyum stammen, enthalten aufgrund ihrer ehemaligen Bodenlagerung vermehrt Salze in der Keramik. Die daraus resultierenden Schadensmechanismen sind verantwortlich für den teilweise schlechten Erhaltungszustand von 36 Tonscherben und führen in weiterer Folge zu massiven Verlusten der für die Scherben so charakteristischen Schriftzeichen. Nach einer umfassenden Recherche werden ausgewählte Festigungs- und Entsalzungsmethoden in Testreihen auf ihre Eignung hin überprüft und untersucht. Zusätzlich zu den gesammelten Erkenntnissen trägt die getroffene Einteilung der Ostraka in verschiedene Kategorien, je nach Hauptschadensbild, wesentlich zur Entwicklung eines Konservierungskonzeptes bei. Auch bei anschließender Umsetzung – Festigung, Entsalzung und Konservierung – wird den Schadenskategorien entsprechend systematisch vorgegangen.

Die Papyrussammlung Wien, als ein Teil der Österreichischen Nationalbibliothek, bewahrt und betreut die ältesten Zeugen handschriftlicher Überlieferung. Die Dokumente stammen zum Großteil aus der Spätzeit des alten Ägyptens und aus den darauf folgenden Epochen, in denen das Land unter griechischer, römischer und arabischer Fremdherrschaft stand. Sie umfassen den Zeitraum vom 15. Jahrhundert v. Chr. bis in das 15. Jahrhundert n. Chr. Dieser langen Zeitspanne entsprechend finden sich Texte in allen während dieser Zeit in Ägypten gebräuchlichen Sprachen und Schriften.2 Neben dem überwiegenden Teil an Papyri (ca. 137.000 Stück) besitzt die Sammlung auch eine beachtliche Anzahl sogenannter „Ostraka“. Darunter versteht man beschriftete Keramikscherben, welche gemeinsam mit den Papyri in großer Stückzahl bei diver1 2

Schmidt, K., Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien. Salzproblematik – Untersuchung und Konservierung, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2007. Loebenstein, H./Harrauer, H., Die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Katalog der Sonderausstellung 100 Jahre Erzherzog Rainer, Wien 1983, S. 5.

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sen Ausgrabungen Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts gefunden und in weiterer Folge für die Sammlung angekauft wurden. Insgesamt werden 1.788 Ostraka aufbewahrt, die je nach Schriftart – koptisch, griechisch, demotisch, arabisch, hieratisch und aramäisch – den jeweiligen Beständen zugeteilt werden (Abb. 1: koptisches Ostrakon, K.O.748). Über die Herkunft und den genauen Fundort aller Ostraka gibt es nur sehr wenig und unvollständige Angaben. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass der Großteil der Objekte von ägyptischen Ausgräbern im Fayyum, einem Wüstengebiet südlich von Kairo, gefunden wurde. Noch weit weniger Angaben lassen sich über die Datierung machen, da hierzu eine genaue geisteswissenschaftliche Untersuchung des Textes notwendig ist. Die Ostraka können daher nur aufgrund der Schrift und ihres zeitlichen Gebrauches einem ungefähren Zeitrahmen zugeordnet werden.3 Die gebrauchten Ostraka waren allesamt Scherben, die durch das Zubruchgehen von Keramikgefäßen in großem Ausmaß vorhanden waren und nicht extra als Schriftträger hergestellt werden mussten wie etwa das Papyrus. Im Normalfall wurde die konvexe, also die Außenseite des ursprünglichen Gefäßes mittels dem in der Antike gebräuchlichen Schreibgerät, dem „Kalamos“, und brauner oder schwarzer Tinte beschrieben.4 Die Scherben dienten als Schriftträger für unterschiedliche Texte, wie z. B. Rechnungen, Steuer- und Warenlisten, persönliche Notizen oder Briefe. Sie geben somit Auskünfte über Sachverhalte, über die in keiner Tempeldekoration, keinem Papyrus und keiner Statuen- oder Steleninschrift etwas zu erfahren ist, weswegen die Ostraka für die ägyptische Kulturgeschichte besonders bedeutend sind.5

bestandsaufnahme Versucht man die ca. 1.800 Ostraka aus der Papyrussammlung in ihrer Gesamtheit zu erfassen, lassen sie sich wie folgend charakterisieren: Bei allen Ostraka handelt es sich um Scherben von Keramikgefäßen, die aufgrund des Auseinanderbrechens unterschiedliche Größen und Formen haben. Der Großteil der Scherben ist glatt, unglasiert und besitzt eine Art Rillenstruktur, was auf gerippte Gefäße schließen lässt. Größenmäßig lassen sich die Ostraka mit einigen Abweichungen als handtellergroß (ca. 7 x 8 cm) bezeichnen; ihre Wandstärke schwankt zwischen einem halben und einem Zentimeter. Die Beschriftung 3

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Dieser Zeitrahmen wäre für die griechischen Ostraka von 300 v. bis 700 n. Chr., für die arabischen nach 700 n. Chr., für die koptischen das 3. bis 7. Jh. n. Chr., für die hieratischen bis ins 7. Jh. v. Chr. und für die demotischen vom 6. Jh. v. bis ins 4. Jh. n. Chr. Wilcken, U., Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien, Berlin, 1899, S. 19. Schulz, R./Seidl, M., Das alte Ägypten. Geheimnisvolle Hochkultur am Nil, Mannheim 1999, S. 130.

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erfolgte mit schwarzer oder brauner Tinte in einer oder mehreren Zeilen, zumeist auf der Außenseite des Scherbens. Der Allgemeinzustand der Ostrakasammlung lässt sich als zufriedenstellend bewerten. Im Vergleich zu den übrigen Beständen befindet sich jedoch der griechische Teil der Sammlung in einem weitaus schlechteren Erhaltungszustand. So wurde beschlossen, diese griechischen Ostraka genauer, nämlich mittels Datenbank zu erfassen. Durch diese Dokumentation sollte der jeweilige Erhaltungszustand ermittelt und darauf basierend evaluiert werden, welche Ostraka dringend eine konservatorische Behandlung benötigen. In der Datenbank wurden neben den Maßen, das Aussehen des Scherbens (Farbe, Herstellungs-/Bearbeitungsspuren, Besonderheiten), die Wasserempfindlichkeit, der Zustand (Schäden, Risse/Fehlstellen, frühere Eingriffe, Zustand der Schrift) und die empfohlenen Maßnahmen erfasst. Darüber hinaus wurde für den jeweiligen Zustand eine Gesamtnote (1 bis 5) vergeben, die zur Einstufung des Ostrakons in eine Bewertungsgruppe dient. Anhand dieser Note ist ablesbar, in welchem Zustand sich das Ostrakon befindet und wie dringend eine Konservierungs- oder Restaurierungsmaßnahme erforderlich ist. Die Bewertung des Allgemeinzustandes richtet sich nach dem Schadensausmaß und nach der Gefahr von Schriftverlust. Nach Auswertung der Datenbank wurden alle Scherben, deren Zustand mit der Note 5 bewertet wurde, und bei denen aufgrund des sehr schlechten Erhaltungszustandes dringender Handlungsbedarf gegeben war, ausgesondert. Insgesamt handelt es sich dabei um 36 griechische Ostraka, die infolge der aufgetretenen Schäden sehr stark vom Verlust der Beschriftung und somit von Informationsverlust betroffen sind. Eine Restaurierung der betroffenen Ostraka sollte durchgeführt werden, um die Erhaltung der Schrift zu gewährleisten.

schadensformen Bei genauerer Betrachtung fielen deutlich die unterschiedlichen Schadensformen auf, die für den Erhaltungszustand der Ostraka verantwortlich sind. Dies sind Anlagerungen auf der Scherbenoberfläche in Form von Verschmutzungen oder Krusten, Oberflächenverlust und Rückverwitterung durch Absanden, Schuppen- und Schalenbildung, schichtparalleles Aufblättern des Scherbens, Alveolenverwitterung oder Ablösen der Glasur. Weiters sind Schäden durch unterschiedlich tiefe Risse erkennbar. Darüber hinaus sind auf allen Ostraka Salzausblühungen unterschiedlicher Art vorhanden, die sowohl als locker anhaftende Anlagerungen von Salzaggregaten auf der Oberfläche (einzelne Kristalle, Salzflaum, -krusten oder -rasen) sowie als Salzanreicherungen dicht unter der Oberfläche auftreten können.

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Die Ostraka ließen sich in mehrere Gruppen mit ähnlichen Schadensformen zusammenfassen. Insgesamt ergaben sich fünf typologische Kategorien: Schadensbild A - Alveolenverwitterung mit und ohne Schalenbildung, Schadensbild B – Materialverlust durch Schuppenbildung bis Aufblättern, Schadensbild C – Absanden der Oberfläche, Schadensbild D – Verlust der glasurartigen Oberfläche, und Schadensbild E – Salzausblühungen (Abb. 2: G.O.431, aufgeblätterter Scherben mit losen Fragmenten, Salzausblühungen). An Hand der restauratorischen Voruntersuchung lässt sich die Hauptquelle der Schäden recht deutlich ablesen, nämlich die in der Keramik befindlichen Salze. Um den genauen Mechanismus, der den Schäden der Ostraka zugrunde liegt, eruieren zu können, wurden Analysen und Untersuchungen der Salze durchgeführt. Eine Elementanalyse ergab für alle Proben Natriumchlorid (NaCl) in unterschiedlichen Wachstumsformen als alleiniges Salz. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass im ägyptischen Raum das Erdreich durch eine Vielzahl von Salzseen mit Natriumchlorid angereichert ist, welches in weiterer Folge durch die Bodenlagerung in die Scherben gelangte.6 Durch Rasterelektronenmikroskopie (REM) konnten weiters Aussagen über die Wachstumsbeziehungen der Salze in Bezug zur Keramik und somit über die genauen Schadensprozesse gemacht werden. Es wurde festgestellt, dass das Salz vor allem in großen Hohlräumen sowie an Schwachstellen im Keramikgefüge auskristallisierte, wo es zu vermehrter Druckausübung und in weiterer Folge zur Zerstörung des Gefüges kommt. Die konkrete Schadensursache der Ostraka ist auf die Salzaufnahme aus dem Erdreich und den Auskristallisationsprozess, der durch den großen Feuchtigkeitsunterschied zwischen dem Erdreich und den klimatischen Verhältnissen nach der Ausgrabung in Gang gesetzt wurde, zurückzuführen. Weiters waren die Ostraka durch oftmaligen Ortswechsel einer Fluktuation der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt, welche ein immer wiederkehrendes Auskristallisieren und Lösen der Salze zur Folge hatte. Der beschriebene Vorgang führte im Lauf der Jahrzehnte nach der Bergung langsam zu einem sichtbaren Schaden, wie er bereits beschrieben wurde.

überlegungen zur konservierung Aufgrund der Schäden und der Analyse ihrer Ursachen wurden folgende Konservierungsmaßnahmen empfohlen: Damit eine fortschreitende Schädigung der Ostraka durch die Salze in der Keramik unterbunden und der Prozess des Anlösens und Auskris6

Mündliche Information von Dr. Sauer. In der Region Fayyum wäre so ein Salzsee der Moerisee.

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tallisierens der Salze gestoppt wird, ist eine Entsalzung der Ostraka notwendig. Infolge der starken Gefügelockerung der Keramik und teilweiser loser Schollen muss davor eine Festigung der Scherben und ihrer Oberfläche durchgeführt werden, um einen Verlust von Keramikmaterial und Schrift während des Entsalzungsprozesses zu verhindern. Weiters soll durch die Festigung eine Oberflächen- und Gefügestabilität gegeben sein, die eine Benutzung der einzelnen Ostraka für die kulturwissenschaftliche Forschungsarbeit in der Papyrussammlung ermöglicht.

festigung der ostraka Es galt, ein Konservierungsmedium zu finden, dass das gelockerte Substanzgefüge durch strukturelle Festigung der untereinander verbindungslos gewordenen Keramikpartikel stabilisiert. In Hinblick auf die Ostraka sind bei der Auswahl des Festigers speziell folgende Punkte zu beachten. Zunächst müssen die unterschiedlichen Schadensbilder und die damit verbundenen verschiedenen Anforderungen an das Festigungsmedium berücksichtigt werden. Einerseits wird ein Material benötigt, das in der Lage, ist Schuppen und Schollen bzw. dadurch entstandene oberflächennahe Risse zu verkleben, indem es z.B. aufgesprüht oder partiell injiziert wird. Andererseits wird ein Festigungsmedium gewählt werden müssen, das auch im Keramikgefüge, mittels Tränkung, zu einer Stabilisierung beiträgt. Weitere Kriterien bei der Festigerwahl waren die Entsalzbarkeit der Scherben nach der Festigung sowie eine Vermeidung von Schleierbildung oder ein Opakwerden des Materials im Zuge der Alterung.7 Bei der Recherche im Zusammenhang mit der Festigerwahl fiel auf, dass sich die Empfehlungen für Keramikfestigungs- und Tränkungsmittel seit den 1970er-Jahren nicht wesentlich verändert haben und hauptsächlich Konsolidierungsmittel auf der Basis von Kunstharzlösung angewandt werden.8 Erst seit Mitte der 1990er-Jahre schenkte man dem bis dahin nur im Steinbereich verwendeten Kieselsäureester zur Festigung von keramischen Materialien mehr Aufmerksamkeit.9 Nach Durchsicht der Literatur wur7

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Neben diesen speziellen Anforderungen sollten aber auch ganz allgemeine Kriterien, die ein Festigungsmedium erfüllen soll, wie etwa eine ausreichende Festigung, gute Penetration, keine schädigenden Nebenwirkungen, geringe bis keine Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes und gute Alterungsbeständigkeit, bei der Festigerwahl berücksichtigt werden. Vgl. Wihr, R., Restaurieren von Keramik und Glas. Entwicklung– Erhaltung – Nachbildung, München 1977, S. 92–96. Sander-Conwell, E., Tränkung poröser Keramik, in: Arbeitsblätter für Restauratoren 2/1995, S. 95. Patrakis, A., The Desalination of Consolidated Ceramics in Glass, Ceramics and Related Materials, Interim Meeting of the ICOM-Working Group, 13.–16.9.98, Vantaa, Finland, S. 144–153. Sander-Conwell, E., Tränkung poröser Keramik, in: Arbeitsblätter für Restauratoren 2/1995, S. 95.

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den folgende Medien ausgewählt, die für eine Festigung der Ostraka infrage kommen: Paraloid B72, Kieselsäureester (KSE) sowie Kieselsol. Paraloid B72 wurde aufgrund der Langzeiterfahrung und der guten Alterungsbeständigkeit ausgewählt. Die beiden Festiger auf Kieselsäureesterbasis wurden gewählt, weil sie bis jetzt erfolgreich im Steinbereich u.a. auch zur Festigung von salzbelasteten Objekten eingesetzt wurden,10 weswegen sie durchaus auch für keramische Materialien geeignet schienen. Das Acrylharz Paraloid B72 ist das bekannteste Copolymer auf der Basis von Metha- und Acrylsäureester. Dieses Reinacrylat zählt zu den langzeitstabilsten Polymeren, es besitzt geringe Tendenz zu vergilben oder zu oxidieren und hat eine besonders hohe Farbechtheit.11 Kieselsäureester Si(OH)₄Si zählen zur Gruppe der silizium-organischen Verbindungen. Diese lösliche Verbindung führt im Porengefüge des zu festigenden Materials zu einer chemischen Reaktion, die sich aus einer Hydrolyse und einer nachfolgenden Kondensationsreaktion zusammensetzt. Das im Porenraum gebildete Kieselgel ist ein natürliches, anorganisches Produkt, das keiner folgenden chemischen Veränderung unterliegt. Generell besitzt Kieselsäureester eine gute Eindringtiefe aufgrund niedriger Viskosität und führt zu keiner Porenabdichtung des Materials.12 Kieselsole, sie bestehen aus einer kolloidalen Lösung von SiO₂ in Ethanol und Wasser oder nur in Wasser, haben ähnliche festigende Eigenschaften wie Kieselsäureester, allerdings erfolgt die Festigung ohne chemische Reaktion.13 Der Vorteil gegenüber dem KSE besteht darin, dass das Kieselsol eine weitaus geringere Reaktionszeit hat und somit nach einigen Tagen bereits entsalzt werden kann. Weiters besitzt das Sol eine höhere Viskosität und damit eine größere Klebkraft.14

10 Bradley, S./Hanna, S., The effect of soluble salt movement on the conservation ofan Egyptian limestone standing figure, in: Case studies in the conservation of stone and wall paintings: preprints of the contributions to the Bologna Congress, 21.–26. 9. 1986, S. 57–61. – Wechsler, G., Festigung salzbelasteter Putze und ihre nachträgliche Entsalzung, Diplomarbeit, FH Köln, 1995. – Wendler, E. (et al.), Konservierung versalzter und feuchter Wallmauern aus Sandstein, in: Mauersalze und Architekturoberflächen, Dresden, 1.–3 .2. 2002, Tagungsbeitrag HS f. Bild. Künste Dresden 2003, S. 143–147. 11 Horie, C.V., Materials for Conservation: organic consolidants, adhesives and coatings, London 1987, S. 107. 12 Grobe, J. (et al.), Schutz von Steinoberflächen durch Appilkation elastischer Kieselsäureester – Bilanz eines DBU-Projektes, in: Natrusteinkonservierung – Grundlagen, Entwicklungen und Anwendungen, WTA-Schriftenreihe, Heft 23, Freiburg 1995, S. 9–31. 13 Nach dem Eindringen des Kieselsols bildet sich in kurzer Zeit ein Gel, das sich im Trocknungsverlauf vernetzt und zur Verfestigung des porösen Materials führt. 14 Die Viskosität des Kieselsols SEBOSIL der Firma Kallies Feinchemie AG liegt bei 20 °C bei 3–5 mPA.s.

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entsalzung der ostraka Wie bereits erwähnt, ist eine Entsalzung der Ostraka notwendig, um ein Fortschreiten der Schädigung zu verhindern.15 Hierfür würde sowohl die Entsalzung durch Ausgleich von Konzentrationsgradienten (Kompressenentsalzung) als auch eine Entsalzung durch konvektive Verfahren infrage kommen. Die Kompressentechnik nutzt den diffusionsgesteuerten Konzentrationsausgleich als Wirkungsprinzip der Entsalzung. Konzentrationsunterschiede von Feuchte- und Salzgehalten in porösen Materialien werden durch Transportmechanismen wie kapillares Saugen, Diffusion und Osmose ausgeglichen.16 Dabei wird die nach außen gerichtete Feuchtigkeitswanderung ausgenutzt, so dass leicht lösliche Salze aus dem Material in die Kompresse gelangen. Sollte keine Feuchtigkeit innerhalb des Gefüges vorhanden sein, muss diese durch die Kompresse eingebracht werden. Dabei nimmt die Oberfläche das Wasser kapillar auf, löst die Salze in der durchfeuchteten Zone auf und mobilisiert sie. Nach einer gewissen Zeit dreht sich der Kapillarstrom, um und die Feuchtigkeit wandert über die Oberfläche in die Kompresse. In der Verdunstungszone, also in der Kompresse, kommt es zur Kristallisation der mittransportierten Salze, so dass diese mit der Abnahme der Kompresse entfernt werden. Diese beschriebene Entsalzungstechnik ist eine sehr gezielt einsetzbare Maßnahme, die vor allem die Möglichkeit zur Konservierung von fragilen Objekten bietet. Das Prinzip der konvektiven Entsalzung beruht darauf, dass in einem verbundenen Porengefüge der Poreninhalt durch ein fließendes Medium ausgetauscht werden kann. Konkret meint dies eine Entsalzung im (bewegten) Wasserbad, so dass das Wasser nach und nach die Salze in den Poren löst und aus dem Gefüge transportiert.17 Der Erfolg ist abhängig von der Kapillarität des Materials, also vom jeweiligen Porendurchmesser, und von der Art der Methode. Generell bieten sich einige Möglichkeiten, im Wasserbad zu entsalzen: durch Einlegen des Objektes in stehendes Wasser, durch Bewegen des Wassers bzw. durch ständiges 15 Th Theoretisch eoretisch müsste es durch präventive Konservierung ebenfalls möglich sein, die Keramik so aufzubewahren, dass keine Entsalzung notwendig ist. Entscheidend dafür ist, dass das salzbelastete Objekt unter stabilen klimatischen Bedingungen gelagert wird, so dass die Salze nicht mehr in der Lage sind, immer wieder in Lösung zu gehen und auszukristallisieren. Die hierfür erforderlichen klimatischen Werte einzustellen und zu ermitteln ist besonders schwer. Darüber hinaus kann in keinem Depot die Garantie gegeben werden, dass es nicht zu Klimaschwankungen kommt. Somit ist im Fall der Ostraka von der Methode der ausschließlich präventiven Konservierung salzbelasteter Objekte abzusehen. 16 Goretzki, L., Verfahren zum Entsalzen von Naturstein, Mauerwerk und Putz; WTA-Schriftenreihe, Heft 8, Freiburg, 1996, S. 16. 17 Entsalzung durch konvektive Verfahren, in: Verfahren zum Entsalzen von Naturstein, Mauerwerk und Putz; WTA-Schriftenreihe, Heft 8, Freiburg 1996, S. 90–91.

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Durchfließen des Objektes mit Wasser. Durch regelmäßiges Wechseln des Wassers und Überprüfen des Salzgehaltes kann nach einiger Zeit die Entsalzung als abgeschlossen angesehen und das Objekt aus dem Wasser genommen werden. Der Nachteil dieser Methode liegt darin, dass die Salze nur sehr langsam diffundieren, weswegen eine Entsalzung im bewegten oder fließenden Wasser vorzuziehen ist. Dabei wird das Objekt einem ständigen Wasserdurchlauf ausgesetzt, so dass die Keramik immer von frischem Wasser umspült ist und die gelösten Salze sofort abtransportiert werden. Dieses Verfahren eignet sich nur für gut erhaltene oder gefestigte Objekte.18

testreihen In Versuchen sollte die Wirksamkeit der ausgewählten Festigungsmittel und eine mögliche anschließende Entsalzung an salzbelasteter, archäologischer Keramik überprüft und gewertet werden. Bei den Testreihen wurde darauf verzichtet, in apparativ aufwendigen, naturwissenschaftlichen Versuchen verschiedene Parameter zu untersuchen. Es wurde vielmehr versucht, die empirisch erfassbaren Faktoren für die Festigung der Ostraka unter Berücksichtigung einer anschließenden Entsalzung zu ermitteln. Das Hauptaugenmerk lag dabei besonders auf der Findung und Entwicklung eines Festigungsverfahrens, das den jeweiligen Anforderungen der unterschiedlichen Schadensformen gerecht wird. Als Versuchsmaterial konnten einige der sogenannten „Ostrakafälschungen“ der Papyrussammlung herangezogen werden.19 Der Vorteil dieser Tonscherben bestand darin, dass sie, bis auf die Schrift, genauso alt sind, wie die Ostraka, ebenfalls im Erdreich vergraben waren und auch unter denselben Bedingungen nach den Ausgrabungen gelagert wurden. Es konnte somit auf Probenmaterial zurückgegriffen werden, das von der keramischen Zusammensetzung und seiner Vorgeschichte exakt den Ostraka entsprach. Um ein vergleichbares Schadensbild zu erhalten, wurde angedacht, die Fälschungen durch mehrere Zyklen von Einlegen in Salzlösung und anschließendes Trocknen im Trockenschrank gezielt zu schädigen. Als Salz sollte das in den Ostraka hauptsächlich enthaltene und für den Schaden verantwortliche NaCl verwendet werden. Da die Probetestkörper

18 Buys, S./Oakley, V., The Conservation and Restoration of Ceramics, London 1996, S. 97. 19 Als Fälschungen werden seitens der Papyrussammlung Ostraka bezeichnet, die erst nach den Ausgrabungen Ende des 19. Jahrhunderts mit einem Text versehen wurden. Dazu kam es, weil die einheimischen, ägyptischen Bauern mehr Ostraka verkaufen wollten, um ihren Gewinn zu steigern. Somit haben sie antike, unbeschriebene Tonscherben mit Text beschriftet. Als Vorlage dienten ihnen bei Ausgrabungen gefundene beschriftete Ostraka, von denen sie wahllos Buchstaben, Zeilen oder ganze Texte abgemalt haben. Diese Fälschungen wurden unwissentlich mit den „Originalen“ angekauft und bei der Inventarisierung der Ostraka ausgesondert.

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nach einem Zyklus allerdings lediglich oberflächlich mit Salzen bedeckt waren und somit durch diese Vorgehensweise keine Schädigung der Keramik zu erwarten war, entschied man sich auf ein „aggressiveres“ Salz, nämlich Natriumsulfat (NaSo₄), umzusteigen.20 Dieses Salz sollte in mehreren Tränkungs- und Trockenzyklen zu einer Gefügelockerung und schließlich zu einer Zersetzung des Keramikscherbens führen. Nach Erreichen eines solchen Stadiums wird das NaSo₄ aus den Scherben wieder ausgewaschen und durch Einlegen in eine Natriumchloridlösung das NaCl eingebracht werden, um bei den anschließenden Festigungsversuchen eine ähnliche Ausgangssituation wie bei den Ostraka vorzufinden. Für die so hergestellten Probekörper wurden folgende Festigungsmedien für die Testreihen ausgewählt: Kieselsäureester

Funcosil 100, ein lösemittelhaltiger KSE mit ca. 10 % Gelabscheidungsrate

Kieselgele

Sebosil S, ein Nanosol mit 17 % Siliziumdioxid und 83 % Ethanol22

Acrylharze

Paraloid B 72 10%ig in Aceton

Funcosil 300E, ein lösemittelfreier KSE mit ca. 30 % Gelabscheidungsrate

Funcosil 500 STE, ein elastifizierter KSE mit ca. 50 % Gelabscheidungsrate21

Paraloid B 72 5%ig in Ethanol23

21, 22, 23

Applikationsmethode: Partielle Festigung oberflächlicher Schuppen/Schollen mittels Injizieren Festigung der gesamten Oberfläche durch Auftropfen Tränkung des gesamten Scherbens durch Kapillarsog und partielle Nachfestigung der Schollen auf der Oberfläche

20 NaSo₄ wird im Steinbereich zur Prüfung der relativen Beständigkeit von Natursteinen gegen die Zerstörung durch die Kristallisation von Salzen verwendet (prEN 12370:1998) und sollte daher auch zur Zerstörung von Keramik geeignet sein. 21 Alle Kieselsäureester „Funcosil“ sind bei Remmers Baustofftechnik GmbH, Bernhard-Remmers-Str. 13, 49624 Löningen, Deutschland zu beziehen. 22 Zu beziehen bei Kallies Feinchemie AG, Höhenweg 9, 01855 Sebnitz, Deutschland. 23 Zu beziehen bei Rohm+Haas, Deutsche Zweigniederlassung, In der Kron 4, 60489 Frankfurt, Deutschland.

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bewertung Alle drei Festigungsmedien sind leicht handhabbar und die beiden getesteten Applikationsmethoden können bis auf eine Ausnahme mit allen Mitteln durchgeführt werden. Bei der Tränkung mit Sebosil S zeigte sich ein langsames Saugen des Scherbens, sodass durch das Verdunsten des Lösungsmittels bereits die Gelbildung des Festigers einsetzt, bevor der gesamte Scherben vollgesogen ist. Aufgrund dessen kann Sebosil S nur zur oberflächlichen Konsolidierung verwendet werden. Das bei allen Festigern auftretende Nachdunkeln der Oberfläche ist als nicht weiter störend zu bewerten. Die Salzausblühungen, die sich bei der Anwendung des KSE bildeten, können im Zuge der Entsalzung abgenommen werden. Nach fünf Wochen sollte der Kieselsäureester so weit abgebunden sein, dass Untersuchungen mit Aussagekraft durchgeführt werden können. Hierzu wurden Scherben ausgewählt, bei denen die Oberfläche mit sich abhebenden Schollen gefestigt wurde, um eine Überbrückung der Schollen durch das Festigungsmedium feststellen zu können. Weiters sollten die getränkten Scherben untersucht und miteinander und den oberflächengefestigten Scherben verglichen werden. Bei allen Testkörpern sollte die Reaktion des Festigers mit dem Salz untersucht werden. Die Untersuchungsergebnisse, die einige Faktoren hinsichtlich der Anwendung bei den Ostraka aufzeigten, sollen an dieser Stelle kurz dargestellt werden:24 - alle drei Festiger sind für eine Oberflächenfestigung bei mehr oder weniger stark geschädigter Keramikoberfläche geeignet - Risse und Schollen/Schuppen werden teilweise überbrückt und gefestigt - ein mehrmaliger Festigereintrag ist notwendig, um eine ausreichende Stabilität zu erreichen - nicht alle Poren werden mit Festiger gefüllt - Kieselsäureester und Paraloid sind aufgrund ihrer niedrigen Viskosität für Tränkungen/Steigbäder geeignet - es treten keinerlei Wechselwirkungen mit dem Salz auf - das Salz wird von allen Festigern nicht eingekapselt, sodass eine Entsalzung möglich sein sollte - nach der Entsalzung ist eine zweite Festigung durchzuführen - die Oberfläche dunkelt durch alle Festiger etwas nach

24 Für detailliertere Untersuchungsergebnisse, vor allem zu den einzelnen Festigern, siehe: Schmidt, K., Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien. Salzproblematik – Untersuchung und Konservierung, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2007, S. 117–122.

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Übertragen auf die praktische Anwendung bei den Ostraka ergeben sich folgende Überlegungen: Ostraka mit oberflächlichen Schuppen und Schollen sollten mit allen drei Festigern erfolgreich behandelt werden können. Es empfiehlt sich allerdings das Kieselsol oder das Acrylharz, da diese eine höhere Klebkraft aufweisen und so zu einer besseren Hohlraumüberbrückung führen, im Vergleich zum Kieselsäureester. Auf ein mehrmaliges Einbringen und eine eventuelle Vornetzung ist zu achten, so dass genügend Festiger an die zu überbrückenden Stellen gelangt. Infolge der Nachdunklung der Oberfläche und um die Schrift zu festigen, ist eine Behandlung der gesamten Oberfläche ratsam, da es sonst zu Fleckenbildung kommt. Bei den Ostraka, die zur Gefügestabilisierung eine Tränkung des gesamten Scherbens benötigen, muss berücksichtigt werden, dass es durch das Lösungsmittel im Kieselsäureester zu massiven Salzausblühungen auf der Oberfläche kommt. Diese können in weiterer Folge durch ihr Wachstum die noch nicht gefestigten Schuppen und Schollen von der Oberfläche absprengen. Diese extreme Salzmobilisierung ist eventuell durch die Verwendung eines lösemittelfreien Kieselsäureesters zu minimieren. Durch die Entsalzung ist ein Verlust der Gefügestabilität zu erwarten, so dass danach ein weiteres Mal gefestigt werden muss. Um eine genauere Aussage in Bezug auf die Möglichkeit einer Entsalzung der gefestigten Scherben zu bekommen, wurde im Anschluss an die Festigungsversuche eine Testreihe zur Entsalzung durchgeführt. Die Ergebnisse sollten bei der Festigerauswahl für die Ostraka eine Hilfestellung leisten. Um ein Aufschwimmen der Beschriftung auf den Ostraka zu verhindern und aufgrund der empfindlichen Oberfläche der Scherben, wurde die Entsalzung mittels Wasserbad zunächst außer Acht gelassen und beschlossen, für die Testreihen mittels Kompressenauftrag zu entsalzen. Dazu wurden zwei Kompressenarten, nämlich Funcosil- und Arbocel-Entsalzungskompressen, ausgewählt, die beide dauerfeucht zur Anwendung kommen sollten.25 Nach einer Woche wurden die Kompressen abgenommen und das Japanpapier entfernt. Es zeigte sich, dass die Oberfläche der mit KSE gefestigten Scherben nicht ausrei25 Funcosil-Entsalzungskompresse ist ein hochwirksames Kompressenmaterial bestehend aus aktiven mineralischen Bestandteilen und Cellulose. Zu beziehen bei Remmers Baustofftechnik GmbH, BernhardRemmers-Str. 13, 49624 Löningen, Deutschland. Arbocel-Kompressen setzen sich nur aus reiner Cellulose zusammen. Arbocel B 200 ist zu beziehen bei Kremer Pigmente GmbH & Co. KG, Hauptstr. 41–47, 88317 Aichstetten, Deutschland. Beide Kompressen wurden zunächst mit deionisiertem Wasser vermengt und anschließend von allen vier Seiten eineinhalb Zentimeter dick auf den Scherben aufgetragen. Zuvor wurde auf der gesamten Scherbenoberfläche Japanpapier mittels feuchten Pinsels aufgestupft, um nach der Entsalzung die Kompresse besser abnehmen zu können. Abschließend wurden die Kompressen mit Plastikfolie umwickelt, um ein zu rasches Austrocknen zu verhindern.

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chend konsolidiert wurde, da lose Schollen der obersten Schicht im Japanpapier kleben blieben. Ein weiterer Entsalzungszyklus mittels Kompressen wurde durchgeführt und im Anschluss alles Kompressenmaterial hinsichtlich des Salzgehaltes untersucht. Bei allen Scherben zeigte sich eine sehr gute Entsalzung. Bereits mit der ersten Kompresse wird der Großteil der Salze aus der Keramik herausgelöst. Dies wurde durch Untersuchungen im Rasterelektronenmikroskop (REM) bestätigt, die somit zeigen, dass trotz der Festigung eine Entsalzung möglich ist. Die Menge an gelösten Stoffen ist bei beiden Kompressenmaterialien annähernd gleich, so dass keine Bewertung der beiden Kompressenmaterialien gemacht werden kann. Die relative hohe Oberflächenspannung der Funcosil-Kompressen hat sich nicht negativ auf die Scherbenoberfläche ausgewirkt. Zu beachten ist allerdings, dass bei vollständigem Austrocknen der Funcosil-Kompresse das verwendete Material sehr hart wird und es bei der Abnahme eventuell zur Schädigung der sehr fragilen Scherbenoberfläche kommen könnte. Für die Anwendung bei den Ostraka empfiehlt sich daher eine Kombination beider Kompressenmaterialien.

konservierung und restaurierung Basierend auf den Ergebnissen der Testreihen konnte ein Restaurierungskonzept für die Ostraka erarbeitet werden. Als Konservierungsmedium zur Festigung der OstrakaOberfläche kamen sowohl das Kieselsol Sebosil S als auch das Acrylharz Paraloid B72 in Frage. Aufgrund einer größeren Variationsbreite hinlänglich der verwendeten Lösungsmittel und der Konzentration, der weitreichenden Langzeiterfahrung, der bekannten Alterungswerte und der wesentlich einfacheren Handhabung wurde entschieden, die oberflächliche Festigung mit Paraloid B72 durchzuführen. Bei den wenigen Scherben, die zusätzlich eine Stabilisierung des Gefüges benötigten, sollte zur Festigung ein Kieselsäureester verwendet werden. Ausgewählt wurde hierzu Funcosil 300E, da dieser KSE kein Lösungsmittel enthält und dadurch weniger Salze anlösen und an die Oberfläche transportieren kann, wo es zu Schäden kommen könnte. Die Applikationsmethoden wurden je nach Schadensbild der Ostraka gewählt. Bei der überwiegenden Mehrheit der Objekte ist ein oberflächliches Aufbringen des Festigungsmediums ausreichend. Zunächst wird das Acrylharz auf die gesamte Scherbenoberfläche gesprüht, danach erfolgte die partielle Festigung der Schuppen und Schollen durch Injektion mit einer feinen Nadel. Die Scherben, die eine sehr stark ausgeprägte Schuppenbildung und ein Aufblättern aufweisen, bedürfen neben einer oberflächlichen

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Festigung einer Konsolidierung des gesamten Keramikgefüges. Dazu wurde die Tränkung mittels Kapillarsog herangezogen. Durch die Festigung zeigte sich eine leichte Nachdunklung der Oberfläche, die aber nicht weiter als störend empfunden wird. Die Schrift wurde durch das Einbringen des Konservierungsmediums intensiviert, da das bereits abgebaute Bindemittel wieder verstärkt wurde. Basierend auf den Ergebnissen der Testreihen zeichnete sich ab, mittels Kompressen zu entsalzen, da die Beschriftung der Ostraka durch ein längeres Wasserbad Schaden nehmen könnte. Allerdings zeigte sich im Lauf der Festigungsarbeit, dass diese Entscheidung noch einmal überdacht werden musste. Durch die teilweise sehr sensiblen, oberflächennahen Bereiche der Scherben, könnte es, trotz einer Festigung, bei einer Kompressenentsalzung zu weiteren Schäden bzw. zum Verlust von kleinen Schuppen und Schollen kommen. Um dies zu vermeiden, sollte die Entsalzung im Wasserbad durchgeführt werden. Da die Beschriftung durch die oberflächliche Konsolidierung ebenfalls mitgefestigt wird, sollte sie durch das Entsalzungsbad keinen Schaden erleiden.26 Durch die gelösten Salzkristalle, vor allem unter den Schollen und Schuppen, war keine ausreichende Stabilität dieser gegeben. So wurden diese Bereiche, wie vor der Entsalzung, mit Paraloid B72 5ig in Aceton gefestigt. Alle 36 Ostraka konnten auf diese Art zufriedenstellend konserviert werden. Sie werden wie die übrigen Ostraka der Papyrussammlung zur Aufbewahrung in bereits existierenden Magazinkartons bei relativ konstanten Klimabedingungen im Depot gelagert. In den Depoträumen der Papyrussammlung beträgt die Temperatur 18 °C und ca. 45  rH. Diese Werte werden durch die zuständige Restauratorin, Fr. Mag. Donau, laufend überprüft. Neben der Kontrolle des Klimas in den Magazinsräumen bedürfen die konservierten Ostraka keiner umfassenden Pflegemaßnahmen. Es sollte lediglich zweimal jährlich eine Zustandsüberprüfung der Scherben durch die zuständige Restauratorin durchgeführt werden, bei der etwaige Zustandsänderungen registriert und dementsprechend weitere Konservierungsschritte gesetzt werden. Abstract As a result of having been buried in the region of Fayum, the Greek Ostraka from the Austrian National Library’s Papyrus Collection in Vienna contain an increased level of salts in 26 Die Ostraka wurden in deionisiertem Wasser, welches alle 6 h gewechselt und auf den Salzgehalt überprüft wurde, entsalzt, bis nur noch geringe Restmengen an Cholriden (0–2 mg/l) nachweisbar waren. Danach wurden auf die Scherben Kompressen aus Zellstoff aufgetragen und bis zur vollständigen Trocknung auf den Ostraka belassen.

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the ceramics. The resulting damage mechanism is responsible for in part deteriorating conservation condition of 36 sherds, leading to massive losses of the inscriptions. After comprehensive investigations selected consolidation- and desalination methods were reviewed and analysed in a series of tests. The information thus gleaned and a division of the objects into different groups according to their degree of damage led to the development of a conservation concept. The realization of this concept which includes a consolidation, desalination and conservation, was undertaken according to the kinds of damage.

literatur Bradley, S./Hanna, S., The effect of soluble salt movement on the conservation of an Egyptian limestone standing figure, in: Case studies in the conservation of stone and wall paintings: preprints of the contributions to the Bologna Congress, 21.–26. 9. 1986, S. 57–61. Buys, S./Oakley, V., The Conservation and Restoration of Ceramics, London 1996. Entsalzung durch konvektive Verfahren, in: Verfahren zum Entsalzen von Naturstein, Mauerwerk und Putz; WTA-Schriftenreihe, Heft 8, Freiburg 1996, S. 90–91. Goretzki, L., Verfahren zum Entsalzen von Naturstein, Mauerwerk und Putz; WTA-Schriftenreihe, Heft 8, Freiburg, 1996. Horie, C.V., Materials for Conservation: organic consolidants, adhesives and coatings, London 1987. Loebenstein, H./Harrauer, H., Die Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Katalog der Sonderausstellung 100 Jahre Erzherzog Rainer, Wien 1983, S. 5. Patrakis, A., The Desalination of Consolidated Ceramics in Glass, Ceramics and Related Materials, Interim Meeting of the ICOM-Working Group, 13–16. 9. 98, Vantaa, Finland, S. 144–153. Sander-Conwell, E., Tränkung poröser Keramik, in: Arbeitsblätter für Restauratoren, 2/1995, S. 95. Schmidt, K., Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien. Salzproblematik – Untersuchung und Konservierung, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2007. Schulz, R./Seidl, M., Das alte Ägypten. Geheimnisvolle Hochkultur am Nil, Mannheim 1999. Wechsler, G., Festigung salzbelasteter Putze und ihre nachträgliche Entsalzung, Diplomarbeit, FH Köln, 1995. Wendler, E. (et al.), Konservierung versalzter und feuchter Wallmauern aus Sandstein, in: Mauersalze und Architekturoberflächen, Dresden, 1.–3. 2. 2002, Tagungsbeitrag HS f. Bild. Künste Dresden 2003, S. 143–147. Wihr, R., Restaurieren von Keramik und Glas. Entwicklung – Erhaltung – Nachbildung, München 1977, S. 92–96. Wilcken, U., Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien, Berlin 1899.

stein

andere über uns johann nimmrichter österreichisches bundesdenkmalamt

Die akademische Steinrestaurierung, eine begrüßenswerte Neueinführung mit erhoffter Nachhaltigkeit für den steinernen Denkmalbestand Österreichs

Lange Zeit war in Österreich die Ausbildung zum/zur SteinrestauratorIn von einem kunsthandwerklichen und bildhauerischen Zugang geprägt. Lediglich den Restaurierwerkstätten des Bundesdenkmalamtes und engagierten Einzelkämpfern war es vorbehalten, Grundlagen zur Restaurierung zu erarbeiten, die einen verantwortungsvollen Umgang mit den steinernen Denkmälern ermöglichten. Obwohl der Bedarf an SteinrestauratorInnen groß war, gelang es erst vor zehn Jahren, eine Hochschulausbildung an der Universität für angewandte Kunst Wien einzurichten. Frau Prof. Dr. Gabriela Krist, welche in ihren Ansichten und Ausrichtungen als Hochschulprofessorin auch der Denkmalpflege verpflichtet war, nutzte einen interdisziplinären Kreis ähnlich Denkender, um ethische, geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Inhalte gezielt in diese neue Steinrestaurierungsausbildung einfließen zu lassen. Neben material- und konservierungsspezifischen Kenntnissen war vor allem die Vermittlung der Sinnhaftigkeit von der Erfassung wichtiger Zustände sowie deren Genese und Diagnose notwendig. Erst dadurch waren musterhafte Vorarbeiten und Lösungsvorschläge für praktische Konservierungs- und Restaurierungsvorhaben möglich. Restaurierziele an steinernen Gebäuden und Denkmälern wurden dadurch zu methodisch nachvollziehbaren Notwendigkeiten. Für die Denkmallandschaft Österreichs bedeuten die akademisch geschulten RestauratorInnen eine große Bereicherung. Bereits nach nur vier abgeschlossenen Jahrgängen haben sich diese als wichtige Multiplikatoren in der Denkmalpflege erwiesen. Die Zusammenarbeit mit fundiert ausgebildeten KollegInnen ermöglicht eine wesentlich besser strukturierte Vorgangsweise für die Problemerfassung, Therapiefindung und Schadens-

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Johann Nimmrichter

behebung sowie für die Umsetzung von schon seit Langem gepredigter Wartungsstrategien und Evaluierungsphasen. Vieles von dem zeigt sich am hohen Niveau der Diplomarbeiten. Inhalte wie das Wiederauflebenlassen von historisch belegbaren Sonderformen, wie Marmor imitierende Opferschichten in Schönbrunn oder die individuell zugeschneiderte Konservierung und Restaurierung einer jüdischen Grabanlage aus Wachauer Marmor, weisen darauf hin. Durch diese Spezialisierung entsteht aber keine Überheblichkeit, sondern eher eine Einsicht für die Notwendigkeit, einer illustren, bunten KollegInnenschaft, in der BildhauerInnen, SteinmetzInnen, ArchitektInnen, gewerbliche RestauratorInnen und viele andere ProfessionistInnen, die sich dem Stein verschrieben haben, ihren Platz haben. Die jungen SteinrestauratorInnen beziehen bereits ihre Position zwischen SteinmetzInnen, gewerblichen FachkollegInnen und KonservierungswissenschaftlerInnen. Einige von ihnen suchen zusätzliche Herausforderungen in an der Praxis orientierten Doktorarbeiten. Andere etablieren sich als Einfrau/-mannbetrieb oder als Arbeitsgemeinschaften am Arbeitsmarkt. Mitunter können aber auch manche für die Mitarbeit bei Planungen bzw. für die Mitwirkung beim begleitenden Qualitätsmanagement gewonnen werden. Das akademische Steinrestaurierungsstudium hat einen sehr wichtigen und richtig gezielten Impuls ermöglicht und die Palette im Fachbereich um ein Wesentliches erweitert. Neben den bewährten SteinrestauratorInnen und SteinmetzInnen in der Denkmalpflege werden auch sie als Absolventinnen zum Erhalt und Ausbau des Niveaus der Steinrestaurierung in Österreich beitragen. Die Denkmalpflege kann sich in diesem Bereich glücklich schätzen.

lisa gräber

Geschichte(n) einer Konservierung. „Alltägliche“ Probleme bei der Erhaltung des polychromen Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf (NÖ)

zusammenfassung Dieser Beitrag stellt eine Diplomarbeit zum Thema Untersuchung und Erhaltung von polychrom gefassten Steinbildwerken im Außenbereich vor. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht ein 1511 gefertigtes Ölbergrelief aus Kalksandstein, das sich an der Südfassade der Pfarrkirche Perchtoldsdorf bei Wien befindet und mehrere polychrome Ausstattungsphasen aufweist. Aufgabe der Diplomarbeit war es, neben der Durchführung der Reinigung und Konservierung dieses Objekts die Analyse der Fassungen vorzunehmen, um unterschiedliche Ausstattungsphasen nachvollziehen zu können und so Kontinuitäten und Veränderungen der Farbgebung aufzuzeigen. In diesem Beitrag werden Problematiken, die sich bei der Auseinandersetzung mit dem Perchtoldsdorfer Ölberg stellten, angesprochen und diskutiert. Hierbei handelt es sich um Fragestellungen, die im Rahmen der Erhaltung von historischem Kulturgut immer wieder auftauchen, die jedoch für jedes Objekt individuell diskutiert werden müssen.

einleitung In diesem Beitrag soll eine Diplomarbeit,1 die sich mit der Untersuchung und Erhaltung von Steinfassungen im Außenbereich beschäftigt, vorgestellt werden. Im Zentrum dieser Arbeit steht ein 1511 aus Kalksandstein gefertigtes Ölbergrelief mit charakteristisch spätmittelalterlicher Formensprache, das eine Reihe polychromer Ausstattungsphasen aufweist.2 Dieses Bildwerk befindet sich an der Südfassade der Pfarrkirche Perchtoldsdorf 1

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Gräber, L., Steinpolychromie im Außenbereich – Am Beispiel des spätmittelalterlichen (1511) Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf, Niederösterreich, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. Die genaue Datierung ist aufgrund der erhaltenen Rechnung des Ölbergreliefs (entstehungszeitlich als „die Angst“ bezeichnet) möglich. Siehe: Archiv der Marktgemeinde Perchtoldsdorf, Sign.B-144-1 (alte Sign. B/IV/1); nach Petrin, S., Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf – Von den Anfängen bis zur Zer-

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Lisa Gräber

bei Wien, direkt neben dem heutigen Haupteingang zur Kirche. Als Margit Kohlert vom Landeskonservatorrat Niederösterreich in Absprache mit der Pfarre Perchtoldsdorf an das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien herantrat, schien das Relief in einem relativ guten, wenn auch stark verschmutzten Zustand zu sein. Dieser erste Eindruck, der oft ein trügerischer ist, erwies sich jedoch bei näherer Auseinandersetzung mit dem Objekt als nicht zutreffend. Zwar zeigen, dank einer seit der Entstehungszeit nachvollziehbaren Überdachung des Reliefs,3 noch über 50 Prozent der Oberfläche historische Fassungen, diese hatten jedoch über weite Bereiche ihre Haftung zum Steinuntergrund verloren und waren akut gefährdet. Zudem war die Analyse und Interpretation der unterschiedlichen polychromen Ausstattungsphasen durch dicke Staub- und Schmutzauflagen stark erschwert. Somit sollte die zuerst geplante „Bestandsanalyse und Fassungsbefundung“, die als Vorbereitung für einen konservatorischen/restauratorischen Eingriff gedacht war, im Zuge der intensiveren Beschäftigung mit dem Objekt rasch zu einem umfangreichen Projekt heranwachsen. Es wurde entschieden, dass zusätzlich zur Bestands-/Schadensaufnahme und der Fassungsanalyse, die auf die (virtuelle) Rekonstruktion von historischen Ausstattungsphasen hinzielte, die Konservierung des Reliefs erfolgen sollte, um den drohenden Substanzverlust abzuwenden. Einige der Frage- und Problemstellungen, die sich im Rahmen der Untersuchung und Bearbeitung des Perchtoldsdorfer Ölbergreliefs ergeben haben und wie mit ihnen umgegangen wurde, sollen in diesem Beitrag vorgestellt und diskutiert werden. Hierbei handelt es sich um Auseinandersetzungen, die bei der Analyse und Konservierung/Restaurierung historischer Objekte den Alltag des Restaurators/Denkmalpflegers darstellen – es sind „alltägliche“ Probleme.

das ölbergrelief und sein umfeld Bevor auf die Fragestellungen und Problematiken der Fassungsanalyse und der Konservierung eingegangen wird, soll an dieser Stelle eine kurze Vorstellung des Reliefs und seines Aufstellungsortes erfolgen (Abb. 1: Aufstellungsort in überdachter Nische, Zustand vor der Konservierung).

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störung durch die Türken im Jahre 1529, Dissertation, Universität Wien 1961 (Anhang II, S. 323–331); vgl. auch: Gräber, L., Steinpolychromie im Außenbereich – Am Beispiel des spätmittelalterlichen (1511) Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf, Niederösterreich, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009, S. 70ff. Eine Dachkonstruktion wird bereits in der erhaltenen Rechnung erwähnt, siehe: ebenda.

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Das monumentale Ölbergrelief, mit den Maßen 2,00 m x 2,60 m x ca. 0,40 m (H x B x T), befindet sich in einer überdachten Nische zwischen zwei Strebepfeilern an der Südfassade der gotischen Pfarrkirche Perchtoldsdorf4. Es ist innerhalb der Nische direkt anschließend an den linken Strebepfeiler, auf einer Höhe von ca. 2,10 m vom Bodenniveau aus versetzt. Bis zu einer Höhe von rund 1,00 m ist die Nische in voller Tiefe aufgemauert. Danach folgt ein aus Ziegeln gemauerter „Fuß“ (bis zu einer Höhe von 2,10 m), auf dem das Bildwerk aufsitzt. Rechts neben der Ölbergdarstellung befindet sich eine Wandmalerei, welche die Kreuzigungsszene darstellt und auf das Ende des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts datiert wird.5 Die Wandflächen der Nische sowie der gemauerte Fuß zeigen unter Zementputzen/-überrieben und Färbelungen des 20. Jahrhunderts noch Reste historischen Kalkputzes sowie mehrere polychrome Farbgebungen. Den Abschluss der Nische bildet ein gefasstes, schmiedeeisernes Gitter aus dem Jahre 17316, das im Rahmen einer Semesterarbeit von einer Studentin des Instituts für Konservierung und Restaurierung bearbeitet wurde.7 Das Ölbergrelief selbst besteht aus insgesamt 16 Steinblöcken, die mit Eisenankern/stiften und Kalkmörtel untereinander sowie am Fassadenmauerwerk befestigt sind. Die Komposition besteht aus dem Bildfeld (elfteilig), einer Weinrankendarstellung (zweiteilig) am rechten Bildrand und einem Gesims (dreiteilig) am unteren Bildrand, das an der rechten Seite eine Schriftrolle trägt. Alle Teile wurden aus einem weichen, feinkörnigen Kalksandstein des Leithagebirges gefertigt („Breitenbrunner Kalksandstein“), die, laut erhaltener Rechnung, vor Ort an der Fassade befestigt, verfugt und anschließend von einem Meister gefasst wurden8 (Abb. 2: Zustand des Ölbergreliefs vor der Konservierung). Von dieser ersten Fassung des Ölbergs ist heute allerdings nichts mehr zu sehen. Im Laufe seines Bestehens hat die Fassung des Reliefs eine Vielzahl an Überarbeitungen,

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Zur Pfarrkirche Perchtoldsdorf vgl.: Katzberger, P., Die Pfarrkirche von Perchtoldsdorf, Hrsg.: Marktgemeinde Perchtoldsdorf, Perchtoldsdorf 1987; Dehio – Niederösterreich Südlich der Donau, Teil 2, M bis Z, Anton Schroll & Co Verlag Wien 2003, S. 1637; Petrin, S., Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf – Von den Anfängen bis zur Zerstörung durch die Türken im Jahre 1529, Dissertation, Universität Wien 1961; Petrin, S., Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf, Von den Anfängen bis 1683, Bd. 1, Perchtoldsdorf 1983; Gräber, L., Steinpolychromie im Außenbereich – Am Beispiel des spätmittelalterlichen (1511) Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf, Niederösterreich, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009, S. 61ff. Dehio – Niederösterreich Südlich der Donau, Teil 2, M bis Z, Wien 2003, S. 1637. Die Datierung geht auf eine (vermutlich) originale Inschrift am Gitter zurück. Abfalter, J., Bericht zur Konservierung und Restaurierung. Gefasstes Schmiedeeisen am Beispiel des Abschlussgitters der Pfarrkirche Perchtoldsdorf (1731), Semesterarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien, WS 2008/09, unveröffentlicht. Petrin, S., Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf – Von den Anfängen bis zur Zerstörung durch die Türken im Jahre 1529, Dissertation, Universität Wien 1961, S. 3, 23ff; Gräber, L., Steinpolychromie im Außenbereich – Am Beispiel des spätmittelalterlichen (1511) Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf, Niederösterreich, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009, S. 70ff.

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Umgestaltungen und Reparaturen erfahren, während die Steinsubstanz und die Hängung bis auf geringfügige Ausbesserungen unverändert blieben. Da das Ölbergrelief nicht, wie so viele andere polychrome Objekte vollständig freigelegt wurde, hat sich die 500-jährige Geschichte in Form von Reparaturen und Neufassungen bis heute erhalten. Neben Änderungen der ästhetischen Vorstellungen im Laufe der Zeit gaben selbstverständlich auch Verschmutzung und Verwitterung der Malschichten, die trotz Überdachung im Außenraum relativ schnell voranschreiten, immer wieder Anlass zu vollständigen oder partiellen Neufassungen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Erhaltungszustand der unterschiedlichen Ausstattungsphasen in den meisten Fällen als reduziert zu bezeichnen ist. Zusätzlich wurden im 20. Jahrhundert unsachgemäße Reinigungs- beziehungsweise Freilegungsmaßnahmen durchgeführt, die zu einer zusätzlichen Reduktion der jüngeren Fassungs- und Reparaturphasen (vor allem des 19. und 20. Jahrhunderts, aber teilweise auch älterer Malschichten) geführt haben. Diese inadäquaten Maßnahmen und die „natürliche“ Verwitterung haben dazu geführt, dass heute nicht eine bestimme Fassungsphase am Objekt zu sehen ist, sondern vielmehr ein Konglomerat unterschiedlichster Mal-, aber auch Grundierungsschichten sowie Retuschen und Übermalungen aus der gesamten Objektgeschichte (Abb. 3: Detail aus dem Hintergrund mit stark überarbeiteter Oberfläche).

„alltägliche“ probleme Die Analyse dieser Fassungsschichten mit dem Schwerpunkt auf der Rekonstruktion von Ausstattungsphasen, welche die Veränderungen und Kontinuitäten der Farbkonzepte und Fassungstechnologie widerspiegeln, war ein zentrales Thema in vorliegender Diplomarbeit. Die Erfüllung dieser Aufgabe war allerdings, wie bereits erwähnt, durch Staubauflagen stark erschwert, da dadurch die makroskopische Unterscheidung verschiedener Malschichten in vielen Bereichen behindert war. Die makroskopischen Analysen der Malschichten und ihres Zustandes sind Grundvoraussetzung für eine schlüssige Interpretation von mikroskopischen Untersuchungsergebnissen, da nur mit ihrer Hilfe unter anderem großflächig vorhandene Malschichten einer Fassungsphase von örtlich begrenzten Reparaturmaßnahmen (Retuschen) unterschieden werden können. Somit konnte die üblicherweise erwünschte Abfolge von Maßnahmen – also die makroskopische Befundung zur Bestands- und Schadenanalyse im ersten Schritt, darauf folgend gegebenenfalls naturwissenschaftliche Untersuchungen, die Erstellung eines Konservierungs-/Restaurierungskonzepts, das Anlegen von Musterflächen und erst anschließend die großflächige Umsetzung von Maßnahmen – nicht eingehalten werden. Die Reinigung musste, besonders um die unterschiedlichen Fassungen nachvollziehen

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zu können, parallel zu makroskopischen und mikroskopischen Analysen des Reliefs erfolgen. Dieses Vorgehen sollte sich in diesem Fall als äußerst fruchtbar erweisen, da man ein Objekt wohl kaum besser kennenlernen kann, als wenn man es, wie das die Reinigung von gefassten Oberflächen zumeist erfordert, in unterschiedlichen Arbeitsschritten mehrmals Zentimeter für Zentimeter behandelt. Nur durch diese genaue Kenntnis des Reliefs konnte die Untersuchung und Bewertung der entnommenen Malschichtproben zu einem befriedigenden Ergebnis geführt werden. Eine weitere Frage, die sich hier anschließen lässt, ist die nach der Zielsetzung von Untersuchungen: Welche Ergebnisse will ich aus meinen Beobachtungen ziehen, warum will ich das und welche Schritte sind hierfür nötig? Besonders bei Objekten, die ein Eingreifen im Sinne der Substanzerhaltung erfordern, muss genau überlegt werden, wie die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, die notorisch begrenzt sind, verteilt werden. Wie genau müssen etwa Bestand und Schadensbilder/-abläufe analysiert werden? Muss zum Beispiel von jedem der 16 Steinblöcke eine Probe zur Dünnschliffinterpretation entnommen werden, nur um sicher(er) sagen zu können, was man schon makroskopisch erkennen konnte – dass es dasselbe Material ist? Im Falle des Perchtoldsdorfer Ölbergs sollte neben der Analyse von Bestand, Schadensbildern und Schadensabläufen, die für eine erfolgreiche Konservierung/Restaurierung eine Grundvoraussetzung darstellen, die historischen Farbkonzepte mit ihren Veränderungen und Kontinuitäten dargestellt werden. Diese Fragen nach „Wann hatte dieses Relief welche Farbe(n)?“, wobei „welche Farbe(n)“ sowohl den Farbton als auch die Fassungstechnologie (Farbzusammensetzung/-auftrag) anspricht, und „Wie viel von diesen unterschiedlichen Fassungen ist auf dem Objekt vorhanden?“ haben mehrere Gründe. Zum einen – vom praktischen Standpunkt aus gesehen – dienen diese Auseinandersetzungen der Definition eines Konservierungs-/Restaurierungsziels. So ist es zwingend notwendig, die Fassungs- und Reparaturphasen identifiziert und auf ihren Zustand bewertet zu haben, bevor man eine Diskussion um eine Freilegung auf eine bestimmte Phase überhaupt erst andenken kann. Zum anderen können die Untersuchungsergebnisse einen wertvollen Beitrag zum Forschungsfeld der gefassten Skulptur liefern – besonders für Steinbildwerke im Außenbereich ist hier noch großer Forschungsbedarf gegeben – und so selbst ein Teil der Interpretationsgrundlage für zukünftige Auseinandersetzungen mit ähnlichen Objekten werden. Nicht zuletzt können die gesammelten Informationen wertvolle Anhaltspunkte für die Bereiche der Handwerksgeschichte darstellen (Fassungstechnologie), aber auch in der Sozial- und Kulturgeschichte Verwendung finden, da sie Beispiele für den Wandel von ästhetischen Vorstellungen widerspiegeln. Diese Aspekte, die in abgewandelter Form wohl für alle historischen Kulturgüter zu bedenken sind, legen dem Bearbeitenden allerdings eine große Verantwortung auf. Des-

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halb sollte die Interpretation von Analyseergebnissen möglichst auf einer breiten Basis stattfinden, die das jeweilige Objekt auch in einem größeren Kontext darstellt. Im Rahmen der Diplomarbeit wurden dementsprechend auch Betrachtungen zu folgenden Themen angestellt: Fassung auf Stein (im Außenbereich) in Hinblick auf den heutigen Forschungsstand zu Technologie und Geschichte, die Darstellung der Ölbergszene – Darstellungsinhalt, Entwicklung der Darstellung und besonders die sich wandelnde Stellung von Ölbergdarstellungen in der Gesellschaft. Weiters erfolgte die Beschäftigung mit der Geschichte der Pfarrkirche und des Marktes Perchtoldsdorf, um Anhaltspunkte oder konkrete Hinweise zur Restauriergeschichte des Ölbergreliefs zu erhalten. Die letzte Fragestellung, die ich hier ansprechen möchte, ist die nach dem Ziel von praktischen Maßnahmen: „Wie weit kann und darf man bei einer Konservierung/Restaurierung gehen?“ – „Wie soll das Objekt nach der Bearbeitung aussehen?“ Abgesehen von der technischen Durchführbarkeit, als Grundlage zur Umsetzung, ist dies wohl die schwierigste Frage, die man sich im Laufe der Bearbeitung eines Objekts stellen muss. Diese Thematik ist weniger einer Entwicklung zu einem bestimmten Punkt unterworfen, wie es etwa für die Erforschung und Erprobung von Konservierungs-/Restaurierungsmaterialien der Fall ist, bei der ideal angepasste Werkstoffe als theoretisches Ziel angestrebt werden. Vielmehr ist diese Problematik mit gewissen Trends und Moden verknüpft, die sich je nach Zeitgeist verändern. Zwar wurden in der Vergangenheit immer wieder Versuche angestellt, auch in diesem Bereich eine gewisse Systematik einzuführen, doch lassen diese „Maximen“ meist genug Spielraum zu unterschiedlichster Auslegung. Betrachtet man etwa die von Ute Hack sehr treffend zusammengefassten Grundsätze, die besagen, dass das Original nicht geschädigt werden darf, die altersbedingten Veränderungen und späteren Beifügungen (alte Restaurierungen) zu akzeptieren sind, die ganzheitliche Erfassung von Kunstwerken im Vordergrund stehen soll und die Restaurierung keinen perfekten Zustand vortäuschen darf,9 wird klar, dass für die konkrete Umsetzung an einem bestimmten Objekt noch viel Diskussionsbedarf herrscht. Diese Tatsache hat zum einen natürlich ihre Vorteile, da wie gesagt jedes Objekt eine individuelle Behandlung erfahren sollte. Andererseits müssen oftmals sehr unterschiedliche Standpunkte zu diesem Thema zu einem Konsens geführt werden, der idealerweise alle beteiligten Parteien (AuftraggeberIn, Denkmalbehörden, RestauratorIn etc.) zufriedenstellt, was oft eine nicht ganz leichte Aufgabe ist. Zusätzlich sollte man sich bewusst sein, dass die Erhaltung von Kulturgut zur Bewahrung geschichtlicher Zeugnisse10 nicht nur ihrem Selbstzweck dient, sondern dass 9

Hack, U., Ästhetische Ansprüche an eine Restaurierung – Wunsch und Wirklichkeit, in: Schädler-Saub, U., Die Kunst der Restaurierung. Entwicklung und Tendenzen der Restaurierungsästhetik in Europa, Tagungsband, München 2003, S. 215–223. 10 Vgl. Charta von Venedig, 1964.

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für jemanden bewahrt werden soll. Jede Restaurierung im öffentlichen Raum trägt ihren Teil zum gesellschaftlichen Verständnis dieses Berufes bei und kann zu Gutheißung oder Unverständnis beim Betrachter führen. Die Bewahrung von Kulturgut ist eine Gratwanderung zwischen idealistisch-minimalistischer Konservierung, die unter Umständen ihren oft gewünschten vermittelnden Auftrag nicht erfüllen kann, und übertriebener Restaurierung, die den Betrachtern eine Erwartungshaltung „in den Mund legt“, die diese vielleicht gar nicht haben. Im Falle des Perchtoldsdorfer Ölbergs, der durch die (lange) Bearbeitung vor Ort wieder in das Blickfeld der Kirchengemeinde gelangt war, wurde versucht, das Konservierungskonzept einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um so das Verständnis für die – wie ich noch erklären werde – minimalen Maßnahmen sicherzustellen. So wurde neben einem erklärenden Plakat, das im Bearbeitungszeitraum vor dem Relief aufgehängt war, ein kurzer Artikel im Pfarrblatt von Perchtoldsdorf veröffentlicht, was uns dankenswerter Weise von der Redaktion desselben ermöglicht wurde. Weiters – hier möchte ich Pfarrer Freiler herzlich danken – hatte ich die Möglichkeit, im Anschluss an eine gut besuchte Sonntagsmesse ein kurzes Statement abzugeben, in dessen Anschluss ich für Fragen aller Art zur Verfügung stand. Für die Erstellung des Maßnahmenkonzeptes war die Tatsache, dass das Ölbergrelief im Laufe seiner Geschichte durch die Beistellung der Kreuzigungsszene, die farbige Gestaltung der umgebenden Wandflächen und die Anbringung des Eisengitters Teil eines größeren Ensembles wurde, von wesentlicher Bedeutung. Da diese Bereiche im Rahmen der Diplomarbeit nur am Rande befundet werden konnten und über deren Zustand noch keine ausreichenden Informationen vorlagen (besonders der Erhaltungsgrad der Wandflächen-Färbelung konnte aufgrund der Übermalungen nicht beurteilt werden), wurde entschieden, die über die reine Konservierung hinausgehenden Eingriffe am Ölberg so gering wie möglich zu halten. Der Grundgedanke hierbei war, vorerst eine Konservierung des Reliefs durchzuführen, um weiteren Substanzverlust zu verhindern. Erst wenn die Gesamtsituation in der Nische geklärt ist und sich auch die Wandmalereien zeitlich einordnen lassen, soll über die weitere Vorgehensweise für alle Teilbereiche (eventuelle Freilegung, Kittung und Retusche an Relief und Kreuzigungsszene, Rekonstruktion von Färbelungen der Wand etc.) entschieden werden. Nichtsdestotrotz konnte durch die gesetzten konservatorischen Maßnahmen das Erscheinungsbild des Reliefs deutlich verbessert werden.11 Die Abnahme von grauschwarzen Staub- und Gipsauflagen, die auch aus konservatorischer Sicht notwendig 11

Eine genaue Beschreibung der Maßnahmen und deren Begründung findet sich im Teil II meiner Diplomarbeit. Vgl.: Gräber, L., Steinpolychromie im Außenbereich – Am Beispiel des spätmittelalterlichen (1511) Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf, Niederösterreich, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009, 138ff..

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war, resultiert in einer homogeneren, weniger fleckigen Gesamterscheinung. Ebenso tritt der Farbkontrast wieder stärker zutage, sodass das Relief insgesamt farbenprächtiger erscheint. Die einzigen ästhetisch motivierten Maßnahmen waren die Reduktion von großflächigen, schlecht angepassten Übermalungen im Umfeld ausgetauschter Ergänzungen,12 die Retusche der neuen Ergänzungen und gegebenenfalls die zurückhaltende farbliche Anpassung belassener, alter Ergänzungen. Abstract This paper presents a thesis which adresses the topic of examination and preservation of historical polychromy on exterior stone. In particular, the work centers on a 1511 lime-sandstone relief with the theme of Christs Prayer at the Mount of Olives. The relief is situated on the south facade of the parish church in Perchtoldsdorf, near Vienna and shows several polychrome phases. Besides dealing with the issue of the conservation treatment, the thesis focuses on the analyses of the paint layers to identify different phases. This was to show the consistencies and transformations of color conceps in the course of time. Within this work problems occuring while working on this object shall be presented. These are questions that have to be asked and individually discussed repeatadly within the field of preservation of cultural heritage.

literatur Dehio – Niederösterreich Südlich der Donau, Teil 2, M bis Z, Wien 2003. Gräber, L., Steinpolychromie im Außenbereich – Am Beispiel des spätmittelalterlichen (1511) Ölbergreliefs der Pfarrkirche Perchtoldsdorf, Niederösterreich, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. Hack, U., Ästhetische Ansprüche an eine Restaurierung – Wunsch und Wirklichkeit, in: SchädlerSaub, U., Die Kunst der Restaurierung. Entwicklung und Tendenzen der Restaurierungsästhetik in Europa, Tagungsband, München 2003, S. 215–223. Katzberger, P., Die Pfarrkirche von Perchtoldsdorf, Hg.: Marktgemeinde Perchtoldsdorf, Perchtoldsdorf 1987. Petrin, S., Geschichte des Marktes Perchtoldsdorf – Von den Anfängen bis zur Zerstörung durch die Türken im Jahre 1529, Dissertation, Universität Wien 1961.

12 Die Entfernung einiger Ergänzungen war aus konservatorischer Sicht notwendig, da in diesen Bereichen die Festigung der darunter befindlichen Steinsubstanz durchgeführt werden musste.

marija milcin

Gusselemente aus Romanzement. Ein Versuch zur Wiederentdeckung von historischen Mörtelrezepturen

zusammenfassung Zahlreiche Fassaden, Fassadenelemente und Bauschmuck denkmalgeschützter Gebäude des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in Wien entstanden unter Verwendung von Romanzement. Das 1796 in England patentierte und seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Vergessenheit geratene Material konnte erstmals im Rahmen des EU-Forschungsprojektes ROCEM (2003–2006) wieder hergestellt werden. In diesem Artikel wird neben der gekürzten Darstellung der Geschichte des Romanzementes die „Suche“ nach einer geeigneten Gussmasse für die Herstellung von Kopien historischer Bauschmuckelemente aus Romanzement dargestellt. Wie so oft konnte eine zufriedenstellende Lösung nur durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Betrachtungsmethoden erlangt werden. Sowohl die Untersuchungsergebnisse aus der Recherche in historischen Quellenschriften, der naturwissenschaftlichen Analysen und besonders der makroskopischen/technologischen Beobachtungen und nicht zuletzt empirische Versuche trugen wesentlich zum Gelingen des Vorhabens bei. Die Inhalte dieses Beitrages wurden Großteils im Rahmen der Diplomarbeit „Bauschmuck aus Romanzement – Möglichkeiten der Restaurierung von Fassadenelementen am Beispiel des Mietshauses Esteplatz 7, 1030 Wien“ 2006 erarbeitet.

einleitung Der seit dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geratene Romanzement hat durch das EU-Projekt ROCEM in den Jahren 2003–2006 wieder an Aufmerksamkeit gewonnen. Dieser Naturzement gelangte zwischen 1880 und 1920 in den meisten europäischen, aber auch nordamerikanischen Großstädten, unter anderem in Wien, an sehr vielen Gebäuden zur Anwendung. So auch an jener Fassade, die im Rahmen einer Diplomarbeit,1

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Milcin, M., Bauschmuck aus Romanzement – Möglichkeiten der Restaurierung von Fassadenelementen am Beispiel des Mietshauses Esteplatz 7, 1030 Wien, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2006.

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über die Möglichkeiten der Restaurierung von Romanzementfassaden bearbeitet wurde. Der im Rahmen des ROCEM-Projekts wieder neu produzierte Romanzement wurde bei der Restaurierung einer Fassade als Bindemittel für Kitt- und Gussmassen zur Herstellung von Kopien fehlender Gusselemente eingesetzt. Die Entwicklung der Rezepturen für diese Massen war, neben der Evaluierung der Anwendbarkeit, die Hauptaufgabe dieser Diplomarbeit. In diesem Artikel soll am Beispiel der Entwicklung von Gussmassenrezepturen ein Teil der Diplomarbeit in gekürzter Form vorgestellt werden. Die Besonderheiten und Schwierigkeiten, die mit der Entwicklung von „neuen“ Rezepten alter bzw. vergessener Materialien einhergehen, werden aufgezeigt und diskutiert. Es hat sich gezeigt, dass bei so einer komplexen Aufgabe das Zusammenspiel zwischen Konservierungswissenschaften, Geistes- und Naturwissenschaften entscheidend für den Erfolg ist. So wurden neben den konservatorisch-technologischen Beobachtungen an noch bestehenden Romanzementelementen, der Recherche nach Primärquellen und naturwissenschaftlichen Analysen, empirische Testreihen durchgeführt. Die hierbei erzeugten Probekörper wurden wiederum analysiert und mit historischen Gussmassen verglichen. Bevor auf die Entwicklung der Gussmassen näher eingegangen wird, soll an dieser Stelle ein kurzer Abriss zur Geschichte und Entwicklung des Romanzements gegeben werden.

romanzement – eine kurze aber intensive geschichte „Im Jahre 1796 nahm James Parker ein Patent auf die Erzeugung eines Cementes, welchen er aus den an den Meresküsten Englands vorkommenden thonerdehaltigen Kalknieren durch Brennen und nachheriges Pulverisieren erzeugte. Parker nannte sein Product „Roman-Cement“, weil die Kalksteinnieren woraus er sein hydraulisches Product gewonnen, in der Farbe der römischen Puzzolane ähnlich waren.“ 2 So beschreibt Tarnawski (1887) in seinem Buch „Kalk, Gyps, Cementkalk und PortlandCement in Oesterreich-Ungarn“ die Erfindung des Romanzementes. Dieses Bindemittel ist das Produkt einer langen Entwicklung, deren Anfang bei den hydraulischen Zusätzen für Kalkmörtel der Römerzeit3 zu finden ist und durch die Entdeckung der „natürlichen hydraulischen“ Kalke des Engländers Smeaton4 im 18. Jahrhundert fortgesetzt wird. 2 3 4

Tarnawski, A., Kalk, Gyps, Cementkalk und Portland-Cement in Oesterreich-Ungarn, Wien 1887, S. 131. Die Römer verwendeten Puzzolanerde, Trass oder Split von niedrig gebranntem Ziegel als Zusatz für Kalkmörtel. Smeaton hat die Entdeckung gemacht, dass „unreine“ Kalksteine (Kalksteine mit einem gewissen Pro-

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Nach der Entdeckung und Entwicklung des Romanzements findet diese „Reihe“ ihre Fortführung in der Erzeugung des Portlandzementes. Wie schon Tarnawski erwähnt, wird Romanzement durch Brennen von Mergeln spezieller Zusammensetzung unterhalb der Sintergrenze gewonnen. Dieser „Vorläufer“ des Portlandzements verbreitete sich nach seiner Erfindung im Jahre 1796 zunächst in England, wo infolge des Erlöschens des Patents zahlreiche lokale Produzenten tätig waren. In Kontinentaleuropa kommt es – ausgehend von Frankreich – erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer vermehrten Herstellung und Verwendung dieses Materials. Nachdem allerdings die Qualitäten des Romanzementes bekannt wurden, dominiert er über mehr als ein halbes Jahrhundert das Bauwesen, vor allem in Mitteleuropa und Nordamerika. Überall, wo es geeignete Mergelvorkommen gab, wurden Produktionsstätten errichtet. Die Qualität und Farbe dieser Zemente zeichnet sich durch eine hohe Differenziertheit aus, die von der Zusammensetzung des jeweiligen Mergels und den Brennbedingungen bestimmt wurden. Die guten optischen und technischen Eigenschaften, etwa der warme Farbton, eine schnelle Erhärtung mit hohen Endfestigkeiten und die fast unbegrenzten Möglichkeiten der Zuschlagsmenge, haben aus Romanzement schnell ein universal einsetzbares Mörtelbindemittel gemacht. Ebenso wie die unterschiedlich erzeugten Romanzemente eine breite Produktpalette boten, variierten auch die Bezeichnungen. So finden sich in historischen Schriften etwa die Benennungen Romanzement, Romankalk, Hydrauer, Zementkalk, Römischer Zement, Englischer Zement, Naturzement usw. Im Jahre 1824 patentierte Joseph Aspdin erstmals Portlandzement. Auf grund der unterschiedlichen Herstellungsbedingungen, die unter anderem durch eine Brandführung über die Sintergrenze hinaus charakterisiert wird, besitzt dieses Bindemittel andere und in mancher Hinsicht bessere Eigenschaften als Romanzement. Von diesem Zeitpunkt an wurde zunächst wiederum in England Romanzement immer mehr durch Portlandzement verdrängt. Auf dem europäischen Kontinent und in Nordamerika verlief diese Entwicklung mit einer Zeitverzögerung von etwa 60 Jahren. Die kurzzeitige, aber sehr intensive Verwendung von Romanzement hat uns viele Zeugnisse hinterlassen. Insbesondere in Mitteleuropa, wo die Baubranche in dieser Zeit einen regelrechten „Boom“ erfahren hat, stehen heute noch viele Bauten, die aus beziehungsweise mit Romanzement gebaut wurden. Im Wiener Raum ist Romanzement in großem Umfang an den Fassaden der sogenannten Gründerzeit zu finden. Als Fugenmörtel, Verputzmaterial, aber vor allem für gezogene oder gegossene Zierelemente war Romanzement das meistgenutzte Material dieser Zeit. Mit dem Beginn der klassischen zentsatz an Tonmineralien) nach dem Brandt ein Bindemittel ergeben, das härter und wasserresistenter ist als Luftkalk.

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Moderne in der Architektur werden die Vorteile des Romanzements nicht mehr benötigt. Seine guten Gießeigenschaften sind bei ornamentlosen Fassaden nicht mehr gefragt. Er wird immer weniger produziert und gerät langsam in Vergessenheit. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wird die Produktion in den meisten Länder vollständig eingestellt. Die österreichische Romanzementgeschichte endet um 1937, als die meisten Fabriken bereits stillgelegt waren oder auf Portlandzementerzeugung umgestellt hatten.5

die „suche“ nach einer geeigneten gussmasse Einer der Schwerpunkte der Diplomarbeit lag, wie bereits erwähnt, auf dem Nachvollziehen historischer Gussmassen und der Herstellung von „neuen“ Massen auf Romanzementbasis, um verlorene Zierelemente nachgießen zu können. Im konkreten Fall sollte die favorisierte Rezeptur Anwendung bei der Restaurierung der Fassade Esteplatz 7, 1030 Wien, finden (Abb. 1). Zur Erstellung der „neuen“ Gussmasse standen die Romanzemente, die im Rahmen des ROCEM-Projekts gebrannt wurden, zur Verfügung.6 Um eine Rezeptur konzipieren zu können, mussten allerdings zunächst historische Gussteile genau untersucht werden, um deren Zusammensetzung zu erfahren. Weiters konnten durch Recherchen hilfreiche Informationen etwa aus technologischen Handbüchern oder enzyklopädischen Schriften des 19./20. Jahrhunderts gewonnen werden. Als dritter und letzter Schritt wurden umfangreiche Testreihen mit verschiedenen Rezepturen durchgeführt und diese auf ihre Verarbeitungszeit, Wärmeentwicklung, Farbe sowie Oberflächenbeschaffenheit untersucht. Die Probekörper mit den besten Eigenschaften wurden dann im Licht- und Rasterelektronenmikroskop analysiert und anschließend mit Originalgüssen der Fassade Esteplatz 7 verglichen. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick der wichtigsten Erkenntnisse dieser „Suche“ wiedergegeben werden. Wie schon erwähnt konnte Romanzement je nach Aufgabe zu unterschiedlichsten Massen verarbeitet werden. Die Beispiele des Wiener Raums zeigen allerdings, dass hier Romanzementmassen am häufigsten für die Herstellung von Güssen eingesetzt wurden. Die außerordentlich kurzen Abbindezeiten scheinen hier einer der wichtigsten Vorteile

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1937 ist der letzte vermerkte Romanzementbrand im heutigen Zementwerk Leube GmbH. Es wurden in diesem Jahr nur 80 t Romanzement produziert. Im Vergleich dazu wurden im gleichen Jahr in dieser Fabrik 21.570 t Portlandzement hergestellt. (Diese Information entstammt den Produktionsaufzeichnungen der Fa. Leube und wurde dankenswerter Weise von Hr. Dipl.-Ing. Johann Kranabitl zur Verfügung gestellt.) Hierbei handelt es sich um vier verschiedene Romanzemente. Je zwei (bei verschiedenen Brennbedingungen gebrannt) von den Mergelarten aus Lilienfeld (Österreich) und Folwark (Polen).

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gegenüber anderen Materialien gewesen zu sein; so konnte eine große Stückzahl unter Verwendung weniger Negativformen produziert werden. Die Tatsache, dass zu dieser Zeit vor allem „Leimformen“ zur Anwendung kamen, scheint, wie im folgenden Zitat ersichtlich, hier ein wesentlicher Aspekt zu sein. „Zum Gießen von Bauornamenten, Figuren (...) besitzt der schnellbindende Roman-Cement gerade die jenigen Eigenschaften, welche dafür, speziell bei Leimformen unbedingt erforderlich sind. Der Cement erhärtet in der Form so rasch, daß die selbe abgenommen werden kann, bevor eine Erwärmung eintritt.“7 Diese frühen elastischen Formen erlaubten die „Überbrückung“ von Hinterschneidungen, ohne dabei zu viele einzelne Formenteile herstellen zu müssen, ähnlich wie bei den heutigen Silikonformen. Sie waren aber gleichzeitig empfindlich gegenüber längerer Wasser- und Wärmeeinwirkung, bei denen der Leim zu quellen anfängt und seine Form bei der Trocknung verändert. Romanzementgüsse entwickeln jedoch sehr schnell eine ausreichende Frühfestigkeit, sodass die Zeit in der Negativform sehr kurz gehalten werden kann und die Form dadurch unverändert bleibt. Makroskopische wie mikroskopische Beobachtungen zeigen, dass bei gegossenen Bauteilen unterschiedlichste Zuschläge Verwendung fanden. So kamen kantige oder runde Körner in verschiedenen Fraktionen zum Einsatz. Ebenso variiert das Zement/ Zuschlag-Verhältnis stark. Im Wiener Raum haben die Analysen ergeben, dass für Gussteile vorzugsweise tendenziell runde Zuschläge mit bimodaler Sieblinie8 üblich waren, die auch den regionalen Donauschotter auszeichnen. Das Zuschlag/Zement-Verhältnis ist zumeist sehr klein – zwischen 0,25:1,00 und 0,75:1,00. Fast alle Elemente sind mit einem Metallanker und Versatzmörtel an den jeweiligen Fassaden befestigt. Letzterer kann sowohl ein Kalk- oder Romanzementmörtel sein. Zudem weisen alle gegossenen Teile eine dünne verdichtete Schicht unterhalb der Gusshaut auf. Ob diese im Zusammenhang mit den historischen Leimformen steht, konnte jedoch noch nicht geklärt werden. In verschiedenen historischen Schriften über Romanzement sind einige Mörtelrezepturen zu finden; zwei sollen hier exemplarisch angeführt werden: „Der Mörtel muß sehr steif sein, also der Wasserzusatz darf nur ein kleiner sein. Die Mischung geschieht in folgender Weise: Romanzement (40–50) und Sand (60–50) werden zu einem Kegel zusammengeschüttet und gut gemischt; dann 7 8

Müller, K., Kunststeinbau, o.O., 1905, S. 166. Bimodale Sieblinie – jeweils große Anteile an feinen und groben Körnern ohne Mittelkorn.

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wird von der Spitze des Kegels aus ein Hohlraum geschaffen und das Ganze schnell durcheinandervermischt und sofort verarbeitet.9“ In diese Rezeptur sieht man, dass Romanzementmörtel relativ „fett“ angemacht werden können. Interessant ist auch die Anmerkung zum geringen Wasserzusatz. Dieser Hinweis muss allerdings im richtigen Kontext betrachtet werden. Tendieren wir heutzutage eher zu einem Vergleich von Roman- zu Portlandzement – hier ist die einzusetzende Wassermenge ungefähr gleich groß –, wird der Autor wohl eine Gegenüberstellung zu für Gips oder Kalk einzusetzende Wassermengen meinen. Im Kontrast zu diesen ist der notwendige „Wasserzusatz“ durchaus als klein zu werten. In der folgenden Rezeptur wird ausdrücklich erwähnt, dass der Zuschlagssand trocken zu sein hat, was, wie es sich bei den Versuchsreihen herausgestellt hat, ein ganz wesentlicher Punkt ist. Gemischt mit einem nassen oder auch nur feuchten Sand, reagiert der Romanzement sofort und erhärtet schon beim Mischen und nicht erst in der Form oder auf der Wand. Dass ebendiese Reaktion dermaßen schnell vor sich geht, wird auch in diesem Text extra betont: „Es wird reiner, möglichst gewaschener Sand scharf getrocknet und wenn abgefühlt, zu 2–3 Teilen Sand 1 Teil Cement gemischt, eventl. der Sand auch ganz oder teilweise durch Marmormehl ersetzt. Das Zurechtmachen, jedesmal nur einer kleinen Menge Mörtel, besorgt sich der Verarbeitende selbst und da das Material fast so schnell wie Gips bindet, ist eben schnell damit zu arbeiten.“10 Das größte Problem bei Mörtelrezepturen historischer Quellen ist, dass meistens wichtige Angaben fehlen. So wird etwa oft verschwiegen, für welche Anwendung die jeweilige Rezeptur verwendbar ist; zusätzlich sind die Informationen oftmals auch zu ungenau, wie etwa in Bezug auf die zu verwendende Wassermenge. Da sich zudem einige Parameter, so zum Beispiel das Zement/Zuschlag-Verhältnis, im Laufe der Verwendungsgeschichte stark verändert haben, ist es sehr schwierig, die historischen Rezepturen genau nachzustellen. Weiters ist bekannt, dass die Eigenschaften unterschiedlicher Romanzemente stark differieren und daher natürlich verschiedene Mörtelrezepturen – je nach in der Region üblichem Produkt – zur Anwendung kommen mussten.11 Dennoch können durch den Vergleich der historischen Schriften mit den Beobachtungen an erhaltenen Romanzement-Objekten wichtige Erkenntnisse über die Anwen9 Hartleben, A., Chemisch-technische Bibliothek, o.O., o.J., S. 199–200. 10 Müller, K., Kunststeinbau, o.O., 1905, S. 166. 11 Aufgrund unterschiedlicher Rohstoffzusammensetzungen differiert die Menge der enthaltenen Klinkerphasen der erzeugten Produkte und somit auch Eigenschaften wie Reaktivität, Bindekraft etc.

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dung des Materials gewonnen werden. So konnte man einige der zu testenden Parameter zumindest geringfügig eingrenzen. So wurden die Zuschlag/Zement- und Wasser/ Zement-Verhältnisse auf einen übersichtlichen Bereich eingeschränkt und auch einige Fehlerquellen (z.B. die Verwendung von feuchtem Sand) konnten vermieden werden. Ein Problem konnte aber durch die Voruntersuchungen und die Literaturrecherche nicht gelöst werden. Romanzement, zu mindestens jene Typen, die zur Verfügung standen, ist viel zu reaktiv, um überhaupt gegossen werden zu können (Topfzeiten meist unter 1 min). Dieses Problem ist kein neues und wird bereits in einigen historischen Handbüchern angesprochen, wenn die Empfehlung zur frischen Zubereitung von kleinen Mengen gegeben wird. Der Einsatz von Verzögerern dürfte deshalb auch in der Hauptverwendungszeit des Romanzements nötig gewesen sein, allerdings konnten keine schriftlichen Nachweise gefunden werden. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Verzögerer damals unbewusst in den Zement gelangten, so z.B. im Produktionsprozess (Brenngut) oder bei der Lagerung (Holzfässer) und beim Transport. Wenn dies der Fall war, würde es erklären, wieso Angaben zu Verzögererzusätzen nicht in den historischen Rezepturen auftauchen. Der Versuch, Verzögerer in historischen Güssen nachzuweisen war nicht erfolgreich. Dies muss allerdings nicht zwingend bedeuten, dass diese nicht vorhanden waren oder sind. Wie im folgenden Abschnitt ersichtlich, sind die besten Verzögerer organische Säuren bzw. ihre Salze, die in sehr kleinen Mengen beigemischt werden und deswegen sehr schwierig nachzuweisen sind. Um den extrem kurzen Topfzeiten des frischen, unverzögerten Zements zu begegnen, gab es vielleicht auch noch andere Lösungsansätze. Eine Möglichkeit stellt die Exposition des Zements für einige Tage an der Luft dar, da dadurch die Anfangshydratation verlangsamt wird. Der Nachteil dieser Methode ist allerdings, dass die Frühfestigkeiten in diesen Fall verhältnismäßig niedriger ausfallen, was wiederum das „Ausformen“ der Gussteile negativ beeinflusst. Das Vermischen von unterschiedlich gebrannten Zementen (überbrannt, unterbrannt und optimal), die unterschiedliche Reaktionsverläufe aufweisen, wurde als eine weitere Möglichkeit zur Verzögerung der Reaktionen gesehen und getestet. Dies erwies sich im Rahmen der Testreihen als unbrauchbar, da jeder Zement „für sich“ reagiert und dadurch keine ausreichende Frühfestigkeit erzielt werden kann. Die Zugabe von Verzögerern zu den Mörteln erschien daher als einzige umsetzbare Möglichkeit das Abbindeverhalten einstellbar zu machen. Daher wurden im Rahmen der Diplomarbeit verschiedene organische Säuren und deren Salze als Verzögerer getestet. Es wurden hierfür Zitronensäure, verschiedene Zitrate (Salze der Zitronensäure), Weinsteinsäure und eine Auswahl von modernen Verzögerern der Portlandzementindustrie getestet (Abb. 2). Einige der getesteten Zusätze haben sich als gänzlich unbrauchbar erwiesen, andere wiederum haben zwar zu einer guten „Verflüssigung“ der Masse geführt,

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die Reaktionszeit allerdings nur unzureichend verlangsamt. Die beiden Verzögerer, welche die besten Ergebnisse innerhalb dieser Testreihe erbrachten, wurden in die Gussmassentestreihe übernommen. Es handelt sich hier um Zitronensäure und Weinsteinsäure, also um jene Substanzen, deren Einsatz schon im 19. Jahrhundert denkbar ist. Nachdem Art und Konzentration der Verzögerer in einer eigenen Testreihe eingeschränkt worden waren und auch die weiteren Parameter infolge der Voruntersuchungen beziehungsweise der Literaturrecherche auf eine bewältigbare Bandbreite eingegrenzt werden konnten, wurden 96 Gussmassen in zwei Testreihen untersucht. Hierbei wurden die verschiedenen Parameter wie Zementart und -brenntemperatur, Zuschlagkornform und -größe, Zuschlag/Zement- und Wasser/Zement-Wert, Verzögererart und -konzentration variiert. Dabei hat sich eine „allgemeine“ Rezeptur für die Herstellung von Neugüssen als am besten geeignet herauskristallisiert: 1 RT Romanzement (niedrig gebrannt) ½ RT Zuschlag 65  w/z-wert 0,5  Zitronensäure im Anmachwasser Der Lilienfelder Zement zeigte im Allgemeinen bessere Gusseigenschaften (höhere Frühfestigkeit), es kann aber auch der hellere Folwark verwendet werden, falls sich dieser auf Grund seiner optischen Eigenschaften (Farbe, Oberfläche) besser in den Originalbestand einfügt. Die Zugabe verschiedener Zuschläge hat keine Auswirkung auf die Topf- und Entformungszeiten gezeigt, deswegen sollte der Zuschlag so gewählt werden, dass er möglichst dem Original entspricht. Somit wurde die obige Mörtelrezeptur für die Fassade Esteplatz 7 wie folgt modifiziert: 1 RT Lilienfelder Romanzement (860°C) ½ RT Mauer- und Putzsand (0–7 mm, rundes Korn) 65  w/z-wert 0,5  Zitronensäure im Anmachwasser Die mit dieser Masse gegossenen Elemente haben im Licht- sowie Rasterelektronenmikroskop eine sehr große Ähnlichkeit mit dem Originalbestand der Fassade Esteplatz 7 gezeigt. Auch makroskopische Eigenschaften wie Farbe und Oberflächenstruktur waren sehr gut angepasst. Die Verarbeitbarkeit war nach einer kurzen Gewöhnungszeit als sehr gut zu bezeichnen. Als besonders angenehm ist die schnelle Entwicklung der Anfangsfestigkeit und damit verbundene schnelle Entformung zu bezeichnen. Somit war es möglich, die fehlenden Gussteile in sehr kurzer Zeit zu gießen. Aufgrund der hohen Frühfestigkeit konnten die Elemente auch schon relativ kurze Zeit nach der Herstellung an der Fassade montiert werden (Abb. 3: Kopie eines Kanellurbandelementsbereits versetzt).

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conclusio Im Rahmen meiner Diplomarbeit konnte die Verarbeitbarkeit von Romanzement, mit ihren Möglichkeiten und Grenzen, gut nachvollzogen werden. Neben der erfolgreichen Nachstellung beziehungsweise der sinnvollen Interpretation historischer Rezepte, die die Erzeugung einer verarbeitbaren Gussmasse ermöglichte, wurden noch kleinere Versuchsreihen zu Kittmassen auf Romanzementbasis durchgeführt. Diese Kittmassen können zum Schließen von Fehlstellen an historischen Fassadenelementen eingesetzt werden, bei denen ein Austausch aufgrund ihres sonst guten Zustandes nicht nötig ist. Die breite Anwendung der im Rahmen des ROCEM-Projektes erneut erzeugten Romanzemente (Lilienfelder und Folwark) scheitert jedoch an ihrer Verfügbarkeit. Leider werden beide Produkte nicht für den Handel produziert. Für jene Produkte, die momentan unter dem Namen „Romanzement“ auf dem Markt erhältlich sind, bleibt zu sagen, dass sie in Zusammensetzung und Eigenschaften nicht mit den im Rahmen der Diplomarbeit (beziehungsweise des ROCEM-Projekts) untersuchten historischen Romanzementelementen (vorwiegend Wiener Raum) und auch nicht mit den „Nachgebrannten“ Zementen vergleichbar sind. Dies ist ein Problem, das auf die bereits erwähnte große Bandbreite an regional unterschiedlich zusammengesetzten Zementarten zurückgeht. Aus diesem Grund erscheint es unmöglich, mit einem einzigen Produkt der Vielzahl an verschiedenen „Naturzementen“ des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zu begegnen. Inzwischen ist es dem engeren Kreis der Partner des Forschungsprojektes „ROCEM“ gelungen, ein Anschlussprojekt mit dem nunmehrigen Namen „RoCare“ bei der Europäischen Union einzureichen und beauftragt zu bekommen (FP7-ENV-2008-1-226898). Das Ziel dieser vertieften Auseinandersetzung mit dem historischen Bindemittel Romanzement ist die Optimierung der Herstellung unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Abstract Roman Cement was used on many facades, facade elements and ornaments of Vienna’s protected heritage of the 19th and the beginning of the 20th century. This material was patented in England in 1796 and was forgotten for a long time till it was newly produced as a part of the ROCEM-Project (2003–2006). This article gives a short history of roman cement and focuses on finding a recipe for a roman cement based casting material. It shows that a solution for such a complex problem is only possible with the combination of conservational observation, literature research, empirical tests and scientific analysis. This article presents a small part of the diploma thesis “Roman cement decorative detailing – Possibilities for restoring façade elements using the example of an apartment building at Esteplatz 7, 1030 Vienna” 2006.

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literatur Hartleben, A., Chemisch-technische Bibliothek, o.O., o.J. Milcin, M., Bauschmuck aus Romanzement – Möglichkeiten der Restaurierung von Fassadenelementen am Beispiel des Mietshauses Esteplatz 7, 1030 Wien, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2006. Müller, K., Kunststeinbau, o.O., 1905. Tarnawski, A., Kalk, Gyps, Cementkalk und Portland-Cement in Oesterreich-Ungarn, Wien 1887.

martin pliessnig

Waldviertler Marmor. Verwitterungsverhalten und Konservierung am Beispiel der Restaurierung des Grabmals „Schwarz-Kurz“, Zentralfriedhof Wien, Alte Israelitische Abteilung Tor 1.

zusammenfassung Der dunkel gebänderte Marmor des Waldviertels ist ein bedeutendes lokales Denkmalgestein Niederösterreichs und des Wiener Raumes. Aufgrund fehlender aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen dieses Gesteins gestalten sich konservatorische und restauratorische Tätigkeiten bisher jedoch schwierig. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Erweiterung des Erkenntnisstands über Waldviertler Marmor. Als Untersuchungs- und Restaurierungsschwerpunkt dient ein Grabdenkmal der Alten Israelitischen Abteilung Tor 1 des Wiener Zentralfriedhofs. Besonderes Augenmerk im Rahmen der Auseinandersetzung nimmt die Untersuchung einer speziellen Form der Gefügezerstörung des Waldviertler Marmors ein, welche deutlich an der gewählten Grabstelle abgelesen werden kann. Das Schadensbild ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Entfestigung, rostroten Verfärbungen durch die Verwitterung von eingelagerten Pyritkristallen sowie Volumenausdehnung des Gesteins in alle Raumrichtungen. Nach eingehender Analyse des Erhaltungszustands und der Durchführung von Festigungsversuchen erfolgt die Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse in die praktische Restaurierung der Grabstelle.

Die Idee einer näheren Untersuchung des Gesteins Waldviertler Marmor im Rahmen einer Diplomarbeit1 ist die Folge meiner Tätigkeit auf jüdischen Friedhöfen in Österreich, welche mich die gesamte zweite Hälfte meines Studiums begleitete.2 Diese historischen Zeugnisse eines florierenden jüdischen Lebens, das in diesem Land im Zuge des Zweiten Weltkriegs fast vollständig ausgelöscht wurde, sind nämlich vielerorts aufgrund fehlender finanzieller Mittel in einem verwahrlosten Erhaltungszustand (Abb. 1). Einige 1 2

Pliessnig, M., Waldviertler Marmor, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien, 2010. Anmerkung: Mein persönlicher Dank gilt hierbei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, welche dem Engagement vonseiten des Instituts für Konservierung und Restaurierung in dieser Thematik immer offen entgegenstand. Die Finanzierung erfolgte zur Gänze aus Eigenmitteln des Instituts, wofür ich Frau Prof. Krist an dieser Stelle ebenfalls ausdrücklich danken möchte.

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der zur Anwendung gekommenen Gesteine der Grabdenkmale (z.B. Granite) haben diesen Umstand einer bisher ca. 65-jährigen Vernachlässigung ohne erkennbare Schäden überdauert. Gleichzeitig existieren aber auch Gesteinsvarietäten, welche besonders empfindlich gegenüber den vorhandenen Umwelteinflüssen sind. Diese bedingen eine kontinuierliche Pflege und Wartung. Erfolgt diese nicht, so schreitet der Substanzverlust von Gesteinsoberfläche oft rasant voran und die historische Aussagekraft des Denkmals wird erheblich vermindert. Im Bestand bedrohte Gesteine der Friedhofensembles sind einerseits die porösen sog. Leithakalke,3 ein gängiges lokales Baugestein des Wiener Raumes, sowie andererseits unterschiedliche Marmorvarietäten. In Bezug auf die Marmore fällt hierbei besonders markant die Dominanz von mittel- bis grobkörnigem, schwach hell-dunkel gebändertem, hellgrauem Marmor des Waldviertels ins Auge. Einzelne Varietäten dieses Marmors zeigten ein spezielles, äußerst bedrohliches Schadensbild einer Gefügezerstörung, die im Extremfall das ganze Volumen des betroffenen Gesteinsblocks umfasst. Aufgrund der eingeschränkten Verwendung dieser Karbonatgesteine in den letzten Jahrzehnten existiert nur wenig Grundlagenforschung dazu. Eine möglichst breite Herangehensweise in Form einer konservatorischen und restauratorischen Abschlussarbeit schien deshalb sinnvoll. Der inhaltliche Bogen der Arbeit spannt sich von einer grundsätzlichen Klassifizierung des Gesteins Marmor hin zu einer Definition des Waldviertler Marmors, einschließlich einer Betrachtung seiner historischen und rezenten Anwendung. Es folgt eine möglichst detaillierte natur- und konservierungswissenschaftliche Analyse von vorgefundenen Schadensbildern des Marmors. Als Untersuchungsobjekt und Anwendungsbeispiel für eine Restaurierung wurde zu diesem Zweck ein Grabdenkmal ausgewählt: die Familiengrabstelle „Schwarz-Kurz“ der Alten Israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs Tor 1 (Abb. 2). Daran anschließend wurden die Möglichkeiten einer Festigung von derart gestörtem Marmorgefüge mit gängigen Produkten der Steinrestaurierung ausgelotet und schlussendlich auf das Objekt übertragen.

waldviertler marmor Der Begriff Waldviertler Marmor ist eine Bezeichnung für die vielen verschiedenen Varietäten von kristallinen, metamorphen Karbonatgesteinen aus der gleichnamigen Region des österreichischen Bundeslands Niederösterreich, inklusive des Dunkelsteiner Waldes und der Region Melk südlich der Donau. Vom geologischen Gesichtspunkt aus erstre3

Eppensteiner, W., Schweighofer, B., „Junge“ Kalke, Sandsteine und Konglomerate – Neogen, Mitteilungen IAG BOKU, Wien 2005, S. 11 ff.

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cken sich die Marmorvorkommen entlang des Ostrandes der Böhmischen Masse.4 Sie befinden sich in diesem Gebirgsmassiv hauptsächlich in der sog. „Bunten Serie“ oder Drosendorf-Formation, in welche die linsenförmigen, lang anhaltenden Marmorzüge unterschiedlicher Dicke (ca. 1–30 m) eingeschlossen sind.5 Mineralogisch handelt es sich bei den Marmorvarietäten der Waldviertler Marmore um Kalzitmarmor mit wechselndem Dolomitgehalt, wobei die Korngröße des Kalzits von fein- bis grobkörnig ausgebildet sein kann.6 Charakteristisches Erkennungszeichen der Waldviertler Marmore ist ihre mehr oder weniger deutlich ausgebildete Bänderung in der Schieferungsebene durch eingelagerten Graphit. Diese Bänderung kann stellenweise stark gefaltet und deformiert sein und gibt dem Marmor eine auffällige Erscheinung. Weitere Kennzeichen, die jedoch nicht in allen Varietäten vorkommen, sind unterschiedliche silikatische Nebenbestandteile. So zeigen einige Gesteine große Tremoliteinschlüsse bzw. blättchenförmige Schichtsilikate, die für ein intensives Glitzern des Marmors verantwortlich sind (z.B. „Hiesberger Marmor“). Andere Varietäten haben einen hohen Anteil an Gerüstsilikaten, wie zum Beispiel Quarz, und zeichnen sich durch besondere Gesteinshärte aus (z.B. „Spitzer Marmor“). Die Nutzung des Waldviertler Marmors lässt sich in den Vorkommen, die sich südlich der Donau im Dunkelsteiner Wald und in der Region Hiesberg befinden, bis in die römische Zeit nachweisen. Naturwissenschaftliche Untersuchungen dazu wurden erst kürzlich im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts Stein-Relief-Inschrift, das sich die Herkunftsbestimmung von römischen Steindenkmälern in der ehem. röm. Provinz Noricum zur Aufgabe gemacht hat, durchgeführt.7 Mit dem Zerfall des römischen Imperiums reduzierte sich der Abbau von Marmor als Dekorstein und in den folgenden Jahrhunderten erfolgte ausschließlich eine lokale Anwendung als Bruchsteinmauerwerk oder als Rohstoff für das Kalkbrennen. Vor allem das Kalkbrennen dürfte in diesem Zusammenhang über Jahrhunderte hinweg große Bedeutung gehabt haben, und es sind

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6

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Matura, A., Böhmische Masse, in: Wessely, G. (et al.), Geologie der österreichischen Bundesländer Niederösterreich, Geologische Bundesanstalt, Wien 2006, S. 25. Die Drosendorf-Formation wird zum aktuellen Zeitpunkt der tektonischen Einheit des Moravikums zugeordnet, welche im Zuge der variszischen Gebirgsbildung vom hochmethamorphen Moldanubikum überschoben wurde. Sie kann mit großer Vorsicht als das ehemalige Dach der basalen Orthogneiszone (Bítes- u. Dobra-Gneis) angesehen werden und hat ein Entstehungsalter im Jungproterozoikum bzw. Altpaläozoikum (500–800 Mio. Jahre). Matura, A., Böhmische Masse, in: Wessely, G. (et al.), Geologie der österreichischen Bundesländer Niederösterreich, Geologische Bundesanstalt, Wien 2006, S. 28 ff. Thinschmidt, A., Karbonatvorkommen der Böhmischen Masse im Gebiet der Bezirke Horn und Hollabrunn, in: Heinrich, M. (Hg.), Projekt N-C-036/1994-97, Geogenes Naturraumpotential Horn-Hollabrunn, Bericht über die Arbeiten im 3. Projektjahr, Geologische Bundesanstalt, Wien 1997, S. 2. Uhlir, C.F., Müller, H.W., Römische Marmorsteinbrüche in Niederösterreich, in: NÖ Landesregierung (Hg.), 1. NÖ Geotage. Natursteine und aktuelle Geoprojekte, Langenlois 2006, S. 36.

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heute noch an vielen Orten Reste historischer Öfen vorhanden.8 Die Verwendung des Waldviertler Marmors als Dekor- und Werkstein setzte schließlich erst wieder ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung ein. Bedeutend ist hierbei die intensive geologische Erkundung des Areals, die seit 1849 von der k.u.k. Geologischen Reichsanstalt durchgeführt wurde,9 und die Verbesserung des Transportwesens durch den Bahnbau.10 Im Verzeichnis österreichischer Steinbrüche von 1901 finden sich schließlich im Untersuchungsraum bereits 17 Marmorsteinbrüche.11 Während ein Großteil dieser Brüche nur für den lokalen Markt produzierte, erlangten einige Steine gewisse überregionale Bekanntheit, was sich in der Regel in eigenen Handelsnamen für das jeweilige Gestein ausdrückt. Hanisch unterscheidet im Steinbruchverzeichnis zwischen, „Mühldorfer“, „Häuslinger“ und „Thumeritzer“ Marmor sowie „Hiesberger“ und „Spitzer“ Granitmarmor. Die Abbautätigkeit in der Region bleibt bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts auf hohem Niveau und nimmt seitdem kontinuierlich ab. Die einzige aktive Abbautätigkeit für Dekorgestein erfolgt heute durch die Firma „Wachauer Marmor Gmbh“ in der Gemeinde Kottes-Purk, die seit 1994 unter diesem Namen existiert. Anhand der Aufarbeitung der Firmengeschichte von einzelnen Steinmetzbetrieben und vor allem durch die Bestandserfassungen auf insgesamt drei jüdischen Friedhöfen in Wien, konnte die große Bedeutung der Marmore des Waldviertels für den Wiener Raum belegt werden. Es ist anzunehmen, dass dieser Marmor zwischen 1880–1930 einen der dominierenden Dekorsteine Ostösterreichs darstellte. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf die Gesteinszusammensetzung eines kleinen Ausschnitts des Jüdischen Friedhofs Währing durch die Klasse für Steinrestaurierung des Instituts für Konservierung und Restaurierung hingewiesen.12 Von den insgesamt 104 untersuchten Grabstellen aus dem Zeitraum von 1837 bis 1878 ist ca. ein Drittel (36,54 ) mit Marmor gestaltet. Von diesen wiederrum besteht ein relativ großer Anteil von 15 Stück, das entspricht 41  der vorkommenden Marmore, aus sogenanntem Waldviertler Marmor.

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Thinschmidt, A., Die Kalkbrennerei im Waldviertel und im Dunkelsteiner Wald. Rekonstruktion eines Gewerbes, Diplomarbeit, Universität Wien 1998. 9 Roetzel, R., Die geologische Landesaufnahme im Waldviertel, in: Steininger, F. F. (Hg.), Waldviertel – Kristallviertel, Die steinerne Schatzkammer Österreichs – Gesteine und Mineralien des Waldviertels, in: Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes, Band 49, Horn 2008, S. 24. 10 Die Kaiser-Franz-Josef-Bahn verband seit 1870 Pilsen mit Wien und erschließt das gesamte nördliche Waldviertel. Die Kaiserin-Elisabeth-Bahn erschloss seit 1860 die Region Melk und Dunkelsteiner Wald. 1909 wurde die Wachaubahn eröffnet. 11 Hanisch, A., Österreichs Steinbrüche. Verzeichnis der Steinbrüche, welche Quader, Stufen, Pflastersteine, Schleif- und Mühlsteine oder Dachplatten liefern, Wien 1901, S. 175–182. 12 Währinger Friedhof. Bestandsaufnahme 2008, Steinklasse der Universität für angewandte Kunst Wien, unveröffentlichter Bericht zur Projektwoche 6.–10. Oktober 2008.

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naturwissenschaftliche untersuchung Aufbauend auf der Definition von wesentlichen Faktoren der Marmorverwitterung, die großteils Ergebnisse von groß angelegten Forschungsprogrammen der Gesteinsverwitterung (z.B. Eurocare-Euromarble) des letzten Jahrzehnts darstellen, wurde ein Untersuchungsprogramm erstellt. Die wichtigste Analysemethode bestand in einer mikroskopischen Betrachtung von insgesamt 22 Proben in unterschiedlichen Erhaltungszuständen mit dem Stereo-, Polarisations- und Rasterelektronenmikroskop. Weitere Untersuchungen umfassten die Messung der Wasseraufnahme mit dem Karsten’schen Prüfröhrchen, eine Messung der Ultraschalllaufzeit zur Gefügebeurteilung sowie die röntgendiffraktometrische Analyse von Streupräparaten. Als Untersuchungsobjekt diente, wie bereits angesprochen, das Grabdenkmal der Familie „Schwarz-Kurz“ der Alten Israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs Tor 1. Dieses wurde gewählt, da das zentrale Grabdenkmal in Form eines Grabhäuschens durch den fortgeschrittenen Grad einer Gefügezerstörung dreier Werkblöcke akut einsturzgefährdet war. Kennzeichen des dramatischen Schadensbilds sind starke Oberflächenverluste sowie immense Volumenvergrößerungen und Verformungen. Auffällig ist ebenfalls, dass sehr häufig punktuelle, rostrote Verfärbungen – eine Verwitterung von Pyrit – diesen Schadensprozess begleiten (Abb. 3). Nach Auswertung der Ergebnisse konnten die dramatischen Zerstörungen des Marmorgefüges auf die unterschiedliche mineralische Zusammensetzung der Gesteinslagen zurückgeführt werden. Induzierende Rissnetze bilden sich bevorzugt im Grenzbereich von kalzit- zu silikatreichen Lagen oder in Zonen mit einem hohen Gehalt des Eisensulfids Pyrit (FeS₂, 0,9  M). Die aktive Verwitterung dieses letztgenannten Minerals führt über eine Freisetzung von Schwefelsäure zu einem intensiven Lösungsangriff des angrenzenden Kalzits, gekoppelt mit einer Sprengwirkung durch Rostbildung des zurückbleibenden Eisenions (Abb. 4). Auch wenn eine schädigende Wirkung in größerer Entfernung der verwitternden Pyritmineralien nicht nachgewiesen werden konnte, so ist von einer Schlüsselrolle dieser Prozesse in der Zerstörung des Marmorgefüges auszugehen. Entscheidend für den weiteren Verwitterungsverlauf ist, dass auf diese Weise ein sekundärer Porenraum entsteht und Wasser in der Lage ist, bis tief ins Marmorgefüge einzudringen. Die Folgen sind weitere Schäden in Form von Frostsprengung, Lösung sowie Quellung. Die Gefügezerstörung arbeitet sich folglich von der pyritreichen Lage ausgehend langsam ins umliegende Gefüge vor und umfasst im Extremfall das gesamte Volumen der Werksteine. Anhand der Begutachtung des Mikrorissbilds von zerrüttetem Marmor ließ sich die geringe Verzahnung der Kalzitkristalle untereinander als weitere ausgewiesene Schwachstelle des Gefüges identifizieren. Die maximalen Rissweiten sind

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mit bis zu 600 μm extrem groß und stellen einen Extremfall im Bereich der Steinfestigung dar.

testreihe marmorfestigung Um den Möglichkeiten einer Festigung derart gestörter Gefüge mit einfachen, vor Ort anwendbaren Methoden nachzugehen, wurde eine Testreihe mit verschiedenen Steinfestigungsprodukten durchgeführt. Die Auswahl der Produkte orientierte sich an gängigen Festigungsmitteln für Marmor und umfasste Paraloid B72, verschiedene Kieselsäureester und ein Silikonharz.13 Zur Beurteilung der Ergebnisse wurden einzelne relevante, gesteinstechnologische Kennwerte – Rohdichte, Ultraschallgeschwindigkeit, Wasseraufnahmeverhalten, Wasserabgabeverhalten und Spaltzugfestigkeit – vor und nach der Festigung erfasst. Die Messungen erfolgten an drei Serien von 18 zylindrischen Prüfkörpern mit 5 cm Durchmesser und von unterschiedlichen Längen. Als Ausgangsgestein dienten einerseits stark verwitterte, ausgeschiedene Blöcke des zu restaurierenden Grabdenkmals „SchwarzKurz“, ein künstlich verwitterter „Wachauer Marmor“ und ein natürlich verwitterter, stark gebänderter Waldviertler Marmor unbekannter Provenienz. Die Applikation des Festigungsmediums im Labor erfolgte über kapillares Saugen der Prüfkörper von einer Seite, vergleichbar einem Flutvorgang bzw. dem Setzen einer Infusion. Die vorliegenden Ergebnisse der Untersuchungsreihe zeigen deutlich die vorhandenen Grenzen der einzelnen Produkte bei stark geschädigtem Waldviertler Marmorgefüge. Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass zwar alle Produkte einen Zuwachs an Festigkeit liefern, diese sich aber von bruchfrischem bzw. leicht verwittertem Marmorstein noch deutlich unterscheiden. Zum Beispiel liegen sämtliche gemessene Ultraschallwerte der Prüfkörper aller Serien auch nach der Festigung unter 2 km/s. Ihr Erhaltungszustand ist demzufolge nach wie vor als schlecht bzw. als vollständig zerstörter Marmor einzustufen. Selbst unter Berücksichtigung weiterer darauf aufbauender Festigungsschritte ist nicht davon auszugehen, dass auf solche Art geschädigte Steine eine statische Funktion weiter gewährleisten können. Der von vornherein geplante Austausch von drei stark geschädigten Werkblöcken durch Neuanfertigungen in vergleichbarem Gestein (Rekonstruktion) stellt sich demnach als richtige und notwendige Entscheidung heraus.

13 Die Produktpalette umfasste: Kieselsäurester der Fa. Remmers – KSE 300 HV, KSE 300 E, KSE 500 E, KSE 500 STE; Paraloid B 72 (Fa. Kremer Pigmente) gelöst 2–7 M in n-Butylacetat, Xylol und Methoxypropylacetat (1:1:1); Alkylalkoxysilan der Fa. Remmers – Funcosil SL.

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Das einzig vorstellbare Verfahren, welches einen Erhalt der Werkblöcke mit durchgehender Gefügeschädigung ermöglichen könnte, besteht in einer Acrylharzvolltränkung.14 Diese wurde aufgrund ihrer hohen finanziellen Kosten jedoch nicht in Erwägung gezogen.

konservierung und restaurierung Als letztes Kapitel der Diplomarbeit fungiert schließlich die praktische Übertragung der naturwissenschaftlichen Vorarbeit auf das konkrete Projekt, die Restaurierung und Konservierung des Grabmals „Schwarz-Kurz“. Die Gliederung folgt hierbei einer klassischen Herangehensweise der Konservierungswissenschaften. Zu Beginn steht die umfassende Annäherung an das überlieferte Objekt, bestehend aus einer historischen bzw. kunstgeschichtlichen Betrachtung. Die Recherchetätigkeit bezüglich des ausführenden Steinmetzbetriebs und der Familiengeschichte gestalteten sich hierbei als besonders interessant. Es folgt eine detaillierte Bestandsaufnahme sowie Zustandsanalyse sämtlicher am Grabdenkmal vorgefundener Materialien. Den Schwerpunkt der Betrachtung bildeten die verschiedenen Schadensfaktoren der Marmorverwitterung. Zur besseren Veranschaulichung ihrer Lokalisierung und Ausprägung wurden die einzelnen Schäden zusätzlich in Form einer graphischen Dokumentation festgehalten. Nach Definition des Restaurierziels, welches zum einen auf der Wiederherstellung der Standfestigkeit des Grabdenkmals beruht und zweitens auf das umliegende Friedhofsensemble Rücksicht nimmt, erfolgt die Umsetzung der Maßnahmen. Das Spektrum der Tätigkeit reicht hierbei vom Abbau des Grabdenkmals, über die Entfernung oberflächlicher Auflagen (Krusten, biogene Besiedlung) bis hin zur Festigung und Ergänzung des Gesteins. Im Rahmen der persönlichen Schwerpunktsetzung der Diplomarbeit ergibt sich für die zentrale Maßnahme einer Festigung folgendes Konzept. Die Möglichkeiten nach Art der Untersuchungsreihe beschränken sich auf nicht statisch belastete Bereiche bzw. nicht tief greifend geschädigten Marmorstein. Es sind dies vor allem die entfestigten Oberflächen mit maximalen Rissweiten von 200–300 μm, und einem gemessenen w-Wert (Karsten’sches Prüfröhrchen) von ca. 1,27 kg/m2*h0,5. Die relativ geringe Aufnahme von Wasser beschränkt die entfestigte Zone auf den oberflächennahen Bereich von wenigen Zentimetern (1–3 cm) Tiefe.

14 Wihr, R., 15 Jahre Erfahrungen mit der Acrylharzvolltränkung (AVT), in: Arbeitsblätter für Restauratoren, Gruppe 6 – Stein, Vol. 28, 1/1995, S. 323.

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Ziel ist es, die Oberfläche zu stabilisieren. Das Erreichen einer Ultraschalllaufzeit von 2,9–3,7 km/s, welche in der Literatur15 mit „ausreichend gefestigt“ gleichgesetzt wird, ist anzustreben, aber nicht zwingend erforderlich. Sämtliche derartige Oberflächen wurden in einem ersten Schritt mit KSE 500E gefestigt. Bei Bedarf, d.h. wenn nach wie vor Kalzitkristalle leicht aus der Oberfläche ausbrachen, erfolgte daran anschließend eine Nachbehandlung mit Paraloid B72 in unterschiedlichen Konzentrationen (2–5 ). Ziel ist es, mit diesem zweistufigen Verfahren die kleineren Rissweiten bis tief ins Gestein zuerst zu festigen und anschließend eine Verkittung der großen Risse herzustellen. Die Applikationsform der Steinfestiger erfolgte in Form einer Flutung der Gesteinsoberfläche, so lange bis der Untergrund kein Festigungsmittel mehr aufnimmt. Je nach Untergrund wurde das Festigungsmedium mit der Spritzflasche, Pipette oder Injektion eingebracht. Eine tief greifende, das gesamte Volumen umfassende Gefügezerstörung konnte auf die Art der durchgeführten Festigungsreihe jedoch nicht stabilisiert werden. Die Blöcke mit derartiger Schädigung wurden deshalb durch Rekonstruktionen aus „Wachauer Marmor“ ersetzt. Ebenfalls von einer Festigung abgesehen wurde bei geschädigten Blöcken mit einem starken Schadensausmaß entlang schichtungsparalleler Zonen. Um der Gefahr des statischen Versagens vorzubeugen, wurden die Zonen mit Epoxidharz kraftschlüssig verklebt und zusätzlich Armierungen eingebracht. Im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten und auf Grundlage der naturwissenschaftlichen Untersuchungen und Testreihen wurde das entworfene Konzept der Konservierung und Restaurierung so weit wie möglich umgesetzt. Die geplante Wiederaufstellung des Grabdenkmals erfolgt gegen Ende des Sommersemesters 2010.

schlusswort Ich hoffe, es ist mir mit der vorliegenden Arbeit gelungen, den Erkenntnisstand bezüglich des Waldviertler Marmors zu verbessern und zukünftige Restaurierungen zu erleichtern. Ein besonders erfreuliches Ereignis während der Tätigkeit in der Alten Israelitischen Abteilung Tor 1 auf dem Wiener Zentralfriedhof waren die aktuellen Entwicklungen bezüglich des künftigen Erhalts dieser historischen Friedhofsensembles. Am 21. 12. 2009 konnte zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Israelitischen Kultusgemeinde eine vorläufige Einigung über die Sanierung und den Erhalt der Jüdischen Friedhöfe Österreichs erzielt werden. Fast neun Jahre nach Unterzeichnung des Washingtoner

15 Rohatsch, A., Aktuelle Probleme der Marmorrestaurierung, in: Mitt. Ges. Geol. Bergbaustud. Österr. Vol. 42., Wien 1999, S. 132.

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Abkommens16, in welchem sich Österreich zum Erhalt der Friedhöfe verpflichtet, steht für diese Tätigkeit nun über einen Zeitraum von 20 Jahren ein jährliches Budget von 1 Million Euro zur Verfügung. Die Entscheidung ist ein Durchbruch im Rahmen des Erhalts jüdischer Friedhöfe, die Grundlage eines zukünftigen Umgangs und hoffentlich einer nachhaltigen Pflege und Wertschätzung. Abstract The dark banded marble of the Waldviertel is an important local stone for monuments in Lower Austria and in the Vienna area. Due to a limited number of recent scientific studies the conservation and restoration of this stone is often difficult. This study tries to increase the understanding of the Waldviertel marble by a complex approach to this vast topic. The main subject of research focuses on a grave monument of the Old Jewish Cemetery Gate 1 at the Zentralfriedhof (Central Cemetery) Vienna. Special attention in the range of this study lies on the investigation of the detected texture deterioration from Waldviertler Marmor. Characteristic parameters for this form of decay are a high grade of softening, rust-red staining caused by the alteration of embedded pyrite crystals, as well as a visible increase in volume of the marble. After a detailed analysis of the condition status and the implementation of consolidation tests the findings are transferred as conservation and restoration measures to the grave.

literatur Eppensteiner, W., Schweighofer, B., „Junge“ Kalke, Sandsteine und Konglomerate – Neogen, Mitteilungen IAG BOKU, Wien 2005. Hanisch, A., Österreichs Steinbrüche. Verzeichnis der Steinbrüche, welche Quader, Stufen, Pflastersteine, Schleif- und Mühlsteine oder Dachplatten liefern, Wien 1901. Matura, A., Böhmische Masse, in Wessely, G., et al., Geologie der österreichischen Bundesländer Niederösterreich, Geologische Bundesanstalt, Wien 2006. Pawlowsky, V., Wendelin, H. (Hg.), Die Republik und das NS-Erbe. Raub-Rückgabe – Österreich von 1938 bis heute, Band 1, Wien 2005. Roetzel, R., Die geologische Landesaufnahme im Waldviertel, in: Steininger, F. F. (Hg.), Waldviertel – Kristallviertel, Die steinerne Schatzkammer Österreichs – Gesteine und Mineralien des Waldviertels, in Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes, Band 49, Horn 2008. Rohatsch, A., Aktuelle Probleme der Marmorrestaurierung, in: Mitt. Ges. Geol. Bergbaustud. Österr. Vol. 42., Wien 1999.

16 Pawlowsky, V., Wendelin, H. (Hg.), Die Republik und das NS Erbe. Raub-Rückgabe – Österreich von 1938 bis heute, Band 1, Wien 2005, S. 180.

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Thinschmidt, A., Die Kalkbrennerei im Waldviertel und im Dunkelsteiner Wald. Rekonstruktion eines Gewerbes, Diplomarbeit, Universität Wien 1998. Thinschmidt, A., Karbonatvorkommen der Böhmischen Masse im Gebiet der Bezirke Horn und Hollabrunn, in: Heinrich, M. (Hg.), Projekt N-C-036/1994-97, Geogenes Naturraumpotential Horn-Hollabrunn, Bericht über die Arbeiten im 3. Projektjahr, Geologische Bundesanstalt, Wien, 1997, s. 2. Uhlir, C.F., Müller, H.W., Römische Marmorsteinbrüche in Niederösterreich, in: NÖ Landesregierung (Hg.), 1. NÖ Geotage. Natursteine und aktuelle Geoprojekte, Langenlois 2006. Währinger Friedhof. Bestandsaufnahme 2008, Steinklasse der Universität für angewandte Kunst Wien, unveröffentlichter Bericht zur Projektwoche 6.–10. Oktober 2008. Wihr, R., 15 Jahre Erfahrungen mit der Acrylharzvolltränkung (AVT), in: Arbeitsblätter für Restauratoren, Gruppe 6 – Stein, Vol. 28, 1/1995.

textil

andere über uns márta járó ungarisches nationalmuseum

Das andere Ende der Wiener Straße

„Weit von hier ist das andere Ende der Wiener Straße ...“, 1 sagte man früher und sagt man auch heute noch oft in Budapest, wenn etwas nicht so läuft, wie man es gern hätte, wobei man impliziert, dass es „drüben in Wien“ sicher anders ist. Wir hörten und hören diesen Satz auch im Zusammenhang mit den Museen, mit dem Leben in den Museen und mit der Ausbildung der Restauratoren. Ich habe die Aktivitäten und das Arbeitsprogramm des Instituts für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien schon wesentlich früher gekannt, lange bevor ich dort zu Besuch gewesen war und später – als Gastdozentin – selbst dort gelehrt hatte. Prof. Dr. Gabriela Krist, die die Leitung des Instituts im Jahr 1999 übernahm, und Dr. Ágnes Tímár-Balázsy, die von 1991 bis zu ihrem Tode (2001) in Ungarn für die Ausbildung der Objektrestauratoren verantwortlich war, standen nämlich in vorzüglichem fachlichem und freundschaftlichem Kontakt miteinander. Gabriela und Ágnes stellten für uns, Teilnehmer der ungarischen Restauratorenausbildung, die zwei Endpunkte der Wiener Straße dar, die durch sie „in beiden Richtungen befahrbar“ wurde. Die Wiener Kollegen besuchten uns, nahmen – als Organisatoren und Referenten – an unseren Programmen teil, und auch einige unserer Dozenten fuhren und fahren auch heute noch in die österreichische Hauptstadt, um zu unterrichten und zur Konsultation. Die dortigen Studierenden kamen zu Praktika nach Budapest und auch die unsrigen besuchten die modernen, gut ausgerüsteten Werkstätten des Partnerinstituts. Besonder eng war – und ist bis zum heutigen Tag – die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Textil- und Lederkonservierung. Mit Regina Knaller, Universitätsassistentin und derzeitige Werkstattleiterin der Textilrestaurierung, bin ich 2006 in Kontakt gekommen. Von da an hatte ich mehrmals die 1

Die Wiener Straße in Budapest ist die ehemalige Landstraße, die aus Buda nach Wien führte.

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Gelegenheit, längere oder kürzere Zeit in der Textilrestaurierung zu verbringen, Regina, die Studierenden und das dortige Leben kennenzulernen. Ich konnte miterleben, wie sich im Jahr 2000 die Lehrwerkstätten innerhalb kurzer Zeit in mit Mikroskopen ausgestattete und analytische Laboratorien verwandelten. Zusammen mit den Vorlesungsräumen und den „verbleibenden“, für Konsultationen geeigneten Restaurierwerkstätten stand also ein komplexes „Bildungszentrum“ für die Teilnehmer und Referenten einer Weiterbildung zur Verfügung. Es war schön zu sehen, wie gut es gelang, die Studierenden, die gleichzeitig auch Teilnehmer des Weiterbildungskurses waren – wohl nicht zum ersten Mal –, in die Organisation miteinzubeziehen. Diese kürzeren Weiterbildungskurse, die sowohl im Studienplan eingebaut sind als auch Absolventinnen und gegebenfalls ausländischen Kollegen offenstehen, ermöglichen neben einer Erweiterung der Fachkenntnisse auch das Knüpfen von Kontakten zwischen solchen, die bereits auf dem Gebiet tätig sind, und solchen, die sich noch darauf vorbereiten. Damals und seitdem schon mehrere Male standen wir mit Studierenden und in- und ausländischen Fachleuten in der Wiener Textilrestaurierungs-Werkstatt um herausragende Kunstwerke herum, um die Fragen nach Herstellungstechniken und Konservierung eines Textils gemeinsam zu beantworten. Regina, Organisatorin und Moderatorin der Besprechungen, „näherte sich“ diesen Stücken mit derart imponierenden Vorkenntnissen und dabei mit einer solch unglaublichen Demut, wie es nur sehr erfahrene Fachleute können, die die Gegenstände sehr gut kennen, lieben und hoch schätzen. Wohl während vieler solcher Weiterbildungskurse haben die Studierenden nicht nur ihre breit gefächerten Fachkenntnisse, sondern auch jene sehr hoch einzuschätzende ethische Einstellung erworben, die ich in den Gesprächen mit ihnen und in ihren Briefen erfahren bzw. aus ihren Referaten herausgehört habe. Über das hohe Niveau der Diplomanden zeugen die von ihnen restaurierten Gegenstände und auch ihre Diplomarbeiten, von denen einige in diesem Band veröffentlicht werden. Im Frühling 2010 erwarten wir eine Gruppe der Wiener Studentinnen in Budapest. Im Rahmen der Studienreise haben die Teilnehmer die Möglichkeit, die Orte der Restauratorenausbildung aufzusuchen, was in Zusammenarbeit von der Universität für Bildende Künste Ungarns mit dem Ungarischen Nationalmuseum stattfindet. Die ungarischen und die österreichischen Studierenden können einander kennenlernen, und so kann auch unter der neuen Generation eine menschliche und fachliche Beziehung zustande kommen. Ich habe das Gefühl, dass das andere Ende der Wiener Straße in Wahrheit doch nicht so weit entfernt ist ...

edith oberhumer

In situ. Die Problematik der Reinigung und Konservierung eines stark verschmutzten und beschädigten Paravents ohne Demontage der textilen Bestandteile

zusammenfassung Zwei großformatige, dreiteilige Paravents aus dem Jahr 1847 mit einem Gewicht von jeweils etwa 100 Kilogramm wurden rezent auf einem Dachboden aufgefunden. Ihre Vorderseite ist mit einer kostbaren chinesischen Seidenstickerei aus dem späten 18. Jahrhundert bespannt, die das Thema „One Hundred Boys“ darstellt. Im Zuge einer Diplomarbeit wurden beide Wandschirme umfassend untersucht, die Konservierung/Restaurierung konzipiert und die vorgeschlagenen Maßnahmen am stärker beschädigten Paravent realisiert. Archiv- und Literaturrecherchen sowie Informationen von Experten ermöglichen die kunst- und kulturhistorische Einordnung und die weitestgehende Rekonstruktion der Geschichte der bis dahin unbekannten Wandschirme. Zur Reinigung der besonders stark verschmutzten, feuchtigkeitsempfindlichen Stickerei einer Flügelseite und der Konservierung der beschädigten Gewebe werden die Textilien nicht vollständig vom Holzkorpus demontiert. Traditionelle Methoden der Textilkonservierung wurden den speziellen Bedürfnissen des Objektes entsprechend adaptiert. Die Methodik und aus der praktischen Anwendung resultierende Erfahrungen werden ausführlich besprochen.

einleitung Im September 2006 wurden bei Bauarbeiten im Stadtpalais Liechtenstein in der Wiener Innenstadt auf dem Dachboden über dem Tanzsaal zwei großformatige, dreiteilige Wandschirme geborgen. Die exponierte Flügelseite der zusammengeklappt gelagerten Paravents war durch dicke Staub- und Schmutzauflagen bis zur Unkenntlichkeit verunreinigt. Nach dem vollständigen Aufklappen der Objekte präsentierte sich jedoch auf den innen liegenden Flügeln eine äußerst reizvolle, farbenprächtige und nahezu perfekt erhaltene chinesische Stickerei. Die Darstellung zeigt zahlreiche kleine Gruppen von Kindern, die in einer üppigen Gartenlandschaft mit Pavillons, Terrassen und Brücken

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an einem Flusslauf unterschiedlichsten Spielen und anderen Vergnügungen nachgehen (Abb. 1). Im Zuge einer Diplomarbeit 2007/08 wurden beide Wandschirme umfassend untersucht, die Konservierung/Restaurierung konzipiert und die vorgeschlagenen Maßnahmen am stärker beschädigten Paravent realisiert.1 Gründliche Recherchen im Archiv der Sammlung Liechtenstein, Gespräche mit Experten sowie ausführliche technologische Analysen der Stickerei und der Paravents ermöglichten es, die Provenienz der zum Zeitpunkt ihrer Auffindung völlig unbekannten Objekte zu klären und ihre Geschichte weitestgehend zu rekonstruieren. Deutlich zeichnet sich hier ab, dass die chinesischen Textilien seit ihrer Entstehung unterschiedlichen Verwendungszwecken zugeführt worden waren. Im 18. Jahrhundert ursprünglich als Wanddekoration konzipiert, wurden sie schließlich zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu Paravents umgearbeitet. Der langjährige Gebrauch und die ungeschützte Aufbewahrung im Dachboden über Jahrzehnte hinweg führten zu ausgeprägten Schäden, die eine umfangreiche Konservierung/Restaurierung erforderten. Die in erster Linie der Bestandserhaltung dienenden Maßnahmen sollten in einer gepflegten und einheitlichen Gesamterscheinung münden. Als oberstes Kriterium wurde dabei festgelegt, die Konservierung/Restaurierung ohne Demontage der Gewebebahnen vom Holzkorpus durchzuführen, um die Montage mit Nägeln zu erhalten. Besondere Herausforderungen waren daher die Reinigung der stark verschmutzten Flügelseite – zusätzlich erschwert durch die wasserempfindlichen Stickmaterialien – und das Sichern der verschiedenen, mitunter stark beschädigten Gewebe. In beiden Fällen wurden traditionelle Methoden der Textilkonservierung weiterentwickelt und entsprechend den besonderen Bedürfnissen der Objekte adaptiert. Ein dritter Schwerpunkt beschäftigte sich mit der Konservierung und Stabilisierung der degradierten textilen Scharniere der mit einem Gewicht von jeweils etwa 100 kg erstaunlich schweren Paravents.

vom rollbild zum wandschirm Die Vorderseite der beiden Paravents zieren insgesamt sechs chinesische bestickte Stoffbahnen, die um 1780 datiert werden.2 Sie können zu einem vollständigen Bild zusammengesetzt werden, das etwa drei Meter in der Höhe und etwas mehr als vier Meter in 1

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Oberhumer, E., One Hundred Boys – One Hundred Problems. Die Untersuchung und Konservierung von zwei Paravents mit chinesischer Seidenstickerei aus den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2009. – Der stärker beschädigte Paravent wird im Folgenden mit „Paravent A“ bezeichnet. Frdl. mündl. Mittlg. von Dr. Johannes Wieninger (Österreichisches Museum für angewandte Kunst – Gegenwartskunst Wien), vom 22. August 2007.

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der Breite misst (Abb. 2). Die Stickereien stellen das Thema „One Hundred Boys“, ein zentrales Motiv der chinesischen Kunst, dar. Das Thema entstammt dem elementaren Wunsch der Chinesen nach männlichen Nachkommen, denn nur Söhne konnten das Erbe ihres Vaters antreten, die Ahnenopfer darbringen und den Fortbestand der väterlichen Linie garantieren, und hat sich im Laufe der Zeit zu einer komplexen Symbolsprache entwickelt.3 Die bildhaften Wortspiele sind für Laien nicht zu entschlüsseln. Ausgeführt wurden die Stickerein mit bunten Seiden-, Gold- und Pfauenfederfäden auf tiefschwarzem, 5-bindigem Kettatlas aus Seide. Der Großteil der Seidenstickerei wurde als Spalt- und Plattstich gearbeitet, Akzente setzte man mit Gold- und Pfauenfederfäden, die in Anlegetechnik ausgeführt wurden. Flächenmuster, aufgebaut aus freien Spannstichen oder mehreren, sich in unterschiedlichen Winkeln kreuzenden und mit Überfangstichen fixierten Lagen von Spannstichen, sowie Details in Knötchenstichen erzielen schließlich besondere Effekte. Das Format der Stickereien verleitet zur Annahme, dass es sich um eine für den Export nach Europa produzierte Panoramatapete handelt.4 Barocke Interieurs und Innenraumdekorationen des Rokoko wurden wesentlich durch fernöstliche Luxus- und Gebrauchsgüter geprägt. Hier schätzte man besonders den fremdländisch und paradiesisch anmutenden Reiz der Kunstimporte.5 Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um Luxusgüter, die für die Verwendung in China bestimmt waren – als sogenannte „Tiao Ping“. Der Terminus bezeichnet gemalte Rollbilder auf Papier oder Seide, die in chinesischen Interieurs als Wanddekoration dienten. Präsentiert wurden Rollbilder normalerweise eng nebeneinandergehängt an einer Wand, sodass die gesamte Darstellung sichtbar war. Die Abstände, die bei der Hängung zwischen den Einzelbahnen entstanden, empfand man dabei nicht als störend.

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Bartholomew, T., One Hundred Children: From Boys at Play to Icons of Good Fortune, in: Ann Barrott Wicks (Hg.), Children in Chinese Art, Honolulu 2002, S. 59. Im 17. Jahrhundert wurden hauptsächlich Lackkabinette aus zerschnittenen Koromandelschirmen geschaffen, man präsentierte in diesen Räumen aber auch chinesisches Porzellan. Letztendlich ging man dazu über, Räume mit Porzellanen auszustatten. Gegen Ende des Jahrhunderts entdeckten die Europäer chinesische Malereien als Wanddekoration. Handelte es sich anfangs um Rollbilder oder bemalte Stellschirme, die in Wandsysteme integriert wurden, so entstanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts schließlich großformatige, szenisch zusammenhängende Tapeten – die Entwicklung vom Rollbild zur Bildtapete war vollzogen. Diese Wanddekorationen konnten auch aus bemalter Seide bestehen. Eggeling, T., Die chinoise Innenraumdekoration des Barock und Rokoko, in: Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten (Hg.), China und Europa. Chinaverständnis und Chinamode im 17. und 18. Jahrhundert, Ausstellung vom 16. September bis 11. November 1973 in Schloss Charlottenburg Berlin, Berlin 1973, S. 85, und Wappenschmidt, F., Chinesische Tapeten für Europa. Vom Rollbild zur Bildtapete, Berlin 1989, S. 16–22. Thümmler, S., Die Geschichte der Tapete, Eurasburg 1998, S. 40.

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Zwei Beispiele aus der Sammlung des Victoria and Albert Museum London zeigen, dass nicht nur Malereien, sondern auch Stickereien auf diese Weise montiert und als Dekorationstextilien verwendet wurden.6 Neben der Qualität der handwerklichen Ausführung und der umfangreichen Verwendung wertvollster Stickmaterialien geben die außergewöhnlich großen Maße und die Anzahl der Bahnen Aufschluss über den Reichtum des ehemaligen Eigentümers.7 Ursprünglich für den chinesischen Markt produziert, kamen die liechtensteinischen Stickereien wohl aufgrund ihres exotischen Aussehens und ihrer Exklusivität als Luxusware nach Europa. Durch einen Inventareintrag aus dem Jahre 1847 erfahren wir, dass die bestickten Gewebebahnen einst in Schloss Eisgrub in Mähren in Gebrauch waren.8 Welcher Verwendung sie dort zugeführt wurden, kann jedoch zum heutigen Stand der Forschung nicht beantwortet werden. Von den barocken Interieurs ist nichts auf uns gekommen und bislang sind keine archivalischen Nachrichten über die Gestaltung der Innenräume vor dem neogotischen Umbau zur Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt.9 Technologische Kriterien ermöglichen dennoch Rückschlüsse. Nahtspuren und Nähfadenreste an den Webkanten zeigen, dass die bestickten Bahnen früher zusammengenäht waren. Die beachtlichen Ausmaße lassen letztendlich nur den Schluss zu, dass die chinesischen Textilien vor der Herstellung der Paravents in Schloss Eisgrub als Wandbespannung gedient haben. Darauf weisen auch punktuelle Vorstiche in regelmäßigen Abständen innerhalb der Gewebebahnen: europäische Wandbespannungen konnten auf bespannte Rahmen aufgenäht gewesen sein, die dann an der Wand befestigt wurden. Dunkle Bespannungen waren zudem in Europa nicht unüblich, sie sollten wohl den Effekt von Lackarbeiten imitieren.10 Im Rahmen der Neugestaltung des Lichtenstein’schen Stadtpalais in der Bankgasse in den 1840ern wurden die Stickereien durch den k. k. Hoftapezierer Friedrich Stöger zu den großformatigen Wandschirmen umgearbeitet.11 Am 26. Juli 1847 wurden sie von Stöger in Rechnung gestellt. Die Möbelstücke sind in diesem Schriftstück formal und

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Es handelt sich um ein zwölfteiliges Set mit der Inv.-Nr. T.176-1961 – T.176k-1961 und ein vierteiliges Set mit der Inv.-Nr. T.446-1966 – T.449-1966. 7 Yueh-Siang Chang, Kuratorin am Victoria and Albert Museum London, Asian Department, E-Mails vom 2. Oktober, 7. Oktober und 15. Oktober 2008. 8 Inventar 1847 (Zimmer No. 2), nicht paginiert. 9 Frdl. Mittlg. von Ivana Holásková (Nationales Denkmalinstitut Brünn), E-Mail vom 7. Februar 2008, und frdl. mündl. Mittlg. von Dr. Johann Kräftner (Liechtenstein Museum Wien) vom 16. Juli 2008. 10 Frdl. schriftl. Mittlg. von Dr. Anna Jolly (Abegg-Stiftung, Riggisberg), E-Mail vom 27. Oktober 2008. Das Füttern von Wandbespannungen war hingegen nicht üblich. 11 Adolf Bäuerle (Hrsg.), Allgemeine Theaterzeitung – Originalblatt für Kunst, Literatur, Musik, Mode und geselliges Leben, Nr. 75, Montag den 29. März 1847, Wien, nicht paginiert.

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technologisch detailliert beschrieben und daher zweifelsfrei zu identifizieren.12 Mehrere Inventareinträge belegen die lange Verwendungszeit der Paravents im Stadtpalais Liechtenstein.13 Zuerst befanden sie sich in einem Salon des Basteipavillons auf der Löwelbastei und wurden später (wohl nach der Schleifung der Bastei 1874 im Zuge der Stadterweiterung) in einen Raum im Hauptgebäude transferiert.14 Hier scheinen die Wandschirme 1898 in einem Zimmer im ersten Stock des Palais auf. Im Inventar von 1911 können sie in den Wohnräumen nicht zugeordnet werden.15 Daraus wird geschlossen, dass die Paravents zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Dachboden über dem Spiegelsaal gelagert wurden. Mit Sicherheit befanden sie sich dort ab 1930,16 wo sie – offensichtlich in Vergessenheit geraten – bis zur ihrer Wiederentdeckung im Jahr 2006 verblieben.

formale gestaltung und technologischer aufbau Beide Paravents bestehen jeweils aus drei Vollholzflügeln,17 die vollständig mit unterschiedlichen Geweben in zwei Schichten straff bespannt sind: Als unterste, nicht sichtbare Lage wurden die Flügel mit grünem oder braunem Baumwollgewebe in Leinwandbindung umhüllt, die Rückseite wurde mit einfärbig blauen Seidenpongé verkleidet. Diese beiden Stofflagen wurden separat umlaufend an den Schmalseiten mit Nägeln fixiert. Auf der Vorderseite wurden dann die chinesischen Textilien angebracht, wobei man an der Ober- und Unterkante Nägel verwendete und die Längskanten festnähte. Den oberen Abschluss der Paravents bilden bronzierte, in konkaven und konvexen Bögen geschwungene Zierleisten. Am unteren Rand der Stickereien wurden ebensolche Leisten in eine Vertiefung im Holzkorpus eingelassen und unterhalb der Leisten die Flü12 Rechnung von F. Stöger, 26. Juli 1847, FLHAW 1853, S. 4. 13 Inventarium, Uiber die im fürstl. Majorathause befindlichen Gegenstände, aufgenommen im Monate Juni 1847, FLHAW H 1853, nicht paginiert. – Majoratshaus Jnventarium, Uiber die in dem Nachlaß, weiland Sr. Durchlaucht des souv. Fürsten Alois von und zu Liechtenstein vorgefundenen Möbeln und sonstigen Effekten, 1859, FLHAW, ohne Signatur, Folie 47, und Inventarium des hochfürstl. Liechtensteinischen Majoratshauses in Wien, Bankgasse 9, 1898, FLHAW, ohne Signatur, Folie 24 und 26. 14 Stekl, H., Grundlagen, Formen und Ausdruck adeligen Lebensstils im Vormärz. Zur Geschichte der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg, Dissertation an der Universität Wien, Wien 1968, S. 41. – Das Dehio-Handbuch gibt den Abbruch der Löwelbastei mit 1872 an. Siehe dazu Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch – Wien I. Bezirk – Innere Stadt, Horn/Wien 2003, S. 311f. 15 Inventarium des hochfürstl. Liechtensteinischen Majoratshauses in Wien, Bankgasse Nr. 9. 1911, FLHAW, ohne Signatur, Folie 77, 145 und 148. 16 Inventar Majoratshaus und Minoritenplatz 4. 1930, FLHAW, ohne Signatur, Folie 77. 17 Die Höhe beider Wandschirme beträgt 266 cm, ihre Breite 190 cm. Ein einzelner Flügel ist 63 cm breit und 2,5 cm dick.

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gelvorderseiten mit schwarzem Samt bespannt. Jeder Flügel steht auf schwarz gefassten, leicht nach innen geschweiften Füßen. Verbunden werden die Flügel schließlich durch jeweils sechs textile Scharniere. Streifen aus Leinengewebe wurden dazu in schwarzes, leinwandbindiges Seidengewebe eingeschlagen und wechselseitig an den Flügeln festgenäht. Dadurch ist ein leporelloartiges Falten der Paravents möglich.

erhaltungszustand und schäden Die Vergangenheit der Objekte kann in drei große Phasen gegliedert werden, denen charakteristische Schadensphänomene zuzuordnen sind. In der ersten Phase, während der Nutzung der Stickereien als Wanddekoration, sind hauptsächlich kleine Fehlstellen im Gewebe entstanden. Die zweite Phase – als die Textilien, umgearbeitet zu Paravents, im Stadtpalais Liechtenstein in Wien in Verwendung waren – ist durch zahlreiche Gebrauchsspuren und verschiedene Reparaturmaßnahmen geprägt. Während der Lagerung auf dem Dachboden, in der dritten Phase, haben sich schließlich erhebliche Verunreinigungen gebildet. Die Stickerei ist trotz des Alters und der äußeren Umstände der langjährigen unadequaten Aufbewahrung in einem erstaunlich guten Zustand. Lose Stickfäden und Abriebe in der Stickerei waren dennoch auf allen Flügeln zu verzeichnen. Vor allem in den Bereichen, die bei Transporten angefasst werden, ist die Stickerei vollständig ausgefallen. Bei den in Anlegetechnik gearbeiteten Fäden war der Überfangfaden partiell vergangen, die Effektfäden hingen lose und waren meist stark verformt. Die Pfauenfederfäden liegen kaum mehr in ihrer ursprünglichen Qualität vor – die Federäste sind großteils nur fragmentarisch vorhanden, oft hat sich lediglich der Seelfaden erhalten. In den Geweben (schwarzer Stickgrund, schwarzer Samt an der Unterkante und blauer Seidenpongé) sind hauptsächlich ein starker Verschleiß an den Kanten durch das Handling sowie durch Stoßwirkung bei unsachgemäßer Handhabung der schweren Objekte entstandene Verpressungen, Abschürfungen und Risse zu verzeichnen. Besonders das blaue, feine Seidengewebe auf der Paraventrückseite wurde arg in Mitleidenschaft gezogen. Massive Schäden waren auch an den Scharnieren festzustellen. Viele Nähte sind vergangen und in den Seidenummantelungen der Scharniere haben sich etliche Risse und Fehlstellen gebildet. Mehrmals waren zur Verwendungszeit der Paravents stabilisierende Eingriffe durchgeführt worden. Dabei erneuerte man Nähte oder fixierte desolate Scharniere durch das Nageln oder Annähen von zusätzlichen Gewebestreifen. Dadurch entstehende Spannungen verhinderten das vollständige Schließen der Flügel. Beschädigungen im Stickgrund und der Rückseitenbespannung hatte man ebenfalls in mehreren Phasen mit unterschiedlichen, natürlichen Klebemedien und/oder Nägeln wieder befestigt.

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Während der jahrzehntelangen Aufbewahrung auf dem Dachboden waren die Paravents zusammengeklappt und übereinandergestapelt gelagert. Auf der oberen, exponierten Flügelseite konnten sich daher millimeterdicke Auflagen von Staub, Ruß, Vogelkot und Mauerputzresten ablagern. Dicke Krusten verdeckten die Stickerei zum Teil vollständig. Feuchtigkeitseinfluss hat zu einer hartnäckigen Verbindung der Schmutzauflagen mit dem Gewebe und der Stickerei geführt und durch Wassereintritt sind zwei großflächige Flecken entstanden. Hier war das Gewebe verschwärzt und verhärtet. Die nach innen geklappten Flügelseiten waren besser geschützt. Auf ihnen hafteten in erster Linie feine, staubige bzw. rußige Verunreinigungen, daneben bildeten sich auch Wasserflecken. Eingeschwemmte Schmutzpartikel haben in diesen Bereich zum Teil schwarze Ränder bzw. Flecken verursacht.

entfernung der substanzgefährdenden altrestaurierungen Die vorhandenen Altrestaurierungen entsprachen heutigen konservatorischen Ansprüchen nicht und wirkten sich nachteilig auf den Originalbestand aus. Reparaturnähte wurden aufgeschnitten und mit der Pinzette entfernt, fest sitzende Nägel konnten mit einem Geißfuß mühelos gelockert und mithilfe einer kleinen Zange aus dem Holzkorpus gezogen werden.18 Mit tierischem Leim ausgeführte Klebungen wurden mit dem Ultraschallvernebler kontrolliert befeuchtet und die festgeklebten Gewebe nach ausreichendem Quellen des Leimes vorsichtig vom Holzkorpus abgelöst. Mit Hostaphan®-Folie19 wurde dann zwischen der oberen Bespannung (dem schwarzen Seidenatlas bzw. dem blauen Seidenpongé) und dem grünen Baumwollstoff eine wasserdichte Barriere geschaffen. Durch Risse in den Geweben war dies einfach durchzuführen. Die Leimreste konnten schließlich durch vorsichtiges Abtupfen mit leicht befeuchteten, sehr saugstarken Mikroschwämmchen20 aus den Seidengeweben entfernt werden. Als Lösemittel kam destilliertes Wasser zur Anwendung. Die behandelten Bereiche wurden abschließend sofort mit einem Kaltluftfön getrocknet. Klebungen mit einer Leim-Stärke-Mischung wurden durch das Bedampfen zwar erweicht, konnten aber nicht vom Kompressenmaterial aufgenommen werden. Eine mechanische Abnahme mit Feinwerkzeug war ebenfalls nicht möglich, weil das erweichte 18 Der Geißfuß wurde selbst angefertigt. Das vordere Ende eines Schlitzschraubenziehers wurde dazu flach gefeilt, in der Mitte eine tiefe Kerbe angebracht und alle Kanten dann sorgfältig abgerundet und poliert. 19 Polyesterfolie Hostaphan®, Bezug: Deffner & Johann GmbH, Fachgroßhandel für Restaurierungsbedarf, Mühläcker Straße 13, D-97520 Röthlein. 20 Spezialschwamm „Blitz-Fix“, Bezug: Deffner Deffner & Johann GmbH, Fachgroßhandel für Restaurierungsbedarf, Mühläcker Straße 13, D-97520 Röthlein.

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Kleistergemisch bei Berührung nur tiefer in das Gewebe eindrang. Daher wurden diese Klebungen in trockenem Zustand durch Absprengen mit einem Bambusholzstäbchen und gleichzeitigem Absaugen der Partikel abgenommen. Dieser Vorgang konnte unter dem Stereomikroskop sehr kontrolliert ausgeführt werden.

trockenreinigung Durch die Reinigung sollten schädliche Verunreinigungen entfernt und ein gepflegtes und einheitliches Erscheinungsbild geschaffen werden. Dadurch wurden auch die unterschiedlich gut erhaltenen Objekte, die ein Ensemble bilden, wieder zusammengeführt. Besonderes Augenmerk galt hier der bis zur Unleserlichkeit verschmutzten Vorderseite des linken Flügels. Im ersten Arbeitsschritt konnten durch die Trockenreinigung mit einem medizinischen Feinstaubsauger die losen staubigen Verunreinigungen auf dem gesamten Paravent entfernt werden. Auch die Verschmutzungen auf der stark verunreinigten Flügelvorderseite konnten deutlich reduziert und das Erscheinungsbild wesentlich verbessert werden. Anschließend erfolgte die Reinigung der gesamten Stoffbahn mit Latexschwämmchen21, um auf der Oberfläche aufliegende rußige Verunreinigungen möglichst abzunehmen. Die Schwämmchen, geschnitten in fingerdicke, runde Stückchen, wurden dabei vorsichtig und mit leichtem Druck über die Gewebeoberfläche gerollt, ein Reiben an der fragilen Stickerei aber tunlichst vermieden. Vor allem konnte so von den Goldfäden nochmals eine beträchtliche Menge an Schmutz entfernt werden.

nassreinigung des stark verschmutzten flügels Nach der Trockenreinigung waren die hartnäckigen und fest verbackenen sandigen Verunreinigungen, Wasserränder und dunkle Flecken in der Stickerei deutlich sichtbar (Abb. 4). Eine Probereinigung mit destilliertem Wasser und einer Löschkartonkompresse zeigte, dass der Schmutz sehr gut wasserlöslich war. Die Nassreinigung sollte ohne Demontage der Gewebebahn erfolgen, weil die Demontage nicht ohne Beschädigung der tief und fest sitzenden Nägel und der darunterliegenden Gewebe möglich gewesen wäre und eine entsprechende Wiederanbringung nicht gewährleistet werden konnte. Angesichts der feuchtigkeitsempfindlichen Stickmaterialien galt es, die effektivste und 21 Wallmaster Spezialreinigungsschwamm, 100 Naturlatex, Bezug: Deffner Deffner & Johann GmbH, Fachgroßhandel für Restaurierungsbedarf, Mühläcker Straße 13, D-97520 Röthlein.

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schonendste Methode zur Abnahme der hartnäckigen Verunreinigungen anzuwenden. Durch einen möglichst kurzen Reinigungsvorgang sollten Quell- und Lösungsvorgänge dezimiert werden. Dies war durch das „Heraussaugen“ des Schmutzes mit Löschkarton gewährleistet. Das Risiko der Befeuchtung der Goldfäden war gut kalkulierbar: Innerhalb eines großflächigen Wasserflecks an der Oberkante des Flügels war die Goldstickerei trotz der langen Feuchtigkeitseinwirkung in einem relativ guten Zustand. Bei der Kontrolle unter dem Stereomikroskop nach der Probereinigung war ebenfalls keine zusätzliche Schädigung der Goldoberfläche durch die Nassbehandlung sichtbar. Die Reinigung erfolgte partiell in Abschnitten von etwa 20 x 20 cm. Eingangs war es nötig, Zugang zur Unterseite der Stickerei zu erhalten, um eine wasserdichte Barriere zum Holzkorpus aufbauen zu können. Dazu wurden die Scharniere an der Innenkante des Flügels abgenommen und noch vorhandene Längsnähte geöffnet. Dann wurden der Korpus und die grüne Bespannung mit einer Lage Hostaphan®-Folie isoliert und ein Stück Löschkarton22 unter dem Gewebe positioniert. Mit einem dicken Haarpinsel wurde destilliertes Wasser schließlich rasch aufgetragen und die Verunreinigungen so aus dem Textil geschwemmt bzw. gesaugt. Auf ein Abtupfen mit Schwämmchen während des gesamten Reinigungsprozesses wurde verzichtet, um die Stickfäden nicht weiter zu beschädigen und die fragilen Goldfäden durch mechanische Einwirkung im feuchten Zustand nicht zu verletzen. Die größeren, mit Goldfäden bestickten Zonen im Paravent wurden bei der Nassbehandlung ausgespart. Auf die Zugabe eines Tensids wurde verzichtet, weil mögliche Rückstände nicht ausreichend entfernbar sind. Um den Lösungsvorgang der Verunreinigungen dennoch zu beschleunigen, wurde das Wasser leicht erwärmt.23 Sobald das Kompressenmaterial vollgesogen war und kein Wasser mehr aufnahm, wurde es ausgewechselt und der Reinigungsvorgang so lange wiederholt, bis keine sichtbaren Verunreinigungen mehr im Löschkarton zu sehen waren – in der Regel nach sechs bis acht Durchgängen. Bei den ersten beiden Reinigungsdurchgängen wurden mit einer Lage Löschpapier24 zusätzlich von oben Verunreinigungen abgenommen. In der Stickerei verbliebenes Wasser konnte abschließend durch das Auflegen von dünnem Filterpapier mit leichtem Druck weitgehend herausgesaugt werden. Dann wurde das Textil ausgerichtet und rasch mit dem Kaltluftfön getrocknet (Abb. 3).

22 Hahnemühle Löschkarton 680 g, weiß, Bezug: Japico-Feinpapiervertriebsges.m.b.H., Rasmussengasse 2, A-1210 Wien. 23 Die Erwärmung des Wassers auf 35° C wurde als vertretbar erachtet, weil die kleine Menge Flüssigkeit, die der Pinsel aufnehmen konnte, ohnehin sofort wieder etwas abkühlte. Eine konstante Temperatur wurde während des gesamten Reinigungsprozesses durch eine digital geregelte Heizplatte gehalten. 24 Hahnemühle Löschpapier 135 g, weiß, Bezug: Japico-Feinpapiervertriebsges.m.b.H., Rasmussengasse 2, A-1210 Wien.

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Während des Arbeitsprozesses hat sich herausgestellt, dass es sehr wichtig ist, den Löschkarton vor der Verwendung leicht zu befeuchten. Die Verwendung von trockenem Löschkarton führt bei einem partiellen Befeuchten mit dem Pinsel zu einem starken Aufwölben des Papiers, und dies kann zu gefährlichen Spannungen im darüberliegenden Gewebe führen. Bewährt hat sich das kurze Auflegen eines nassen Baumwolltuches und kurzzeitiges Liegenlassen des befeuchteten Kartons, damit alle Fasern gleichmäßig anquellen. Dadurch wurden die ausgeschwemmten Verunreinigungen besser und schneller absorbiert und die Bildung von Schmutzrändern stark vermindert.

sichern von stickfäden und geweben Lose, stark verformte Stickfäden wurden vor ihrer Konsolidierung mit dem Ultraschallvernebler befeuchtet, ausgerichtet und mit Insektennadeln auf einem darunterliegenden Stück Molton in Form gesteckt und getrocknet. Schließlich wurden die Stickfäden mit farblich passenden Seidengrègefäden25 mit kleinen Überfangstichen festgehalten. Nach dem Vorbild der Stickerei wurden diese Überfangstiche über einfach oder doppelt gelegte Fäden geführt. Besonders wichtig war beim Sichern der Stickfäden eine feste Unterlage, um die bestickte Bahn nicht am grünen Baumwollgewebe festzunähen. Die Stabilisierung und Schließung von Rissen und Fehlstellen in den Geweben erfolgte durch partielles Unterlegen und Fixieren mit Stützlinien. Die verwendeten Materialien – Seidengrègefäden und strukturell passende Seidengewebe in Atlas- bzw. Leinwandbindung als Unterlagsstoffe – wurden mit Säurefarbstoffen in den entsprechenden Farben eingefärbt.26 Verknitterte und verformte Gewebepartien wurden zuerst mit dem Ultraschallvernebler befeuchtet, fadengerade ausgerichtet und mit Glasplatten beschwert getrocknet. Eine Verbindung der konsolidierten Bereiche mit dem grünen Baumwollgewebe war auch beim Sichern der Seidengewebe unbedingt zu vermeiden. Unter den Rissen oder Fehlstellen wurde aus diesem Grund zuerst Hostaphan®-Folie positioniert. Die glatte Kunststofffläche bot außerdem eine wesentliche Erleichterung beim Ausrichten des Unterlagsgewebes. Das Unterschieben und Positionieren der „Patches“ konnte meist bei

25 Die Seidengrègefäden waren bereits gefärbt im Materialbestand der Textilrestaurierung des Instituts für Konservierung und Restaurierung vorhanden. 26 Mit den Säurefarbstoff Säurefarbstoffen en Irgalan wurde für den Stickgrund Seidenatlas in Schwarz gefärbt, für die Rückseitenbespannung Seidenpongé in verschiedenen Blautönen. Bezug Seidenatlas: Siegfried Finder OHG, Landskrongasse 8, A-1010 Wien. Bezug Seidenpongé: Anita Pavani Stoffe, Ludwig-Rinn-Straße 14–16, D-35452 Heuchelheim. Bezug Farbstoffe: Ciba Spezialitätenchemie AG, CH-4002 Basel, seit Juli 2006 produziert von Huntsman Textiles Effects, Klybeckstraße 200, CH-4057 Basel.

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größeren, nahe liegenden Fehlstellen oder durch die zu bearbeitende Fehlstelle bewerkstelligt werden. Nägel wurden nur dort aus dem Korpus entfernt, wo es unbedingt nötig war. In der Regel konnte das Unterlagsgewebe jedoch durch geschicktes Falten und/oder Einrollen unter das Originalgewebe gebracht und mit Spatel und Pinzette korrekt positioniert werden. Vor allem das Ausrichten der „Patches“ um die Kanten des Korpusses auf den Flügelrückseiten erforderte hohe handwerkliche Fertigkeit. Um ein Durchdrücken der „Patches“ im Originalgewebe zu verhindern, wurden sie an den Kanten ca. 3–4 mm breit durch Herausziehen der Kett- bzw. Schussfäden ausgedünnt. Da die Risse hauptsächlich in Kett- bzw. Schussrichtung verlaufen und kaum Flottierungen vorlagen, wurde die traditionelle Methode der Nähkonservierung – ein System aus Spannstichen und Stützlinien (Vorstichen) – abgewandelt. Das Sichern wurde nur mit parallelen Vorstichreihen in Kettrichtung, je nach Notwendigkeit im Abstand von 5–10 mm, ausgeführt und das Unterlagsgewebe dadurch sehr gleichmäßig und mit der geringstmöglichen Anzahl an Stichen mit dem Originalgewebe verbunden. Etwas kürzere Stiche auf der Gewebeoberseite gewährleisten, dass die Nähte im glatten Seidengewebe optisch kaum auffallen; auch die Gefahr, an den Seidengrègefäden hängen zu bleiben und sie aufzureißen, wird dadurch reduziert. Penibel wurde darauf geachtet, die Nähte versetzt zu arbeiten und offene Kanten mit jedem Stich niederzuhalten. Mit der beschriebenen Methode konnten alle beschädigten Bereiche im schwarzen Seidenatlas und im blauen Seidenpongé gesichert werden. Eine äußerst positive Erfahrung bei der Konsolidierung des Stickgrundes war, dass sich die Vorstichreihen perfekt im Seidenatlas integrieren und daher kaum sichtbar sind. Das Argument, aufgrund ästhetischer Aspekte eine Klebekonsolidierung der nähtechnischen Sicherung vorzuziehen, entbehrt somit jeder Grundlage.

konservierung der scharniere Die stark beschädigten Flügelverbindungen, fragile textile Scharniere, erforderten über den Rahmen einer Konservierung/Restaurierung hinausgehende Maßnahmen. Diese funktionellen Elemente müssen großen Beanspruchungen standhalten und sind wesentlich, um die Funktionsfähigkeit des Objekts als Wandschirm zu erhalten und das Aufstellen des Möbelstücks und somit seine Präsentation zu ermöglichen. Besonders stark degradierte Scharnierumhüllungen wurden daher rekonstruiert, alle anderen in situ konserviert. Bei Letzteren wurden unzureichend ausgeführte Reparaturnähte erneuert und die Scharniere dann vollständig mit schwarzem Seidenpongé umhüllt.

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resümee Die Konservierung des Paravents war in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung. Durch intensive Archiv- und Literaturrecherchen und die Hilfestellung zahlreicher Experten war es möglich, sie kunst- und kulturhistorisch einzuordnen und die Verwendung der Stickereien als auch die Herstellung und Geschichte der Paravents nachzuzeichnen. Die Reinigung der bis zur Unleserlichkeit verschmutzten Stickerei und die Konservierung der stark beschädigten Gewebe wurden ohne Demontage der textilen Bestandteile vom Holzkorpus durchgeführt. Die besonderen konservatorischen Problemstellungen erforderten die Adaptierung traditioneller Methoden der Textilkonservierung. Spezielle, den Bedürfnissen des Objekts angepasste Bearbeitungsmethoden wurden dazu entwickelt. So ist es gelungen, die stark verunreinigte Gewebebahn mit den feuchtigkeitsempfindlichen Stickmaterialien zu reinigen. Die bestmögliche Stabilisierung der beschädigten Bereiche bei gleichzeitig geringer optischer Beeinträchtigung der textilen Strukturen ist somit ebenfalls gewährleistet. Abstract Two large-size, three-part folding screens from 1847, weighting about 100 kilograms each, were recently discovered in an attic. Their front side is covered with a precious chinese silk embroidery from the late 18th century, depicting the motif “One Hundred Boys”. Within the scope of a diploma thesis the folding screens were examined in detail. Conservation measures were planned for both objects and carried out on the most damaged screen. Archive and literature research and the consultation of a team of experts enabled the historical classification of the hitherto unknown objects. The cleaning of a heavily soiled, water-sensitive embroidered web on one panel and the consolidation of the damaged textiles was carried out without detaching the webs from the wooden corpus. Traditional techniques of textile conservation were adapted to the special requirements of the object. The methodology and knowledge gained applying these techniques are discussed.

literatur Quellen Adolf Bäuerle (Hrsg.), Allgemeine Theaterzeitung – Originalblatt für Kunst, Literatur, Musik, Mode und geselliges Leben, Nr. 75, Montag den 29. März 1847, Wien. Inventarium, Uiber die im fürstl. Majorathause befindlichen Gegenstände, aufgenommen im Monate Juni 1847, FLHAW H 1853.

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Inventarium des hochfürstl. Liechtensteinischen Majoratshauses in Wien, Bankgasse 9, 1898, FLHAW, ohne Signatur. Inventarium des hochfürstl. Liechtensteinischen Majoratshauses in Wien, Bankgasse Nr. 9. 1911, FLHAW, ohne Signatur. Inventar Majoratshaus und Minoritenplatz 4. 1930, FLHAW, ohne Signatur. Majoratshaus Jnventarium, Uiber die in dem Nachlaß, weiland Sr. Durchlaucht des souv. Fürsten Alois von und zu Liechtenstein vorgefundenen Möbeln und sonstigen Effekten, 1859, FLHAW, ohne Signatur. Rechnung von F. Stöger, 26. Juli 1847, FLHAW 1853.

Sekundärliteratur Bartholomew, T., One Hundred Children: From Boys at Play to Icons of Good Fortune, in: Ann Barrott Wicks (Hg.), Children in Chinese Art, Honolulu 2002, S. 57–83. Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch – Wien I. Bezirk – Innere Stadt, Horn/Wien 2003. Eggeling, T., Die chinoise Innenraumdekoration des Barock und Rokoko, in: Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten (Hg.), China und Europa. Chinaverständnis und Chinamode im 17. und 18. Jahrhundert, Ausstellung vom 16. September bis 11. November 1973 in Schloss Charlottenburg Berlin, Berlin 1973, S. 85–95. Stekl, H., Grundlagen, Formen und Ausdruck adeligen Lebensstils im Vormärz. Zur Geschichte der Fürstenhäuser Liechtenstein und Schwarzenberg, Dissertation, Universität Wien, Wien 1968. Thümmler, S., Die Geschichte der Tapete, Eurasburg 1998. Wappenschmidt, F., Chinesische Tapeten für Europa. Vom Rollbild zur Bildtapete, Berlin 1989.

angela sixt

„Lasst sie weitertanzen …!? Ein Spagat zwischen Gebrauch und Erhaltung“. Das Figurenspiel (1912–1947) von Richard Teschner im Österreichischen Theatermuseum Wien1

zusammenfassung Das Österreichische Theatermuseum in Wien birgt einen Großteil des Stabfigurentheaters Richard Teschners. Die Sammlung umfasst 134 Hauptfiguren, einige Nebenfiguren sowie zwei Bühnen, samt technischem Equipment, eine von 1912 und eine datiert um 1947. Fünf rekonstruierte Spiele werden mit etwa einem Drittel der vorhandenen Figuren noch heute aufgeführt. Basierend auf einer umfassenden Bestandsaufnahme erfolgten im Rahmen einer Diplomarbeit 2008 die Konzepterstellung zur Konservierung und Restaurierung der Figuren, ihrer Präsentation und Aufbewahrung. Konstruktive Wege für ein Weiterleben des Figurenspieles sowie Herstellungsmöglichkeiten von Kopien für zukünftige Aufführungen werden diskutiert.

das figurenspiel von richard teschner Spielfiguren – von unsichtbaren Händen bewegt – faszinierten Jung und Alt seit eh und je. Das Österreichische Theatermuseum (ÖTM) in Wien birgt ein einzigartiges für ein erwachsenes Publikum geschaffenes Figurentheater. Dabei handelt es sich um das Lebenswerk des unkonventionellen Allround-Künstlers Richard Teschner (* Karlsbad 1879, † Wien 1947). Er entwarf und fertigte das gesamte Theater und schrieb auch die pantomimisch aufgeführten Handlungen dazu. Die Geschichten fußten anfänglich noch in javanischen Mythen, später ließ sich Teschner von zeitgenössischen Literaten wie Gustav Meyrink, E.T. A. Hoffmann, Edgar Allen Poe und weiteren inspirieren. Neben der Verarbeitung der Wiener Sagenwelt in „Der Basilisk“ entstand beispielsweise auch ein

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Sixt, A., „Lasst sie weitertanzen ...!?“ Die Konservierung und Restaurierung der Stabfiguren Richard Teschners aus dem Österreichischen Theatermuseum, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2008

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„Weihnachtsspiel“.2 Die Sammlung umfasst 134 Hauptfiguren, einige Nebenfiguren 3 sowie zwei Bühnen samt technischem Equipment. Ein Großteil der Sammlung wird unter Verwendung originaler Möbelstücke aus Teschners Atelier4 im Rahmen eines Gedenkraumes, bestehend aus Zuschauer- und Bühnenraum, präsentiert. Hier bilden heute noch Teschners zweite höchst innovative Bühne – der sogenannte „Figurenspiegel“ – für den kleinen Figurenkosmos die Bretter, die die Welt bedeuten (Abb. 1). Der runde Bühnenausschnitt mit konvexem Glas sowie die Vierfarbenbeleuchtung stellten damals eine Weltneuheit dar und faszinieren noch heute das interessierte Publikum. Auch die erste Bühne, der „Goldene Schrein“, eine mit vergoldeten Schnitzereien verzierte Guckkastenbühne mit Flügeltüren5, ist zu besichtigen. Diese hatte der Künstler bereits zu Lebzeiten gemeinsam mit dem von ihm nicht mehr gespielten Teil der Figuren6 an die Theatersammlung der Nationalbibliothek verkauft. Neben Requisiten und Werksutensilien sind auch Entwürfe und Fotografien im nahezu vollständigen Nachlass7 verwahrt. Nach Teschners Tod 1947 führte seine Witwe Emma Teschner bis zu ihrem Tod 1953 mit den drei Assistentinnen, Hermy Ottawa, Helene Schreiner und Lucie Jirgal, die Spiele weiter. Nach dieser vorerst letzten Spielphase kam der Nachlass zunächst in die Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, später ins ÖTM im Palais Lobkowitz.8

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Hadamowsky, F., Richard Teschner und sein Figurenspiegel, Wien 1956, S. 37–47. Hauptfiguren Hauptfiguren grenzen sich von den Nebenfi Nebenfiguren guren durch ihre tragende eigenständige Rolle und ihre damit einhergehende Ausstattung mit mehrfachen Bewegungsmechanismen ab. Dieses befand sich in der Wohnung in der Messerschmidtgasse 48 in Gersthof, im 18. Wiener Gemeindebezirk, wo Teschner eigens einen Aufführungsraum einrichtete und im privaten Kreis, meist vor Künstlerfreunden der Secession, wie Gustav Klimt, Kolo Moser, Alfred Roller und Josef Hoffmann, spielte. Hadamowsky, F., Die Wiederbelebung von Richard Teschners Figurenspiegel in der Theatersammlung der österreichischen Nationalbibliothek 1954–1965, in: Mayerhöfer, J. (Hg.), Richard Teschner (1879– 1948). Puppenspieler – Sezessionistischer Künstler, Biblos-Schriften Bd. 54, Wien 1970, S. 23f. Unter einer Guckkastenbühne versteht man eine neuzeitliche Bühne, deren Schauspielraum durch einen dreidimensionalen Rahmen vom Zuschauerraum abgegrenzt ist. Zu diesem ältesten Teil des Theaters zählen insgesamt 30 Figuren, zu den javanischen Stücken „Kosumos Opfertod“, „Nabi Isa“ und „Nawang Wulan“ gehörig, sowie die erste Version der Figuren Prinzessin und Prinz aus „Prinzessin und Wassermann“. Ein geringer Teil des Nachlasses sowie 7 Hauptfiguren Hauptfiguren gehören der Puppentheatersammlung des Münchner Stadtmuseums. Hadamowsky, F., Die Wiederbelebung von Richard Teschners Figurenspiegel in der Theatersammlung der österreichischen Nationalbibliothek 1954–1965, in: Mayerhöfer, J. (Hg.), Richard Teschner (1879– 1948). Puppenspieler – Sezessionistischer Künstler, Biblos-Schriften Bd. 54, Wien 1970, S. 24.

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die stabfiguren Die stummen und ausdrucksstarken Figuren veranschaulichen in ihrer exakten Ausführung und der Vielfalt der verwendeten Materialien eindrucksvoll die vielseitige Handwerkskunst Richard Teschners. Innerhalb des Bestandes ist eine Entwicklung erkennbar, von den frühen, sehr vom Jugendstil geprägten javanischen Figuren bis hin zur naturalistischen Ausführung der Figuren, die ab den späten 1920ern entstanden sind. Details wurden nicht mehr gemalt oder geschnitzt, sie wurden auch in ihrer Stofflichkeit und Oberfläche möglichst der Natur angenähert. Dementsprechend steigert sich auch die Materialvielfalt in der Ausführung des Körpers ebenso wie in Bekleidung, Accessoires, Waffen und Werkzeugen. Waren die Figuren in den Anfangsjahren der Puppenherstellung durchgehend aus Lindenholz gedrechselt, geschnitzt und anschließend gefasst, verwendete Teschner später auch andere neu auf dem Markt erhältliche Materialien wie Kunststoff (vermutl. Polysterol oder Acrylglas)9. Daraus fertigte er z. B. die Körper für transparente Fantasiegestalten wie den Bimini und seine Ente, deren Innenleben er zur Darstellung von glühenden Augen und leuchtenden Hinterteilen bei Basilisk und Fo-Hund elektrifizierte. Die Bekleidung passte er in ihrer Qualität der jeweiligen Rolle der Figur an. Je nachdem, ob Prinzessin, Hirte oder Krieger dargestellt werden sollte, kamen mehr oder weniger feine und kostbare Stoffe zum Einsatz. Höhergestellte Personen wurden mit Seidenstoffen in unterschiedlichen Webarten, Metallgeweben10, Gold- und Silberstickereien, Spitzen sowie vergoldetem und geprägtem Leder eingekleidet. Im Gegensatz dazu mussten sich einfache Leute mit Baumwoll- oder Wollstoffen, die zusätzlich noch mit Flicken besetzt oder verfleckt waren, begnügen. Zudem gestaltete Teschner die Oberfläche der Stoffe des Öfteren durch zusätzliches Bemalen oder Bedrucken. Die frühesten dem javanischen Stil verhafteten Figuren sind mit Wiener-Werkstätte-Stoffen11 ausgestattet – be9

Das glasklare, einfärbbare, thermoplastische Acrylglas ist Polymethylacrylat, ein Methacrylsäureester und kam ab den frühen 1930ern auf den Markt. Waentig, F., Kunststoffe in der Kunst, Petersberg 2004, S. 160, 266, 273. 10 Materialtechnologische Untersuchungen zu einem an mehreren Figuren (Prinz II, Samurai, Grauer Verfolger) verwendeten Metallgewebe ergab für den Metalllahn versilbertes Kupfer mit außenseitiger Vergoldung. Durchgeführte Untersuchungen am Stereomikroskop sowie am REM durch ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Bernhard Pichler und AProf. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach, Institut für Kunst und Technologie, Abteilung Archäometrie, Universität für angewandte Kunst Wien. Laut freundlicher Auskunft von Dr. Márta Járó, Chemikerin am Ungarischen Nationalmuseum Budapest, am 7. 3. 2008, dürfte bei der Herstellung zunächst ein Kupferdraht elektrolytisch versilbert, gewalzt und anschließend um eine Baumwollseele gewunden worden sein. In einem letzten Verfahren wurde der Faden vermutlich in eine Goldlösung getaucht. Somit erklärt sich auch die einseitige Vergoldung. An der Innenseite ist ein unbestimmter Überzug vermutlich als Korrosionsschutz zu erkennen. 11 Eine genaue Auflistung der identifizierten Stoffmuster und ihrer Künstler befindet sich im Anhang IV der Diplomarbeit.

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druckte Leinen- und Seidenstoffe –, die Teschner vermutlich entweder durch seine Verbindung zur Wiener Werkstätte oder über die mit ihm befreundeten Schwestern Flöge erhalten hatte. Neben ihrem Detailreichtum erstaunt der ausgefeilte Mechanismus, durch den die Figuren höchste Beweglichkeit erlangen. Teschner adaptierte als einer der ersten Puppenspieler in Europa die Führungstechnik der asiatischen Stabfiguren und entwickelte daraus von 1912 bis 1916 eine Synthese mit der durch Fadenzüge geführten Marionette. Dieses ausgeklügelte technische Aufbauschema behielt er bis zuletzt (Abb. 2: technische Zeichnung einer weiblichen Figur von Richard Teschner, 1916). Im Unterschied zu den traditionellen Wayang-golek12-Puppen, die Teschner als Vorbild dienten, fertigte er bei seinen Figuren die unteren Extremitäten aus und führt durch den sogenannten ‚Lebensstab‘, einen naturgemäß hohlen Bambusstab, auf dem der Körper sitzt, Darmsaiten (aus Tierdärmen gedrehte Schnüre) als Züge zur Bewegung des Kopfes. Am unteren Ende des Stabes wurden diese Züge durch gebohrte Löcher herausgeführt und mit je einem Holzkügelchen versehen. Durch Ziehen an diesen Kügelchen lässt sich der Kopf in je eine Richtung bewegen. Mit den langen Führungsstäbchen aus Bambus, die durch eine Schnurverbindung mit den Handflächen verbunden sind, führt der Spieler die Armbewegungen aus. So schaffte es Teschner, die Figuren der Gelenkigkeit des menschlichen Körpers anzunähern.

die spieltradition und ihre folgen Nach zahlreichen Wiederbelebungen im Rahmen von Jour fixes und Filmaufnahmen werden heute fünf von insgesamt 28 Stücken zu festgelegten Terminen im Jahr gezeigt. Gemäß Teschners Intention wird heute das „Weihnachtsspiel“ um die Weihnachtszeit, der „Traum im Karneval“ eine Woche vor Aschermittwoch, „Der Drachentöter“ und „Der Basilisk“ im Frühjahr sowie „Die Lebensuhr“ um Allerheiligen, Allerseelen aufgeführt. Diese Stücke gehören ausschließlich dem Repertoire des 1931 in Betrieb genommenen „Figurenspiegels“ an. Das Spielen mit den originalen Figuren ist aus konservatorischer Sicht nicht unproblematisch. Innerhalb der letzten 50 Jahre wurden für Aufführungen und Filmprojekte nicht nur die Bühneneinrichtung mit ihren technischen Raffinessen immer wieder an den neuen Stand der Technik angepasst, sondern auch die Bewegungsmechanismen und

12 Wayang heißt auf javanisch Schatten und bezeichnete ursprünglich nur die filigranen, aus präparierten Büffel- oder Rinderhaut geschnittenen Schattenfiguren. Golek bedeutet auf javanisch Puppe und meint die dreidimensionalen, aus Holz geschnitzten javanischen Figurenformen.

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die Ausstattung der Figuren von der jeweiligen Spielergeneration selbst repariert. Die im Folgenden und aus konservatorischer Sicht behandelten Punkte sollen konstruktiv für einen zukünftigen Umgang und lebendigen Erhalt dieses wunderbaren Theaters und seiner Figuren eingebracht werden. Durch den Abbau der organischen Darmsaiten wurden diese spröde, zerfaserten und rissen schlussendlich durch die Bewegung. Teschner selbst bearbeitete die Enden der verknoteten Darmsaiten sorgfältig durch Abrunden der Saitenenden nach und versenkte die Knoten in Vertiefungen an den Gliedmaßen, während spätere Neufädelungen weniger sorgfältig ausgeführt wurden. Im Zuge der Wiederbelebung der Spiele wurden die Enden der Darmsaiten unbearbeitet belassen bzw. ab den 1980er-Jahren sukzessive Nylonfäden verwendet. Pro Gelenk sind nun zwei scharfe Fadenenden vorhanden und zerschneiden oder reiben bei Bewegung die darüberliegende Bekleidung oder Hülle auf. (Abb. 3: aufgeriebenes Metallgewebe an der Gelenksverbindung). Je empfindlicher das Material, desto größer ist der Schaden, d.h. zarte, abgebaute Seidenstoffe oder hauchdünne Vergoldungen an Leder- oder Papierteilen litten besonders unter dieser Maßnahme. Hinzu kommt, dass zur Neufädelung der Figuren oftmals mechanisch fixierte Gewänder abgenommen und unvollständig sowie unsachgemäß neu vernagelt oder an anderer Stelle montiert wurden. So ergaben sich zum einen Spannungen im Gewebe, zum anderen wurde der Korpus der Figuren durch zusätzliche Löcher beschädigt. So entstanden mitunter gravierende Schäden an den Textilien. Dies hatte wiederum zur Folge, dass ganze Kleidungsstücke oder Teile davon ersetzt wurden. Leider wurden diese vielfältigen Veränderungen zum Großteil nicht dokumentiert, jedoch belegen historische Aufnahmen, dass einige der vorgenommenen Eingriffe Teschner selbst als auch seinen Assistentinnen zuzurechnen sind. Ob aus künstlerischen Launen, veränderter modischer Ansprüche oder um sich dem von Freizügigkeit zu Hochgeschlossenheit schwankenden Zeitgeist anzupassen – diese Zeugnisse der Vergangenheit sind unbedingt zu erhalten.

herstellungsbedingte schäden Schadensphänomene, die sich aus der Wechselwirkung von Materialien, ihrer Herstellung und Verarbeitung begründen, sind die im Folgenden näher erläuterten brüchigen Seidenstoffe und die in Kombination mit Leder korrodierenden Metallelemente. Das Hauptschadensbild an den Textilien ist die zum Teil sehr brüchige Seide. Vor allem Seidenbänder, die Teschner gerne zu Gewandteilen verarbeitete, allerdings auch die zu ganzen Kleidungsstücken verwendeten Stoffe zeigen dieses Schadensbild. Im Vergleich dazu sind allerdings andere Kostümteile aus Seide in einem guten, nahezu

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unversehrten Zustand. Sehr wahrscheinlich liegt die Ursache in den unterschiedlichen Ausrüstungen der Stoffe während ihrer Herstellung. Seit der Industrialisierung entstanden laufend neue Bearbeitungsmöglichkeiten von Textilien. Einhergehend mit einer starken Nachfrage nach Luxusgütern vervielfachte sich die weltweite Seidenproduktion zwischen 1871 und 1927 um das Fünffache.13 Das Ausrüsten der Textilien mit modifizierenden Stoffen zur Verbesserung ihrer Eigenschaften veränderte jedoch das Alterungsverhalten der Fasern, insbesondere bei Seide.14 Durch Beschweren mit Metallionen wurde der Gewichtsverlust der Seide nach dem Entbasten15 wieder ausgeglichen und die Griffigkeit erhöht. Dadurch konnte für die nach Gewicht verkaufte Seide ein höherer Preis erzielt werden. Der Boom von Patenten zur Seidenerschwerung Ende des 19. Jahrhunderts zeugt von einer Reihe von Verfahren, die neben einem rauschenden „Klang“ – dem berühmten sogenannten „Seidenschrei“ – und einem unübertrefflichen Glanz für die Haltbarkeit der Stoffe massive Probleme brachten. Durch die Oxidation der Beschwerungsstoffe, wie Chlorzinn, Phosphorsäure, Eisenoxid und ähnlicher Chemikalien, sank die Lebensdauer der Seide erheblich. Umwelteinflüsse und Licht beschleunigten den Zersetzungsprozess zusätzlich – die Seide verlor ihre Flexibilität und damit ihr Vermögen auf Feuchtigkeitsschwankungen zu reagieren. Zur Klärung der genauen chemischen Vorgänge, die zur Zersetzung der Seide führen, fehlen bis heute fundierte naturwissenschaftliche Untersuchungen. Beobachtet wurde jedoch, dass die Fasern austrocknen, verspröden und verhärten, zudem erhöht sich die Neigung zur elektrostatischen Aufladung.16 Das typische Schadensbild zeigt sich durch das Entstehen von Knicken und Rissbildungen bis hin zum Ausbrechen ganzer Stoffpartien.17 Um eine derartige Beschwerung an der Pluderhose der Figur Läufer I nachweisen zu können, wurde eine Untersuchung mittels Rasterelektronenmikroskop (REM) durchgeführt.18 Die Elementanalyse eines abgebrochenen Gewebepartikels ergab die Beschwerung der Seide im Neuhaus-Verfahren19, 13 Walser-Ziegler, Ch., Seidenerschwerung unter besonderer Berücksichtigung der von 1870 bis 1930 gebräuchlichen Erschwerungsverfahren, Diplomarbeit, Technische Universität München 2002, S. 19. 14 Worch, M. T., Kleben oder Kleben-lassen?! Erfahrungen und Einsichten mit Klebekonsolidierungen historischer Textilien, in: VDR Beiträge 1/2006, S. 17. 15 Beim Entbasten der Seide wird der sogenannte Seidenleim (Sericin), der ca. 20 des Gewichtes ausmacht und die beiden Einzelfäden aus Fibroin miteinander verklebt, durch Kochen in Seifenlösung aus der Rohseide herausgelöst. Vgl. Klemens Merck’s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe, Leipzig 11874, 31884, S. 825. 16 Worch, Maria Th Theresia, eresia, Kleben oder Kleben-lassen?! Erfahrungen und Einsichten mit Klebekonsolidierungen historischer Textilien, in: VDR Beiträge 1/2006, S. 15–33. 17 Walser-Ziegler, Ch., Seidenerschwerung unter besonderer Berücksichtigung der von 1870 bis 1930 gebräuchlichen Erschwerungsverfahren, Diplomarbeit, Technische Universität München 2002, S. 5. 18 Die Untersuchungen wurden von a.Prof. Dipl.-Ing. Rudolf Erlach, Institut Kunst und Technologie, Abteilung Archäometrie, Universität für angewandte Kunst Wien, durchgeführt. 19 Das deutsche Reichspatent mit der Nummer 75 896 beinhaltet das Patent des Verfahrens zum Beschwe-

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einem Zinnphosphatsilikat-Verfahren.20 Dieses 1892 erfundene Verfahren war das bedeutendste Patent in der Seidenerschwerung am Ende des 19. Jahrhunderts.21 Ein zweites, sehr häufig in der Sammlung auftretendes Schadensphänomen liegt in der ungünstigen Kombination von kupfer- oder silberhältigem Metall und Leder. Ob Messingfäden und -nägel in direktem Kontakt zu Leder oder goldimitierende Bemalungen auf Leder – alle Metallkomponenten weisen grüne, fettartige Korrosionserscheinungen auf. Untersuchungen im REM zeigten einen hohen Kohlenstoffgehalt sowie das Fehlen von Chlor und Schwefel-Bestandteilen von Kupferacetaten oder Kupfersulfaten deuteten auf eine organische Verbindung hin. Die Erklärung dafür ist, dass Kadmium, Kupfer, Blei und Zink, wenn sie in längerfristigem Kontakt mit Leder stehen, mit den vom Leder abgespalteten ungesättigten Fettsäuren wie Stearinsäure und Palmitinsäure22 durch Saponifikation23 ein wachsartiges Metallsalz, Palmitat oder Stearat, bilden können.24 Grauschwarz färbige Korrosionserscheinungen der Silberfäden, vor allem in Kombination mit weißem Leder, deuten auf Silber(1)-sulfid, das bei geringstem Vorkommen flüchtiger schwefeliger Komponenten entsteht. Die Ursache liegt wieder in der Wirkung von Leder, das schwefelige Stoffe, die es aufgrund des Gerbungsprozesses in sich trägt, abgibt. Vor allem bei der Herstellung von weißem Leder werden organische schwefelige Substanzen und anorganische Chemikalien benötigt, um den zur Gerbung nötigen pHWert zu erlangen, die Komponenten der Gerbflüssigkeit zu lösen und die Viskosität zu kontrollieren. Die meisten der anorganischen, im Wasser löslichen Schwefel-Komponenten werden ausgewaschen, die organischen schwefeligen Materialien können jedoch

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ren von Seide und Schappe von H. J. Neuhaus Nachfolger in Krefeld, ausgegeben am 21. 06. 1894 und patentiert am 25. 01. 1893. Zit. nach: Walser-Ziegler, Ch., Seidenerschwerung unter besonderer Berücksichtigung der von 1870 bis 1930 gebräuchlichen Erschwerungsverfahren, Diplomarbeit, Technische Universität München 2002, S.74. Für die freundliche Beratung sei an dieser Stelle Ing. Matteijs de Keijzer vom Instituut Collectie Nederland/Netherlands Institute for Cultural Heritage Amsterdam herzlich gedankt. Walser-Ziegler, Christine, Seidenerschwerung unter besonderer Berücksichtigung der von 1870 bis 1930 gebräuchlichen Erschwerungsverfahren, Diplomarbeit, Technische Universität München 2002, S. 27. Palmitin- und Stearinsäure sind in nahezu allen natürlichen Fetten, besonders reichlich in Hammeltalg, enthalten. In sämtlichen damals üblichen Gerbverfahren wurde unter anderem Talg – gewonnen aus dem Fettgewebe von Rindern und Schafen – zur Behandlung der Häute eingesetzt. Vgl. Meyer’s Großes Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens, Leipzig und Wien 11874–1884, 61907, Bd. 10, S. 607–611; Bd. 15, S. 250f.; Klemens Merck’s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe, Leipzig 11874, 31884, Bd. 21, S. 548. Unter Saponifikation oder Verseifung versteht man die Hydrolyse von Fetten oder die Neutralisation von Fettsäuren. Vgl. Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik, Bd. 1–3 + 5, Wiesbaden 1983, S. 207. Freundliche Auskunft von Univ.-Lekt. Márta Kissne-Béndefy, Institut für Konservierung und Restaurierung, am 18. März 2008. Vgl. auch: Selwyn, Lyndsie, Metals and Corrosion. A Handbook For The Conservation Professional, Ottawa 2004, S. 35f.

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in gebundener Form im Leder verbleiben und werden erst bei Degradierung des Leders abgespalten.25 Anhand der großen Bandbreite von möglichen schwefeligen Substanzen, die in damals üblichen Leder-Herstellungsverfahren verwendet wurden, kann vom Leder als korrosionsverursachende Schadstoffquelle ausgegangen werden.

aufbewahrung und präsentation der stabfiguren Neben den soeben erläuterten Schadensphänomenen an den Materialien der Figuren und den Spuren, die der Gebrauch hinterlassen hat, waren ungünstige Bedingungen während der Lagerung und Präsentation in der Zeit im Museum für eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes verantwortlich. Die momentane Aufbewahrungssituation ist eng mit der Präsentation verbunden. Der Großteil der Figuren ist durch zwei verschiedene Steckvorrichtungen in den originalen Schaukästen befestigt und wird im Zuschauerraum und Bühnenraum präsentiert und untergebracht (Abb. 4: Blick in einen Schaukasten im Teschner-Raum des ÖTM). Nur wenige wurden aus Platzmangel in die unteren Fächer der Kästen gelegt. Die Exponate werden an sechs Tagen in der Woche zu den Museumszeiten mit Kaltspiegellichtlampen mit inkludiertem UV-Filter der Firma OSRAM beleuchtet.26 Die Fensterläden des Raumes nach außen sind geschlossen – somit ist ein Eindringen von Tageslicht und damit besonders schädigendem UV-Licht ausgeschlossen. Der Ausstellungsraum ist nicht klimatisiert und damit saisonalen Schwankungen unterworfen. Ausgeblichene und veränderte Farben an den Gewändern der Stabfiguren sind die Folgen des permanenten Lichteinflusses während der jahrzehntelangen Präsentation. Licht ist Energie in Form von unterschiedlich langen Wellen – je kürzer, desto energiereicher. Es kann Farbstoffe in Textilien und färbigen Hölzern ebenso wie Pigmente und Bindemittel verändern sowie die Molekularstrukturen vor allem organischer Materialien, wie z. B. Papier und textiler Fasern, schädigen. Als fotochemische Wirkungen zeigen sich nicht nur das im Museum gefürchtete Ausbleichen von Farbstoffen, sondern auch weniger offensichtliche molekulare Abläufe wie z. B. der Verlust der Reißfestigkeit von Textilien oder die Versprödung von Überzügen. Diese Abbauprozesse sind irreversibel und gleichen sich nicht durch Lagerung im Dunkeln wieder aus. Dauer und Stärke der Beleuchtung verhalten sich proportional zueinander bezüglich ihrer schädigenden Wirkung, d. h. eine Verdoppelung der Ausstellungsdauer mit einer Halbierung der Be-

25 Kite, M.; Thomson, R., The Conservation of Leather and Related Materials, London 2006, S. 51. 26 Freundliche pers. Mittlg. von Maximilian Pavlovic, Museumstechniker am KHM und ÖTM am 6. 5. 2008.

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leuchtungsstärke bewirkt den gleichen Schädigungsgrad.27 Obwohl im Fall des TeschnerRaumes die gemessene Lichtstärke meist deutlich unter dem empfohlenen Wert von 50 Lux liegt, muss bedacht werden, dass sich die Lichtschädigung mit der Zeit addiert. Abgeplatzte Malschichten an den Fassungen zeugen von schwankenden klimatischen Bedingungen. Organische Materialien wie Holz, Leder und Textil sind hygroskopisch, d.h., sie können durch Sorption Wasser aufnehmen und durch Desorption Wasser abgeben, bis sich ihr Wassergehalt mit der umgebenden Luft im Gleichgewicht befindet. Das dabei entstehende Ausdehnen und Zusammenziehen im Fall von Holz verursacht Risse, Verformungen und Absplitterungen der darüberliegenden Farbschichten. Jedoch auch weniger sichtbare Materialermüdungen an anderen organischen Materialien wie Textil und Leder werden unter anderem durch Klimaschwankungen verursacht. Die Brüchigkeit der seidenen Kleidungsteile kann neben den herstellungsbedingten Faktoren darauf zurückzuführen sein. Trockenes Klima führt zum Austrocknen der textilen Fasern bis zur Abspaltung des chemisch gebundenen Wassers in der Faserstruktur. Durch den Verlust der Elastizität verspröden und brechen die Fasern. Nicht zuletzt erschwert ein ungeeignetes Aufbewahrungssystem zurzeit das Herausnehmen und Zurückstellen der Objekte und wird der Fragilität der Figuren und ihrer Requisiten nicht gerecht. Dieser Umstand ist auch für den Spielgebrauch relevant und für einen zukünftigen verantwortungsvollen Umgang mit den Figuren. Beim Handling im Zuge der Bestandsaufnahme kristallisierten sich verschiedene Schadensquellen heraus. Die zu enge und die liegende Aufbewahrung führen zur Verfaltung der Gewänder und erschweren ein Herausnehmen einzelner Objekte. Durch nicht passende Stecklöcher für die Lebensstäbe bzw. durch das Anstoßen an anderen Figuren oder die Kastenwände besteht die Gefahr mechanischer Beschädigungen. Diverse Requisiten und Utensilien liegen lose und unsortiert in Fächern oder Schubladen, werden zum Spielen entnommen, verheddern sich und werden dadurch unvermeidbar beim Herausnehmen in Mitleidenschaft gezogen oder gehen im schlimmsten Fall verloren. Das für den Gedenkraum übernommene historische Raumensemble ist unter allen Umständen zu erhalten, jedoch sind die hölzernen Kästen neben den ungünstigen Halterungssystemen vom Material her ungeeignet für eine dauerhafte Aufbewahrung. Die Holzbestandteile der Kästen spalten organische Säuren ab28 und bilden eine carbonsäu-

27 Pöhlmann, W., Handbuch zur Ausstellungspraxis von A-Z, Berliner Schriften zur Museumsforschung, Institut für Museumsforschung Berlin u. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Bd. 5, Berlin 2007, S. 55. 28 Eine Abwandlung des sogenannten Oddy-Tests in den Kästen ergab den Hinweis auf Carbonylverbindungen, die jedenfalls von Holzbestandteilen des Kastens oder den hölzernen Figurenteilen abgespalten werden. Genauere Informationen zum Oddy-Test vlg. Schieweck, A., Salthammer, T., Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Raumluft, Baustoffe, Exponate, Braunschweig 2006, S. 77.

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rehältige Umgebung, die für den Abbau von Cellulosefasern durch saure Hydrolyse verantwortlich sein kann. Dies bedeutet, dass die Gewebefestigkeit bei langem Verbleiben in diesem Klima durch Verkürzung der Molekülketten abnimmt. Seide reagiert auf eine Senkung des pH-Wertes mit erhöhter Lichtempfindlichkeit.29 Zudem dichten die Kastentüren nicht ausreichend vor Staub ab. Daher wurden Optionen überlegt, die vorhandenen Schränke zu modifizieren und ihr nicht mehr originales Innenleben zu adaptieren. Durch Anfertigung von auf die Kastenfächer und -laden angepassten Behelfen können die Requisiten systematisch eingeordnet und aufbewahrt werden. Möglichkeiten zur Isolierung der Kasteninnenflächen mittels kaschierter Aluminiumfolie30 als Dampfsperre gegen die abgespaltenen Carbonylsäuren und gleichzeitiger Anwendung von Schadstoffabsorbern wie z. B. Werkstoffe aus Aktivkohle müssen noch praktisch ausgetestet werden, besonders in Kombination mit einem zusätzlichen Abdichten der Kastenöffnungen. Eine große Erleichterung, um Verbesserungen an Aufbewahrung und Ausstellung umzusetzen, wäre eine zusätzliche Raumschaffung im Bühnenraum durch Umlagern von Objekten oder bestenfalls durch Hinzuziehen der Ausstellungsfläche vor dem sogenannten Teschner-Raum. Dann wäre die zusätzliche Aufstellung von Aufbewahrungskästen, die in Material und Aufbau den Anforderungen der Figuren angepasst sind, möglich. So könnte zumindest ein Großteil der Figuren und Requisiten sorgfältig, licht- und staubgeschützt aufbewahrt werden.

die konservierung und restaurierung Die Aufrechterhaltung der Spieltradition des „Figurenspiegels“ ist ausdrücklicher Wunsch der Museumsleitung. Da eventuell auch weitere Spiele rekonstruiert werden sollen, steht sowohl für die benutzten Figuren als auch für die in letzter Zeit unbenutzten Figuren des „Figurenspiegels“ ihre Spielbarkeit an erster Stelle. Dies verlangt eine ausreichende Stabilisierung der Substanz, auch in Anbetracht der Beanspruchung während des Spieles, sowie die Instandsetzung des Mechanismus. Die Figuren des „Goldenen Schreines“ hingegen, die mitsamt ihrer Bühne seit 1940 in Museumsvitrinen stillstehen oder -liegen, können rein konservatorisch ohne Wiederherstellung ihrer Funktionalität behandelt werden. Präventive Maßnahmen zur Verbesserung der Aufbewahrung und Präsentation sowie eine Gefahrenminimierung bei Spielgebrauch durch regelmäßige War29 Schieweck, A., Salthammer, T., Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Raumluft, Baustoffe, Exponate, Braunschweig 2006, S. 87, S. 94f. 30 Conservation Information Database, Canadian Conservation Institute, Tétreault, Jean, Oak Display Cases: Conservation Problems and Solutions, Ottawa 1999, www.cci-icc.gc.ca, Zugriff; 11. 5. 2008.

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tung der Bühneneinrichtung, Beratung der Spieler und Einrichtung eines Staubschutzes während der Spielpausen sind Grundvoraussetzung für die Erhaltung des Sammlungsbestandes. Die Kombination von verschiedensten Materialien und ihrer unterschiedlich strukturierten Oberflächen sowie der divergierende Erhaltungszustand, der aus der ungleich verlaufenden Objektgeschichte resultiert, bedarf einer differenzierten Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Figur. Die unterschiedlichen Materialoberflächen von gefassten Holzoberflächen, Textilien, Leder und Metallen ebenso wie Kunststoffe verlangen nach individuell abgestimmten Reinigungsmethoden. Auf diese nun im Detail einzugehen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Nach der grundlegenden Behandlung von statischen Problemen wie z. B. geknickten Lebensstäben müssen lose Bestandteile wie abplatzende Fassung gesichert und die Verschlechterung des Zustandes der gesamten Figur mit all ihren Komponenten eingedämmt werden. Gemäß der Schadensanalyse liegt eine der Hauptproblematiken am Sichern der brüchigen Seidenstoffe. Der Zerfallsprozess dieser Textilien ist nicht aufzuhalten und eine nähtechnische Sicherung aufgrund der Versprödung der Fasern oft nicht mehr möglich, weil sie beim Einstechen der Nadel in den Stoff zersplittern. Zudem bietet ein Einnähen der Fragmente mittels Sandwichverfahren bei dreidimensionalen, noch im Gebrauch stehenden Textilien meist nicht die nötige Stütze und Belastbarkeit. Als letzte Konsequenz bleibt eine klebetechnische Konsolidierung der degradierten Stoffe durch Verbindung mit einem elastischen, alterungsbeständigen Klebstoff auf einem neuen Trägermaterial. Eine einmal vollzogene Klebung ist irreversibel, da das poröse Textil eine Abnahme durch chemische oder thermische Reaktivierung des Klebstoffes nicht unbeschadet überstehen würde. Doch kann zumindest der momentane Bestand des irreversibel zerstörten Textils bewahrt werden. Ein zweiter großer Punkt ist die Entfernung von schädlichen Korrosionsprodukten an den Metallfäden, Schmuck- und Montageteilen oder Farbaufträgen wie Bronzierungen. Das Einrichten einer physischen oder chemischen Barriere, die nahezu inert ist und das optische Erscheinungsbild nicht beeinträchtigt, kann den Einfluss von schädigenden flüchtigen Stoffen verhindern und ein weiteres Korrodieren verlangsamen bzw. verhindern. Allerdings ist dies nur im Fall von mechanisch aneinandermontierten Leder- und Metallteilen durch Anbringen einer transparenten Polyethylen-Folie als Zwischenschicht relativ einfach möglich. Bedenken, dass sich durch diese Maßnahme ein Mikroklima an der Montagestelle zwischen der Holzfigur und der Isolierschicht bildet, werden durch die lokale Begrenzung der punktuellen Montage geschmälert. Die Benutzung der Figuren des Figurenspiegels erfordert funktionierende Bewegungsmechanismen sowie eine Stabilität ihrer Ausstattung. Dies verlangt teilweise nach einer Rekonstruktion der ursprünglichen Beweglichkeit sowie von Gewandteilen, die aufgrund

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ihres schlechten Zustandes als Gesamtverlust betrachtet werden müssen. Diese rekonstruierenden Maßnahmen sollten auf technischen Entwurfszeichnungen und Archivfotos beruhen. Dabei muss jedoch die Erhaltung der von Teschner selbst verzierten Oberflächen, wie bedruckte Stoffe, geprägtes oder punziertes Leder, im Vordergrund stehen. Von Teschner und seinen Assistentinnen vorgenommene Modifizierungen an den Figuren müssen als Dokumente von Zeitgeist und künstlerischer Intention erhalten bleiben. Nur im Fall, dass Veränderungen nachweislich im Zuge von Reparaturen nach dem Tod der ersten Spielergeneration entstanden sind und die entfernten originalen Teile noch vorhanden sind, können Schritte zur Rekonstruktion des Original-Bestandes überlegt werden. Um ein Bespielen der Figuren ohne weitere Schädigung ermöglichen zu können, müssen in erster Linie die Nylonfäden, die zur Betätigung der Bewegungsmechanismen verwendet wurden, abgerundet werden. Zwei Varianten sind hierfür möglich – einerseits das Abschmelzen der scharfkantigen Enden mit punktuell angewandter Hitze z.B. mit der Spitze einer Heizspachtel, oder die Neufädelung mit Darmsaiten, dem ursprünglich von Teschner verwendeten Material. Die Darmsaiten können abgeschliffen oder mit Feuchtigkeit verformt werden. Sie dokumentieren zudem die historische Technologie der Fädelung. Das Abschmelzen der Nylonfäden ist jedoch die schnellere, unkompliziertere und kostengünstigere Variante, um dieses Problem zu beheben. Da ein Erneuern von Gelenksverbindungen oftmals einer kompletten Entkleidung der Figur bedarf und dieser Eingriff meistens mit dem Öffnen von Fädelungen sowie mit dem Risiko verbunden ist, die Zierköpfe von Nägeln oder die Textilien bei Entfernen der originalen Montage zu beschädigen, muss die Notwendigkeit dieses drastischen Eingriffes sorgfältig überlegt werden. Um unnötige Beanspruchungen der zum Spiel bestimmten Figuren zu vermeiden und da vermutet werden kann, dass die Nylonfäden gegenüber den Darmsaiten reißfester sind, werden für die Neufädelung von bespielten Figuren Nylonfäden verwendet bzw. bereits vorhandene nachbearbeitet. Als Dokumentation der ursprünglichen Technik und des originalen Materials werden bei nicht gespielten Figuren Darmsaiten verwendet. Die Abnützung der Gewänder an den Gelenksverbindungen oder auch an ungefassten Holzoberflächen bei Bewegung der Figuren im Spiel kann durch die Anfertigung eines passgenauen Untergewandes für die gesamte Bekleidung oder Teilen davon verhindert werden.

kopien als ersatz für die originalen figuren? Eine immer wieder diskutierte Möglichkeit, um die originalen Figuren zu schonen, ist die Anfertigung von Kopien, sei es von der gesamten Figur oder von der Bekleidung. Eine Herstellung dieser Kopien ist aufgrund der unglaublichen Materialvielfalt, der de-

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taillierten Ausführung, des komplexen Mechanismus, schlicht der unvergleichlichen Perfektion und künstlerischen Qualität wegen, äußerst schwierig. Vor allem die Figuren des Figurenspiegels weisen jeweils eine individuelle Größe und Körpergestalt auf. Dies lässt keine Anfertigung von Prototypen zu. Um sich dem Original so weit wie möglich anzunähern, müsste nahezu jede einzelne Figur abgeformt werden. Für die Nachbildung des Figurenkorpus mittels 3-D-Scan31, Abformung und Guss32 oder Nachschnitzen33 ist die Zerlegung der Figur in ihre Einzelteile erforderlich, d. h., sie müsste ihrer gesamten Kleidung und Ausstattung entledigt vorliegen. Ein derartiger Eingriff hat je nach Art und Montage schwerwiegende Folgen. Originale Nähte müssten geöffnet, Verklebungen gelöst und die Fädelung der Figur entfernt werden. Mit der Wahl geeigneter Methoden und Material lässt sich sicherlich eine ähnliche Figur erstellen, allerdings ist dies mit großem zeitlichen Aufwand verbunden und darf nicht unter allen Umständen, d. h. nicht unter Abnahme der mechanisch montierten Gewänder, erfolgen. Ob diese Figuren aber jemals die gleiche Wirkung auf das Publikum erzielen können, ist von der Genauigkeit der Ausführung der Kopie und der möglichen materialtechnischen Annäherung an das Original abhängig. Die Anfertigung von Kopien einzelner Gewänder ist eine Möglichkeit, um fragile Originale zu schonen, jedoch nur in den wenigen Fällen umsetzbar, in denen die Figur entkleidet werden kann. Neben den eingeschränkten Möglichkeiten der Anfertigung von originalgetreuen Kopien sind die finanziellen und räumlichen Ressourcen des Museums stark beschränkt. Eine kostspielige Anfertigung von Kopien würde bedeuten, dass an anderer notwendiger Stelle eingespart werden müsste. Zu bedenken ist weiters, dass auch Kopien einer Wartung und Pflege sowie Platz zur Aufbewahrung bedürfen.

resümee Zum Spielverlauf ist zu sagen, dass es sich nicht um ein sehr handlungsreiches Theater handelt, sondern eher um die Darstellung von ruhigen Stimmungsbildern. Dementsprechend gering, mit Ausnahme der Kampfszene im „Drachentöter“, ist eigentlich die wirkliche Beanspruchung der Figuren im Spiel. Der Gebrauch von historischen Objekten geht immer mit gewissen Abnutzungserscheinungen einher, umso mehr wenn die Materialien 31 Die Form des Korpus wird abgenommen und anschließend in Holz gefräst oder schichtweise in Kunststoff gedruckt. 32 Der Korpus kann mit einer Masse abgeformt werden. Die Negativ-Form wird anschließend mit einer Gussmasse gefüllt. Je nach Art des Materials können die einzelnen Bestandteile nachbearbeitet werden. 33 Nach dem Abmessen der einzelnen Figurenteile können diese gedrechselt und geschnitzt werden. Eine exakte Kopie ist hierbei nur schwer möglich, weil jeder Schnitzer eine eigene „Handschrift“ besitzt.

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bereits im abgebauten Zustand vorliegen. Wie schwerwiegend die Folgen von unsachgemäßen Eingriffen an Museumsgegenständen, die im Gebrauch sind, sein können, zeigt sich deutlich am Figurenspiegel Richard Teschners. Es steht aber auch außer Frage, dass ein Ende der Spiele das „Sterben“ einer unvergleichlichen Institution bedeuten würde, d. h., ebenso wie die Schaffung von Kopien ist auch diese Option nicht sinnvoll. Die Kommunikation und der respektvolle Umgang zwischen Restauratoren und Spielern ist die Grundbasis, um sinnvolle präventive Maßnahmen diskutieren zu können und das Bewusstsein der Spieler für die Fragilität der Figuren zu schärfen. Die Spieler sind mit konservatorischen Anforderungen nicht vertraut – nur in direkter Zusammenarbeit mit dem Restaurator können Fehler beim Handling verhindert werden. Es wäre wichtig, als Restaurator in den Spielablauf eingebunden zu sein, um potenzielle Gefahren erkennen und entsprechende Maßnahmen zeitnah setzen zu können. Wie sich bei der folgenden Spielsaison im Jahr 2009 herausstellte, konnte durch eine enge Zusammenarbeit von Restaurator und Spielern eine gegenseitige Vertrauensbasis geschaffen werden, die auf ein konstruktives Zusammenarbeiten und den Erhalt dieses außergewöhnlichen Kulturerbes in der Zukunft hoffen lässt.

Abstract The Austrian Museum of Theatre in Vienna holds the major part of the stick-puppet theatre created by Richard Teschner, comprising 134 main and several minor characters as well as two stage-assemblies together with their entire technical equipment, dating between 1912–1947. Five plays have been reconstructed and are currently being performed using some of the puppets. Based on thorough documentation and condition reports, a concept for the conservation, restoration, storage and display of the collection has been developed in the frame of a diploma work in 2008. An additional issue treated is the risk management of damage during performances and manufacturing options for copies.

literatur Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik, Bd. 1–3 + 5, Wiesbaden 1983, S. 207. Hadamowsky, F., Richard Teschner und sein Figurenspiegel, Wien 1956. Hadamowsky, F., Die Wiederbelebung von Richard Teschners Figurenspiegel in der Theatersammlung der österreichischen Nationalbibliothek 1954–1965, in: Mayerhöfer, J. (Hg.), Richard Teschner (1879–1948). Puppenspieler – Sezessionistischer Künstler, Biblos-Schriften Bd. 54, Wien 1970.

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Kite, M.; Thomson, R., The Conservation of Leather and Related Materials, London 2006. Klemens Merck’s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe, Leipzig 1874, 31884, Bd. 21. Meyer’s Großes Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens, Leipzig und Wien 11874–1884, 61907, Bd. 10, S. 607–611; Bd. 15. Pöhlmann, W., Handbuch zur Ausstellungspraxis von A–Z, Berliner Schriften zur Museumsforschung, Institut für Museumsforschung Berlin u. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Bd. 5, Berlin 2007. Schieweck, A., Salthammer, T., Schadstoffe in Museen, Bibliotheken und Archiven. Raumluft, Baustoffe, Exponate, Braunschweig 2006. Selwyn, L., Metals and Corrosion. A Handbook For The Conservation Professional, Ottawa 2004. Sixt, A., „Lasst sie weitertanzen ...!?“ Die Konservierung und Restaurierung der Stabfiguren Richard Teschners aus dem Österreichischen Theatermuseum, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst, Wien 2008. Waentig, F., Kunststoffe in der Kunst, Petersberg 2004. Walser-Ziegler, Ch., Seidenerschwerung unter besonderer Berücksichtigung der von 1870 bis 1930 gebräuchlichen Erschwerungsverfahren, Diplomarbeit, Technische Universität München 2002. Worch, M. T., Kleben oder Kleben-lassen?! Erfahrungen und Einsichten mit Klebekonsolidierungen historischer Textilien, in: VDR Beiträge 1/2006.

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Die Konservierung und Rückformung sogenannter „koptischer“ Schuhe aus dem Universalmuseum Joanneum Graz und aus Privatbesitz

zusammenfassung Eingehende Untersuchungen zu technologischem Aufbau, Schadensbildern und Zustand von drei „koptischen“ Schuhen lieferten die Grundlage für die Erstellung eines Konzeptes zur Konservierung dieser wasserempfindlichen Grabfunde. Für die Reinigung, Sicherung und Ergänzung konnte auf Methoden zurückgegriffen werden, die ohne den Einsatz von Wasser auskommen. Die geplante Rückformung der stark deformierten Objekte musste in manchen Fällen jedoch aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des Leders abgebrochen werden. Eine verbesserte Verpackung zur Lagerung hilft, dem Entstehen neuer Schäden vorzubeugen.

Gegenstand der Diplomarbeit, deren Ergebnisse im Folgenden zusammengefasst vorgestellt werden,1 waren drei einzelne Lederschuhe aus dem 4. bis 7. Jahrhundert, die aus „koptischen“2 Gräbern stammen. Zwei der Schuhe befinden sich im Besitz der kulturhistorischen Sammlung des steiermärkischen Universalmuseums Joanneum. Es handelt sich dabei um einen relativ kleinen, sehr einfach geschnittenen schwarzen Schuh mit Applikation sowie um einen Pantoffel mit Papyrussohle, dessen Oberleder mit vergoldeten Lederstreifen und blindgeprägten Linien verziert ist. Als Teil eines Konvolutes vorwiegend textiler Grabfunde wurden sie um das Jahr 1887 vom Aachener Kanonikus Dr. Franz Bock im mittelägyptischen Achmîm erworben und nach Europa gebracht. Über die Herkunft des dritten Schuhes – eines knöchelhohen braunen Schnürschuhes, geschmückt mit vergoldeten Lederstreifen in Durchbrucharbeit – ist nichts bekannt. Heute befindet sich dieses Stück in Privatbesitz (Abb. 1: die drei Schuhe vor der Kon1

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Grabner, H., Im Sande verlaufen. Untersuchung, Konservierung und Rückformung von archäologischem Trockenleder am Beispiel sogenannter „koptischer“ Schuhe, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien, Wien 2006. Die Bezeichnung „koptisch“ für Funde aus den spätantiken bzw. frühchristlichen und -islamischen Gräbern Ägyptens ist eine ungenaue und missverständliche Benennung, die jedoch Eingang in die kunsthistorische Literatur gefunden hat.

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servierung). Um Anhaltspunkte für die Datierung und Klassifizierung der behandelten Schuhe zu gewinnen, wurden deren Schnittmuster rekonstruiert und technologische Details eingehend analysiert. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Grundlage für den Vergleich mit anderen Schuhen aus demselben historischen Kontext.3 Die Auseinandersetzung mit „koptischer“ Fußbekleidung aus verschiedenen Sammlungen zeigte darüber hinaus, dass die drei Schuhe charakteristische Schadensbilder aufweisen, die auch für viele der publizierten Vergleichsbeispiele beschrieben sind.4 Neben starken Deformationen sind dies vor allem partielle Veränderungen der Lederoberfläche und -struktur.

schadensursachen Die Vielzahl der Einflüsse, denen die Schuhe im Laufe der Jahrhunderte ausgesetzt waren, macht es nahezu unmöglich, zu bestimmen, zu welchem Zeitpunkt heute festgestellte Schäden entstanden sind. Ein Faktor, der den Zustand der Schuhe zweifellos wesentlich beeinflusst hat, ist ihr Begräbniskontext. Bei „koptischen“ Bestattungen wurden die Verstorbenen nicht im eigentlichen Sinne mumifiziert, sondern gewaschen, mit Natron behandelt, bekleidet, in zahlreiche Textilschichten eingewickelt und auf ein Brett gebunden. Schuhe zog man dem Leichnam entweder an oder steckte sie gemeinsam mit anderen Grabbeigaben zwischen die Lagen der Textilwicklungen. Ohne Sarg wurden diese Mumienbündel in bis zu zwei Meter tiefe Sandgruben gelegt und zugeschüttet. Die Positionierung der Schuhe im Grab und ihr Abstand zum Leichnam sind ausschlaggebend dafür, inwieweit die mit der Zersetzung des bestatteten Körpers einhergehenden Prozesse den Abbau des Leders beschleunigen konnten. Schadensursachen können aber auch in der Auswahl ungeeigneter Materialien oder in Fehlern bei der Herstellung zu suchen sein. Der Gebrauch der Schuhe, die lange Bodenlagerung sowie die mit abrupten Klimaschwankungen und enormer mechanischer Belastung verbundene Ausgrabung sind ebenso zu den schädigenden Faktoren zu zählen wie Handhabung, Bearbeitung und Lagerung im Museum bzw. in privaten Sammlungen.

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Als besonders hilfreich erwiesen sich dabei: Frauberger, H., Antike und frühmittelalterliche Fußbekleidungen aus Achmim-Panopolis, Düsseldorf 1896; Montembault, V., Catalogue des Chaussures de l’Antiquité Égyptienne, Paris 2000, sowie Gall, G., Wente-Lukas, R. et. al., Deutsches Schuhmuseum [Kataloge des Deutschen Ledermuseums mit dem angeschlossenen Deutschen Schuhmuseum, Heft 6], Würzburg 1980. Siehe dazu etwa: Frankenhauser, N., Koptische Schuhe aus Qarara. Schadensbilder und Konservierung von archäologischem Trockenleder, Diplomarbeit, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Stuttgart 2002 und Montembault 2000.

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Auch konservatorische Eingriffe können sich negativ auf den Erhaltungszustand von Leder auswirken. So wurde der braune Schuh vermutlich zu Beginn der 1980er-Jahre einer Restaurierung unterzogen, die eine Desinfektion und Reinigung durch Lösungsmittel- und Komplexonbäder sowie die Konservierung des Leders durch Tränkung mit einem Acrylat mit Vaselinezusatz umfasste.5 Ziel dieser Maßnahmen war es, das stark abgebaute und verhärtete Leder formbar zu machen, zu festigen und vor weiterem Zerfall zu schützen. Tatsächlich erweist sich der Schuh auch über 20 Jahre nach dieser Behandlung als außergewöhnlich flexibel und wasserunempfindlich. Da durch die Acrylharztränkung vor allem die Fleischseite des Leders an Flexibilität gewann, während die dichtere Narbenseite jedoch nahezu unverändert starr blieb, kam es im Laufe der Zeit stellenweise zur Trennung der beiden Schichten. Dies führte in weiterer Folge zum Abschuppen des Narbens und damit einhergehenden Oberflächenverlusten.

untersuchungen und konservierungskonzept Für die Erstellung des Konservierungskonzeptes war es notwendig, ein möglichst umfassendes und detailliertes Bild des Erhaltungszustandes der Schuhe zu erlangen. Dazu mussten alle verwendeten Materialien identifiziert6 und ihr jeweiliger Abbaugrad bestimmt werden. Zu diesem Zweck wurden von jeder Ledersorte an unterschiedlichen Stellen einige Fasern entnommen. An diesen Proben wurden pH-Wert-Messungen durchgeführt, die jedoch keine auffälligen Ergebnisse erbrachten. Die Bestimmung der Schrumpfungstemperatur lieferte wesentlich aussagekräftigere Werte.7 Bei dieser Untersuchung wird die hydrothermale Stabilität des Leders gemessen, das heißt jene Temperatur bestimmt, bei der die angefeuchtete Lederfaser zu schrumpfen beginnt. Dieses Schrumpfen geht auf das Aufbrechen von chemischen Bindungen in den Kollagenketten 5 6

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Für eine ausführlichere Beschreibung der Arbeitsschritte siehe: Lehmann, D., Hinweise zur Lederkonservierung, in: Restauro 3/1983, S. 204–207. Die Identifikation der Lederarten wurde gemeinsam mit Univ.-Lekt. Márta Kissné Bendefy, Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, anhand typischer Merkmale der Oberflächenstruktur durchgeführt. Die Art der Gerbung konnte durch verschiedene mikrochemische Tests ermittelt werden, die Analyse der Nähfäden erfolgte unter dem Mikroskop in Durchlicht bzw. polarisiertem Licht. Für die Durchführung der Tests kam ein Durchlichtmikroskop der Marke LOMO BIOLAM, ausgestattet mit einem Heiztisch der Firma Reichert-Jung und einem Thermometer ROLIN RO-1320 Type K zum Einsatz. Die Proben wurden so weit wie möglich in einzelne Fasern aufgeteilt, für 10 Minuten in destilliertes Wasser gelegt und anschließend auf dem Heiztisch einer langsam steigenden Temperatur ausgesetzt, während sie durch das Mikroskop beobachtet wurden. Die Temperatur, bei der sich die erste Faser bewegte, wurde ebenso vermerkt wie jener Temperaturbereich, in dem alle Fasern in Bewegung waren. Jede Messung wurde mindestens zweimal durchgeführt, um sicherzugehen, dass die Ergebnisse ein gewisses Maß an Reproduzierbarkeit aufweisen.

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zurück und ist ein irreversibler Vorgang. Die Schrumpfungstemperatur hängt von der Art der Gerbung und der Behandlung des Leders ab, gibt jedoch auch Auskunft über dessen Abbaugrad. Die an den Schuhen festgestellten Werte lagen stellenweise bei etwa 30° C. Dies legt nahe, dass jede Art der wässrigen Behandlung des Leders im Extremfall bereits knapp über Zimmertemperatur zum vollständigen Verlust der Faserstruktur und dem damit verbundenen Phänomen der „Gelatinisierung“ führen kann. Dieses Schadensbild, das sich durch dunkel glänzende, je nach Luftfeuchtigkeit glasartig harte bzw. klebrige Stellen auszeichnet, findet sich häufig an archäologischem Trockenleder.8 Es ist in verschiedenen Abstufungen auch an den drei behandelten Schuhen festzustellen. Besonders auffällig zeigt es sich am Oberleder des Pantoffels (Abb. 2: gelatinisierter Bereich am Oberleder des Pantoffels). Auch die Lederschichten, die ursprünglich die Papyrussohle des Pantoffels bedeckten, haben sich infolge fortgeschrittener Gelatinisierung nahezu vollständig aufgelöst. Der festgestellte Abbaugrad des Leders und die damit verbundene Feuchtigkeitsempfindlichkeit hatten zur Folge, dass jede wässrige Behandlung der Objekte mit höchster Vorsicht durchgeführt bzw. gänzlich unterlassen werden musste. Die Reinigung der drei Schuhe erfolgte durch Absaugen mit einem medizinischen Feinstaubsauger. Hartnäckige Schmutzauflagen wurden zusätzlich mit kleinen Stückchen eines Schwammes aus vulkanisiertem Naturkautschuk9, trockenen Wattestäbchen, kleinen Kügelchen von „Groomstick Molecular Trap“10 sowie Radiergummi auf Vinylbasis11 behandelt. Die Vorgehensweise richtete sich dabei nach der Art der Auflagen sowie nach Beschaffenheit und Zustand der Lederoberfläche.

schwerpunkt rückformung Die Rückformung der stark deformierten Schuhe erwies sich als heikelste und schwierigste Problemstellung der Konservierung. Umfangreiche Überlegungen, Literaturre-

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Siehe dazu etwa: Frankenhauser, N., Koptische Schuhe aus Qarara. Schadensbilder und Konservierung von archäologischem Trockenleder, Diplomarbeit, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Stuttgart 2002 und Montembault 2000, S. 18–21; Wills, B., Excavating Desiccated Leather: Conservation Problems on Site and After, in: Wills, B. (Hg.), Leather Wet and Dry. Current Treatments in the Conservation of Waterlogged and Desiccated Archaeological Leather, London 1998, S. 51–62, S. 52 und Montembault 2000, S. 175. 9 „Wallmaster“ – Schwamm aus vulkanisiertem Naturkautschuk. 10 Es handelt sich dabei um eine leicht klebrige, knetbare Masse aus Naturkautschuk, die u.a. in der Papierrestaurierung zur Oberflächenreinigung eingesetzt wird. Bezugsadresse: Preservation Equipment Ltd., Vinces Rd., Diss, Norfolk, England IP22 4HQ. 11 Typ „Plast-Office“ der Marke „Tipp-Ex“. Hersteller: Société BIC, 14 rue Jeanne d’Asnières, F-92611 Clichy Cedex.

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cherchen und Diskussionen gingen diesem Arbeitsschritt voraus, der von den Auftraggebern ausdrücklich erwünscht und für alle weiteren Maßnahmen grundlegend war. Die Sprödigkeit ausgetrockneten Leders beruht zum Großteil auf dem Fehlen sogenannter „freier“ Wassermoleküle. Diese liegen normalerweise – je nach Umgebungsluftfeuchtigkeit – mehr oder weniger zahlreich zwischen den Kollagenfibrillen des Leders, wo sie durch Wasserstoffbrückenbindungen festgehalten werden und eine AbstandhalterFunktion erfüllen. Gehen diese Wassermoleküle im Zuge fortschreitender Austrocknung jedoch verloren, kommt es zu vermehrter Quervernetzung der Kollagenketten, was sich in der zunehmenden Starrheit des Leders niederschlägt.12 Um verhärtetem Leder ein gewisses Maß an Flexibilität zu verleihen, müssen ihm folglich Substanzen zugeführt werden, die diese Abstandhalter-Funktion übernehmen bzw. sich als „Weichmacher“ zwischen die Kollagenketten legen. In der Literatur wird zu diesem Zweck unter anderem der Einsatz von Fetten, Ölen und Wachsen beschrieben.13 Diese machen das Leder zwar vorübergehend weicher, verbleiben jedoch nach der Behandlung im Objekt und können auf lange Sicht sogar Austrocknung und Versprödung fördern, da sie Wasser aus der Lederstruktur verdrängen und dessen Neuaufnahme verhindern. Hygroskopische Substanzen wie Glycerin, Polyethylenglykol und Sorbitol werden häufig herangezogen, um den Feuchtigkeitsgehalt des Leders zu regulieren und seine Wasseraufnahmefähigkeit anzuheben. Auch diese Stoffe verbleiben nach Abschluss der Rückformung im Material und verursachen dort einen permanent erhöhten Feuchtigkeitsgehalt. Dieser kann bei Leder mit besonders hohem bzw. niedrigem pH-Wert zum hydrolytischen Abbau der Kollagenketten führen.14 Nicht-hygroskopische polare Lösungsmittel – zum Beispiel Isopropanol, Ethanol und Methanol – sind in der Lage, Wasserstoffbrückenbindungen mit den Kollagenketten einzugehen und somit, zumindest für die Zeit der Rückformung, die fehlenden freien Wassermoleküle zu ersetzen. Nach der Behandlung verdunsten diese Lösungsmittel vollständig, können dem Leder dabei allerdings Wasser entziehen und somit zum Schrumpfen und Austrocknen beitragen.15 Die einfachste und in den meisten Fällen schonendste Möglichkeit, der Verhärtung des Leders entgegenzuwirken, besteht darin, das betreffende Objekt über den Zeitraum von einigen Tagen bzw. Wochen einer erhöhten relativen Luftfeuchtigkeit auszusetzen. Das Anheben der Umgebungsluftfeuchtigkeit sollte dabei jedoch langsam und schrittweise passieren, da es sonst bei Unregelmäßigkeiten in Faserstruktur und Zustand des

12 Sully, D. M., Humidification: The Reshaping of Leather, Skin and Gut Objects for Display, in: Hallebeek, P. (Hg.), Conservation of Leathercraft and Related Objects, London 1992, S. 50. 13 Ebenda. 14 Ebenda. 15 Ebenda.

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Leders zu lokalen Ausdehnungsunterschieden kommen kann.16 Bei Leder, dessen pHWert außerhalb des Bereiches zwischen vier und zehn liegt, besteht zudem ein erhöhtes Risiko des hydrolytischen Abbaus der Kollagenketten. Um diese Gefahren bei der Behandlung der drei „koptischen“ Schuhe auszuschließen und um sie keinen unnötigen Belastungen auszusetzen, wurde eine Rückformung bei möglichst niedrigen Luftfeuchtigkeitswerten angestrebt. Die Befeuchtung erfolgte in eigens angefertigten Klimakammern, die mittels gesättigter Salzlösungen auf den jeweils gewünschten Wert konditioniert werden konnten (Abb. 3: selbstgebaute Klimakammer). Die Schuhe wurden zunächst über einige Tage hinweg einer relativen Luftfeuchtigkeit von 55  ausgesetzt. Dabei wurde das Leder ständig auf Veränderungen hin kontrolliert. Es zeigte sich, dass diese Maßnahme nicht ausreichte, um für die beiden Schuhe aus dem Joanneum einen ausreichenden Grad an Flexibilität zu erreichen. Einzig der Schuh aus Privatbesitz reagierte auf diese Behandlung, da er durch die zu Beginn der 1980er-Jahre durchgeführte Kunstharztränkung von vornherein wesentlich weicher war. Nach erneuter eingehender Untersuchung der Schuhe wurde beschlossen, die Befeuchtung des braunen und des schwarzen Schuhes bei höheren Luftfeuchtigkeitswerten fortzusetzen. Die Behandlung des Pantoffels wurde an diesem Punkt jedoch abgebrochen, da ein weiteres Anheben der Umgebungsluftfeuchtigkeit aufgrund des fortgeschrittenen Abbaugrades des Leders in diesem Fall mit einem zu großen Risiko verbunden gewesen wäre. Der braune Schuh wies nach wenigen Stunden bei 75  rF ein hohes Maß an Flexibilität auf und konnte problemlos rückgeformt werden. Das Leder des schwarzen Schuhes hingegen war auch nach einigen Tagen in einer auf 80  rF konditionierten Klimakammer unverändert starr. Auch hier schien ein weiteres Anheben der Luftfeuchtigkeit zu riskant, so dass die Befeuchtung des Leders auf einige gut erhaltene Stellen, die für die Formgebung des Schuhes ausschlaggebend waren, beschränkt wurde. Für diese Maßnahme wurden feuchte Löschkartonstückchen verwendet, die durch eine Lage Gore-Tex® von der Objektoberfläche getrennt, über den betreffenden Stellen positioniert und nach einigen Minuten wieder entfernt wurden. Mit dieser Methode konnten lokal Luftfeuchtigkeitswerte von bis zu 90  erzielt und gleichzeitig besonders abgebaute und gefährdete Stellen von der Feuchtigkeitseinwirkung ausgespart werden.17 Diese Behandlung erlaubte zwar keine vollständige Rückformung des Schuhes, machte es jedoch möglich, die Fersennaht punktuell zu schließen und somit die Form des Schuhes zu stabilisieren.

16 Sully, D. M., Humidification: Humidification: Th Thee Reshaping of Leather, Skin and Gut Objects for Display, in: Hallebeek, P. (Hg.), Conservation of Leathercraft and Related Objects, London 1992, S. 51. 17 Singer, H., Dobrusskin, S. und Banik, G., Behandlung wasserempfindlicher Objekte mit GORE-TEX, in: Restauro 2/1991, S. 103.

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konservierung Die Konservierung der beiden Schuhe aus dem Besitz des Joanneums war an diesem Punkt abgeschlossen. Nur am rückgeformten braunen Schuh aus Privatbesitz wurden zusätzlich Fehlstellen ergänzt und besonders geschwächte Bereiche hinterklebt. Dazu wurden insgesamt sechs Stücke eines vegetabil gegerbten Ziegenleders in der entsprechenden Form zugeschnitten, jeweils im passenden Ton eingefärbt18 und entlang ihrer Ränder ausgeschärft. Als Klebstoff kam – aufgrund der geeigneten mechanischen Eigenschaften, guten Verarbeitbarkeit und bekannten Alterungsbeständigkeit – eine Mischung aus zwei Acrylatdispersionen zum Einsatz.19 Um eine Schädigung der Schuhe durch den Wasseranteil der Dispersionen auszuschließen, wurde deren Reaktivierbarkeit durch Lösungsmittel ausgenutzt. Erst nach dem Trocknen des Klebstoffes wurde das Ergänzungsleder unter der jeweiligen Fehlstelle positioniert und die Klebkraft der Acrylatdispersion durch Einbringen von Isopropanol reaktiviert. Ein weiterer Arbeitsschritt, der ausschließlich am braunen Schuh durchgeführt wurde, war das Festigen der abstehenden Oberflächenschollen. Dafür wurde hinter jede einzelne Scholle mit einem Pinsel bzw. einer Spritze Klebstoff eingebracht, bevor diese niedergelegt und mithilfe kleiner Magnete für die Trocknungszeit fixiert wurde. Die beiden Fragmente der Papyrussohle des Pantoffels mussten ebenfalls gefestigt werden,20 bevor sie wieder zusammengefügt werden konnten. Zur Verstärkung der Verbindung wurden zwei Streifen aus neuem Papyrus eingesetzt.21

verpackung Um dem Entstehen von Schäden durch Handhabung, Transport und Aufbewahrung vorzubeugen, war es notwendig, für eine geeignete Verpackung der Objekte zu sorgen. Jeder der drei Schuhe erhielt eine Aufbewahrungsschachtel aus säurefreiem, stabilem Karton, die mit einem Stülpdeckel versehen ist und an einer Schmalseite aufgeklappt

18 Es kamen dabei lichtechte Metallkomplexfarbstoffe Metallkomplexfarbstoffe zur Anwendung, die von der Firma Ciba-Geigy speziell für das Färben von Leder hergestellt und unter dem Namen „Irgaderm“ vertrieben wurden. Sie werden heute jedoch nicht mehr produziert. 19 Eine Mischung aus drei Teilen der Acrylatdispersion Lascaux 498 HV und einem Teil Lascaux 360 HV erwies sich als geeignet. 20 Die Sohlenfragmente wurden mehrfach mit einem 10igen Klucel L in Ethanol-Gel – mit Wasser auf etwa 2  verdünnt – besprüht. 21 An dieser Stelle sei Mag. Andrea Donau, Restauratorin in der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, herzlich für ihre Hilfe bei der Behandlung der Papyrussohle des Pantoffels gedankt.

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werden kann.22 In den Schachteln liegen die Schuhe jeweils auf einem Tableau, das so gearbeitet ist, dass die Sohle vollflächig unterstützt ist. Um ein erneutes Zusammensacken des rückgeformten braunen Schuhes zu verhindern, erhielt dieser eine zweiteilige Auspolsterung. Ein Polster hält dabei den vorderen Bereich des Schuhes in Form, während ein U-förmig gebogener Plastazotestreifen23 den Fersenbereich stützt. Beide Teile wurden mit Seidenjersey überzogen. Bei allen durchgeführten Maßnahmen bildete die extreme Wasserempfindlichkeit, die für archäologisches Trockenleder typisch ist und an den vorliegenden Schuhen durch naturwissenschaftliche Untersuchungen auch bestätigt werden konnte, eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Weitere Erkenntnisse, die im Zuge der vorgenommenen Zustandserfassung gewonnen wurden, flossen ebenfalls in die Wahl der angewandten Arbeitsweisen und Materialien mit ein. Für die Reinigung, Festigung und Ergänzung konnten Methoden gefunden werden, die gänzlich ohne den Einsatz von Wasser auskamen. Ein Problem stellte in diesem Zusammenhang allerdings die geplante Rückformung der Schuhe – insbesondere jener aus der Sammlung des Joanneums – dar. Der Schuh aus Privatbesitz wich, teilweise bedingt durch eine frühere Restaurierung, in seinem Erhaltungszustand und vor allem in der Flexibilität des Leders stark von den beiden Grazer Exemplaren ab, sodass hier eine umfassendere Restaurierung durchgeführt werden konnte. Durch Reinigung, Sicherung gefährdeter Bereiche und entsprechende Verpackung wurde der Zustand der Schuhe jedoch in allen drei Fällen erheblich verbessert (Abb. 4: die drei Schuhe nach der Konservierung).

Abstract Close examination of the technological composition, damage and condition of three “Coptic” shoes provided the basis for a concept for the conservation of these water sensitive burial finds. The cleaning and consolidation of the leather as well as the restoration of damaged areas could be accomplished without the use of water. In some instances the planned reshaping of the heavily deformed objects had to be terminated due to the advanced degradation of the leather. Keeping the pieces in specially designed storage boxes helps to prevent further damage.

22 Stülpschachteln „NOMI-Box KS 12“. Bezugsadresse: KLUG- Conservation, Badeweg 9, D-87509 Immenstadt. 23 Polyethylen-Schaum Plastazote LD 33. Bezugsadresse: Eurofoam GmbH, Greinerstraße 70, A-4550 Kremsmünster.

Die Konservierung und Rückformung sogenannter „koptischer“ Schuhe

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literatur Frankenhauser, N., Koptische Schuhe aus Qarara. Schadensbilder und Konservierung von archäologischem Trockenleder, Diplomarbeit, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Stuttgart 2002 und Montembault 2000. Frauberger, H., Antike und frühmittelalterliche Fußbekleidungen aus Achmim-Panopolis, Düsseldorf 1896. Gall, G., Wente-Lukas, R. et. al., Deutsches Schuhmuseum [Kataloge des Deutschen Ledermuseums mit dem angeschlossenen Deutschen Schuhmuseum, Heft 6], Würzburg 1980. Grabner, H., Im Sande verlaufen. Untersuchung, Konservierung und Rückformung von archäologischem Trockenleder am Beispiel sogenannter „koptischer“ Schuhe, Diplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien, Wien 2006. Lehmann, D., Hinweise zur Lederkonservierung, in: Restauro 3/1983, S. 204–207. Montembault, V., Catalogue des Chaussures de l’Antiquité Égyptienne, Paris 2000. Singer, H., Dobrusskin, S. und Banik, G., Behandlung wasserempfindlicher Objekte mit GORETEX, in: Restauro 2/1991, S. 103. Sully, D. M., Humidification: The Reshaping of Leather, Skin and Gut Objects for Display, in: Hallebeek, P. (Hg.), Conservation of Leathercraft and Related Objects, London 1992. Wills, B., Excavating Desiccated Leather: Conservation Problems on Site and After, in: Wills, B. (Hg.), Leather Wet and Dry. Current Treatments in the Conservation of Waterlogged and Desiccated Archaeological Leather, London 1998 und Montembault 2000.

regina knaller

Der sogenannte Mantel der heiligen Elisabeth konservierungswissenschaftliche untersuchungen und neue erkenntnisse

zusammenfassung Im Zuge der Feierlichkeiten zum 800. Geburtstag der hl. Elisabeth von Thüringen wurde eine detaillierte Untersuchung des ihr zugeschriebenen Mantels durchgeführt. Da dieser außergewöhnlichen mittelalterlichen Gewandreliquie bisher nicht gebührende Aufmerksamkeit zuteil geworden war, standen textil-, konservierungs- und materialwissenschaftliche Untersuchungen im Vordergrund. Literaturrecherchen ergaben, dass 1914 Restaurierungsarbeiten durchgeführt wurden. Durch Abbildungsvergleiche sind Veränderungen und Reparaturen nachvollziehbar geworden. Bestätigt werden konnte, dass noch im 20. Jahrhundert Stofffragmente abgeschnitten wurden, wohl um als Reliquien weitere Verwendung zu finden. Wichtige Erkenntnisse konnten aufgrund textiltechnologischer Analysen gewonnen werden. Auf der Geweberückseite wurden Reste von wohl originalen rosafarbenen Futterstoffen entdeckt. Die Provenienz des Gewebes wurde neu bestimmt und mithilfe naturwissenschaftlicher Untersuchungen des Metallfadens untermauert. Eine Radiokohlenstoffdatierung gab schließlich Antwort auf die schon lange bestehende Frage nach dem Alter der Kölner Borte.

Der sogenannte Mantel der heiligen Elisabeth zählt zu den wertvollsten mittelalterlichen Textilien, die sich in Österreich erhalten haben. Er befindet sich im Besitz des Konvents der Elisabethinen in Klagenfurt und ist in das frühe 13. Jahrhundert zu datieren.1 Bezüglich der Herkunft des aus Seide und Metallfäden hergestellten Gewandes gibt es keine gesicherten Überlieferungen. Es wird vermutet, dass es von Kaiser Friedrich II.2 1

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Riegl ordnet den Mantel zeitlich in das 13., ev. auch schon in das 12. Jahrhundert ein. Vgl. Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, S. 198, Sp. 193–200. – Eine erste genauere Datierung nimmt von Wilckens, L., Die textilen Künste. Von der Spätantike bis um 1500, München 1991, S. 541, vor. Friedrich II., *1194, vom Geschlecht der Staufer war von 1220 bis zu seinem Tode 1250 römisch-deutscher Kaiser.

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anlässlich der Erhebung der Gebeine der heiligen Elisabeth von Thüringen3 1236 gestiftet wurde.4 Ob das Gewebe zum Zeitpunkt der Stiftung als Stoffbahn oder bereits in der auf uns gekommenen Form eines Chormantels5 vorlag, ist unbekannt. Wie der Mantel von Marburg6 nach Wien gekommen sein könnte, bleibt (vorerst) ungeklärt und bedarf weiterer eingehender Archivforschung. Wahrscheinlich gelangte er durch eine Stiftung von Erzherzogin Marianna7 in das Elisabethinen-Kloster nach Klagenfurt.8 Anlässlich des 800. Geburtstages der Heiligen sollte der Mantel im Jubiläumsjahr 2007 in einer Elisabeth-Ausstellung auf der Wartburg in Eisenach, Deutschland, präsentiert werden. Da er sich in einem sehr schlechten Erhaltungszustand befand, war eine umfassende Konservierung und Restaurierung unbedingt erforderlich.9 Ab November 2006 konnte eine detaillierte Untersuchung und Konservierung dieser einzigartigen mittelalterlichen Gewandreliquie am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien realisiert werden. Eine ausführliche konservierungswissenschaftliche Bearbeitung dieser mittelalterlichen Reliquie war bislang nicht durchgeführt worden. Neben der Stabilisierung des Ge3

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Elisabeth von Thüringen, *1207, †1231, Tochter von König Andreas II. von Ungarn und Gertrud von Kärnten-Andechs-Meran kam als Vierjährige zur Erziehung auf die Wartburg. 1221 mit Landgraf Ludwig IV. von Thüringen vermählt, wurde sie schon zu Lebzeiten als Heilige verehrt und bereits vier Jahre nach ihrem Tod kanonisiert. Von Wilckens, L., Die textilen Künste. Von der Spätantike bis um 1500, München 1991, S. 544. Chormantel ist die Bezeichnung für ein liturgisches Gewand; Verwendung finden auch die Begriffe Pluviale, Rauch- oder Vespermantel. Elisabeth verstarb in dem von ihr gegründeten Franziskushospital in Marburg. Vgl. Schmidt, P. G., Die zeitgenössische Überlieferung zum Leben und zur Heiligsprechung der heiligen Elisabeth, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, S. 1. Marianna, *1738, †1789, war die älteste Tochter von Kaiserin Maria Theresia. Nach dem Tode ihrer Mutter verlegte sie ihren Wohnsitz zu den Elisabethinen in Klagenfurt. Wie der Mantel in den Besitz von Marianna gelangte, bedarf ebenso weiterer Forschungen. Ausführungen zur vermuteten Verbringung des Mantels von Marburg über Wien nach Klagenfurt finden sich bei Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, Sp. 198ff.; von Wilckens, L., Der »Mantel der Heiligen Elisabeth« im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 542; im Besonderen bei Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, S. 419f. (mit Anmerkungen). Die durchgeführten Konservierungsmaßnahmen sind im vorliegenden Artikel nicht berücksichtigt; sie sollen in einem separaten Bericht veröffentlicht werden.

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webes standen daher textiltechnologische Untersuchungen und konservierungswissenschaftliche Maßnahmen, die von den Naturwissenschaften unterstützt werden sollten, im Vordergrund. Unter der Projektleitung der Verfasserin wurde ein Team mit klar definierten Aufgabenbereichen zusammengestellt. Erste Voruntersuchungen hinsichtlich früherer Eingriffe wurden im Rahmen eines Vordiploms durchgeführt.10 Für die Durchführung der Konservierungs- bzw. Restaurierungsarbeiten wurden zwei erfahrene Textilrestauratorinnen hinzugezogen.11

objektbeschreibung „Das ungewöhnliche Muster, das sorgfältig durchkomponiert und sehr exakt ausgeführt worden, aber dennoch von eigenartiger zeichnerischer Unbeholfenheit ist (…) Zwischen den zu Kreisscheiben erweiterten vertikalen Bändern stehen in dichtem Blattwerk im Wechsel ein geflügelter Löwe, ein Raubvogel und ein Greif beziehungsweise eine Taube, ein Hahn und ein weiterer, diesmal gekrönter und geflügelter Löwe. Mit seinem dunkelblauen Grund, sparsamen Akzenten in Hellgrün, wenig Hellblau und Rosa, und mit verschwenderischem Gebrauch von Gold war das Gewebe mit Sicherheit von großer Kostbarkeit und in jedem Fall sowohl einer Landgräfin als auch einer Heiligen würdig.“12

10 Sixt, A., Der sogenannte Mantel der Hl. Elisabeth aus dem Konvent der Elisabethinen in Klagenfurt – Voruntersuchungen zur Konservierung/Restaurierung, Vordiplom, Universität für angewandte Kunst Wien, WS 2006/07; Bestandteile des schriftlichen Vordiploms sind in diesen Bericht eingeflossen. 11 Sabine Svec ist in der Paramenten-Restaurierung der Kunstkammer am Kunsthistorischen Museum Wien tätig. Margot Birklbauer ist leitende Textilrestauratorin der Uniform-Abteilung am Heeresgeschichtlichen Museum in Wien; von 2006–2009 war sie Lehrbeauftragte am Institut für Konservierung und Restaurierung. – Teile dieses Aufsatzes wurden dem unpubl. Konservierungs-und Restaurierungsbericht von Knaller in Zusammenarbeit mit Svec 2009 entnommen. Knaller, R., in Zusammenarbeit mit Sabine Svec, Der sogenannte Mantel der Heiligen Elisabeth aus dem Konvent der Elisabethinen in Klagenfurt, unpubl. Konservierungs- und Restaurierungsbericht, Wien 2009. 12 Beschreibung Regula Schorta in: Schorta, R., Knaller, R., Sog. Mantel der Heiligen Elisabeth, in: Elisabeth von Thüringen – Eine europäische Heilige, Katalog, hrsg. von Dieter Blume und Matthias Werner, Petersberg 2007, S. 72. – Weitere ausführliche Beschreibungen der Musterung finden sich bei Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, Sp. 194–197; von Wilckens, L., Der „Mantel der Heiligen Elisabeth“ im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 542, und Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, S. 418.

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Der in halbrunder Form vorliegende Mantel misst an seiner höchsten erhaltenen Stelle 132,5 cm und an der breitesten 294,5 cm. Er setzt sich aus mehreren Schnittteilen zusammen. Eine große querliegende Stoffbahn (Gewebebahn I) wurde unten, beidseits der Mitte, durch je drei angesetzte Schnittteile zum Halbkreis ergänzt. An der oberen Kante haben sich unterschiedlich breite Reste einer weiteren Gewebebahn (II) erhalten. Alle Teile weisen eine liegende Kettrichtung13 auf (Abb. 1). Im oberen (vorderen) Bereich ist der Mantel stark beschnitten. Entlang der Rückenmitte sind beidseits der Borte, ca. in der Mitte, zwei Flicken auf die Gewebebahn I appliziert. Vier weitere Flicken wurden im oberen Bereich angenäht, sodass das Gewebe hier in doppelter – wenngleich zusammengeflickter – Stofflage vorliegt. Die Flicken zeigen alle das gleiche Muster. Beim Saum, links von der Borte, ist eine Fehlstelle mit unregelmäßig beschnittenen Kanten zu sehen. Die Rückenmitte des Pluviales ziert eine sogenannte Kölner Borte. Der 117,5 cm14 hohe und 8,5 cm breite Streifen zeigt von oben nach unten, auf dem Kopf stehend, zuerst ein Bäumchen, dann „ihesus“. Die Mittelachse bildet ein Vierpass, darunter folgt – in richtiger Leserichtung – „maria“, ein zweites Bäumchen und als Abschluss ein Stern-Motiv.15 Die in dunkelblauen Minuskeln ausgeführte Schrift sowie die in Rot, Grün und wenig Weiß gehaltenen Motive erscheinen vor goldenem Grund.16 Die Längskanten überdeckt ein schmaler blauer Stoffstreifen, der oben etwas kürzer als die Kölner Borte ist.17

13 Unter einer „liegenden“ Kettrichtung ist zu verstehen, dass die Stoffbahn nicht entsprechend ihrer Herstellung, sondern quer verarbeitet wurde. Der Kettrichtung entsprechend sind die Figuren dargestellt, d.h., sie „liegen“ vor dem Betrachter. 14 Am unteren Ende sind davon ca. 0,5 cm nach hinten umgebogen. 15 Die gegensätzliche Leserichtung führt die Verfasserin zur Annahme, dass die Borte wohl für ein Manipel gefertigt wurde. – Ich danke Gudrun Sporbeck für den Hinweis, dass ihr der Richtungswechsel bei Inschriften häufiger im Schulterbereich von Dalmatiken aufgefallen sei; E-Mail vom 24. 09. 2007. In diesem Falle wäre die Höhe der gegenständlichen Borte von annähernd 1,20 m außergewöhnlich. – Eine der unseren vergleichbare, ebenso mit einem Richtungswechsel versehene und im Schulterbereich einer Dalmatik angebrachte Kölner Borte ist bei Sporbeck, G., Die liturgischen Gewänder, 11. bis 19. Jahrhundert, Bestandskatalog, Museum Schnütgen [Sammlungen des Museums Schnütgen, Bd. 4], 2001, Kat. 23.2, Rotbraune Samtdalmatik mit Kölner Borten (S. 132, Abb. 23.2c-d), zu sehen. 16 Kölner Borten mit vergleichbarem Muster, jedoch ohne Richtungswechsel, finden sich z. B. bei Sporbeck, G., Die liturgischen Gewänder, 11. bis 19. Jahrhundert, Bestandskatalog, Museum Schnütgen [Sammlungen des Museums Schnütgen, Bd. 4], 2001, Kat. 1, Kasel des Hl. Anno, (S. 54, Abb. 1a und S. 56, Abb. 1c); Kat. 18, Blaue Dalmatik mit Kölner Borten (S. 107, Abb. 18a); Kat. 21.2, Dalmatik aus blauem Samt mit gewebten Borten (S. 118, Abb. 21.2a und S. 119, Abb. 21.2b) und Kat. 23.2, Rotbraune Samtdalmatik mit Kölner Borten (S. 131, Abb. 23.2a-b und S. 132, Abb. 23.2c-d). 17 Eine Detailaufnahme der Borte ist bei Krist, G., Knaller, R., Hösl, E., Kostüme, Tapisserien & Co – Die Textilrestaurierung an der Universität für angewandte Kunst Wien, in: Historische Textilien – Konservierung, Deponierung, Ausstellung [Restauratorenblätter 27], Klosterneuburg 2007/2008, S. 22, Abb. 7, zu sehen.

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Der Mantel ist mit einem leuchtend gelben Seidengewebe gefüttert. Während die obere Kante unversäubert blieb und das Futter an den Fehlstellen stark kontrastierend hervorsteht, sind die restlichen Kanten mit der gelben Seide umfasst und bilden auf der Objektvorderseite eine schmale Einrahmung.18 Am Futterstoff sind großflächig Reparaturen zu erkennen. Sie führen durch alle Stofflagen, d. h., bei diesen Ausbesserungsnähten handelt es sich um den/die zuletzt am Objekt vorgenommenen Eingriffe.

material und technik Grundgewebe Der Stoff wurde in der sogenannten „Lampas-Technik“, einer vom hohen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert üblichen Gewebetechnik, erzeugt.19 Dafür werden zwei Kett(Haupt- und Bindekette) und mindestens zwei Schusssysteme (Grund- und wenigstens ein Musterschuss) benötigt. Hauptkette und Grundschuss bilden den Grund des Gewebes, die Bindekette und der bzw. die Musterschüsse bilden das Muster, unter dem der Grund des Gewebes weiterläuft. Beim Gewebe des Elisabethmantels wurden für die Kette abwechselnd zwei dunkelblaue Hauptkettfäden20 und ein weißer Bindekettfaden verwendet. Die Schusseinträge bestehen aus einem braunen Grundschuss und drei Lancierschüssen (LS):21 einem doppelten Ledergoldfaden22 (LS I), einem grünen Seidenfaden (LS II) sowie, als drittem Schusseintrag, einer – für zusätzliche Farbakzente zuständigen – gebändert verwendeten roten bzw. blauen Seide (LS III).23 18 Die Breite der Einrahmung variiert von 1,7 cm (links und unten) bis zu 0,5 cm (rechts). 19 Siehe z. B. CIETA Notes on Hand-weaving Techniques in Plain and Figured Textiles. Übersetzt aus dem Französischen von Sarah Frantz, Jean Mailey, Eleanor Sachs et. al., Lyon 1987, S. 29ff. – Eine gut verständliche Erklärung zum Entstehen dieser Gewebetechnik gibt Schorta, R., Zur Entwicklung der Lampastechnik, in: Islamische Textilkunst des Mittelalters: Aktuelle Probleme, [Riggisberger Berichte Bd. 5], Riggisberg 1997, S. 173–180. 20 Vgl. dazu von Wilckens, L., Die textilen Künste. Von der Spätantike bis um 1500, München 1991, S. 92 (mit Anm. 72), die bereits auf die Verwendung von blauen Hauptkettfäden bei aus dem Irak oder dem Iran stammenden Geweben hinweist. 21 Der Lancierschuss ist ein zur Musterung dienender Schuss, der von Webkante zu Webkante verläuft. Er flottiert auf der Gewebeoberseite und wird dem Muster entsprechend abgebunden. An den Stellen, an denen er nicht auf der Gewebeoberseite sichtbar ist, kann er auf der Gewebeunterseite flottieren oder auch angebunden sein oder abgeschnitten werden. Vgl. dazu CIETA Vokabular deutsch – Vokabular der Textiltechniken. Deutsch. Zusammengestellt von Alfred Bühler [u.a.] CIETA, Lyon 1971, S. 51f. (Schuss). 22 Als Ledergold wird ein um einen sog. „Seelfaden“ gewickeltes vergoldetes Lederstreifchen bezeichnet. Vgl. dazu CIETA Vokabular deutsch – Vokabular der Textiltechniken. Deutsch. Zusammengestellt von Alfred Bühler [u.a.] CIETA, Lyon 1971, S. 38f. (Metallfaden). 23 Grundgewebe: Technische Bezeichnung: Lampas mit Grund in Leinwandbindung aus 2 doppelten

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Borte Die am Mantel aufgenähte Borte gehört, wie erwähnt, zur Gruppe der sogenannten „Kölner Borten“. Das sind bandartige Halbseidengewebe, die zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert im Kölner Raum hergestellt wurden. Anfangs noch sehr schmal, wurden sie später immer breiter und oft reich bestickt.24 Alle jedoch sind in der Technik des Samit25 hergestellt. Auch diese Gewebe bestehen aus zwei Kettsystemen – immer im Verhältnis von zwei Haupt- zu einem Bindekettfaden – und mindestens zwei Schüssen (Schuss I und Schuss II etc.). Anders als beim Lampas hat die Hauptkette keine bindende Funktion, sondern trennt die Schüsse derart, dass sich immer ein Schuss auf der Gewebevorderseite und der bzw. die weiteren auf der -rückseite befinden. Nur die Bindekette hat eine bindende, also das Gewebe zusammenhaltende Funktion. Die den Samit charakterisierende Köperbindung zeigt bei den Kölner Borten vorwiegend einen S-Grat, in den ungemusterten Bereichen ist auch ein wechselnder Grat (Spitzgratköper) möglich. Als sichtbare Materialien werden Gold und Seide, als nicht sichtbare Flachs (für Hauptkette und einen Schusseintrag) verwendet. Die vorherrschenden Farben sind das Gold des Grundes sowie Rot und Blau für die Musterung. Bäumchen finden sich häufig, die Bildsequenzen wechseln sich durch Motiv und Schrift ab.26 Hauptkettfäden und Grundschuss und Muster in Köper 1/2 S-Grat aus Bindekette und Lancierschuss I und II, partiell aus Lancierschuss III. Kette: 2 doppelte Hauptkettfäden zu 1 Bindekettfaden; Hauptkette Seide, Z-Drehung, doppelt, dunkelblau; Bindekette Seide, Z-Drehung, einfach, weiß; Stufung: 2 doppelte Hauptkettfäden; 42–46 doppelte Haupt- und 21–23 Bindekettfäden/cm. Schuss: 1 Grundschuss, je 1 Lancierschuss I bis III; jede Passée mit gleicher Schussfolge; Grundschuss Seide, ohne erkennbare Drehung, braun; Lancierschuss I Leder vergoldet um Baumwollseele (starke Z-Drehung, weiß), Montage Z, riant, doppelt; Lancierschuss II Seide, ohne erkennbare Drehung, grün; Lancierschuss III Seide, ohne erkennbare Drehung, lachsrosa, hellblau (nach dem Vorkommen des Farbeintrages), interrompu, latté; Stufung: 1 Passée; 17–19 Passées/cm. Webbreite inklusive Webkanten 92 cm. – „Riant“ [franz. lächelnd] ist die Benennung für einen mit einem Metalllahn umwickelten Seelfaden, wobei dieser nicht vollständig vom Metall bedeckt ist; als „interrompu“ [franz. unterbrochen] werden die nur streifenweise vorkommenden Schusseinträge bezeichnet; „latté“ gibt einen Farbwechsel an, wenn also z. B. zwei Farben immer abwechselnd vorkommen. – Die im Französischen üblichen Bezeichnungen werden auch im Deutschen verwendet. 24 Es wurden Breiten von 3 bis 22 cm festgestellt. Vor dem 14. Jahrhundert finden sich kaum Breiten über 7 cm, jene mit mehr als 7 cm Breite kommen ab dem 15. Jahrhundert vor. 25 Im Deutschen ist auch der Begriff „Köper-Schuss-Kompositbindung“ geläufig. Vgl. dazu CIETA Vokabular deutsch – Vokabular der Textiltechniken. Deutsch. Zusammengestellt von Alfred Bühler [u.a.] CIETA, Lyon 1971, S. 53 (Schuss-Kompositbindung). 26 Kölner Borte: Technische Bezeichnung: Samit 1/2 mit wechselndem Grat im Grund und S-Grat im Muster. Kette: 2 Hauptkettfäden zu 1 Bindekettfaden; Hauptkette Leinen, Zwirn S aus 2 Fäden Z-Drehung, doppelt, ungefärbt; Bindekette Seide, Zwirn S aus 2 Fäden schwache Z-Drehung, rot; Stufung: 2 Hauptkettfäden; 18–20 Haupt- und 9–10 Bindekettfäden/cm. Schuss: Je 1 Schuss I bis IV; jede Passée mit gleicher Schussfolge; Schuss I Goldlahn um Leinenseele (S-Drehung, ungefärbt) Montage S, couvert (stark vergangen); Schuss II Leinen, Z-Drehung, ungefärbt; Schuss III Seide, ohne erkennbare Drehung, rot,

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durchgeführte untersuchungen Erforschung der Restauriergeschichte anhand von Bild- und Textvergleichen Zu den früheren Eingriffen bzw. Alt-Restaurierungen haben sich in den Archiven des Elisabethinen-Klosters keine Unterlagen gefunden. Eine Rekonstruktion anhand der bisher publizierten Aufsätze und Abbildungen war daher von Interesse. Alois Riegl machte 1892 erstmals auf das Objekt aufmerksam.27 Neben einer ausführlichen Beschreibung lichtet er sowohl eine Detail- als auch eine Gesamtaufnahme des Elisabeth-Mantels ab.28 Auf letzterer ist zu sehen, dass das Pluviale an der oberen rechten Kante bereits stark beschnitten ist, ebenso zeigt die linke Oberkante Verluste. Die unversäuberten Kanten des Saumes sind – trotz eines deutlich sichtbaren Umbuges – nicht nach hinten umgebogen. Eine Fehlstelle mit unregelmäßigen dunklen Rändern ist unten, links der Mitte, zu erkennen. Deutlich zu erfassen sind auch die Stellen mit den großflächig ausgeführten Reparaturen. Die Borte ist ohne Umbug auf den Mantel genäht und das Objekt liegt in ungefüttertem Zustand vor. Moriz Dreger hat 1904 den Mantel ohne weiteren Kommentar in sein umfassendes Werk über die Weberei und Stickerei aufgenommen. Die Abbildung im Tafelband zeigt einen Ausschnitt des bereits bei Riegl zu sehenden Details.29 Eine weitere Aufnahme findet sich in der 1910 von Adolf Innerkofler zur Feier des 200-jährigen Bestehens vom Elisabethinen-Konvent herausgegebenen Jubelgabe. Der Mantel ist (wohl an zwei Nägeln) mit der Rundung des Saums nach oben aufgehängt.30

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grün, blau, interrompu, latté; Schuss IV Seide, ohne erkennbare Drehung, weiß, interrompu; Stufung: 2 Passées; 28–31 Passées/cm. Anschuss: unten erhalten; ca. 7 mm hoch (11 Passées = 22 Schusseinträge). Webbreite inklusive Webkanten 8,5 cm, Randkettfaden wohl doppelt. – „Couvert“ [franz. bedeckt] bezeichnet einen mit einem Metalllahn umwickelten Seelfaden, wobei dieser vollständig vom Metall bedeckt ist. Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, Sp. 193–200. Ebenda, Tafel VIII (Detail-) und Sp. 197–198 (Gesamtaufnahme); vgl. von Wilckens, L., Der „Mantel der Heiligen Elisabeth“ im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der PhilippsUniversität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 542, die bereits darauf hinweist, dass die Detail-Abbildung bei Riegl auf dem Kopf steht. Dreger, M., Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei innerhalb des europäischen Kulturkreises von der spätantiken Zeit bis zum Beginne des XIX. Jahrhunderts, Kaiserlich-Königliches Österreichisches Museum für Kunst und Industrie Wien, 1 Textbd., 2 Tafelbde., Wien 1904, Tafelbd. I, Taf. 83 [nach Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, Taf. VIII]. Innerkofler, P. A. C. Ss. R., Eine große Tochter Maria Theresias: Erzherzogin Marianna, in ihrem Haupt-

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Obschon es sich um keine gute Abbildung handelt, sind im mittleren Bereich dieselben Fehlstellen wie schon bei Riegl zu erkennen. Die Borte unten ist nicht umgebogen, das Objekt ungefüttert. Lediglich links der Kölner Borte, ca. in der Mitte, steht ein Stoffteil ab, darunter ist der schmale Streifen der Einfassung umgebogen, d.h., die Nähte haben sich geöffnet. Eine erste „tief greifende und wissenschaftlich fundierte Bearbeitung“ erfolgte 1981 durch Leonie von Wilckens aus Anlass des 750. Todestages der heiligen Elisabeth.31 Als Provenienz des Gewebes vermutet sie Sizilien, als Entstehungszeit ca. 1230–35.32 Als Erste publiziert sie eine textiltechnische Analyse und beschreibt den Metallfaden als „Häutchengold um Seidenseele“.33 Sie vermutet „… in der Mitte eine gleichfalls nicht originale Naht, auf die eine gestückelte Borte in der Art der mittelalterlichen Kölner aufgesetzt ist …“.34 Ferner führt sie an, dass der gelbe Futterstoff 1914 angebracht wurde, ohne jedoch Angaben zu machen, woher diese Information stammt.35 Zuletzt erwähnt von Wilckens, dass sie bei dem vorliegenden Objekt „… möglicherweise an eine Gabe Kaiser Friedrichs II., als er 1236 das Grab der Heiligen besuchte …“ denke.36 Auf der Abbildung sind deutlich die großflächigen Flickstellen sowie der gelbe Futterstoff sichtbar.37 Die Präsentation des Mantels 1988 in der Hemma von Gurk-Ausstellung auf der Straßburg bei Gurk, Kärnten, war schließlich Grund für eine neuerliche – und bis zur gegenständlichen Untersuchung letzte – Besprechung des Mantels durch Dora Heinz.38

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Monumente, dem Elisabethinenkloster zu Klagenfurt, Jubelausgabe zur Feier des 200jährigen Bestehens vom Elisabethinen-Konvent herausgegeben, Innsbruck 1910, ergänzt und neu gedruckt, Klagenfurt 1993, Abb. S. 103. Obwohl auf der Abbildung die untere Kante des Mantels im Bild oben zu sehen ist, werden im vorliegenden Text die Seitenbezeichnungen (oben, rechts etc.) so verwendet, wie sie tatsächlich vorkommen. Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, S. 418. Von Wilckens, L., Der »„Mantel der Heiligen Elisabeth“ im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 541, S. 544. Ebenda, S. 542. – Häutchengold bezeichnet eine vergoldete Membran (meist ungegerbte Darmhaut tierischer Herkunft), die um einen Seelfaden gewickelt wird; vgl. dazu CIETA Vokabular deutsch – Vokabular der Textiltechniken. Deutsch. Zusammengestellt von Alfred Bühler [u.a.] CIETA, Lyon 1971, S. 38f. (Metallfaden). Ebenda, S. 542. Warum von Wilckens von einer „gestückelten“ Borte spricht, ist nicht verständlich, da sie das Objekt wohl im Original betrachten konnte (?). Ebenda, S. 542. Ebenda, S. 544. Ebenda, Abb. S. 543. Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, S. 417–420.

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In ihren Ausführungen verweist sie auf von Wilckens, übernimmt deren Einordnung des Gewebes hinsichtlich Provenienz und Datierung und betont, dass erst dadurch dieses außergewöhnliche Objekt „… einer breiteren Fachöffentlichkeit bekannt gemacht worden“ sei.39 Heinz führt des Weiteren aus: „Eine genaue Untersuchung alter Nähte usw. ist zurzeit nicht möglich, da der Mantel auf ein neues gelbes Seidenfutter aufgeheftet ist und viele Stopfstellen durch Gewebe und Futter gehen, sodass die Rückseite nicht zu beurteilen ist.“40 Die Abbildung zeigt zunächst die bereits beschriebenen großflächig ausgeführten Reparaturen und Fehlstellen. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass – im Vergleich zu den älteren Aufnahmen – an der linken oberen Kante weitere Stoffstückchen herausgeschnitten wurden.41 Erstmals ist zu sehen, dass die Kölner Borte an ihrer unteren Kante umgeschlagen und nach hinten gebogen ist. Im Gegensatz zum straff gespannten Futterstoff zeigt das Originalgewebe Überweite, die durch die wellige Oberfläche des Stoffes zu erkennen ist. Oben links, zwischen Original- und Futterstoff, blitzt ein Streifen Vlieseline42 hervor. Ergebnisse aus Text- und Bildvergleichen Aufgrund der vorhandenen Dokumente ist es nicht möglich, eine exakte Aussage über den Zeitpunkt, wann die Fragmente, vor allem an der oberen linken Kante, entfernt wurden, zu machen. Die Fotografien bei Riegl und Innerkofler geben keine Auskunft darüber,43 deutlich wird das Fehlen der Stoffteile erst bei Heinz. Es muss demzufolge davon ausgegangen werden, dass noch nach 1910 Fragmente abgeschnitten wurden. Ob das untere Ende der Kölner Borte 1914 oder später nach hinten umgebogen wurde, kann ebenfalls nicht geklärt werden. Jedoch darf behauptet werden, dass das Vlieseline frühestens ab den 1950er-Jahren hinterklebt und zusätzlich mit Nähmaschinen-Nähten fixiert wurde. Ob es sich bei dem von Heinz erwähnten „neuen“ Futter tatsächlich um ein erneuertes – oder um das schon bei von Wilckens erwähnte – handelt, konnte im Zuge dieser Untersuchung nicht beurteilt werden. Das gelbe Futter weist eine

39 Ebenda, S. 418. 40 Ebenda, S. 420, im Besonderen Anm. 12. 41 Ebenda, S. 418f., die erwähnt, dass „... Stückchen abgeschnitten und als Reliquien weitergegeben wurden. …“ 42 Vlieseline ist eine Markenbezeichnung für synthetische Vliesstoffe, die seit den späten 1940er-Jahren als Bügeleinlage Verwendung finden. 43 Vgl. dazu die Abb. bei Innerkofler, P. A. C. Ss. R., Eine große Tochter Maria Theresias: Erzherzogin Marianna, in ihrem Haupt-Monumente, dem Elisabethinenkloster zu Klagenfurt, Jubelausgabe zur Feier des 200jährigen Bestehens vom Elisabethinen-Konvent herausgegeben, Innsbruck 1910, ergänzt und neu gedruckt, Klagenfurt 1993, S. 103, und Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, Abb. S. 418.

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sehr unregelmäßige Struktur auf, es könnte sich daher ohne Weiteres um das angeblich 1914 angebrachte handeln. Jedoch zeigt die Gegenüberstellung der Abbildung bei Riegl mit dem Mantel im heutigen Zustand deutliche Unterschiede. Ist 1892 oben links noch ein schmaler Streifen einer nicht mustergemäß angesetzten Stoffbahn zu erkennen, haben sich heute davon nur mehr kleinste Fragmente entlang der Naht erhalten. Folglich wird allein beim Vergleich der ältesten44 und bis zur gegenständlichen Untersuchung jüngsten45 Bildquellen deutlich, dass noch im 20. Jahrhundert Stoffstückchen – zumindest von der linken oberen Kante (Vorderkante) des Mantels – aus dem kostbaren Gewebe herausgeschnitten wurden, wohl um diese Teile als Reliquien zu verehren.46 Untersuchung der Stoffe Die Kölner Borte entspricht der Ikonographie bzw. dem Muster nach dem Typus aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Ihr besonders gut erhaltener Goldgrund veranlasste Experten, sie in das 19. Jahrhundert zu datieren. Ein erster Zweifel über die Echtheit der Borte findet sich bereits bei Riegl.47 Im Zuge der umfangreichen Forschungen am ElisabethMantel wurde deshalb eine Altersbestimmung an der ETH Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich veranlasst. Um die Untersuchungen auf der Geweberückseite fortsetzen zu können, war es nötig, den gelben Futterstoff vom Originalgewebe abzutrennen. Sichtbar wurde zunächst ein unregelmäßig beschnittenes rosafarbenes Leinenfutter sowie an der rechten oberen Kante die Vlieseline. Das Leinenfutter verhüllt im oberen Bereich vor allem die linke Seite sowie ein Stück rechts der Mitte (Abb. 2). Am Saum unten wurden drei Überreste eines rosafarbenen Seidenfutters entdeckt, zwei winzige Fragmente jeweils seitlich der Mitte links beim größten (Fragment 1c) bzw. rechts beim zweitgrößten (Fragment 1d) angesetzten Stoffteil. Das größte erhaltene Teil befand sich unten rechts bei der Naht zum kleinsten angesetzten Gewebefragment (Fragment 1b) (Abb. 3).48 Im Bereich der unteren Mitte, bei der Kölner Borte, wurden zwei weitere (kleine) Fragmente des Ori44 Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, Abb. Sp. 197–198. 45 Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, Abb. S. 418. 46 In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts übersiedelten Schwestern der Elisabethinen nach Kanada. Versuche, mit den Schwestern in Kontakt zu treten bzw. Auskunft über etwaige Stofffragmente zu bekommen, blieben ergebnislos. Frdl. Mitteilung von Herrn Finanzkammerdirektor Franz Lamprecht, Klagenfurt. 47 Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, Sp. 194, weist auf eine Mitteilung des Kärntner Landesarchivarius A. v. Jaksch hin, worin dieser mutmaßt: Die Borte sei „... moderne Arbeit und bloß aufgenäht, um den brüchig gewordenen Mittelbug des Mantels zu verhüllen, …“. 48 Die Seitenangaben beziehen sich auf die Geweberückseite.

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ginalgewebes in L-Form ersichtlich, die an ihren Querbalken sowie rechts und links mit den Fragmenten 1b bzw. 1c zusammengenäht sind. Deutlich zu erkennen war die gebänderte Musterung, auffallend jedoch, dass die Bänderung links der Mitte rote und blaue, rechts dagegen hauptsächlich rote Streifen zeigte. Die Abfolge von links nach rechts ist: drei rote, dann in annähernd regelmäßigen Abständen abwechselnd je drei blaue und drei rote Streifen, die Mitte bildet ein roter, gefolgt von sieben roten, einem blauen und schließlich wieder zwei roten Streifen. Links sind der zweit- und drittäußerste, rechts die beiden äußersten roten Streifen an beiden Seiten schmäler als die übrigen und liegen näher beieinander (Abb. 2). Beim Halbrund des Mantels hat sich vor allem an den Seiten partiell ein unregelmäßig breiter Umbug erhalten. An der rechten Seite, etwa in der Mitte, war augenscheinlich, dass Fragmente herausgeschnitten wurden. Ein weiteres interessantes Detail war ein dunkler Abdruck auf der Geweberückseite in Form eines gitterartigen Rasters (Abb. 2). Auf der Geweberückseite waren mehrere Nähfadenreste zu sehen. Sie befinden sich vor allem im linken Bereich sowie ca. 17 cm parallel unterhalb der Schnittkante. Weitere haben sich im rechten Bereich sowie unterhalb der Kölner Borte erhalten.

neue erkenntnisse zum elisabeth-mantel Wie schnitt- und gewebetechnische Analysen bestätigen konnten,49 stammen sowohl die große Stoffbahn als auch die sechs unten das Halbrund des Mantels bildenden Teile von der Gewebebahn I. Die Anordnung der Gewebefragmente (1b–g) vor dem Zuschnitt konnte somit bestimmt werden (Abb. 4). Bei der Untersuchung der Geweberückseite wurde erstmals festgestellt, dass sich an Gewebebahn 1a die vollständige Webbreite erhalten hat. Sie misst einschließlich der Webekanten ca. 92 cm. Außerdem konnte die bisherige Annahme, dass sich unter der Kölner Borte eine Gewebenaht befindet, widerlegt werden.50 An Fragment 1c hat sich ein Anschuss51 erhalten (Abb. 5). Durch die exakte 49 Erste Versuche einer schnitttechnischen Anordnung der Einzelteile wurden von Angela Sixt unternommen; Sixt, A., Der so genannte Mantel der Hl. Elisabeth aus dem Konvent der Elisabethinen in Klagenfurt – Voruntersuchungen zur Konservierung/Restaurierung, Vordiplom, Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung, WS 2006/07. – Die exakte Anordnung wurde von Sabine Svec und der Verfasserin bei weiterführenden Recherchen festgelegt. 50 Von Wilckens, L., Der »Mantel der Heiligen Elisabeth« im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 542. 51 Unter Anschuss sind die ersten Schüsse in einem Gewebe, die, oft unterschiedlich in Struktur und Ma-

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mögliche Anordnung der Schnittteile kann die Länge vom Anschuss bis zur Mitte des Objektes auf die zweite Hälfte der Gewebebahn übertragen werden und lässt sich so eine Länge des ursprünglichen Webstückes von 3,70 m rekonstruieren. Eine Webkante hat sich auch bei der oben angenähten Gewebebahn II erhalten (Abb. 4). Die sechs übrigen – oben und je beiderseits der Borte in der Mitte – als Flicken auf den Mantel genähten Fragmente, ebenso wie unten die beiden Teile unterhalb der Kölner Borte, konnten weder der Gewebebahn I noch den oben fragmentarisch erhaltenen Resten von Gewebebahn II zugeordnet werden. Eine Anordnung der letztgenannten Teile (unter der Kölner Borte) wäre in Gewebebahn I möglich, kann aber nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Bisher wurde vermutet, dass die Flicken beiderseits der Borte nur angebracht worden waren, weil sich das darunterliegende Gewebe in einem sehr schlechten Erhaltungszustand befindet. Es stellte sich aber heraus, dass sich das Originalgewebe gerade in diesem Bereich in einem sehr guten Zustand befindet. Auffallend an zweien dieser Fragmente ist, dass sie anstelle des roten bzw. blauen Schusseintrages einen grünen aufweisen.52 Dadurch unterscheiden sie sich in ihrer Farbigkeit gänzlich von den anderen Schnittteilen. Weitere Untersuchungen zu diesem Thema sind wünschenswert und wären ein weiterer Schritt zur Erforschung dieses außergewöhnlichen Gewebes. Bei der Untersuchung bezüglich der Anordnung der Schnittteile wurde ebenso festgestellt, dass der gitterartige Raster auch über die zur Gewebebahn I gehörigen Schnittteile (1b–g) weiterführt.53 Somit darf davon ausgegangen werden, dass diese Gewebebahn schon vor ihrem Zuschnitt eine erste Verwendung hatte bzw. wahrscheinlich auf ein (Holz?)Gitter gespannt war oder aber während längerer Zeit auf einem solchen gelegen haben muss.54 Das Gitter muss wohl mit einem (bis dato nicht bekannten) Mittel bestrichen worden sein, um derartige Abdrücke am Stoff zu hinterlassen. Zwei auf der Geweberückseite erhaltene Montagefäden dürften einen nicht zu unterschätzenden Hinweis auf das (ehemalige) Vorhandensein einer Cappa geben.55 Als Provenienz des Gewebes wurde bisher Sizilien angenommen.56 Regula Schorta

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terial, eine Anfangsborte ergeben, zu verstehen. Vgl. dazu CIETA Vokabular deutsch – Vokabular der Textiltechniken. Deutsch. Zusammengestellt von Alfred Bühler [u.a.] CIETA, Lyon 1971, S. 1 (Anschuss). – Dass es sich im besonderen Fall um einen An- und nicht um einen Abschuss handelt, wird aufgrund der Musterrichtung des Gewebes vorausgesetzt. Zur Material- und technischen Analyse siehe oben. Dabei handelt es sich einerseits um das schmale, längliche Fragment oben links der Borte und andererseits um jenes rechts der Borte etwa in der Mitte. Zur Anordnung der Schnittteile siehe Abb. 5. Die hier geäußerten Vermutungen bedürfen weiterer umfassender Forschung bzw. Aufarbeitung. Vgl. dazu Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, S. 420. Von Wilckens, L., Der »„Mantel der Heiligen Elisabeth“ im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in:

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konnte dies aufgrund textilhistorischer Forschungen widerlegen; sie wies den Mantel Mesopotamien zu.57 Jüngere Untersuchungen ergeben aufgrund der Ikonografie den Nord-Westen des Iran als Entstehungsgebiet für das Gewebe.58 Die bisherige Annahme, der Metallfaden bestehe aus einer Seidenseele mit einer Häutchengold-Umwicklung59 – was tatsächlich auf die Provenienz Sizilien hätte schließen lassen –, konnte von Márta Járó60 widerlegt werden. Mithilfe des Rasterelektronenmikroskops (REM) wurden mikromorphologische Untersuchungen bzw. makromorphologische mit dem Lichtmikroskop in reflektiertem Licht durchgeführt. Der Metallfaden wurde als sogenannter „Ledergoldfaden“61 mit einem Seelfaden aus Baumwolle identifiziert.62 Dadurch ist die regionale Einordnung des Gewebes in den Nahen oder Mittleren Osten sichergestellt. Aufgrund von vorhandenen Nähfadenresten darf davon ausgegangen werden, dass das rosafarbene Leinenfutter ursprünglich wohl den gesamten Mantel bedeckt hat. Bei der fragmentarisch erhaltenen rosafarbenen Seide handelt es sich vermutlich um den originalen mittelalterlichen Futterstoff. Regula Schorta wies anlässlich ihrer Begutachtung des Objektes darauf hin, dass es sich bei der wie neu wirkenden Borte sehr wohl um ein Original aus dem 15. Jahrhundert handeln kann.63 Eine von der ETH Zürich durchgeführte 14C-Analyse bestätigte, dass die hier vorliegende Kölner Borte tatsächlich in die Mitte des 15. Jahrhunderts zu datieren ist.

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Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 541. Schorta, R., Knaller, R., Sog. Mantel der Heiligen Elisabeth, in: Elisabeth von Thüringen – Eine europäische Heilige, Katalog, hrsg. von Dieter Blume und Matthias Werner, Petersberg 2007, S. 71. – Vgl. dazu unten auch die Untersuchung des Goldfadens. Gespräch von Regula Schorta und Markus Ritter vor dem Objekt am 20. März 2008. – M. Ritter ist Assistenzprofessor für Geschichte der Islamischen Kunst am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich. Von Wilckens, L., Der „Mantel der Heiligen Elisabeth“ im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 542, die erwähnt, dass es sich beim verwendeten Metallfaden um Häutchengold handelt. – Siehe oben Anm. 33. Márta Járó ist Chemikerin am Hungarian National Museum in Budapest und Expertin für die Analyse von Metallfäden. Siehe oben Anm. 22. Frdl. mündl. Mitteilung und E-Mail vom 22. Juni 2007 von Márta Járó. Die Begutachtung des Mantels durch Regula Schorta erfolgte am 12. April 2007.

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Der Mantel wurde anlässlich der Elisabeth-Ausstellung vom 7. Juli bis 19. November 2007 auf der Wartburg bei Eisenach, Deutschland, präsentiert. Jetzt befindet er sich wieder im Konvent der Elisabethinen in Klagenfurt und kann dort, nach Voranmeldung, besichtigt werden.

Abstract In the course of the celebrations of the 800th anniversary of the birth of St. Elisabeth of Thuringia, a detailed examination was made of the cloak which has traditionally been associated with her. As this extraordinary Medieval garment relic had not, to date, received due attention, the focus was placed on examinations of the textile fabrics, condition and material technology. Research into the pertinent literature revealed that a previous restoration had been undertaken in 1914. A comparison of photographs shows alterations and repairs. It could be confirmed that fragments of the fabric had been cut off in the 20th century, most likely for use as relics. The textile-technological examinations provided important information. On the reverse of the woven fabric, remains of what was probably the original pink lining were discovered. The textile’s provenance was re-assigned and corroborated with the help of scientific analyses of the metallic thread. Finally, radiocarbon dating provided an answer to the longpending question of the age of the Cologne braid.

literatur CIETA Vokabular deutsch – Vokabular der Textiltechniken. Deutsch. Zusammengestellt von Alfred Bühler [u.a.] CIETA, Lyon 1971. CIETA Notes on Hand-weaving Techniques in Plain and Figured Textiles. Übersetzt aus dem Französischen von Sarah Frantz, Jean Mailey, Eleanor Sachs et al., Lyon 1987. Dreger, M., Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei innerhalb des europäischen Kulturkreises von der spätantiken Zeit bis zum Beginne des XIX. Jahrhunderts, Kaiserlich-Königliches Österreichisches Museum für Kunst und Industrie Wien, 1 Textbd., 2 Tafelbde., Wien 1904. Heinz, D., Sogenannter Mantel der hl. Elisabeth, in: Hemma von Gurk, Katalog zur Ausstellung auf Schloss Strassburg/Kärnten [14. Mai bis 26. Oktober 1988], Klagenfurt 1988, S. 417–420. Innerkofler, P. A. C. Ss. R., Eine große Tochter Maria Theresias: Erzherzogin Marianna, in ihrem Haupt-Monumente, dem Elisabethinenkloster zu Klagenfurt, Jubelausgabe zur Feier des 200jährigen Bestehens vom Elisabethinen-Konvent herausgegeben, Innsbruck 1910, ergänzt und neu gedruckt, Klagenfurt 1993. Knaller, R., in Zusammenarbeit mit Sabine Svec, Der sogenannte Mantel der Heiligen Elisabeth

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aus dem Konvent der Elisabethinen in Klagenfurt, unpubl. Konservierungs- und Restaurierungsbericht, Wien 2009. Krist, G., Knaller, R., Hösl, E., Kostüme, Tapisserien & Co – Die Textilrestaurierung an der Universität für angewandte Kunst Wien, in: Historische Textilien – Konservierung, Deponierung, Ausstellung, [Restauratorenblätter 27], Klosterneuburg 2007/2008, S. 19–24. Riegl, A., Der Mantel der hl. Elisabeth im Elisabethinerinnen-Kloster zu Klagenfurt, in: Zeitschrift für christliche Kunst, hrsg. von Alexander Schnütgen, V. Jg., Düsseldorf 1892, Sp. 193–200. Schmidt, P. G., Die zeitgenössische Überlieferung zum Leben und zur Heiligsprechung der heiligen Elisabeth, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, S. 1–6. Schorta, R., Zur Entwicklung der Lampastechnik, in: Islamische Textilkunst des Mittelalters: Aktuelle Probleme [Riggisberger Berichte Bd. 5], Riggisberg 1997, S. 173–180. Schorta, R., Knaller, R., Sog. Mantel der Heiligen Elisabeth, in: Elisabeth von Thüringen – Eine europäische Heilige, Katalog, hrsg. von Dieter Blume und Matthias Werner, Petersberg 2007, S. 71–73. Sixt, A., Der so genannte Mantel der Hl. Elisabeth aus dem Konvent der Elisabethinen in Klagenfurt – Voruntersuchungen zur Konservierung/Restaurierung, Vordiplom, Universität für angewandte Kunst Wien, WS 2006/07. Sporbeck, G., Die liturgischen Gewänder, 11. bis 19. Jahrhundert, Bestandskatalog, Museum Schnütgen [Sammlungen des Museum Schnütgen, Bd. 4], 2001. Von Wilckens, L., Der „Mantel der Heiligen Elisabeth“ im Klagenfurter Kloster der Elisabethinen, in: Sankt Elisabeth – Fürstin Dienerin Heilige, Aufsätze, Dokumentation, Katalog [Ausstellung zum 750. Todestag d. hl. Elisabeth, Marburg, Landgrafenschloss und Elisabethkirche, 19. November 1981 – 6. Januar 1982], hrsg. von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Sigmaringen 1981, Kat. 162, S. 541–545. Von Wilckens, L., Die textilen Künste. Von der Spätantike bis um 1500, München 1991.

andere über uns wolfgang kippes schloss schönbrunn kultur- und betriebsges.m.b.h.

Zehn Jahre o.-Univ. Prof. Dr. Gabriela Krist – zehn Jahre sind eine kurze Zeitspanne, gemessen an Lebensjahren – aber eine kleine Ewigkeit, gemessen an den Ergebnissen. Die Zusammenarbeit zwischen der Restaurierklasse an der Universität für angewandte Kunst unter der Leitung von o.-Univ. Prof. Dr. Gabriela Krist und der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. ist noch nicht mal zehn Jahre alt. Dennoch ist die Fülle an – teils völlig überraschenden – Früchten dieser Zusammenarbeit kaum mehr zu überblicken. Nicht gerade nostalgisch ist der Rückblick auf den Beginn dieser Kooperation. Am Anfang stand die Frage der Dokumentation von unbedeutenden Steinartefakten, die irgendwo am Bauhof in Schönbrunn herumlagen – geschaffen wurden die Grundlagen der Inventardatenbank (heute mehr als 50.000 Objekte) und des Lapidariums. Bei der Erstellung des optimalen Pflegeprogramms für Sammlungen – hier sind die Sammlung des ehemaligen Tabakmuseums genauso wie die Schönbrunn-eigenen Sammlungen angesprochen – hat sogar das Ausland mit Interesse gelernt. Die Befundung der historischen Steinfassungen an den Brunnenanlagen hat alle überrascht und einmal mehr die theoretische Diskussion um die Authentizität der Botschaft dieser Artefakte ausgelöst. Dass auch die Frage der zeitgemäßen Rekonstruktion dieser ‚Glitzerbeschichtungen‘ bravourös gelöst wurde – muss das erwähnt werden? Die Steine von Schönbrunn haben es in sich! Ob als Sekundärverwendung auf der Attika des Schlosses oder als nichtglitzernde Variante in den Ehrenhofbrunnen oder als bunte Fassungen am Schönen Brunnen – die Überraschungen hören nicht auf! Wo mag das wohl enden? Auf die laufende Unterhaltsreinigung wird in Schönbrunn allerhöchster Wert gelegt – weil keine Restauratorin und kein Restaurator wiedergutmachen kann, was mangels Qualifikation bei der täglichen Unterhaltsreinigung zerstört wird. Das eigene Reinigungspersonal braucht regelmäßige Schulungen und die historische Ausstattung des Schlosses braucht ein jährliches Zustandsmonitoring. Wo aber können verlässlich die erforderlichen Qualifikationen gefunden werden? ... Beim Palmenhaus in Schönbrunn handelt es sich um eine der ältesten und größten

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Gusseisenkonstruktionen der Welt. Wieder einmal steht eine Generalsanierung an, ich selbst war bei der letzten derartigen Investitionsphase vor 20 Jahren maßgeblich involviert. Allein die Methodik und die Ergebnisse der analytischen Untersuchungen haben Aufmerksamkeit erregt und so manchen klassisch denkenden Ziviltechniker blass werden lassen. Ich versuche, die dargestellte Entwicklung auf die Zukunft zu extrapolieren – welche Experimente dürfen wir noch erwarten, wo mag das wohl enden? Ad multos annos Gabriela!

elisabeth ghaffari, marija milcin

Die Steine von Schönbrunn

zusammenfassung Eine intensive Zusammenarbeit des Institutes für Konservierung und Restaurierung mit der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. besteht seit kurz nach der Gründung der Spezialisierungsrichtung Steinkonservierung im Jahr 2000. Diese Kooperation umfasste Bestands- und Schadensaufnahmen der Parkskulpturen, der Attika und der Brunnenanlagen. Für sämtliche Figuren wurden Datenbanken angelegt, welche sowohl eine Beschreibung mit ikonografischen und ikonologischen Details sowie eine komprimierte Restauriergeschichte beinhalten. Die Angaben zu Bestand und Schäden der einzelnen Figuren dienen vornehmlich zur Beurteilung der Dringlichkeit von künftigen Restaurierungen. Im Zuge dieser Befundungen wurden aber ebenfalls Restaurierungskonzepte erstellt und Musterrestaurierungen an einer Doppelfigur des Parks und am östlichen Ehrenhofbrunnen durchgeführt. Ferner konnte innerhalb einer Diplomarbeit die Oberflächengestaltung der Brunnenanlagen als ursprüngliches Gesamtkonzept im Park nachgewiesen werden. Fortlaufende Untersuchungen werden derzeit in einer weiteren Diplomarbeit am „Schönen Brunnen“ erarbeitet.

Innerhalb von kurzer Zeit nach der Gründung der Spezialisierungsrichtung „Steinkonservierung“ (2000) am Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien kooperierte die Steinklasse in diversen konservatorischen Aufgabengebieten mit der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. (SKB). Diese Zusammenarbeit fand in Form von Bestandsaufnahmen, Musterrestaurierungen, Vordiplomen und zwei Diplomarbeiten statt. Im Folgenden sollen die wichtigsten Projekte der letzten acht Jahre erwähnt und beschrieben werden. Im Jahr 2002 wurde erstmals eine Bestandsaufnahme von allen Elementen und Fragmenten aus Naturstein des Bauhofes in Schönbrunn im Rahmen des zentralen künstlerischen Faches des Instituts durchgeführt.1 Vornehmliche Aufgabenstellung dieser Bestandsaufnahme war die Inventarisierung sowie die Einteilung von etwa 150 Objekten 1

Bestandskatalog zum Steinbestand im Bauhof Schönbrunn, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, 2002, unveröffentlicht.

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in drei – in Hinblick auf eine notwendige Erhaltung und Aufbewahrung – Kategorien: 1. künstlerisch und geschichtlich wichtige Fragmente, welche unbedingt überdacht zu lagern sind, 2. künstlerisch und geschichtlich wichtige Fragmente, welche nicht unbedingt überdacht zu lagern sind, und 3. Fragmente, welche einen sehr schlechten Zustand aufweisen, nicht zugeordnet werden können, keine spezielle Oberflächengestaltung zeigen und aus diesem Grund als Rekonstruktionsmaterial für div. Restaurierungsvorhaben genutzt werden können.

die parkfiguren von schönbrunn Ein Jahr später wurde an das Institut für Konservierung und Restaurierung der Auftrag für eine konservatorische Bestandsaufnahme aller in Schönbrunn befindlichen Parkskulpturen erteilt. Diese wurde – wie die vorher beschriebene Bestandsaufnahme im Bauhof – unter der Leitung der damaligen Universitätsassistentin Dipl.-Rest. Susanne Beseler von den StudentInnen im Zeitraum zwischen Mai 2003 und Januar 2004 durchgeführt.2 Hierzu wurde eine ausführliche Datenbank angefertigt, wobei für jede einzelne Skulptur ein eigener Datensatz angelegt wurde: Neben allgemeinen Informationen und Fotos jeder einzelnen Skulptur sind in diesen Datenblättern Informationen über Bestand und Schäden sowie Maßnahmenempfehlungen enthalten. Eine kurze kunstgeschichtliche Beschreibung mit ikonografischen und ikonologischen Details sowie eine komprimierte Restauriergeschichte vervollständigen jedes Datenblatt. In Hinblick auf künftige Ausschreibungen für die Konservierung und Restaurierung der Skulpturen war es essenziell, eine Zustandsbeurteilung mit drei unterschiedlichen Kategorien zu treffen: 1 = guter Zustand, 2 = mittelmäßiger Zustand, 3 = schlechter Zustand. Diese Beschreibung soll ein einfach zu kommunizierender und wichtiger Hinweis für die Dringlichkeit einer erforderlichen Konservierung und Restaurierung sein. Zwei kleinere Datenbanken wurden mit der Hauptdatenbank verknüpft, welche sämtliche naturwissenschaftliche Untersuchungen sowie einen Schadenskatalog beinhalten. Durch die hohe Anzahl der Skulpturen (42 Stück) entstand eine große Menge an Daten, welche aber mithilfe des Datenbanksystems relativ leicht zu verwalten ist. Um die Datenbank in ihrem vollen Ausmaß nutzen zu können, wurde zusätzlich eine begleitende Dokumentation hergestellt, in welcher alle in der Datenbank vorkommenden

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Konservatorische Bestandsaufnahme der Gartenskulpturen aus Sterzinger Marmor im Schlosspark Schönbrunn, Teil I–III, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst, 2004, unveröffentlicht.

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Begriffe und Informationen vordefiniert bzw. wie in einem Glossar zusammengefasst wiedergegeben sind. Eine beispielhafte Kartierung von drei Figuren wurde hergestellt, welche die Kategorien Bestand und Zustand aufzeigen. Einer der großen Schwerpunkte der naturwissenschaftlichen Untersuchungen lag in der Definition des Materials „Sterzinger Marmor“, dies insbesondere in Hinblick auf seine Verwitterungseigenschaften in Zusammenhang mit dem speziellen Standort im Garten von Schloss Schönbrunn. Das Augenmerk lag vor allem in der Klärung des Einwirkens von mikrobiogener Belastung in Kombination mit einer direkten Exposition im Außenbereich sowie der Einfluss diverser Schadstoffe (besonders in Bezug auf die Bildung von Gipskrusten). Gleichzeitig galt es, die Ursachen für die teilweise starke Gefügezerstörung zu klären.

die musterrestaurierung von „alexander und olympias“ Im Zuge der Bestandsaufnahme aller Parkskulpturen wurde von der SKB auch der Auftrag über eine Musterrestaurierung an die „Steinklasse“ erteilt. Für diesen Zweck wurde die Doppelfigur Nr. 33 „Alexander und Olympias“ ausgewählt. Diese Figur steht im Boskettenfeld zwischen Lichter und Finsterer Allee, links vom Großen Parterre. Ausgeführt worden soll sie vom Bildhauer Johann Christian Wilhelm Beyer selbst sein. Sie ist eine der Skulpturen (von insgesamt elf ), deren Zustand bei der Bestandsaufnahme als „schlecht“ (Zustandsnote 3) beurteilt worden war (Abb. 1). Für die Restaurierung wurde die Doppelfigur aus Sterzinger Marmor von der Firma Atelier Gurtner Wien abgebaut und samt Sockel in eine Werkstatt des Schönbrunner Bauhofes transportiert. Vor dem eigentlichen Umsetzen von Maßnahmen wurden intensive Testreihen im Rahmen von Semesterarbeiten für die einzelnen konservatorischen und restauratorischen Fragestellungen zur Konzepterstellung durchgeführt. Erst nach der Bewertung dieser Testreihen wurden dementsprechende konservatorische Maßnahmen an der Doppelfigur umgesetzt.3 Für die jeweils relevanten Schadensbilder konnten prinzipiell innerhalb der Testreihen geeignete Maßnahmen definiert werden. Sämtliche Versuche für die Entfernung bzw. Reduzierung der Rostflecken im Sockelbereich blieben jedoch erfolglos.4 Hier wurden die Eisenklammern des Sockels gegen Klammern aus Nirosta-Stahl ausgetauscht und somit eine weitere Verfärbung ausgeschlossen. Nach Abschluss der Restaurierung 3 4

Musterrestaurierung der Skulptur „Alexander und Olympias“, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, 2007, unveröffentlicht. Ban, M., Untersuchungen zu möglichen Schadensmechanismen und angewandte Reinigungsmethoden, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst, Seminararbeit 2006, unveröffentlicht.

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Elisabeth Ghaffari, Marija Milcin

wurde die Doppelfigur an ihrem Standort im Boskettenfeld wieder aufgebaut. Die Restaurierung der Figur 33 soll als Musterarbeit für weitere konservatorische Behandlungen aller Parkskulpturen dienen. Je nach Ausmaß des Schadensbildes wurden bereits einige von ihnen nach dem erprobten Konzept restauriert, andere werden in den nächsten Jahren behandelt.

bestandsaufnahme attika-figuren und -vasen Im Gegensatz zum Garten, den Fassaden und der Innenausstattung von Schloss Schönbrunn, welche mittlerweile sehr gut wissenschaftlich aufgearbeitet sind, ist über die Attika des Schlosses sehr wenig bekannt. Es fehlt nicht nur eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, auch die Quellenlage ist sehr bescheiden. Anlässlich des Abbaus eines Teils der Vasen und der Figuren (Nordseite) der Attika im Herbst 2009 sollte dieser Teil der Ausstattung im Rahmen einer Bestandsaufnahme näher untersucht werden. Der Schwerpunkt lag hier einerseits auf der Klärung des Bestandes und andererseits im Versuch, die Geschichte (inklusive Restauriergeschichte) der Schönbrunner Attika so weit wie möglich nachzuvollziehen (Abb. 2). Dafür wurde wiederum eine Datenbank angelegt, in welcher jede Figur bzw. Vase ein eigenes Datenblatt erhalten hat. Die Untersuchungen waren mit einigen besonderen Schwierigkeiten verbunden: so konnten die Figuren nur von der Hinterseite (vom Dach aus) aufgenommen und fotografiert werden. Die Nordund Ostseite zeigen sich weitgehend steinsichtig, was für die Befundung von ehemaligen restauratorischen Eingriffen wie Kittungen oder Vierungen sehr vorteilhaft ist. Die Südund Westseite sind aber infolge von rezenten Restaurierungsarbeiten großflächig mit Farbschichten überzogen. Hier war und ist es oft unmöglich, ehemalige Restaurierungen bzw. Schadensbilder zu erkennen. Nach Abschluss der konservatorischen Bestandsaufnahme vor Ort wurde in Zusammenarbeit mit Studierenden der Kunstgeschichte der Universität Wien im Rahmen einer Lehrveranstaltung „Übungen vor Originalen“ von HR Univ.-Doz. Dr. Friedrich Dahm versucht, die Erkenntnisse der Restauratoren mit den Beobachtungen und Recherchen der jungen Kunsthistoriker/innen in einer Diskussion zu verschränken und zu erweitern, um so möglichst viel über die Attika von Schloss Schönbrunn zu erfahren. Eines der Ziele, nämlich die Rekonstruktion des ursprünglichen ikonografischen Programms, war nicht erreichbar. Wenn, so wie erwartet, tatsächlich ein Programm zur Entstehungszeit vorgegeben war, dann ist dieses offensichtlich mit der Zeit so sehr verändert worden, dass es heutzutage nicht mehr seriös nachvollziehbar ist. Es war jedoch möglich, eine ungefähre stilistische und zeitliche Einordnung der Attika zu treffen. Außerdem konnte die neuere Geschichte der Attika fast zur Gänze geklärt und bei der älteren einige sehr wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Die genauen

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Ergebnisse aus dieser interdisziplinären Arbeit können hier leider noch nicht im Detail wiedergegeben werden, da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Es ist aber jetzt schon absehbar, dass es zu keiner gesamten Aufklärung der Geschichte der Attika kommen wird, sehr wohl aber einige Antworten auf nicht unwesentliche Fragen gegeben werden können.

die brunnenanlagen im schlosspark schönbrunn und ihre oberflächengestaltung Neben der Auseinandersetzung mit den bereits oben beschriebenen Arbeiten kam es zu weiteren Kooperationen, vor allem betreffend die Brunnenanlagen des Schlossparkes. Hier stellte sich vor allem die Frage nach der ursprünglichen Oberflächengestaltung. Steinfassungen hatten sowohl in der Vergangenheit als auch heute einerseits eine konservatorisch-technische und andererseits eine künstlerische Bedeutung. Bei einer Aufstellung im Freien trugen Vorimprägnierungen, Fassungen sowie transparente Überzüge neben ästhetischen Aspekten auch die Funktion eines Schutzes vor Verwitterung.5 Aus künstlerischen Absichten konnten allerdings auch Vorstellungen von Materialveredelungen und -illusionen durch die Fassung realisiert werden. Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es durch den sog. „Polychromiestreit“ zu einer hohen Anzahl an „Steinfreilegungen“. Die Farbnegationen der modernen Architektur (A. Loos, Bauhaus), aber auch antiquierte Aussagen der Denkmalpflege, wie „der Stein muss frei atmen“, haben zumeist die letzten Zeugnisse von ursprünglicher Farbigkeit vernichtet.6 Erst durch kunsthistorische und naturwissenschaftliche Auseinandersetzungen in den letzten Jahrzehnten mit der ursprünglichen Farbigkeit als wesentlicher Akzent von Kunstwerken konnte wieder eine Anerkennung der historischen Fakten erzielt werden. Diese zeichnet sich heutzutage als unerlässlicher Aspekt bei der Erstellung von Konservierungs- und Restaurierungskonzepten aus, wobei hier einerseits ästhetische als auch technisch-konservatorische Ansichten im Vordergrund stehen. Ein wesentlicher Schritt wurde in dieser Hinsicht bei der Restaurierung der Römischen Ruine im Schlosspark Schönbrunn gegangen: kunsthistorische Dokumente wie naturwissenschaftliche Untersuchungen belegten, dass die Ruine ursprünglich polychrom gefasst war, wobei diese Fassung bei der Erstellung des Restaurierungskonzeptes

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Siehe dazu: Ghaffari, E., Die historischen Farbfassungen der barocken Brunnenanlagen im Schlosspark Schönbrunn und die Möglichkeiten ihrer Rekonstruktion, Universität für angewandte Kunst Wien, Diplomarbeit 2005. Ebenda.

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Elisabeth Ghaffari, Marija Milcin

einen wesentlichen Aspekt darstellte.7 Die Rekonstruktion der ursprünglichen Polychromie bei der Römischen Ruine sollte wegweisend für weitere Restaurierungskonzepte bei den Brunnenanlagen im Schlosspark Schönbrunn sein: Ausgehend vom Fassungskonzept der Ruine konnte bei der nachfolgenden Restaurierung der Obeliskenanlage durch die Firma Lassy & Rey GmbH nicht ausgeschlossen werden, dass auch diese ursprünglich polychrom gefasst war. In Absprache mit Auftraggeber und Bundesdenkmalamt wurde deshalb eine umfangreiche Untersuchung veranlasst, welche Aufschluss auf das ursprüngliche Konzept geben sollte. Die Autorin Ghaffari war zu diesem Zeitpunkt freie Mitarbeiterin der Firma Lassy & Rey GmbH und führte die Probenentnahme und die Untersuchungen in Zusammenarbeit mit ao. Prof. Dr. Johannes Weber an der Universität für angewandte Kunst (Institut für Naturwissenschaften in der Restaurierung) durch. Im Zuge der Untersuchungen konnten an 13 der 15 entnommenen Proben im Labor eine bis mehrere helle Farbschichten beobachtet werden, die zumeist einer unebenen Steinoberfläche auflagen. Probenoberflächen mit Glitzereffekt enthielten feine Splitter eines farblosen Glases. Sie fanden sich jeweils eingebettet in mehreren Farbschichten, sind also auch bei späteren Fassungen eingesetzt worden. Die identifizierten Weißpigmente waren Bleiweiß (als ausschließliches Weißpigment in den unteren Farbschichten) bzw. – in den späteren Schichten des 19. Jahrhunderts Bleiweiß, ausgemischt mit Permanentweiß (Schwerspat).8 Zusammenfassend ist zu sagen, dass keinerlei Hinweise auf Polychromie gefunden wurden, weder an Originalfassungen noch an späteren Überfassungen. Dieser Befund deckte sich auch mit den Ergebnissen aus früheren Untersuchungen (BDA 1999 und 2002 bzw. Univ. f. angewandte Kunst 2002). Insbesondere die Verwendung der feinen Glassplitter in den Fassungsschichten weist eindeutig auf die Intuition hin, mit diesem Fassungskonzept ein edleres Material (strahlend weißen Marmor) imitieren zu wollen. Hierbei sollten sich die bildhauerisch bearbeiteten Elemente deutlich von dem steinsichtigen Unterbau abheben.

die ehrenhofbrunnen Zeitgleich zu diesen Untersuchungen an der Obeliskenanlage wurde von der „Steinklasse“ eine Bestandsaufnahme am östlichen und westlichen Ehrenhofbrunnen des Schlosses Schönbrunn unter der Leitung der damaligen Assistentin Dipl.-Rest. Susanne 7 8

Dahm, F., Die Römische Ruine im Schlosspark von Schönbrunn. Forschungen – Instandsetzung – Restaurierung. Wissenschaftliche Reihe Schönbrunn, Band 8, Wien 2003. Siehe dazu: Der Obeliskenbrunnen im Schlosspark Schönbrunn, Restaurierungsbericht, 2006, Firma Lassy & Rey GmbH, unveröffentlicht.

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Beseler durchgeführt.9 Aus den Ergebnissen dieser Arbeit resultierte ein Maßnahmenkonzept für die Behandlung beider Ehrenhofbrunnen. Dieses wurde an einer Musterfläche am östlichen Brunnen durch die Studierenden der „Steinklasse“ umgesetzt.10 Ziel war es, die Wechselwirkungen zwischen den verwendeten Restauriermaterialien und dem Natursteinbestand über einen längeren Zeitraum unter der „Extremsituation“ einer bespielten Brunnenanlage zu beurteilen. Erst nach einer Evaluierung konnte das Maßnahmenkonzept für die bevorstehende Restaurierung festgelegt werden (Abb. 3). In Hinblick auf eine ursprüngliche Farbgebung konnte am östlichen Ehrenhofbrunnen durch naturwissenschaftliche Untersuchungen eine helle Fassung, die der Zweitfassung (Schwerspat) der Obeliskenanlage entspricht, nachgewiesen werden.11 Bei dieser Bestandsaufnahme entstanden auch zwei Vordiplome (E. Ghaffari/A. Moser), deren wesentliche Aufgabe eine intensive Recherche im Archiv der SKB beinhaltete. Hierbei wurde eine auffällige Gemeinsamkeit der Brunnenanlagen im Schlosspark festgestellt: Fotografien aus dem Jahr 1870 zeigen, dass die Figuren und der florale Schmuck an den beiden Ehrenhofbrunnen eine eindeutig helle Oberfläche aufwiesen. Dieses Erscheinungsbild konnte auch durch Fotografien aus demselben Jahr bei der Obeliskenanlage, dem Neptunbrunnen und den beiden Najadenbrunnen nachgewiesen werden.

gesamtkonzept der oberflächengestaltung an den brunnenanlagen Durch die bereits gewonnen Erkenntnisse drängte sich die Frage auf, inwieweit ein Gesamtkonzept in Hinblick auf die Oberflächengestaltung an sämtlichen Brunnenanlagen des Schlossparks vorlag. Schließlich wurden dieselben in relativ kurzen Zeitabschnitten erbaut und vom selben Architekten geplant. Die SKB beauftragte aus diesem Grund das Institut für Konservierung und Restaurierung mit der Bestandsaufnahme aller Brunnen des Schlossparks in Hinblick auf ein ehemaliges Gesamtfassungskonzept. Diese wurde im Rahmen einer Diplomarbeit (E. Ghaffari) durchgeführt und beinhaltete als Aufgabe, einerseits sämtliche Brunnen auf ursprüngliche Fassungen zu befunden, und andererseits naturwissenschaftliche Untersuchungen für evt. Rekonstruktionen von Fassungen in Hinblick auf konservatorisch-technische Notwendigkeiten für den witterungsbedingten „Extremfall“ bei Brunnenanlagen zu erarbeiten. Aus diesem Grund wurden historische 9

Ehrenhofbrunnen Schloss Schönbrunn, Restauratorisches Gutachten, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, 2005, unveröffentlicht. 10 Ebenda. 11 Ehrenhofbrunnen Schloss Schönbrunn, Restauratorisches Gutachten, Anhang II, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, 2005, unveröffentlicht.

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und moderne Anstrichsysteme ausgewählt, welche einer Bewitterungssimulation ausgesetzt werden sollten. Dazu wurden elf unterschiedliche Beschichtungssysteme auf genormte Steinprüfkörper aufgebracht. Um die spezielle Verwitterungssituation innerhalb von Brunnenanlagen simulieren zu können, kam eine eigens angefertigte Bewitterungsanlage zum Einsatz. In dieser wurden die insgesamt 380 beschichteten Prüfkörper zwei Monate bewittert. Anschließend wurden sowohl alle unbewitterten als auch alle bewitterten Prüfkörper in Hinblick auf ihre feuchtetechnischen, physikalischen und ästhetischen Eigenschaften geprüft. Nach Auswertung aller Kenngrößen und unter Miteinbeziehung der optischen Veränderungen konnten nach einem Ausscheidungsverfahren die für Brunnenanlagen am besten geeigneten Systeme ermittelt werden.12 Folgende Brunnenanlagen wurden innerhalb dieser Diplomarbeit auf ehemalige Fassungsreste untersucht: Westlicher Ehrenhofbrunnen, Östlicher Najadenbrunnen, Westlicher Najadenbrunnen, Neptunbrunnen, Engelsbrunnen, Schöner Brunnen und das Fischbassin. Im Rahmen der Arbeit wurden nur an jenen Brunnen Proben entnommen, für welche noch kein eindeutiger Fassungsbefund vorlag. Die Probennahme erwies sich zum Teil als äußerst schwierig, da alle Brunnenbassins (außer Neptunbrunnen) zu diesem Zeitpunkt noch mit Wasser gefüllt waren. Zusätzlich waren fast alle Figuren mit Verschmutzungen und biogenen Auflagen überzogen, wodurch die makroskopische Beurteilung in Hinblick auf evt. bestehende Fassungsreste erschwert wurde. Gleichzeitig erwies sich bei der Probennahme, dass einige Brunnenfiguren nicht – wie vermutet bzw. wie in den Unterlagen des Archivs der SKB verzeichnet – aus Kalksandstein gearbeitet waren, sondern aus weißem Marmor. Dies betraf die beiden Najadenbrunnen. Somit konnte man hier von keinerlei Fassungsresten ausgehen. Ein Sonderfall bildete jedoch der Neptunbrunnen, bei dem Figuren und Hippokampen ebenfalls aus weißem Marmor (Sterzing) erbaut sind. Hier lag jedoch die Vermutung nahe, dass evt. sämtliche Objekte aus der Flora und Fauna (Kalksandstein) – wie beim Konzept der Obeliskenanlagen – ursprünglich gefasst gewesen sein könnten. Dies konnte in der Folge durch naturwissenschaftliche Untersuchungen bestätigt werden. Durch die folgenden mikroskopischen Untersuchungen an 26 Proben der Brunnenanlagen im Schlosspark Schönbrunn konnte ein eindeutiges ursprüngliches Gestaltungskonzept derselben nachgewiesen werden:13 Sowohl die Figurengruppen als auch alle Elemente mit Flora- und Faunadarstellungen heben sich strahlend weiß von einem steinsichtigem, aus unterschiedlichen Natursteinvarietäten aufgebauten, grottenartigen Unterbau ab. Dieses Gestaltungsprinzip wurde einerseits mit echtem weißen Sterzinger 12 Ghaffari, E., Die historischen Farbfassungen der barocken Brunnenanlagen im Schlosspark Schönbrunn und die Möglichkeiten ihrer Rekonstruktion, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst, Diplomarbeit 2005. 13 Ebenda.

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Marmor ausgeführt, wie dies bei den Najadenbrunnen, dem Engelsbrunnen, der Figur des Schönen Brunnens, dem Fisch-Bassin (hier allerdings bereits als Kunststeinguss ausgeführt), im Brunnenbecken der Römischen Ruine und bei den Figurengruppen des Neptunbrunnens der Fall ist. In Kombination dazu waren andererseits die heute steinsichtigen Figurengruppen und floralen Elemente aus Kalksandstein ursprünglich weiß gefasst. Hierbei sollte mit der befundeten Bleiweißfassung eindeutig Marmor imitiert werden. Diese Fassungen konnten auch an Elementen aus Flora und Fauna des Neptunbrunnens nachgewiesen werden. Bei der Erstfassung der Obelisken-Anlage befinden sich innerhalb und auf den einzelnen Schichten zusätzlich feine Glasplättchen, welche im Sonnenlicht stark glitzern. Dies bestätigte ferner das Konzept der Marmorimitation. Weiters konnte nachgewiesen werden, dass die Brunnenanlagen in einer späteren Epoche eine Schwerspat/Bleiweiß-Fassung erhielten, wobei hier die ursprüngliche Farbgebung aufgrund von Verschmutzung und Verwitterung derselben nur mehr schwer nachvollziehbar ist. Man kann aber jedenfalls davon ausgehen, dass es sich um eine helle Fassung handelte. Eine dritte Fassungsphase in weißem Farbton konnte an einer einzigen Probe (Schöner Brunnen) nachgewiesen werden. Als dominierendes Weißpigment konnte hier Zinkweiß, welches industriell seit ungefähr 1850 hergestellt wird, identifiziert werden.14 Weitere Untersuchungen am Schönen Brunnen werden derzeit innerhalb einer Diplomarbeit (S. Spornberger) am Institut für Konservierung und Restaurierung durchgeführt. Diese beinhalten einerseits erweiterte Erkenntnisse über die Oberflächengestaltung des Pavillons, andererseits eine Bestands- und Schadensaufnahme sowie Maßnahmenempfehlungen. Abstract Conservation of stone was first introduced as a part of the training program at the Conservation Department of the University of Applied Arts Vienna in the Year 2000. Soon after, the cooperation with Schönbrunn was launched, mostly in the form of condition surveys. These condition surveys provided material for creating databases that contain art-historical, iconographical and iconological details, as well as a short history of treatments. The need of conservation was defined based on the condition for every single object separately. In two cases, a park sculpture and one fountain, trial treatments took place. The base for these was given through previous scientific analysis. The original concept for the appearance of different stone surfaces for all of the park fountains was defined in the frame of a diploma thesis. At the moment, another thesis is handling the “Schönen Brunnen” fountain.

14 Wehlte, K., Werkstoffe und Techniken der Malerei, Ravensburg 1967, S. 86.

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literatur Ban, M., Untersuchungen zu möglichen Schadensmechanismen und angewandte Reinigungsmethoden, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, Seminararbeit 2006, unveröffentlicht. Bestandskatalog zum Steinbestand im Bauhof Schönbrunn, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, 2002, unveröffentlicht. Dahm, F. (2003): Die Römische Ruine im Schlosspark von Schönbrunn. Forschungen – Instandsetzung – Restaurierung. Wissenschaftliche Reihe Schönbrunn, Band 8, hrsg. von Friedrich Dahm, Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. Ehrenhofbrunnen Schloss Schönbrunn, Restauratorisches Gutachten, Universität für angewandte Kunst Wien, 2005, unveröffentlicht. Ghaffari, E., Die historischen Farbfassungen der barocken Brunnenanlagen im Schlosspark Schönbrunn und die Möglichkeiten ihrer Rekonstruktion, Universität für angewandte Kunst Wien, Diplomarbeit 2005. Der Obeliskenbrunnen im Schlosspark Schönbrunn, Restaurierungsbericht, 2006, Firma Lassy & Rey GmbH., unveröffentlicht. Konservatorische Bestandsaufnahme der Gartenskulpturen aus Sterzinger Marmor im Schlosspark Schönbrunn, Teil I–III, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, 2004, unveröffentlicht. Musterrestaurierung der Skulptur „Alexander und Olympias“, Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst Wien, 2007, unveröffentlicht. Wehlte, K., Werkstoffe und Techniken der Malerei, Ravensburg 1967.

martina griesser-stermscheg

Das Palmenhaus in Schönbrunn (1882): Die „präventive Konservierung“ eines Gewächshauses

zusammenfassung Das Palmenhaus im Schlosspark Schönbrunn / Wien wurde nach den Plänen von Franz Xaver von Segenschmid vom Eisenkonstrukteur Ignaz Gridl erbaut und 1882 eröffnet. Das Gebäude wird heute von der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. verwaltet. Mieter und Nutzer sind die Bundesgärten Wien_Innsbruck. Tausende BesucherInnen bewundern jährlich die botanische Sammlung. Das Palmenhaus durchlebte mehrere große Renovierungsphasen: Im Zweiten Weltkrieg wurde es durch einen Bombenangriff schwer beschädigt und wieder aufgebaut, weitere Veränderungen folgten zwischen 1977 und 1990. 2008 zeigt das Gebäude erneut Schäden. Das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien wird mit einer Zustandsanalyse und der Planung eines Maßnahmenpaketes beauftragt. Durch die Voruntersuchungen kann eine ursprünglich angedachte, erneute Generalsanierung ausgeschlossen werden und stattdessen wird neben konservatorisch notwendigen Eingriffen die wesentlich kostengünstigere teilweise Reaktivierung des historischen Pflege- und Wartungssystems, aber auch dessen technische Aufrüstung vorgeschlagen. Kontinuierliches Monitoring sowie die Sensibilisierung im Nutzungsverhalten sind dabei wichtige Bestandteile.

Eigentlich ist es keine gute Idee, ein Gewächshaus, das als dauerhafte Herberge für eine tropische Pflanzensammlung dienen soll, ausgerechnet aus Eisen zu bauen. Jeder weiß doch, dass hohe Luftfeuchte zu Rostbildung führt. Somit scheint ein Kreislauf von kostspieligen Sanierungen in regelmäßigen Zyklen vorgegeben – eine unendliche Geschichte von immer und immer wieder zu restaurierenden Gewächshäusern ... Doch kann man ein Gewächshaus auch nutzen und, um den Kreislauf zu brechen, gleichzeitig „präventiv konservieren“? Ja, man kann. Und die Ingenieure und Eisenkonstrukteure der frühen Gewächshausarchitektur wussten dies wohl besser zu tun als wir heute.

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das grosse palmenhaus in schönbrunn Architektur und Funktion sind beim Bautyp des Gewächshauses äußerst eng miteinander verbunden. Gliederung und Form des Gebäudes basieren auf botanischen Anforderungen: Die Bepflanzung erfordert ein Maximum an Sonnenlicht und Transparenz. Daraus ergab sich die charakteristische, gewölbte Bauform vieler Gewächshäuser des 19. Jahrhunderts, die erstmals von Sir George Mackenzie 1815 vorgeschlagen worden war. Seine Forderung lautete: „Mache die Oberfläche des Gewächshauses parallel zum Gewölbe des Himmels und zum Lauf der Sonne!“1 Berücksichtigt werden sollte bei der Gebäudegliederung die Wuchshöhe der einzelnen Pflanzen, aber auch die für den guten Gedeih notwendigen unterschiedlichen Temperaturzonen: Es entstanden Gebäudekomplexe mit verschieden hohen, verschieden großen Pavillons, meist bestehend aus einem „Kalthaus“, einem „Warmhaus“, und einem „temperierten“ Bereich. Das klassische Vorbild für diesen Bautypus war das Palmenhaus in Kew bei London (1848), das auch den Bau des Schönbrunner Palmenhauses stark beeinflusste. Das Große Palmenhaus im Schlossgarten Schönbrunn (Abb. 1) wurde am 19. 6. 1882 von Kaiser Franz Joseph I. eröffnet. Es wurde nach den Plänen des Hofarchitekten Franz Xaver von Segenschmid von Hofschlosser und Eisenkonstrukteur Ignaz Gridl (J.G. Gridls k. k. Eisenkonstruktions-Werkstätte, Schlosserei und Brückenbau-Anstalt Wien) von 1880 bis 1882 errichtet. Für die Statik war Sigmund Waagner verantwortlich, dessen Nachfolgefirma Waagner-Biró auch an der späteren Renovierung des Hauses von 1986 bis 1990 beteiligt war. Erbaut wurde das Palmenhaus zur Unterbringung und Präsentation der umfangreichen botanischen Sammlung der Habsburger. Als das Palmenhaus 1945 von mehreren Bomben getroffen wurde, erfror ein Großteil dieser kostbaren Pflanzensammlung. Heute beherbergt das Glashaus eine täglich geöffnete Lehrsammlung mit rund 7000 Pflanzen aus der ganzen Welt. Nutzer und Mieter des Palmenhauses sind die Bundesgärten Wien_Innsbruck, vermietet und verwaltet wird es von der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. (SKB). Das etwa 114 m lange und an seiner höchsten Stelle 24 m hohe Gebäude ist auf einer Nord-Süd-Längsachse aufgebaut. Es besteht aus einem erhöhten, zentralen Pavillon, der nördlich und südlich mit zwei Langschiffen verbunden ist, die wiederum in zwei kleineren Pavillons mit quadratischer Grundfläche enden, dem Warm- und dem Kalthaus. Es handelt sich um eine reine Eisenkonstruktion – mit Ausnahme des Sockels: Dieser ist mit Natursteinplatten verkleidet und wie das darunterliegende Fundamentmauerwerk aus Ziegeln gebaut. Die Konstruktion des Palmenhauses bilden schmiedeeiserne, 1

Koppelkamm, S., Künstliche Paradiese. Gewächshäuser und Wintergärten des 19. Jahrhunderts, Berlin 1988, S. 24, zit. nach: Loudon, J.C., The Greenhouse Companion, London 1824, S. 16.

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gewölbte Fachwerksträger, die durch horizontale Kastenträger verbunden sind und von gusseisernen Säulen im Inneren gestützt werden. Das charakteristische Erscheinungsbild des Gebäudes wird wesentlich durch die nach außen verlegte Tragekonstruktion bestimmt. Im Innenraum bilden schlanke Säulenarkaden die architektonische Fassung der drei Haupträume (Abb. 2). Der heutige Konstruktionsbestand lässt sich zwar als Marriage von Werkstoffen aus der Bauzeit und unterschiedlichen Renovierungsphasen bezeichnen, allerdings zählt das tragende Gerüst des Palmenhauses großteils noch zum Originalbestand. Dazu gehören die gusseisernen Säulen, die schmiedeeisernen Kastenträger sowie die schmiedeeisernen Sparren und Pfetten der Dachhaut. Gegenüber dem spröden Gusseisen wurde Schmiedeeisen für alle Konstruktionselemente verwendet, für die eine hohe Zugfestigkeit und eine gewisse Elastizität gefordert waren. An der Innenseite des Tragwerks ist die Dachhaut befestigt. Diese bestand ursprünglich aus einer zweischaligen Verglasung mit zwei Glasscheiben im Abstand von rund 14 cm. Bei den äußeren Scheiben waren die Fugen dicht verkittet, bei den inneren Scheiben wegen der Luftzirkulation jedoch offen gelassen worden. Das Schwitzwasser wurde durch ein eingebautes Dränagesystem reguliert und abgeleitet.2 Das ablaufende Regenwasser war in einer die Kuppeln umlaufenden Kupferrinne gesammelt worden, um im Innenbereich durch Kupferrohre – welche die Kastenträger und Säulen durchliefen – in Zisternen unterhalb der Humusschicht geleitet zu werden.

restauriergeschichte Bei den Bombentreffern im Februar 1945 wurden die ursprüngliche Verglasung sowie Teile der Eisenkonstruktion zerstört. Im Zuge des Wiederaufbaus wurde in den Jahren 1948 bis 1952 Fensterglas eingesetzt und stark beschädigte Eisenteile mit den damals vorhandenen Mitteln notdürftig repariert. Rostschäden blieben weitgehend unbehandelt. Die folgende Vernachlässigung des Gebäudes führte zu immer größeren Schäden. Alarmiert durch den Einsturz der Wiener Reichsbrücke 1976 wurde der Zustand der Eisenkonstruktion überprüft und das Palmenhaus daraufhin aus Sicherheitsgründen für das Publikum gesperrt. Die ersten Maßnahmen zur Sanierung wurden in November 1977 gesetzt. Die tragenden Gusseisensäulen hatten ihre Belastbarkeit verloren, waren von innen stark korrodiert, da sich Wasser in den darin verlaufenden Kupfer-Regenrinnen gestaut hatte. Gemäß der damaligen Restauriermode wurden die Säulen im Inneren mit PU-Hartschaum

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Prehsler, H., Gewächshäuser, insbesondere jene des 19. Jahrhunderts, und die Problematik ihrer Erhaltung, phil. Diss., Technische Universität Wien 1987, S. 195–199.

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(Produkt „Elastodur“) ausgeschäumt.3 Nach der Ausschäumung wurde das Regenwasser über die Ichsensparren im Außenbereich abgeleitet. 1986 wurde mit einer umfassenden Renovierung begonnen, im Zuge derer man die komplette Verglasung entfernte und das Hauptragwerk durch Sandstrahlen entrostete. Besonders korrodierte Teile wurden durch Zulagen verstärkt oder komplett ausgetauscht, und ein Neuanstrich auf PVC-Basis aufgebracht. Die Renovierung war 1990 abgeschlossen.4 Die Hauptproblematik stellten die korrodierten Eisenelemente sowie die Zweischaligkeit der Dachhaut dar. Durch unzureichende Wartung des Schwitzwasserablaufsystems war es in den Scheibenzwischenräumen zu Trübungen des Glases und Korrosion gekommen. Die zweischalige Dachhaut wurde durch ein einschaliges System aus doppelten Silikat-Isolierscheiben sowie alle Eisensprossen durch Aluminiumsprossen ersetzt, ein allzu schnelles Korrodieren also ausgeschlossen und die Gesamtlast der Dachhaut reduziert. Alle Lüftungseinrichtungen, Fenster und Klappen, wurden vollkommen erneuert, die Laternen allesamt abgetragen und durch dem Original nachempfundene Neukonstruktionen ersetzt. 2004/06 waren Sanierungsarbeiten an der Kuppel des Warmhauses erforderlich, die Laterne musste neuerlich abgetragen und erneuert werden. Schäden durch Korrosion und das Verbräunen der Fenster werden beobachtet und schließlich über eine Generalsanierung der Eisenkonstruktion und den Austausch aller Fenster nachgedacht. 2008 wird das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien von der SKB mit einer Zustandsanalyse und der Planung eines alternativen Maßnahmenpaketes beauftragt.5 Im Folgejahr wird als erste Maßnahme eine gründliche Reinigung des gesamten Gebäudes, innen wie außen, vorgenommen (Abb. 3). Der tatsächliche Zustand der Eisenkonstruktion und der Gläser war erst nach dieser Reinigung sichtbar. Durch die Voruntersuchungen des Instituts kann eine erneute Generalsanierung ausgeschlossen und stattdessen – neben konservatorisch notwendigen Eingriffen an der Eisenkonstruktion6 – in Zusammenarbeit mit dem Technischen Büro Käferhaus die teilweise Reaktivierung des historischen Pflege- und Wartungssystems, aber auch dessen technische Aufrüstung vorgeschlagen werden.

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Ebenda, S. 195f, 227. Ebenda, S. 193–237: Konzeption, Projekt- und Maßnahmenbericht vom leitenden Architekten Prehsler. Das damalige Team an Studierenden, Lehrenden und Professionisten umfasste: Anne Biber, Henriette Wiltschek, Johanna Wilk, Carole Breckler, Jasmin Abfalter, Maria Perwög, Pina Klonner, Dr. Jochen Käferhaus, Mag. Georg Kolmanitsch, Thomas Baumgartner, Univ.-Prof. Dr. Katja Sterflinger und Dr. Martina Griesser-Stermscheg. Der umfangreiche Ergebnisbericht (unveröffentlicht), zu dem alle Beteiligten enthusiastisch beitrugen, dient als Grundlage für die verkürzte Darstellung in diesem Beitrag. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages (Frühjahr 2010) finden restauratorische Probearbeiten an der Eisenkonstruktion statt (Mag. G. Kolmanitsch), die eine weitere Evaluierung der mit PU-Schaum verfüllten Säulen sowie die partielle Bearbeitung von Korrosionsherden und Fehlstellen im Deckanstrich zum Inhalt haben. Ziel ist die baldige Ausschreibung der Metallrestaurierungsarbeiten am Palmenhaus durch die SKB.

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wartung, pflege und nutzerverhalten – einst und jetzt Anweisungen zu Wartung und Pflege des Palmenhauses sind uns von Architekt Segenschmid aus dem Jahr 1882 erhalten: Gewährleistet werden sollte die kontinuierliche Betreuung der Heizungsanlagen sowie die regelmäßige Reinigung durch das hauseigene Personal.7 Überliefert ist (und das wird auch besonders gerne erzählt), dass für die Bedienung der Schattierungsjalousien zur Zeit der Monarchie Seekadetten zuständig waren, welche die Beschattungen auf Kommando hissten. Die Lüftungsöffnungen des Gewächshauses wurden mittels Zahnstangentrieb bewegt. Die Reinigung der Ableitungssysteme von Regen- und Kondenswasser und das Entfernen von Schlamm aus Zisternen und Dränagen waren nur händisch möglich. Die Reinigung des Zwischenraums der ursprünglichen Doppelverglasung erfolgte mit langen Stangen durch mehrere Meter voneinander entfernte Putzluken.8 Ein besonders beeindruckendes Beispiel des historischen Wartungssystems ist die Wartungsleiter in der Kuppel des Mittelhauses (Abb. 4). Sie kann entlang zweier Schienen rund um die Kuppel bewegt und von der zweiten Galerie aus begangen werden. Anlässlich der Reinigungsaktion 2009 wurde sie wieder funktionstüchtig gemacht. Vor Beginn der letzten großen Sanierung 1986 wurde der Zustand erfasst: Seit 1951 waren die Zisternen nicht mehr gereinigt worden. Dadurch entstand ein Rückstand, bestehend aus Rost, Laub, Zweigen, Kitt und Glasbruch, der das Regenwasser zurückstaute. Die Kondenswasserabläufe waren zur Gänze verlegt, das Schwitzwasser konnte nicht ablaufen und blieb zwischen der Doppelverglasung stehen. Die Putzklappen waren durch die jahrelange Nichtbenützung verrostet und konnten nicht mehr geöffnet werden. So führten unterlassene Wartungs- und Reinigungsmaßnahmen zur Zerstörung vieler Bauelemente und machten teure Sanierungsarbeiten notwendig. Interessant scheint hier ein Kostenvergleich: Die Kosten der Sanierung 1986–90 lagen bei knapp 200 Millionen Schilling (ca. 15 Millionen Euro), die seinerzeitige Bausumme dagegen „nur“ bei 600.000 Gulden (ca. 4–7 Millionen Euro). Klar war nach Abschluss der Sanierung 1990, dass bleibender Erfolg nur durch regelmäßige Reinigung, Pflege und Wartung gewährleistet werden kann.9 Wartungs- und Pflegemaßnahmen werden heute von den Gärtnern vorwiegend zugunsten der Pflanzensammlung durchgeführt. Fast alle diese Maßnahmen haben jedoch Konsequenzen für die Gebäudekonstruktion. Die Bewässerung der Pflanzen erfolgt ei7 8 9

Obersthofmeisteramt 1882 34/B/2 3282: Exposée Segenschmid, zit. nach: Marschner, R., Wiener Gewächshäuser, Diplomarbeit, Universität Wien 1997, S. 101. Prehsler, H., Gewächshäuser, insbesondere jene des 19. Jahrhunderts, und die Problematik ihrer Erhaltung, phil. Diss., Technische Universität Wien 1987, S. 148, 195–198. Lehne, A., Zur Restaurierung des Schönbrunner Palmenhauses, in: ÖZKD 44/1990, S. 80–83, S. 83.

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nerseits durch frühmorgendliches Gießen (durchschnittlich drei Gießtage im Sommer und ein Gießtag im Winter), Säuseln im Sommer (d.h. leichtes Berieseln der Blätter mit Schlauch) oder durch die Sprühnebelanlage, die zum Kühlen der Pflanzen im Sommerhalbjahr in 20-minütigen Intervallen für 20 Sekunden über Hochdruckdüsen von der mittleren Etage aus sprüht. Bei Bedarf wird im Sommer die elektrische Außenbeschattung aktiviert, wenn Gefahr besteht, dass zu große Sonneneinstrahlung die Pflanzen verbrennt. Gelüftet wird fast täglich, aber nur innerhalb der Dienstzeit zwischen 7 und 15.30 Uhr. Daher gibt es nach Dienstschluss keine Lüftung, wie sie manchmal vonnöten wäre. Die Wärmeverteilung erfolgt über Konvektoren und in den beiden Galerien über zusätzliche Heizungsrohre. Die Betreuung und Regelung der Heizung erfolgt durch eine Fremdfirma nach Einhaltung von Mindesttemperaturen und Alarmwerten. In Abwandlung des ursprünglichen Lüftungskonzeptes wurden im Warmhaus Lüftungsklappen und Ventilatoren eingebaut, welche dazu dienen sollen, die warme, feuchte Luft, die sich in der Kuppel ansammelt, wieder nach unten zu zirkulieren. Im Kalthaus wird die Stauwärme in der Kuppel durch vier eingebaute Ventilatoren nach außen gedrückt. Aufgrund zu großer Lärmentwicklung sind diese Ventilatoren jedoch nicht immer in Betrieb.

das klima und daraus resultierende schäden Die Raumtemperatur ist der wichtigste Parameter für die Gärtner im Palmenhaus. Eine Unterschreitung der Richttemperatur in den jeweiligen Zonen hätte negative Auswirkungen auf die Pflanzen. Im Kalthaus dürfen im Winter Temperaturen zwischen 6 °C und 8 °C (Tagesminimum/Tagesmaximum) nicht unterschritten werden. Im Sommer wird nicht geheizt, sondern bei Bedarf beschattet. Im Mittelhaus wird versucht, in den Wintermonaten eine Mindesttemperatur zwischen 12 °C und 15 °C zu erreichen, dadurch ergeben sich längere Heizperioden als im Kalthaus. An sonnigen Wintertagen steigt jedoch die Temperatur durch die Sonneneinstrahlung. An solchen Tagen wird auch nicht geheizt. Im Warmhaus gibt es eine Vegetationsheizung (Bodenheizung), die ganzjährig heizt. Die herrschenden Temperaturen in diesem Bereich sollen 16 °C nicht unterschreiten. Die durchschnittliche Tagestemperatur im Winter liegt bei 18 °C. Ab Oktober 2008 wurden erstmalig Klimamessungen im Palmenhaus durchgeführt, bis dahin beschränkten sich die Gärtner auf den täglichen Blick aufs Thermometer. Durch die Ausgleichsmechanismen wie Belüftung, Gießung, Heizung und Beschattung herrscht im Kalthaus eine durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit zwischen 75  und 99 , im Mittelhaus zwischen 6 5 und 95  und im Warmhaus zwischen 55  und 95 . Besonders deutlich zeigen sich an den Tageskurven die Auswirkung des Gießens, Säuselns und

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Nebelns oder das Schließen der Fenster nach Dienstschluss. An einzelnen Tagen kann es somit innerhalb von wenigen Stunden zu Stürzen der relativen Luftfeuchte von 93  auf 18  kommen, was auf lange Sicht zur Zermürbung der Lackbeschichtung führen kann. Das Palmenhaus steht mit seiner hohen relativen Feuchte im Inneren und den kalten Metallteilen im bauphysikalischen Widerspruch, der sich in den vorhandenen Schäden manifestiert. Es kommt im Winter an kalten Außenbauteilen zur Taupunktunterschreitung, zu Kondensatausfall und an Stellen, wo die Eisenoberflächen ungeschützt vorliegen (Schweißnähte, mechanische Verletzungen, nicht lackierte Hinterschneidungen, offene Fugen etc.), zu Korrosion. Für die Fenstersprossen der Dachhaut wurde pulverbeschichtetes Aluminium eingesetzt, sodass in diesen Bereichen nicht mit Schäden gerechnet werden muss. Dennoch ist an den Silikonfugen ein enormer Befall an Schimmel zu verzeichnen, der auf Dauer die Dichtheit der Fugen gefährden könnte. Das starke Algenwachstum im Warmhaus ist auf die feuchte Filmbildung auf Glas und Eisen zurückzuführen. Die Algen wirken auf dem Eisen wie Feuchtekompressen und führen auf Dauer zu flächiger Korrosion.

wartungsoptimierung und technische aufrüstung 10 Architekt Segenschmid hatte ein zweifaches Heizungssystem geplant: einerseits eine Dampfheizung, welche die Konvektoren und Heizungsrohre mit sehr hohen Temperaturen und damit auch mit hohem Strahlungsanteil versorgt hat; andererseits einen zweiten, weniger heißen Heizkreis, der ausgehend von den Parapeten erwärmte Raumluft entlang der gläsernen Dachhaut leitete. Grundprinzip für dieses System war die bauphysikalische Tatsache, dass warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann als kühlere und damit durch einen inneren Warmluftschleier vor der kalten Dachhaut anfallendes Kondensat vermieden werden kann. Dieses Prinzip sollte auch zukünftig wieder verfolgt, das historische System reaktiviert, aber auch technisch aufgerüstet werden (Abb. 5). Die historische Luftführung brachte zudem eine gleichmäßige Durchlüftung zustande. Diese gibt es heute nicht mehr, da die rezent eingebauten Ventilatoren nicht geeignet sind, eine entsprechende Luftumwälzung zu bewirken. Daher fällt in Ecken und Nischen aufgrund stehender, feuchter Luft besonders viel Kondensat an. In diesen Bereichen kommt es zu verstärktem Algenwachstum und Schimmelbefall. Außerdem klagen die Gärtner über diese Feuchtenester, die auch Ursache für Pflanzenerkrankungen sein können. 10 Käferhaus, J./Griesser-Stermscheg, M., Das Palmenhaus in Schönbrunn – tropische Pflanzenwelt in Stahl und Glas. Monitoring, Pflege und Wartung, in: Association suisse de conservation et restauration / SCR (Hg.), Conservation préventive, Pratique dans le domaine du patrimoine bati, Actes du colloque 3./4. septembre 2009, Friburg 2009, S. 114–120.

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Die Taupunktanalyse in den Glashäusern zeigt, dass im Winter im Kalthaus bei gewünschten Raumtemperaturen von ca. 18 °C und einer relativen Luftfeuchte von max. 70  der Taupunkt bei ca. 3 °C erreicht wird. Ähnlich ist es im Warmhaus: Bei einer Raumtemperatur von 18 °C und einer relativen Luftfeuchte von 70  liegt der Taupunkt im Warmhaus ca. bei 12 °C. Es sollte möglich sein, mit einer optimierten Heizung und Lüftung die genannten Kondensationstemperaturen nicht zu unterschreiten. Wünschenswert wären zugunsten der Erhaltung des Baukörpers 60–70  relativer Luftfeuchte, dies muss aber noch mit allen Beteiligten diskutiert werden. Ziel ist, mit den geforderten Raumtemperaturen die relative Feuchte in den Glashäusern an einer möglichst niedrigen Untergrenze zu halten, welche aber für die Pflanzen noch vertretbar ist. Die Wärmeverteilung muss so optimiert werden, dass einerseits wirklich alle bestehenden Heizungsleitungen von Heizungswasser durchflossen werden und nicht Teile davon (unbemerkt) kalt sind, wie dies thermografische Aufnahmen (Abb. 6, März 2009) beweisen konnten. Andererseits muss die Leistung der bestehenden Konvektoren auf den Galerien stark vergrößert werden, beispielsweise durch die Erhöhung der teilweise bereits bestehenden gläsernen Schachtverkleidungen, sodass der notwendige Warmluftschleier möglichst rasch an der Dachhaut entstandenes Kondensat abtrocknet. Recherchen über Feuchteschäden in historischen und modernen Glashäusern haben zudem ein signifikantes Ergebnis erbracht: Alle jene Glashäuser, die ihre Glashaut schuppig übereinander angeordnet haben und undichte Fugen zwischen den Scheiben besitzen, haben keinerlei Bauschäden wegen Kondensationsfeuchte – egal, aus welchem Material die Primärkonstruktion dieser Glashäuser besteht, sei es Metall, Holz oder Kunststoff. Dies bestätigt, dass die durch diese Fugen eintretende Außenluft jederzeit das Kondensat abtrocknet. Trotz des Risikos, dass sich diese Maßnahme negativ auf die Energiekosten auswirken kann, wird daher vorgeschlagen, die bestehenden Lüftungsflügel so automatisiert gangbar zu machen, dass auch ein ganz leichtes Spaltlüften möglich ist – nämlich immer dann, wenn ein Taupunktfühler den möglichen Ausfall von Kondensat signalisiert. Gegen unbelüftete Feuchtenester in Ecken und Nischen wird vorgeschlagen, die teilweise zugemauerten, historischen Lüftungsöffnungen in den Parapeten zu reaktivieren. Mit diesen Zuluftöffnungen, in Verbindung mit Lüftungsflügeln im Dachbereich, würde man sich die Ventilatoren und damit auch deren Stromverbrauch sparen. Aufgrund des natürlichen Auftriebes würde die feuchtwarme Glashausluft nach oben geleitet und von der Laterne nach außen abgeführt werden. Außerdem wird vorgeschlagen, den historischen unterirdischen Heizungsgang zum benachbarten Hietzinger Heizhaus sowie die Abwärme des Umformerraumes unter dem Mittelhaus zu nutzen, um im Winter Außenluft durch diesen Gang anzusaugen und durch die Fernwärmeleitungen leicht vorwärmen zu lassen. Diese vorgewärmte Zuluft sollte über entsprechende Luftverteilrohre innen an den Parapeten als frische Außenluft insbesondere den feuchten Ecken zugeführt werden.

Das Palmenhaus in Schönbrunn

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Zusammenfassend gesagt: Ziel ist, die relative Luftfeuchte im Palmenhaus in Abstimmung auf botanische Erfordernisse an einer möglichst niedrigen Untergrenze zu halten, und durch kurzfristige Spaltlüftung zur raschen Abfuhr entstandenen Kondensats beizutragen. Die Verbesserung des Wärmeverteilsystems an kalten Außenbauteilen sowie die Verstärkung des Warmluftschleiers vor den kalten Fensterfronten minimieren ebenso einen Kondensatanfall. Kontinuierliches Monitoring sowie die Sensibilisierung im Nutzungs- und Pflegeverhalten sind weitere wesentliche Einflussfaktoren. Sicher kann so ein Kompromiss zwischen dem Erhaltungsauftrag für das Palmenhaus und dem bestmöglichen Raumklima für die Nutzung des Hauses gefunden werden – nämlich eine wertvolle, aber vor allem wunderschöne Pflanzensammlung zu präsentieren.

Abstract The Schönbrunn Palm House / Vienna was erected by architect Franz Xaver von Segenschmid and iron-constructor Ignaz Gridl in 1882. Today the building is managed by Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H., but rented and used by Bundesgärten Wien_Innsbruck. Year by year thousands of visitors admire the botanical collections. The Palm House shows a few phases of restoration: During World War II it was damaged heavily through bombing and reerected, more changes were done between 1977 and 1990. 2008 the building shows new damages. The Conservation Department from the University of Applied Arts Vienna is asked for a condition survey and for planning necessary measures. Through these pre-investigations the originally planned general renovation can be excluded: Beside necessary static and conservational interventions the much cheaper partially reactivation of the historical care and monitoring system but also its technical improvement is suggested. Permanent Monitoring as sensitising in using the building are important points.

literatur Abfalter, J., Biber, A., Breckler, C., Griesser-Stermscheg, M., Käferhaus, J., Klonner, P., Kolmanitsch, G., Perwög, M., Wilk, J., Wiltschek, H., Das Große Palmenhaus im Schlosspark Schönbrunn. Konservatorische Bestandsaufnahme 2008/09, Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien 2009, unveröffentlicht. Käferhaus, J./Griesser-Stermscheg, M., Das Palmenhaus in Schönbrunn – tropische Pflanzenwelt in Stahl und Glas. Monitoring, Pflege und Wartung, in: Association suisse de conservation et restauration / SCR (Hg.), Conservation préventive, Pratique dans le domaine du patrimoine bati, Actes du colloque 3./4. septembre 2009, Friburg 2009, S. 114–120.

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Martina Griesser-Stermscheg

Koppelkamm, S., Künstliche Paradiese. Gewächshäuser und Wintergärten des 19. Jahrhunderts, Berlin 1988. Lehne, A., Zur Restaurierung des Schönbrunner Palmenhauses, in: ÖZKD 44/1990, S. 80–83 Loudon, J.C., The Greenhouse Companion, London 1824. Marschner, R., Wiener Gewächshäuser, Diplomarbeit, Universität Wien 1997. Prehsler, H., Gewächshäuser, insbesondere jene des 19. Jahrhunderts, und die Problematik ihrer Erhaltung, Dissertation, Technische Universität Wien 1987.

gabriela krist, stefanie jahn, martina griesser-stermscheg, regina knaller, eva götz

Folienverpackungen in unklimatisierten Sammlungsdepots Forschungsergebnisse des Instituts für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien im Rahmen des vom FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH) geförderten dreijährigen Forschungsprojektes über „StandardKunstsoff-Verpackungslösungen für Sammlungs- und Museumsdepots“ von 2005–2008.

zusammenfassung Fünf Wiener Institutionen – das Kunsthistorische Museum, das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien, das Wien Museum, die Sammlung Essl und das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (ofi) – arbeiteten an einem von der Österreichischen FFG geförderten dreijährigen Forschungsprojekt über „StandardKunststoff-Verpackungslösungen für Sammlungs- und Museumsdepots“ von 2005–2008, an der Verbesserung von Langzeitlagerung von Kunstobjekten in unklimatisierten Depots. Die Projektpartner untersuchten ein breites Spektrum an Kunstwerken und deren Materialien. An die Verpackung wurden differenzierte Anforderungen gestellt, die eine optimierte Lagerung der Objekte durch eine Stabilisierung der Luftfeuchtigkeit sowie den Schutz vor aggressiven Schadstoffen und Schädlingsbefall in Depoträumen gewährleisten sollen. Auf internationaler Ebene werden bei aktivem Schädlingsbefall Objekte in Kunststofffolien verpackt und mit Stickstoffspülungen, ohne den Einsatz von Giftgasen, wie sie vor wenigen Jahren noch gebräuchlich waren, behandelt. Diese Behandlungen sind of trecht kostspielig, die Preise der Folien hoch und die Durchführung oft nur durch zugekaufte Fremdfirmen möglich. Die Forschungsergebnisse des hier Dargestellten zeigen hingegen praktikable und finanzierbare Lösungsvorschläge für kleine und mittlere Museen auf.

Der Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft (FFF) unterstützte von 2002–2004 ein Forschungsprojekt des Kunsthistorischen Museums in Wien, das die Eignung von Folienverpackungen zur Verbesserung der Aufbewahrungsbedingungen für Ausstattungsteile der Wagenburg des KHM überprüfen sollte.1 Die Ergebnisse bildeten

1

Griesser, M./Kurzel-Runtscheiner, M./Novotny-Kargl, M., Erfahrungen zur Verbesserung der Aufbewahrung historischer Objekte in nicht klimatisierten Museumsdepots durch Verpackung in Kunststofffolien unter kontrollierten Bedingungen, in: Technologische Studien 2/2005, S. 87–115.

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Gabriela Krist, Stefanie Jahn et al.

die Grundlage für ein Folgeprojekt bei der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) von 2005–2008, an dem sich das Kunsthistorische Museum Wien, die Universität für angewandte Kunst Wien, die Sammlung Essl, das Wien Museum und das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (ofi) beteiligten. Während der 3-jährigen Forschungsarbeit wurden am Institut für Konservierung und Restaurierung unterschiedliche Materialgruppen in Folienverpackungen getestet: Für die dauerhafte Verpackung von Objekten in Folien mit oder ohne Stickstoffatmosphäre zur Langzeitaufbewahrung in unklimatisierten Depots zum Schutz vor Schmutz, Schadstoffen und Feuchtigkeit sowie zur Vermeidung von Korrosionsbildung und vorzeitigem Materialabbau wurden Kleinobjekte aus Silber, Kupfer und Eisen verpackt, ein textiler Paravant sowie Badehauben aus Gummi getestet. Für die Schädlingsbekämpfung durch Stickstoffspülungen in großformatigen Folientunneln über einen begrenzten Zeitraum von sechs bis acht Wochen wurden über 500 klein- und großformatige Gemälde sowie eine barocke Kirchenkanzel behandelt. Zentrale Aufgabe bei der Anwendung der Folien war es, eine Methode zu entwickeln, die technisch unkompliziert und nicht nur bei kleineren, handlichen, sondern auch bei großformatigen Objekten anwendbar sein sollte. Der Fachbereich Objektrestaurierung/Schwerpunkt Metall setzte sich gemeinsam mit den Sammlungen der Universität für angewandte Kunst zum Ziel, das Korrosionsverhalten von Schmuckobjekten aus Metall in Folienverpackung zu evaluieren.2

ausgangssituation und projektziel Aus den Beständen der Sammlungen der Universität für angewandte Kunst Wien wurden 23 Schmuckobjekte aus unterschiedlichen Metallen ausgewählt, alles Werke zeitgenössischer SchmuckkünstlerInnen und DesignerInnen. Die Schmuckstücke bestehen größtenteils aus Silber, aber auch vergoldetes Silber, Kupfer und Eisen sind vorhanden. Bei einigen Objekten liegen Materialkombinationen vor, beispielsweise mit Holz, Stein, Glas oder Kunststoff. Über drei Jahre sollten diese Objekte in einem verschließbaren historischen Holzschrank, der als Aufbewahrungsdepot für kleinere Objekte dient, mit unterschiedlichen Folienverpackungen getestet werden.3 Das Institut für Chemie, Technologie und Analytik der Technischen Universität führte Schadstoffmessungen durch, bei denen hohe Säure- und Aldehydwerte im lackierten Holzschrank festgestellt wur2

3

Kalabis, S., Griesser-Stermscheg, M., Grießer, M., Novotny-Kargl, M., Langzeitlagerung im unklimatisierten Museumsdepot: Die Verpackung von Metallobjekten in Kunststoff-Folien, in: Krist, G., GriesserStermscheg, M. (Hg.), Metallkonservierung – Metallrestaurierung, Wien 2009, S. 79–90. Holzschrank um 1905, Design: Fanny Harflinger, Inv.-Nr. 2935/M.

Folienverpackungen in unklimatisierten Sammlungsdepots

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den, die den Oxidationsprozess von Metallen beschleunigen können. Der Schrank befindet sich in einem nicht klimatisierten Archivraum der Sammlungen, der gleichzeitig als Büroraum dient und im Winter geheizt wird. Eine Projektvoraussetzung war damit erfüllt: Die Evaluierung der Folienverpackung sollte relevant sein für Museen ohne ideale Depot-Verhältnisse, beispielsweise Heimatmuseen, Burgmuseen, kirchliche Sammlungen, Gedenkstätten oder wie in unserem Fall Universitätssammlungen. Durch die Folienverpackung sollten die Metallobjekte vor Faktoren geschützt werden, welche langfristig zu Oxidation und Korrosion beitragen: zu feuchtes Klima, starke jahreszeitliche Klimaschwankungen, Schadstoffe aus der Umgebungsluft oder Berührung mit Handschweiß. Weitere Anforderungen zur Folienverpackung betrafen die einfache Handhabe bei der Verpackung, aber auch während der Lagerung sowie die Transparenz des Folienmaterials, welche ständig eine optische Kontrolle der Objekte ermöglichen sollte. Die Mitarbeiterinnen der Sammlung sollten in der Lage sein, die Folienbeutel leicht zu öffnen und zu schließen, falls innerhalb der Projektphase Anfragen für Leihgaben oder eine Inventur den direkten Zugriff auf die Objekte erforderlich machen sollte. Ein ungeklärtes Phänomen, das in der Projektphase 2002–2004 speziell auf den Metallteilen der eingeschweißten Objekte in der Wagenburg beobachtet wurde, sollte einer vertiefenden Untersuchung unterzogen werden: Manche der unter Stickstoff verpackten Objekte zeigten ein deutlich schnelleres Anlaufen als unter Luft verpackte Vergleichsobjekte. Das Verpacken unter Stickstoff, also der Entzug von Sauerstoff, sollte Oxidation und Korrosion am Metall verhindern, genau das Gegenteil wurde aber beobachtet.4

reinigung Um den Einfluss der unterschiedlichen Folientypen und Verpackungsbeigaben besser vergleichen und bewerten zu können, wurden alle Metallobjekte vor der Verpackung gereinigt. Die Reinigung und Verpackung der 23 Objekte erfolgte in einem dreitägigen Workshop durch Studierende des Fachbereichs Objektrestaurierung. Fast alle Silberobjekte konnten wässrig im Seifenwurzelbad5 gereinigt werden. Die Silberreinigung im heißen Seifenwurzelsud gilt als traditionelle und milde Methode. Der Erfolg basiert auf der seifenartigen und schaumbildenden Wirkung des Saponin-Gemisches, welches aus der getrockneten und geraspelten Wurzel des Seifenwurzelbaumes gewonnen wird. Besonders hartnäckige Auflagen wurden mechanisch mit einem breiartigen Gemisch aus 4

5

Griesser, M./Kurzel-Runtscheiner, M./Novotny-Kargl, M., Erfahrungen zur Verbesserung der Aufbewahrung historischer Objekte in nicht klimatisierten Museumsdepots durch Verpackung in Kunststofffolien unter kontrollierten Bedingungen, in Technologische Studien 2/2005, S. 108–111. Bezug: Grossdrogerie Neuber’s Enkel, Linke Wienzeile 152, A-1060 Wien.

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Gabriela Krist, Stefanie Jahn et al.

Schlämmkreide6 (Calciumcarbonat) in Aceton nachgereinigt und entfernt. Schlämmkreide zeigt bei gleichzeitiger geringer mechanischer Beeinträchtigung der Oberfläche ein gutes Abriebvermögen und ermöglicht, störende Sulfidschichten zu entfernen.7 Eine alleinige Reinigung mit Schlämmkreide in Aceton, also ohne die Vorreinigung im Seifenwurzelsud, musste an den Silberobjekten vorgenommen werden, welche aus Materialkombinationen mit organischen Materialien bestehen und deshalb für ein Bad ungeeignet waren. Die Eisenobjekte wurden mechanisch mit Skalpellklingen und Stahlwolle (0000) entrostet. Abschließend wurden alle 23 Metallobjekte mit Aceton entfettet. Einzelne Silberschmuckstücke waren rezent als Leihgaben für eine Ausstellung angefragt worden und waren dafür nach Auskunft einer Sammlungsmitarbeiterin in einem kommerziellen Silbertauchbad gereinigt worden. Das verwendete Produkt enthält Thioharnstoff. Tauchbäder dieser Art werden in der Metallrestaurierung abgelehnt, da es bei der Reinigung zu besonders hohem Silberverlust kommen kann.8 Außerdem funktioniert die Lösung nur im sauren Bereich (pH 2–3). Da die Protonen der Säure durch Haarrisse in das Material eindringen können und damit die Kapillaren füllen, ist ein Nachreinigen fast wirkungslos; durch die verbleibenden Reste wird ein Wiederanlaufen beschleunigt. Die jeweils angewandten Reinigungsmethoden (Seifenwurzelsud, Schlämmkreide, Tauchbad) wurden auf Objektdatenblättern vermerkt, um eventuell auftretende Veränderungen oder Korrosion auch auf die Reinigungsmethoden zurückführen zu können.

verpackung und kontrolle Anschließend erfolgte die Verpackung der Objekte, wobei in erster Linie zwischen sauerstoffhältiger und sauerstofffreier Atmosphäre unterschieden wurde. Bei den sauerstoffhältigen Verpackungen wurde transparente Polyethylen-Folie9 (PE-Folie) in 100 μm Stärke verwendet sowie die in der Literatur häufig empfohlene Corrosion Intercept®Folie10 (CI-Folie), eine PE-Folie, welche durch ihre spezielle Beschichtung mit mikrokristallinem Kupfer Schadstoffe adsorbieren kann. Die CI-Folie hat den Nachteil, dass sie undurchsichtig ist und somit keine Objektkontrolle von außen, ohne die Verpackung

6 7

Bezug: Oberflächenbearbeitung Baier’s Enkel, Westbahnstr. 54, A-1070 Wien. Krehon, V., Die Reinigung von Silberoberflächen: Ästhetische Kriterien und Aspekte der Methodenwahl, in: Restauro 4/1991, S. 237–245, S. 240. 8 Selwyn, L., Silver – Care and Tarnish Removal, CCI-Notes 9/7, Ottawa 1997, S. 2. und Richter, E.L./ Schmidt-Ott, K., Zur Oberflächenbehandlung von Silber, in: Heinrich, P. (Hg.), Metall-Restaurierung. Beiträge zur Analyse, Konzeption und Technologie, München 1994, S. 182–195, S. 188. 9 Bezug: Napiag Kunststoffverarbeitung GmbH, Bahnhofstr. 3, A-8740 Zeltweg. 10 Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten.

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zu öffnen, mehr zulässt. Aus diesem Grund, aber auch aus Gründen der Kostenersparnis (CI-Folie ist sehr teuer), wurde die undurchsichtige CI-Folie als „Bodenfolie“ und die transparente PE-Folie als „Deckfolie“ verwendet. So sollten die Vorteile beider Folien kombiniert werden. Außerdem wurden Trocknungsmittel11 und Absorber für schwefelhaltige Schadstoffe12 beigepackt. Für die sauerstofffreien Verpackungen wurde (annähernd) gasdichte Barrierefolie, eine mit Siliziumoxid beschichtete PE-Folie13 (SiOx-Folie) in 104 μm Stärke, verwendet. Zum Entziehen des Sauerstoffes wurden Sauerstoff-Absorber14 beigefügt. Bei der Sauerstoffaufnahme geben diese Feuchtigkeit ab. Um zu hohe Luftfeuchtigkeit im Beutel zu vermeiden, wird üblicherweise Trocknungsmittel zugegeben. Bei den Objekten mit organischen Bestandteilen wurde jedoch darauf verzichtet, um sie vor zu starker Austrocknung zu schützen. In die sauerstofffreien Verpackungen wurden Sauerstoff-Indikatoren15 gelegt. Wenn sich der Sauerstoffgehalt in der Verpackung erhöht, schlägt die Farbe der Indikatortabletten von rosa in blau um (unter 0,1  rosa, über 0,5  blau). Für die Verpackungen wurden die drei Folientypen sowie Beigaben in unterschiedlichsten Kombinationen verwendet und die Parameter tabellarisch erfasst: Für manche Verpackungen wurde ausschließlich transparente PE-Folie, für andere eine Kombination aus CI- und PE-Folie eingesetzt; in einige wurde Trocknungsmittel, in andere Schadstoffabsorber gelegt, manchmal beides oder keines von beiden. Bei der sauerstofffreien Verpackung in SiOx-Folie wurde zwischen Verpackungen mit oder ohne Trocknungsmittel unterschieden. Möglichst viele Varianten der Verpackung sollten an möglichst unterschiedlichen Metallen getestet werden. Alle Objekte wurden auf mitteldicht geschäumten Polyethylenplatten (Ethafoam)16 befestigt, in darin zugeschnittene Ausnehmungen gelegt oder – um beim Hantieren vor dem Verrutschen zu schützen – mit einem Baumwollfaden an die Schaumplatte genäht. Kleber durften aufgrund potenzieller Ausdünstungen nicht verwendet werden. Das Tragen von Handschuhen war obligat. Die Dosierung der Produkte wie Absorber oder Trocknungsmittel erfolgte nach Erfahrungswerten aus der Projektphase 2002–2004, nach Angaben in der Literatur und nach Auskunft des Hauptlieferanten Christoph Waller, Firma Long Life for Art. Die Folienbeutel wurden in der passenden Größe entlang der Kanten des Ethafoam-Tabletts mit einem Handschweißgerät17 verschweißt. Um dem Wunsch der Sammlungsleitung zu entspre-

11 12 13 14 15 16 17

Desi Pak (Trockenton), Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten. Miracle Sac (Zinkoxydpräparat), Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten. Polyvel Dry PET SiOx/PE 12-90 K, Bezug: Wipf Austria GmbH, Eichenstr. 6, A-4614 Marchtrenk. ATCO FTM 2000, Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten. Ageless-Eye, Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten. Ethafoam D 65, Bezug: Eurofoam GmbH, Greinerstr. 70, A-4550 Kremsmünster. Zangenschweißgerät POLYSTAR, Bezug: Korzinek & Weisse, Schallergasse 11, A-1120 Wien.

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chen, wurden die sauserstoffhältigen Verpackungen nur an drei Seiten verschweißt und die vierte Seite mit einem Klippverschluss18 verschlossen. Der Beutel kann so unkompliziert für eventuelle Ausstellungen oder Zwischenfotos geöffnet und wieder verschlossen werden. Um bei den sauerstofffreien Verpackungen einen ausreichenden Luftabschluss zu gewährleisten, mussten jedoch alle vier Seiten mit dem Handschweißgerät verschlossen werden. Die Referenzobjekte blieben ganz ohne Verpackung. Auf diese Weise konnten die Auswirkungen jedes einzelnen Verpackungselementes auf die verpackten Objekte im Vergleich mit dem dazugehörigen Referenzobjekt erfasst werden. Um die Vorgänge in den Säckchen messen und kontrollieren zu können, wurden in alle Verpackungseinheiten Klimamessgeräte19 zur Aufzeichnung von Luftfeuchtigkeit und Temperatur sowie als Korrosionsindikatoren metallische Testplättchen aus Kupfer, Silber und Blei beigefügt. An den Korrosionsindikatoren, den in der präventiven Konservierung bewährten Oddy-Testplättchen, kann Korrosion eindeutiger nachgewiesen werden als an den teilweise sehr unterschiedlich gefertigten Objekten (Abb. 1: Verpackung von Silberschmuck in unterschiedliche Folien mit Oddy-Testplättchen und Klimamessgeräten). Nach der Verpackung wurden die Folienbeutel und die Referenzobjekte in den Aufbewahrungsschrank der Sammlung verbracht, wo sie über die nächsten zwei Jahre in regelmäßigen Abständen von zwei Wochen kontrolliert wurden. Auf einem tabellarisch angelegten Kontrollblatt wurden alle Daten notiert: Datum der Kontrolle, von wem kontrolliert (Name), Temperatur, Luftfeuchtigkeit, optisch erkennbare Veränderung an den Silber-, Kupfer- oder Bleitestplättchen, optisch erkennbare Veränderungen am Objekt, besondere Anmerkungen oder ob der Beutel zwischendurch geöffnet werden musste. Es erwies sich als sinnvoll, die Kontrollen konsequent von einer Person durchführen zu lassen, da die optischen Veränderungen oft nur gering und im Vergleich zum Zustand von vor zwei Wochen zu identifizieren waren. Die kontrollierende Person sollte RestauratorIn sein, um den Veränderungen an den Objekten mit geschultem Auge begegnen zu können.

ergebnisse Referenzobjekte Außerhalb der Verpackung im Aufbewahrungsschrank schwankte die Temperatur zwischen 19–29 Grad Celsius und die relative Luftfeuchtigkeit zwischen 38–60 . Die Säuren und Aldehyde, die der Lagerungsschrank ausdünstet sowie Luftschadstoffe aus der 18 ESCAL-Clip, Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten. 19 ARTEN-Hygrometer (Zeigerhygrometer), Mostra Mini (digitales Thermohygrometer), Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten. – testo 175-H2 (digitaler Feuchte-/Temperaturlogger), Bezug: Testo GmbH, Geblergasse 94, A-1170 Wien.

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Atmosphäre zeigten ihre Wirkung. Sowohl die Silberobjekte als auch die Oddy-Testplättchen aus Silber liefen zunächst gelb, dann braun- bis schwarzgefleckt an. Die Bleiplättchen dunkelten wesentlich schneller nach als die Bleiplättchen in der Verpackung und zeigten zudem einen bläulichen Schimmer. Die Kupfertestplättchen waren dagegen kaum verändert. Lediglich die Ränder sind teilweise rötlich angelaufen. Auch die Referenzobjekte aus Eisen zeigten keinerlei Veränderungen oder Korrosion. Sauerstofffreie Verpackung Die Temperatur wurde von der Verpackung kaum beeinflusst. Die relative Luftfeuchtigkeit schwankte innerhalb der Folie aber wesentlich weniger. In den Beuteln mit Trocknungsmittel lag sie zwischen 22–34 . Ohne Trocknungsmittel wurden zwar Schwankungen der Luftfeuchtigkeit verlangsamt und Spitzen abgefangen, die relative Luftfeuchtigkeit selbst lag aber zwischen 60–70 , was für Metalle eindeutig zu hoch ist. Die Testplättchen aus Silber sind alle komplett unverändert geblieben. Dies trifft allerdings nur für eines der silbernen Objekte zu. Die übrigen Silberobjekte sind leicht gelblich und eines ist dunkelbraun bis schwarz angelaufen. Die Bleiplättchen sind größtenteils heller als bei der Aufbewahrung in Sauerstoff, dennoch haben sie sich verändert und sind matt. Die Kupfertestplättchen und das Objekt aus Kupfer sind ganz oder teilweise dunkelrot verfärbt. Auf dem sauerstofffrei verpackten Eisenobjekt bildete sich an vielen Stellen Flugrost, während das unverpackte Referenzobjekt völlig unverändert geblieben ist. Die sauerstofffreie Verpackung erwies sich nach dieser Testreihe für Metallobjekte als nicht empfehlenswert. Die Erfahrungen, die bereits in der Projektphase 2002–2004 gemacht wurden, bestätigten sich. Das starke Anlaufen des Kupfers ist höchstwahrscheinlich auf das Vorhandensein einer schwefelhaltigen Verunreinigung innerhalb der Verpackungen zurückzuführen. Die Quelle dafür sind vermutlich die verwendeten Sauerstoffabsorber, die Schwefel enthalten können, wie vom Hersteller bestätigt wurde. Mittlerweile, leider aber nicht zu Beginn des Projektes, werden schwefelfreie Varianten dieser Sauerstoffabsorber angeboten.20 Nicht auf die Sauerstoffabsorber zurückzuführen ist hingegen die Veränderung der Silberobjekte: Da die silbernen Testplättchen unverändert sind, sind Verfärbungen und fleckiges Anlaufen vermutlich auf die Vorreinigung mit Tauchbad oder aber auf schadhafte Ausdünstungen organischer Zusatzmaterialen an den Schmuckobjekten (beispielsweise ölvergoldetes Holz) zurückzuführen. Bestätigt hat sich, wie schon in der ersten Projektphase, dass die Sauerstoffindikatoren (ageless eye) sich entgegen den Herstellerangaben für einen längeren Einsatz als ein halbes Jahr eignen. Parallel zu unseren Testreihen liefen beim Projektpartner ofi Langzeitmessungen für die 20 ATCO FTM 2000-S (schwefelfrei), Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten.

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Haltbarkeit von Barrierefolien.21 Getestet wurde auch die hier verwendete SiOx-Folie. Die künstliche Alterung stellte die Verwendung der Folien für einen Zeitraum von fünf Jahren in einem dunklen Depot bei 23 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50  nach. An der SiOx-Folie konnte „nach fünf Jahren“ eine Versprödung der Schweißnähte und eine stark erhöhte Durchlässigkeit für Sauerstoff festgestellt werden. Eine ebenso getestete Verbundfolie aus mehreren unterschiedlichen Kunststofflagen 22 (EVOH-Folie), welche während der zweiten Projektphase bei den Projektpartnern in der Wagenburg und im Stift Kremsmünster bereits für Stickstoffspülungen zum Einsatz kam, zeigte hingegen keine bemerkenswerten Veränderungen. Nach diesen Ergebnissen ist entgegen oftmaliger Angaben in der Literatur die EVOH-Folie für die Langzeitlagerung in sauerstofffreier Verpackung der SiOx-Folie vorzuziehen. Sauerstoffhältige Verpackung Auch hier beeinflusst die Folienverpackung die Temperatur nicht. Die Luftfeuchtigkeit pendelt zwischen 25–50  ohne plötzliche Schwankungen. Das Trocknungsmittel zeigte nur das erste halbe Jahr Wirkung. Dann entwickelte sich die Luftfeuchtigkeit mit und ohne Trocknungsmittel annähernd gleich. Die Folien oder der Klippverschluss ließen somit einen zu großen Luftaustausch bzw. Feuchtedurchtritt zu, um die Wirkung des Trocknungsmittels längere Zeit zu erhalten. Alle Testplättchen aus Silber sind unverändert, unabhängig vom Folientyp oder sonstigen Zugaben. Die Objekte aus Silber sind ebenfalls unverändert oder haben schlimmstenfalls einen leicht gelblichen Schleier aufzuweisen. Nur die beiden Objekte, welche im Silbertauchbad gereinigt wurden, weichen ab und sind gelb angelaufen bis dunkelbraun verfleckt. Die meisten Testplättchen aus Blei sind flächig schwarz angelaufen oder schillern bläulich bis rötlich. Kupfertestplättchen und Eisenobjekte sind komplett unverändert. Die sauerstoffhältige Folienverpackung, unabhängig von Zugaben, scheint sich für die Langzeitlagerung von Metallobjekten zu eignen: Besonders für die Silberobjekte kann die Verpackung als durchwegs positiv bewertet werden. Sogar die stärker veränderten, im Tauchbad vorgereinigten Silberobjekte sind innerhalb der Folienverpackung weniger stark angelaufen als die unverpackten Referenzobjekte, welche ebenfalls dem Tauchbad ausgesetzt waren. Eisen und Kupfer sind mit und ohne Verpackung unverändert geblieben. Trotz dieser positiven Ergebnisse ist eine genaue Wirkungsanalyse der einzelnen Einflussfaktoren wie PE-Folie, CI-Folie, Trocknungsmittel und Schadstoffabsorber nach der zweijährigen Testreihe 21 Grießer, M. (et al.), Development and in-depth testing of standard packing solutions for collections and museums, in: ICOM-CC (ed.), 15th Triennial Conference New Delhi, 22–26 September 2008, Preprints Vol. II, New Delhi 2008, S. 743–750. 22 Styria Form BAR (drei Lagen aus mPE/EVOH/mPE in 90 μm Stärke), Bezug: Napiag Kunststoffverarbeitung GmbH, Bahnhofstr. 3, A-8740 Zeltweg.

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noch nicht möglich gewesen. Unklar war beispielsweise, ob die Verpackung mit CI- und PE-Folie tatsächlich bessere Ergebnisse liefert als eine PE-Folien-Verpackung allein. Die Objektauswahl gilt als repräsentativ für moderne Schmucksammlungen in Museen und Sammlungen. Daraus ergeben sich aber auch unterschiedliche Oberflächenstrukturen (gegossen, ziseliert, graviert oder poliert) und unterschiedlichen Legierungen; außerdem sind die 23 Objekte auf unterschiedliche Arten gereinigt worden – zu viele Parameter, um eine klare optische Befundung auszumachen. Überprüfung der bisherigen Ergebnisse Um das Problem der unterschiedlichen Oberflächengestaltung zu umgehen und um idente Oberflächen miteinander vergleichen zu können, wurden im Sommer 2007 weitere Objekte verpackt. Ein getriebenes Silber-Testobjekt (ohne künstlerischen Wert) wurde mit Schlämmkreide in Aceton gereinigt und in vier gleiche Teile zersägt. Ein Stück wurde sauerstofffrei verpackt. Allerdings wurde ein Sauerstoffabsorber23 verwendet, der keine Schwefelreste enthält. Ein Stück wurde in CI- und PE-Folie verpackt und das nächste nur in PE-Folie. Ein Stück bleibt als Referenz unverpackt. So ist ein exakter optischer Vergleich besser möglich. Zehn Monate nach der Verpackung der Objekte, zur Zeit der Erstellung dieses Berichtes, zeigte das Referenzobjekt bereits deutlich gelbbräunliche Wolken an seiner Oberfläche. Die verpackten Stücke hingegen wiesen noch keine sichtbaren Veränderungen auf. Zu hoffen bleibt, dass die günstige, leicht verfügbare PE-Folie mit Klippverschluss ein gutes Ergebnis liefert. Diese Entwicklung zeichnet sich bereits ab, soll aber durch die noch laufenden Versuche noch verifiziert werden. Somit wäre eine optimale Verpackung auch für kleine Sammlungen einfach und kostengünstig zu realisieren. Der Fachbereich Gemälderestaurierung evaluierte mit zwei Großprojekten – 500 Gemälde im Stift Kremsmünster (OÖ) und eine barocke Kirchenkanzel der Pfarre Schönbach (NÖ) – die Schädlingsbekämpfung in Folien bei großformatigen sowie einer großen Anzahl von gefassten Kunstwerken. Die Schädlingsbekämpfung bei einer Größenordnung von über 500 Gemälden stellte bisher eine aufwendige und kostenintensive Aufgabe dar. Die Behandlung von Gemälden und Skulpturen wurde im Allgemeinen in einer Wiener Begasungsanlage durchgeführt. Der Transport dorthin ist kostspielig und kann durch das Handling zu weiteren Beschädigungen der Objekte führen. Das Projektziel war es, die große Dimension der Kunstwerke vor Ort und mit relativ geringem technischem Aufwand erfolgreich behandeln zu können. Dabei sollten keine giftigen Substanzen zum Ein23 ATCO FTM 2000-S (schwefelfrei), Bezug: Long life for Art, C. Waller, Hauptstr. 47, D-79356 Eichstetten.

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satz kommen, damit auch nach der Behandlung auf lange Sicht keine gesundheits- oder umweltbelastende Substanzen von den behandelten Objekten freigesetzt werden können. Darüberhinaus sollte getestet werden, ob die spezielle Folienanwendung für Objekte in großer Anzahl und großem Format durch Restauratoren praktikabel ist.

500 gemälde in stift kremsmünster 24 2007 wurde durch den Fachbereich Gemälderestaurierung eine konservatorische Bestandsaufnahme von ca. 700 Gemälden eines bisher vernachlässigten Depots des Stifts Kremsmünster (OÖ) begonnen. Die bisherige Lagerung der Gemälde in einem Dachboden oberhalb der Stiftskirche stellte eine leider allzu oft der Realität von Kunstsammlungen entsprechende Depotsituation dar: Der nicht isolierte Raum lässt extreme Klimaschwankungen zu und begünstigt durch die offene Struktur den Eintrag von Staub und Schmutz sowie die Einnistung von Schadinsekten. Im Rahmen des Projektes sollten alle betroffenen Gemälde (über 500) mit einer Schädlingsbekämpfung in Testfolien vor Ort behandelt und der Bestand in neue Depoträume übersiedt werden. Planung und Vorbereitung der Folientunnel Um die Begasung der großen Anzahl von Gemälden ökonomisch zu gestalten, musste mit dem eingeschränkten Platzangebot eine optimal ausgenutzte Fläche zum Aufbau von drei Folientunneln gewählt werden. Die Räumlichkeit musste im Vorwege an die Klimabedingungen des neuen Bilderdepots auf 18 Grad Celsius und ca. 59  relative Luftfeuchtigkeit eingestellt werden. Es wurden EVOH-Folien für das Projekt ausgewählt.25 Die Folien mussten in Bahnen zusammengeschweißt werden und umfassten für den ersten Tunnel eine Gesamtbreite von 6,80 m bei einer Länge von 20 m. Der zweite und dritte Folientunnel sollte eine Länge von 10 m und eine Breite von 5,10 m aufweisen. Die Verschweißung der Folienkanten erfolgte durch zwei parallele Schweißnähte im stumpfen Winkel zu zwei weiteren parallelen Schweißnähten. Dadurch sollte mit größerer Sicherheit gewährleistet werden, dass an diesen leicht zu beschädigenden Stellen kein Gas austritt. Zur höheren Stabilität wurden die Schweißnähte dann mit Gewebeband beklebt.

24 Gemälde Kremsmünster-Projekt-Partner: Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Österreichisches Forschungsinstitut ofi, Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst, Stift Kremsmünster, Pater Klaudius Wintz. Ausführung und Wissenschaftliche Betreuung: M.A. Stefanie Jahn, Dipl.-Rest. Eva Götz, o.Univ.-Prof. Dr. Gabriela Krist (Angewandte), Ing. Michael Krainz (ofi), Studierende des Fachbereichs Gemälderestaurierung. 25 Polyethylen-Ethylvinylalkohol-Polyethylen-Folie (EVOH-Folie) verfügt über eine besonders geringe Sauerstoffdurchlässigkeit (0,2 cm³/m² x d x bar).

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Die EVOH-Folien wurden auf die gewünschte Länge ausgebreitet, dabei wurde beachtet, dass sich die mit Gewebeklebeband gesicherten Schweißnähte auf der Außenseite befanden. Dies war sehr wichtig, da die Klebebänder während der Begasung giftige Dämpfe absondern können. Um die Folie vor Beschädigungen durch das hohe Gewicht der folgenden Aufbauten zu schützen, wurde der Länge nach 3 mm starke Ethafoam-Folie ausgebreitet. Auf die Ethafoam-Bahnen wurden quer zum Tunnel Metallgitterkästen auf Holzpaletten gestellt.26 Beim Befüllen der Kästen wurde darauf geachtet, die Gemälde senkrecht anzuordnen. Die Gemälde wurden zum Schutz vor Beschädigungen auf Styroporleisten gestellt und mit Abstandhaltern aus Styropor versehen. Bevor die Tunnel verschlossen werden konnten, mussten Datenlogger installiert werden, die laufend die Temperatur und relative Luftfeuchte messen konnten. Die EVOH-Folie konnte dann über die befüllten Kästen geführt werden, die beiden Längsseiten wurden miteinander verschweißt und die Schweißnähte wiederum mit Gewebeklebeband zusätzlich gesichert. An einer Querseite wurde vor dem Verschließen ein Ventil für den Gaszulauf angebracht. Bei der gegenüberliegenden Querseite musste darauf geachtet werden, dass eine schlauchförmige Öffnung für die Absaugvorrichtung freigelassen wurde. Nach dem Einführen des Absaugrohrs wurde die Öffnung mit einem Gummiband abgedichtet. Die Gemälde wurden 6–8 Wochen bei einem Sauerstoffgehalt von 0,1–0,3  in den drei Folientunneln belassen. Durchführung der Begasung, Messung und Kontrolle Der Stickstoff wurde aus den Gasflaschen über eine Schlauchverbindung in den Tunnel geleitet. Am anderen Tunnelende wurde der Sauerstoff aus dem Tunnel mithilfe eines Staubsaugers abgesaugt. Dieser Vorgang wurde so lange wiederholt, bis der Sauerstoffgehalt im Tunnel einen Wert von 0,1–0,3  erreichte. In den Gasschlauch wurde eine Wasserflasche zur Gasbefeuchtung (von nahezu 0  auf ca. 50–60  rF) zwischengeschaltet, damit kein zu trockenes Klima im Tunnel entstehen konnte: Vor der Wasserflasche wurde die Gaszufuhr aufgespaltet, d.h., ein Teil Gas floss in die Wasserflasche, durch das Wasser und nahm Feuchtigkeit auf, der andere Teil Gas floss durch einen trockenen Schlauch. Je mehr Gas durch den trockenen Schlauch geleitet wurde, desto trockener das Gasgemisch. Die beiden Stränge wurden im Schlauchsystem wieder zusammengeführt und durch das Ventil an der Tunnelfolie ins Innere geleitet. Die Messung der Feuchtigkeit im Gasstrom erfolgte durch ein rH-Messgerät, um die gewünschte Zufuhrmenge von befeuchtetem und trockenem Gas regulieren zu können. An einer Seite des Tunnels wurde Stickstoff eingeführt. An der gegenüberliegenden Seite des Folientunnels wurde das Sauerstoffgemisch mit einem Staubsauger abgesaugt. Beim Erreichen des Richtwerts 26 Die jeweiligen Bezugsquellen der verwendeten Geräte und Materialien siehe in Fußnoten 8–21.

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von 0,1–0,3  Sauerstoff im Tunnel wurde der Staubsauger abgestellt und weiterhin Stickstoff zugeführt, bis der Tunnel ausreichend aufgeblasen war. Der Tunnel verblieb in diesem Zustand sechs Wochen, bis die Bekämpfung der Schädlinge abgeschlossen war. Absaugung Für den ersten Tunnel, mit einem Volumen von ca. 11 m³ (1,7 m x 1,6 m x 4 m), benötigte man 7 Stunden um den Richtwert zu erlangen. Für den zweiten Tunnel, mit einem Volumen von ca. 32 m³ (1,7 m x 1,9 m x 10 m), benötigte man ca. 19 Stunden. Für den dritten Tunnel, mit einem Volumen von ca. 19 m³ (1,7 m x 2,9 m x 4 m), benötigte ca. 12 Stunden dazu. Bis zum endgültig erreichten Reststauerstoffgehalt von 0,1–0,3  im Folientunnel musste der verbleibende Sauerstoffgehalt im Folientunnel gemessen werden. Dies geschah mit einem O²-Messgerät: Bei der Messung stach man mit einer Nadel durch die Tunnelfolie. Um dabei kein bleibendes Loch zu verursachen, wurde zuvor ein sich wiederverschließender Kunststoffaufkleber auf die Folienaußenhaut appliziert (Abb. 2: Verpackung von über 500 Gemälden in drei EVOH-Folientunneln im Stift Kremsmünster. Detailfoto: kleiner Folientunnel nach der Stickstoffspülung). Ergebnisse Die EVOH-Folie hat über den gesamten Versuchszeitraum der Beanspruchung und den Anforderungen des Gemäldeprojektes standgehalten. Von außen ist kein Sauerstoff eingedrungen. Die Messwerte innerhalb der Folienverpackung haben nur minimale Veränderungen im akzeptablen Bereich aufgewiesen. Die Handhabung der Folien war aufgrund der Größenkonzepte der Tunnel aufwendig. Das Zusammenschweißen mehrerer Folienbahnen und das Zusammenlegen für den Transport wies ein Risiko möglicher (kaum bemerkbarer) Beschädigung auf. Die erforderlichen Foliengrößen wiesen auch ein großes Gewicht auf. In der Durchführung hielten die Folien jedoch den Belastungen stand. Die Gefahr, dass beim Aufbau und Einräumen der Objekte die Folien Verletzungen erleiden könnten, war gegeben. Es konnte jedoch trotz aufwändiger Handhabung der Großfolien und Materialmengen jede sichtbare und unsichtbare Beschädigung der Folien erfolgreich vermieden werden. Nach Ablauf von acht Wochen wurden die Folientunnel geöffnet. Nach optischer Untersuchung der Gemälde wurden sie unversehrt in das vorgesehene Bilderdepot gebracht. Anobienbefall konnte an keinem der Objekte mehr festgestellt werden. Auf den Bodenflächen der Folieninnenseite wurden diverse abgetötete Holzkäfer und Insektenlarven zur genaueren Untersuchung im Labor sichergestellt.

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Schwierigkeiten Im abgeschlossenen System des Folientunnels konnten die Gemälde noch 1–6 Wochen lang Sauerstoff aus den Poren und Hohlräumen der Holzkeilrahmen und Zierrahmen freisetzen, wodurch der Sauerstoffgehalt innerhalb des Folientunnels wieder anstieg. Sobald der Wert von 0,3 Sauerstoffanteil im Tunnel überschritten wurde, musste die Luftspülung wiederholt werden. Dies war beim ersten und zweiten Tunnel notwendig, da nach ca. sechs Wochen der Restsauerstoffwert je auf 0,4  angestiegen war. Im zweiten, dem größten der drei Tunnel (32 m³), wurden nach fünf Wochen erhöhte Luftfeuchtigkeitswerte von ca. 67  rH gemessen. Nach Evaluierung sämtlicher Materialien im Folientunnel kam man zu dem Schluss, dass bei der Vorkonditionierung der Gemälde und Räumlichkeiten die Kontrolle der Verpackungsmaterialien ausgeblieben war: Die Holzpaletten, auf denen die Gitterkästen gelagert waren, standen ursprünglich im Freien und wurden unkontrolliert in die Tunnel mit eingebaut. Eine Restfeuchtigkeit konnte aus den Holzpaletten im Laufe der Wochen entweichen, sodass die Luftfeuchte im Folientunnel ansteigen musste. Bei der Nachspülung des Tunnels wurde der Stickstoff unbefeuchtet, also trocken in den Tunnel eingebracht. Die Luftfeuchtigkeitswerte fielen daraufhin auf ca. 65  rH zurück. Als weiterführende Maßnahme wurde die Raumtemperatur um die Folientunnel herum durch Höherstellen der Heizkörper angehoben. Die Luftfeuchtigkeitswerte im Tunnel fielen daraufhin auf einen unbedenklichen Wert von ca. 60  rH zurück. Allgemein sollte auf den Füllungszustand der Tunnel geachtet werden. Nimmt das Volumen der Tunnel im Laufe der Zeit ab, sind vermutlich Verletzungen in der Folie vorhanden. Dies war in diesem Projekt nicht der Fall. Resümee Das Ziel des Gemäldeprojektes konnte erreicht werden. Die kostengünstige Durchführung einer Schädlingsbehandlung in EVOH-Folien – von einer großen Anzahl Gemälden, vor Ort, mit relativ geringem technische Aufwand und ohne das giftige Substanzen zum Einsatz kommen – ist möglich, beachtet man die folgenden Grundsätze: Die Räumlichkeiten, in denen die Folientunnel aufgebaut werden sowie alle Materialien, die in den Folientunnel hineingestellt werden, sollten im Vorwege an die Klimakonditionen ihres Aufbewahrungsortes (Depot, Ausstellungsraum) angeglichen werden. Dies ist notwendig, damit die Objekte innerhalb des Folientunnels nicht austrocknen (Gefahr: Schrumpfungen, Materialtrennungen) oder überfeuchten (Gefahr: Befall mit Mikroorganismen, Schimmel) können. Zur Kontrolle sollten in die Folienverpackungen Datenlogger mit eingebracht werden, sodass die aktuelle Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit abgelesen werden kann. Veränderungen der Klimawerte müssen protokolliert werden und gegebenenfalls die Raumtemperatur beziehungsweise die Luftfeuch-

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tigkeit nachreguliert werden. Der Sauerstoffgehalt innerhalb des Tunnels sollte innerhalb der 6–8 Wochen ca. alle sieben Tage überprüft werden und bei Zunahme des Sauerstoffgehaltes über 0,4  eine erneute Spülung mit Stickstoff durchgeführt werden.

kirchenkanzel der pfarre schönbach (nö) 27 Im nächsten Projektabschnitt sollte die Praktikabilität der Schädlingsbekämpfung mit Stickstoff in EVOH-Folien auch an großformatigen, dreidimensionalen, gefassten Kunstwerken überprüft werden. Die Wallfahrtskirche in Schönbach ist nicht isoliert, so kann es im Raum zu extremen Klimaschwankungen kommen. Hierdurch werden die Ablagerungen von Staub und Schmutz sowie die Einnistung von Schadinsekten begünstigt. Der Zustand der barocken Kanzel von 1723, mit reicher Verzierung und vier polychromen Skulpturen (Kirchenväter) auf dem Schalldeckel, wurde zunächst in einer konservatorischen Bestandsaufnahme analysiert. Der Befall der Kanzel mit Schadinsekten war akut. Bereits ca. 10  der Originalsubstanz der polychrom gefassten Kanzel sind durch Fraßgänge zerstört und gefährden die Stabilität der Kanzelkonstruktion. Das Landeskonservatorat Niederösterreich wurde in unser Projekt involviert. Die Vorgaben seitens des Denkmalamtes legten aufgrund der Komplexität des Vorhabens fest, dass die Kanzel für die Begasung nicht abgebaut werden durfte. Das Volumenmaß der Kanzel beträgt ca. 30 m³. Die Arbeiten mussten also in situ erfolgen. Vorbereitung Zunächst wurden die Kanzel und der Aufgang eingerüstet. Aus Holzstaffeln wurde durch die Kirchengemeinde ein Gerüst erstellt (ca. 9 m x 6 m x 3,5 m). Die bereits gelockerten Fassungsteile an der Kanzel wurden vor der Folienverpackung gefestigt. Für die Verpackung der Kanzel wurde die EVOH-Folie zunächst auf 6,8 m Breite verschweißt. Die Folie wurde außerhalb des Gerüstes hochgezogen und anschließend über den Schalldeckel um die Skulpturen herumgelegt und die Kanzel von oben nach unten verpackt (Abb. 3: Während der Verpackung der Kanzel in der Pfarre Schönbach in EVOH-Folien). Über dem Treppenabgang mussten Folienteile eingeschnitten werden. In den Randbereichen wurden weitere zwei Folienbahnen angeschweißt. Zur Wand hin wurde die Folie über eine aufgeleimte Klebebandbahn fixiert und als doppelte Sicherung mit 27 Kanzel Schönbach – Projekt-Partner: Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Österreichisches Forschungsinstitut ofi, Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst, BDA NÖ und Diözese St.Pölten; Ausführung: Fa. M. Singer GmbH. Wissenschaftliche Betreuung: M.A. Stefanie Jahn, Dipl.-Rest. Eva Götz, o.Univ.-Prof. Dr. Gabriela Krist (Angewandte), Ing. Michael Krainz (ofi).

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Leisten direkt an die Wand verschraubt. Dies war notwendig, um dem Luftdruck, der während der Begasung auf die Wandverbindung der Folie drücken und ziehen würde, entgegenzuwirken. Die Analysegeräte, Befeuchter sowie Klimamess- und Steuertechnik wurden eingerichtet.28 Der technische Stickstoff wurde mittels Generatorerzeugung eingeleitet. Die Messungen des Restsauerstoffanteils in der Folienverpackung wurden täglich dokumentiert. Ergebnisse Der Generator sorgte bei Bedarf für die Nachbegasung des Folientunnels, um die erforderliche Konzentration für die Dauer der Behandlung aufrechtzuerhalten. Die Stickstoffbehandlung ist nur aufgrund von Sauerstoffentzug wirksam, ohne chemische Wirkstoffe bzw. Rückstände. Hierbei musste die Restsauerstoffkonzentration geringer als 0,3 Vol.-, die Temperatur ca. 19–24 Grad Celsius und die relative Luftfeuchte ca. 50–60  betragen. Das Ziel, einen Restsauerstoffanteil von weniger als 0,3  in der Folienverpackung der Kanzel zu erreichen, hat von Beginn der Begasung an 14 Tage gedauert. Von diesem Zeitpunkt an mussten weitere 6–8 Wochen Begasungszeit mit diesem Restsauerstoffanteilwert folgen, um das gewünschte Ergebnis der nachhaltigen Befreiung von Schadinsekten durch die Stickstoffbegasung in den getesteten EVOH-Folien zu erreichen. Schwierigkeiten Die Problemzone bei der luftdichten Verpackung der Kanzel stellte der untere Treppenaufgang zur Kanzel und die feste Montage an der Kirchenwand dar. Hinter dem Treppenaufgang kann keine sichere Folienabdichtung erfolgen. Das bedeutet, dass bei der Begasung der Gasverbrauch, durch die Diffusion durch die Wand nicht einschätzbar, mit Wahrscheinlichkeit groß sein kann. Mit dem Stickstoffverfahren konnte bereits zu Beginn des Projektes, angesichts der Größe der undichten Fläche zur Wand hin, die erfolgreiche Schädlingsbekämpfung nicht garantiert werden.29 Die Restsauerstoffkonzentration im Folientunnel um die Kanzel ist jedoch konstant bei 0,2  geblieben, sodass alle Zweifel am Erfolg der Stickstoffbegasungsmethode ausgeräumt werden konnten. Zum Nachweis des Behandlungserfolges wurden Testkulturen mit lebenden Käferlarven während der Einwirkzeit im Objekt mitbehandelt. Diese wurden im Anschluss an das Begasungsprojekt überprüft und die Messwerte und Ergebnisse analysiert.

28 Von der Firma Michael Singer GesmbH. 29 Aus diesen Gründen hatte sich das LK Niederösterreich angeboten, für den Fall, dass die Stickstoffbegasung im Rahmen dieses Folien-Forschungs-Projektes erfolglos bleiben sollte, die weitere Begasung der Kanzel mit toxischem Sulfurfluorid durch die Fachfirma Michael Singer GesmbH durchführen zu lassen. Dies hätte ebenfalls in unserer EVOH-Folien-Verpackung der Kanzel erfolgen können.

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Resümee Das Ziel des Kanzelprojektes konnte erreicht werden. In der EVOH-Folienverpackung, die im Projekt getestet wurde, konnte die Kanzel als dreidimensionales Großobjekt mit Stickstoff begast, der Sauerstoff entzogen und über sechs Wochen hinweg ein konstanter Restsauerstoffwert gehalten werden. Der Anobienbefall konnte mit Erfolg bekämpft werden, dabei kamen keine toxischen Substanzen zur Anwendung. Die Behandlung konnte vor Ort erfolgen bei einem relativ geringen technischen Aufwand. Die hier durchgeführten Forschungsprojekte der Folienbegasung mit Stickstoff eröffnet nicht nur großen Kunstsammlungen, sondern auch kleineren Museen und Restaurierungsbetrieben die Möglichkeit, die kostengünstige Anwendung in den eigenen Räumlichkeiten an Kunstobjekten auch größerer Anzahl durchzuführen.

badehauben aus landesmuseum joanneum Kunstobjekte aus Gummi, wie z. B. Badehauben, stellen immer wieder große Probleme für Kostümsammlungen dar. Im Laufe der Jahre verspröden die Materialien und müssen aus dem Sammlungsbestand ausgeschieden werden. Die Erforschung von Lagerungsmethoden, die zur „Verlängerung der Lebensdauer“ führen, ist das Ziel dieser Versuchsreihe der Textilklasse. Für den Versuchsablauf am Institut für Konservierung und Restaurierung wurden insgesamt fünf Badehauben vom Landesmuseum Joanneum Graz zur Verfügung gestellt.30 An drei Badehauben wurde als Material u. a. Naturkautschuk festgestellt. Die Objekte wurden mikroskopisch begutachtet, allfällige Schäden fotografisch festgehalten sowie der Oberflächenstaub mit den Sekretsaugern entfernt. Anschließend wurden die mit säurefreiem Seidenpapier ausgestopften Badehauben in EVOH-Verbundfolie (Napiag Styria Bar) eingeschweißt und einer Stickstoff-Spülung, d.h. der Sauerstoff wurde durch Stickstoff ausgetauscht, unterzogen. Der O₂-Restwert konnte mit 0  festgestellt werden (Abb. 4: Badehauben in EVOH-Folienverpackungen nach der Stickstoffspülung). Das Milieu innerhalb der verschweißten Packungen wurde im Abstand von einem Tag regelmäßig kontrolliert und für in Ordnung befunden. Nachdem sich die Badehauben etwa sechs Wochen in den Beuteln mit Stickstoffmilieu befunden haben, wurde an einer – bereits bei Beginn des Versuches leicht versprödeten – Badehaube 30 Badehauben – Projekt-Partner: Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Österreichisches Forschungsinstitut ofi, Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst, Universalmuseum Joanneum Graz. Ausführung und Wissenschaftliche Betreuung: Dipl.-Rest. Regina Knaller, Charlotte Holzer, Studierende der Textilrestaurierung, M.A. Stefanie Jahn, o.Univ.-Prof. Dr. Gabriela Krist (Angewandte), Ing. Michael Krainz (ofi).

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festgestellt, dass sich der Schädigungsgrad maßgeblich verschlechtert hatte, weshalb der Versuch an diesem einen Objekt abgebrochen werden musste. Beim Öffnen des Beutels wurde ein stark säuerlicher Geruch festgestellt, was die Existenz von Schwefel vermuten lässt. Dies erforderte weitere Untersuchungen. Die restlichen vier Badehauben verblieben nach wie vor im Stickstoffmilieu. Diese Versuchsreihe wird derzeit noch fortgesetzt. Parallel zu den Versuchen am Institut für Konservierung und Restaurierung fanden folgende Analysen am ofi statt: An den Badehauben sowie an den eingesetzten Verpackungen sollten vor und nach einer beschleunigten Lagerung über simulierte fünf Jahre Lagerdauer folgende Untersuchungen durchgeführt werden: FTIR-Untersuchung der Materialbasis; visuelle Untersuchung des Zustandes der Badehauben nach beschleunigter Lagerung; Untersuchung der Gasatmosphäre der Verpackungen auf schädliche Substanzen nach einer definierten Lagerung. Getestet wurden die EVOH-Verbundfolie, transparent, unbedruckt, Foliendicke 100 μm, Muster in ausreichender Menge, sowie die Aluminiumverbundfolie, unbedruckt, Foliendicke 100 μm, Muster in ausreichender Menge, und sieben Badehauben in diversen Farben. Ergebnisse Die im Anschluss an die Lagerungen von Badehauben durchgeführten Gasraumanalysen der Beutel, in denen die Badehauben lagerten, zeigen das Vorkommen einiger chemischer Verbindungen wie Alkane, zyklische Alkane und Aldehyde sowie einer schwefelhaltigen Substanz Benzothiazol. Diese Substanzen scheinen Abbauprodukte der Badehauben zu sein. Um diese Verbindungen über die Lagerung in abgeschlossenen Säcken zu minimieren, wurden erneut beschleunigte Lagerversuche unter Zugabe von verschiedenen Absorbern durchgeführt und die Abbauprodukte semiquantitativ bestimmt. Der Versuchsablauf hat gezeigt, dass die niedrige Sauerstoffkonzentration innerhalb der verschweißten EVOH-Verbundfolie gehalten werden kann. Die Badehauben, die sich in einem guten Erhaltungszustand befunden haben (mikroskopische Begutachtung vor dem Einschweißen), weisen bis dato keine Verschlechterung des Zustandes auf. Lediglich an einem Objekt (siehe oben) hatte sich der Schädigungsgrad seit dem Einschweißen verschlechtert, wodurch der Versuch an dieser einen Badehaube abgebrochen werden musste. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob der Sauerstoffentzug bei bereits abgebautem Kautschuk zu schnellerem Verfall führen kann. Weitere Untersuchungen dazu wären sinnvoll. Die Partnerinstitute des Folienforschungsprojektes haben wichtige Untersuchungsergebnisse erarbeiten können. In einer gemeinsamen Informationsveranstaltung mit PraxisWorkshop 2009 wurden die Ergbnisse erstmals der Öffentlichkeit vermittelt. An einer Publikation sämtlicher Forschungsergebnisse für die Fachwelt in den Technologischen Studien des KHM wird bereits gearbeitet.

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literatur Griesser, M./Kurzel-Runtscheiner, M./Novotny-Kargl, M., Erfahrungen zur Verbesserung der Aufbewahrung historischer Objekte in nicht klimatisierten Museumsdepots durch Verpackung in Kunststofffolien unter kontrollierten Bedingungen, in Technologische Studien 2/2005, S. 87–115. Grießer, M. (et al.), Development and in-depth testing of standard packing solutions for collections and museums, in: ICOM-CC (ed.), 15th Triennial Conference New Delhi, 22–26 September 2008, Preprints Vol. II, New Delhi 2008, S. 743–750. Kalabis, S., Griesser-Stermscheg, M., Grießer, M., Novotny-Kargl, M., Langzeitlagerung im unklimatisierten Museumsdepot: Die Verpackung von Metallobjekten in Kunststoff-Folien, in: Krist, G., Griesser-Stermscheg, M. (Hg.), Metallkonservierung – Metallrestaurierung, Wien 2009, S. 79–90. Krehon, V., Die Reinigung von Silberoberflächen: Ästhetische Kriterien und Aspekte der Methodenwahl, in: Restauro 4/1991, S. 237–245. Richter, E.L./Schmidt-Ott, K., Zur Oberflächenbehandlung von Silber, in: Heinrich, P. (Hrsg.), Metall-Restaurierung. Beiträge zur Analyse, Konzeption und Technologie, München 1994, S. 182–195. Selwyn, L., Silver – Care and Tarnish Removal, CCI-Notes 9/7, Ottawa 1997.

andere über uns andrea loseries visva-bharati university santiniketan, department of indo-tibetan studies

4MKGLBM RG@CRGQAFCL%PCLXEC@GCRGLQ2GCk?LBTML CLE?JCL

„Sehnsucht nach den Bergen?“ Mit dieser Frage überraschte mich nach einer Visva-Bharati-Senatssitzung in Santiniketan Prof. R.K. Bhattacharya, Ex-Direktor des Anthropological Survey of India und Mitglied des Exekutivrates unserer Universität. Es war Mitte August und die Hitze und Feuchtigkeit des Monsuns schwer erträglich im Tiefland von Bengalen. Allein der Gedanke an den Anblick von Schneegipfeln und kühler Bergluft wirkte erfrischend. Das Warum? Wann? und Wohin? war bald geklärt. Es handelte sich um eine Last-Minute-Einladung zur Teilnahme an einer internationalen Konferenz zum Thema North-Western Himalayan Culture: Problems and Possibilities in Nako, Kinnaur. Als Ehrengast wurde S.H. Dalai-Lama erwartet. Ein Anruf von V.S. Negi, des Koordinators der Tagung, klärte Details bezüglich Anreise, Programmablauf u.a. Ich erfuhr auch, dass zum Seminar einige meiner Tibetologen-Kollegen der Universität Wien geladen sind. Es blieb mir eine knappe Woche, um die Zusammenfassung meines akademischen Beitrages einzureichen und Flug- und Zugreservierungen zu treffen. Schließlich reiste unsere Delegation, bestehend aus Prof. R.K. Bhattacharya, dem Indologen Dr. Chaubey und mir, am 21. August 2007 von Kolkata ab und erreichte nach drei Tagen und einer abenteuerlichen Bergfahrt spät abends den Tempelkomplex von Nako. Es war mein erster Besuch in Kinnaur. Trotz Müdigkeit war unsere Stimmung erwartungsvoll gespannt, denn der Dalai-Lama war bereits in Nako eingetroffen. Kein Wunder also, dass es lange dauerte, bis uns endlich jemand in der allgemeinen Aufregung Quartiere zuwies. Mir wurde ein Bett im Zeltlager zugeteilt, das als Unterkunft für die zahlreichen tibetisch- stämmigen Pilger diente, die von weit und breit für den Segen des Dalai-Lama angereist waren. Der nächste Morgen grüßte mit kühler Bergluft und strahlendem Sonnenschein. Nach einer Katzenwäsche am stark umlagerten Wasserhahn folgte ich einem Pfad der zum Tempelhof führte, wo für die Seminargäste eine Mensa eingerichtet worden war. Beim Frühstück traf ich schließlich auf meine lieben Wiener Kollegen. Die Freude über diese unerwartete Wiederbegegnung mit Prof. Helmut Tauscher und seinem Team war

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groß und die Begrüßung herzlich. Er war es schließlich, der mich mit Prof. Dr. Gabriela Krist und ihren Mitarbeitern der Angewandten bekannt machte. Das österreichische Nako-Projekt war mir natürlich bereits bekannt, nicht nur aus erster Hand von den Kollegen und Kolleginnen der Tibetologie und Kunstgeschichte der Universität Wien sowie aus der Literatur, sondern ich hatte auch Gelegenheit, 2006 deren großartige Präsentation mitzuerleben, wo unter anderem auch Prof. Gabriela Krist die Arbeit ihres Institutes in Nako vorgestellt hat. Nun erinnerte ich mich an die attraktive, sportlich-modische Dame, die so lebhaft ihre Eindrücke der ersten Felderfahrungen in Nako den Ausstellungsgästen geschildert hat. Selbst zwar nicht mit Kinnaur, aber wohl mit Ladakh und anderen Himalajagebieten sowie Tibet bestens vertraut, amüsierten mich ihre Ausführungen über die Entbehrungen westlichen Komforts auf solchen Forschungsreisen. Die wenigen Tage in Nako waren ausgefüllt mit Initiationsriten und den spirituellen Unterweisungen des Dalai-Lama zu Cakrasamvara, einem wichtigen Tantrazyklus, der erstmals von Rinchen Zangpo aus dem Sanskrit ins Tibetische übertragen wurde und deshalb für Nako und Umgebung von besonderer Relevanz ist. Gleichzeitig tagte auch die Konferenz und ich nutzte zusätzlich die Zeit, um mir von Gabriela Krist und ihren Mitarbeitern die Restaurierungsarbeiten im Tempelkomplex genau erklären zu lassen. Trotz der Kürze der Begegnung reichte die Zeit, um mit Gabriela Krist rasch und unkompliziert eine eventuelle Zusammenarbeit und einen Besuch in Santiniketan ins Auge zu fassen. In der Folge nutzte ich Heimataufenthalte, um G. Krist in Wien an ihrem Institut aufzusuchen und die Arbeit ihrer Abteilung näher kennenzulernen. Anfang März 2009 schließlich kam Prof. Krist mit ihrer Kollegin Maria Gruber auf Einladung des Study Circle von Visva-Bharati nach Santiniketan, wo sie in einem Gastvortrag die Projekte ihres Institutes an der Angewandten in Wien vorstellte. Im Rahmen ihres Aufenthaltes in Santiniketan begutachtete sie die Restaurierungsarbeiten an den Wandmalereien des Heritage-Komplexes von Rabindranath Tagores „Abode of Peace“ und gab wertvolle Verbesserungsvorschläge für die Archive und Depots des Museumskomplexes. Selbst die Möglichkeit einer Partnerschaft und der Austausch von Studenten für Diplomarbeiten u.a. wurden ins Auge gefasst. Ich ließ mir die günstige Gelegenheit nicht entgehen, um Prof. Krist auch um Rat bezüglich der wertvollen, aber konservatorisch stark vernachlässigten tibetischen Manuskript- und Xylograph-Sammlung des Department of Indo-Tibetan Studies, für das ich verantwortlich zeichne, zu fragen. Wie gewohnt, unkompliziert und entscheidungskräftig, versprach sie, noch im selben Jahr zwei ihrer Studierenden zu schicken, die im Rahmen eines Workshops meinen Mitarbeitern und Fakultätskollegen die fachgerechte Konservierung und Handhabung vorstellen sollten. Dies geschah im September 2009, im Anschluss an die Jubiläumskonferenz in New Delhi. Gunn Pöllnitz und Susanne

Visva-Bharati University Santiniketan

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Spornberger leisteten trotz der unerträglichen Hitze und Monsunfeuchtigkeit großartige Grundarbeit, die es uns nun ermöglicht, nach und nach die gesamte Handschriftensammlung vorbildlich neu zu konservieren, ein langwieriger Arbeitsprozess, der bis März 2011 abgeschlossen sein soll. In der gegenwärtigen Zeit ist selbst in Indien Kommunikation trotz häufigen Stromausfalls durch das Internet einfacher geworden. Somit werden laufende Anfragen von unserer Seite bezüglich Konservierung der Manuskriptsammlung aufmerksam von G. Krist und ihren Mitarbeitern per E-Mail beantwortet. Andererseits stehe ich Diplomanden zu Fragen über tibetische Kunst und Ikonographie gerne zur Seite. Eine besondere Ehre ist es mir, im Rahmen des Nako-Projektes zur Hermeneutik der Mandala-Darstellungen auf den Tempelwänden beitragen zu dürfen. In diesem Sinn erweist sich die internationale Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen als effizient, fruchtbar und nachhaltig zum Wohl von allen. Ich darf mich bei dieser Gelegenheit bei Prof. Dr. Gabriela Krist und ihren effizienten Mitarbeitern herzlich bedanken und mich den Gratulanten zum Jubiläum anschließen.

gabriela krist, maria gruber, tatjana bayerová

The Nako Project five years of conservation at the indo-tibetian border

Abstract The Conservation Department of the University of Applied Arts Vienna has dedicated itself within the Nako Project to save the cultural heritage of Nako village in Western Himalayas, Himachal Pradesh, India. Since 2004 the Department’s team under Gabriela Krist acts as the central contact for preservation and restoration of the Nako temple complex. This Buddhist complex, situated close to the Tibetan border at 3600 m, belongs to the most significant examples of the rich history of this region’s cultural heritage. The interiors of the four temples are of special importance for art and cultural history, as they are well preserved and include valuable wall painting, polychrome wooden ceilings and sculptures, dating back to the 12th to 16th centuries. Further tasks of the Nako Project activities so far have covered the setting up of a village museum, the conservation of the local thangka collection, as well as workshop and training of the village and lama community. In seven campaigns staff members of the Department, students, alumni and conservation professionals have been actively working together with the local community on site in collaboration with the Indian project partner, the National Research Laboratory for the Conservation of Cultural Property Lucknow (NRLC), and thankfully supported by international and national institutions.

project chronology 2004 Prof. Ernst Bacher, former head-conservator of the Austrian Federal Office for Monuments Preservation (Österreichisches Bundesdenkmalamt), initiated the project partnership and also conducted the first operation in the early summer of 2004 (12. 6.–11. 7. 2004; E. Bacher, S. Beseler, R. Renz, C. Tinzl, M. Milcin). Its main focus was a condition survey of the temples which also included recording the building’s technology, materials and condition. As a result, the conservation and preservation concept was formulated, which remained as the basis of interventions until this day. The preservation and conservation of the complex as a whole, which is to consider equally all individual

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Gabriela Krist, Maria Gruber, Tatjana Bayerová

elements, is prioritised in regard to individual restorations, whereby the character of the complex in its entirety is preserved. Conservation of the buildings and maintenance of the temples and their interiors are the aims of the master plan, which has gradually been implemented since 2004. Prof. Ernst Bacher suddenly and unexpectedly died in April 2005 and our committed and continued work is also dedicated to his memory. The second operation in September of the same year (15. 9.–3. 10. 2004; S. Kainz, K. Kohler) was aimed at preparing the reconstruction of the roof of Lhakhang Gongma and included the necessary attending of construction measures, which were undertaken by the Indian Architecture team under the direction of Arch. Romi Khosla. These first two campaigns were financed by the World Monuments Fund (WMF) and the Austrian Science Fund (FWF) – funding that has been secured by Prof. Deborah Klimburg-Salter from the Department of Art History of the University Vienna.1 2005 In May and June 2005 (9. 5.–15. 6. 2005; G. Krist, S. Beseler, S. Kainz, K. Kohler, S. Olah) we continued our work with the third operation. The roof of Lhakhang Gongma was redone. Apart from supporting the Indian Architecture team on site, our main tasks were the uncovering and evaluation of the historical wood-construction, as well as the development of a treatment strategy for the painted, wooden ceiling, which was further examined within a diploma thesis (K. Kohler). Another priority was the restoration of the important Prajñāparamitā clay sculpture in Lotsawa Lhakhang, which is held in very high spiritual esteem by the villagers. This task was carried out in co-operation with a Buddhist sculptor. 2006 This campaign (3. 7.–10. 8. 2006; G. Krist, S. Beseler, T. Bayerová, C. Tinzl, R. Renz, M. Milcin, B. Müllauer, S. Sikka, M. Gruber, L. Gräber, K. Mergl, J. Kern) stood already under the patronage of His Holiness, the Dalai Lama, who had agreed to visit Nako in the summer of 2007, in order to re-consecrate the temples. The community of Nako was busy with preparations for this important visit: a new assembly-hall, as well as a new school and a museum were constructed. The village was being decked out magnificently and we wanted to contribute to this remarkable event as well. For the first time we have in 2006 been assisted by our new Indian partner in the Nako Project, the National Research Laboratory for Conservation of Cultural Property

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The Nako-Project of the University of Applied Arts Vienna is a following up of the Nako Research and Preservation Project (NRPP), directed by Prof. Klimburg-Salter from the Department of Art History of the University Vienna.

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(NRLC) in Lucknow. Staff members of this institution have worked together with us on site since then. In 2006, the main priority was the conservation of the interior of Lhakhang Gongma: cleaning and consolidation of the wall paintings and clay sculptures, as well as the completion of the tasks undertaken towards the conservation of the painted, wooden ceiling (strengthening of wood, consolidation of layers of paint and integration in terms of colour). A further priority was the continued and concluding restoration of the Prajñāparamitā clay sculpture in Lotsawa Lhakhang. Scientific research on questions of conservation, as well as diploma and doctoral theses, on these issues were started. 2007 For the first time, our efforts to acquire funding for exclusive research on the conservation and restoration of the temple complex in Nako were successful in the fall of 2006. The project proposal was accepted by the FWF, and thereby fundamental research for conservation requests could finally be firmly established. Two doctoral theses could be implemented, the first dealing with the painting techniques of the temples interiors (T. Bayerová), and the second one concerning clay rendering technologies (M. Gruber). Sandeep Sikka deepened his investigation into local possibilities of structural restoration in the context of yet another intended doctoral thesis. Further financial support was this year for the first time granted from the EurasiaPacific University Network (EPU), who has agreed to come up for the travelling costs of all staffmembers of the University. The Austrian Development Agency (ADA) continued its support already granted a year before. The main focus of this year’s operation (24. 6.–25. 7. 2007; T. Bayerová, S. Beseler, M. Griesser-Stermscheg, M. Trummer, B. Müllauer, K. Schmidt, M. Gruber, S. Spornberger, M. Ban, E. Skomorowski, M. Pliessnig, C. Windhaber, G. Oberlechner) was twofold: firstly, the work on the conservation of Lhakhang Gongma had to be finished (treatment of the interior plasters, completion of the conservation of the wall paintings) and secondly, the conservation of the wall paintings as well as of the sculptural furnishing in the main temple, the Lotsawa Lhakhang, has been started. Objectives of this working campaigne were the stabilisation and maintenance of the temples interiors and a “cared” outlook. Furthermore, the Conservation Department was asked to support the design and the foundation of a collection for the new museum in Nako (M. Griesser-Stermscheg, H. Narain), which was initiated and still is run by the Buddhist Nako Youth Club. While this museum and the included shop therein would be of importance also for the emerging tourism in this region, they were above all supposed to give the village community, especially the community of women, new economic stimuli.

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His Holiness, the Dalai Lama, visited Nako in August 2007 and re-consecrated the temples. In the framework of the festivities the local community arranged an expert seminar on Heritage Conservation. A team of our Department (G. Krist, S. Olah, F. Flicker, G. Lamprecht) was invited to participate and document the event. At the conference Indian and international experts and scholars discussed the importance of heritage preservation in this particular area also as a basis for the development of cultural tourism, an important factor for Nako and the whole Western Himalayan region, which can not be underestimated for economical and social reasons. In this context, the Nako temples and the current preservation and conservation projects of the Conservation Department served as a main focus to discuss actual methods of conservation and presentation. I had the opportunity to guide the participants of the seminar, the visitors and many villagers in the recently restored temples and was happy to hear that our concept – the conservation master plan established by Prof. Ernst Bacher – was well received and welcomed not only by the group of experts. Our original intention, to preserve the four temples and their interiors as a unity and an important ensemble has guided our work since the start of our involvement in 2004. The feedback of the experts proved that our project was and is the right way. 2008 The work plan for the 2008 campaign (6. 8. – 13. 9. 2008; G. Krist, T. Bayerová, R. Knaller, M. Trummer, M. Höflinger, M. Milcin, M. Gruber, B. Müllauer, K. Schmidt, E. Skomorowski, G. Pöllnitz, A. Hackel, M. Perwög, C. Holzer) was varied: firstly it was necessary to continue less visible, but for the preservation of the temple complex very necessary sub-projects: the building repair and maintenance. Water infiltration in the interior and exterior of the Lhakhang Gongma had to be faced as well as the repair of the recently finished roof, the correction of the water pipes and the renewal of the joints of roof tiles (M. Milcin). An important task was also the investigation of the water damage in the Gyagpagpa Lhakhang – last year just before the festivities around the Dalai Lama we had to secure the lower parts of the wall paintings. At the Lotsawa, the apse, the wall with the sculptures, had to be investigated. Static problems of the sculptures became a challenge for the future as well as the humid masonry, renders and as consequence artworks. The second priority was the continuation of the wall paintings conservation in the Lotsawa Lhakhang. Following the cleaning and consolidation of the south wall in 2007, this year the North wall had to be treated together with the structure and render repair. Many of the team members were engaged in this project and the results have been impressive. The quality of the 12th century paintings is now visible as the thick layers of dirt and soot had been removed and the flaking zones consolidated. The interiors look now

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maintained and cared-for. The third work-group continued with the overall final lacunae and render treatment in the Lhakhang Gongma, a difficult task as the aim was to achieve a uniform impression of the interiors (M. Trummer). We did not wish to reconstruct, complete and retouch the original paintings but to realise a consolidated and uniform cared-for impression. Besides these priorities, the research supported by the FWF had to be carried on. The research team members started to investigate and document the clay sculptures in the two temples Lotsawa and Gongma (G. Pöllnitz, M. Perwög). The computerized mapping had to be completed as well as the on-site investigations on wall paintings and earthen supports in all the temples. Also this summer the work in the museum had to be continued with main focus on textile conservation (R. Knaller, C. Holzer). Two textile conservators were incorporated in the 2008 team in order to meet the work program and to start with the Thangka project. 21 Thangkas belonging to the Nako monastery and the Nako Museum were in extremely poor condition and it was high priority to start a conservation plan to save them to future generations. All Thangkas are now stored safely to avoid further damages. Three of the paintings were transported to Vienna to our institute and have been treated as exampels for the whole collection in the framework of a diploma thesis (E. Skomorowski) and class-work. We were very happy to experience this year that Nako had his monastery back. Since the visit of His Holiness, two young monks have been living in the temple complex and cared actively for the cultural treasures. It was such a pleasure to work with them. In order to start work for the heavily damaged two smaller temples, the Gyagpagpa and the Karchung, we were grateful that a member of the Technical University of Vienna (M. Höflinger) joined the team. The task of the civil engineer was to re-measure and map the four temple structures and to investigate their state of stability. So far, according to our information and the documentation available for Nako, no expert of this specific domain has been investigating the structures from this perspective. It can be only stated that the problems are varied and should not be under estimated. We were very proud about the so far achieved working results: at the Lhakhang Gongma the Indian Architecture team under the leadership of Architect Romi Khosla had been able to consolidate the structure and to renew the roof in the traditional method, our team treated in the interiors the painted wooden ceiling, and the wallpaintings conservation was nearly concluded. In the Lotsawa the conservation of the most important wall paintings was realised on the major two walls with very good overall results. The investigations of the other clay sculptures have been started and should be continued.

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2009 2009 marked the 60th anniversary of the establishment of the diplomatic relations of the Republics of Austria and India and also the 7th working campaign in Nako (4. 7.– 15. 8. 2009; M. Trummer, H. Neumayer, M. Milcin, E. Götz, M. Gruber, K. Schmidt, L. Gräber, E. Skomorowski, S. Spornberger, G. Pöllnitz, A. Hackel, B. Unterberger, S. Karacsonyi, S. Leiner) contributed to this celebration. It was our 6th summer in Nako! The conservation of the interiors of the two great Buddhist temples of the complex, the Lotsawa Lhakhang and the Lhakhang Gongma, could be finally concluded, a long-term project so far financed by the FWF, the ADA, EPU and the University of Applied Arts Vienna. Main emphasis of our efforts was placed this year on the completion of the cleaning, uncovering and consolidation of the wallpaintings at Lotsawa Lhakhang as well the treatment of the interior plaster. At the Lhakhang Gongma, the workforce focussed on the re-integration of the new plaster areas and the repairs of the last years that were not all successful. The wallpaintings had to be checked again and re-consolidation had to occur in various parts. For the first time, a senior conservation architect (H. Neumayer) accompanied the team to Nako. Various problems had to be solved: water infiltration at Lhakhang Gongma (even with the new roof ) and Gyagpagpa Lhakhang, drainage and foundation checking around Gongma and Lotsawa Lhakhang as well as the re-measuring of the four temples plans. Furthermore, the experienced colleague evaluated the various efforts and repair measures of the past on all temples supposed to stabilize the buildings against future earthquakes. In addition, two training workshops were organised by our team in Nako: a building maintenance workshop for the lamas of the Nako monastery and the village people (Nako Youth Club) and a Thangka handling course for the lamas. Both events were very well received by the Nako community, and we hope that they will contribute for the better understanding and preservation of Nako’s outstanding cultural heritage. Our funding for the continuation of our work in and for Nako has came in 2009 to a hopefully only preliminary end. The year 2010 will serve to conclude the extensive scientific study and investigation of Nako’s art works and earthen materials in the framework of our FWF-project and the included dissertations. The last summers in Nako were very exhausting for the whole team and the forthcoming summer and University holidays should be used, as they are meant, for our usual and accumulating work and recreation. Thank goes to my whole team for all the efforts, enthusiasm, input and dedicated time over the last years! Our Nako Project was proudly presented at the conference “Cultural Heritage Counts Research, Conservation and Management” initiated by the Austrian Cultural Forum New Delhi and fully supported by EPU on the occasion of 60 years of Indo-Austrian co-

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operation. Here, our Department (20. 8. – 21. 8. 2009; G. Krist, T. Bayerová, M. Gruber, K. Schmidt) acted as the principal co-ordinator. The National Museum and the National Museum Institute New Delhi (NMI) were hosting and supporting the event. The conference covered 23 presentations from Austrian and Indian experts also active in the field of heritage research and preservation and gave the opportunity to discuss common projects, to network and stimulate future collaboration. Conference papers will be published as postprints, by the Böhlau Verlag in the series of the Conservation Department. The 2010 Vice-Chancellor of the University of Applied Arts Vienna, Gerald Bast opened and concluded the conference. Furthermore his visit served for the establishment of close contacts with Indian Art Universities and cultural institutions. On the request of the Indian Cultural Ministry a Master course on collection management should be developed. For the conference the Austrian Broadcasting Cooperation (ORF) documented the various research and conservation projects of Austrian professionals in India, director Gundi Lamprecht filmed in Ladakh, Nako, Varanasi and Santiniketan and at the conference itself, and her documentation was shown as preview in March 2010 on Bayern alpha. The conference closed with the film preview “Close to Heaven” at the Lalit Kala Academy, a film that illustrates our Department’s team work in Nako since 2004. Parallel running with the conference, the training workshop “How to care for textile collections: Methods and practical approaches” was held at the National Museum and the National Handicraft and Handloom Museum in New Delhi. The Conservation Department (17. 8.–21. 8. 2009; G. Krist, M. Griesser-Stermscheg, R. Knaller, M. Novotny-Kargl, G. Pöllnitz, S. Spornberger) and the NMI (K. Jain, N. Dalela) acted as the organizers and co-ordinators. Major support was given by the Austrian Cultural Forum New Delhi, and EPU again kindly provided the funding of the Austrian trainers and coordinators. 30 professionals – curators, chemists and conservators – from major museums and institutions from all over India holding textile collections attended the very successful training programme. The Conservation Department was honored to be part of the activities and events that contributed to the jubilee of 60 years of Indo-Austrian collaboration, and among all to be engaged with the work in and for Nako and its cultural heritage.

conclusio We are very grateful to our main sponsors, the Eurasia-Pacific UniNet, the FWF and the ADA for their continuous support and to our University and our Vice-Chancellor for his help and confidence. The deep solidarity with the village community of Nako gives us energy for the future and for the planning of further operations, that are necessary for

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the preservation of this significant cultural heritage. The experiences we have had so far have enriched us professionally and personally. The close co-operation with the village community is of great value to us, and we are grateful for their confidence in our work. Furthermore, our work is seen as the continuation of the endeavour, begun by Prof. Ernst Bacher, to preserve the temple complex in Nako for posterity.

Acknowledgments Austrian Cultural Forum New Delhi Austrian Development Agency (ADA) Austrian Science Fund (FWF) Eurasia-Pacific UniNet (EPU) Hangrang Organization Nako Youth Club Nako Tsug Lakhang (Nako Buddhist Society) National Museum Institute New Delhi (NMI) National Research Laboratory for Conservation of Cultural Property Lucknow (NRLC) University of Applied Arts Vienna University Vienna, Department of Art History Visva-Bharati, Department for Indo-Tibetan Studies World Monuments Fund (WMF)

nako-team

Eindrücke und Persönliches

stefan olah:

katharina kohler: „das dach am dach der welt“ Schließ die Augen und sag das Wort Indien ... Die Reise geht Richtung Himalaja. Die Landschaft wird karger und steiniger. Gewaltige Flüsse graben sich durch die Täler der atemberaubenden Berglandschaft. Die Straßen sind schmal und oftmals in den Fels gehauen. Der Weg ist nicht ganz ungefährlich und manchmal durch Steinschlag plötzlich versperrt. Die letzte Reiseetappe ist steil, eng, ein bisschen beängstigend, jedoch auf ihre Weise schön. Langsam schraubt sich die Straße den Berg hinauf. Oben wird man überrascht von kleinen Oasen, die plötzlich inmitten dieser Steinwüste auftauchen. Endlich haben wir Nako erreicht. Ein kleines Dorf am Rande der bewohnbaren Erde. Ein Ort, an dem man Ruhe und Frieden finden kann.

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Nako-Team

Inmitten von Staub und Steinen erblüht das Leben in einer doch scheinbar unwirtlichen Welt. Beeindruckende Göttergestalten, erfrischendes Lachen und die kindliche Neugierde der Dorfbewohner lassen jegliche Anstrengungen vergessen. Wir bauen ein neues Dach am Dach der Welt.

stefan kainz: Meine unerwartete erste Indienreise im Jahr 2006 führte mich in eine mir bis dato fremde Welt, die aufgrund ihrer religiösen Prägung des Alltags eine für mich unbekannte Dimension eröffnete. Gestützt auf mündliche Informationen, die die Arbeits- und Lebensbedingungen in Nako selbst beschrieben haben, sind Kathi Kohler und ich zu der für uns ersten NakoMission aufgebrochen. Die Arbeiten selbst waren für uns als Arbeitsimprovisationsprofis nichts Unerwartetes, aber dennoch sehr Spannendes und viel Neues. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Handwerkern stand für mich persönlich als wesentlichster Erfahrungsschatz an oberster Stelle. Handwerkliche Arbeiten, verbunden mit sozialem, hierarchischem und arbeitsbedingtem Umfeld, waren für uns Europäer sehr lehrreich. Selbst große sprachliche Barrieren haben die menschliche Nähe nicht beeinflussen können und mir persönlich die Augen für eine bisher unerschlossene Welt geöffnet. Das buddhistische „dritte Auge“ ist Realität geworden und hat nicht nur als leeres Sinnbild bestanden. Die überaus interessanten fachlichen und menschlichen Erfahrungen haben diese von Prof. Bacher und Prof. Krist initiierten Restaurierungseinsätze ermöglicht.

marija milcin: Die Nako-Liste: Fantastische Landschaft, eine uns fremde Kultur, Atem-Schwierigkeiten, Felsen und Gerölle, wunderschöne Objekte, katastrophaler Zustand, tibetischer Buddhismus, Lagerkoller, Kälte und Staub …

Eindrücke und Persönliches

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Und obwohl es noch sehr viel gibt, was man dieser Liste hinzufügen kann, so richtig vorstellen, das fällt einem nicht leicht … Man hat’s entweder erlebt oder eben nicht … Die Auflistung mag eher negativ erscheinen, die verbrachte Zeit war aber immer als positiv zu bewerten (vor allem im Nachhinein) … Und so bin ich sehr dankbar für die Möglichkeit, dieses Dorf im westlichen Himalaja, die Kulturschätze und seine Bewohner kennengelernt zu haben. Eine unbezahlbare Erfahrung!!! „Yes Mam/Sir, that’s Nako!!!“

tatjana bayerová: Simply unforgettable …

kathrin schmidt: „Nako“ in Worte zu fassen ist schwer, fast unmöglich. Vielmehr tauchen unzählige bunte Bilder, Eindrücke und Erfahrungen in meinem Kopf auf – sie ordnen sich immer wieder neu und ergeben im Endeffekt ein Mosaik, zusammengesetzt aus vielen einzelnen Steinen. Ein Dorf am Rande der Welt, eingebettet in den Bergen des Himalaja, umgeben von einer Landschaft, die einem im wahrsten Sinn des Wortes den Atem raubt. Bunte, im Wind knatternde Gebetsfahnen und Gebetsmühlen, die quietschend in Gang gebracht werden wollen. Eine Tempelanlage, die trotz des Arbeitslärmes während unseres Aufenthaltes immer Ruhe und etwas Unergründliches ausstrahlte. Ein Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Kulturen, verbunden mit dem Streben nach Verständnis. Ein Team unterschiedlichster Menschen, die trotz ihrer Verschiedenheiten an einem Strang ziehen. Ein Ausloten seiner eigenen Grenzen und die Erfahrung, über sich selbst hinauszuwachsen.

birgit müllauer: „Erleben von vielen Gesichtern eines kleinen Dorfes in den großen Bergen – karge Fülle.“

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Nako-Team

edgar skomorowski: Gerüche. Das ist, woran ich mich am öftesten entsinne, wenn ich an Nako denke. Aus dem sterilen Europa kommend, erschlagen einen in Indien regelrecht die ungewohnten Aromen. Und so tief sitzend in Erinnerung, dass unverwechselbar und schnell Gedankenbilder erscheinen, wenn ein Geruch irgendwo vermeintlich an etwas dort oben erinnert. Ein Schmunzeln bleibt dabei nicht aus. Es beginnt früh in Nako, in der Morgenzeit. Schlaftrunken aus dem Bett steht man neben sich, geht trotzdem aus dem Zimmer in den Speisesaal. Eine Barriere baut sich auf. Kaum sichtbar, aber umso stärker fühlbar. Bratdunst. Eier, Öl, Gas und Diesel. Aber erst der allgegenwärtige Geruch nach Lehm in den Tempeln. Dieser gemischt mit Dünsten der Butterlampen und Opfergaben. Einem Beigeschmack von Teer, der von der Decke tropft. Dem üblen Duft eines Holzschrankes, aus dem Maden hervortreten. Und darauf die tiefschwarzen Abgase vom verbrannten Diesel des Powerkings, das Ganze bildet erst das eigentliche Parfum der Arbeitskampagnen in Nako.

charlotte holzer: Mein erster Kontakt mit Nako waren die Vorträge zu den Arbeitskampagnen 2007: Grundrisspläne einer Tempelanlage, Kartierungen auf fremdartiger Wandmalerei, die Entstehung eines Museums in den nordindischen Bergen und der Besuch des DalaiLama. Als ich selbst das Angebot erhielt, Regina Knaller bei der Sammlungspflege traditioneller Thangkas und der Museumsbetreuung zu unterstützen, war ich gleichzeitig begeistert und vom organisatorischen Aufwand erschüttert. In Indien empfingen uns feuchte Hitze und zuvorkommende Jeep-Fahrer, die uns die lange Strecke nach Shimla zur Zwischenstation brachten. Auf der Reise eröffnete sich mir eine neue, unbekannte Welt: reiche Stoffmassen, extreme Lebensbedingungen,

Eindrücke und Persönliches

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exotische Speisen und Landschaften. Der Alltag in Nako war geprägt von gemeinsamen Mahlzeiten, dem ewigen Kampf um den besten Generator, die ebenste Arbeitsfläche, vokabeltechnisch herausfordernden Gesprächen mit Einheimischen, traditionellen Teachings und Hochzeiten. Für mich war dies ein Eintauchen in eine vollkommen neue Materie der Konservierung/Restaurierung. In vier intensiven Arbeitswochen konnten die Thangkas aus dem Tempelkomplex und die privaten Dauerleihgaben des Museums erfasst und konserviert werden. 2009 präsentierten die Teilnehmer der letzten Kampagne ihre Arbeit. Dieses Mal rief es jedoch Erinnerungen an zahlreiche Arbeitsstunden im Museum, Teepausen mit Old Lamachi’s Lemon Tea, Mittagessen aus Chapati und Daal und meine Mitreisenden, die mich in jeder Weise unterstützt hatten, wach.

regina knaller: „zeit spielt keine rolle!“ Während der Kampagne 2008 konnte ich mit der Studentin Charlotte Holzer 20 Thangkas aus Nako bearbeiten. Im Zuge der Bestands- und Zustandsbeschreibung und präventiven Konservierung wurde beschlossen, drei der Thangkas zur Konservierung nach Österreich an das Conservation Department zu verbringen. Neben der Erlaubnis des geistlichen Oberhauptes von Nako, Somang Rinpoche, war es notwendig, eine Bewilligung der zuständigen Verwaltungsbehörde des Bundesstaates Himachal Pradesh einzuholen. Dies erforderte eine Fahrt nach Rekong Peo, ca. drei Fahrstunden von Nako entfernt. Vereinbart wurde, um 7 Uhr (indische Zeit!) in Nako abzufahren, denn ich sollte noch am selben Tag wieder zurückkehren. Um 8:30 Uhr startete schließlich der Motor und wir konnten – begleitet von rituellen Segnungen – abfahren. Die Fahrt ging gut voran und nach ca. eineinhalb Stunden machten wir eine kurze Teepause. Danach sollte zügig bis zum Zielort durchgefahren werden. Gegen 11 Uhr kamen wir zu einer Brücke und mussten feststellen, dass diese nicht passierbar war – ein Stahlseil war gerissen. Aus den vorausgesagten zwei bis drei StundenWartezeit für die Dauer der Reparatur wurden schließlich sieben Stunden. Sieben Stunden, die erstaunlich kurzweilig waren, sieben Stunden Natur, Betrachten der Landschaft, Unterhaltung und Schweigen. Gegen 19 Uhr erreichten wir Rekong Peo. Am nächsten Morgen konnte ich mit der Zusage, dass die Bewilligung am darauffolgenden, spätestens aber am übernächsten Tag in Nako zugestellt würde, zurückfahren. Die Ausfuhrbewilligung kam zeitgerecht – am Abend vor der Abreise – mehr als zwei Wochen nach der schönsten Wartezeit meines Lebens.

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Nako-Team

Die Begegnung mit den Menschen, die atemberaubende Landschaft – Eindrücke, die unvergessen bleiben.

maria gruber: „Well I gotta say Yeah I gotta say Goodbye. Goodbye. Goodbye.“ (aus Nick Cave, More News from Nowhere)

gunn pöllnitz: „Nako“ zusammenfassend zu betrachten und dies nur mithilfe von Worten ausdrücken zu müssen, ist ein unmögliches, fast anmaßendes Unterfangen. Dieser Ort ist frei von Worten. Er existiert aus Höhe: physisch erfahrbarer und denkwürdiger Höhe. Nako ist nicht nur auf jedem Globus weit entfernt von Europa. In einer Blase aus interessanter Arbeit und den immer gleichen Menschen entstehen Werte, aus diesen wiederum Herausforderungen. Kompromissbereitschaft und Geduld sind zwei dieser Werte, die zu lernen niemand umhinkommt. Die Gemeinschaft und ihr selbst formuliertes Arbeitsziel sind die gefühlte Essenz der Aufenthalte. Bereichert wird diese Essenz von den unglaublichen Geschichten, welche sich nur an ebensolchen Orten ereignen können. Sie erzählen von Unverständnis, Gegensätzen und natürlich deren Auflösung in einem Lächeln. Nako ist ein Ort, an dem man schweigend schmunzeln und lernen kann, und ich bin froh, die Möglichkeit dazu gehabt zu haben!

susanne spornberger: Nako ist für mich ein besonderer Ort. Jeder Einzelne unseres Teams schaffte es, an diesem abgeschiedenen Teil des Himalajas über sich hinauszuwachsen. Vielleicht, weil wir ein Ziel hatten: „Save the Nako temple complex.“ Die Aufgabe, die damit verbunden war, konnte nur gemeinsam und vor allem mit der lokalen Bevölkerung bewältigt werden. Verwöhnt von europäischen Möglichkeiten, mussten wir dort größtenteils mit dem

Eindrücke und Persönliches

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Werkzeug auskommen, das wir mitbrachten. Die Ressourcen, wie Strom oder Licht, waren oft knapp und Improvisation war gefragt. Trotz der körperlichen Anstrengung in dieser Höhe mussten wir rasch handeln, um das gesteckte Ziel der Kampagne während unseres kurzen Aufenthaltes in Nako zu erreichen. Man selbst reduziert seine Standards auf Dinge, die wichtig sind, und man freut sich über die Kleinigkeiten des Lebens, wie Nutella oder Speck. Ich durfte bei zwei Kampagnen mitreisen und wahrscheinlich würde ich wieder aufbrechen, falls meine Hilfe verlangt wird.

bettina unterberger: „nako-eindrücke“: Ich war eine von fünf, die im Jahre 2009 das erste Mal Nako-Spirit erleben durften. Im Vorfeld wurden Erlebnisse und Ratschläge von erfahrenen Nako-Spezialisten eingeholt, unter anderem welcher Hartkäse, welche Fleischwaren und nicht zu vergessen welches Rätselheft am geeignetsten für das idyllische Dorf wären. Des Weiteren der Hinweis, dass Nako, so wie ganz Indien, etwas „anders“ ist und alles einfach langsamer vonstattengeht. Sei es die Kommunikation mit den Dorfbewohnern, der streikende Dieselgenerator oder die eigene schneckentempomäßige – wir befinden uns auf über 3600 m Seehöhe – Gehweise. Mitte Juli waren wir im sonnigen Nako angekommen. Einiges hat sich aus den Erzählungen der letzten Jahre bestätigt, vieles jedoch nicht. Positiv war das Speisenangebot im Hotel Reo Purguil: kontinental, bedurfte nur wenig Verfeinerung mit Kürbiskernöl und, ganz wichtig, es war „mild“. Weswegen ich mich freiwillig zum Studien- und Forschungsprojekt „Nako“ gemeldet habe, war einerseits die erstmalige Erfahrung mit außereuropäischem Kulturgut und anderseits das Kennenlernenwollen von neuen Baumaterialien. Die Sicherungs- und Reinigungsmaßnahmen sowie abschließenden Verputzarbeiten in den Tempeln erfolgten gezielt, gewissenhaft und überraschenderweise zügig. „Langsam“ war an den Wochentagen Montag bis Samstag nichts. Zu verdanken war dies auch den vorangegangen Kampagnen, die Material und Technik erprobt hatten und somit ein rasches Arbeiten vor Ort ermöglichten. Waren die Tage in den Tempeln noch so staubig, noch so beengend auf den „vorschriftsmäßig“ errichteten Gerüsten, nach acht Stunden konnte man mit Lehm an den Händen und teilweise im Gesicht auf sein „Tagwerk“ zufrieden zurückblicken. Negative sowie unangenehme Momente in dem kleinem Himalaja-Dorf wurden glücklicherweise am Abreisetag von dankenden und herzlich grinsenden Nako-Bewohnern entschädigt.

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Nako-Team

martina griesser-stermscheg: „nako – etwas, das sinn macht“ Der Anfang des Nako-Museums Bei der ersten Versammlung mit den Vertretern des buddhistischen Jugendclubs, der Bürgermeisterin und dem Dorfältesten wird in großer Runde über das Museum und dessen künftige Funktionen gesprochen. Die Diskussion läuft viersprachig, Englisch, Hindi, im örtlichen Dialekt Boti und zwischendurch Deutsch. Im babylonischen Sprachgewirr wird eines klar: Objekte gibt es noch keine für das Nako-Museum, das sprichwörtlich übermorgen eröffnet werden soll. Aber „Objekte“ sollen es wohl sein? Was wollen wir überhaupt sammeln und ausstellen? Wie wollen wir uns präsentieren, was macht „Nako“ eigentlich aus? Die Eröffnung des Nako-Museums Während der Feierlichkeiten zum Dalai-Lama-Besuch konnte das kleine Nako-Museum Tausende Besucher zählen. Der Dalai-Lama sprach von Tibet als „dying nation“ und bedankte sich bei der österreichischen Delegation für die Bemühungen um die Bewahrung des „living heritage“ in Nako. Nach den Gebeten „stehen im Museum tibetische Familien Schlange und betrachten ihre Geschichte“, berichtet Florian Flicker, der das frisch eröffnete Museum mit seinen Besuchern erleben durfte. Kunzang Tripley, ein junger buddhistischer Mönch aus Nako, schreibt in einem Brief: „The exhibition was become very famous and good. Lots of people are interesting towards it and come to visit, and could not stop praising for it. Now the committee of the youngester is looking after it.“ Wenn ich gefragt werde, ob ich nochmal nach Nako möchte, sage ich immer: Nein. Denn ich persönlich habe dort das Beste erlebt, das nicht zu übertreffen ist, keine Steigerung möglich. Ich durfte dabei sein, wie etwas entsteht, das wirklich Sinn macht. Living heritage instead of dying nation.

martina griesser-stermscheg, regina knaller, marianne novotny-kargl

How to care for textile collections: Methods and practical approaches a workshop report

framework: an indo-austrian collaboration in the field of conservation The workshop “How to care for textile collections: Methods and practical approaches”, generously financed by Eurasia-Pacific Uninet, supported by the Austrian Cultural Forum New Delhi, was set up in close collaboration between the National Museum Institute in New Delhi (Prof. Dr. Kamal Jain) and the Conservation Department of the University of Applied Arts Vienna (Prof. Dr. Gabriela Krist). The National Museum and the National Handicrafts and Handloom Museum in New Delhi offered their lecture halls, storage areas and exhibition galleries as workshop-venues. The workshop took place from August 17th to 21st 2009 and was attented by 28 participants from different institutions and museums from all over India, mostly curators, conservators and scientists, who deal with textile collections in their daily professional life, but including also 4 students from the National Museum Institute and 2 students from the University of Applied Arts Vienna. Lectures and practical exercises were done by 4 lecturers from India and 4 lecturers from Austria.

background: india as a living “textile nation” India has a rich tradition of manufacturing textiles since very early times. And India is the only country today who holds a “Ministry of Textiles” in its government. Textiles play an important role in everyday life in India: on one hand as an essential economic factor in textile industries, on the other hand in keeping outstanding textile collections in museums all over India, which still serve as unique inspiration ressources for crafts people, designers, artists or the textile industry.

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Martina Griesser-Stermscheg et al.

the challenge: how to care for textile collections Textiles, being organic materials, are very fragile in nature and deteriorate quickly under unfavourable environmental conditions. Unfortunately, a lot of damage also comes from negligence in handling, storage and display of textiles in museums. With proper care the life of precious textile collections can be enhanced significantly. The goal of the workshop therefore was a practical orientated training to the participants of the workshop in preservation, handling and preventive conservation of textile collections.

the workshop-content: prevention is better than cure Instead of teaching conservation treatments, which need to be carried out exclusively by professional long-term trained textile conservators, this short-term workshop focussed on preventive strategies and measures, which can be easily implemented and realized by any museum staff member in any collection. The main topics covered in the workshop were: - The museum building and its impact on storage conditions - Textile fibres, their identification and their ways of degradation - Condition reporting in textile collections - Integrated Pest Management (IPM) for textile collections - Supporting, labelling and mounting of textiles

the teaching methodology: emphasis on practical exercises The workshop comprised of lectures and demonstrations, as well as excursions including surveys and case studies. Relevant case studies were also discussed on participant’s input, related questions and experiences. All the participants were provided with handouts, specialized literature, bibliography and web-based links during the course of workshop. The highest emphasis was given to practical exercises, which were carried out in the storage of the National Museum and in the textile gallery of the National Handicrafts and Handloom Museum as a group activity under the direct supervision of Austrian and Indian conservation experts. The practical exercise and hands-on-methodology opened a wide variety of practical skills, tools and methods. The storage and exhibition areas of the two museums offered a great learning field for the participants, which enabled questions, discussions and exercises under very “real conditions” in an Indian museum surrounding.

Workshop Report

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participant’s feedback: „a great experience ...“ The content of the workshop were considered by all particpants most relevant for their professional field of work. Everybody agreed on: Prevention is better than cure. The overall surveys (from the building outside to the inside storage) helped to understand the broader context in collection care. By doing the surveys “our eyes were opened for things we tend to ignore” (quotation of one participant). The necessity of studying textile technologies and deterioration causes first to apply this knowledge on the care of textile collections was clearly pointed out. The need for practical hands-on training in implementing preventive measures was really well shown. Quotation of one participant: “Treat it as a child, when you handle a textile.” Concerning the course methodology the correlation between theoretical lectures and practical exercises was well arranged and appreciated by the participants. The practical sessions of the workshop in the NMI and the NHHM turned out to be the best and most valuable part in learning for the participants. The practical exercises were considered as too short in time. The handouts and copies were considered as extremly useful and will be distributed by most participants in their own museums to other staff members. Overthese the participants pointed out the social benefit from the workshop: Participants from different museums from all over India got to know each other during working together in a team – a good starting point for creating a national network for professionals who deal with similar questions in their daily work and are willing to exchange ideas and experiences. Students considered the opportunity to meet professionals in the workshop as an important point for their future professional carrier.

outview Most of the participants expressed their wish to continue with specialized weekly workshops like these. Future activities should cover topics like: Transport, packing, storage management and storage reorganization, but also more specialized workshop on treatments like cleaning and supporting for display and storage. Abstract India has a rich tradition of manufacturing textiles since very early times. Textiles, being organic materials, are very fragile in nature and deteriorate quickly under unfavourable environmental conditions. Unfortunately, a lot of damage also comes from negligence in handling,

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Martina Griesser-Stermscheg et al.

storage and display of textiles in museums. The goal of the workshop “How to care for textile collections: Methods and practical approaches” therefore was a practical orientated training in preservation, handling and preventive conservation of textile collections. The workshop was set up in collaboration between the National Museum Institute in New Delhi and the Conservation Department of the University of Applied Arts Vienna. The National Museum and the National Handicrafts and Handloom Museum in New Delhi offered their lecture halls, storage areas and exhibition galleries as workshop-venues. The workshop took place from August 17th to 21st 2009 and was attented by 28 participants from different institutions and museums from all over India.

List of lecturers Prof. Dr. Gabriela Krist, University of Applied Arts Vienna Prof. Dr. Kamal K. Jain, National Museum Institute New Delhi Prof. Dr. Charu Smita Gupta, National Handlooms and Handicrafts Museum New Delhi Dr. Anamika Pathak, National Museum New Delhi Dr. Martina Griesser-Stermscheg, University of Applied Arts Vienna Dipl.-Rest. Regina Knaller, University of Applied Arts Vienna Namrata Dalela, National Museum Institute New Delhi Marianne Novotny-Kargl, University of Applied Arts Vienna List of participants Name

Museum/Organisation

State

City

Dr. Bijan Kumar Mondal

Gurusaday Museum Government Museum Chennai Salarjung Museum Indian Museum Victoria Memorial Hall Govet Museum, and art gallery National Museum IGRMS National Gandhi Museum

West Bengal

Kolkata

Tamilnadu Andhra Pradesh West Bengal West Bengal Punjab

Chennai Hyderabad Kolkata Kolakata Chandigarh

Delhi Madhya Pradesh

New Delhi Bhopal

Delhi

New Delhi

Dr. C . Maheswarn Smt. B.P. Sreedevi Kamlini Kundu ( Biswas ) Mr. Abhieet Bhawal Mr. D.K. Ghavri Shri R.C. Jain Sri S. K Singh Mr. Ansar Ali

Workshop Report

Sri Deepak Chaudhary. Mr. Pankaj Sharma

IGRMS Maharaja Sawai Man Singh II

Madhya Pradesh Rajasthan

Bhopal Jaipur

Andhra Pradesh

Secunderabad

Haryana West Bengal

Gurgaon Kolakata

Punjab Bihar Delhi Andhra Pradesh West Bengal Delhi Madhya Pradesh Delhi Delhi West Bengal Bihar

Chandigarh Darbhanga New Delhi Hyderabad Kolkata New Delhi Bhopal New Delhi New Delhi Kolkata Patna

Ms. Renu Jathar

NIFT Hyderabad) Museum of folk and tribal art Victoria Memorial hall Govt. Museum and Art Gallery Chandradhari Museum INTACH Salarjung Museum Kala Bhawan Museum National Museum IGRMS National Museum Pearl Academy of Fashion Weavers Studio Director Chatrapati Shivaji Maharaj

Mahrastra

Mumbai

Mr. Baishakhi Mallick

Victoria Memorial hall

West Bengal

Kolakata

Mrs. Mankomal Kaur Thapar Dr. Subhashini Aryan Mr. Subhendu Banarjee Ms. Poonam Khanna Dr. Sharfauddin Ms. Smita Singh Shri Humane K.A. Mr. Sushobhan Adhikary Shri Mohan Ram Sri P Shanker Rao Shri Mahesh Kumar Ms. Kmalesh Pangtey Ms. Darshan Shah Dr. Kedar Nath Singh

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tatjana bayerová

Wall paintings in the Buddhist temple complex at Nako, North India: two years of environmental monitoring

abstract Environmental monitoring was undertaken in the Buddhist temple complex at Nako, North India, over an extended period in order to understand the role of the environment for the condition of the interior decoration. This paper presents the first results of the climate measurements which confirm that the earthen constructions serve as effective buffers to external fluctuations of temperature and humidity. It seems unlikely that interior climate conditions contribute to the deterioration of the wall paintings except in areas with regular water infiltration due to defects in the fabric and places affected by water-soluble salts. A relationship between the interior climate and the active deterioration of plasters due to the capillary moisture and water-soluble salts is outlined.

introduction Since 2004 the Conservation Department of the University of Applied Arts Vienna has been involved in the conservation and preservation of the interior decoration in the Buddhist temple complex at Nako, North India. For a better understanding of earthen structures, the painting techniques of decorated surfaces and the mechanisms of decay were requested, the three-year research project “Scientific study of the artwork at Nako, India” (FWF project No. L335-N19)1 could start in 2007 comprising of the historic structure2 1

2

A part of this research is the subject of the author’s ongoing dissertation with the working title, “Scientific examination of the painting techniques and materials used for the interior decoration of the Buddhist temple complex at Nako, North India.” Pliessnig, M., Beseler S., Graphic Documentation – Mapping. In: Krist, G. (ed.), Nako 2007. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2007, S. 23–40. Hackel, A., Digital Mapping. In: Krist, G. (ed.), Nako 2008. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2008, S. 33–39. Perwög, M., Clay Sculptures in the Buddhist Temple Complex at Nako, Himachal Pradesh, India – Lhakhang Gongma. Term Paper. University of Applied Arts Vienna, Conservation Department, 2009. Pöllnitz, G., Clay Sculptures in the Buddhist Temple Complex at Nako, Himachal Pradesh, India – Lotsawa Lhakhang. Term Paper. University of Applied Arts Vienna, Conservation Department, 2009.

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Tatjana Bayerová

and architectural survey3, condition and damage assessment4, analytical material investigation5, various on-site measurements6 and environmental monitoring. In order to understand the role of the environment in the deterioration of the paintings, long-term period environmental monitoring of the exterior climate, as well as of the interior microclimate has been carried out.

the paintings The temple complex consists of four earthen temples of which a substantial part originates from the 11th to the 12th century.7 This complex represents a unique example of living cultural heritage since the temples have been serving continuously as a place of the worship for the local people. Three temples are roughly square structures, the biggest one shows a rectangular structure; all of them are covered with flat mud roofs. The 50/60 to 100 cm-thick walls are primarily made of sun-dried adobe blocks, somewhere mixed with rubble stones, and 3

4

5

6

7

Höflinger, M., Structural Survey. In: Krist, G. (ed.), Nako 2008. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2008, S. 74–79. Neumayer, H., Temple Complex Nako – North India. Unpublished Working Report, Vienna 2009. Hackel, A., Digital Mapping. In: Krist, G. (ed.), Nako 2008. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2008, S. 33–39. Perwög, M., Clay Sculptures in the Buddhist Temple Complex at Nako, Himachal Pradesh, India – Lhakhang Gongma. Term Paper. University of Applied Arts Vienna, Conservation Department, 2009. Pöllnitz, G., Clay Sculptures in the Buddhist Temple Complex at Nako, Himachal Pradesh, India – Lotsawa Lhakhang. Term Paper. University of Applied Arts Vienna, Conservation Department, 2009. Spornberger, S., Graphic Documentation, Digital Mapping. In: Krist, G. (ed.), Nako 2009. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2009, S. 31–35. Gruber, M., Bayerová, T., Krist, G., Theory, Practice and Later Use of Documented Informations: Interior Outfittings of the Tempels at Nako, Restauratorenblätter 28, 2009, S. 89–96. Ban, M., The use of Klucel EF for modification of mud mortars. Investigation and comparison of the material characteristics of modified and non-modified mud mortars for the application in the temple complex at Nako, North India, Term Paper. University of Applied Arts Vienna, Conservation Department 2008. Gruber, M., Mud mortar as the support of paintings in the temple complex at Nako, Himachal Pradesh, India. Investigation for the purpose of preservation of the traditional mud mortar structures in Western Himalayas, Master Thesis. University of Applied Arts Vienna, Conservation Department 2007. Bayerová, T., Unpublished results within an ongoing dissertation with the working title “Scientific examination of the painting techniques and materials used for the interior decoration of the Buddhist temple complex at Nako, North India.” Bayerová, T., Gruber, M., Scientific Study of the Support and Painting Surfaces at Nako Temple Complex. In: Krist, G. (ed.), Nako 2007. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2007, S. 11–22. Bayerová, T., Gruber, M., Scientific Study of the Support and Painting Surfaces at Nako Temple Complex. In: Krist, G. (ed.), Nako 2008. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2008, S. 6–20. Klimburg-Salter, D., Nako. The Rebirth of the Temple Complex, Vienna 2007.

Wall paintings in the Buddhist temple complex at Nako

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covered with earthen plaster layers. The low and narrow entrance door is the only opening enabling ventilation and the light entry. There is neither heating inside the temples nor is there any artificially-controlled climate. (For a more detailed description of the complex – see the Nako-related articles in this issue.) The interiors are decorated with wall paintings which once covered approximately 480 square meters and which are executed on mud-plastered walls. 18 polychromed clay statues are preserved within the temples, along with a considerable amount of the original artwork in the form of painted wooden ceiling panels and architectural elements. Two bigger temples – Lotsawa Lhakhang and Lhakhang Gongma – still preserve the original wall paintings from the 12th century that are repaired and overpainted in some areas with paintings originating from different periods. The two smaller temples – Gyagpagpa Lhakhang and Karchung Lhakhang - have been largely overpainted; earlier paintings preserved on many places underneath the present ones can be seen. The precise dating of paintings in the Karchung Lhakhang is not settled yet (rough dating can be from the late 16th to early 17th century), paintings in the Gyagpagpa Lhakhang originate from the late 16th century.8 Despite many differences in painting style, materials and appearance the original murals and secondary paintings from the temples Lotsawa, Gongma and Karchung share one principal common feature: all of them are executed in secco technique over a gypsum ground, where both – paint layer and ground are bound with a proteinaceous binding media. The binding medium of the paint layer in all three temples was unambiguously identified as bovine glue and it is highly probable that the glue of the gypsum ground is of similar origin. An interesting feature is the relatively low glue content in the paint layers, corresponding to poorly bound paint.9 Binding medium from the Gyagpagpa wall paintings is currently under investigation. In this context it is necessary to underline the sensitivity of murals to the liquid water: on one hand the support is based on water-sensitive earthen plasters containing clay minerals which swell when in contact with water, on the other hand, the paint itself is bound with the binding media highly vulnerable to water. Both factors predestined the paint to be partially or totally washed out as a result of contact with liquid water.

8

9

Kerin, M.R., Re-tracing lines of devotion: Religious identities and political ideologies in fifteenthsixteenth-century western Himalayan wall painting, Dissertations available from ProQuest. Paper AAI3328599. http://repository.upenn.edu/dissertations/AAI3328599. Bayerová, T., Unpublished results within an ongoing dissertation with the working title “Scientific examination of the painting techniques and materials used for the interior decoration of the Buddhist temple complex at Nako, North India.”

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Tatjana Bayerová

condition To understand the overall situation and the state of the paintings a comprehensive condition and damage assessment of the initial state in all four temples were undertaken.10 Types and distribution of the damage and deterioration phenomena were identified and recorded. The assessment included visual examination, photographic documentation and graphic documentation to map the damage and deterioration patterns, their distribution and extent. The initial condition of the paintings was different from one wall to another within the same temple, as well as from one temple to the next. The main and most dangerous type of damage were structural cracks of various width and depth in the support and plasters, generated mostly at the junction of two walls and at the intersection of wooden members and wall. Structural horizontal cracks occurred in the load-bearing walls of the partly subterranean structures. Numerous cracks and cavities in the paint layers were often accompanied with detachment of plaster layers from the brickwork. Infiltrations of liquid water under the roof and through other defects in the structure in the past caused the irreversible damage in the form of washing away of the highly vulnerable water-soluble paint layers and accumulation of mud deposits on the paint surface. In this context it has to be mentioned that the roofs of the temples Lotsawa and Gongma were repaired recently; that of Lotsawa in June 200211, while the Gongma roof was completely reconstructed in 2005.12 Locals attempted to mend the leaking roofs of both smaller temples Gyagpagpa and Karchung by covering them with corrugated metal sheets as a protection against water leakage; however, this appears to have been insufficient in the case of the Karchung temple. Active deterioration such as the tenting of paint layers was found in several painted areas in the Lotsawa temple, microflaking occurred mostly in the areas of later paintings (in the Gyagpagpa temple), and soot deposits resulting from burning butter lamps mainly covered original paintings in the two larger temples. Today, rising damp and the harmful effects of water soluble salts are the most serious examples of the active deterioration accompanied by an extensive loss of painted plaster at the base. Infiltration of water to the ground surrounding of the temples from increased precipi-

10 Hackel, A., Digital Mapping. In: Krist, G. (ed.), Nako 2008. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2008, S. 33–39. Spornberger, S., Graphic Documentation, Digital Mapping. In: Krist, G. (ed.), Nako 2009. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2009, S. 31–35. 11 Sikka, S., Conservation of Earth Structures in Western Himalayas, M.A. Dissertation Bournemouth University England 2002. 12 Khosla, R., Nako Research and Preservation Project. Phase V, New Delhi 2005, Unpublished.

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tation and melting of snow resulted in the occurrence of liquid moisture in the interiors of all four temples, mostly on the partly subterranean walls, or in the corners where the exterior stone buttresses are attached to the temples (rubble stones piled up by locals at the corners outside the temples as a protection against earthquakes). Indirect moisture measurements were carried out using both the electrical resistance and capacitance meter to gain the basic information on the distribution and the quantity of the moisture in the fabric.13 Based on this preliminary moisture screening, core samples were taken on selected areas for laboratory tests in order to establish exact values of the moisture content and to relate them to the salt content. Water soluble salts represent another problem for the inside plasters above the floor. Salt efflorescences occur in the lower portions of several walls due to the water migration and subsequent salt accumulation and crystallisation through evaporation. Salts could continuously accumulate in the surrounding ground by leaching ions from soils, rocks and stones as well as from the excretion of animals around the temples. Cement concrete flooring that replaced the original mud floor outside and inside the buildings in 1996 (except at the Lotsawa temple) was an additional source of salts, and this intervention probably also influenced the water migration in the building structures. Qualitative and semi-quantitative on-site tests were undertaken with salt strip tests.14 Relevant samples of salt-affected plasters and salt efflorescences were taken for further laboratory analyses from profiles of various depths in all temples.

environmental monitoring Nako lies in mountainous terrain at an altitude of 3,625 m in a diverse and extreme Himalayan climate. There are two main seasons: a winter that is long, cold, windy and snowy, and a short summer with temperatures that can reach very high values. Moreover, due to the increase in vegetation cover during the recent years, the region now receives

13 Bayerová, T., Gruber, M., Scientific Study of the Support and Painting Surfaces at Nako Temple Complex. In: Krist, G. (ed.), Nako 2007. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2007, S. 11–22. Gruber, M., Bayerová, T., Fieldwork 2009_Scientific Study of the Artwork at Nako, India Temple Complex. In: Krist, G. (ed.), Nako 2009. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2009, S. 26–36. 14 Bayerová, T., Gruber, M.,. Scientific Study of the Support and Painting Surfaces at Nako Temple Complex. In: Krist, G. (ed.), Nako 2007. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2007, S. 11–22. Gruber, M., Bayerová, T., Fieldwork 2009_Scientific Study of the Artwork at Nako, India Temple Complex. In: Krist, G. (ed.), Nako 2009. General Report. Unpublished Report, University of Applied Arts Vienna 2009, S. 26–36.

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threefold more precipitation than hundred years ago.15 The rainfall and melting snow are unfavourable for the historic earthen buildings designed for an arid climate; today a lot of water damage and deterioration is due to the water infiltrations and rising damp. In order to obtain information about the influence of the outdoor climate on the interior environment and the impact of the indoor microclimate on the interior decorations, it was decided to monitor the climate for a prolonged period, from the project’s beginning to its completion (2007–2010). Loggers designed for the measurement and recording of relative humidity, ambient and surface temperature (Comet and Rotronic Instruments) were installed at both the exterior and the interior of all four temples. Positions for the logger installation in the interiors were selected in accordance with the results of the smoke test for visualising of the air circulation inside the temples. In three of the temples two loggers were installed - one below the ceiling and one above the floor; in the Lotsawa temple altogether five data-loggers were installed, and, finally, one logger was placed outside. Data logging interval was adjusted to one hour, the accuracy of temperature measurement was ±0.4°C, that of relative humidity measurement was ±2.5 RH.

results Measurements of the surface liquid moisture fully confirmed the presumptions based on visual inspection. Higher values of moisture in the lower parts of the inner walls are very probably caused mainly by the capillary action, but, in the areas with the higher salt content, hygroscopicity of salts contributes to the higher amount of moisture in the walls. The highest moisture values are at the base of the wall and moisture decreases with height. Above the wet horizon which is below that of the surviving paintings, moisture reached a minimum and remained constant with height (see Figure 1). Measurements of water soluble salts confirmed their presence on the surface of the walls but also in the depth of the substance. In some areas the salt content reached very high values; locally the concentration of salt anions attained several mass percent whereas the anions of nitrates and chlorides were the most dominant. Very probably, locallyhigher values of sulphates were the result of the presence of the calcium sulphate in the gypsum ground of paintings. The salt distribution confirmed the common phenomenon typical for the objects affected by the capillary moisture in combination with presence 15 Sikka, S., Chaudry, C., Climate change in Western Himalaya. Impacts, mitigation and adaptation of historic earthen structures. ICOMOS Scientific Symposium, Changing world, Changing Views of Heritage, 7 October 2009, Valletta. http://www.international.icomos.org/adcom/malta2009/pdf/ADCOM_200910_SYMP_4_Historic_ Technology_Sikka_Chaudry.pdf, access on 1 March 2010.

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of water soluble salts:16 high soluble and fast-migrating salts do not accumulate directly above the ground level, but due to their easy migration and water evaporation from the plaster surface they accumulate at a certain height above the floor. Distribution of nitrates and chlorides in the east wall of the Karchung temple is illustrated in the Figure 2. However, a detailed presentation of results of the salt-content study is beyond the scope of the present paper. Two years’ climate measurement from summer 2007 to summer 2009 showed the outdoor winter temperatures dropping below freezing point from November until March to –5 to –10°C (the lowest temperature was –18.4°C), summer temperatures reached around 30°C in the shadow (the highest temperature measured was 36.4°C). The exterior relative humidity (RH) during winter dropped to 5 (once exceptionally to 0.4) while the highest values were around 85, though rarely even higher (99). There were significant diurnal cycles of the outdoor temperature and RH during both summer and winter; the largest variation of both parameters reached 15–20°C and about 40-50, respectively (see Figures 3, 4). Condensation could occur on the outside walls several times a year, when the surface temperatures dropped below the dew point temperature. Strong icy winds augment the influence of outdoor conditions and can cause abrasion of the earthen render which becomes weak due to the thermal stress and freezing cycles. Indoor measurements in the temples Lotsawa, Gongma and Gyagpagpa showed a very similar pattern. The maximum temperature reached during the summer was 24°C, in winter months the temperature dropped below freezing for approximately two months (minimum temperature –7°C, see Figures 5 and 6). The maximum RH-value measured in summer was 68 , while in winter the RH dropped to 20 , sporadically also below 20  (minimum 13 ). Measured values of ambient and surface temperatures and RH showed much lower fluctuations than for the exterior. Indoor variations of the diurnal temperature and RH were also significantly lower than outdoors; the maximum observed daily fluctuation of temperature measured above the floor and below the ceiling reached 2°C and 3°C, respectively. Daily fluctuations of RH above the floor were below 10, under the ceiling the changes in RH sporadically reached 15  within 24 hours. The fluctuations of both parameters were greater under the ceiling than these above the floor, probably due to closer proximity to the roof. Measurements confirmed that ambient and surface temperatures above the floor as well as under the ceiling were either identical or very close to each other – the maximum 16 Arnold, A., Zehnder, K., Monitoring Wall Paintings Affected by Soluble Salts. In: Cather S. (ed.): The conservation of wall paintings; proceedings of a symposium organized by the Courtauld Institute of Art and the Getty Conservation Institute, London, July 13–16 1987. Getty Conservation Institute, Los Angeles 1991, S. 103–135.

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gradient being in the range of 1°C. Ambient and surface temperatures neither dropped below dew point nor came close to it. This fact excludes condensation as the possible deterioration factor of the wall paintings (difference between the surface and the dew point temperatures was in average around 10°C). The situation was slightly different in the Karchung temple, currently the most endangered of the temples and with a lot of structural fabric damage (Figures 7 and 8). Fluctuations of the temperature and RH during a year were higher than in the other three temples; the maximum RH reached 75  and during winter time often dropped below 10. Fluctuations of the temperature and RH within 24 hours were also higher; the largest difference of both parameters was about 2–5°C and 10–20 , respectively. Surface temperature sporadically dropped closer to the dew point but not below; therefore condensation did not occur on the surface of the walls. Environmental monitoring will continue through the entire duration of the project – until summer 2010; all the data obtained will be subsequently processed and evaluated in detail including measurements of sorption isotherms (currently under investigation). The following conclusions can be given concerning the impact of the climate on the wall paintings inside the Nako temples: In general, temperature and relative humidity were stable; there were significantly lower fluctuations in comparison with the exterior values during the whole period of measurement. These findings confirmed the earthen construction’s effective thermal and humidity buffering ability.17 Temperature and relative humidity fluctuations were slightly higher in the space under the ceiling than that above the floor, probably as a consequence of enhanced air exchange with the exterior through the roof. Surface temperatures neither dropped below dew point nor came close to it. Condensation, therefore, is unlikely to play a role in the deterioration of paintings, and the damage above the base can be attributed mainly to the capillary moisture and water-soluble salts. Low relative humidity values during winter time along with low temperatures increased the danger of the crystallisation of water-soluble salts.18 It is probable that the salt crystallisation inside the porous system starts preferentially in this period and would cause the active deterioration of plasters affected by salts above the base.

17 Eben Saleh, M.A., Adobe as a Thermal Regulating Material, Solar & Wind Technology, 7, No. 4, 1990, S. 407–416. 18 Watt, D., Colston, B., Investigating the effects of humidity and salt crystallisation on medieval masonry, Building and Environment 35, 2000, S. 737–749. Arnold, A., Zehnder, K., Monitoring Wall Paintings Affected by Soluble Salts. In Cather, S. (ed.): The conservation of wall paintings; proceedings of a symposium organized by the Courtauld Institute of Art and the Getty Conservation Institute, London, July 13–16 1987. Getty Conservation Institute, Los Angeles 1991, S. 103–135.

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During winter months, temperatures in all four temples dropped below zero for a significant period (approximately for two months). Water trapped inside the walls due to infiltration below the ceiling or through other structural damage might freeze and thus contribute to the fabric and paint deterioration.19 This phenomenon might be dangerous mainly in the Karchung temple, which exhibits numerous structural defects where water can infiltrate. In the areas affected by enhanced salt concentrations freezing probably did not occur due to the decrease of the freezing point of saline solutions.20 Temperature and RH values and fluctuations measured in the Karchung temple confirmed that the buffering ability of the earthen walls is reduced due to structural damage, and the subsequent exchange with the exterior is much more intensive. No presence of any microorganism was observed on the murals or other painted surfaces, corresponding with the fact that the low averages RH were not particularly favourable for such growth.

conclusion The interior decoration undergoes relatively modest daily cycles both in temperature and relative humidity. Daily changes of exceptionally higher values are probably still sustainable for both members, the wooden elements and the murals, as has already happened a number of times in the past.21 Based on all measurements it can be concluded that besides the structural damage still present in the Gyagpagpa and Karchung temples, the major factor contributing to the active deterioration inside the temples is the water penetrating into the constructions either directly due to infiltration through defined defects of the fabric or due to the rising damp, the latter in combination with water soluble salts. It seems unlikely that the interior climate conditions significantly contribute to the wall painting deterioration. More probable reasons for the occurrence of tenting and microflaking of paint layers were the 19 Torraca, G., Porous Building Materials – Materials Science For Architectural Conservation. ICCROM, Rom 1982. 20 Arnold, A., Zehnder, K., Monitoring Wall Paintings Affected by Soluble Salts. In: Cather S. (ed.): The conservation of wall paintings; proceedings of a symposium organized by the Courtauld Institute of Art and the Getty Conservation Institute, London, July 13–16 1987. Getty Conservation Institute, Los Angeles 1991, S. 103–135. 21 Camuffo, D., Pagan, E., Bernardi, A., Becherini, F., The impact of heating, lighting and people in reusing historical buildings: a case study, Journal of Cultural Heritage 5, 2004, S. 409–416. Mecklenburg, M.F., Tumosa, C.S., Wyplosz, N., The effects of relative humidity on the structural response of selected wood samples in the cross-grained direction, Materials Research Society 352, 1995, S. 305–324.

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stress inside thicker paint layers, or the tension stresses developed by the secondary “refreshing coating” observed on several places of the Lotsawa temple. Despite the well-known temperature isolating and moisture buffering ability of the earthen constructions, the interior temperatures dropped below zero for prolonged periods during the winter along with comparatively low values of relative humidity. It is therefore interesting that besides the above mentioned damage due to the liquid water and defects in the constructions, the wall paintings are in a very good state of preservation after 800 years. This resistance might be attributed to the relatively low content of animal glue (binding medium) in the paint layers as well as to its ability to resist and buffer humidity changes for relatively long periods.22 This ability probably prevails against high internal stresses developed by glues during a change in water content due to the relative humidity change.23 Another hypothesis explaining the resistance of the gluebound layers may be based on the addition of alum to the glue. Modifying the glue in this way results in stronger and more waterproof properties, causing higher resistance to swelling at changing relative humidity, what was frequently used in the glue-size preparation.24 Since the presence of alum in paint layers has not yet been identified, this type of analysis would be desirable. Another possible factor contributing to a relatively good state of the paint might be the buffering effect of the paint-layer-sandwich, including the clay support-gypsum ground-paint. Acknowledgements This research has been carried out with the financial support of the Austrian Science Fund, FWF (Project No. L335-N19).

references Arnold, A., Zehnder, K., Monitoring Wall Paintings Affected by Soluble Salts, In: Cather S. (ed.): The conservation of wall paintings; proceedings of a symposium organized by the Courtauld

22 Winter, J., East Asian Paintings. Materials, Structures and Deterioration Mechanisms, Archetype Publications Ltd., London 2008. 23 Ebenda. Mecklenburg, M.F., Tumosa, C.S., McCormick-Goodhart, M.H., A general method for determining the mechanical properties needed for the computer analysis of polymeric structures subjected to changes in temperature and relative humidity, In: Vandiver, P.B., Druzik, J.R., Wheeler, G.S., and Freestone, I.C. (ed): Materials and issues in art and archaeology III, 337–358. Symposium held in San Francisco, April 27 – May 1, 1992. Materials Research Society Symposium Proceedings 267. 24 Pasnak, E., Season Tse, Murray, A., An Investigation of Alum in the Gelatin Sizing of Far Eastern Paintings on Silk, In: Jett, P., Winter, J., and McCarthy, B. (ed.): Scientific Research on the Pictorial Arts of Asia, London 2005, S. 81–91.

Wall paintings in the Buddhist temple complex at Nako

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Tatjana Bayerová

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maria gruber

„Down to Earth“. Lehmrohstoffe und Lehmbautradition in Nako1

zusammenfassung Das tibetische Bergdorf Nako im indischen Westhimalaja bewahrt einen buddhistischen Klostertempelkomplex aus dem 11.–12. Jahrhundert, der auf die bedeutende Kunst- und Kulturgeschichte Tibets verweist, aber auch auf die Lehmbautradition, die sich im Ort bis in die Gegenwart erhalten hat. Innerhalb des „Nako-Projekts“, hervorgegangen aus dem „Nako Research and Preservation Project“ (NRPP) zur Erforschung und Erhaltung der gefährdeten Tempelbauten, beschäftigt sich das Conservation Department der Universität für angewandte Kunst Wien in dem vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützten Vorhaben „Scientific Study of the Artwork at Nako, India“ u.a. mit den Lehmrohstoffen in Nako, die traditionell für Bautätigkeiten verwendet wurden und werden. Die materialwissenschaftlichen Untersuchungen der Lehmrohstoffe dienen der Materialcharakterisierung, dem „Verstehen“ der historischen Lehmbaustoffe und -bildträger in den Tempeln und dem Einsatz für gegenwärtige Bau- und langfristige Erhaltungsaufgaben. Das Wissen um die lokal verfügbaren Lehmrohstoffe und die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Lehmbautradition sind Grundlagen, um die buddhistischen Tempelbauten und die authentische Dorfarchitektur als Teil der Kultur Tibets auf lange Sicht erhalten zu können.

einleitung Nako: Nako befindet sich auf 31° 52’ nördlicher Breite, 78° 37’ östlicher Länge2 und 3662 m Seehöhe3 im westlichen Himalajagebirge, einer seismisch aktiven Zone mit ariden Klimabedingungen, die Landschaft und Vegetation sind entsprechend karg. Das Bergdorf liegt abgeschieden fast 1000 m über dem Flusstal des Spiti im Hangrang, Distrikt Kinn-

1 2 3

Laufende Dissertation der Autorin, betreut von Prof. Dr. G. Krist und Prof. Dr. J. Weber. http://earth.google.de GPS-Messungen der Autorin, August/September 2008.

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aur des nordindischen Bundesstaats Himachal Pradesh, nahe der chinesischen Grenze und der Tibetan Autonomous Region (TAR). Aufgrund der Grenznähe zur Volksrepublik China ist Nako „Protected Area“.4 Der Ort wird von rund 400 Menschen vorwiegend tibetischer Herkunft bewohnt, die großteils von der Feldwirtschaft und zunehmend auch vom Tourismus leben. Die tibetisch geprägte Kulturlandschaft vor dem beeindruckenden Panorama des Himalaja, die traditionelle Dorfarchitektur mit den zahlreichen, buddhistischen Sakralbauten und vor allem die von den Menschen authentisch gelebte, tibetisch-buddhistische Kultur ziehen immer mehr Touristen nach Nako und in die Region. Nako Gompa: Das tibetisch-buddhistische Kloster, der Nako Gompa5, liegt auf einer leichten Anhöhe knapp außerhalb des Dorfes, über dem zu Ehren des Dalai-Lama-Besuchs im Sommer 2007 errichteten neuen Dorfplatz. Laut DorfbewohnerInnen geht die Klostergründung auf Lotsawa Rinpoche zurück, der in einem Wettstreit mit dem Schutzpatron Nakos, Purgil, die vier alten Klostertempel in nur einer Nacht erbaut haben soll. Purgil, der Bewohner des „Hausbergs“ von Nako, des Reo Purgil, hätte im Gegenzug die lebensnotwendige Wasserversorgung für Nako in Form von Bächen und Kanälen eingerichtet. Lotsawa oder der „große Übersetzer“ ist eine historisch gesicherte Persönlichkeit, die gemäß tibetisch-buddhistischer Lehre bis in die Gegenwart ihre Reinkarnation findet. Rinchen Zangpo war im 10. und beginnenden 11. Jahrhundert, in der zweiten Verbreitungswelle des tantrischen Buddhismus in Tibet,6 Schlüsselfigur für die Ausbreitung und Institutionalisierung des aus Indien stammenden Buddhismus im westtibetischen Raum,7 der zuvor von der schamanistischen Naturreligion des Bön dominiert wurde.8 Um einen Hof sind die älteren vier frei stehenden, kubischen Klostertempel, die auf

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6 7 8

Government of India, Foreigners (Protected Areas) Order, New Delhi 1958, G.S.R. 713. Die Umschrift der Begriffe aus dem Tibetischen, mit Ausnahme der Ortsbezeichnungen und Personennamen hervorgehoben in kursiver Schrift, erfolgte aufgrund der besseren Lesbarkeit nach der „THDL Simplified Phonetic Transcription of Standard Tibetan“ und nicht nach der Transkription laut Turrell Wylie, siehe: Wylie, T., A Standard System of Tibetan Transcription, in: Harvard Journal of Asiatic Studies 22/1959, S. 261–267. Eine erste Verbreitungswelle des ursprünglich indischen Buddhismus hatte bereits im 8.–9. Jahrhundert im tibetischen Kulturraum eingesetzt. Petech, L, Western Tibet: Historical Introduction, in: Klimburg-Salter, D. E. (Hg.), Tabo, a Lamp for the Kingdom. Early Indo-Tibetan Buddhist Art in the Western Himalaya, New York 1998, S. 243–246. Mündliche Mitteilungen durch Sherab Dorje und Shanta Kr. Negi, August/September 2008. In dem Gründungsmythos des Klosters findet sich der Wettstreit zwischen Buddhismus und Bön, personifiziert durch Rinchen Zangpo und Purgil, wieder.

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das 11.–12. Jahrhundert datiert werden,9 und ein Chorten10 gruppiert. Die zwei größten Tempel, Lotsawa Lhakhang („Translator’s Temple“) und Lhakhang Gongma („Upper Temple“), sowie die zwei kleineren Tempelgebäude Gyagpagpa Lhakhang und Karchung Lhakhang („Small White Temple“)11 bestehen aus den lokal verfügbaren Baustoffen Lehm, Stein und Holz – Materialien, die sich in der traditionellen Dorfarchitektur wiederfinden. Ein neuerer Tempel und ein 2007 errichtetes Klostergebäude gehören auch zur gegenwärtig bestehenden Anlage, eine Tempelmauer und ein Umgehungsweg begrenzen den Tempelbezirk. Die von außen unscheinbaren Lehmtempelbauten offenbaren erst im Inneren beeindruckende tibetisch-buddhistische Bilderwelten, die in den zwei größten Tempeln Zeugnis des frühesten Bildprogramms des tibetisch-buddhistischen Vajrayana und der kulturellen und künstlerischen Hochzeit Westtibets im 11.–12. Jahrhundert ablegen.12 Waren es ursprünglich Anhänger des Kadampa-Ordens,13 die das Kloster im Sinne eines Retreats14 bewohnten, sind es seit 2007 zwei Lamas des Drukpa-Kargyu-Ordens aus dem Kloster Bhuntar im Kullu Valley,15 die für jeweils zwei Jahre für den Nako Gompa zuständig sind. Somang Rinpoche, einem in Nako geborenen hohen tibetisch-buddhistischen geistlichen Würdenträger, ist die Tempelanlage zugeeignet. Bis 2007 ist der Klosterkomplex längste Zeit nicht von Mönchen benutzt worden, den DorfbewohnerInnen Nakos und den Dorflamas ist es zu verdanken, dass die Tempel verehrt, gepflegt und bis in die jüngste Gegenwart erhalten wurden. Ende des 20. Jahrhunderts war das Schadensausmaß der Lehmtempelanlage durch Erdbebenkatastrophen und strenge Winter bedrohlich, sodass der Nako Gompa 2002 auf die World Monuments Watch List gesetzt und in weiterer Folge das „Nako Research and Preservation Project“ (NRPP)16 auf Initiative von Deborah Klimburg-Salter, Universität Wien, Institut für Kunstgeschichte, gegründet wurde.

9 Klimburg-Salter, D., Nako. The Rebirth of the Temple Complex. Wien 2007, S. 26–30. 10 Symbolisches Denkmal für Budhha und die buddhistische Lehre. 11 Englische Bezeichnungen nach Christian Luczanits, siehe: Luczanits, C., Buddhist Sculpture in Clay. Early Western Himalayan Art, late 10th to early 13th centuries, Chicago 2004, S. 78. 12 Luczanits, C., The 12th Century Buddhist Monuments of Nako, in: Orientations 34 5/2003, S. 53. 13 Mündliche Mitteilung durch Gerald Kozicz, Dezember 2009. 14 Das Kloster ist von Mönchen nicht zur Zusammenkunft, sondern für Rückzug und Meditation verwendet worden, siehe: Chandra, L. (Hg.), Tucci, G., Rin-Chen-Bzan-Po and the Renaissance of Buddhism in Tibet around the Millenium (Indo-Tibetica II), New Delhi 1988, S. 10. 15 Kullu Distrikt, Himachal Pradesh. 16 Klimburg-Salter, D., The Nako Preservation Project, in: Orientations 34 5/2003, S. 39–45.

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Das Nako-Projekt: 2004, noch unter Ernst Bacher,17 der den denkmalpflegerischen Masterplan für das Ensemble erarbeitete, involvierte sich das Conservation Department der Universität für angewandte Kunst Wien unter Gabriela Krist in das multinationale transdisziplinäre NRPP. Das Conservation Department zeichnet sich seit damals für die Konservierung der kultur- und kunstgeschichtlich bedeutsamen Tempelinnenausstattungen verantwortlich. Die 2004 begonnenen konservatorischen Arbeiten zur Erforschung und Erhaltung der polychromen Lehmplastiken, Wandmalereien, bemalten Holzdeckenelemente und Lehmbausubstanz18 dauern bis in die Gegenwart mit großem Engagement des Departments an.19 Bisherige konservatorische Einsätze beschränkten sich auf die beiden größten Tempel und fanden in Kooperation mit dem indischen Projektpartner, dem National Research Laboratory for the Conservation of Cultural Property Lucknow (NRLC) unter M.V. Nair, statt. Besondere Wichtigkeit im „Nako-Projekt“ wird der Verwendung und Tradierung lokal verfügbarer Materialien und vor allem der Einbeziehung der Dorf- und Mönchsgemeinde beigemessen. „Scientific Study of the Artwork at Nako, India“: Das Forschungsvorhaben „Scientific Study of the Artwork at Nako, India“, durch den FWF seit 2007 gefördert, dient der Grundlagenforschung zur Polychromie der Ausstattungselemente und Materialität des Bildträgers Lehm und der Entwicklung langfristiger und nachhaltiger Erhaltungsstrategien für die Innenausstattungen aller vier Tempel. Die materialwissenschaftliche Untersuchung von Lehm als Rohstoff für die lokale Bautradition sowie dessen Verwendung als Baustoff und Bildträger für die Ausstattungselemente in den Tempeln des Gompa ist Schwerpunkt der hier besprochenen Dissertation, ergänzend zur materialtechnologischen Studie über die Polychromie der Tempelinnenausstattungen, die durch Tatjana Bayerova, ebenfalls am Conservation Department, ausgearbeitet wird.20 Erste Untersuchungen zu den lokalen Lehmrohstoffen und der Lehmbausubstanz der Tempel sind innerhalb des NRPP21 zwischen 2002 und 2004 durch die indischen Ar17 Bacher, E., India Report 1: The Nako Monuments, in: ICOMOS (Hg.), Heritage at Risk, ICOMOS World Report 2001/2002 on Monuments and Sites in Danger, Paris 2001, S. 108 f. 18 Vorrangig in der Funktion als Bildträger für die Malereiausstattung. 19 Siehe: Bacher, E. (Hg.), Nako-Kampagne 2004, unveröffentlichter Bericht, Universität für angewandte Kunst Wien 2004. Krist, G. (Hg.), Nako-Kampagnen 2005–2008, unveröffentlichte Berichte, Universität für angewandte Kunst Wien 2005–2008. Krist, G. (Hg.), India 2009, unveröffentlichter Bericht, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. 20 Die Dissertation von Tatjana Bayerova wird an anderer Stelle in dieser Publikation ausführlich besprochen. 21 http://athene.geo.univie.ac.at/project/nako/

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chitekten Romi Khosla22 und Sandeep Sikka23 durchgeführt worden, und weiters durch Stephanie Bogin,24 University of London, Courtauld Institute of Art, fokussiert auf den Lehmbildträger für die Wandmalereien. Hinsichtlich unterschiedlicher Forschungs- und Erhaltungsaspekte beschäftigte sich ab 2005 das Conservation Department mit Lehm als Rohstoff, Bausubstanz, Bildträgermaterial und Material für den konservatorischen Einsatz in den Tempelbauten. In diesem Zusammenhang sind folgende Personen zu nennen: Michael Höflinger, Statiker, technische Universität Wien, Institut für Hochbau und Technologie;25 Helmut Neumayer, Architekt in der Denkmalpflege;26 und Katharina Kohler,27 Matea Ban,28 Maria Perwög,29 Gunn Pöllnitz30 sowie die Autorin,31 die ihre Diplom- und Vordiplomarbeiten am Conservation Department der Universität für angewandte Kunst Wien dahin gehend dem „Nako-Projekt“ widmeten. Lehm als Baumaterial in der tibetischen Architektur des westlichen Himalajas ist materialwissenschaftlich ein wenig erforschtes Gebiet, für vergleichende Rohstoffstudien von Relevanz ist die Arbeit von Sharma, Gupta und Kanotra.32 22 Khosla, R., Nako Research and Preservation Project. Phases I–V, unveröffentlichte Berichte, New Delhi 2002–2004. 23 Sikka, S., Conservation of earth structures in the Western Himalayas, Diplomarbeit, Bournemouth University 2002. 24 Bogin, S., A technical study of the early Buddhist wall paintings at Nako, Himachal Pradesh, India, Master Thesis, Diplomarbeit, Courtauld Institute of Art London 2004. 25 Höflinger, M., Bericht, gutachtliche Stellungnahme betreffend die Untersuchung der Tempelanlage in Nako (Nordindien), in: Krist, G. (Hg.), Nako-Kampagne 2008, unveröffentlichter Bericht, Universität für angewandte Kunst Wien 2008, S. 74–109. 26 Neumayer, H., Tempelanlage Nako, Nordindien, unveröffentlichter Bericht, Wien 2009. 27 Kohler, K., Die Holzdeckenmalerei im buddhistischen Tempelkomplex in Nako, Himachal Pradesh, Indien – Untersuchungen zur Maltechnik und Konservierung, Universität für angewandte Kunst Wien, Diplomarbeit 2006. 28 Ban, M., Klucel EF zur Modifizierung von Lehmmörteln. Untersuchung und Vergleich der Materialkennwerte von modifizierten und unmodifizierten Lehmmörteln für die Anwendung im Tempelkomplex Nako, Nordindien, unveröffentlichte Vordiplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2008. 29 Perwög, M., Die figurale Innenausstattung des tibetisch-buddhistischen Tempelkomplexes Nako, Himachal Pradesh, Indien – lhakhang Gongma, Vordiplom, unveröffentlichte Vordiplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. 30 Pöllnitz, G., Die figurale Innenausstattung des tibetisch-buddhistischen Tempelkomplexes Nako, Himachal Pradesh, Indien – Lotsawa lhakhang, unveröffentlichte Vordiplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. 31 Gruber, M., Traditionen erhalten. Lehmputz als Fassungsträger im Tempelkomplex Nako, Himachal Pradesh, Indien. Konservierungswissenschaftliche Voruntersuchungen zur Erhaltung traditioneller Lehmputzstrukturen im Westhimalaja, Universität für angewandte Kunst Wien, Diplomarbeit 2007. 32 Sharma, R. K., Gupta, H. O. und Kanotra, Y. K., Evaluation of Physical Characteristics of ‚Mercula’ Admixed Clay for Sealing of Cracks in Mud Plaster of Monasteries, Ladakh Region, in: ICCROM (Hg.), Methods of Evaluating Products for the Conservation of Porous Building Materials in Monuments. International Colloquium, Rom 1995, S. 41–48.

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materialien und methodik Zielsetzung: Lokale Lehmrohstoffe, die in Nako für Bautätigkeiten traditionell Anwendung gefunden haben und auch aktuell noch finden, wurden identifiziert, ihre Vorkommen in situ befundet und Materialproben laboranalytisch untersucht. Die Untersuchungen dienen der Materialcharakterisierung der Lehmrohstoffe im Hinblick auf deren Verwendung in der historischen Bausubstanz des Gompa und als zukunftsfähiges Baumaterial für die langfristige Erhaltung der Tempel- und Dorfarchitektur. Über die Relevanz der Untersuchungsergebnisse für das Verständnis der historischen Tempel-Baustoffe und den Einsatz für Erhaltungs- und Maintenance-Arbeiten hinaus ist es ein Anliegen, einen Beitrag zur Forcierung der drei Lehmvarietäten als Baumaterialien für gegenwärtige und zukünftige Bauaufgaben in Nako zu leisten. Denn nur durch Fortführung der überlieferten lokalen Lehmbautradition und Weiterentwicklung für moderne Bautätigkeiten kann die handwerkliche und materialtechnische Grundlage für eine langfristige Erhaltung der historischen Lehmbauten, wie es die Klostertempel und auch viele anonyme Profanbauten im Dorfkern Nakos sind, durch die Bevölkerung vor Ort gegeben werden.33 In-situ-Befundung der Lehmaufschlüsse: Für die Identifizierung der Rohstoffe und das Aufsuchen der Aufschlüsse wurden örtliche Handwerker konsultiert.34 Die Aufschlüsse der drei relevanten Lehmrohstoffe, die in der regionalen Bhoti-Sprache Thawa, Tua und Sassa genannt werden, wurden mittels Global Positioning System (GPS) lokalisiert,35 visuell befundet und beschrieben, fotografisch dokumentiert und beprobt. Es wurden dabei Materialproben, die für die Verwendung als Baustoff relevant sind, und auch Proben, die der Aufschlusscharakterisierung dienen, entnommen und laboranalytisch untersucht. Laboranalytik an Rohstoffproben: Die Proben wurden im Labor hinsichtlich ihrer Gefügestruktur mittels DünnschliffMikroskopie im normalen und polarisierten Durchlicht charakterisiert.36 Korngrößen-

33 Beispielhaft steht hier der „Building Maintenance Workshop“, der im Sommer 2009 auf Idee von Gabriela Krist von der Autorin gemeinsam mit Helmut Neumayer, Marija Milcin und Vertretern des Nako Youth Clubs abgehalten wurde, siehe dazu: „Zusammenfassung und Diskussion“. 34 Hilfreich waren der örtliche Baumeister Tashi und der ehemalige Dorflama Tenzin. 35 Unter Anweisung von David Schobesberger, Universität Wien, Institut für Geografie und Regionalforschung. 36 Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Kunst und Technologie, Abteilung für Naturwissenschaften in der Konservierung.

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verteilungen wurden durch Standard-Siebanalyse ermittelt.37 Gesamtmineralogische Untersuchungen und tonmineralogische an den Fraktionen < 2 μm der drei unterschiedlichen Lehmvarietäten wurden mithilfe röntgenografischer Phasenanalyse durchgeführt, unterstützt durch chemische Elementanalyse mittels energiedispersiver Röntgenanalytik in Verbindung mit Rasterelektronenmikroskopie,38 differenziale Thermoanalyse39 und Karbonatbestimmung nach Scheibler.40 Ausgleichsfeuchte der Rohstoffe und Glühverlust wurden gravimetrisch definiert,41 ebenso wie Gesamtkohlenstoffanteile mittels Verbrennung im Sauerstoffstrom und Infrarotdetektion.42 Der Anteil pflanzlicher Faserstoffe wurde durch Standard-Siebanalyse,43 Dünnschliff-Mikroskopie im normalen Durchlicht44 und Stereomikroskopie45 untersucht. Die Salzgehalte der einzelnen Lehmrohstoffe wurden mittels Ionenchromatografie analysiert.46 Relevante bodenmechanische Kennwerte der Rohstoffe, wie Plastizitätsindizes durch Bestimmung der Konsistenzgrenzen nach Atterberg,47 effektive Scherfestigkeiten mit direkten Scherversuchen48 und die einzelnen Korndichtewerte mittels Helium-Pyknometrie,49 wurden definiert. Die drei Rohstoffe Thawa, Tua und Sassa wurden sowohl ungemischt untersucht als auch in einer Rohstoffmischung von Tua und Thawa im Verhältnis 1:4. Dieses Mi37 An der Geologischen Bundesanstalt, Fachabteilung Rohstoffgeologie. 38 Durchgeführt von Ingeborg Wimmer-Frey an der Geologischen Bundesanstalt, Fachabteilung Rohstoffgeologie und U.S. Lal, National Research Laboratory for the Conservation of Cultural Property Lucknow. 39 Untersucht von Dita Frankeova, Czech Academy of Science, Institute of Theoretical and Applied Mechanics. 40 Carl Scheibler, deutscher Chemiker (1827–1899). Untersucht an der Universität für Bodenkunde Wien, Department für Bautechnik und Naturgefahren, Institut für angewandte Geologie. 41 Ausgeführt von U.S. Lal, National Research Laboratory for the Conservation of Cultural Property Lucknow. 42 Durch Karin Wriessnig, Universität für Bodenkunde Wien, Department für Wald- und Bodenwissenschaften, Institut für Waldökologie. 43 An der Universität für Bodenkultur Wien, Department für Bautechnik und Naturgefahren, Institut für angewandte Geologie. 44 Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Kunst und Technologie, Abteilung für Naturwissenschaften in der Konservierung. 45 An der Universität für angewandte Kunst Wien, Conservation Department. 46 Durchgeführt von Manuel Prohaska, Montanuniversität Leoben, Christian Doppler Labor für Interkristalline Korrosion. 47 Albert Maurits Atterberg, schwedischer Chemiker und Bodenmechaniker (1846–1916); die von ihm eingeführten Konsistenzgrenzen wurden von Arthur Casagrande, österreichisch-amerikanischer Bodenmechaniker und Geotechniker (1902–1982), weiterentwickelt – Casagrande-Apparatur. Untersuchungen ausgeführt unter Renata Adamcova, Comenius University Bratislava, Faculty of Natural Sciences. 48 Mittels Rahmenschergerät durchgeführt von Vladislava Kostkanova, Czech Academy of Science, Institute of Theoretical and Applied Mechanics. 49 An der Universität für Bodenkultur Wien, Department für Bautechnik und Naturgefahren, Institut für angewandte Geologie.

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schungsverhältnis ist von Relevanz, weil es für historische Mörtel- und Werkstoffmischungen in den Tempelbauten und für rezente Bauaufgaben in Nako Anwendung gefunden hat und weiterhin noch findet. Dokumentation der örtlichen Lehmbautradition: Ergänzend zu den erwähnten materialwissenschaftlichen In-situ- und Laboruntersuchungen der einzelnen Rohstoffe wurden Herstellungs- und Verarbeitungstechniken der noch bestehenden Lehmbautradition in Nako dokumentiert. Im Ort und in den Nachbardörfern gibt es trotz der seit Ende des 20. Jahrhunderts zunehmend eingesetzten Zementbauweise50 noch Handwerker, die das über Generationen weitergegebene Lehmbauhandwerk verstehen und ausüben. Sie stellen neben den gebauten, materiellen Zeugnissen eine wichtige handwerklich-bautechnische Quelle für die überlieferte Lehmbauweise in Nako dar. Örtliche Handwerker wurden bezüglich Lehmbaustoffen und Mörtelrezepturen befragt und die Herstellung und Aufbereitung der Rohstoffe zu Baustoffen und deren Anwendung fotografisch dokumentiert. In-situ- und Laborbefunde sowie Hinweise zur Anwendung in der örtlichen Lehmbautradition werden in entsprechende Rohstoffdatenblätter eingearbeitet.

bisherige ergebnisse Aufschlüsse: Lehme als Rohstoffe für Baumaterialien sind immer regionaltypisch. Ihre Eigenschaften und Materialkennwerte sind von den Ausgangsgesteinen und den Entstehungsbedingungen abhängig. Die Materialcharakterisierung von Lehmrohstoffen einer bestimmten Region ist daher für deren Einsatz als Baumaterialien unerlässlich, aber gerade dadurch sind die Ergebnisse auch nur auf die untersuchte Region und den Ort beschränkt. Selbst innerhalb eines Ortes können Lehmvarietäten aus einem oder aus verschiedenen Rohstoff-Aufschlüssen sehr unterschiedlich sein, was auch für Nako gilt. Die drei in Nako traditionell verwendeten Lehmrohstoffe Thawa, Tua und Sassa werden an verschiedenen Stellen im Ortsgebiet abgebaut. Diesen drei Materialien sind die vorgestellten Untersuchungen gewidmet. Gefüge und Korngrößen: In der Bodenkunde bezeichnet der Begriff „Lehm“ ein Gemenge unterschiedlicher 50 Laut United States Geological Survey zählte Indien 2006 hinter China zum zweitgrößten Zementhersteller der Erde.

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Korngrößenfraktionen: Kies – sehr grobkörnige Aggregate, Sand – grob- bis mittelkörnige Fraktionen, Silt – feinkörnige Bestandteile, und Ton – feinstkörnige Anteile. Dabei gilt der Tonanteil, der zu einem guten Teil, aber nicht ausschließlich aus Tonmineralen besteht, in Baumaterialien als der eigentliche plastische Anteil mit Bindekraft, während die gröberen Fraktionen vor allem die Funktion haben, den Trockenschwund zu reduzieren und die Gefügefestigkeit zu gewährleisten. Die Anteile der einzelnen Korngrößenfraktionen im Lehm können innerhalb definierter Grenzen schwanken und bestimmen damit sehr wesentlich Gefüge und Eigenschaften der unterschiedlichen Lehme. Alle drei Lehmrohstoffe zeigen verschiedene Gefügestrukturen und Korngrößenverteilungen. Thawa ist ein unverfestigtes und grobkörniges Sediment. Es handelt sich um einen kiesigen Siltsand mit etwa 20  Kies-, 50  Sand-, 20  Silt- und zwischen 5 und 10  Tonanteilen. Tua hingegen ist kompakt und sehr feinkörnig. Die Korngrößenzusammensetzung entspricht einem gering sandführenden Tonsilt, der mit 70  zum überwiegenden Teil aus Silt und 25  aus Ton besteht. Sassa weist, je nach Entnahmestelle aus dem inhomogen aufgebauten Aufschluss, unterschiedliche Gefüge und Korngrößen auf. Das laut lokaler Fachmeinung für Bauaufgaben am besten geeignete Sassa-Material ist ein kompakter, toniger Siltsand, der aus ca. 10  Kies, jeweils ca. 35  Sand und Silt und ca. 20  Ton besteht.51 Gesamt- und Tonmineralogie: Bei Lehmen52 handelt es sich um unverfestigte Lockergesteine, die durch Verwitterung und bzw. oder durch unsortierte Ablagerung von Fest- und Lockergesteinen entstanden sind. Der Himalaja stellt als junges Gebirge ein enormes Liefergebiet für Verwitterungsschutt dar und wird deshalb auch als „Sedimentary Budget“ bezeichnet. Die mineralogisch wichtigsten Bestandteile sind die neben den detritären Anteilen von Quarz, Feldspat, Glimmer und allenfalls noch Karbonaten die Tonminerale. Ihnen kommt durch ihre Bindefähigkeit besondere Bedeutung zu, sie können je nach Schichtaufbau in Verbindung mit Wasser mehr oder weniger quellfähig sein,53 d.h. entsprechende plastische Eigenschaften aufzeigen. Gemeinsam mit den unplastischen Glimmern zählen Tonminerale zur Gruppe der Schichtsilikate. Thawa besteht zu über 30  aus Quarz, über 50  aus Feldspäten und nur zu ca. 10  aus Schichtsilikaten. Tua besitzt etwa 30  Quarz-, 6  Feldspat-, 30  Schichsilikat- und fast 40  Calcitanteile. Sassa weist ca. 35  Quarz, 10  Feldspäte, 35  51 Alle Angaben in Masseprozent. 52 „Lehm“ ist ein nicht eindeutig definierter Begriff, der in Wissenschaftsbereichen jeweils unterschiedlich abgegrenzt und verwendet wird. 53 Siehe: Weber, J., Materialkunde II. Keramik und Glas, unveröff unveröffentlichtes entlichtes Vorlesungsskriptum, Universität für angewandte Kunst Wien 2004.

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Schichtsilikate sowie je 10  Calcit und Dolomit auf.54 Während sich Thawa und Tua aus wenig quellfähigen Tonmineralen, hauptsächlich aus Illit/Hellglimmer, sowie Chlorit und Kaolinit zusammensetzen, besteht Sassa vorwiegend aus quellfähigen Tonmineralen der Smectit-Gruppe und nur zu geringen Teilen aus Chlorit und Kaolinit. Salze und Ausgleichsfeuchte: Als Rohstoffe enthalten Thawa und Tua keine nennenswerten Gehalte an löslichen Salzen. Sassa wurde nicht auf Salzgehalte hin analysiert. Die Feuchtegehalte unter Laborbedingungen betragen bei Thawa und Tua 1 Masse-. Nichtmineralische Bestandteile: Die Glühverluste, die aus dem Gehalt an organischen Substanzen,55 den an Tonmineralen gebundenen Hydroxid-Gruppen und den Kohlenstoffdioxidgehalten der Karbonate resultieren, betragen für Thawa 4 Masse- und für die karbonatreichere Tua 20 Masse-. Tua weist einen Gesamtkohlenstoffgehalt (C) von über 4 und Sassa von über 2 Masse- auf. Der Kohlenstoff liegt fast zur Gänze anorganisch in Form von Calcit und Dolomit vor, wie die Ergebnisse der Karbonatbestimmung nach Scheibler zeigten. Der organische Kohlenstoffanteil ist äußerst gering. Thawa ist überhaupt frei von Kohlenstoff. Pflanzliche Faserstoffe spielen in den drei Rohstoffen ebenfalls keine Rolle. Bodenmechanische Kennwerte: Der Plastizitätsindex definiert den plastischen Bereich zwischen den beiden Atterberg’schen Konsistenzgrenzen, der Ausrollgrenze, ab der Böden und Lehme nicht mehr plastisch verformbar, und der Fließgrenze, oberhalb der Böden und Lehme „fließend“ sind. An den Konsistenzgrenzen treten jeweils unterschiedliche Grenzwassergehalte auf, die zur Ermittlung des Plastizitätsindex herangezogen werden. Aufgrund der erwähnten Zusammensetzung aus nicht quellfähigen Tonmineralen ergeben sich für Thawa und Tua relativ niedrige Plastizitätsindizes, die für Thawa 7 , für Tua 12  und für Tua:Thawa = 1:4 mit 7,2  nur geringfügig mehr als die der reinen Thawa betragen. Sassa weist mit 33 eine deutlich höhere Plastizitätszahl auf,56 was in diesem Fall durch den hohen Anteil quellfähiger Tonminerale erklärbar ist. Die Scherfestigkeit ist ein weiterer bodenmechanischer Kennwert, der die mechani-

54 Alle Angaben in Masseprozent. 55 Houben, H., und Guillaud, H., Earth Construction. A Comprehensive Guide, Marseille 1989, S. 20 f. 56 Alle Angaben in Masseprozent.

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schen Eigenschaften von Böden charakterisiert und nach dem Mohr/Coulomb’schen57 Bruchkriterium durch die Parameter Kohäsion und effektiven Reibungswinkel beurteilt wird. Thawa weist mit 36° den höchsten Wert für den effektiven Reibungswinkel unter den drei Rohstoffen auf, Tua 34° und Sassa 27°, die Mischung Tua:Thawa = 1:4 liegt in etwa bei dem Wert der Thawa. Die relativ hohe Scherfestigkeit von Thawa lässt sich auf das grobe Gefüge und die kantigen Kornformen des Lehmrohstoffs zurückführen, und auch durch Zumischen von Tua wird diese Eigenschaft nicht gemindert. Dichte: Korndichtewerte liegen für Thawa, Tua und Sassa etwa bei 2,7 g/cm3, wobei in diesem Rahmen Tua den höchsten und Thawa den niedrigsten Wert aufzeigen.

zusammenfassung und diskussion Thawa, Tua, Sassa: Thawa, in der Bhoti-Sprache gleichbedeutend mit „Erde“, ist ein fast überall in Nako verfügbarer, einfach gewinnbarer, grobkörniger, tonarmer, siliziklastischer „Sand“ mit niedriger Plastizitätszahl, aber relativ hoher effektiver Scherfestigkeit und wird als universal einsetzbarer Zuschlagstoff für die Baustoffaufbereitung, vor allem für Putzmörtel, verwendet. Tua ist eine örtliche Lehmvarietät, die nur an einer Stelle gewonnen wird und über einige Kilometer auf der Straße nach Nako transportiert werden muss. Tua ist wesentlich tonreicher als Thawa und vor allem calcitreich und weist einen eher geringen Plastizitätsindex auf, der aber doch höher als der von Thawa ist. Die Scherfestigkeit ist etwas geringer als die der Thawa. Tua wird hauptsächlich als bindiger Anteil zu Mörtelmischungen gegeben. Die Volumsverhältnisse Tua:Thawa variieren von 1:4 bis 1:6, je nach Verwendungszweck des Mörtels und Qualität der Thawa, die innerhalb einer geringen Schwankungsbreite von deren Abbauort abhängt.58 Bei fachgerechter Anwendung der Mörtelmischungen, was v.a. ein Nachbessern und Verdichten der Putzoberflächen bedeutet, ist die Schrumpfung relativ gering und die Oberflächenresistenz vergleichsweise hoch. Hier macht sich vermutlich auch der Calcitanteil bemerkbar, der sich stabilisierend auf die Verwendung in Baustoffen auswirkt.59 57 Christian Otto Mohr, deutscher Ingenieur und Baustatiker (1835–1918); Charles Augustin de Coulomb, französischer Physiker (1736–1806). 58 Thawa wird an mehreren Stellen in Nako gewonnen. 59 Houben, H., und Guillaud, H., Earth Construction. A Comprehensive Guide, Marseille 1989, S. 108f.

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Sassa ist eine weitere Lehmvarietät, die aufgrund der inhomogenen Zusammensetzung unterschiedliche Materialeigenschaften aufweisen kann. Sassa ist schwierig abzubauen und nur zu Fuß in den Ort zu bringen. Die als Baustoff verwendete Sassa ist eher grobkörnig und „fett“, also tonreich und durch die quellfähigen Tonminerale relativ plastisch, die Scherfestigkeit ist eher niedrig. Sassa wird nur für besondere Anwendungsbereiche aufbereitet, zur Dachabdeckung und für „wasserabweisende“ Schutzanstriche im Küchenbereich. Lehm als historischer Baustoff und Bildträger: Für den Bau der Klostertempel wurden verfügbare Lehmrohstoffe zu ungebrannten Lehmziegeln bzw. Adobe, zu Fugen- und Putzmörtel, plastischen Werkstoffen, Schlämmen und zur Dachabdichtung entsprechend aufbereitet und handwerklich weiterverarbeitet. Die primären Baustrukturen der Tempel bestehen aus ca. 80 cm dicken Mauern, die aus horizontal verfugten Lehmziegeln errichtet und außen und innen mit Lehmmörtel verputzt wurden. Das zweischichtige Innenputzsystem, das aus einem mit Strohfasern armierten groben Unterputz und einem, meist auch mit Strohfasern versehenen feineren Oberputz besteht, erfüllt die Funktion des Bildträgers für die Wandmalereiausstattung in allen Tempeln. Auch an den figuralen Plastiken dient Lehm als Fassungsträger und auch unter der Deckenmalerei findet sich eine Lehmschlämme als Bildträger auf den Holzdeckenelementen. Steinfundamente isolieren die Lehmbaukörper gegen Bodenfeuchtigkeit, Stein findet sich außerdem als Material für Reparaturen. Auch mit Lehm wurden zahlreiche Reparaturen und Renovierungsarbeiten ausgeführt, erneuerte Außenputze, sekundäre Bildträger für spätere Malereiausstattungen, Überformungen an den figuralen Plastiken, partielle Reparaturputze und Ausbesserungen. Holz wurde für Stützen, die Deckenkonstruktion, damit verbundene Ringverschließungen in den Mauern, die der Erdbebensicherheit dienen, und als Unterkonstruktion in den Lehmplastiken eingesetzt. Durch den einheitlichen Lehmaufbau der Tempelmauern ergeben sich materialtechnisch homogene Baukuben, die, sofern Schutz vor direktem Wasserkontakt und Erdbeben sichergestellt ist, ideal an die klimatischen Bedingungen in Nako angepasst sind und dadurch lange Zeit überdauern können. An den Tempelbauten in Nako hat Lehm seine Funktion als Baustoff und Bildträger trotz Natur- und Erdbebenkatastrophen und ständiger Instandhaltung und damit verbundener Materialschäden über 800 Jahre lang zum größeren Teil erfüllt. Lehm als zukunftsfähiges Baumaterial: Dass Lehm ein einfaches, aber effizientes, nachhaltiges und vor allem langlebiges Baumaterial sein kann, zeigt sich an den Tempelbauten und in der Dorfarchitektur Nakos

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deutlich. Ausschlaggebend für die Baustoffeigenschaften sind nicht nur die Qualität der Rohstoffe, sondern, sehr wesentlich deren fachgerechte Aufbereitung, das Wissen und Können um die Weiterverarbeitung zu unterschiedlichen Baustoffen und die professionelle handwerkliche Anwendung. Die Tempel in Nako verweisen auf eine hochstehende Lehmbautradition und das damit einhergehende Know-how. Im gegenwärtigen Nako ist das Baumaterial Lehm allerdings zunehmend mit Imageproblemen konfrontiert. Lehm ist der „traditionelle“ als althergebracht verstandene Baustoff, gilt aber gegenüber Zementbaustoffen als unmodern, nicht fortschrittlich bzw. entwicklungsfähig. Für moderne Bauaufgaben, Renovierungen, Aufstockungen, Neubauten von Wohnhäusern, Hotels und Geschäften werden daher meistens Zementbaustoffe anstelle von Lehm eingesetzt. Zement wird, abgesehen von seinem Image als moderner Baustoff, vor allem aufgrund seiner Wasserresistenz und hohen Festigkeiten bevorzugt, was irrtümlich mit Dauerhaftigkeit gleichgesetzt wird, und weil Zementbauten weniger laufender Instandhaltungsarbeiten als Lehmgebäude bedürfen. Übersehen wird, dass die örtliche Lehmbautradition, richtig verstanden als Weitergabe von Wissen und Know-how, genügend Entwicklungspotenziale hat, um Lehmbaustoffe auch für moderne Bauaufgaben einsetzen zu können. Dafür wäre es wichtig, Lehmfachleute in Nako zu unterstützen und mit ihnen Bauaufgaben durchzuführen.60 Inwieweit die bestehende Lehmbautradition auch für modernes Bauen, das die veränderten Bedürfnisse der Dorfgemeinde vor allem angesichts des wachsenden Tourismus verdeutlicht, weiterentwickelt werden kann, wird eine wichtige Aufgabe in Zukunft für Nako darstellen.61 In jedem Fall sind eine lebendige Lehmbautradition, die Weitergabe von Wissen um Lehmrohstoffe und des erforderlichen handwerklichen Könnens, für deren Verwendung als Baumaterial wesentliche Grundlage für die langfristige Erhaltung der überlieferten Lehmarchitektur in Nako. Hier kurz diskutierte Themen „Lehmbaumaterialien und -techniken“, „Lehm für modernes Bauen“ genauso wie „Survey und Maintenance von historischen Lehmbauten“ waren Inhalte eines „Building Maintenance Workshop“, der im Sommer 2009 für die Mönchs- und Dorfgemeinde zur Bewusstseinsbildung und Imagepflege des Baumaterials Lehm im Dorfkontext abgehalten wurde.62 Die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Lehmbautradition zur Erhaltung der authentischen Dorfarchitektur und der

60 Wie es auch innerhalb des Nako-Projekts praktiziert wird, z.B. Sommerkampagne 2009, siehe: Neumayer, H., Tempelanlage Nako, Nordindien, unveröffentlichter Bericht, Wien 2009, S. 84–90. 61 Vergleiche dazu das wesentlich breiter angelegte Fallbeispiel in Ladakh: Rieger-Jandl, A., Living Culture in the Himalayas. Anthropological Guidelines for Building in Developing Countries, Wien 2005. 62 Gruber, M., Nako, an “Exceptional” Village – On the Cooperation with the Nako Village and Lama Community, in: Krist, G. (Hg.), India 2009, unveröffentlichter Bericht, Universität für angewandte Kunst Wien 2009, S. 37–47.

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bedeutenden Tempelbauten macht auch einen Teil der tibetischen Kultur des Dorfes und seiner BewohnerInnen aus,63 mit der Lehm als materieller Kulturträger verbunden ist.

conclusio Die Untersuchung der Lehmrohstoffe in Nako sind Beitrag zur Grundlagenforschung im Sinne der Rohstoffcharakterisierung in der Region, definiert durch einige wesentliche Materialkennwerte, die durchaus als Basis für weitere, darauf aufbauende Untersuchungen zu verstehen sind. Durch die Auseinandersetzung mit den Lehmrohstoffen als Bestandteil der örtlichen Lehmbautradition, nämlich als effizientes Baumaterial der Vergangenheit, genauso wie für Gegenwart und Zukunft, soll eine praktikable Anwendbarkeit der Untersuchungsergebnisse gegeben werden. Vorliegende Arbeit versucht, das Wissen um Lehm und die Lehmbautradition, die sich in den gebauten Zeugnissen in Nako manifestiert, genauso wie in den Fachleuten, die ihr Können nach wie vor praktisch anwenden, zu dokumentieren. Es geht letztlich um „Learning from things“64, um das „Lernen von Dingen“, das der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, und auch dem Thema selbst, der Tradition der Lehmbauweise in Nako, zugrunde liegt.

danksagung Das Dissertationsvorhaben wird durch das vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderte Forschungsprojekt „Comprehensive Scientific Study of the Support and Painting Materials Used at Nako Temple Complex, Himachal Pradesh, India, to Preserve its Unique Artistic Decoration“ (kurz: „Scientific Study of the Artwork at Nako, India“, Projekt-Nr. L335-N19) unter Leitung von Gabriela Krist am Conservation Department der Universität für angewandte Kunst Wien ermöglicht. Herzlicher Dank gilt den BetreuerInnen der Dissertation, Gabriela Krist und Johannes Weber, Universität für angewandte Kunst Wien, für fachliche Unterstützung und persönliches Engagement. Großer Dank geht an Tatjana Bayerova, Universität für angewandte Kunst Wien, sowie M. V. Nair und U. S. Lal, National Research Laboratory for 63 Erwähnt sei in dem Zusammenhang das von S. H. dem Dalai-Lama geforderte Recht der TibeterInnen auf Kultur, siehe: Gyatso, T., Zeiten des Friedens, Freiburg im Breisgau 1998, S. 135. 64 An dieser Stelle sei auf den Diskurs über Material Culture weiterverwiesen, siehe: Lubar, S. und Kingery, W. D., History from Things. Essays on Material Culture, Washington/London 1993. Hahn, H. P., Materielle Kultur. Eine Einführung, Berlin 2005. Naumann, B. (Hg.), Stoffe. Zur Geschichte der Materialität in Künsten und Wissenschaften, Zürich 2006.

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the Conservation of Cultural Property Lucknow, Ingeborg Wimmer-Frey, Julia Rabeder und Lilijana Barbir, Geologische Bundesanstalt, genauso wie an Milos Drdacky, Zuzana Slizkova, Vladislava Kostkanova und Dita Frankeova, Tschechische Akademie der Wissenschaften, und Franz Ottner und Karin Wriessnig, Universität für Bodenkultur Wien. Danke auch an Manuel Prohaska, Montanuniversität Leoben, und Renata Adamcova, Comenius-Universität Bratislava. Martina Griesser-Stermscheg, Manfred Trummer, Helmut Neumayer, Marija Milcin und Kathrin Schmidt, Universität für angewandte Kunst Wien, sei für ihre Kollegialität gedankt genauso wie StudentInnen und AbsolventInnen und der Dorf- und Mönchgemeinde in Nako, allen voran Tenzin, Tashi, Manish Minj, und Lama Nima, Lama Lungdok Tenzin unter Somang Rinpoche für Gastfreundschaft und Zusammenarbeit. Abstract The Tibetan mountain village of Nako in the Indian Western Himalayas houses a Buddhist monastery temple complex dating back to 11th to 12th centuries, that reflects significant Tibetan artistic and cultural history as well as earthen building traditions still alive in the village. Within the “Nako Project” evolving from the “Nako Research and Preservation Project” (NRPP) dedicated to save the endangered temple buildings, the “Scientific Study of the Artwork at Nako, India” funded by the Austrian Science Fund (FWF) at the Conservation Department of the University of Applied Arts Vienna among others addresses local soils traditionally in use for local building practice. Scientific investigations of the soils serve for material characterisations, understanding the historic earthen building materials and supports of the temples, and further the application for nowadays building activities and long-term preservation tasks. Knowledge of locally available soils as well as keeping and developing earthen building traditions are the basis for preserving the Buddhist temple buildings and the village architecture, part of Tibetan culture, at long sight.

literatur Bacher, E. (Hg.), Nako-Kampagne 2004, unveröffentlichter Bericht, Universität für angewandte Kunst Wien 2004. Bacher, E., India Report 1: The Nako Monuments, in: ICOMOS (Hg.), Heritage at Risk, ICOMOS World Report 2001/2002 on Monuments and Sites in Danger, Paris 2001, S. 108–109. Ban, M., Klucel EF zur Modifizierung von Lehmmörteln. Untersuchung und Vergleich der Materialkennwerte von modifizierten und unmodifizierten Lehmmörteln für die Anwendung im

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Tempelkomplex Nako, Nordindien, Vordiplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2008, unveröffentlicht. Bogin, S., A technical study of the early Buddhist wall paintings at Nako, Himachal Pradesh, India, Master Thesis, Diplomarbeit, Courtauld Institute of Art London 2004. Chandra, L. (Hg.), Tucci, G., Rin-Chen-Bzan-Po and the Renaissance of Buddhism in Tibet around the Millenium (Indo-Tibetica II), New Delhi 1988. Government of India, Foreigners (Protected Areas) Order, Order. New Delhi 1958, G.S.R. 713. Gruber, M., Traditionen erhalten. Lehmputz als Fassungsträger im Tempelkomplex Nako, Himachal Pradesh, Indien. Konservierungswissenschaftliche Voruntersuchungen zur Erhaltung traditioneller Lehmputzstrukturen im Westhimalaja, Universität für angewandte Kunst Wien, Diplomarbeit 2007. Gyatso, T., Zeiten des Friedens, Freiburg im Breisgau 1998. Hahn, H. P., Materielle Kultur. Eine Einführung, Berlin 2005. Houben, H., und Guillaud, H., Earth Construction. A Comprehensive Guide, Marseille 1989. Khosla, R., Nako Research and Preservation Project. Phases I–V, unveröffentlichte Berichte, New Delhi 2002–2004. Klimburg-Salter, D., Nako. The Rebirth of the Temple Complex, Wien 2007. Klimburg-Salter, D., The Nako Preservation Project, in: Orientations 34 5/2003, S. 39–45. Kohler, K., Die Holzdeckenmalerei im buddhistischen Tempelkomplex in Nako, Himachal Pradesh, Indien – Untersuchungen zur Maltechnik und Konservierung, Universität für angewandte Kunst Wien, Diplomarbeit 2006. Krist, G. (Hg.), Nako-Kampagnen 2005–2008, unveröffentlichte Berichte, Universität für angewandte Kunst Wien 2005–2008. Krist, G. (Hg.), India 2009, unveröffentlichter Bericht, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. Lubar, S.und Kingery, W. D., History from Things. Essays on Material Culture, WashingtonLondon 1993. Luczanits, C., Buddhist Sculpture in Clay. Early Western Himalayan Art, late 10th to early 13th centuries, Chicago 2004. Luczanits, C., The 12th Century Buddhist Monuments of Nako, in: Orientations 34 5/2003, S. 46–53. Naumann, B. (Hg.), Stoffe. Zur Geschichte der Materialität in Künsten und Wissenschaften, Zürich 2006. Neumayer, H., Tempelanlage Nako, Nordindien, unveröffentlichter Bericht, Wien 2009. Perwög, M., Die figurale Innenausstattung des tibetisch-buddhistischen Tempelkomplexes Nako, Himachal Pradesh, Indien – lhakhang Gongma, Vordiplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009, unveröffentlicht. Petech, L, Western Tibet: Historical Introduction, in: Klimburg-Salter, D. E. (Hg.), Tabo, a Lamp for the Kingdom. Early Indo-Tibetan Buddhist Art in the Western Himalaya, New York 1998, S. 243–246. Pöllnitz, G., Die figurale Innenausstattung des tibetisch-buddhistischen Tempelkomplexes Nako,

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Himachal Pradesh, Indien – Lotsawa lhakhang, Vordiplom, unveröffentlichte Vordiplomarbeit, Universität für angewandte Kunst Wien 2009. Rieger-Jandl, A., Living Culture in the Himalayas. Anthropological Guidelines for Building in Developing Countries, Wien 2005. Sharma, R. K., Gupta, H. O. und Kanotra, Y. K., Evaluation of Physical Characteristics of ‘Mercula’ Admixed Clay for Sealing of Cracks in Mud Plaster of Monasteries, Ladakh Region, in: ICCROM (Hg.), Methods of Evaluating Products for the Conservation of Porous Building Materials in Monuments. International Colloquium, Rom 1995, S. 41–48. Sikka, S., Conservation of earth structures in the Western Himalayas, Diplomarbeit, Bournemouth University 2002. Tucker, M. E., Einführung in die Sedimentpetrologie, Stuttgart 1985. Weber, J., Materialkunde II. Keramik und Glas, unveröffentlichtes Vorlesungsskriptum, Universität für angewandte Kunst Wien 2004. Wylie, T., A Standard System of Tibetan Transcription, in: Harvard Journal of Asiatic Studies 22/1959, S. 261–267. http://athene.geo.univie.ac.at/project/nako/ http://earth.google.de

stefanie jahn

Textilimitationen an spätmittelalterlichen Tafelbildern und polychromen Skulpturen in Österreich. Vorlagen, Technologie und Katalog1

zusammenfassung Üppig gemusterte italienische Goldstoffe und Samte waren im Mittelalter nördlich der Alpen überall anzutreffen. Exotische Waren und Seidenstoffe wurden im gesamten Mittelmeerraum gehandelt. Von dort wurden sie über Land und auf Seewegen auch in den Norden nach Österreich, Deutschland, Frankreich, England, ins niederländische Burgund, bis in die skandinavischen Länder exportiert. Die modischen Vorbilder inspirierten die bildenden Künste, so sollten edelste Stoffe auf Gemälden und Skulpturen imitiert werden. Der Wunsch nach einer exakten Darstellung förderte die Entwicklung diffiziler Maltechniken wie auch die handwerkliche Virtuosität des Künstlers. Da die Gewebemuster gleichermaßen auf Gemälden in Italien wie auch nördlich der Alpen auftauchen, zeigt sich, wie wichtig eine Europa-umfassende Sammlung vorhandener Muster auf Bildwerken des Spätmittelalters sein kann, um die Datierung und Zuordnung der Kunstwerke neu zu beleuchten. Hiermit wird erstmals ein österreichischer Katalog begonnen, der Muster auf spätmittelalterlichen Tafelbildern und Fassmalereien nach unterschiedlichen Fertigungstechniken und nach Formentypen selektiert sowie textile Mustervorlagen und deren Beschreibung in Inventaren einzubinden versucht.

Von der Spätantike bis zur Renaissance betonten Herrscher, Hofangehörige, Kirchenführer wie auch die bürgerliche Oberschicht durch den Besitz spektakulärer Textilien von hoher Qualität ihre Stellung in der hierarchisch strukturierten Gesellschaft über ein Jahrtausend lang.2 Seidenstoffe mit glamourösen Mustern verbanden die Kulturkreise des Ostens und des Westens mehr als irgendeine andere Kunstform dieser Zeit.3 Das 1 2 3

Laufende Dissertation der Autorin, betreut von Univ.-Prof. Dr. G. Krist und HR Doz. Dr. M. Koller. Buddeberg, M., Februar 2009, Rezension über die 2008 erschienene Forschungsarbeit von Lisa Monnas: Merchants, Princes and Painters – Silk Fabrics in Italian and Northern Paintings, 1300–1550. Muster aus fremden Welten werden auch in anderen Bereichen der bildenden Kunst, z.B. im Architekturdesign, reflektiert sowie auf Kunstobjekten aus Metall-, Holz- und Elfenbein, in der Buchmalerei, vor allem aber auf Gemälden wiedergegeben.

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Musterdesign aus allen Welten verbreitete sich von China bis nach Vorderasien, vom islamischen Morgenland in den christlichen Okzident, von Persien und Syrien nach Byzanz, vom spätantiken Ostrom nach Persien, und erneut von China in die islamischen Regionen – vom Iran bis Andalusien – und alle Einflüsse mündeten in Italien, wo sich im späten Mittelalter ein ganz eigener, neuer Ornamentstil entwickelte. Die bedeutende Blütezeit der italienischen Seidenweberei im Mittelalter und in der Renaissance spiegelt sich in Darstellungen zeitgenössischer Malerei Italiens und auch nördlich der Alpen.4 Der Realismus in der Kunst der Spätgotik folgte einem Trend der Zeit, den man in den unterschiedlichsten Lebensbereichen der Gesellschaft nachvollziehen kann. Man löste sich von der hochmittelalterlichen Spiritualität sowie vom Ideal des Hofes und wandte sich der bürgerlichen Wirklichkeit zu. In der Tafel- und Fassmalerei entfaltete der Realismus eine wahre Blütezeit. Die Malerei zeigte zwar weiterhin christliche Glaubensinhalte, deren formale Gestalt aber ermöglichte detailreiche Einblicke in das alltägliche Leben, es spiegelte den Menschen in seiner Welt.5 Die stilbildenden Vorreiter der Gotik in der europäischen Malerei waren Italien und die Niederlande. Die Kunstlandschaft der österreichischen Territorien unterschied sich im Mittelalter von der heutigen Republik Österrreich (Abb. 1). Das Mühlviertel gehörte damals zu Bayern. Das Erzbistum Salzburg bestand als Ständestaat im Bayerischen Reichskreis und ist erst 1816 zu Österreich gekommen. Im 15. Jahrhundert waren Wien, Niederösterreich und Ungarn wirtschaftlich und künstlerisch enger miteinander verbunden, während sich Tirol nach Italien im Süden und nach Bayern im Norden orientierte. Südtirol und das damalige Vorderösterreich (die Österreichischen Vorlande westlich von Tirol und Bayern) gehören heute nicht mehr zur Republik. Die Übergänge zu Böhmen und Mähren waren fließender. So berücksichtigt diese Betrachtung der mittelalterlichen Tafelbilder und polychromen Skulpturen unter anderem Werke wie den Znaimer Altar sowie das Œuvre des Südtiroler Malers Michael Pacher, aber auch Werke italienischer und niederländischer Künstler, die im 16. Jahrhundert für den Wiener, Grazer und Innsbrucker Hof entstanden sind.6 Die Künstler aus Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten, der Steiermark, Wien und Niederösterreich entwickelten jeweils ihren eigenen, regional geprägten Stil. Es gab keine schulbildenden Meister der österreichischen Territorien.7 4 5 6

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Monnas, L., Merchants, Princes and Painters – Silk Fabrics in Italian and Northern Paintings, 1300–1550, New Haven und London, 2008. Madersbacher, L. , Malerei und Bild 1430 bis 1520, in: Artur Rosenauer (Hg.), Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, Bd. III Spätmittelalter und Renaissance, Wien 2003, S. 394. Rosenauer, A., Spätgotik und Renaissance, Territorien-Offenheit der Grenzen, in: Artur Rosenauer (Hg.), Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, Bd. III, Spätmittelalter und Renaissance, Wien 2003, S. 15–38. Simon, A., Simon, A., Österreichische Tafelmalerei der Spätgotik. Der niederländsche Einfluss im 15. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 395.

Textilimitationen an spätmittelalterlichen Tafelbildern

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Die Lebendigkeit der Malerei wurde durch die Ausarbeitung kleinster Einzelheiten und spontaner wie auch expressiver Darstellungen erhöht. Die täuschende Wiedergabe der Realität konnte durch Imitation von Tiefenraum und Plastizität von materieller Oberflächen- und Detailbeschaffenheit sowie auch mit erzählender Darstellung, frei von abstrakten und konstruktiven Vorgaben, erreicht werden.8 Edelste Stoffe von Gewändern und Vorhängen sollten so realistisch wie möglich auf Gemälden und Skulpturen imitiert werden (Abb. 2). Die meisterhaften Fertigkeiten und umfangreichen Techniken wurden über 100 Jahre auf Tafelbildern und polychromen Skulpturen angewendet, bis sie zum Ausklang des 16. Jahrhunderts langsam außer Gebrauch kamen. Bei der Anfertigung eines Flügelaltares war es im Spätmittelalter üblich, bereits im Vertrag genaue Vorgaben über Material und Techniken festzulegen, aber auch welche Details die Darstellung beinhalten sollte. Der Meister übernahm für die vereinbarte Qualität von Tafelbildern und Fassmalereien und damit auch für die Mitwirkung diverser Hilfskräfte seiner Werkstatt die Generalverantwortung gegenüber dem Auftraggeber.9 Die meisterliche Beherrschung des Handwerkzeugs und die ganz persönliche Note des Künstlers wurden dabei jedoch als rein technische Befähigung eines Meisters angesehen, der die Wünsche des Auftraggebers mit dem erforderlichen Ausdrucksvermögen erfüllen konnte. Der Wunsch nach einer exakten Darstellung in der Kunst förderte die Entwicklung der Maltechnik wie auch die handwerkliche Virtuosität des Künstlers. Im 12. und 13. Jahrhundert wurden in die Oberflächen von Holzskulpturen feine Strukturen eingeritzt und geschnitten, um Unterschiede der dargestellten Kleidungsstücke und Materialien hervorzuheben. Im 14. und 15. Jahrhundert wurden bereits über 22 spezielle Verzierungstechniken angewendet (Tabelle 1). Dreidimensional plastisch gestaltete Grundiermassen lagen neben in die Grundierung eingravierten Linien. Muster in Form von gegossenen Massen und geprägten Zinnfolien wurden auf die Bildträger aufgeklebt. Metall- und Goldblatt wurden angelegt, poliert, mattiert, mit Punzierungen und mit farbigen Lüstern versehen. Matte Farben wurden neben hoch glänzendes Metall gestellt. Das Oberflächenlicht grobkristalliner Pigmente kontrastierte mit dem Tiefenlicht von Lasuren. Im Folgenden werden die Textilimitationstechniken auf Tafelbildern und polychromen Skulpturen in einer Kurzfassung erläutert:10

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Erste Anregungen einer realistischen und minuziösen Darstellungsweise des täglichen Lebens gingen von der Buchmalerei aus. Siehe hierzu: Meiss, M., French painting in the time of Jean de Berry., New York 1967, und Troescher, G., Burgundische Malerei. Maler und Malwerke um 1400 in Burgund, Berlin 1966. 9 Crab, J., Het Brabants Beeldsnijcentrum Leuven, Leuven 1977, S.321, siehe auch Simon, A. Simon, A., Österreichische Tafelmalerei der Spätgotik. Der niederländsche Einfluss im 15. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 127. 10 Die umfassende Ausführung der Techniken wird in der geplanten Dissertation zum Thema erscheinen.

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Stefanie Jahn

Schnitzmuster sind in den Holzbildträger hineingeschnittene Imitationen von textilen Oberflächen, Haaren u.a. Diese werden grundiert und gefasst. Materialapplikationen auf Holz, Materialimitationen sind auf den Holzbildträger geklebte dreidimensionale Materialien, wie z.B. Glas, Steine, Schnüre u.a., die textile Oberflächen, Edelsteine, Adern u.a. imitieren sollen. Diese werden grundiert und gefasst. Gravierung, Tremolierung, Scharrierung sind Techniken, mit denen Muster in die mehrschichtige Kreide-Leim-Grundierung hineingeschnitten werden, um textile Oberflächen zu imitieren. Diese werden anschließend vergoldet und teilweise gelüstert. Zum Gravieren werden Messer und Stechwerkzeuge verwendet, um Linien zu schneiden. Zum Tremolieren werden Flach- und Hohleisen mit leichtem Druck auf der Grundierung hin- und herbewegt „gewuggelt“, um ein Zickzackmuster hineinzudrücken. Zum Scharrieren werden dünne parallele Riefelungen in den Kreidegrund geschnitten, um eine Goldfadenstruktur (wie bei Brokaten) anzulegen. Das geriefelte Muster wird vergoldet und mit einer rotbraunen Lasur abschattiert (Schattierung) und partiell bemalt. Die Technik der Scharrierung kommt aus der Steinbearbeitung. Struktur-Abdrücke sind Gewebe, die in die frisch aufgetragene Grundierung gedrückt werden, um eine textile Struktur nachzuahmen. Pastiglia ist eine Technik, bei der auf die getrocknete und geglättete Grundierung frischer Kreidegrund aufgetropft oder mit dem Pinsel pastos aufgetragen wird, um plastische Verzierungen, wie z.B. Gewandsäume, auf Textilien angenähte Perlen oder Edelsteine in Kronen und Schmuckstücken, Haare u.a., zu imitieren. Pressbrokat, Prägemassen, Papierpressbrokat sind Flachreliefe, die in Modeln mit Mustern gedrückt werden, vergoldet, teilweise gelüstert und dann auf die Grundierung appliziert werden. Sie imitieren die textilen Oberflächen von Brokaten. Pressbrokat besteht aus einer Zinnfolie, die mit einem Muster geprägt wird und rückseitig mit einer Prägemasse verstärkt wird. Prägemassen können auch ohne Zinnfolie direkt ins Model gepresst und auf die Grundierung von Skulpturen und Tafelbildern appliziert werden. Bei Papierbressbrokat wird in Öl getränktes Papier in die Zinnfolie im Model gedrückt und mit Prägemasse verstärkt. Edelsteinimitationen, Materialimitationen sind Fremdmaterialien, die auf oder in die Grundierung (anstatt auf den Holzbildträger, siehe Nr. 2.) appliziert werden. Edelsteinimitationen bestehen aus Glassteinen, Perlen, gedrechselten Holzkügelchen u. ä., die in der noch weichen Grundierung eingefasst werden und echte Edelsteine sowie kostbare Materialien an Gewändern oder Schmuck nachahmen. Für die Abbildung unterschiedlicher plastischer Materialien können auch Leder, Haare, Textilien, Papier u. Ä. auf die Grundierung angebracht werden.

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Punzierung ist eine Technik, bei der ein Metallstift (Punze) bzw. ein Metallstempel mit einem Motiv (z.B. Kreis, Lilie, Blatt, Winkel, Stern, Kreuz) oder ein Punzierrad in die frisch polierte Vergoldung/Versilberung eingedrückt wird. Oft werden mehrere Punzen nebeneinander angebracht, die eine gemusterte Fläche ergeben. Die tief liegende Punze soll die Illusion erwecken, es handle sich um massives Gold. Trassierung bezeichnet eine Technik, bei der mit einem Silberstift oder abgerundetem Metallgriffel parallele Linien oder Riefen in die frisch polierte Vergoldung/Versilberung eingedrückt werden. Die Riefelung soll eine textile Struktur andeuten. Kreispolitur bezeichnet eine Ansammlung kreisförmiger Abdrücke in der frisch polierten Vergoldung/Versilberung. Schablonierung in Farbe auf Metall dient zur Übertragung eines Musters mit Farbe mittels Schablone aus Pergament oder Karton auf eine Vergoldung/Versilberung. Mit der Schablone können auch mehrere formgleiche Muster zu einem Rapport aneinandergereiht werden. Die Technik der Schablonierung wurde zunächst in der italienischen Wandmalerei des 14. Jahrhunderts praktiziert. Im 15. und 16. Jahrhundert war es eine der am häufigsten angewandten Technik auf Tafelgemälden und polychromen Skulpturen. Freihandmalerei in Farbe auf Metall bedeutet, dass Muster in Farbe unmittelbar mit dem Pinsel auf die Vergoldung/Versilberung aufgemalt werden. Hierbei werden keine Hilfsmittel wie Pausen und Schablonen benutzt (Abb. 1). Lüsterung/Lustrierung ist eine Fassungstechnik, bei der ein transparenter Farblack auf Blattgold/Blattsilber aufgetragen wird. Der metallene Glanz verstärkt sich durch den Lack. Verlackte organische Farbstoffe werden hierfür in Öl (gelegentlich auch mit Harzanteilen) angerieben (z.B. Drachenblut, Krapplack, Brasilholz, Kupferresinat, Grünspan). Die Lüstertechnik dient auch zur Goldimitation, bei der Goldlacke über Zinn oder Blattsilber gestrichen werden (Zwischengold). Schwarzlotmalerei bezeichnet eine Technik, bei der schwarzbraune Pigmente auf Vergoldungen/Versilberungen sowohl deckend als auch lasierend in Linien aufgetragen werden. Auch flächenfüllende Schichten können aufgemalt werden, aus denen Formen und Muster herausgeschabt werden. Meistens werden Waffen, Rüstungen, Kronen, Reichsinsignien, Schmuck und Nimben mit dieser Technik verziert. Der Begriff stammt aus der Glasmalerei. Hier werden mit Schwarzlot (Blei, Metalloxyd), Glaspulver und Bindemittel (Gummiarabikum) Zeichnungen in die einzelnen Glasteile eingebrannt Schattierung, Abschattierung bezeichnet eine Modellierung von Schatten auf Vergoldungen/Versilberungen mit transparenter dunkelbrauner Farbe, z.B. auf Gewändern, Rüstungen u.a. Im Gegensatz zur deckenden Schwarzlotmalerei wird die Schattierung lasierend aufgebracht. Bei der realistischen Darstellung von Brokaten kann die Technik der Scharrierung (s. Nr. 3) mit der Schattierung ergänzt werden, indem in die Tiefen der Riefelung braun lasierend abschattiert wird.

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Musierung, Florierung bezeichnet eine Technik, mit der eine matt wirkende Goldverzierung auf eine Glanzvergoldung aufgebracht wird. Auf Glanzgold wird ein Muster mit Fischgalle, Hautleim, Gummen oder Öl-Anlegemittel aufgemalt und anschließend vergoldet. Diese Vergoldung kann nicht poliert werden. So entsteht ein Mattglanzeffekt im Muster. Die Technik wurde aus der Buchmalerei übernommen. Radierung, Sgraffito in Farbe auf Metall bezeichnet eine Technik, bei der auf eine Vergoldung/Versilberung eine Farbschicht deckend aufgemalt wird, aus der dann Muster oder Formen herausgeschabt werden, sodass an diesen Stellen die Vergoldung/Versilberung wieder sichtbar wird. Auf Tafelbildern ist die Technik seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Sie lässt sich mit Punzierungen und Lüsterungen ergänzen und schafft so die farbige Illusion von gemusterten Textilien. Schablonierung Metall auf Farbe dient zur Übertragung eines Musters mit Metallblatt mittels Schablone aus Pergament oder Karton auf die Malerei. Die Schablone wird auf die Malerei gelegt und die Leerräume mit Öl-Anlegemittel ausgestupft. Im Anschluss an die vorgeschriebene Trocknungszeit kann Blattgold oder Blattsilber aufgelegt (angeschossen) werden. Das Metall haftet nur am Anlegemittel. Überschüssiges Metall kann vorsichtig weggekehrt werden und es verbleibt das durch die Schablone vorgegebene Muster in Metall auf der Malerei. Schablonierung Farbe auf Farbe dient zur Übertragung des Musters mit Farbe mittels Schablone aus Pergament oder Karton auf die Malerei. Mit der Schablone können auch mehrere formgleiche Muster zu einem Rapport aneinandergereiht werden. Freihandmalerei in Farbe auf Farbe bedeutet, dass Muster in Farbe mit dem Pinsel unmittelbar auf die Malerei aufgemalt werden. Hierfür werden weder Pausen noch Schablonen benutzt. Radierung, Sgraffito in Farbe auf Farbe bezeichnet eine Technik, bei der auf eine Malschicht eine Farbschicht deckend aufgemalt wird. Aus der noch frischen Farbschicht wird dann ein Muster oder Formen herausgeschabt, sodass an diesen Stellen die untere Malschicht wieder sichtbar wird. Die Technik wurde aus der Wandmalerei übernommen, bei der mindestens zwei gefärbte Putzlagen übereinanderliegen. Teile des oberen Putzes werden mit Kratzeisen und Schlinge eingeritzt und weggekratzt, um so die untere Putzschicht freizulegen. Fremdmaterialapplikation auf Farbe bezeichnet plastische Materialien, wie z.B. metallene Schmuckelemente, Eisenkügelchen, Buchbeschläge, Pappmaché, Leder u.a., die auf der Malerei befestigt werden, um den Realismus des Werkes noch zu erhöhen. Die angeführten Verzierungstechniken wurden auch kombiniert und individuell modifiziert. Thomas Brachert, der ehemalige Leiter der Werkstätten des Germanischen Nationalmuseums, beschreibt im Vorwort seines Lexikons historischer Maltechniken aus 2001,

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wie sich die Techniken schrittweise entwickelt haben, indem ältere Techniken immer wieder verbessert oder vereinfacht wurden und damit neue Techniken erwachsen sind. Beispielhaft sei hier eine der bedeutendsten und umfangreichsten zeitgenössischen Quellenschriften spätmittelalterlicher Rezepte mit mehr als 750 Anweisungen künstlerischer Arbeitsweisen des 15. Jahrhunderts angeführt. Das „Liber illuministarum – pro fundamentis auri et coloribus ac consimilibus collectus ex diversis“ 11 ist eine Sammelhandschrift aus dem Benediktinerkloster Tegernsee. Es umfasst zwei Handschriftensammlungen auf Papier, auf 231 teils losen, eng und beidseitig beschriebenen Blättern. Von unterschiedlichen Schreibern notiert, wurden Rezepte und Anweisungen über einen längeren Zeitraum hinweg zusammengetragen. Die Schriften sind in deutscher und in lateinischer Sprache abgefasst. Der erste Teil des Manuskriptes stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und umfasst künstlerische Arbeitstechniken der Zeit. Es finden sich hier Rezepte zur Herstellung von Farbmitteln, über 111 unterschiedliche Techniken der Blattvergoldung sowie Anleitungen zur Bearbeitung von Materialien wie Glas, Elfenbein und Horn. Während zunächst die Rezepte eher aufgelistet wurden, wechselt der Schreibstil mit den unterschiedlichen Schreibern. Die Anweisungen zur Technik werden im Lehrbuchstil, ähnlich Cennino Cenninis „Il Libro dell’Arte“ aus dem 14. Jahrhundert, fortgesetzt. Der zweite Teil des Manuskriptes erweiterte um 1500–1512 die Sammlung mit kunst- und werktechnischen, mathematischen, medizinischen und hauswirtschaftlichen (magischen) Rezepten. Unter Letzteren befindet sich die ausführliche Abhandlung des Illuministen zu Ettal, die sich mit der Herstellung und Verwendung von Pressbrokaten befasst. Die Anwendung der Pressbrokattechnik war südlich wie auch nördlich der Alpen gebräuchlich. Zuvor hatte nur Cennino Cennini diese Technik jedoch weniger ausführlich erwähnt.12 Der aus Wien stammende Münchner Maler und Akademieprofessor Ernst Berger editierte als Novum erstmals 1912 diese Abhandlung aus dem Liber illuministarum. Erste intensive Aufarbeitungen der besonderen Applikationstechnik folgten 1978 durch die Restauratorin Brigitte Hecht13 und 2000 durch Jilleen M. Nadolny14. Ein Pressbrokat ist wie bereits erwähnt eine (vergoldete) Zinnfolie mit einem geprägten Muster, das kostbare Textilien nachahmt. Diese Zinnfolie wird auf Tafelgemälden Der Titel des 16. Jahrhunderts auf dem Vorderdeckel des Manuskriptes lautet: Ein Buch von und für Buchmaler, über Goldgrundierungen, Farben und Verwandtes, aus verschiedenen [Quellen] zusammengestellt (Übersetzung: Bartl, A., Krekel, C., Lautenschlager, M., Oltrogge, D., Der Liber illuministarum aus Kloster Tegernsee, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Stuttgart 2005, Seite 56–57). 12 Cennino, Cennini, Ill Libro dell’Arte. Aus dem 14. Jahrhundert, Edition: Brunnello, 1982, Deutsche Übersetzung Albert Ilg, Wien 1871, Kap. 128. 13 Hecht, B., Betrachtungen über Pressbrokate, Institut für Technologie der Malerei, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Diplomarbeit 1978. 14 Nadolny, J. M., The Techniques and Use of Gilded Relief Decoration by Northern European Painters, ca. 1200–1500, Dissertation, Courtauld Institute of Art, University London 2000.

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und Skulpturen zur Bedeckung der ganzen Fläche eines Gewandes oder eines Altarhintergrundes, einen Rapport bildend, aneinandergereiht oder auch als Einzelornament appliziert. Die Besonderheit der Pressbrokatmuster liegt in der naturgetreuen Nachahmung der Oberflächenstruktur von Seidenstoffen, bei denen ein dem Schussfaden beigewirkter Faden an der Oberfläche erscheint und das Muster bildet. Die Herstellung eines Pressbrokates umfasst aufwendige Arbeiten, die hier kurz zusammengefasst sind: In ein Model aus Holz, Stein oder Metall wird ein Muster geritzt, darauf wird eine Zinnfolie gelegt. Auf die Zinnfolie wird ein befeuchtetes Wergbüschel aufgebracht und mit einem Schlegel geschlagen, so dass das Muster des Models sich vollständig in die Folie eindrückt. Das Wergbüschel wird vorsichtig entfernt, ohne dass die Zinnfolie vom Model verrutscht. In die nun sichtbaren Vertiefungen – sie stellt die Rückseite der Zinnfolie dar – wird eine Prägemasse eingebracht. Nach dem Aushärten der Masse fixiert sich so auf Dauer die Prägung in der Zinnfolie. Miteinander verbunden können sie als Einheit unbeschadet vom Model entfernt werden. Die Vorderseite der Zinnfolie zeigt das erhabene Muster und wird mit Volleitempera vergoldet, dann werden Teile des geprägten Musters mit Lüsterfarben bemalt (Zinnober, Azurit, Brazilholz oder Grünspan in Öl) (Abb. 3).15 So gewissenhaft und ausführlich die Beschreibung der jeweiligen Arbeitsschritte im Liber illuministarum ist, so bleiben dennoch bei der Bemessung der einzelnen Rezeptzutaten viele Fragen offen. Die Stärke der Grundierungen und die Konzentration des Leimes werden z.B. nicht angegeben, sodass der Gebrauch der Rezepte sicherlich nur erfahrenen Fachleuten unter den Tegernseer Mönchen vorbehalten war. Die praktische Beherrschung der künstlerischen Techniken wurde vorausgesetzt. Künstlerisch interessierte Laien konnten die Herstellung des Pressbrokates ausschließlich anhand der Anleitung nicht erlernen. Hierzu war eine Einweisung in die Technik notwendig. „Dies genau war auch die übliche Form der mittelalterlichen – und neuzeitlichen – Handwerksausbildung, die immer praktisch, nicht theoretisch erfolgte.“16 „Darumb zu diser sach gehört allein practica wers üben will.“17 In einem Workshop im Rahmen der Lehrveranstaltung „Historische Technologie: Pressbrokat“ im Wintersemester 2008/9 am Institut für Konservierung und Restaurierung der Angewandten konnte die Herstellung von Pressbrokaten rekonstruiert werden.

15 Die ausführliche Beschreibung und praktische Rekonstruktion der Pressbrokattechnik folgt in der geplanten Dissertation der Autorin. Die Übersetzung der Edition und Kommentar findet sich in: Bartl, A., Krekel, C., Lautenschlager, M., Oltrogge, D., Der Liber illuministarum aus Kloster Tegernsee, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Stuttgart 2005, Seite 170–185, Inhalt Nr.: [233]–[260], 531 ff. 16 Zitat zur Theorie und Praxis aus: Bartl, A., Krekel, C., Lautenschlager, M., Oltrogge, D., Der Liber illuministarum aus Kloster Tegernsee, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Stuttgart 2005, S. 36–40. 17 Zitat von Johannes Purger aus dem Liber illuministarum, Inhalt Nr.: [1097].

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Die Rezepte in den zeitgenössischen Quellenschriften18 wurden analysiert und für die praktische Umsetzung adaptiert. In einem ersten Arbeitsschritt wurden die Muster in Holzmodel geschnitzt (Abb. 4). Drei historisch relevante Prägemassen aus Wachs-Harz, aus Kreide-Leim-Öl und aus Kolophonium-Bienenwachs wurden angefertigt. Im Anschluss an die Vergoldung und Lüsterung konnten die Pressbrokat-Platten auf grundierte Holztafeln und Skulpturenteile appliziert werden.19 Neben Pressbrokat wurden im Spätmittelalter aber auch andere Techniken, wie z.B. die Scharrierung auch in Kombination mit der Abschattierung, angewandt, um Textilbrokate zu imitieren.20 Nach Berger wurde durch die einzelnen Aufzeichnungen der künstlerischen Techniken deutlich, wie groß das technische Know-how in den unterschiedlichen Werkstätten im 15. Jahrhundert war. Hierfür steht auch ein weiteres Arbeitsbeispiel, die Technik des Gravierens eines Granatapfelmusters, welches die Vergolderin und akademische Restauratorin Elisabeth Pfützner 2003 bei der Anfertigung einer Kopie des Goldhintergrundes des Tafelgemäldes Hauser Epithaphium von Hans Siebenbürger aus dem 15. Jahrhundert ausgearbeitet hat. Die Gravierung und Tremolierung von Ornamenten auf Tafelgemälden und Fassmalereien ist eine Verzierungstechnik, bei der die unterschiedliche Lichtreflexion von glänzend polierten und matt strukturierten Flächen das Muster deutlicher hervortreten lässt. Die Gravurlinie wird zweimal in die Grundierung geschnitten: zunächst mit einem tiefen senkrechten Schnitt zum glatten, polierten Teil des Muster und danach mit einem eher flachen, schrägen Schnitt zum tremolierten Bereich. Diese präzisen Angaben zum Einschneiden (Gravieren) in den Grund findet weder in den entsprechenden Quellenschriften noch in den zahlreichen Beschreibungen der spätmittelalterlichen Fasstechniken eine Erwähnung. Allein durch den zweifachen Schnitt einer Linie wirkt das Muster nach der Vergoldung wie ein bewegter Stoff. Die tremolierten Bereiche rücken optisch hinter die polierten Bereiche des Musters zurück, sodass der Eindruck von zwei unterschiedlich erhabenen Ebenen entsteht (Abb. 5). Heute, nach Jahrhunderten, hat die Unkenntnis der Herstellung der Textilimitationen zur Verschlechterung des Erhaltungszustandes vieler Kunstwerke des Spätmittelalters beigetragen. Falsche „Pflegemaßnahmen“, wie die feuchte Reinigung von Blattmetallauflagen, der Auftrag spannungsreicher Überzüge, die Entfernung nicht erkannter Pressbrokate, die Übermalung nicht identifizierter gemalter und gravierter Muster, haben unter anderem zu erheblichen Beschädigungen und Substanzverlusten geführt. Eine Grund18 Tegernseer Manuskript Liber illuministarum, 2. Hälfte 15. Jh.; Cennino Cennini, Ill Libro dell’Arte, um 1390, Kap.: 128,170; Bologneser Manuskript, um 1450: Kap. 197, 198, 220. 19 Die Feinheiten bei der Herstellung der Rezepte und weitere Erkenntnisse der Lehrveranstaltung werden in der Dissertation ausführlich behandelt. 20 Siehe hierzu oben, zur Technik der Gravierung, Tremolierung, Scharrierung und Schattierung, Abschattierung.

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voraussetzung für die Erhaltung der Kunstobjekte stellt heute wie in der Vergangenheit die konservatorische Bestandsaufnahme dar. Die dokumentarische Erfassung der Technologie und Herstellung der Musterimitationen, gestützt durch die Überprüfung der Rezepte der Quellenschriften und Rekonstruktionen, sowie die Zustandsanalyse können als Grundlage für Konservierungsmaßnahmen und Monitoring für eine langfristige Schadensprävention genutzt werden. Woher kannten die Maler nördlich der Alpen die Mustervorlagen aus Italien und wie konnten sie diese so genau imitieren? Tatsächlich waren die üppig gemusterten italienischen Seidenstoffe und Samte im Mittelalter auch nördlich der Alpen überall anzutreffen. Exotische Waren und Seidenstoffe wurden im gesamten Mittelmeerraum gehandelt. Von dort wurden sie über Land und auf Seewegen auch in den Norden, nach Österreich, Deutschland, Frankreich, England, ins niederländische Burgund, bis in die skandinavischen Länder exportiert (Abb. 6). Entweder dienten die Stoffe direkt als Vorlage, oder die Maler fertigten Skizzen von den Mustern an, die sie auf Seidengewändern und in Kirchenausstattungen und Einrichtungen der Höfe und Adelshäuser sehen konnten. In den Werkstätten wurden die Musterzeichnungen von textilen Stoffmustervorlagen gesammelt. Diese Zeichnungen wurden mit Lochpausen und Schablonen auf Skulpturen und Tafelbilder übertragen (Abb. 7). Wieso kann der Vergleich der Musterpausen, Schablonen und Abdrücke aus Modeln zu kunstwissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt beitragen? Die Übertragung eines Musters ist der Beweis eines unverwechselbaren „Fingerabdruckes“ eines Künstlers.21 Wurde die Musterschablone für ein Model einer Werkstatt abgepaust und auf ein neues Model aus Holz, Stein oder Metall übertragen, so unterscheidet sich dieses Model dennoch von dem alten in der Art der Gravur bzw. Schnitzerei. Somit erweisen sich die mit Abdrücken aus Modeln (Pressbrokate) auf den Bildträger übertragenen Muster als typische Zeichen einer Werkstatt. Nicht allein das Muster, vielmehr die charakteristische Riffelung weist durch den Vergleich auf die Herkunft aus einer bestimmten Malerwerkstatt.22 Der Vergleich der Musterschablonen und Abdrücke erlaubt im günstigen Fall Rückschlüsse auf etwaige Verbindungen zwischen Künstlern bzw. Werkstätten. Viele Flügelretabel sind im Laufe ihrer Geschichte zerteilt und auseinandergeschnitten worden. In den Museen und Sammlungen befinden sich einzelne Predellen, Skulpturen und Tafelbilder, deren Provenienz nicht eindeutig geklärt ist. So könnten Besonderheiten der Muster bei der Zusammenführung verstreuter Retabelteile dienen oder Werkstattarbeiten identifizieren. 21 Oellermann, E., Die Spätgotische Skulptur und ihre Bemalung (dem Andenken an Johannes Taubert gewidmet), in: Erik Soder von Güldenstubbe (Hg.), Tilman Riemenschneider. Frühe Werke, Ausstellungskatalog, Skulpturengalerie Berlin, Mainfränkisches Museum Würzburg und Bayerisches Nationalmuseum München, Berlin 1982, S. 275–283, S. 285–302. 22 Westhoff, H./Hahn, R., Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung, in: Westhoff, H./Hahn, R. (Hg.), Graviert, gemalt, gepresst. Spätgotische Retabelverzierungen in Schwaben, Stuttgart 1996, S. 35–38.

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Die Schwierigkeit, aus textilhistorischer Sicht, eine chronologische Entwicklung der Muster zu belegen, beschreibt Anne E. Wardwell damit, dass nur einige Hundert Gewebe von der unvorstellbar großen Menge von einst überliefert worden sind. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit diese erhaltenen Textilien tatsächlich repräsentativ für ihre Entstehungszeit sind. Die Dokumentation ist teilweise nur über die Gemälde mit Darstellungen von Textilimitationen und über alte (nicht unbedingt korrekte) Inventareintragungen größerer Kunstsammlungen möglich.23 Otto von Falke war einer der Ersten, der Mustertypen der Seidenweberei in Gemälden vom 6.–17. Jahrhundert identifizieren konnte und damit die Entstehungszeit noch erhaltener Seidenstoffe klären und in eine chronologische Reihenfolge bringen konnte.24 Sein zum Teil umstrittenes Werk gilt trotzdem heute noch als Standardwerk. Der Aufschwung der Seidenweberei fand im 13.–15. Jahrhundert in Italien ihren Höhepunkt, ebenso die Darstellung von Geweben in der Malerei. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass überwiegend wissenschaftliche Studien verfasst worden sind, die sich regional mit den italienischen Seidengeweben und ihrer Imitation auf italienischen Gemälden aus dieser Zeit auseinandersetzen.25 Nördlich von Italien, in Österreich, Deutschland, Frankreich, England und Skandinavien, haben solche regionale systematische Untersuchungen erst begonnen.26 Da die textilen Muster gleichermaßen auf Gemälden in Italien wie auch nördlich der Alpen auftauchen, liegt es nahe, dass eine Erfassung vorhandener Muster auf Tafeln und Bildwerken des Spätmittelalters in ganz Europa dazu beitragen kann, die Datierung und die Zuordnung der Kunstwerke neu zu beleuchten. Mit der geplanten Dissertation wird erstmals ein österreichischer Katalog begonnen, der Muster auf spätmittelalterlichen Tafelbildern und Fassmalereien nach unterschiedlichen Fertigungstechniken27 und nach Mustertypen28 dokumentiert und mit textilen 23 Wardwell, A. E., The Stylistic Development of 14th and 15th Century Italian Silk Design, in: Aachener Kunstblätter. Bd. 47, 1976–77. 24 Erste Forschungsarbeiten über Vergleiche von Textilien, die in kirchlichen Inventaren erwähnt sind, mit Mustern auf Gemälden: für die norditalienische Kunst von Moritz Dreger 1904, und mit internationalem Fokus Otto von Falke 1913, Anne E.Wardwell 1987, siehe auch die geplante Dissertation der Autorin. 25 Z.B. von Isasbelle Errera 1921, Brigitte Klesse 1967, Martin Weinberger 1941, Grete de Francesco 1949, Anne E. Wardwell 1976–77, Lisa Monnas 2008, Ausstellung Venice and the Islamic World 828–1797 in The Metropolitan Museum of Art, New York 2009 u.v.m., siehe auch die geplante Dissertation der Autorin. 26 Z.B. von Heinrich Jakob Schmidt 1938 und 1951, Grete Ring 1949, Alfred Stange 1961 und 1966, Georg Troescher 1966, Millard Meiss 1967–68, Hans Westhoff und Roland Hahn 1996, Dissertation von Michaela Frick 2003, laufende Forschungsarbeit von Annemarie Stauffer u.v.m., siehe auch die geplante Dissertation der Autorin. 27 Z.B.: Muster im Bildträger, Muster in/auf der Grundierung, Muster in/auf der Vergoldung/Versilberung, Muster in/auf der Farbfassung. 28 Z.B.: geometrische Ornamente, arabeske Ornamente, „Chinesische Kleinmuster“, Palmetten, figürliche Muster, pflanzliche Muster, Muster mit christlicher Symbolik, Muster der Heraldik.

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Vorlagen vergleicht. Mit dieser Untersuchungsform kann dieser Katalog eine erste Übersicht über den Bestand in Österreich liefern. Der Katalog kann von Restauratoren und Denkmalpflegern erweitert und unterstützend für die Erhaltung spätmittelalterlicher Kunstwerke eingesetzt werden. Abstract Opulent patterned Italian gold fabrics and velvets could be found everywhere in Medieval Northern Europe due to the active trading with the Levant and in the entire Mediterranean area. From the Netherlandish Burgundy to England and the cities of the Hanseatic League of the Baltic States, most precious fabrics came into everyday life by land and by sea. The contemporary fashions also inspired the fine arts, thus the finest silks which were copied in paintings and sculptures would be deceptively authentic. The desire for precise depiction in art promoted not only the development of complicated techniques of painting but also the artist’s virtuosity. The fact that the fabric patterns can be found equally in Italian as well as in Northern Europe paintings indicates how important a comprehensive collection of surviving patterns on paintings to date could be in order to update age and attributions of the works of art. For the first time an Austrian cataloguing project has been started which classifies the patterns on late Medieval panel paintings and polychromed sculpture according to the various production technologies and pattern styles, as well as attempting to connect them to textile points of reference and inventory descriptions.

literatur Bartl, A., Krekel, C., Lautenschlager, M., Oltrogge, D., Der Liber illuministarum aus Kloster Tegernsee, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Stuttgart 2005. Buddeberg, M., Februar 2009, Rezension über die 2008 erschiene Forschungsarbeit von Lisa Monnas: Merchants, Princes and Painters – Silk Fabrics in Italian and Northern Paintings, 1300–1550. Cennino, Cennini, Ill Libro dell’Arte. Aus dem 14. Jahrhundert, Edition: Brunnello, 1982, Deutsche Übersetzung Albert Ilg, Wien 1871. Crab, J., Het Brabants Beeldsnijcentrum Leuven, Leuven 1977. Hecht, B., Betrachtungen über Pressbrokate, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Diplomarbeit 1978. Madersbacher, L. , Malerei und Bild 1430 bis 1520, in: Artur Rosenauer (Hg.), Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, Bd. III Spätmittelalter und Renaissance, Wien 2003. Meiss, M., French painting in the time of Jean de Berry., New York, 1967.

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Monnas, L., Merchants, Princes and Painters – Silk Fabrics in Italian and Northern Paintings, 1300–1550, New Haven und London 2008. Nadolny, J. M., The Techniques and Use of Gilded Relief Decoration by Northern European Painters, ca. 1200–1500, Dissertation, Courtauld Institute of Art, University London 2000. Oellermann, E., Die Spätgotische Skulptur und ihre Bemalung (dem Andenken an Johannes Taubert gewidmet), in: Erik Soder von Güldenstubbe (Hg.), Tilman Riemenschneider. Frühe Werke, Ausstellungskatalog, Skulpturengalerie Berlin, Mainfränkisches Museum Würzburg und Bayerisches Nationalmuseum München, Berlin 1982. Rosenauer, A., Spätgotik und Renaissance, Territorien-Offenheit der Grenzen, in: Artur Rosenauer (Hg.), Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, Bd. III, Spätmittelalter und Renaissance, Wien 2003, S. 15–38. Simon, A., Österreichische Tafelmalerei der Spätgotik. Der niederländsche Einfluss im 15. Jahrhundert, Berlin 2002. Troescher, G., Burgundische Malerei. Maler und Malwerke um 1400 in Burgund, Berlin 1966. Wardwell, A. E., The Stylistic Development of 14th and 15th Century Italian Silk Design, in: Aachener Kunstblätter. Bd. 47, 1976–77. Westhoff, H./Hahn, R., Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung, in: Westhoff, H./Hahn, R. (Hg.), Graviert, gemalt, gepresst. Spätgotische Retabelverzierungen in Schwaben, Stuttgart 1996, S. 35–38.

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Restaurierung zwischen Krieg und Frieden. Napoleon in Österreich und die Folgen für die Restauriergeschichte1

zusammenfassung Der folgende Beitrag widmet sich einem Kapitel der Restauriergeschichte von Gemälden, die 1809 unter Napoleon aus dem Oberen Belvedere in Wien entwendet, nach Paris gebracht und 1815 zum Großteil wieder an Österreich restituiert wurden. Bislang blieb unklar, inwieweit die beschlagnahmten Wiener Gemälde in Frankreich konservatorisch und restauratorisch behandelt wurden. Kürzlich gelang Dr. Sabine Pénot (Kunsthistorisches Museum Wien) eine Identifizierung jener Wiener Bilder, die von diesem Transfer betroffen waren. Dank dieser Vorarbeit ist es nun möglich, das jeweilige Aktenmaterial in Bezug auf konservatorische und restauratorische Eingriffe an den Gemälden sowohl in Wien (Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, Österreichisches Staatsarchiv) als auch Paris (Archives des musées nationaux, Archives nationales) zu konsultieren. Ergänzt durch konservatorische Untersuchungen an den Kunstwerken setzt sich die Dissertation zum Ziel, die Restauriergeschichte dieser sich heute im Bestand des KHM befindlichen Bildern für das 19. Jahrhundert zu rekonstruieren.

kunstraub unter napoleon Von 1794 bis 1814 fanden in Europa mehrere Wellen von Kulturgutbeschlagnahmungen statt, die heute allgemein unter dem Begriff „napoleonischer Kunstraub“ zusammengefasst werden.2 Über die Motive dieses Kulturfeldzuges ist in der Vergangenheit viel

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Für das Zustandekommen dieses Beitrags möchte ich mich besonders bei Prof. Gabriela Krist, Sabine Pénot, Ina Slama, Elke Oberthaler, Robert Wald, Martina Grießer, Vaclav Pitthard, Ilse Jung und Martina Griesser-Stermscheg bedanken. Laufende Dissertation der Autorin zum Thema „Transfer von Kunst unter Napoleon – Betrachtungen zur österreichisch-französischen Restauriergeschichte im 19. Jahrhundert anhand der Gemäldesammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien“, betreut von Univ. Prof. Dr. Gabriela Krist und HR Doz. Dr. Mag. Manfred Koller. Obwohl die Beschlagnahmungen in erster Linie vom französischen Konvent, später vom Direktorium

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und erschöpfend geschrieben worden.3 Sie liegen einerseits in Bildersturm und Vandalismus während und nach der Französischen Revolution begründet, wodurch es in weiterer Folge eigentlich erst zum Verständnis, zur Wertschätzung und zum Bewahren des Kulturerbes kam, was schließlich zur Idee der „Befreiung“ der Kunst Europas führte.4 Andererseits erkennt auch Napoleon bald den wichtigen propagandistischen Wert der kulturellen Kriegsbeute und nützt diesen geschickt für seine Zwecke.5 Mit seinem Eingreifen verändert sich der Ablauf des Kunstraubes hin zu einem organisierten, von langer Hand geplanten Unternehmen.6 Kommissare bereisen die Gebiete und wählen aus, wobei in einer Art enzyklopädischen Herangehensweise nicht nur Kunstwerke alleine betroffen waren, sondern auch vieles, was die entsprechende Landeskunde betraf. Tausende Objekte aus den europäischen Sammlungen – vor allem Gemälde und Skulpturen, aber auch Architekturelemente, ganze Naturalien- und Mineraliensammlungen, Manuskripte, Archive etc. – wurden beschlagnahmt, verpackt und nach Paris gesandt. Die Prunkstücke dieser Feldzüge wurden anschließend im seit 1793 im Pariser Louvre eröffneten Musée central des arts ausgestellt, das bereits 1803 in Musée Napoléon umgetauft wurde.7

die kaiserliche gemäldesammlung in wien Den französischen Kommissaren eilte ihr Ruf bald voraus, allen voran der Schlüsselfigur Dominique-Vivant Denon, seit 1802 Direktor des Pariser Musée.8 Auch in Wien ist man

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beschlossen wurden und nicht von Napoleon. Vgl. Savoy, B., Erzwungener Kulturtransfer, in: S. Paas, S. Mertens (Hrsg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 137–138. Unter anderem Poulot, D., Musée, nation, patrimoine, Paris 1997 (Bibliothèque des histoires). - Pommier, É., Museum und Bildersturm zur Zeit der Französischen Revolution, in: S. Schade (Hg.), Kunst als Beute, 8, Wien 2000, S. 27–42. Paas, S., Vernichtung oder Verehrung?, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 130–136. Savoy, B., Erzwungener Kulturtransfer, in: S. Paas, S. Mertens (Hrsg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 137. Die Auslieferung von Kunstwerken wird auch in Friedensverträgen stipuliert, der Kunstraub erhält auf diese Weise eine Art „rechtliche“ Grundlage. Vgl. Steinmann, E., Der Kunstraub Napoleons, Dohna, Y. (Hrsg.) und C. Roolf (Übers.), Rom 2007, S. 36. Zeitlich etwa ab 1796 (Italienfeldzug). Vgl. Steinmann, E., Der Kunstraub Napoleons, Dohna, Y. (Hg.) und C. Roolf (Übers.), Rom 2007, S. 33. Pommier, É., L’art de la liberté, Paris 1991, S. 402. Savoy, B., Erzwungener Kulturtransfer, in: S. Paas, S. Mertens (Hrsg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, Bd. 1, S. 120. Nicht umsonst erhält Denon in diesem Zusammenhang den Beinamen l’oeil de Napoléon – „Auge Napoleons“.

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daher bemüht, die bedrohten Meisterwerke der kaiserlichen Gemäldegalerie, seit 1776 im Oberen Belvedere untergebracht, vor den heranrückenden Truppen Napoleons in Sicherheit zu bringen. Zwischen 1797 und 1813 wurde die Galerie insgesamt fünfmal evakuiert.9 Im Sommer 1809 gelang es Denon dennoch, 420 Gemälde aus der Wiener Galerie zu beschlagnahmen.10 Die großen Leinwände wurden für den Transport abgespannt und gerollt.11 Ein trauriges, allzu bekanntes Schicksal erlitt Rubens’ Himmelfahrt Mariae (Abb. 1): Auf Denons Order hin wurde die große Holztafel in drei Teile zersägt, um sie transportieren zu können.12 Diese Vorgangsweise begründete er unter anderem mit seinem Vertrauen in die Virtuosität der Pariser Restauratoren, die sie wieder zusammensetzen sollten.13 Für den Transport wurden die vorbereiteten Gemälde in hölzerne Kisten gepackt, wobei kleinere Formate übereinandergestapelt wurden. Die Kisten wurden anschließend mit gewachstem Tuch umwickelt und beschriftet.14 Aufgeteilt auf vier Pferdewägen, gelangten 63 Kisten mit beschlagnahmten Objekten aus Wien in drei Konvois über Bayern und das heutige Baden-Württemberg bis Straßburg und in einer zweiten Etappe von dort aus nach Paris, wo sie Ende Oktober im Musée ankamen.15 9 10

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Hoppe-Harnoncourt, A., Geschichte der Restaurierung an der K. K. Gemäldegalerie, in: W. Seipel (Hg.), Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums, 94, Wien 2001, S. 156–163. Am 18. Juni 1809 beschlagnahmte Denon im Belvedere 403 Gemälde, 2 Mosaike, 69 Porzellanfiguren und 4 weiter Objekte. Am 19. Juli wählte er 12 weitere Gemälde aus der Galerie aus und am 12. August außerdem 5 Werke aus dem Depot. Siehe OeStA, HHStA, Frankreich Varia, I 89/11, Wien C, S. 2–9. Drei Kisten enthalten gerollte Leinwandbilder. AMN P4, 1er septembre 1809. Die aus 20 Brettern bestehende Eichenholztafel hat die Maße 458 x 297 cm (oben rund). Der damalige Galeriedirektor Heinrich Füger hielt sämtliche Vorkommnisse des Jahres 1809 penibel genau in seinem Bericht an den Oberstkämmerer fest. OeStA, HHStA, OKäA 102 B, Nr. 248/1813, S. 1–48. Vgl. auch Hoppe-Harnoncourt, A., Geschichte der Restaurierung an der K. K. Gemäldegalerie, in: W. Seipel (Hg.), Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums, 94, Wien 2001, S. 160–161. – Tatsächlich wurde das Gemälde aber in Paris nicht wieder zusammengesetzt und kam 1815 in 3 Teilen wieder nach Wien zurück. Siehe OeStA, HHStA, OKäA 125 B, Nr. 1820/815 (Bericht Fügers). – Es wurde später in Wien parkettiert. Eine Zeichnung des Straßburger Stechers Benjamin Zix, der Denon als Dolmetscher in Wien begleitete, zeigt das Einpacken der Bilder auf der Terrasse des Oberen Belvedere. Benjamin Zix und Constant Bourgeois, Mise en caisse des tableaux sur la terrasse du Belvédère à Vienne, 1810, Privatsammlung. Siehe Rosenberg, P., M.-A. Dupuy-Vachey (Hg.), Dominique-Vivant Denon. L’œil de Napoléon, AK Paris (Musée du Louvre), Paris 1999, S. 152, Kat.Nr. 149. Paas, S., Schlachtfeld Louvre – Die Rückgabeforderungen der gegen Frankreich verbündeten Mächte, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 336, Abb. 2. Vgl. auch Pénot, S., Der napoleonische Kunstraub im Belvedere (1809) und seine Folgen, in: M. Pfaffenbichler (Hg.), Napoleon. Feldherr, Kaiser und Genie, AK Schallaburg, Schallaburg 2009, S. 114. Die 3 Konvois brachen zwischen 23. Juli und 28. August 1809 von Wien aus auf. Neben den 39 Kisten, die Gemälde aus dem Belvedere enthielten, wurden neben 13 weiteren Kisten mit Skulpturen, Mosaiken und Keramiken (ebenfalls aus dem Belvedere) auch 8 Kisten mit Büchern und Manuskripten aus der Hofbibliothek und 3 Kisten aus dem kaiserlichen Naturalienkabinett verschickt. Siehe AMN P4, 14 juin 1809

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restaurierung In Paris angelangt wurden die geraubten Kunstwerke im Beisein Denons ausgepackt und ihr Zustand beurteilt.16 Jene Gemälde, die im Pariser Musée ausgestellt werden sollten, wurden den Restauratoren übergeben, während man die übrigen zeitweise in Depots unterbrachte. Von diesem „Gemälde-Pool“ wurden dann die neu gegründeten Provinzmuseen gespeist,17 bzw. Gemälde auch in verschiedene Kirchen gesandt. Die Restaurierung dieser Werke wurde jedoch ebenfalls von den Pariser Museumsrestauratoren vorgenommen.18 Wie auch das vorgefundene Aktenmaterial in den Pariser Archives nationales (AN) und den Archives des musées nationaux (AMN) belegt, herrschte in Frankreich zu diesem Zeitpunkt eine mehr oder weniger strikte personelle Trennung zwischen der technischen, den Bildträger betreffenden Gemäldekonservierung19 und den restauratorischen Arbeiten, die vor allem die Malschicht und Oberfläche der Gemälde betrafen.20 So wird in den Akten oft zwischen restaurateur oder rentoileur unterschieden, wobei letzterer neben Doublierungen auch Übertragungen durchführte. Auf Grund dieser Trennung arbeiteten oft zwei Personen nacheinander an ein und demselben Bild, wobei auffallend ist, dass die technischen Arbeiten durchwegs höher entlohnt wurden als die reine Restaurierung.

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(Etat Général des caisses). – Dupuy-Vachey, M.-A., I. Le Masne Chermont und E. Williamson (Hrsg.), Vivant Denon, directeur des musées sous le Consulat et l’Empire, Paris 1999, S. 593–594, Nr. 1678² und 1678³ (Lavallée an J.P. Franck ; Briefe vom 24. und 25. 10. 1809). Außerdem gelangten im Dezember 1809 vier Kisten mit Büchern und Gemälden aus Wien via Straßburg nach Paris. Bislang ist nicht geklärt, ob es sich um zusätzliche Sendungen oder evtl. noch aus den vorigen Konvois in Straßburg zurückgebliebene Kisten handelt. Siehe AMN P4, 8 décembre 1809 (Collin de Sussy an Denon). Denon kehrte erst Ende November nach Paris zurück, sodass die Kisten aus Wien nicht gleich ausgepackt werden konnten. Vgl. Dupuy-Vachey, M.-A., I. Le Masne Chermont und E. Williamson (Hrsg.), Vivant Denon, directeur des musées sous le Consulat et l’Empire, Paris 1999, S. 596, Nr. 1685 (Lavallée an Lauzan, Brief vom 15. 11. 1809). – Im Gegensatz zu früheren Bildersendungen (wie aus Belgien oder Italien) scheinen für die Wiener Werke jedoch keine entsprechenden Zustandsprotokolle angefertigt worden zu sein. Mit dem Décret Chaptal von 1801 werden 15 Provinzmuseen auf damaligen franz. Territorium gegründet: in Lyon, Bordeaux, Straßburg, Marseille, Rouen, Nantes, Dijon, Toulouse, Caen, Lille, Rennes, Nancy, sowie Brüssel, Genf und Mainz, die sich damals ebenfalls auf französischem Territorium befanden. Das Musée in Grenoble bestand bereits seit 1798. Siehe Pommier, É., La création des musées de province, les ratures de l’arrêté de l’an IX, in: Revue du Louvre 5/6/1989, S. 328–335. Thate, H., Das Décret Chaptal, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 187–190. Vgl. AMN P16, 1er octobre 1802 (Règlement pour la restauration des tableaux destinés aux départements). Wie z.B. das Aufspannen von Leinwandgemälden auf einen neuen Spannrahmen oder das Doublieren, bei dem hinter den originalen Bildträger eine weitere, neue Leinwand geklebt wird, um den brüchig gewordenen Bildträger zu stabilisieren oder größere Verletzungen in der Leinwand besser schließen zu können. Wie Oberflächenreinigung, Retusche, Firnis. – Zum Teil besteht diese Trennung in Frankreich bis heute.

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Im Pariser Musée übernahmen zur Zeit der Ankunft der Wiener Kisten vor allem folgende Restauratoren regelmäßig Arbeiten an den Gemälden: während Hooghstoels, Francois-Toussaint Hacquin und Fouque hauptsächlich für die Konservierung zuständig waren, übernahmen Carlier sowie Michau die eigentliche Restaurierung.21 Die Restauratoren mussten der Museumsdirektion pro Jahrestrimester Zeugnis über ihre Arbeiten ablegen, in Form von mémoires, die sich in den Budget-Abrechnungen des Musée erhalten haben.22 Zum Teil enthalten diese Dokumente neben der Beschreibung der Gemälde auch Maßangaben, die helfen können, die Werke genauer zu identifizieren. Eine der ersten Maßnahmen war jeweils die Herstellung neuer Spannrahmen für die abgespannten, für den Transport gerollten Leinwandbilder.23 Während in den Akten kaum Hinweise auf konservatorische Eingriffe an hölzernen (oder anderen) Bildträgern auftauchen, wurden Gemälde auf textilen Bildträgern – in Kombination mit diesem Neuaufspannen – meist auch doubliert, wobei sowohl wässrige als auch ölig-harzige Medien zur Anwendung kommen konnten.24 Gemäldeübertragungen, bei denen der originale Bildträger (oft mehr aus ästhetischen als aus Erhaltungsgründen) entfernt und durch einen neuen ersetzt wurde, stellten aufgrund ihrer handwerklichen Schwierigkeit eine der am höchsten bezahlten Operationen dar, die zudem nur wenigen ausgewählten Restauratoren vorbehalten war.25 Die konsultierten Dokumentationen der Restauratoren, die anschließend die Gemäldeoberfläche behandelten, lassen keine genaueren Schlüsse darauf zu, wie diese gereinigt bzw. der Firnis behandelt wurde. Die farbliche Ergänzung der Fehlstellen wird mehrfach 21 Daneben waren auch Bournizien, Deboisfremont, Hauer, Larsonneur und Jacquy beschäftigt. 22 Vor allem in AN O² 835 bis AN O² 839 und AMN P16. Interessanterweise erfolgte die Bezahlung der technischen Arbeiten pro Bild, während die „restaurateurs“ nach Arbeitstagen entlohnt wurden. 23 Möglicherweise wurde hierfür das Holz der Transportkisten weiterverwendet, wie es beispielsweise für die Werke aus Belgien belegt ist. Vgl. AMN P16, 12 juin 1795. 24 F. T. Hacquin entwickelte eine neue Methode der Doublierung, die er „rentoilage au gras“ nannte: Nach einer ersten Kleister-Leim-Doublierung wurde die Doublierung wieder geöffnet, das überschüssige Medium vom Original entfernt, die Rückseite des Gemäldes mit Firnis geschlossen und anschließend eine zweite Doublierung mit Bleiweißmasse vorgenommen, wobei er zwei unterschiedliche Leinwände verwendete. Vgl. Philippe, E., Innover, connaître et transmettre, L’art de la restauration selon FrançoisToussaint Haquin, in: Techné 27–28/2008, S. 54–55. Inwieweit von dieser Methode auch Gemälde aus Wien betroffen waren, bleibt noch zu prüfen. 25 Vermutlich ausgehend von Italien wurde die äußerst heikle Methode der Übertragung in Frankreich seit dem 18. Jh. praktiziert, die französischen Restauratoren des Pariser Musée galten als Virtuosen in dieser Disziplin. Es kamen mehrere Arten der Übertragung zur Anwendung, unter anderem auch Mischformen zwischen Übertragung und Doublierung, bei denen mehrere Leinwände und Zwischenschichten aus Papier und Gaze verwendet wurden. Vgl. Barrès, F., Les peintures transposées du Musée du Louvre, de 1750 jusqu’à la fin du XIXème siècle, in: I. Verger (Hg.), ICOM 14th triennial meeting Kongress Den Haag, London 2005, Bd. 2, S. 1001–1008. Bislang steht noch nicht fest, wie viele der Wiener Gemälde solchen Operationen unterzogen wurden.

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mit repointiller (mit Punkten austupfen) beschrieben, was zumindest einen Rückschluss auf die Form der Retusche zulässt.26 „Künstlerische“ Retuschen wurden auch von Malern durchgeführt. Dies scheint vor allem dann der Fall gewesen zu sein, wenn besonders große Fehlstellen vorlagen.27 Die restaurierten Gemälde wurden anschließend gefirnisst und erhielten einheitliche, mit vergoldeten Zierleisten versehene Rahmen.28 Jene Werke, die kurz nacheinander und von denselben Restauratoren bearbeitet wurden, weisen auch ähnliche Restaurierungen auf. Neben der organisatorischen Notwendigkeit, die Werke der einzelnen Sendungen möglichst effektiv bzw. gerecht unter den verschiedenen Restauratoren aufzuteilen, wurden dadurch auch homogene Endzustände gewährleistet. Anhand von drei Gemälden aus dem heutigen Bestand des Kunsthistorischen Museums, die sich 1809 bis 1815 in Paris befanden, soll diese Vorgehensweise exemplarisch verdeutlicht werden.29 Das Leinwandgemälde Jephta erblickt seine Tochter von Romanelli (Abb. 2) wurde 1810 in Paris sowohl von Fouque als auch Carlier restauriert. Es ist heute doubliert und weist auf der Rückseite der Doublierleinwand einen hellen Rückseitenanstrich auf. Da der Anstrich an jenen Stellen fehlt, die vom Keilrahmen bedeckt werden und sich auf dem Keilrahmen ebenfalls Farbreste befinden, kann davon ausgegangen werden, dass der Anstrich nach dem Aufspannen auf den neuen Keilrahmen aufgetragen wurde. Die im Kunsthistorischen Museum durchgeführten Analysen haben gezeigt, dass es sich dabei um einen Bleiweiß-Walnussöl-Anstrich mit geringem Kreidezusatz handelt. In seinem mémoire vom zweiten Trimester 1810 gibt Fouque zu diesem Gemälde an, dass er es doubliert und eine Schicht Farbe auf die Rückseite aufgetragen habe. Für die Restaurierung verrechnete er 52,45 Francs: Un Tableau Représentant le Sacrifice de Jephté peint par Romanelli rentoilé (…). Avoir mis une couche de couleur derrière (…).30 Der Befund des Gemäldes belegt außerdem, dass der Umschlagrand mit französisch bedrucktem Papier beklebt ist. Dieses Einfassen des Randes beschreibt Fouque in dem gleichen mémoire an anderer Stelle: Tendu deux tableaux sur deux chassis, mastiqués et bordés de papier (…).31 26 Vgl. z.B. AN O² 836, 1er trimestre 1810, mémoire Carlier. 27 Wie z.B. im Fall der Arbeit von Prud’hon an den beiden Corregios, Leda und der Schwan sowie Jupiter und Io, aus Berlin. AN O² 839, Rechnung vom 21. 06. 1809. 28 Die vergoldeten Zierleisten wurden von den Gebrüdern Delporte hergestellt. Auch hier haben sich Mémoires erhalten, die neben den Beschreibungen der Gemälde auch Maßangaben enthalten. Vgl. AN O² 835 bis AN O² 839. 29 Die drei folgenden Gemälde wurden kürzlich von Mag. Ina Slama im Kunsthistorischen Museum restauriert bzw. befinden sich derzeit in Arbeit. Bei ihr möchte ich mich herzlich für die wertvollen Informationen und Gespräche bedanken. 30 AN O² 835, 2e trimestre 1810, mémoire Fouque: Ein Gemälde das Opfer Jephtes zeigend gemalt von Romanelli doubliert (…). Eine Schicht Farbe auf die Rückseite gegeben (…). 31 AN O² 835, 2e trimestre 1810, mémoire Fouque: Zwei Gemälde auf zwei Spannrahmen gespannt, [die Ränder] verspachtelt und mit Papier eingefasst.

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Das Gemälde von Romanelli wurde anschließend im zweiten und dritten Trimester 1810 weiter von Carlier behandelt, der insgesamt drei Tage Arbeit aufwendete, für die er 34 Francs erhielt: Romanelli sur toile representant Jephté, commencé la restauration, imparfait, un jour (…).32 Und : Romanelli, tableau sur toiel representant Jephté, avoire travailler deux jours pour en achever la restauration (…).33 Die beiden Pendantgemälde Der Kentaur Chiron und Achill (Abb. 3) sowie Äneas, die Sibylle und Charon von Crespi (Abb. 4) wurden 1810 ebenfalls von Fouque und Carlier behandelt. Fouque über die Restaurierung der Pendants, für die er insgesamt 139,5 Francs erhielt: Un tableau peint par Crespi Représentant l’Education d’Achile; enlevé et rentoilé (…). Son pendant peint par le même; enlevé et rentoilé (…). Fourni les deux chassis produisant 9 toiles (…).34 Die Bezeichnung enlevé et rentoilé deutet in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beide Gemälde übertragen und mit mehreren Leinwänden (produisant 9 toiles) doubliert bzw. hinterspannt wurden,35 worauf auch der Befund von Äneas, die Sibylle und Charon hindeutet.36 Auch in diesem Fall finden wir wieder Reste von französisch bedrucktem Papier am Umschlagrand. Während letztgenanntes Werk neben der Doublierung von 1810 heute auch noch den gleichen Bleiweiß-Walnussöl-Anstrich wie das Gemälde von Romanelli aufweisen, wurde das Pendantgemälde Der Kentaur Chiron und Achill in den 1950er-Jahren in Wien erneut doubliert. Der historische Keilrahmen wurde jedoch beibehalten und adaptiert, er weist Farbspuren des gleichen Bleiweiß-Walnussöl-Rückseitenanstriches auf. Wieder übernahm anschließend Carlier die weitere Restaurierung der beiden Gemälde. Im zweiten und dritten Trimester 1810 wandte er insgesamt neun Tage auf, die ihm mit 100 Francs entlohnt wurden: Crespi – dit l’Espagnolo, deux tableaux sur toiel, l’un l’Education d’Achile par le Santaure, Le pendant, l’Enlèvement d’Helene, (…) netoÿer. Commencer la restauration quatre journée, imparfait (…).37 Und danach: Crespi dit l’Espagnolo, 32 AN O² 835, 2e trimestre 1810, mémoire Carlier: Romanelli auf Leinwand Jephté darstellend, die Restaurierung begonnen, unvollendet, ein Tag (…). 33 AN O² 836, 3e trimestre 1810, mémoire Carlier: Romanelli, Gemälde auf Leinwand Jephté darstellend, zwei Tage gearbeitet, um die Restaurierung abzuschließen (…). 34 AN O² 835, 2e trimestre 1810, mémoire Fouque: Ein Gemälde gemalt von Crespi, die Erziehung des Achill zeigend; abgenommen und doubliert (…). Sein Pendant gemalt vom selben; abgenommen und doubliert (…). Die zwei Spannrahmen aufgebracht, 9 Leinwände gebraucht (…). 35 Vgl. Fußnote 25. Siehe auch Martin, E., N. Balcar, E. Philippe und A. Roche, Les compositions de la Galerie des Glaces transposées «selon le nouveau procédé», in: Techné 25/2007, S. 25. 36 Das Gemälde befindet sich gegenwärtig noch in Untersuchung. 37 AN O² 835, 2e trimestre 1810, mémoire Carlier: Crespi – genannt l’Espagnolo, zwei Gemälde auf Leinwand, das eine die Erziehung Achills durch den Kentauren, das Pendant, der Raub der Helena, (…) gereinigt. Die Restaurierung begonnen vier Tage, unvollendet. Der Titel, den Carlier dem Pendant gibt, stimmt nicht mit dem heutigen überein, es ist jedoch naheliegend, dass es sich um das Wiener Bild handelt.

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deux tableaux sur toiel l’un l’Education d’Achille, par le Santaure. Le pendant l’Enlèvement d’Helene,(…) travailler cinq journées pour les achevé (…).38 Aus diesen Einträgen geht nicht nur hervor, dass alle drei Wiener Gemälde im gleichen Zeitraum und von denselben Restauratoren, sondern auch konservatorisch-restauratorisch ähnlich behandelt wurden.39 Alle drei wurden doubliert, auf einen neuen Keilrahmen aufgespannt und die Rückseite mit einem Bleiweiß-Walnussöl-Anstrich versehen, der vermutlich eine Schutzfunktion hatte.40 Zwei der Gemälde zeigen Reste einer Papiereinfassung am Spannrand, die ebenfalls aus Paris stammen dürfte.41 Zusätzlich deuten sowohl die historischen Einträge als auch die restauratorischen Befunde darauf hin, dass die beiden Pendants von Crespi einer Übertragung unterzogen wurden. Welche Methode dabei zur Anwendung kam, bleibt indes noch zu klären.

conclusio Den Verhandlungen des Wiener Kongresses ist es zu verdanken, dass die geraubten europäischen Kunstwerke 1814/1815 großteils in ihre Ursprungsländer zurückkehrten. Eine große Anzahl von Objekten verblieb allerdings in Provinzmuseen und Kirchen Frankreichs.42 Joseph Rosa junior, Kustos der Gemäldegalerie im Belvedere, wurde mit den Restitutionsverhandlungen für Österreich, aber auch für die habsburgischen Besitztümer in Italien betraut.43 Im September 1815 erfolgte die offizielle Restitution der geraubten

38 AN O² 836, 3e trimestre 1810, mémoire Carlier: Crespi genannt l’Espagnolo, zwei Gemälde auf Leinwand das eine die Erziehung des Achill, durch den Kentauren. Das Pendant der Raub der Helena, (…) fünf Tage gearbeitet, um sie fertigzustellen. 39 Wobei auch klar hervorgeht, dass die technischen Arbeiten Fouques an den drei Werken (191,95 Francs) höher entlohnt wurden als die Restaurierungen Carliers (134 Francs). 40 Gegen Feuchtigkeit und Klimaschwankungen. Dass im Musée solche Maßnahmen getroffen wurden, beweisen auch F.T. Hacquins Bemühungen auf diesem Gebiet. Siehe Philippe, E., Innover, connaître et transmettre, L’art de la restauration selon François-Toussaint Haquin, in: Techné 27–28/2008, S. 55–57. 41 Die Funktion dieser Einfassung ist nicht ganz geklärt. Vermutlich diente sie – ähnlich wie sog. „Börtelstreifen“ – zum Schutz der Umschlagränder vor Abrieb im Zierrahmenfalz. 42 Vgl. Engstler, L., Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, Köln/Berlin/Bonn/München 1964 (Annales Universitatis Saraviensis, 8), 91–119. – Paas, S., Schlachtfeld Louvre – Die Rückgabeforderungen der gegen Frankreich verbündeten Mächte, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 328–341 – Savoy, B. (Hg.), Patrimoine annexé, Paris 2003 (Passages, 5), Bd. 1, S. 187–195. 43 Siehe Lenz, M., Österreichisches Kunstgut im Musée Napoléon, Dissertation Universität Wien 1966 (Betr. von A. Lhotsky), S. 115.

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Werke an Österreich.44 Der Rücktransport ging über Ulm nach Wien,45 wo am 30. November fünf Wägen mit 26 Kisten im Belvedere ankamen.46 Von den ehemals Wiener Bildern blieben etwa 40 in Frankreich zurück.47 Infolge des napoleonischen Kunstraubes entwickelte sich die Restaurierungspraxis in Paris schlagartig zur führenden in ganz Europa. Bedingt einerseits durch die Arbeit an maltechnisch äußerst qualitätvollen Werken, andererseits aber auch aufgrund der Notwendigkeit, einer regelrechten Flut von Objekten mit zum Teil sicherlich schwerwiegenden Schäden Herr zu werden, die durch den Transport und unsachgemäßes Handling hervorgerufen worden waren. Während vieler der im 19. Jahrhundert (nicht nur in Frankreich) getroffenen Maßnahmen in späterer Zeit kritisiert und als nicht mehr zeitgemäß empfunden wurden, wird oft übersehen, welche äußeren Umstände dazu bewogen haben. Denn letztlich stellt sich die Frage, ob uns eine Vielzahl der Gemälde ohne diese Eingriffe überhaupt erhalten geblieben wäre. Abstract The following study addresses the restoration history of paintings which were stolen by Napoleon in 180, from the Upper Belvedere palace in Vienna. The works were subsequently brought to Paris and have mainly been returned in 1815. It remains unclear to what extent these artworks were subject to restoration treatment while in France. Recently, Dr. Sabine Pénot (Kunsthistorisches Museum) was able to identify which Viennese paintings were involved in this transfer to Paris. Aided by the list of identified works it is now possible to consult the appropriate files from the paintings department of the Kunsthistorisches Museum, the Austrian State Archives, as well as the Archives des musées nationaux and the Archives nationales, both in Paris, regarding treatment history. Coupled with contemporary (re-newed) examinations of the artworks, it is the intention of this thesis to combine the information from both nations to help to create a more accurate historical and physical record of the identified artworks.

44 Siehe OeStA, HHStA, Frankreich Varia 74,Wien C, I 89 11., Fol. 11. 45 Siehe OeStA, HHStA, OKäA 119 B, Nr. 597/1815 (Brief Bombelles’, 25. 02. 1815) und OeStA, HHStA, OKäA 123 B, Nr. 1549/1815 (Transport Ulm, 16. 09. 1815). 46 Also um 13 Gemäldekisten weniger, als 1809 weggingen. 47 OeStA, HHStA, OKäA 136 B, Nr. 2199/ 1816 (Liste der in Frankreich gebliebenen Gemälde, Lavallée).

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literatur Barrès, F., Les peintures transposées du Musée du Louvre, de 1750 jusqu’à la fin du XIXème siècle, in: I. Verger (Hg.), ICOM 14th triennial meeting Kongress Den Haag, London 2005, Bd. 2, S. 1001–1008. Dupuy-Vachey, M.-A., I. Le Masne Chermont und E. Williamson (Hg.), Vivant Denon, directeur des musées sous le Consulat et l’Empire, Paris 1999. Engstler, L., Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, Köln/Berlin/Bonn/München 1964 (Annales Universitatis Saraviensis, 8). Hoppe-Harnoncourt, A., Geschichte der Restaurierung an der K. K. Gemäldegalerie, in: W. Seipel (Hg.), Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums, 94, Wien 2001, 135–206. Lenz, M., Österreichisches Kunstgut im Musée Napoléon, Dissertation Universität Wien 1966 (Betr. von A. Lhotsky). Martin, E., N. Balcar, E. Philippe und A. Roche, Les compositions de la Galerie des Glaces transposées «selon le nouveau procédé», in: Techné 25/2007, S. 24–31. Paas, S., Schlachtfeld Louvre – Die Rückgabeforderungen der gegen Frankreich verbündeten Mächte, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 328–341. Paas, S., Vernichtung oder Verehrung?, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 130–136. Pénot, S., Der napoleonische Kunstraub im Belvedere (1809) und seine Folgen, in: M. Pfaffenbichler (Hg.), Napoleon. Feldherr, Kaiser und Genie, AK Schallaburg, Schallaburg 2009, S. 111–119. Philippe, E., Innover, connaître et transmettre, L’art de la restauration selon François-Toussaint Haquin, in: Techné 27–28/2008, S. 53–59. Pommier, É., La création des musées de province, les ratures de l’arrêté de l’an IX, in: Revue du Louvre 5/6/1989, S. 328–335. Pommier, É., L’art de la liberté, Paris 1991. Pommier, É., Museum und Bildersturm zur Zeit der Französischen Revolution, in: S. Schade (Hg.), Kunst als Beute, 8, Wien 2000, S. 27–42. Poulot, D., Musée, nation, patrimoine, Paris 1997 (Bibliothèque des histoires). Rosenberg, P., M.-A. Dupuy-Vachey (Hg.), Dominique-Vivant Denon. L’œil de Napoléon, AK Paris (Musée du Louvre), Paris 1999. Savoy, B., Erzwungener Kulturtransfer, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 137–144. Savoy, B. (Hg.), Patrimoine annexé, Paris 2003 (Passages, 5). Steinmann, E., Der Kunstraub Napoleons, Dohna, Y. (Hg.) und C. Roolf (Übers.), Rom 2007. Thate, H., Das Décret Chaptal, in: S. Paas, S. Mertens (Hg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz 1803, AK Mainz (Landesmuseum), Mainz 2003, S. 187– 190.

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Glasschmuck des 16. Jahrhunderts Die Glasschmucksammlung Erzherzog Ferdinands II. in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien1

zusammenfassung Die Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien ist im Besitz einer weltweit einzigartigen und weitgehend unerforschten Sammlung an Glasschmuck aus dem 16. Jahrhundert. Die kostbaren Glasketten, Ohrgehänge, Glasknöpfe, Blumenbouquets und Glasfiguren stammen aus dem Bestand der Kunst- und Wunderkammer Erzherzog Ferdinands II. auf Schloss Ambras bei Innsbruck. Aus Glasröhrchen und Glasstäbchen vor der Flamme einer Öllampe geformt und anschließend kalt verziert sind sie äußerst seltene Zeugnisse einer Technik, deren Ursprung in den Glaszentren Venedig und Florenz zu finden ist. Technologische Einflüsse der italienischen Glaskunst sind ebenso spürbar wie stilistische Einflüsse aus der Goldschmiedekunst, welche gleichzeitig auf die Gebrauchsfunktion des Glasschmucks bei Festlichkeiten am Innsbrucker Hof verweisen. Aufgrund ihrer empfindlichen Oberflächen und komplexen Formgebung sind die Glasschmuckobjekte von Substanzverlust bedroht. Im Rahmen einer Dissertation an der Universität für angewandte Kunst Wien erfolgt nun eine konservierungswissenschaftliche, kunsthistorische und naturwissenschaftliche Aufarbeitung, die für den Erhalt und die Präsentation des fragilen und kostbaren Bestandes unabdingbar ist.

Die Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien ist aufgrund ihrer vielfältigen und qualitativ hochwertigen Bestände weltweit einzigartig. Aus den habsburgischen Kunstsammlungen hervorgegangen, geht sie im Kern auf die Sammlungen von Kaiser Rudolf II. und Erzherzog Ferdinand II. von Tirol zurück. Ferdinands Kunstund Wunderkammer, die ursprünglich auf Schloss Ambras bei Innsbruck untergebracht war, zog bereits zu seinen Lebzeiten Fürsten, Gelehrte und Reisende aus aller Welt an. Die Sammlung beinhaltete bedeutende Kunstwerke, aber auch kuriose Objekte. Neben kostbaren Gold- und Silberschmiedearbeiten, Automaten, Uhren und wissenschaftlichen Instrumenten, Skulpturen aus Bronze, Stein und Holz sowie Kunst1

Laufende Dissertation der Autorin, betreut von Prof. Dr. G. Krist.

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werken aus exotischen Materialien, Musikinstrumenten, Büchern und Handsteinen beinhaltete diese enzyklopädische Universalsammlung auch eine Reihe von einzigartigen Werken der Glaskunst. Zu den erhaltenen Stücken zählt eine große Sammlung an zerbrechlichem Glasschmuck, die heute 391 Objekte umfasst. Die reich gestalteten Glasketten bestehen aus hauchdünnen Glasperlen oder Glasringen, die sich zu komplexen Mustern verbinden (Abb. 1). Zarte Ohrgehänge in Vasen- oder Schiffchenform tragen schwertförmige gläserne Anhängsel (Abb. 2) und zerbrechliche, sternförmige Glasknöpfe werden von hauchdünnen Glasperlen bekrönt (Abb. 3). In zierlichen Blumenbouquets mit fein ausgearbeiteten Blüten sitzen winzige Glasvögelchen. Die lebendigen Glasfiguren in Menschen- oder Tiergestalt, oft halb Fabelwesen, bilden den Höhepunkt der Sammlung (Abb. 4). Die Besonderheit der Glasschmucksammlung ist durch die Einmaligkeit der Ausführung und die außergewöhnliche Seltenheit der Stücke begründet. Trotz der Einzigartigkeit dieses wertvollen Bestandes fehlen bis heute grundlegende Forschungen. Aus diesem Grund ist nur wenig über die Entstehung der Ambraser Glasschmucksammlung bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass ihre Geschichte eng mit der Persönlichkeit Erzherzog Ferdinands II. verknüpft ist. Als ein Mensch mit vielfältigen Interessen schloss seine Sammlertätigkeit bereits früh Kunstwerke aus Glas mit ein. Die Vorliebe Ferdinands II. galt sowohl dem höfischen Gebrauchsglas als auch wertvollen Einzelanfertigungen. Um 1570 ließ er deshalb im Fasanengarten der Innsbrucker Hofburg eine Glashütte errichten. Die Hütte sollte Glas ausschließlich nach den Wünschen des Erzherzogs erzeugen und nur den Bedarf des Hofes decken. Da die Monopolstellung Venedigs in der Glaserzeugung dadurch nicht gefährdet war, stellte ihm die venezianische Regierung leihweise Glasmacher zur Verfügung.2 Es handelte sich dabei um hervorragende Meister, die nach Erledigung ihres Auftrages sofort nach Venedig zurückkehrten.3 Namentlich bekannt sind die Glasmacher Salvatore Savonetti, Sebastiano Savonetti und Andrea Tudin.4 Im Jahr 1578 forderte der Erzherzog schließlich einen Glasmacher an, der vergoldete gläserne Ketten machen konnte. Außerdem bat er 1590 den Grafen Wilhelm von Zimmern, ihm seinen Glasarbeiter zu überlassen, der ebenfalls gläserne Ketten und ähnliche Glasprodukte fertigte.5 2

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Egg, E., Die Glashütten zu Hall und Innsbruck im 16. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, Schriftenreihe der Jubiläumsstiftung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, Bd. 15, Innsbruck 1962, 45 ff. Schlosser, I., Das alte Glas. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, Bibliothek für Kunst- und Antiquitäten-Freunde, Bd. 36, Braunschweig 1956, S. 123. Page, J., Venetian Glass in Austria, in: Page J. (Hg.), Beyond Venice. Glass in Venetian Style, 1500–1750, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2004, S. 20–83, S. 43 ff. Egg, E., Die Glashütten zu Hall und Innsbruck im 16. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, Schriftenreihe der Jubiläumsstiftung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, Bd. 15, Innsbruck 1962, S. 49 ff.

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Tatsächlich zählen gläserne vergoldete Ketten zum Bestand der Ambraser Glasschmucksammlung. Im Nachlassinventar Ferdinands II. von 1596 wird außerdem eine gläserne schwarze Kette erwähnt und mehrere Ketten dieser Art sind heute noch erhalten.6 Gestalterische Merkmale, die allen Sammlungsobjekten gemein sind, verweisen außerdem auf die venezianische Glaskunst. Besonders charakteristisch ist die Verwendung von transparentem und farblosem Glas, dass zu dieser Zeit und in dieser Qualität nur in Venedig erzeugt werden konnte.7 Gleichermaßen passend ist auch das für die Ambraser Glasschmuckobjekte verwendete Farbspektrum. Zum Einsatz kam transparentes violettes, rotes, türkisblaues und grünes Glas sowie weißes opakes Glas. Venezianische Gläser zeichnen sich zudem oft durch Vergoldungen und gläserne Applikationen in Form von Tupfen und aufgelegten Glasfäden aus.8 Obwohl nach bisherigem Stand der Forschung in den Ambraser Inventaren nur von gläsernen Ketten die Rede ist, wird die gesamte Glasschmucksammlung der Innsbrucker Hofglashütte zugeordnet und auf den Zeitraum zwischen 1570 und 1591 datiert. Neue Erkenntnisse liefert jedoch die Betrachtung der Sammlung unter technologischen Gesichtspunkten. Die meisten Produkte der venezianischen Glaserzeugung entstanden vor dem Glasofen. Die heiße Glasmasse wurde mithilfe der Glasmacherpfeife, zahlreicher Scheren, Hölzer und Modeln bearbeitet. Zur Herstellung der dünnwandigen und zarten Glasschmuckobjekte waren diese Werkzeuge ungeeignet. Eine Möglichkeit zur Herstellung kleiner und komplexer Glasgegenstände stellte jedoch die Methode des „Glasarbeitens vor der Lampe“9 dar. Bei dieser Technik wurden feine Glasröhrchen und Glasstäbchen aus niedrig schmelzendem Glas vor der Flamme einer Öllampe geblasen, geformt und miteinander verschmolzen. Die Tätigkeit wurde an einem Arbeitstisch ausgeführt, unter dem sich ein Blasebalg mit zwei Kammern befand. Die eine Kammer füllte sich durch das Treten eines Pedals mit Luft, während durch Einsatz eines Gewichtes die Luft aus der anderen Kammer entwich. Der Luftstrom wurde über ein Rohr seitlich in die Flamme der auf dem Tisch stehenden Öllampe geleitet. Dadurch ergab sich eine gleichmäßige, horizontale Flamme von großer Hitze, vor der die halbfertigen Glaswaren verarbeitet werden konnten.10 6

Page, J., Venetian Glass in Austria, in: Page J. (Hg.), Beyond Venice. Glass in Venetian Style, 1500–1750, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2004, S. 20–83, S. 51 f. 7 Theuerkauff-Liederwald, A., Venezianisches Glas der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Die Sammlung Herzogs Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), Venedig, A la façon de Venise, Spanien, Mitteleuropa, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Lingen 1994, S. 24 f., und Weiss, G., Ullstein Gläserbuch. Eine Kultur- und Technikgeschichte des Glases, Berlin 1966, S. 300. 8 Mariacher, G., Edle Gläser von der Antike bis Murano. Mailand 1959, S. 26, und Schlosser, I., Das alte Glas. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, Bibliothek für Kunst- und Antiquitäten-Freunde, Bd. 36, Braunschweig 1956, S. 117. 9 Auch: „Glasblasen vor der Lampe“ oder „Lampenarbeit“. 10 Lierke, R., Early history of lampwork – Some facts, findings and theories. Part 1, Kunckel’s description of

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Die Hohlglasperlen der Ambraser Glasketten entstanden wohl durch Einblasen von Luft in die heißen Glasröhrchen, während die ringförmigen Kettenglieder aus gebogenen Glasstäbchen gefertigt wurden. Einige der Glasperlen wurden anschließend mit farbigen Überzügen versehen, versilbert oder verspiegelt. Die Ohrgehänge und Knöpfe erhielten ein gewickeltes Gerüst, das mit vielfältigen Glasapplikationen überspielt wurde. Mit feinen Zangen wurden die Blütenblätter der Blumenbouquets ausgearbeitet und angesetzte Glaspunkte zu hauchdünnen Staubgefäßen ausgezogen. Die Körper der zahlreichen Glasfiguren wurden sowohl hohl geblasen als auch massiv über einem Drahtgerüst gefertigt. Einige der Glasblüten und Figürchen wurden abschließend mit roter Kaltbemalung versehen.11 Die vielfältigen Techniken, die vor der Glasbläserlampe ausgeübt werden konnten, erforderten wohl Schnelligkeit, Erfahrung und genaue Kenntnis des Materials. Klassische Methoden der Glasbearbeitung wurden dabei abgewandelt und durch kalt applizierten Dekor ergänzt. Der neuzeitliche Ursprung und die Verbreitung der Technik des Glasblasens vor der Lampe sind bis heute weitgehend unerforscht. Dies liegt vor allem daran, dass nur wenige der zerbrechlichen Stücke den Lauf der Zeit überdauerten. Ein frühes Zentrum der Lampenarbeit war wohl Venedig, obwohl nur wenige Belege dafür existieren. So kann die Tätigkeit der Glasperlenhersteller erst ab 1629 zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die „margaritai“ oder „perlieri“ fertigten Glasperlen vor der Lampe, die als Ketten oder für Rosenkränze Verwendung fanden.12 Im Inventar der Kunstsammlung des Augsburger Kunstagenten Philipp Hainhofer werden hingegen bereits ab 1612 gläserne Blumen und Vögel erwähnt, die er in einen eigens dafür gearbeiteten Blumenkrug setzen ließ. Es handelte sich dabei um Geschenke des Herzogs Philip II von Pommern-Stettin lampworking in the “Ars Vitraria Experimentalis”, in: Glastechnische Berichte, Bd. 63, Nr. 12, Frankfurt am Main 1990, S. 363–369, S. 363 ff. und Kunckel, J., Ars vitraria experimentalis oder Vollkommene Glasmacher-Kunst. Documenta Technica, Darstellungen und Quellen zur Technikgeschichte, Reihe II, Hildesheim 1992, S. 398 ff. 11 Schreiber, E., Die Glasblasekunst sowohl auf der Glashütte, als an der Glasbläserlampe, oder die Verfertigung des Hohl- und Tafelglases, der Glasglocken, Glasröhren und Uhrgläser; ferner die Verfertigung mannichfaltiger physikalischer und chemischer Geräthe und Apparate, insbesondere der Barometer und Thermometer; die Fabrication der unächten Perlen, der Strick- und Stickperlen, der künstlichen Augen, kleiner Figuren, Blumen, Früchte und Spielzeuge; und endlich das Spinnen des Glases zu Reiherbüschen, Glasfedern und den prachtvollen Geweben. Nebst Erläuterungen über das Schneiden, Sprengen, Durchlochen, Aetzen, Schleifen und Kitten des Glases, über das Belegen desselben mit Zinn-Amalgam, über das Vergolden, Versilbern und Verplatinieren des Glases. Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. 177, Weimar 1849, S. 36 ff. 12 Schlosser, I., Das alte Glas. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, Bibliothek für Kunst- und Antiquitäten-Freunde, Bd. 36, Braunschweig 1956, S. 93 f., und Ganzenmüller, W., Beiträge zur Geschichte der Technologie und der Alchemie. Weinheim 1956, S. 73, und Lierke, R., Early history of lampwork – Some facts, findings and theories. Part 1, Kunckel’s description of lampworking in the “Ars Vitraria Experimentalis”, in: Glastechnische Berichte, Bd. 63, Nr. 12, Frankfurt am Main 1990, S. 363–369, S. 368.

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aus Venedig.13 Bei der Beschreibung des Inhaltes eines Kunstschrankes spricht Hainhofer außerdem von gläsernen Ketten und Ohrgehängen aus der Werkstatt des Venezianers Luca Trono.14 Verzierungen in Form von Blüten oder Tierfiguren finden sich im 17. und 18. Jahrhundert auf zahlreichen venezianischen Gefäßen und Pokalen. Genannt seien auch jene großflächigen Tafeldekorationen, die mit Bäumchen und Blumen, Säulen und Balustraden sowie Brünnlein aus Glas geschmückt sind.15 Neben Venedig ist auch Florenz als Zentrum der Arbeit vor der Glasbläserlampe zu betrachten. Antonio Neri berichtet 1612 von der Tätigkeit seines Freundes Niccolo di Vincenzo Landi, den er als Meister der Glasarbeit vor der Lampe bezeichnet.16 Bereits 1591 fertigte Landi Glasblüten und Tierfiguren, wie beispielsweise Rosen und Skorpione, neben einer Vielzahl von anderen Glasobjekten. Er war sowohl als Lampenarbeiter als auch als Glasbläser für den Hof der Medici tätig. Für Ferdinando de’ Medici errichtete er einen Glasofen und unter dessen Sohn Cosimo II. de’ Medici leitete er die Glashütte im Boboli-Garten.17 Die alchemistischen Bestrebungen der Zeit führten im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts zu einer Spezialisierung der Florentiner Glashütten auf die Herstellung von wissenschaftlichem Glas.18 Die Arbeit vor der Lampe bildete die Grundlage zur Erzeugung der zahlreichen Phiolen, Thermometer und Destillierkolben, die äußerst kunstvoll und formschön ausgearbeitet wurden.19

13 Doering, O., Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Reisen nach Innsbruck und Dresden. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit, Wien 1901, S. 42 f. 14 Gobiet, R., Der Briefwechsel zwischen Philipp Hainhofer und Herzog August d.J. von BraunschweigLüneburg. Forschungshefte Bayerisches Nationalmuseum München, Bd. 8, München 1984, S. 850. 15 Barovier Mentasti, R., Il vetro veneziano. Dal Medioevo al Novecento, Mailand 1988, S. 154. 16 Kunckel, J., Ars vitraria experimentalis oder Vollkommene Glasmacher-Kunst. Documenta Technica, Darstellungen und Quellen zur Technikgeschichte, Reihe II, Hildesheim 1992, S. 67. 17 Lierke, R., Early history of lampwork – Some facts, findings and theories. Part 1, Kunckel’s description of lampworking in the “Ars Vitraria Experimentalis”, in: Glastechnische Berichte, Bd. 63, Nr. 12, Frankfurt am Main 1990, S. 363–369, S. 367, und Page, J., Venetian Glass in Austria, in: Page J. (Hg.), Beyond Venice. Glass in Venetian Style, 1500–1750, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2004, S. 20–83, S. 53, Theuerkauff-Liederwald, A., Venezianisches Glas der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Die Sammlung Herzogs Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), Venedig, A la façon de Venise, Spanien, Mitteleuropa, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Lingen 1994, S. 21, und Heikamp, D., Studien zur mediceischen Glaskunst. Archivalien, Entwurfszeichnungen, Gläser und Scherben, Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, Florenz 1986, S. 96. 18 Engle, P., Depicting Alchemy: Illustrations from Antonio Neri’s 1599 Manuscript, in: Kerssenbrock-Krosigk, D. (Hg.), Glass of the Alchemists. Lead Crystal-Gold Ruby, 1650–1750, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2008, S. 49–61, S. 48 ff. 19 Mariacher, G., Edle Gläser von der Antike bis Murano. Mailand 1959, S. 47 f., und Lierke, R., Early history of lampwork – Some facts, findings and theories. Part 1, Kunckel’s description of lampworking in the “Ars Vitraria Experimentalis”, in: Glastechnische Berichte, Bd. 63, Nr. 12, Frankfurt am Main 1990, S. 363–369, S. 366.

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Die beiden Zentren Venedig und Florenz sind jedoch nicht nur als Zentren der Lampenarbeit von Bedeutung, sondern kommen auch als direkter Herkunftsort mancher Stücke der Glasschmucksammlung infrage. Während die Ohrgehänge und Knöpfe größtenteils einheitlich erscheinen, sind die Glasketten, Blumenbouquets und Glasfigürchen in Größe, Gestaltung und Herstellungsart unterschiedlich. Hinzu kommt die Tatsache, dass Erzherzog Ferdinand II. verschiedenste Glasprodukte in Venedig bestellte und diese auch erhielt.20 Zu ihnen zählen beispielsweise drei äußerst seltene Figuren der Commedia dell’Arte21, die aus technologischer Sicht mit einigen Glasschmuckobjekten verwandt sind. Zudem waren die dynastischen Beziehungen zwischen Tirol und Florenz sehr eng und Ferdinand II. war wohl über die Arbeit der Glashütte am Hof der Medici unterrichtet.22 Mehrere Glasobjekte, wie beispielsweise ein äußerst kunstfertig gearbeiteter Glasskorpion23, könnten deshalb durch Ankauf oder als Geschenke aus Venedig oder Florenz an den Innsbrucker Hof gelangt sein. Anzudenken ist auch, dass einige Stücke von den in Innsbruck tätigen Glasmachern mitgebracht und andere vor Ort gefertigt wurden.24 In der Innsbrucker Hofglashütte wurden neben Fensterglas, höfischem Gebrauchsglas und gläsernen Ketten auch zahlreiche Einzelstücke gefertigt, die nur schwer einer bestimmten Kategorie zuzuordnen sind. Zu diesen Objekten zählen gläserne Schachbretter, Glasbilder und Prunkpokale mit figuralen Szenen. Eine Sonderstellung nimmt der in einen Käfig gesetzte Glasberg25 ein, welcher von Menschen- und Tiergestalten bevölkert wird. Ähnlichkeiten mit vielen Stücken der Glasschmucksammlung sind nicht von der Hand zu weisen. Alle Glasobjekte demonstrieren zudem eine künstlerische Unabhängigkeit, welche wohl auf die persönliche Imagination und den Einfluss Ferdinands II. als Auftraggeber zurückzuführen ist. Für viele Stücke darf deshalb die gestalterische Mitwirkung Erzherzog Ferdinands II. angenommen werden, die sich auf Gestaltung und Formgebung auswirkte.26 Im Zusammenhang mit möglichen Herstellungsorten muss allerdings auch eine wei20 Egg, E., Die Glashütten zu Hall und Innsbruck im 16. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, Schriftenreihe der Jubiläumsstiftung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, Bd. 15, Innsbruck 1962, S. 45 f. 21 Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.-Nr. KK 2705, KK 2711 und KK 2714. 22 Sandbichler, V., Festkultur am Hof Erzherzog Ferdinands II., in: Noflatscher, H./Niederkorn, J. (Hg.), Der Innsbrucker Hof. Residenz und höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19. Jahrhundert, Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 138, Wien 2005, S. 159–174, S. 167, und Scheicher, E., Die Kunst- und Wunderkammern der Habsburger, Wien 1979, S. 138. 23 Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.-Nr. KK 2788. 24 Theuerkauff-Liederwald, A., Venezianisches Glas der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Die Sammlung Herzogs Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), Venedig, A la façon de Venise, Spanien, Mitteleuropa, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Lingen 1994, S. 23. 25 Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.-Nr. AM PA 1184. 26 Scheicher, E., Die Kunst- und Wunderkammern der Habsburger, Wien 1979, S. 109.

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tere Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Erzherzog Ferdinand protegierte als Landesfürst von Tirol auch die Glashütte in Hall, die bereits 1534 gegründet worden war und mithilfe von italienischen Glasmachern farbloses Glas „à façon de Venise“27 erzeugte.28 Die Glaserzeugung erstreckte sich hauptsächlich auf die Herstellung farblosen Fensterglases, allerdings wurden auf Bestellung auch Trinkgefäße mit venezianischen Formen gefertigt. Die Erzeugung von lampengearbeiteten Glasschmuckobjekten scheint unwahrscheinlich. Allerdings fertigte die Hütte für Erzherzog Ferdinand II. auch Einzelstücke an. 1558 bestellte er im Rahmen eines größeren Auftrages sogenannte „Schwimmerle“. 29 Dabei handelte es sich möglicherweise um hohle Glaskugeln, in denen, halb mit Wasser gefüllt, kleine gläserne Objekte wie beispielsweise Schwäne schwammen.30 Sonderanfertigungen wie diese scheinen zwar die Ausnahme geblieben zu sein, dennoch soll die Haller Glashütte von den Überlegungen zur Provenienz einzelner Stücke der Ambraser Sammlung nicht ausgeschlossen werden. Letztendlich wirft die Betrachtung der Glasschmucksammlung die Frage nach ihrem Sinn und Nutzen auf. Sämtliche Stücke zeugen von der Freude am Spiel mit dem Material. Bei vielen Glasketten, Ohrgehängen und Knöpfen steht die Materialwirkung des Glases im Vordergrund. Farblose Glasringe sind von ausgezogenen Luftblasen durchwirkt und erhalten dadurch silbrigen Schimmer. Schlichte Perlen, aus verschiedenfarbigen Gläsern geblasen, gewinnen durch komplexe Musterung ihren Reiz. Andere Stücke sind durch zeitgleiche Goldschmiedearbeiten beeinflusst. Vergoldete Hohlglasperlen mit aufgelegten und gedrehten Glasfäden erinnern an Goldfiligran und farbige Glasapplikationen gemahnen an Emaildekor und Edelsteinbesatz.31 Durch ihre vielfältige und fantasievolle Gestaltung und als Zeugnisse höchster Handwerkskunst stellten sie wohl beliebte Sammlerstücke dar.32 Manches weist aber auch darauf hin, dass der Glasschmuck trotz seiner Zerbrechlichkeit zum persönlichen Schmuck und Putz diente. So weisen die Glasknöpfe metallene Ösen zur Befestigung an der Kleidung auf. Einige Blumenbou27 Französisch: „nach venezianischem Vorbild“. 28 Schlosser, I., Das alte Glas. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, Bibliothek für Kunst- und Antiquitäten-Freunde, Bd. 36, Braunschweig 1956, S. 122 f. 29 Egg, E., Die Glashütten zu Hall und Innsbruck im 16. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, Schriftenreihe der Jubiläumsstiftung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, Bd. 15, Innsbruck 1962, S. 36 f. 30 Doering, O., Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Reisen nach Innsbruck und Dresden. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit, Wien 1901, S. 294 und Page, J., Venetian Glass in Austria, in: Page, J. (Hg.), Beyond Venice. Glass in Venetian Style, 1500– 1750, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2004, S. 20–83, S. 41. 31 Seipel, W. (Hg.), Prinzenrolle. Kindheit vom 16. bis 18. Jahrhundert, Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien 2007, S. 206. 32 Seipel, W. (Hg.), Spielwelten in der Kunst. Kunstkammerspiele, Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien 1998, S. 69.

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quets sind an den Enden mit textilen Fäden umwickelt und waren wohl als Hut- oder Haarschmuck gedacht.33 Anlass zum Tragen der fragilen Schmuckstücke könnten die zahlreichen Theateraufführungen und Festlichkeiten am Innsbrucker Hof gewesen sein. Erzherzog Ferdinand II. war nicht nur Veranstalter dieser Feste, sondern auch Erfinder beziehungsreicher Festprogramme mit mythologischen, religiösen und politischen Bezügen.34 Als Sammlerstücke und Gebrauchsgegenstände waren die zerbrechlichen Kunstwerke wohl von Beginn an von Substanzverlust bedroht. Lampengearbeitete Glasobjekte sind aufgrund ihrer empfindlichen Oberflächen und komplexen Formgebung besonders anfällig gegenüber mechanischen Einwirkungen und klimatischen Schwankungen. So sind an den Glasoberflächen matte und getrübte Bereiche erkennbar, die auf Glaskorrosion schließen lassen. Faktoren dafür sind die chemische Zusammensetzung des Glases und die Bedingungen in seiner Umgebung. Durch Austausch mit der Atmosphäre kommt es zu Korrosionsvorgängen, die letztendlich zum Abbau der Glasoberfläche führen können. Aufgrund der geringen Materialstärken der Glasschmuckobjekte birgt die Glaskorrosion großes Schadenspotenzial. Hinzu kommen zahlreiche mechanische Beschädigungen in Form von Sprüngen, Brüchen und Fehlstellen. Bei zahlreichen Objekten liegen Materialkombinationen in Form von Metall und Glas vor. Durch Korrosionserscheinungen der metallenen Drähte kommt es zu Absprengungen der Glasmasse. Zur Bildung von Rissen und Brüchen trug auch das Verbinden und Verschmelzen verschiedener Glasarten mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten bei. Verluste sind auch an den zarten gläsernen Tupfen und Glasfadenauflagen zu verzeichnen. Spannungen zwischen Glasapplikationen und Untergrund führten zu verringerter Haftung und in weiterer Folge zum Abplatzen der Verzierungen. Verstärkt wird dies vor allem durch Objektbewegungen wie Handhabung oder Transport. Aus diesem Grund weisen die Glasoberflächen wohl auch Rückstände eines gealterten Überzuges auf. Er diente wohl zur Sicherung und haftet sowohl auf vergoldeten Oberflächen als auch in den Vertiefungen der gläsernen Tupfen und Fadenauflagen. Auch die kalten Verzierungen sind von Schäden betroffen. Farbige Überzüge lösen sich vom Untergrund, Verspiegelungen korrodieren und Farbfassungen sind stark abgerieben. Trotz zahlreicher Schäden sind die Glasschmuckobjekte, nicht zuletzt dank der Abgeschiedenheit von Schloss Ambras, jedoch in gutem Zustand erhalten.

33 Gobiet, R., Der Briefwechsel zwischen Philipp Hainhofer und Herzog August d.J. von BraunschweigLüneburg. Forschungshefte Bayerisches Nationalmuseum München, Bd. 8, München 1984, S. 484, und Doering, O., Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Reisen nach Innsbruck und Dresden. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit, Wien 1901, S. 44 f. 34 Sandbichler, V., Festkultur am Hof Erzherzog Ferdinands II., in: Noflatscher, H., Niederkorn, J. (Hg.), Der Innsbrucker Hof. Residenz und höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19. Jahrhundert, Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 138, Wien 2005, S. 159–174, S. 173.

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Zwischen 1875 und 1880 gelangte die Glasschmucksammlung schließlich von Tirol ins Untere Belvedere und von dort ins Kunsthistorische Museum nach Wien. Die Besonderheit der Sammlung wurde bereits relativ früh erkannt, denn historische Fotografien vom Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen die Glasschmuckobjekte in gläsernen Vitrinen. Die Blumenbouquets und Glasfigürchen wurden stehend befestigt und die Glasknöpfe waren lose in den Vitrinen arrangiert. Glasketten und Ohrgehänge wurden hängend präsentiert. Später wurde die Sammlung ins Depot des Kunsthistorischen Museums verbracht, wo sie sich auch heute noch befindet. Die Schauräume der Kunstkammer wurden im Jahr 2002 aufgrund dringend notwendiger Sanierungsarbeiten geschlossen. Im Rahmen der Neuaufstellung soll die Ausstellungssituation nun sowohl in konservatorischer als auch in ästhetischer Hinsicht verbessert werden. Dadurch sollen optimale Bedingungen für die Präsentation der einzigartigen Bestände geschaffen werden, zu denen auch die Glasobjekte der Ambraser Glasschmucksammlung zählen. Eine umfassende konservierungswissenschaftliche, kunstgeschichtliche und naturwissenschaftliche Aufarbeitung soll im Rahmen einer Dissertation an der Universität für angewandte Kunst in Kooperation mit dem Kunsthistorischen Museum Wien erfolgen. Gleichzeitig soll eine genaue Schadenserfassung durchgeführt und ein detailliertes Konservierungskonzept erarbeitet werden. Beides bildet die Grundvoraussetzung für die Ausstellung und Erhaltung der so fragilen und kostbaren Glasschmucksammlung. Abstract The Kunstkammer at the Kunsthistorisches Museum in Vienna holds a collection of 16thcentury glass jewellery and small ornaments which is not only one of a kind worldwide but also largely unresearched. The precious glass chains, earrings, buttons, floral bouquets and figurines were originally part of Archduke Ferdinand II’s Kunst- and Wunderkammer at Ambras Castle near Innsbruck. Shaped in front of an oil lamp’s flame out of fine glass rods and tubes prior to being cold- decorated, they are rare documents of a technique originating from the glass-making centres Venice and Florence. Technological influences of Italian glass production are as much perceptible as stylistic impacts of contemporary goldsmith’s work, which refers to the glass jewellery’s usage at the revelries at Innsbruck court. Due to their sensitive surfaces and complex structures the glass items are in danger of loss. In the scope of a dissertation at the University of Applied Arts a comprehensive conservation, art historical and scientific research is carried out, which forms the prerequisite for the preservation and presentation of the fragile and precious holdings.

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literatur Barovier Mentasti, R., Il vetro veneziano. Dal Medioevo al Novecento, Mailand 1988. Doering, O., Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Reisen nach Innsbruck und Dresden. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit, Wien 1901. Egg, E., Die Glashütten zu Hall und Innsbruck im 16. Jahrhundert. Tiroler Wirtschaftsstudien, Schriftenreihe der Jubiläumsstiftung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, Bd. 15, Innsbruck 1962. Engle, P., Depicting Alchemy: Illustrations from Antonio Neri’s 1599 Manuscript, in: Kerssenbrock-Krosigk, D. (Hg.), Glass of the Alchemists. Lead Crystal-Gold Ruby, 1650–1750, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2008, S. 49–61. Ganzenmüller, W., Beiträge zur Geschichte der Technologie und der Alchemie, Weinheim 1956. Gobiet, R., Der Briefwechsel zwischen Philipp Hainhofer und Herzog August d.J. von Braunschweig-Lüneburg. Forschungshefte Bayerisches Nationalmuseum München, Bd. 8, München 1984. Heikamp, D., Studien zur mediceischen Glaskunst. Archivalien, Entwurfszeichnungen, Gläser und Scherben, Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, Florenz 1986. Kunckel, J., Ars vitraria experimentalis oder Vollkommene Glasmacher-Kunst. Documenta Technica, Darstellungen und Quellen zur Technikgeschichte, Reihe II, Hildesheim 1992. Lierke, R., Early history of lampwork – Some facts, findings and theories. Part 1, Kunckel’s description of lampworking in the “Ars Vitraria Experimentalis”, in: Glastechnische Berichte, Bd. 63, Nr. 12, Frankfurt am Main 1990, S. 363–369. Mariacher, G., Edle Gläser von der Antike bis Murano. Mailand 1959. Page, J., Venetian Glass in Austria, in: Page, J. (Hg.), Beyond Venice. Glass in Venetian Style, 1500–1750, The Corning Museum of Glass, Corning, New York 2004, S. 20–83. Sandbichler, V., Festkultur am Hof Erzherzog Ferdinands II., in: Noflatscher, H./Niederkorn, J. (Hg.), Der Innsbrucker Hof. Residenz und höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19. Jahrhundert, Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 138, Wien 2005, S. 159–174. Scheicher, E., Die Kunst- und Wunderkammern der Habsburger, Wien 1979. Schlosser, I., Das alte Glas. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, Bibliothek für Kunst- und Antiquitäten-Freunde, Bd. 36, Braunschweig 1956. Schreiber, E., Die Glasblasekunst sowohl auf der Glashütte, als an der Glasbläserlampe, oder die Verfertigung des Hohl- und Tafelglases, der Glasglocken, Glasröhren und Uhrgläser; ferner die Verfertigung mannichfaltiger physikalischer und chemischer Geräthe und Apparate, insbesondere der Barometer und Thermometer; die Fabrication der unächten Perlen, der Strick- und Stickperlen, der künstlichen Augen, kleiner Figuren, Blumen, Früchte und Spielzeuge; und endlich das Spinnen des Glases zu Reiherbüschen, Glasfedern und den prachtvollen Geweben. Nebst Erläuterungen über das Schneiden, Sprengen, Durchlochen, Aetzen, Schleifen und Kitten des Glases, über das Belegen desselben mit Zinn-Amalgam, über das Vergolden, Versilbern und Verplatinieren des Glases. Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. 177, Weimar 1849.

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Seipel, W. (Hg.), Prinzenrolle. Kindheit vom 16. bis 18. Jahrhundert, Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien 2007. Seipel, W. (Hg.), Spielwelten in der Kunst. Kunstkammerspiele, Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, Wien 1998. Theuerkauff-Liederwald, A., Venezianisches Glas der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Die Sammlung Herzogs Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), Venedig, A la façon de Venise, Spanien, Mitteleuropa, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Lingen 1994. Weiss, G., Ullstein Gläserbuch. Eine Kultur- und Technikgeschichte des Glases, Berlin 1966.

roberta renz

Frühe Verwendung von Kunstharzen in der österreichischen und deutschen Malerei1

zusammenfassung Der Frage, wie verbreitet synthetische Harze in der Malerei der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind, wird in der vorliegenden Arbeit für den österreichischen und deutschen Raum nachgegangen. Neben der Aufarbeitung und Auswertung der maltechnischen Diskurse der etablierten Künstlerschicht, welche sich zurückhaltend und zeitlich verzögert den synthetischen Harzen widmete, sollen auch jene Künstlergruppen betrachtet werden, die dessen ungeachtet bereits früh mit Kunstharzprodukten experimentierten. Folgende Aspekte werden dabei beleuchtet: Wie stellte sich die Situation in der Farben- und Lackindustrie dar, welche aus kriegswirtschaftlichen Gründen auf synthetische „Ersatzstoffe“ für natürliche Öle und Harze angewiesen war? Weshalb etablieren sich Kunstharze in der Malerei erst später? Welche Kunstharze bzw. Produktsorten österreichischer und deutscher Firmen wurden diskutiert und für die Malerei in Betracht gezogen? Der Schwerpunkt wird dabei auf die Zeit von 1900–1960, also vor dem durchschlagenden Erfolg der Künstlertubenfarben auf Basis von Acrylharzdispersion, gelegt.

Wie wahrscheinlich ist das Vorhandensein von synthetischen Harzen in Gemälden aus den 1930er-Jahren? Welche Kunstharze waren zu dieser Zeit in Österreich und Deutschland verfügbar und den Künstlern bekannt und wurden diese überhaupt an Gemälden angewandt? Wenn ja, gehören jene Künstler, die mit Kunstharzen arbeiteten, bestimmten Stilrichtungen an und was waren ihre Beweggründe? Diesen Fragen und damit der Entwicklung, die letztlich zu der gegenwärtigen Akzeptanz von Kunstharzdispersionen als Bindemittel von Grundierungen und Künstlerfarben geführt, soll die hier vorgestellte Doktorarbeit für den Zeitraum von ca. 1900–1960 nachgehen.

1

Laufende Dissertation der Autorin, betreut von Prof. Dr. G. Krist und Prof. Dr. V. Schaible.

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Roberta Renz

einleitendes Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Herstellung von Malfarben und Firnissen sowie die Grundierung von Leinwänden bereits seit einigen Jahrzehnten vorwiegend in die Verantwortung von Farbenfabriken übergegangen. Dieser vorerst bereitwillig angenommenen Entwicklung folgt bald eine große Verunsicherung angesichts der auffallend schlecht erhaltenen Gemälde der vorangegangenen Jahrzehnte. Typische Schadensbilder der Malschicht wie Frühschwundrisse, Runzelbildung oder schlechte Trocknung werden auf die Verwendung fabriksfertiger Tubenfarben unbekannter Zusammensetzung, aber auch auf das Fehlen einer traditionellen maltechnischen Ausbildung der Künstler zurückgeführt. Mit der schlechten Qualität der aus dem Steinkohleteer ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gewonnenen synthetischen organischen Farbstoffe, der sog. „Teerfarbstoffe“ oder „Anilinfarben“2, erreicht die Verunsicherung einen Höhepunkt. Die erste Generation dieser besonders farbintensiven, leuchtenden Farbstoffe enttäuscht bald aufgrund ihrer unzureichenden Lichtechtheit und der leichten Löslichkeit in diversen Bindemitteln. Das Misstrauen gegenüber den Versprechungen der Farbenfirmen ist demnach bereits Ende des 19. Jahrhunderts groß und veranlasst schließlich Adolf Wilhelm Keim dazu, die „Deutsche Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren“ zu gründen, deren Aufgabe es ist, falsche Versprechen der Farbenindustrie offenzulegen und Aufklärung über die Zusammensetzung und Beständigkeit neu auf den Markt gekommener Malfarben zu betreiben. Erkenntnisse, Studien, Untersuchungen sowie gerichtliche Auseinandersetzungen mit Farbenfirmen werden von der Gesellschaft in der Zeitschrift „Praktisch- und Chemisch-Technische Mitteilungen für Malerei und Baumaterialienkunde“, später „Technische Mitteilungen für Malerei“ veröffentlicht. Eine weitere Forderung der „Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren“ war die Rückkehr zur Technik alter Meister und die entsprechende maltechnische Ausbildung der Studenten an den Kunstschulen. Die scheinbar ursprüngliche Farbenpracht und der erstaunliche Erhaltungszustand mittelalterlicher Tafelbilder sprechen nach damaligem Dafürhalten vor allem für die Temperatechnik, welcher zahlreiche Abhandlungen gewidmet sind. Durch das Anfertigen von Kopien nach alten Meistern soll deren Maltechnik und damit das Handwerk wieder erlernt und geübt werden. Der Vormarsch industriell gefertigter Malmaterialien lässt sich dennoch nicht aufhalten und man versucht schließlich, sich den Gegebenheiten anzupassen, jedoch Normen und Kontrollen zum Schutze des Verbrauchers einzuführen.3 2 3

Frühe Bezeichnung für die ersten synthetischen organischen Farbstoffe. Das Anilin, welches zur Synthese dieser Farbstoffe benötigt wurde, wurde aus dem Steinkohlenteer gewonnen. Zusammengefasst wurden diese Bestrebungen A. W. Keims schließlich im „Deutschen Farbenbuch“: Trillich, H. (Hg.), Das deutsche Farbenbuch, Heller, München 1926.

Frühe Verwendung von Kunstharzen

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kunstharze in der malerei Angesichts dieser Stimmungslage ist es nicht verwunderlich, dass bis in die 30er-Jahre in den bekannten Maltechnikbüchern4 – also von „offizieller Seite“ – kaum Erwähnungen oder gar Empfehlungen von Kunstharzen für die Malerei zu finden sind. Der Tonfall ist vorsichtig und zurückhaltend, die Freude und Neugierde am Experimentieren mit neuen Materialien wird durch eindringliche Warnungen vor Misserfolgen gedämpft. Lediglich die bereits seit dem späten 19. Jahrhundert bekannten Cellulosenitratlacke scheinen von Interesse. Cellulosenitrat ist ein chemisch abgewandelter Naturstoff, welcher durch Umsetzung der Cellulose mit Salpetersäure gewonnen wird. Die Lacke enthielten neben weich machenden Zusätzen häufig auch noch andere Harze. Als Fixativ für Aquarelle oder Pastelle, aber auch zum Isolieren des Kreidegrundes wird der transparente „Zaponlack“5 in Maltechnikbüchern gelegentlich erwähnt. Ab den 20er-Jahren mehren sich in den „Technischen Mitteilungen für Malerei“ Artikel und Berichte über die Verwendung eines weiteren Produkts auf Basis von Cellulosenitrat für das Imprägnieren und Grundieren diverser Bildträger. Insbesondere da man zum einen im Leim ein „fehlerhaftes“, da hygroskopisches „Element“ der Grundierung sieht6, zum anderen aber auch die Probleme der im 19. Jahrhundert verbreiteten reinen Ölgrundierung kennt: „Die üblen Folgen zu fetter Öl- und Ölfarbengrundierung sind seit Heraclius bekannt (…). In neuerer Zeit hat man sie dadurch zu beseitigen gesucht, daß man den Ölgrund überhaupt mied und durch Zellulosegrundierungen ersetzte. Diesem Gedanken, des sich während des Krieges jener der Ersparung an Leinöl beigesellte, entsprang die öllose Grundiertechnik von P. Jaeger durch Verwendung von Zelluloselösungen (Kronengrund, Perlgrund). Auch in der Kunstmalerei wird diese Grundiertechnik schon vereinzelt angewendet.“7

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Doerner, M., Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Enke, Stuttgart, 1.–4. Aufl., 1921–1933. Linke, F., Die Malfarben, Mal- und Bindemittel und ihre Verwendung in der Maltechnik, 3. Aufl., Stuttgart, 1914. Hebing, C., Die Praktische Prüfung der Farben und Bindemittel des Malers, in: Sammlung maltechnischer Schriften, Nr. 14, München 1926. Church, A.H., Farben und Malerei, in: Sammlung maltechnischer Schriften, Nr. 3, München 1908. Eibner, A., Entwicklung und Werkstoffe der Tafelmalerei, Heller, München 1928. Eibner, A., Malmaterialienkunde als Grundlage der Maltechnik, Springer, Berlin 1909. Lösung von Cellulosenitrat in Amylacetat. Church, A. H., Die Chemie der Farben und der Malerei, in: Technische Mitteilungen für Malerei, München, 36. Jahrgang, Heft Nr. 9, 1920, S. 124–125. Eibner, A., Über fette Oele, Leinöl-Ersatzmittel und Ölfarben, Heller, München 1922, S. 213.

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Der hier erwähnte „Kronengrund“ der Firma Jaeger in Stuttgart-Feuerbach wird bis in die späten 30er-Jahre viel diskutiert und maltechnischen Untersuchungen unterzogen. Der Chemiker Hans Wagner beschäftigt sich in der Werkstätte der württembergischen Staatlichen Kunstgewerbeschule mit der „ölfreien“ Grundiertechnik, da ihm bekannt sei, dass „verschiedene Kunstmaler schon längere Zeit mit derartigen Handelspräparaten, angeblich zur vollsten Zufriedenheit, arbeiten“.8 Die zahlreichen Artikel und Leserbriefe, die den „Kronengrund“ behandeln, lassen auf eine rege Auseinandersetzung mit dem Material schließen. Mit Ausnahme der Cellulosenitratlacke scheinen jedoch bis ca. 1930 keine der im Anstrichsektor bereits zur Verfügung stehenden Kunstharze für die Kunstmalerei zur Diskussion zu stehen, wenn auch immerhin die Grundhaltung gegenüber industriell gefertigter Malmaterialien weniger ablehnend erscheint. Man ist zunehmend der Meinung, in den Farbenfirmen hilfreiche Partner erhalten zu haben und profitiert von den, im Gegensatz zu der früheren Empirie, nun wissenschaftlichen Forschungen der Farbenchemiker.9 Zusätzlich haben die Reichsausschusslieferbedingungen (RAL) zu einer klareren Warendeklaration verholfen, was zu der Steigerung des Vertrauens in industriell erzeugte Malmaterialien geführt hat. So meint auch Ernst Beutel, Professor am Technologischen Institut an der Hochschule für Welthandel in Wien: „Die ‚Rückkehr zur Natur‘ ist bei dem ins ungeheure gestiegenen Verbrauch der Farbstoffe und Bindemittel völlig ausgeschlossen und hieße auf eine große Zahl wertvoller Werkstoffe verzichten, die uns erst die moderne Chemie geschenkt hat; was wir aber tun sollen und müssen ist: Uns einen klaren Einblick in die herrschenden Verhältnisse verschaffen und die uns durch den Handel gebotenen Werkstoffe in allen ihren maltechnischen Eigenschaften auf das genaueste kennen lernen.“10 Damit entspricht er auch dem von Keims „Deutscher Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren“ getragenen Wunsch nach der systematischen chemischen und maltechnischen Prüfung von Malmaterialien, welche schließlich die Gründung von Maltechnikinstituten zur Folge hatte. Aber auch ohne Erfüllung dieser Vorgabe scheint Ernst Beutel überzeugt vom Erfolg der Kunstharze: „Ja man kann wohl voraussagen, daß die 8

Wagern, H., Verwendung der ölfreien Grundiertechnik in der Kunstmalerei, in: Technische Mitteilungen für Malerei, 41. Jahrgang, Heft Nr. 13, 1925, S. 159. 9 Täuber, E., Kleiner Ratgeber in künstlerischen Materialfragen, in: Technische Mitteilungen für Malerei, 50. Jahrgang, Heft Nr. 23, 1934, S. 184–185. 10 Beutel, E., Die Werkstoffe Werkstoffe des Kunst- und Dekorationsmalers, des Anstreichers und Lackierers. Deutscher Verlag für Jugend und Volk, Wien, Leipzig, 2. Aufl. 1931, S. 9.

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künstlichen organischen Bindemittel den Eingang in das Gebiet der hohen Kunst finden werden. Anfänge hierzu sind schon vorhanden.“11 Im Gegenzug zur Situation in der Malerei liegen im Anstrichsektor zu diesem Zeitpunkt bereits mehrjährige, praxisnahe Erfahrungen mit Kunstharzen vor. Durch die während des Ersten Weltkriegs hervorgerufene Knappheit an tropischen Harzen sowie durch den stark gestiegenen Preis für Leinöl werden Maler, Anstreicher und Lackierer bereits früh zur Verwendung von „Ersatzstoffen“ gezwungen. Neben den bereits verbreitet eingesetzten Cellulosenitratlacken sind dies u. a. die nicht härtbaren Phenol-Formaldehydharze, sog. „Novolake“, welche als Ersatz für Kopale und Schellack in Lacken eingesetzt werden, sowie das durch Polymerisation von Benzofuran (Cumaron) und Inden erhaltene Cumaronharz. Obwohl diese Harze in der Lackindustrie eine ansehnliche Rolle spielen, weisen sie dennoch im Vergleich mit den natürlichen Rohstoffen beträchtliche Mängel, wie schnelle Versprödung bzw. geringe Elastizität, starke Vergilbung oder schlechte Beständigkeit gegen Feuchtigkeit und Bewitterung, auf. Diese Mängel können häufig nur durch Beimischen von Leinöl behoben werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass nach dem Krieg und der Normalisierung des Leinölpreises wieder auf Altbewährtes zurückgegriffen wird. Die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre löst ein abermaliges Ansteigen des Leinölpreises aus, worauf der Verbrauch von Ölen und Fetten, wie bereits im Ersten Weltkrieg, durch gesetzliche Restriktionen stark eingeschränkt wird. Ölsparende Anstriche werden beworben und durch die Zusammenarbeit der deutschen Lackindustrie mit den Kunstharzund Leinöl-Firnisfabriken12 schließlich der sog. „Einheits-Lack-Firnis“13 (kurz EL-Firnis) entwickelt, welcher für alle Innenarbeiten als Ersatz für Leinölfirnis vorgeschrieben wird. Ein weitverbreitetes und bekanntes Produkt sind die öllöslichen „Albertol“-Sorten der Fa. Dr. Kurt Albert in Wiesbaden-Bieberich. Diese harzsäuremodifizierten PhenolFormaldehydharze sind im Gegensatz zu den Novolaken mit Ölen mischbar, wodurch sie eher den bisher üblichen Leinölfirnissen und Öllacken entsprechen. Die Bestrebungen, Hitler-Deutschland unabhängig von devisengebundenen Rohstoffen zu machen, führen in vielen Industriezweigen zur Erforschung neuer Rohstoffquellen. In der Farben- und Lackindustrie werden die Bemühungen, durch synthetische Harze den Verbrauch von importieren Naturharzen und Ölen zu minimieren, mit neuer Kraft vorangetrieben. In Folge werden Kunstharze derart weiterentwickelt, dass sie sich vom unzureichenden „Ersatzstoff“, wie man ihn aus den Zeiten des Ersten Weltkriegs 11 Ebenda, S. 159. 12 N.n., Zweck und Wesen des Einheits-Lack-Firnis (EL-Firnis), in: Technische Mitteilungen für Malerei, [10/1937], S. 106–107. 13 Es handelt sich um ein ölmodifiziertes Alkydharz, dessen Zusammensetzung wird in einigen Artikeln und Publikationen angegeben.

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kannte, zu eigenständigen Materialien mit erstaunlichen und besseren Eigenschaften emanzipieren.14 Ziel ist es nicht mehr, Naturstoffe zu ersetzen, sondern die Möglichkeiten, die mit den Kunstharzen gegeben sind, zu erforschen, um sie entsprechend weiterzuentwickeln. Haben die kombinierten Celluloselacke15 sowie die ölmodifizierten Alkydharzlacke bereits verbreitet Anwendung gefunden, erschließen sich mit der Herstellung der ersten Kunstharzdispersionen16 in den frühen 1930er-Jahren des 20. Jahrhundert neue Anwendungsmöglichkeiten. Als Bindemittel für Wandfarbe, Grundierungen sowie als „Kaltleim“17 erreichen die Kunstharzdispersionen bald große Beliebtheit, so auch in der künstlerischen Malerei. Die äußerst elastisch auftrocknenden Filme der Kunstharzdispersionsfarben, deren geringere Gilbung sowie die Misch- und Verdünnbarkeit der Dispersionen mit Wasser sind Eigenschaften, die schließlich u. a. auch das Doerner-Institut dazu veranlassen, gezielte Untersuchungen mit diesen neuen Bindemitteln durchzuführen. Das Interessse gilt vor allem den Polyvinylacetatdispersionen, welche als Bindemittel von Leinwandgrundierungen überzeugende Ergebnisse liefern. Der große Vorteil der Dispersionen wird vor allem darin gesehen, dass sie überstreichbar sind, ohne dass sich dabei die darunterliegende Schicht wieder anlöst. Eine Eigenschaft, die bei dem ohnehin schwer zu verarbeitenden, da schnell trocknenden Cellulosenitratlack „Kronengrund“ nicht gegeben war, und somit das Aufbringen mehrerer Schichten sehr erschwerte. Auch das Ausbleiben von Sprüngen und Rissen bei mechanischer Belastung der Kunstharzdispersionsfilme wird positiv bewertet. Die Firma Schmincke & Co. bietet schließlich ab 1934 die erste mit Polyvinylacetatdispersion und Füllstoffen vorgrundierte Leinwand unter dem Namen „Norma-Leinen“ an. 18 Das Doerner-Institut entwickelt während des Zweiten Weltkriegs in Zusammenarbeit mit den Temperolwerken Hamburg eine gebrauchsfertige Polyvinylacetatdispersion zum Grundieren von Gemälden, welche als „Immunin“ bekannt wird.19 Daneben tauchen in maltechnischer Literatur häufig die auf gelösten oder dispergierten Alkydharzen basierenden „Membranit“-Sorten der I.G. Farben auf, wobei vor allem mit den „Membranit-Schwarzstreifen“ eine weitere Kunstharzdispersion den künstlerischen Markt zu erreichen scheint. 14 Waentig, F., Kunststoffe in der Kunst – Eine Studie aus konservatorischen Gesichtspunkten. Petersberg 2004, S. 29–40. 15 Ab den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Cellulosenitratlacke meist mit anderen Kunstharzen kombiniert, um ihre Eigenschaften zu verbessern. 16 Das Kunstharz liegt fein verteilt in wässriger Phase vor. 17 Im Gegensatz zu den früher verwendeten tierischen Leimen, müssen die Kunstharzleime vor der Verarbeitung nicht erwärmt werden, sondern sind sofort gebrauchsfertig. 18 Haaf, B., Industriell vorgrundierte Malleinen, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 2/ 1987, S. 48. 19 Doerner, M., Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Enke, Stuttgart, 9. Aufl. 1949, S. 116–118.

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In der Nachkriegszeit mehren sich in der Zeitschrift „Maltechnik: technische Mitteilungen für Malerei und Bildpflege“20 die Anfragen für diverse Produkte auf Kunstharzbasis schließlich explosionsartig. Der Einzug der Kunstharze in die Malerei geht vorerst von einzelnen Produkten des Anstrichsektors aus, welche sich die Künstler zunutze machen. Anfangs werden diese in Grundierungen, Isolierschichten oder Überzügen eingesetzt, bevor sie auch als Bindemittel für Malfarben akzeptiert werden. Bis jedoch im deutschsprachigen Raum die ersten Künstlertubenfarben auf Kunstharzbasis hergestellt werden, dauert es noch bis in die frühen 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Zu dem Zeitpunkt haben sich allerdings bereits die Acrylharzdispersionen durchgesetzt, wie auch die Namen dieser ersten Tubenfarben auf Kunstharzbasis belegen, „Lukacryl“ Firma Lukas (vormals Schoenfeld) und „Primacryl“ Firma Schmincke. Einzig die Firma Winsor & Newton bietet neben den Acryldisperionsfarben noch eine Serie von Alkydharzfarben für Künstler an, die „Griffin Alkydpaints“.

ausblick Diese hier zusammengefassten, bis ca. 1940 dargestellten Entwicklungen sollen noch bis in die 1960er-Jahre verfolgt werden und durch Recherchen in den Archiven von Institutionen, die sich damals mit farben- und maltechnischen Fragen beschäftigt haben, vertieft. Insbesondere sollen einschlägige Forschungen österreichischer Institute und Maltechniker miteinbezogen werden, wobei hier Archive der Universität für angewandte Kunst Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien von besonderem Interesse sind. Ein weiterer wichtiger und zu bearbeitender Aspekt ist, inwieweit Künstler ungeachtet der öffentlichen Diskussion bereits mit Kunstharzen experimentierten. Die bisher konsultierten Quellen geben vor allem die Sicht der etablierten, tonangebenden Künstlerschicht wieder, die maltechnischen Fragen große Aufmerksamkeit widmete. Davon abgesehen ist zu vermuten, dass zahlreiche Künstler dennoch mit Materialien experimentierten, die eigentlich nicht für die Kunstmalerei vorgesehen waren. Es wäre hier vor allem von Interesse, welchem künstlerischen und stilistischem Milieu jene Maler angehörten, die, „gleichgültig“ gegenüber den Ratschlägen der traditionell gestimmten Künstlergeneration dennoch zu Kunstharzprodukten aus dem Anstrichsektor griffen. Vermutlich lassen sich hier Tendenzen in der Materialwahl und „Stilzugehörigkeit“ finden sowie Beweggründe für die Verwendung unkonventioneller Malmaterialien. Doku20 Maltechnik: technische Mitteilungen für Malerei und Bildpflege, Callwey München, erschienen 1955– 1971.

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mente über die Zusammenarbeit von Künstlern mit Farbenfirmen und Recherchen in Künstlermagazinen werden hierfür weitere Informationsquellen bilden. Schließlich soll in der Arbeit eine Auswahl an Kunstharzen vorgestellt werden, welche in dem entsprechenden Zeitraum für die Malerei relevant waren. Neben einer Charakterisierung des entsprechenden Harzes sollen bekannte Produkte von österreichischen und deutschen Herstellern herausgegriffen und beschrieben werden.

Abstract The herewith introduced doctoral thesis discusses to what extent it is likely to find synthetic resins in Austrian and German paintings of the first half of the 20th century. The evaluation of the technical discussion among the established stratum of artist, which merely cautiously and therefore delayed addresses to synthetic painting materials are as well studied as the intensions of artists who regardless experimented with products based on synthetic resins. Especially the following aspects are of interest: What was the situation like in the paint and industry, where the economical effects of the world wars demanded the use of synthetic substitutes for natural oils and resins? Why it took artists longer to accept synthetic resins for the use in paintings? Which products of Austrian and German manufacturers were discussed and regarded as suitable for painting? The paper focuses on the time period of 1900–1960 hence on the years prior to the resounding success of artists‘ acrylic emulsion paints.

literatur Beutel, E., Die Werkstoffe des Kunst- und Dekorationsmalers, des Anstreichers und Lackierers. Deutscher Verlag für Jugend und Volk, Wien, Leipzig, 2. Aufl. 1931. Church, A.H., Farben und Malerei, in: Sammlung maltechnischer Schriften, Nr. 3, München 1908. Church, A. H., Die Chemie der Farben und der Malerei, in: Technische Mitteilungen für Malerei, München, 36. Jahrgang, Heft Nr. 9, 1920, S. 124–125. Doerner, M., Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Enke, Stuttgart, 1.–4. Aufl., 1921–1933. Eibner, A., Entwicklung und Werkstoffe der Tafelmalerei, Heller, München 1928. Eibner, A., Malmaterialienkunde als Grundlage der Maltechnik, Springer, Berlin 1909. Eibner, A., Über fette Oele, Leinöl-Ersatzmittel und Ölfarben, Heller, München 1922. Haaf, B., Industriell vorgrundierte Malleinen, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, 2/1987, S. 48. Hebing, C., Die Praktische Prüfung der Farben und Bindemittel des Malers, in: Sammlung maltechnischer Schriften, Nr. 14, München 1926.

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Linke, F., Die Malfarben, Mal- und Bindemittel und ihre Verwendung in der Maltechnik, 3. Aufl., Stuttgart 1914. N.n., Zweck und Wesen des Einheits-Lack-Firnis (EL-Firnis), in: Technische Mitteilungen für Malerei, [10/1937], S. 106–107. Täuber, E., Kleiner Ratgeber in künstlerischen Materialfragen, in: Technische Mitteilungen für Malerei, 50. Jahrgang, Heft Nr. 23, 1934, S. 184–185. Trillich, H. (Hg.), Das deutsche Farbenbuch, Heller, München 1926. Waentig, F., Kunststoffe in der Kunst – Eine Studie aus konservatorischen Gesichtspunkten. Petersberg 2004, S. 29–40. Wagern, H., Verwendung der ölfreien Grundiertechnik in der Kunstmalerei, in: Technische Mitteilungen für Malerei, 41. Jahrgang, Heft Nr. 13, 1925, S. 159.

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kurzfassungen aller diplomarbeiten seit 1999

diplome 2010 Fachbereich Gemälde Kappes, Andrea Optische Untersuchungen zu Oberflächenveränderungen durch Firnisreduzierung. Die Konservierung und Restaurierung zweier Ölgemälde aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus dem Kunsthistorischen Museum Wien. Skomorowski, Edgar „Caturbhuja-Mahakala“ und „Gu-ru drag-dmar“. Konservierung, Restaurierung und technologische Untersuchung zweier Thangkas aus Nako, Himachal Pradesh, Indien sowie Überlegungen zur Erhaltung vor Ort. Fachbereich Objekt Mergl, Katherina Terrakottafiguren aus dem MAK Wien. Oberflächenreinigung von Terrakotta im Innenraum. Fachbereich Stein Pliessnig, Martin Waldviertler Marmor – Verwitterungsverhalten und Konservierung am Beispiel des Grabmals „Schwarz-Kurz“, Zentralfriedhof, Wien, Alte Israelitische Abteilung Tor 1.

diplome 2009 Fachbereich Gemälde Gössler, Stefanie Kärntner Fastentücher: Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz von 1663, Pfarre Straßburg. Untersuchung, Konservierung und Lagerung. Kern, Judith Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Landesmuseum Joanneum, Graz. Untersuchung, Konservierung, Restaurierung und kunsthistorische Einordnung eines spätgotischen Flügelaltars.

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Diplomarbeiten seit 1999

Rukavina, Flaminia Vom hl. Hieronymus zum Belisarius. Konservierung und Restaurierung eines barocken Leinwandgemäldes von Gian Domenico Cerrini aus dem Kunsthistorischen Museum Wien. Restauriergeschichte, Provenienz und Zuschreibung. Fachbereich Objekt Kalabis, Silvia Vorbeugende Konservierung und Archäologie. Konservatorische Richtlinien für die Neugestaltung der Prähistorischen Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien mit besonderer Berücksichtigung der denkmalgeschützten Vitrinen. Kössler, Elisabeth Konservierung und Restaurierung einer interaktiven Medienskulptur aus Polyester aus der Sammlung der MA7, Kulturabteilung der Stadt Wien: Cyberknowledge – Die Konstruktion der Dekadenz, Margot Pilz (1994). Weinberger, Anna Lederfutterale: Verkannte Beschützer. Konservierung, Restaurierung, Aufbewahrung und Handhabung von Lederfutteralen am Beispiel des Futterals der Pretiosen-Monstranz (1687) aus dem Dommuseum zu Salzburg. Fachbereich Stein Cepelka, Josef Die Restaurierung der Restaurierung. Möglichkeiten des Umganges mit Altrestaurierungen am Beispiel einer gefassten Steinskulptur des hl. Nepomuk (1751) aus Erl in Tirol. Gräber, Lisa Steinpolychromie im Außenbereich. Das spätmittelalterliche Ölbergrelief (1511) der Pfarrkirche Perchtoldsdorf, Niederösterreich. Fachbereich Textil Oberhumer, Edith One Hundred Boys – One Hundred Problems. Die Untersuchung und Konservierung von zwei Paravents mit chinesischer Seidenstickerei aus den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein.

Diplomarbeiten und Dissertationen seit 1999

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Thill, Nina Von der Sonne gezeichnet. Die Konservierung und Restaurierung von drei japanischen Tempelfahnen der Sammlung Siebold aus dem Museum für Völkerkunde Wien.

diplome 2008 Fachbereich Objekt Klampfl, Simon Die „Patriotische Kriegsmetallsammlung“ (1915) des Österreichischen Museums für angewandte Kunst/Gegenwartskunst (MAK Wien). Metallkleinkunst – Technologie und Konservierung. Schönhardt, Barbara Weihnachtskrippen. Die Kastenkrippen des Volkskundemuseums am Landesmuseum Joanneum. Geschichte – Technologie und Bestand – Konservierung und Restaurierung. Unger, Nils Zur Restaurierung historischer Uhren – Zwischen Reparatur und Konservierung. Zwei fragmentarisch erhaltene Tischuhren aus dem Burgenländischen Landesmuseum in Eisenstadt. Fachbereich Stein Bermoser, Iris Kalkschlämme als Schutz- und Opferschicht auf Kalksandstein. Die Wiener Spinnerin am Kreuz – Restauriergeschichte und Evaluierung. Breidt, Christoph Der Große Brunnen im Geymüllerschlössel. Hydrophobierung von Naturstein an Brunnenanlagen. Weixelbaumer, Elenora Das Minerva-Mosaik von 1873, Wien 1, Stubenring 3–5. Untersuchung, Technologie und Konservierung von Mosaikglas und Zwischengoldtesserae.

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Diplomarbeiten seit 1999

Fachbereich Textil Eisenhardt, Barbara „… unter die Haube gekommen …“. Die Haubensammlung von Agnes Kinz – Konservierung und Restaurierung von 94 Goldhauben und Trachtenhüten aus dem Vorarlberger Landesmuseum. Sixt, Angela „Lasst sie weitertanzen ...!?“ Die Konservierung und Restaurierung der Stabfiguren Richard Teschners aus dem Österreichischen Theatermuseum.

diplome 2007 Fachbereich Gemälde Fasching, Isabella Behandlung klimabedingter Schäden an dem Gemälde „Sintflut“, 18. Jh., von Simon Benedikt Faistenberger. Firnistrübung – Phänomen, historische und aktuelle Behandlungsmethoden. Hirner, Barbara Zwei stark fragmentierte Altarflügel von 1460/70, aus dem Landesmuseum Oberösterreich. Entrestaurierung – Konservierung – Tafelneuverleimung. Überlegungen zur Fehlstellenbehandlung. Fachbereich Objekt Schmidt, Kathrin Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien – SalzproblematikUntersuchung und Konservierung. Fachbereich Stein Gruber, Maria Margaretha [Traditionen erhalten]. Lehmputze als Fassungsträger im Tempelkomplex Nako, Himachal Pradesh, Indien. Konservierungswissenschaftliche Voruntersuchungen zur Erhaltung von traditionellen Lehmputzstrukturen im Westhimalaja.

Diplomarbeiten und Dissertationen seit 1999

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Marius, Heike „Doppelportrait eines jungen Paares“, ein Marmorrelief der Werkstatt Lombardo (Venedig, 16. Jh.) aus dem Kunsthistorischen Museum Wien – Entrestaurierung, Konservierung und Neupräsentation.

diplome 2006 Fachbereich Bodenfunde von Miller, Dorothea Mit Haut und Haaren. Prähistorische Haut- und Lederfunde aus dem Salzbergwerk Hallstatt. Bergung – Konservierung – Lagerung. Müllauer, Birgit Spätrömische Hohlgläser aus Enns, Lauriacum – Untersuchung und Konservierung. Glasklebstoffe in der Diskussion. Fachbereich Gemälde Bernkopf, Anna Die Kleister-Leim Bügeldoublierung: Technologie – Problematik – Schäden. Entrestaurierung des Gemäldes „Flämische Landschaft mit Überfall“ um 1650 aus der Alten Galerie, Steirisches Landesmuseum Joanneum. Frauendorfer, Hans Riss- und Fehlstellenbehandlung an Baumwollbildträgern am Beispiel des Gemäldes „Ohne Titel“ von Adolf Frohner, um 1960. Fuchsberger, Ulrike Untersuchung und Konservierung des Holztafelgemäldes „Szene aus dem Dreißigjährigen Krieg“ von Sebastian Vrancx (1573–1647) aus dem Stift Kremsmünster. Konstruktion einer Verleimungsvorrichtung und eines Stützrahmensystems. Kohler, Katharina Die Holzdeckenmalerei im buddhistischen Tempelkomplex in Nako, Himachal Pradesh, Indien; Untersuchungen zur Maltechnik und Konservierung.

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Diplomarbeiten seit 1999

Park, Jae Seo „Christi Himmelfahrt“ von Elias Greither d. Ä. (1569/70–1646) aus dem Stift Kremsmünster – Entrestaurierung und Konservierung des parkettierten Holztafelgemäldes. Methoden zur Neuverleimung. Fachbereich Objekt Putzgruber, Eva Licht und Glas. Zwei Glaskronleuchter aus dem Besitz der Fa. J. & L. Lobmeyr Wien. Untersuchung – Technologie – Konservierung. Sprenger, Marlene Schmiedeeisen aus Tirol. Das Sakramentshaus aus der Wallfahrtskirche St. Oswald in Seefeld (1578–80). Fachbereich Stein Milcin, Marija Bauschmuck aus Romanzement – Möglichkeiten der Restaurierung von Fassadenelementen am Beispiel des Mietshauses Esteplatz 7, 1030 Wien. Moser, Andrea Verwitterung und Möglichkeiten der Konservierung-Restaurierung von Adneter Kalkstein am Beispiel des Barock-Epitaphs „Simon Ruckhenpaiumbs“ von St. Stephan in Wien. Sandner, Susanne 48 Marmorobjekte der Kunstkammer des KHM – Konservatorische Bestandsaufnahme. Zur Verschmutzung und Reinigung von Marmoroberflächen im musealen Bereich. Fachbereich Textil Grabner, Hanna Im Sande verlaufen ... Untersuchung, Konservierung und Rückformung von archäologischem Trockenleder am Beispiel sogenannter „koptischer“ Schuhe.

Diplomarbeiten und Dissertationen seit 1999

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Peev, Julia Vom Justaucorps zum Frack – Nähtechnische Sicherung im Focus. Schwenck, Britta Gestrickt aus Gold und Seide – Konservierung und Restaurierung einer gestrickten Jacke vom Anfang des 17. Jahrhunderts aus dem MAK, Wien.

diplome 2005 Fachbereich Bodenfunde Egger, Ursula Zwei awarische Grabinventare aus Bruckneudorf/Burgenland. Süss, Petra Präkolumbische Gold-Kupfer-Legierungen, archäologische Funde aus Peru und Panama, Museum für Völkerkunde Wien, Untersuchung – Technologie – Konservierung. Fachbereich Gemälde Eger, Claudia Die traditionelle „Wiener Retusche“ am Beispiel des Barockgemäldes „Blumenstillleben mit Kaninchen“ von Franz Werner von Tamm. Goebel, Petra Alfred Rollers Gemälde „Hirsch an der Quelle“ (1901) – der Mosaikentwurf für die Breitenseer Pfarrkirche. Loiskandl, Veronika Mittelalterliche Tafelmalerei in Kärnten. Untersuchung, Konservierung und Restaurierung eines kleinen Flügelaltars aus St. Lorenz an der Gurk/Kärnten. Fachbereich Objekt Hösl, Elisabeth Die Sarkophage aus Zinnlegierungen in der Wiener Kapuzinergruft; Restauriergeschichte – Raumklima – künftige Konservierung.

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Diplomarbeiten seit 1999

Riemer, Monika Freilegungstechniken an Bronzen im Freien. Das Mozart-Denkmal in Salzburg. Fachbereich Textil Gengler, Carine Prähistorische Textilien aus Hallstatt im Naturhistorischen Museum Wien, Untersuchung – Konservierung – Lagerung. Fachbereich Stein Ghaffari Elisabeth Die historischen Farbfassungen der barocken Brunnenanlage im Schlosspark Schönbrunn und die Möglichkeit ihrer Rekonstruktion.

diplome 2004 Fachbereich Gemälde Gustavson, Natalia Von Ruinen zu Schlössern – Bestandsaufnahme und Sammlungsanalyse am Beispiel der Gemäldesammlung auf Schloss Greillenstein, NÖ. Die topografischen Ansichten – Erstellung eines Maßnahmenkataloges und Modellrestaurierung des schwer beschädigten Gemäldes Grienau. Fischer, Elisabeth HELENE FUNKE – Konservierung und Restaurierung des Gemäldes „In der Loge“ von 1907, aus dem Lentos Kunstmuseum Linz. Untersuchungen zur Maltechnik Helene Funkes. Zusatzthema: Beitrag zur Maltechnik Helene Funkes. Fachbereich Objekt Kokarnig, Sandra Anatomische Wachsmodelle im Josephinum in Wien. Untersuchung – Technologie – Musterrestaurierung.

Diplomarbeiten und Dissertationen seit 1999

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Benedikt, Barbara Barocke und frühklassizistische Kachelöfen aus Schloss Hof im Besitz des Museums für angewandte Kunst Wien, Untersuchung – Technologie – Restaurierung – Neunutzung. Schartmüller, Waltraud Buchstabenprothese A, 1966, Christian Ludwig Attersee, ein Beitrag zur Konservierung und Restaurierung von degratiertem Polyurethanweichschaum.

diplome 2003 Fachbereich Gemälde Rieder, Christiana Die Schützenscheiben des Mühlviertler Schlossmuseums in Freistadt, 18. und 19. Jh. – Kaseingebundene Malerei auf Holz. Fachbereich Objekt Kolmanitsch, Georg Das Marc Anton-Monument in Wien, Secession, um 1900. Pflege- und Maßnahmenkonzept für ein Bronzestandbild im Freien. Pingitzer, Paul Die Jupiter-Dolichenus-Dreieckstafel von Traismauer, 2./3. Jh. n. Chr. Verzinnung auf antiken römischen Bronzen.

diplome 2002 Fachbereich Gemälde Loacker, Michael Weiblicher Akt, Fritz Krcal, 1937, Vorarlberger Landesmuseum. Temperamalerei auf Baumwollsatin – eine Festigungsproblematik. Maierhofer Karin, Juliane Florentiner Parkett an einer beidseitg bemalten spätgotischen Altartafel, um 1510, Kirche zum Hl. Laurentius in Bludenz, Vorarlberg. Temperamischtechnik auf Holz.

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Diplomarbeiten seit 1999

Renz, Roberta Die Hinterglasbilder des Mühlviertler Schlossmuseums in Freistadt, 19. Jh., Buchers (Südböhmen), Sandl (Oberösterreich). Ölgebundene Malerei auf Glas. Slama, Ina Marouflage – zur Problematik der Entrestaurierung eines barocken Gemäldes, Stift Herzogenburg, Niederösterreich. Fachbereich Objekt Fuchs, Petra Großmodellanlage – Wiener Molkerei, um 1900, Technisches Museum Wien. Methodische Bestandsaufnahme, Erstellung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzeptes. Ljubic, Valentina Die Pestsäule von Osijek, Kroatien, um 1730 – Erhaltung von Metallobjekten im Freien. Treibarbeiten, feuer- und blattvergoldetes Kupfer und feuerversilbertes Messing. Takahashi, Rie Augsburger Prunkuhr, um 1694, Sammlung Esterhazy, Burg Forchtenstein, Burgenland – durch Materialvielfalt bedingte Probleme der Restaurierung.

diplome 2001 Fachbereich Gemälde Müller-Artelt, Eva Maria Adolf Frohner „Ohne Titel“, 1959. Kunstharzdispersion mit Pigmenten auf Papier, nachträglich vom Künstler auf Weichfaserplatte kaschiert. Pink, Susanne Drei bemalte Ngadha-Hausplanken aus Flores, Indonesien, Museum für Völkerkunde in Wien. Erdpigmente auf Holz. Schrenk, Andrea Supraporte-Gemälde, um 1810, Niederösterreichisches Landesmuseum, St. Pölten. Ölmalerei auf Leinwand, Ölvergoldung, Grisaille-Technik.

Diplomarbeiten und Dissertationen seit 1999

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Fachbereich Objekt Auinger, Heidemarie Das Armreliquiar des heiligen Bischofs Johannes Ursini, Kathedrale von Trogir, Dalmatien, um 1270. Silber feuervergoldet, Treibarbeit, Filigran, Niello, Halbedel- und Glassteine. Bliem, Andrea Eine farbig gefasste Eisenstatue eines Bodhisattva, China (1368–1644), Museum für angewandte Kunst Wien.

diplome 2000 Fachbereich Gemälde Hierl, Christina Untersuchung und Konservierung des Materialbildes „Sonne“ von Michael Buthe, 1971, Sammlung MUMOK. Wachs, Papier, Goldbronze auf Baumwolle. Fachbereich Objekt Schwarzkogler, Wolfgang Farbig gefasster mittelalterlicher Prunksattel, um 1440, Hofjagd- und Rüstkammer Kunsthistorisches Museum Wien. Holz, Leder, Pergament, Bein, Eisen.

Claudia Eger, Die traditionelle „Wiener Retusche“

Abb. 1: Vorretusche auf Kittung, Detail. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Retusche mit feinen Punkten und Strichen, Detail. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Claudia Eger, Die traditionelle „Wiener Retusche“

Abb. 3: Kittungen der Fehlstellen. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Abgeschlossene traditionelle „Wiener Retusche“. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Stefanie Gössler, Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz

Abb. 1: Vorderseitenansicht vor der Restaurierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Detail Farbauftrag in drei Schichten. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Stefanie Gössler, Das Fastentuch aus St. Martin in Kraßnitz

Abb. 3: Rückseite Riss um den aufgeklebten Flicken. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Detail mit Spannstichen am Stützgewebe gesicherter Riss. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Judith Kern, Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Universalmuseum Joanneum

Abb. 1: Feiertagsseite, Aufnahme nach der Restaurierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Werktagsseite, Aufnahme nach der Restaurierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Judith Kern, Das „Apostelaltärchen“ um 1490 aus dem Universalmuseum Joanneum

Abb. 3: Querschliff einer Malschichtprobe aus dem dunkelgrünen Bereich. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Photomontage Reinigung der Rückseite: Links – Eingangszustand, Mitte – 1. Reinigungsschritt, rechts – 2. Reinigungsschritt. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Elisabeth Hösl, Die Kapuzinergruft in Wien

Abb. 1: Studierende bei der Trockenreinigung einer Sargoberfläche im Jahr 2004. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Übersichtsplan der Gruftanlage mit der heutigen Aufstellung (2009). Die farbig markierten Sarkophage bestehen aus Zinnlegierungen. Aus: Hawlik/van de Water, M., Die Kapuzinergruft – Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, 2. Aufl., Wien 1993, Umschlaginnenseite

Silvia Kalabis, Vorbeugende Konservierung & Archäologie

Abb. 1: Ansicht von Saal XIII der Prähistorischen Schausammlung im Nathurhistorischen Museum. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Klimakurven von Oktober 2008 bis März 2009. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Silvia Kalabis, Vorbeugende Konservierung & Archäologie

Abb. 3: Materialverteilung in der Schausammlung nach Stückzahl der Exponate. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: links: Derzeitige Anordnung der Objekte in Saal XIII; rechts: mögliche Anordnung der Objekte nach Anforderungen der Materialgruppen. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Barbara Schönhardt, Kastenkrippen als Materialpotpourris

Abbildung 1: Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 35237. © Universalsmuseum Joanneum, Nicolas Lackner (Jänner 2008)

Abbildung 2: Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 50402. © Universalsmuseum Joanneum, Nicolas Lackner (Jänner 2008)

Barbara Schönhardt, Kastenkrippen als Materialpotpourris

Abbildung 3: Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 10284. © Universalsmuseum Joanneum, Nicolas Lackner (Jänner 2008)

Abbildung 4: Volkskundemuseum am UMJ, Inv.Nr. 5755, Detail. © Universalsmuseum Joanneum, Nicolas Lackner (Jänner 2008)

Kathrin Schmidt, Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien

Abb. 1: Koptisches Ostrakon, K.O.748. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: G.O.431, Aufgeblätteter Scherben mit losen Fragmenten, Salzausblühungen. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Kathrin Schmidt, Griechische Ostraka aus Ägypten in der Papyrussammlung Wien

Abb. 3: G.O.449, vor der Restaurierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: G.0. 449, nach der Restaurierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Lisa Gräber, Geschichte(n) einer Konservierung

Abb. 1: Perchtoldsdorf Pfarrkirche, Ölbergrelief in überdachter Nische, Zustand vor der Konservierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Zustand des Ölbergreliefs vor der Konservierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Lisa Gräber, Geschichte(n) einer Konservierung

Abb. 3: Detail aus dem Hintergrund mit stark überarbeiteter Oberfläche. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Ölbergrelief, nach der Konservierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Marija Milcin, Gusselemente aus Romanzement

Abb. 1: Fassade am Esteplatz 7, 1030 Wien. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Maria Gruber, „Down to Earth“

Abb. 3: Aufbereitung des Putzmörtels mit Wasser. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Prüfen der Mörtelbindigkeit für den Auftrag mittels Kelle.

Abb. 5: Überarbeiten von Schwundrissen in der halbtrockenen Putzoberfläche.

© Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

© Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Stefanie Jahn, Textilimitationen

Abb. 1: Territorien Österreichs im Mittelalter (von 976 bis 1526). © Prestel Verlag, München

Stefanie Jahn, Textilimitationen

Abb. 2: Hochaltar von Michael Pacher, 1477-81 in der Pfarrkirche St. Wolfgang, Oberösterreich. Detailaufnahme des Tafelgemäldes der Beschneidung des Jesuskindes. Realistische Imitation der kostbaren Gewänder mit Stoffmusterrapporten. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 3: Beispiel für ein Pressbrokat als Einzelmotiv. Das Muster wurde in eine Zinnfolie geprägt, vergoldet und anschließend mit einem roten Farblack (Lüster) lasiert. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Stefanie Jahn, Textilimitationen

Abb. 4: Das Muster für den Pressbrokat wird in ein Hirnholz-Model geschnitzt. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 5: Imititation eines Stoffmusters mit Schrägranken und Granatapfelmuster im Bildhintergrund: Gravierung und Tremolierung im Goldgrund, mit teilweise polierter Goldoberfläche. Arbeitsaufnahme 2003, Elisabeth Pfützner und Stefanie Jahn. Kopie des Tafelgemäldes „HauserEpitaph“ von Hans Siebenbürger, 1479,Wien, Österreichische Galerie Belvedere. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Stefanie Jahn, Textilimitationen Abb. 6: Spätmittelalterlicher Kaselstoff aus dem Stralsunder Paramentenschatz Inv.Nr. 1862:20. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 7: Durchpausen der Musterschablone auf das Tafelgemälde. Arbeitsaufnahme 2003, Elisabeth Pfützner und Stefanie Jahn. Kopie des Tafelgemäldes „Hauser-Epitaph“ von Hans Siebenbürger, 1479, Wien, Österreichische Galerie Belvedere. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Natalia Gustavson, Restaurierung zwischen Krieg und Frieden

Abb. 1: P. P. Rubens, Himmelfahrt Mariae, um 1611/14. © Kunsthistorisches Museum Wien

Natalia Gustavson, Restaurierung zwischen Krieg und Frieden

Abb. 2: G. F. Romanelli, Jephta erblickt seine Tochter, 17. Jh. © Kunsthistorisches Museum Wien

Natalia Gustavson, Restaurierung zwischen Krieg und Frieden

Abb. 3: G. M. Crespi, gen. Lo Spagnuolo, Der Kentaur Chiron und Achill, um 1695/1697. © Kunsthistorisches Museum Wien

Natalia Gustavson, Restaurierung zwischen Krieg und Frieden

Abb. 4: G. M. Crespi, gen. Lo Spagnuolo, Äneas, die Sibylle und Charon, um 1695/1697. © Kunsthistorisches Museum Wien

Eva Putzgruber, Glasschmuck des 16. Jahrhunderts

Abb. 1: Detail einer Glaskette, Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. Nr. KK 2681. © Kunsthistorisches Museum Wien

Eva Putzgruber, Glasschmuck des 16. Jahrhunderts

Abb. 2: Ohrgehänge in Vasenform, Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. Nr. KK 2835 und 2836. © Kunsthistorisches Museum Wien

Abb. 3: Glasknöpfe, Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. Nr. KK 2901, 2925, 2961, 2987 und 2784. © Kunsthistorisches Museum Wien

© Kunsthistorisches Museum Wien

Abb. 4: Blumensträußchen und Tierfigur, Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. Nr. KK 2780 und 2795.

Eva Putzgruber, Glasschmuck des 16. Jahrhunderts

Exkursion nach Kärnten 2009, Wörthersee. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung.

Exkursion nach Berlin 2006, Schloss Sanssouci. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Gabriela Krist beim Entzünden der „lamp of knowledge“ in New Delhi 2009. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Exkursion nach Venedig 2010, Peggy Guggenheim Collection. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Exkursion nach Graz 2002, Mausoleum. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Gabriela Krist und Katharina Kohler am Dach des Lhakhang Gongma, Tempelkomplex in Nako 2005. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Martina Griesser-Stermscheg, Das Palmenhaus

Abb. 4: Die Wartungstreppe im Mittelhaus. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 5: Schematische Darstellung der Verbesserungsmaßnahmen. © TB Käferhaus GmbH.

Abb. 6: Blick in die Galerie des Kalthauses mit der WärmebildKamera. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Stefanie Jahn, Folienverpackungen

Abb. 1: Verpackung von Silberschmuck in unterschiedliche Folien mit Oddy-Testplättchen und Klimamessgeräten. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Verpackung von über 500 Gemälden in drei EVOH-Folientunnel im Stift Kremsmünster. Detailfoto: kleiner Folientunnel nach der Stickstoffspülung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Stefanie Jahn, Folienverpackungen Abb. 3: Verpackung der Kanzel in der Pfarre Schönbach in EVOH-Folien. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Badehauben in EVOHFolienverpackungen nach der Stickstoffspülung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Gabriela Krist et al., The Nako Project

Fig. 1: The work at the roof of the Lhakhang Gongma in May 2005. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Fig. 2: The village community and the team of conservators, at the festive handing over of the temple after the completion of the campaign 2006. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Gabriela Krist et al., The Nako Project

Fig. 3: The opening of the Nako Museum in 2007. © Stefan Olah

Fig. 4: Meeting with His Holiness, the Dalai Lama, in Nako, August 2007. © Stefan Olah

Gabriela Krist et al., The Nako Project

Fig. 5: The Lotsawa temple interiors after conservation measures. © Stefan Olah

Fig. 6: The closing session of the jubilee conference at the National Museum New Delhi 2009. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Gabriela Krist et al., The Nako Project

Fig. 7: Nako village in Western Himalayas, „Close to Heaven”. © Stefan Olah

Martina Griesser-Stermscheg et al., How to care for textile collections

Fig. 1: Condition reporting. © Martina Griesser-Stermscheg, Conservation Department

Fig. 2: Condition reporting. © Martina Griesser-Stermscheg, Conservation Department

Martina Griesser-Stermscheg et al., How to care for textile collections

Fig. 3: Mounting a costume. © Martina Griesser-Stermscheg, Conservation Department

Fig. 4: Preparing a wooden support for costume mounting. © Martina Griesser-Stermscheg, Conservation Department

Tatjana Bayerová, Wall paintings

Fig. 1. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Tatjana Bayerová, Wall paintings

Fig. 2. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Fig. 3. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Tatjana Bayerová, Wall paintings

Fig. 4. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Fig. 6. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Tatjana Bayerová, Wall paintings

Fig. 7. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Fig. 8. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Maria Gruber, „Down to Earth“

Handwerkstechniken der örtlichen Lehmbautradition: Abb. 1: Sieben der zerkleinerten Rohstoffe. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Mischen von Thawa und Tua, der deutlich hellere Rohstoff. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Marija Milcin, Gusselemente aus Romanzement

Abb. 2: Verzögerungstests. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 3: Kopie eines Kanellurbandelements bereits versetzt. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Martin Pliessnig, Waldviertler Marmor

Abb. 1: Währinger Friedhof im Rahmen einer Begehung 2008, die sichtbaren Grabsteine aus Leithakalkstein sind von einer dichten Vegetation umwachsen und zeigen eine Vielzahl an Schadensbilder inklusive deutlicher Oberflächenverluste. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: „Schwarz-Kurz“, Alte Israelitische Abteilung Tor 1, Zentralfriedhof Wien, zentrales Grabhäuschen ist aufgrund des fortgeschrittenen Verwitterungsgrads einzelner Werksteine akut einsturzgefährdet. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Martin Pliessnig, Waldviertler Marmor

Abb. 3: Oberflächenansicht eines geschädigten Werkblocks mit gravierenden Substanzverlusten und starker Entfestigung des Marmorgefüges. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Pyritkristall und angrenzendes Kalzitgefüge mit ausgebildeten Lösungskanälen und Rissen. Die Bänderung des Pyritkristalls entspricht in den hellen Bereichen Eisensulfid (FeS₂), und in den dunklen Eisenhydroxiden (Rost), REM – backscattered. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Edith Oberhumer, In situ Abb. 1: Paravent A, Vorderseite, vor der Konservierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Digitale Rekonstruktion der zusammengesetzten Gewebebahnen von Paravent A (rechts) und Paravent B (links). Die üppigen Blütenranken sind farblich reduziert, um die Struktur der Landschaft hervorzuheben. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Edith Oberhumer, In situ

Abb. 3: Paravent A, linker Flügel, Vorderseite, nach der Trockenreinigung (oben) und nach der Nassreinigung und Konservierung (unten). © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Angela Sixt, „Lasst sie weitertanzen …!?“ Abb. 1: Szene aus „Drachentöter“, 1993. © Österreichisches Theatermuseum

Abb. 2: Technische Zeichnung einer weiblichen Figur von Richard Teschner, 1916. © Österreichisches Theatermuseum

Angela Sixt, „Lasst sie weitertanzen …!?“

Abb. 3: Aufgeriebenes Metallgewebe an der Gelenksverbindung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Blick in einen Schaukasten im Teschnerraum des ÖTM. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Hanna Grabner, Die Konservierung und Rückformung sog. „koptischer“ Schuhe

Abb. 1: Die drei Schuhe vor der Konservierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Gelatinisierter Bereich am Oberleder des Pantoffels. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Hanna Grabner, Die Konservierung und Rückformung sog. „koptischer“ Schuhe

Abb. 3: Selbstgebaute Klimakammer. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Die drei Schuhe nach der Konservierung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Regina Knaller, Elisabeth-Mantel

Abb. 1: Objektvorderseite vor der Bearbeitung. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Geweberückseite nach Abnahme des gelben Futterstoffes mit Leineneinlage und Gitterstruktur. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Regina Knaller, Elisabeth-Mantel

Abb. 3: Geweberückseite; rosafarbenes Original-Seidenfutter an Fragment 1b. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 4: Geweberückseite; Anschuss (links) bei Fragment 1c. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

© Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 5: Anordnung der Gewebefragmente; Gewebebahn I und II, Stofffragmente 1a-g vor dem Zuschnitt. Ansicht von der Gewebevorderseite.

Regina Knaller, Elisabeth-Mantel

Marija Milcin et al., Die Steine von Schönbrunn

Abb. 1: Alexander & Olimpias. Gartenskulptur Schloss Schönbrunn. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Attikafiguren, Schloss Schönbrunn. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 3: Musterfläche östlicher Ehrenhofbrunnen, Schloss Schönbrunn. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Martina Griesser-Stermscheg, Das Palmenhaus

Abb. 1: Das Große Palmenhaus in Schönbrunn. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 2: Säulenarkaden und Wendeltreppe im Mittelhaus. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung

Abb. 3: Die Reinigung des Palmenhauses. © Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Konservierung und Restaurierung