Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation: Auch ein vergleichender Beitrag zur Behandlung sozialer Konflikte mittels des Rechts und der Mediation [1 ed.] 9783428537884, 9783428137886

Auf der Grundlage eines evolutionären Konfliktmanagementmodells wird der fundamentale Unterschied zwischen Recht und Med

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Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation: Auch ein vergleichender Beitrag zur Behandlung sozialer Konflikte mittels des Rechts und der Mediation [1 ed.]
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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1212

Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation Von Sascha Weigel

Duncker & Humblot · Berlin

SASCHA WEIGEL

Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1212

Konfliktmanagement in der öffentlichen Verwaltung des aktivierenden Staates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation Auch ein vergleichender Beitrag zur Behandlung sozialer Konflikte mittels des Rechts und der Mediation

Von Sascha Weigel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität zu Halle-Wittenberg hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13788-6 (Print) ISBN 978-3-428-53788-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83788-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für B.

Vorwort In der Arbeits- und Organisationswelt wird ein konstruktives Konfliktmanagement zunehmend bedeutsamer. Es ist geradezu der entscheidende Erfolgsfaktor, um den anstehenden Anforderungen gerecht zu werden. Es bedarf persönlicher Kompetenzen und Motivation sowie struktureller Rahmenbedingungen, damit das konstruktive, statt das destruktive Potential von Konflikten genutzt werden kann. Beides zusammen beeinflusst die Organisationskultur nachhaltig und ermöglicht ein modernes und umfassendes organisationales Konfliktmanagementsystem. Mit den Methoden und Konzepten der (systemischen) Transaktionsanalyse und Mediation können maßgebende Aspekte eines derartigen Konfliktmanagementsystems geschaffen und ausgebaut werden. Der Erfahrungsschatz beider Ansätze – sowohl im individuellen als auch im organisationalen Bereich – ist enorm und empfiehlt sich für die Anforderungen, denen sich die Verwaltungsorganisationen im anvisierten aktivierenden Staat ausgesetzt sehen. Diese Ansätze vorzustellen, ihre Möglichkeiten und Begrenzungen in der Welt aktivierender Verwaltungsorganisation(en) aufzuzeigen sowie ihr Verhältnis zu Recht und Gesetz (im Anwendungsbereich des Konfliktmanagements) zu klären, ist das Ziel der vorliegenden Untersuchung. Das Ergebnis wurde 2011 von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Juristischer Bereich, der Martin-LutherUniversität zu Halle-Wittenberg als Dissertation angenommen. Die unterschiedlichen Problemlösungsansätze im Bereich des Konfliktmanagements zu integrieren, war ein Forschungsvorhaben nicht ohne Risiko. Das Recht im Allgemeinen und seine Benutzung in einem aktivierenden Staat im Besonderen mit den Konzepten der Mediation und Transaktionsanalyse zu verbinden, erforderte einen mehrjährigen Entstehungsprozess, in dem der juristisch ausgebildete Verfasser nicht nur die theoretischen Welten der Transaktionsanalyse und Mediation zu erfassen beabsichtigte. Der Untersuchungsansatz erforderte zugleich praktische Beratungs- und Konfliktlösungserfahrungen zu sammeln, ohne die eine angemessene Annäherung unmöglich war. Dass mir dies möglich war, dafür danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. jur. Reimund Schmidt-De Caluwe. Seine ruhige und gewährende Art, die sich mir zeigte, wenn ich hin und wieder blind dafür wurde, wie die einzelnen Ideenfäden zu einem konsistenten Gedankenstrang zusammenge-

8 Vorwort

knüpft werden könnten, sind mir heute ein Beispiel von aktivierendem Zutrauen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl für öffentliches Recht habe ich noch viele mir persönlich wichtige Dinge erfahren, vor allem aber, was wissenschaftliche Freiheit bewirkt. Auch dafür: Danke! Danken möchte ich an dieser Stelle auch Prof. Dr. oec. Henning S. ­Schulze (Hochschule Deggendorf), der mich maßgeblich dabei unterstützte, transaktionsanalytische Konzepte theoretisch zu erfassen und zu integrieren. Er übernahm zudem die Aufgabe des Zweitgutachters und stand jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Das ist (im heutigen Wissenschaftsprozess) keineswegs selbstverständlich. Anne Wirth und RA Sebastian Steeck möchte ich – neben vielen weiteren Helfern – ausdrücklich für die umfangreichen und geduldigen Korrektur­ arbeiten danken. Stellvertretend für alle, denen ich in der transaktionsanalytischen Ausbildung begegnet bin, die mich während des Entstehungsprozesses begleitet, angeregt und ermutigt haben, seien meine Ausbilder namentlich genannt: Sabine Klingenberg und Thorsten Geck, die mir den Weg in die transak­ tionsanalytische Beratungspraxis wiesen, sowie Rainer Thiele-Fölsch und Renate Wotsch, die mich für transaktionsanalytische Konzepte begeisterten. Die bei ihnen gemachten Erfahrungen erweiterten meinen Blick und wirken heute noch nach. Bedanken möchte ich mich auch bei der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse für Ihre großzügige Unterstützung bei der Veröffent­ lichung dieser Arbeit. Danken möchte ich außerdem meinen Kollegen von der Führungsmanufaktur sowie konfliktlandschaften.de, Stefan Schönfeld und Florian Winhart, mit denen die Umsetzung wissenschaftlicher Konzepte in praktische Beratungsarbeit mir ganz neue Welten eröffnet. Ihre Beratungskompetenz zu erleben ist wunderbar, aber welche Freude bereiten mir erst ihr Witz und ihre Freundschaft! Abschließend sei mein Dank an Lars, Hendrik und Tobi von der AB4 für ihre Freundschaft, Zuneigung und Anteilnahme Dank ausgesprochen, ebenso an Gregor, Christoph, Karo und Doro sowie Andrea und Petra, die den Entstehungsprozess maßgeblich begleitet haben. Ihre Einflüsse sind mir in jedem Kapitel ersichtlich. Leipzig / Zentrum, im Januar 2012

Sascha Weigel

Inhaltsübersicht A. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Der Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Die Ziele der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Der Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Das erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Verständnis der Unter­ suchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Der soziale Konflikt – Definition, Funktionen und Behandlungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Der soziale Konflikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Definition des sozialen Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Vergleich mit ausgewählten ähnlichen Sozialphänomenen. . . . . . . . . 54 3. Die destruktiven Konfliktwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Die konstruktiven Konfliktwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Die Flucht und das Ausweichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Das Kämpfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Das Delegieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. Die Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5. Die Verhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 C. Die Mediation – Ein Verfahren zur Behandlung sozialer Konflikte. . . . 103 I. Der Bezugsrahmen der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Der „homo mediator“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Drei Basisgedanken bezüglich der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Der Begriff „Mediation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Die Grundsätze der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Allparteilichkeit des Mediators. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Vertraulichkeit in der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Die Prozessschritte einer Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Der Mediator als Konfliktakteur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Verschiedene Ansätze mediativer Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 154 1. Annäherungen an das Wesen des Rechts und seine Bedeutung für die Behandlung sozialer Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Mediation im Rechtsstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

10 Inhaltsübersicht D. Die Transaktionsanalyse – Ein Verbund von Konzepten und Methoden zur Diagnose und Intervention bei sozialen Konflikten. . . . . . . . . . . . . . 223 I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Der Mensch ist in Ordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Der Mensch kann fühlen, denken und entsprechend handeln. . . . . . 229 3. Der Mensch entscheidet und kann Entscheidungen widerrufen. . . . . 230 4. Der Mensch strebt nach Autonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Das Strukturmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Das Funktionsmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Die vier Methoden der Ichzustandsdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts. . . . . . . . . . . 256 1. Definition des Lebensskripts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Die Bildung des Lebensskripts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Die Auswirkungen des Lebensskripts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.). . . . . . . . . . . 290 1. Transaktionen und Ichzustände: Die Transaktionsformen . . . . . . . . . 294 2. Transaktionen und Inhalte: Die Transaktionsmuster. . . . . . . . . . . . . . 313 V. Das Vertragskonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Die Vertragsorientiertheit als Grundlage jeder Beratungsarbeit. . . . . 337 2. Transaktionsanalytisch differenzierte Vertragsebenen. . . . . . . . . . . . . 340 3. Transaktionsanalytisch geordnete Vertragsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4. Voraussetzungen funktionstüchtiger Vertragsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . 343 VI. Grenzen der Transaktionsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 E. Mediation und Transaktionsanalyse – Anwendungsmöglichkeiten im öffentlichen Sektor des aktivierenden Sozialstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 I. Der aktivierende Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 1. Das Leitbild des aktivierenden Staates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Das Recht der Arbeitsförderung als Referenzgebiet für die gesetzliche Aktivierung des aktivierenden Staates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 3. Aktivierendes Verwaltungs- und Konfliktmanagement im öffentlichen Sektor des aktivierenden Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation im Umfeld von Verwaltungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 1. Private Konfliktmittler in Mediationen mit staatlichen Stellen. . . . . 389 2. Hoheitliche Konfliktmittler in Mediationen durch staatliche Stellen. 432 III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines transaktionsanalytisch fundierten Verwaltungs- und Konfliktmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . 436 1. Tabellarische Verortung transaktionsanalytischer Konzeptbereiche für das Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 2. Das transaktionsanalytische Konzept der Gefühle als Beispiel einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Inhaltsübersicht11 3. Transaktionsanalytisch fundierte Eingliederungsvereinbarungen i. S. d. Inhaltsübersicht § 37 Abs. 2  SGB  III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 4. Transaktionsanalytisch fundierte Führungsarbeit als Beispiel eines aktivierenden Verwaltungsmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . 543 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 Personen- und Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis A. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Der Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Die Ziele der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Der Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Das erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Verständnis der Unter­ suchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Der soziale Konflikt – Definition, Funktionen und Behandlungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Der soziale Konflikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Definition des sozialen Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) „… mindestens zwei soziale Einheiten …“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) „… kommunizieren …“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) „… einen … Gegensatz …“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) „… aktuellen …“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 e) „… bewusst …“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 f) „… annehmen, voneinander abhängig zu sein …“. . . . . . . . . . . . 52 2. Vergleich mit ausgewählten ähnlichen Sozialphänomenen. . . . . . . . . 54 a) Das Problem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Panne und Missverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Der Wettbewerb / -kampf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 d) Die Krise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 e) Der Streit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 f) Die unangenehme Situation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Die destruktiven Konfliktwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Ausgangspunkte der Konfliktentfaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Beteiligtenentfernte Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Beteiligtenbezogene Umstände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Ausgewählte Mechanismen der Konfliktentfaltung. . . . . . . . . . . . 63 c) Stufen destruktiver Konfliktentfaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Verhärtungen (1. Stufe). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Polarisation: Debatte und Polemik (2. Stufe). . . . . . . . . . . . . 66 cc) Taten statt Worte (3. Stufe). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 dd) Imagesorgen und Koalitionsbildungen (4. Stufe). . . . . . . . . . 68 ee) Gesichtsverlust (5. Stufe). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 ff) Drohungen (6. Stufe). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 gg) Begrenzte Vergeltungsschläge (7. Stufe). . . . . . . . . . . . . . . . . 71

14 Inhaltsverzeichnis hh) Zersplitterung (8. Stufe). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Totale Vernichtung: Gemeinsam in den Abgrund (9. Stufe). . 4. Die konstruktiven Konfliktwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Flucht und das Ausweichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteile der Flucht und des Ausweichens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachteile der Flucht und des Ausweichens. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Kämpfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vor- und Nachteile des Vernichtungskampfes. . . . . . . . . . . . . . . . b) Vor- und Nachteile des Unterwerfungskampfes . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Delegieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Delegieren an einen Richter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorteile des Delegierens an einen Richter . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachteile des Delegierens an einen Richter. . . . . . . . . . . . . . b) Das Delegieren an einen Schlichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorteile des Delegierens an einen Schlichter. . . . . . . . . . . . . bb) Nachteile des Delegierens an einen Schlichter. . . . . . . . . . . . 4. Die Vermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteile der Vermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachteile der Vermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Verhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die kompromissorientierte Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die konsensorientierte Verhandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 72 73 76 78 79 79 80 82 83 84 86 88 89 91 93 93 94 96 96 97 98 98

C. Die Mediation – Ein Verfahren zur Behandlung sozialer Konflikte. . . . 103 I. Der Bezugsrahmen der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Der „homo mediator“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Drei Basisgedanken bezüglich der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Der Vermittlungsgedanke der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Der Ausgleichsgedanke der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Der Transformationsgedanke der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Der Begriff „Mediation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Die Grundsätze der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Freiwilligkeit der Beteiligten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Eigenverantwortlichkeit im Suchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Lehre vom passiven Mediator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Lehre vom aktiven Mediator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Eigenverantwortlichkeit im Finden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 d) Eigenverantwortlichkeit und Informiertheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Exkurs: Informiertheit über die Rechtslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Inhaltsverzeichnis15 2. Allparteilichkeit des Mediators. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Exkurs: Allparteilichkeit und Neutralität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Vertraulichkeit in der Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Die Prozessschritte einer Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Phase 1: Kontaktaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Phase 2: Auftragsklärung und Auftragserteilung. . . . . . . . . . . . . . 131 c) Phase 3: Problemdarstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 d) Phase 4: Konflikterhellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 e) Phase 5: Konflikt- und Problemlösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 f) Phase 6: Übereinkunft und Umsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Exkurs: Allgemeines zum Phasenmodell der Mediation. . . . . . . . 136 2. Der Mediator als Konfliktakteur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Der Mediator als Verfahrensgestalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Exkurs: Gefühle im Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Der Mediator als Vertreter von Kooperation. . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Exkurs: Positionen und Interessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Verschiedene Ansätze mediativer Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Sachbezogene Ansätze zur Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Verfahrensbezogene Ansätze zur Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Personenbezogene Ansätze zur Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 154 1. Annäherungen an das Wesen des Rechts und seine Bedeutung für die Behandlung sozialer Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Philosophisches vom Recht: Was ist Recht?. . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Theoretisches vom Recht: Recht als (Teil-)System der Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Ausschluss konfliktwesentlicher Kommunikationsinhalte . . . 166 bb) Differenz von Information und Verstehen. . . . . . . . . . . . . . . . 169 cc) Paradoxe Zirkularität der Rechtsentscheidung. . . . . . . . . . . . 172 dd) Gerechtigkeitsfragen sind keine Fragen des Rechtssystems. . 175 ee) Mediation als Gefahr des Rechtssystems. . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Historisches vom Recht: Verstaatlichung von Recht und Justiz . 179 aa) Beginn moderner Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Verstaatlichung der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 d) Funktionales vom Recht: Aufgaben des Rechts. . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Funktionen des Rechts im Verhältnis Staat – Bürger. . . . . . . 186 (1) Steuerungsfunktion: Gestaltung der sozialen Ordnung . . 187 (2) Prägefunktion: Legitimierung der sozialen Ordnung . . . 189 (3) Freiheitsfunktion: Freiheitsgewährung in der sozialen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Funktionen des Rechts im Verhältnis Bürger – Bürger . . . . . 192

16 Inhaltsverzeichnis (1) Erwartungssicherung: Verhaltenssicherheit als soziale Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Konfliktentscheidung: Konfliktbehandlung in der sozialen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 e) Verrechtlichung des sozialen Konflikts: Die juristische Methode. 196 aa) Beurteilung von Konfliktpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Entmündigung in der Konfliktbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Vom sozialen Konflikt zum Rechtsproblem – und zurück. . . 200 dd) Zukunftsgestaltung durch Vergangenheitsbeurteilung. . . . . . . 204 ee) Rechtsfälle sind Nullsummenspiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Exkurs: außereuropäische Rechtsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Mediation im Rechtsstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Mediation und die rechtsorientierte Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 208 b) Mediation und das staatliche Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Mediation und Rechtsstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 D. Die Transaktionsanalyse – Ein Verbund von Konzepten und Methoden zur Diagnose und Intervention bei sozialen Konflikten. . . . . . . . . . . . . . 223 I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Der Mensch ist in Ordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Der Mensch kann fühlen, denken und entsprechend handeln. . . . . . 229 3. Der Mensch entscheidet und kann Entscheidungen widerrufen. . . . . 230 4. Der Mensch strebt nach Autonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Das Strukturmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Der strukturelle Kind-Ichzustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Der strukturelle Eltern-Ichzustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Der strukturelle Erwachsenen-Ichzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Das Funktionsmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Die funktionalen Kind-Ichzustände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Die funktionalen Eltern-Ichzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 c) Der funktionale Erwachsenen-Ichzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Die vier Methoden der Ichzustandsdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts. . . . . . . . . . . 256 1. Definition des Lebensskripts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) „… unbewusst, aber bewusstseinsfähiger Lebensplan …“. . . . . . 257 b) „… in der Kindheit … aufgestellt …“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 c) „… von den Eltern beeinflusst …“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 d) „… durch spätere Ereignisse bestätigt und gerechtfertigt …“. . . 259 2. Die Bildung des Lebensskripts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Die Grundeinstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 aa) „Ich bin o.k., du bist o.k.“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 bb) „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Inhaltsverzeichnis17 cc) „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 dd) „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Die Bannbotschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Die Zuschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 d) Die Antreiber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 e) Die Programme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 f) Die Beschlüsse – Das Lebensskript als (veränderliche) Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Die Auswirkungen des Lebensskripts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.). . . . . . . . . . . 290 1. Transaktionen und Ichzustände: Die Transaktionsformen . . . . . . . . . 294 a) Die komplementären Transaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 aa) Wesen und Beispiele komplementärer Transaktionen. . . . . . . 294 bb) Erste transaktionsanalytische Kommunikationsregel . . . . . . . 297 b) Die irritierenden Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) Wesen und Beispiele von irritierenden Transaktionen. . . . . . 298 bb) Zweite transaktionsanalytische Kommunikationsregel. . . . . . 303 c) Die verdeckte Transaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 aa) Wesen und Beispiele verdeckter Transaktionen. . . . . . . . . . . 304 bb) Dritte transaktionsanalytische Kommunikationsregel. . . . . . . 311 2. Transaktionen und Inhalte: Die Transaktionsmuster. . . . . . . . . . . . . . 313 a) Die redefinierenden Transaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 aa) Die tangentiale Transaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 bb) Die blockierende Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Die regelhaften Kommunikationsmuster: Die psychologischen Spiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Nutzeffekte psychologischer Spiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 bb) Definition und Charakteristika psychologischer Spiele . . . . . 323 (1) „… Transaktionsketten …“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (2) „… attraktive Falle durch doppelbödigen Stimuli …“ . . 324 (3) „… Spielinteresse bei einem potenziellen Mitspieler weckt …“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (4) „… zu einer doppelbödigen Reaktion führt …“ . . . . . . . 325 (5) „… so dass ein Rollenwechsel angeregt wird …“ . . . . . 327 (6) „… zu einem Moment der Perplexität … führt“ . . . . . . 327 (7) „… Auszahlung der erstrebten Spielgewinne …“ . . . . . . 327 cc) Darstellung einer Auswahl von Spielen anhand des DramaDreiecks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 dd) Hinweise zum Umgang mit Personen, die Spiele spielen . . . 335 V. Das Vertragskonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Die Vertragsorientiertheit als Grundlage jeder Beratungsarbeit. . . . . 337 2. Transaktionsanalytisch differenzierte Vertragsebenen. . . . . . . . . . . . . 340

18 Inhaltsverzeichnis 3. Transaktionsanalytisch geordnete Vertragsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4. Voraussetzungen funktionstüchtiger Vertragsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . 343 VI. Grenzen der Transaktionsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 E. Mediation und Transaktionsanalyse – Anwendungsmöglichkeiten im öffentlichen Sektor des aktivierenden Sozialstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 I. Der aktivierende Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 1. Das Leitbild des aktivierenden Staates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Das Recht der Arbeitsförderung als Referenzgebiet für die gesetzliche Aktivierung des aktivierenden Staates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 3. Aktivierendes Verwaltungs- und Konfliktmanagement im öffentlichen Sektor des aktivierenden Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation im Umfeld von Verwaltungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 1. Private Konfliktmittler in Mediationen mit staatlichen Stellen. . . . . 389 a) Räume im öffentlichen Sektor für private Konfliktmittlung . . . . 392 b) Rechtmäßigkeit privater Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor. 402 aa) Das Rechtsstaatsprinzip als Rechtmäßigkeitsmaßstab . . . . . . 403 (1) Der Vorrang des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 (2) Der Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 (3) Die materielle Messbarkeit staatlichen Handelns . . . . . . 410 (4) Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . 410 (5) Der Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 bb) Das Demokratieprinzip als Rechtmäßigkeitsmaßstab. . . . . . . 413 (1) Die Vermittlungsgespräche und das Demokratieprinzip . 413 (2) Die vermittelte Abschlussvereinbarung und das Demo­ kratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 cc) Der Gleichheitsgrundsatz als Rechtmäßigkeitsmaßstab. . . . . 418 c) Der Rechtsstatus des privaten Konfliktmittlers bei Mediationen mit staatlichen Akteuren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 aa) Die Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 bb) Die Verwaltungshilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 cc) Die Verwaltungssubstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 dd) Die Verwaltungsmittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 ee) Die Inpflichtnahme bzw.die Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . 426 ff) Die privatrechtliche Vertragspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . 427 d) Die mediative Abschlussvereinbarung und das staatliche Recht. 428 2. Hoheitliche Konfliktmittler in Mediationen durch staatliche Stellen. 432 III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines transaktionsanalytisch fundierten Verwaltungs- und Konfliktmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 1. Tabellarische Verortung transaktionsanalytischer Konzeptbereiche für das Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 2. Das transaktionsanalytische Konzept der Gefühle als Beispiel einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Inhaltsverzeichnis19 a) Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 aa) Emotion und Gefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 bb) Allgemeine Funktionen von Emotionen und Gefühlen . . . . . 442 b) Das transaktionsanalytische Gefühlskonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . 445 aa) Die vier Grundgefühle und ihre lebensregulierenden Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 bb) Die Konzeption der Ersatzgefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (1) Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (2) Entwicklungsprozess von Ersatzgefühlen . . . . . . . . . . . . 455 (3) Sinn und Funktion von Ersatzgefühlen . . . . . . . . . . . . . . 456 (4) Erkennbarkeit von Ersatzgefühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 (5) Förderliche Umgangsweisen mit Ersatzgefühlen . . . . . . . 463 3. Transaktionsanalytisch fundierte Eingliederungsvereinbarungen i. S. d. § 37 Abs. 2 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 a) Gesetzlicher Rahmen der Eingliederungsvereinbarungen. . . . . . . 472 b) Transaktionsanalytisch fundierte Gestaltung des Kommunikationsprozesses von Eingliederungsvereinbarungen. . . . . . . . . . . . . . . . 477 aa) Ausgangspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 bb) Grundeinstellung des Gesprächsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 cc) Das Passivitätskonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 (1) Das Passivitätskonzept als Diagnoseinstrument . . . . . . . 482 (a) Passives Denken (Abwerten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 (b) Passives Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 (2) Das Passivitätskonzept als Interventionsinstrument . . . . 491 dd) Transaktionsanalytisch fundierter Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 4. Transaktionsanalytisch fundierte Führungsarbeit als Beispiel eines aktivierenden Verwaltungsmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 a) Führen in und Leiten von Organisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 b) Entwicklungslinien der Führungsforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 c) Transaktionsanalytisch fundiertes Führungsverständnis anhand des Konzepts der Grundeinstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 aa) Der direktive bzw. bürokratische Führungsstil. . . . . . . . . . . . 506 bb) Der egozentrische Führungsstil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 cc) Der Laissez-Faire-Führungsstil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 dd) Der aktivierende bzw.kooperierende Führungsstil . . . . . . . . . 512 d) Transaktionsanalytisch fundierte Führungsarbeit anhand des Konzepts der Zuwendungen – strokeorientiertes Führungsmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 aa) Ausgangspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 bb) Das transaktionsanalytische Zuwendungskonzept (Die Theorie der Strokes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 (1) Die drei Dimensionen von Strokes . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

20 Inhaltsverzeichnis (2) Wirkungsweisen von Stroke-Prozessen . . . . . . . . . . . . . . 530 Inhaltsverzeichnis (a) Der Stroke-Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 (b) Die Stroke-Mythen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 (c) Die Stroke-Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 cc) Ansätze einer zuwendungsorientierten Führungsarbeit als Element eines aktivierenden Verwaltungsmanagements. . . . . 539 F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . 543 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 Personen- und Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628

Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Chinesisches Zeichen für Krise / Konflikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Abbildung 2: Evolution der Konfliktbehandlungsebenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Abbildung 3: Kommunikationsbegriff nach Luhmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Abbildung 4: Kompatibilität grundgesetzlicher, mediativer und transaktionsanalytischer Annahmen vom Menschen. . . . . . . . . . 228 Abbildung 5: Elemente und Konsequenzen des transaktionsanalytischen Menschenbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Abbildung 6: Das transaktionsanalytische Persönlichkeitsmodell und das Freudsche Instanzenmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Abbildung 7: Transaktionsanalytisches Grundmodell der Persönlichkeit. . . . . 242 Abbildung 8: Strukturmodell der menschlichen Persönlichkeit. . . . . . . . . . . . . 246 Abbildung 9: Der Kind-Ichzustand im funktionalen Sinn. . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Abbildung 10: Der Eltern-Ichzustand im funktionalen Sinn. . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abbildung 11: Der Erwachsenen-Ichzustand im funktionalen Sinne . . . . . . . . . 252 Abbildung 12: Das Funktionsmodell nach Oller-Vallejo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Abbildung 13: Das transaktionsanalytische Funktionsmodell. . . . . . . . . . . . . . . 253 Abbildung 14: Konzept der Grundeinstellungen (Gesamtübersicht). . . . . . . . . . 269 Abbildung 15: Bannbotschaften, Skriptentscheidungen, Skriptüberzeugungen (1. Teil). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Abbildung 16: Bannbotschaften, Skriptentscheidungen, Skriptüberzeugungen (2. Teil). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Abbildung 17: Bannbotschaften, Skriptentscheidungen, Skriptüberzeugungen (3. Teil). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Abbildung 18: Die Antreibermatrix (1. Teil). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Abbildung 19: Die Antreibermatrix (2. Teil). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Abbildung 20: Die Skriptmatrix. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Abbildung 21: Die Prozessschritte im Miniskriptmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Abbildung 22: Zeitgebundenheit der Skriptauswirkungen (1. Teil) . . . . . . . . . . 288 Abbildung 23: Zeitgebundenheit der Skriptauswirkungen (2. Teil) . . . . . . . . . . 289 Abbildung 24: Das Beziehungsdiagramm zur Transaktionsanalyse i. e. S.. . . . . 293 Abbildung 25: Tangentiale Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

22 Abbildungsverzeichnis Abbildung 26: Blockierende Transaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Abbildung 27: Spieldefinition mittels der Spielformel von Berne . . . . . . . . . . 324 Abbildung 28: Das Drama-Dreieck mit Erläuterungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Abbildung 29: Verfolgerspiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Abbildung 30: Opferspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Abbildung 31: Retterspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Abbildung 32: Anwendungsbereiche der Transaktionsanalyse im Mediationsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 Abbildung 33: Elemente der Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Abbildung 34: Automatismusverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Abbildung 35: Gefühls- und Handlungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Abbildung 36: Schnittstellen von Eingliederungsvereinbarungen zu sonstigen Kommunikationsprozessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 Abbildung 37: Ausgangspositionen eines Eingliederungsvereinbarungsgespräches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Abbildung 38: Die allgemeine Abwertungstabelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Abbildung 39: Ebenen der Abwertung angesichts einer problematischen Situation (hier: „Alkohol und Arbeitslosigkeit“). . . . . . . . . . . . . . . . . 486 Abbildung 40: Gedrehte dreidimensionale Abwertungstabelle nach Schulze . . 492 Abbildung 41: Bedingungen von Führungskompetenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Abbildung 42: Lebenszeitgestaltung in Relation zu Zuwendungen . . . . . . . . . . 525 Abbildung 43: Die drei Dimensionen von Strokes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530

Abkürzungsverzeichnis a. E. am Ende Abs. Absatz AnwBl Anwaltsblatt AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie ASRP BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter Bd. Band Bürgerliches Gesetzbuch BGB Bundesgesetzblatt BGBl BGH Bundesgerichtshof Bsp. Beispiel bspw. beispielsweise BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise d. h. das heißt Die AngestelltenVersicherung. Zeitschrift der BundesversicheDAngVers rungsanstalt für Angestellte ders. derselbe Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse DGTA dieselbe, dieselben dies. DÖV Die Öffentliche Verwaltung Doktor der Rechte Dr. jur. DRiZ Deutsche Richterzeitung DV Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt DVBl EATA European Association of Transactional Analysis EL Eltern-Ichzustand ER Erwachsenen-Ichzustand et cetera etc. EU Europäische Union f. folgende ff. fort folgende Fn. Fußnote

24 Abkürzungsverzeichnis FS Festschrift FStrPrivG Fernstraßenprivatisierungsgesetz GD Gruppendynamik und Organisationsberatung GG Grundgesetz Hm HARVARDmanager, Periodikum zu Theorie und Praxis des Managements hrsg. herausgegeben HS Halbsatz i. d. F. in der Fassung i. e. S. im engeren Sinne i. R. d. im Rahmen des im Rahmen von i. R. v. i. S. v. im Sinne von i.Ü. im Übrigen i. V. m. in Verbindung mit IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung info also Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht insbes. insbesondere IP Information Philosophie Juristische Ausbildung Jura JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung K Kind-Ichzustand Kap. Kapitel KJ Kritische Justiz Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz KrW- / AbfG m. E. meines Erachtens mit weiteren Nachweisen m. w. N. MDR Monatsschrift für deutsches Recht NDV Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NTA Neues aus der Transaktionsanalyse Natur und Recht NuR NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWVBl Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NZA Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-RR Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht – Rechtsprechungsreport NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht o. ä. oder ähnliches

Abkürzungsverzeichnis25 OE

OrganisationsEntwicklung. Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Changemanagement OSC Organisationsberatung – Supervision – Coaching pm perspektive mediation, Fachzeitschrift für Mediation Prof. Professor Politische Vierteljahresschrift PVS RGBl. Reichsgesetzblatt Rn. Randnummer RuP Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungs­ politik s. siehe S. Seite s. o. siehe oben SächsVBl Sächsische Verwaltungsblätter SGb Die Sozialgerichtsbarkeit SGB Sozialgesetzbuch sog. so genannte StGB Strafgesetzbuch TA Transaktionsanalyse TAB Transactional Analysis Bulletin TAJ Transactional Analysis Journal TB Taschenbuch TuP Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit u. a. und andere UNO United Nations Organization usw. und so weiter VBlBW Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg VerwArch Verwaltungsarchiv vgl. vergleiche Vierteljahresschrift für Sozialrecht VSSR VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WHG Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) Wissenschaftsrecht. Wissenschaftsverwaltung. Wissenschaftsförde­ WissR rung www world wide web z. B. zum Beispiel ZfRSoz Zeitschrift für Rechtssoziologie Zeitschrift für Konfliktmanagement und Mediation ZKM ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZTA Zeitschrift für Transaktionsanalyse in Theorie und Praxis

A. Einführung Die Arbeit befasst sich im Kern mit dem Konfliktmanagement im öffentlichen Sektor. Durch die Bemühungen, das Konzept des aktivierenden Staates umzusetzen, sind an das öffentliche Konfliktmanagement ganz neue Herausforderungen gestellt. Der Entwicklungsprozess hin zu einem aktivierenden Staat ist zu Beginn ein Prozess, der vor allem eine Eigenaktivierung erfordert und der zu Wandlungen der staatlichen Strukturen führt, die sich als eine Organisationsentwicklungsmaßnahme ungeahnten Ausmaßes darstellt. Insoweit können zum einen nicht nur die Erfahrungen aus den Organisationsentwicklungsmaßnahmen der Profit- und Non-Profit-Organisationen hilfreich werden, sondern auch aus der Personal- und Gruppenentwicklung innerhalb dieser Organisationen. Zum anderen kommen in diesen Zusammenhängen Fragen und Themen von grundlegender Bedeutung auf, die jede individuelle wie auch gesellschaftliche Entwicklung betreffen. Deshalb arbeitet sich die Untersuchung vom Allgemeinen zum Besonderen vor, vom Abstrakten zum Speziellen. Als formaler Ausgangspunkt der Arbeit ist deshalb der soziale Konflikt gewählt worden, der nicht nur für die Veränderungsnotwendigkeiten sorgt, sondern auch für die Veränderungswünsche der handelnden Akteure als auch der entsprechend erforderlichen Energie anstehender Umsetzungsbemühungen Als transdisziplinäre Grundlagenarbeit waren unterschiedliche formalwissenschaftliche Standards in Einklang zu bringen. Vor allem waren die unterschiedlichen Zitierweisen der verwandten Literatur zu vereinheitlichen. Die Gliederung erfolgt alphanumerisch – wie es juristischer Gewohnheit entspricht. Für die Literaturzitate selbst ist ein Zwischenweg gewählt worden. Auf Kurztitel wurde verzichtet. Alle verwandte Literatur wird durch den Nachnamen des Autors und die entsprechende Jahresangabe gekennzeichnet.1

1  Sofern ein Autor mehrere Nachweise in einem Jahr veröffentlicht hat, tritt zur Jahresangabe noch ein Buchstabe hinzu (Etwa Bauer 2008a). Sofern ausnahmsweise zwei Autoren mit gleichem Nachnamen im selben Jahr einen Nachweis veröffentlicht haben, wird ein Autor mit dem Anfangsbuchstaben seines Vornamens zitiert. Es handelt sich um Bauer, H. 2008; Schneider, M. ZTA 2006.

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A. Einführung

I. Der Anlass der Untersuchung Mehr als je zuvor gilt heute in der öffentlichen Verwaltung, dass, um gut zu verwalten und zu gestalten, mehr zu tun ist, als das Gesetz vorschreibt. Im maßgebenden Handbuch zum „Leiten und Führen in der öffentlichen Verwaltung“ von Wolf / Draf heißt es, dass „bei unserer Neigung zur Perfektion, gepaart mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein, […] ein Hängenbleiben an der Rechtsfrage (was ist rechtens?) ohne die Sachfrage (was ist richtig?) zu stellen, nicht nur zu unbefriedigenden, sondern sogar zu ethisch nicht mehr vertretbaren Ergebnissen führen [kann], wie zahllose Beispiele aus der NS-Zeit und sozialistischen Regimen belegen. Man mag hier eine den Rechtsstaat in Frage stellende Inkonsequenz befürchten. Sie ist ein nicht zu ignorierendes Faktum, bei dem die politische Verantwortung des Mandatsträgers greift. Vielleicht wäre folgende Formel akzeptabel: Nicht nur tun, was legal ist, sondern was legitim ist. Mehr tun, als das Gesetz vorschreibt.“2 Gesetze können heute angesichts der Komplexität und Veränderungsrasanz des sozialen Lebens kaum noch punktgenaue Handlungsvorgaben des Gesetzgebers sein. Immer öfter müssen die Gesetze lediglich allgemein formulierte Ziele vor, die die Rechtsanwender selbständig und eigenverantwortlich zu erreichen haben. Aus dem Gesetzeswortlaut allein wird nicht mehr ersichtlich, was konkret zu tun oder zu unterlassen, sondern welcher Rahmen zu beachten ist oder welche Grenzwerte eingehalten werden müssen. Das „Wie?“ ist im Einzelnen nicht mehr kodifizierbar. Insbesondere die Mitarbeiter der Verwaltung sind dabei zu größerer Eigenverantwortlichkeit aufgefordert, die gesetzlichen Zielvorgaben umzusetzen. Das Gesetz gleicht immer weniger einer Bedienungsanleitung fürs Verwalten und Gestalten. Gesetze, obschon in ihrer Anzahl gestiegen, sind für die Verwaltung nicht viel mehr als Wegweiser und Anhaltspunkte. Den Prozess des Verwaltens können sie aber kaum noch verbal antizipieren.3 Zwei aktuelle Entwicklungslinien offenbaren die Notwendigkeit und Konsequenz, sich die erforderlichen Kompetenzen anzueignen, um gerade diese Anforderungen an die persönliche Eigenverantwortlichkeit bei der Anwendung der Gesetze zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund entstand die Untersuchung. Die erste Entwicklungslinie stellt einen Wandlungs- und Erweiterungsprozess dar, der in der individuellen und gesellschaftlichen Umgangs2  Wolf / Draf

1999, 219 f. der abstrakten Ebene der Gesetze konnte das Problem für einzelne Rechtsfragen durch Generalklauseln und Ermessensvorschriften zeitweise gelöst werden. Zunehmend mehr müssen aber auch Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ähnlich ausgestaltet werden. So sollen beispielsweise Grenzwertbestimmungen das Kommunikationsproblem von Gesetzen und Rechtsvorschriften lösen. 3  Auf



I. Der Anlass der Untersuchung29

weise mit Konflikten stattfindet. In der Behandlung sozialer Konflikte zeigt sich der Wandel im Übergang von der Delegation hin zur Mediation. Die zweite Entwicklungslinie betrifft das Verständnis von Staat und Gesellschaft generell. Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft wandelt sich vom sozialen Fürsorgestaat hin zum aktivierenden Sozialstaat. In beiden Wandlungsprozessen offenbart sich das Prinzip Eigenverantwortlichkeit der handelnden Personen, das für Entscheidungsprozesse zunehmend bedeutsamer wird. In den letzten Jahrzehnten kam es in den westeuropäischen Staaten zu einer Professionalisierung von Vermittlungstätigkeiten in Konflikten. Sie wird gegen Honorar angeboten, von speziell ausgebildeten Konfliktmanagern und findet nicht mehr zufällig, wenn auch noch nicht institutionalisiert statt. Auch im öffentlichen Sektor nimmt die Mediation stetig mehr Platz ein. Dieses Aufkommen ist weder ein Zufall noch eine Mode. Die profes­ sionalisierte Mediation hat sich in Staaten und Gesellschaften entwickelt, deren Rechtssystem (vollständig) ausdifferenziert und das Gewaltmonopol faktisch durchgesetzt ist. Es wird sich zeigen, dass dadurch ein Punkt in der gesellschaftlichen Behandlung von sozialen Konflikten erreicht ist, an dem eine zufriedenstellende Konfliktlösung durch den richtenden Dritten nicht mehr gesichert ist. Denn die soziale Befriedung durch Delegation der Konfliktentscheidung an den Richter zieht ihre soziale Kraft und Legitimation aus der Verhinderung von Krieg und Gewalt. Für eine Befriedigung der Konfliktparteien ist das allerdings immer seltener ein angemessenes Mittel. Dem Staat steht dabei glücklicherweise nicht die Kompetenz und Aufgabe zu, sich um befriedigte Konfliktbeteiligte sorgen zu müssen. Das anspruchsbezogene Korsett des Rechts ist aber auch nicht passend, um weitergehende individuelle Bedürfnisse und Interessen der Beteiligten zu befriedigen. Das Recht bietet dafür keine passenden Antworten. Freilich bleibt Gewaltfreiheit als Bedürfnis in der individuellen wie gesellschaft­ lichen Konfliktbehandlung bestehen, weshalb auch die Delegation möglich und das Rechtssystem existent bleiben. Aber Gewaltfreiheit der Menschen untereinander ist nicht ausreichend. Soziale Konflikte sind zuvorderst Anlässe, um die beiderseitige Kontaktgestaltung zu überdenken und entsprechend zu handeln. Sie sind nicht zwingend der Anfang von Gewalt, die nur Dritte verhindern können. Die Mediation unterstützt die Beteiligten bei diesem gemeinsamen Nachdenken. Dieser Übergang im individuellen Konfliktmanagement stellt einen zentralen Anlass der vorliegenden Untersuchung dar. Der anders gelagerte Vermittlungsauftrag wird umfassend mit demjenigen verglichen, den ein Richter erhält. Dabei wird es unumgänglich sein, die Konfliktdynamik zu beschreiben, die aufkommt, wenn ein Dritter sich berufen fühlt (auch ohne konkreten Auftrag durch die Konfliktbeteiligten) über diese zu richten, um soziale Ruhe und Ordnung herzustellen. Auch der Staat als Organisator und Akteur der gesellschaftlichen Delegation, die

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A. Einführung

anhand des Rechtssystems erfolgt, ist von der Mediationswelle betroffen. Da dieser ohnehin in einem umfassenden Wandlungsprozess ist, ergeben sich Synergieeffekte. Es wird sich zeigen, dass beide Entwicklungen, der Umgang mit Konflikten sowie der staatliche Wandlungsprozess, gemeinsame Ursprünge, Anliegen und Ziele aufweisen sowie auf vielfältige Weise in den Umsetzungsprozessen miteinander verknüpft sind. Dieser zweite, mit dem ersten verbundene, Wandlungsprozess betrifft das Staatsverständnis generell und damit die Beziehungsstruktur von Staat und Gesellschaft bzw. zwischen Staat und Bürger. Wie steht der Staat zu seinen Bürgern und umgekehrt? Was erwarten sie voneinander und was können sie voneinander erwarten? Welche Aufgaben kommen dem Staat bei der gesellschaftlichen Organisation zu? Wie kann er diese Aufgaben mit seiner legislativen und exekutiven Organisation erfüllen? Wie darf er sie angesichts juristischer und wirtschaftlicher Grenzen erfüllen? Mit der Regierungsübernahme durch die Sozialdemokraten im Jahre 1998 wurde ein Staatsverständnis, das sich sozial- und rechtswissenschaftlich seit Anfang der 1990er Jahre entwickelt hatte, demokratisch legitimierte Staatspraxis. Der Staat wurde neu gedacht und fortan galt es, das bisherige Gebilde entsprechend gesetzlich umzuformulieren und tatsächlich umzubauen. Exekutivisch wird deshalb nicht ohne Grund der Übergang vom Verwalten zum Gestalten postuliert.4 Deutlich wird, dass Staat und Gesellschaft aus einem anderen Bezugsrahmen heraus betrachtet und gedacht werden. Das dichotomische Verständnis von Staat und Gesellschaft trägt den sozialen Phänomenen nicht mehr in jeder Hinsicht Rechnung und vermag keine Handlungspläne bereitzustellen, deren Umsetzung zu gewünschten Ergebnissen führt. Der Umbau, der mit Privatisierung begann und mit PublicPrivatePartnership-Projekten etikettiert und plakatiert wurde, führte dazu, dass keineswegs mehr sicher feststellbar ist, ob nun staatlich oder privat gehandelt wird oder werden muss. Es können ganze Bibliotheken mit Büchern gefüllt werden, in denen versucht wird, das neuartige Staats- bzw. Gesellschaftshandeln zu erfassen und zu ordnen. Aber in den Kellern dieser Bibliotheken stehen bereits diejenigen Bücher, in denen die Einsortierung und Qualifizierung ausschließlich mit einem dichotomischen Grundverständnis von Staat und Gesellschaft vorgenommen wird. Mitunter scheint es, als ob der Staat zu einem „normalen“ Akteur in der Gesamtgesellschaft geschrumpft sei. Insoweit steht er nicht mehr über ihr bzw. ihr gegenüber. Und soweit sich der demokratisch verfasste Rechtsstaat nach wie vor als Steuermann verstehen möchte, muss er sich vorbehaltlos fragen, wie er nunmehr zu steuern gedenkt. Sein Führungs(un)verständnis ist dabei keineswegs bloß Makel, sondern auch Chance und Herausforderung für kreative Lösungen, von denen schon reich4  Meurer

DAngVers 1999, 110.



I. Der Anlass der Untersuchung31

lich Ansätze existieren und praktisch erprobt werden. Nicht zufällig wird dabei auch auf Erfahrungen zurückgegriffen, die private Großorganisationen (Konzerne, Verbände etc.) mit ähnlichen Veränderungsanforderungen in groß angelegten Wandlungsprozessen gemacht haben.5 Es scheint m. E. die größte juristische Herausforderung darzustellen, diese gesellschaftliche Entwicklung juristisch zu normieren – zumal die aktuelle Gesetzeslage, die großteils auf einem dichotomischen Gesetzesverständnis beruht, dieser Um- und Neuformulierung scheinbar im Wege steht. Wie auch immer die Entwicklung bewertet wird, die aktuelle Rechtsordnung bietet jedenfalls eine Begrenzung und damit auch Sicherheit gebende Orientierung für den Weg in ein unbekanntes Terrain. Das der Veränderungen zugrunde liegende Konzept vom aktivierenden, kooperativen Staat jedenfalls ist in seinem Kern – wie das Mediationsverfahren – ein Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe. Der Staat akzeptiert (notgedrungen), dass er weder alleinkompetent noch allmächtig ist, sondern auf Mithilfe angewiesen ist und selbst nur in begrenzter Art und Weise zu helfen vermag. Vereinfacht geht es nicht mehr um die Frage, ob der Bürger vom Staat bzw. der Staat vom Bürger mehr oder weniger verlangen darf, sondern darum, wodurch und inwieweit der gegenseitige Nutzen angesichts der überwältigenden Aufgaben gemehrt werden kann. Es geht um eine Aktivierung aller Beteiligten im Wege der Koopera­ tion. In diesem Prozess scheint jeder ein Lehrer aller zu sein. Die angesprochenen gesellschaftlichen und staatlichen Veränderungsprozesse, die sich unmittelbar auf alle Akteure auswirken, sind der Hintergrund der vorliegenden Untersuchung. Es handelt sich um Fundamentaländerungen nicht nur der betroffenen Organisationen, sondern auch der Fühl-, Denkund Verhaltensweisen eines jeden Einzelnen sowie im zwischenmenschlichen als auch insbesondere im technisierten Umgang. Wer hätte vor fünfundzwanzig oder dreißig Jahren daran gedacht, dass wir …, ach‘ …, die Beispiele sind grenzenlos! Tatsächlich erfordern die äußeren Veränderungen auch entsprechende Veränderungen bei allen Beteiligten, wodurch ein enormes Konfliktpotential aufkommt. Wir können anders miteinander umgehen als früher, sowohl technisch als auch ganz direkt. Die dabei auftretenden Verwirrungen und Verunsicherungen bei allen Beteiligten und Betroffenen scheinen zunächst einmal eine angemessene Reaktion zu sein. Widerstand, vor allem durch Teile einer Großorganisation, sind gewissermaßen eine vernünftige und verständliche Reaktion auf derartige Wandlungsprozesse. 5  Die juristischen Diskussionen zum staatlichen Steuerungsparadigma sowie zur Wirkungsweise von Gesetzen entsprechen den Diskussionen um den ‚richtigen‘ Führungsstil von Führungskräften in privatwirtschaftlichen Organisationen.

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A. Einführung

II. Die Ziele der Untersuchung Die Untersuchung zielt – erstens – auf ein vertieftes Verständnis im Umgang mit sozialen Konflikten. Sie ist deshalb im engeren Sinne keine juristische Untersuchung, auch wenn das Rechtssystem oftmals die Hauptrolle einnehmen und steter Bezugspunkt der Ausführungen sein wird. Die Arbeit reflektiert die juristische Behandlung sozialer Konflikte, indem sie das Rechtssystem als eine von mehreren Möglichkeiten darstellt, mit Konflikten umzugehen. Zentraler Gegenstand der Untersuchung ist jedoch der soziale Konflikt bzw. die konfligierende zwischenmenschliche Umgangsweise. Der Ansatz ist damit beziehungsorientiert. Dadurch zeigt sich auch das Rechtssystem in einem anderen Licht. Entsprechendes gilt für die Behandlung sozialer Konflikte mittels Mediation. Es soll gezeigt werden, dass Recht und Mediation weder gegensätzlich noch gleichartig sind, sondern andersartig sowohl in ihrer Anlage, als auch in ihren Bestrebungen. Diese Ziele werden im zweiten und dritten Kapitel bearbeitet.6 Das Nachdenken über Mediation fordert zunächst die vergleichende Untersuchung mit anderen Konfliktbehandlungsmethoden. Insoweit wird sich zeigen, dass die Methoden der Delegation und Mediation die beiden Stationen sind, bei denen die Konflikte durch Hinzuziehung eines Dritten behandelt werden. In diesem Zusammenhang kommt es zu einem Vergleich mit dem Rechtssystem, das im Rahmen der Delegation als Entscheidungsmaßstab durch den Dritten genutzt wird. An dieser Stelle kommt es unweigerlich zur Betrachtung des Staates als Organisator und Aktivist des Rechtssystems. Das Recht ermöglicht eine Delegation an den staatlichen Richter und zwingt mitunter dazu, wenn es sonst zur gewaltvollen und ungerechten Konfliktbehandlung kommen würde. Doch im Wahrnehmen von Mediation äußert sich ein gewandeltes Verständnis der Konfliktbeteiligten gegenüber dem Staat. Oder anders gewendet. Wer sich im Konflikt mit anderen durch einen Dritten vermitteln lässt, äußert sich auch zum Angebot, die Konfliktentscheidung an einen (staatlichen) Richter delegieren zu können. Mag die Mediation an sich einen staatsfernen Kern aufweisen, so ist sie in der staatlich verfassten Gesellschaft gleichsam eingebettet, so dass ein Nachdenken über Mediation stets auch in ein Nachdenken über den Staat mündet. Indem die Untersuchung in ihrem fünften Teil dieser Tatsache nachgeht, zeigt sie, dass das individuell gewandelte Verständnis seine Entsprechung im offiziellen Staatsverständnis hat. Aktuell wandelt sich der soziale Fürsorgestaat zu ei6  Da das Rechtssystem staatlich organisiert ist und die Delegation damit an die Staatsgewalt erfolgt, werden im Rahmen des dritten Kapitels bereits Fragen beantwortet, die mit dem Staat und der Staatsgewalt zu tun haben. Sie werden im fünften Teil der Untersuchung ausführlich behandelt.



II. Die Ziele der Untersuchung33

nem kooperierenden, aktivierenden, als auch gewährleistenden Sozialstaat. Die Bezeichnungen sind vielfältig und das Gemeinte weist Unterschiede allenfalls im Detail auf. Doch das Übergeordnete ist identisch und entspricht den Zielen bzw. Erfordernissen der Mediation: Es geht um ein erneuertes Verständnis, sich in der Beziehung zu anderen und damit auch zum Staat zu definieren und damit um eine Entwicklung von individueller Eigenverantwortlichkeit. Das zweite Ziel der Untersuchung besteht deshalb darin, diesem Verständnis vom (sich wandelnden) Staat nachzugehen. So wie die Beziehung zu einer anderen Person im sozialen Konflikt der Revision unterworfen wird, wird die Beziehung aller Einzelwesen zum Staat derzeit revidiert. Anlass sind auch hier Konflikte, die auf unterschiedlichen Erwartungen basieren. Im sozialen Leistungsrecht, aber auch im Umweltrecht wird dieser Problemkreis besonders deutlich sichtbar. Deshalb werden diese Bereiche auch als primäre Referenzgebiete der Untersuchung dienen. Die Untersuchung versteht sich aber nicht als Überflug. Vielmehr ist ihr Ansatz ganz konkret. Mit der Transaktionsanalyse, einem Konzeptverbund, der in individuellen und organisationalen Beratungs- und Begleitprozessen genutzt wird, sollen Handlungsoptionen für das mediative und exekutivische Handeln aufgezeigt werden. Transaktionsanalytische Konzepte dienen der Diagnose individueller und sozialer Situationen und weisen Interventionsmöglichkeiten auf, die allesamt im Dienst der Eigenverantwortlichkeit des zu Beratenden stehen. Mit ihren Leitkonzepten vom Autonomiestreben des Menschen und der Vertragsorientiertheit im sozialen Umgang ist die Transaktionsanalyse geradezu prädestiniert, die angesprochenen Wandlungsprozesse einerseits zu erklären und andererseits begleitend zu unterstützen. Deshalb ist es das dritte Ziel der Untersuchung, die Transaktionsanalyse als Konzeptverbund vorzustellen. Dabei werden die Möglichkeiten ausgelotet, die sie in Mediationen sowie in Begleitprozessen im Zusammenhang mit der staatlichen Verwaltung hat. Insoweit werden Grundsteine einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation sowie einer transaktionsanalytisch fundierten Beratung des öffentlichen Sektors gelegt, um den Übergang zum aktivierenden Staat und damit die Umsetzung eines gewandelten Steuerungsparadigmas sowohl verwaltungsintern als auch verwaltungsextern zu fördern. Es wird sich zeigen, dass beim Umbau der Verwaltungsorganisation die Erfahrungen transaktionsanalytischer Beratung in privaten Organisationen genutzt werden können.

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A. Einführung

III. Der Gang der Untersuchung Die Untersuchung beginnt mit der Theorie sozialer Konflikte. Nachdem das Phänomen sozialer Konflikte erläutert und definiert wurde, schließt sich eine Erläuterung seiner Wirkungen und Funktionsweisen an. Abschließen wird diesen Teil der Untersuchung ein Modell der fünf Konfliktbehandlungsmöglichkeiten, in dem diese in einen evolutionären Zusammenhang gestellt werden können. Als stetig fortschreitende Geschehens- und Handlungsabläufe bestehen Konflikte stets zwischen Menschen und werden durch diese, mitunter organisiert in sozialen Einheiten, prozessiert. Das hat enorme Auswirkungen auf das Verständnis von Konflikten, beispielsweise für die Fragen der Konfliktbehandlung, -beendigung und -auflösung. Besonders bedeutsam, und viel zu selten beachtet, ist die Differenzierung von Konflikt und Konfliktbehandlung. Zwar ist diese Differenzierung zunächst rein analytischer Natur, doch fördert sie das Verständnis für den prozesshaften Charakter von Konflikten. Auch die Darstellung des konfliktären Geschehensablaufs wirkt auf den Konflikt zurück und verändert diesen. Das bedeutet einerseits, dass der Konflikt als solches ein kaum (be-)greifbarer Zustand ist und erst recht keine Frage von Verhaltensweisen schlechthin. Bestimmte Handlungen, insbesondere gewalttätige, mögen auf einen Konflikt hinweisen, stellen aber regelmäßig den Versuch dar, diesen zu lösen, weshalb der Konflikt andererseits auch nie zu einem bloßen Sachverhalt erstarren kann. Der Konflikt darf für ein angemessenes Konfliktmanagement nicht mit den Versuchen verwechselt werden, mit dem Konfliktzustand zurecht zu kommen. Diese Versuche, die den Konflikt befriedigen oder verschärfen, Zufriedenheit fördern oder Leid vertiefen, sind oftmals das, was als „Konflikt“ wahrgenommen wird bzw. das, was überhaupt von anderen wahrnehmbar ist. Das gilt auch für die Beteiligten selbst. Krieg, Gerichtsprozesse oder Streitgespräche sind beispielsweise nicht der jeweilige Konflikt, es handelt sich dabei lediglich um Versuche, mit einem Konflikt umzu­ gehen. Konflikte sind zwischen Menschen (in sozialen Einheiten) ebenso natürlich wie Zugewandtheit und Harmonie; sie entstehen in der Begegnung und gestalten und strukturieren diese prozesshaft aus. Sie sind weder vermeidbar noch an sich zu Meidendes. Vielmehr handelt es sich um wertneutrale und stets sinnvolle Prozesse, die zukunftsweisend sind. Dass sie häufig unerwünscht erscheinen, ist Folge einer einseitigen Betrachtung, aber keine Eigenschaft der Konflikte selbst. Die Konflikte selbst wirken für das Leben der Beteiligten ebenso bereichernd wie alle anderen Zustände in der gemeinsamen Begegnung auch.



III. Der Gang der Untersuchung35

Den beteiligten sozialen Einheiten stehen modellhaft sechs unterschied­ liche Konfliktbehandlungsmöglichkeiten zur Auswahl. Sie können flüchten und ausweichen, sich bekämpfen und bekriegen, einen Dritten im Wege der Delegation entscheiden oder schlichten lassen, einen Dritten als Mittler einschalten oder eigenständig im Wege kooperativer Verhandlungen zu einer Einigung gelangen. Jede Möglichkeit weist (vor allem für die konkret Beteiligten) spezifische Vorteile und – außer im Fall kooperativer Verhandlungen – auch Nachteile auf. Schwerpunkt des dritten Teils, der die Mediation als Konfliktbehandlungsverfahren grundlegend behandelt, ist die Auseinandersetzung mit dem Rechtssystem, das das – heutzutage staatlich organisierte – Konfliktlösungsverfahren der Delegation unterstützt. Dabei wird vor allem zu zeigen sein, dass es sich keineswegs um gegensätzliche Verfahren handelt. Auch handelt es sich nicht um gleichartige oder verwandte Verfahren. Vielmehr handelt es sich um Verfahrensweisen, die jeweils andere Grundsätze und Zielrichtungen verfolgen. Beide Verfahrensweisen bauen allerdings konzeptionell aufeinander auf und sind zwei Ebenen eines Wachstums- bzw. Evolutionsprozesses von Sozialkompetenzen. Mediation als Konfliktbehandlungsverfahren eignet sich zur präventiven wie reaktiven Verfahrensweise der Verwaltung im öffentlichen Sektor. Ihre Anwendung unterliegt grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zweifel werden in der Literatur zur Mediation im öffentlichen Sektor zwar dahingehend geäußert, als dass es der Verwaltung rechtlich verwehrt sei, sich in einer Mediation durch einen privaten Mediator vermitteln zu lassen. Dieser Verfahrensweise stehen jedoch im Ergebnis weder verfassungsrechtliche Grundsätze noch einfachgesetzliche Rechtssätze entgegen. Zudem bedarf es weder einer Beleihung noch der juristischen Verortung des Mediators als Verwaltungshelfer. Von all dem wird ausführlich die Rede im fünften Kapitel sein. Zuvor beschäftigt sich die Untersuchung im vierten Teil mit der Transaktionsanalyse. Sie ist ein Verbund von Beratungskonzepten, der zur Diagnose und Intervention bei sozialen Konflikten nützlich ist. Kernannahme der Transaktionsanalyse in diesem Zusammenhang ist, dass jeder Mensch wachsen und reifen möchte, um als eigenverantwortliche Persönlichkeit zu agieren. Das bedeutet, dass sie bewusst und spontan auf alle ihr zur Verfügung stehenden Fühl-, Denk- und Handlungsweisen in der Gestaltung ihres Leben zurückgreifen kann. Bedeutsam für den vorliegenden Zusammenhang (und einer ausführlichen Darstellung zugeführt) sind die Konzeptbereiche der Persönlichkeitsanalyse (Struktur- und Funktionsmodell), der Kommunika­ tionsanalyse, einschließlich der Modelle psychologischer Spiele und redefinierender Transaktionen (Transaktionsanalyse i. e. S.), sowie das Vertrags-

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A. Einführung

konzept, obschon das Entwicklungsmodell (Theorie vom Lebensskript) nicht unerwähnt bleibt. Der Nutzen und die Geeignetheit transaktionsanalytischer und damit beziehungsorientierter Betrachtungen ergibt sich nicht nur aus ihrer wissenschaftlich fundierten Tiefe und der Bandbreite und Vielfalt der Konzeptbereiche, sondern vor allem durch ihre Korrelationen mit den Konzepten und Leitbildern der Mediation sowie des aktivierenden Staates. Ihr praktischer Nutzen ergibt sich im Übrigen aus ihrer Verständlichkeit und Eingängigkeit sowie ihrer Kompatibilität mit anderen Persönlichkeits- und Kommunikationsmodellen, die von Mediatoren, Personalberatern und Führungskräften aller Art angewendet werden. Besonders anschlussfähig und förderlich wirkt dabei das transaktionsanalytische Verständnis vom menschlichen Lernen, das sich aus konstruktivistischen bzw. systemtheoretischen Axiomen herleitet7, auf denen auch die vorliegende Arbeit basiert. Die Veränderungsprozesse sowohl im freiwilligen Übergang von der Delegation zur Mediation sowie des staatlich initiierten Übergangs vom sozialen Fürsorgestaat hin zum aktivierenden Staat beherbergen ein ungeheures Konfliktpotential. Der Übergang zum aktivierenden Staat stellt zwar einen Lösungsversuch auf aktuelle Problemlagen dar, begründet jedoch seinerseits ein Potential an Veränderungskonflikten in staatlichen, halbstaatlichen sowie nichtstaatlichen Organisationen und Gruppen, die die in ihnen lebenden und arbeitenden Menschen zutiefst verunsichern. Solche Veränderungsprozesse sind sowohl auf der Ebene der Organisation als auch auf Führungskräfteund Mitarbeiterebene zu begleiten, damit sie sowohl für die Organisation als auch für die in ihnen arbeitenden Menschen verkraftbar werden. Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierte Mediation eignen sich, derartige Veränderungsprozesse kommunikativ, kreativ und ko­ operativ zu begleiten und auf diese Weise steuernd zu gestalten. Da den staatlichen Akteuren bei der Aktivierung des aktivierenden Staates die Führungsverantwortung obliegt, sind insbesondere ihnen entsprechende Handlungs- und Sozialkompetenzen zu vermitteln. Das betrifft einerseits die Führungskräfte innerhalb der Verwaltung in Bezug auf die ihm anvertrauten behördlichen Mitarbeiter, andererseits die Behördenmitarbeiter insgesamt im Hinblick auf die Gestaltung des Kontakts mit dem Bürger als Kooperationspartner. Die Arbeit versteht sich zunächst als eine theoretische Basis, um den praktischen Nutzen von Mediation und Transaktionsanalyse für die Vermittlungs- und Führungskräftearbeit zu erläutern. Zum anderen möchte die Ar7  Zu systemischen Elementen in der TA, vgl. etwa Mohr 2008, 46; zur neurobiologischen Bestätigung konstruktivistischer und systemtheoretischer Lern- und Lehrannahmen s. Bauer 2008a, 122 ff.



IV. Das erkenntnistheoretische Verständnis der Untersuchung37

beit ein Verständnis dafür vermitteln, dass allein die Kenntnis und das Verständnis der Konzepte weder die Arbeit von Mediatoren noch die von Führungskräften verbessert. Vielmehr kommt es darauf an – und diese Tatsache befindet sich letztlich jenseits der vorliegenden Untersuchung –, dass in der täglichen Arbeit die Handhabung der Konzepte trainiert werden muss, um ihren Nutzen für die Medianten und Mitarbeiter entfalten zu können. Das bedarf schließlich einer praktischen Anleitung, die in Trainings, Coachings und Supervisionen für Mediatoren und Führungskräfte zu be­ werkstelligen ist. Der Arbeit liegt damit keine empirische Analyse zu Grunde. Diese obliegt vertiefenden Folgeuntersuchungen.

IV. Das erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Verständnis der Untersuchung Die Untersuchung basiert wissenschaftstheoretisch auf der Kognitions­ theorie des Radikalen Konstruktivismus. Dessen Basisannahmen führen zu einem Theoriengebäude, in dem die Konzeptionen des aktivierenden Staates, der Mediation sowie der Transaktionsanalyse widerspruchsfrei Raum finden – und praktisch umgesetzt werden können.  IV. Das erkenntnistheoretische Verständnis der Untersuchung

Ob mit dem radikal-konstruktivistischen Ansatz tatsächlich der „Kopf heraus gesteckt wird, um sich des Risikos der Weltinterpretation zu erfreuen“, wie der Konstruktivist von Foerster meinte8, mag an dieser Stelle unentschieden bleiben. Jedenfalls erhöhen seine Annahmen und Konsequenzen das Verständnis für den Untersuchungsinhalt und werden deshalb im Folgenden knapp dargestellt. Ausgangspunkt des Radikalen Konstruktivismus ist nicht die Frage nach den Inhalten oder Gegenständen, die wahrgenommen werden. Es handelt sich nicht direkt um eine Erkenntnistheorie, jedenfalls nicht im klassischen ontologischen Sinne.9 Da sich der Radikale Konstruktivismus mit dem Wahrnehmungsvorgang selbst beschäftigt10, lautet seine Kernfrage gerade nicht „Was wissen wir von der Welt?“, sondern „Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?“ Deshalb handelt es sich um eine Kognitionstheorie, die sich gerade nicht mit dem Wesen der Dinge an sich beschäftigt.11 8  von

Foerster 1997, 53. Begriff der Ontologie Jensen 1999, 44 ff. 10  Der Radikale Konstruktivismus ist eine Theorie des Wissens, nicht des Seins; ihm geht es um das wahrnehmende Tun, nicht um das objektive Sein, vgl. von Glasersfeld 2003, 34. 11  Zuweilen wird der Radikale Konstruktivismus den postontologischen Theorien zugeordnet, vgl. dazu (mit den Bezügen zur Rechtstheorie als Anwendungsgebiet) Huber 2007, 22  ff. m. w. N. 9  Zum

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A. Einführung

Die Untersuchung dieses Wahrnehmungsvorgangs zeigt, dass wir Menschen unsere Umwelt nicht direkt wahrnehmen können. Unsere Sinnesorgane werden durch die Umwelt angeregt und gereizt, wodurch interne, also biophysische Veränderungen hervorgerufen werden, die unser Gehirn registriert. Ausschließlich diese biophysischen Veränderungen unserer Sinnesorgane und des gesamten Körpers, angeregt freilich durch die Umwelt, werden durch unser neuronales Netzwerk registriert und gedeutet.12 Wir sehen beispielsweise nicht mit unseren Augen die Welt da draußen, sondern die Welt da draußen reizt unsere visuellen Wahrnehmungsorgane (Augen), deren biophysischen Reaktionsprozesse unser Gehirn als das interpretiert, was wir zu sehen glauben.13 Der Konstruktivismus verneint die Möglichkeit, die Wirklichkeit an sich positiv und direkt zu erkennen. Die Wahrnehmung ist zuvorderst das Werk des Menschen, der keineswegs der Welt passiv und hilflos ausgeliefert ist, weil diese ihr Sein in uns projiziert. Wahrnehmung ist kein Transport von Informationen. Die Welt wird nicht durch unsere Sinnesorgane in uns hinein transportiert und weder eins zu eins noch mehr schlecht als recht abgebildet. Diese Vorstellung, dass eine objektive Welt in uns gespiegelt wird, trägt dem entscheidenden Vorgang der menschlichen Wahrnehmung nicht genügend Rechnung.14 Die – durch die Wirklichkeit verursachte – Reizung unserer Sinnesorgane verändert unsere gesamten internen Strukturen, die das neuronale Netzwerk (vor allem aber das Gehirn) registriert und ihnen, den Strukturveränderungen, eine Bedeutung und damit Sinn zuschreibt. So geht der Radikale Konstruktivismus über die Annahme hinaus, der Mensch könne niemals die gesamte Umwelt in ihrer Vielfalt erkennen, weil er sie stets von seinem Standpunkt aus wahrnehmen müsse und deshalb notwendigerweise selektiv und subjektiv vorgehe. Indem diese Vorstellung die menschliche Selektion beim Wahrnehmungsvorgang betont, wird gerade nicht geleugnet, dass es eine grundsätzlich erkennbare Wirklichkeit gibt und damit die Wahrheit an sich. Aber das, was der Mensch wahrnimmt, kann als ein wahrer Teil der Wirklichkeit gelten. Die ganze Wahrheit aber ist unend12  Im Einzelnen ist dieser Vorgang hoch komplex und keineswegs in jedem Detail geklärt. Aber die Annahme, dass die Sinnesorgane die Umwelteinflüsse undifferenziert anhand der eigenen Strukturen registrieren und das Gehirn diesen Codierungen Bedeutungen beimisst, auf die die Umwelt keinen determinierenden Einfluss hat, hat sich auch in neuesten neurobiologischen Experimenten als taugliche und nützliche Annahme erwiesen, um unterschiedliche Phänomene zu erklären. Zum Ganzen ausführlich von Foerster 1996; ders. 2006, 42 ff.; von Foerster / von Glasersfeld 1999, 104 ff.; Maturana / Pörksen 2002, 53 ff.; Maturana 1996; Damasio 2007, 163 ff.; ders. 2007a, 231 ff.; Roth 2003; ders. 1992; ders. 1996. 13  Vgl. Roth 1992, 285 ff. 14  Ebenso Damasio 2007a, 231 ff.



IV. Das erkenntnistheoretische Verständnis der Untersuchung39

lich viel reicher und übersteigt das menschliche Fassungsvermögen an Wahrheitsaufnahme bei weitem. Der Radikale Konstruktivismus leugnet jedoch die grundsätzliche Erkennbarkeit der Wirklichkeit schlechthin. Auch das, was der Mensch wahrnimmt bzw. zu erkennen glaubt, ist nicht ein Teil der objektiven Wirklichkeit. Das alles, was der Mensch wahrnimmt, ist seine Konstruktion, die er sich von der wirklichen Welt macht. Der Konstruktivismus schließt also jede direkte Wahrnehmung der Welt aus. Ihm geht es nicht darum, der geometrischen Tatsache, dass der Mensch aus seiner Perspektive nur die Vorderseite sieht, nicht aber zugleich die Rückseite, die Plausibilität abzusprechen. Er vertritt eine völlig andere Konzeption, die zu anderen Fragen und Antworten führt. Die Art und Weise, wie die Wahrnehmung des Menschen funktioniert, führt dazu, dass der Mensch die Wirklichkeit überhaupt nicht direkt wahrnehmen kann, sondern sich die Welt (in sich) auf ganz eigene Art und Weise konstruiert und errechnet und sein Handeln an dem Errechneten ausrichtet, nicht aber direkt an der Wirklichkeit.15 Andererseits leugnet der Radikale Konstruktivismus gerade nicht die Existenz der Wirklichkeit schlechthin und behauptet nicht, dass das, was Individuen für die Wirklichkeit halten, ist bloß eine Illusion und Erfindung des Individuums. Der Radikale Konstruktivismus ist keine Spielart des Solipsismus’.16 Der Mensch kann mit Bestimmtheit sagen, dass es eine Wirklichkeit unabhängig von ihm tatsächlich gibt. Aber er ist dazu „verdammt“17, diese nur durch sich selbst (und nicht bloß von seinem 15  Vgl. dazu von Foerster 2006, 40 f.; instruktiv zur „Errechnung der Realität“ Simon 2006, 35 ff., insbes. 43 ff. Diese Kraft der Konstruktion, der Deutung und Interpretation hat jedoch wenig mit der Kraft der Einbildung und Phantasie zu tun. Diese wurde auf ontologischer Grundlage der Wissenschaften lange Zeit als unwissenschaftlich abgelehnt und auszuschließen versucht, obschon sie durchaus ihre Tauglichkeit bewiesen hatte, dazu Daston 2001a. Erst Ende des vergangenen Jahrhunderts unternahm der renommierte Naturwissenschaftler von Weizsäcker einen groß angelegten Versuch, die beiden Bereiche, Wissenschaft und Kunst, die Rationalität und Phantasie benötigen und hervorbringen, wieder in einem Konzept der Welterkennung zusammen zu führen, s. von Weizsäcker 1992. Diesen nutzt u. a. Klöcker ZTA 2002, um Transaktionsanalyse wissenschaftstheoretisch zu fundieren. Zur (menschlichen) Einbildungskraft und der Furcht vor ihr in den Wissenschaften der vergangenen Jahrhunderte erhellend Daston 2001a. 16  Der Radikale Konstruktivismus ist – wenn man so will – allenfalls ein epistemologischer Solipsimus, nicht aber ein ontologischer Solipsismus, vgl. Schmidt 1996, 35 f. Nach dem Solipsismus existiert gar keine Wirklichkeit außerhalb des Menschen und diese sei nur seine Einbildung und Illusion, dazu Jensen 1999, 223 ff. Dass das nicht stimmig ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass eine Illusion nur sinnvoll gedacht werden kann, wenn es eine Realität als Bezugspunkt gibt, Maturana / Pörksen 2002, 32; zu Überlegungen über den Solipsismus anhand des Relativitätsprinzips von Foerster / Bröker 2007, 39; von Foerster 2006, 58 f. 17  In Anlehnung an den Aufsatztitel von von Foerster 1997.

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A. Einführung

Standpunkt aus!) wahrnehmen zu können. Deshalb trifft der Mensch, wenn er von Wirklichkeit und Wahrheit spricht, eine Aussage darüber, wie er die Welt wahrnimmt, wie sie sich durch seine eigene Wahrnehmungsleistung mittelbar darstellt, welche Bedeutung er ihr beimisst und welche Antwort er als Handlungsentscheidung trifft. Deshalb ist die Antwort, wie sie sich ihm darstellt, immer Ausdruck einer Konzeption und eines Modells von der Beschaffenheit der Welt.18 Damit ist nicht nur der absolute Wahrheitsanspruch aufgehoben, sondern auch der Unwahrheitsanspruch. Aussagen und Hypothesen können weder verifiziert noch falsifiziert werden.19 Die Frage nach der (absoluten oder relativen) Wahrheit stellt sich auf radikal-konstruktivistischer Grundlage überhaupt nicht (mehr). Sie wird irrelevant, weil die Antwort ohnehin nur offenbart, wie der Antwortende die Welt wahrnimmt und versteht. Was immer gesagt wird (über die Welt), wird von einem Beobachter zu einem anderen Beobachter gesagt, der er selbst sein könnte.20 Fragen an einen (anderen) Beobachter werden damit aber alles andere als hinfällig und seine 18  An dieser Stelle scheinen ein paar Worte zum Begriff des Modells angebracht: Das Wort wird nicht in dem Sinne gebraucht, dass es ein Vorbild bezeichnet, nach dem etwas gebaut werden soll. Es bezeichnet auch kein Abbild von einer irgendwo existierenden Wirklichkeit. Vielmehr wird der Begriff im Sinne der Kybernetik verstanden: Es handelt sich um ein Konstrukt, das – so wird gehofft – die Funktion eines Gegenstandes ausübt, dessen dynamische Struktur man nicht direkt untersuchen oder nachbauen kann („black box“), vgl. von Glasersfeld 1991, 24; von Foerster / von Glasersfeld 1999, 126 f. (Wissen besteht i. d. S. vollständig aus Modellen, die uns erlauben, uns in unserer Erlebniswelt zu orientieren, Situationen vorherzusehen, planbar zu machen und bestenfalls zu bestimmen.). 19  Die Betonung bei diesen Aussagen liegt auf „Anspruch“ und „Können“, nicht auf „Wahrheit“ und „Unwahrheit“. Es bleibt freilich unbenommen, weiterhin von Wahrheit und Falschheit, Verifikation und Falsifikation zu sprechen, doch handelt es sich um zwischenmenschliche Konventionen, sprachliche Vereinfachungen, die Ausdruck eines (konstruktiven) Modells bzw. Konzepts sind. In diesem Modell wird das, was der Beobachter tut, nicht beachtet. Soweit mit diesem Modell nützliches und funktionstüchtiges Wissen geschaffen wird, ist das praktikabel und akzeptabel, vgl. Maturana 1990, 122 f. Von Foerster spricht zwar davon, dass eine Falsifizierung möglich sei, nur keine Verifizierung, vgl. von Foerster / Pörksen 2006, 31 f.; ähnlich Simon 2006, 71. Das trifft allerdings nicht zu. Denn einerseits ist der Begriff der Wahrheit ohne den Begriff der Falschheit nicht denkbar. Und zum anderen entspringen beide Begriffe einer ontologischen Grundlage. Der Kontext dieser Äußerungen scheint auch zu bestätigen, dass von Foerster ebenso wie Simon den Falsifizierungsbegriff keineswegs in einem ontologischen Verständnis verwandt hat. 20  Maturana 1996, 91; dazu auch anschaulich Bohm 2002, 134 ff. Aus dem letzten Satzteil wird deutlich, dass es überhaupt keinen Beobachter gibt, der unabhängig von seinen Beobachtungen informieren kann bzw. die Welt unabhängig von sich selbst beschreiben könnte. Auch nicht der Beobachter zweiter Ordnung ist dazu in der Lage, was mitunter angenommen wird! Damit gerät der Begriff der Information zum Schlüsselbegriff von Konstruktivismus und Systemtheorie, dazu Schmid 1994,



IV. Das erkenntnistheoretische Verständnis der Untersuchung41

Antworten für uns unbedeutend. Radikal-konstruktivistische Annahmen sind nicht Ausdruck eines Relativismus’.21 Sie relativieren nicht die Wirklichkeit. Es ist gerade deshalb nicht egal und bedeutungslos, welches Weltbild der andere, der man selbst auch sein könnte, konstruiert hat und für seinen Lebensvollzug verwendet. Gerade weil die Wirklichkeit an sich nicht erkennbar für uns Menschen ist, wird es umso bedeutsamer, welchen Reim sich jeder darauf macht. Ist der Anspruch aufgegeben, die Existenz der Wirklichkeit in ihrem absoluten Sein zu erfassen, weil das für uns unmöglich ist, gewinnen wir als Beobachter samt unserer Konstruktionen (auch füreinander) an Bedeutung. Wer freilich den Anspruch absoluter Wahrheitsfindung nicht aufgibt, für den sind Beobachter, die die Welt nicht objektiv erfassen (können), bedeutungslos. Doch wer akzeptiert, dass wir alle nicht die Wirklichkeit erfassen können, für den rückt der Beobachter, der er selbst sein könnte, samt seiner viablen Annahmen von der Wirklichkeit in den Fokus seines Tuns. Dessen Annahmen, wie das Leben in dieser unergründlichen Welt funktionieren könnte, seine Konstruktionen und Modelle werden ‚plötzlich‘ mit einem anderen Grundverständnis geprüft: Fortan geht es nicht mehr um eine Übereinstimmung dieser Annahmen mit der Wirklichkeit, sondern um die Funktionstauglichkeit und Nützlichkeit dieser Annahmen und ob sie im Kontakt mit der Wirklichkeit passen und zu stimmigen Ergebnissen führen. Wissen erhält eine andere Bedeutung. Der radikal-konstruktivistische Denkansatz führt bereichsunabhängig zu einem neuen Verständnis von Wissen. Der Begriff verliert zwar nicht seine fundamentale Bedeutung und wird nicht – im ontologischen Sinne – relativiert. Wissen wird zum Ausdruck von Relationen zwischen Beobachter und Beobachtetem und ist nicht mehr ohne einen Beobachter denkbar. Wissen an und für sich gibt es nicht. Es kommt nicht mehr auf die Übereinstimmung mit einer (unergründbaren) Realität an, sondern auf den Dienst, den das Wissen für den Lebensvollzug leistet. Wissen wird zum Konzept, mit dem der Mensch in der Wirklichkeit zurecht kommt. Ist das nicht mehr der Fall, wird es unnützes Wissen. Wissen bedeutet, angemessen handeln zu können („be-greifen“).22 Wissen ist kein Ausdruck einer Wirklichkeitsspiegelung, sondern unsere Befähigung, in der Welt zu bestehen. Wissen wird zum Ausdruck von Passung und Funktionstüchtigkeit. Wissen wird radikal menschen- bzw. beobachterbezogen.23 Diese Umorientierung offenbart die Radikalität des Konstruktivismus’. Er 32 f., obschon beide nicht deckungsgleich sind, vgl. dazu Schmidt 1992, 9 ff.; Fischer 2009, 237 ff. 21  von Glasersfeld 1996, 409. 22  Vgl. von Glasersfeld 1991, 24. 23  Dazu von Glasersfeld 2006, 23.

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A. Einführung

ist nicht ein weiterer Schritt auf der langen Suche nach der endgültigen, Sicherheit gebenden und – so allerdings nur die Vermutung – erlösenden Wahrheit. Der Radikale Konstruktivismus setzt einen neuen Ausgangspunkt im Denken (auf allen Gebieten)24: Die daraus folgenden Ergebnisse können lediglich auf ihre Viabilität25 überprüft werden. Ihre Bewährung erfahren sie als Handlungs- und Kommunikationsgrundlage und können auf ihre Nützlichkeit hin untersucht werden. Oder anders formuliert: Auf der Grundlage radikal-konstruktivistischer Annahmen können Objektivität26 und Wahrheit von Wissen allenfalls in einem operationalen Sinne attribuiert bzw. nur apostrophiert werden. Die Konsequenzen dieser Konzeption des Wissens sollen knapp mit Bezug zur Wissenschaft dargelegt werden.27 Der Radikale Konstruktivismus führt konsequent dazu, dass sich die wissenschaftliche Fragestellung radikal ändert. Es geht nicht mehr um eine Anhäufung von Wissen (über eine ontologische Welt), sondern um die Verfeinerung von nützlichem Wissen; von Wissen, das unser aller Überleben sichert und unserem Wohlbefinden dient, das Fragen beantwortet, die die nächsten Schritte unseres Lebens betreffen.28 Der konstruktivistische Zugang zur Wirklichkeit hat die Eigenart, dass er diesen einerseits und in nahezu ironischer Weise „versperrt“ und dadurch die mitunter viel beschworene Verantwortlichkeit der Wirklichkeit gegen24  Zu seinen Vorläufern und -denkern von Glasersfeld 1991, ders. 2006; Jensen 1999, 49 ff. 25  Das Wort ist der englischen Sprache entlehnt. Viability bedeutete ursprünglich die „Gangbarkeit“ eines Weges und wurde im weiteren dafür verwendet, die Überlebensfähigkeit von Arten, Individuen und Mutationen in der Entwicklungsgeschichte zu bezeichnen. Ernst von Glasersfeld verwendet diesen Begriff für die Epistemologie bzw. seine Kognitionstheorie des Radikalen Konstruktivismus’, von Glasersfeld 2003, 18, 24 ff.; vgl. auch Simon 2006, 68 ff.; ders. 1991, 139 f.; Fischer 2009, 239. 26  Zur wissenschaftshistorischen Verständnisgeschichte des Begriffs „Objektivität“ s. Daston 2001 sowie Daston / Galison 2007, die die Vielzahl des (wissenschaftlichen) Bedeutungsgehalts offenbaren. Objektivität in dem Sinne, wie sie die Konstruktivisten leugnen, ist in der Diktion von Daston die aperspektivische sowie die ontologische Objektivität; der Blick auf die Welt an sich von nirgendwo. Gleichwohl benötigen auch Konstruktivisten einen Objektivitätsbegriff, um den Bereich des Illusorischen abzugrenzen, dazu von Glasersfeld 1996, 415 ff.; ders. 2003, 32; ­ ­Maturana / Pörksen 2002, 39 („Objektivität in Klammern“). 27  Zur Rolle der Wissenschaft und wissenschaftlicher Forschung bzw. wissenschaftlicher Erklärung s. knapp Maturana 1990; Schmidt 1996, 37. 28  Vgl. Schmidt 1996, 41 f. Die unbestreitbaren Fortschritte der vergangenen Jahrhunderte durch die Wissenschaften sind danach kein Ausdruck, dass wir der Wirklichkeit näher gekommen sind, sondern zunächst einmal Ursache und Wirkung der Veränderung menschlicher Gesellschaften, individueller wie gesellschaftlicher Fühl-, Denk- und Lebensweisen, die in einem wechselbezüglichen Verhältnis stehen.



IV. Das erkenntnistheoretische Verständnis der Untersuchung43

über für irrelevant erklärt. Das geschieht dadurch, dass er denjenigen untersucht, der diese Wirklichkeit untersucht und damit Fragen nach dem Beobachter stellt und zu dem Schluss kommt, dass das, was der Beobachter erkennt und kommuniziert, zunächst einmal als Antwort ebenjenes Beobachters und damit als Ausdruck seines Weltverständnisses gilt. Wissen und Kommunikation von Wissen führen unweigerlich zur Verantwortung des Wissenden. Erkenntnistheoretisch lösen sich der (überzogene) Anspruch der Wissenschaften und die (unberechtigten) Erwartungen an die Wissenschaften auf, sie könnten die Letztbegründungen der Welt liefern oder müssten das sogar. Wissenschaften liefern nicht Wahrheiten, die Halt und Sicherheit geben und auf die sich ein jeder verlassen kann. Radikal-konstruktivistisches Denken führt zur Aufgabe der Hoffnung, dass etwas anderes oder andere Personen die eigene Wahrnehmung und Deutung der Welt übernehmen könnten und wirft einen jeden von uns auf sich selbst zurück. Paradoxerweise wird gerade dadurch die Interaktion, also die Kommunikation unter Anwesenden bzw. ganz allgemein das Zusammenleben so bedeutungsvoll für den Einzelnen. Indem die Sehnsucht nach dem Absoluten losgelassen wird – die Sehnsucht nach letztmöglicher Stabilität – wird die Suche nach dem Relativen – die Suche nach den Relationen des Lebens – begonnen. Und sogleich erscheint der Beobachter als Ausgangs- und Endpunkt dieser Suche. Es geht nicht mehr um Sehnsuchtserfüllung, sondern um die zentrale Vorstellung, dass der Beobachter selbst der Schlüssel ist29, Anfang und Ende, so dass das vermeintlich zu lüftende „Geheimnis“ der Prozess des Beobachtens ist sowie der sich entfaltende Prozess zwischen Beobachtern. Indem der Radikale Konstruktivismus Wissen beobachterabhängig und damit aktivitätsgeprägt konzeptualisiert, die Existenz von Wissen an und für sich damit verneint und die Blickrichtung auf den Wissenserwerb lenkt, rückt die Wissensproduktion in den Verantwortungsbereich ebenjenes Beobachters. Ein grundlegender Wandel im Verständnis von Ethik tritt damit ein. Paradoxerweise werden Wissen und Wissenschaft nicht im ontologischen Sinne subjektiv oder relativ und damit beliebig. Denn es ist gerade auf radikal-konstruktivistischer Basis keineswegs egal, was gewusst bzw. angenommen wird. Gut und Böse, Wahrheit und Falschheit, Erkenntnis und Irrtum sind nicht direkt aufgehoben, sondern referenzabhängig.30 Indem Wissen nicht mehr Sein beschreibt, sondern zum Ausdruck von Tun wird31, rückt die Verantwortlichkeit des Wissenden in den Vordergrund. Oder anders genähert, Ethik folgt nicht mehr aus sozial Wünschenswertem, sondern 29  Dazu

Jensen 1999, 85 ff. Simon 2006, 71. 31  Deshalb der programmatische Titel „Vom Sein zum Tun“, der den radikalen Wandel umreißt, vgl. Maturana / Pörksen 2002. 30  Ähnlich

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A. Einführung

aus der Epistemologie selbst. Die anderen, deren Verhaltensweisen sinnvoll in die eigenen Wirklichkeitskonstruktionen eingebaut werden (müssen), führen zu einem völlig anderen Ausgangspunkt ethischer Überlegungen. Allein schon die eigene Epistemologie fordert ein Einbeziehen der anderen.32 Überdies ist es auf einer radikal-konstruktivistischen Annahme nicht (mehr) möglich, die eigene Wahrheit und das eigene Wissen auf eine unabhängige Wirklichkeit zu stützen. Die eigene Erkenntnis muss als persön­ liches (soziales) Werk ethisch vertreten werden. Wissenschaft und Wissenschaftler sind Teil der Gesellschaft und ihr gegenüber verpflichtet.33 Unerschütterliche Aussagen über die Welt und zeitlose bzw. kontextfreie Forderungen an ein Zusammenleben in ihr schrumpfen zu Bedingungen von Möglichkeiten. Sie sind Einladungen für einen sozialen Umgang, die der Eingeladene annimmt – oder auch nicht.34 Die ontologische Vorstellung von unverrückbaren Wahrheiten und endgültigen Sicherheiten wird zugunsten einer menschenbezogenen Übereinkunft von Wissen aufgegeben. Aus der Idee von Objektivität und Universalität erwächst auf radikal-konstruktivistischer Annahme ein Raum, in dem allein Kooperation und Konsensualität, wenn auch nicht Konfliktfreiheit, herrschen.35 Daraus folgt etwa, dass Ethik einerseits keineswegs eine Privatangelegenheit ist, andererseits aber auch nicht die Grundlage für einen Sanktions- oder Vorschriftenkatalog. Ethik aktualisiert sich im konkreten Umgang miteinander – oder existiert überhaupt nicht. Ethik ist implizit, formuliert von Foerster36 und verweist ein jedes „Du sollst …“ in den Bereich der Moral bzw. in den Bereich einer politischen Ethik. Wissen als viable Antwort auf die wahrgenommene Wirklichkeit wird zum Ausdruck von eigener Verantwortung.37 Daraus ergibt sich eine Verantwortung und ethische Grundlage nicht nur, aber doch vor allem für Wissenschaftler in Bezug auf ihre Lehren, die im ontologischen Verständnis gerade mit dem Hinweis auf die objektive Wirklichkeit geleugnet werden konnte.38 Diese Ethik beachtet, dass der Mensch kein absolutes System von Werten und Wissen aufbauen 32  Vgl.

von Glasersfeld 1996, 417. dazu Petev 2001, 79. 34  Ähnlich Maturana / Pörksen 2002, 39, 49 f. 35  Vgl. dazu Maturana 1995, 840 f.; Maturana / Pörksen 2002, 38; von Glasersfeld 1996, 411 f. Die Untersuchung wird zeigen, dass sich diese Konsequenz der radikal-konstruktivistischen Konzeption sowohl in den Konzeptionen der Mediation und der Transaktionsanalyse als auch in der Konzeption des aktivierenden Staates widerspiegelt. 36  Einführend von Foerster / Pörksen 2006, 154 ff.; von Foerster / Bröker 2007, 12 ff., 55 ff. 37  von Glasersfeld 2006, 17; von Foerster / Pörksen 2006, 115. 38  Zum Verantwortungsbegriff etwa Maturana / Pörksen 2002, 77 ff. 33  Vgl.



IV. Das erkenntnistheoretische Verständnis der Untersuchung45

kann, das nicht als Basis die persönlichen Erfahrungen aufweist.39 Da der Mensch, der zur Beobachtung auch von sich selbst fähig ist, von der Relativität seiner Werte und seines Wissens wissen kann, ist er vor die Aufgabe gestellt, sein Wissen und seine Werte zu wählen und diese zu verantworten. Hinzu kommt, dass das Wissens- und Wertesystem eines Anderen dessen Wahl und Werk ist und eine Überzeugung dieses Anderen nur dadurch gelingen kann, dass er (selbst) sein Wertesystem fortentwickelt. Die knappe Darstellung der relevanten Aussagen des Radikalen Konstruktivismus’ legt den Ansatz der nachfolgenden Untersuchung offen. Gleichwohl wird die Diktion des Radikalen Konstruktivismus in den einzelnen Kapiteln nicht durchgehend verwendet.40 Das hat vor allem sprach-konventionelle Ursachen. Deshalb sei an dieser Stelle nochmals der Hinweis gegeben, dass der hier vorliegende Ansatz keineswegs den Anspruch erhebt, dass es sich so und nicht anders verhält. Vielmehr bietet er ein konsistentes Deutungsmuster für die wahrnehmbaren individuellen und sozialen Phänomene an, mit dem den anstehenden Handlungsaufgaben zielorientiert begegnet werden kann. Der radikal-konstruktivistische Denk- und Deutungsansatz lässt die aktuellen gesellschaftlichen Prozesse verstärkter Inanspruchnahme von Mediation und sonstiger Zunahme persönlichkeitsbezogener Prozessberatung sowie den Staatswandel hin zum aktivierenden, gewährleistenden Sozialstaat als konsistent und „ordnungsgemäß“ erscheinen: Zwischenmenschliche Krisen und Konflikte, soziale Veränderungen und Wandlungen sind – um es kurz und abschließend zu formulieren – nicht mehr Ausdruck unterschiedlicher Zugänge zur Wirklichkeit, zwischen denen wir alle zu wählen haben und von denen letztlich nur einer der richtige für alle ist, sondern all diese Ungereimtheiten und Unerwünschtheiten, zwischenmenschlichen Krisen und sozialer Konflikte, erscheinen nunmehr als Ausdruck unserer allumfassenden und nicht endenden Beziehungsorientiertheit. Auf dieser Grundlage lässt sich – so will ich meinen – gut arbeiten.

39  Vgl.

Krohn / Holk 2005, 288. dürfte man nicht mehr von „Tatsachen“ reden oder davon, dass etwas so oder so „ist“, sondern stets „Mir erscheint das so und so …“ etc., vgl. von Glasersfeld 1996, 408; von Foerster 2001, 26; ebenso Duss-von Werdt 2009, Rn. 34 ff. (für die systemische Mediation). 40  Danach

B. Der soziale Konflikt – Definition, Funktionen und Behandlungsmöglichkeiten Dieser Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Erscheinung des „sozialen Konflikts“. Es handelt sich dabei um Ausführungen, die in die zu untersuchende Problematik einer aktivierenden Entwicklung der Verwaltungsorganisation und der dabei auftretenden Schwierigkeiten einführen. Der soziale Konflikt ist der Dreh- und Angelpunkt, an dem Entwicklung geschieht bzw. verhindert wird, je nach dem wie mit der Konfliktsituation umgegangen wird. Dargestellt wird der soziale Konflikt deshalb zunächst in seinen einzelnen Elementen und seinen möglichen Auswirkungen, den destruktiven wie den konstruktiven (Kap. B. I.). Vorgestellt werden die unterschiedlichen Weisen, wie Konfliktbeteiligte ihrer Konfliktsituation begegnen können, wobei sich ein evolutionärer Prozess verdeutlichen lässt (Kap. B. 2.).

I. Der soziale Konflikt Untersucht wird im Folgenden der „soziale Konflikt“. Zunächst wird sich diesem Begriff definitorisch genähert (Kap. B. I. 1.); sodann durch Beleuchtung ähnlicher sozialer Erscheinungen (Kap. B. I. 2.). Anschließend wird gezeigt, wie sich ein sozialer Konflikt destruktiv ausformt und entfaltet (Kap. B. I. 3.) bzw. konstruktiv für die eigene Entwicklung nutzen lässt (Kap. B. I. 4.). 1. Definition des sozialen Konflikts Zu Beginn lässt sich feststellen, dass ein sozialer Konflikt immer zwischen mehreren Menschen besteht. Das wird bereits durch das Adjektiv „sozial“ verdeutlicht. Andererseits ergibt sich aus dem Verständnis der vorliegenden Arbeit diese Tatsache bereits aus dem Konfliktbegriff selbst.1

1  Gleichwohl wird der Konfliktbegriff in anderen Kontexten auch für intrapersonale bzw. innerpsychische Konflikte einer einzelnen Person verwendet, vgl. Regnet 2001, 7 f. Welche Einflüsse andererseits „innere Konflikte“ auf das soziale Miteinander haben können, beschreibt Kreyenberg 2005, 109 ff.



I. Der soziale Konflikt47

Was ein sozialer Konflikt ist, wurde bereits andernorts mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung beschrieben.2 Für die vorliegende Untersuchung eignen sich diese Vorschläge nicht in dem erforderlichen Maße. Ihre Grundannahmen unterscheiden sich von den hiesigen. In einzelnen Aspekten sind deshalb die entsprechenden Definitionen zu eng gefasst, in anderen zu weit. Da Konflikte in vielfältigen, nahezu unzähligen Erscheinungsformen und Begebenheiten sozialen Miteinanders auftreten, ist zwar generell „eine Umschreibung schwierig“3 und eine absolute ohnehin. Andererseits, und das ist maßgebend, ist sie unentbehrlich. Deshalb verhindert auch nicht der Umstand, den Begriff zu definieren, dass die Definition lediglich einen, wenn auch möglichst umfassenden, Aspekt der Wirklichkeit ausschneidet4 und niemals das Ganze sprachlich zu erfassen vermag. Das gilt gerade für griffige und eingängige Definitionen. Ganzheitliche Betrachtung, will sie geäußert und verstanden werden, muss in der Sprache verkürzen. Doch gerade darin, im Verkürzen, zeigt sich, was besonders betrachtet und beachtet wurde. Ein Konflikt besteht, •• wenn mindestens zwei soziale Einheiten •• bewusst •• einen aktuellen •• Gegensatz •• kommunizieren •• und annehmen, voneinander abhängig zu sein. a) „… mindestens zwei soziale Einheiten …“ An sozialen Konflikten sind immer Menschen beteiligt. Dabei kann es sich um einzelne oder eine Vielzahl von Individuen handeln, die in Gruppen oder sonstigen Organisationen zusammengefasst sind. In Konflikten agieren diese sodann als „soziale Einheiten“, wenn sie einheitlich auftreten. Kleinste soziale Einheit ist damit der einzelne Mensch.5 Soweit mehrere Menschen ohne aktuellen Gegensatz einheitlich auftreten, kann von ihnen als eine soziale Einheit gesprochen werden. Taucht innerhalb einer 2  Dazu übersichtlich Glasl 2004, 14 ff., Röhl 1987, 443 ff., unzureichend Höher /  Höher 2004, 43 ff. 3  So zutreffend Rüttinger 1991, 3. 4  Deutlich Röhl 1987, 448. 5  Jost 1999, 13. Zuweilen werden die sozialen Einheiten auch „Aktore“ genannt, so Glasl 2004, 17; 2004b, 23, oder „Subjekte“, so Montada / Kals 2001, 67, oder – angelehnt an die juristische Terminologie – „Konfliktparteien“.

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B. Der soziale Konflikt

sozialen Einheit ein Gegensatz auf, entsteht – analytisch betrachtet – ein anderer Konflikt.6 b) „… kommunizieren …“ Konflikte sind Kommunikationsprozesse. Die beteiligten Menschen kommunizieren den Konflikt. Als Kommunikation kann hier jedes wahrgenommene Verhalten der Beteiligten verstanden werden.7 Konflikte sind folglich eine von mehreren möglichen Formen zwischenmenschlichen Umgangs bzw. zwischenmenschlicher Kommunikation. Insoweit erscheint es missverständlich, wenn Konflikte das Resultat von Kommunikation sein sollen.8 Sie sind vielmehr eine Form von Kommunikation. Insoweit ist es völlig zutreffend, wenn Luhmann meint, dass Konflikte keineswegs das Versagen von Kommunikation sind. Kommunikation könne nicht scheitern, da sie an und für sich weder gut noch schlecht sei.9 Konflikte unterbrechen deshalb auch nicht die zwischenmenschliche Kommunikation als solche, sondern nur die bisherige Form der geführten Kommunikation. Von dieser Warte aus betrachtet erscheint auch die Aufforderung wenig sinnvoll, die Konfliktbeteiligten müssen mehr kommunizieren. Beispiel: Duss-von Werdt berichtet von zwei unzufriedenen Eheleuten, die sich darüber beklagten, zu wenig miteinander zu kommunizieren und sich im Übrigen aber auch in den Mediationstreffen gegenseitig anschwiegen. Er fragte darauf hin beide, was sie sich denn damit sagen wollten.

c) „… einen … Gegensatz …“ Der Begriff „Konflikt“ entstammt dem lateinischen conflictus10, was Zusammenstoß, Widerstreit oder Zwiespalt bedeutet. Zwei soziale Einheiten (Menschen, Gruppen, Organisationen etc.) stoßen in begrenztem Umfang aufeinander bzw. zusammen, wodurch ein Zwiespalt und Gegensatz verdeutlicht wird.11 Im Zusammenstoß zeigt sich das Getrenntsein dieser Einheiten. Doch im und durch zusammenführenden Gegensatz offenbart sich 6  Hauser 2002, 15 f.; Mahlmann 2001, 77, 132 ff. unterscheidet interpersonelle und soziale Konflikte. Soziale Konflikte anerkennt sie erst ab drei Personen, um die dann auftauchende Gruppendynamik herauszustellen. 7  Dazu Köck 1996, 353; Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 50 ff. (In Gegenwart eines Dritten ist alles Verhalten Kommunikation.). 8  So aber Messmer 2005, 240. 9  Vgl. Luhmann 1999, 530. 10  Stowasser 1994. 11  Vgl. Rüttinger 1991, 3; Gebert / von Rosenstiel 2002, 159 („Unverträglichkeit der Handlungspläne“).



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auch ihre Gemeinsamkeit, so dass sie als Elemente eines gemeinsamen Geschehens erscheinen. Hier deutet sich bereits an, was sich noch deutlicher zeigen wird: Der Konflikt trennt und zeigt Trennung auf und führt dennoch zusammen; die Beteiligten treffen aufeinander und sind doch uneins. Ihr Widerspruch zeigt sich im Zusammenkommen, ihre Unterschiedlichkeit führt doch dazu, dass sie ein Stück weit zueinander finden – auch wenn sie noch im Unklaren und Verwirrenden suchen. Indem sich einerseits die Einstellungen der Beteiligten gegensätzlich zueinander verhalten, andererseits aber ihnen das gemeinsam ist, zeigt sich gerade im Gegensatz das (gemeinsame) Bedürfnis nach Gemeinsamkeit. Der konfligierende Gegensatz drückt aus, dass Einigkeit angestrebt wird. Gegensätze blieben bedeutungslos ohne gemeinsame Anziehungskräfte. Im Zusammenstoß zeigt sich deshalb nicht nur das Getrenntsein, sondern auch das zusammenführende, nach Einigkeit strebende Gemeinsame. Ein Gegensatz ohne diese zusammenführenden Anziehungskräfte offenbart lediglich Verschiedenes. Unterschiede allerdings, Gegensätze ohne Anziehungskräfte, sind an und für sich kein Konflikt. Die Wucht des konfligierenden Gegensatzes verdeutlicht jedoch den Bedarf nach Einheit.12 Dieses gegensätzliche Element drückt sich in Spannung, Emotionalität und Meinungsverschiedenheiten aus.13 Die emotionalen Elemente der Beteiligten zeigen ihre Betroffenheit, wie sie durch den Gegensatz beschäftigt sind und aufgerieben zu werden drohen. Dieses Spannungsverhältnis ist für die Beteiligten und zuweilen auch für Dritte körperlich wahrnehmbar.14 Die Gegensätzlichkeit ist besonders deutlich und in ihrer Bedeutung erkennbar, wenn die emotionale Bewegtheit betrachtet wird. Dabei wäre es verfehlt anzunehmen, dass die emotionale Verbundenheit „unterbrochen“ ist. Sie ist vielmehr deutlich spürbar und bindet die Beteiligten, wenn auch auf unbefriedigende Art. Es ist gerade der konfligierende Gegensatz, über den sich die Beteiligten ihre Wichtigkeit beweisen.15 Der Konflikt rückt dadurch die Beziehung in den Vordergrund der Wahrnehmung seiner Beteiligten. Sie können ihre – nach Einigkeit strebende, weil zusammenprallende – Gegensätzlichkeit nicht (mehr) ignorieren und bloß als schlicht Verschiedenes oder Unterschiedliches 12  Ebenso Hauser 2002, 15; Schwarz 2005, 24 f.; Christensen / Sokolowski 2005, 112, 143 (für den Rechtsstreit). 13  Mautsch 2007, 4; ausführlich aufgrund empirischer Studien dazu Regnet 2001, 183 ff., vgl. auch Ballreich 2007, 467 ff. 14  Erst vor wenigen Jahren konnte die Medizin den neurobiologischen Nachweis erbringen, dass wir Menschen fähig sind, den körperlichen Schmerz einer anderen Person als eigenen „emotionalen Schmerz“ (in uns selbst) wahrzunehmen, wobei dieselben neuronalen Netzwerke aktiviert werden wie bei eigenen körperlichen Schmerzen! Dazu Bauer 2008, 155 ff., insbes. 158. 15  So zu recht Simon 2001, 224.

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begreifen. Ihre Beziehung, wie sie bisher war, hat sich überlebt und gewinnt durch die Notwendigkeit, sie zu überdenken und zukünftig anders zu gestalten, an Bedeutung. Das ist die Signalwirkung des Konflikts: Veränderungen, manchmal größere, manchmal kleinere, stehen an.16 d) „… aktuellen …“ Der Konflikt besteht immer nur aus dem jeweils aktuellen Gegensatz. Vergangene Gegensätze können zwar nachwirken, doch allein diese aktuellen (Nach-)Wirkungen sind es, die den zu bearbeitenden Konflikt ausmachen. Allein der gegenwärtige Gegensatz führt die Beteiligten im Konflikt zusammen. Die Frage in der Konfliktdiagnose ist also, was hindert die Beteiligten aktuell, sich gewaltfrei zu verständigen und kooperativ die Zukunft in Angriff zu nehmen? In welchen Punkten stoßen die Beteiligten aktuell aufeinander? Der Zusammenstoß im Straßenverkehr etwa ist später im Gerichtssaal nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr der konfliktrelevante Gegensatz. Dieser ursprüngliche Gegensatz ist tatsächlich auf der Straße – und zwar gewaltsam – ausgetragen worden. Nun mag es um Schadensersatz, Entschädigung, Verantwortung und Schuld etc. gehen, die eingefordert oder verteilt werden. Hier werden neue Gegensätze begründet und Konflikte ausgetragen, die neue Ansätze in der Konfliktbehandlung verlangen. Und ein eventuell angestrengter Gerichtsprozess aus Anlass eines Konfliktes ist selbst der Versuch einer Konfliktlösung und nicht der Konflikt selbst. Indem der Konflikt an dem aktuellen Gegensatz analysierend erfasst wird, werden nicht nur die Beteiligten in ihrer Betroffenheit erfasst, sondern hier zeigt sich erst der prozessuale Charakter des Konflikts. Ein Konflikt ist kein „Gegenstand“, nichts „Festes“ und kann mit Sprache, die fixierend wirkt, nur „unzureichend“ erfasst werden. Sprache stößt hier an ihre Grenzen, so dass das, was hinter diesen aufscheinen mag, nur ahnungsvoll verwortet werden kann. e) „… bewusst …“ Uneinigkeit besteht darüber, ob sich beide Konfliktbeteiligte ihrer Gegensätzlichkeit bewusst sein müssen, damit von einem Konflikt gesprochen werden kann. Glasl spricht bereits von einem Konflikt, wenn bereits eine soziale Einheit eine Beeinträchtigung durch eine Unvereinbarkeit mit einer anderen sozialen Einheit erlebt.17 Danach kommt es für die Existenz des 16  Schwarz

2005, 25 ff.; Zitzmann 2000, 16. Glasl 2004, 17; sich anschließend Kostka DV 1993, 95; auch Mahlmann 2001, 76; Proksch Kon:sens 1999a, 42; wohl aber auch Zitzmann 2000, 15 f.; Falk 2005, 21 f. 17  Vgl.



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Konflikts nicht darauf an, dass sich die andere soziale Einheit bewusst darüber ist. Montada / Kals sehen einen Konflikt erst begründet, wenn eine soziale Einheit ihre Anliegen gefährdet, beeinträchtigt oder verletzt sieht und die andere dafür verantwortlich macht und auffordert, eben diese Beeinträchtigung, Verletzung oder Gefährdung zu unterlassen bzw. wieder gut zu machen.18 Hiernach muss die Gegnerschaft zwischen den Beteiligten bewusst sein.19 Luhmann erklärt Konflikte schlichtweg für kommunizierte Widersprüche, die ohne bewusste Kommunikation lediglich Konkurrenzsitua­ tionen wären.20 Auch für Messmer muss der Gegensatz mitgeteilt werden, damit der andere diesen bemerkt und sich mit ihm auseinandersetzen kann.21 Danach kann von einem Konflikt konsequent erst gesprochen werden, wenn die Beteiligten ihren zusammenführenden Gegensatz gegenseitig wahrgenommen haben. Die zwei Auffassungen stehen nur scheinbar im Gegensatz zueinander. Es handelt sich nicht um zwei Sichtweisen auf das gleiche Phänomen, sondern um unterschiedliche Standorte, um das Phänomen zu betrachten: Während Glasl vom Standpunkt eines beratenden Dritten aus spricht, beantworten Montada / Kals die Frage aus der Sicht und Erlebenswelt der Beteiligten. Ein unbeteiligter Dritter erkennt den Gegensatz bereits, wenn ein Beteiligter ihn (ihm gegenüber!) kommuniziert hat.22 Schwarz meint, dass Konflikte zunächst als Konflikte anerkannt werden müssen.23 Das ist für eine Definition freilich tautologisch, schafft allerdings das Verständnis, dass nur diejenigen von einem Konflikt sprechen (können), die ihn anerkannt und als solchen akzeptiert haben. So meint auch Breidenbach24, dass der (bestehende!) Konflikt für die Beteiligten erst „Gestalt annimmt“, wenn die Konfliktbeteiligten ihn wahrnehmen. Erst dadurch wird er zwischen den Beteiligten kommuniziert und begreifbar. Daher gilt für alle, dass ohne Bewusstheit kein Konflikt existiert. Und deshalb ist Wahrnehmung, Bewusstheit und Akzeptanz nicht nur der „Gründungsakt des Konflikts“, sondern zugleich auch der erste Schritt zur Bearbeitung und Auflösung.25 18  Vgl.

Montada / Kals 2001, 67; Kals 2009, 135 f. auch Rüttinger 1980, 22; unklar Jost 1999, 12, wenn er meint, der Konflikt muss sich (für wen? und wie?) „manifestiert“ haben. 20  Luhmann 1999, 530. 21  Vgl. Messmer 2005, 240; zur „subjektivistischen Sicht“ auf Konflikte: Falk 2005, 21 m. w. N. 22  Manchmal bedarf es nicht einmal dieser Mitteilung. Insbesondere in sog. „kalten Konflikten“ spüren Dritte unwillkürlich die „dicke Luft“ und die „unterkühlte Atmosphäre“, ohne dass es den Beteiligten selbst bewusst sein muss. 23  Schwarz 2005, 45. 24  Breidenbach 1995, 47. 25  Ebenso Schwarz 2005, 45. 19  So

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f) „… annehmen, voneinander abhängig zu sein …“ Sowohl im Konflikt als auch bei dessen Auflösung nehmen die Beteiligten an, dass sie voneinander abhängig sind (Interdependenzannahme). Die Abhängigkeitsannahme entwickelt sich aus der Vorstellung, dass die andere Konfliktpartei die eigenen Interessen und Bedürfnisse gefährdet oder zumindest nicht in ausreichendem Maße befriedigt. Die gesamte Situation wird zunehmend mehr als bedrohlich wahrgenommen. Ob diese Vorstellung einer Überprüfung standhält oder nicht, ist für die Existenz des Konflikts zunächst einmal belanglos. Das gilt freilich nicht für eine konstruktive Behandlung der Konfliktsituation.26 Für die Beteiligten, die dieser Annahme unterliegen, existiert zwischen irrtümlich angenommener und tatsächlicher Abhängigkeit kein Unterschied. In beiden Fällen liegt Interdependenz27 vor, so dass die Beteiligten meinen, ihr wahrgenommener Gegensatz liege im „gemeinsamen Einflussbereich“28. Würden die Beteiligten meinen, ihre jeweiligen Interessen könnten sie auch ohne den anderen befriedigen bzw. die Bedürfnisse wären nicht durch die andere Partei gefährdet, würde es nicht zu einer eskalierenden Konfliktsituation kommen. Nur, wer (innerlich) an dem Gegner hängt, steht in einem zusammenführenden Gegensatz und befindet sich im Konflikt. Das ist das problematische Element des Konflikts, dass eine jeder Konfliktbeteiligte spürt und beenden möchte. Der Widerspruch und Gegensatz wird durch die wahrgenommene Abhängigkeit, die Pesendorfer mit „Einigungszwang“29 nur andeutend umreißt, erst zum Konflikt. Derjenige, der sich vom Gegner (innerlich) löst bzw. lösen kann, beendet den Konflikt auch im Äußeren. Das bedeutet, dass der Gegensatz selbst keineswegs die Ursache für Konflikte ist.30 Die Menschen sind unterschiedlich, sie fühlen ungleich, denken verschiedenartig und handeln selbst in ähnlichen Situationen voneinander abweichend. Das ist die Kreativität unserer Gattung; das ist unser Reichtum, 26  So Rüttinger 1991, 3; Mautsch 2007, 4; Schwarz 2005, Falk 2005, 22; Höher / Höher 2004, 44 erkennen erst dann einen Konflikt, wenn die Parteien voneinander abhängig sind. 27  Jost 1999, 14. 28  Mautsch 2007, 4. 29  Pesendorfer 1993, 167 (Ein Konflikt besteht für Pesendorfer, wenn widersprüchliche Interessen von Parteien vertreten werden, die unter Einigungszwang stehen. Insoweit ist ein Widerspruch konfliktimmanent, führe aber – mangels Einigungszwang – nicht zu einem Konflikt. Für die hiesige Terminologie entspricht der „Widerspruch“ dem „Gegensatz“ und der „Einigungszwang“ der „Annahme von Abhängigkeit“.). 30  Diese irrige Annahme rührt daher, dass in einem Konflikt die Gegensätze am deutlichsten Vorgetragen werden, doch dessen Ursachen sind sie deshalb bei Weitem nicht.



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anhand dessen wir voneinander lernen (können). Die Gegensätze stoßen dann allerdings zu einem konfligierenden Geschehen zusammen, sobald die Inhaber der Positionen davon ausgehen, in ihrer Position durch den anderen bedroht zu sein und in diesem Sinne von diesem (und seiner Position) abhängig erscheinen. Konfliktbehandlung ist im Grunde genommen Interdependenzbehandlung, mag das oftmals auch nur im Unbewussten der Beteiligten schlummern.31 Zusammenfassendes Beispiel: Zwei Straßenverkehrsteilnehmer stoßen mit ihren Kraftfahrzeugen zusammen. Dritte konnten die gegensätzlichen Handlungspläne bereits vor dem Zusammenstoß erkennen. Den Beteiligten war ihr Gegensatz vorher noch unbewusst. Erst durch den Zusammenstoß gelangten sie zu diesem Bewusstsein. Ihr gemeinsames wortwörtlich zu verstehendes „Ver-Sehen“ ist dadurch beendet worden, so dass sie beide plötzlich klarer sahen als vorher. In derartigen Konflikten verschmelzen (für die Beteiligten) freilich der aktuelle Gegensatz der Beteiligten und die Auflösung des Konfliktes zu einem einzigen raumzeitlichen Geschehen. Konflikt und Konfliktlösung sind praktisch eins, aber analytisch trennbar. Zwischen Bewusstwerdung der gegensätzlichen Handlungspläne und Konfliktauflösung besteht hier nur eine gedachte Zeitspanne. Nach der beiderseitigen Bewusstwerdung haben die Beteiligten eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten: Sie können wählen, anhand eines neuen Gegensatzes konfligierend miteinander umzugehen. Sie können aber auch friedlich vereinbaren, zukünftig anders als bisher in Kontakt zu treten. (Mancherorts soll es vorgekommen sein, dass sie sich sogar verliebten!) Oder sie können sich gegenseitig versichern, dass nichts weiter passiert ist und sich verabschieden. Bedeutsamer wird es, wenn materielle oder ideelle Werte berührt wurden, an denen die Beteiligten innerlich hängen und so einen neuen Gegensatz schaffen. In diesem Falle nehmen sie Interdependenz an. Indem etwa Schadensersatz verlangt wird, entsteht ein neuer(!) Konflikt, weil ein neuer und aktueller Gegensatz kommuniziert wird. Der Anspruchssteller glaubt, nicht ohne eine Leistung des Anspruchsgegners befriedigt sein zu können. Derjenige ist der Meinung, dass er den Ersatz (Geld oder Entschuldigung) benötigt, um ruhig und in (innerem) Frieden weiter seiner Wege gehen zu können. Dieser Anspruch wird begründet, indem in der Vergangenheit nach Unrecht und Schuld gesucht wird. Ein Verstoß gegen anerkannte, einzuhaltende oder sonstige Regeln und Normen wird herangezogen, um den aktuellen Gegensatz derart zu bearbeiten, dass der eine dem anderen etwas schuldet. Der andere, der nicht zahlen oder sonst Schuld eingestehen will, meint, dass er nur ohne diese Leistung Frieden haben wird – oder gar, dass er selbst vom Anderen etwas haben möchte. Das ist ein (neues) gegensätzliches Element in der Beziehung dieser Beiden, ein neuer Konflikt. Der ist aus der Vorgeschichte geboren, aber keinesfalls zwingend, wie unzählige andere Entwicklungen zeigen.

31  Das ist auch der Grund, weshalb der Gegensatz oftmals paradox wirken mag, einmal abstoßend, ein andermal anziehend. Maßgebend dafür ist die Interdependenz­ annahme, die stark von unseren Emotionen genährt wird, vgl. dazu Kap. B. I. 1. c).

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2. Vergleich mit ausgewählten ähnlichen Sozialphänomenen Um dem Begriff des sozialen Konflikts schärfere Konturen zu verleihen, ist es lohnenswert, konfliktähnliche soziale Erscheinungen und sinnverwandte Begriffe zum Vergleich heran zu ziehen. a) Das Problem Untersucht man den Begriff des Konflikts, stößt man recht schnell auf den des Problems – und nicht nur, weil der Konfliktbegriff problematisch ist, sondern vor allem, weil der Kon-flikt tatsächlich Probleme für die Beteiligten mit sich bringt.32 Risto formuliert, dass ein „Konflikt (k)ein Problem“ sei und versteht unter einem Konflikt ein Sachproblem plus eine Beziehungsauseinandersetzung.33 Duss-von Werdt meint, dass im Grundsatz Probleme stets sachbezogen seien, während Konflikte personenbezogen sind.34 Montada / Kals gehen davon aus, dass „durch einen sozialen Konflikt … ein Problem gegeben“ sei.35 Hier werden alle diese Vorschläge nicht angenommen, sondern es wird vielmehr folgende Betrachtung angeboten. Ein Problem beschreibt einen Ist-Zustand, der aus der Sicht einer sozialen Einheit unerwünscht ist. Zu seiner Abänderung bedarf es eines mehr oder minder großen persönlichen Aufwandes.36 (Soziale) Konflikte hingegen be32  Der Begriff „Problem“ entstammt dem griechischen „probalestei“: „Ta problemata“ nannten die griechischen Bauern diejenigen Rüben, die beim Transport herunterfielen, sei es, weil der Wagen überladen oder die Straße schlecht war und die wieder aufgeworfen werden mussten. Jedenfalls mussten die Bauern stehen bleiben und die heruntergefallenen Rüben wieder aufheben. Aristoteles nutzte dieses Bild und bezeichnete mit diesem Begriff alle Dimensionen und Aspekte, die nicht in sein gedankliches System passten und aus diesem „herausfielen“. So finden sie sich zuweilen am Ende seiner Texte als „ta problemata“ aufgefangen. Vgl. dazu Schwarz 2005, 65; Bohm 2002, 122 f. 33  Risto 2003, 22, 23 (Deshalb differenziert er zwischen „Expertenberatung“ (für ein Sachproblem) und „Prozessberatung“ (für einen beziehungsbezogenen Konflikt), vgl. S. 61 ff. 34  Duss-von Werdt 2005, 181; ebenso Kreyenberg 2005, 21. 35  Montada / Kals 2001, 70 (Sie unterscheiden im Folgenden drei Problemtypen: Differenzen zwischen Ist- und Soll-Zuständen gehören zum Problemtyp eins; Unzufriedenheiten mit Ist-Zuständen, ohne Klarheit über Soll-Zustände gehören zum Problemtyp zwei und Bedrohungen von Ist-Zuständen gehören zum Problemtyp drei.). 36  Ähnlich Watzlawick / Weakland / Fisch 1992, 58  f., die dieses Phänomen als „Schwierigkeit“ und damit unerwünschte Sachlagen bezeichnen, die durch vernünftige Maßnahmen beseitigt werden können oder mit denen zu leben gelernt werden muss, weil sie unlösbar sind. Den Begriff „Problem“ verwenden sie hingegen für Schwierigkeiten, die allein durch falsche Lösungsversuche entstanden und insoweit



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stehen zwischen mindestens zwei sozialen Einheiten und beschreiben einen aktuellen Gegensatz.37 Insoweit bestehen Konflikte aus zwei unerwünschten Ist-Zuständen. Für die Behandlung eines Konflikts spielt deshalb die Kommunikationsebene zwischen den gegensätzlichen Einheiten stets eine zentrale Rolle. Insoweit sind Konflikte auch interessenbedrohende Ist-Zustände. Aber nicht jeder interessenbedrohende und deshalb unerwünschte Ist-Zustand begründet einen Konflikt. Es gibt Probleme unabhängig von anderen sozialen Einheiten. Konflikte kommen (erst) zustande, wenn eine soziale Einheit Probleme mit einer anderen sozialen Einheit hat. Häufig ist der zentrale Punkt eine unbefriedigende bzw. problematische Kommunikation mit der gegnerischen Einheit.38 Ein weiterer Aspekt verbindet Probleme und Konflikte. Mitunter werden Probleme dadurch zu lösen versucht, dass Konflikte angezettelt werden. Häufig soll der anderen sozialen Einheit Verantwortung aufgeladen werden, so dass diese die Antwort auf das (eigene) Problem geben soll. Derartige Konflikte sollen problemlösend wirken, stellen jedoch häufig nur erfolgreiche „Ablenkungsmanöver“ vom eigentlich persönlich zu lösenden Problem dar.39 Gemeinsam ist einem Konflikt und einem Problem, dass sie auf die soziale Einheit wirken. Indem der Konflikt zwei Probleme in einer kommunikativen Beziehung vereinigt, veranlasst er jeden Beteiligten zu Veränderungen, um die jeweils persönlichen Probleme zu lösen.40 „hausgemacht“ sind. Die Begriffe werden in einem system- und kommunikationstheoretischen Kontext verwendet. 37  An dieser Differenzierung ändert sich nichts, mag man zuweilen auch von intrapersonalen bzw. inneren Konflikt sprechen. Tatsächlich befindet sich die (eine) Persönlichkeit in einer Problemsituation. Sie kann sich nicht endgültig entscheiden, welche Fühl-, Denk- und Verhaltensweise ihr entspricht, wo sie mehrere und gegensätzliche wahrnimmt und verwirklichen möchte. Solange sie sich nicht entscheidet, konfligieren in ihr diese Gegensätze, so dass von einem inneren Konflikt gesprochen werden kann. Der Begriff Konflikt hilft hierbei, die gegensätzlichen Stimm(ung)en wahr- und anzunehmen, um sich im Folgenden für eine zu entscheiden und die andere(n) zu verabschieden und damit das eigene Problem zu lösen. 38  Dennoch kann nicht bei einem Konflikt zwischen mehreren sozialen Einheiten allein von einem Kommunikationsproblem gesprochen werden (vgl. Luhmann 1999, 530). Sicher ist jedoch andererseits, dass die Kommunikationsform zwischen kon­ fligierenden Einheiten ein Schlüssel ist, um den Konflikt abzumildern und aufzu­lösen. 39  Die Definition (und damit Existenz) des Problems ist wie im Konflikt abhängig von der Wahrnehmung durch den Inhaber und wird ebenso zum Ausgangspunkt der Problemlösung. Analog einer Antwort, die sich aus der Frage ergibt, ergibt sich die Lösung aus dem Problem. Wird das Problem nicht erkannt und sein Aufruf zur Lösung deshalb „verkannt“, bleibt alles Handeln im besten Falle Versuch und im Übrigen Aktionismus. 40  Soweit Dritte zur unterstützenden Konfliktlösung herangezogen werden, können diese nun selbst in eine eigene Problemsituation geraten. Die Unterstützungsaufgabe kann sich schwierig und deshalb problematisch darstellen. Sicher ist jedoch, dass der Dritte weder den Konflikt der Beteiligten noch ihre Probleme lösen kann,

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Die hier angebotene analytische Trennung zwischen Konflikt und Problem ist für ein Konfliktmanagement angebracht, das sich dem Selbstverantwortlichkeitsprinzip und der Persönlichkeitsentwicklung verschrieben hat. Dadurch werden Verantwortlichkeiten dort belassen, wo sie hingehören, so dass Antworten dort gegeben werden (können), wo ihre veranlassenden Fragen auftauchten. Die analytische Trennung zwischen Konflikt und Problem hilft überdies zu klären, wer sich im Konflikt bereits befindet und wer sich in ihn einmischt und welches (eigene) Motiv oder Problem denjenigen dazu treibt. Die Differenzierung entlastet alle Beteiligten, indem sie Verantwortlichkeitsbereiche aufzeigt. b) Panne und Missverständnis Schwarz differenziert zwischen einer Panne und einem (echten) Konflikt.41 Während Konflikte sinnvoll und deshalb zu pflegen seien, gelte das für Pannen gerade nicht. Pannen seien echte „Störungen“, die für die Weiterentwicklung der Betroffenen keine Bedeutung haben. Sobald das zugrunde liegende Missverständnis oder der ursächliche Fehler behoben ist, sei die Panne ebenfalls behoben. Schwarz meint mit dem Begriff der Panne Situationen, die sich nach dem hier vertretenen Verständnis graduell von Konflikten unterscheiden.42 Indem er Pannen daran erkennt, dass den Beteiligten Fehler oder Missverständnisse unterlaufen seien, die jedoch schnell aufgeklärt werden könnten43, beschreibt er Situationen, in denen Beteiligte etwas falsch gemacht haben. In Konflikten gehe es hingegen nicht um falsche und richtige Sichtund Handlungsweisen. Sondern erst die Erkenntnis und Akzeptanz des inneren Widerspruchs führe zur Klarheit und zur Vermeidung von Realitätsverlust. Hierbei verkennt er jedoch den Begriff des „Fehlers“, der nicht auf Falsches, sondern auf Fehlendes hindeutet. Und Fehler beschreiben Situationen, die bei größerer Bewusstheit nicht aufgetaucht wären. Deshalb sind Fehler „wahre Geschenke“, die zu Einsicht und mehr Bewusstheit verhelfen, sondern allenfalls sein eigenes. Der entscheidungsberufene Richter etwa, wird den Konflikt in (s)ein Rechtsproblem transformieren – und dieses (sein geschaffenes Rechtsproblem) lösen. Dieses Problem gab es vorher nicht, sondern entspricht seiner Kreation. Dazu später genauer. 41  Schwarz 2005, 33 ff., 36. 42  Kreyenberg 2005, 21 grenzt Konflikte ebenso von „Missverständnissen“ ab, allerdings nur mit der Behauptung, dass letztere auflösbar seien. Das stimmt freilich, trifft jedoch auch auf Konflikte zu und ist insofern kein brauchbares Abgrenzungskriterium. 43  Schwarz zählt hierzu den Kellner, der das falsche Getränk bringt, Zuspätkommende, deren Auto nicht angesprungen ist etc., vgl. Schwarz 2005, 36.



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wenn sie – wie es sich für wahre Geschenke gehört – ausgepackt und genau betrachtet werden.44 Insoweit sind die Situationen, die Schwarz „Pannen“ nennt, sich schnell auflösende und wie das Salz in der Suppe wirkende Konflikte des Alltags. Sie reißen uns nicht mit sich, lassen uns aber auch nicht kalt. Bewusstheit über das Fehlende ist schnell zu erlangen, so dass der Gegensatz sich nicht verfestigt, Interdependenz nicht lang anhaltend angenommen wird, sondern sogleich aufgelöst werden kann. c) Der Wettbewerb / -kampf Der Wettbewerb ist eine sportlich geführte Auseinandersetzung. Der Gegensatz wird nicht nur spielerisch ausgetragen, sondern erst durch bestimmte Regeln konstruiert, innerhalb derer sich mit dem anderen gemessen wird. Die Art und Weise, wie der Gegensatz aufgelöst wird, erfolgt im beiderseitigen Einverständnis, das durch Zustimmung zu den Spielregeln erteilt wird. Sinn solcher Auseinandersetzungen ist es, die Kräfte zu messen. Deshalb verbirgt sich hinter dem Wettbewerb die persönliche Akzeptanz oder gar Freundschaft der Gegner.45 Die innere Haltung ist von Friede und Freundschaft zum Mitspieler geprägt, auch wenn sich rein äußerlich Kampf und Auseinandersetzung zeigen.46 Ursprünglich geht es im Wettkampf um die eigene Freude und Lust am gemeinsamen Spiel. Freude und Lust, die der Spieler in das Spiel einbringt, erhält er dabei auch zurück. Ausgangs- und Orientierungspunkt sind das eigene Maß an empfundener Freude und Lust. In solcher Haltung sind Niederlagen auch nicht mit Frust auf den Gegner behaftet. Spiele, auf diese Art und mit dieser Haltung ausgeführt, lassen Ohnmachts- oder Rachegefühle nicht aufkommen. „Im friedlichen Wettkampf wird der Gegner zum Freund“, schreibt Schellenbaum. Wettkampf, 44  Danach fehlt das vormals Fehlende nicht mehr und ist integriert. Unterlaufene Fehler, egal ob große oder kleine, schädigende oder belanglose, helfen bei der persönlichen Entwicklung, soweit sie dafür genutzt werden. Versteht man jedoch unter Fehler, dass etwas falsch gemacht wurde, besteht die Gefahr, Schuld zuzuschreiben, wodurch häufig versäumt wird, das Fehlende zu erkennen und zu integrieren. Das erscheint zwar paradox, ist aber die Konsequenz: Indem man sich (für den Fehler) schuldig fühlt und oftmals zu entschuldigen versucht, bleibt man sich selbst das Wesentliche schuldig: Das selbst gemachte Geschenk des Fehlers auszupacken und das Fehlende selbst an sich und buchstäblich in sich hinein zu nehmen. 45  Schellenbaum 2005, 166 in Anlehnung an Watts 1986, 47; anders jedoch Regnet 2001, 83, die darunter einen Verhaltensstil versteht, der ein Beispiel für einen Konfliktumgang darstellt. 46  Zu nennen wären hier jedwede Kampfsportarten wie Boxen, Judo, Ringen, Fechten etc., aber auch solche mit militärischem Hintergrund wie Biathlon oder Bogenschießen. Die innere Haltung freilich zeigt sich bei jeder Sportart und deren wettbewerblicher Ausübung.

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das Spiel friedlicher Kräfte, ist Ausdruck von Freundschaft und manifestiert im Äußeren, was innerlich schon vorhanden ist. Fehlt es am freundschaft­ lichen Element, gerät das Spiel zum Kampf und die Auseinandersetzung zum Konflikt, der – in den vereinbarten äußerlichen Regeln gehalten – sich zu abstoßender Konkurrenz entwickelt.47 Hier wird der Gegensatz nicht offen ausgedrückt48, sondern auf dem Spielfeld manipulativ eingeführt. d) Die Krise Das Wort „crisis“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet neben Krise auch Zwiespalt, Trennung, Scheidung bzw. Entscheidung oder Wendepunkt. Die sinnhafte Verwandtschaft mit dem Konflikt ist offensichtlich. Das chinesische Schriftzeichen für Krise bzw. Konflikt setzt sich aus den Zeichen für Bedrohung und Gefahr sowie Chance und Möglichkeit zusammen.49 Krise ist nach Jaspers50, „der Augenblick, in dem das Ganze einem Umschlag unterliegt, aus dem der Mensch als ein Verwandelter hervorgeht, sei es mit neuem Ursprung eines Entschlusses, sei es im Verfallensein“. Mit dem „Ganzen“ umschreibt Jaspers die Situation eines Menschen, die dieser einerseits gestaltet hat und der dieser andererseits ausgesetzt ist. Insoweit ist die Krise eine konfliktanaloge Situation für das Individuum und kann als Klammerbegriff für die Begriffe Problem und Konflikt synonym verwendet werden. Krise umschreibt mehr eine Situation, die noch nicht fassbar erscheint, die dunkel und nur spärlich begreifbar ist. Es verwundert vor dem Hintergrund nicht, wenn konfligierende Beziehungen als problematisch und krisenhaft bezeichnet werden. Die Krise birgt freilich – wie das Problem und der Konflikt selbst auch – die Gefahr der Verschärfung, als auch die Chance zu erneuernder Wandlung und Reifung.51 47  A. A. Trieb 1997, 135, der zwar auch den Konflikt vom Wettbewerb und Konkurrenz abgrenzt. Allerdings verwendet er beide Begriffe synonym. Zudem erkennt er im „gegenseitigen direkten Angriff“ „auf bestimmte Güter“ den maßgebenden Unterschied zwischen einem Konflikt und Wettbewerb bzw. Konkurrenz. Einen Konflikt erkennt Trieb erst dann, wenn gegen direkte Mitbewerber agiert wird. Am Beispiel eines gewalttätigen Streits und eines sportlichen Wettkampfes lässt sich schnell feststellen, dass die (objektiv erkennbare) Angriffsrichtung keineswegs ein taugliches Abgrenzungskriterium für beide soziale Erscheinungen darstellt. 48  Vgl. Luhmann 1999, 350. 49  Vgl. Dahlke 1999, 19; so auch Dulabaum 2003, 86, die dieses Zeichen offensichtlich auf den „Konflikt“ bezieht. Zu dieser Mehrdeutigkeit s. B. I 4. 50  Vgl. bei Held 1980, 273 ff. 51  Der Historiker Seibt 2004, 31 stellt ebenso fest, dass die „historische Krise … Wendezeit ist, Entscheidungsphase, vielleicht Neuaufbruch und Umkehr, Instabilität, aber nicht notwendig Verfall“.



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Krise/Konflikt

Chance

Bedrohung

Abbildung 1: Chinesisches Zeichen für Krise / Konflikt

e) Der Streit Situationen, die gemeinhin als Streit bezeichnet werden, beschreiben einen Konflikt, der auf eine bestimmte Art und Weise ausgetragen und behandelt wird. Im Streit geht es den Konfliktparteien darum, wer im Recht ist bzw. darum, dass der andere im Unrecht ist. Die äußerlich erkennbaren Gegner sind tatsächlich auch innerlich gegnerisch und feindlich eingestellt.52 Da Streit eine „Wirklichkeit der parteilichen Rechtfertigung und wechselseitigen Anschuldigungen“53 ist, ist er generell nicht ohne einen (im Wortsinne) entscheidenden Dritten aufzulösen – oder wird durch Unterordnung einseitig „entschieden“. Die zugrunde liegende Behandlungsweise wird in der rechtlichen Konfliktbehandlungsmethode ausführlich dargestellt werden („Rechtsstreit“). Um eine eigenständige und damit abgrenzungsbedürftige oder -fähige soziale Erscheinung handelt es sich beim Streit indes nicht, sondern um einen Versuch, einen Konflikt zu lösen. f) Die unangenehme Situation In der praktischen Beratungsarbeit wird mitunter mit dem Begriff der „unangenehmen Situation“ gearbeitet.54 Damit werden Situationen bezeichnet, die nicht zu ändern sind bzw. für die keine tauglichen Veränderungs52  Ähnlich

Montada / Kals 2001, 14. von Trotha ZfRSoz 2000, 329. 54  Für den Hinweis, zwischen einem Problem und einer unangenehmen Situation zu unterscheiden, danke ich Rolf Balling. 53  So

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strategien erkennbar sind. Insoweit wird mit dem Begriff des Problems eine beeinträchtigende Situation beschrieben, für die Lösungsstrategien erkennbar sind und eingesetzt werden können, um sie zu beseitigen oder doch zumindest abzumildern. Unangenehme Situationen sind dagegen solche, die „ungelöst“ hinzunehmen sind, weil es für sie keine Lösungsstrategien gibt. Insoweit besteht die persönliche Aufgabe, die aus der unangenehmen Situa­ tion erwächst, darin, Strategien und Wirklichkeitsdefinitionen zu finden, um mit ihr „leben zu können“, ohne sie als problematisch zu definieren und zu empfinden und daher beseitigen zu müssen. 3. Die destruktiven Konfliktwirkungen Signalisiert der Konflikt, dass zwei soziale Einheiten nicht nur unterschiedliche Interessen haben, sondern wahrnehmbar zusammengestoßen und damit gegensätzlich eingestellt sind, liegt der Gedanke nahe, dass der Konflikt selbst eine dynamische Natur aufweist. Die Zusammenführung von Unterschiedlichem in gegensätzlicher Kommunikation wirkt auf die Beteiligten zurück und begründet somit den prozessualen Charakter von Konflikten. Ein Konflikt entwickelt sich praktisch in jedem Augenblick und erstarrt nie zum Sachverhalt. Er bildet sich durch die Wahrnehmungen, Empfindungen, Gedanken und sich daraus entwickelnden Verhaltensweisen stetig fort. Ob es sich dabei um destruktiv wirkende Verwicklungen oder konstruktive Entwicklungen handelt, liegt im Verantwortungsbereich der Beteiligten. Nachdem dargelegt wurde, aus welchen Elementen ein sozialer Konflikt besteht, wird im Folgenden aufgezeigt, wie er sich destruktiv entwickeln kann. Folgendermaßen wird vorgegangen: Zunächst werden die Ausgangsund Stützpunkte destruktiver Konfliktentfaltung dargelegt [Kap. B. I. 3. a)]. In ihnen sind die Potentiale seiner Eskalation55 bereits erkennbar. Sodann werden die Mechanismen angedeutet, die den Konflikt typischerweise entfalten [Kap. B. I. 3. b)], um anschließend nach einem Modell von Glasl einzelne, analytisch feststellbare Stufen einer Eskalation zu skizzieren [Kap. B. I. 3. b)]. Dabei werden die Mechanismen näher beschrieben, die auf den einzelnen Stufen wirken und den Konflikt weiter voran zur „Auflösung“ treiben, wobei sich diese im Destruktiven als beiderseitige Vernichtung darstellt.

55  Konflikteskalationen lassen sich nicht auf kausal-deterministische Ausgangspunkte zurückführen. Von Konfliktursachen ist deshalb nur schwerlich zu reden, weshalb auch hier von Konfliktpotentialen gesprochen wird. Dazu Kreyenberg 2005, 48, 52  f. m. w. N.



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a) Ausgangspunkte der Konfliktentfaltung Analytisch lassen sich beteiligtenentfernte und beteiligtenbezogene Umstände differenzieren, an denen sich der Konflikt entzünden und weiter entfalten kann. aa) Beteiligtenentfernte Umstände Hierbei handelt es sich um Sachlagen oder Strukturen, die einen Konflikt begünstigen (können) und die nicht in den beteiligten Personen begründet sind.56 Gleichwohl wirken sie auf die Situation zwischen den Beteiligten ein. An ihnen entzündet oder verdeutlicht sich die gegensätzliche Einstellung der Konfliktbeteiligten. Möglich ist auch, dass die äußeren Umstände den Kern der wechselseitigen Abhängigkeit darstellen, so dass sich an ihnen das interdependente Moment erkennen lässt.57 Äußere Umstände dienen häufig zur Konflikttypologisierung. Bei konfliktbegünstigenden äußeren Umständen handelt es sich häufig um Normen oder andere Regelwerke, die vorgegeben sind. Entzünden sich an derartigen Regeln Konflikte, wird oftmals von Wertekonflikten gesprochen.58 Soweit Organisationen bzw. Organisationsabläufe als Konfliktursache erkannt werden, wird von Gruppen- und Organisationskonflikten gesprochen.59 Auch Warenmangel oder sonstige unerwünschte Ist-Zustände auf materieller Ebene wirken konfliktbegünstigend. Wenn der Besitzlose seinen Ist-Zustand verändern möchte und den Soll-Zustand anstrebt, kreuzt dieser Handlungsplan häufig Handlungspläne anderer Menschen. Derartige Konfliktanlässe werden mitunter als Verteilungskonflikte bezeichnet.60 Es 56  s.

auch Regnet 2001, 35 f.; Kreyenberg 2005, 53 f. werden die äußeren konfliktnährenden oder -begründenden Umstände als Konfliktgegenstände (issues) bezeichnet, vgl. aber Hauser 2002, 23. Ebenso wohl auch Jost 1999, 23, der jedoch zu recht davon abrät, sich bei der Konfliktbehandlung an diesen Äußerlichkeiten zu orientieren. 58  Wertekonflikte sind freilich auch eine Konsequenz, wenn die Beteiligten ihre Werte verinnerlicht haben – und somit die Werte innere Umstände darstellen; zu Wertekonflikten s. Schwarz 2005, 174; Röhl 1987, 461; Montada / Kals 2001, 78 ff.; Besemer 2005, 31; generell kritisch zu solcher Typologie Messmer 2005, 250  m. w. N. 59  Dazu Schwarz 2005, 191 ff.; Glasl 2004, 124 ff.; Rüttinger 1991, 4 f.; Höher / Höher 2004, 71 ff. 60  Röhl 1987, 460 weist zu Recht auf die Paradoxie hin, dass der Ausgangspunkt des Verteilungskonflikts die „gemeinsame Wertschätzung sozialer Objekte“ ist – und damit ein Konsens. Verteilungskonflikte zeigen deshalb auch den materiell orientierten Menschen, dass Konflikte auch aus Gemeinsamkeiten bestehen und die Haltung der beteiligten Personen maßgebend ist für die Beziehungs- und konkret Konfliktgestaltung. 57  Oftmals

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gibt überdies weitere Konflikttypen, die an anderer Stelle zu ausführlichen Konflikttypologien zusammengefasst wurden. Einen lohnenswerten Erkenntnisgewinn für den vorliegenden Untersuchungszweck bieten sie jedoch nicht. Deshalb sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.61 Konflikte, mögen sie auch durch äußere Umstände genährt werden, sind jedoch nie allein durch diese Umstände verursacht worden. Stets sind die konkreten Individuen in Konflikte verstrickt und stehen gegensätzlich zueinander.62 Mitunter können Konflikte beigelegt und Gegensätze aufgelöst werden, indem äußere Umstände verändert werden. Letztlich jedoch entscheiden (sich) die Beteiligten, ob sie ihren Konflikt beenden.63 Ein äußerer Umstand bedarf besonderer Erwähnung: die Einwirkung Dritter. Wirkt ein Dritter wahrnehmbar und direkt in das dyadische Konfliktsystem, wächst es zur Triade. Strukturell handelt es sich dabei um einen äußeren Umstand, doch oftmals ist der Dritte nicht ohne Einfluss zumindest durch einen der Konfliktbeteiligten eingeschaltet worden. Da der Dritte eigenständig mit den Beteiligten kommuniziert, ob nun richtend, schlichtend oder vermittelnd, bringt er alle Risiken und Chancen der Kommunikation mit ein. Deshalb lohnt es, dessen Ein- und Auswirkungen gesondert in die Konfliktanalyse aufzunehmen. Durch den Dritten kommt es zur „Verdreifachung der Beziehung“, so dass ein Konflikt-, aber auch Lösungspotential entsteht, das in der Konfliktanalyse besondere Beachtung finden sollte.64 bb) Beteiligtenbezogene Umstände Es wurde bereits angedeutet, dass die Einstellung und innere Haltung der Konfliktbeteiligten zur Konfliktsituation und zum Konfliktbeteiligten maßgebend für den Konflikt und dessen Bearbeitung ist. Wie die Konfliktbeteiligten ihre Konfliktsituation wahrnehmen und sie bewerten, ist abhängig von ihrer Bereitschaft zur Wahrnehmung sowie ihren inneren Werten, ihren Wünschen, ihren Erwartungen und Hoffnungen, Gefühls- und Denkgewohnheiten oder kurz: von ihrer momentanen physisch-psychischen Verfassung.65 Sie drückt sich in ihren Kommunikationsweisen aus und kann konfliktver61  Verschiedene Konflikttypologien etwa bei Kreyenberg 2005, 25 ff.; Glasl 2004, 53 ff.; Montada / Kals 2001, 59 ff.; Schwarz 2005, 97 ff.; ders. Hm 1984, 61 ff.; Besemer 2005, 31; Mahlmann 2001, 80 ff.; aus rechtssoziologischer Sicht instruktiv Raiser 1999, 280 ff.; Röhl 1987, 455 ff.; Mannhart 2003, 97 ff. 62  So auch Hugo-Becker / Becker 2004, 112 m. w. N. 63  Ähnlich Glasl 2004, 124. 64  Ausführlich zu Dreieckskonflikten: Schwarz 2005, 144 ff. 65  Hugo-Becker / Becker 2004, 118, 120; Hauser 2002, 158 ff.



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schärfend wirken – ebenso wie konfliktmildernd und -auflösend. Die psychische Verfasstheit der Konfliktbeteiligten bestimmt auch (mit), wie der Konflikt unter Mitwirkung von Dritten behandelt wird.66 Es ist die innere Haltung der Personen, ihre Verfasstheit, die bestimmt, wie die Umwelt und speziell der Konfliktgegner wahrgenommen wird. Die äußeren Umstände können widrig sein, Mangel kann vorherrschen etc., aber all das sind letztlich nur mittelbare Ursachen für eine konfliktäre Einstellung zueinander. Zur Klarstellung: Es geht bei der Fokussierung auf die innere Einstellung der Beteiligten nicht um eine Pathologisierung, eine Zuschreibung von Recht oder Unrecht, Verantwortung oder Schuld. Auch geht es nicht um eine Psychologisierung von Offensichtlichem. Vielmehr geht es um die Kongruenz von Erkenn- und Wahrnehmbarem mit der inneren Verfassung der Beteiligten. Da jedoch die eigene Einstellung und Erlebnisweise das einzige Moment im Konfliktgeschehen ist, auf das die Beteiligten tatsächlich und nachhaltig Einfluss ausüben können, erscheint es der entscheidende Ansatzpunkt für die Konfliktbehandlung zu sein.67 b) Ausgewählte Mechanismen der Konfliktentfaltung Der Konflikt entfaltet sich allein durch die Beteiligten, sowohl durch ihre Empfindungen als auch durch ihre Gedanken, die sich beide im Verhalten in der Welt zeigen.68 Im Denken und Fühlen, im Wahrnehmen der Konfliktsituation kommt es zu einem kaum abzustellenden Vorgang, den die Konfliktpsychologie Projektion69 nennt. Die eigenen Schwächen und Unliebsamkeiten werden beim anderen – und nur beim anderen, aber dafür besonders deutlich – erlebt und wirken gerade deshalb verachtenswert. Für unbeteiligte Dritte ist schnell erkennbar, dass das, was Peter über Paul sagt, mehr über Peter als über Paul sagt. Anschuldigungen und Vorwürfe dienen lediglich als Ansatzpunkt, um zu „beweisen“, dass der Konfliktgegner an der Misere ursächlich und schuldig ist. Aus Projektionen entstehen häufig neue Konfliktfelder, deren scheinbare Ursachen in äußeren Umständen liegen. Glasl spricht hier von einer sog. Issue-Lawine, die die Beteiligten selbst lostreten und im Folgenden von ihr überrollt werden. 66  So

auch Glasl 2004, 153. systemtheoretischer Sicht dazu: Messmer 2005, 241. 68  Dass alle drei Faktoren durch unzählige Faktoren ihrer Umwelt bedingen und sich gegenseitig beeinflussen, bedarf an sich keiner Betonung, erfolgt hiermit allerdings der Vollständigkeit halber. Zum Folgenden ausführlich Glasl 2004, 207 ff.; Hauser 2002, 250 ff. 69  proicere = lat., nach vorn werfen, hervortreten lassen, hier i. S. v. das Innere nach Außen kehren, vgl. dazu Becker-Carns 2004, 511; Schönpflug 2006, 260; Kreyenberg 2005, 72. 67  Aus

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Sind Ursachen erstmal beim anderen ausgemacht worden, gilt es, andere und vor allem den Gegner davon zu überzeugen. Glaubwürdigkeit speist sich an dieser Stelle häufig aus Tradition, die ausführlich dargelegt wird. Andere oder – soweit vorhanden – vergangene Streitfragen werden wieder „aufgewärmt“ und als roter Faden der gegnerischen Persönlichkeit dargestellt. „Wahre Meister“ der Projektion können die gesamte Konfliktbeziehung in all ihren Ausprägungen anhand einer Ursache beschreiben, die zumeist als persönlicher Makel des Konfliktgegners hervortritt. So scheint die (einzige) Wurzel des Übels gefunden worden zu sein. Dieser Vorgang ist in der Konfliktforschung auch unter dem Begriff der „Simplifizierung“70 bekannt. Der Gegner unternimmt seinerseits nichts anderes. Je mehr sich die Konfliktbeteiligten in diesen ihren Vorstellungen verstricken, Ursachen und Hintergründe in der Person des anderen erkennen und „Theorien aufstellen“, stabilisiert sich der Konflikt und eskaliert oftmals zu einem „Konflikt über den Konflikt“. Es geht den Beteiligten nunmehr um die Definitionshoheit und Deutungsmacht über die Situation und den anderen.71 Ein stetig wiederkehrendes Grundmuster solcher Konfliktdefinitionen ist – früher oder später, mehr oder minder ausdrücklich formuliert –, dass das eigene Handeln nur Reaktion ist, Ursache, Unrecht und Schuld jedoch vom anderen ausgehen. Indem man selbst nur reagierte, wird angedeutet, dass man ohne Wahl dem anderen und seinem Treiben ausgeliefert war – und selbst frei von Verantwortung und Schuld ist. Da der andere ebenso verfährt, spricht man hierbei von sog. wechselseitigen Kausalitätsvorstellungen.72 Die im Folgenden wahrgenommene Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit, den anderen zu überzeugen und (in seinem Handeln) zu ändern, fordert Bestätigung, damit die „eigene Statik“ nicht wackelt. Schließlich rüttelt der Gegner mit den gleichen Waffen an ihr. Auf diese Weise wird der soziale Rahmen des Konflikts ausgeweitet. So sehr sich der Blick für Überzeugungshelfer weitet, so sehr verengt er sich in der Sache. Der Blick wird stetig mehr auf die wahrgenommene Ursache gerichtet, an der der Gegner Verantwortung und Schuld trägt. Es sind nicht zufällig Dinge, die der andere zu verantworten hat und bei denen 70  Hugo-Becker / Becker 71  s.

2004, 127. auch Kreyenberg 2005, 71 f.; allgemein Watzlawick / Beavin / Jackson 2000,

57 ff. 72  Die „Pragmatische Kommunikationstheorie“ formulierte diesen Vorgang als „Interpunktion“ des Kommunikationsvorgangs. Durch Interpunktion wird das individuelle Konflikterleben so strukturiert, dass jeweils der andere ursächlich als Anlass immer weiterer Konfliktepisoden aufscheint, auf die man selbst lediglich mit Gegenmaßnahmen reagiert; vgl. Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 92 ff.; Watzlawick /  Weakland / Fisch 1992, 36 m. w. N.; Messmer 2005, 245.



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die eigene Verantwortung, jedenfalls auf den ersten Blick, nicht erkennbar ist. Markierungen und Wendepunkte in der gemeinsamen (Beziehungs-) Geschichte werden neu gesetzt. Diese zeugen nunmehr davon, dass sich der Konflikt angekündigt hat, keineswegs mehr überraschend scheint, sondern erkennbar gewesen wäre. Der bisherigen Beziehung wird sich insgesamt „neu erinnert“. Dieser Vorgang entfaltet einerseits den tatsächlich bestehenden Konflikt und trägt ihn über den ursprünglichen Anlass weit hinaus, andererseits aber bündelt er die Kräfte und vereinfacht die Sichtweisen der Beteiligten. Das Paradoxe daran ist, dass die Beteiligten zwar den Konflikt als kompliziert, undurchsichtig und folglich als Gefahr wahrnehmen. Deshalb reagieren sie (unbewusst) mit den angesprochenen Mechanismen, um die Komplexität der Situation zu reduzieren und der vermeintlichen Gefahrensituation wieder Herr zu werden. Tatsächlich aber heizen sie dadurch erst den Konflikt an und weiten ihn aus. Freilich muss dieser Vorgang als Lösungsmittel scheitern, weil Gefahren wahrgenommen werden, die zuvorderst aus der eigenen und getrübten Bewertung stammen. In welchen Schritten dieses Scheitern – ganz aktiv von beiden Seiten gestaltet – vonstatten geht und der Konflikt eskaliert, wird im Folgenden gezeigt. c) Stufen destruktiver Konfliktentfaltung Den Konfliktbeteiligten scheint es, als geschehe der Konflikt ihnen. Er eskaliert, so scheint es ihnen, ohne ihr Zutun. Und auch bloß Betroffenen und Außenstehenden scheint es mitunter, als entwickelte der Konflikt eine eigene Dynamik, die ihn stetig weiter bis zum (auflösenden) Ende treibt. Glasl hat für diese eskalierende Entwicklung ein mittlerweile klassisches 9-Stufen-Modell entwickelt, das im Folgenden leicht abgewandelt dargestellt wird.73 Vorliegend wird – in Anlehnung an die transaktionsanalytische Modellvorstellung – lediglich zwischen Denken, Fühlen und Verhalten der Beteiligten differenziert.74 73  Hinzugezogen werden im Folgenden die – an Glasl angelehnten – Darstellungen von Hugo-Becker / Becker 2004, 114 f.; Mahlmann 2001, 98 ff.; Kreyenberg 2005, 88 ff.; Risto 2003, 54 ff.; Proksch Kon:sens 1999a, 234; Prokop-Zischka / Langer 2005, 48 f. Ein dreistufiges Konflikteskalationsmodell aus kommunikationstheoretischer Sicht bietet Messmer 2005, 247 ff. Er differenziert zwischen einer bloßen Konfliktepisode, die sich von allein auflöst, sofern nicht die Widerspruchskommunikation zu einem Sachkonflikt führt, der sich zu einem Beziehungskonflikt erweitert, sobald zu einer Anschuldigungskommunikation gewechselt wird. Wird die Drohkommunikation eingeschalten, eskaliert der Konflikt zu einem Machtkonflikt. 74  Glasl 2004 differenziert nach Perzeptionen, Denken, Fühlen, Wollen, Verhalten und Folgen.

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Die Konflikteskalation selbst gleicht angesichts moralisch-ethischer Ordnungsvorstellungen einer Abwärtsbewegung. Die Beteiligten regredieren zunehmend: Sie denken und fühlen, verfolgen Motive und Ziele, die nicht dem Grad ihrer tatsächlichen Reife entsprechen, sondern bereits durchlebte und überwundene Phasen persönlicher Reifung darstellen. Deshalb sind die einzelnen Eskalationsstufen gleichsam Regressionsschwellen, die im Folgenden aufgezeigt werden. aa) Verhärtungen (1. Stufe) Der Gegensatz eskaliert zur ersten Stufe, wenn er sich verfestigt. Indem Meinungen sich zu Standpunkten verhärten und intellektueller Austausch im Wortsinne unmöglich wird, manifestiert sich der Konflikt. Fronten werden aufgebaut, die allerdings in den Augen der Akteure durch Argumente und Diskussionen wieder abgebaut werden (können). Im stetigen Verlauf der Verhärtung, die nicht mehr aufgelöst wird, werden erste Zweifel gedacht, ob der andere den eigenen guten Willen anerkennt und zu würdigen vermag. Die eigene Festigkeit des Standpunkts entspricht dabei dem Grad des Vorwurfs, dass der Gegner sich von seinem Standpunkt nicht abbringen lässt. Hier beginnen sich Diskussionspartner zu verwickeln, werden heißer und aggressiver und beginnen zu debattieren. bb) Polarisation: Debatte und Polemik (2. Stufe) Die Beteiligten polarisieren sich, werden dadurch erstmals zu Parteien. Während ihre Ansichten und Verhaltensweisen deutlich aufeinander prallen, entfernen sie sich als Mitmenschen voneinander. Als Parteien beginnen sie, die Situation und die Gegenpartei in Schwarz-Weiß-Kategorien wahrzunehmen. Ihre Gedanken und Gefühle verfestigen sich weiter. Der Zusammenstoß der Gegensätze beeinträchtigt ihre Fähigkeiten, die konkrete Situation ruhig und vollständig wahrzunehmen und gedanklich zu erfassen.75 Der Konflikt wirkt nun direkt als Erschütterung und führt zu einer selektiven Wahrnehmung. Nur grundlegende Differenzierungen sind möglich. Von nun an gilt es, Klarheit und emotionale Sicherheit beizubehalten bzw. (wieder) zu gewinnen. Das kostet erhebliche emotionale und gedankliche Kraftanstrengungen. Befangenheit als eine frühe Stufe der Angst prägt zunehmend den Beziehungskontakt. Die Parteien prognostizieren ein hohes emotionales Risiko, wenn sie sich weiter offen, also unbefangen an den Konfliktgegner wenden. 75  Proksch Kon:sens 1999a, 44 f.; Glasl 2004a, 25; ders. ZKM 2007, 105 f.; Hugo-Becker / Becker 2004, 129; Prokop-Zischka / Langer 2005, 47.



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Mögliche Nachteile sollen durch den eigenen Verschluss abgewendet werden. Befürchtete Nachteile sind in diesem Augenblick freilich Mutmaßungen ohne reale Basis. Die Parteien jedoch glauben, dass ein Rückzug in der Sache zugleich greifbare Nachteile für die soziale Stellung, Macht oder das Ansehen generell haben kann. Dennoch wird auf dieser Stufe darauf vertraut, dass die Gegenseite noch genügend Interesse aufbringt, um sich zu verständigen. Ein ausreichend eigenes Maß dieses Willens wird dabei nicht bezweifelt. Soweit ein Mangel wahrgenommen wird, wird er als Reaktion auf des Gegners Gefährlichkeit gerechtfertigt. Die Diskussion verschärft sich aus der inneren Denk- und Gefühlshaltung: Verbale Agitation wird noch als ausreichend betrachtet, um den eigenen Standpunkt der Gegenseite als den einzig richtigen zu verdeutlichen. Dritte werden mitunter entsprechend überzeugt, um sich selbst über die Richtigkeit zu versichern. „Wenn ein anderer mir glaubt, kann ich nicht falsch liegen“ ist hier eine weit verbreitete Annahme. „Richtiger“ wird sie dadurch indes nicht. Eine Kontaktaufnahme zu Dritten dient hier noch nicht der Koalitionsbildung. Gleichwohl können bereits hier erste „Kontrollmanöver gegenüber Dritten“ sozusagen als „Vorbereitung zur Truppensammlung“ gestartet werden. cc) Taten statt Worte (3. Stufe) Wächst das Misstrauen, wird das Verhalten des anderen zunehmend negativer interpretiert. Worte allein wirken anscheinend nicht mehr (lenkend). „Offensichtlich“ muss gehandelt werden. Beide Einheiten nehmen wahr, dass der andere nicht wie gewünscht handelt, so dass nur vollendete Tatsachen helfen. Diese wiederum wirken keineswegs deutlicher, sondern vergrößern den Spielraum fehlerhafter Interpretation beim Gegner. Unerklärte Taten bewirken hier das Gegenteil des Beabsichtigten. Doch Risto spricht hier treffend von einem „autistischen Zirkelprozess“76. Beide Problemsituationen des Konflikts entsprechen und verstärken sich. „Autistisch“ verwickelt sich jeder Beteiligte in seiner subjektiv wahrgenommenen Situation. Die Unsicherheit, die der Konflikt schafft und die beseitigt werden soll, führt zu Kurzschlusshandlungen, die den anderen verstärkt verunsichern und deren mittel- und langfristige Folgen zumeist unterschätzt werden (kognitive Kurzsichtigkeit77). Für Dritte jedoch wird es umso deutlicher, dass die Beteiligten zusammenwirken und auf fatale Weise eine Dynamik entwickeln, die sich nur für das ungeübte Auge selbst nährt. 76  Risto

2003, 55. Glasl 2004, 41; Glasl 2004a, 26; auch Mahlmann 2001, 96; Hugo-­ Becker / Becker 2004, 127. 77  Dazu

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Mangels verbaler Sprache erreicht der Konflikt eine neue Qualität. Die Beteiligten entledigen sich auf dieser Stufe erstmals ihres menschlichsten aller Werkzeuge und regredieren im besten Wortsinne offenhörlich. Da eine klare und deutliche Sprache ein Ausdruck innerer Klarheit ist, diese auf der dritten Konflikteskalationsstufe jedoch bereits abhanden gekommen ist, wird die Flucht in vollendete Tatsachen das Mittel der Wahl. Doch eine verstandesgeleitete, verständliche und verständnisvolle Konfliktlösungskompetenz ist gerade im Konfliktfall nicht mehr zu erwarten, sondern verhält sich nahezu reziprok zur emotionalen Betroffenheit.78 dd) Imagesorgen und Koalitionsbildungen (4. Stufe) Da die Taten nicht bewirken, was sie sollten, zweifeln die Konfliktparteien an einer einvernehmlichen Lösung stetig mehr. Der andere scheint uneinsichtig und bar jedes guten Willens, der doch selbst so „deutlich geäußert“ wurde. Beide sind enttäuscht. Und weil jedes Ende einer Täuschung zur Neuausrichtung führt, geraten nun verstärkt Dritte ins Blickfeld. Sie werden nun vom Konflikt betroffen, erweitern ihn und öffnen seiner „Strudelwirkung“ die Tore. Zwar sollen Dritte zunächst „unvoreingenommen ihre Meinung sagen“, letztlich aber doch den Standpunkt desjenigen stärken, der ihnen den Konflikt zuvor erklärte. Hier geht es darum, (heimliche) Koalitionen zu schmieden.79 Unvoreingenommen können Dritte durch Konfliktbeteiligte kaum befragt werden. Die Orientierung nach außen und die Suche nach Verbündeten stellt die Frucht eines Wahrnehmungs- und Deutungsprozesses dar, der vorher nahezu unmerklich einsetzte: Eine Art neues Erinnern.80 Er zielte darauf ab, persönliche und soziale Sicherheit (wieder) zu gewinnen. Da wirklich Neues auf Menschen bedrohlich wirkt81, stellt die Neuinterpretation der gemeinsamen Ver78  Falk 2005, 20. Diese Erfahrung von Konfliktmanagern, Psycho- und Paartherapeuten ist nunmehr auch neurobiologisch nachgewiesen: Das neuronale System der Spiegelneuronen, das (mit-)verantwortlich ist für Fähigkeiten, wie sich einzufühlen und andere emotional zu verstehen, ist in Situationen der Angst, Anspannung und des Stresses massiv reduziert; dazu Bauer 2008a, 34; zum neuronalen System der Spiegelneuronen knapp Rizzolatti 2009; ausführlich Bauer 2008a, 18 ff.; zu den Auswirkungen der Spiegelneuronen auf soziale Netzwerke generell Christakis /  Fowler 2010, 59 ff. 79  Die Vorstellung, dass man selbst tatsächlich nichts wert ist und man von keinem verstanden wird, scheint doch zu schlimm zu sein, als dass sie zum Thema des Gesprächs wird, wenn Dritte aufgesucht werden. Da noch nach außen und gegen den anderen gekämpft wird, käme dieser Gedanke einer Kapitulation gleich. 80  Knapp dazu Glasl 2004a, 26; Hugo-Becker / Becker 2004, 129 f. 81  Denn das Neue erschüttert das Alte, das Bekannte und Bewährte, was auf diese Weise verloren geht. Das Neue symbolisiert nicht nur Geburt, sondern auch



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gangenheit eine Möglichkeit dar, die gefühlte Bedrohung abzumildern, die auf diese Weise als logische Konsequenz der Vergangenheit erklärbar wird. Gesucht wird nach „Anzeichen“ und „Hinweisen“, die die Bedrohung angekündigt haben, aber übersehen wurden. Dass die Konfliktpartei diese Anzeichen damals nicht erkannt und als solche wahrgenommen hat, ist nicht tragisch und hindert diesen „Erinnerungsprozess“ nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Die damalige eigene Blindheit wird einerseits als Vertrauensvorschuss an die Gegenseite (neu) gewertet, was den eigenen Opferstatus begründet und andererseits ist sie aktueller Beweis für die Verschlagenheit und Gerissenheit des Gegners (Täterstatus). Inhaltlich führt das neue Erinnern zu Klischees und Stereotypen. Der Gegner „erhält“ ein vollständiges und lückenloses, aber einseitiges und schlichtes Konzept seiner Person. Konfliktgegner erscheinen sich in diesem Stadium „maskenhaft“ und wenig menschlich. Dritte durchschauen diesen Prozess oftmals intuitiv. Entscheidend ist, dass von nun an Feindbilder existieren. Mit ihnen kann völlig anders umgegangen werden. ee) Gesichtsverlust (5. Stufe) Erscheinen die Gegner als hätten sie Masken auf und sind insoweit „durchschaut“ worden, werden die aufgebauten sozialen Koalitionen zu Dritten genutzt, um diese Wahrheit zu beweisen. Zu Recht fühlen sich die Gegner in diesem Stadium in ihrem sozialen Ansehen bedroht. „Gesichtsverlust“ wird befürchtet. Das Gesicht als Synonym für den sozialen Wert der (eigenen) Persönlichkeit, dient als Basis sozialen und moralischen Respekts, das behalten und gewahrt werden will.82 Deshalb ist es auf dieser Stufe bevorzugtes Angriffsziel beim Gegner und Schutzobjekt bei sich selbst. Zentrale Emotionen der Konfliktparteien in diesem Stadium sind nahezu alle Schattierungen von Angst. Generell sind unsere Gefühle an der destruktiven Konfliktentfaltung direkt beteiligt. Doch die Angst vor sozialer Ausgrenzung und Vernichtung bestimmt wie kaum eine andere Emotion das Denken und Handeln im Konflikt.83 Angst kann als Nährboden einer destruktiven Konfliktentfaltung gelten.84 Tod. Obwohl der Tod bekanntlich nicht nur droht, sondern Gewissheit ist, wird er wie sonst nichts gefürchtet. Die Furcht vor dem Tod betrifft jedenfalls die Menschen der westlich geprägten Kultur. 82  Risto 2003, 56 (Gesicht ist ein „soziales Darlehen“.). 83  Dass die Wirkungen sozialer Ausgrenzung und Vernichtung für das Individuum verheerend sind, zeigen nicht nur soziale Phänomene wie „Voodoo“ bei Naturvölkern und „Mobbing“ in unserer heutigen Gesellschaft, sondern ist neurobiologisch gut erforscht. Es ist eine psychologische Katastrophensituation, die auf die Gehirnstruktur und die gesamte biophysische Verfasstheit des Menschen durchschlägt und letztlich Krankheit und Tod bringt. Dazu lesenswert Bauer 2008a, 16, 105 ff., 110 ff. 84  Vgl. auch Hugo-Becker / Becker 2004, 126, 128.

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Äußerlich beherrscht die sichtbare Enttäuschung der Beteiligten die sechste Stufe der Konflikteskalation. Die eigene Enttäuschung, das selbst wahrgenommene Ende einer eigenen Täuschung über den anderen wird nicht angenommen. Die eigene Verantwortung für den Anteil (Selbst-)Täuschung wird nicht übernommen, sondern abgeschoben, indem dem Gegner die „Maske vom Gesicht“ gerissen und dessen wahre Identität und Verschlagenheit entlarvt werden muss. Von nun an sollen für alle sichtbar das wahre Wesen und der eigentliche Persönlichkeitskern des anderen erkennbar sein. Die öffentliche Demaskierung des Gegners ist Konsequenz der individuellen Neubewertung der gemeinsamen Vergangenheit („Neues Erinnern“). Indem der Konflikt das soziale Umfeld der ursprünglich Beteiligten bereits erfasst hat, treten die Konfliktthemen in den Hintergrund. Sie sind ohnehin bereits personifiziert („Personifizierung“) und als in der Person des Gegners begründet bewiesen. Konsequenz ist, „dass man nicht mehr bestimmte Vorschläge und Argumente des Gegners unakzeptabel findet, sondern seine ganze Person“.85 Nicht die Äußerung ist falsch und unannehmbar, sondern der Äußernde.86 ff) Drohungen (6. Stufe) Wurde die gemeinsame Geschichte erst einmal umgedeutet und in neuem Licht betrachtet, sind eigene rücksichtslose Attacken auch vor dem eigenen Wertesystem legitimierbar. Der Konflikt erscheint nun als Notwehrlage. Rücksichtslosigkeit ist nicht nur erlaubt, sondern erforderlich und geboten. Bemerkenswert an diesem Stadium ist, dass sich die eigene zukünftige Rücksichtslosigkeit aus der eigenen umformulierenden Rücksicht speist und sich insoweit selbst legitimiert! Und diese umformulierende Rücksicht ist tatsächlich losgelöst vom eigentlich Gewesenen, sondern stützt sich auf die enttäuschende Situation. Wenig ist aktueller begründet und wirkt fataler. Es wird nur dasjenige gesehen und wahrgenommen, was der eingeschränkten Sichtweise entspricht. Eine Öffnung und Erweiterung erscheint angesichts des Glaubens an die Bedrohung zu gefährlich und riskant (self fulfilling prophecy87).

85  Glasl

2004, 222; ähnlich Hugo-Becker / Becker 2004, 129. dem Modell von Messmer findet in diesem Konfliktstadium der Wechsel von der sachbezogenen Widerspruchskommunikation zur personenbezogenen Anschuldigungskommunikation statt, vgl. Messmer 2005, 246. 87  Ausführlich Watzlawick 2006; Glasl 2004, 42; Kreyenberg 2005, 74; Schmid 2006, 87 ff. 86  Nach



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Von nun an beginnen die Gegner sich direkt zu bedrohen.88 Die gefühlte innere Bedrohung wird nach außen gekehrt, indem der Gegner angegriffen wird. Eine emotionale und soziale Stabilisierung ist zwar angestrebt, tatsächlich aber fördert sie die Konflikteskalation. Zwar sollen die Drohungen den Gegner erpressen, nötigen und buchstäblich in Not bringen, damit er „aufhört“, tatsächlich aber fördern sie Gegenaktivitäten. Dass Drohungen lediglich den eskalierenden Effekt der Selbstbindung haben89 und inhaltlich extrem und unbefolgbar sind, wird zumeist nicht erkannt. Ihr geringer Aufwand und die Aussicht auf einen hohen Nutzen, wirken verführerisch und – erst einmal auf die falsche Fährte geführt – erblindend. Vielmehr fordern sie alsbald die angedrohte Gewalt als Glaubwürdigkeitsbeweis ein. gg) Begrenzte Vergeltungsschläge (7. Stufe) Dennoch, die Gewalt, die der Drohung folgt, wirkt und soll strafend wirken, aber nicht vernichten. Dabei wird der andere für mehrere Dinge bestraft: zunächst wird er dafür bestraft, dass er die Drohung nicht beachtet hat, sodann dafür, dass den Konflikt insgesamt verschuldet hat und, damit zusammenhängend, dafür, dass er Schuld daran trägt, dass es „so weit kommen musste“, also dass „Gewalt nötig“ wurde. Andererseits wird die eigene Gewalt zum Beweis der eigenen Glaubwürdigkeit und Gradlinigkeit benutzt, zum Mittel der Konfliktlösung, zum Vorwurf, dass ein solches Mittel nötig wurde. Gewalt ist eine Konsequenz. Das ist unübersehbar. Doch Konsequenz wird als erstrebenswert eingeschätzt, vor allem in Situationen, denen ein „Erziehungselement“ zugeschrieben wird („Mit mir nicht. So kannst Du mit anderen umspringen!“). Das wirkt eskalierend. Diese Konflikteskalation lebt von der Aufforderung: „Nichts anders machen! Mehr vom selben!“ – nur noch deutlicher. hh) Zersplitterung (8. Stufe) Einmal der Logik der Gewalt folgend, ist durch die Tatsache, dass der Gegner selbst auf Gewalt nicht wie gewünscht reagiert, das Tor zu dessen Vernichtung und endgültigen Beseitigung geöffnet. Eine Grenze in diesem Stadium ist nur der eigene Überlebenswille. Das eigene Überleben im Konflikt begrenzt die Vernichtungsversuche gegenüber dem Gegner.

88  Das entspricht der dritten Stufe nach Messmer 2005, 246 f., bei der die Anschuldigungskommunikation von der Drohkommunikation abgewechselt wird. 89  Ebenso Messmer 2005, 247.

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ii) Totale Vernichtung: Gemeinsam in den Abgrund (9. Stufe) Letztlich ist das eigene Überleben nicht mehr vorrangig. Die Vernichtung des anderen ist alleiniges Ziel und sei es um den Preis des eigenen Lebens. Die gegenseitige und doch gemeinsame, also totale Vernichtung steht an. Wenn nur gemeinsame Vernichtung möglich erscheint, dann wenigstens diese!90 Und hier zeigt sich, dass auch die destruktive Konfliktentwicklung das Gemeinsame nicht unbeachtet lässt, sondern geradezu betont. Auch stetig tiefere Verwicklung bringt letztlich Auflösung. Konflikte, auch destruktiv ausgetragene, nehmen eigentümliche Wege. Das Gegensätzliche Moment des Konflikts führt die Beteiligten (auf neue Weise) zusammen, indem das Trennende und Gegensätzliche von beiden Seiten zeitgleich und gemeinsam betont wird. Gesehen wird auf der Gegenseite nur, was der eigenen Argumentation entspricht und in ihr be­ gründet scheint. Auch wenn man im Gegner das eigene wahrnimmt, aber nicht als eigenes erkennt, übernimmt der Gegner spiegelnd diese Aufgabe, so dass es paradox erscheint, konsequent ist und doch für Dritte tragisch wirkt, dass man auch in der destruktiven Austragung gemeinsam in den Abgrund geht. Am Eskalationsmodell von Glasl wird deutlich, dass der Konflikt kein „Selbstläufer“ ist. Allein die Beteiligten entscheiden, was geschieht. Allein sie haben den Konflikt in ihren Händen. Sie prozessieren ihn. Weder werden sie gezwungen, noch lässt sich sagen, sie wüssten nicht, was sie tun. Und dennoch, sie handeln zwar im Wachzustand, aber kaum je mit ausreichender Bewusstheit über die eskalierenden Konsequenzen. Stufe für Stufe entscheiden sie sich für das gemeinsame Abschreiten des Weges in den Abgrund. Die beschriebene Konflikteskalation entbehrt nicht einer gewissen Ironie, da die Beteiligten sich doch so unterschiedlich glaubten und so ganz anders wähnten und doch zusammen den Weg in den gemeinsamen Abgrund gestalteten.91 Hinzu kommt, dass die destruktive Konfliktentfaltung häufig die Geschichte gescheiterter Lösungsversuche darstellt! Zwar versuchen die Beteiligten mit jeder Stufe den Konflikt auflösend und für sie erlösend zu beenden, doch verwickeln sie sich immer tiefer in ihn und 90  Kreyenberg 2005, 95. Für diese „Konfliktlösung“ ließe sich der von Watzlawick begründete Begriff der „Patendlösung“ verwenden, da die „Lösung: Mehr vom selben“ insoweit patent ist, weil er nicht nur einfach das eigene Problem beseitigt, sondern auch gleich alles damit Zusammenhängende ein für allemal aus der Welt schafft – und insofern einer Endlösung gleichkommt; vgl. Watzlawick 1995, 7, 83 ff.; ders. 2007, 28 f. 91  Vgl. dazu das Fragment Nr. 51 von Heraklit 1954 („Sie verstehen nicht, wie es auseinander getragen mit sich selbst im Sinn zusammen geht: gegenstrebige Vereinigung wie die des Bogens und der Leier.“).



I. Der soziale Konflikt73

treiben ihn weiter „voran“. Da die Beteiligten ihr Problem allein in der Person und im Handeln des Gegners erkennen, ist diese destruktive Entwicklung konsequent. 4. Die konstruktiven Konfliktwirkungen Den Konflikt als Ausgangspunkt einer konstruktiven Veränderung der gemeinsamen Beziehungsgestaltung zu begreifen, erfordert eine andere Sichtweise. Bedeutsam dafür ist zunächst ein hohes Maß an Bewusstheit um die vorgenannten Mechanismen der Konfliktentfaltung. Das ist keineswegs bloß eine Frage des Wissens, sondern maßgeblich der persönlichen Erfahrung und Reflexion. Bezugspunkt des weiteren Umgangs miteinander ist nicht mehr das Trennende und Geteilte, sondern die darin verborgenen Ressourcen. Der Konflikt ist nicht Anlass, um in der Vergangenheit Ursachen, Unrecht und Schuld zu suchen, sondern in der Gegenwart den Sinn für das eigene Leben und Erleben zu erkennen. Konflikte veranlassen seine Beteiligten, ihre Dinge gemeinsam und von innen her neu zu ordnen. Sie sind gerade für Teams und Gruppen, die in Organisationen zusammenarbeiten (müssen), wichtige Begleiter und Markierungspunkte, um konkrete Aufgaben und Projekte zu meistern.92 Indem Konflikte auf „Fehler“ hinweisen, nicht aber Falsches aufzeigen, können sie als Ausgangspunkt für konstruktiven Wandel und wünschenswerte Veränderung wirken. Erforderlich ist, dass die gegensätzlich eingestellten Beteiligten ihre Bereitschaft dafür mit- und einbringen. Fehler belegen nur in der Rückwärtsschau, dass etwas falsch gemacht wurde ohne dass es noch abgeändert werden könnte. Der Begriff Fehler bedeutet, dass etwas fehlt, was offensichtlich nötig ist. Ohne das Fehlende entsteht eine (innere und äußere) Not, die bleibt, solange nicht das Fehlende erkannt, ergänzt und ins Leben geholt wird. Für ein konstruktives Konfliktmanagement kommt es darauf an, sich alsbald das, was noch fehlt und worauf der Fehler hinweist, nicht schuldig zu bleiben, sondern hinzu zu lernen, sich in diese Richtung zu entwickeln und zu wandeln. Allein die Konfliktinhaber haben die Möglichkeit, durch ihren Fehler, den sie sich selbst „schenkten“, das Fehlende zu integrieren, um ihre gegensätzlichen Einstellungen und damit ihren Konflikt unnötig werden zu lassen. Unterschiedlich bleiben sie bei aller Wandlung gleichwohl. Insoweit enthält der Konflikt Wichtiges für jeden, der an ihm beteiligt ist. Oder genauer: Der Konflikt ist wichtig für diejenigen, die sich ihn, wenn auch unbewusst, ins eigene Leben geholt haben. Insoweit geht es in Konflikten um die (noch nicht erklommenen) Aussichten für eine Zukunft, die durch Einsichten in das Fehlende und noch 92  Vgl.

dazu Gellert / Nowak 2007, 192 ff.; Höher / Höher 2004, 76.

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nicht Erreichte gewonnen werden, statt um Ansichten, die verteidigt werden und verfestigend wirken. Soziale Konflikte sind der Aufruf zur Persönlichkeitsentwicklung, um der menschlichen Aufgabe der Reifung durch Wandlung nachzukommen. Im Konflikt wird die Aufgabe akut. Diese Sicht auf soziale Konflikte, dass es sich tatsächlich um willkommene Notwendigkeiten handelt, verdeutlichte bereits der Vorsokratiker Heraklit und entwickelte auch heute noch maßgebende und allseits bekannte Gedanken. Er wies zu Recht darauf hin, dass „der Krieg“ der „Vater aller Dinge“93 sei. Dabei bedeutet das griechische Wort Πόλεμος keineswegs ausschließlich Krieg und Kampf, sondern vor allem Konflikt.94 Im Konflikt vergeht Altes und entsteht Neues. „Niemand steigt zweimal (gleich) in den gleichen Fluss“95, was auch für Konfliktsituationen bzw. die jeweiligen Versuche gilt, um sie zu beenden. Auch das schlichte Scheitern eines Lösungsversuchs bringt (hoffentlich) die Erkenntnis, dass dieser Weg nicht erfolgreich beschritten werden konnte – und sei es auch nur zu diesem Zeitpunkt. Selbst wenn äußerlich kaum Veränderungen feststellbar sind, wandelten sich die Beteiligten und mit ihnen die sozial erlebbare Situation. Allzu oft ist das für Außenstehende kaum Sichtbare und Verborgene das tatsächlich Wirkende und Wesentliche. Möchte man das vergleichende Bild, dass der Konflikt aller Dinge Vater sei, ausreizen, erschiene die durch ihn befruchtete und gewandelte Beziehung der Beteiligten als die notwendige „Mutter“. Sie erschiene als Zeugnis der Bereicherung und des Wandels. In ihr reift eine veränderte Einstellung zueinander und entwickelt eine gewandelte soziale Beziehung, aus der sodann tatsächlich Neues entstehen kann.96 Letztlich 93  Heraklit

1954, Fragment 53. diese Richtung – allerdings nur schwach – verweisend: Held 1980, 451. Der oft missverstandene Ausspruch stellt weder eine „politische Theorie“ oder „Hobbesschen Vorläufer“ dar, noch handelt es sich um eine empirische Feststellung. Vielmehr ist dieser Ausspruch mit der Heraklitschen Flusslehre (Fragmente 12, 49a, 91) in Verbindung zu bringen, dazu Rapp 2007, 69 ff.; Schupp 2003, 114 ff. 95  Zu den Flussgleichnissen („Panta rhei“ [πάντα ρεϊ], „alles fließt“) vgl. Heraklit 1954, Fragment 12 („Denen, die in dieselben Flüsse hinein steigen, strömen andere und wieder andere Wasserfluten zu …“) und Fragment 49a („In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht.“); hierzu auch Held 1980, 325 ff. 96  Tatsächlich verdeutlicht diese Analogie auch die griechische Mythologie: Hier gab sich bekanntlich die Liebesgöttin Venus dem Kriegsgott Mars, dem Herr über jeden Konflikt, hin und gebar ihm unter anderem die Kinder Harmonia, Göttin der Einheit und des Ausgleichs, sowie Phobia, Göttin der Angst und Furcht. Harmonie und Angst sind die „Kinder“ sozialen Miteinanders, weil Menschen sich im sozialen Umgang auf die ein oder andere Weise reizen bzw. sich auf die ein oder andere Weise reizend empfinden. Im sozialen Kontakt bleibt kaum jemals jemand kalt. 94  In



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sind Konflikte stets auch „Veränderungskonflikte“97, die erforderlich sind, um anstehende Anpassungen im sozialen Umgang zu erkennen und vorzunehmen. Es ist deshalb nicht nur vielversprechend und hilfreich, sondern direkt vernünftig und logisch, den sich im Konflikt zeigenden Gegensatz als Aufforderung zur Anpassung zu begreifen und bereits deshalb als eine begrüßenswerte Tatsache wahr- und anzunehmen.98 Heraklit meinte weiters: „Die Natur, das Wesen der Dinge liebt es, sich zu verbergen.“99 Konflikte zeigen auf ihre ganz eigene Art den aktuellen Lebensdrang. Sie sind Ausdruck des Lebenswillens auch im Dunkeln100 und die Boten des Unbedachten und Fehlenden, was aber bedacht und benötigt wird. Tatsächlich sind sie die wahren, wenn auch oft missverstandenen Freunde und treuen Begleiter durchs eigene Leben, auf die sich ein jeder verlassen kann: Von ihnen wird niemand verlassen. Sie wirken wie Motoren im sozialen Miteinander, beschleunigen eine bestehende zwischenmenschliche Dynamik und wirken förderlich auf die persönliche Weiterentwicklung völlig unabhängig davon, ob die Beteiligten die Wirkungen möchten oder nicht.101 Angst, Ärger und Wut breiten sich im Konfliktfall scheinbar ‚automatisch‘ aus und verstärken sich durch Nichtstun und Ignoranz. Für ein konstruktives Konfliktmanagement ist es deshalb mitunter nötig, sich der Hilfe und Unterstützung Dritter zu bedienen, ohne sich aber des Konflikts entledigen zu wollen (was ohnehin nicht geht). Der Konflikt bleibt eine Gabe, die sich die Beteiligten selbst, wenn auch unbewusst kredenzten, um die verborgene und doch akute Aufgabe zunächst bewusst werden zu lassen und sodann zu meistern. Es wird deutlich, dass sich der Konflikt anbietet, die persönliche Aufgabe zu bewältigen und das Verwickelte und Eingefaltete, das bedrängend wirkt, zur Entfaltung und damit ins erlebbare Leben zu bringen.102 Dabei entspricht es zwar einer Paradoxie, dass diejenigen, die den Konflikt und das Problem loswerden wollen und abschieben möchten, nur stetig tiefer Mautsch 2007, 5 erkennt völlig zu Recht, dass der Konflikt nicht nur Energie reflektiert, sondern eine „potentielle Quelle der Hingabe und Loyalität“ ist. Ähnlich Duss-von Werdt 2005, 182. 97  Schwarz 2005, 203, insbes. 205 ff. 98  Hier wird sich Mediation bewähren und eine vordergründige Sachlogik vertiefen müssen. Zu diesem Themenkreis Schwarz 2005a. 99  Heraklit 1954, Fragment 123; philosophisch Jaspers 1991, 633 ff.; organisa­ tionsbezogen Morgan 2002, 374, 392 ff. 100  Schellenbaum 2005, 131. 101  Vgl. Rüttinger 1991, 3; Berkel 2005, 124; Haft 2009, Rn. 4; Simon 2001, 226. 102  Vgl. Mautsch 2007, 5, 7; Schwarz 2005a, 61; Zitzmann 2000, 11 und 16, auch Risto 2003, 53, 58 und Montada / Kals 2001, 85 und 86 ff.; Hanschitz 2005, 73; Prokop-Zischka / Langer 2005, 47; Simon 2004, 226.

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in ihnen versinken.103 Häufig sind aber nicht die Gegensätze problematisch, sondern die Interdependenzannahmen der Beteiligten. Wohin die Konfliktbeziehung geführt werden kann, wenn der belegbare Gegensatz bekämpft wird, obschon die Interdependenzannahmen maßgebend wirken, skizziert etwa das Eskalationsmodell von Glasl104, das angesprochen wurde. Für ein konstruktives Konfliktmanagement kommt es häufig jedoch auf eine Wandlung der inneren Einstellungen an, die zu einer anderen Sichtweise auf den Konflikt und das eigene Erleben der Konfliktsituation führt. Dieser Gedanke lässt sich anhand der Konfliktbehandlungsmethoden vertiefend darstellen.

II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung Nunmehr soll es grundsätzlich um die jederzeit wählbaren Möglichkeiten gehen, wie Konflikte behandelt werden können. Unter „Behandlung“ wird vorliegend jedwedes Verhalten angesichts eines Konflikts verstanden.105 103  Ähnlich einer körperlichen Krise (Krankheit) hilft das Verständnis oftmals weiter, danach zu fragen, was gebraucht wird, aber noch fehlt, um die (Krankheits-) Symptome aufzulösen und unnötig werden zu lassen und die sich darin zeigende Not der Gesamtpersönlichkeit zu beenden. Der Versuch, das Symptom zu bekämpfen, schlägt meist fehl und ist unsinnig, denn das Symptom ist nicht die Krise, dazu Dethlefson / Dahlke 1980. Es käme (als Vergleich) auch nur ein Unkundiger auf die Idee, die rot blinkende Tankanzeige im Auto auszubauen, um das Symptom zu bekämpfen. Das krisenhafte Symptom weist tatsächlich nur auf Fehlendes hin. Das Symptom verschwindet, wenn der Fehler behoben, also das Fehlende integriert wird. Wird das Fehlende nicht integriert, verschärfen sich die Symptome bis ihre Botschaften beachtet werden. 104  Vgl. Kap. B. I. 3. c). 105  Dem liegt das weite Verständnis der pragmatischen Kommunikationstheorie von Kommunikation zugrunde, das dazu führt, dass jedes Verhalten, auch die menschliche Wirklichkeitskonstruktion schlechthin (ein Ergebnis von) Kommunikation ist. Dazu Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 23, 53; Duss-von Werdt 2005, 210 f.; Köck 1996, 353. Da es für Menschen, die – wie im Konflikt – aufeinander bezogen sind, unmöglich ist, nicht (miteinander) zu kommunizieren (= 1. metakommunikatives Axiom der pragmatischen Kommunikationstheorie), wirkt jedes Verhalten angesichts des Konflikts auf den Konflikt zurück und ist deshalb als konfliktbehandelnd zu qualifizieren. Zwar legt der Begriff „Behandlung“ ein aktivitätsgeprägtes Verständnis nahe, doch zählt auch ignorierendes Verhalten dazu, Passivität ebenso wie Rückzug, was in der Alltagssprache mit „Nichtstun“ und „Aussitzen der angespannten Lage“ beschrieben werden würde. Wird folglich davon gesprochen, dass die Kommunikation im Konflikt behindert ist oder unterbrochen sei, so ist das ungenau. Allenfalls der Grad der Befriedigung durch Kommunikation ist gemindert oder gar unterbrochen. Es stellt beispielsweise eine wirksame Intervention eines Konfliktmittlers dar, auf die verzweifelte Feststellung der Medianten, sie könnten oder würden einfach nicht mehr miteinander kommunizieren, zu fragen, was sie sich auf diese Weise mitteilen wollen?



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung77

Die Beteiligten können bzw. müssen ohnehin ihren Konflikt weiter (aus-)gestalten. Zunächst können sie dies ohne Hinzuziehung eines Dritten eigenständig tun. Lassen die Beteiligten jedoch ihren Konflikt durch einen Dritten entscheiden oder werden sie dazu durch den Dritten gezwungen, weil dieser sich eigenmächtig einschaltet, entsteht ein Beziehungsdreieck, das die Komplexität enorm erhöht. Soweit Dritte den Konfliktbeteiligten beistehen und sie in ihrer gemeinsamen Konfliktbehandlung unterstützen, lässt sich davon sprechen, dass die Beteiligten ihren Konflikt mit einem Dritten gemeinsam behandeln. Dabei ist jede Konfliktbehandlung bestrebt, den Konflikt aufzulösen. Auch eskalierende Konfliktbehandlungen streben nach einer Auflösung dessen – und sei es auch in der (gemeinsamen) Vernichtung, die den Konflikt in ihrer ganz eigenen Art auflöst. Unter einer Konfliktlösung versteht Schwarz generell, dass die „Gegner einen Modus gefunden haben, in dem der Gegensatz soweit verschwunden ist, dass die Handlungsfähigkeit von beiden oder auch nur einem nicht weiter beeinträchtigt wird“106. In den – sogleich dargestellten – sechs Grundmustern zur Konfliktbehandlung bzw. -lösung erkennt er zutreffend einen evolutionären Prozess der Konfliktbehandlung.107 Mit der Reifung der eigenen Persönlichkeit, die sich im Ansteigen von Selbst- und Sozialkompetenzen zeigt, entwickelt der Konfliktbeteiligte Fähigkeiten, mit den Unterschieden und Gegensätzlichkeiten in sich und seiner Umwelt umzugehen. Er entwickelt ein differenziertes System von Möglichkeiten, um der ansteigenden Komplexität des sozialen Umgangs gerecht zu werden und vermag letztlich, auf alle Behandlungsmöglichkeiten in nahezu allen Konfliktsituationen als Mittel der Wahl zurückzugreifen: Die ursprünglichste und deshalb primitivste Form der Konfliktbehandlung ist die Flucht. Diese Ebene wird verlassen, wenn der Gegner sich dem Kampf stellt, der mit Vernichtung enden wird, wenn das Repertoire nicht erweitert wird. Sofern man den Gegner im Kampf nicht vernichten möchte, sondern seine Kräfte als eigene Ressourcen nutzen möchte, ordnet man ihn sich unter. Das ist eine Zwischenstufe auf der Kampfebene der Konfliktbehandlung. Kommt es aufgrund ausgeglichener Stärke der Konfliktgegner jedoch zu keiner Unterordnung, hilft nur die Delegation der Konfliktlösung, um nicht wieder auf eine primitivere Ebene zurückzufallen. Die Delegation wird überwunden, sofern sich die Gegner im Wege der Verhandlung einigen können. Verhandlungsergebnisse sind dabei zunächst nur Kompromisse, die die Vorstufe von Konsensen darstellen. Der Konsens ist die reifste Form der Konfliktlösung, weil da­ 106  Schwarz 107  Schwarz

226 ff.

2005, 277. Hm 1984, 65 ff.; ders. 2005, 277 ff.; entsprechend Kreyenberg 2005,

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rin die Gegensätze zu Neuartigem vereinigt werden.108 Zwei kreieren ein neues Drittes. Die Grundmuster markieren Entwicklungsebenen oder -stufen und verdeutlichen somit eine (gemeinsame) „Zivilisationsleistung“109, deren Bestreben nicht bloß Gewaltlosigkeit ist. Befreiendes und erweiterndes Ziel von Konfliktbehandlung ist letztlich eine aufeinander bezogene Persönlichkeitsentwicklung, um unserer auf Kooperation angelegten Natur zu entsprechen.110 Nicht Konkurrenz, sondern Kooperation belebt das Geschäft des Lebens. 1. Die Flucht und das Ausweichen Das Ausweichen, die Flucht vor dem Gegner, ist die urzuständliche Methode der Konfliktlösung.111 Menschen sind – wie alle Primaten – auf der primitivsten Entwicklungsebene zunächst einmal Fluchtwesen, wie Verhaltensforscher dies formulieren.112 Kommt der Mensch – egal welchen Alters – in Situationen, die ihn seiner Einschätzung nach überfordern, wodurch er sein physisch-psychisches Gleichgewicht bedroht sieht, beginnt sein Gehirn ein „Panikorchester“ zu dirigieren, das eine ungeahnte „hormonelle Stressachse“ aktiviert, die ihn befähigt, in effektiver Weise zu flüchten.113 Im Flüchten entzieht sich der Konfliktbeteiligte einer gefährlichen körper­ lichen Auseinandersetzung. Physische Flucht ist als Reaktion mitunter dem eigenen Überleben zuträglich und insoweit wachstumsförderlich. Zwar mag das zuvor verfolgte Bedürfnis unbefriedigt bleiben und muss woanders gestillt werden. Gleichwohl bleibt die Flucht als Ausdruck des Bedürfnisses zu leben insoweit auch eine vernünftige Konfliktbehandlung. Konzeptionell gehört zur Flucht vor der Konfrontation auch das psychische Ausweichen. Das sind Verhaltensweisen, die mitunter als „innere Emigration“ bezeichnet werden. Die Kontaktgestaltung erfolgt durch Rückzug. Die ausbleibende Bedürfnis- und Interessenbefriedigung aufgrund des erleb108  „Con-sensus“

= lat. für Übereinstimmung, Einigkeit, Einstimmigkeit. 2005, 311. 110  Neurobiologisch sind Menschen auf „gelingende Beziehungen“, auf Kooperation, soziale Resonanz, zwischenmenschliche Wertschätzung und Zuwendung angelegte Lebewesen. Dazu Bauer 2008b, insbes. 23 ff. 111  Objektiv-gegenstandsorientierte Betrachtungsweisen zu Konflikten erkennen mitunter im Fluchtverhalten bereits keine Behandlungsweise des Konflikts, s. Holtwick-Mainzer 1985, 31. 112  Schwarz 2005, 279. 113  Ausführlich zur Neurobiologie des Menschen in Gefahren- und Konfliktsitua­ tionen Bauer 2008, 169 ff. 109  Schwarz



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung79

ten Gegensatzes wird nicht positiv mitgeteilt, sondern allenfalls negativ durch Kontaktminimierung. Der Gegensatz wird hingenommen und es wird gegebenenfalls anderweitig versucht, zu kompensieren.114 Solches Fluchtverhalten kann bewusst (Ausweichen) oder unbewusst (Verdrängen115) erfolgen. Diese Formen der Konfliktbehandlung wirken nur selten konfliktmildernd oder gar -klärend, können aber gleichwohl vernünftig und wachstumsförderlich sein. a) Vorteile der Flucht und des Ausweichens Eine Flucht kann also vorteilhaft sein: Ist die körperliche Unterlegenheit offensichtlich und die physische Vernichtung voraussehbar, ist Flucht naheliegend und vernünftig, mag sie auch tatsächlich nicht vernunftgeleitet erfolgen.116 Soweit ein offensives Eintreten für die eigenen Belange physisch (im Kampf) oder psychisch gefährdend (im Verbalkampf) wirkt, ist Konfrontationsvermeidung durch Flucht und Ausweichen sinnvoll.117 Sie wirkt in solchem Falle positiv und konstruktiv für den Unterlegenen. Bei den japanischen Samurais heißt es bereits seit Jahrhunderten, dass der Kampf erst begonnen werden sollte, wenn der Sieg in Aussicht stehe; ansonsten sei eine Vertagung angebracht. Das ist verständlich, zumal Flucht schmerzfrei und einfach(er) sein kann. Überdies eröffnet der Zeitgewinn möglicherweise neue Möglichkeiten, dem Konfliktgegner in einer günstigeren Situation zu begegnen. b) Nachteile der Flucht und des Ausweichens Ist eine Flucht jedoch bloße „Vertagung“, bewirkt sie, dass der Konflikt verfestigt und dadurch problematischer wird. In diesen Fällen nährt sich die Flucht häufig allein aus der Angst vor der Konfrontation. Mitunter zeigt sich im Konfliktgeschehen die Selbstbehauptung als Lernziel, das auf dem 114  Es handelt sich insofern um eine antizipierte Unterordnung; entweder, um den körperlichen Kampf (evolutionär die nächste Behandlungsebene) oder die Verbal­ auseinandersetzung (evolutionär ein Sprung in die kompetitive Verhandlung) zu vermeiden. 115  Hier ist die Schnittstelle zwischen der Existenz des Konflikts und dessen Behandlung. Fordert man für die Konfliktexistenz beiderseitige Bewusstheit, lässt sich, sofern eine oder beide Seiten den Gegensatz verdrängen, noch nicht von einem sozialen Konflikt sprechen. Das gilt selbst dann, wenn ein Dritter deutlich den Gegensatz wahrnimmt. 116  Ebenso Röhl 1987, 471; Montada / Kals 2001, 12 („Einseitiges Nachgeben kann rational sein.“). 117  Ähnlich Kreyenberg 2005, 227.

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Feld der Konfrontation erreichbar ist. Flucht und Rückzug schieben dann die Konfliktlösung (und das Erreichen des Lernziels) lediglich auf die „lange Bank“. Das eigene Problem, das im Konflikt verpackt ist, kann sich auf diese Weite verschärfen und bis zu einer Art psychischen Lähmung und ausgewachsenen Depression führen.118 Daran wird erkennbar, dass Konflikte durchaus treue Begleiter sind, deren Lernaufgaben man nicht einfach durch Flucht entgehen kann. Der (Verbal-)Kampf und die Konfrontation wurden gemieden, um einer befürchteten Vernichtung zu entgehen, die dennoch und(!) vielleicht sogar deswegen eintritt.119 Verdrängte, nicht eingestandene Ängste kommen nicht nur durch den Dienstboteneingang wieder ins Bewusstsein; sie sind tatsächlich Boten, die uns treue Dienste leisten. Wer flüchtet und seine Lernaufgaben von sich weisen möchte, obwohl Scheitern erlaubt und oftmals nötig ist, staut sie lediglich, um sie später und stets unter erschwerten Bedingungen wieder vorzufinden. Der Flüchtende lernt nicht, was tatsächlich und in kleinen Portionen vor ihm liegt, sondern vergibt seine Chancen, schrittweise zu reifen.120 Wer dauerhaft in dieser Art verfährt, verfährt sich und muss sich eventuell früher oder später eingestehen, irgendwie nicht vorwärts gekommen zu sein. Das Leben als Wiedervorlage.121 2. Das Kämpfen Wird die Ebene des Fluchtverhaltens verlassen, wird evolutionär die des Kämpfens betreten. Im Kampf werden die eigenen Interessen offensiv vertreten, wobei es zunächst um den physischen Kampf, nicht um den Verbalkampf (kompetitives Verhandeln) geht. Physischer Kampf umfasst alle Formen der Konfliktaustragung durch körperlichen Kontakt mit Vernichtungs- oder Unterwerfungswillen.122 In allen Kämpfen geht es darum, den 118  Ebenso

Schwarz 2005, 280. persönlichen Zustände, die einer Flucht vor der Konfrontation folgen, obschon Kampf und Selbstbehauptung anstehen, weisen bezeichnenderweise ganz ähnliche Symptome auf wie die eines verlorenen Kampfes, eine buchstäbliche Niedergeschlagenheit bzw. eine depressive Verstimmtheit. 120  Vgl. Mahlmann 2001, 105 f.; Kreyenberg 2005, 228 („Driver Seat“ wird vermieden, der Zustand, in dem ein aktives, verantwortungsvolles und erfülltes Leben geführt werde.). 121  Häufig ist in solchen Fällen eine Tendenz erhöhter Aggression und Gewalt zu beobachten, vgl. Kreyenberg 2005, 228. Auch diese Entwicklung weist – wenn auch unerwünschtermaßen – auf die zweite Ebene der Konfliktbehandlung hin. 122  Psychischer Kampf umfasst sonstige Kommunikationsformen mit Vernichtungs- oder Unterwerfungswillen wie Streitgespräche, s. o. Kap. B. I. 2. d). Diskussionen und Debatten. Zu betonen ist, dass sich der Vernichtungswille hier allein auf die Position des anderen bezieht, nicht aber auf dessen Person. Verbalkämpfe er119  Die



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung81

gegnerischen Standpunkt als falsch zu entlarven und zu vernichten. Das ist zunächst möglich durch Vernichtung des Gegners selbst, aber auch dadurch, den Standpunkt an sich zu vernichten.123 Psychologisch bezweckt der Kampf indes nur in letzter Konsequenz die Vernichtung. Primärzweck ist (wie bei jeder Aggression) Beziehung und deren befriedigende Gestaltung! Aggression ist nur selten Selbstzweck, sondern dient zuvorderst sozialer Akzeptanz und steht im Dienste des Bedürfnisses nach Anerkennung und Zugehörigkeit.124 Kampfhandlungen beginnen stets, indem die Gegner Stellung beziehen, wodurch sie ihre (innere) Kampfeshaltung verdeutlichen.125 Die äußere Haltung im Kampf, sei es die Positionierung auf dem Schlachtfeld oder die Stellungnahme im Verbalkampf, hat stets das Ziel, die eigenen Interessen – häufig durch Verbergung – zu schützen und sie dennoch durchzusetzen. Die Gegner möchten ihre Interessen nicht offen zeigen und bemühen sich, sie so weit wie möglich zu verbergen, weil sie meinen, ansonsten ihre (Ein-)Stellung zu gefährden.126 Durch den Kampf (und seine Regeln) sollen Umstände geschaffen werden, die es erlauben, die eigenen Interessen befriedigen zu können. schöpfen sich nämlich keineswegs in der Darstellung der Standpunkte und sind eine unterhaltsamere Methode des Informationsaustauschs. Sie zielen vielmehr auf die Vernichtung des gegnerischen Standpunkts, den dieser „aufgeben“ müsse und sich den vorgebrachten Argumenten „geschlagen“ geben. Kampfmittel ist die Sprache in den Formen „stechender Argumente“, „schlagender Beweise“, „vernichtender Widerlegungen“ oder „bestechender Begründungen“ etc., Pesendorfer 1993, 166. 123  Wird der Gegner erfolgreich seines Standpunktes verwiesen, so kann er im Anschluss fallen gelassen werden, so dass er sehen muss, wo er sich zukünftig positioniert. Entwickelt sich der ursprüngliche Vernichtungswille zum Unterwerfungswillen, so ist nach Schwarz 2005, 285 die dritte Stufe des evolutionären Konfliktbehandlungsprozesses eingeleitet. Der Gegner wird unterworfen i. S. e. Unterordnung. Er wird nicht bloß fallen gelassen oder unterworfen, sondern ihm wird ein ordentlicher Platz zugewiesen. 124  Ausführlich aufgrund neurobiologischer Beweislage Bauer 2008b, 79 f., 85 ff. Die Annahme, dass Aggressionen Ausdruck des Selbsterhaltungstriebes und des Überlebenskampfes („Kampf ums Dasein“) schlechthin sind, ist unhaltbar geworden. 125  Die deutsche Sprache verdeutlicht hier die Kampfeshaltung: Die Armeen bringen sich auf dem Schlachtfeld in Stellung, die Boxer nehmen ihre Kampfstellungen ein, die Firmen achten darauf, wie sie und der Konkurrent auf dem Markt aufgestellt sind, die Anwälte überreichen Stellungnahmen (auch wenn der Richter entscheiden wird, kämpfen die Anwälte wie Legionäre für ihre Mandanten, vgl. Ponschab / Schweizer 1997, 44), die Ehepartner positionieren und verbarrikadieren sich hinter den Kindern, Arbeit oder mangelnden Finanzen. 126  Diesen Aspekt nutzt die „Mediationsbewegung“, indem sie den Unterschied zwischen einer Streitposition und dem dahinter verborgenen Interesse herausstellt und die Gegner ermutigt, sich ihrer Interessen bewusst zu werden und dortige Gemeinsamkeiten zu nutzen. Dazu später mehr, Kap. C. III. 2. b) (Exkurs).

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a) Vor- und Nachteile des Vernichtungskampfes Der Vorteil des Vernichtungskampfes ist offensichtlich: Der Gegner ist als Gegner dauerhaft beseitigt. Siegreiche Kämpfe sichern das eigene Überleben und fördern das Selbstbewusstsein. Konstruktiv erlebt sich der Sieger in seiner Fähigkeit, sein Überleben und das seiner Angehörigen zu sichern und sein Leben auch bei widrigen Verhältnissen zu meistern. Das sind wichtige Erfahrungen in der Organisation und Entwicklung des eigenen Lebens und einer Gruppe von Menschen. Der Sieger des Vernichtungskampfes verteidigt „sein Stück Welt“, verschafft sich Platz um zu leben. Hier walten oft gesuchte und gepriesene Werte, Kampf erfordert Entscheidungsfähigkeit, Mut und Tatendrang, Gelassenheit und Opferbereitschaft. Fluchtreflexe werden nicht beachtet oder ihnen wird nicht nachgegeben. Derartige Werte und solche Vorgehensweise kann man, so man will, einem maskulinen Typus zuordnen. Sie verkörpern Zielstrebigkeit und urprinzipielle und lebensnotwendige Aggression. Nur die Besten, Schnellsten und Fähigsten werden im Kampf überleben, was keineswegs die Stärksten, wohl aber die Fittesten bedeutet, wie Darwin formulierte (Selektionsprinzip).127 Verbalkämpfe haben ihre Vorteile in der Schulung des Geistes. Debatten, Diskussionen und sonstige Rededuelle können anregend sein, verdeutlichen die eigene Potenz im sozialen Umgang und bleiben bei allem Konflikt dennoch eine Gestaltungsart für soziale Kontakte. Nachteile im Vernichtungskampf haben beide Seiten zu tragen. Die Vernichtung des Gegners zerstört auch Chancen des Siegers, die der Konflikt parat gehalten hat. Kampf, Sieg und Behauptung sind allerdings nicht Lernaufgaben eines jeden Konflikts und schon gar nicht zu allen Zeiten. Vernichtung als einzig verfügbare Konfliktbehandlungsform führt in die Stagnation und letztlich in die eigene Vernichtung. Sie stoppt nicht nur die Entwicklung des vernichteten Gegners, sondern auch die des Siegers in diesem Fall, da jede Möglichkeit weiterer Beziehungsgestaltung ausgeschlossen ist. Zudem fördert die Vernichtung des Gegners die eigene Angst, im nächsten Kampf selbst vernichtet zu werden.128 Es ist bezeichnend, dass ein Verharren und Festhalten auch an dieser Konfliktbehandlungsstufe ebenfalls Existenzängste hervorruft.129 127  Für den Verlierer freilich wirkt der Kampf vernichtend. Dennoch mag auch die Niederlage Vorteile parat halten. Doch sind das seltene Fälle eines Kriegertodes, bei denen der Tod krönender Abschluss des Lebens ist. Im Übrigen sind praktische Vorteile nur durch eigenes Überleben nutzbar. 128  Schwarz 2005, 284. 129  Dieser Effekt trat bereits auf der vorherigen Stufe des Ausweichens ein. Dauerhaftes Ausweichen vor der Konfrontation lässt auch Angst entstehen. Angst ist eine Emotion, die häufig zu destruktiven Konfliktbehandlungen verführt.



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung83

b) Vor- und Nachteile des Unterwerfungskampfes Vorteilhaft an der Unterordnung des Gegners ist, dass dessen Kraft zukünftig für die eigene Ordnung nutzbar ist. Unterordnung als Einordnung verstärkt (freilich in Maßen) die geschaffene Ordnung. Unterordnung muss auch für den Unterlegenen nicht immer bloß Demütigung darstellen. Die historischen Entwicklungen zeigen, dass es sich oftmals um einen recht ordentlichen, Sicherheit und Perspektive bietenden Platz handelte. Zwar musste stets ein Stück Freiheit aufgegeben werden, doch war das eigene (Über-)Leben damit oft gesichert.130 Dauerhafte Unterordnung weist auch beiderseitige Nachteile auf.131 In der Unterordnung ist es schwierig und zuweilen unmöglich, eigene Antworten auf die Fragen des eigenen Lebens zu finden.132 Die Unterordnung und Eingliederung in fremde Ordnungen kann aus diesem Grunde nur (zeitlich) beschränkt befriedigend gelebt werden. Das eigene Leben unter fremder Ordnung ist schwer zu entwickeln. Entweder verlässt man die fremde Ordnung, deren Teil man ist, oder integriert sich vollends. Bei der Integration besteht die Gefahr, dass sie nur äußerlich gelingt. In diesem Falle ist das Stillhalten nur ein Ausweichen, das die Konfrontation mit dem Ordnungsgeber scheut. Hier dürfte der Grund liegen, weshalb sich Unterworfene früher oder später auf eigene Wege begeben oder es sie zumindest danach drängt. Die Nachteile für den sich unterwerfenden Kämpfer entsprechen zum Teil denen beim Vernichtungskampf. Eine beiderseitige Kontaktgestaltung wird unmöglich. Unterordnung lässt zudem im Verlierer häufig den Wunsch nach Vergeltung reifen und später tatsächliche Vergeltungsaktionen folgen.133 Da auf dieser Stufe ein Subordinationsverhältnis zwischen den Kämpfern etabliert wird, kann häufig nicht ohne die Hilfe Dritter die nächste evolu­ tionäre Ebene der Konfliktbehandlung erreicht werden. Aus diesem Grunde wird die Konfliktentscheidung zwar an einen Dritten delegiert, aber der Konfliktprozess wird gleichwohl in der noch aktivierten Haltung eines (Verbal-)Kämpfers gestaltet. 130  (Familiäre, soziale, berufliche oder sonstige materielle) Sicherheit wurde stets und wird immer noch als ein hohes Gut angesehen, das den Verzicht auf Freiheit zu rechtfertigen vermag. Gewissermaßen basiert der gesamte gesellschaftliche Paternalismus auf diesem Mechanismus. Sprachlich wird deshalb je nach Konnotation von Unterwerfung, was nach Gewalt und Ungerechtigkeit klingt, oder von Unterordnung, was einen berechtigten Sinn nahe legt, gesprochen. 131  Lediglich andeutend Montada / Kals 2001, 14. 132  Dazu auch Schwarz 2005, 285. 133  Montada / Kals 2001, 14. Die Angst vor solchen Vergeltungsaktionen ließ historisch häufig eine Unterordnung zu tyrannischer Unterwerfung werden.

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B. Der soziale Konflikt

3. Das Delegieren Die Konfliktbehandlung durch einen Dritten erfolgt im Wege der Delegation. Sobald die Konfliktbeteiligten weder flüchten noch weiter – bis zur eigenen Vernichtung – physisch kämpfen wollen, dabei aber noch nicht in der Lage sind, eigenständig zu verhandeln, müssen sie die Konfliktentscheidung delegieren. Delegationsadressaten sind Richter134 oder Schlichter. Des Richters Aufgabe ist, den Konflikt mit Entscheidungsgewalt zu lösen135; die des Schlichters, einen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten.136 Während der Richter beurteilt und mit originärer, nicht von den Beteiligten abgeleiteter Entscheidungsgewalt festsetzt, was richtig ist, unterbreitet der Schlichter unverbindlich, was seiner Meinung nach richtig wäre. Unabhängig von diesen Unterschieden bleibt es den Beteiligten in jedem Falle vorbehalten, die richterliche oder schlichtende Entscheidung auch tatsächlich umzusetzen. Im Übrigen ist Richter- und Schlichtersprüchen gemeinsam, dass sie nach vorgeschriebenen (Verfahrens-)Regeln entscheiden und eine Lösung anhand eigener Maßstäbe finden. Sie lösen das (Rechts-)Problem, nicht den sozialen Konflikt.137 Sinn der Delegation ist es, die destruktive Konfliktsituation zu beheben und körperliche Gewalt zu verhindern. Delegation dient der Sozialisierung 134  Schiedsrichter sind nach hier vertretenem Verständnis auch Richter. Ein Richter wird von einer mächtigeren dritten Instanz eigenmächtig oder auf Verlangen bereits nur eines Konfliktbeteiligten eingeschaltet. Ein Schiedsrichter hingegen entscheidet nur, wenn sich die Beteiligten gemeinsam für ihn entschieden haben; ins­ truktiv Heussen 2009, Rn. 3. Eingeschaltet wird der Schiedsrichter während des Konflikts, um ihren Gegensatz von privaten und nicht von staatlichen Richtern lösen zu lassen. Die Beteiligten verlagern die Streitentscheidung von den staatlichen auf private Gerichte, vgl. Kreindler / Schäfer / Wolff 2006, Rn. 5. Der Schiedsrichter wirkt auf das Konfliktgeschehen mit seiner Entscheidung allerdings genauso ein wie der (staatliche) Richter: Seine Entscheidung entspricht zuweilen einem vollstreckungsfähigen Urteil des Staates, vgl. Kreindler / Schäfer / Wolff 2006, Rn. 978. Zur deutschen Schiedsgerichtsbarkeit allgemein: Schütze 1999; Schiffer 2005; Kreindler / Schäfer / Wolff 2006, Rn. 5 ff. 135  Dazu Röhl 1987, 478, der den Richter noch von einem Anordnendem unterscheidet. Der Anordnende verfolge „zugleich mit der Streitregelung eigene oder Systeminteressen“, was stimmt, ihn aber nicht vom Richter unterscheidet, vgl. ebd. S. 475 und (inkonsequent) S. 480. Aus dieser Erwägung ist vorliegend als Richter auch der Anordnende i. S. v. Röhl zu verstehen. Allgemein zum „Auftritt des Dritten“ aus rechtssoziologischer Sicht: von Trotha ZfRSoz 2000, 329 ff. 136  Soweit der Staat oder eine sonstige mächtigere Instanz den Konflikt durch (s)einen Richter entscheiden lässt, handelt es sich strukturell um eine Unterordnung. Insoweit ein Gesetzesverstoß vorliegt, begründet sich daraus ein Konflikt zwischen dem Gesetzgeber und dem Gesetzesbrecher, der durch Unterordnung, notfalls durch gewaltvolle Unterordnung behandelt wird. 137  Dazu ausführlich Kap. C.



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung85

einerseits der Konfliktbeteiligten und andererseits der Gesamtgesellschaft, indem sie sowohl Verbalkämpfe installiert als auch gewaltunterbindend Sicherheit und Ordnung schützt. Sie ist – gesellschaftlich institutionalisiert – eine wahre Errungenschaft sich sozialisierender Sozialgesellschaften. Die Delegation leitet den Übergang vom eigenständigen (Vernichtungs-) Kampf zur eigenständigen Verhandlung ein. Und zwar nicht nur, um der Gesamtgesellschaft Ordnung und Sicherheit zu bieten, sondern auch, um den Konfliktbeteiligten Entwicklung und Reifung durch Verbalisierung ihrer Konflikte zu ermöglichen. Mit der Anrufung eines Richters oder Schlichters sind alle physischen Kampfhandlungen einzustellen und allenfalls Verbalkämpfe gestattet. Soweit diese späterhin im Delegationsverfahren institutionalisiert sind, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Beteiligten die Kampfeshaltung noch innehaben. Diese Haltung führt etwa dazu, dass die Beteiligten sich mit dem Dritten verbünden wollen.138 Sie nehmen nach wie vor den Konfliktbeteiligten als Konfliktgegner statt als Konfliktpartner wahr.139 Zwischen Bekämpfen und Verhandeln erfolgt ein Entwicklungsprozess, der zunächst vor Rückfällen – durch mächtigere Dritte – gesichert werden muss, letzten Endes allerdings begleitende Unterstützung und Förderung benötigt, um verhandlungs- und einigungsfähige Beteiligte hervorzubringen.140 Da das Potential an Gewalt, das nicht mehr im Kampf zur Entfaltung kommt, nicht einfach durch Delegation verschwindet, findet es sich beim angerufenen Dritten wieder, der sie monopolisiert (hat) oder zumindest das Monopol stellvertretend verkörpert.141 Deshalb wirkt in der Entscheidungsgewalt des Richters die monopolisierte Gewalt sodann auf die Beteiligten zurück. Indem die Lösungsvorstellung von einem Dritten stammt, bedarf sie – beim Schlichter mehr, beim Richter weniger – einer entscheidenden Anerkennung durch die Konfliktbeteiligten. Der Dritte hat nach dem 138  So

auch Röhl 1987, 474. zeigt sich Sprache als Ausdruck von individueller Entwicklung und sich sozialisierender Sozialisationen. Die Betrachtung des gesamten Übergangs wird im Verlaufe des dritten Teils der Untersuchung zeigen, dass die Delegation der erste Schritt ist, durch den der Kampf verbalisiert wird. Der zweite Schritt wird die ­Mediation sein, in der sich die Kampfeshaltung zu einer mitmenschlichen Haltung entwickeln wird und zwar ebenfalls durch andere, diese Haltung unterstützende (verbale) Ausdrucksformen. Kann der erste Schritt von dritter Seite noch erzwungen werden, ist dies für den zweiten Schritt unmöglich. Hier bedarf es des Entschlusses der Beteiligten. 140  In der individuellen Entwicklung etwa übernehmen die Eltern (zu Beginn) diese Aufgabe, zunächst durch klare Entscheidungsvorgaben, die mehr und mehr in Möglichkeitsvorgaben und Hilfe zur Selbsthilfe übergehen (sollten). Spätere Lehrer und Trainer werden überwiegend Hilfe zur Selbsthilfe leisten und nur in Ausnahmefällen noch Entscheidungsvorgaben zur Aufgabenerfüllung nutzen. 141  Ausführlich zur Monopolisierung von Trotha ZfRSoz 2000, 347 ff. 139  Hier

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B. Der soziale Konflikt

hier vertretenen Verständnis nicht den Konflikt gelöst, sondern nur (s)ein Problem, namentlich eine Lösung anhand seiner Maßstäbe zu finden bzw. vorzuschlagen. Im Falle des Schlichterspruchs wirkt dessen Anerkennung zugleich als Entscheidung, den Konflikt zu beenden. Im Falle des Richterspruchs liegt die Sache anders. Dieser fordert Anerkennung aus sich heraus, so dass die Anerkennung allenfalls einseitig in einer anschließenden Vollstreckungsabsicht zum Tragen kommt.142 a) Das Delegieren an einen Richter Richter nutzen beteiligtenentfernte Maßstäbe, um den Konflikt zu definieren und zu entscheiden. Dabei ist strukturell nicht die Person des Richters maßgebend, sondern sein (gesetzlicher) Maßstab. Recht und Richten sind – analytisch gesehen – unabhängig von der Richterperson. Konzeptionell steht die richterliche Entscheidung bereits vor der Anrufung des Richters fest.143 Die richterliche Macht in der Beziehung zu den Streitparteien ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass sich die Beteiligten durch ihre eigenen Maßstäbe und Methoden gegenseitig vernichten würden.144 Deshalb beachtet die Richterentscheidung insbesondere die gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen, die seinen richterlichen Maßstab legitimieren. Seine Entscheidung soll die Gegensätzlichkeit der Gesellschaftsmitglieder wieder in eine friedliche Ordnung richten und für die Beteiligten insoweit richtungsweisend wirken.145 Das Urteil weist verbindlichen Charakter auf. Ein innerliches Annehmen und Einsehen wird zwar nicht gefordert, ist aber durchaus erwünscht. Konflikttheoretisch sind zwei Konsequenzen bedeutsam. Erstens die Tatsache, dass die Delegation an einen Richter diesen als dritte Partei im Konfliktgeschehen etabliert.146 Indem der Richter sich eine Meinung zur Sache bildet, sie äußert und machtvoll einbringt, wird er zur Partei, entweder zu 142  Ob dadurch die Beteiligten insgesamt ihren Konflikt für beendet erklären oder zu neuen verführt werden, bedarf hier keiner Beurteilung. Jedoch besteht die Wahrscheinlichkeit für eine Beendigung, je höher die „Verfahrensgerechtigkeit“ eingeschätzt wird. Diese ist maßgebend von der Neutralität des Richters abhängig. Zur „Legitimation durch Verfahren“: Luhmann 1987, 259 ff.; ausführlich ders. 1969. Vgl. dazu auch den dritten Teil dieser Untersuchung. 143  So zu Recht Ellscheid 1979, 44. Entsprechendes gilt freilich für den Schiedsrichter. 144  Vgl. nur Ellscheid 1979, 55, Fechner 1966, 126. 145  Vgl. Klammer 1999, 21; Besemer 2005, 41; Glasl 2004, 428 („verbindliche Lösung“); Röhl 1987, 475. 146  Zu Dreieckskonstellationen Schwarz 2005, 144 ff. („Dreieckskonflikte“); auch Röhl 1987, 475.



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung87

einer beliebten oder zu einer ungeliebten. Deutlich wird die veränderte Konfliktdynamik während des Prozesses der Urteilsfindung, wenn sich das Konfliktpotential drastisch erhöht, mag es auch nicht in Gewalt umschlagen. Zweite bedeutsame Konsequenz ist der Umstand, dass der Richter auf einer Grundlage des Richtigen seine Entscheidung fällt. Sein Maßstab, egal welcher, ob nun ein rechtlicher, sittlicher, ethischer, religiöser oder sonstiger Maßstab dient dem Richter als Entscheidungsgrundlage mit dem Anspruch, dass die richtige Entscheidung gefunden wird. Die Anrufung und Einschaltung eines Richters zwingt zu der Annahme, dass eine richtige Lösung existiert und diese die anhand eines fremden Maßstabs gefunden werden kann. Nimmt man jedoch an, dass es eine richtige Lösung gibt, erscheinen andere (sogleich) als falsch. Die Vorgehensweise der Delegation, anhand eines konfliktfremden Maßstabs eine Entscheidung zu fällen, führt zu einer fortlaufenden binären Codierung der Kommunikation – in richtig / falsch bzw. recht / unrecht. Wer das Richtige sucht, begründet das Falsche. Das Recht ist ohne Unrecht nicht denkbar. Im Falle der Delegation kommt noch die Hoffnung hinzu, dass der Richter die richtige Lösung von den falschen Lösungen zu unterscheiden vermag.147 Die Entscheidung des Richters stellt jedoch keineswegs die Lösung des sozialen Konflikts dar, sondern allein die Lösung der richterlichen Aufgabe, eine richtende Lösung zu finden. Diese steht aber keineswegs ausschließlich im Dienste der Konfliktparteien, sondern zudem im Dienste der sozialen Umwelt (Gesamtgesellschaft). Die Richterlösung soll Gewalt und Vernichtung verhindern, soziale Ruhe sichern und damit den (Rück-)Schritt auf die Ebene des sozialen Kampfes versperren. Das ist der Sinn, weshalb das Konfliktgeschehen binär codiert wird und der Dritte definiert, was war und entscheidet, was werden wird. Warum auch immer ein Dritter den sozialen Konflikt von anderen entscheidet und beurteilt, er muss ein (für ihn) lösbares Problem kreieren. Man mag diese Kreationsarbeit, die mit Hilfe des Rechtssystems gelingt, im Fall der kodifizierten staatlichen Gesetzes als eine der „größten Kommunika­ tionserfindungen in der Geschichte der Kulturen“148 bezeichnen, jedenfalls war sie fundamental.149 Grundlegend ist für die Delegation, dass sie zunächst erfolgt, um Kampf und Krieg zu verhindern. Mit der Delegation greift auch erstmals die sozia­ le Umwelt der Konfliktparteien in den Konflikt ein. Der Konflikt war zwar auch auf den vorherigen Ebenen nicht losgelöst von der sozialen Umwelt. Aber erst die Auswirkungen von Kampf und Krieg lassen ein Eingreifen 147  So überzeugend Schwarz 2005, 294, im Anschluss auch Proksch Kon:sens 1999a, 43. 148  Schwarz 2005, 290. 149  Ausführlich zum Ganzen Kap. C. IV. 1. b).

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B. Der soziale Konflikt

erforderlich werden. Dadurch wird es für die Konfliktlösung erforderlich, neben den individuellen Interessen der Beteiligten auch diejenigen der sozialen Umwelt zu beachten. Das Individuelle muss mit dem Allgemeinen abgeglichen werden. Das ist der Preis, den die Allgemeinheit, um drohenden Krieg und Vernichtung zu verhindern, von den Individuen fordert, die scheinbar unversöhnlich miteinander im Konflikt stehen. Sicherheit und Ordnung scheinen (noch) wichtiger zu sein, da die Ängste und Sorgen vor einer Freiheit, die zur Unterwerfung und Vernichtung genutzt wurde, (noch) zu groß sind. Übergeordnete, allgemeine Vorstellungen werden herangezogen, weniger um individuelle Probleme konkret zu klären, mehr um eine allgemein anerkannte Richtung zu weisen: die der Ruhe und Ordnung. Aus Sicht des Individuums, sieht die Sache anders aus. Schwarz formuliert treffend, dass derjenige, der „an eine Autorität delegiert, … sein Problem von jemandem lösen lassen [will], der mit diesem Problem primär nichts zu tun hat“150. Und ergänzend gilt, dass derjenige, der richtet, kaum daran interessiert ist, dass der Konflikt, wenn überhaupt, nur durch die Beteiligten gelöst wird. Dennoch zeigt die tägliche Praxis, dass der Rechtsprozess und dessen anschließende Rechtsentscheidung auf die Konfliktbeteiligten wie ein Signal wirkt; so dass sie sich dazu entschließen (können), ihren sozialen Konflikt (auch innerlich befriedigt) beizulegen. Zwar musste der Rechtsstreit, um Rechtsstreit zu sein, im Verfahren und in der Entscheidung die Konfliktbeteiligten mitunter ‚zurücklassen‘, jedoch erfolgt dies vor dem Hintergrund einer möglichen Konflikteskalation und drohender Vernichtung ebenjener Konfliktbeteiligten. aa) Vorteile des Delegierens an einen Richter Schwarz stellt fest, dass „Delegation als Konfliktlösung bis heute einen Fortschritt darstellt, wenn Menschen in direkter Kommunikation grundsätzlich nicht zu einer Kooperation fähig sind“.151 Delegation verhindert endgültige Vernichtung.152 Sie leitet den Übergang vom Vernichtungs- und Unterwerfungskampf zu konsensorientierten Verhandlungen ein.153 Dieser 150  Schwarz

2005, 289. 2005, 288 f. 152  Das Delegationssystem an staatlich ausgebildete Richter wirkt mit Blick auf Sozialfehden und Gewaltexzesse wie ein Immunsystem der Gesellschaft, vgl. Huber 2007, 14. 153  Allerdings greift man historisch und sozialpsychologisch ins Leere, wenn man meint, dass erst mit Hilfe des Rechts die „Unterschiede und Fremdes (verschiedene Stämme z. B.) überhaupt miteinander kommunikationsfähig wurden“, so aber Heintel 2005, 69. Einerseits stellt auch der Krieg eine und im Übrigen unmissverständliche Kommunikation dar. Anderseits wurden auch vor der Erfindung von Recht nicht 151  Schwarz



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung89

Entwicklungsschritt ist derart enorm, dass er – entwicklungsgeschichtlich – oftmals erzwungen wurde. Einen Krieg zu stoppen, ob im Individuellen oder Gesellschaftlichen, wo Kampfeshaltungen keineswegs abgelegt sind, um die Gegensätzlichkeiten zu verbalisieren, ist eine Leistung ohnegleichen. Es verwundert deshalb keineswegs, dass in Delegationsverfahren die Kampfeshaltungen erkennbar sind und sich das Delegationsverfahren damit auseinanderzusetzen hat. Das ist ein Grund, weshalb der Rechtsstreit als Verbalkrieg angelegt ist.154 Im Rechtsstreit wird untergeordnet und neu geordnet, zunächst unterworfen, um eine neue Ordnung zu etablieren. Speziell Recht war eine außerordentliche und unterordnende Leistung; außerordentlich, weil die Delegation an den („staatlichen“) Richter Fehden und kriegerische Auseinandersetzungen sozialer Gruppen beendete, unterordnend, weil diese Gruppen allesamt in die staatliche Ordnung eingegliedert wurden. Historisch und gesellschaftlich liegt im Verlassen der Vernichtungs- und Unterwerfungsebene durch Delegation ein unschätzbarer Beitrag zur Zivilisation und Sozialisation von Individuen in menschlichen Großorganisationen.155 bb) Nachteile des Delegierens an einen Richter Wer seinen Konflikt an einen Richter delegiert, zahlt (s)einen Preis. Jedoch schmerzt dieser Preis erst in dem Moment, in dem die Ebene physischer Kämpfe soweit verlassen wurde, als dass sie nicht mehr als Alternative in Frage kommt und insoweit Gewaltlosigkeit integriert wurde.156 „Jede Delegation fällt auf uns selbst zurück“, formuliert Heintel.157 Wer sich in einem Konflikt befindet, hat ein Problem, das ihn aufruft, es zu lösen. Kein Anderer kann dieses Problem lösen. Andere lösen das Problem anders. Doch ist Delegation vernünftig, wenn ansonsten eine Konfliktlösung auf ohne weiteres Kriege angezettelt. Delegation erfolgte auf vielen Basen – wobei Recht nur eine darstellte. Und im Übrigen schuf Recht keine soziale Ordnung, sondern sicherte eine vorhandene Ordnung in größer werdenden Gesellschaften, dazu Voland 1997; Wuketits AK 1998, Abs. 30 sowie Kap. C. IV. 1. d) a) aa) in dieser Untersuchung. 154  Christensen / Sokolowski 2005, 106 („Zwar wird die Brachialität der Auseinandersetzung darin [im Rechtsstreit, S.W.] gemildert, dass der „Kampf ums Recht“ nur sprachlich ausgetragen werden kann. Sofern aber zugleich ‚das Element des Streites und des Kampfes‘ ein dem Rechtsbegriff ‚ureigenes‘ ist, kehrt dieses im Verfahren als der offene ‚Bürgerkrieg der Sprache mit sich selbst‘ wieder.“). 155  Ausführlich dazu im dritten Teil der Untersuchung. 156  Dabei wird freilich nicht verkannt, dass dieser Aspekt auch davon abhängig ist, um welches Konfliktthema es sich handelt und wie bedeutsam die Lösung des Konflikts für die Beteiligten ist. 157  Heintel 2005, 78.

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B. Der soziale Konflikt

den Ebenen von Flucht und Kampf besteht. Dann erscheint es angezeigt, anhand binär codierter Rechtskommunikation Sieger und Verlierer küren zu lassen, auch wenn dadurch die persönlichen Aspekte in Bezug zur sozialen Umwelt gesetzt werden. Die Parteien kommunizieren zwar nicht mehr im Wege physischer Gewalt, aber erstens gleichwohl gegeneinander, zweitens im Falle staatlicher Gerichte nur in der maßstabsrelevanten Sprache des Dritten und drittens, häufig nur, um den Dritten und den Gegner zu überzeugen. Die Kommunikation bleibt Verteidigungs- und Rechtfertigungskommunikation, wenn auch verbalisiert und nicht mehr physisch.158 Indem die Kommunikation inhaltlich binär codiert wird, damit Gewalt als unerwünschte Kommunikationsform beendet wird und der Dritte überhaupt entscheiden kann, kommt es früher oder später gleichwohl zu einer „Entfremdungs­situa­ tion“159, weil die persönlichen und sozialen Inhalte außen vor bleiben. Diese Entfremdung von den eigenen Angelegenheiten wirkt unbefriedigend; muss unbefriedigend wirken, da das kommunikative, das ursprüngliche und verbindende Element in seiner Ganzheit zugunsten des binären Codes ausgeschalten wurde. Hier ist der Ursprung von Ressentiments gegenüber dem Richter und dem Konfliktgegner beim Unterlegenen zu sehen.160 Die Beteiligten stärken, wenn sie delegieren, nicht ihre individuelle Konflikt- und Beziehungsfähigkeit. Beides stagniert oder verfällt sogar.161 Hier könnte man der gesellschaftlichen Entwicklung geradezu Ironie abringen. Bewirkt die Delegation zunächst als Kommunikationsleistung, dass Menschen sich nicht mehr bekriegen und in zunehmend anonymeren Großgemeinschaften zusammen leben können, werden gerade durch diese die notwendigen individuellen Fertigkeiten im unmittelbaren Umgang nicht gefördert und gefordert, sondern als überflüssig qualifiziert.162 Konfliktfähigkeit 158  Im und durch den Gerichtsprozess wird die physische Kommunikation („Ich oder Du!“) in einen Verbalkampf („Recht oder Unrecht?!“) kanalisiert und die Konfliktenergie, weil Gewalt unterbunden ist, begrenzt. Da die Energie jedoch nicht damit verschwunden ist, muss sie – notfalls über mehrere Instanzen – im Prozessverfahren aufgezehrt und zermürbt werden. 159  Schwarz 2005, 289; ders. 1977, 125; ausführlich Heintel 2005, 72 ff.; aber auch Hoffmann-Riem AöR 2005, 27 f. 160  Hauser 2002, 180. 161  Ähnlich Schwarz 2005, 294. Das betrifft insbesondere Kompetenzen wie Empathie und Kooperationsbereitschaft. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass es sich bei kooperativem Handeln nicht bloß um ein wünschenswertes Beiwerk der Natur handelt, sondern um ein zwischenmenschliches Grundprinzip, eventuell sogar um eines der evolutionären Prinzipien schlechthin. Dazu instruktiv Bauer 2008a, sowie Bauer 2008b und 2008c. 162  Es muss anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben, ob es einen proportionalen Zusammenhang zwischen der Delegation in Großgesellschaften und der individuellen Konfliktfähigkeiten seiner Mitglieder gibt. Hill DÖV 1994, 280 m. w. N.



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung91

und damit die eigenverantwortliche Gestaltung sozialer Beziehungen ist gerade nicht delegierbar, aber auch nur ausbildungsfähig, wenn man (über-) lebt. Delegation entlastet in den Momenten, in denen es tatsächlich ums eigene Überleben geht. Sie gibt insofern Sicherheit und Halt. Sie hält aber tatsächlich an Konflikten fest, bei denen es nicht mehr um existenzielle Angelegenheiten geht. In diesen Momenten wirkt Delegation geradezu konfliktstabilisierend. Sie hält den Konflikt auf einer gewaltfreien Eskalationsstufe, indem sie neue Konfliktfelder in der binär codierten Sprache des Rechts eröffnet und ihn zeitlich in die Länge zieht. Dadurch entwickeln sich keineswegs die Beteiligten in ihrer Konfliktfähigkeit, sondern allein das Rechtssystem, das sich in diesem Prozess weithin ausdifferenziert.163 Wird der Übergangscharakter der Delegation aus den Augen verloren, stagniert der Konflikt, was sich in Enttäuschung, Ratlosigkeit und Verzweiflung, aber auch in Verärgerung, Wut und eskalierender Delegation der Konfliktbeteiligten äußert. Jedoch scheint viel dafür zu sprechen, dass das Rechtssystem durch seine weitere Ausdifferenzierung selbst dafür sorgt, dass die Konfliktbeteiligten die Delegation für problematisch halten und ihr zu entkommen suchen.164 Die Lösung, die zunächst hilfreich war, entwickelt sich, so könnte man meinen, zum Problem. Doch tatsächlich sind es die Beteiligten, die sich entwickelt haben und weiterhin entwickeln. Ihre Konfliktlösungen müssen sich deshalb auch weiterentwickeln. Im nächsten Schritt wird nicht an einen Richter, sondern an einen Schlichter delegiert. b) Das Delegieren an einen Schlichter Weist die Delegation den Weg aus dem Kampf in die Verhandlung, so weist der Schlichter den Weg vom Richter zum Vermittler.165 Schlichter und Richter haben strukturell gemeinsam, dass sie den Konflikt nach eigenen spricht von einer „infantilen Form der Konfliktbewältigung“; Hauser 2002, 179 f. weist zu Recht auf den „patriarchalischen Zug“ der (Interessen-)Jurisprudenz hin, bei der die Vorstellung oder Hoffnung mitschwingt, dass die Rechtsvertreter und Richter die Interessen der Beteiligten besser einschätzen und durchsetzen können. Es ist wenig ergiebig, solche Aussagen zu verabsolutieren, aber hilfreich, sie als Charakterisierung einer Momentaufnahme im (idealen) Entwicklungsprozess der Konfliktbehandlung zu verstehen. 163  Vgl. Huber 2007, 187. 164  Dazu ausführlich Kap. C. IV. 1. b) ee). 165  Vgl. Montada / Kals 2001, 2; Hager 2001, 51; ähnlich Röhl 1987, 478, der allerdings auch von Schlichtung spricht, wenn sich die Konfliktbeteiligten zwar freiwillig, aber vorab dahingehend erklären, sich dem Spruch des Dritten in jedem Falle zu unterwerfen. Nach hier vertretenem Verständnis handelt es sich dabei allerdings um einen Schiedsrichter, der zuvorderst Richter ist und nicht Schlichter.). Häufig wird zwischen Schlichter und Vermittler nicht differenziert, etwa Ponschab

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B. Der soziale Konflikt

Maßstäben definieren. Die Beteiligten erwarten von beiden, dass sie das Problem „Konflikt“ lösen. Im Unterschied zum Richter bindet der Schlichter die Beteiligten allerdings nicht an seine Lösung.166 Vielmehr unterbreitet er einen Lösungsvorschlag, den die Beteiligten annehmen oder ablehnen können. Er ist nicht befugt, weder von einer höheren Instanz noch von den Konfliktparteien den Konflikt endgültig zu entscheiden. Der Schlichterspruch ist kein Urteil, sondern bloßer Ratschlag. Ein weiterer Unterschied zeigt sich darin, dass der Schlichter gemeinsam ausgesucht wird, während der Richter gesetzt ist. Das hängt damit zusammen, dass das Richterurteil auch zwangsweise durchgesetzt werden kann, wobei der flankierende Zwangsapparat strukturell zum richtenden Dritten gehört.167 Die Notwendigkeit, gemeinsam den Schlichter zu beauftragen, ist eine erste ‚Knospe einer einvernehmlichen Verbalverständigung‘. Schlichtung ist allerdings noch keine Vermittlung. Und ein Schlichter ist kein Vermittler. Den Konfliktbeteiligten etwas – vielleicht sogar die eigenen Lösungsideen – vorzuschlagen, bedeutet noch nicht, in ihrem Konflikt vermittelnd zu wirken. Der Schlichter lotet nicht mit den Beteiligten die Tiefenstruktur des Konflikts aus, wenn er die Tiefenstruktur überhaupt ausloten möchte.168 Seine Arbeit bzw. sein Auftrag besteht darin, einen annehmbaren Vorschlag zu unterbreiten.169 Inwieweit sich der Schlichter dabei die Konfliktstruktur anschaut, ist von seinem Schlichtungsstil abhängig.

AnwBl 1993, 431; Strempel AnwBl 1993, 434. Kaum zwischen Schlichter und Richter differenzierend Troja / Stuppe ZKM 2006, 124. 166  Prütting 2003, Rn. 5, ders. AnwBl. 2000, 275; Klammer 1999, 21; Albrecht 2001, 28; Sarhan JZ 2008, 282; von Schlieffen ZfRSoz 2000, 453; Heussen 2009a, Rn. 5; Rüssel 2004, 80 schreibt dem Schlichter allerdings (begrenzte) Entscheidungsmacht zu. 167  In der deutschen zivilrechtlichen Gerichtspraxis sind Richter- und Schlichterelemente vermischt. Es darf beispielsweise erst richterlich entschieden werden, wenn eine Schlichtung versucht wurde, vgl. § 15 a EGZPO. Dieser „Zwang zur Schlichtung“ erklärt sich aus funktionalen Gründen der staatlichen Gerichtsbarkeit. 168  Montada / Kals 2001, 73 f.: „Streitthemen oder -gegenstände sind bekannt, wenn die Positionen formuliert sind. Die Tiefenstruktur des Konflikts ist damit noch nicht identifiziert. Dazu bedarf es zusätzlicher Informationen darüber, inwiefern ein Streitthema für die Kontrahenten wichtig ist. Außenstehende Beobachter verstehen oft die Heftigkeit eines Streits nicht, weil sie die Tiefenstruktur des Konfliktes nicht kennen. Oft ist allerdings die Tiefenstruktur auch den Streitparteien nicht klar bewusst.“, vgl. auch Hugo-Becker / Becker 2004, 112, 119. 169  Insoweit zutreffend Prütting 2003, Rn. 5; deutlich Hehn 2009, Rn. 14 ff. Deshalb trifft es die Sache auch genauer, wenn man – statt von Schlichtungsverhandlungen – von Schlichtungsgesprächen spricht, vgl. aber im Gegensatz dazu Holtwick-Mainzer 1985, 25; Vetter 2004, 162 m. w. N.



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung93

aa) Vorteile des Delegierens an einen Schlichter Sich gemeinsam einen Schlichterspruch zu organisieren, zeugt von einer erhöhten Aktivität und Selbstkompetenz in der Konflikthandhabung. Das Schlichtungsverfahren weist feste und vor allem zivilisierte Spielregeln auf. Gewalt wird als Methode ebenso abgelehnt, wie die Variante, sich einem Richter gemeinsam zu unterwerfen. Für die Beteiligten ist der Schlichter gegenüber dem Richter vorteilhafter, weil dessen Lösung nicht gesetzt ist, sondern abgelehnt werden darf. Zudem wird in einem Schlichtungsverfahren nicht direkt Unrecht und Schuld verteilt, sondern nach einer annehmbaren Lösung gesucht. Da zudem das Verfahren selbst beiderseits freiwillig begonnen und die Schlichterperson gemeinsam ausgesucht wurde, kommt es nach gescheiterten Schlichtungen kaum zu Eskalationen. Schlichtungsversuche stellen damit insgesamt einen enormen Entwicklungsschritt zur eigenverantwortlichen und zivilisierten Konfliktlösung dar. Schlichtungen erfordern entwicklungspsychologisch reifere Persönlichkeiten als ein Gerichtsverfahren und stellen insoweit eine weitere Etappe auf dem Weg zu einem eigenverantwortlichen Konfliktmanagement dar. Die Beteiligten einer Schlichtung beanspruchen, nutzen und vertiefen ihre Eigenverantwortlichkeit, indem sie die Schlichterperson gemeinsam auswählen und sich vorbehalten, ihren Schlichtungsspruch selbständig zu prüfen. bb) Nachteile des Delegierens an einen Schlichter Nachteile sind bei der Schlichtung nur schwer auszumachen. Freilich, vom Entwicklungsstand der Verhandlung und Vermittlung gesehen, ist das Ziel des Weges noch nicht erreicht. Vielmehr halten sich die Beteiligten (noch) zurück, ihr gemeinsames Leben mit eigenen konstruktiven Ideen und damit auf ganz eigene Art zu gestalten. Nachteilig wirkt Schlichtung deshalb nur, wenn es keine Phase, sondern Lebenskonzept bleibt. Im Übrigen riskieren die Beteiligten durch eine Schlichtung lediglich, Zeit zu verlieren („Ruhezone“). Das Risiko ist aber hinnehmbar und keineswegs schlichtungsspezifisch. Nachteilig mag der Schlichterspruch selbst wirken, oft ist er nur ein (aufschiebender) Kompromiss, der niemandem grundlegend hilft und nichts Wesentliches klärt. Als Ausdruck einer „hingeschlichteten Mitte“ ist er häufig Vertagung von noch nicht Drängendem.

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B. Der soziale Konflikt

4. Die Vermittlung Zwischen den Konfliktbeteiligten zu vermitteln, ist der letzte Schritt, den die Beteiligten mit einem Dritten gehen, bevor sie wieder für sich ihre Konflikte behandeln. Im Unterschied zu einem Richter und Schlichter handelt es sich bei einem Vermittler um eine (besondere) Form der Begleitung. Der Dritte soll in schweren Zeiten und auf unwegsamen Pfaden unterstützend begleiten. Es geht dabei nicht mehr um die Frage, was er tun würde, wenn er anstelle der Beteiligten diesen Konflikt hätte. Das ist nicht seine Funktion und unterscheidet ihn grundlegend von den anderen Formen der Drittbeteiligung. Eine professionalisierte Form der Vermittlung stellt die Mediation dar.170 Nachdem die Beteiligten gelernt haben bzw. lernen mussten, den entscheidenden Spruch des Richters zu akzeptieren, sich freiwillig einem Schlichtungsverfahren zu unterziehen und sich über Lösungsvorschläge zu verständigen, geht es bei der Mediation darum, mit der Hilfe eines Dritten (wieder) eigenverantwortliche und konstruktive, also konfliktund problembezogene sowie lösungsorientierte Verhandlungen zu führen.171 Aus der Erkenntnis heraus, dass beide Parteien selbst ihren Konflikt letztlich lösen müssen und im Grunde auch wollen, aber offenbar noch nicht können, installieren sie einen Dritten, der ihnen hilft, gewaltfrei und ebenbürtig zu kommunizieren und nicht (wieder) in verbale Gegnerschaft zu verfallen. Der Mediator achtet deshalb weniger auf die vordergründigen Konfliktgegenstände (Positionen), sondern mehr auf die oftmals nur leise anklingenden Konfliktthemen (Interessen). Er regt die Beteiligten an, mehr den ‚Hintergrundgeräuschen‘ zu lauschen. Als „gemeinsamer Dritter“172 achtet er auf die konstruktiven Elemente und verfolgt nicht die sich anbietenden Ansätze einer destruktiven Konfliktbearbeitung. Er stärkt die Stärken und vermag dadurch auch, Schwächen schwächer werden zu lassen. Verlieren die Beteiligten den Blick für den gemeinsamen Weg, weist der Mediator darauf, leuchtet ihn aus und begleitet die Beteiligten behutsam. Dafür nutzt er die Hinweise der Beteiligten, nach welchen Maßstäben sie entscheiden möchten (Interessen), und lässt eigene oder sonstige konfliktfremde Maßstäbe wei170  Ausführlich

zur Mediation Kap. C. Mähler 2005, 97; Appel 2008, Rn. 102. Es ist sachlich verfehlt, wenn Schiffer 2005, Rn. 16 meint, zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation gäbe es keinen echten Gegensatz, weil beide Verfahren der Konflikt- und Streitlösung außerhalb staatlicher Gerichte dienen. Die Ansicht wird freilich verständlich, wenn man den Wunsch, die Mediation der Anwaltschaft schmackhaft zu machen und für sie zu werben, beachtet, vgl. Rn. 14. Doch verkennt die Argumentationsbasis die Andersartigkeit von Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation, die keine Gegensätzlichkeit beinhalten muss. Zudem wird die Frage nicht aus der Sicht der Konfliktbeteiligten gestellt. 172  Schröder 2004, Rn. 70. 171  Ähnlich



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung95

testgehend außen vor. Hier deutet sich eine gewisse „Rechts- und Staatsferne der Vermittlung“ an.173 War die Delegation vor allem von dem Gedanken getragen, Kampf und Vernichtung zu verhindern, sodass der Richter im Grunde genommen einen Negativauftrag erhält, kommt der Mediation insoweit ein Positivauftrag zu.174 Der vermittelnde Dritte soll die zwischenmenschliche Beziehungs­gestaltung anlässlich einer problematischen Phase begleiten und dadurch fördern.175

173  Die Rechtssoziologie hat bereits frühzeitig erkannt, dass die Konfliktvermittlung als Zeichen vorstaatlicher, sog. segmentärer Gesellschaften gelten kann und die rechtliche Konfliktbehandlung durch staatliche Gerichte als Ausdruck von Staatlichkeit, vgl. dazu Holtwick-Mainzer 1985, S. 40. Heintel 2005, 79 spricht teilweise von einer „Rechtsgegnerschaft“ der Mediation. Dem wird nicht zugestimmt. Recht bezweckt mit der Feststellung und Zuschreibung von Unrecht und Schuld den Konflikt zu lösen, während Mediation die Konfliktlösung anders angeht. Daraus abzuleiten, dass Mediation gegen Recht ist, erfasst die Sachlage nur unzureichend, weil der Argumentation eine polarisierende Denkweise (Binärcodierung) zugrunde liegt, vgl. dazu den dritten Teil der Untersuchung. 174  Damit übernimmt der Mediator im Konflikt die Aufgabe, die in individuellen Problembereichen ein Coach, Berater oder Therapeut übernimmt. Für Organisationen und ihre Probleme wäre hier der Supervisor oder Organisationsberater und -entwickler zu nennen. All diese unterschiedlichen Tätigkeiten sind Formen professioneller Begleitung, ähnlich Schneider 2002, 12; kritisch zum Oberbegriff ‚Begleiter‘ Schulz-Wallenstein ZTA 2002, 159 f. Derlei professionalisierte Begleitung wächst in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich, was nicht viel damit zu tun hat, dass etwa „Laienbegleiter“ rar geworden wären. Nach wie vor begleiten Eltern ihre Kinder (auch im Erwachsenenleben), sind Pfarrer, Lehrer, Vereinstrainer etc. Kontaktpersonen. Doch scheinen infolge der Komplexität des sozialen Lebens und seines rasanten Wandels die Bedürfnisse ebenfalls komplexer zu werden. Diese können offenbar nicht mehr ‚laienhaft‘ begleitet werden. 175  Zuweilen wird behauptet, dass der staatliche Richter (insbesondere in der Vergleichs- bzw. Güteverhandlung) weitere Funktionen übernimmt, vgl. § 278 ZPO sowie § 106 VwGO sowie § 101 SGG. Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um richterliche Aufgaben, sondern um andere Aufgaben, die die Richterperson zusätzlich erfüllen soll. Diese Vermischung der Konfliktbehandlungsmethoden nicht nur in einem gerichtlichen Verfahren, sondern darüber hinaus „in einer Richterperson“ dürfte der Grund sein, weshalb sich die Parteien der Richterperson bereits im Güteverfahren ausgeliefert vorkommen (können), vgl. dazu Ellscheid 1979, 44. Festzuhalten ist, dass eine Richterperson in der Güteverhandlung eben nicht Richter ist und dass diese aufgebürdete Rollenvielfalt tatsächlich zu Rollenkonflikten führt; ebenso Härtel JZ 2005, 756; anders Freund SGb 2005, 680; auch Seibert NVwZ 2008, 369; völlig verkennend Millgramm SächsVBl 2003, 108. Viel eher stellt Mediation einen besonderen Weg zu einem Vergleich dar, so Clostermann, G. / Josephi, K. / KleineTebbe, A. / Niewisch-Lennartz, A. / Vogelei, C. SGb 2003, 266. Teilweise wird ebenso – die Methoden verkennend – bei Vermittlungstätigkeiten von „alternativer Streitschlichtung“ gesprochen. Die Betonung ist in diesen Fällen auf „alternativ“ (zur gerichtlichen Lösung) zu legen, nicht aber auf Schlichtung, vgl. Hager 2001, 61; Lachmann 2002, Einf., Rn. 21; instruktiv zum Ganzen Tochtermann JuS 2005.

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B. Der soziale Konflikt

a) Vorteile der Vermittlung Der Mediator ermöglicht den Beteiligten, sich in eigenverantwortlich geführten, konsensorientierten Verhandlungen zu üben und gemeinsam eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Er hilft den Beteiligten, damit sie nicht in die destruktive Konfliktkommunikation abgleiten und auf die bereits überwundenen Ebenen von Gewalt und Unterwerfung (auch vor dem Richter) zurückfallen. Zudem hilft er auch dabei, dass die Beteiligten nicht Entwicklungsschritte überspringen und kompetitiv verhandeln.176 Zudem ermöglicht der Mediator den Konfliktbeteiligten ein Lernen am Modell.177 Wie mit kommunikativen Streitangeboten konstruktiv umgegangen und ein Miteinander im Konflikt erreicht wird, lässt sich mit seiner Hilfe erkennen und üben. Zudem ermöglicht Mediation die wichtige Erfahrung, dass die eigenen Interessen die Antriebskräfte des Handelns sind – und dennoch flexibel befriedigt werden können. Positionen und Ansprüche sind wenig flexibel. Sie können aber – notfalls in der Mediation – hinterfragt und überdacht werden. Das eröffnet neue Horizonte.178 Gelingt Mediation, hat sie auch für die Gesellschaft Vorteile, da die staatliche Gerichtsbarkeit entlastet wird.179 In diesem Falle ist sie vergleichsweise effizient.180 b) Nachteile der Vermittlung Je nach Erwartung weist Mediation allerdings auch Nachteile auf. Dass Mediation nicht das bessere Recht schafft, zeigt sich etwa an der Unsicherheit im Hinblick auf die Lösung. Weder kann der Mediator vorab garantieren, dass eine Lösung gefunden wird, noch, dass sich alle Beteiligten an sie halten werden. Für beide Aspekte sind die Beteiligten zuständig. Oder anders; Mediation ist Vertrauenssache. Angesichts der gewohnten Autorität eines den Richterspruch unterstützenden Zwangsapparates mag man die Unsicherheit der Mediation in bezug auf eine zufriedenstellende Lösung als nachteilig empfinden.181 Diese Unsicherheit der Mediation zeigt sich insbe176  Dazu

sogleich mehr, Kap. B. II. 5. a). Erkenntnissen der Neurobiologie (hier: Spiegelneuronenforschung), die das Konzept des Lernens am Modell auf eine gänzlich neue Basis stellen Bauer 2008a, insbes. S.  122  ff. m. w. N. 178  Schillinger 2003, 39 („größere Innovationskraft“ [gegenüber der Gerichtsbarkeit]); Ponschab AnwBl 1997, 145 (der aber von „anwaltlicher Schlichtung“ spricht, in der Sache aber Vermittlung meint); Mähler / Mähler NJW 1997, 1264. 179  Schillinger 2003, 37; s. hierzu auch Kap. C. IV. 1. b) ee). 180  Insbesondere bei umweltrelevanten Großvorhaben ist der Faktor Zeit maßgebend, vgl. Rombach 1994, 147 ff. 181  Vgl. Risse NJW 2000, 1619; Schillinger 2003, 39; Freund SGb 2005, 680 (der in Verkennung spezifischer Qualitäten von einem „therapeutischen Verfahren“ 177  Zu



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung97

sondere an den ausgetauschten Informationen, die später zu Lasten der anderen Beteiligten verwertet werden können. Es spricht viel dafür, dass die Inhalte der Mediation nicht „gerichtsfest“ sind.182 Es mag zwar verschiedene Möglichkeiten geben, dieser Gefahr zu begegnen183; jedoch handelt es sich im Grunde nicht wirklich um eine Unsicherheit der Mediation, sondern um die Tatsache, dass Menschen sich gegenseitig (ent-)täuschen können und Vertrauen missbraucht werden kann.184 Mitunter wird auch kritisiert, dass Mediation zwischen unterschiedlich Mächtigen keinen ‚Machtausgleich‘ wie das Rechtssystem etwa bewirken kann.185 5. Die Verhandlung Die nächste Ebene der Konfliktbehandlungsmethoden ist das eigenständige Verhandeln, d. h. ohne konfliktfremde Beteiligung.186 Insoweit die Verhandlungspartner dabei eine innere Haltung der Gegnerschaft beibehalten oder (wieder) aufnehmen, verhandeln sie kompetitiv.187 Soweit sie sich als Verhandelnde auf gleicher Ebene verstehen und auf dieser Basis miteinanspricht). Die Unsicherheit weist als Kehrseite freilich die Innovationskraft und Flexibilität des mediativen Verfahrens auf. 182  Näher dazu Kap. C. II. 3. 183  Vgl. Schillinger 2003, 43. 184  Ebenso vermag auch das Rechtssystem nicht garantieren, das Informationen weitergegeben werden, sondern kann eine solche Weitergabe nur sanktionieren. Im Übrigen liegt es noch in der Macht des Rechtssystems, bestimmte Informationen nicht zu verwerten, weil sie widerrechtlich beschafft oder übermittelt wurden. Das ist jedoch lediglich ein Aspekt rechtlicher Kommunikationsfilterung (binäre Codierung). 185  Etwa Schillinger 2003, 42. Dabei wird jedoch verkannt, dass Mediation nicht an einem bestimmten Soll-Zustand interessiert ist. Vielmehr hilft sie, wenn Willige scheinbar nicht miteinander können, um zueinander zu finden, aber nicht bei Unwilligen, damit sie miteinander müssen. Zudem erscheint die Konstellation von mediationswilligen Konfliktbeteiligten, die sich in einem Machtungleichgewicht befinden, eher abstrakt-theoretischer Natur. 186  Ein zweiseitiges Verhandeln liegt auch dann vor, wenn Rechtsanwälte eingeschaltet wurden, die statt der Beteiligten die (außergerichtliche) Verhandlung führen, vgl. dazu Matschke AnwBl 1993, 259 ff. Scheitern diese Verhandlungen, kämpfen die Rechtsanwälte für die Konfliktparteien vor Gericht. Strukturell wird hier der Anwalt nicht als ein Dritter eingeschaltet, sondern als Mitstreiter und Koalitionär bzw. als Legionär, der den Verbalkrieg stellvertretend führen soll. Engel ZKM 2007, 70 berichtet von einem Mittelweg namens „Collaborative Law“. Hier engagieren die Konfliktbeteiligten für die „vorgerichtlichen“ Verhandlungen Rechtsanwälte, die ihnen beistehen, aber dazu verpflichtet sind, das Mandat aufzugeben, wenn der Konflikt in einen Gerichtsprozess mündet. Insofern soll der Dynamik Einhalt geboten werden, die durch Rechtsanwälte und ihre strategischen, aber einseitigen Vorgehensweisen entsteht. 187  Ausführlich dazu Bierbrauer 1993, 40 ff.; Jost 1999, 15; Hager 2001, 68 („antagonistisches, strategisches Verhandeln“); Irle GD 1994, 50 f.

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B. Der soziale Konflikt

der die gemeinsame Beziehung zufriedenstellend gestalten, verhandeln sie „kooperativ“188. Kompetitive Verhandlungen führen allenfalls zu Kompromissen, kooperative Verhandlungen vermögen ihrerseits, den Königsweg zu finden, und zu Konsensen führen. a) Die kompromissorientierte Verhandlung Eigenständig Kompromisse finden ist zivilisatorisch und entwicklungspsychologisch eine Hochleistung. Im Kompromiss haben sich die Konfliktbeteiligten zwar nur teilweise geeinigt und insoweit nur bedingt einen Konsens erzielt. Maßgebend für den Erfolg oder Misserfolg sind daher die Teile, die keiner Einigung zugeführt werden konnten oder bei denen nur eine von Angst diktierte Einigung erreicht werden konnte, die im Grunde keine ist.189 Dennoch dürfte – mit ausreichendem Abstand –zu betonen sein, dass eine Teileinigung vorteilhaft ist, weil sie zunächst einmal eine Einigung ist.190 Derartige Teileinigungen und Kompromisse können für die Beteiligten ‚annehmbar‘ oder ‚faul‘ sein. Annehmbar dürften Kompromisse stets sein, wenn die ungelösten Fragen des Konflikts gemeinsam und einverständlich einer späteren Verhandlung vorbehalten wurden, um mit neuen Kräften und den Erfahrungen, dass man sich grundsätzlich verständigen und einigen kann, erneut ans gemeinsame (Beziehungs-)Werk zu gehen. Faul wirken Vertagungen, wenn sie mangels Mut, sich zusammen auseinanderzusetzen, oder in der Hoffnung, der andere werde später „klein beigeben“ müssen, zustande gekommen sind. In diesen Fällen hat die innere Einstellung der Gegnerschaft die entscheidende Steuerungskraft behalten.191 Dann schlummert das Konfliktpotential weiter und wird später in irgendeiner Art und Weise ins Leben der Beteiligten treten. b) Die konsensorientierte Verhandlung „Der Konsens ist die zur Zeit beste Lösung eines aporetischen Konflikts“, schreibt Schwarz.192 Der Konsens beendet die für beide Seiten problemati188  Vgl. zum kooperativen Verhandeln Bierbrauer 1993, 40 ff.; Schweizer 2009; Hager 2001, 69 ff. („produktives, kommunikatives Verhandeln“); Irle GD 1994, 52 ff. 189  Kompromisse sind jedenfalls nicht die Kunst, den Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück erhalten. So aber wohl Seibert NVwZ 2008, 365 in Anlehnung an den gerichtlichen Vergleich. Weder wird der Kuchen in eigenständigen Verhandlungen von Dritten verteilt, noch hat ein Kompromiss zwingend etwas mit Manipulation und Täuschung zu tun. 190  Vgl. Schwarz 2005, 298; Mahlmann 2001, 107; ähnlich Duss-von Werdt 2005, 189. 191  Dazu auch Schwarz 2005, 298; Hager 2001, 77. 192  Schwarz 2005, 299, ausführlich ders. 2005a.



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung99

sche Situation und ist – soweit kann vorgegriffen werden – Ausdruck einer Persönlichkeitsentwicklung der Beteiligten. Doch woran sind konsensorientierte Verhandlungen erkennbar? Eine Verhandlung ist zwar äußerlich die eigenständige verbale Bearbeitung des Konflikts, durch die eine Übereinkunft angestrebt wird.193 Jedoch kann eine derartige „Veranstaltung“ eine Vielzahl an Elementen aufweisen, die bisher bei den Konfliktbehandlungsmethoden angesprochen wurden. Verhandelnde können sich zurückziehen und verstecken, angreifen und den Gegner verbal niederringen oder sich bei Autoritäten Unterstützung holen, die ihnen Recht geben194. Wann sind Verhandlungen also konsensorientiert? Konsensorientiert sind Verhandlungen, wenn angesichts der aporetischen Struktur des Konflikts verhandelt wird und die Vereinigungstendenzen und Integrationserfordernisse beachtet werden. Der Begriff „Aporie“ entstammt dem Griechischen und verdeutlicht die Unmöglichkeit und Ausweglosigkeit, im Konflikt die richtige von zwei Entscheidungen zu treffen. Beide Entscheidungen sind für sich besehen wahr und berechtigt. Doch vom Standpunkt der jeweils anderen Entscheidung sind sie falsch und unberechtigt. Sie widersprechen einander und sind doch voneinander in der Weise abhängig, dass keine ohne die andere existieren würde bzw. realisiert werden könnte. Aporetische Konflikte sind mit den Axiomen, den gültigen Wahrheiten der Logik allein nicht lösbar. Die Logik duldet keinen Widerspruch, hält ihn für falsch und unwahr und findet nur in der Vernichtung des einen oder anderen „ihren Frieden“. Die Aporie zeigt indes, dass die Logik selbst nur eine von mehreren Methoden ist, um mit sozialen Erscheinungen wie Konflikten etwa umzugehen. Logik und logische Lösungsversuche stellen sich für Aporien als eine „vernichtende“, einem Krieg ähnelnde Methode dar. Aber auch die Flucht und die Delegation, mitunter auch der Kompromiss stellen logische Verhaltensweisen dar. Sind Konflikte allerdings in ihrer Grundanlage aporetisch195, scheinen logische Lösungsversuche einer Quadratur des Kreises zu ähneln. Eine Aporie196 als 193  Enger

und im Folgenden widersprüchlich: Montada / Kals 2001, 16. deren Inhalte „wissenschaftlich bewiesen“ seien oder „Recht geben“ etc. sind besonders beliebt, aber auch Argumente, die auf Modernität oder Tradition verweisen, können im Verbalkrieg unterstützend wirken. Letztere sind häufig nur allgemeiner gehaltene Argumente der ersteren. 195  Dazu Schwarz 2005a. 196  Eine Aporie wie sie Schwarz 2005a beschreibt, entspricht dem von C.G. Jung beschriebenen und auf Heraklit fußenden enantiodromischen Geschehensablauf, vgl. etwa Heraklit 1954, Fragment 88. Jung 1952, 654 leitete aus der Enantiodromie ein psychologisches Gesetz ab, das besagt, dass die übermäßige Betonung eines Pols, der die eine Hälfte eines Gegensatzpaares ist, zwangsläufig zum Umschlagen und zur Überbetonung des anderen Pols führt. 194  Argumente,

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B. Der soziale Konflikt

ein Problem zu begreifen, das logisch gelöst werden kann, scheitert. Vielmehr bedarf es – logischerweise(!) – einer Methode, die die Vereinigung der sich widersprechenden Wahrheiten herstellt. Der Konsens und eine ganzheitliche Denkweise, die zu ihm führt, ergänzen die bisherigen Konfliktbehandlungsmethoden und stellen doch völlig neue Axiome auf. Die Teile scheinen nur widersprüchlich, sind es aber auf der zu suchenden Ebene nicht (mehr). Jedoch nur zusammen ergeben die scheinbar unversöhnlichen ‚Wahrheiten‘ auf einer neuen Ebene ihren gemeinsamen Sinn197 – und genau darin liegt die Herausfor­derung. Dieses Entwicklungspotential in der Aporie zu erkennen und die Herausforderung zu meistern, gelingt nur, wenn sich die Gegensätze verbinden und sich die Beteiligten auf einen ‚dialektischen Entwicklungsprozess‘ einlassen.198 Wenn die Aporie anerkannt ist, sind die gegensätzlichen Wahrheiten 197  Konsens, lat. con = zusammen und sensus = Sinn; Schwarz 2005, 301 ff. verdeutlicht diesen Zusammenhang mit dem (vermeintlichen) Gegensatz zwischen „Freiheit“ und „Ordnung“. Im Ausgangspunkt ist Freiheit der Gegensatz zur Ordnung. Beide bekämpfen sich: Freiheit zerstört Ordnung, Ordnung begrenzt und zerstört Freiheit. Beide Interessen stehen im Gegensatz und scheinbar kann nur eines gewinnen. Die Vertreter der jeweiligen Interessen berufen sich im Kampf auf eine höhere Autorität, um den Kampf für sich zu entscheiden (Delegation): „Die historischen Erfahrungen“ beispielsweise sollen belegen, was die jeweiligen Interessen behaupten. Was richtig ist, ob Freiheit oder Ordnung, soll die Geschichte, nicht die zukünftige, sondern die vergangene zeigen. Freilich wird in dieser Geschichte nur das gesehen, was das eigene Interesse stützt. Geschichte als Verbündete. Gewinnt tatsächlich die Freiheit oder Ordnung, zeigt sich (in der zukünftigen Geschichte!) schnell, dass nur Freiheit oder nur Ordnung sich am Ende selbst zerstören. Übermäßig gelebte Freiheit ohne Ordnungselemente zerstört sich – ist Anarchie und Chaos und gebiert häufig Tyrannei und Alleinherrschaft. Übermäßig gelebte Ordnung ohne Freiheit zerstört sich – und endet im Chaos. Dass Ordnung und Freiheit nur scheinbare Gegensätze sind, die aporetisch-konfliktär zueinander stehen, wird daran deutlich, dass auch im Chaos Ordnung herrscht und zu finden ist. Ordnung und Freiheit sind folglich nicht nur Gegensätze, sondern insbesondere miteinander verbunden und voneinander abhängig. In der Freiheit stecken die Sporen der Ordnung, in der Ordnung verbirgt sich Freiheit. 198  Diesen „dialektischen Entwicklungsprozess“ symbolisiert auf einzigartige Weise das taoistische Zeichen von Yin und Yang. Auf den ersten Blick „gibt“ es nur Schwarz und Weiß zu sehen, Gegensätze schlechthin. Doch genauer betrachtet, wird der fließende Übergang deutlich. Im Yin ist Yang enthalten und umgekehrt. Diesen Gedanken hatte bereits Jung aufgenommen, als er sein psychologischen Modell entwickelte, dass jeder Mann auch seine weibliche Seele habe und jede Frau ihre männliche Seele (Animus und Anima). Die „Konfliktforschung bei Paaren“, dazu Jellouschek 2006, 60 ff., 75, greift diesen Gedanken mit Erfolg auf, um die Gegensätze und Unterschiedlichkeiten zwischen Mann und Frau nicht (mehr nur) als Problem und Hindernis zu begreifen, sondern als Herausforderung für jeden, sich zu vervollständigen und zu vervollkommnen, und damit auf seelischer und uns tatsächlich bewegender Ebene ganzheitlich zu werden.



II. Die Ebenen der Konfliktbehandlung101

ins Wanken geraten, so dass die Konfliktbeteiligten ihre Standfestigkeit und Positionierung aufgeben können. Sodann können die Argumente (wieder) verflüssigt und ineinander vermischt werden, um gemeinsam in Fluss zu kommen, damit aus der Verbindung eine neue vereinigte Wahrheit formiert und gefestigt werden kann, die ihrerseits wieder Ausgangspunkt einer Aporie werden wird. Die Synthese beider ermöglicht erst, den gemeinsamen und ganzheitlichen Sinn zu bestimmen. Schwarz beschreibt diesen Prozess in sechs Phasen199, die beginnen, wenn der Gegensatz den Beteiligten bewusst wird. Das ist Phase eins. In Phase zwei bekämpfen sich die Gegensätze und streben jeweils danach, den anderen zu vernichten. Phase drei ist erreicht, wenn die beiden Gegensätze erkennen, bevor sie sich vernichtet haben, dass sie auch selbst umkommen könnten. Um das eigene Überleben zu sichern, werden in Phase vier Kompromisse eingegangen, Waffenstillstandsabkommen. Phase fünf beginnt, sobald die Gegensätze erkennen, dass sie „Anteile des Gegners in sich tragen“, sie teilweise wie der Gegensatz sind und handeln. Von hier ist es nur noch ein Schritt, gemeinsam eine Synthese zu bilden (Phase sechs). Die Synthese hat als Ergebnis einen Konsens, einen gemeinsamen Sinn, den einer der Gegensätze allein nie hätte verkörpern können. Der Konsens wird damit zum Ausdruck unserer neurobiologischen Veranlagung, kooperativ zu handeln und dadurch selbst zu wachsen und nicht bloß zu altern.200 Gelingt dieser Prozess, erscheinen beide Gegensätze in neuem Lichte, sind Ausgangspunkte eines Neuen, haben sich gegenseitig integriert201 und vereinigt. Der Konflikt ist wirklich aufgelöst.202 Die ursprünglichen Gegensätze gibt es in dieser Art und Weise nicht mehr. Nun existiert das vereinigte Neue – das seinerseits Ausgangspunkt für einen neuen Gegensatz bilden wird. Dabei verwundert es nicht, dass dieser Prozess den Ebenen der Konfliktbehandlungsmethoden entspricht. Jeder konfligierende Gegensatz birgt ein solches lebens- und wachstumsförderliches Element in sich und hält es für die Beteiligten parat. Weichen diese der Konfliktaustragung aus oder bekämpfen den Gegner physisch oder verbal im Wege der Delegation, bleibt dieser Schatz zunächst ungehoben. Wird er gehoben, wachsen die beteiligten Persönlichkeiten an diesem Konflikt, wachsen durch ihn hindurch und letztlich über ihn und damit sich selbst hinaus.

199  Vgl. Schwarz 2005, 302 ff.; ders. Hm 1984, 68 f.; mit Beispielen auch Mahlmann 2001, 105, die den Phasencharakter allerdings unterbetont. 200  Vgl. Bauer 2008b, 23 ff., (ausdrücklich) 36; 94, 177, 198; eingehend Bauer 2008c. 201  Mahlmann 2001, 108. 202  Dazu Duss-von Werdt 2005, 188, insbes. Fn. 36.

102

B. Der soziale Konflikt

Verhandeln:

– kooperativ (konsensorientiert) („social brain“) – kompetitiv (kompromissorientiert)

Vermitteln lassen itte Dr

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(Mediation)

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Delegieren: – an einen Schlichter – an einen Richter

(Rechtssystem)

Kämpfen:

– Unterwerfen – Vernichten

Ausweichen

Abbildung 2: Evolution der Konfliktbehandlungsebenen

Das Vorgenannte zeigt, dass es in den eigenen Konflikten darum geht, sich durch die eigenen Verwicklungen zu entwickeln, um der eigenen Persönlichkeit im sozialen Miteinander Ausdruck zu verleihen.

C. Die Mediation – Ein Verfahren zur Behandlung sozialer Konflikte Im Folgenden wird die Konfliktbehandlungsebene der Mediation vorgestellt, ihre Stärken und Schwächen werden herausgearbeitet und ihre Risiken und Chancen verdeutlicht. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Unterschiedlichkeit zur Ebene der Delegation gelegt, die anhand des (staatlichen) Rechtssystems erfolgt. Ausgespart werden in diesem Teil noch Ausführungen zur Mediation im öffentlichen Sektor. Sie werden in den fünften Teil dieser Untersuchung eingearbeitet. Um sich der Mediation zu nähern, ist es hilfreich, zunächst den historischen Faden aufzunehmen, den die Mediation weiterspinnt (Kap. III. 1.), um anschließend die Mediation in ihren heutigen Ausprägungen und Spielarten genauer zu betrachten (Kap. III. 2. sowie Kap. III. 3.). Da Mediation heutzutage oftmals als Konsequenz der „Krise des staatlichen Rechts“ angesehen wird, ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Recht als Konfliktbehandlungsmethode einerseits unerlässlich und andererseits für das Verständnis von Mediation befruchtend (Kap. III. 4.). Aus diesen Erwägungen heraus werden einen Großteil dieses Kapitels Ausführungen zum Rechtssystem einnehmen, die auf den Erkenntnissen des zweiten Teils aufbauen. Abschließen wird diesen Teil die Untersuchung, ob und ggf. wie Mediation in den Rechtsstaat „eingepasst“ werden kann (Kap. III. 5.).

I. Der Bezugsrahmen der Mediation Mediation bietet – ganz allgemein gesprochen – einen Handlungsrahmen, der auf eine konsensuale Lösung eines Konflikts gerichtet ist und von einem allparteilichen Dritten ohne Entscheidungskompetenz begleitet wird.1 Bestenfalls ist Mediation der Entwicklungsprozess, in dem die Konfliktgegner – unterstützt durch einen Dritten – ihren Konflikt als verbindendes Element annehmen und sich als Konfliktpartner begreifen lernen.2 Welches 1  Zu den unterschiedlichsten Definitionen infolge der verschiedenen Blickwinkel auf den Prozess der Mediation Klammer 1999, 14 ff.; tabellarische Zusammenfassung verschiedener Definitionen bei Falk 2005, 27 ff. 2  Dazu Kap. B. I. 4.; Nicht durchgesetzt hat sich der deutsche Begriff der „Regelungsberatung“ (Witte GD 1994, 241), der zwar wissenschaftlich präziser ist, aber

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C. Die Mediation

Menschenbild und welche Grundgedanken dafür handlungsleitend sind, wird im Folgenden dargestellt. 1. Der „homo mediator“ Menschen, auch Mediatoren, begegnen anderen Menschen mit einem inneren Bild, das beschreibt, wer der andere ist, was er tun wird und welche Erwartungen darauf aufbauend gehegt werden dürfen.3 Diese inneren Bilder sind keineswegs nur „Glaubenssache“, sondern beeinflussen das, was tatsächlich geschehen wird. Sie sind realitätsbildend. Grundannahme einer mediativen Konfliktbehandlung ist, dass der Mensch eigenverantwortlich über sein Leben entscheidet und diesem Leben in Bezogenheit zu seinen Mitmenschen Gestalt gibt.4 Philosophisch formuliert wurde dieses Menschenbild in der existenzialistischen Philosophie, insbes. durch Sartre, Kirkegaard, Jaspers, aber auch durch die dialogische Philosophie von Buber.5 Nach Buber (1878–1965) ist für den Menschen das dialogische Prinzip6 kennzeichnend. Der Mensch wird – formelhaft gesprochen – am Du zum Ich7. Bubers Überzeugung, dass der Mensch durch das, was ihm widerfährt angeredet wird, so dass er durch sein eigenes Tun und Lassen auf diese schicksalhafte8 Anrede zu antworten vermag9, ist als philosophische Basis des Seins im Hier und Jetzt sinnstiftend für die mediative Konfliktbehandlung. Denn die eigenen Konflikte und das eigene Konfliktverhalten sind hiernach einerseits Schicksal, andererseits Antwort. In diesem Zusammenhang lässt sich auch auf die dialogische Philosophie des Physikers Bohm verweisen, der jedoch – soweit ersichtlich – keinen Eingang in die Literatur zur Mediation gefunden hat, obschon

wohl nicht für eine (Massen-)„Bewegung“ den erforderlichen Klang und Schwung mitbringt. 3  Dazu eindrücklich Bauer 2008b, 10 ff. 4  Duss-von Werdt pm 2007, 65; ausführlich ders. 2005, 160 ff. 5  Vgl. Proksch Kon:sens 1999b, 303; Duss-von Werdt pm 2007, 160; Instruktiv zur Existenzialistischen Philosophie Gethmann-Siefert / Nastansky 2005, 450  ff.; Quitmann 1996, 64 ff.; Zur Philosophie Martin Bubers s. Buber 2006; Schaeder 1966. 6  Buber 2006; auch Maser 2003, 116; ausführlich Seiwert 1992, 147 ff.; zu Buber Schaeder 1966. 7  Buber 2006, 32. 8  „Schicksal“ = mittelhochdeutsche schicken = senden, bereiten, geschehen und dem lateinischen Stammwort salus = Gesundheit, Ganzheit. Es wird hier sozusagen als „geschicktes Heil“ bedeutsam. 9  Buber 2006, 55 ff., 153 f.



I. Der Bezugsrahmen der Mediation105

er eine maßgebende theoretische Grundlage des mediativen Kommunika­ tionsprozesses lieferte.10 Diese philosophischen Grundlagen wurden wissenschaftlich und praxisbezogen maßgebend von der Humanistischen Psychologie11 verwertet und vertieft und in konkrete Handlungsprogramme umgesetzt. Die Humanistische Psychologie strömte zwar in verschiedene Richtungen12, jedoch verdeutlichen sie allesamt die zentralen Grundgedanken zum Menschen, die mit dem existenzialistischen Welt- und Menschenbild harmonieren.13 Der Mensch sei autonom und verwirkliche sich selbst, ist ziel- und sinnorientiert und auf Ganzheitlichkeit ausgerichtet.14 Auch wenn dieses Streben jedem menschlichen Wesen eigen sei, bleibe jeder doch einzigartig.15 Dass wir Menschen tatsächlich „Beziehungswesen“ sind, die in ihrem Streben auf Kooperation und gelingende Beziehungen zu anderen Lebewesen, insbesondere zu Unseresgleichen, angelegt sind, zeigen auch die jüngsten Forschungen der Neurobiologie.16 In der Zusammenschau ihrer Ergebnisse lässt sich sagen, dass wir ein „social brain“17 haben, welches unsere gesamte psychische und physische Verfasstheit auf gelingende Beziehungen zu anderen Lebewesen, insbesondere unseren Mitmenschen, einstellt. 10  Vgl.

Bohm 2002. Humanistische Psychologie ist neben der Tiefenpsychologie und dem Behaviorismus (engl. behavior = Verhalten) einer der drei großen Stränge moderner Psychologie. Dazu Schönpflug 2004, 345 ff. (zur Tiefenpsychologie), 327 ff. (zum Behaviorismus), 364 ff. (zum Kognitivismus); Schönpflug verortet die Vertreter der Humanistischen Psychologie – wenn überhaupt – im Kognitivismus, vgl. S. 368, da es eine Kluft zwischen praxisorientierter Humanistischer Psychologie und der mehr wissenschaftlichen, experimentell ausgerichteten Psychologie gibt, vgl. dazu instruktiv Hinte / Runge 1999, 300 ff. 12  Es entwickelten sich die sog. Transpersonale Psychologie, vertreten von Maslow, die Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie von Rogers, die Gestalttherapie von Perls sowie die Transaktionsanalyse von Berne. 13  Zur Ideengeschichte der Humanistischen Psychologie: Hinte / Runge 1999, 300 f.; zu Facetten des Menschenbildes der humanwissenschaftlichen Psychologie: Montada 2004, 361. 14  Vgl. Gührs / Nowak 2002, 22 f.; Hennig / Pelz 2002, 13 f.; Proksch Kon:sens 1998, 117 sowie 1999b, 303. 15  Diese Vorstellung vom Menschen, der sich stets aufs Neue, jedoch nie vom selben Punkte aus aktualisiere, sinn- und zielorientiert auf Autonomie ausrichte und sich dabei auf keine ewigen und endgültigen Wahrheiten außerhalb seiner selbst verlassen könne, unterscheidet sich fundamental vom pessimistischen psychodynamischen Modell der klassischen Tiefenpsychologie sowie vom Umweltdeterminismus des Behaviorismus’. 16  Dazu Bauer 2008; ders. 2008a; ders. 2008b; ders. 2008c m. w. N. 17  Diese Bezeichnung prägten Inse und Russel von der Stanford University, s.  Bauer 2008b, 37. 11  Die

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C. Die Mediation

2. Drei Basisgedanken bezüglich der Mediation Will man den Rahmen abstecken, in dem sich Mediation entfalten kann, ist es sinnvoll, seine historischen und philosophischen Spuren zu skizzieren. Diese werden andeuten, was ihr Anliegen ist. Ausgangspunkt der Überlegung bleibt freilich, dass Mediation zunächst einmal zwischen den Konfliktparteien vermittelt und ausgleicht, indem sie Autonomie und Individualität als persönliche Qualitäten aller Beteiligten anspricht. Wird im Laufe des Prozesses den Beteiligten deutlich, dass der Konflikt an sich nicht das eigentlich Problematische ist, sondern die bis dahin angewandten, aber unbefriedigenden und unwirksamen Lösungsstrategien, wird offenbar, dass Mediation auf einen sich entwickelnden und veränderlichen zwischenmensch­ lichen Umgang zielt, ohne den Beteiligten indes einen entsprechend förderlichen Umgang vorschreiben zu können. Insoweit unterstützt und stärkt sie das gemeinschaftliche Beziehungsmoment und nicht das – durch das staatliche Recht – vergesellschaftete Beziehungsmoment.18 Mediation betont folglich das freiheitliche und individuelle Gestalten der eigenen Welt im Kontext der betroffenen Anderen. Mediation ermöglicht, das konfligierende Beziehungsgefüge mit den konkreten Konfliktbeteiligten aus der Masse des Gesellschaftlichen herauszuheben und es als eine spezifische und bedeutsame Gemeinschaft zu begreifen, die, wenn auch zunächst unangenehm, so doch sinnvoll ist. Indem Mediation die Konfliktgemeinschaft betont, spricht sie gerade nicht dem Kampf des Individuums gegen die verrechtlichte Gesellschaft das Wort ab, sondern vermittelt zugleich in diesem Spannungsgefüge, gleicht aus, wo nötig und nutzt die Gegenwart konsequent als Aufforderung zu persönlicher Entwicklung und Transformation.

18  Die Unterscheidung zwischen „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ geht auf den deutschen Soziologen Tönnies (1855–1936) zurück vgl. Tönnies 1931, 34, 48 f., 63, 68; ders. 1991, 43 f. Unter Gemeinschaft versteht er ein zeitlich begrenztes Ereignis, in dem Menschen um ihrer menschlichen Beziehung willen zusammenkommen und sich derart selbst organisieren. Beispiele dafür sind Freundschaften, Paare, auch Familien oder Sippen, aber auch Arbeitsgemeinschaften oder Selbsthilfegruppen. Tönnies unterscheidet herrschaftliche und brüderliche Gemeinschaften. Die (staatlich nicht institutionalisierte bzw. instrumentalisierte) Mediation ist in ihrer Grundstruktur eine brüderliche Gemeinschaft, vgl. dazu Duss-von Werdt 2005, 232 ff. Gesellschaft andererseits ist durch Kalkül und Rationalität geprägt, Zweck und Mittel sind scharf getrennt. Und Gesellschaftliches gilt (mehr oder minder) für alle, ist (staatlich) verfasst, allgemein akzeptiert und heutzutage zumeist (gesetzlich) normiert. Beispiele dafür sind Ehen, Steuerzahler, Schüler, Arbeitnehmer und Arbeitgeber etc.



I. Der Bezugsrahmen der Mediation107

a) Der Vermittlungsgedanke der Mediation Mediation vermittelt die Beteiligten. Mediation war und ist zuvorderst „Vermittlung“ und diese wurzelt tief in unserer gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Historie.19 Der Vermittlungsgedanke ist deshalb keineswegs neu. Vermittlung als Ansatz der Konfliktbehandlung durch einen Dritten entwickelte sich bereits im antiken Griechenland. Damals war es üblich, dass zwischen verfeindeten Stadtstaaten neutrale Stadtstaaten eingriffen.20 Diese Stadtstaaten vertraten dabei zugleich weitere Stadtstaaten, die sich in ihren Interessen durch den „fremden“ Konflikt betroffen sahen.21 Vermittlung, wie sie damals praktiziert wurde, war mehr Schlichtung22. Auch das antike Rom kannte Vermittlung als Streitschlichtung. Hier gab es beispielsweise den „mediator amicibilis“23. In den Zeiten, in denen sich die moderne Staatsgewalt ausformte, entfaltete sich der Vermittlungsgedanke in neuer Weise. Er lässt sich auf zwei Ebenen in zwei Perioden nachzeichnen: Vermittlung war im Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit vor allem Angelegenheit der Kirche.24 Erst mit dem Aufkommen des modernen Staates betätigten sich auch nichtgeistliche Vermittler in der (Friedens-)Diplomatie zwischen diesen Staaten.25 Danach lässt sich schlagwortartig sagen, dass mit dem Zerfall des westlichen Teils des 19  Instruktiv Dendorfer 2006, 223 ff.; Horn 2006, 267 ff.; ausführlich Duss-von Werdt 2005. 20  Klammer 1999, 12; Proksch Kon:sens 1999a, 171. 21  Im Angesicht der „persischen Bedrohung“ (Perserkriege ab 490 v. Chr.), die latent für die vielen kleineren und großen Stadtstaaten vorhanden war, wurde Einigkeit und Friedfertigkeit untereinander lebenswichtig. Der Dritte (Stadtstaat) hatte hier also ein ganz eigenes (Überlebens-)Interesse an der friedlichen Beilegung von Gegensätzlichkeiten. Das eigene Interesse an der friedlichen Beilegung des Konflikts unterscheidet die Vermittlungsarbeit von damals zu heutiger Mediation. Insoweit verwundert es nicht, wenn die vermittelnden Drittstaaten bei einem Konflikt auch Drohung und Nötigung anwendeten, vgl. dazu Dahlheim 2002, 167 ff. 22  s. dazu Kap. B. II. 3. b). 23  Dazu Rapp 2004, 12; Hauser 2002, 223. 24  Besonders bedeutsam waren hierbei die Vermittlungsbemühungen des Zisterzienserordens z. B. im deutschen Thronstreit des 12. Jahrhunderts oder während des Alexandrinischen Schismas (1159–1177), dazu knapp Oberweis 2007 m. w. N., obschon auch hier eigene Interessen handlungsleitend waren und es sich nach der hier vertretenen Diktion um Schlichtungsbemühungen handelte. In der Sache ändert das freilich nichts. 25  Dass Diplomatie oftmals auch als Vorbereitung für den Krieg oder als Fortsetzung mit anderen Mitteln gebraucht wurde, also weder „friedlich“ noch „gewaltfrei“ war, sondern allenfalls „nicht-kriegerisch“, wird dabei keineswegs vergessen. Dazu instruktiv Reinhard 1999, 371 ff. Das Völkerrecht differenziert heutzutage zwischen „Guten Diensten“ und „Vermittlung“, vgl. Art. 3 ff.  I.  Haager Abkommen zur Erle-

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C. Die Mediation

Römischen Reiches bis zum Aufkommen des modernen Staates die Verhandlung und damit auch die Vermittlung grundlegend für die Rechtsfindung waren.26 Vermittelt wurde aufgrund stockender Verhandlungen, bei denen es um die Frage ging, was Recht ist. Vermittelt wurde solange, bis die Verhandlungen darüber wieder aufgenommen werden konnten. Späterhin27 trat allmählich eine „Umkehrung“ ein. Das (staatliche) Recht wurde zur Grundlage von Verhandlungen, so dass neben einem entscheidenden (staatlichen) Richter ein Vermittler überflüssig wurde. Der Staat und sein Recht vergesellschafteten und prägten die Gemeinschaft, insbesondere ihre „vorstaatlichen“ Konfliktbehandlungsstrategien. Der Staat setzte sich gegen die übrigen gesellschaftlichen Kräfte und Einflussgruppen durch und verdrängte sie (z. B. Stände, Fürstentümer, Bünde) oder gliederte sie in seine Strukturen ein (z. B. Städte, Universitäten, auch die Kirchen).28 Die Staatsgewalt beanspruchte, (allein) zu sagen, was (im Diesseits) Recht ist und versetzte sich in die Lage, dieses Recht (auch gegen Widerstände) durchzusetzen. Vermittlung blieb außen vor und konnte konsequenterweise nur dort fruchten, wo sich Staaten untereinander bekriegten und durch Drittstaaten schlichtend vermittelt wurde.29 Ein erster Schritt heutiger Vermittlungstätigkeit ist, dass die Gegner ihre Gegnerschaft akzeptieren und als solche zunächst anerkennen. Wer heute zwischen Gegnern vermittelt, setzt sich dafür ein, dass die Gegner ihren Gegensatz in einem ersten Schritt wahr- und als solchen annehmen, ohne ihn sogleich beseitigen zu müssen. Es geht um einen Moment des Innehaltens und Entschleunigens, damit ein konstruktives Konfliktmanagement möglich wird. Vermittlung ist Akzeptanzförderung vom Anderssein des Anderen.30 Dem Beobachter des triadischen Beziehungsgefüges wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass der Mediator durch sein gesamtes Verhalten31

digung von internationalen Streitfällen vom 18.10.1907, veröffentlicht im RGBl. 1910, S. 5 ff., dazu Schweisfurth 2006, 257 f., Rn. 9 ff.; Perschel 2002, 253. 26  Hehn 2009, Rn. 8. 27  Vgl. dazu auch Kap. C. IV. 1. c) aa). 28  Ausführlich Reinhard 1999, S. 211 ff., 399 ff.; instruktiv auch Nautz 2001; dazu auch Schuppert Der Staat 2008, 334 m. w. N. („vier Schlüsselmonopole konstituieren den frühneuzeitlichen Territorialstaat“, namentlich das Gewaltmonopol, das Rechtsetzungs- und -durchsetzungsmonopol, das Steuerungsmonopol sowie das Religions- und Kirchenmonopol); zu den Universitäten (und insoweit zum staatlichen Bildungsmonopol): Verger 1993, 58 ff., 83 ff. 29  Ausführlich Erläuterungen zu Vermittlungen in Staatskonflikten, s.: Duss-von Werdt 2005; Hehn 2009, Proksch Kon:sens 1999a, 171 ff.; (Erst) die Rechtsphilosophie des 20. Jahrhunderts anerkannte den Antagonismus von Recht und Gemeinschaft, vgl. nur Ellscheid 1979, 46 m. w. N. 30  Dazu lesenswert Schlegel ZTA 2006.



I. Der Bezugsrahmen der Mediation109

vermittelt, indem er es auf die konfligierende Kommunikation der Konfliktbeteiligten ausrichtet, um so den Kommunikationsprozess von der unbefriedigenden Eskalation hin zu einer gelingenden Konstruktion zu beeinflussen. Der Vermittlungsgedanke der Mediation gewährt die Chance zur befried(ig) enden, weil unmittelbaren Kommunikation, die ein menschliches Grundbedürfnis ist.32 31

b) Der Ausgleichsgedanke der Mediation Mediation gleicht auch aus. Sie gelingt häufig erst, wenn empfundenes Unrecht ausgeglichen wurde.33 Der Ausgleichsgedanke ist wie der Vermittlungsgedanke in unserer Historie frühzeitig erkennbar.34 Das mittelalterliche Strafrecht bezweckte nicht nur Strafe, sondern auch Ersatz und Ausgleich. Das Kompositionensystem milderte die sonst anzuwendenden „peinlichen Strafen“ ab.35 Das strafrechtliche Rechtsinstitut der „Transactio“, das sich bis zum heutigen sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“ nach § 46a Strafgesetzbuch ausstreckt36, verdeutlicht den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ausgleichsgedanken besonders gut. Ausgeprägt im italienischen Strafrecht verankert und Ausläufer römisch-rechtlicher Traditionen weitete sich die Trans­ actio späterhin in den germanischen Rechtskreis aus. Täter und Opfer einer Straftat schlossen dabei einen Vergleichs- und Sühnevertrag. Der Täter verpflichtete sich, den angerichteten Schaden durch ein Sühnegeld auszugleichen und das Opfer, den Täter nicht anzuklagen. Der Täter konnte dadurch einer hoheitlichen Sanktion entgehen.37 31  Vgl. Watzlawick / Beavin 1990, 98 („Alles Verhalten ist Kommunikation“ in Gegenwart eines zweiten, was selbstverständlich sei, aber nicht trivial.); dazu auch Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 50 ff. 32  Vgl. Heintel 2005, 80 ff.; Zur Kommunikation als (neurobiologisches) Grundbedürfnis Bauer 2008a, 2008b. 33  Das staatliche Recht ist dabei nur ein erster und grober Maßstab. Entscheidend sind die Beteiligten selbst. 34  Dazu Hehn 2009, Rn. 21 ff.; Duss-von Werdt 2000. 35  compositio = lat., Buße; vgl. Scherner 1978, 995 f.; vgl. Sellert / Rüping 1989, 56 f. 36  Hehn 2009, Rn. 23; ausführlich zum Mediation und Täter-Opfer-Ausgleich Rössner 2006, 321 ff. 37  Die (heute erkennbare) Gefahr liegt auf der Hand: Die Höhe des Sühnegeldes richtet sich vor allem nach der sonst drohenden hoheitlichen Strafe, als nach dem tatsächlich angerichteten Schaden. Die geschaffene Situation gleicht damit eher einer Erpressungssituation, denn einer vermittelnden Verhandlung zwischen Täter und Opfer. Der Täter wird in den Vertrag nur einstimmen, wenn dessen Inhalt weniger als die hoheitliche Sanktion wiegt. Andererseits erfordern gerade Erpressungssituationen druckvolle und entschlossene Verhandlungen – und manchmal auch umgekehrt.

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C. Die Mediation

Heute wird der Ausgleichsgedanke je nach Stil und Rollenverständnis der Mediatoren unterschiedlich stark betont. Jedenfalls ist er es, der die Suche nach zukunftsträchtigen Lösungen mit der Vergangenheit38 verbindet und in dieser Weise die drei zeitlichen Bezugspunkte Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Mediation zusammenführt. Für den Beobachter des triadischen Systems wird an dieser Stelle deutlich, dass es um Kooperation geht, die den Ausgleich zwischen den Beteiligten zu ermöglichen hilft. Kooperation ist erforderlich, um den Konflikt beizulegen und die Beziehung anders und zufriedenstellend zu gestalten. Der Ausgleichsgedanke hilft, dieser beziehungsbezogenen Gegenwart von Kooperation Kraft und Wirkung zu verleihen.39 c) Der Transformationsgedanke der Mediation Mediation transformiert. Der dritte Basisgedanke, der Gedanke, dass Mediation alle Beteiligten reifen lässt, weil sie sich aufeinander einlassen und miteinander gestalten, wird in der Praxis zu wenig beachtet. Er verliert sich in der Erfahrung, dass der Konflikt beigelegt und damit verschwunden ist. Tatsächlich geht allerdings nicht der Konflikt verloren oder wird abgeschafft, sondern die Beteiligten gewinnen Neues hinzu, neue Sichtweisen und Interpretationen über sich und den Anderen. Die Gegensätze sind nicht mehr maßgebend für die Beziehungsgestaltung, obschon durchaus noch vorhanden. Dies bringt der Transformations- bzw. Entwicklungsgedanke zum Ausdruck. Er wurzelt in der europäischen Vermittlungsgeschichte der letzten 2500 Jahre nicht besonders tief, soweit man nach Absichtselementen Ausschau hält. Die westeuropäische Philosophie vom „höher, schneller, weiter“ ist zwar leistungs- und entwicklungsbezogen. Jedoch verträgt sich eine derart außenorientierte Blickrichtung nicht mit der aporetischen Struktur40 von Konflikten. Die gemeinsame Wahrheit der Gegensätze bleibt auf solchen Wegen unerkannt. „Entwicklung“ und „Fortschritt“ in der europäischen Historie war auch aus diesem Grunde stets mehr gesellschaftlicher Fortschritt, war ein immer Höhersteigen, ein immer Schnellerwerden und ein immer Weiterkommen im sicht- und messbaren Außen. Heutige professionelle Mediatoren verschreiben sich mitunter ausdrücklich dem Entwick38  Das Thema „Vergangenheit“ ist in der Literatur zur Mediation umstritten. Hier haben sich Montada / Kals 2001, 56 ff. verdient gemacht, indem sie die Vergangenheit als Gesprächsthema entmythologisiert haben. Doch durchgesetzt hat sich ihr mehr psychologischer gegenüber dem ökonomischen Handlungsansatz keineswegs überall. 39  Zum neurobiologischen Grundbedürfnis Kooperation Bauer 2008b. 40  s. dazu Kap. B. II. 5. b).



I. Der Bezugsrahmen der Mediation111

lungsgedanken41: „Ziel [des Transformationsansatzes, S.W.] ist nicht nur (oder nicht vorrangig) die konkrete Regelung des Konflikts durch eine materielle Lösung. Das Mediationsverfahren soll vielmehr den Rahmen für soziale Lernprozesse bieten. Dabei kann es auch zu einer Veränderung und Neubewertung von Interessen kommen. Die Parteien können lernen, ihr Konfliktverhalten so zu verändern und ihre Handlungsmöglichkeiten so zu erweitern, dass sie den vorliegenden Konflikt und zukünftige Konflikte zufriedenstellender lösen können.“42 Der Transformations- und Entwicklungsgedanke schafft das Bewusstsein, dass der Konflikt Vermittlung und Ausgleich gefordert und gefördert hat, aber auch, dass der frühere Konflikt Ausgangspunkt für die eigene persönliche, aber auch gemeinsame beziehungsgestaltende Entwicklung war.43 Er verdeutlicht, dass der Konflikt zum menschlichen und sozialen Wachstum auffordert und sie, die Mediation bzw. konkret der Mediator gleich einem Geburtshelfer bzw. einer Hebamme hilfreich zur Seite steht, um das Drängende und Bedrängende ans Licht zu befördern. Der Beobachter eines Mediationsprozesses wird den Transformationsgedanken verwirklicht sehen, sobald die Medianten miteinander nach Lösungen suchen. Sie kreieren bereits zu diesem Zeitpunkt ihre Beziehung auf neuer Grundlage und nicht erst bei den Umsetzungsbemühungen. Der Transformationsgedanke zeigt sich in der Kreativität44 der Beteiligten. Das Mediationsverfahren selbst ist der Beginn, die Konfliktbeziehung neu zu gestalten, deren Kraft ausreichen sollte, auch ohne Mediator weiterhin zufriedenstellend zurechtzukommen. Indem – zusammenfassend gesagt – der Mediator, abgestimmt mit den Beteiligten, diese vermittelt, ihre Sichtweisen ausgleicht und die Beteiligten sich und ihre Beziehung konstruktiv entwickeln, fordert und fördert die Mediation die neurobiologisch fundierten Grundbedürfnisse des Menschen nach zwischenmenschlicher Kommunikation, Kooperation und Kreativität, also gemeinschaftlich im unmittelbaren Umgang sich und seine Welt zu gestalten. 41  Eine Spielart dieses Gedankens der gesellschaftlichen Transformation innerhalb der Mediationsbewegung zeigt sich in dem „Social Transformation Project“, s. dazu Breidenbach 1995, 132 f.; Weitz 2008, 40 f. 42  Troja ZKM 2004, 23; vgl. auch Perschel 2002, 258 f.; Haynes 2000; Proksch Kon:sens 1998, 114; Montada 2004, 370 f.; Baltzer-Bader 2004, 643. 43  Ähnlich Perschel 2002, 258 f. 44  Hier geht es weniger um die – zum Schlagwort geratene – „Kreativität“ als solche, lesenswert dazu von Hentig 2000. Der Grundgedanke der Mediation von Transformation und Entwicklung beschreibt prozesshaft, was neu zu kreieren ist, die Konfliktbeziehung anders zu gestalten als bisher.

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C. Die Mediation

3. Der Begriff „Mediation“ Die drei genannten Grundgedanken durchziehen die Geschichte der Vermittlung in Konflikten – und sind sprachlich im Titel „Mediation“ angelegt, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Mediation bedeutet Vermittlung und entstammt dem Griechischen μεσίτης (mesitës), das später zu mediatio latinisiert wurde.45 Im Übrigen weist Falk darauf hin, dass der griechische Wortstamm dia zum heutigen Wort Beziehung hinführt. Das Auseinandersetzen mit dem Gegenüber, die Wechselwirkung zwischen Nähe und Distanz sowie dem Gemeinsamen, findet darin Anklang.46 In der lateinischen Sprache lassen sich weitere Wurzeln finden. So heißt das Stammverb mederi im Deutschen heilen. Das Wort medicina beschreibt die Heilkunst, die wir – zumindest sprachlich – in unserer Medizin bewahrt haben. Eine weitere, nicht nur sprachliche Parallele lässt sich in der Meditation finden. Das hat in den 1980er Jahren in Deutschland zu Verwirrung geführt, da potentielle Medianten aus Unwissenheit Mediation mit Meditation gleichgesetzt haben oder stets nur Meditation verstanden.47 Doch so ganz ohne wahren Kern ist die Sache nicht. Meditatio bezeichnet die Kunst, sich mental auszugleichen, (wieder) ins Gleichgewicht zu kommen und die innere, die eigene Mitte zu finden. Oder kurz: sich einzumitten48. Deshalb verhält sich die Meditation zur Mediation, wie der innere zum sozialen Konflikt. Meditation und Mediation sind Wege, innere und äußere Konflikte aufzulösen. Es ist deshalb nicht fern liegend anzunehmen, dass die Mediation, die Medizin und die Meditation drei „Künste“ sind, die einer gemeinsamen Vorstellung folgen: „In der Mitte“ sei der Ausgleich von scheinbar gegensätzlichen und widerstrebenden Kräften zu finden, dort sei der Mensch „ganz und heil“, dort seien Beziehungen zu sich und anderen problem- und konfliktfrei, weil dort Gegensätze nicht existierten. Diese „Mitte“ kennt keine räumliche Ausdehnung, kennt kein Links und Rechts, kein Oben und Unten und weist keine Pole auf. Mathematisch drückt sich die Mitte im Punkt aus, der weder physisch existiert noch räumlich bestimmbar ist. So real er gedanklich existiert, so wenig ist er von der materiellen Welt. Diese erahnte und sprachlich angedeutete „Mitte“ ist Ausgangspunkt und Ziel aller drei Handlungsweisen, die angezeigt scheinen, wenn sie allzu weit verlassen wurde.49 Die Mitte scheint der Bezugspunkt in Krisensituationen zu sein.50 45  Kemmann / Gante-Walter ZKM 2001, 273 ff.; Hehn 2009, Rn. 8; Duss-von ­Werdt 2005, 26 ff.; Rüssel 2004, 76. 46  Falk 2005, 8. 47  Vgl. Falk 2005, 3; Trieb 1997, 106. 48  Vgl. Duss-von Werdt 2005, 26.



II. Die Grundsätze der Mediation113

II. Die Grundsätze der Mediation Nachdem die historischen Bezugspunkte der Mediation herausgearbeitet wurden, ist es nun möglich, die Grundsätze und Prinzipien zu verdeutlichen, denen Mediation folgt. Unabhängig von den vielfältigen Mediationsstilen, unterschiedlichen Rollenverständnissen und Denk- und Arbeitsweisen einzelner Mediatoren oder gar Mediationsschulen, handelt es sich bei diesen Grundsätzen um im Einzelnen unklare, aber allseits angestrebte Ziele. Jedermann, der sich praktisch und theoretisch mit der konfliktbezogenen Vermittlungsarbeit beschäftigt, verpflichtet sich im Kern zu diesen Prinzipien. 49 50

1. Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten Alles Handeln und Entscheiden im Mediationsprozess ist von Eigenverantwortlichkeit getragen.51 Sowohl die Medianten als auch der Mediator 49  So

für die Medizin und Meditation Dahlke 2003, 19. vereinigt wird diese Vorstellung vom (heilenden) Mittelpunkt im Mandala. Mandalas sind alle kreisrunden Strukturen, die in ihrem Aufbau überall auf ihren Mittelpunkt bezogen sind. Mandalas sind rotationssymmetrische Symbole und überall, in jeder Kultur und zu allen Zeiten, in diesem Sinne verwendet worden; Dahlke 2003, 23; ders. 2006. In diesem Zusammenhang wird etwa die Empfehlung an Mediatoren verständlich(er), Mediationsverfahren an runden Tischen durchzuführen (statt vieler Proksch ZKM 2000a, 135; Weiler / Schlickum 2008, 21; allgemein zur Sitzordnung Heussen 2009, Rn. 31), damit offensichtlich alle Teilnehmer den gleichen Weg und Abstand zu der (so verkörperten) Mitte zwischen ihnen haben. Freilich bleibt diese Mitte nur Potenz und Ziel und kann in der materiellen Welt nicht dauerhafte Realität werden, weil diese polar ist und keine längere Konfliktabwesenheit zulässt. Konflikte sind „in der Ordnung der materiellen Welt“. Schwarz 2005a, 62 erläutert dieses Phänomen anhand der aporetischen Struktur von Konflikten, dazu schon Kap. B. II. 5. b). Nach hier vertretenem Verständnis ist es nur ein Teil der Erklärung, dass durch den runden Tisch der gleiche Abstand zum Mediator gewahrt werden kann, denn einerseits hängt das von der Anzahl der Medianten ab und andererseits wird nicht empfohlen, dass der Mediator in der Mitte, weder auf noch unter dem Tisch, Platz nehmen solle, was allerdings, wenn es tatsächlich um den Mediator als Bezugspunkt ginge, konsequent wäre. 51  Das hier hervortretende Menschenbild, das der Mediation zugrunde liegt, ist auch Grundlage und Leitbild des bundesrepublikanischen Grundgesetzes, vgl. Art. 1, 2, 79 Abs. 3 GG sowie ausführlich BVerfGE 65, 41 ff. („Im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung stehen Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied in einer freien Gesellschaft wirkt. […] Individuelle Selbstbestimmung setzt aber […] voraus, dass dem einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten“.) Aus einer Gesamtschau der grundgesetzlichen Normen ergibt sich ein Menschenbild, das „stark von der Achtung eines selbstbestimmten Lebensentwurfes und einem Mindestmaß an Solidarität geprägt ist“, vgl. BVerfGE 4, 7, 15 f.; 30, 20; 45, 228; Her50  Bildlich

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C. Die Mediation

übernehmen die volle Verantwortung vor sich und den anderen Beteiligten für ihr eigenes Tun und Unterlassen. Dabei ist wichtig, den Sinngehalt genau zu erfassen. Verantwortung ist eine Fähigkeit auf die eigene Lebenssituation zu reagieren und die eigenen Antworten auf die Fragen zu finden, die die Situation stellt.52 Häufig und gerade in Konflikten, deren Behandlung vom Recht allgemeingültig konzeptualisiert und von Schuldzuweisung geprägt ist, denken viele, dass Verantwortung zu übernehmen bedeutet, die Schuld nicht mehr auf andere abzuwälzen sowie sie nun nur noch bei sich zu suchen. Sie irren. Das ist keine Verantwortung, die dadurch übernommen wurde. Schuld zu verteilen ist keine konstruktive Antwort auf eine aktuelle Situation, sondern eine festhaltende. Das hat vielfältige und kaum zu unterschätzende Konsequenzen für den praktischen Mediationsprozess. a) Freiwilligkeit der Beteiligten Eigenverantwortliche Konfliktbehandlung ist zuvorderst freiwillige Konfliktbehandlung: Wer eigene Antworten auf seine problematische Situation geben möchte, muss zum Ausdruck bringen, was er tatsächlich erreichen will und was er von seinen Mitmenschen erwartet. Der Mediationsprozess beginnt deshalb aus dem freien Willen aller Beteiligten heraus, wird freiwillig durchgeführt und freiwillig, wenn auch nicht zwingend einvernehmlich beendet.53 Gesetzliche oder sonstige Regelungen durch Konfliktfremde, die eine Mediation anordnen, widersprechen diesem Grundsatz.54 Vereinbarungen der Medianten hingegen, die für bestimmte Fälle eine Mediation vorsehen („Mediationsklauseln“), widersprechen diesem Grundsatz nicht. Soweit diese Klauseln rechtswirksam vereinbart wurden, binden sie die Beteiligten von Rechts wegen und können konsequenterweise gerichtlich eingefordert werden.55 degen 2005, Rn. 25. Dennoch sollte nicht verkannt werden, dass das Grundgesetz keineswegs ein eindeutiges Menschenbild skizziert, sondern auch in dieser Frage eine „gewisse Offenheit“ spiegelt. 52  Im Englischen heißt Verantwortung responsibility, dessen Stamm response neben ‚Antwort‘ im Deutschen ‚Reaktion‘ bedeutet. Daran wird die hervorgehobene Facette der Wortbedeutung besonders gut deutlich. 53  Vgl. Proksch Kon:sens 1998, 118; Kracht 2009, Rn. 99; Gullo 2006, 16 ff. m. w. N.; Gottwald 2001, 145, 147, die allesamt den Grundsatz der Freiwilligkeit nicht aus der Eigenverantwortlichkeit ableiten. 54  Das bedeutet nicht, dass sie (rechtlich) unzulässig wären, das bedeutet lediglich, dass sie nicht in und für eine Mediation „passen“. Weil Mediation Autonomie (lat., Eigen-Gesetzlichkeit) fördert, sind fremde Gesetze hinderlich und unpassend; zur Notwendigkeit und Sinn, Mediation gesetzlich zu reglementieren s. Goll ZKM 2002, 144 ff.; unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel prüft die Frage Risse 2006. 55  Mediationsverfahren, die aufgrund solcher Klauseln durchgeführt werden, können zuweilen „erfolgreich“ sein. Soweit allerdings die Beteiligten innerlich keines-



II. Die Grundsätze der Mediation115

Die Freiwilligkeit der Beteiligten steht im Übrigen nicht in Frage, wenn der Konflikt derart unerträglich für den Einzelnen geworden ist, dass ihm „nichts anderes übrig bleibt“, als sich mit dem anderen wieder zusammen an einen Tisch zu setzen.56 Zuweilen wird aufgrund dieses Drucks von einer Einschränkung der Freiheit gesprochen57, jedoch verkennt diese Ansicht den Eigenverantwortlichkeitsgedanken. Zunächst gibt es stets angesichts eines problematischen Konflikts mindestens zwei Wege. Mediation ist immer, wie jede andere Entscheidung auch, Ausdruck einer eigenverantwortlich getroffenen Wahl. Hinzu kommt die Tatsache, dass es häufig einer gehörigen Portion hausgemachten Leidensdruckes bedarf, ehe die Beteiligten bereit sind, sich mit sich und anderen gemeinsam auseinanderzusetzen.58 Eine ganz andere und die Freiwilligkeit beeinträchtigende, weil nötigende Sache ist es, wenn andere Personen (z. B. der Gesetzgeber) – warum auch immer – die Beteiligten zwingen, eine Mediation durchzuführen.59 b) Eigenverantwortlichkeit im Suchen Der Mediator richtet nicht und schlichtet nicht, sondern achtet in allen Belangen und zu jedem Zeitpunkt die Eigenverantwortlichkeit der Medianten für die Konfliktlösung. Andererseits bedeutet das nicht, dass er wirkungslos ist und die Medianten mit ihrem Konflikt allein lässt. Er ist mehr als bloßer Beobachter und Konfliktzeuge.60 Sein Einflussbereich reicht sowegs zur Kooperation bereit sind, verkommen Mediationssitzungen zur Alibiveranstaltung. Derartige Klauseln, sind zwar gerichtlich einklagbar, tatsächlich aber nur Absichtserklärungen, woran deutlich wird, dass Mediation in ihrem Wesen nicht mit dem bipolaren bzw. manichäistischen Denken der Rechtswissenschaften erfassbar ist. 56  Vgl. Duss-von Werdt pm 2007, 67. 57  Etwa Pühl 2004, 15. 58  Ebenso Seibert NVwZ 2008, 369. 59  Die Grenze von Zwang und Eigenverantwortlichkeitsbegrenzung zu werbender oder gar manipulierender Überzeugungsarbeit durch einen Konfliktfremden ist freilich fließend und theoretisch kaum fassbar. Eine Verortung des Einzelfalles hängt dabei nicht nur von der Art der Einflussnahme des Dritten ab, sondern auch von der inneren Verfasstheit der Konfliktbeteiligten selbst. Allein deshalb sollte sich der Gesetzgeber wohl überlegen, ob und wenn ja, wofür gesetzliche Regelungen dienen sollen. Jedenfalls wird zu Recht in strafrechtlichen Zusammenhängen nicht von Mediation gesprochen, sondern von Täter-Opfer-Ausgleich oder Wiedergutmachung, ebenso Rössner 2006, 321 ff., 328. 60  Gleichwohl bestehen Anhaltspunkte dafür, dass das, was für Kinder in wissenschaftlichen Untersuchungen belegt ist, namentlich, dass die bloße Anwesenheit eines interessierten Dritten, motivierend und belebend wirkt, auch für Erwachsene (in regressionsfördernden Krisensituationen wie einem Konflikt) gilt. Dazu Bauer 2008b, 38 ff.

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C. Die Mediation

weit, wie es ihm die Beteiligten zugestehen. Er begleitet sie auf ihrem Weg zu einer konsensualen, eigenverantwortlichen Lösung. Eine ergebnisbezogene Entscheidungsbefugnis kommt ihm nicht zu.61 Dennoch besteht hier ein Spannungsverhältnis zwischen Eigenverantwortlichkeit der Konfliktbeteiligten und der Allparteilichkeit und Neutralität des Mediators. Insbesondere in Entscheidungssituationen hat der Mediator ebenso wie der Richter und Schlichter Neutralität zu wahren.62 Der Mediator beeinflusst durch seine Anwesenheit und Tätigkeiten den Konflikt, wurde Teil des Beziehungsgefüges und befindet sich deshalb in einem latenten Spannungsverhältnis, das er auszugleichen, aber auch auszuhalten hat. In der Literatur zur Mediation lassen sich zum Umgang mit diesem Spannungsverhältnis zwei Herangehensweisen erkennen:63 aa) Lehre vom passiven Mediator Nach dieser Lehre ist der Mediator ausschließlich Kommunikator und Verfahrenswalter64, so dass er auch als „Verfahrensmittler“ statt als „Konfliktmittler“ bezeichnet wird65. Weder verantwortet er die (Teil-)Ergebnisse der Mediation, noch dass alle Konfliktbetroffenen an der Mediation teilnehmen. Überdies beeinflusst er nicht die Verhandlungen durch konkrete Vorschläge, noch interveniert er, wenn Medianten infolge von Absprachen Nachteile entstehen (werden). Dem benannten Spannungsverhältnis begegnet der Mediator in letzter Konsequenz, indem er sich „zum Neutrum zu machen sucht“. Der Wunsch nach persönlicher Neutralität zum Konfliktgeschehen führt hier zum Gebot, während des Verfahrens eine neutrale Persönlichkeit zu werden. bb) Lehre vom aktiven Mediator Die Lehre vom aktiven Mediator66 erkennt das Spannungsverhältnis zwischen der beeinflussenden Tätigkeit des Mediators und der Eigenverantwortlichkeit der Medianten (an). Eine Lösung in Form der Auflösung des 61  Rüssel

NJW 2000, 2802. Zusammenhang von Neutralität und Entscheidung verdeutlichend Kracht 2009, Rn. 17 ff. 63  Zum Folgenden ausführlich Breidenbach 1995, 143 ff., insbes. 149 ff.; Montada / Kals 2001, 41 f.; anhand eines Beispiels Diepeveen 2003, 223 f. 64  Vgl. Hornung 2006, 35 f.; Kracht 2009, Rn. 103; Gullo 2006, 20 f. 65  Etwa Appel 2008, Rn. 102 m. w. N. Dieser Titulierung wird hier nicht gefolgt, weil der passive Mediator nicht das Verfahren mittelt, sondern die Beteiligten im Konflikt, lediglich mit zurückhaltenden Methoden. 66  Vgl. Montada / Kals 2001, 41 ff.; Hornung 2006, 36. 62  Den



II. Die Grundsätze der Mediation117

Spannungsverhältnisses gibt es nicht. Der Mediator kann dieses Spannungsfeld nur stets aufs Neue ausgleichen. Das wird hier zur Aufgabe. Nach dem Motto: „so viel (Einfluss) wie nötig, (um nicht zu schlichten oder zu richten), so wenig (Einfluss) wie möglich (um eigenständiges Verhandeln herauszufordern)“, geht der Mediator hier vor, um die Medianten zu vermitteln oder sie im Vermittlungsverfahren zu halten, ohne aber selbst über die Sache verhandelnd zu richten. cc) Stellungnahme Die unterschiedlichen Auffassungen führen auch praktisch zu verschiedenen Handlungsanweisungen für ein vermittelndes Vorgehen. An folgenden Konstellationen soll das hier vertretene Verständnis verdeutlicht werden. 1. An einer Mediation nehmen nicht alle Konfliktbetroffenen teil. Darf der Mediator darauf hinweisen bzw. hinwirken, dass ihre Beteiligung förderlich sein könne? (Beim Ausbau eines Flughafens werden keine Vertreter umliegender Kommunen, sondern nur Vertreter der Fachbehörden z. B. durch den Flughafenbetreiber eingeladen oder umgekehrt.) 2. Trotz Einladung aller Interessengruppen und Betroffenen nehmen diese teilweise nicht teil, sondern bleiben fern. 3.  Die Medianten sind bei der Suche nach Lösungen ideenlos und wissen nicht, wie sie ihre Gegensätze praktisch auflösen können. Darf der Mediator seine Ideen vorbringen und zur Debatte stellen? 4.  Die Medianten steuern eine gesetzeswidrige Vereinbarung an. Darf der Mediator darauf hinweisen bzw. hat er die Vereinbarung entsprechend zu kontrollieren? (Mieter und Vermieter vereinbaren in einer Mediation eine Wuchermiete, weil der Mieter um jeden Preis in der Wohnung bleiben möchte.67) Soweit man der Meinung ist, dass der Mediator passiv zu vermitteln und insoweit lediglich die formale Kommunikation (unabhängig vom Inhalt) zu fördern hat, dürfte der Mediator weder auf fehlende Konfliktbetroffene hinweisen (Fall 1), noch den Inhalt der Absprachen „kontrollieren“ (Fall 4). Ebenso wäre es dem Mediator verwehrt, eigene Lösungen vorzuschlagen (Fall 3). Soweit die Eingeladenen überhaupt 67  Das Beispiel stammt von Kracht 2009, Rn. 109. [Zu beachten ist hier aber, dass der Vermieter eine wertlose Vereinbarung trifft. Denn, wenn es dem Mieter „um jeden Preis“ darum ging, in der Wohnung zu bleiben, besteht gar kein Konflikt um die Miethöhe zwischen Vermieter und Mieter. Der Konflikt besteht vielmehr zwischen den Medianten mit dem Gesetz (-geber)! Sofern der Mieter jedoch weniger bezahlen wollte als vereinbart, ist eine Vereinbarung über einen Wucherzins wirkungslos. Der Mieter muss nicht so viel zahlen, sondern zahlt, wenn er will, wofür es wohl keine ausdrückliche Absprache gebraucht hätte. Das Beispiel tangiert das Verhältnis der Medianten zum Recht des Gesetzgebers, das später ausführlich dargestellt werden wird.]

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C. Die Mediation

nicht erscheinen (Fall 2), bleibt einem passiven Mediator auch nur übrig, die Einladung zu wiederholen. Wie die Grenze zwischen formaler Kommunikationsförderung unter Aussparung der Inhalte zu ziehen ist, beantwortet diese Lehre nicht. Angesichts des Axioms der praktischen Kommunikationstheorie, dass wir in Anwesenheit eines anderen nicht nicht kommunizieren können68, ist die Forderung an den Mediator, lediglich die formale Kommunikation zu fördern, an und für sich nicht erfüllbar. Vielmehr ist die Trennung in formaler und materieller Kommunikation nicht durchzuhalten. Auch das beiderseitige Schweigen ist Kommunikation und die Beteiligten „informieren“ auf diese Weise.

Mediation ist Vermittlung zwischen Konfliktbeteiligten. Sind die Konfliktbeteiligten trotz Einladung nicht anwesend (Fall 2), kann und soll offensichtlich auch nicht vermittelt werden. Eine Mediation erübrigt sich. Der Mediator stellt seine Dienste den Beteiligten zur Verfügung, nicht umgekehrt. Soweit allerdings Konfliktbeteiligte mangels Kenntnis und Einladung fehlen (Fall 1), stellt sich die Situation für den Mediator anders dar. Rufen einzelne Konfliktbeteiligte den Mediator an, damit er im Konflikt vermittelt, wird er beauftragt, alle Konfliktbeteiligten zu informieren und einzuladen. Insoweit sich die beauftragenden Konfliktbeteiligten gegen die Einladung einzelner anderer Beteiligter aussprechen, verhalten sie sich widersprüchlich, weil sie den Konflikt, so wie sie ihn sehen, beenden wollen, aber nicht den, wie alle Beteiligten ihn erleben. Im Übrigen können sie die Mediation selbst beenden. Deshalb stellt es eine konsequente Vermittlungsarbeit dar, wenn der Mediator darauf achtet, dass alle Konfliktbeteiligten teilnehmen (können). Soweit die Medianten bewusst gesetzeswidrige Absprachen treffen (Fall 4), stellt sich bereits die Frage, ob tatsächlich vermittelt werden kann. Denn hier besteht de facto lediglich ein Konflikt mit dem Gesetzgeber. Die anwesenden Medianten sind sich insoweit einig, verstoßen aber gegen das Gesetz. Diese Tatsache hat der Mediator ebenso im Auge zu behalten wie die Medianten selbst. Die Beauftragung eines Mediators entbindet nicht von der Gesetzestreue. Die Lehre vom aktiven Mediator betont, dass der Me­ diator sowohl die vollständige Anwesenheit der Konfliktbetroffenen ver­ antwortet, als auch den rechtlichen Bestand der Vereinbarung.69  70 68  s.

Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 50 ff. er dies ohne fachliche Hilfe verantwortet (weil er selbst Rechtsanwalt ist) oder juristische Hilfe (im Einverständnis mit den Medianten) hinzuzieht oder ob er lediglich seine rechtlichen Bedenken äußert, modellieren letztlich das Rollenverständnis vom aktive(re)n Mediator. 70  Die Frage nach der Aktivität oder Passivität des Mediators ist unabhängig davon, ob die Mediation im öffentlichen oder privaten Sektor stattfindet. Zwar wird zuweilen danach differenziert mit der Begründung, weil das Rechtsstaatsprinzip nur im öffentlichen Sektor wirke und der private Sektor vom Grundsatz der Privatautonomie gekennzeichnet sei. So etwa Gullo 2006, 23. Doch beruht dieses Verständnis 69  Ob



II. Die Grundsätze der Mediation119

Strukturell vergleichbar ist die Sachlage, wenn die Medianten unbeabsichtigt ein rechtswidriges Ergebnis ansteuern. Darauf muss der Mediator hinweisen (dürfen). Der Vorwurf, er beschränke die Eigenverantwortlichkeit der Parteien, geht fehl. Denn die Eigenverantwortlichkeit beschränkt in diesem Falle bereits das Gesetz, nicht der Mediator.71 Während im streitigen Verfahren danach gefragt wird, wer Recht und Unrecht hat, kommt es im Vermittlungs- bzw. Verhandlungsverfahren darauf an, kooperativ den zukünftigen Umgang miteinander zu regeln.72 Dabei ist es eine Sache, eigene Vorstellungen zu verwirklichen, eine ganz andere, gegen staatliche Gesetze zu verstoßen.73 Dem Mediator ist es auch unbenommen, eigene Ideen aktiv einzubringen, wenn es darum geht, Lösungen zu finden (Fall 4). Freilich ist hierbei Fingerspitzengefühl erforderlich und der Ton, der seine Ideen begleitet, macht letztlich die Musik.74 Keinesfalls sollte der Mediator ohne Absprache mit den Konfliktbeteiligten seine Ideen einbringen. Und wenn er glänzen möchte, sollte er sich zurückhalten. Und glaubt er an Zeitfenster, die sich wieder schließen, wenn er nicht jetzt sogleich seine Idee vorträgt, sollte er sich auch zurückhalten. Passt seine Idee tatsächlich, passt sie auch noch später. Der Mediator sollte sich bewusst darüber sein und bleiben, dass seine Ideen seine Allparteilichkeit tangieren und Missfallen hervorrufen können. Sie sind nicht nur Ideen für die Medianten, sondern auch eine Gefahr für seinen Auftrag. Im Zweifel steht ihm allein deshalb Zurückhaltung gut. Das bedeutet aber nicht, dass seine Ideen nicht brauchbar sind oder er sie wie ein Geheimnis hüten muss. Ohnehin sind es die Medianten, die sich für eine Lösung entscheiden (müssen).75 auf einer Vermischung der Axiome von Recht und Mediation. Hier sei nur angedeutet, dass auch im privaten Sektor die Freiheit nicht besteht, gegen Gesetze zu verstoßen. Und die Arbeit, im Konflikt zu vermitteln, ist keine rechtliche Arbeit – egal in welchem Sektor. Davon wird noch ausführlich zu sprechen sein. 71  So korrekt Kracht 2009, Rn. 111. 72  Ähnlich Proksch GD 1994, 284. 73  s. dazu ausführlich Kap. C. III. 74  Besemer 2005, 86 f. rät deshalb zu verschleiernden Formulierungen, etwa: „Manch andere haben ein ähnliches Problem schon so und so geregelt …“ oder „Es gibt Leute, die machen dann …“ oder durch „Was wäre, wenn Sie das so und so machen würden …?-Fragen. 75  Da die Medianten sich anders als beim Richter nicht mit dem Mediator „gut stellen“ müssen, können sie auch seine Vorschläge verwerfen, ohne Nachteile zu befürchten. Vom Mediator sind die Ergebnisse der Konfliktbehandlung nicht abhängig. Und nur ein Mediator, der ohnehin nicht aus der Mitte heraus handelt bzw. eigene, ganz persönliche Interessen verfolgt, wird darüber verärgert oder gekränkt sein, dass seine Ideen nicht angenommen werden. Dass die Medianten (häufig unbewusst) versuchen, den Mediator zu überzeugen, fordert von ihm Aufmerksamkeit und Taktgefühl, dass er dieses Angebot nicht annimmt. Gleiches gilt, wenn sich

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C. Die Mediation

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass seine Ideen tatsächlich beeinflussend wirken und der Mediator deshalb zurückhaltend mit ihnen umgehen muss. Eine eigenständig gefundene, wenn auch punktuell mangelhafte Konfliktlösung ist für die Konfliktbeteiligten regelmäßig wertvoller als eine „makellose“, aber vom Mediator vorgeschlagene.76 Hüten sollte sich der Mediator davor, dass ihm die Klienten folgen, er sie faktisch (er-)zieht, statt sie zu begleiten.

c) Eigenverantwortlichkeit im Finden Aus dem Vorgenannten wird deutlich, dass es in der Mediation weniger um die „richtige Lösung“ geht, sondern um die Lösung des Konflikts durch diejenigen, die ihn haben. Die Konfliktparteien sind es, die Veränderungen wünschen. Die Mediation ist eine Möglichkeit, diesen Wünschen Gestalt zu geben ohne in Gewalt zu verfallen. Die Medianten lernen (erstmals oder vertiefter), sich neu in Beziehung zu setzen, indem sie sich aussprechen, neu absprechen und im Ganzen direkter und offener aufeinander beziehen.77 Diese Absprachen und Lösungen können aus der Sicht anderer „ungenügend“ oder „schlecht“ sein oder sonst wie bewertet werden. Doch kommt es auf Meinungen Unbeteiligter und auch die des Mediators letztlich nicht an.78 Ein guter Mediator hält es demnach aus, wenn die Medianten eine aus seinem Verständnis heraus unzureichende oder „schlechte“ Lösung favorisieren. Im Zweifel sollte er sich nach hier vertretenem Verständnis zurückzuhalten, was ihm besonders leicht fällt, wenn er kein eigenes Interesse am Konfliktausgang hat.79 Ein Sonderfall ist hier freilich der „vermittelnde Staat“: Ihm ist eine derartige Zurückhaltung kaum möglich, da er selbst an einer konfliktbeilegenden Mediation interessiert ist.

Medianten mit dem Mediator gut stellen möchten und dessen Lösungen „hervorragend“ finden, damit dieser sodann den anderen doch noch überzeugt, wer „wirklich im Recht“ ist. 76  So auch von Schlieffen, ZKM 2000, 52. 77  Ähnlich Proksch Kon:sens 1999b, 302; Heintel 2005, 80 ff. 78  Zuweilen wird die Meinung vertreten, dass die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, Voraussetzung für eine Mediation ist. So Pühl 2004, 15. Verantwortungsübernahme ist allerdings nicht Voraussetzung einer Mediation, sondern ihr erklärtes Ziel. Fälle schwerster neurologischer oder psychischer Krankheiten, die das Ziel unerreichbar werden lassen, verunmöglichen deshalb von Beginn an eine Mediation. Um einen logischen Schluss aus dem Gesagten zu verhindern: Das bedeutet nicht, dass Medianten bzw. Konfliktbeteiligte vor der Mediation nicht die Fähigkeit besaßen, Verantwortung zu übernehmen. Mediation erhöht nicht die Quantität von Verantwortungsübernahme, sondern die erlebbare Qualität. 79  Besemer 2005, 18.



II. Die Grundsätze der Mediation121

d) Eigenverantwortlichkeit und Informiertheit Mediatoren sind sich einig, dass tragfähige Vereinbarungen nur durch umfassende Information möglich seien. Schröder und Kracht meinen, dass für eine erfolgreiche Mediation alle entscheidungserheblichen Fakten und Tatsachen zu offenbaren sind und umfassende Kenntnis über die Rechtslage bestehen müsse.80 Weitergehend meint Hornung, dass mangelhaft informierte Parteien gar keine eigenverantwortlichen Entscheidungen treffen könnten.81 Zu beachten ist jedoch, dass sich das Mediationsverfahren strukturell vom Rechtssystem unterscheidet82 und nicht die Zwecke und Funktionsweisen von diesem auf jenes übertragen werden. Information über entscheidungserhebliche Tatsachen ist nach dem vorliegenden Verständnis von Mediation keine Bedingung für ein Mediationsverfahren, sondern oftmals dessen Ergebnis und ein Zeichen, dass aus den Konfliktgegnern eine Gemeinschaft geboren werden konnte. Das Mediationsverfahren sollte deshalb nicht mit den Problemen des Rechtssystems belastet werden. Fragen, die auftauchen, wenn ein Mediant bewusst oder unbewusst Informationen zurückgehalten hat, die den anderen Medianten zu anderen Entscheidungen veranlasst hätten oder eine Mediation nur als Informationsbeschaffung für einen späteren Gerichtsprozess dient, sind Fragen des Rechtssystems, die angesichts professionalisierter Mediationen auf befriedigende Antworten drängen.83 Doch sollte die Bedrängnis nicht dazu führen, die Ebenen der Konfliktbehandlung auf eklatante Weise zu verwechseln. Mangelnde Information ist eine Frage des Vertrauens in sich und des Zutrauens in den Konfliktpartner. Erst für die Frage, ob die mediative Vereinbarung rechtswirksam ist, stellt sich die Frage, ob sie den rechtlichen Anforderungen genügt.84 Dass Konfliktparteien eine tragfähigere Vereinbarung treffen, wenn sich sie sich gegenseitig informieren und mit offenen Karten spielen, bleibt dabei unbestritten, bedeutet aber nur, dass sie sich mehr vertrauen und auf ihre Beziehung weiter bauen. 80  Schröder

2004, Rn. 29; Kracht 2009, Rn. 114. 2006, 8 m. w. N. 82  Dazu Kap. B. II. 3.; Kap. B. II. 4. sowie Kap. C. IV. 83  Erste juristische Antworten liefern Oldenbruch 2006; Gullo 2006; Cremer 2007. 84  Für diese Rechtsfrage kommt es bspw. auf Willensmängel, Täuschungen etc. an, vgl. §§ 119, 123 BGB. Von der Mediation ist nicht zu erwarten, dass sie das Problem unlauterer Informationsbeschaffung im Vorfeld eines Gerichtsprozesses löst. Oder anders: Wer sich auf Mediation einlässt, liefert sich auch ein Stück weit aus. Und inwieweit er sich im Mediationsverfahren im Hinblick auf einen Gerichtsprozess ausliefert, ist eine Frage des Rechtssystems, nicht der Mediation. 81  Hornung

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C. Die Mediation

Um sich einer Deutung des Begriffs Information innerhalb des mediativen Kontextes zu nähern, erscheinen seine Bezüge zur Eigenverantwortlichkeit hilfreich. Information des Konfliktbeteiligten sowie das Erbitten von Informationen sind Zeichen der Eigenverantwortlichkeit innerhalb des Mediationsverfahrens, das allein deshalb begonnen wurde, um sich mit dem Konfliktbeteiligten (wieder) ins Einvernehmen zu bringen. Medianten fordern sich de facto selbst auf, sich durch Nachfragen und den anderen durch Mitteilung zu informieren. Information ist Präsentation und gibt kund, mit wem der Konfliktgegner es zu tun und was er zu erwarten hat. Das ist die Basis konkreter Konfliktlösung und allgemeiner Beziehungsgestaltung. Diese sich aus der Eigenverantwortlichkeit der Medianten ableitende Information wirkt nicht nur wechselseitig, sondern auch prozesshaft. Es handelt sich nicht um einen einmaligen Akt, sondern um einen Informationsfluss, der sein Weiterströmen selbst fordert. Hier belebt sich das dialogische Prinzip des Menschen85, das sich linear-kausalen Modellen für das, was zwischen Menschen geschieht, entzieht.86 Maßgebend für diesen Beziehungsprozess ist die Frage: Was braucht es gegenwärtig an Mitteilung und Bitten um Mitteilung, um gemeinsam die gemeinsame Beziehung so zu gestalten, dass ein jeder mit ihr zufrieden ist und nicht durch konfliktäre Prozesse eingeschränkt wird, die die Unterstützung von Außen erfordern. Diesen Prozess des gegenseitigen Mitteilens in Gang zu setzen, ist Aufgabe des Mediators. Ihm obliegt es, Hindernisse zu erkennen und auf deren Beseitigung hinzuarbeiten, ohne für ihre Existenz die Verantwortung zu übernehmen. Beispiele: Soweit etwa Medianten der Meinung sind, die eigene Mitteilung sei nur ein notwendiges Übel der Mediation oder an sich gar nicht erforderlich, hat der Mediator zur Aufklärung dieses Irrtums beizutragen. Sind Medianten der Meinung, die eigene Mitteilung von Informationen sei angesichts eines möglichen Gerichtsprozesses oder sonstiger Verwertbarkeiten viel zu riskant, muss sich über Vertrauen und Zutrauen („Was trauen Sie ihrem Konfliktgegner zu?“) verständigt werden, was sodann als eigentliches Thema des Konflikts bzw. der Beziehungsgestaltung erscheint. Mediation ist, anders als das Rechtssystem, das Sanktionen vorsieht und Schutz vermitteln will, nicht dazu da, derartige Fragen für die Medianten zu lösen.

Exkurs: Informiertheit über die Rechtslage Gerade für juristisch Geschulte oder in sonstigem Anspruchsdenken verhaftete Konfliktbeteiligte oder -bearbeitende ist es ein markanter Punkt, an dem die anders gelagerten Zwecke von Recht und Mediation deutlich werden, die sich in den Handlungen des jeweiligen Dritten niederschlagen. Das 85  Buber

1994, 32. Duss-von Werdt pm 2007, 66.

86  Ebenso



II. Die Grundsätze der Mediation123

Thema entzündet sich an Fragen, inwieweit die Medianten über die Rechtslage informiert sein müssen bzw. über ihre rechtlichen Ansprüche (durch den Mediator) informiert werden müssen. An dieser Stelle ist Differenzierung notwendig. Soweit das Recht das Handeln der Mediationsbeteiligten in ihren Wunschverwirklichungen begrenzt, müssen sie diese Grenzen einhalten. Wie sie derartige Grenzen beachten, bleibt ihnen vorbehalten. Das ist unstreitig und entspricht im Übrigen jeder anderen Situation in einer verrechtlichten Gesellschaft und ist keine mediationsspezifische Frage. Ob sich der Mediator beauftragen lässt, die Einhaltung der Grenzen zu beobachten, erscheint lediglich als eine Frage seiner beruflichen Qualifikation sowie seines Rollenverständnisses als Mediator. Im Zweifel sollte er – angesichts des Allparteilichkeitsgrundsatzes87 – den entsprechenden Auftrag ablehnen. Sofern das Rechtssystem generell ein Verbot vorsieht, sowohl zu vermitteln als auch zugleich rechtlich zu beraten, erübrigt sich ohnehin die Frage nach dem Allparteilichkeitsgrundsatz. Etwas anders verhält es sich mit verrechtlichten Ansprüchen, die zu der Frage (ver-)führen (können), ob der Rechtsweg nicht vorteilhafter als der Mediationsweg ist. Soweit ein Mediant gesetzliche Ansprüche gegen den Konfliktpartner geltend machen kann, sollte er zumindest über sie Bescheid wissen, um entscheiden zu können, ob er sie tatsächlich vor Gericht geltend machen oder als Verhandlungspotential verwenden möchte – oder sie gänzlich fallen lässt, was sich gleichsam auf die Beziehung zum Konfliktbeteiligten auswirkt. Das ist letztlich eine Frage der Auswahl der Konfliktbehandlungsmethode durch den Konfliktbeteiligten. Der Vermittler seinerseits arbeitet mit denjenigen Personen, die er in der Mediation vorfindet. Es ist keineswegs die Aufgabe des Vermittlers, die Anspruchslage und etwaige Erfolgsaussichten vor Gericht zu klären. Diesen Auftrag mag er zwar – zusätzlich und rechtlich einwandfrei – annehmen können, doch gefährdet der Mediator damit seine Allparteilichkeit. Bei der juristischen Prüfung muss eine Entscheidung gefällt werden, die zu Lasten mindestens einer Person geht und zumeist den anderen bevorzugt.88 Diesen Auftrag sollte sich der Mediator zugunsten seiner Rollen- und Auftragsklarheit sowie der Medianten ersparen. Deutlich wird jedoch, dass die Frage nach Anspruchsgrundlagen wichtig für die Konfliktbeteiligten im Umgang miteinander ist. Deshalb wird der Mediator bedenken müssen und zu Bedenken geben, dass Recht und einen Anspruch innezuhaben eine Sache (von Vorteil) ist, aber Recht und Ansprüche (gerichtlich erfolgreich) durchzusetzen eine ganz an87  Dazu

sogleich Kap. C. II. 2. verkennen häufig Mediatoren, die auch Juristen sind, vgl. Eidenmüller 2001, 35 f.; zum Ganzen: Schröder 2004, Rn. 95 ff., 99 ff. Wie auch immer man das Recht zur Mediation setzt, der Mediator ist jedenfalls gut beraten, wenn er frühzeitig sein Verständnis und seine Arbeitsweise offenbart. 88  Das

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C. Die Mediation

dere. Die Rechtsdurchsetzung kostet in jedem Falle Zeit, Nerven, Kooperationswilligkeit und -fähigkeit. Hilfe dafür können die Medianten nicht von ihrem Vermittler verlangen, sondern nur von einem Rechtsbeistand.89 2. Allparteilichkeit des Mediators Für die Vermittlung in Konflikten ist es unumgänglich, dass der Mediator allparteilich agiert. Er hat seine Allparteilichkeit zu wahren und zu schützen und gegebenenfalls wieder zu aktualisieren.90 Dafür ist es angezeigt, dass er sein Selbstverständnis als Mediator offen legt und den Medianten gegenüber verdeutlicht und vertritt. Was Allparteilichkeit im konkreten Fall bedeutet, welche Interventionen sie gefährden oder fördern, ist nicht für alle Mediationen und jeden Media­ tor zu klären. Das hängt sowohl vom gewählten Mediationsstil91 als auch von der Persönlichkeit des Mediators ab. Generell lässt sich Folgendes sagen: Im Ausgangspunkt fordert Allparteilichkeit, dass sich der Mediator wechselseitig auf die Beteiligten einlässt92. Proksch empfiehlt dem Mediator dafür eine „engagierte Gelassenheit“ bzw. „gelassene Engagiertheit“93. Die Allparteilichkeit spiegelt einerseits die Notwendigkeit (auch) für die Medianten wider, einen zugewandten und interessierten Dritten hinzuziehen zu müssen, andererseits den Wunsch der Medianten, selbständig aus der verwickelten und verworrenen Situation herauszufinden. 89  Die Frage, ob es moralisch und ethisch vertretbar ist, wenn ein Vermittler „still zuschaut“, wie sich die Konfliktbeteiligten unter Verzicht rechtlicher Ansprüchen einigen, obwohl einer der Beteiligten „seine Ansprüche gar nicht kennt“, führt freilich zu der Behauptung, dass der Mediator über die Rechtslage informieren müsse, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden (weshalb – nur – Juristen fähig seien, in Konflikten „wirklich“ zu vermitteln). Die Antwort ist zwar konsequent, ergibt sich aber aus der (irreführenden) Fragestellung. In der simplifizierten Situation existiert gar kein Konflikt mehr, der einen Vermittler benötigt, da sich die Beteiligten bereits einig sind. Sollten die Beteiligten jedoch angesichts einer möglichen Einigung aus Unsicherheit (den Mediator) fragen, ob die Einigung „gut“ ist und sie sie schließen „sollen“, gibt es für den Mediator zumeist nur eine Antwort: „Nein, sie sollen nicht.“ Ein Mediator ist nicht dazu da, zu sagen, was die Beteiligten tun sollen, sondern dazu, ihnen zu helfen, das herauszufinden, was sie wollen. Dafür hilft die (Gegen-) Frage: „Was bedarf es, um die Unsicherheit beizulegen? Weiterer, vielleicht recht­ licher Information?“ In diesem Falle muss sich – aus Eigenverantwortlichkeit heraus – der Unsichere um die entsprechend benötigten Informationen kümmern. 90  Vgl. Risto 2003, 60; Dulabaum 2003, 18 ff., 124; Besemer 2005, 18; Proksch Kon:sens 1999b, 305 f.; 1999c, 369 f.; kritisch zum Begriff der Allparteilichkeit Haynes / Bastine / Link / Mecke 2002, 65. 91  s. dazu Kap. C. IV. 1. 92  Risto 2003, 15. 93  Proksch Kon:sens 1999b, 306.



II. Die Grundsätze der Mediation125

Allparteilichkeit bestimmt Form und Inhalt vermittelnden Handelns und stellt den Persönlichkeitskern des „homo mediators“94 dar. Zwar gibt sie dem Mediator keine konkreten Handlungsmöglichkeiten oder Interventionen vor, doch alle Vermittlungsbemühungen und Interventionen wären ohne allparteiliche Wurzel der Mediation abträglich. Allparteilichkeit verkörpert sich in einem „absichtsarmen Engagement“, einem Unterstützen ohne zu bedrängen, einem Anstoßen ohne Zurechtweisen, einem Konfrontieren ohne zu verfolgen, eine Hilfestellung ohne zu retten. Allparteilichkeit zeigt sich im vermittelnden Handeln des Dritten, ist aber in der Haltung des Vermittlers begründet. Allparteiliches Vermitteln ist die Gratwanderung des Mediators.95 Beispiele für allparteiliches Vermitteln: Allparteilich handelt der Mediator, wenn er allen Konfliktbeteiligten diejenige Zeit gewährt, die sie benötigen, um ihre Sicht der Dinge darzulegen und ihre Definition des Problems zu schildern. Das kann bedeuten, dass der Mediator bei „verstockten“, „unsicheren“ Beteiligten (mehr) nachhakt als bei eloquenten und redseligen. Wo einige angestoßen werden müssen, müssen andere gebremst werden, nicht um Einzelnes auszuschließen, sondern um dem Gemeinsamen Chancen einzuräumen. Die Allparteilichkeit zeigt sich darin, dass er darauf achtet, dass alle Konfliktbeteiligten ihre problematischen Themen angeben, über die gesprochen werden muss, um das Konfliktäre zu verstehen. Dabei definiert freilich jeder Beteiligte seine Problemthemen, doch auf Widersprüche und Auslassungen wird der zugewandte Mediator achten müssen. Dabei wird nicht nur über Konfliktthemen eines Medianten gesprochen, da der Konflikt zwischen mehreren besteht. Allparteilichkeit zeigt sich zuweilen in „neutralem“ oder in nüchternem Verhalten, Distanziertheit und emotionalem Abstand, andererseits in Freude und Anteilnahme über einen gefundenen Konsens und eine Annäherung der Beteiligten. Allparteilichkeit lässt sich kaum schematisieren, aber in Verbindung mit anderen Grundsätzen konkretisieren.

Exkurs: Allparteilichkeit und Neutralität In der Literatur zur Mediation, zumal in derjenigen von Juristen, ist anerkannt, dass der Mediator „neutral“ zu sein hat.96 Kracht definiert den Begriff aus einem juristischen Konfliktbehandlungsverständnis heraus.97 94  Duss-von

Werdt 2005. Schröder 2004, Rn. 30. 96  Vgl. Kracht 2009, Rn. 9 ff.; Rüssel 2004, 85 ff.; Breidenbach 1995, 169 ff.; Weiler / Schlickum 2008, 9; Horn 2006, 270; Besemer 2005, 18; Proksch Kon:sens 1999b, 305; Weitz 2008, 57 ff.; Haynes / Bastine / Link / Mecke 2002, 21; Gornig 2006, 244; Vetter 2004, 146, der den Begriff der Neutralität als rechtlich geprägt und daher für die Mediation problematisch versteht; kritisch zum Neutralitätsgebot Montada / Kals 2001, S. 38 ff.; erfreulicherweise die Unmöglichkeit von Neutralität entlarvend Kals 2009, 141 f. 97  Vgl. Kracht 2009, Rn. 14 ff. erkennt zwei Ebenen, auf der das Neutralitätsgebot wirkt: die Verfahrensebene und die persönliche Ebene. Der Mediator habe da95  So

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C. Die Mediation

Hager meint mit Neutralität, dass der Mediator kein eigenes Interesse an der „Substanz des Konflikts“ haben und nicht in der Lage sein dürfe, einer oder beiden Parteien eine Lösung aufzuzwingen.98 Besemer andererseits möchte die Neutralität des Mediators offensichtlich nicht zum Prinzip erklären, wenn er auch gelegentlich die neutrale Haltung des Mediators fordert.99 Breidenbach meint, dass der Begriff schlichtweg „aussageschwach“100 sei. Ponschab / Dendorfer plädieren aus vielerlei Erwägungen heraus generell dafür, den Begriff der Neutralität durch den der Akzeptanz zu ersetzen.101 Zudem gibt es zweifelnde Stimmen, die Neutralität als Form des Unbeteiligtseins, der Nichteinmischung und Unparteilichkeit für unerreichbar halten und auch unerwünscht.102 Proksch spricht – wohl aus ähnlichen Erwägungen heraus – von „teilnehmender bzw. positiver Neutralität“103, was jedoch wenig Klärung bringt. Ein Grund für die Vielschichtigkeit der Begriffsverständnisse dürfte in den unterschiedlichen Herkunftsprofessionen von Me­ diatoren zu finden sein. Soweit mit dem Begriff „Neutralität“ verbunden wird, dass sich der Mediator nicht einseitig verhalten darf, einem der Medianten nicht „Recht geben“ darf, sich nicht dessen Konfliktdefinition zu eigen machen oder dessen Positionierung im Konflikt direkt oder indirekt nicht unterstützen darf, Unrecht und Schuld nicht auf den anderen (mit-)schieben darf und keine Umstände vorliegen, die eine Parteinahme befürchten lassen, soweit all das mit dem Gebot der „Neutralität“ zum Ausdruck gebracht werden will, wird nach hier vertretenem Begriffsverständnis vom Gebot der Allparteilichkeit gesprochen. Der Begriff der „Allparteilichkeit“ scheint hier angebrachter – und zwar aus drei Gründen. Erstens umreißt er die Zugewandtheit, die Anteilnahme und das erforderliche Mitgefühl. Und er beschreibt es – zweitens – positiv, also bejahend und nicht wie die oben aufgeführten Erklärungsversuche für Neut-

nach seine „Verfahrensentscheidungen“ neutral zu treffen und in keiner Abhängigkeit zu einer Partei zu stehen (Rn. 30). Diese (Gedanken-)Linie endet darin, dass gesetzliche Ausschlussgründe für den Richter analog für den Mediator gelten (können), auf deren Einhaltung letztlich aber der Mediator selbst zu achten habe (Rn. 37), vgl. auch Breidenbach 1995, 170. Ähnlich kompliziert systematisiert Weitz 2008, 57 ff. den Begriff der Neutralität, den er in eine persönliche, verfahrens- sowie ergebnisbezogene Komponente gliedert, ohne die Andersartigkeit der Aufträge an den Richter und Mediator zu beachten. 98  Hager 2001, 81. 99  Besemer 2005, 109 f. 100  Breidenbach 1995, 170. 101  Ponschab / Dendorfer 2009, Rn. 65. 102  Vgl. Duss-von Werdt pm 2007, 68 f.; Haynes 2000, 67; Dulabaum 2003, 124; Risto 2003, 60 f., vgl. auch Vetter 2004, 147. 103  Proksch Kon:sens 1999c, 370.



II. Die Grundsätze der Mediation127

ralität anhand verneinender Formulierungen.104 Hinter Allparteilichkeit stehen positive, aktivierende und damit lebensbejahende Handlungsanforderungen, keine Verbote und zu unterlassene Handlungen, sondern Handlungen, die für mediatives Vorgehen aktiv vorzunehmen sind.105 Im Begriff „Neutralität“ ist all das nicht enthalten. Neutralität wird gewahrt, indem sich der Dritte von den konkreten Persönlichkeiten abwendet – so wie ein Richter unabhängig von den individuellen Beteiligten entscheidet.106 Hinzu kommt, dass der Begriff – drittens – in der rechtlichen Konfliktbehandlung geprägt, geformt und inhaltlich gefüllt ist. Für diese Konfliktbehandlung ist „Neutralität“ auch zwingend, da Recht geben dürfen nur dann gerecht wirken kann, wenn der rechtliche Maßstab unabhängig, also neutral von den Streitparteien festgelegt wurde. Neutralität im juristischen Sinne begründet sich aus der Entscheidungsgewalt des Richters und aus dessen konfliktentscheidendem Vorgehen. Diese Konfliktbehandlung bedarf, um überhaupt gerecht sein zu können, eines neutralen und unabhängigen Richters, der „neutrales Recht“ und damit einen neutralen Maßstab anwendet.107 Aber auf derartige Neutralität kommt es in der Mediation nicht an.108 Die Medianten selbst suchen nicht 104  Vgl. statt vieler die Ausführungen von Rüssel 2004, 85 ff.; Der Hintergrund bejahender Zugewandtheit und Allparteilichkeit dürfte auch der Hintergrund für das „Positive“ an der von Proksch Kon:sens 1999c, 370 formulierten „positiven Neutralität“ sein. 105  Das ist bedeutend, da unser Unterbewusstsein keine Negation kennt. Verbote und Verneinungen allgemein kann unser Unterbewusstsein nicht aufnehmen, sondern „hört“ stattdessen die Verbotsaussage ohne Negation. „Du darfst nicht …!“, verkommt im Unterbewusstsein zu „Du darfst …!“. Für das Unterbewusstsein ist es erforderlich, dass es eine Alternative angeboten bekommt, also was es stattdessen „darf“. Diese Tatsache ist für jeden Lern- und Entwicklungsprozess und damit auch für die Mediation bedeutsam. Dazu lesenswert Kühne de Haan 2007, 101 ff.; Stewart 1993, 161 f. 106  Um die Neutralität der Göttin Justitia zu symbolisieren, wird sie aus diesem Grunde häufig, aber erst seit dem 15. Jahrhundert mit einer Augenbinde dargestellt und abgebildet. Aber entgegen einer landläufigen Vorstellung ist ihre Augenbinde keineswegs zwingend erforderlich, vgl. zum Beispiel nur die Darstellung der Göttin Justitia am Gerechtigkeitsbrunnen am Frankfurter Römerberg. 107  Dazu Glasl 2004, 428 f., der die „Kriterien der Neutralität, Unparteilichkeit und Unbefangenheit … als Spezifizierungen des Egalitätsprinzips“ begreift und verdeutlicht, dass sie die wichtigsten Legitimitätsgrundlagen der späteren Sachentscheidung sind. 108  Soweit Kracht 2009, Rn. 10 andererseits meint, dass Neutralität deshalb fundamentale Bedeutung hat, weil der Mediator keine vom Staat zugewiesene Autorität vorweisen kann, sondern allein seine Neutralität Autorität begründe, irrt er. Zum einen, weil vertrauensbegründende Autorität und geachtetes Ansehen nicht wachsen können, wenn der Mediator neutral, distanziert und persönlich unberührt bleibt. Nur anteilnehmende Kommunikation, Zugewandtheit und Kooperation schaffen Verbundenheit und Ansehen und stärken Autorität, die Vermittler benötigen. Zum anderen ist der von Kracht hergestellte Zusammenhang zwischen Neutralität und Autorität

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C. Die Mediation

einen neutralen Mediator, sondern einen, der sie in ihrer Konfliktnot versteht. Indem er sich zur Verfügung stellt, sich im wahrsten Wortsinne in die Mitte aller Beteiligten stellt, wird der Mediator zum „gemeinsamen Dritten“109 und durch Allparteilichkeit zum wahrnehmbaren Mitmenschen im Konflikt. Bedeutung erlangt der Neutralitätsbegriff allerdings dennoch mit Blick auf diese angestrebte Allparteilichkeit.110 Situationen, in denen Allparteilichkeit (allein) durch tatsächlich neutrales Verhalten verdeutlicht und gewahrt wird, kommen auch in der Mediation vor. Es sind Situationen, in denen die Medianten Entscheidungen treffen, entweder beide gemeinsam eine oder einer für sich, die sich direkt und unmittelbar auf den anderen auswirken. In beiden Fällen ist der Mediator gut beraten, sich neutral, d. h. zurückhaltend und sich keiner Partei einseitig zuwendend zu verhalten. Mitunter ist es ratsam, dies offen anzusprechen.111 Beispiele: Möchte ein Mediant vom Mediator wissen, was dieser an seiner Stelle tun würde (Soll ich bei der Mediation bleiben oder vor Gericht klagen?), muss sich der Mediator bewusst darüber sein, dass er auch in dieser Zweierbeziehung Teil des Mediationssystems bleibt. Hier kann es u. U. erforderlich sein, Allparteilichkeit durch neutrales Verhalten (Nichteinmischung durch Antwortverweigerung!) zu sichern, indem das versteckte Koalitionsangebot abgelehnt wird. Ebenso liegt die Sachlage, wenn die Medianten eine Lösung gefunden haben, bei der beide Vor- und Nachteile erhalten, mit denen sich die Medianten allerdings noch nicht endgültig abgefunden haben. Gegenbeispiele: Haben die Medianten mehrere Lösungen gefunden und wollen vom Mediator wissen, welche er bevorzugt, muss er seine Präferenz nicht neutral zurückhalten, sondern „darf“ ehrlich und begründend antworten. Nur dadurch nimmt er die Medianten ernst und hält sie für selbstverantwortlich.

3. Vertraulichkeit in der Mediation Ist Kooperation der Weg, der auf Konsens zielt, dann ist für eine Konfliktvermittlung gegenseitige Information das wichtigste „Fortbewegungsmittel“. Damit stellt sich konsequenterweise die Frage nach der Vertraulichlediglich im Rechtssystem als Bezugssystem passend. Aus Mediationsperspektive muss der Mediator gerade nicht wie der Richter auf Neutralität achten, gerade weil ihm keine vom Staat ausgewiesene Autorität und Hoheitsgewalt zukommt. Gerade weil der Mediator nicht wie der staatlich bemächtigte, hoheitliche Richter den Konflikt der Untergeordneten endgültig nach den Maßstäben des staatlichen Rechts entscheidet, muss er auch nicht im rechtlichen Sinne neutral sein. Akzeptanz stellt er anders her, vgl. Glasl 2004, 428 f. 109  Schröder 2004, Rn. 70. 110  So auch Risto 2003, 61, der Neutralität lediglich als einen „technischen“ Begriff versteht. 111  So auch Schröder 2004, 28 f.



II. Die Grundsätze der Mediation129

keit der erbrachten Informationen.112 Ist es beispielsweise den Beteiligten gestattet, den Inhalt der Sitzungen später gegenüber Dritten zu offenbaren? Inwieweit wird geschaffenes Vertrauen dadurch in Frage oder sogar Mitleidenschaft gezogen? Inwieweit beeinflusst das Wissen um solche Möglichkeiten den Mediationsprozess selbst? Ist Vertrauen überhaupt herstellbar und Vertraulichkeit einforderbar und was geschieht bei Verstößen gegen die (erwartete) Vertraulichkeit? Für die Mediation als Prozess, der auf Kooperation und Konsens, auf ein Miteinander gemeinsamer Lebensgestaltung angelegt ist, ist Vertraulichkeit an sich eine Selbstverständlichkeit. Zwischen den Beteiligten besteht Vertraulichkeit, wenn sie aufgrund ausdrücklicher oder konkludenter Absprachen erwarten bzw. aufgrund rechtlicher Vorgaben erwarten dürfen, dass Dritte nicht über die Mediationsinhalte informiert werden.113 Zweck der Vertraulichkeitsmaxime ist es, dass das gewährte Vertrauen in die Gesprächssituation nicht dadurch enttäuscht wird, dass diese Informationen darüber hinaus, insbesondere in einem Gerichtsprozess offenbart werden.114 Allerdings kollidiert hier die der Mediation förderliche Vertraulichkeit mit dem Rechtssystem – und muss sich ihm beugen.115 Da der Staat mittels des Rechts seine Ordnungs- und Regulierungsfunktion erfüllt, wofür er rechtlich relevante Informationen benötigt, sind die ausgetauschten Informationen grundsätzlich nicht gerichtsfest. Deshalb erlaubt das Recht derzeit grundsätzlich den Streitparteien, Informationen, die in einer Mediation ausgetauscht wurden, vor Gericht einzubringen. Das gilt freilich dann nicht, wenn die Medianten einen rechtswirksamen und damit gerichtsfesten Verschwiegenheitsvertrag geschlossen haben.116 Freilich bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, andere und weiter gehende Regelungen zu treffen. Sie bleiben 112  Zur Vertraulichkeit in der Mediation zuletzt Oldenbruch 2006; Cremer 2007; Gullo 2006, 185 ff.; Neuhaus ZKM 2002; für Mediationen im öffentlichen Sektor Härtel JZ 2005, 761 f. 113  Weitergehend etwa Mannhart 2003, 136; vgl. auch Rapp 2004, 19. 114  Kracht 2009, Rn. 120; Hartmann 2009, Rn. 2; Cremer 2007, 27. 115  Im Rechtssystem wird die Kollision am Spannungsfeld der Privatautonomie mit dem Verfahrensrecht deutlich, dazu Oldenbruch 2006. 116  Insoweit besteht keine absolute „gerichtsfeste Vertraulichkeit“ aller Informa­ tionen bei allen Informierten. Andererseits weisen unterschiedliche Rechtswege unterschiedliche Intensitäten der Gerichtsfestigkeit auf. Die Intensität hängt von dem verfolgten Zweck des Gerichtsverfahrens und etwaigen rechtswirksamen Verträgen zwischen den Medianten ab. Zu den jeweiligen Zeugnispflichten Oldenbruch 2006; Eckardt / Dendorfer MDR 2001, 786; Hornung 2006, 254 ff.; Cremer 2007; Neuhaus ZKM 2002, 8 ff.; Groth / v. Bubnoff NJW 2001, 338 ff.; Wagner NJW 2001, 1398 ff.; konkret zur Verschwiegenheitspflicht des Mediators Hornung 2006, 249 ff.; zur Vertraulichkeitsproblematik bei Mediationen im öffentlichen Sektor Härtel JZ 2005, 761 f.; Rüssel 2004, 89 f., 131; Oldenbruch 2006, 146 ff.

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C. Die Mediation

aber dennoch Rechtsregeln und finden nur in deren Kontext ihren Sinn.117 Die der Vermittlung förderliche Vertraulichkeit allerdings ist nicht per Gesetz oder Anordnung vorzuschreiben; sie wächst im Vermittlungsprozess oder auch nicht.

III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens Im Folgenden wird dargelegt, wie ein Mediationsverfahren gestaltet und strukturiert werden kann (Kap. C. III. 1.), welche Rolle der Mediator im Konfliktgeschehen einnimmt (Kap. C. III. 2.) und mit welchem Verständnis er sie ausfüllen kann (Kap. C. III. 3.). 1. Die Prozessschritte einer Mediation Mediation hilft, einen Verbalkrieg zu unterbrechen, der auf Konfrontation ausgelegt ist und – sofern kein mächtigerer Dritter eingreifen kann – Gefahr läuft, in Gewalt zu enden. An dessen Stelle, so die Motivation des Mediators, wird ein befriedender zwischenmenschlicher Prozess gesetzt, in dem die Gegensätze als gegenseitige Bereicherungen verstanden werden können, denen ein jeder sich anschließen kann, aber nicht muss. Dieser Prozess lässt sich in unterschiedliche Phasen gliedern [Kap. C. II. 5. a)–C. II. 5. f)].118 Die Phasen werden freilich in der mediativen Praxis nicht fest abgesteckt werden können, weil ihre Bereichsgrenzen fließen sowie ineinander verschwimmen und insoweit bereits zeigen, worum es auch in der Beziehungsgestaltung geht. Die folgende, analytisch-orientierte Darstellung konzentriert sich auf das, was in und während der Phasen (bestenfalls) „geschieht“, nicht auf das wie und warum.119 Es ist ein Ideal des Ablaufs einer Mediation. 117  Auch der Mediator hat ein professionelles Interesse, die Inhalte zum Zwecke der Supervision an Dritte (soweit dafür erforderlich) offenbaren zu dürfen bzw. sich vorzubehalten, soweit er, Dritte oder die Medianten selbst in körperliche Gefahr geraten, sich an entsprechende Stellen wenden zu dürfen. 118  Vgl. Besemer 2005, 56 ff.; ihm folgend Risto 2003, 71, 77 ff.; Schröder 2004, Rn.  41 ff.; Weiler / Schlickum 2008, 13 ff.; Horn 2006, 275 ff.; Risse NJW 2000, 1615 ff. (abgewandelt für die Wirtschaftsmediation); geringfügig anders Klammer 1999, 18 ff.; von Schlieffen 2002, 10 ff. (Vorphase, Konstitutionsphase, Hauptphase, Abschlussphase); Hauser 2002, 234 ff.; ebenso Stumpf 2006, 304 ff. (für den öffentlichen Sektor); Proksch ZKM 2000a (sieben Stufen); lediglich um eine „Evalua­ tionsphase“ erweitert Montada / Kals 2001, 17; auch sechs Stufen Kessen 2004; lediglich drei Stufen Haynes / Bastine / Link / Mecke 2002; Zilleßen 2009, Rn. 66 ff. (für die „Umweltmediation“); ebenso Weitz 2008, 44, der jedoch in weitere Unterphasen gliedert, dazu übersichtlich Lenitz 2005, 51 ff. 119  Die Methoden und Konzepte, derer sich die Mediatoren bedienen können, bleiben hier noch außen vor.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens131

a) Phase 1: Kontaktaufnahme „Pars pro toto“. Der Teil steht für das Ganze. Prägnanter lässt sich kaum sagen, was diese Phase bedeutet. Kessen weist deshalb völlig zu recht darauf hin, dass diese Phase für den Ablauf einer Mediation eine „kaum zu überschätzende Phase“120 ist. Häufig zeigt sich, dass diese erste Phase bereits alle weiteren Formen und Inhalte des zwischenmenschlichen Umgangs enthalten hat, die sich im Laufe der Mediation noch herauskristallisieren werden. Sie weist bereits auf dasjenige hin, was in der folgenden Mediation deutlicher und ausführlicher „passieren wird“. Gewissermaßen „spiegelt sie (in) die Zukunft“. Für den Mediator bedeutet das, aufmerksam und mit einem hohen Grad an Bewusstheit, mit geschärftem Blick für Details und offenen Ohren diese Phase wahrzunehmen. In dieser Phase wird der Mediator – zumeist – durch einen Konfliktbeteiligten kontaktiert und in den Konflikt einführend informiert. Häufig wird der Mediator anschließend beauftragt, den oder die weiteren Konfliktbeteiligten aufzusuchen und anzuregen, sich gemeinsam auf einen Mediationsprozess einzulassen. Darauf sollte sich der Mediator nur in Ausnahmefällen einlassen. Vorzugswürdig erscheint, dass nicht der Mediator die übrigen Konfliktbeteiligten kontaktiert, sondern der mediationswillige Konfliktbeteiligte selbst. Dafür freilich kann der Mediator beratend zur Seite stehen. Das stimuliert von Beginn an die Problemlösungsfähigkeit der Medianten und bewahrt den Mediator davor, parteilich zu wirken.121 Im Übrigen wird der Mediator die Beteiligten ermutigen, aber nicht überreden, sich dem Vermittlungsprozess zu unterziehen. Zudem wird er sich über den Konfliktbereich und die Medianten ein erstes, freilich vorläufiges Bild verschaffen können und seine weitere Vorgehensweise bedenken. Oftmals wird bereits hier erforderlich, die Mediation und das eigene Vorgehen in ihren Grundzügen zu erläutern. b) Phase 2: Auftragsklärung und Auftragserteilung Lassen sich die Konfliktbeteiligten auf die Mediation ein, wird das eigentliche Mediationsgespräch eingeleitet. Der Mediator verantwortet dabei, dass es in einer angemessenen Arbeitsatmosphäre stattfindet, in der Konflikte mit all ihren Auswirkungen, zwischenmenschlichen Verletzungen, Offen120  Kessen 2004, Rn. 4; vgl. auch Watzke 2004, 28 („You never get a second chance to make a first impression!“). 121  Risto 2003, 78; Überdies zeigt eine solche Initiative dem Mediator, dass der „Leidensdruck“ ausreichend hoch ist. Denn erst ab einem gewissen Maß an Leiden sind die Beteiligten bereit, neue Wege zu gehen. Besemer 2005, 62 spricht hier davon, dass der Konflikt „reif“ ist.

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C. Die Mediation

barungen und Intimitäten tatsächlich angesprochen werden können. Das ist Teil der Prozessverantwortung des Mediators.122 Im Weiteren rekapituliert der Mediator, wie es zu diesem Mediationsgespräch gekommen ist, versichert sich darüber bei den Beteiligten und erläutert seinen Wissensstand um die Konfliktsituation. Im Folgenden klärt der Mediator mit den Beteiligten seinen Auftrag, weist auf seine Möglichkeiten hin, erläutert die Prinzipien der Mediation, dass er den Prozess begleitet und strukturiert, dass die Beteiligten ihren Konflikt selbständig und eigenverantwortlich lösen werden und er ihnen dabei zur Seite steht.123 Die geschäftliche und organisatorische Seite der Mediation, Zeitplanung, Honorar124, Umgang mit Notizen und Informationen bedürfen der Klärung. Insbesondere sollte Klarheit über Schweige- bzw. Offenbarungspflichten in möglichen Gerichtsprozessen geschaffen werden.125 Das Stadium der Auftragsklärung fundiert den Mediationsprozess und bestimmt maßgebend, ob alle Vertragsebenen klar und stabil aufgebaut wurden126, so dass man auf ihrer Grundlage mit der Vermittlungs- und Verhandlungsarbeit beginnen kann. c) Phase 3: Problemdarstellungen Sind die Rahmenbedingungen geklärt, beginnt die eigentliche Konfliktbehandlung. Die Konfliktbeteiligten stellen dafür zunächst ihre Sicht der Dinge vor. Jeder Beteiligte schildert seine Probleme, die er mit der Situa­tion 122  Vgl. Risto 2003, 83; Die Örtlichkeit sollte nicht mit dem Konflikt verbunden sein, nicht einem der Beteiligten gehören, sollte ausreichend groß und mit dem nötigen Equipment ausgestattet sein, ruhiges Arbeiten gewähren und Essen und Trinken parat halten; ausführlich dazu Proksch ZKM 2000a,134 f.; Heussen 2009, Rn.  6 ff.; Besemer 2005, 66. 123  Sollten die Medianten von Dritten geschickt worden sein, z. B. von der Firma oder Organisation, in der sie arbeiten, so wird der Mediator das dadurch bestehende „Dreiecksverhältnis“ bereits zu diesem Zeitpunkt darlegen und erläutern müssen, vgl. „Dreiecksverträge“ i. R. d. Kap. D. V. 3. Das gilt besonders, wenn diese Organisation das Honorar der Mediation übernimmt. Findet der Leistungsaustausch „übers Eck“ (Kap. D. V. 3.) statt, so sollte der Mediator besonderen Wert auf die Auftragsklärung legen, um den psychologischen Vertrag zu stabilisieren. 124  Es bietet sich an, wenn es sich nicht gar aufdrängt, dass sich an der Finanzierung alle Medianten anteilig beteiligen, so dass die Mediation als „erstes gemeinsam zustandegebrachtes Projekt“ Modellcharakter für die Auflösung des (gemeinsamen) Konflikts erhält. Dies verdeutlicht überdies die gemeinsame Verantwortung für den Mediationsprozess und verhindert Ungleichgewichte aus Gönnerhaftigkeit oder Unterlegenheit. 125  Dazu Cremer 2007. 126  Vgl. dazu Kap. D. V.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens133

und den anderen Beteiligten hat. Dabei wird er nicht unterbrochen, sondern darf seine Wirklichkeit zusammenhängend, einseitig und vollständig dar­ legen. Die anderen Beteiligten hören aufmerksam zu, ohne sich (innerlich oder äußerlich) rechtfertigen zu müssen.127 Gegebenenfalls hat der Mediator auf beides hinzuweisen. Vorab vereinbarte Gesprächsregeln, die als solche den ersten Konsens zwischen den Streitparteien darstellen, gewährleisten dieses gemeinsame Vorgehen.128 Der Sinn dieses Vorgehens erschließt sich in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird der Inhalt des Konflikts, so wie die Beteiligten diesen erleben und verstehen, erfasst. Die sog. „Issues“129, die einzelnen Konfliktpunkte, lassen sich aus den unterschiedlichen Schilderungen gemeinsam herausfiltern. Das betrifft auch diejenigen Punkte, in denen Übereinstimmung besteht. Das ist sozusagen der materielle Sinn der Phase drei. Zugleich wird formal die Gesprächskultur analysiert und gegebenenfalls durch Interven­ tionen kultiviert. Risto weist in diesem Zusammenhang zu recht darauf hin, dass „eines der am heißesten umkämpften Güter in Konflikten, … Gehör zu finden, … ist“130. Und eines der wirksamsten und zerstörerischsten Mittel der Konflikteskalation ist es, dem Gegenüber zu verdeutlichen, dass der eigene Empfangskanal abgeschaltet ist. Diese Phase beeinflusst generell gesehen nicht direkt die Gegenständlichkeit des Konflikts, sondern die Art und Weise, wie gemeinsam mit unterschiedlichen Ansichten und Vorstellungen umgegangen werden kann, ohne sich zu bekriegen. Bestenfalls kommt dieser Phase „Modellcharakter“ zu.

127  Nach aller Erfahrung fällt es den Konfliktbeteiligten schwer, dem Konfliktgegner „bloß“ zuzuhören, der ja doch „alles verdreht“ oder „nichts Neues erzählt“. Der Drang, sich sogleich dazu zu äußern und seine Meinung dagegen zu halten, ist groß. Hier ist der Mediator gefragt, der dem Sprechenden Schutz gewähren, aber beim Zuhörenden um Offenheit und Interesse werben muss, ähnlich Besemer 2005, 72 f. 128  Bei der Problemdarstellung hat der Mediator auf zwei Punkte zu achten (Prozessverantwortung). Er hat einerseits zu intervenieren, wenn sich die Medianten im Detail verlieren und alles auf einmal erzählen und lösen wollen. Hier muss der Mediator eine Struktur aufbauen, die es allen erlaubt, den Konflikt Schritt für Schritt zu erfassen und zu bearbeiten. Zum anderen bleiben Medianten an der Oberfläche hängen. Das kann durch Schweigen oder Belanglosigkeiten erfolgen, was schnell erkennbar ist. Schwieriger wird es, wenn der Mediant (detailreich) über die Vergangenheit redet und sich in ihr verliert und verirrt. Bei solcher (überdetaillierten) Vergangenheitsbewältigung bleibt der Mediant an der Oberfläche seines aktuellen Problems, mit dem er im Konflikt agiert. Hier hat der Mediator auf Konkretisierung zu wirken – ohne aber freilich zu bedrängen. 129  Glasl 2004, 104 ff. 130  Risto 2003, 95.

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C. Die Mediation

d) Phase 4: Konflikterhellung Es sollte nicht verwundern und entspricht der Regel, wenn die Beteiligten bisher lediglich ihre – schon so häufig eingenommenen und vertretenen – Standpunkte und Positionen dem Mediator erläutern, ihre Ansprüche belegen, Recht und Unrecht, Schuld und Unschuld dezidiert verteilen und letztlich erwarten, der Mediator müsse ihnen doch beipflichten (= Recht geben). Aus ihrer Sicht ist eben das von ihnen Dargelegte ganz deutlich erkennbar. In Phase vier geht es darum, dass der Mediator den Weg dafür ebnet, dass jeder Beteiligte sich den Konflikt mit den Augen des anderen anschauen kann. Einmal die Situation von einem anderen Standpunkt betrachtet, sind andere Sichtweisen, Bewertungen und Lösungsvorstellungen unumgehbar. Nachdem in Phase drei die Medianten noch ein (letztes) Mal die Sicht auf den Konflikt von ihrem Standpunkt erläutert und dafür geworben haben, geht es in der Konflikterhellung darum, dass derselbe Konflikt von mehreren, theoretisch von unzähligen Standpunkten aus betrachtet werden kann, die alle zu anderen Sichtweisen, Bewertungen und Lösungsvorstellungen führen. Statt Ansichten zu zementieren, soll Phase vier Einsichten ermöglichen, Empathie und Flexibilität stärken und den trennenden Konflikt zum gemeinsamen Problem umdeuten. Dafür wird der Mediator zusammen mit den Beteiligten die jeweiligen Hintergründe erhellen, die mit den Personen unmittelbar verbundenen Interessen herausarbeiten, mitschwingende Gefühle und Wertvorstellungen beachten und anstreben, dass alle ihren gemeinsamen Konflikt umfassender verstehen.131 e) Phase 5: Konflikt- und Problemlösung In Phase fünf werden Lösungswege entworfen. Alle Möglichkeiten und Ideen werden gesammelt und diskutiert, nichts bleibt außen vor und ungedacht. Wichtig ist, dass nun über Lösungen gesprochen wird, nicht über Probleme, weder über alte, noch über künftige. Lösungsorientierung ist das Gebot dieser Phase.132 Sie verläuft umso kooperativer und konstruktiver, je 131  Hierbei können allerhand Probleme auftauchen, die sich im aktuellen Konflikt zwar auswirken, aber in der Mediation nicht gelöst werden können. Dafür kommen sodann speziellere Begleitmaßnahmen in Betracht, z. B. Coaching oder auch eine psychotherapeutische Maßnahme. Insoweit hat der Mediator darauf zu achten, dass er aus der Mediationssitzung nicht eine „halböffentliche Therapiestunde“ werden lässt. Andererseits kann freilich die Vereinbarung, dass eine (Einzel- oder Paar-)Therapie begonnen wird, eine mögliche Konfliktlösung der Mediation werden. Die Grenze zur Therapie zu erkennen und zu wahren, gehört zur Prozessverantwortung des Mediators. 132  Nach dem Motto, das dem amerikanischen Therapeuten de Shazer zugeschrieben wird: „Über Probleme zu reden, schafft Probleme. Wer Lösungen will, muss über Lösungen sprechen.“, entnommen aus Risto 2003, 133.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens135

klarer die Motive und Interessen der Konfliktbeteiligten erhellt, verstanden und akzeptiert werden. Je mehr Verständnis und Kooperationsbereitschaft die vorherigen Phasen geschaffen haben, desto lockerer und erfolgreicher verläuft die Phase der Konflikt- und Problemlösung. Kooperation statt Konkurrenz ist hier das Motto. Die Stärken des anderen werden zu eigenen und dessen Schwächen und Probleme (auch) zu eigenen – und umgekehrt. Gelingt dies, kommt es zu einer scheinbar paradoxen Erfahrung: Die eigenen Schwächen werden schwächer und die eigenen Stärken stärker. Das dürfte damit zusammenhängen, dass die entsprechenden Eigenschaften in einer gelingenden Beziehung anders bewertet werden als in einer Konfliktbeziehung und das Kooperation tatsächlich auch emotional verbindet.133 f) Phase 6: Übereinkunft und Umsetzung In Phase sechs wird die gefundene und favorisierte Lösung schriftlich fixiert und eine Mediationsvereinbarung geschlossen. Diese Mediationsvereinbarung ist auch als juristisch bindende Vereinbarung erklärbar, weshalb es empfehlenswert ist, sich vorab Rechtsrat einzuholen. Für Mediationen im öffentlichen Sektor, an denen ein Hoheitsträger als Mediant beteiligt ist, können sich allerdings für die Abschlussvereinbarung und ihre Rechtswirkungen Besonderheiten ergeben. Die Einzelheiten dazu werden ausführlich im fünften Kapitel dieser Untersuchung behandelt.134 Das Mediationsverfahren selbst sollte nicht ohne eine ausdrückliche und bewusste Abschiedssitzung beendet werden. Sie muss nicht extra anberaumt, aber doch klar von der vorherigen Konfliktbehandlung getrennt werden.135 Empfehlenswert ist es im Übrigen, dass jeder Beteiligte (auch der Mediator) den Mediationsprozess reflektiert. Ein ausdrückliches Feedback zur Arbeit des Mediators sollte ebenfalls von diesem eingefordert werden. Darüber hinaus ist ein Abschiedsritual136 sicherlich nicht unangebracht, mag sich nüchternen Personen der Sinn auch nicht ohne Weiters erschließen.137 Ebenso wichtig erscheint ein Nachfolgetreffen138, bei dem die erfolgreiche 133  Neurobiologisch

dazu Bauer 2008b, 180 ff.; ähnlich Maturana / Pörksen 2002,

21 ff. 134  s.

Kap. E. II. und einleitend Kap. C. IV. 2. kurze, aber klare Pause nach der Übereinkunft mag mitunter ausreichen. 136  Zur Mediation als Ritual generell Risto 2003, 70 f.; Risto Kon:sens 1999. 137  Risse NJW 2000, 1617 empfiehlt hier ein gemeinsames Abendessen oder einen schlichten, aber mit entsprechender Bewusstheit immer noch wirkungs-, weil bedeutungsvollen Handschlag. 138  So auch Risto 2003, 145; ausführlich zur Evaluationsphase Montada / Kals 2001, 218 ff. 135  Eine

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C. Die Mediation

und  /  oder problematische Umsetzung besprochen und kontrolliert werden kann. Das hält und stärkt die in der Mediation gefundene Verbindung zwischen den ehemaligen Konfliktpartnern und erleichtert den Umgang mit kommenden Konflikten.139 Exkurs: Allgemeines zum Phasenmodell der Mediation In der Literatur zur Mediation wird hin und wieder die Vorstellung kritisiert, dass die Vermittlung in mehr oder weniger linearen Phasen140 erfolgt.141 Einige weisen zu Recht darauf hin, dass die Phasen nicht bloß nacheinander abgeschritten werden können, um am Schluss „erfolgreich“ mediiert zu haben.142 Oftmals ist das gar nicht möglich, da die Medianten nach und nach ihre neue Sicht der Dinge entwickeln und auch noch im Lösungsprozess unbekannte Probleme entdecken. Oder ein Beteiligter wird sich einer zugefügten Verletzung bewusst, die ihn an einer gemeinsamen Lösung noch hindert. Solche „Störungen“ gehen dem weiteren Abschreiten der Phasen freilich vor. Bereits deshalb können und müssen zuweilen die einzelnen Phasen mehrmals angesteuert und durchlaufen werden. Auch in Vermittlungen verbietet sich nahezu jeder Schematismus.143 Ein derart angezeigtes Durchlaufen einer bereits abgeschlossenen Phase ist praktisch keine Wiederholung. „Niemand steigt zweimal in den gleichen Fluss.“, wusste schon Heraklit144. So wie sich sowohl der Fluss als auch der Badende verändert haben, haben sich auch die Mediationssituation und die Mediationsbeteiligten verändert. Insoweit erscheint es angezeigt, den Entwicklungsprozess durch das bildhafte Modell einer pyramidenförmigen Spirale zu verdeutlichen, statt einer Tabelle oder eines Kreisdiagramms. Die Spirale ist das Symbol der Entwicklung und des evolutionären Aufstiegs, der zur Mitte führt, die aber nie erreicht werden kann. Die Draufsicht lässt erkennen, dass mehrmals (immer nach 360 Grad) „die gleiche“ Position und Phase durchschritten wird. Erst die Seitenansicht verdeutlicht, dass derjeni139  Auf ein solches Nachfolgetreffen braucht auch dann nicht verzichtet werden, wenn die Mediation die einvernehmliche Trennung der Konfliktbeteiligten ergab. 140  Synonym für den Begriff „Phasen“ wird auch von „Stufen“ (Besemer 2005, 65) oder „Schritten“ (Montada / Kals 2001, 179) gesprochen. 141  Bspw. Zebisch ZKM 2006. 142  Glasl ZKM 2007, 155; Watzke 2004a weist darauf hin, dass das strikte Abschreiten der Phasen ohne auf den konkreten Menschen einzugehen, am Ziel vorbeiführen muss. 143  Ähnlich Engel ZKM 2007, 68. 144  Heraklit, Fragment 12, 49a („In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht.“) sowie Fragment 91 („Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“ …).



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens137

ge gleichwohl an anderer, „höherer“ Stelle sich befindet und der Mitte bereits ein Stück näher ist.145 2. Der Mediator als Konfliktakteur Mit dem Mediator tritt ein neuer Akteur in das Konfliktfeld und damit ein neues Element in das Beziehungssystem. Zwar soll der Mediator nicht über die Streitpunkte entscheiden, aber dennoch entscheidende Wirkung entfalten. Dies gelingt ihm, indem er die Austragung des Konflikts im Einvernehmen mit den übrigen Beteiligten in (s)ein besonderes Verfahren kleidet, stets darauf hin arbeitet und darüber wacht, dass die Beteiligten Grabenkämpfe und Stellungskriege beenden und über ihre wahren Interessen und Bedürfnisse sprechen, um durch eine veränderte Kommunikation zu einer Kooperation zu gelangen. Soweit die Beteiligten während des Prozesses Gefahr laufen, in destruktive und kooperationsverhindernde Kommunikationsmuster zurückzufallen, hat der Mediator dies zu unterbinden. Entscheidend ist, dass der Mediator nicht in der Sache verhandelt, sondern allenfalls darüber, wie er vermittelt und ob die Medianten damit einverstanden sind. Keineswegs jedoch vermittelt er das Konflikt- bzw. Verhandlungsthema, sondern unterstützt lediglich die Beteiligten bei ihren Verhandlungen.146 Mediation ist vermitteltes Verhandeln und nicht vermittelndes Verhandeln. a) Der Mediator als Verfahrensgestalter Unabhängig vom persönlichen Stil des Mediators und den bereichsspezifischen Umständen der Mediation, hat der Mediator die Prozessverantwortung und somit die Aufgabe, das Verfahren der Mediation zu gestalten. Wie die Konfliktaustragung strukturiert und organisiert wird, Ordnung und Koordination in die berührten Themen und Streitpunkte gebracht wird, Phasenübergänge147 eingeläutet und ausgeführt werden oder verschoben bzw. nochmals angegangen werden, obliegt ihm, gleichwohl er nicht allein darüber bestimmt. 145  Dieses Modell lässt sich gut mit der Erkenntnis von Risto 2003, 70 vereinbaren, dass nämlich aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht die Mediation wie ein Ritual darstellt. Rituale sind stetig wiederkehrende (Inter-)Aktionen, die dem Menschen im Individuellen, Sozialen oder Spirituellen Sicherheit durch Halt bieten. Indem sich an den – zumeist strengen – Ablauf eines Rituals gehalten wird, wird Sicherheit und Geborgenheit erfahren. Mit sinnentleerten oder überholten Handlungsmustern, wie der Begriff des Rituals oftmals verstanden wird, hat das allerdings nichts zu tun, vgl. auch Risto Kon:sens 1999, 167. 146  Hauser 2002, 219. 147  Kap. C. III. 1.

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C. Die Mediation

Hierüber kann es zu Verhandlungen zwischen allen Beteiligten kommen. Jedoch handelt es sich um Fragen des Vorgehens und Verfahrensdesigns, nicht aber um das Konfliktthema selbst.148 Sein Auftrag beinhaltet, ein entsprechendes Verfahren anzubieten. Mit Recht gilt er als Verfahrensexperte, der für zwischenmenschliche Konfliktprozesse Verständnis mitbringen muss. Experte auf dem jeweiligen Fachgebiet, auf dem sich der Konflikt angesiedelt hat, muss der Mediator nicht sein.149 Andererseits ist eine gewisse Feld- oder zumindest Felderfassungskompetenz auch kein Hindernis um zu vermitteln. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie den Mediator nicht verleitet, Partei zu ergreifen. Gelingt ihm eine entsprechende Zurückhaltung, mag ihm bereits wegen der raumgebenden Paarung von Fachkompetenz und distanzwahrender Umsichtigkeit ein besonderer Respekt entgegengebracht werden, der als Vertrauensgrundlage für die weitere Mediation gut geeignet ist. Konkret wird der Mediator zunächst die Fakten sammeln, die bei der Analyse des Konflikts erkennbar werden – und sie für alle sichtbar notieren. In aufwendigen Verfahren, kann er etwa konkrete Fachfragen in Absprache mit den Medianten durch neutrale Gutachter oder Sachverständige klären lassen. Dabei handelt es sich mehr um einen organisatorischen Service.150 Der Mediator wird, um das Verfahren wirksam und effektiv gestalten zu können, die Dynamik zwischen den Konfliktparteien ebenso wie die Dynamik, die er in das Geschehen bringt, beobachten und entsprechend reagieren. Das Verfahren der Mediation gestaltet er insbesondere durch sein Konfliktverständnis und seine Umgangsweise mit den Anwesenden. Er wird für eine angenehme Arbeits- und Verhandlungsatmosphäre sorgen, wird ausreichend Pausen „verordnen“ und für gemeinsame Verpflegung sorgen. All das fördert und stärkt Gemeinschaftlichkeit und ebnet der Kooperation und einem Konsens den Weg. Der Mediator wird umsichtig und respektvoll mit den Bedürfnissen und Interessen aller Anwesenden, einschließlich seiner eigenen umgehen und auf diese Weise Modell stehen.151 Er hilft ihnen auf ihren Wunsch hin, wobei er weder Führer, noch Erzieher, sondern Begleiter und Berater ist.152 Der Mediator als erlebbarer „Mit­ 148  Gleichwohl können Verhandlungen und Einigungen über das Mediationsdesign (Redezeiten, Gesprächsregeln, Pausen etc.) Modellwirkung für die Verhandlung über das Konfliktthema entfalten. Dennoch gilt, dass der Mediator nicht (über die Sache) verhandelt, sondern Verhandlungen vermittelt, also die Beteiligten bei ihren Verhandlungen unterstützt. So zu Recht Hauser 2002, 219 ff. 149  Zilleßen 1998, 23; Vetter 2004, 140 f.; Besemer 2005, 68; Hager 2001, 76; Haynes / Bastine / Link / Mecke 2002, 63. 150  Vgl. etwa Besemer 2005, 85 ff.; Vetter 2004, 139; Schillinger 2003, 14 ff. 151  Ebenso Zilleßen 1998, 24. 152  Ortloff 2003, 735. Die Auswirkungen für einen ausgebildeten Richter als Mediator beschreibt Ortloff ZKM 2002.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens139

mensch“153 in einer Situation, in der die Beteiligten allzu schnell in Gegensatzpaaren154 denken, wirkt beruhigend, verbindend und heilsam. Da die Beziehungsebene maßgebend für die Vermittlungsarbeit und Verhandlungsmöglichkeiten ist, wird der Mediator insbesondere auf sie achten und seine Arbeit an ihr ausrichten.155

Exkurs: Gefühle im Konflikt Egal wie die Mediation strukturiert wird, starke und einseitige Gefühle werden das Handeln der Konfliktbetroffenen (mit-)bestimmen und das Verfahren beeinflussen.156 Bei aller Vielschichtigkeit des Themas und dem unterschiedlichen Umgang, den die Mediatoren aus den unterschiedlichsten Herkunftsberufen und Mediationsfeldern empfehlen157, lässt sich doch Einigkeit darüber ablesen, dass Gefühle für den kooperativen Umgang und eine konsensuale Lösung Beachtliches beitragen können. Sie sind und schaffen Realität.158 Deshalb werden ihnen – grob skizziert – zwei Bedeutungen in der Mediation beigemessen: Der Mediator kann zum einen (auch unterlassene) Gefühlsäußerungen als Repräsentanten für wichtige Interessen 153  Duss-von

Werdt 2005, 161 ff. Freund / Feind, richtig / falsch etc. 155  Deshalb tritt ein Mediator in einer Wirtschaftsmediation anders auf und vermittelt anders als in einem familiären Konflikt. Vermittlungen in einer Schule oder karitativen Großorganisation unterscheiden sich davon ebenso. Strukturell geht es stets um Prozessverantwortung, die nach den konkreten Persönlichkeiten ausgerichtet werden muss. 156  Emotionale Zustände bedingen neurophysiologisch das limbische System, welches seinerseits für die Handlungssteuerung maßgebend ist. Für den Neurobiologen Roth ergibt sich aus einer Vielzahl von Experimenten, dass Gefühle immer den Entscheidungen vorausgehen und insoweit ursächlich sind. Der Vernunft und dem Verstand schreibt er (lediglich) eine „beratende Funktion“ zu, s. Roth 2004, 116 f.; ders. 2007, 178 f.; ders. 2003, 373 ff., 549 f. Dagegen Bauer 2008a, 160 ff., vgl. auch Damasio 2007, 56 f., die Emotion und Verstand in einen evolutionären Prozess einbetten. 157  Für uneingeschränkte Integrierung der Gefühle Montada / Kals 2001, 46, 134 ff.; Montada 2004, 367 („Königsweg zu den wichtigen Sichtweisen und Überzeugungen der Parteien“); Risto 2003, 113 (beide für zivilistische Konflikte); Hill DÖV 1994, 281; JZ 1993, 334 (für den öffentlichen Sektor bzw. das Verwaltungshandeln); für eine Integrierung der Gefühle, soweit sie die Lösungsfindung stören Haynes / Bastine / Link / Mecke 2002, 93 ff. (Familienmediation); Besemer 2005, 89 f.; Breidenbach 1995, 61, 276 f. (für zivilistische Konflikte, Nachbarstreitigkeiten etc.); auch Risse 2003, 237 ff. (Wirtschaftsmediation), der von einer „janusköpfigen Bedeutung“ spricht, da wirtschaftliche Interessen vorrangig seien und Gefühle die Verhandlungen behindern. 158  So auch Hill JZ 1993, 334. 154  Recht / Unrecht,

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C. Die Mediation

und Bedürfnisse verstehen.159 Sie weisen ihn auf ganz persönliche Anliegen der Betroffenen hin, die anders (bislang) nicht zum Ausdruck gebracht werden können. Hier fungiert der Mediator mit seinen psychosozialen und kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten als Dolmetscher der Gefühlsäußerungen oder besser des fühlenden Menschen. Der Mediator nimmt sie stellvertretend wahr, beachtet sie und bietet an, sie konstruktiv in den Mediations- bzw. Verhandlungsprozess zu integrieren.160 In besonderen Fällen repräsentieren Gefühle eine aktuelle Störung oder Blockade der momentanen Mediations- bzw. Verhandlungssituation.161 Derartige Störungen gehen vor, müssen geklärt werden ehe verhandelnd weiter fortgeschritten werden kann. Gefühle, die allerdings eine Störung des mediativen Prozesses signalisieren und insoweit dem Mediator als diagnostisches Instrument helfen, dürften Gefühle des Ärgers, der Wut oder der Trauer sein, aber wohl kaum der Freude. Freude ihrerseits kann als positive Ressource für weitere Kooperationsprozesse eingebracht werden.162 b) Der Mediator als Vertreter von Kooperation Als allparteilicher Akteur im Konflikt möchte der Mediator vermittelnd wirken. Alles, was für ihn nicht bei Strafe verboten ist oder den Medianten physisch oder psychisch schadet, wird er unternehmen, um den Auftrag zu erfüllen und den Beteiligten zu helfen.163 Dabei wird er freilich auch seine (emotionalen) Reaktionen beachten müssen, damit er die Konfliktbeteiligten nicht mit seinen eigenen Problemen zusätzlich belastet oder mit seinen Wertungen den Konfliktverlauf diktierend steuert.164 Die sich daraus entwickelnde zurückhaltende und offene Interessiertheit an den beteiligten Menschen ist Ausgangspunkt und Leitfaden seiner Motivation.165 Ziel seiner Arbeit ist, dass die Medianten sich solcher Kommunikationsmuster bedienen, die Kooperativität fördern und konsensuale Lösungen ermöglichen. Es ist daher kein Zufall, dass der Mediator inhaltlich auf die grundlegenden Interessen der Konfliktbetroffenen schaut. Sie sollen mittels der (hartnäckig) 159  Vgl. etwa Bastine 2004, 40; Montada / Kals 2001, 46, 134; auch Risse 2003, 240; Hauser 2002, 275 f. 160  Nicht beachtete Gefühle haben nur selten die „Eigenschaft“, still zu bleiben, sondern verschaffen sich umso polternder und ungezügelter Gehör und Aufmerksamkeit. 161  Vgl. Bastine 2004, 41; Hauser 2002, 279. 162  Zur transaktionsanalytisch fundierten Handhabung von Gefühlen in der Me­ diation s. Kap. E. III. 2. 163  Dazu Watzke 2004a; ders. 2004, 14. 164  s. dazu Kap. D. III 2. b) und D. III. 2. d). 165  Vgl. dazu Duss-von Werdt 2005, 160 ff.; ders. pm 2007.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens141

vertretenen Positionen verwirklicht werden. Deshalb dreht sich tatsächlich alles in der Mediation letztlich um die Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten.166 Das Klären und Offenlegen der Interessen ermöglicht konsensuale Lösungen zu finden und diese kooperativ zu verwirklichen. Die Suche nach ihnen beginnt freilich mit dem, was die Konfliktbeteiligten (in Phase drei) vorbringen: Standpunkte, Positionen, Stellungnahmen.167 In ihnen verkörpern sich ihre Interessen und werden auf diese Weise konkretisiert. Andererseits geht durch diese Konkretisierung Grundsätzliches verloren, was sich als eine gemeinsame Basis erweisen könnte. Es mag sich im Verlaufe der Mediation zeigen, dass sich die grundlegenden Interessen – anders als die eingenommenen Positionen – keineswegs gegenseitig ausschließen.168 In welchem Verhältnis Positionen und Interessen zueinander stehen, soll deshalb im folgenden Exkurs ausführlich dargelegt werden. Exkurs: Positionen und Interessen Das Verhältnis von Positionen und Interessen ist von grundlegender Bedeutung für die Mediation und die Arbeit des Vermittlers. Der Wandel vom Positionsdenken der Konfliktbeteiligten hin zum interessengeleiteten Verhandeln über eine aufeinander abgestimmte Neupositionierung ist fundamental für das mediative Konfliktmanagement und beschreibt den Weg vom Gegen- zum Miteinander, vom Bekämpfen zum Kooperieren.169 In der Literatur zur Mediation herrscht die Vorstellung, dass sich hinter den eingenommenen Positionen die „wahren“ Interessen der Beteiligten „verbergen“.170 Positionen verknüpfen eine einseitig definierte Problemsitua­ 166  Vgl.

Kessen 2004, Rn. 13 ff.; Pitschas NVwZ 2004, 397; auch Pühl 2004, 10,

14. 167  Statt vieler Bastine 2004, 28 ff., 30; zum Zusammenhang von „Recht“ und „Rechthaben“ Dietze 1997. 168  Kessen 2004, Rn. 14; Schäfer / Schäfer / Reh ZKM 2001, 123 m. w. N.; Seibert NVwZ 2008, 365. 169  Zwar unterliegen die Begriffe Position und Interesse in der Literatur zur Mediation kontinuierlicher Definitionsarbeit. Gleichwohl hat sich eine Standarddefini­ tion bisher nicht herausbilden oder gar durchsetzen können. Noch im Jahre 2001 musste in einer wichtigen deutschsprachigen Fachzeitschrift für Mediation ein Artikel erscheinen, der feststellte, dass diese Kernelemente der Mediation noch nicht bzw. unzureichend definiert wurden und Ausführungen dazu allenfalls unvollständig gewesen seien, Schäfer / Schäfer / Reh ZKM 2001, 121. 170  Fisher / Ury / Patton 2006, 71–90; ihnen folgend Schröder 2004, Rn. 156; Roth / Schwarz / Roth 2001, 13; Altmann / Fiebiger / Müller 1999, 65; Risse 2003, 56; Breidenbach 1995, 67 ff.; Schäfer / Schäfer / Reh ZKM 2001, 123; Dörrenbächer 2009; ähnlich Bastine 2004, 28; Schillinger 2003, 32 f.; Gottwald 1993, 76 f.; Rapp 2004, 7; Besemer 2005, 25; Baltzer-Bader 2004, 643; Proksch ZKM 2000a, 181.

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C. Die Mediation

tion mit einer einseitig vorteilhaften Lösung.171 Positionen seien das, was konkret durchgesetzt werden soll, um ein Interesse, Bedürfnis oder einen sonstigen Wunsch zu befriedigen.172 Weil Positionen gegensätzlich und unflexibel vertreten werden, begründen sie den Konflikt. Interessen hingegen könnten zum Konsens führen. Sie lägen „hinter“ den Positionen oder ihnen „zugrunde“ und müssten deshalb geborgen und ans Licht der Erkenntnis gehoben werden. Interessen seien in aller Regel generell formulierbare Wünsche und weniger konkret als Positionen. Interessen seien also allgemeiner Natur und abstrakte Umschreibungen.173 Dieses Vorstellungsbild weist mehrere – hier nur kurz angesprochene – Widersprüche und Unzulänglichkeiten auf und verhilft in der praktischen Arbeit kaum, systematisch zwischen den Konfliktbeteiligten zu vermitteln. Nach einer Definition Hafts drückt sich in den Positionen ein Wunschtraum für eine erhoffte Zukunft aus.174 Da es aber nur eine Zukunft geben könne, kann eine der gegensätzlichen Vorstellungen nicht verwirklicht werden, weshalb es zum Streit darüber komme, welche verwirklicht wird. Danach erscheinen Positionen als ursächlich für den Konflikt.175 Nach der Logik von Kausalität, die hier ins Zwischenmenschliche übertragen wird, muss auch der Konflikt schwinden, wenn die Positionen aufgehoben werden. Übersehen wird dabei, dass Interessen auch „nur“ Wunschvorstellungen sind. Auch sie sind auf die Zukunft gerichtet und können nicht viel mehr als Wünsche beinhalten. Und wenn es stimmt, dass die Positionen konfliktursächlich sind, aber auf den verborgenen Interessen beruhen, dann sind – nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung – diese zugrunde liegenden Interessen die „wahren“ Ursachen für den Konflikt. Dann allerdings könnte man gleich das – den Interessen zugrunde liegende – Leben der Beteiligten als solches für den Konflikt „verantwortlich“ machen.176 Die Vorstellung, zwischenmensch171  So

Bastine 2004, 28 f. 2000, 70. 173  Soweit juristisch von Interessen gesprochen wird – etwa das öffentliche Interesse (Uerpmann 1999), Privatinteressen beispielsweise im Verwaltungsrecht (Schmidt-Preuß 2005) – handelt es sich nach der hiesigen Terminologie bereits um (vom Rechtssystem anerkannte) Positionen. 174  Haft 2009, Rn. 17; ders. 1992, 5; Schäfer / Schäfer / Reh ZKM 2001, 123; Schröder 2004, Rn. 50. 175  Dieser Vorstellung haben sich viele Mediatoren angeschlossen, um anschließend dafür zu plädieren, anhand der Interessen den Konflikt zu behandeln; offensichtlich nach der Vorstellung, wenn die Parteien sich nicht derart positionieren würden, müssten sie sich nicht streiten. Statt vieler Schäfer / Schäfer / Reh ZKM 2001, 123. 176  Zu diesen Kausalitätsforschungen kommt, dass es durchaus ein antriebsstarkes Interesse ist, seine Position (vor Gericht) zu verteidigen und durchzusetzen. Dass das „eigene Recht“ und dessen Einforderung (Anspruch, Position) auch ein Interes172  Hoffmann-Riem



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens143

liche Beziehungen und konfliktäre zumal, lassen sich ausreichend mit dem Modell linearer Kausalität erfassen, provoziert auch im Hinblick auf erfolgreiche Mediation Widersprüche. Sie stempelt mediative Arbeit zur „Schatzsuche“ ab oder zum „Puzzlespiel“, bei dem es nur darum geht, die richtigen Interessen für die richtige Lösung zu finden. Doch wer bestimmt, was richtig ist?177 Mediationsarbeit wird entsprechend darauf konzentriert, die Beteiligten von ihren Positionen abzubringen, als wenn sie je positionsfrei werden könnten. Gleichwohl wird eine Mediation erst dann als erfolgreich definiert, wenn am Ende der Mediation eine Mediationsvereinbarung stehe. Diese müsse zudem auch „gerichtsfest“ sein, also rechtlich wirksam und durchsetzbar sein.178 Das bedeutet jedoch auch, als dass die Festigkeit der (neuen) Positionen über die Qualität der Mediation entscheidet. Nach dieser Logik ist eine Mediation erfolgreich, wenn sie zugleich den Grundstein für einen neuen Konflikt legt, indem sie Positionen verfestigt!179 Der Mediationsprozess ist – wie jeder zwischenmenschliche Beziehungsprozess – ein systemisch erfassbarer Entwicklungsprozess180, ein „Lern-, Erfahrungs- und Entscheidungsfindungsprozess“181, bei dem sich die Beteiligten zirkulär beeinflussen. Es geht hier nicht darum, die tatsächlichen oder nur latent wahrnehmbaren Interessen zu finden. Interessen sind auch höchst „lebendige Angelegenheiten“, die sich ständig verändern. Die Beteiligten agieren und reagieren zugleich mit ihnen in und auf ihre Umwelt: Interessen wandeln sich und sind insoweit nicht dauerhaft fassbar, geschweige denn se ist, erkennt zutreffend Breidenbach 1995, 70 f. Auch Bastine 2004, 32 erkennt dieses „Zusammenfallen“ von Position und Interesse (und damit das Auseinanderfallen der Theorie, dass Interessen sich hinter den Positionen verbergen), wenn er den Wunsch eines Konfliktbeteiligten, „einem Konfliktgegner mal ordentlich die Meinung“ zu sagen, als Interesse, Anliegen und Bedürfnis bezeichnet. Einen anderen Weg als denjenigen, „solche Anliegen“ als „sekundäre Anliegen“ zu bezeichnen, die nicht förderlich seien wie die „primären persönlichen Anliegen“, weiß sich Bastine aus diesem Dilemma aber nicht zu helfen. 177  Bastine 2004, 30 differenziert bspw. eigenmächtig zwischen „persönlich primären Interessen“ und „sekundären Interessen“, sobald der Klient Interessen äußert, die (s)einer Mediation nicht förderlich sind. Zur Suche nach den Interessen hinter den Positionen s. etwa Dörrenbächer 2009 („Präzisionsmodell“). 178  Eigenartigerweise wird am Ende einer Mediation häufig eine „gerichtsfeste Vereinbarung“ gefordert und geradezu als Erfolgsmerkmal gepriesen, vgl. Eidenmüller 2001, 43; Risse 2003, 392; unklar Kracht 2009, Rn. 81 ff.; anders (aber nur für Mediationen im öffentlichen Sektor) Ferz 2003, 152; Kessen / Troja 2009, Rn. 76 f.; ausführlich Breidenbach 1995, 189 ff., 192 ff. 179  Dieser Widerspruch bedeutet aber nicht, dass Positionen „schädlich“ und konfliktär sind, sondern dass die Vorstellung, in ihnen sei die Ursache für den Konflikt zu finden, unzureichend ist. 180  Kessen 2004, Rn. 16; ausführlich Proksch ZKM 2000, 33. 181  Roth / Schwarz / Roth 2001, 14.

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C. Die Mediation

nur auf einem Wege tatsächlich erfüllbar. Interessen und Positionen benötigen bei ihrer Erläuterung des systemischen und prozesshaften (dynamischen) Elements. Der Begriff „Position“ entstammt dem Lateinischen (positio) und bedeutet übersetzt „Stellung“ oder „Lage“, „Ein-Stellung“ oder „Stand-Punkt“, aber auch (Einzel-)„Posten“. „Interest“ ist ebenfalls Lateinisch und bedeutet, dass jemandem „etwas von Wichtigkeit ist“ bzw. „jemandem etwas daran liegt“; dieser jemand nimmt Anteil und ist achtsam bei der Sache.182 Daraus ergeben sich die wesentlichen Unterschiede von Positionen und Interessen. Bloße Interessen weisen nicht stets einen beanspruchenden Umweltbezug auf. Sie können sich auf andere Menschen oder sonstige Umweltaspekte beziehen, müssen das aber keineswegs. Jedenfalls beanspruchen Interessen an und für sich ihre Umwelt nicht. Interessenbekundungen sind Ich-Botschaften183. Positionen ihrerseits weisen nicht nur Umweltbezüge auf, sondern wirken stets beanspruchend und sind im wahrsten Wortsinne aggressiv; der sich Positionierende greift nach Außen in seine Umwelt ein. Eine Position ist nie ohne einen beanspruchenden Bezug zur Umwelt denk- und verstehbar. So wie man die Geschwindigkeit eines Körpers nicht ohne Umweltbezugspunkte messen könnte, sind Positionen ohne ihren Umweltbezug unmöglich zu verstehen oder gar zu verwirklichen. Ein Interesse, auch ein kundgegebenes, weist diese Umweltbeanspruchung nicht immer auf. Und ein umweltbezogenes Interesse wirkt seinerseits noch nicht zwingend umweltbeanspruchend. Der interessierte Mensch offenbart sich vielmehr seiner Umwelt, beansprucht sie aber nicht. Anders der sich Positionierende, der Aspekte der Umwelt begehrt und beansprucht. Er gibt sich ihr nicht nur zu erkennen, sondern wagt es zudem, diese Umwelt aufzufordern und von ihr etwas einzufordern. „Ich möchte!“ und „Du musst!“ ist ein Unterschied. Und das Risiko, das Gewollte nicht zu bekommen, sondern abgewiesen zu werden, soll häufig durch eine Positionierung abgemildert werden. Weniger sind Positionen nicht. Wie Fixpunkte der eigenen Welt in der Umwelt stehen sie „vor“ den Interessen und dienen als Anschlussstellen. Durch Positionen stellt sich der Mensch in seine Umwelt, offenbart sich ihr aggressiv und schafft auf diese Weise eine Beziehung. 182  Dazu

auch Schäfer / Schäfer / Reh ZKM 2001. werden nach hier vertretenem Begriffsverständnis als Äußerungen des Individuums verstanden, aus denen sich ergibt, was diesem wichtig ist, ohne die Umwelt zu beanspruchen, von ihr fordern bzw. auf sie unmittelbar einzuwirken. Keineswegs stellt jede Äußerung, die mit den Worten „Ich“ beginnt, eine Ich-Botschaft dar. Beispiel: „Ich will, dass Du mir Geld gibst.“, ist keine Ich-Botschaft. „Ich benötige Geld, damit ich mir … kaufen kann.“, ist eine Ich-Botschaft. Maßgebend ist damit die inhaltliche und authentische Mitteilung, nicht die formalsprachliche Einkleidung, vgl. dazu auch Maaz 2007, 105 ff. 183  Ich-Botschaften



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens145

Beispiel: Stellvertretend für jede Konfliktposition beschreibt diese Umweltbeanspruchung § 194 BGB. Dort wird der zivilrechtliche Anspruch, der „Klassiker der Konfliktpositionierung“, als das Recht definiert, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Das Begehren, das sich noch keinen beanspruchenden Weg zu Dritten gesucht hat, ist das, was Mediatoren „Interesse“ nennen. Potentiell gibt es unendlich viele Möglichkeiten, das eigene Interesse zu erfüllen. Um es aber zu erfüllen, muss sich für einen Weg entschieden werden. Die Festlegung des Weges ist „Umweltbeanspruchung“ und damit Positionierung. Der Interessierte will etwas von seiner Umwelt haben. Ohne solche „Positionierung“ wird das Interesse bloß Interesse bleiben. Im Konflikt ist deshalb der Grad der Verfestigung häufig auch Gradmesser des (energetischen) Kontakts zur Umwelt, also zwischen den Beteiligten.184

Positionen sind deshalb Ausgangspunkte und stets zu aktualisierende Bedingungen einer jeden Beziehung. Eigene Positionen unterstützen den Beziehungspartner, die Kommunikation aufzunehmen und zu halten. Positionen fördern in dieser Hinsicht die Kommunikation, egal welche Kommunikationsmuster gewählt werden, friedliche oder feindselige. Positionen an sich haben letztlich gar kein Konfliktpotential, sondern nur diejenigen, die sie vertreten und meinen, keine andere Position einnehmen zu können. Nur in diesem Falle kann der (ganz natürliche) Gegensatz von Positionen nicht ohne Konflikt aufgelöst werden. Persönliche Offenheit der Umwelt gegenüber, gepaart mit Beweglichkeit, Kreativität und Flexibilität auf beiden Seiten, ermöglicht, das gemeinsame Beziehungssystem auf die stets neu auftretenden Gegensätzlichkeiten einverständlich anzupassen. Offenheit und Beweglichkeit zeigen sich an den Kommunikationsmustern. Was und wie kommuniziert wird, ist veröffentlicht, steht „draußen“ und nicht mehr „dahinter“, ist thematisiert und dem gemeinsamen Bewegungssystem185 anheim gegeben. Was zurückgehalten wird, ob bewusst oder unbewusst, bleibt verborgen und bereichert die Beziehung nicht, sondern arbeitet im Dunkeln. Mediation ist damit ein Aufklaren ureigener Interessen, ist Besinnung, sich seiner Motivation, sich im eigenen Leben zu positionieren, bewusst zu werden.186 184  Deshalb können auch heftig miteinander kämpfende und sich hassende Menschen ebenso viel zwischenmenschliche Nähe und Energie aufweisen wie harmonisierende und sich liebende Menschen. 185  Watzke 2004a spricht hier bildhaft von einem Tanz und Reigen, denen sich die Beteiligten hingeben können. Mediative Arbeit, Vermittlung konkret, ist für ihn wie „Freejazz“, der auch eingespielte Muster auflösen möchte, um letztlich doch wieder in Harmonie zu verfallen. Eine Zeitlang jedenfalls. 186  Das Verhältnis von Position zu Interesse entspricht damit dem Verhältnis von bewusster Entscheidung zu unbewussten Vorentscheidungen, über das die moderne Neurobiologie bahnbrechende Erkenntnisse brachte. Roth wies nach, dass jeder bewussten Entscheidung stets ein unbewusster Prozess vorausgeht, der „Vorentscheidungen“ trifft. Dieser Prozess ist unvermeidlich und nicht abzustellen, allerdings im

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C. Die Mediation

Klarer erscheint damit auch das Ziel der Mediation. Es geht nicht bloß um ein Miteinanderreden, um einen Austausch oder äußerlichen Abgleich von Stellungnahmen. Vielmehr geht es um ein klar definierbares und dank des Gegenübers um ein verwirklichungsfähiges Ziel: Die gemeinsame Reise führt durch den Konflikt mit dem Anderen zu sich selbst zurück, in die eigene (innere und oftmals unbekannte) Motivation. Und der andere hilft, ist unverzichtbar und stellt sich gewissermaßen zur Verfügung. Indem er sich im Konflikt sperrt, die Beanspruchung widerspruchslos zu erfüllen, fordert er auf, die eigenen Interessen zu erkunden und kundzugeben. Deshalb veranlasst der Konflikt, sich des dialogischen Prinzips zwischenmenschlicher Prozesse bewusst(er) zu werden, was – kreisschließend – im ureigenen Streben nach Glück und Anerkennung begründet ist. Sind die Interessen offenbart, steht jedes Individuum für sich in seiner Welt, so dass der Weg kooperativen Vor- und Weitergehens möglich erscheint, aber keineswegs zwingend ist. Zuweilen stellt sich heraus, dass der andere die Interessen gar nicht erfüllen kann, worüber ein Konsens erreichbar ist. Es zeigt sich abermals, dass Mediation nicht nur die Kontaktaufnahme zwischen Mitmenschen als Mitmenschen ermöglicht, sondern man auf diese Weise auch mit Hilfe der vom eigenen Leben betroffenen Menschen dem eigenen Leben Gestalt geben kann.187 Jeder hat bei diesem Vorgang seine ganz eigenen Grenzen, die in einer Mediation nicht missachtet zu werden brauchen. Soweit es zu persönlichem Widerstand und erneutem Mangel an Bezogenheit und Offenheit sich selbst und anderen gegenüber kommt, steht der Mediator zur Seite, um behutsam und respektvoll für eine erneute Bezogenheit, Kooperation und Konsensbereitschaft zu werben bzw. dazu zu verhelfen. Auf welchen Wegen das erreichbar ist, soll im Folgenden dargestellt werden.

Nachgang – freilich mit entsprechendem Aufwand und neuerlichen unbewussten Bewusstwerdungsvorgängen – rekonstruierbar, dazu Roth 2004, 117; ausführlich ders. 2007, 161 ff.; Weimar 2006, 278 ff. m. w. N. In der Mediation ist der Prozess der Interessenaufklarung, der den Prozess der Positionierung teilweise rekonstruiert, damit vergleichbar. Freilich ist auch dieser von neuerlichen Interessen beeinflusst. 187  Das stimmt mit der Erkenntnis und dem Credo der Transaktionsanalyse überein, wonach „Kontakt wichtiger ist als Inhalt“ und die Beziehungsebene, statt der Sachebene bestimmend wirkt; vgl. Gührs / Nowak 2002, 33 f.; Hagehülsmann /  Hagehülsmann 2001, 62; ausführlich dazu Rautenberg / Rogoll 2007, 95 ff. Miss­ achtet der Mediator diesen Grundsatz, leidet die Mediation und insbes. die Umsetzung des Ergebnisses darunter und wird den zugrunde liegenden Konflikt nicht auflösen können. Mögen gleichwohl die relevanten Themen auch behandelt worden sein, so findet sich der Unbeteiligte dennoch nicht im Ergebnis wieder. Über ein Gerichtsverfahren, mit dem er den „mediativen Konsens“ angreift, wird er sich sodann „Gehör“ nicht nur beim Richter verschaffen (können). Exemplarisch dazu Pünder DV 2005, 7 am Beispiel „Frankfurter Flughafenbau“.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens147

3. Verschiedene Ansätze mediativer Arbeit Ausgangspunkt vermittelnder Tätigkeit ist der Auftrag der Medianten an den Mediator, sie bei der gemeinsamen Konfliktlösung zu begleiten.188 Der Mediator ist deshalb kein Führer, der vorangeht, sondern Begleiter, der Sicherheit bietet und zur eigenen Freiheit ermuntert aber nicht auffordert. Gleichwohl werden unterschiedliche Ansätze empfohlen, begleitende Vermittlungsarbeit durchzuführen.189 Grundsätzlich möglich ist, die Konfliktvermittlung sach- oder verfahrensbezogen zu behandeln. Zum anderen lässt sich Vermittlungsarbeit auch dergestalt durchführen, dass die konfliktbeteiligten Personen in den Mittelpunkt gerückt werden.190 Sach- bzw. konfliktbezogene Vermittlungsarbeit stellt den Konflikt ähnlich einem Gegenstand in den Mittelpunkt, so dass die emotional aufgeladenen Personen an sich weniger Bedeutung erfahren. Das Handlungsrepertoire des Mediators wird zumeist vernunftgeleitet, nüchtern und sprachorientiert sein.191 Nur wenige sozialpsychologische Erkenntnisse werden dafür genutzt. Die bedeutendsten Methoden basieren auf dem „Harvard-Konzept“ sowie der Spieltheorie [Kap. C. III. 1. b)]. Wird unter Konfliktvermittlung lediglich die Bereitstellung des Verfahrensdesigns verstanden, handeln die Mediatoren am ehesten als „Handwerker“ und halten ihre eigenen Meinungen zur Sache zurück.192 Für die Vermittlungsarbeit sind danach Kenntnisse über das betroffene Konfliktgebiet nicht erforderlich. Mediation ist hiernach am ehesten unpersönliche, aber keineswegs wirkungslose Dienstleistung. Personen- bzw. konfliktbeteiligten188  Was Schellenbaum 2005, 140 für den begleitenden Therapeuten feststellte, trifft in gleichem, wenn nicht gar stärkerem Maße für den Mediator zu: Ihr „Vorgehen … richtet sich nach dem Klienten, nicht umgekehrt“. 189  Die folgende Einteilung dient analytischen Zwecken. Kaum ein Mediator wird praktisch einen einzigen dieser Ansätze in seiner „reinen Lehre“ verfolgen können. 190  Rosellen 1980, 216 f. zeigte bereits frühzeitig auf, dass Mediatoren mit „zwiespältigen Verhaltensanforderungen“ beauftragt werden, die „irgendwo zwischen Gesprächstherapie und Hard-Selling“ hin und her schwankten. Hauser 2002, 230 ff. differenziert die rechts-basierte, die interessens-basierte und verstehens-basierte Mediation als drei zu unterscheidende Mediationsstile. 191  Derartig vermittelnde Mediatoren sind am ehesten der Meinung, dass Mediation nur funktioniert, wenn der Mediator selbst ein Fachmann auf dem Gebiet ist, in dem der Konflikt angesiedelt ist, vgl. Wagner / Engelhardt NVwZ 2001, 372. Sie sind deshalb eher bereit, ihre Meinung zu präsentieren oder gar eine Lösung vorzuschlagen, vgl. dazu Troja ZKM 2004, 23 m. w. N.; Breidenbach 1995, 114 (zum „ServiceDelivery-Project“); zur Wirtschaftsmediation im Vergleich zum Gerichts- und Schiedsverfahren Krischek 2005. 192  Ähnlich Schillinger 2003, 192.

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C. Die Mediation

bezogene Ansätze richten ihre Interventionen hingegen direkt auf die konkreten Personen aus. Hier zu verortende Mediatoren arbeiten am ehesten ganzheitlich, insbesondere unter Zuhilfenahme (sozial-)psychologischer und systemischer Konzepte. Der zugrunde liegende Gedanke ist, dass jedes Individuum seine ganz individuellen und eigenständigen Antworten auf seine Konflikte finden kann und diese letztlich zur Persönlichkeitsentwicklung genutzt werden.193 a) Sachbezogene Ansätze zur Mediation Die zwei bedeutendsten Ansätze sachbezogener Mediation entstammen der spieltheoretischen Konfliktforschung194 sowie der Verhandlungslehre nach dem sog. Harvard-Konzept195, das seinerseits über die spieltheoretisch analysierten Verhandlungsdilemmata hinausgeht und praktikable Lösungen anbieten möchte196. Beide Ansätze stellen den konkreten Konflikt in den Mittelpunkt der Vermittlungsarbeit. Nach der Vorstellung, dass es eine optimale und objektiv feststellbare Lösung gibt und diese gemeinsam – in der Mediation – gefunden werden kann, wird anhand objektiver Bewertungsmaßstäbe nach ihr gesucht.197 Die Suche kann kreativ, spielerisch und phantasievoll durchgeführt werden. Da die konkret in Streit stehende Angelegenheit Mittelpunkt der Vermittlungs- und Verhandlungsarbeit bleibt, erscheint es für alle Beteiligten lohnenswert, dass der Mediator Fachkenntnisse aufweist. Ziel ist es, eine positive Einigung über den Konfliktgegenstand zu erreichen. Eine Einigung der Beteiligten, dass sie sich nicht einigen können, wird deshalb als Misserfolg betrachtet. Die Spieltheorie beeinflusst seit den 1960er Jahren die psychologische Konfliktforschung und deren Grundannahmen.198 Mit der Annahme, dass die Maximierung des Eigennutzens das einzige oder doch zumindest dominante Motiv in Konfliktsituationen sei, gestaltet sich Konfliktverhalten „im 193  So bereits Rosellen 1980, 216; Schwarz 2005; vgl. auch Breidenbach 1995, 114 ff. („Individual-Autonomy-Project“; „Social-Transformation-Project“). Wichtige Beiträge zu solcherart Mediationen stammen von der „transgressiven Mediation“, der „transformativen Mediation“ oder auch der „metanoischen“ und „mäeutischen Mediation“, dazu ausführlich Kap. C. III. 3. c). 194  Vgl. nur Jost 1999, 53 ff. 195  Fisher / Ury / Patton 2006. 196  So Troja 1998, 84, 90. 197  Auch das staatliche Recht bzw. dessen Rechtsprechung kann hier als objektiver Bewertungsmaßstab herangezogen werden; Hohmann ZKM 2003, 50. 198  Auch zum Folgenden: Montada / Kals 2001, 88.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens149

Labor als voraussagbar“. Konflikte und Verhandlungen werden zum technisch-mathematisch darstellbaren Spiel.199 In experimentellen (Spiele-)Anordnungen werden bestimmte Situationen geschildert, die Kommunikation zwischen den Teilnehmern wird eingeschränkt oder unterbunden und eine bestimmte Anzahl von Handlungsmöglichkeiten vorgegeben. Menschliche Verhaltensweisen werden – durch häufige Wiederholung des Spiels – statistisch untersucht und somit auf ihre Wahrscheinlichkeit hin untersucht. Sie werden berechenbar. Allerdings spiegeln derartige Versuche keineswegs die Vielfalt realer Konfliktkonstellationen wider, noch die (A-)Normalität kon­ fligierender Kommunikation. Allenfalls die Frage, wie eigennützige Motive in Problemsituationen (des Einzelnen) wirken, kann auf diese Weise beantwortet werden. Gleichwohl nutzt die Verhandlungslehre, aber auch die Mediation die Erkenntnisse spieltheoretischer Konfliktforschung.200 Das Harvard-Konzept201 ist wahrscheinlich das am häufigsten herangezogene Lehrbuch, um die grundsätzliche Herangehensweise eines Mediators zu lehren. Es hat viele Entwicklungen innerhalb der „Mediationsbewegung“202 beeinflusst. Zwar handelt es sich dabei um die wesentlichen Einsichten für sachgerechtes Verhandeln, die die Autoren aus ihrem „Harvard Negotation Project“ gewinnen konnten. Dennoch nutzen Mediatoren die Erkenntnisse auch, um sie in die triadische Struktur der Mediation einzuarbeiten. Folgende Grundsätze sind nach dem Harvard-Konzept zu beachten: •• Die Interessen, die den Positionen zugrunde liegen, sind offen zu legen.203 •• Die Persönlichkeit des Verhandlungspartners ist vom Sachproblem, das man mit ihm hat, zu trennen.204 •• Die Lösung wird aus einer Vielzahl an Lösungsoptionen gemeinsam ausgewählt. Ehe über die Lösung verhandelt wird, müssen derartige Lösungsoptionen entwickelt werden.205 •• Zur Entscheidung für eine Lösung sind möglichst neutrale Kriterien heranzuziehen.206 199  Ähnlich

Troja 1998, 84 f. Gottwald 1993, 64 ff.; Bierbrauer 1993, 34 ff.; Klinger / Bierbrauer 2009; Breidenbach 1995, 71 ff. 201  Fisher / Ury / Patton 2006. 202  Die sog. „niederlagenlose Methode“ nach Thomas Gordon basiert im Wesentlichen auf den Grundsätzen des Harvard-Konzeptes, vgl. Prokop-Zischka / Langer 2005, 37. 203  Fisher / Ury / Patton 2006, 71–90. 204  Fisher / Ury / Patton 2006, 43–70. 205  Fisher / Ury / Patton 2006, 91–121. 206  Fisher / Ury / Patton 2006, 122–139. Diese Grundsätze für Konflikte und Vermittlungsbemühungen im öffentlichen Sektor erläutert Perschel 2002, 256 ff. 200  Z. B.

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C. Die Mediation

Die in diesem Konzept geschulten Mediatoren gestalten ihr Mediationsverfahren anhand dieser Grundsätze, um den Konfliktbeteiligten zu ermöglichen, optimal verhandelnd ihren Konflikt beizulegen.207 Basierend auf den Erkenntnissen der spieltheoretischen Konfliktforschung lehrt das HarvardKonzept, dass mit Hilfe erweiternder Verhandlungsregeln und der Verbesserung der Verhandlungskommunikation die unterschiedlichen Verhandlungsdilemmata aufgelöst werden können. Spieltheoretische Erkenntnisse werden mit ökonomischer Rationalität ausgewertet und für Verhandlungen möglichst konsequent umgesetzt.208 Gelingt dies, gewinnt jeder Verhandlungsteilnehmer und keiner verliert. Das spieltheoretische Axiom, dass Verhandlungen und Konflikte Nullsummenspiele sind, wird durchbrochen und ein wirtschaftlicher Mehrwert erreicht.209 b) Verfahrensbezogene Ansätze zur Mediation Verfahrensbezogene Ansätze ähneln einer sachbezogenen Mediation. Fachkenntnisse des Mediators werden jedoch nicht für erforderlich gehalten, sind aber auch nicht unerwünscht. Für den Mediator ist bedeutsam, dass er das Mediationsverfahren professionell und standardgemäß durchführt. Der Konflikt wird nüchtern zur Kenntnis genommen. Inhaltlich bringt sich der Mediator nicht ein. Etwaige ausdrückliche oder unterschwellige Angebote wird er diskret, aber bestimmt ablehnen. Hintergedanke ist, dass der Me­ diator gerade deshalb hinzugezogen wurde, um die Verfahrenskompetenz wahrzunehmen. Die professionelle Durchführung des Verfahrens garantiere, dass die Beteiligten sich inhaltlich verständigen werden.210 c) Personenbezogene Ansätze zur Mediation Personenbezogene Vermittlungsansätze211 unterscheiden sich erheblich von den verfahrens- und sachbezogenen Ansätzen. Für personenbezogene Ansätze steht der konfliktbeladene Mensch im Zentrum des Konflikts und der Vermittlungsarbeit. Zuvorderst nimmt der Mediator Kontakt zu dem Beteiligten als Mitmensch auf und richtet seine Vorgehensweise auf diesen Mitmen207  Vgl.

Hohmann ZKM 2003. von Schlieffen ZfRSoz 2000, 454. 209  Dazu Troja 1998, 89 ff. 210  Risse 2003, 460 f., der meint, dass es ein Trugschluss sei, dass der Mediator dadurch einen doppelten Wertschöpfungsbeitrag leiste, wenn er sowohl seine Verfahrenskompetenz einbringe als auch seine inhaltliche Sachkenntnis. Das käme einer Überforderung gleich. 211  Diese Ansätze entsprechen den „verstehens-basierten Mediationen“ wie sie Hauser 2002, 232 ff. beschreibt. 208  Ähnlich



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens151

schen aus. Erst in zweiter Linie geht es um den Konflikt oder dessen Sachprobleme. Das ist eine entscheidende Akzentverschiebung. Der Vermittler versteht sich nicht als Problemlöser, sondern als Mitmensch. Trennen konfliktbezogene Ansätze die Sache von den Menschen, um deren Persönlichkeit und Emotionalisierung außen vor zu belassen, weisen die beteiligtenbezogenen Ansätze darauf hin, dass die Sachthemen selbst nicht ohne die Beziehungsthemen verständlich würden.212 Diese Ansätze betonen deshalb nicht grundlos, dass psychologische Kenntnisse die Basis mediativer Arbeit sind, ohne die lediglich Kompromisse erreicht werden könnten.213 Die Transformative Mediation stammt von Bush und Folger214. Sie zielt auf äußere Veränderungen, indem sie innere herbeiführt. Die Mediation dient in ihrer Prozesshaftigkeit zum einen dazu, die Konfliktparteien zu bestärken, ihre wahren Interessen und Bedürfnisse zu klären und offen zu formulieren (empowerment). Zum anderen dient die Mediation dazu, die Interessen, Bedürfnisse und Sichtweisen des Gegenüber anzuerkennen und als Anlass für einen eigenen und damit gemeinsamen Wandlungsprozess zu begreifen (recognition). Letztlich stellt Mediation damit vorrangig einen Rahmen für einen Prozess sozialen Lernens dar, in dem die Konfliktbehandlung als Teil des Konflikts erkannt und wahrgenommen werden kann.215 So geht beispielsweise die Transformative Mediation davon aus, dass Konfliktbeteiligte während der Mediation ihre Interessen und Bedürfnisse ändern. Die Medianten werden nach und nach persönlicher und füreinander sensibler sowie inhaltlich flexibler. Sie sind nicht mehr an ihren Positionen verhaftet. Der Erkenntnis eigener Verantwortung an der aktuellen und unerwünschten Situation kann an dieser Stelle nicht mehr „ausgewichen“ werden. Während die Verhandlungslehre nach dem Harvard-Konzept an der – fair 212  Und tatsächlich sind es gerade die als „reine Sachthemen“ nach außen und zu Dritten getragenen Sachprobleme, hinter denen häufig die grundlegenden Beziehungs- und Persönlichkeitsfragen der beteiligten Menschen stecken. Es ist m. E. kein Zufall, dass Mediatoren, die den beteiligtenbezogenen Ansatz verfolgen, oftmals, aber freilich nicht immer, eher ausgebildete Therapeuten, Sozialpädagogen oder Theologen sind und nur selten Juristen, Politikwissenschaftler, Ökonomen oder Soziologen, die sich ihrerseits eher dem Harvard-Konzept verschreiben. 213  Montada / Kals 2001, 6. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass alle Konfliktbetroffenen in der Mediation vertreten sind. Eine Mediation, die Konfliktbetroffene ausschließt, kann sich keineswegs damit rechtfertigen, dass die relevanten Themen ausgiebig behandelt und besprochen wurden. Der mangelnde (persönliche) Kontakt zwischen den Beteiligten kann keineswegs durch einen sachlich akzeptablen Konsens aufgewogen werden, da jede persönliche Erfahrung für zukünftige Konfliktsituationen fehlt und eine Arbeits- und Vertrauensbasis noch nicht geschaffen wurde, vgl. Pünder DV 2005, 7. 214  Bush / Folger 1994. 215  Vgl. Hauser 2002, 233; Zilleßen ZKM 2001, 264; Dulabaum 2003, 89; Troja 1998, 98; ders. ZKM 2004, 23.

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C. Die Mediation

eingesetzten – Durchschlagskraft im Konflikt arbeitet, geht es hier um sich entwickelnde Gemeinsamkeit und Solidarität.216 Die „Transgressive Mediation“ stammt von Watzke217 und ist ihrem Ausdruck nach der wohl ungewöhnlichste Beitrag zur Mediation. Dabei geht es nicht um eine ausformulierte und abgrenzbare Theorie, sondern um einen ganzheitlichen, situativ arbeitenden Ansatz. Mediation sei wie ein „äquilibristischer Tanz zwischen den (getrennten) Welten“ der Konfliktbeteiligten. Dieser Tanz führt sie zusammen und wirkt als bejahender und verbindender Reigen, der anregt, die Rollen zu tauschen (transgressiv). Watzke sieht seine Aufgabe als Mediator weniger darin, Lösungen zu suchen und Probleme zu analysieren. Vielmehr arbeitet er auf eine tragfähige und dialogtaugliche Kommunikationsbasis zwischen den Medianten hin.218 Er vergleicht seine Rolle mit der eines „Hofnarren“ und „Verwandlers“, der die konfligierenden Sichtweisen annimmt, sie übertreibt und verdreht, mit ihnen spielt und sie auf diese Weise durchschüttelt, auflockert und flexibilisiert.219 Watzke hält diese provokative und unorthodoxe, aber stets liebe- und lustvolle Vorgehensweise deshalb für angebracht, weil die Gesellschaft „tendenziell normopathisch“ sei. „Die Normopathie ist die Krankheit / Störung, sich zwanghaft an vorgegebene Regeln zu halten“ – und nicht zu wissen, was zu tun ist, wenn Regeln und Vorgaben nicht existieren. Von Schlieffen ist darin zuzustimmen, dass diese Herangehensweise nicht das ist, was „dem Juristen gewöhnlich anerzogen wird, sie kommt aber vielleicht der Einstellung nahe, die ein Mediator finden sollte“220. Watzke jedenfalls entwickelte seinen transgressiven Tanz in den letzten Jahren fort und ist dabei, ihn auf einer theoretischen Basis auszuführen, die er „Metaphernbrücke (MB)“ nennt. Dabei geht er den – im wortwörtlichen Sinne – unvernünftigen Weg, dass er zunächst ausschließlich mit dem Ziel mediiert, die Medianten vom Kriegskontext in den Friedenskontext zu begleiten, um erst in dieser Rahmung zu klären, was zukünftig getan werden müsse, um eben diesen Frieden zu sichern. Unvernünftig erscheint dieser Weg, weil die gängige Vernunftannahme lautet, dass die Vergangenheit die Gegenwart bestimmt. Watzke allerdings geht davon aus, dass die Gegenwart von der Zukunft bestimmt wird.221 Aus diesem Grunde verlangt er – wort216  Troja 1998, 99. Da Lernprozesse umso eher gelingen, desto angenehmer und persönlicher die Atmosphäre für die Beteiligten ist, bemüht sich die Transformative Mediation zunächst genau darum. 217  Watzke 2004; 2004a. 218  Watzke 2004a, 8. 219  Dabei lässt er sich von dem Gedanken der Provokativen Therapie nach Farelly leiten: „Erlaubt ist alles, was nicht nachweislich den Klienten schadet“, Watzke 2004a, 9. 220  von Schlieffen ZfRSoz 2000, 454. 221  Watzke 2008, 47.



III. Die Gestaltung eines Mediationsverfahrens153

reich und sehr feinfühlig – von den Medianten als ersten Schritt zu klären, ob sie innerlich wirklich bereit sind, ihren Krieg tatsächlich und endgültig zu beenden. Diese Methode verlangt viel Empathie und Erfahrung und eignet sich für hocheskalierte Konfliktsituationen, deren Beteiligte sich tatsächlich wie Kriegsberichterstatter aufführen.222 Ein weiterer, tief aus der abendländischen Kultur schöpfende Ansatz ist die „Mäeutische Mediation“, den insbesondere Martens223 formulierte. Er besinnt sich auf die philosophische Tradition von Sokrates. Ihr Kern bestand nicht darin, ein System aus Vorschriften und ethischen Regeln zu erlassen, an die es sich zu halten gilt, um gut und ehrbar zu leben. Belehren war Sokrates‘ Sache nicht. Vielmehr verstand er sich als Geburtshelfer.224 Entsprechend den Forderungen eines Geburtshelfers bzw. einer Hebamme bei der Geburt, fordert Sokrates durch Nachfragen Antworten heraus, deren Einsichten er fördernd begleitet hat. Ähnlich arbeitet der Mediator, da er keine Verantwortung für das Ergebnis übernehmen kann, wohl aber für den förderlichen (Geburts-)Prozess, den er – mitunter entschieden wie eine Hebamme – einfordert. Mediieren ist wie Geburtshilfe oder sokratisches Nachfragen, professionelle Begleitung zur Problemlösung, ist Hilfe zur Selbsthilfe und zielt darauf ab, dem Leben individuelle Gestalt zu verleihen.225 Ein Ansatz zur Mediation, der die Nachhaltigkeit der Konfliktbehandlung betont, ist die Metanoische Mediation, die Glasl226 formuliert. Eine Metanoia beschreibt eine geistig-seelische Umkehr, die eintritt, wenn der Mensch seine Umwelt anders wahrnimmt, sie anders (er-)fühlt und (be-)denkt und deshalb anders handeln wird.227 In der Metanoia, die die geistig-seelische Einsicht beschreibt, gewinnen die Medianten die Bereitschaft und die Kraft, neue Wege zu beschreiten und ihre Konfliktbeziehung anders zu gestalten. Mag es Glasl auch um diesen Tiefgang in der Mediation gehen, so plädiert er gleichwohl nicht dafür, „um jeden Preis möglichst tief, möglichst lang und breit in den Denkwelten, den Gefühlen und Willenswelten der Men222  Ausführlich

Watzke 2008, 46, 50 ff. ZKM 2001 m. w. N., darauf auch Perschel 2002, 253 eingehend. 224  Entbindung = griech. maieuesthai; Soktrates’ Mutter Phänarete war eine Hebamme, vgl. Martens ZKM 2001, 17. Das Bild des Geburtshelfers benutzt für den Mediator auch Heussen 2009a, Rn. 6. 225  Dass sich Sokratische Mäeutik von der Mediation dadurch unterscheide, dass sie anders als die Mediation radikal die Sinnfrage stellt, wie Martens ZKM 2001, 17 meint, wird hier bezweifelt. Weder Sokrates stellte die Sinnfrage, noch der Mediator, sondern der Konflikt selbst führt (letztlich) zu ihr. 226  Glasl ZKM 2007. 227  Ein metanoiisches Erlebnis ist damit die stärkste – von einem Mediator eingeleitete – Wirkung und die nachhaltigste überhaupt, Glasl ZKM 2007, 106 f. 223  Martens

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C. Die Mediation

schen zu wühlen“228. Ihm geht es darum, so intensive Wendeerlebnisse zu bewirken, wie sie nötig sind, um das Anstehende und Kommende zufrieden und eigenständig bewältigen zu können. In diesem Sinne zielt die Metanoische Mediation auf eine neue Einsicht, die eigene Aufklärung der eigenen inneren Verhältnisse. Das ist Mediation als konfliktbezogene Klärungshilfe, weshalb sich die Arbeit des Mediators konkret auf die Medianten zu beziehen hat und ihre Erlebensweisen und Erfahrungswelten als Ausgangspunkt wählen muss.229 Auf den ersten Blick scheint es als ob verfahrens- und sachbezogene Ansätze zur Mediation geeigneter sind für Konflikte im Wirtschaftsleben, in der Politik und Verwaltung oder anderen Bereichen, in denen „die Sache“ im Vordergrund steht und die Menschen im Dienste dieser ihre (rechtliche) Pflicht und (notwendige) Arbeit erfüllen. Während personenbezogene Mediationsansätze vermeintlich dann vorzugswürdig erscheinen, wenn zwischenmenschliche Beziehungen auf Dauer oder in die Tiefe gestaltet werden möchten, etwa in Familienstreitigkeiten, bei anstehenden Scheidungen oder Erbschaftskonflikten, in Schulen oder in Betrieben.230 Verweilt der Blick allerdings und dringt tiefer, wird deutlich, dass in Konflikten stets Menschen agieren, diese beherrschen und dass es nur scheinbar umgekehrt ist, weshalb Konflikte aller Wahrscheinlichkeit nach auch nur für sie existieren. Insoweit dürfte es angebracht sein, die Art und Weise der Mediation an den konkret beteiligten Menschen, statt an den Konfliktfeldern auszurichten.

IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft Im zweiten Teil dieser Untersuchung wurde das Modell evolutionärer Konfliktbehandlungsformen vorgestellt, aus dem hervorging, dass sich die Mediation an die Phase der Delegation anschließt. Es verwundert deshalb nicht, dass das Aufkommen einer Mediationsbewegung in eine Zeit fällt, in der allgemeinhin von einer „Krise des modernen Rechts“231 gesprochen wird. Ob sich tatsächlich das Recht in einer Krise befindet oder nicht vielmehr die (mit dem Recht behandelte) soziale Gesellschaft samt ihrer Mitglieder derart weiter entwickelt hat, dass sie nunmehr zusätzliche Werkzeu228  Dafür ist er „Praktiker genug“, als dass er glaubte, je tiefer die Mediation schürfe, desto weniger Konflikte seien in Zukunft zu erwarten, vgl. Glasl ZKM 2007, 156, ausführlich ders. 2004, 391 f. 229  Glasl 2004, 392. Dazu die praktikablen Arbeiten von Thomann / Schulz von Thun 2003 sowie Thomann 2004. 230  Ähnlich Troja ZKM 2004, 23. 231  Vgl. Hager 2001, 16; Mähler 2005, 96; Köper 2003, 88.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 155

ge benötigt, um mit ihren Konflikten zurecht zukommen, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung. Tatsache ist jedenfalls, dass in den hoch entwickelten Rechtsstaaten westeuropäischer Prägung auf die Unzulänglichkeiten juristischer Konfliktbehandlung (auch) mediativ reagiert wird.232 Die Krise spiegelt sich in einer Verrechtlichung des Alltagslebens wider, sowohl in einer (empfundenen) Überregulierung einerseits als auch in tatsächlichen Vollzugsdefiziten andererseits. Kaum gibt es noch Handlungsbereiche, die nicht juristisch erfasst sind. Nicht nur die Regelungstiefe, sondern auch die Bandbreite sozialen Handelns ist von staatlich verfassten Regelungen begleitet und insoweit auch geleitet. Im sozialen Problemfall besteht allein dadurch die Versuchung, die Lösung im Gesetz zu finden. Wer sein – wie auch immer geartetes – individuelles Problem lösen will, hat nicht nur eine Lösung zu finden, sondern auch die Frage zu klären, ob sie nicht gegen gesetzliche Vorgaben verstößt. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Sicher war diese gesetzliche Entwicklung und Vertiefung nicht oder zumindest nicht grundsätzlich falsch. Das ist unbestritten und wird im Folgenden noch ausgeführt werden. Doch löst sie eine Rückkopplungsdynamik in dem geregelten Sozialleben aus. Als eine Konsequenz erscheint nunmehr, dass in den vergangenen vier Jahrzehnten Wissenschaft und Praxis Alternativen zum Recht gesucht und aufgezeigt haben, um Problem- und Konfliktlösung nicht nur anhand des Rechts betreiben zu müssen. Fündig wurde man zwar auch in der eigenen industrialisierten und ausdifferenzierten Gesellschaft, doch waren es hier allenfalls Ansätze und Tendenzen, die brauchbar waren. Außerhalb der eigenen, in vorstaatlichen bzw. weniger ausdifferenzierten Gesellschaften gab es hingegen eine Fülle weiterer Alternativen. Die Suche nach anderweitigen Konfliktlösungsmodellen führte zu einer intensiven verhandlungstheoretischen233 und rechtssoziologischen234 Forschung. Ausgangspunkt, Blickwinkel und Interessenschwerpunkt war jedoch stets das eigene und erlebbare Recht, der (rechts-)staatliche Umgang mit Konflikten, Fragen der Rechtsanwendung und der Durchsetzbarkeit des Rechts, nicht aber – und wenn, dann nur am Rande – die zugrunde liegenden sozialen Konflikte selbst. Gleichwohl war es eine Konsequenz dieser Forschungen, dass das (staatliche) Recht aus anderem Blickwinkel betrachtet wurde. Der rechtsphilosophische und rechtstheoretische Diskurs wurde um einige Aspekte angerei232  Generell haben entsprechende Beratungsdienste sowie psychosoziale Begleitungsdienste zugenommen, so dass bereits von einer „beratenen Gesellschaft“ gesprochen wird, s. dazu den Sammelband von Schützeichel / Brüsemeister 2004. 233  Dazu Haft 1992 und 1999; Fisher / Ury / Patton 2006. 234  Zur sog. „Alternativen-Diskussion“ Blankenburg / Klausa / Rottleuthner / Ro­ gowski 1980.

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chert. Die Beschäftigung mit Alternativen brachte nicht nur Kenntnisse über diese, sondern auch einen neuen Zugang zu dem, was (staatliches) Recht bedeutet.235 Für die Verortung der Mediation in der stark ausdifferenzierten und insbesondere rechtlich strukturierten Gesellschaft ist es hilfreich, sich zunächst dem Recht von unterschiedlichen Seiten aus zu nähern.236 Deshalb geht es im Folgenden um das, was „Recht“ genannt wird, wobei rechtsphilosophische, -theoretische und historische Wege ebenso untersuchungsleitend sein werden wie funktionale Aspekte des Rechtssystems, die bereits angesprochen wurden237. 1. Annäherungen an das Wesen des Rechts und seine Bedeutung für die Behandlung sozialer Konflikte Um sich dem Wesen von Mediation zu nähern und sich in angemessener und möglichst unbefangener Art über den Sinn und die Notwendigkeit von Mediation bewusst zu werden, lohnt es sich – zumal in einem Rechtsstaat – sich Klarheit über den Sinn und die Notwendigkeit von Recht zu verschaffen. Wird auf diese Weise die Bedeutung des Rechts in seinen vielfältigen Dimensionen ausgelotet, ist es möglich, die Mediation stimmig einzuordnen. Gemeinsamer Bezugspunkt bleibt in dieser Untersuchung der soziale Konflikt, der freilich auch gesellschaftliche Dimensionen aufweisen kann. Vier Ansatzpunkte werden zur Verortung des Rechts herausgegriffen, ein (rechts-)philosophischer [Kap. C. IV. 1. a)], ein rechtssoziologischer [Kap. C. IV. 1. b)], ein rechtshistorischer [Kap. C. IV. 1. c)] sowie ein funktionaler Ansatz [Kap. C. IV. 1. d)]. Mit Hilfe dieser vier Ansatzpunkte sollte es gelingen, relevante gesellschaftliche Wirkungen des Rechts zu erfassen. Anschließend werden konkrete Auswirkungen für die Konfliktbeteiligten bei der Anwendung des Rechts im Rahmen der Delegation untersucht [Kap. C. IV. 1. e)]. a) Philosophisches vom Recht: Was ist Recht? Was ist eigentlich und im Grunde genommen „Recht“? Was bedeutet der Begriff „Recht“? Bevor die wichtigsten Strömungen nachgezeichnet werden, die die Suche nach einer aussagekräftigen Antwort nach sich gezogen haben, seien einige – mehr oder weniger einflussreiche – Antworten schlaglichtartig genannt.238 Hintergrund dessen ist einerseits, die intellektuelle 235  So

auch Seelmann 2004, 26 f. von Schlieffen 2002, Rn. 27. 237  s. Kap. B. II. 3. 238  Hervorhebungen von S. W.; vgl. zum Folgenden auch Maihofer 1973. 236  Ähnlich



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 157

Vielfalt der Rechtskonstruktionen zu zeigen, und andererseits, genau dadurch eine erste Relativierung zu ermöglichen: Was auf so vielfältige Weise erklärt wird, kann nur schwerlich als eine monolithische Idee aufgefasst werden. Überdies werden anhand der vielfältigen Definitionen gleichwohl wiederkehrende Merkmale erkennbar, die die nachfolgenden Ausführungen in ihrer Verständlichkeit erleichtern. –  Ulpian: „Das Recht ist aber nach der Gerechtigkeit, iustitia, benannt. Wie nämlich Celsus treffend definiert, ist das Recht die Kunst des Guten und Gerechten.“239 –  Hobbes: „Das natürliche Gesetz ist also, um es zu definieren, das Gebot der rechten Vernunft in Betreff dessen, was zu einer möglichst langen Erhaltung des Lebens und der Glieder zu tun und zu unterlassen ist.“240 Er meint weiter: „Bürgerliches Gesetz ist eine Regel, welche der Staat mündlich oder schriftlich oder sonst auf eine verständliche Weise jedem Bürger gibt, um daraus das Gute und Böse zu erkennen und danach zu handeln.“241 –  Blackstone: „Recht ist eine Regel für das bürgerliche Leben, die, von der höchsten Gewalt im Staat aufgestellt, das Richtige vorschreibt und das Falsche verbietet.“242 –  Kant: „Recht ist die Einschränkung der Freiheit eines jeden auf die Bedingung ihrer Zusammenstimmung mit der Freiheit von jedermann, insofern diese nach einem allgemeinen Gesetze möglich ist.“243 –  § 1 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches Westgaliziens von 1797: „Recht ist alles, was an sich selbst gut ist, was nach seinen Verhältnissen und Folgen etwas Gutes enthält oder hervorbringt und zur allgemeinen Wohlfahrt beiträgt.“244 –  von Jhering: „Die gangbare Definition von Recht lautet: Recht ist der Inbegriff der in einem Staate geltenden Zwangsnormen, und sie hat in meinen Augen das Richtige vollkommen getroffen. Die beiden Momente, welche sie in sich schließt, sind die der Norm und die der Verwirklichung derselben durch Zwang.“245 –  Holmes: „Die zutreffende Voraussage dessen, was die Gerichte wirklich entscheiden, das verstehe ich unter Recht.“246 –  Seagle: „Die Frage nach dem Begriff des Rechts ist die Schwarze Katze im Sack der Jurisprudenz. Auch ein Rechtsanwalt könnte diese Frage nicht beantworten – nicht einmal gegen Honorar.“247 239  Ulpian

(1995, 91) in Corpus Iuris Civilis, Dig. 1.1.1. 1994, 86 f. 241  Hobbes 2000, 228. 242  Entnommen aus Koller 1997, 20. 243  Kant 1968, 289. 244  Dazu Mayer-Maly 1988, 666. 245  Ihering 1916, 320. 246  Zitiert nach Rüthers 2005, Rn. 48. 247  Seagle 1967, 13 m. w. N. 240  Hobbes

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C. Die Mediation

–  Spengler: „Diese Form, in welcher das Dasein dahinströmt, heißt Sitte, wenn sie unwillkürlich aus dessen Takt und Gang entsteht und dann erst ins Bewusstsein tritt, Recht, wenn sie mit Absicht gesetzt und zur Anerkennung gebracht wird. Recht ist die gewollte Form des Daseins, gleichviel ob sie gefühlsmäßig und triebhaft anerkannt – ungeschriebenes Recht, Gewohnheitsrecht, equity – oder durch Nachdenken abgezogen, vertieft und in ein System gebracht worden ist – Gesetz.“248 –  Wyschinski: „Recht ist die Gesamtheit der Verhaltensregeln, die den Willen der herrschenden Klasse ausdrücken und auf gesetzgeberischem Wege festgelegt sind, sowie der Gebräuche und Regeln des Gemeinschaftslebens, die von der Staatsgewalt sanktioniert sind.“249 –  Bierlin: „Recht im juristischen Sinne ist im allgemeinen alles, was Menschen, die in irgend welcher Gemeinschaft miteinander leben, als Norm und Regel dieses Zusammenlebens wechselseitig anerkennen.“250 –  Kelsen: „Als Recht wird hier eine normative Ordnung verstanden, die ein bestimmtes menschliches Verhalten dadurch herbeizuführen sucht, dass sie vorschreibt, dass im Falle eines gegenteiligen, des sog. rechtswidrigen Verhaltens, des ‚Unrechts‘, ein Zwangsakt als Unrechtsfolge, als sog. Sanktion erfolgen soll. In diesem Sinne ist das Recht eine normative Zwangsordnung.“251 –  Rechtslexikon der DDR: „Recht ist das System der vom Staat gesetzten oder sanktionierten sowie allgemeinverbindlichen Normen (Verhaltensregeln), die den letztlich materiell bedingten Willen der herrschenden Klasse ausdrücken und deren Einhaltung staatlich erzwingbar ist.“252 –  Jellinek: „Das Recht ist nichts anderes, als das ethische Minimum. Objektiv sind es die Erhaltungsbedingungen der Gesellschaft, soweit sie vom menschlichen Willen abhängig sind, also das Existenzminimum ethischer Normen, subjektiv ist es das Minimum sittlicher Lebensbetätigung und Gesinnung, welches von den Gesellschaftsgliedern gefordert wird. Ich spreche von den Existenzbedingungen eines historisch bestimmten Zustandes. Denn das Recht ist ein historisch nach den Existenzbedingungen der verschiedenen Gesellschaftszustände sich änderndes. Als ewiges, absolutes Recht könnten nur die dürftigen Normen erscheinen, ohne deren Befolgung auch nicht einmal das Zustandekommen der primitivsten Form menschlicher Gesellung denkbar ist.“253 sowie „… haben wir das Recht nur als psychologische, d. h. innermenschliche Erscheinung zu betrachten. Das Recht ist demnach ein Teil der menschlichen Vorstellungen, es existiert in unseren Köpfen, und die nähere Bestimmung des Rechtes hat dahin zu gehen, welcher Teil unseres Bewusstseinsinhaltes als Recht zu bezeichnen ist.“254 248  Spengler

1999, 1007 f. 1953, 76. 250  Bierling 1979, 19. 251  Kelsen 1968, 941. 252  Rechtslexikon Berlin 1988. 253  Jellinek 1908, 45 hier zitiert nach Dietze 1997, 26. 254  Jellinek 1920, 332. 249  Wyschinski



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 159

–  Nipperdey: „Das Recht regelt das menschliche Zusammenleben durch Gebote (einschließlich der Verbote) und Gewährungen. Genauer: Jeder vollständige Rechtssatz enthält ein Gebot, viele aber außerdem, ja sogar in erster Linie, eine Gewährung (z. B. die Gewährung des Eigentums oder eines anderen Rechts).“255 –  Hoerster: „Recht kann definiert werden als eine stufenförmig strukturierte Nor­ men­ordnung, die in einer Gesellschaft Verbindlichkeit besitzt, Ausübung von physischen Zwang vorsieht und sich anderen derartigen Normenordnungen gegenüber im Konfliktsfall durchsetzt.“256 –  Koller: „Recht ist in seinem wesentlichen Kern eine Gesamtheit sozialer Normen, deren (1) Wirksamkeit im großen und ganzen durch organisierten Zwang garantiert wird, (2) deren Anwendung und Erzeugung einer entsprechenden Ermächtigung bedarf und (3) deren Verbindlichkeitsanspruch die Überzeugung ihrer Legitimität voraussetzt.“257 –  Berman: „Spricht man von der westlichen Rechtstradition, so legt man eine Vorstellung vom Recht nicht als ein System von Rechtsregeln zugrunde, sondern als Prozess, ein Unternehmen, in dem die Rechtsregeln nur im Zusammenhang mit den Institutionen und Verfahren, den Werten und Denkweisen einen Sinn haben. In dieser umfassenderen Betrachtungsweise gehört zu den Rechtsquellen nicht nur der Wille des Gesetzgebers, sondern auch Vernunft und Gewissen der Gemeinschaft und ihre Sitten und Bräuche.“258 –  Dietze: „Rechthaberei schafft Recht. Der Begriff des Rechts setzt den Begriff der Rechthaberei voraus, denn richtiges Begreifen der Rechthaberei entpuppt diese als Wurzel des Rechtsbegriffs … Urgrund des Rechts ist eher die Entscheidung, die zu einem Rechtsstreit und dem aus ihm hervorgehenden Urteil führt. Das aber ist die Entscheidung, sein Rechthaben zu behaupten, zu versuchen es zu beweisen. Und die fundiert auf Rechthaberei … Die Reine Rechtslehre, wie sie zum reinen Recht hingeht, hat dennoch eine Lücke. Sie bedenkt nicht die Rechthaberei, die zweifellos schon vor der rechtsetzenden existiert.“259 –  Schwintowski: Recht ist funktional ein Entscheidungssystem für alle Fragen, die der einzelne in der Gemeinschaft nicht ohne Berücksichtigung der anderen beantworten kann, … ein Entscheidungssystem für soziale Konflikte.260

Rüthers meint aufgrund der Vielfalt der Vorschläge, von denen hier nur wenige genannt wurden, dass beim Rechtsbegriff von einer stipulatorischen Definition gesprochen werden muss. Das bedeutet, dass der jeweils Definierende nicht unerwähnt lassen kann, was er mit dem Begriff „Recht“ konkret meint.261 Und der englische Rechtsphilosoph Hart, dessen gesamtes Lebens255  Nipperdey

1959, 196. JuS 1987, 188. 257  Koller 1997, 44. 258  Berman 1995, 30. 259  Dietze 1997, 11, 25, 45. 260  Schwintowski 1996, 44. 261  Rüthers 2005, Rn. 71; stipulieren: (lat.) festlegen, festsetzen bzw. übereinkommen, vereinbaren. 256  Hoerster

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C. Die Mediation

werk sich nahezu ausschließlich um diesen Begriff dreht, weigert sich beharrlich, eine Definition des Rechts zu suchen bzw. zu liefern, da er um die Schwierigkeiten, insbesondere aber um die Zwecklosigkeit einer (für alles geltenden) Definition weiß. Er begibt sich vielmehr auf die Suche nach den „zentralen Elementen“ aller Rechtserscheinungen.262 Werden die wesentlichen Elemente des Rechtes herausgearbeitet, zeigt sich, dass die Perspektive, von der aus das Recht betrachtet wird, maßgebenden Einfluss auf die Antwort ausübt. Deshalb sollen zunächst drei Perspektiven umrissen werden; die Beobachterperspektive, die Teilnehmerperspektive und die Gesetzgeberperspektive.263 In ihrer Reinform sind diese Perspektiven tatsächlich kaum zu praktizieren, so dass es sich im Folgenden um eine analytische Unterscheidung handelt, doch bringt sie folgenden Erkenntnisgewinn: Der Beobachter beschreibt die Rechtswirklichkeit einer Gesellschaft und berichtet über sie. Er hinterfragt nicht das Rechtssystem, sondern nur, wie es tatsächlich einen konkreten Lebenssachverhalt behandelt. Dass das, was er sieht und berichtet, durch ihn gefiltert und damit keineswegs unabhängig von ihm weitergegeben wird, bleibt für die analytische Unterscheidung (solcher rechtsphilosophischen Herangehensweise) außen vor. Am ehesten nimmt, um ein praktisches Beispiel zu nennen, ein Rechtshistoriker die Beobachterperspektive ein, um (vergangenes) Recht zu beschreiben. Der Teilnehmer seinerseits betrachtet das Recht mit einem praktischen Erkenntnisinteresse. Aus der Teilnehmerperspektive wird erkennbar, wie gehandelt werden muss oder zumindest gehandelt werden darf. Die Frage: „(Was) Darf ich?“, stellt der Teilnehmer. Aus seiner Perspektive ist es bedeutsam und erforderlich, herauszufinden, was konkret Rechtens ist, d. h. welche Rechte und Pflichten bestehen und wie das (geplante) Handeln tatsächlich bewertet wird.264 Der Richter, der Rechtsanwalt, der Angeklagte oder Recht suchende Bürger nimmt am praktischen Rechtsleben teil und insoweit die entsprechende Teilnehmerperspektive ein. Die dritte Perspektive ist die Gesetzgeberperspektive, oder genauer: Rechtssetzerperspektive. Sie ist ebenso wenig wertneutral wie die Teilnehmerperspektive, gleichwohl in eine andere Richtung schlagend. Ihr Erkenntnisinteresse wurzelt im Gestaltungsinteresse. Das Recht wird anhand „moralischer Maßstäbe und anderer normativer Kriterien, die allgemeine Ver262  Hart

1973, 27 ff., 31. Folgenden insbes. Koller 1997, 47 ff.; aber auch Alexy 1994, 47 f.; Dreier 1991, 108 f. 264  Vgl. dazu auch Alexy 1994, 47. 263  Zum



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 161

bindlichkeit und Anerkennung beanspruchen“265, bewertet und bestimmt. Jeder, nicht nur der tatsächliche Gesetzgeber, der Rechtsnormen im Lichte seiner Wertmaßstäbe (oder anderer) betrachtet, nimmt die Gesetzgeber- bzw. Rechtssetzerperspektive ein. Keine der Perspektiven vermag für sich die Antwort auf die Frage, was Recht im Grunde genommen ist, richtiger als die jeweils anderen zu geben. Die Perspektivenabhängigkeit deutet bereits an, dass Recht generell nur kontextuell erfasst werden kann. Es wird sich im Weiteren zeigen, dass auch das, was Recht innerhalb einer Perspektive ist, weiteren Bedingungsfaktoren unterworfen ist. Doch unabhängig von der eingenommenen Perspektive, von der aus der Rechtsbegriff beleuchtet wird, wird implizit jedes Mal angenommen, dass das Recht die Idee der Gerechtigkeit verkörpert. Insofern handelt es sich um gerechtigkeitsorientierte Rechtskonzeptionen. Die Frage, was Recht ist, ist eigentlich eine Frage danach, was gerecht ist. Und das setzt die Annahme voraus, dass Recht ist, was gerecht ist. Doch, was ist gerecht? Woran ist Gerechtigkeit zu erkennen? Wer bestimmt, was gerecht ist? Naturrechtler sprechen sich dafür aus, dass gerecht und damit zum Recht das zu zählen ist, was natürlich richtig ist. Das Problem verlagert sich auf die Frage, „wer“ das natürlich Richtige bestimmt.266 Drei Erkenntnisquellen sind dafür maßgeblich verantwortlich gemacht worden: die Natur des Menschen, die göttliche Offenbarung und die menschliche Vernunft.267 Dementsprechend gibt es anthropologische Naturrechtslehren, religiöse Naturrechtslehren und rationale Naturrechtslehren (Vernunftrechtslehren). Ausgangspunkt bleibt weiterhin die Vorstellung, dass es objektive, also vom Menschen unabhängige Grundsätze gibt, die an und für sich gültig und richtig sind. Recht kann danach nur dasjenige sein, was diesen Grundsätzen nicht widerspricht.268 Der Mensch muss diese Grundsätze (an-)erkennen und sein Recht und Leben danach ausrichten. Oder anders gewendet: entscheiden, was Recht ist, kann der Mensch selbst nicht.269 Anders die positivistischen Lehren, die im Ausgangspunkt (und wohl nur dort) das Recht von der Moral und Ethik zu trennen versuchen und meinen, dass Recht nur das sein kann, was positiv (als Recht) gesetzt ist.270 Recht ist, was tatsächlich als Recht gesetzt ist, und nicht (mehr), was rechtens sein 265  Koller

1997, 49. die Naturrechtlehren war zwar nicht nur die Quelle der Erkenntnis, was Recht und richtig ist, streitig, sondern auch ihr Aussagegehalt. Doch auf ihn soll es hier nicht ankommen. 267  Vgl. Koller 1997, 31; Kaufmann 1996, 30 ff. 268  Koller 1997, 32. 269  Vgl. Jellinek 1920, 332. 270  Inhaltlich weitergehend Kaufmann 1996, 138. 266  Für

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C. Die Mediation

sollte. Das Recht wird auf dieser Grundlage ein System aus sozialen Verhaltensnormen, das die Staatsgewalt normiert, und steht neben anderen Verhaltensnormen, die einen anderen Ursprung aufweisen.271 Gegenstand der Rechtsbetrachtung wird danach nur dasjenige, was faktisch in einer Gesellschaft als Recht gilt.272 Damit schließt sich einerseits der verbale Zirkelschluss um das Problem, was Recht und gerecht ist, und wird zum Problem, was als Recht gesetzt ist273 – und praktisch als Recht durchgesetzt und damit wirksam wird. Von hier aus ist es nur ein Schritt, aus den vielen Definitionen zum Rechtsbegriff zu erkennen, dass es immer wieder kehrende Elemente gibt. Stetig drehen sich die Antworten auf die Frage, was Recht ist, um Gerechtigkeit, um Gesetztheit und Wirksamkeit. Die Frage, was Recht ist, ist im Grunde genommen unglücklich gestellt, weil sie zu der Annahme verführen kann, es gäbe (nur) einen Kern, der das Recht charakterisiert. Fragt man jedoch danach, was Recht ausmacht, so impliziert dies schon, dass es mehrere Elemente gibt, aus denen sich das, was Recht ist, zusammensetzt. Dabei muss die Idee, dass das Recht von der Gerechtigkeit geleitet wird, nicht aufgegeben werden. Jeder, der das Recht als soziale Erscheinung beschreibt, ordnet im Wesentlichen drei Elemente in (s)ein Verhältnis274: die 271  Vgl. Hoerster JuS 1987, 185 (der auf die Konsequenz aufmerksam macht, dass es danach „in Wahrheit keinerlei Widerspruch bedeutet, zu sagen ‚Dieses Gesetz ist verbindliches Recht; es verdient aber keine Befolgung‘.“); ders. 2006, 65 ff.; Viehweg 1955, 166 ff. 272  Tatsächlich und bezeichnenderweise besteht innerhalb der Positivisten Streit darüber, was positiv gesetzt ist. Welche Kriterien müssen und dürfen für die Bestimmung des Gesetzten herangezogen werden? Auch hier kristallisierten sich drei Kriterien heraus: Die autoritative Gesetztheit der Normen, die soziale Wirksamkeit der Normen sowie die Anerkennung durch die Normadressaten. Autoritativ gesetzt ist eine Norm, wenn sie von einer politischen Macht (bspw. Staat) erlassen wurde, sozial wirksam, wenn die Adressaten die Norm befolgen oder zwangsweise dazu angehalten werden und anerkannt, wenn sie als persönliche Verhaltensrichtlinien akzeptiert und integriert werden. Dementsprechend gibt es setzungsorientierte, wirksamkeitsorientierte und anerkennungsorientierte positivistische Lehren, ausführlich mit Beispielen Dreier 1991, 96 ff.; Koller 1997, 25 f. 273  Zum Streitstand und zu den Einwänden, die sich aus den Naturrechtslehren und den positivistischen Lehren ergeben instruktiv Koller 1997, 27 ff.; historisch überblickend Schröder 2001; Gegen die positivistischen Lehren ins Feld geführt werden v. a. das „Unrechtsargument“, dazu BVerfGE 23, 98, 106 m. w. N.; Alexy 1994, 18 ff.; Dreier 1991, 99 f.; Radbruch 1999, 194 ff.; Seelmann2004, 33 ff.; Kunz / Mona 2006, 139 ff.; erhellend Hoerster JuS 1987, 185; sowie das „Prinzipienargument“ Dreier 1991, 102 f.; Bydlinski 1991, 182 ff.; Kunz / Mona 2006, 151 ff. Gegen die Naturrechtslehren ins Feld geführt werden v. a. das „Relativismusargument“ Kelsen 1960, 60 ff., 409 ff.; Alexy 1994, 92 ff.; Hoerster 2006, 75 sowie das „Unerheblichkeitsargument“ Hart 1971, 51 ff., 53 f. 274  Vgl. Alexy 1994, 29.



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ordnungsgemäße Gesetztheit, die soziale Wirksamkeit und die inhaltliche Richtigkeit. Je nach Mischung entstehen ganz unterschiedliche, aber verwandte und praktikable Rechtsbegriffe. Die Gewichtung der einzelnen Elemente dürfte dabei von der jeweiligen Perspektive und dem persönlichen Erkenntnisinteresse abhängen. Grob vereinfacht lassen sich diese Haupt­ elemente zu den bisher genannten Erkenntnissen folgendermaßen zuordnen. Die ordnungsgemäße Gesetztheit der Norm kennzeichnet die Anforderungen, die die Positivisten aufstellen. Die inhaltliche Richtigkeit bezieht sich auf die Naturrechtslehren. Die soziale Wirksamkeit ist letztlich eine Art Pufferzone, in der die scheinbar unvereinbaren Ausgangspunkte in abgemilderten Formen gemeinsam Raum finden können. Denn erst in der Wirksamkeit und faktischen Durchsetzung von Rechtsnormen, verflüchtigen sich die puristischen Extreme. Was nützt Recht, wenn es nur gesetzt, aber nicht durchgesetzt wird. Und erst in der Durchsetzung des Rechts wirkt es auf den Adressaten ein, so dass Gerechtigkeit realisieren werden kann. Die Durchsetzung von Recht als Spezialfall der Positivierung von Recht. Dennoch, die Elementarisierung von Recht zeigt, dass Recht nicht nur von Gerechtigkeit geleitet wird bzw. die Gerechtigkeit des Einzelfalles nicht auch gerecht wäre, wenn es dergleichen Fälle vieler gäbe und das Einzelurteil als entscheidungserheblich für weitere Fälle gilt. Und dennoch gilt andererseits, dass auch diese Konzeption sich an der Idee der Gerechtigkeit ausrichtet. Recht bleibt eine Form, die die Gerechtigkeit aufbewahren soll.275 Wird Recht allerdings als ein Maßstab verstanden, der die Konfliktbehandlungsmethode der Delegation ausfüllt, erscheint die Frage nach der Gerechtigkeit als eine Variante von mehreren möglichen. Recht erscheint als eine Form, um miteinander zu kommunizieren. Welche Erkenntnisse sich über das Recht gewinnen lassen, wenn es als Kommunikationsform konzeptualisiert wird, mit deren Hilfe Konflikte durch einen Dritten (im Wege der Delegation) gelöst werden sollen, wird im Folgenden dargelegt werden. Die Untersuchung zeigte bisher, dass sich soziale Konflikte durch spezifische Kommunikationen beleben und auszeichnen. Die Mediation, das zeigte ebenfalls die bisherige Untersuchung, setzt ihrerseits genau bei dieser Kommunikation an, wenn und soweit nicht gewaltsam kommuniziert wird. Recht seinerseits unterbindet (aktiv) die eigenständige Konfliktaustragung im Wege des Kampfes. Erst auf der Grundlage, dass Recht eine spezifische Form von Kommunikation ist, wird der hier vorgenommene Vergleich zwischen Mediation und Recht bedeutsam. Solange der Vergleich auf der Grundlage durchgeführt wird, dass die Gerechtigkeitsfrage 275  Vgl. Kunz / Mona 2006, 161 ff.; s. auch Alexy 1994, 29; aber auch bereits Jellinek 1920, 333.

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C. Die Mediation

dem Rechtssystem zugewiesen ist und das Recht materiell gedacht wird, führen Vergleiche auf Abwege. Wird das Recht und seine (Durch-)Setzung als spezifische Kommunikations- und Interaktionsform verstanden, führt dies zu einer Konzeption, die das Recht als eine von mehreren Konfliktbehandlungsmethoden und als ein soziales System unter mehreren begreift.276 Diese Konzeption speist sich positiv aus den Erkenntnissen des Konstruktivismus und der allgemeinen Systemtheorie und negativ aus der Erkenntnis, dass das Recht seine gesellschaftlichen Aufgaben277 nur erfüllen kann, solange es sich einer abschließenden Definition, die sich aus seinem Wesen ergäbe, entzieht.278 Recht muss, soll es wirken, tautologisch sein. Nur so kann Recht bleiben, was es ist, die Suche nach dem Ideal der Gerechtigkeit, bei der das endgültige Finden ausgeschlossen wurde. Das ist die Paradoxie des Rechts279.

b) Theoretisches vom Recht: Recht als (Teil-)System der Gesellschaft Nach der üblichen Konvention zielt alle juristische Konfliktbehandlung letztendlich auf die Schaffung von Gerechtigkeit, wobei sie individuelle und gesamtgesellschaftliche Aspekte zu beachten hat. Soweit das Rechtssystem280 als dogmatisches System konzeptualisiert wird, zentralisieren sich die Begriffe Handlung, Kausalität, Zurechenbarkeit, die zu einem System aus Verhaltensaufforderungen und -verboten führen. Rechtsfragen drehen sich um die Aspekte, was gerecht und ungerecht ist und die Antworten auf diese Fragen bilden das Rechtssystem. Rechtliche Konfliktbehandlung bedeutet von diesem Standpunkt aus die Herstellung oder Wiedererlangung von Gerechtigkeit und die Beendigung von Ungerechtigkeit. Im zweiten Kapitel der Untersuchung wurde der soziale Konflikt als zustandsbezogene Gegensatzkommunikation definiert, bei der die Beteiligten annehmen, voneinander abhängig zu sein. Das ermöglichte es, alle Kommunikation angesichts eines Konflikts als konfliktbehandelnd und insoweit -gestaltend zu konzeptualisieren. Die Konfliktbehandlung im Wege der 276  Kunz / Mona

2006, 207 f. Kap. C. IV. 1. d). 278  Vgl. Luhmann 1999, 102 ff.; Christensen 2005, 1 m. w. N. 279  Dazu lesenswert Luhmann ZfRSoz 2000. 280  Ein System ist generell eine Menge aus Elementen, die in ihren Relationen zueinander beschrieben werden. Die Menge und die Art der Relationen zwischen den Elementen ist die sog. Struktur des Systems. Eckhoff / Sundby 1988, 19; Büllesbach 2004b, 429. 277  Dazu



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Delegation, die im Fall eines Richters das Rechtssystem nutzt, hat im weiteren Verlauf der hier dargelegten Untersuchung gezeigt, dass Recht eine bestimmte Form der Kommunikation ist. Dieser Gedanke wird hier abermals aufgegriffen, um ihn – mit Hilfe systemtheoretischer Überlegungen – zu vertiefen und auf diesem Wege sowohl das Recht als auch die Mediation als Konfliktbehandlungsmethoden weiter zu erhellen. Um das Rechtssystem als Kommunikationssystem zu konzeptualisieren, wird vorliegend großteils auf die soziologische Systemtheorie des Juristen Luhmann zurückgegriffen, die zu Recht als Kommunikationstheorie des Rechts schlechthin begriffen wird.281 Recht ist nicht mehr das System, dass die Idee und Dogmatik der Gerechtigkeit erfasst und deshalb als Ideensystem erscheint282, sondern ein Objektsystem.283 Betrachtungsobjekt und Untersuchungsgegenstand ist das System rechtlicher Kommunikationen – losgelöst vom Gedanken der Gerechtigkeit. Zentrale Begriffe sind nicht mehr Handlung, Kausalität und Erfolg, sondern Kommunikation, Zirkularität und Selbstreferentialität.284 Als Kommunikationssystem erweist sich das Rechtssystem als ein Teilsystem 281  Luhmanns Konzeption kann in dieser Untersuchung nicht gänzlich erläutert werden, jedoch ist wesentlich zu beachten, dass er das Autopoiese-Konzept, das Maturana und Varela für biologische Systeme entwickelt haben, Kap. A. IV., vgl. Varela 1996, auf das Rechtssystem überträgt, vgl. Luhmann 1993; ders. ZfRSoz 2000; im Urteil abwägend Huber 2007; davon abweichend Röhl / Röhl 2008, 447 ff.; Teubner 1989; Ladeur 1992, 155 ff.; gänzlich ablehnend Petev 2001, 21 f.; instruktiv zum Ganzen Büllesbach 2004b, 447 ff.; Vesting 2007, 108 ff.; Calliess 2006; zur juristischen Kommunikation i. S. d. klassischen Kommunikationstheorie Weyreuther DÖV 1997. 282  Als dogmatisches System beschreibt „Recht“ das Zusammenspiel seiner Normen und Entscheidungen. Die Dogmatik ordnet nicht nur die Normen und Elemente, sondern begründet diese Ordnung, indem sie Zusammenhänge herstellt und verdeutlicht. Dieser Systemcharakter soll gewährleisten, dass kein Konfliktbeteiligter im Vergleich zu allen anderen und späteren Konfliktbeteiligten ungerecht behandelt wird (System der Gerechtigkeitsidee). Es ist dieser Wille, die Idee der Gerechtigkeit in ein dogmatisches Gedankensystem zu ordnen, der es überhaupt rechtfertigt, von einer Rechtswissenschaft zu sprechen, ähnlich Röhl / Röhl 2008, 442; ausführlich Schröder 2001, 167 ff. Luhmann bezeichnet das Rechtssystem unter diesem Aspekt der Gerechtigkeitskonkretisierung als „Juristisches System“, das die Frage beantwortet, was das Rechtssystem regelt. Daneben differenziert Luhmann das Recht als „Organisationssystem“ (Wer setzt, spricht, vollzieht Recht?) sowie als „Kommunikationssystem“ (Welche Kommunikationen gehören zum System bzw. zur Umwelt?), Luhmann Rechtstheorie 1986, 178. Der juristische Systembegriff, der das Recht als dogmatisches System der Gerechtigkeitsidee auffasst, erfasst damit anderes als der soziologische bzw. systemtheoretische Systembegriff, der das Rechtssystem als Kommunikationssystem begreift und untersucht. Dazu auch Vesting 2007, Rn. 67 ff., 108; Canaris 1983, 40 ff.; Krawietz 1984. 283  Vgl. dazu Röhl / Röhl 2008, 444 ff.; Zur systemtheoretischen Differenzierung von Ideensystemen und Objektsystemen ausführlich Eckhoff / Sundby 1988, 22 ff. 284  Dazu speziell für das Verwaltungsrecht Vesting 2008, Rn. 3.

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der Gesamtgesellschaft285, das sich bestimmter Kommunikationsstrukturen bedient. Rechtskommunikation bedeutet, dass die sozialen Phänomene nach recht / unrecht differenziert werden und jegliche Kommunikation, die in dieser Art erfolgt eine Aktivierung des Rechtssystems ist. Eine Konfliktbehandlung jenseits dieser Art wäre folglich nicht dem Rechtssystem zuzuordnen, so dass die These, dass Mediation etwas anderes ist als Recht dazu führt, dass Mediation kein Teil des Rechtssystems ist und Kommunikationen über recht / unrecht nicht zur Mediation gehören.286 Systemtheoretisch maßgebend sind die kommunikativen Bedingungen und Wirkungen des Rechtssystems. Sie ermöglichen es, für das individuelle wie gesellschaftliche Konfliktmanagement generell neue Erkenntnisse zu gewinnen, die auch die Differenz von Mediation und Recht ermöglichen. aa) Ausschluss konfliktwesentlicher Kommunikationsinhalte Die Gesamtgesellschaft als soziales System, das sich auf Kommunikationen aufbaut287, bedarf infolge ihrer Komplexität mehrerer Systemstützen. Das Rechtssystem als ein Kommunikationssystem ist eine solche Systemstütze, das einerseits stabilisierend wirkt, andererseits aber auch zur weiteren Entwicklung der Gesamtgesellschaft beiträgt. Das Rechtssystem reduziert die Komplexität des Gesamtsystems, indem es die Kommunikation vereinfacht: Im Rechtssystem geht es nur um recht / unrecht. Die Kommunikation ist binär codiert. Völlig zweitrangig ist die wertbezogene, inhaltliche Ausrichtung des Systems. Materielle Gesichtspunkte oder Gerechtigkeitsfragen sind insoweit bedeutungslos. Egal, wie tatsächlich mit den Menschen umgegangen wird, das Recht spricht nur über recht / unrecht.288 Eine solche kommunikative Komplexitätsreduzierung ist Kennzeichen eines jeden Teil285  Etwa Luhmann 1993, 35; Schuldt 2006, 38 spricht von „Funktionssystem“; Simon 2006, 101 wiederum spricht von „Organisation“. Einführend zum Ganzen Kunz / Mona 2006, 210; Röhl / Röhl 2008, 444 ff.; Büllesbach 2004b, 429; Schuldt 2006, 14; ausführlich zum Systembegriff Eckhoff / Sundby 1988, 18 ff. 286  Das bedeutet allerdings keineswegs, dass Fragen zur Rechtslage generell aus der Mediationspraxis auszuschließen sind. Das ist völlig unnötig und auch nicht praktikabel. Aber zumindest der Dritte sollte sich über die verschiedenen System­ ebenen und Konfliktbehandlungsmöglichkeiten bewusst sein. 287  Sonstige Systeme sind z.  B. biologische oder psychische oder maschinelle Systeme. Kommunikationen sind das Kennzeichen sozialer Systeme. Hinzuweisen ist an dieser Stelle darauf, dass Systeme an sich nicht bestehen, sondern das Ergebnis der Beobachtung des Beobachters sind, der beim Beobachteten Unterscheidungen vornimmt, die er beobachtet und dadurch seine Welt konstruiert, ähnlich Krause 2005, 232. 288  Vgl. dazu nur die eindrucksvollen Nachweise bei Rüthers 1997; ders. 1995.



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systems der Gesamtgesellschaft.289 Dadurch bietet das Teilsystem dem handelnden Individuum einerseits Orientierung, erwartet aber andererseits ein entsprechendes Verhalten. Jede Orientierungslinie ist eben auch eine Grenzlinie. Die binäre Codierung der Kommunikation führt – nach Luhmann – zur Autopoiese des Rechtssystems290, weil sie die operative Geschlossenheit sowie die strukturelle Offenheit des Systems organisiert291. Dass das Rechtssystem operativ geschlossen292 arbeitet, bedeutet, dass es alle Kommunikationen im binären Code von recht / unrecht einschließt. Selbstreferentialität ist damit ein Kennzeichen der Rechtskommunikation.293 Dass das Rechts289  Teil-, Sub- bzw. Funktionssysteme wie das Rechtssystem differenzieren sich vom Gesamtsystem Gesellschaft, indem ihre Kommunikation einen bestimmten Code verwendet, vgl. Callies ZfRSoz 2000, 294; ders. 2006, 59. Andere Funktionssysteme der Gesellschaft codieren folglich anders als das Rechtssystem, z. B. das Wirtschaftssystem in codiert in zahlen  /  nicht zahlen, das Wissenschaftssystem in wahr / unwahr, das Politiksystem in machtvoll / machtlos, das Kunstsystem in stimmig  /  nichtstimmig bzw. schön  /  hässlich und das Erziehungssystem in besser lernen  /  nicht bzw. schlechter lernen. Zu sonstigen Funktionssystemen Krause 2005, 41 ff.; Schuldt 2006 f.; Blecher 1990, 39 ff.; Luhmann 1993, 165 ff. Konsequenz dieser kommunikationsbezogenen Differenzierung der Gesellschaft ist etwa, dass das Rechtssystem bereits dann aktiviert ist, wenn und sobald im Code von recht / unrecht kommuniziert wird, was in sozialen Konflikten sehr frühzeitig geschieht. Keineswegs ist es erforderlich, dass das organisationale Rechtssystem aktiviert worden sein muss (Gerichte, Staatsanwalt, Polizei, Rechtsanwalt etc.). Andererseits ist etwa das Wissenschaftssystem in Funktion, wenn während eines Gerichtsprozesses im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung im binären Code von wahr / falsch kommuniziert wird; vgl. Callies ZfRSoz 2000, 294; Luhmann 1999, 510 f. („Das Rechtssystem tritt in Funktion, wo immer mit dem Schema recht / unrecht gearbeitet wird … In entwi/  unrecht noch durch eine ckelten Gesellschaften wird dieser Schematismus recht  Zweitcodierung nach erlaubt / verboten ergänzt.“). 290  „Autopoiese“ entstammt dem Griechischen autos = selbst und poiein = machen; Zum Modell der Autopoiese allgemein: Simon 2006, 31 ff.; ursprünglich wurde die Autopoiese allein lebenden, biologischen Systemen zugesprochen Varela 1996; Maturana / Varela 1987, 55 ff.; Maturana / Pörksen 2002, 109 ff. Später – und keineswegs mit Zustimmung der Urheber Maturana und Varela – wurde der Begriff auf nicht lebende, soziale Systeme (v. a. durch Luhmann 1993 sowie 1999) übertragen, dazu Krause 2005, 25 ff. m. w. N.; Maturana / Pörksen 2002, 111. 291  Vgl. Blecher 1990, 39 f.; Krause 2005, 131. 292  Zur sog. operativen bzw. zirkulären bzw. rekursiven Geschlossenheit bzw. Schließung s. Luhmann 1993, 34 f., 38 ff.; Simon 2006, 47 ff.; Schuldt 2006, 24 f.; Raiser 1999, 153; Luhmann ZfRSoz 2000, 20; Teubner 1989, 37 f. 293  Schuldt 2006, 26. Als Systemelemente eines autopoietischen Systems sind Kommunikationen selbstreferentiell. Sie greifen auf sich selbst zurück, um sich immer wieder neu zu produzieren. Selbstreferentialität ist keine Wechselwirkung zwischen bestehenden Elementen, da Kommunikationen im Zeitpunkt ihres Entstehens bereits wieder vergehen. Kommunikationen sind also nicht gleichzeitig, sondern ein sich selbst fortpflanzender Prozess, vgl. Schuldt 2006, 44. Zur Selbstreferentialität

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system strukturell offen bzw. mit der Umwelt gekoppelt294 arbeitet, bedeutet, dass es sonstige Kommunikationen zwar nicht als zugehörig anerkennt, sich aber durch sie anregen bzw. stören lässt. Exklusion ist ein weiteres Kennzeichen der Rechtskommunikation in Bezug auf sonstige Kommunikation. Beispiel: A: „Ist das teuer?“ B: „Nein, das ist nicht teuer?“ ist keine Kommuni­ ka­tion des Rechtssystems. Die Kommunikation ist nicht rechtlich binär codiert. Das Rechtssystem kann damit nichts anfangen. Aber das Rechtssystem lässt sich zu entsprechenden Codierungen anregen, weil seine kommunikativen Strukturen offen sind. Mögliche Codierungen sind: Durfte A die Frage an B stellen? Muss B antworten, also hat A sogar einen Anspruch auf Auskunft? Bedarf B einer gesetzlichen Befugnis zur Auskunft? Handelt es sich um einen Wucherpreis?

Das Rechtssystem basiert folglich nicht auf beliebigen Kommunikationen, sondern setzt sich nur durch bestimmte kommunikative Elemente fort. Allein diese Kommunikationen sind rechtlich relevant. Würde das Recht den gesamten sozialen Sachverhalt in all seinen Aspekten für relevant halten, um eine Entscheidung treffen zu können, würde es die Komplexität des Sachverhalts gerade nicht reduzieren. Außerrechtliche Kommunikationen können dem Rechtssystem damit nicht linear-kausal bzw. determinierend vorschreiben, was Recht ist. Oder anders gesagt, es gibt keinen transportierten Input von Außen, der dem Rechtssystem vorgibt, was Recht ist. Allein das Rechtssystem entscheidet, was Recht ist und diese Entscheidung erfolgt als eine Operation des Systems selbst.295 Was bedeutet die binäre Codierung der Kommunikation in recht / unrecht für das Konfliktmanagement? Sonstige, nicht im binären Code von recht / unrecht kommunizierte Kommunikationen werden vom Rechtssystem schlichtweg „überhört“, außen vor gelassen und finden keinen Anschluss. Sie sind – wie es in der juristischen Konfliktbehandlung heißt – „rechtlich irrelevant“, obschon sie sozial, also für die zwischenmenschliche, konfliktäre Beziehungsgestaltung bedeutsam sind. Sie können allenfalls das Rechtssystem infolge der strukturellen Kopplung stören. Dabei sind es aber systemeigene regelgesteuerte Programme296, die die Feststellung der System- oder Umweltrelevanz ermöglichen. Muss die Konfliktkommunikation für das Rechtssystem codiert werden, wobei allein das Rechtssystem über die Rechtsrelevanz entscheidet, filtert es konfliktwesentliche Inhalte heraus. im Zirkel von Regel und Entscheidung Luhmann ZfRSoz 2000, 6; ausführlich, aber verkopft Teubner 1989, 27 ff. 294  Die Betroffenheit des Systems von Außen determiniert aber nicht die Systemarbeit. Zur strukturellen Kopplung Luhmann 1993, 441; allgemein Simon 1993, 78 ff.; zur Systemirritation Luhmann 1993, 56 bzw. zur Betroffenheit des Systems Luhmann Rechtstheorie 1986, 171. 295  Luhmann Rechtstheorie 1986, 172. 296  Dazu Luhmann 1986, 188 f.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 169

Rechtskommunikation ist, das wird hier deutlich, keine direkte Konfliktkommunikation. Indem die Konfliktkommunikation im Wege der Codierung in das Rechtssystem überführt wird, wird es diesem überhaupt erst möglich, über den Konflikt eine Entscheidung zu fällen, die sodann in eine Handlungsaufforderung oder -Unterlassung mündet. Bereits die Systemtheorie nach Luhmann förderte zutage, was Konfliktmanager und Mediatoren praktisch erfahren und bestätigen: Rechtliche Konfliktbehandlung reduziert nicht nur Komplexität, sondern auch greifbare und naheliegende Möglichkeiten und Ansatzpunkte, soziale Konflikte aufzulösen.297 bb) Differenz von Information und Verstehen Die systemtheoretische Untersuchung des Rechtssystems, die die Kommunikation fokussiert, birgt noch eine weitere Erkenntnis für das Konfliktmanagement. Sie ist zwar allgemeinkommunikationstheoretischer Natur, aber gleichwohl von erheblichem Belang und kennzeichnend für die rechtliche Konfliktbehandlung. Den erkenntnistheoretischen Zugang bildet der systemtheoretische Kommunikationsbegriff Luhmanns. Eine Kommunikation ist eine dreifach-selektive Differenz von einer Information, der Mitteilung der Information sowie dem Verstehen der mitgeteilten Information.298 Different ist die Information, weil sie eine Auswahl darstellt und eine andere hätte sein können. Auch die Mitteilung ist different, weil sie nicht nur in verschiedenen Formen (schriftlich, mündlich etc.) erfolgen, sondern auch unterlassen werden könnte. Und das Verstehen ist different, weil es zwischen beiden unterscheiden kann und die Mitteilung der Information unterschiedlich auffassen kann.299 Erst das Verstehen begründet die Kommunikation und schließt sie zugleich ab. Die Eigenart dieser Konzeption ergibt sich daraus, dass damit nur Kommunikation kommunizieren kann.300 Indem sich die Kommunikation als ein dreifach selektiertes Ereignis darstellt, ist es 297  Vgl.

dazu auch Kap. C. IV. 1. e). die drei Komponenten als Selektionen der Kommunikation als solche konzeptualisiert werden, hat enorme Konsequenzen für die theoretische Fundierung: Erstens gibt es außerhalb von Kommunikation weder eine Information noch eine Mitteilung oder ein Verstehen. Zweitens ist die Information nicht die Ursache der Mitteilung und die Mitteilung nicht die Ursache des Verstehens bzw. die Informa­tion nicht die Ursache des Verstehens. Drittens bilden die drei Selektionen nur zusammen eine Kommunikation und stehen in einem zirkulären Wechselverhältnis, s. Luhmann IP 1987, 8; auch Simon 2006, 91 ff. 299  Luhmann IP 1987, 5 f.; Krause 2005, 34 ff. 300  Luhmann IP 1987, 4 sowie 1995, 884. Der Kommunikationsbegriff von Luhmann ist also anders zu verstehen, als der der pragmatischen Kommunikationstheorie von Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 50; noch anders Watzlawick / Beavin 1990, 95. Übereinstimmung besteht teilweise zum Begriff der Interaktion. 298  Dass

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C. Die Mediation

nicht mehr das Ergebnis von menschlichen miteinander korrespondierenden Handlungen.301 Weder Menschen kommunizieren miteinander, noch Gehirne (psychische Systeme) oder sonstige Systeme (Maschinen)302, sondern allein Kommunikationen (soziale Systeme), so dass aus der Vielzahl der Kommunikationen die oben genannten Subsysteme differenziert werden können. Kommunikation ist nicht das (gute oder schlechte) Ergebnis handelnder Subjekte, sondern ein selbstorganisierter, selbstreferentieller Prozess, der passiert oder nicht.303 Der Menschen bedarf es zwar, damit Kommunikation passiert, aber Menschen sind insoweit Bedingungen, die, wenn überhaupt, in ihrer Einheit der Umwelt des Kommunikationssystems zugeordnet sind.304 301  Dieser selbsttragende Charakter der Kommunikation mag zwar befremdlich wirken, doch weist Vesting 2008, Rn. 29 zu Recht darauf hin, dass auch das (liberale) Recht die transsubjektive Struktur von Sprache vorausgesetzt hatte: Der Richter spricht nicht Recht als sein Urheber, sondern Recht und Gesetz wurden als „unvordenkliche“ Gegebenheiten konzeptualisiert. 302  Vgl. Callies 2006, 58; Schuldt 2006, 22, 24. 303  Simon 2006, 94. 304  Luhmann IP 1987, 5. Der Mensch in seiner Ganzheit wie er das Zentrum von handlungs- bzw. akteursbezogenen Konzeptionen darstellt, taucht in dieser (soziologischen) Systemtheorie Luhmanns nicht auf. Einzelne Aspekte des Menschen bilden in der soziologischen Systemtheorie einerseits eigene Systeme (Gehirne als psychische Systeme, Stoffwechsel etc. als biologische Systeme) und stellen andererseits selbst wieder Umwelten von Systemen dar (psychische Systeme, aber auch biologische Systeme sind Umwelten für soziale Systeme). Das bedeutet, dass soziale Systeme ohne Menschen keinesfalls funktionsfähig sind. Eine Gesellschaft ohne Menschen gibt es nicht. Aber Menschen werden (in der soziologischen Systemtheorie) nicht als Elemente des Systems Gesellschaft gedacht. Soziale Systeme bestehen für sich ausschließlich aus Kommunikationen, die autopoietisch und selbstreferentiell agieren, jedoch eben nicht autark, dazu Simon 2006, 53; Büllesbach 2004b, 447. Im Grunde handelt es sich bei der Luhmannschen Systemtheorie um eine System-Umwelt-Theorie, vgl. Willke 2005, 304. Luhmann wurde diesbezüglich oft missverstanden und teilweise dafür auch angefeindet, weil seine Systemtheorie keinen Menschen kenne und ‚inhuman‘ sei. Tatsächlich entspricht dieser Ansatz auch nicht dem radikalskonstruktivistischen Ansatz etwa von Maturana oder von Foerster, vgl. nur Esposito 2005, 300 f., oder anderer systemtheoretischen Konzeptionen. Doch gerade indem der Mensch in seiner Ganzheit in der soziologischen Systemtheorie keinen Platz zugewiesen bekommt, wird er als Mensch in seiner Komplexität wahrnehmbar und einer rein theoretischen Betrachtung und damit einer Verobjektivierung von Beginn an entzogen. Eine „Theoretisierung“ wird unmöglich. Der Mensch ist somit die Schnittstelle in der Vielfalt der beobachtbaren Systeme und ihrer Umwelten. Zum „(ganzen) Menschen“ in der Systemtheorie prägnant Simon 2006, 85 ff., insbes. 87; Huber 2007, 50 ff.; auch Luhmann 1993, 48 (FN. 19); 1999a, 67 f.; 1997, 67; ausführlich Schimank 2005; kritisierend Kargl Rechtstheorie 1990, 353 m. w. N.; dazu Teubner 1989, 59; und nochmals Schuldt 2006, 25, 57. Des Menschen Komplexität, die in der Systemtheorie zunächst außen vor gelassen wird, wird allerdings in den unterschiedlichen (sozialen) „Rollen“ konzeptualisiert, was sich auch in der Praxis der Beratungsarbeit bewährt hat, ähnlich Schuldt 2006, 57.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 171

Ohne Menschen kommen zwar keine Kommunikationen zustande, dass aber behauptet wird, dass Menschen kommunizieren, stellt sich aus dieser systemtheoretischen Perspektive als eine Konvention des Alltags dar.305 Dazu folgende Übersicht: Soziales System

Person A Verhalten Information

Person B

Kommunikation

Mitteilung

psychisches System

Verstehen

psychisches System

Quelle: Angelehnt an Krause 2005, 35. Abbildung 3: Kommunikationsbegriff nach Luhmann 305  Kommunikationstheoretisch ist das gleichsam eine Absage an die (klassische) Kommunikationstheorie, der ein mathematischer Informationsbegriff zugrunde liegt und bei der davon ausgegangen wird, dass Informationen von einem Sender zu einem Empfänger über ein bestimmtes Medium übertragen werden, Luhmann IP 1987, 7. Dieses Modell entstammt der technischen Informationstheorie, wie sie von den frühen Kybernetikern um Wiener und Shannon, der technischer Mitarbeiter der Telefonfirma „Bell“ war, entwickelt wurde. Sie nutzten die Theorie der Übertragung technischer Signale und formulierten (mathematisch) eine „Kommunikationstheorie“ Daraus entwickelte sich ein Missverständnis, das dazu führte, dass ihre Theorie auf die zwischenmenschliche Kommunikation übertragen wurde und viele wissenschaftliche Bereiche durchdrang. Instruktiv dazu Simon 2006, 56 f.; Baecker 2005, 119 ff.; aus der juristischen Literatur dazu Vesting 2008, Rn. 18 ff., 21. Dass mit dieser (klassischen) Kommunikationstheorie nicht das Wesen der (zwischenmenschlichen) Kommunikation erfasst wird, erkannten bereits die Kybernetiker. Von Foerster meinte bereits in den frühen 1950er Jahren, dass bei einer „zwischenmenschlichen Kommunikationen“ nichts übertragen wird, da vor allem der Hörer bestimmt, was die Aussage eines Absenders (für diesen) bedeutet. Deshalb differenziert von Foerster zwischen einem Signal (Störung, Laut etc ≈ der Luhmannsche Mitteilung) und der Information (Bedeutungsgehalt der Störung für den Wahrnehmenden ≈ dem Luhmannschen Verstehensbegriff), vgl. von Foerster / Bröker 2007, 341 ff., von Foerster / Pörksen 2006, 97 f.

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C. Die Mediation

Welche Rückschlüsse für das delegierende Konfliktmanagement können daraus gezogen werden? Entscheiden andere Menschen über Konflikte, entscheiden sie nur über diejenige soziale Situation, die sie verstanden haben. Es ist zwar nicht nötig, auf die soziologische Systemtheorie Luhmanns zurückzugreifen, um der Vorstellung zu folgen, dass bei Kommunikation Informationen übertragen werden wie bei einer technischen Signalübertragung, doch verdeutlicht sie diesen Aspekt besonders einleuchtend. Freilich ist es eine Binsenweisheit, dass die Kommunikation zwischen den Konfliktbeteiligten der sinnvollste Ansatzpunkt ist, um den Konflikt zu behandeln, aber erst eine entsprechende theoretische Fundierung, eine genaue Vorstellung davon, was bei Kommunikation geschieht, erlaubt es, sinnvoll tauglich zu intervenieren. Der Luhmannsche Kommunikationsbegriff lehrt besonders eindringlich, was bei der Konfliktdelegation geschieht, wenn die Konfliktkommunikation den sozialen Konflikt in das Rechtssystem überführt. Dabei verführt die Theorie nicht dazu, in der Überführung lediglich die Aktivierung des organisationalen Rechtssystems (Justizsystem) zu erblicken. Sie erläutert vielmehr theoretisch widerspruchsfrei und umfassend, dass die Konfliktkommunikation, sobald sie sich im recht  /  unrecht-Code gebärdet, das Rechtssystem in Funktion setzt und den Konflikt weiter eskalieren lässt.306 Deutlich wird daran, dass jedwede Konfliktkommunikation, die binär codiert erfolgt, unzureichend ist. Auch eine Konfliktkommunikation, die ausschließlich im Code schön / hässlich oder zahlen / nicht zahlen erfolgt, wird der sozialen Dynamik nicht gerecht. Es ist gerade die binäre Codierung, egal welcher Art, obschon recht / unrecht die gebräuchlichste ist, die einem konstruktiven Konfliktmanagement nicht angemessen ist. Sie beachtet die Einheit des Menschen in seiner Vielfalt gerade nicht. Oder anders gewendet: Ein konstruktives Konfliktmanagement ist vor allem ein konkretes Konfliktmanagement, bei dem sich eine durchgehende Schematisierung dieser Art verbietet oder zumindest zu meiden versucht wird. cc) Paradoxe Zirkularität der Rechtsentscheidung Die dritte Erkenntnis vom Recht durch eine systemtheoretische, kommunikationsbezogene Betrachtung, die für das Konfliktmanagement bedeutend ist, betrifft die paradoxe Zirkularität des Rechts selbst.307 Wenn das Rechtssystem autopoietisch und selbstreferentiell operiert, dann folgt daraus nicht nur, dass ausschließlich das Rechtssystem entscheidet, was Recht ist. Es 306  Vgl.

dazu Kap. C. IV. 1. e). Paradoxie des Rechts entlarvt bereits die von Kunz / Mona 2006, Rn. 21 f. gestellte Frage „Wieso darf der seinen Vorgänger vernichtende Despot bestimmen, was Recht ist?“, worauf allerdings schon Spengler 1999, 1111 treffend meinte: „Das Recht auf das Recht ist die Beute des Siegers.“ 307  Die



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 173

bedeutet auch, dass es innerhalb des Rechtssystems keine nichtdisponiblen Rechtssätze bzw. -aussagen gibt. Das Rechtssystem vermag keine endgültigen Aussagen zu treffen, kennt nichts absolut Verbindliches und weist keine Aussagen auf, die als ewiges Recht gelten können. Es lediglich das geltende Recht, was gegenwärtig Recht ist, wobei dies alles oder nichts sein kann. Recht kann zwar alles sein oder werden, aber nicht alles wird immer zu Recht entschieden. Um die Paradoxie zu erhellen, kommt es bei der Frage, was Recht ist, nicht auf „das Recht“ an, sondern auf das „ist“, was ein Sein nahe legt, das es nicht gibt. Recht ist ein Rechtssetzen, Rechtanwenden und Rechtdurchsetzen, es ist ein Tun, ein sich kommunizierender Prozess von Rechtskommunikationen. Luhmann verdeutlicht die Paradoxie des Rechtssystems an dem einfachen Beispiel von Regel und Entscheidung308. Dabei geht es um die Frage, ob die Regel (Vorgabe, Norm, Gesetz) eine Entscheidung verbindlich vorgeben kann. Ziel der Regel scheint zu sein, den Adressaten aus der Vielzahl der Wahlmöglichkeiten genau eine Möglichkeit vorzugeben. Regeln wirken damit komplexitätsreduzierend, aber keinesfalls entscheidungsaufhebend. Aus der Frage „Was tue ich sogleich?“ werden die Fragen „Regelt die Regel meinen Fall?“ und „Halte ich mich an die Regelaussage?“. Die nahezu unendliche Komplexität wird auf Entscheidungsfragen binarisiert, deren Antwort „ja“ oder „nein“ ist. Das entspricht der Intention des Adressaten. Der Absender soll sich im Fall der Regelanwendbarkeit an deren inhaltliche Vorgaben halten und keine andere Handlung aus der Vielzahl der Möglichkeiten wählen. Doch bereits bei der Frage, ob die Regel anwendbar ist, muss deren Aussage (mitgeteilte Information) verstanden werden. Die Mitteilung der Information „Rechts- bzw. Regelaussage“ fordert eine Entscheidung des Adressaten309 in der Form des Verstehens. In der juristischen Fachsprache handelt es sich hierbei um die Auslegung der Norm und deren Subsumtion auf den festgestellten Sachverhalt. Die Auslegung wird zwar als Konkretisierung der abstrakten Rechtsmitteilung konzeptualisiert, die den gemeinten Sinngehalt der Norm offenbart.310 Doch zeigt sich unter dem hier angebotenen kommunikationstheoretischen Fokus, dass es sich um den Vorgang des Verstehens der mitgeteilten Information handelt.311 Das Verstehen schließt die Kommunikation zum einen ab, und stellt zum anderen einen 308  Luhmann ZfRSoz 2000, 5 ff.; ähnlich ders. VerwArch 1993; s. zum Folgenden auch Zippelius 2004a, 127 ff. 309  Lesenswert in diesem Zusammenhang zu Entscheidungen Luhmann VerwArch 1993, 287 ff. 310  Vgl. etwa Kaufmann JZ 1975, 339; Franzius DV 2006, 338; s. auch Weyreuther DÖV 1997, 179 f. 311  Zur Auslegung des Gesetzes als interpretierenden Verhandlungsvorgang Hager ZKM 2003.

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C. Die Mediation

selbstreferentiellen, aktivitätsgeprägten, sinngebenden Vorgang des adressierten psychischen Systems Bewusstsein dar. Oder anders, der Normanwender kann nicht durch Recht in seinen Entscheidungen determiniert bzw. linear-kausal gesteuert werden.312 Die Arbeit des Adressaten, die Rechtsanwendung z. B. eines Gesetzes ist keine gebundene, fremdgesteuerte Konkretisierung, sondern eine eigenständige Rekonstruierung. Die beteiligten psychischen Systeme, die wie soziale Systeme mit Sinn operieren, bleiben gegenseitig und füreinander black boxes.313 Paradox daran ist, dass die mitgeteilte Regel zwar eine Entscheidung des Adressaten ausschließen möchte: Gesetze werden erlassen, damit sie eingehalten werden! Tatsächlich aber fordern sie genau diese Entscheidung von den Adressaten ab. Damit zeigt sich das Rechtssystem als ein Entscheidungssystem. Recht als nicht endender Prozess. Recht ist nicht, sondern wird – nie endgültig fertig. Zur Aufdeckung der Paradoxie des Rechts bedarf es nicht einmal zweier Menschen. Jeder Mensch, der auch bloß für sein Verhalten eine Regel aufstellt, begibt sich in die Paradoxie: Beispielhaft wird die Regel herangezogen, montags um 7.00 Uhr aufzustehen. Nicht nur, dass es eine Entscheidung erfordert, eine kodifizierbare Regelung aufzustellen. Die Regel ihrerseits zwingt im Folgenden dazu, sich jeden Montag erneut zu entscheiden, ob diese Regel auch tatsächlich befolgt wird oder nicht. Tatsächlich formuliert die Regel lediglich die (Verhaltens-)Erwartung, dass montags regelkonform gehandelt wird, sie kann den Entschluss selbst aber keineswegs vorwegnehmen. Die Entscheidung am Montagmorgen ist freilich auch binär codiert: Dafür oder dagegen. Die Regel zwingt zu Montagmorgenentscheidungen, da die ursprüngliche Entscheidung die Regulierung nach sich zog.314 Das Rechtssystem versucht zwar, sich dieser Paradoxie zu entziehen, doch gibt es infolge der Selbstreferentialität bzw. Rückbezüglichkeit kein Entkommen.315 Zugegeben, durch Hierarchisierung und höherrangige Regelungen bzw. unterschiedliche Wertigkeiten von Entscheidungen könnte versucht werden, den Paradoxien zu entkommen. Entscheidungen, der Regelung zu folgen, die im wachen und ausgeschlafenen Zustand getroffen wurde, könnten werthaltiger eingestuft werden und deshalb Vorrang genießen, als Entscheidungen am Montagmorgen kurz nach dem Weckerklingeln. Doch solche Hierarchisierung ist ebenfalls eine Entscheidung, die eine Regel nach sich zieht (etwa: „Entscheidungen außerhalb des Bettes gehen vor!“). Der zirkulären Paradoxie kann sich auch auf diese Weise nicht entzogen werden. Vielmehr entstehen neue Zirkel auf neuen, aber systemimmanenten Ebenen.316 312  Luhmann ZfRSoz 2000, 6; ähnlich Lerch 2005a, XVIII; zur sog. „Richterstaat?“Problematik Simon 2008, die auf dieser Basis einen neuen Akzent erhält. 313  Vgl. Schuldt 2006, 29; Krause 2005, 31, 36. 314  Vgl. Luhmann ZfRSoz 2000, 6; auch Christensen / Sokolowski 2005, 134 ff. m. w. N. („Keine Regel vermag ihre Anwendung zu regeln. Und schon gar nicht vermag eine Regel eindeutig und unwiderruflich vorzuzeichnen, was in jedem Einzelfall ihre Befolgung ist.“). 315  Dazu auch allgemein Watzlawick / Weakland / Fisch 1992, 88. 316  Vgl. Kunz / Mona 2006, 217 mit Verweis auf die Arbeit von Hofstädter (1985); allgemein zu Paradoxien und den erfolglosen Versuchen, sie mithilfe der System­



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 175

dd) Gerechtigkeitsfragen sind keine Fragen des Rechtssystems Die vierte Erkenntnis einer systemtheoretischen Betrachtung des Rechts bezieht sich direkt auf die Gerechtigkeitsfrage. Die binarisierte Kommunikation des selbstreferentiellen Funktionssystems Recht hat zur Folge, dass die Gerechtigkeit selbst kein Maßstab ist, der von außen auf das, was recht und unrecht ist, einwirkt.317 Das bedeutet zweierlei: Billigkeitserwägungen sind keine Rechtskommunikationen. Und Kommunikationen, die Gerechtigkeitsvorstellungen rechtlich codieren, wirken nicht als Wertmaßstab determinierend von außen auf das Recht ein. Systemtheoretisch hat sich die Frage nach der Gerechtigkeit – in der bekannten Art und Weise – erledigt.318 Gerechtigkeit ist keine normativ relevante Größe des Rechtssystems mehr und das Rechtssystem nicht auf der Suche nach einer Antwort. Da heutzutage das Recht als vollständig ausdifferenziert gelten kann319 und insoweit jegliches Naturrecht positiviert wurde, kann Gerechtigkeit allenfalls intern regulierend wirken, um sich einem Gerechtigkeitsideal zu nähern.320 Gerechtigkeitserwägungen sind kein externer Maßstab, an dem sich das Recht orientiert, was sich daran zeigt, dass ein externer Ungerechtigkeitsmaßstab als Gegenpol fehlt. Man ist desaxiome selbst aufzulösen Watzlawick / Weakland / Fisch 1992, 84 f., 88 m. w. N. Das Phänomen ist in der Rechtspraxis beispielsweise im Aufbau immer „höherwertigerer“ Rechtsprechung (Bundesgerichtshöfe, Bundesverfassungsgericht, Europäischer Gerichtshof, Weltstrafgerichtshof etc.) erkennbar. Die paradoxe Zirkularität des Rechts zeigt sich dann auf den einzelnen Ebenen, aber keineswegs versteckt(er), sondern vervielfacht. Gleiches gilt für die Diskussion um das sog. „Richterrecht“ angesichts Art. 20 Abs. 3 GG, bei der zugestanden wird, dass Richter durch ihre Entscheidungen Recht setzen, dazu nur Raiser ZRP 1985, 111 ff.; Simon 2008, pointiert Rüthers JZ 2008, fundamental Ogorek 1986. 317  Vgl. Kaufmann 2004, 137 sowie auch 1994, 211. 318  Insofern führt es aber in die Irre, wenn Kunz / Mona 2006, 220 in Anlehnung an Kaufmann / Hassemer 1971, 29 formulieren, die Gerechtigkeit verliert in Luhmanns Theorie ihren traditionellen Wertungsmaßstab des Rechts. Ein solches „Verlustdenken“ muss zur Ablehnung Luhmannscher Gedanken verleiten. Abgelehnt wird hier allerdings etwas, was Luhmann nicht behauptet. Da Luhmann das Rechtssystem von außen beobachtet, verliert die Gerechtigkeit nicht ihren „traditionellen Platz im Rechtssystem“. Vielmehr erkennt Luhmann eine ganz andere Ordnung der Dinge, da er von einem anderen Standpunkt aus schaut. Zum Versuch, Gerechtigkeit als Wert ins Recht einzuführen: Luhmann ASRP 1967, 567 ff. 319  Luhmann Rechtstheorie 1986, 172. 320  Dass die Natur an und für sich in keinem verständlichen Sinne gerecht ist, kann für den vorliegenden Zusammenhang unberücksichtigt bleiben, dazu Luhmann 1993, 219; ähnlich bereits Kelsen 1967, 358 ff., vgl. auch Huber 2007, 108 f.

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halb zwar bemüht, sich einem vorgestellten Gerechtigkeitsideal anzunähern, aber wenn man es „nicht erreicht, schadet es auch nichts“321. Luhmann hält die Idee der Gerechtigkeit gerade deswegen für umso aktueller. Er weist ihr einen Platz als Ausgangspunkt zu, der seine System­ theorie zwar konsequent weiter-, das „Alltagsverständnis“ von Gerechtigkeit und das Rechtssystem allerdings ins Niemandsland führt. Zunächst überweist er sie nicht an die Moral oder Ethik, die im Übrigen keine autopoietischen Systeme sind.322 Das Rechtssystem ist also keineswegs veranlasst, auf die Gerechtigkeitsidee zu verzichten. Doch muss es sie völlig neu formulieren: Fragen nach der Gerechtigkeit sind die Konsequenz einer Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung des Systems.323 In den bisherigen Theorien und der praktischen Arbeit diente die Gerechtigkeit lediglich „dazu, gute Absichten zu beteuern und an den guten Willen zu appellieren, vorausgesetzten Konsens auszudrücken und Verständigungsmöglichkeiten zu postulieren“324. Über Gerechtigkeit, so gaukelte das System sich vor, wären sich alle einig. Luhmann entwirft dagegen die Gerechtigkeit als Kontingenzformel.325 So wirkt sie motivierend auf die Kommunikation des 321  Luhmann Rechtstheorie 1988, 26. Es erweisen sich zwei Gründe als plausibel, weshalb dennoch immer wieder auf natur- oder vernunftrechtliche Konzepte zurückgegriffen wird, so dass die Gerechtigkeitsfrage hie und da als rechtliche Frage erscheint: Das Rechtssystem täuscht sich weiter vor, andere auf das Recht innerlich verpflichten zu können. Doch niemand hat diese Fähigkeit, weder ein Einzelner, Mehrere, das Rechtssystem oder die Gesellschaft insgesamt „bei einem anderen ein inneres Verpflichtetsein zu erzeugen“, Luhmann Rechtstheorie 1988, 27. Die transaktionsanalytisch orientierte Lehr- und Beratungspraxis beachtet diesen Befund und akzeptiert, dass Systeme sich nur selbst verpflichten können. Zum anderen könnte der Rückgriff als Rechtfertigung des Rechtssystems interpretiert werden, über andere (Systeme und zurechenbare Handlungen) überhaupt zu richten. Doch diese Erklärung reicht allein nicht aus, da – auch vom Rechtssystem anerkannt – allzu häufig das Ideal nicht erreicht wird und insofern die Rechtfertigung nicht taugt. 322  Luhmann 1993, 211 ff. 323  Luhmann 1993, 217. („Während Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung auf der Ebene des binären Codes auf eine Paradoxie aufläuft (weil sie die Selbigkeit von Recht und Unrecht behaupten müsste), ist noch offen, ob es nicht auf der Ebene der Programme des Systems eine Einheitsprojektion, ein Programm für alle Programme geben kann. Es liegt nahe, hier den Sinn der Idee der Gerechtigkeit zu vermuten.“). Die Frage, ob die Rechtsentscheidung gerecht ist, ist keine Kommunikation des Rechtssystems, da sie nicht im Code von recht / unrecht erfolgt, sondern das Rechtssystem beobachtet sich selbst. Es handelt sich um eine Frage der Gesamtgesellschaft, die keinem Funktionssystem sonst zugewiesen ist, aber eben auch nicht dem Rechtssystem. Das zeigt besonders deutlich den Stellenwert dieser Frage für die Gesellschaft, da sie sie nicht „abschiebt“. 324  Luhmann ARSP 1967, 567. 325  Luhmann 1993, 218.



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Rechtssystems und regt sie an.326 Kontingenzformeln sind deshalb so stark generalisiert formuliert, dass sie zu jeder Situation etwas beitragen, ohne konkrete Handlungsanweisungen zu geben. Gerechtigkeit als Kontingenzformel verspricht, was sie nicht halten kann – eben weil sie eine Kontingenzformel ist.327 ee) Mediation als Gefahr des Rechtssystems Das Rechtssystem als Funktionssystem der Gesamtgesellschaft benötigt Konflikte, um sich zu erhalten und weiter entwickeln zu können.328 Zugleich schützt das Rechtssystem die Gesamtgesellschaft vor einem Überhandnehmen der Konflikte und deren gewaltsamer Austragung, also einer Austragung in der Kommunikation der Gesamtgesellschaft.329 Dieser Schutz 326  So wirken bspw. Bildung und Lernfähigkeit auf das Erziehungssystem, Knappheit der Güter auf das Wirtschaftssystem und die Idee eines einzigen Gottes im Religionssystem als dortige Kontingenzformeln, vgl. Luhmann 1993, 218 f. m. w. N.; Krause 2005, 44. 327  Vgl. Huber 2007, 118. („Kontingenzformeln haben also die Form eines Zirkelschlusses – und gerade darin liegt ihre sich selbst einsetzende, nicht weiter auflösbare Ursprünglichkeit.“); Luhmann 1993, 220 mit Verweis auf Dupuy / Varelo 1991. Kontigenzformeln beziehen sich – und das ist ihre Kraft – „auf die Differenz von Unbestimmbarkeit und Bestimmbarkeit“. Sie funktionieren, indem sie „historisch gegebene Plausibilitäten“ beanspruchen und so die Grenze dieser Differenzierung „unbemerkt“ überwinden. Deshalb „Kontingenz“-Formel: Es gibt immer auch eine andere Möglichkeit; nichts ist notwendig. Und doch lässt sich auf „die Gerechtigkeit“ verweisen und eine „Notwendigkeit“ für diese Rechtsentscheidung kreieren. Die Überwindung der Differenz von Unbestimmbarkeit und Bestimmbarkeit verleiht diesen Formeln diejenige Kraft, so könnte man sagen, die Gutes will, aber auch Böses schafft. Deshalb behauptet Luhmann 1999b, 387 zutreffend, dass an die Stelle von Perfektion Evolution und Entwicklung tritt. Diese Verortung der Gerechtigkeitsfrage erlaubt es dem Rechtssystem, Kritik am Recht zu üben, ohne auf naturrechtliche Konzeptionen zurückzugreifen und damit in den paradoxen Zirkel zu spannen. Hervorzuheben ist, dass nur ein externer Beobachter von der Kontingenzformel sprechen kann. Das System selbst muss sie so bezeichnen, dass eine Identifizierung mit ihr (in der systeminternen Kommunikation) deutlich wird. Das Rechtssystem muss verdeutlichen, dass Gerechtigkeit geboten ist und geradezu eine Identifikation mit ihr besteht, Luhmann 1993, 219 („Gerechtigkeit wird … ‚kanonisiert‘.“). Daraus ergibt sich eine ganz neue Frage für das praktische Handeln, namentlich: „Wie viel Gerechtigkeit kann eine Gesellschaft sich leisten?“, Luhmann 1999b, 417. Damit verweist er auf die spezifischen und insbesondere gesellschaftlichen Funktionen des Rechts in der modernen Gesellschaft (Kap. C. IV. 1. d).). Zum anderen verweist er auch auf das historische Phänomen der Kadijustiz, das nicht zufällig in weniger ausdifferenzierten Gesellschaften vorkommt (Kap. C. IV. 1. e). Exkurs). 328  Vgl. Huber 2007, 188 ff. 329  Die Codierung stark  / schwach hat sich zu keinem eigenständigen Funktionssystem der Gesellschaft ausdifferenzieren können, weil es – s. Kap. B. II. – letzt-

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wird durch die Konfliktregulierung im Wege der Delegation (an das organisationale Rechtssystem) oder bereits durch die Stabilisierungsfunktion normativer Verhaltenserwartungen geleistet. Damit funktioniert das Rechtssystem wie ein Immunsystem der Gesamtgesellschaft, das vor Selbstzerstörung schützt.330 Das bedeutet einerseits, dass es nicht überlastet werden darf, also soziale Konflikte nicht überhandnehmen dürfen, so dass das Rechtssystem nicht kollabiert. Andererseits dürfen aber auch nicht außerrechtliche Konfliktlösungsmechanismen dazu führen, dass es durch Entzug der Konflikte lahm gelegt wird. Insoweit erscheint Mediation – allerdings momentan rein theoretisch – nicht unproblematisch für das Rechtssystem. Da Mediation in der Peripherie des Rechtssystems anzusiedeln ist331, die sich mit den konfliktären Kommunikationen der Gesellschaft befasst, entzieht Mediation de facto dem Rechtssystem dessen Lebenselixier und Daseinsberechtigung. Dieser Befund erklärt die durchaus besorgten Aussagen von Juristen zur Mediation und die Tendenzen, die Mediation in das organisationale Rechtssystem einzubinden. Doch selbst die organisationale Einbindung (gerichtsnahe, -interne Mediation) ändert nichts daran, dass mediativ befriedete Konflikte die Weiterentwicklung des Rechtssystems verhindern würden. Momentan gibt es allerdings dafür keine tatsächlichen Anzeichen. Vielmehr befasst sich das Rechtssystem aufgrund der Mehrung von Mediationen mit der Frage, ob Mediation selbst rechtmäßig ist. Es nutzt die Störung durch die Konkurrenz selbst zur Weiterentwicklung. Die (theoretische) Gefahr der Vernichtung wird zur Weiterentwicklung genutzt. Insoweit erscheint Mediation nicht als ein Element, das sich gegen die Behandlung nach dem binären Code von recht / unrecht wendet, sondern das erweiternd arbeiten möchte, wenn dieser Code nicht mehr zu befriedigenden Ergebnissen für die Gesellschaft und konkret für die Konfliktbeteiligten führt, sondern nur noch zu befriedenden i. S. v. gewaltverhindernden Ergebnissen. Hier bestätigt sich die Stimmigkeit des Modells der Konfliktbehandlungsmöglichkeiten. Die weitere Ausdifferenzierung der Gesellschaft samt seines Rechtssystems macht eine Erweiterung der Konfliktkommunikation erforderlich, für die sich allerdings noch keine binäre Codierung etabliert hat.332 lich zur Vernichtung der Gesamtgesellschaft geführt hätte oder zumindest führen würde. 330  Luhmann 1993, 161 ff. 331  So auch Huber 2007, 193. 332  Anders Huber 2007, 193, der im Ergebnis aufgrund der Rechtmäßigkeitskontrolle bzgl. der Mediationsabsprache die Mediation dem Rechtssystem zuordnet. Das die Mediationsabsprache allerdings implizit auch auf ihre Bezahlbarkeit geprüft wird, lässt ihn die Mediation andererseits aber nicht dem Wirtschaftssystem zuordnen. Denn tatsächlich kann die Mediation, weil sie die konkreten Konfliktbeteiligten im Blick hat und kommunikativ eben (noch) nicht binär codiert ist und sein soll, keinem Funktionssystem zugeordnet werden.



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Zu sehr steckt die (organisierte bzw. professionalisierte) Mediation noch in den Kinderschuhen. Ehe die Funktionen des (organisationalen) Rechtssystems untersucht werden, soll sich dem Rechtsystem noch auf historischem Wege genähert werden. Freilich wird auch die Rechtshistorie nur grob skizziert werden können. Doch werden die zwei ausgewählten Entwicklungslinien verdeutlichen, dass Recht nicht schon immer das war, was es heute „ist“. Bei dieser Betrachtung bedarf es keiner systemtheoretischen Fundierung, sondern es genügt ein „klassischer“, aber gleichwohl interpretatorischer Blick auf die Rechtsentwicklung. Darüber hinaus wird sich zeigen, dass Mediation keineswegs eine Alternative im Rechtssystem ist, sondern tatsächlich eine Alternative zur rechtlichen Konfliktbehandlung. c) Historisches vom Recht: Verstaatlichung von Recht und Justiz Historisch stellt sich das Rechtssystem als Instrument der sich entwickelnden Staatsgewalt dar. Anders gewendet, die Staatsgewalt war diejenige Gewalt in der sich ausdifferenzierenden Gesellschaft, die das Instrument besser als andere Gewalten zu nutzen wusste.333 (Geschriebenes) Recht als Kommunikations- und Entscheidungssystem für soziale Konflikte ist geradezu eine Voraussetzung, dass Menschen in Großgruppen – wie der staatlich organisierten Gesellschaft – leben können.334 Die Historie des Rechts soll im Folgenden in zwei markanten und für den vorliegenden Zusammenhang erhellenden Entwicklungslinien nachgezeichnet werden, um zu verdeutlichen, dass Recht (und Justiz) nicht selbstverständlich mit dem Staat verbunden sind, sondern beide sich im Interesse des Staates und durch ihn entwickelten. Dabei werden Verkürzungen und Verknappungen unvermeidbar sein, dafür aber das Anliegen umso klarer herausstellen. Der moderne Staat monopolisierte nach und nach Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung, so dass heutzutage im Alltagsverständnis der vom Rechtssystem Betroffenen weniger von einer historischen, sondern nahezu „natürlichen“ staatlichen Gesetztheit ausgegangen wird. Es zeigt sich in der historischen und ethnologischen Forschung, dass die Verbindung von Staat, Justiz und Recht, wie sie im modernen europäischen Staatsmodell seit der Neuzeit verwirklicht wurde, keineswegs eine Selbstverständlich333  Zur Entstehung von Recht in frühen Gesellschaften Wimmer 1997, 217; Wesel KJ 1979 und in sog. Protostaaten Wesel 2006, Rn. 32 ff. 334  Schwintowski 1996, 44; Wimmer 1997, 242 f.; Heintel 2005, 70.

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keit, sondern vielmehr eine Außerordentlichkeit ist. Es ist ein spezifisch europäischer, wenn auch außereuropäisch oft übernommener Vorgang.335 aa) Beginn moderner Staatsgewalt Die moderne Verstaatlichung des Rechts beginnt in der Kirche. In und durch die katholische Kirche bildeten sich die Elemente heraus, die heute als Kennzeichen „moderner Staatlichkeit“ gelten können. Das sind vor allem Organisationselemente, auch eine gewisse Bürokratie, Berufsbeamtentum, das Steuerwesen und eben die monopolisierte, in strikten Hierarchien sich entwickelnde Setzung von Recht. Bis zum 11. Jahrhundert gab es in Europa kein selbständiges System des Rechts. Ein rechtliches Denken wie wir es heute kennen, war noch nicht entwickelt. Das gesellschaftliche Leben war nicht in derartige (Denk-)Bereiche ausdifferenziert. Recht war verwoben mit anderen geistigen Disziplinen (Theologie, Rhetorik etc.) und nahezu eins „mit anderen Formen sozialer Kontrolle, mit allgemeinem Stammes-, Lokal- und Feudal-Brauchtum“336. Es gab keine juristische Betrachtung, neben einer ökonomischen, ökologischen oder sonstigen Betrachtung. Die Dinge wurden betrachtet – und weniger als heute musste beachtet werden, um Entscheidungen zu fällen. In den nächsten Jahrhunderten allerdings, insbesondere im 12. und 13. Jahrhundert, änderte sich das – fundamental. Recht entwickelte sich zu einer politisch machtvollen Argumentationsbasis und respektgebietenden Institution. Recht an sich wurde zu einer gestaltenden Vorstellungskraft und als solche zum maßgebenden Instrument aller gesellschaftlichen Gewalten, das am besten zunächst die römisch-katholische Kirche und sodann die werdende Staatsgewalt vertiefte und zu nutzen wusste. Im Jahre 1075 verkündete Papst Gregor VII., dass das Papsttum über alle kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten Oberhoheit besäße. Nicht nur Unabhängigkeit der römischen Kirche von weltlicher Macht und Kontrolle forderte er, sondern Überlegenheit postulierte er. Dies sollte auch heißen, dass der Papst befugt war, Kaiser und Könige abzusetzen. Das war nicht nur ein „Investiturstreit“, sondern eine „päpstliche Revolution“.337 Dieser revolutionäre 335  Zur Rechts- und Staatsentwicklung historisch Reinhard 1999, 282 ff.; Kaufmann 2005; kulturtheoretisch Schröder Rechtstheorie 1998; rechtsevolutionär Wimmer 1997; staatsrechtswissenschaftlich Schliesky 2004. Zu Problemen mit dem Begriff Staat und dessen theoretischer Konzeptualisierung für den modernen Staatswandel Walkenhaus 2006a. 336  Vgl. Berman 1995, 144. 337  Knapp zum Investiturstreit Willoweit 2005, 71 f.; Senn 2007, 69 ff.; ausführlich Berman 1995, 146 f. m. w. N. (Fn. 1).



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Anspruch wurde insbesondere rechtlich begründet. Die beabsichtigten Veränderungen müssten sein, weil sie rechtens seien. Die Kirche hatte ja kein stehendes und damit gewaltvolles Heer, sondern ein kniendes, das mit und durch Recht gehaltvoll wurde. Recht und Rechthaben gedieh zur Legitimation und wurde zu einer bedeutenden Quelle von Autorität. Dafür suchten der Papst und seine Gelehrten in den heiligen Schriften und kirchengeschichtlichen Dokumenten nach Anhaltspunkten, um ihren (rechtlichen) Anspruch zu untermauern. Auch die kaiserliche Partei suchte nach Texten, die ihrer Position Halt gab.338 Beide befanden sich auf dem Schlachtfeld eines Diskurses339, der nun juristisch untermalt war und die Entwicklung des Rechts zwar vorantrieb, aber mangels ­eines weltlichen Richters nicht durch einen Dritten entschieden wurde. Den Sieger und Verlierer kürt die Geschichte – des direkten Kampfes gegeneinander.340 Im Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser jedenfalls begann sich nicht nur die kaiserliche Macht zum weltlichen Staat zu entwickeln, sondern auch das Recht sich auf eigene Füße zu stellen. Es begann sich zu einem Rechtssystem zu entwickeln. Freilich zu einem kirchlichen und zu einem weltlichen Rechtssystem. Beide allerdings waren rational strukturiert, stark formalisiert und inhaltlich systematisiert sowie – ganz besonders bedeutsam – schriftlich341 kodifiziert. Auch das Papsttum (nach Gregor VII) erließ Gesetze, legte sie aus und sprach mit ihnen eigenständig, namentlich kanonisches Recht342. Der Papst und die Kirche übten wie ein moderner Staat gesetzgebende, rechtsprechende und ausführende Gewalt aus. Die Kirche war insoweit der erste Souverän moderner Gestalt und verstand sich als „unabhängige, hierarchische, öffentliche Gewalt“, die sich mittels des Rechts organisierte und rechtlich mit den Untergegebenen kommunizierte.343 338  Vgl.

Berman 1995, 162 f. dieser Stelle im Konflikt zwischen geistlicher und weltlicher Macht geschah das (auf der Makroebene), was in Kap. B. I. 3. b) als neues Erinnern bezeichnet wurde. 340  Kap. B. II. 2. (zweite Ebene der Konfliktbehandlung). 341  Wimmer 1997, 243 („Mit der Verschriftlichung verliert das Recht seine gewohnte Flexibilität und insofern ändert schon dieses bloße Faktum das Recht.“); s. auch Luhmann 1993, 251 f.; lesenswert Seagle 1967, 223 ff.; aber auch Weitzel 1997, 378 f. 342  Zur Kanonistik Gagnér 1960, 295 ff. 343  Zum Ganzen Hattenhauer 2004, Rn. 520 ff. Freilich war die Kirche kein moderner Staat. Die Säkularität wird dessen Hauptmerkmal werden. Sie wird ihn von allen früheren Staatsgewalten, der antiken ebenso wie der germanisch-fränkischen unterscheiden. Das Oberhaupt im modernen Staat wird nicht mehr religiöse Dogmen und Regeln aufstellen und für deren Einhaltung verantwortlich sein. Und dennoch findet dieser säkulare Staat in der Kirche und ihrer Verwaltung sein organisatorisches Vorbild; vgl. Bermann 1995, 190 f.; Weitzel 1997, 377 („Rechtskirche“). 339  An

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Aber auch die weltlichen Rechtssysteme, die seit dem 12. / 13. Jahrhundert als Antwort auf die kirchlichen entstanden, waren von Fachjuristen ausgearbeitet, von Berufsrichtern angewendet und in Hierarchien von Gerichten kontrolliert worden. Rechtsschulen entstanden, Abhandlungen wurden geschrieben, Theorie und Praxis bildeten sich als eigenständige Beschäftigungen mit dem Recht heraus. Das 12. Jahrhundert war ein Wendepunkt in der Geschichte, an dem die „moderne Welt“344 entstand, das „juristische Jahrhundert in Europa“345, eine Revolution im und durch das Recht. Recht wurde nicht nur verwissenschaftlicht346, sondern zugleich zum Medium, das „die rechte Ordnung der Dinge“347 verkündete oder doch zumindest dazu verhalf und zum Mittel, diese Ordnung aufzubauen und zu erhalten. Recht wurde zum legitimierenden Herrschafts- und Kontrollinstrument, um eine scheinbar unorganisierte und verstreute Bevölkerung zu disziplinieren. Recht wurde Befriedungs- und Unterwerfungsinstrument, wurde Motor eines gesellschaftlichen Fortschritts und kanalisierte ihn.348 Das Gesetzgebungsrecht geriet zum vornehmlichsten Ausdruck gesellschaftlicher Macht.349 Vorher hatte Recht diese Rolle nicht inne, was heute für uns nur schwer vorstellbar ist.350 Mag auch nur dasjenige Recht als maßgebend anerkannt gewesen sein, das selbst gefunden und verkündet wurde, so war Recht als Ordnungsinstrument unumgänglich und unerschütterlich geworden. Auch Territorialfürsten konnten und mussten sich des Rechts als Herrschafts- und Legitima­ tionsmittel bedienen, Adlige und Stände, Städte und Gemeinden, Bünde und (Stadt-)Republiken, Universitäten freilich auch; sie alle begründeten ihre Herrschaft und Unabhängigkeit auf der Basis von Recht – von abgeleitetem wie selbst geschaffenem.351 Recht legitimierte Herrschaft gegenüber den Beherrschten und Unabhängigkeit gegenüber potentiellen Herrschern. Recht wurde zum diskursiven Streitfeld über Recht, war (und ist es bis heute) 344  Wesel

2001, Rn. 240. 1999, 245. 346  Dazu Wieacker 1967, 129 ff.; instruktiv zur Verwissenschaftlichung der Rechtsprechung Diestelkamp 1999. 347  Berman 1995, 195; Gagnér 1960, 300 ff. 348  Und je mehr (geltendes) Recht zum (kodifizierten) Gesetz wurde, mussten unterschiedliche Gesellschaftliche Interessen zum „Kampf um das Gesetz“ geraten, vgl. Bock 1997, 403 ff., 406. 349  Weitzel 1997, 395. 350  Das dürfte der Grund sein, weshalb das Recht in einer nichtjuristischen Konfliktbehandlung wie der Mediation reflexartig herangezogen wird, als ob es verloren gehen könne. 351  Ebenso Kaufmann 2005, 3; zum Stadtrecht instruktiv Dilcher 1990, Sp. 1863 ff.; zur Universitätsgerichtsbarkeit Woeste 1998, Sp. 506 ff. 345  Kroeschell



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Grundlage für kompetitives Verhandeln und Verbalkriege. Freilich gegenüber physischen Kriegen ein Fortschritt. Doch auch jene ganz physischen Siege wurden nunmehr rechtlich begründet, schufen neues Recht und schafften altes ab. Recht begann das zu werden, was es heute ist, Herrschaftsgrundlage und -mittel352 und im weiteren Verlauf ein Monopol der Staatsgewalt.353 Denn „diese“ Staatsgewalt, die sich seit dem Hochmittel­ alter zu entfalten begann, setzte sich im Laufe der Jahrhunderte gegen all ihre Widersacher, aber auch Förderer und zeitweiligen Partner letztlich durch.354 Recht war das Instrument des Staates, mit dem er die fünf Dimensionen seiner politischen Herrschaft auslotete, namentlich die Vereinheit­ lichung, Bürokratisierung, Finanzierung, Monopolisierung sowie ihre Konstitutionalisierung.355 Seither gehört das Recht dem Staat, der dadurch individuelle und gesellschaftliche Konflikte beeinflusst und entscheidet. bb) Verstaatlichung der Justiz Zu Beginn des 11. Jahrhunderts war keineswegs die Herrschaft über Territorien und Menschen mit Recht und Justiz verbunden. Dennoch ordnete sich die aufkommende Staatsgewalt sowohl das Recht als auch die Justiz unter. Denn so wie die wachsende Staatsgewalt ihr weltliches Recht – in Anlehnung und Abgrenzung an das kirchliche – entwickelte, so schuf sie sich ihren Justizapparat, um dieses Recht gegen anderes durchzusetzen. Rechtsdurchsetzung war Rechtsänderung, wohl aber kaum je das Ende eines rechtslosen Zustandes. Der wohl erste moderne Staat, verwaltet durch einen eigenen Justizapparat, war Sizilien im 13. Jahrhundert.356 Der Staufer Friedrich II. schuf in seinem Königreich Sizilien eine moderne, auf rationalen Grundsätzen geschaffene Verwaltung und gründete, um ausreichend Beamte ausbilden zu können, die erste staatliche Universität (Neapel 1224)357, führte den Inquisitionsprozess358 ein und stellte seine Herrschaft auf die Grundlage eines 352  Vgl.

Berman 1995, 804. gibt es Rechtssetzung „oberhalb“ (EU, UNO) und „unterhalb“ der Staatsgewalt (Kirchenrecht), aber sie gibt es „nur von Staates Gnaden und in einem staatlichen Rahmen“ (Für die Bundesrepublik gelten hier Art 23 GG, Art 140 GG iVm 137 S. 4 WRV), so auch Reinhard 1999, 281. 354  Dazu ausführlich Reinhard 1999, 291 ff.; Nautz 2001; Mussgnug 1993, insbes. den Beitrag von Ullmann 1993; Kaufmann 2005, 3; vgl. auch Gagnér 1960, 291 ff. 355  Dazu Ullmann 1993. 356  Dazu Schulze 1999, 29 ff.; Schliesky 2004, 16. 357  Dazu van Eickels / Brüsch 2000, 131 ff. 358  Dazu Schminck 1970, 103. 353  Freilich

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umfassenden, rational ausgearbeiteten Gesetzeswerkes, den Liber Augustalis von 1231359. Friedrich II. schuf die Bedingungen, um das Ziel zu erreichen, was seither für staatliche Herrschaft gilt: Schutz vor Gefahren, Ruhe und (staatliche) Ordnung durch staatliche Allgegenwärtigkeit. Eine „engmaschige Bürokratie“360 überzog das Territorium, sie war fachlich, instanziell und rational geordnet, besetzt mit Berufsbeamten, die häufig versetzt wurden und denen sogar verboten war, Einheimische zu heiraten und als höhere Beamte in ihrem Heimatbezirk zu arbeiten. Sie waren allesamt juristisch gebildet und allein dem Herrscher verpflichtet. Die Aufzählungen an Neuerungen und Grundsätzen, die zum Teil bis in unsere Zeit nachwirken, könnte fortgeführt werden. Doch das Überraschende und Erstaunlichste war, dass es überhaupt einen allumfassenden und beanspruchenden Staat gab. Mit Friedrich II. begann der moderne Staat seinen Anspruch, allgegenwärtig und allein zur Friedenswahrung und Ordnungsvorgabe zuständig zu sein, in die Tat umzusetzen.361 Mit diesem Anspruch musste ein staatlicher Justizapparat geschaffen werden, der seinerseits staatlicher Gesetze bedurfte, um tätig werden zu können.362 Hier wird deutlich, dass zwischen Gesetzgebung und Durchsetzung, zwischen Ordnungswille und Verwaltung, zwischen Staatsanspruch und Staatswirklichkeit zirkuläre Wechselwirkungen bestehen, die einander bedingen und vorantreiben.363 Um die Totalität staatlicher Vereinahmung von Recht und Justiz zu verdeutlichen, sei noch ein zweiter Bereich angesprochen, namentlich die staatliche Ausbildung der Juristen. Obschon von Friedrich II. von Sizilien um 1225 initiiert, wurde sie vollständig erst durch dessen Namensvetter im Preußen des 18. Jahrhunderts – vorbildhaft für alle übrigen und nachfolgenden deutschen Staaten – eingeführt. Die Staatsgewalt hatte sich mittlerwei359  Teilweise abgedruckt in Eickels / Brüsch 2000, 215 ff.; Der Liber Augustalis wird auch „Konstitutionen von Melfi“ genannt und galt in Neapel bis 1809 und auf der Insel Sizilien gar bis 1819! Zum Liber Augustalis Dilcher 1984; Gagnér 1960, 308 ff.; Berman 1995, 656 ff., aber auch Hattenhauer 2004, Rn. 983, der auf die frühzeitigen Korrekturen bis zum Jahre 1246 hinweist. 360  Schulze 1999, 29; Kantorowicz 1998, 176 verortet in Sizilien den Beginn „moderner Bureaukratie“. 361  Mehr symbolisch, wenn auch materiell-rechtlich lässt sich der Anspruch auf Allgegenwärtigkeit anhand der Rechtsinstitution der „defensa“ bzw. „invocatio“ ablesen, vgl. Liber Augustalis I – 16, so auch Lammers 1991, 221; Rösch / Rösch 1995, 103. Es handelt sich dabei um eine Schutzeinrichtung, durch die ein jeder Untertan einem körperlichen Angriff Einhalt gebieten konnte, indem er den Namen des Herrschers laut ausruft. Half das allein nicht, war nach Liber Augustalis I – 17 jeder Beamte verpflichtet, Nothilfe zu leisten. Die praktische Wirksamkeit der defensa bzw. invocatio darf allerdings bezweifelt werden. 362  Dazu ausführlich Keller 1986, 477 f.; Reinhard 1999, 288. 363  Vgl. auch Nautz 2001, 30.



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le europaweit verabsolutiert, als unter König Friedrich II. im Jahre 1737 das Juristische Staatsexamen eingeführt wurde. Zwar reglementierte der moderne Verwaltungsstaat das Prüfungswesen und den Vorbereitungsdienst zunächst nur für das Amt des Richters. Aber der höhere Verwaltungsdienst folgte kurz darauf. Durch die Allgemeine Gerichtsordnung von 1781 erstreckte sich die Reglementierung des Prüfungswesens und des Vorbereitungsdienstes alsbald auch auf die Anwaltstätigkeit. Die Juristenausbildung und -tätigkeit wurden vereinheitlicht und verstaatlicht. Zwar wurde im Jahre1887 der Rechtsanwalt als freier Beruf anerkannt. Gleichwohl konnte (und kann) auf deutschem Gebiete Rechtsanwalt nur werden, wer staatlich ausgebildet zwei staatliche Prüfungen und einen mehrjährigen staatlichen Vorbereitungsdienst erfolgreich absolviert hat.364 Wird angesichts der Entwicklung von Recht und Staatsgewalt deutlich, dass Recht nicht als das Richtige verkündet wird, sondern bestenfalls das Richtige für die konkret staatlich verfasste Gesellschaft, so wirkt diese Erkenntnis auf das individuelle Konfliktmanagement zurück. Insbesondere für mediative Arbeit ist es wichtig zu beachten, dass hinter den staatlich gesetzten Rechtspositionen auch die Interessen des Staates stehen. Die rechtliche Lösung ist also keineswegs neutral, sondern transportiert dessen Interessen. Darüber hinaus wird deutlich, dass eine Mediation, die sich am konkreten und aktuellen Konflikt orientiert, einen gewissen staatsfernen Charakter aufweist – ohne freilich Rechtswidrigkeiten zu fördern. Die bisherige Untersuchung beleuchtete aus mehreren Blickwinkeln, was Recht ist und sein kann. Sie relativiert die Vorstellung, dass das, was Recht vorgibt, weder die einzig und schon gar nicht die ewig richtige und gerechte Lösung für soziale Konflikte ist, sondern zeigt, dass es eine Lösung im Namen vielfältiger Bedingungen und Interessen ist, die mit dem Konflikt selbst wenig gemein haben. Recht ist weder monolithisch noch unverrückbar und schon gar nicht neutral. Aus Sicht der Mediation ist es jedenfalls eine interessierte Lösung, wenn auch mitunter eine interessante. Recht als vermeintlich einzige Autorität in Konflikten zu relativieren, d. h. in seinen Relationen aufzuzeigen, schafft in Konflikten Raum und Freiheit für das, was individuell ansteht; für das, was nicht unbedingt eigenständig, aber sicher auf ganz eigene Weise angegangen werden kann. Da geltendes Recht jedoch tatsächlich Grenzen setzt, die nicht ohne Sanktion überschritten werden können, beansprucht es auch in und für die Mediation Beachtung. Auch die Medianten haben und lösen ihre Konflikte nicht in bedingungsfreien Räumen, sondern haben diese Bedingungen und Interessen, die 364  Zu den europaweiten Unterschieden und Modellen juristischer Ausbildung und staatlicher Rekrutierung seiner Juristen Ranieri DRiZ 1998; ders. JZ 1997.

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zusätzlich bestehen (z. B. durch den Staat), zu beachten und in ihre Lösungsvorstellungen einzustellen. Deshalb sind Kenntnisse der ganz konkreten gesellschaftlichen Funktionen und Aussagen von Recht und Gesetz unerlässlich. Denn nur, wenn bekannt ist, was Recht und Gesetze leisten können und leisten möchten, sind Recht und Gesetz hilfreiche Instrumente in der Mediation. Die rechtsphilosophische, rechtssoziologische und rechtshistorische Annäherung wird deshalb vervollständigt und abgerundet, indem gesellschaftliche Funktionen von Recht und Gesetz beleuchtet werden. d) Funktionales vom Recht: Aufgaben des Rechts Rechtsnormen – ihres Zeichen eine Spielart sozialer Normen365 – haben unterschiedliche Funktionen366. Sie erfüllen verschiedene Aufgaben und wirken sich in unterschiedlichen Bereichen und Verhältnissen aus.367 Diese Funktionen lassen sich in zwei Gruppen einteilen, die ihrerseits mehrere Glieder aufweisen. Im Verhältnis Staat – Bürger lassen sich unterschied­ liche Funktionen beschreiben und im Verhältnis der Bürger untereinander weitere.368 aa) Funktionen des Rechts im Verhältnis Staat – Bürger Recht funktioniert. Normatives Recht erfüllt im Subordinationsverhältnis im Wesentlichen drei Funktionen. Es steuert das Verhalten der Bürger, um eine formale Ordnung herzustellen und zu gewährleisten. Um der rechtlich vorgegebenen Ordnung eine Legitimation abzuringen, korrespondiert mit der  Steuerungs- eine Präge- und Erziehungsfunktion. Da auch eine recht­liche 365  Sitten, Bräuche, religiöse und ethische Normen sind sonstige soziale Normen. Zu einzelnen Unterschieden s. Büllesbach 2004a, 408; Schäfer 1989, 9 ff.; von Trotha ZfRSoz 2000, 328. 366  Der Begriff der „Funktionen“ weist zahlreiche Bedeutungen auf. Hier bedeutet er Aufgabe, Leistung, unabhängig davon, ob sie tatsächlich erfüllt werden oder nicht. Funktionen beschreiben die Ziele und zugeschriebenen Wirkungen des Rechts und der Gesetze. Zum Funktionsbegriff Schelsky 1970, 43 ff. 367  Im Folgenden werden die Funktionen der Rechtsnormen dargestellt ohne zu unterscheiden, ob es sich um allgemeine, speziell rechtliche oder nur eine gesetzliche Funktion handelt. Für den vorliegenden Zusammenhang reicht es aus, die Funktionen des Rechts als solche darzustellen. Vgl. aber Koller 1997, 53 ff. 368  Diese Unterteilung der gesetzlichen Funktionen bietet sich an, da sie den Besonderheiten der Mediation im öffentlichen Sektor zugute kommt. Für eine mediative Konfliktbearbeitung im öffentlichen Sektor wird ebenfalls zu differenzieren sein, ob „der Staat“ als Mediator oder als Mediant auftritt. Als Mediator vermittelt er zwischen den Konflikten der Bürger untereinander, als Mediant geht es um sein Verhältnis zum Bürger.



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Prägung und Erziehung begrenzenden Charakter impliziert, wird diese ­Funktion ergänzt durch eine Gewährleistungsfunktion, Freiheitsbereiche zu sichern. Insoweit weist Recht für beide Seiten des Staat-Bürger-Verhältnisses sowohl öffnenden und ermöglichenden als auch beschränkenden Charakter auf. (1) Steuerungsfunktion: Gestaltung der sozialen Ordnung Recht ordnet.369 Seine Ge- und Verbote ordnen, um drohendes Chaos zu unterbinden. Menschliche Gesellschaften werden durch Recht gesteuert, um durch seine ordnende Kraft einen Zerfall zu verhindern.370 Rechtliche Ordnung schreibt sich zu, Ruhe und sozialen Frieden zu sichern, zuweilen auch gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn und soweit Identifikation gelingt. Manchmal mag solche Steuerung für den Bürger angenehm wirken, manchmal nicht. Das ist – für das Recht – zweitrangig. Deshalb ist davon die Rede, dass Recht eine „formale Ordnung“ schafft. Es ordnet, ob „gut“ oder „schlecht“ ist keine rechtliche Frage. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Recht weder das einzige ordnende Werkzeug für das zwischenmenschliche Zusammensein ist, noch das älteste. Oder anders gesagt, Recht hat Ordnung nicht erfunden. Ordnung und Ordnungsdenken gab es, bevor es Recht gab.371 Recht ist also ein Instrument, um Ordnung in größeren und ausdifferenzierten Gesellschaften „nicht zu verlieren“, sozusagen um Ordnung trotz Wachstum „aufrechtzuerhalten“.372 Und gehandhabt wird dieses Steuerungsinstrument heutzutage allein vom Staat.373 369  Tatsächlich entstammt das Wort ‚rechnen‘ dem indogermanischen ‚reg‘. Es bedeutet seinem Ursprung nach ‚ordnen, zusammenführen, in Ordnung bringen‘. Das entspricht dem Mittelhochdeutschen ‚rechen‘ und dem Althochdeutschen ‚rehhanon‘. Rechenvorgänge sind Ordnungsprozesse. Hierher gehören auch ‚Rechenschaft ablegen‘, um Missgeschicke wieder in Ordnung zu bringen oder eben ‚Recht sprechen‘, dazu von Foerster 2006, 45. 370  So Fechner 1970, 93. Schelsky 1970, 66 findet dieses Element in einer „anthropologischen Funktionsanalyse des Rechts“, durch die ihm das Recht als „bewusste Regelung und Gestaltung sozialer Beziehungen durch freies und bewusstes Zweckhandeln“ erscheint. Die Bewusstheit des Zweckhandelns dient ihm sodann dazu, das Recht von allen unbewussten Zweckhandlungen zu trennen wie z. B. Brauch, Sitte, Konvention, Gewohnheit. 371  Vgl. Wuketits AK 1998, Abs. 30 mit Verweis auf Voland 1997, 127; so auch Wesel 1993, 47. 372  Ob Homo sapiens, der von seiner biosozialen Natur einem Kleingruppenwesen entspricht, überhaupt auf ein Leben in Großgruppen vorbereitet ist, ist aus biosozialer Sicht sicher bezweifelbar, s. dazu Wuketits AK 1998, Abs. 29 und 2000, 190 f. 373  Wesel 1993, 47 („Je mehr der Staat seine Steuerungsfunktion wahrnimmt, um so mehr muss er von oben bestimmen, was Recht und Ordnung heißt.“).

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C. Die Mediation

Beispiel: Rüthers erläutert diese Funktion beispielhaft anhand des Straßenverkehrs. Wie der Inhalt der Anordnung lautet (Links- oder Rechtsfahrverbot?), ist irrelevant, wichtig ist, dass eine Variante angeordnet wird, damit die chaotische Situation eines ungeregelten Zustands beendet ist. Zu Recht weist er darauf hin, dass unzweckmäßige oder ungerechte Regelungen zuweilen erträglicher für die betroffenen Bürger sind, als gar keine Regelung. Ein derartig ungeordneter Zustand wäre zuweilen noch bedrohlicher für fundamentale Rechtsgüter (Leib, Leben, Eigentum etc.) als ein schlecht (er) geordneter Zustand.374

Recht gibt sich allerdings in seiner Steuerungsfunktion nicht bloß mit einer formalen Ordnung zufrieden, sondern beansprucht zuweilen, die „richtige“, „gerechteste“ oder „bestmögliche“ Ordnung zu sein. Ändern und vertiefen sich Erfahrungen und Kenntnisse, ändert und vertieft sich auch das Recht. Oder anders gesagt, Recht wird entwickelt und steuert tatsächlich nach. Deshalb ändert späteres Recht existierendes ab und erklärt es zu überkommenem. Recht erhält hier eine „Veränderungs- bzw. Verbesserungsfunk­ tion“375. So wie sozialer Wandel Recht beeinflusst, beeinflusst Recht sozialen Wandel.376 Wie weit der Gedanke heute noch trägt, dass mit Recht und 374  Rüthers 2005, Rn. 76 f. („Das Chaos kann bisweilen noch unmenschlicher und schwerer zu ertragen sein als organisierte Tyrannei.“) Ob das auch dann gilt, wenn das Chaos nur irrtümlich droht, kann hier nicht geklärt werden. An diesem Beispiel wird unterdessen deutlich, wie Recht auf den Einzelnen wirkt. Recht erspart unmittelbare und damit aufwendige Kommunikation. Geregelt wurde der Straßenverkehr erst, nachdem zu viele Verkehrsteilnehmer existierten und diese sich in Unfälle verstrickten. Individuelle „Verhandlungen“ reichten nicht mehr aus, um gesunde Lösungen zu finden. Insoweit handelt es sich bei Verkehrsregelungen um antizipierte und delegierte Konfliktentscheidungen. Auch heute ist noch sichtbar, was in ungeregelten oder unregelmäßigen Straßenverkehrssituationen „passiert“ – und erwünscht ist: Autofahrer nehmen (Blick-)Kontakt auf, huben oder machen sich sonst bemerkbar und stellen damit eine direkte kommunikative Verbindung her, um eigenständig verhandelnd die konfliktträchtige Situation zu meistern. In weniger geregelten, aber stark frequentierten Straßenverkehrssituationen ist dieses Phänomen gut zu beobachten (etwa in Hanoi oder teilweise auch in italienischen Großstädten). Derartige Rück- bzw. Vorsicht zeigt, dass sie sich bewusst darüber sind, sich möglicherweise in einem Konflikt (gegensätzliche, situativ abhängige Lebenswege) zu befinden, den sie aber nicht im Kampf und Krieg lösen wollen, sondern auf dem Verhandlungswege. Gerade im Straßenverkehr werden gegensätzliche Lebenswege und Vorstellungen (Konflikte!) deutlich, weil ganz körperlich sicht- und fühlbar. Straßenverkehrsunfälle zeigen in diesem Sinne ganz offen, dass zwei Menschen, die unterschiedliche Lebenswege verfolgen ohne sich aufeinander abzustimmen, aufeinander prallen. Im Unfall löst sich zwar der Gegensatz tatsächlich, aber gewaltsam auf. Daraus entsteht dann nicht selten ein neuer Gegensatz über die Frage von Verantwortung und Schuld über den gewaltsam aufgelösten Gegensatz, der sich im Unfall zeigte, doch wird dieser neue Konflikt derselben Beteiligten sodann vor Gericht gebracht und im Wege der Delegation behandelt. 375  Vgl. Pawlowski 1981, 14 f. 376  Dazu mit Nachweisen Zippelius 1980, 70 f. Einige Rechtswissenschaftler erkannten deshalb im Juristen schlechthin eine Art „Sozialingenieur“, wobei das Kon-



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 189

Gesetz die soziale Gesellschaft zielgenau gesteuert wird, kann hier nicht geklärt werden.377 Jedenfalls ist es heute unerlässlich, politischen Gestaltungs- und Steuerungswillen in die Formen von Recht und Gesetz zu gießen378: Denn ohne gesetzliche Bekleidung kommt der politische Gestaltungswille nicht in die soziale Welt. (2) Prägefunktion: Legitimierung der sozialen Ordnung Recht prägt. Mit entsprechender Dauer schafft geltendes und durchgesetztes Recht aus (bloß abgerungenem) Rechtsgehorsam Rechtsüberzeugung, zumindest aber Rechtsbewusstsein. Recht wirkt wie jede soziale Norm disziplinierend. Es prägt durch Ordnungsvorgabe. Zustimmende und sich mit dem geltenden Recht identifizierende Bürger können sich aus bloß Rechtsunterworfenen zu „Mitgliedern einer Rechtsgemeinschaft“379 entwickeln. In diesem Sinne verwirklicht Recht auch eine (soziale) Integrationsfunktion.380 Für solche Prägung und Erziehung kommt es nicht auf den Inhalt der Normen an, sondern auf deren autoritativen Charakter, auf den Grad der Über- und Unterordnung, der beiderseits bestimmt wird. Je mehr der Adressat zum Recht „aufschaut“ oder „aufschauen muss“, desto eher und williger wird er dessen Inhalte annehmen und erinnerlichen, desto rechtsgläubiger wird er.381 Und desto einfacher kann mittels des Rechts erzogen, diszipliniert und geherrscht werden.382 zept linearer Kausalität aus dem mechanistisch geprägten Weltbild übertragen wurde. Tatsächlich ist die Veränderungs- und Verbesserungsfunktion (Ordnungsfunktion) von Recht nicht mit diesem Konzept zutreffend zu erklären. Vielmehr hilft auch hierbei allenfalls das Konzept kreisrunder, zirkulärer Bedingungsbeeinflussung. 377  Tatsächlich wird auch in der Rechtswissenschaft von „Steuerungsdefiziten“, „Vollzugsdefiziten“ und von der „Krise des Rechts“ gesprochen, vgl. Voigt 1993, 287 ff.; Teubner 1989, 81 ff.; Brohm DÖV 1990; Treiber 1990; Schober 2007, 28 ff.; Schuppert 1990, 41 geht seinerseits davon aus, dass Gesetze heute weniger „direkt verhaltenslenkend steuern“, sondern mehr „Entscheidungsprozesse zu veranstalten“ haben. Recht stützt organisatorisch und verfahrensrechtlich Entscheidungen, statt sie inhaltlich zu determinieren. Aus politologischer bzw. sozialwissenschaftlicher Sicht Mai 2006; Benz 2001. Im Verwaltungsrecht etabliert sich infolge der Diskussion um Vollzugs- und Steuerungsdefizite des Rechts in der ausdifferenzierten Gesellschaft ein (neues) Steuerungsparadigma. Dadurch können dem (Verwaltungs-)Recht systemtheoretisch erkennbare Funktionsweisen zugeordnet und beachtet werden. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden, s. dazu Kap. E. I. 1. sowie instruktiv Franzius DV 2006, 336 m. w. N.; Schuppert 1993; Voßkuhle 2006, Rn. 10 ff. 378  Dazu Mai 2006, 523 ff. 379  So Rüthers 2005, Rn. 85. 380  Vgl. Schelsky 1970, 51 f.; Maihofer 1970, 14; zur Integrationsfunktion spe­ ziell des EG-Rechts und seiner Integrationsfähigkeit Zippelius 2003, 24 ff.

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C. Die Mediation

Maßgebend ist, dass Recht zugleich Orientierung anbietet und Befolgung fordert. Recht dient einerseits als Richtschnur, um eigene Entscheidung auszurichten, andererseits befiehlt Recht, so dass Abweichung rechtswidrig ist. Recht hält eine lückenlose Ordnung und Struktur für das eigene Handeln parat, wenn man es – im binären Code von richtig und falsch – befragt. Das hat Konsequenzen für die Adressaten: Eine „vollkommene Rechtsordnung“ verführt und fordert geradezu auf, keine eigenen Entscheidungen mehr zu treffen, sondern sich stets an den rechtlichen zu orientieren. 381 382

Beispiel: Liefert der Verkäufer schlechte Ware, so wird gleich in Ansprüchen und Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten, also in rechtlichen Kategorien gedacht und im binären Code des Rechts kommuniziert. Eine gemeinsame Lösung zwischen dem Käufer und Verkäufer könnte aber ein Gutschein sein. Damit kann der Käufer später eine Ware seiner Wahl kaufen. Das Recht kann diese Lösung aufgrund seiner Struktur nicht anbieten oder müsste einen Anspruch auf einen Gutschein gewähren. Dass das Recht die Frage aufwerfen kann, ob ein Gutschein rechtens ist, ändert daran nichts, sondern vermag die Unterschiede nur zu verdeutlichen. Rechtfremdes mag einer rechtlichen Begutachtung offen stehen, bleibt aber doch auch etwas anderes. Noch deutlicher wird es, wenn der Verkäufer eine andere Ware liefert, als die gewollte. Das Recht fragt nicht, ob die gelieferte nicht doch die „bessere“ als die ursprünglich gewollte Ware ist. Es stellt nur Ansprüche parat.383

Daraus folgt ein weiterer Aspekt rechtlicher Steuerung. Indem Recht steuert, bietet es auch Möglichkeiten und Verfahren zur Veränderung der sozialen Ordnung an (und schließt andere aus). Es erzieht mithin zur gewaltfreien Veränderung sozialer Ordnung. Eine neue Ordnung muss gesetzlich oder sonst wie rechtlich angeordnet und kodifiziert werden. Das Recht ermöglicht bzw. erzwingt, soweit das entsprechende Verfahren nicht bezweifelt wird, allein dadurch einen geordneten Wechsel. Indem Recht zunächst 381  Ebenso Schwarz 2005, 289, 292 f.; zur Rechtsgläubigkeit Rogowski 1980. Die Psychologie spricht hier davon, dass die Ge- und Verbote internalisiert werden. Ob die Internalisierung unbewusster Konformismus oder bewusste Entscheidung des „Bürgers“ ist, bleibt für das Recht gleich. Mit den Modellen der Transaktionsanalyse ist eine Differenzierung ermöglicht. Rechtsinhalte können Eingang ins Erwachsenen-Ich finden oder aber im Eltern-Ich verbleiben. Möglich ist auch, dass sie im Eltern-Ich des Kind-Ichs zu verorten sind. s. dazu die Ausführungen im vierten Kapitel der Untersuchung. Indem der Gesetzgeber – ungeachtet aller Notwendigkeiten – den Schutz- und Fürsorgegedanken im privatrechtlichen Verkehr durch das Bild des „Verbrauchers“ dem Gedanken vom mündigen und gleichberechtigten „Bürger“ bevorzugt (zunächst im Reiserecht (§§ 651a – e BGB)), fördert er die Tendenz, dass sich Rechtsinhalte mehr im Kind- und Eltern-Ich festsetzen, da er durch das Schutzniveau eine eigenständige Überprüfung durch das Erwachsenen-Ich de facto erspart. 382  Die Vorstellung, dass das Recht die „Wissenschaft von den richtigen sozialen Entscheidungen“ ist, begünstigt freilich, dass der Rechtsunterworfene das in Form des Rechts Angebotene auch internalisierend annimmt. Pawlowski 1981, 9. 383  s. dazu Medicus 2007, Rn. 288 m. w. N.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 191

diszipliniert und dadurch auch prägt, legitimiert es die jeweiligen formalen Ordnungsvorgaben.384 (3) Freiheitsfunktion: Freiheitsgewährung in der sozialen Ordnung Recht befreit.385 Und Recht schützt. Das sind die Kehrseiten der Ordnungsfunktion. Freiheit durch Ordnung, ließe sich sagen. Indem Recht anordnet, beengt es zwar einerseits, befreit und schützt aber auch vor Übergriffen anderer, die gleichfalls eingeengt werden. Weder der Staat noch ein Dritter darf in den dadurch bereitgestellten Freiheitsraum eingreifen. Der Einzelne ist befreit, sich eigenständig und allein vor Übergriffen zu schützen. Innerhalb dieses Freiraums kann er sich entfalten.386 Recht gewährleistet in menschlichen Großgruppen individuell nutzbare Wirkbereiche, wodurch Freiheitsbereiche durch Ordnungsvorgaben zu Schutzgütern gekürt werden.387 Beschränkung und Bereitstellung individueller Freiheitsbereiche sind zwei Ziele und Wirkungen des einen Instruments „Recht“.388 Rechte, insbesondere Grundrechte wehren als subjektive Rechte nicht bloß Übergriffe ab. Vielmehr etablieren sie zusätzlich persönliche und so­ ziale Wirkbereiche, durch die der Mensch seinem Leben Gestalt gibt. Luhmann zeigte anhand der Grundrechte, dass subjektive Rechte zur Persönlichkeitsentfaltung und zur Teilnahme am geistigen und wirtschaftlichen 384  Luhmann 1987, 259 ff. nennt das Legitimation (materieller Regelungen) durch Verfahren; ausführlich ders. 1969; vgl. auch Rüthers 2005, Rn. 83; Zippelius 2004b, 92 ff., 95. 385  Noch Immanuel Kant hat seine Rechtsvorstellungen um den Begriff der Freiheit geordnet, Kap. C. III. 1. a). 386  Vgl. Kausch 1991, 26; Luhmann 1999d, 104 f. 387  Zu unterscheiden ist allerdings, ob das (staatliche und staatlich überwachte!) Recht Freiräume vor dem Staat sichert (Grundrechte als subjektive Rechte) oder Freiräume gegenüber anderen Mitgliedern der Gesellschaft (staatlich gesichertes Privatrecht). Zum „nachklingenden Affekt betonter Asozialität“ der Lehre von der „allgemeinen Freiheit der Person“ im Privatrecht von Hippel 1957, 43 ff.; Zum staatsrechtlichen Sozialgedanke in Bezug zur Freiheit und zum Zwang des Rechtsstaats Fechner 1953; Zur Funktion subjektiver Rechte allgemein Luhmann 1970, 325. 388  Bockelmann 1963, 71 („Freiheit für jeden kann es in einer begrenzten Welt, in der viele miteinander auskommen müssen, nur um den Preis von Freiheitsbeschränkungen geben, die allen gleichmäßig und gleichermaßen verbindlich, also durch rechtliche Ordnung auferlegt werden müssen.“); aus soziologischer Sicht Schelsky 1970, 80, der die rechtlich gewährten Freiheitsräume der westlichen Gesellschaften als „organisierte Rechte“ begreift, die auch „umschlagen“, so dass der Einzelne „zum Teil dieser Organisation“ wird, eine „Rolle“ zugewiesen bekommt und sodann durch „objektiv soziale Zwänge“ gesteuert wird, dazu auch Maihofer 1970, 14.

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C. Die Mediation

Kommunikationssystem der Gesellschaft geschaffen sind.389 Durch die subjektiven Freiheitsrechte wird der Mensch in der Großgruppe befähigt, sich und seinem Verhalten eine ganz „persönliche Note“ zu verleihen und diese zur sozialen Wirksamkeit zu führen. Die subjektiven Rechte sind es, die es der Person erlauben, bei allem sozialen und rechtlichen(!) Erwartungsdruck eine soziale Rolle zu gestalten und zwar ganz eigen-artig, also individuell und selbst bestimmt sowie rechtlich akzeptiert und damit sozial akzeptabel zu formen.390 bb) Funktionen des Rechts im Verhältnis Bürger – Bürger Recht erfüllt allerdings nicht nur Funktionen im Verhältnis Staat – Bürger, sondern gilt und wirkt auch unmittelbar zwischen Bürgern, den sog. Privaten. Welche Funktionen das Recht hier erfüllt, wird im Folgenden ausgeführt. (1) Erwartungssicherung: Verhaltenssicherheit als soziale Ordnung Recht erleichtert. Es hilft Menschen, insbesondere Fremden, miteinander in Kontakt zu treten. Diese Funktion hat Recht mit sonstigen sozialen Normen gemeinsam. Recht schafft Erwartungssicherheit und beseitigt Verhaltensunsicherheit – jedenfalls bis zu einem gewissen Grade.391 Schelsky erkennt diese Funktion „bis in die Frühzeiten der menschlichen Kultur und insbesondere heute noch in der Analyse primitiver Gesellschaften“ als entscheidende Leitidee des Rechts.392 Im Recht sieht er das Beziehungsprinzip verkörpert, das „Gegenseitigkeit auf Dauer“ garantiere und schreibt ihm ein 389  Luhmann 1999c, 78 („Sinn der Freiheitsrechte, […] ist vor allem die Gewährleistung eines Handlungsspielraums, dessen Ausfüllung dem Menschen als Person zurechenbar ist. Ihm ist dadurch die Möglichkeit gegeben, sich selbst nicht nur als veranlasste Handlungsserie, sondern als identische Persönlichkeit zu begreifen und in den symbolischen Implikationen seines Handelns sozial zu konstituieren.“). 390  Vgl. Luhmann 1999c, 53 f., ders. 1970. 391  Vgl. Kausch 1991; Sarhan JZ 2008, 281; 20. Freilich können sich Menschen auch nicht durch das Recht restlos sicher sein, dass sie keinen Schaden oder ähnliches erleiden. Auch bei einem simplen Morgengruß besteht tatsächlich ein Rest an Unsicherheit darüber, wie der Gegrüßte reagieren wird. Vielleicht grüßt er zurück, vielleicht nicht, vielleicht nötigt er zur Ruhe, wird beleidigend oder schlägt einfach zu, vgl. §§ 240, 185, 223 StGB. Auch das Strafrecht als härteste Rechtsregel vermag nicht, absolute Sicherheit und Schutz zu gewähren. Der Grad der Überraschung in derartigen Situationen zeigt demnach die eigene Erwartungshaltung an. 392  Schelsky 1970, 69 f.



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Stück weit die Aufgabe zu, den Rahmen für künftige Entwicklungen festzulegen. Recht ermöglicht damit Planung, schließt Möglichkeiten aus und rückt andere stärker in den eigenen Fokus. Ausgleich und Dauerhaftigkeit menschlicher Beziehungsgestaltung sind grundlegende Gedanken, denen Recht dient und Wirklichkeit verleihen möchte. Andererseits bewirkt es zuweilen auch, dass Rechtsfragen, Fragen über das Richtige und Falsche, die einzigen Inhalte von Kommunikation bleiben. Verhaltenssicherheit bietet Recht auch, indem es die Konfliktaustragung regelt und sie einem geordneten Verfahren zuführt.393 Insoweit schafft Recht Sicherheit im Konflikt, sozialisiert und diszipliniert.394 Das führt zur wichtigsten Funktion des Rechts unter Privaten, namentlich zur staatlichen Behandlung ihrer Konflikte. (2) Konfliktentscheidung: Konfliktbehandlung in der sozialen Ordnung Recht richtet. Recht richtet zu rechtlich vorgesehener sozialer Ordnung. Es gleicht rechtlich Nichtvorgesehenes aus, richtet rechtliche Unordnung wieder zurecht. Recht ordnet und prägt, befreit und sichert Freiheit und erleichtert zwischenmenschlichen Umgang nur soweit, wie es tatsächlich auch zu richten vermag. Unwirksames und nicht richtendes Recht wäre wirkungs- und damit bedeutungs-, also funktionslos. Richten ist deshalb die „elementarste Funktion des Rechts“395, gleichwohl es lediglich seine Konsequenz und ihm nachgeschaltet ist. Oder knapp: Recht ohne Rechtsdurchsetzung ist nahezu undenkbar. Im Richten wird ausgeglichen und befreit, geprägt und erzogen und letztlich neu geordnet. Es ist kein Zufall, dass sich die Staatsgewalt im Laufe der Jahrhunderte das letzte Wort nicht nur über die Rechtssetzung und Rechtsprechung, sondern auch über die Rechtsdurchsetzung erkämpft hat und dadurch das Richtund Gewaltmonopol besitzt.396 Denn letztlich muss hinter dem Recht, will es wirksames Recht sein, die Fähigkeit stehen, es notfalls gewaltsam durchzusetzen.397 393  Freilich bietet Recht diese Sicherheit nur so lange, wie es durch einen Zwangsapparat Gewalt monopolisieren und verteidigen kann und als solches durchsetzbar bleibt. 394  Dazu Kausch 1991, 25; Zippelius 1980, 68 m. w. N. 395  Kausch 1991, 21; ausführlich dazu Zippelius 2003, 15 ff.; aber auch Franzius DV 2006, 349 f. 396  von Trotha ZfRSoz 2000, 348 f. 397  Recht, in der europäischen Historie staatliches Recht zumal, versprach und verspricht noch heute, dass es mehr Gerechtigkeit und sozialen Friede bringe als alle

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C. Die Mediation

Wie wirkt diese Funktion auf das individuelle Konfliktmanagement zurück? Recht und Richten sorgt für Ruhe und Ordnung, aber „nur“ in der Welt des Rechts bzw. in der vom Recht erfassten Welt. Durchgesetztes Recht schafft Rechtsfrieden, aber es befriedet nicht zugleich.398 Zwischenmenschlichen Frieden, umfassende Befriedigung und damit ein „Mehr“ als bloße Gewaltabwesenheit, können nur die Beteiligten selbst erreichen. Recht hat darauf keinen unmittelbaren Zugriff. Es verhindert jedoch, dass die Konfliktbeteiligten sich körperlich bekämpfen und sich der Konflikt destruktiv entfaltet.399 Die Sieger des Rechts sind deshalb die vor Konflikt­ eskalationen geschützte Gesellschaft sowie der Einzelne, der sonst im Kampf unterginge.400 Recht schützt damit die soziale Großgruppe sowie den anderen Konzeptionen. Dieses Versprechen wurde zu weiten Teilen – zumindest innerhalb der nationalen Grenzen – gehalten; Reinhard 1999, 378; Nautz 2001, 55 ff., 59. 398  Sarhan JZ 2008, 280. 399  So etwa Ellscheid 1979, 55. In der rechtshistorischen bzw. rechtssoziologischen Literatur wird die Befriedungs- und Beruhigungswirkung des Rechts einseitig hoch eingeschätzt. Freilich hat der Staat im Wege der Rechtsdurchsetzung und Gewaltmonopolisierung Friede geschaffen bzw. Privatkonflikte vor kriegerischen Auseinandersetzungen bewahrt, aber nur innerstaatlich. Zwischenstaatlich sind ganz andere Dimensionen der kriegerischen Konfliktaustragung erreicht worden, dazu Wuketits 1993, 16; ders. AK 1998, Abs. 9. 400  Das Bundesverfassungsgericht hält die Verhinderung gewaltvoller Konflikt­ austragung für einen zentralen Aspekt von Rechtsstaatlichkeit, BVerfGE 54, 277 ff., 292. Im staatlichen Gerichtsverfahren prägt sich das staatliche Gewaltmonopol aus und unterbindet nichtstaatliche Gewalt. Gerichtsverfahren sind, wenn privatrecht­ liche Ansprüche nicht befriedigt werden, zuvorderst Gewaltverhinderungsverfahren. Hier wird der Streit in einem geordneten Rechtsgang gewaltlos ausgetragen und verbindlich entschieden. Dadurch ist (einseitig-)private Gewaltanwendung zur Konfliktbehandlung unterbunden, Kampf und Krieg beendet. Flammen sie gleichwohl wieder auf, ziehen sie staatliche Sanktionen nach sich. Das bedeutet, wer im Kampf und Krieg das Gewaltmonopol des Staates bezweifelt, begibt sich dadurch mit dem Staat in einen eigenständigen Konflikt¸ dazu knapp Schäfer 1989, 16 f. Den Konfliktbeteiligten bleibt es unterdessen unbenommen, ihre Konflikte einverständlich im Wege der Gewalt auszutragen. Eine Grenze zieht hier allein § 228 StGB, der Körperverletzungen, die gegen die guten Sitten verstoßen, privater Disposition entzieht. Konfliktbeteiligte könnten sich deshalb auf einen Boxkampf verständigen, dessen Sieger bestimmt, ob die Ware bspw. bezahlt wird oder nicht bzw. mangelhaft war oder nicht. Das wäre ein erlaubter, wenn auch ungewöhnlicher Modus. Ob ein „Verkäufer“ umgekehrt bspw. verlangen kann, dass der „Käufer“ sich ein- oder zweimal schlagen lassen muss, um an die Ware zu kommen, hängt davon ab, ob dies aus Sicht des Staates bereits gegen die guten Sitten verstößt. Doch ist das ein Konflikt mit dem Staat, den die Beiden hätten, sofern sie sich untereinander einig wären. Das „Angebot“ könnte aber auch andersrum aussehen: Der „Käufer“ muss den „Verkäufer“ schlagen, damit er das Produkt erhält. Verstößt das gegen die guten ­ Sit­ten?  Zum Begriff der „Guten Sitten“ für sado-masochistische Praktiken, vgl. BGH 26.5.2004 – 2 StR 505 / 03. All diese Situationen sind Konflikte, nicht weil sie



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Schwachen, aber es stärkt nicht. Recht benötigt die Großgruppe, in der es Schwache gibt, als Existenzberechtigung.401 „Rechtsfriede“ bedeutet insoweit, dass sich die Rechtsordnung, die zeitlich vor dem Konflikt feststand, durchgesetzt hat.402 Gegenüber zügelloser Gewalt in werdenden Großgruppen war und ist der normativ determinierte Rechtsfriede fortschrittlich. Deutlich wird an dieser Stelle abermals, dass Konfliktvermittlung letztlich verwirklichen möchte, was die Rechtstatsachenforschung belegt hatte: Unmittelbare, direkte Kommunikation als ersten Schritt und ein Angebot zur Kooperation können Recht überflüssig werden lassen. Vielmehr erscheint die juristische Behandlung hinderlich für die soziale Befriedung unmittelbar Kommunizierender. Wie die juristische Methode der Konfliktaustragung auf die unmittelbaren Konfliktbeteiligten einwirkt, wird deshalb im Folgenden aufgezeigt. Dennoch, in einer ausdifferenzierten, hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft von Individuen, die lediglich bestimmte Anteile der anderen Gesamtpersönlichkeit beanspruchen (Konzept der Rollen), ist Recht unverzichtbar und wird zum Garanten einer gewaltfreien Konfliktbearbeitung.

gegen Recht verstoßen. Das wären Konflikte mit dem Staat! Es handelt sich um Konfliktsituation zwischen den Menschen, da der eine etwas haben möchte, was der andere hat. Der Austauschmodus beschreibt die Auflösung des Gegensatzes. Es geht um Austausch von Gütern und die gütliche, d. h. verhandelnde(!) Einigung über die Modalitäten des Tausches. Fälle, in denen schnell eine Einigung erzielt wird, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass zunächst eine konfligierende Situation vorlag. Die punktgenaue Bestimmung und Differenzierung zwischen Konflikt, dessen Beteiligten und der Art der Konfliktbehandlung ist entscheidend, um die Unterschiede und Andersartigkeit zwischen Recht und Mediation zu erkennen. Zur Andersartigkeit auch Huber 2007, 192 ff., der allerdings fälschlicherweise den Schluss zieht, dass Mediation „nichts anderes als ein Vertrag“ (S. 194) sei. 401  Recht entwickelt sich mit der Entstehung sozialer Großgruppen, um Ordnung zu sichern, nicht zu schaffen. In Kleingruppen bedurfte und bedarf der Mensch keines derartigen Instrumentes, da Ordnung anders als durch Recht herstellbar war und ist, Wuketits AK 1998, Abs. 30 mit Verweis auf Voland 1997, 127 m. w. N. Voland benennt die Zahl von 150 (!) Mitgliedern einer Menschengruppe als Obergrenze, ab der sozialer informeller Druck nicht mehr ausreicht, um Ordnung zu gewährleisten. Recht als formale Ordnungsstruktur ermöglicht über diese Anzahl hinaus ein Leben von menschlichen Großgruppen. 402  Denn der Staat richtet sich bei der Rechtsanwendung an die normative Ordnung der bereits bestehenden(!) Gesetze (Gesetzesbindung, Art 20 Abs. 3 GG). Zur Normativfunktion der Gesetze: Pawlowski 1999, Rn. 383 ff. Der Richter kann deshalb nur rechtlich Relevantes befrieden. Er sieht den Konfliktfall nur unter diesen normativen Kriterien, vgl. dazu Schillinger VBlBW 2001, 396.

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C. Die Mediation

e) Verrechtlichung des sozialen Konflikts: Die juristische Methode Die konfligierende Lebenssituation kann auf unterschiedlichste Weisen behandelt werden. Davon war bereits die Rede.403 Die Vorgehensweise und Besonderheiten der juristischen Konfliktbehandlung im Rahmen einer Delegation werden im Folgenden herausgearbeitet, wobei als Bezugspunkt neben die Konfliktsituation selbst die Mediation tritt. Nicht jede berufliche Tätigkeit eines Juristen erfordert die juristische Methode404. Rechtsberatende Tätigkeit ist Informationsvermittlung in Rechtsangelegenheiten. Rechtsanwälte beraten über die Rechtslage und (er-) klären, ob eine geplante Handlung rechtlich erlaubt ist bzw. welche Rechtsfolgen sich an sie anknüpfen können. Das erfordert nicht unbedingt die juristische Methode zur Konfliktlösung.405 Die Rechtsberatung kann den binär codierten Konflikt nicht entscheiden, sondern nur abschätzen, wie der Richter ihn – angesichts der Sach- und Beweislage – entscheiden würde. Rechtsberatung wird etwa für eine geplante Handlung und Vorgehensweise in Anspruch genommen, die daraufhin geprüft werden soll, ob sie mit dem geltenden Recht kollidieren würde. Recht ist hier ein Maßstab, um die Durchführbarkeit der Handlung zu klären. Der Rechtsmaßstab stellt strukturell ebenso eine Grenze dar wie es der ökonomische, ethische, soziale, individuelle oder physikalische Maßstab auch ist. Die Frage lautet: Gibt es beachtliche Gründe, weshalb das Geplante nicht durchführbar ist? Die juristische Methode zur Konfliktbehandlung meint eine andere Situation. Der Jurist berät hier nicht, sondern urteilt infolge der Delegation. Er beurteilt den sozialen Konflikt anhand der entsprechenden binären Codierung des Rechtssystems als Element des Rechtssystems406. Wie er dabei vorgeht, wie er das, was geschehen ist, anhand dessen beurteilt, was hätte geschehen sollen, ist die handlungs- und entscheidungsleitende Frage. Rechtsberatende Tätigkeit ist kreatives Arbeiten mit dem Instrumentarium des Rechts, um künftiges Handeln im rechtlich erlaubten Bereich vorzube403  Kap.

B. II. Begriff der „juristischen Methode“ bezieht sich in der vorliegenden Untersuchung auf die Aspekte des Konfliktmanagements, nicht auf die rechtstheoretischen Aspekte. 405  Die Grenze zur juristischen Methode wird tangiert, wenn bei der beratenden Tätigkeit bereits Argumente gesucht und geliefert werden, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, weil zu vermuten ist, dass ein anderer Jurist wie der mögliche Richter im Prozess das anders sehen könnte. Diese Tätigkeit ist reines Prognostizieren, Orakeln über die künftige Entscheidung eines Dritten. 406  Vgl. Blecher 1990, 39 ff.; Luhmann Rechtstheorie 1986; zur rechtsaktsbezogenen juristischen Methode im Verwaltungsrecht Voßkuhle 2006, Rn. 2 ff. 404  Der



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reiten. Es erfolgt angesichts einer Wahrscheinlichkeitsberechnung, damit ein entscheidender Jurist sie – im Falle des Falles – am rechtlichen Maßstab als rechtmäßig beurteilen wird. aa) Beurteilung von Konfliktpositionen Delegieren Konfliktbeteiligte die Auflösung ihres Gegensatzes an einen Richter – ob einverständlich oder einseitig – wird es nötig, dass sich jeder Beteiligte positioniert. Die Konzeption des Rechts erfordert es bereits an dieser Stelle, dass ausschließlich an Personen delegiert werden kann, die von dem Konflikt nicht betroffen sind.407 Für diesen Nichtbetroffenen ist es sodann erforderlich, dass der delegierende Konfliktbeteiligte eine vom Recht anerkannte Stellung bezieht, die der – bis dato nicht betroffene – Richter beurteilen kann. In der sog. Prozessstation stellt der Kläger deshalb seinen (Klage-)Antrag. Dafür ist es erforderlich, dass sich die klagende Partei bewusst darüber wird, was sie will und beanspruchen möchte. Die juristische Konfliktbehandlung zwingt materiell-rechtlich zur Erfindung eines Anspruchs408 und prozessual zu der des Antrags.409 Diesen Anspruch und diesen Klageantrag muss der Konfliktbeteiligte erst finden. Der Antrag selbst hilft ihm an sich nicht, sondern allein dem entscheidenden Juristen. Allein für den richtenden Juristen werden tatsächliche Vorkommnisse in einen rechtlichen Sachverhalt „überführt“. Überführung bedeutet einerseits Fokussierung, andererseits Auslassung von Vorkommnissen und stellt letztlich Reduktion von Komplexität dar, damit ein Konfliktfremder entscheiden kann. Dieser konfliktfremde, aber -entscheidende Dritte seinerseits ist nicht am sozialen Konflikt interessiert, sondern allein am juristisch Relevanten.410 Bereits dafür bedarf es eines Rechtskundigen, der dem Konfliktbeteiligten beisteht (Rechtsbeistand oder Rechtsanwalt). An sich ist dieser Fakt nicht verdächtig und entspricht einer üblichen Dienstleistung.411 Was aber merkwürdig ist und ganz entscheidend für das individuelle Konfliktmanagement, ist die Tatsache, dass der richtende Dritte ohne diese rechtliche Positionierung gar nicht entscheiden könnte. Der eigene Konflikt muss in eine andere und konfliktfremde Sprache überführt werden, damit ein Dritter über 407  Hauser

2002, 176. Anspruch ist das rechtlich vorgesehene Begehren, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können, Vgl. § 194 BGB. 409  Dazu Christensen / Sokolowski 2005, 146; Haft 1999, 258; ders. 2000, 401, Ponschab AnwBl 1997, 145 ff.; Bastine 2004, 29 f. 410  Ponschab / Schweizer 1997, 37; vgl. auch zur Transformation des Konflikts Montada / Kals 2001, 24 f. 411  Deshalb ist es auch eine Selbstverständlichkeit, dass der Rechtsbeistand finanziell honoriert werden möchte. 408  Ein

198

C. Die Mediation

Recht und Unrecht entscheiden kann. Der richtende Dritte hilft an sich nicht, sondern diktiert und wäre im Übrigen selbst hilflos. Die Komplexitätsreduzierung erfolgt keineswegs für die in ihrer Komplexität verstrickten Beziehungspartner, sondern allein für den Dritten. Dies muss zur Verfremdung der eigenen Lebenssituation führen und fördert keineswegs eine autonome Entwicklung anhand des sozialen Konflikts.412 Recht reduziert soziale Komplexität keineswegs für die Konfliktbeteiligten, sondern allein für konfliktfremde Richter und führt obendrein die Konfliktbeteiligten von Konfliktthema weg und nur selten dahin zurück. Der Unterschied zur Mediation ist offenbar. Mediation ermöglicht es, Bedürfnisse und Interessen, die die Konfliktbeziehung berühren, zur Sprache zu bringen. Ihre Erfüllung bleibt dabei offen und wird keineswegs versprochen. Alle Probleme, die den Konflikt strukturieren, können erörtert und erklärt werden. Mag letztlich auch nicht jedes Problem in einer vermittelten Verhandlung gelöst werden, so wirkt Klarheit und Einverständnis auch darüber oftmals erlösend. In (vermittelten) Verhandlungsgesprächen ist es ungeachtet der Unterschiede möglich, über Rechtsansprüche und -posi­ tionen zu reden, jedoch erhält das Recht in der Mediation nicht die Herrschaft über die Konfliktdefinition. bb) Entmündigung in der Konfliktbehandlung Mit dem positionierenden Klageantrag wird das gerichtliche Verfahren in Gang gesetzt. Von nun an gilt es, den behaupteten Sachverhalt zu beweisen, der nach der Konzeption des Rechts logisch die behauptete und vom Recht als rechtmäßige (Ein-)Stellung stützt. Die Beweisführung sowie die Subsumtion des Sachverhalts unter die Rechtsnormen sind dabei Vorgänge, denen die rechtsunkundigen Konfliktbeteiligten mitunter weder sprachlich, noch intellektuell folgen können. Die Auslegungsfähigkeit der Gesetze, einzelne Verfahrensschritte und -notwendigkeiten sowie ein Großteil der sonstigen rechtlichen Lösungsschritte sind für Laien und Außenstehende kaum verständlich, noch betreffen die einzelnen juristischen Argumente ihre individuelle soziale Lebenswelt. Als Zentralgestalten ihres sozialen Konflikts sind sie auf dem Weg der rechtlichen Konfliktbehandlung praktisch verloren gegangen, so dass vereinzelt von einer „Konfliktenteignung“413 412  Ebenso Montada / Kals 2001, 25. Praktisch „reduziert“ sich der eigene Konflikt auf das Problem, den besten Rechtsbeistand zu finden. Eigene Kenntnisse vom Recht schaden freilich auch nicht, lösen aber den Konflikt nicht. Durch die – zum Teil erzwungene – Notwendigkeit eines Rechtsbeistandes führt das rechtliche Verfahren nicht einmal dazu, sich in Zukunft selbst rechtlich beistehen zu können. 413  Teubner 1985, 296 f.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 199

gesprochen wird. Als „Zaungäste“414 müssen die Konfliktbeteiligten zwar weiterhin mit ihm leben, aber zur Handlungsunfähigkeit degradiert, besitzen sie keine Deutungshoheit mehr über ihre Situation und müssen sich auf die Rechtskundigen verlassen.415 Ohnmachts- und Verlassenheitsgefühle sind nicht selten die Folge und doch nur konsequent, sobald man Angelegenheiten, die einen etwas angehen, abgeben möchte. Die „Herrschaft“ über das Verfahren erhalten die Beteiligten allerdings auch in der Mediation nicht. Vielmehr übernimmt der Mediator die Prozessverantwortung. In welchen Schritten der Konflikt behandelt und wie eine mögliche Lösung herausgearbeitet wird, bestimmt in Absprache mit den Medianten der Mediator. Die Medianten ihrerseits können ohne Begründung und zu jeder Zeit das Verfahren abbrechen. Es steht ihnen frei, dem Me­ diationsprozess zu folgen.416 Nichts geschieht in der Mediation ohne ihr Einverständnis. Gleichwohl der Mediator Herr über das Verfahren ist, diktiert er es nicht. Zudem kann auch er die Mediation abbrechen und den Auftrag „zurückgeben“.417 Das bedeutet zuvorderst, dass die Medianten nicht auf die Kompetenz des Mediators vertrauen müssen, sondern sich auf seine Vorgehensweise einlassen können. Sie entscheiden, da es ihr Konflikt ist und nur ihre Lösung ihnen hilft. Sie sind frei und selbstverantwortlich, um auto-nom zu entscheiden, sich selbst „ihre Gesetze“ zu geben. Der einzige Zwang, der besteht, ist die Erfahrung, dass ihr eigenes Konfliktbehandlungsverfahren eher eskalierend wirkte. Das Verfahren des Mediators gleicht insoweit einem kommunikativ angenommenen Angebot und das des Richters einer fremden, enteignenden und verdrehenden Ordnung.418 Weil Recht zugunsten des entscheidenden Dritten den Großteil der Prozess- und Urteilsverantwortung verlagert, Mediation allerdings auf die Erhöhung der „Selbstkompetenz“419 der Beteiligten zielt, unterscheiden sich die jeweiligen „Verfahrensherrschaften“ eines Richters und eines Mediators wesentlich.

414  Montada / Kals

2001, 29. Gerechtigkeit im Rechtssystem Mähler / Mähler 2000, 13 ff. m. w. N. 416  Deshalb trifft es den Kern der Sache nicht, wenn man – wie Dendorfer 2006, 220 – die Medianten als „Herren des Verfahrens“ bezeichnet. Sie können lediglich über das „Ob“, nicht aber über das „Wie“ des Mediationsverfahrens bestimmen. 417  Der Richter muss andererseits entscheiden, vgl. Art 19 Abs. 4 GG. 418  Zur Enteignung und Entfremdung der sozialen Konflikte durch das Recht Teubner 1985, 296 ff.; ders. 1998, insbes. 204 m. w. N.; auch Mähler 2005, 95 f.; Messmer 2005, 264; Ellscheid 1979, 44 („Welt der Verdrehungen“); zur Reprivatisierung der Konflikte im strafrechtsrelevanten Bereich Pfeiffer ZRP 1992, 338 ff., 345; generell zur Konfliktregelung „im“ Strafrecht Rössner 2006. 419  Schwarz 2005, 297. 415  Zur

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C. Die Mediation

cc) Vom sozialen Konflikt zum Rechtsproblem – und zurück Wird der soziale Konflikt verrechtlicht und betrachtet man das Vorgefallene unter rechtlichen Gesichtspunkten, ist ein wesentlicher Vorgang der Ausschluss des rechtlich Irrelevanten. Davon war bereits die Rede.420 Das sich im Konflikt äußernde soziale Leben wird durch die Maschen des binär codierten Rechtssystems gefiltert und seiner Komplexität entkleidet.421 Konsequent werden dritte Werte durch den binären Rechtscode „entqualifiziert“422, so dass aus dem Konflikt zweier sozialer Einheiten ein verobjektiviertes Rechtsproblem wird, das ein Dritter lösen kann.423 Es ist wichtig, sich in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen einem sozialen Konflikt und einem juristischen Problem zu verdeutlichen: Der soziale Konflikt, der mindestens zwei gegensätzliche Sicht- und Seinsweisen und ein vielschichtiges, stetig bewegtes Beziehungssystem aus Interessen und Bedürfnissen vereint, wird durch die Transformierung zu einem Rechtsproblem verkürzt.424 Das Rechtsproblem ergibt sich aus einer einseitigen und durch das Rechtssystem vorgezeichneten Sicht auf den sozialen Konflikt. Das Rechtsproblem seinerseits mag im juristischen System vielschichtig und problematisch sein und mitunter selbst Rechtskonflikte425 begründen. Jedoch ist es als 420  Kap.

C. IV. 1. b) aa). auch Schwarz 2005, 289; Zur ersten („recht / unrecht“) und zweiten („erlaubt / verboten“) Codierung des Rechtssystems: Luhmann Rechtstheorie 1986 sowie Luhmann 1999, 511. Lesenswert dazu auch Watzlawick 1995, 43 ff., der den Ausschluss dritter Werte mit dem manichäischen Weltbild in Verbindung setzt, in dem jedwede Binarisierung schließlich wurzelt. Man könnte in diesem Zusammenhang davon sprechen, dass die Mediation bei rechtlich codierter Konfliktkommunikation anstrebt, das „ausgeschlossene Dritte“ wieder zu kommunizieren. Zur Debatte der Verrechtlichung des Gesellschaftlichen Teubner 1985, 294 ff.; 1998, 197 ff.; zur Verrechtlichung sozialer Konflikte Messmer 2005, 238 f., 259. 422  Luhmann Rechtstheorie 1986, 177; anders offensichtlich Callies ZfRSoz 2000, 298 f. („Rejektionswert“), der von einem „Zusammenbruch der Codierung“ spricht, wenn man fragt, ob die Anwendung des Codes „recht / unrecht“ auf einen Sachverhalt Recht oder Unrecht ist. M.E. zeugt gerade diese Frage davon, dass das Rechtssystem darauf angelegt ist, jede Entscheidung und jedes Vorkommnis anhand seines Codes zu behandeln – und es auch gar nicht anders kann und soll. 423  Zur Klarstellung: Ein Ziel des vermittelnden Konfliktmanagements ist es freilich, dass es die gegensätzlich eingestellten Beteiligten durch gewaltfreie Kommunikation, Kreativität und Kooperation schaffen, ihren sozialen Konflikt als ihr gemeinsames, lösbares Beziehungsproblem wahrzunehmen bzw. umzuwandeln. Dieser Weg vom Konflikt zum Problem, der die Transformation vom Gegensatz zur Einheit beschreibt, folgt anderen Spuren als der Weg vom sozialen Konflikt zum juristischen Problem. 424  Schwarz 2005, 289; Teubner 1985, 296 spricht hier – angemessen – von einer „Verstümmelung des sozialen Streits“ zu einem Rechtsfall. 425  Der Rechtskonflikt entsteht aus einem Rechtsproblem, auf das mehrere soziale (zumeist juristisch geschulte) Einheiten unterschiedliche Rechtslösungen vorschlagen 421  So



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 201

selbst kreiertes Rechtsproblem ausschließlich juristisch lösbar.426 Ob der soziale Konflikt zwischen den Beteiligten hingegen durch die Lösung des Rechtsproblems gelöst wird, entscheidet nicht der Richter, das entscheiden allein die Beteiligten des Konflikts. Sie werden ihren sozialen Konflikt beilegen, sofern sie des Richters Spruch überzeugt hat – warum auch immer. Das erfolgt durch eine Re-Transformierung der Rechtslösung, die die Konfliktbeteiligten vornehmen. Sie ordnen das Urteil in ihre soziale Gesamtsituation ein und bestimmen ebenso filternd, was Relevanz hat, wie vormals der Richter bei der Transformation des sozialen Konflikts in das Rechtssystem. Vermögen die Konfliktbeteiligten das Richterurteil allerdings nicht zufrieden stellend in ihre soziale Situation einzuordnen, bleibt der soziale Konflikt bestehen. Die Delegation als Konfliktbehandlungsmethode und -versuch war dann nicht erfolgreich, was sich konfliktverschärfend auswirken kann, aber nicht muss. Letztlich ist diese Ohnmacht des Richters – und sich gegenseitig zu überzeugen versuchen. Derartige Konflikte zwischen Professionellen (Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Richter, Gerichtskammern, Gerichten, Instanzen, Gesetzeskommentatoren etc.), die aus Anlass eines überführten sozialen Konflikts über die rechtliche Lösung in Streit und Gegensatz geraten, können klarstellend Rechtskonflikte genannt werden. Zwischen beiden Einheiten besteht eine gewisse Abhängigkeit dergestalt, dass man diskutierend überzeugen möchte oder – vor Gericht – muss. Sie streiten darum, wer Recht hat, nicht aber darüber, wer Recht spricht und entscheidet. Deshalb werden auch sie zu einem entscheidenden Dritten gehen müssen, bei dem das „Spiel“ in eine neue Runde geht (Berufungsrichter, Revision). Das moderne Rechtssystem dient insofern der Verlagerung des sozialen Konflikts, um das gesellschaftliche System zu stabilisieren, indem es die gewaltsame Austragung des sozialen Konflikts unterbindet, und dafür mehrere und zermürbende, aber verbalorientierte Konfliktfelder eröffnet, Christensen 2005, 79. Das Gewaltpotential der (jeweiligen) Ausgangskonflikte verpufft sich im rechtlichen Verfahren, das sich über Jahre hinzuziehen vermag. Dazu Luhmann 1999, 511; zur „Versprachlichung“ des Konflikts durch Recht Lerch 2005, XX ff. Mitunter wird auch in der Gerichtsverhandlung über rechtlich Irrelevantes gesprochen und die Richterperson tritt auf und handelt wie ein Mediator. Dennoch enthält die rechtliche Konfliktbehandlungsmethode keineswegs mediative Elemente. So aber Trossen ZKM 2003. Zum einen beeinflusst die Richterrolle die Streitparteien derart, dass von einer Förderung der Selbstkompetenz nicht ernsthaft gesprochen werden kann. Zum anderen gilt, sollte der Richter tatsächlich rechtlich Irrelevantes in seinem Urteil berücksichtigen, ist es dann de facto nicht mehr rechtlich Irrelevantes oder eine nichtjuristische Vorgehensweise, die wohl kaum vor den Instanzgerichten Bestand haben würde. Für (juristisch laienhafte) Medianten ist es eine spürbare Entlastung, wenn sie erkennen bzw. mitgeteilt bekommen, dass die Rechtspositionen relativiert werden würden, wenn man sie im juristischen Verfahren durchsetzen würde. Nicht nur dass der gegnerische Anwalt anders „über das Recht denkt“ als der eigene, sondern auch der Richter eine andere (und schon die dritte) Meinung vertritt, vgl. Weiler / Schlickum 2008, 41. 426  Die juristische Methode als eine Form der Delegation, die ein Zurückfallen in physische Kämpfe verhindert, verweist andererseits mit ihren rechtsorientierten Verbalverhandlungen bereits dorthin, wo die „zukünftige“ Konfliktbehandlung der Verhandlungsebene angesiedelt ist.

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C. Die Mediation

und des Rechts konsequent. Denn, wenn der soziale Konflikt ohne Transformierung ins Recht nur kommunikativ und gemeinsam gelöst werden kann und aktive Beziehungsgestaltung unmittelbare Kommunikation und Kooperation erfordert, dann kann nicht ohne die Beteiligten durch einen externen Dritten anhand eines fremden Maßstabes darüber abschließend befunden werden.427 Ein wichtiger Aspekt für die Transformierung des sozialen Konflikts in einen juristisch aufbereiteten Rechtsfall ist in den letzten Jahren empirisch nachgewiesen worden428: Die Richter – und man darf wohl sagen Juristen bzw. juristisch Denkende und Arbeitende generell – konstruieren ihren Rechtsfall mit Blick auf die Möglichkeiten des Rechtssystems. Das heißt, sie hören nicht alles und nehmen nicht alles wahr, selbst wenn es rechtlich relevant ist! Sie hören und verstehen nur, was sie für „ihren rechtlichen Lösungsweg“ benötigen. Die Sachverhaltsfindung ist bereits integraler Bestandteil praktischer juristischer bzw. richterlicher Tätigkeit.429 Hintergrund: Zu der angesprochenen Studie wurden fünfzig Richter im Bundesland Hessen herangezogen. Sie erhielten dieselbe Originalakte mit anwaltlichen Schriftsätzen in einem Arzthaftungsfall. Vermittelt über Fragebögen und Auswertungsgespräche wurde die folgende Arbeit der Richter – wissenschaftlich standardisiert – erfasst. „Ein wesentlicher Befund war, dass die Richter den durch die Schriftsätze mitgeteilten [also juristisch gefilterten, S.W.] Sachverhalt in Kernfragen ignorierten, indem sie die Informationen über die möglichen anspruchsbegründenden Tatsachen gerade nicht den Unterlagen entnahmen, sondern eine eigene Anspruchsstruktur entwickelten, die eine eigene Verhandlungsstrategie offenbarte.“430 Im schadenskompensierenden Arzthaftungsrecht gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, (s)einen finanziellen Anspruch zu begründen; entweder hat der Arzt über das Risiko nicht aufgeklärt und insoweit seine Pflichten verletzt oder er verstieß während der Behandlung gegen die Regeln der ärztlichen Kunst. Für Juristen, die keine Ärzte sind, ist nicht feststellbar, was die Regeln der Kunst sind, gegen die verstoßen worden sein könnte. Der Jurist müsste dazu seinerseits einen Arzt fragen („Gutachter“). Was der Jurist aber selbständig kann, ist zu klären, ob der Arzt gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen hat. Im Ergebnis hatten weit mehr als die Hälfte der teilnehmenden Richter den Weg über die „Verletzung der Aufklärungspflicht“ gewählt, um einen Anspruch der Klägerin zu begründen – obwohl die Akte klar auf einen Kunstfehler-Fall zugeschnitten war.431 427  Ähnlich Sarhan JZ 2008, 280 f. Aus diesem Grunde sind auch Vorstellungen eines „Communal Law“ oder einer „informal justice“, die in der Entrechtlichungsdebatte angestellt wurden und dieses entscheidende Moment, dass der Konflikt zu seinen Beteiligten gehört, übersahen, glücklicherweise nicht radikal durchgesetzt worden; knapp dazu Teubner 1985, 297 m. w. N.; auch Voigt 1993, 75 ff. 428  Schmid / Drosdeck / Koch 1997. 429  Drosdeck 1997, 5; so auch Strempel 2002, Rn. 71. 430  Drosdeck 1997, 22. 431  Vgl. Drosdeck 1997, 23.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 203

Mithin lässt sich festhalten, dass die Überführung des sozialen Konflikts alle rechtlich irrelevante Kommunikation ausschließt und der konkret richtende Dritte zusätzlich auch dasjenige unbeachtet lässt, was aus seiner ganz persönlichen Sicht irrelevant erscheint. Nicht nur das Gesetz wird unterschiedlich interpretiert, sondern auch der Sachverhalt.432  433

432  Der Lebenssachverhalt wird häufig in der Art interpretiert, dass er zu einem bereits früher entschiedenen Fall „passt“. Drosdeck 1997, 25 stellt dabei fest, dass die „tragenden Argumente der in Rechtsprechungsübersichten ermittelten Urteile den Fragehorizont der Richter abgrenzten … In drastischen Fällen konfrontierten die Richter die Prozessparteien schlicht mit der Rechtsprechung, gingen jeder Diskus­ sion der Urteile aus dem Weg und machten damit deutlich, dass sie keinerlei Abweichung von diesen Präjudizien vornehmen würden.“ Das bedeutet, dass die vergangenen Urteile sachverhaltsprägende Wirkung entfalten! 433  Ein Beispiel aus der jüngeren strafrechtlichen Rechtsprechung mag dies nochmals verdeutlichen. Es ging um folgenden Lebenssachverhalt. Der Sozialhilfeempfänger T bestritt seinen Lebensunterhalt mit Raubkopien und sonstigen Urheberrechtsverletzungen, wurde aber alsbald durch den körperlich überlegenen O damit erpresst. O besuchte am Tattag mit einem „Schlägertypen“ den T zu Hause und wollte weitere 500,– €, obgleich er bereits 3000,– € erhalten hatte. O drohte dem T, dass er dessen Machenschaften auffliegen lassen würde, wenn er nicht zahle. T holte das geforderte Geld, legte es auf den Tisch, stellte sich hinter O, der das Geld zählte und schnitt ihm mit einem Küchenmesser die Kehle durch. O verstarb sofort und der andere „Schlägertyp“ flüchtete. Der BGH hatte in seinem ersten Revisionsurteil (NStZ 2003, 425) einen Heimtückemord verneint und den Totschlag als durch Notwehr gerechtfertigt anerkannt und damit das Instanzurteil und dessen Sachverhaltsfeststellungen aufgehoben, vgl. §§ 353 Abs. 2, 354 Abs. 2 StPO. Dem Täter sei es vor allem darum gegangen, sich aus seiner Erpressungssituation endgültig zu befreien. Daraufhin verwies der BGH den Fall zur nochmaligen Sachverhaltsfeststellung und Beurteilung an das Instanzgericht zurück. Dieses stellte den Sachverhalt nochmals fest und betonte nunmehr im Sachverhalt die Umstände, die die Verdeckungsabsicht i. S. d. § 211 StGB des Täters begründeten. T wurde abermals wegen Mordes, nun aber Verdeckungsmordes verurteilt, woraufhin er abermals Revision einlegte, nun aber verlor (BGH NStZ 2005, 332). Die erneuten, lediglich in der Betonung anders gelagerten Sachverhaltsfeststellungen deuteten nunmehr darauf hin, dass T zuvorderst seine Urheberrechtsverletzungen verdecken wollte, anstatt sich vor weiteren Erpressungen zu schützen. Die „Verurteilungsgeschichte“ kann sich des Verdachts nur schwerlich erwehren, dass die zwei juristischen Sachverhalte vom „gewünschten“ juristischen Ergebnis her (Mord) aus dem Lebenssachverhalt gefiltert wurden. Dies gilt umso mehr, als dass das objektiv sicher festgestellte Geschehen („von hinten ohne Ankündigung die Kehle durchschneiden“) bis dato unstrittig einen Heimtückemord begründet hätte, der BGH aber überraschend mit diesem Urteil die Heimtücke normativ, statt faktisch auszulegen begann und Heimtücke verneinte. Das Instanzgericht betonte wohl deshalb in den zweiten Sachverhaltsfeststellungen die Verdeckungsabsicht, statt den Notwehrwille, weshalb sich T auch nicht (mehr) auf Notwehr berufen konnte.

204

C. Die Mediation

dd) Zukunftsgestaltung durch Vergangenheitsbeurteilung Deutlich wurde bisher, dass der juristisch entscheidbare Sachverhalt aus der Vergangenheit gefiltert wird und anhand der Gesetze, aber auch anhand von vergangenen, keineswegs aber präjudizierenden Urteilen (zu noch weiter vergangenen Sachverhalten) beurteilt wird.434 Konsequent beurteilt das Recht, wer in der Vergangenheit rechtswidrig gehandelt hat und gestaltet allein dadurch die (rechtliche) Zukunft der Beteiligten. Die juristische ­Methode orientiert sich, um die Zukunft zu gestalten, an der Vergangenheit, wie sie sich in der Gegenwart dem entscheidenden Juristen darstellt. Dabei ist theoretisch die „Lösung des Konflikts“ normiert und vorhanden, ehe der soziale Konflikt entstanden ist. Vom sozialen Konflikt aus betrachtet ist das unsinnig, bleibt aber dennoch eine juristische Notwendigkeit, ja begründet erst justizielle Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 2, Abs. 3 GG): Die juristische Lösung des gesellschaftlichen Problems „Konflikt (Eskalationsgefahr)“ steht bereits vor der Entstehung des Konflikts fest, um ebenjene Eskala­ tionsgefahr zu bannen.435 Daraus ergeben sich zwangsläufig die traditionsbewussten und konservierenden Entscheidungsinhalte für das Rechtssystem. ee) Rechtsfälle sind Nullsummenspiele Unter spieltheoretischen Gesichtspunkten von Gewinn und Verlust sind Gerichtsverfahren und ihre Urteile „Nullsummenspiele“436: Der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen. Einer erhält Recht, der andere Unrecht. Die intellektuelle Schlichtheit ist bestechend und wohl deshalb beliebt. Gleichwohl kann diese Herangehensweise nicht befriedigen, weil das eine Element das andere begründet und umgekehrt. Wer Recht haben will, muss Unrecht erzeugen. Das eine kommt nicht ohne das andere aus, weshalb es schließlich nach dieser Methode um den (verbalisierten) Kampf geht, auf der „richtigen“ Seite zu stehen. Jedoch steigert sich die wirtschaftliche Potenz aller Beteiligten dadurch gerade nicht. Der (gemeinsame) wirtschaft­ liche Wert bleibt gleich. Der eine erhält das, was der andere hatte.437 Und 434  Vgl.

Köper 2003, 21. juristische Lösung ist – wie oben gezeigt – allerdings nur theoretisch im Konzept des Rechts vorhanden. Dass jeder Richter „seinen Rechtsfall“ daraus konstruiert und nach seiner rechtlichen Lösung richtet, bleibt unbenommen, vgl. dazu auch Lerch 2005, S. XXI. 436  Haft 2009, Rn. 29; Breidenbach 1995, 71; pointiert dazu Watzlawick 2007, 125 ff. sowie 1995, 51 ff. 437  Zusätzlich allerdings verursacht der Prozess Kosten, die durch die Beteiligten getragen werden müssen. Dieser Wert geht also „verloren“, was allerdings nur ein Verlust ist, wenn er unverhältnismäßig im Vergleich zu den erhaltenen Diensten 435  Diese



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 205

auch ein „Mehr“ an Gerechtigkeit entsteht für die Beteiligten (!) nicht. Vom Standpunkt des individuellen und sozialen Konfliktmanagements, das Konflikte als Chancen und Wachstumsprozesse begreift, ist das ernüchternd und scheint unnötig. Andererseits stellt die Rechtsentscheidung in Form des (öffentlichen) Urteils einen „Mehrwert“ für die Gesellschaft und zuweilen auch der konkreten Beteiligten dar. Damit generiert das Recht durchaus einen beachtlichen „Mehrwert“. Exkurs: außereuropäische Rechtsformen Bevor das mögliche Zusammenspiel von Mediation und Recht näher beleuchtet wird, sollen außereuropäische Rechtsformen islamischer Prägung eine Brücke zwischen beiden Methoden schlagen. Sie sind bei uns unter dem Begriff „Kadijustiz“438 bekannt geworden. Ein Überblick hilft, (staatlich normiertes) Recht und Mediation nicht als Gegensätze zu begreifen, sondern als Verschiedenes und Andersartiges.439 Bisher war von Delegation die Rede, durch die der Konflikt nach normativen Kriterien behandelt wird. Konflikte können aber auch an Dritte delegiert werden, ohne dass sie dadurch nach normativen Kriterien behandelt und entschieden werden. Möglich ist auch, dass der Dritte eine Entscheidung nicht anhand einer begrenzten Anzahl normativer Kriterien fällt, sondern unter Beachtung aller (zugänglichen) Informationen. Eine Konsequenz dessen ist, dass die Konfliktbeteiligten die Entscheidung nicht bloß formal anerkennen, sondern oftmals auch innerlich mittragen.440 Die westeuropäischen Rechtsvorstellungen gehen davon aus, dass das normative Recht sich durch die Gleichbehandlung von Gleichen und die steht. Zudem bleibt es bei „Nullsummen“, sofern das Gericht bzw. der entscheidende und entlohnte Dritte in die spieltheoretische Betrachtung einbezogen wird. 438  Zur Geschichte der Kadijustiz Jung 2002; zur kulturhistorischen Einordnung Hattenhauer 2004, 1408 ff., 1423. Für die folgenden Ausführungen danke ich insbes. Frau Prof. Dr. Keebet von Benda-Beckmann von der Universität Halle-Wittenberg, die mich (mündlich) darauf aufmerksam machte, dass unter diesem Begriff zu Verschiedenes zu verstehen sei, als dass von einer Kadijustiz gesprochen werden könne. 439  Zu vergleichenden Analysen von Recht und Mediation durch Gegensatzbildung Pelikan 1999, 51 ff.; Ponschab / Schweizer 1997, 13 ff.; anders Hager ZKM 2003, 54; Berger / Ukowitz 2005, 105, die aber die Gemeinsamkeiten überschätzen. Mediation ist kein Rechtsfindungsverfahren wie Hager ZKM 2003, 56 meint. Die Konsequenzen, die im Fühlen, Denken und Handeln auf Rechtsanwälte zukommen, wenn sie als Mediatoren arbeiten, spricht Stüer / Rude DVBl 1998, 632 erfreulicherweise deutlich an. 440  So auch Pawlowski 1999, Rn. 53.

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C. Die Mediation

Ungleichbehandlung von Ungleichen auszeichnet (Gerechtigkeit), wobei die Zwecke des Rechts (Zweckmäßigkeit), die durch einen Rechtsgeber festgelegt wurden (Rechtssicherheit), die Gesichtspunkte für eine gerechte Unterund Entscheidung liefern.441 Eine derartige Berechenbarkeit ist letztlich das maßgebende Kriterium für Rechtsstaatlichkeit westeuropäischen Staatsverständnisses. Im islamisch geprägten Rechtsraum wird – historisch bedingt und wohl zunehmend weniger – eine derartige Berechenbarkeit der Justiz nicht als Wert an und für sich beansprucht und angestrebt. Danach sind beispielsweise frühere Entscheidungen ohne Belang für den aktuellen Rechtsfall und dessen Beurteilung.442 Berechenbarkeit und normative Gleichbehandlung sind nur notwendig, soweit das Urteil Legitimation auch gegen die Beurteilten beansprucht und Ausdruck einer größeren Idee, namentlich einer einheitlichen Rechtsordnung sein soll und die Zustimmung der Gerichteten deshalb nicht benötigt. Kadijustiz ist ihrerseits vom Konsens aller getragen. Die Frage eines Anspruchs (gegen die Justiz) auf Gleichbehandlung stellt sich praktisch nicht. Gleichwohl stellt das Urteil des Kadi keineswegs das Ergebnis einer Verhandlung dar.443 „Persönliche Urteile“, wie man Entscheidungen früherer Kadis bezeichnen könnte, sind dennoch „gerecht“. Sie sind aber nicht gerecht am Maßstab eines anderen, namentlich westeuropäischen Rechtsverständnisses.444 Kadijustiz möchte den sozialen Sachverhalt und die Rechtsanwendung nicht verallgemeinern und an normativen Kriterien ausrichten, sondern vielmehr in seiner Individualität und Aktualität behandeln. Normatives Recht ist unter dem Aspekt der Gleichbehandlung über die Zeit hinweg gerecht, dafür aber weniger persönlich. Deshalb sind abstrahierbare Merkmale herauszufiltern, an denen sich der Richter orientiert. Sie ermöglichen Wiederholbarkeit der Rechtsanwendung. Deshalb steht normatives Recht – ob nun kodifiziert oder als Common Law System – stets im Spannungsfeld zwischen Rechtssicherheit (Berechenbarkeit) und Einzelfallgerechtigkeit. Insoweit muss einem derartigen Rechtsverständnis eine (persönliche) Kadijustiz suspekt 441  Zu diesen drei Grundprinzipien der Rechtsidee Radbruch 2003, 73 ff.; Tammelo, 53 f. 442  Vgl. Jung 2002, 213. 443  Normativität und Berechenbarkeit des Rechts scheinen erst in ausdifferenzierten (Groß-)Gesellschaften – wie sie der europäisch geprägte Staat beispielsweise ermöglichte – erforderlich zu werden. Kadijustiz könnte eine derartige Gesellschaft wohl kaum in (der staatlich vorgesehenen) Ordnung halten. 444  Rechtsanwendung i.  S.  d. Kadijustiz ist beispielsweise nicht wiederholbar. Denn Kadijustiz anerkennt die soziale Tatsache, dass jeder Fall einmalig und nicht anhand einer bestimmten Anzahl normativ festgelegter Kriterien einzu­ ordnen ist; ähnlich Pawlowski 1999, Rn. 38; ders. 1981, 11; vgl. auch Wesel 1993, 37 f.



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vorkommen, da sie „willkürlich“, „unsystematisch“ und „bar jeder Berechenbarkeit“ scheint.445 Doch was macht diese Justiz attraktiv und weshalb „ertragen“ sie Menschen anderer Kulturkreise, denen an Recht und Gerechtigkeit mindestens ebenso viel liegen dürfte wie Menschen einer normativ ausgerichteten Rechtsordnung? Jung berichtet, dass es dem Kadi vorzugsweise darum gehe, die Beteiligten wieder zu befähigen, ihre Beziehung eigenständig zu regeln. Der Kadi hat nicht (staatliche) Institutionen und Ordnungsvorstellungen zu schützen. Insoweit zielt der Kadi – ähnlich der Mediation – auf eine „Hilfe zur Selbsthilfe“.446 Indem der Kadi mit Blick auf die Beteiligten und ihre (gemeinsame) Zukunft entscheidet, eröffnet(e) er einen breiten Spielraum für lokale Gewohnheiten, deren Unterschiedlichkeit solche Gesellschaften offenbar aushalten. Kadijustiz findet nur Platz in einer Gesellschaft, die der „Integrität persönlicher Beziehungen vorrangige Bedeutung beimisst“447 und deshalb einer Rechtsentscheidung keine rechtsgestaltende und -systematisierende Botschaft darüber hinaus beimisst.448 2. Mediation im Rechtsstaat Im Folgenden werden Aspekte untersucht, die sich angesichts der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft für eine professionalisierte Konfliktvermittlung ergeben. Die Ausführungen sind von der Frage geleitet, wie Mediation in der heutigen Gesellschaft grundsätzlich verortet und praktisch eingepasst 445  Vgl.

nur Müller / Christensen 2004, Rn. 433 a. E., 586; dazu auch Jung 2002,

209 f. 446  Die Möglichkeiten, die „eine persönliche Beurteilung“ dem Richter erlaubt, aber auch von ihm fordert, sind am „Fall der Rückgabe des 12. Kamels“ erkennbar. Der Vater ordnete testamentarisch an, dass sein ältester Sohn die Hälfte, sein mittlerer Sohn ein Viertel und sein Jüngster ein Sechstel des Nachlasses erhalten sollen. Allerdings hinterließ er nur 11 Kamele. Der Kadi, zu dem der Streit getragen wurde, schenkte den Erben sein eigenes Kamel, so dass diese die Kamele (im Sinne des Vaters) aufteilen konnten. Der älteste bekam die Hälfte von den 12 Kamelen (6), der Mittlere ein Viertel (3) und der Jüngste ein Sechstel (2). Da ein Kamel übrig blieb, konnten sich die Erben darauf verständigen, dass sie ihr letztes Kamel dem Kadi wieder schenkten. Normativ geprägtes Recht weist ein „12. Kamel“ nicht auf. Ausführlich und die Paradoxie des normativen Rechts an diesem Fall nachweisend Luhmann ZfRSoz 2000. von Foerster 1997, 65; Greiter 2001, 37 f. und Pawlowski 1999, Rn. 37 berichten diese Geschichte jeweils mit 17 Kamelen. 447  Jung 2002, 214 ff. 448  Wie bereits an anderer Stelle gesagt, ist der Wille zur Rechtssystematisierung der maßgebende Grund für die Existenz einer Rechtswissenschaft. Insoweit verwundert es nicht, dass sich in Gesellschaften mit Kadijustiz eine entsprechende Wissenschaft nicht herausbildete.

208

C. Die Mediation

werden kann. Die an das Recht gewöhnten und auf das Recht fokussierten Teilnehmer und Gruppen der Gesellschaft begründen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mediation lediglich zu einer mehr oder weniger deutlichen rechtscodierten Kommunikationsveranstaltung verkommen kann, bei der lediglich der staatliche Richter fehlt. Gleichwohl, da in der Mediation gerade nicht der Kern des staatlichen Rechtsapparates aktiviert wird, begründet sie zugleich die Chance für einen neuartigen Umgang mit den eigenen Konflikten. Diese Chance und deren Verwirklichungsbemühungen bleiben ihrerseits nicht ohne Rückwirkung auf den staatlichen Rechtsapparat und die im binären Rechtscode agierenden Akteure.

a) Mediation und die rechtsorientierte Gesellschaft Im Rechtsstaat werden Konflikte am Maßstab des binären Rechtscodes behandelt und, um eine gewaltsame Entscheidung durch die Konfliktakteure selbst zu verhindern, an einen staatlichen Richter delegiert.449 Dadurch entsteht eine unheilvolle Praxis der Arbeitsteilung, eine Üblichkeit, bei der die Behandlung der eigenen Konflikte outgesourct wird, als wenn man sich ihrer dadurch endgültig entledigen könnte. Das Problematische ist dabei nicht, wie die Arbeit gezeigt hat, die Delegation selbst, sondern deren Selbstverständlichkeit, wodurch der Notfallcharakter verloren geht und die Zuständigkeit zur Konfliktbehandlung schleichend aber doch nur scheinbar verlagert wird. Was bedeutet in diesem Kontext Mediation für gesellschaftlich akzeptierte und vor allem auch bewährte „Gewohnheit“? Mediation ist eine unterstützende Herausforderung. Indem sie die eingespielte Ordnung in Bewegung bringt, wirkt sie störend und herausfordernd. Sie wirkt herausfordernd, weil sie appelliert, dem Kokon der Delegation zu entwachsen – so oft und so zügig wie möglich. Zusätzlich herausfordernd wirkt, dass diese „Aufforderung“, sich auf die Mediation einzulassen, zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem es scheinbar keinen anderen Ausweg als den zum Richter gibt, der doch (Rechts-)Sicherheit und damit Ruhe verspricht. In einer schier auswegslosen Situation anzubieten, Kooperationsbemühungen um denjenigen, der bisher scheinbar jede Kooperation verweigert hat, zu unterstützen, lässt Mediation auf den ersten Blick tatsächlich und in vielerlei Hinsicht als Unmöglichkeit erscheinen. Mediation ist auch Herausforderung, weil in ihrem Angebot die Botschaft steckt, dass es nur einen gemeinsamen Weg mit dem (unmöglichen) Konfliktbeteiligten aus dem Konflikt gibt, wobei das Ziel nicht konkret bestimmbar, aber im beiderseitigen Einverständnis erreichbar ist. Vom Standpunkt der Delegation stellt 449  Instruktiv

Weiler / Schlickum 2008, 38 ff.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 209

das eine Ungeheuerlichkeit dar, wie sie das Richten(-lassen) durch einen Ditten vom Standpunkt des eigenständigen Kämpfens darstellt. Mediation appelliert an eine beiderseitige Eigenverantwortlichkeit zu einem Zeitpunkt, als wenig weniger wahrscheinlich scheint.450 Und doch steht mit dem Vorgenannten im Einklang, dass Mediation nicht nur fordert, sondern zugleich und durch sich selbst die Verwirklichung der Eigenverantwortlichkeitspotentiale fördert. Mediation schickt die Konfliktgebeutelten nicht weg, sondern unterstützt sie in ihren Bemühungen, sich miteinander (friedlich und zufrieden stellend) auseinanderzusetzen. Deshalb fordert und fördert Mediation die Eigenverantwortlichkeit der Medianten. Sosehr die Mediation die Frage nach den eigenen unausgeschöpften Potentialen zur eigenen Konflikt- und damit Lebensgestaltung aufwirft, so wenig kann sie ihrerseits Antworten vorgeben. Sie hilft lediglich bei der Suche nach ihnen. Auch aus dieser Erwägung heraus verbietet es sich, dass das staatliche Recht Mediation anordnet. Eigengesetzlichkeit und Eigenverantwortlichkeit sind Kernelemente in der Konfliktsituation, die es gilt, zu aktivieren und zu aktualisieren. Mediatoren bieten ein Verfahren an, diese Potentiale zu entdecken und zu nutzen. Freilich, Mediation an und für sich ist bloß ein Verfahren und kann als solches wenig bewirken. Bildhaft gesprochen, vermag Mediation lediglich den Weg zu zeichnen, der sodann mit den Fortbewegungsmitteln Kommunikation, Kooperation und Kreativität beschritten wird, um letztlich einen Konsens als Ziel zu erreichen. Deshalb findet Mediation praktisch allein auf vertraglicher und nicht auf autoritativer Basis statt.451 Da das Ziel, der Konsens aber keineswegs zu Beginn feststeht, sondern nur fest steht, dass ein Konsens erreicht werden wird, erhält der Vertragsbegriff seine Prozesskomponente. Der Begriff bedeutet hier nicht einen rechtlich (an-)erkannten, (irgendwann) einmal getroffenen und notfalls zwangsweise durchsetzbaren Konsens. Es geht nicht um einen abgesprochenen Zustand, den es durch festgelegte und konkrete Handlungen zu erreichen gilt. Die vertragliche Basis ist umfassender zu verstehen. Sie bedeutet, sich im Beschreiten des gemeinsamen Weges zu vertragen, was angesichts der konfligierenden Prozesse im Zwischenmenschlichen stete Kommunikation, Kooperation und Kreativität erfordert. Vertragsorientierung hat den Vertragsprozess im Blick, nicht das Vertragsziel als solches. Im Grunde genommen ist das der „Zauber der Mediation“. Und wie es sich für einen richtigen Zauber gehört, erscheint er magisch, wenn man das Geheimnis nicht kennt, doch simpel, sobald man den Schleier gelüftet hat. Dieser Zauber, die Kraft der Vertragsorientierung ergibt sich nicht aus dem Konsens allein, sondern aus dem 450  Zum

Appell an die Eigenverantwortlichkeit Sarhan JZ 2008, 285. Haft, 1992, 120.

451  Ähnlich

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C. Die Mediation

(vorangegangenen) Vertragsprozess, der mit Kommunikativität, Kooperativität und Kreativität gespeist wird.452 Das Recht, die binär codierte Kommunikation in recht / unrecht, kann diese Kraft nicht erfassen, da der Code eine bestimmte Funktion mit anderem Sinn zu erfüllen hat. Es ist paradoxerweise der binäre Code, der die Kraft der Mediation bzw. des zwischenmenschlichen Prozesses zu einem Geheimnis degradiert. Luhmann meint in diesem Zusammenhang, dass der Konsens überschätzt und der kommunikative Prozess unterschätzt ist.453 Der juristische Vertrag erfasst, um an diesem Beispiel zu bleiben, das – möglichst konkretisierte – Vertragsziel und sichert seine Umsetzung. Das Rechtssystem stellt einen Zwangsapparat (für alle Fälle) zur Verfügung, der (notfalls) Schadensersatzund Entschädigungsansprüche gewährt, wenn und soweit die Umsetzung des Vertragszieles scheitern sollte. Das Rechtssystem erkennt einen rechtlichen Vertrag an, ist aber nur am Ergebnis, am Konsens interessiert. Für das Recht sind allein die festgeschriebenen Pflichten und Rechte relevant. Es beachtet dabei, ob sie von Geschäftsfähigen irrtumsfrei und ohne Zwang eingegangen wurden, sicherlich, doch maßgebend bleibt das Abgesprochene, nicht der Weg dahin. Doch weshalb erfasst das Rechtssystem nur das Ergebnis? Weil der Sinn des Rechtssystems die Verhinderung von Kampf, Gewalt, Chaos und gesellschaftlicher Unruhe ist. Recht ist in seinem Wesen – um des sozialen Friedens willen – tatsächlich konservativ, weshalb es zwingend erforderlich ist, allein die Absprachen zu konservieren. Indem das Rechtssystem einen Konsens durch die eigene Anerkennung konserviert, sichert es seine Umsetzung, lässt Zukunft als planbar erscheinen und erklärt diese für sicher.454 Im Namen des Sozialen muss das zwischenmenschliche Moment der Entwicklung und des Wandels außen vor gelassen werden. Es gerät zum Geheimnis, wenn man es im binären Code des Rechts (kommunikativ zu erfassen) sucht. Mediation mag der Beginn sein, intensiver auf diesen allein gegenwärtigen Kommunikations-, Kooperations- und Kreativitätsprozess, den man selber mitgestaltet, zu achten, statt das potentielle, aber tatsächlich irreale Ziel zu fokussieren, bei dessen Nichterreichung ein Dritter die Angelegenheit richten soll. Das erfordert von den Beteiligten vor 452  Es sind diese „drei K“, die in zwischenmenschlichen Beziehungen unsere (neuronalen) Motivationssysteme aktivieren. Jedes Lebewesen, insbesondere der Mensch ist darauf neurobiologisch programmiert und angewiesen, so dass es nicht untertrieben ist, sie als den Sinn von Leben zu bezeichnen, ausführlich Bauer 2008b und 2008c. 453  Luhmann 1980, 108, vgl. statt vieler Prokop-Zischka / Langer 2005, 45. 454  Das dürfte auch erklären, weshalb etwa dem Konsens, der auf einen Krieg, einen Mord oder sonst ein Verbrechen zielt, die rechtliche Wirksamkeit versagt wird, auch wenn grundsätzlich geschäftsfähige, irrtumsfreie Rechtspersönlichkeiten eine solche Absprache treffen.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 211

allem, eine Achtsamkeit für die eigene, soziale Gegenwart zu entwickeln. Das erscheint auch deswegen sinnvoll, weil nur in dieser Gegenwart Ziele verwirklicht werden (können). Mediation fordert (juristisch versierte) Vertragspartner auf, nicht sogleich das Angebot des Rechts anzunehmen und in eine Rechtskommunikation zu treten, die ihre Eigendynamik aufweist und ins rechtsstaatlich Vorgesehene mündet, an dessen Ende tatsächlich durch Entscheidung Beschiedene und häufig dadurch umfassend Geschiedene stehen.455 Mediation lädt ihrerseits dazu ein, in einem vertragsorientierten Kommunikationsprozess zu bleiben, trotz der Enttäuschung und dem Ende der Illusion, dass die Zukunft so wie vormals zusammen erdacht, verwirklicht werden wird. Vielmehr geht es darum, sich gemeinsam – und notfalls vermittelt – über veränderte Rahmenbedingungen zu verständigen und sich gemeinsam oder zumindest einvernehmlich neu zu orientieren und selbst neu auszurichten. Soweit allerdings rechtlich kommuniziert wird und Schuld und Unrecht bereits individuell verteilt sind, kommt es auf eine „De-Thematisierung des Rechts“ (Luhmann) an. Das obliegt der Verantwortung des Mediators.456 Der Schritt hinaus aus dem Gerichtssaal und das Unterlassen einer rechtlich codierten Kommuni455  Vgl. Luhmann 1980, 108 f. („Rechtliche Kommunikation läuft, einmal begonnen, mit einer gewissen Eigengesetzlichkeit auf eine Entscheidung zu, die Recht und Unrecht mit aller Härte auseinanderlegt und den Beteiligten zuordnet. Rein juristisch gesehen ist die Entscheidung ein notwendiges Korrelat des Konflikts. Das Rechtssystem steht unter Entscheidungszwang. Im Interaktionssystem der an der Kommunikation Beteiligten ist das anders. Während des Kommunikationsprozesses können die Teilnehmer auf Grund der gerade aktuellen Vergangenheits- und Zukunftsperspektiven ihres Interaktionssystems den Eindruck gewinnen, dass es besser ist, den Konflikt zu beenden und sich außerhalb des Rechts zu verständigen.“), vgl. auch Ellscheid 1979, 42 f. („Das Begehren nach Verrechtlichung selbst stellt den Ausbruch aus dem Interaktionsmuster der Freundschaft dar … Recht beginnt … dort, wo Freundschaft endet.“). 456  Mit diesem Verständnis von Rechtsdiskussion und vertragsorientierter Kommunikation ist es möglich, auch den Erfolg einer Mediation eindeutiger zu benennen. Erfolgreich ist eine Mediation, die ein Einigsein zustande bringt. Selbst die Einigung, dass ein Gerichtsprozess unumgänglich ist, stellt einen Erfolg dar. Gemeinsam und einverständlich den Richter zu befragen, wirkt weniger als Verurteilung, sondern mehr als Rat-Schlag, der beiderseits angenommen wird. Zu eng wäre es jedenfalls, wenn nur ein rechtswirksamer Vertrag als Mediationserfolg gelten würde, so aber Hager ZKM 2003, 54, („Zweck der Verhandlung ist eine streiterledigende Vereinbarung über die Rechtslage.“), ebenso Berger / Ukowitz 2005, 105; differenzierend Risse 2003, 425 ff. (für die Wirtschaftsmediation). Danach wäre Mediation erfolgreich, wenn die Parteien neue (Rechts-)Positionen einnehmen. Die geläufige Vorstellung, dass rechtswirksame Mediationsvereinbarungen die besseren Verträge seien, verdeutlicht lediglich, wie mächtig das Recht unsere Vorstellungen bestimmt und wie verführerisch es ist, nach dem Verständnis des binären Codes zu handeln. Ähnlich Luhmann 1980, 109.

212

C. Die Mediation

kation bedeutet auch, die „Sicherheit normativer Entscheidung“457 mit Hilfe eines (hoheitsmächtigen) Dritten aufzugeben, in die Freiheit voller Unsicherheiten zu treten. Dafür bedarf es keiner Rechtsgrundlage; diese Entscheidung ist nicht dem Gesetz vorbehalten. Die staatlich gewährte Möglichkeit, den eigenen Konflikt zu delegieren, um nicht in die Gewalt abzurutschen, mag zuweilen darüber hinwegtäuschen, aber nichts daran ändern. Sie bleibt als Möglichkeit bloß Angebot.458 Ob Mediation zudem neue Formen der „Partizipation in der Zivilgesellschaft“459 oder eine „Demokratisierung der Politik und Gesellschaft“460 eröffnet, wie zuweilen erhofft, wird hier bezweifelt.461 Sicherlich bietet Mediation dazu Chancen. Als Ziel professionalisierter sowie institutionalisierter Mediation wäre die Bürde jedoch zu schwer. Derartige gesellschaftspolitische Interessen sind einer Konfliktvermittlung abträglich. Zunächst einmal sind Konfliktverhandlungen eine Angelegenheit in eigener Sache, die um des eigenen Friedens und der eigenen Beziehungsgestaltung Willen durchgeführt werden. Mediation ist kein Gesellschaftsentwurf, obschon sie ein Element eines solchen sein kann.462 Medianten befinden sich ohnehin vor der schwierigen Aufgabe, ihre ursprünglichen Interessen und grundlegenden Bedürfnisse in einer Turbolenzphase herauszufinden, die durch die Verführungssituation erschwert wird, dass die Aufgabe durch das Rechtssystem als hinfällig erscheint, sofern sie (sich) an Positionen festhalten, die in der Vergangenheit eingenommen wurden. Sich nicht auf diese Positionen vor einem rettungswilligen Dritten zu berufen, sondern sich neu mit dem anderen zu orientieren und eigenständig auszurichten, ist ein Wagnis oftmals ungeheuren Ausmaßes. Die Medianten, die in einer Mediation ausreichend Neues zu schultern und zu meistern haben, dürfen sich vorsehen, sich 457  Ortloff

2003, 735. täuscht insoweit über diese Eigenverantwortlichkeit hinweg, indem es die vertragliche „Gegenseitigkeit auf Dauer“ (Schelsky 1970, 73) für den Status quo ante zu konservieren versucht. Die Konservierung, deren Umsetzung zwangsweise durchgesetzt werden kann, gleicht einer Verführung, die nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch wirtschaftliche und emotionale Sicherheit „verspricht“. 459  Zilleßen ZKM 2001; ders. 2003; 2009, ders. Rn.  20 ff. 460  Einem 2003, 66 ff., insbes. 86 f., dazu auch Pelikan 1999. 461  In wünschenswerter Deutlichkeit Perschel 2002, 272. 462  Insofern wird hier keineswegs ausgeschlossen, dass Mediation zukünftig genutzt wird, um gesamtgesellschaftliche Konzepte umzusetzen, stellt selbst aber kein solches dar. Im Zuge des aktivierenden, gewährleistenden Staates allerdings, indem Verwalten als Kommunikationsprozess verstanden wird und es – wie in der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft gefordert wird – ein Verwaltungsinformationsrecht bzw. ein Verwaltungskommunikationsrecht etabliert umgesetzt wurde, dann findet Mediation einen völlig neuen Anschluss an den öffentlichen Sektor, instruktiv dazu Vesting 2008; Voßkuhle 2000, 365 ff. 458  Recht



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 213

im Namen von gesellschaftlich Wünschenswertem vermitteln zu lassen. Die Gefahr, dass Mediation zur Ideologie verkommt, ist m. E. aktuell zu groß.463 Mediatoren ihrerseits sollten sich in Zurückhaltung üben, um nicht ihren allparteilichen Dienst gegenüber den Medianten zu gefährden. Mediation ist – anders als Recht – primär kein Dienst für die Gesellschaft, obschon diese letztlich davon ebenso profitieren mag, wie einst die Individuen vom Aufbau eines gesellschaftlichen Rechtssystems. b) Mediation und das staatliche Recht Das staatliche Recht hat sein Versprechen, für Frieden zu sorgen, innerstaatlich eingehalten. Es vermochte im Laufe der Staatswerdung die Delegation als individuelle und gesellschaftliche Konfliktbehandlung zu etablieren. Mit guten Gründen setzte der Staat rechtsgeleitete, statt zügellose Macht durch. Ausgangspunkt dieser Entwicklung bleibt freilich der Gedanke, (innerstaatlich) die Gewalt zu monopolisieren: Konflikte werden im Staat kaum noch gewaltsam ausgetragen und wo doch, ist die Staatsgewalt sogleich zur Stelle, um für Ruhe und Ordnung oder zumindest für Strafe zu sorgen. Recht hat sich im modernen Staat und durch ihn als verhaltenslenkende Kommunikationsform durchgesetzt. Dadurch taucht ein gesellschaftliches Ziel auf, dass es ohne diese Entwicklung gar nicht gäbe: Der Rechtsfriede. Staatliche Konfliktbehandlung bedeutet, den Rechtsfrieden zu wahren und herzustellen, Rechtsbrüche zu ahnden und Rechtsansprüche gegebenenfalls durchzusetzen. Sozialer Friede bedeutet umso mehr Rechtsfriede, je mehr die Gesellschaft verrechtlicht und von Rechtsregeln durchdrungen ist. Bedenkt man allerdings, dass Rechtsfriede nicht gleichbedeutend mit der (Auf-)Lösung des sozialen Konflikts ist, kann ein umfassender sozialer und 463  Das einer Mediation immanente „Desinteresse“ an Gesellschaftsfragen, zeugt aber keineswegs von antigesellschaftlichem Egoismus. Wer vermag schon die Wünsche der Gesamtgesellschaft zu benennen, ohne seine Wünsche zu äußern. Media­ tion im hier angesprochenen Sinne ist bescheiden und weiß um das Spannungsfeld des Einzelnen und der Gesellschaft. Dieser Mediation geht es um den Einzelnen in der Gesellschaft. Der Einzelne ist kein Gegenentwurf zur Gesellschaft. Zum „Egoismus“ aus evolutions- und soziobiologischer Sicht erhellend Wuketits 2000 („Der wahre Egoist ist immer hilfsbereit“). Siehe auch Voland 1997, der eindrucksvoll nachweist, dass das Darwin’sche „Prinzip Eigennutz“ gleichwohl altruistische Verhaltensweisen hervorbringt. Zum Sozialdarwinismus nunmehr Bauer 2008b, insbes. 75 ff. und 2008c, der Kooperation nicht als Mittel eines egoistisch geführten Überlebenskampf erkennt, sondern als grundlegendes Prinzip erklärt, um dessentwillen auch aggressiv und kämpferisch gehandelt wird. Bauer stellt klar, dass Aggressionen im Dienst von Kooperationen stehen, die stets dann eingesetzt werden, wenn soziale Bindungen bedroht sind oder ermöglicht werden sollen. Es sei, so Bauer, kaum abzuschätzen, welche Auswirkungen diese nur scheinbare Nuancenverschiebung durch die Neurobiologie haben wird.

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C. Die Mediation

zwischenmenschlicher Friede niemals allein durch den von dritter Hand erklärten Rechtsfrieden hergestellt werden. Der Staat und das Recht können nur den Rahmen bieten, innerhalb dessen eigenverantwortlich Konflikte einvernehmlich behandelt werden, so dass die Beteiligten auch individuell und im sozialen Kontakt zur Ruhe kommen.464 Um sich als Konfliktbeteiligter auf das Angebot von Recht und Media­tion einzulassen, bedarf es eines Verständnisses davon, was in der Mediation zu erwarten ist. Und das bedeutet in allererster Linie, dass sich von dem Dritten verabschiedet wird, der den Konflikt „für die Beteiligten“ entscheidet und an den man diese persönliche Aufgabe hätte delegieren können. Keineswegs bedeutet die Entscheidung für die Mediation, dass sich vom Recht verabschiedet werden müsste. Recht vermittelt eine gewaltfreie, mehr formale Ordnung und erhält diese Ordnung, die in der Mediation erst ermöglicht wird. Mediation ihrerseits vermittelt folglich gewalt- und delegationsunwillige Konfliktbeteiligte und ermöglicht eine eigen-ständige Neuorientierung. Durchgesetztes Recht stellt Ruhe und Ordnung her, wenn und soweit Krieg und Gewalt herrschen. Diese Ordnung dient sodann als Basis, auf der das eigene soziale Leben ausgestaltet wird. Während es rechtlicher Konfliktbehandlung um Gewaltunterdrückung und Gewaltverhinderung und damit um Ruhe und Ordnung geht465, ermöglicht das Mediationsverfahren, die individuellen und direkten Beziehungen auf ganz eigenständige Weise zu gestalten. Überpointiert ließe sich mit Blick auf den Dritten im Konflikt sagen, dass es Richtern um befriedete Formen geht, während Mediatoren befriedigende Inhalte bevorzugen.466 Wo es dem Recht um Konservierung des Status quo ante der Beziehungssituation (Konfliktsituation) geht, geht es Mediation um Aktualisierung und Neuausrichtung der Beziehungskommunikation. Wo Recht die Zukunft an der Vergangenheit ausrichtet, orientiert sich Mediation für die Zukunft an den gegenwärtigen Interessen und Bedürfnissen. Wo Recht, geleitet vom öffentlichen und staatlichen Interesse467, den Rechtsfrieden entscheidend bewirkt, entscheiden die Beteiligten 464  Dafür ist es nicht entscheidend, die Gegensätze des Konflikts aufzulösen, sondern die Interdependenzen bzw. Interdependenzannahmen, vgl. Kap. B. I. 1. c) und Kap. B. I. 1. f). 465  Dazu auch Risse 2006, 311. 466  Seelmann 2004, 27 stellt zu Recht fest, dass „auf Interessengleichheit oder gar emotionaler Zuwendung basierende Gemeinschaften … offenbar in einem geringeren Maße des Rechts“ bedürfen. Zudem vermutet er, könnten derartige Gemeinschaften „durch die Berufung auf Recht“ gar beeinträchtigt werden. Ähnlich äußert sich Luhmann 1980, 103 zu „primitiven Gesellschaften“, die nicht durch Recht zu regeln sind. „Primitiv“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es in der Gesellschaft (noch) keinen neutralen Dritten gibt, der über Rechtsfragen verbindlich entscheidet. Zum Ganzen auch Ellscheid 1979, 46 m. w. N. 467  Dazu Uerpmann 1999, 23 ff.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 215

einer Mediation aufgrund ihrer individuellen und privaten Interessen. Rechtsentscheidungen sind Ausdruck einer normativen und generalisierten Gerechtigkeit; ausgehandelte Ergebnisse einer Mediation ihrerseits einer fühlbaren und individuellen Gerechtigkeit jenseits eines rechtlich umstrittenen Anspruchs.468 Die Ergebnisse sind Ausdruck gemeinsamer Beziehungsgestaltung in eigenen Angelegenheiten. Medianten gestalten ihr Leben aktiv, Kläger und Beklagte nehmen den Spruch des Richters passiv an und oftmals nur hin.469 Freilich, der Weg ins Recht steht jederzeit offen und wird weder durch eine Mediation noch durch deren Möglichkeit ausgeschlossen. Vielmehr gerät – und das ist durch eine professionalisierte Mediation ein Novum – Recht zu einer wahren Alternative bei der Behandlung von Konflikten.470 In der „Krise des Rechts“ ist das Angebot der Mediation kaum zu unterschätzen. Es bietet die Möglichkeit, gemeinsam danach zu fragen, worauf es ankommt, ohne (generelle) Antworten geben zu können, unterstützt jedoch den erforderlichen Mut, neue Antworten herauszufinden.471 Erscheint es andererseits nicht möglich, dass das staatliche Recht von der Mediation lernen und ihre Ergebnisse nutzen kann? Von den Effekten der Mediation zu lernen und die Kraft zwischenmenschlicher Prozesse, stabilisierter Eigenverantwortlichkeiten und stabiler Beziehungen zu schätzen, ist freilich möglich, doch betrifft das nicht das Recht an und für sich, sondern vielmehr 468  Dazu

Seibert NVwZ 2008, 368; von Schlieffen 2009, Rn. 44. Passivität im Rechtsverfahren bezieht sich freilich nicht auf die juristischen Streitfragen, die höchst aktiv – zumindest vom Rechtsbeistand – erörtert werden. Jedoch die aktive Bearbeitung der Konfliktsituation erfolgt einseitig, eben juristisch, so dass die anderen Aspekte unbearbeitet bleiben. Zur Aktivität und Passivität bei der Verfahrensgestaltung vor Gericht und in der Mediation Aigner 2005, 98. 470  Generell erscheint es vorzugswürdig, auch während eines Mediationsverfahrens den eigenen Rechtsbeistand zu befragen, um in Kenntnis etwaiger Rechtsansprüche (und den realistischen Problemen ihrer Durchsetzung!) in der Mediation verhandeln zu können. Mitunter lehnen Mediatoren sogar Aufträge ab, wenn die Medianten keinen Rechtsrat einholen, s. Heussen 2009a, Fn. 11. Zu Bedenken dagegen s. Weitz 2008, 265 f. Im Rahmen des Modellprojekts gerichtsnaher Mediation in Niedersachsen war der anwaltliche Beistand zwingend vorausgesetzt, Clostermann, G. / Josephi, K. / Kleine-Tebbe, A. / Niewisch-Lennartz, A. / Vogelei, C. SGb 2003, 268; dazu auch Gottwald 2009, Rn. 19. Mitunter dürften unabhängig davon die Aussicht durch die anwaltliche Beratung die beste Alternative zur Verhandlung darstellen, vgl. Fisher / Ury / Patton 2006, 143 ff.; Risse 2003, 62 f. 471  Wenn Mediation ein Angebot ist, stellt sich auch die Frage, was ist, wenn die Konfliktbeteiligten es ablehnen. Was ist, wenn Konfliktbeteiligte lieber delegieren? Siehe dazu von Schlieffen 2002, 37. In diesem Falle gelingt der Schritt aus der Delegation (noch) nicht. Dann wird weiter delegiert. Von dritter Seite ist sich jedoch jeder paradoxen Verhaltensaufforderung i. S. e. „Sei autonom!“ zu enthalten. Ob mangelnde Bereitschaft auf schlichte „Informationsdefizite“ zurückführbar ist (von Schlieffen ZfRSoz 2000, 459) oder auf „Verständnisdefizite“, ist zweitrangig. 469  Die

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C. Die Mediation

den Staat als Organisation, welche auf zwischenmenschlichen Prozessen beruht. Insofern sind erstaunliche Veränderungs- und Lernprozesse im Gang, auf die im fünften Teil der Untersuchung näher eingegangen wird. Diesbezüglich wird Mediation auch eingepasst werden können. Das Recht selbst allerdings, als Ideensystem, dass die Entscheidung eines Dritten im Wege der Delegation ermöglicht, um den Konflikt vor einer kriegerischen Auseinandersetzung zu bewahren, kann nicht von der Mediation lernen. Denn die Entscheidung des Dritten zu ermöglichen ist eine Sache, der zwischenmenschliche Prozess der Konfliktbeteiligten jedoch eine ganz andere.472 Im Hinblick auf die in einer Mediation gefundenen Ergebnisse schaut die Sache nicht viel anders aus. Sie können nicht einfach in das generalisierende Recht übertragen werden. Tatsächlich sorgen sie dort nur für Rechtsprobleme. Als Rechtsfolge einer generellen Regel wären Absprachen ihres Wesentlichsten entkleidet, nämlich des gemeinsamen, von Menschen erlebten und gestalteten Zustandekommens. Um juristisch erfassbar zu werden, müssten Absprachen dieses Wesens entkleidet und zu normativen Kriterien „umgewandelt“ werden. Recht erfasst Generelles, nicht Individuelles. Das Wesentliche einer Mediation ist nicht das ausgehandelte Ergebnis, der Konsens, sondern das kommunikative, kooperative und kreative Element eines gelingenden Kontakts.473 Der Konsens ist lediglich das Zeugnis gegenüber Dritten, dass der Konflikt befriedet ist und nur selten auch sichtbarer Ausdruck der Befriedigung der Konfliktpartner. Das Wesentliche jedoch bleibt für Außenstehende außen vor.474 Das tatsächlich Verbindende und sozialen Frieden Sichernde kommt durch den kommunikativen und kooperativen sowie kreativ gestalteten Prozess zustande. Werden derart entstandene Absprachen auf ihre rechtlich anschlussfähigen Kriterien hin analysiert und ins Recht übertragen, verkürzt das Recht das tatsächliche Geschehen zwischen den Beteiligten. Die bloße Ergebnisübertragung raubt der ausgehandelten Absprache ihre Lebenskraft, die sich nicht aus der „Vernünftigkeit der Absprache“ selbst ergibt, sondern die sie von verhandelnden Persönlichkeiten erhält. Das kann das Recht in seiner ursprünglichen Funktionalität tatsächlich nicht (er-)fassen.475 Oder anders: Mediation lässt sich nur mit Abstrichen an ihrer verbindenden Kraft im Rechtssystem funktionalisieren. 472  Wie allerdings dieser Entscheidungsprozess (Gerichtsverfahren) organisiert wird, wirkt freilich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, jedoch ist das – wie gesagt – eine Organisationsfrage des staatlichen Entscheidungsverfahrens, nicht aber eine Frage des Rechtssystems (als Ideensystem). 473  Zur neurobiologischen Grundlage Bauer 2008b. 474  Deshalb ist die Tätigkeit eines Mediators ein wahres Privileg und erfüllt oftmals mit großer Dankbarkeit. 475  Für die Konzeption des Rechts ist das konsequent und logisch: Was gibt es auch über „das Richtige“ schon zu reden oder gar darüber zu verhandeln. Doch nur,



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 217

Beispiel: Werden Ergebnisse aus Mediationen ins Recht übertragen, führen sie nahezu unvermittelt zu neuen Rechtsproblemen. Greiter476 berichtet aus einer „Umweltmediation“, dass ein steiermärkischer Holzbetrieb, der sich vergrößern wollte und somit auch wichtige Arbeitsplätze für die Region geschaffen hätte, es mit einer wehrhaften Bevölkerung vor Ort zu tun hatte. Die Naturlandschaft, auf die die Steiermärker besonders stolz sind, wäre stark beeinträchtigt worden. Die (monatelang vorbereitete) Mediation (10 Sitzungen) schaffte es, die verhärteten Fronten aufzuweichen, so dass eine Lösung gefunden werden konnte, mit der alle einverstanden waren. Die Holzfabrik baute sich vor Ort aus und kaufte an anderer Stelle eine Brachlandschaft, um sie wieder in eine Naturlandschaft zurück zu führen. Mit diesem Ausgleich waren die ansässigen Steiermärker sehr zufrieden, hatten sie jetzt doch Arbeitsplätze und eine Naturlandschaft. Solche Beispiele gibt es zuhauf. Entscheidend ist, dass die moderne Umweltgesetzgebung solche Ergebnisse aufgreift und sinngemäß fordert: Wer in die Natur eingreifen „muss“, muss von Rechts wegen eine Ausgleichsmaßnahme477 durchführen. Dennoch zeigt die verrechtlichte Lösung in ihrer praktischen Anwendung keineswegs die Zustimmung, Problemfreiheit und Einigkeit unter allen Beteiligten, wie die mediativ gefundene Lösung in einem konkreten Fall. Wirkungsvoll ist, dass in der Mediation ein Konflikt aktuell gelöst wird und nicht die Lösung schriftlich im Gesetz steht. Das Ergebnis „Ausgleichsmaßnahme“ ist nur äußerlich gleichwertig, aber ohne Kommunikation und Kooperation etwas völlig anderes. Wenn Recht Verhandlungslösungen übernimmt, schaltet es beides aus. Rechtlich angeordnete Ausgleichsmaßnahmen führen keineswegs zwingend zu Rechtsfrieden.

Andererseits ist es der Mediation möglich, rechtliche und generelle Lösungen in den individuellen Verhandlungsprozess einzuführen und die Beteiligten zu befragen, ob die rechtlichen „Lösungen“ nicht zu ihrer ganz eigenen Lösung beitragen können. In diesem Sinne wird in der Literatur zur Mediation davon gesprochen, dass das Recht als Schatzkiste dienen kann.478 Zuweilen wird im Zusammenhang von Recht und Mediation davon gesprochen, dass Mediation im „Schatten des Rechts“ stattfinden muss.479 Soweit damit gesagt wird, dass Mediation nicht rechtswidrig sein darf, handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit.480 Der Schatten des Rechts den Unwissenden vom Richtigen zu überzeugen. Das Richtige ist richtig und keine Verhandlung und kein Disput könnten diesen Fakt ändern. Diese Sichtweise lässt den konsensuale Fakt überschätzen und den Prozess der Kommunikation unterschätzen, ähnlich auch Luhmann 1980, 108; Klammer 1999, 22. 476  Greiter 2001, 49 (Bsp. 29). 477  Vgl. § 19 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz; § 15 Abs. 2 Entwurf zum Umweltgesetzbuch (UGB). Drittes Buch Abs. 3 – Naturschutz und Landschaftspflege vom 20.11.2007. 478  Etwa Haft 2000, 392; Köper 2003, 103; Risse 2003, 297; Ripke 2009, Rn. 14; Christensen / Sokolowski 2005, 135. 479  Zum Herkommen und zur Missverständlichkeit der Formulierung Risse 2003, 310. 480  Zu Recht von Trotha ZfRSoz 2000, 349.

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C. Die Mediation

spendet den Beteiligten Gewaltlosigkeit und stellt oftmals für den Einzelnen die beste Alternative zur eigenverantwortlichen Verhandlung dar.481 Vor und während der (vermittelten) Verhandlung besteht die Gewissheit, dass bei ungünstigem Verhandlungsverlauf der Rechtsweg immer noch eingeschlagen werden kann. Die Entscheidung für eine eigenständige Konfliktbehandlung ist nicht eine Entscheidung gegen „das“ staatlich gewährleistete Recht. Soweit allerdings mit dem Bild gemeint ist, dass es sich bei Mediation, da es um Konfliktbehandlung geht, tatsächlich um eine Rechtshandlung handelt und Mediation ein Rechtsinstitut sei oder zumindest werden müsse, werden die – vorliegend herausgearbeiteten – Unterschiede verkannt.482 Mithin ist es ebenso missverständlich, wenn in Mediationsabsprachen eine neue Art gesellschaftlichen Rechts erblickt würde. Das Rechtssystem kennt seinerseits zwar „Gesellschaftliches Recht“483, womit private Vereinbarungen bezeichnet werden, die rechtlich wirksam sind. Die Besonderheit ist jedoch, dass dieses Recht nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber erlassen wird, sondern von privaten Bürgern der bestehenden Gesellschaft. Von diesem Ausgangspunkt ist es nicht weit, auch in (vermittelten) Verhandlungen eine Art Rechtsfindung zu erkennen. Mediation und Recht erscheinen dann als „zwei Weisen der Rechtsfindung“484. Diese Sicht stiftet Verwirrung, weil sie den grundlegenden Unterschied zwischen privaten Vereinbarungen und staatlich gesetztem Recht verkennt. Zugegeben, das Recht erkennt in privaten Absprachen ein Rechtsgeschäft. Die Absprache wirkt verbindlich zwischen den Beteiligten und insofern beinhaltet sie, was zwischen ihnen Recht ist. Insoweit schaffen sie Gesellschaftliches Recht. Jedoch verkennt diese Ansicht das Wesen dieser sozialen Absprachen im Verhältnis zum staatlichen Recht. Es ist das staatliche Recht, dass aus der sozialen Kommunikation das rechtlich Relevante herausfiltert. Die Beteiligten nutzen ihre von Rechts wegen anerkannte oder besser zugestandene Autonomie.485 „Privatautonomie“ ist – als Beispiel genannt – das Ergebnis einer Operation des staatlichen Rechts, vgl. etwa § 311 BGB. Privatautono481  Insoweit spricht das Harvard-Verhandlungsmodell von der „Best Alternative to a Negotiated Agreement“ oder als Akronym von der „BATNA“; Fisher / Ury / Patton 2006, 143 ff.; Risse 2003, 62 f. 482  Ähnlich von Schlieffen 2009, Rn. 32 ff., vgl. auch Hoffmann-Riem AöR 2005, 28. 483  Vgl. Raiser 1999, 299; Zippelius 2003, 32. 484  Hager ZKM 2003, 56, Berger / Ukowitz 2005, 105; so wohl auch Strempel 2002, Rn. 75; Mähler 2005, 98; anders Falk 2005, 15 f. 485  Das zeigt sich auch daran, dass das staatliche Recht bestimmt, wann er in Verhandlungsergebnissen kein Recht erkennt bzw. keine Autonomie zugesteht, z. B. wenn die Beteiligten volltrunken waren oder kleine Kinder oder Sittenwidriges verabredet wurde etc., vgl. dazu §§ 116 ff., 134, 138 BGB.



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 219

mie ist im Rechtssystem kein soziales Phänomen mehr, sondern eine im Privatrecht vom Staat anerkannte Größe, ein Rechtsinstitut. Es handelt sich generell um Rechtsoperationen, wenn in privaten Absprachen Rechtsinhalte erkannt werden. Von Gesellschaftlichem Recht kann nur insoweit gesprochen werden, weil der staatliche Rechtsetzer sich entschlossen hat, bei Nichteinhaltung bestimmter Privatabreden deren Inhalt gleichwohl durch­ zusetzen.486 Das staatliche Recht ist die Bedingung „Gesellschaftlichen Rechts“; seine Anerkennung privater Absprachen als Recht ist der wahre Rechtsakt – und der ist staatlicher Herkunft. c) Mediation und Rechtsstaat Mediation, die Vermittlung in Konflikten, ist keine Aufgabe des Rechtsstaats i. S. d. Rechtssystems. Mag der Staat das Rechtssystem entwickelt haben, um für soziale Sicherheit, Ruhe und Ordnung in einer Großgesellschaft anhand von Gerechtigkeitserwägungen sorgen zu können und mithin soziale Konflikte im Wege der Delegation zu behandeln. So bedeutet diese Errungenschaft, die sowohl den Individuen als auch der Gesellschaft zugute kommt, jedoch nicht, dass sich der Staat um jedwede Konfliktbehandlung bemühen müsste. Nach tradiertem Verständnis ließe sich auch formulieren, dass Konflikte und der Umgang mit ihnen zuvorderst Privatsache sind. Aber auch das Verständnis des liberalen Rechtsstaates, der jeden wohlfahrtsstaatlichen Anspruch von einst aufgegeben hat, führt dazu, dass die Glückseligkeit seiner Bürger nicht als öffentliche Aufgabe anzusehen ist. Werden Fragen nach Staat und Mediation gestellt487, so darf für deren Beantwortung nicht die Ausgangslage verkannt werden. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass sich Staat und Mediation(-sbewegung) wie zwei Anbieter um Konfliktbeteiligte bemühen. Dem ist keineswegs so. Vom Standpunkt der Konfliktbehandlung lässt sich von Delegation und Mediation sprechen, also von sich richten und sich vermitteln lassen, so dass der Dritte richtet oder vermittelt. Dabei darf im Fall der Delegation nicht derjenige vergessen werden, der sich nicht richten lassen will, sondern an- oder verklagt wird. Eine Situation, zu der es in der Mediation keine Entsprechung gibt. Hinzu kommt, dass der Staat als Rechts(-durch-)setzer und damit als Gewaltmo486  Werden die Absprachen z. B. nicht erfüllt, können rechtliche Sanktionen verlangt werden, die das staatliche Recht bestimmt. Soweit die Privaten eigene Vertragsstrafen verabredet haben, ändert sich in der Sache nichts. Denn deren juristische Anerkennung basiert ebenfalls auf einer Operation des staatlichen Rechts. Von „Recht“ sollte deshalb nur dann gesprochen werden, wenn ein Dritter die Regelungen durchsetzen kann. 487  Zum Folgenden auch von Schlieffen 2009, Rn. 32 ff.

220

C. Die Mediation

nopolist, der zugunsten der Gesellschaft den sozialen Frieden anhand normativer, konfliktfremder Kriterien erzwingt, in den Blick genommen werden muss. Der Vergleich zwischen Staat und Mediationsbewegung findet tatsächlich auf unterschiedlichen Ebenen statt.488 Die Einstellungen zum Konflikt und dessen Behandlung sind grundverschieden. Oder anders: Maßgebend im ursprünglichen Wortsinne ist bei der Delegation der Dritte und bei der Mediation sind es die Konfliktbeteiligten zusammen. Deshalb geht es bei Fragen nach Mediation und Rechtsstaat einerseits um die Freiheitsgewährung, dass Konfliktbeteiligte ihre Konflikte eigenständig, d. h. im vorliegenden Sinne staatsfern, behandeln können und dürfen, auch wenn sie diese Konflikte vor nicht allzu langer Zeit noch hätten vom Staat richten lassen. Das ist die Konsequenz individueller und gesellschaftlicher Freiheit. Andererseits kann sich der Rechtsstaat freilich der Mediation als Konfliktbehandlungsmethode bedienen, zum einen, um die Konflikte in der staatlichen Organisation selbst zu behandeln und andererseits, um den Justizgewährleistungsanspruch, dem er sich – durch Art. 19 Abs. 4 GG – ausgesetzt sieht, weiterhin erfüllen zu können. Allerdings wird es nicht ohne Nebenfolgen bleiben, wenn Konflikte innerhalb der Rechtspersönlichkeit(!) „Staat“ mit einer Methode behandelt werden (sollen), deren Grundlagen jenseits des Rechts zu finden sind. Zunächst einmal gilt für Mediation, dass es völlig irrelevant ist, wer Recht hat.489 Das ist für einen Konflikt zwischen Menschen, die sich anlässlich ihrer organisationalen Rollen streiten, mehr als ungewöhnlich. Allein die erkenntnistheoretischen Grundlagen scheinen diametral entgegen zu stehen.490 Inwieweit Mediation dennoch die Staats­ organisation unterstützen und welche Konsequenzen die Anwendung von Mediation auf die (juristische) Organisation nach sich ziehen kann, soll im fünften Kapitel der Untersuchung anhand der Staatsverwaltung beleuchtet werden. So wenig wie es bisher nur eine Mediation gab, so wenig wird es in Zukunft auch nur eine Mediationsbewegung geben, die die Arbeit, die durch vermittlungswillige Konfliktbeteiligte anfällt, nach einem einheitlichen Konzept erledigen wird. Auch wenn solche Einheitsvorstellungen eine starke Verführungskraft haben, so hieße es doch, die Mediation als die konkrete Vermittlungstätigkeit zu dekontextualisieren. Es sind die Wirkstoffe von 488  s.

von Schlieffen 2009, Rn. 48. JZ 2008, 282. 490  So baut sich das Rechtssystem auf der Vorstellung auf, dass es eine ontologische Wahrheit gibt, während Mediation großteils systemisch-konstruktivistisch arbeitet, dazu Duss-von Werdt 2009. Nicht selten wird von einem spürbaren Verlust der Orientierungshilfe Recht gesprochen, vgl. etwa Ponschab AnwBl 1993, 434; s. auch Ortloff 2003, 735. 489  Sarhan



IV. Mediation in der staatlich-verrechtlichten Gesellschaft 221

Mediation, Kommunikation, Kooperation und Kreativität, die in mitmenschlicher Bezogenheit dazu führen, dass Vermittlung in jedem Konflikt möglich ist und Verwendung finden wird, soweit dies einerseits der Kontext und andererseits noch viel entscheidender die Konfliktbeteiligten zulassen. Das Bedürfnis nach kooperativer Lebens- und Konfliktgestaltung steigt mit der Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Lebens und der Komplexitätssteigerung staatlicher und gesellschaftlicher Organisation. Es ist allenthalben zu beobachten, dass nach kooperativen Strategien auch in der Konfliktbehandlung gesucht – und in der Mediation ein reichhaltiger Fundort gesehen wird. Freilich ist das Mediationsverfahren selbst keine Lösung des Konflikts, sondern stellt lediglich Rahmenbedingungen für unmittelbare Kommunikation und Kooperation her, um die Beziehungen neu zu kreieren. Dem Recht kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, diesen Bedürfnissen den benötigten Raum zu verschaffen oder zu belassen und dabei insbesondere für Gewaltfreiheit zu sorgen. Insoweit geht es tatsächlich weniger um eine Zurücknahme rechtsstaatlichen Rechtshandelns, sondern um eine weitere Ausdifferenzierung. Keineswegs ist es erforderlich, dass rechtliche Standards aufgegeben werden müssen. Da Mediation selbst kein Angriff auf den Rechtsstaat und dessen Standards ist, fordert Mediation allenfalls die staatliche Anerkennung des Aspekts, dass in Konflikten nicht nur der Keim der Gewalt steckt, sondern auch der Keim zu persönlicher und gesellschaftlicher Entwicklung, der zum Reifen Zeit und Raum benötigt. Dem staatlichen Strukturprinzip der Subsidiarität dürfte ein entsprechendes Gewährenlassen gut zu Gesicht stehen.491 Nachdem ausführlich dargelegt wurde, in welchem Bezugsrahmen Me­ diation agiert, welche Grundsätze daraus abgeleitet werden können, die maßgebend die Gestaltung eines Mediationsverfahrens beeinflussen und in welchen Relationen eine solche Mediation zum Rechtssystem des aktuellen Rechtsstaats steht, hat sich gleichsam gezeigt, dass es sich bei der Media­ tion um ein Verfahren handelt, das aber in der Praxis erst noch materiell ausgefüllt werden muss. Mediation bietet eine Form der Konfliktbehandlung an, die evolutionär der Delegation folgt, aber noch keine eigenständige Verhandlungsform darstellt. Der Dritte bedarf konkreter Konzepte, um seine Arbeit als Vermittler ausführen zu können.492 Für das methodische Vorgehen eines Mediators sind die Angebote an tauglichen Konzepten ungezählt – und an untauglichen schier unzählbar. Vorliegend wird sich hier der Methode der Transaktionsanalyse bedient. Sie 491  Nautz 2001, 64; vgl. auch Heinze / Hilbert / Spalink / Stöbe-Blossey 2005, 18; zum Subsidiaritätsprinzip im aktivierenden Staat Baer 2006, 205 ff.; Bandemer / Blanke / Hilber / Schmidt 1995, 52 ff.; Behrens 1999, 51. 492  Einen strömungsorientierten Überblick bietet Kap. C. III. 3.

222

C. Die Mediation

bietet als praxiserprobtes Beratungsverfahren eine Vielfalt von Konzepten, die es einem Mediator erlauben, das Mediationsverfahren zu strukturieren, den vorgebrachten Konflikt samt seiner personalen Tiefenstruktur zu analysieren und wirksame, an systemtheoretischen Grundsätzen ausrichtungsfähige, Interventionen zu planen und durchzuführen. Als Referenzgebiet für soziale Konflikte dient im fünften Kapitel der öffentliche Sektor, dessen Konfliktpotential im Zuge der Umsetzung des aktivierenden Staates reichhaltig und vielschichtig ist. Die Darstellung sowohl der Transaktionsanalyse (4. Kap.) als auch der Implementierung in das Verwaltungsmanagement des aktivierenden Staates (5. Kap.) orientiert sich deshalb nicht nur an einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation, sondern insbesondere an einer konfliktbezogenen Anwendung mediativer und transaktionsanalytischer Konzepte im Verwaltungsmanagement generell. Deshalb werden die transaktionsanalytischen Konzepte im Folgenden nicht auf die Anwendung in einer Mediation bezogen, sondern für sich stehend vorgestellt. Erst im Anschluss (5. Kap.) werden die Mediation und die Transaktionsanalyse in ihren Bezügen zum öffentlichen Sektor des aktivierenden Staates dargestellt.

D. Die Transaktionsanalyse – Ein Verbund von Konzepten und Methoden zur Diagnose und Intervention bei sozialen Konflikten Bei der Transaktionsanalyse1 handelt es sich um einen Verbund von Konzepten, die das Sein und Werden des Menschen in seinen sozialen Bezügen beschreiben. Begründer dieser dynamischen Theorie der zwischenmenschlichen Interaktion2 ist Eric Berne. Die Konzeptbereiche erfassen konkret die Persönlichkeitsanalyse, die Analyse von Transaktionen, von beziehungs­ beeinträchtigenden Transaktionsmustern sowie der persönlichen Lebensgeschichte. Diese werden im Folgenden grundlegend dargestellt, um Anwendungsmöglichkeiten einzelner Konzeptteile im fünften Teil der Untersuchung praxisorientiert formulieren zu können. Der vorliegende Teil der Untersuchung stellt folglich keine Gesamtübersicht zur Transaktionsanalyse dar. Gleichwohl wird bereits hier deutlich werden, dass eine transaktionsanalytisch fundierte Konzeptualisierung Fragen zu beantworten hilft, die soziale und konfligierende Beziehungen aufwerfen. Insoweit erscheint es keineswegs abwegig, dass die Transaktionsanalyse die Arbeit eines Mediators ebenso zu unterstützen vermag wie die eines Beraters oder einer Führungskraft.  D. Die Transaktionsanalyse

Es wird sich zeigen, dass das transaktionsanalytische Instrumentarium zur Diagnose und Intervention bei zwischenmenschlichen Prozessen geeignet ist 1  Der Begriff „Transaktionsanalyse“ wird vorliegend dem ursprünglichen und heute noch gebräuchlichen Verständnis entsprechend als Oberbegriff gebraucht. Der transaktionsanalytische Beitrag zur Kommunikationstheorie, also die Analyse der Transaktionen, wird als „Transaktionsanalyse im engeren Sinne (i. e. S.)“ bezeichnet. Schlegel 1995 unterbreitete den Vorschlag, lediglich das Kommunikationsmodell als „Transaktionsanalyse“ zu bezeichnen und die Gesamtheit aller Konzepte als „Transaktionale Analyse“, vgl. auch die Ausführungen in Berne 2006, 14. Trotz aller sprachlichen Vorzugswürdigkeit konnte sich der Vorschlag weder in der transak­ tionsanalytischen Literatur noch in der praktischen Arbeit durchsetzen. 2  Berne 2006, 123. Ob die Transaktionsanalyse als solche eine (einheitliche und vollständige) Theorie der menschlichen Persönlichkeit darstellt, ist unter Transak­ tionsanalytikern indes umstritten. Dafür Stewart / Joines 2008, 23, die sich auf die offizielle Definition der Internationalen Vereinigung für Transaktionsanalyse (ITAA) beziehen; Dusay 1979, 54; Rautenberg / Rogoll 2007, 15; dagegen Schulze 1992, 147, der auf Schlegel 1995, 13 f. verweist; vgl. auch Schlegel 2002, 329 ff.

224

D. Die Transaktionsanalyse

und damit mediative sowie beratende Arbeit, aber auch die Arbeit von Führungskräften in (Verwaltungs-)Organisationen, zu konzeptualisieren und zu professionalisieren vermag. Gerade von Führungskräften der Verwaltung werden im öffentlichen Sektor zunehmend Kompetenzen verlangt, die jenseits der Fachkompetenz angesiedelt werden. Dabei ist offensichtlich, dass die wichtigste Kompetenz einer Führungskraft eben die Führung von Mitarbeitern ist.3 Dass Führungsarbeit eben nicht mehr allein und vermutlich auch nicht vorrangig durch überzeugende Fachkompetenzen gelingt, zeigt sich in der Praxis besonders deutlich.4 Hier kommt der Transaktionsanalyse aufgrund ihrer plastischen und prägnanten Sprache, ihrer grafischen Darstellbarkeit sowie ihrer inhaltlichen Konzeptvielfalt eine hohe Anschlussfähigkeit zu, die seit Jahrzehnten, wenn auch in anderen Kontexten, erprobt ist und sich bewährt hat.5 Mit Hilfe transaktionsanalytischer Konzepte lassen sich Führungsaufgaben, insbesondere die, die durch Konfliktsituationen erwachsen, diagnostizieren und passende Interventionen planen und durchführen. Die Vielfalt konfliktdiagnostischer Konzepte und kooperationsfördernder Modelle der Transaktionsanalyse bieten sowohl einem Mediator als auch einer aktivierenden Führungskraft im öffentlichen Sektor einen reichhaltigen Werkzeugkasten, um im täglichen Kontakt mit Menschen gute, d. h. aufgaben- und lösungsorientierte Arbeitsbeziehungen aufzubauen.6 Besonders reizvoll ist die Transaktionsanalyse zunächst aufgrund ihrer verständlichen Sprache, die sich – bei aller Wissenschaftlichkeit und wissenschaftlichen Umstrittenheit – aus der Alltagssprache speist und sich durchaus am jeweiligen Kontext orientiert. Über die Sprache sucht die transaktionsanalytisch fundierte Beratung den Beratungssuchenden dort „abzuholen“, wo dieser sich gerade befindet. Hier erweist sich die Transaktionsanalyse als besonders anschlussfähig.7 Ihre Sprache und die Darstellung ihrer Konzepte ist einfach gehalten, d. h. verständlich, eingängig und stimmungsorientiert.8 Die Terminologie und die Konzepte sind ohne größere Vorkenntnisse erklärbar und für jeden sogleich nutzbar.9 3  Vgl.

dazu Schibalski ZTA 1989, insbes. 131 f. haben Führungskräfte überhaupt nicht die Zeit, um Sachfragen über­ zeugend zu klären und gerade dadurch überzeugend zu führen. Führungskräfte können sich auch nicht in der Sache derart fortbilden, dass sie die „besseren Sachbearbeiter“ werden. Führungsarbeit gelingt durch Führungs- und nicht durch Fachkompetenzen. 5  Zu den Vorzügen der Transaktionsanalyse als Psychotherapieverfahren Schiff 1979, 82; Clarkson 1996. 6  Ebenso Risto 2003, 20; ähnlich Schibalski ZTA 1989, 131 f. 7  Eigenartigerweise lässt sich diese Tatsache überhaupt nicht am Namen – „Transaktionsanalyse“ – erkennen. 8  Barnes 1979, 33; Holloway 1980, 21; Schibalski ZTA 1989, 131. 4  Häufig



D. Die Transaktionsanalyse225

Vorrangige Ursache für die Nutzbarkeit transaktionsanalytischer Konzepte ist die Vertrags- und Entscheidungsorientiertheit, die in jeder Konzeption einen bedeutenden Stellenwert einnimmt. Sie spiegelt sich auch in transaktionsanalytisch fundierter Beratungsarbeit wider, deren Grundlagen stets Partnerschaftlichkeit und Ebenbürtigkeit sind.10 Transaktionsanalytische Beratung und Begleitung in schwierigen Problem- und Konfliktlagen bietet in besonderem Maße Kompetenz, Schutz und Erlaubnis an11, die für das Beschreiten neuer Wege, wie in Mediationen und bei Veränderungsprozessen im öffentlichen Sektor (eines aktivierenden Staates), erforderlich werden. Überdies baut eine transaktionsanalytisch orientierte Beratungs- und Führungsarbeit von Beginn an auf die Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungsfreudigkeit der Beratungssuchenden und fordert und fördert deren ­eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Probleme.12 9

Bevor allerdings die Grundlagen transaktionsanalytischer Konzepte dargestellt werden, sei hier eine generelle Anmerkung zum Wesen von (psychologischen) Konzepten: Es handelt sich stets – wie auch schon bei dem Modell der Mediation – um Vorstellungen, die den oder die beobachteten Menschen in ihren sozialen Bezügen samt ihrer Fühl-, Denk- und Verhaltensweisen in einen Bedeutungszusammenhang (eines Beobachters) stellen. Verschiedene Erlebens- und Verhaltensweisen erhalten durch das konstruierende Modell und dessen Anwendung einen Sinnzusammenhang, um dem Bedürfnis des Beobachters nach Verständnis Rechnung zu tragen.13 Die Modelle und Konzepte sind das Ergebnis eines subjektiven Akts und erzeu-

9  Vgl. Schulze 1992, 146; Schmid ZTA 1984, 50; zur Sprache der Transaktionsanalyse Müller ZTA 2002; Gooß ZTA 2002. Das ist vor allem darin begründet, dass Berne von Beginn an transaktionsanalytische Konzepte daraufhin konzipierte, dass sie einem verständigen Achtjährigen nahe gebracht werden können. Insofern gilt das unter Transaktionsanalytikern geläufige und Jongeward zugesprochene Wort: TA is simple, but not easy. Siehe Rüttinger 2005, 10. 10  Dazu instruktiv der von Hagehülsmann 2007 herausgegebene Sammelband zur transaktionsanalytischen Beratung. Wie hier Stewart / Joines 2008, 396 ff.; Schlegel 2002, 329; Hagehülsmann / Hagehülsmann 1994, 1343. 11  „Konzept der ‚3Ps‘ – potency, permission, protection“: siehe Crossmann TAB selected 1976; Steiner TAB selected 1976, 59 f.; Hagehülsmann / Hagehülsmann /  Anderegg 2007, 19; ausführlich Hagehülsmann / Hagehülsmann 2007, 245 ff.; ­Stewart / Joines 2008, 391 f.; ebenso Temple ZTA 2002, 251; exemplarisch Burke 2007, 129. 12  Schibalski ZTA 1989, 132; ders. ZTA 1984, 39; Clarkson 1996, 25 („Die stärksten menschlichen Strebungen werden als positiv, auf Gesundheit und Wachstum, auf Selbstverwirklichung und angemessene soziale Verantwortung gerichtet betrachtet.“). 13  Ähnlich Holloway 1980, 27; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 11 („Beschreibungsinstrumente“).

226

D. Die Transaktionsanalyse

gen bei ihrer Anwendung stets neue.14 Die erkenntnistheoretischen Grundlagen transaktionsanalytischer Theorien sind, wie sich daraus bereits ergibt, mit der konstruktivistischen Erkenntnistheorie grundsätzlich kompatibel.

I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse Die Transaktionsanalyse war ursprünglich ein psychotherapeutisches Verfahren humanistisch-psychologischer Prägung15 und hält entsprechend ein Repertoire erklärender Konzepte für menschliches Erleben und Verhalten parat. Sie verbindet auf kreative Art kognitive und tiefenpsychologische Arbeitsweisen und ist sowohl analytisch als auch psychodynamisch versiert.16 Bei all dem ist ihr das „Trans-Aktionale“, das Zwischenmenschliche, besonders wichtig. Dieses Zwischenmenschliche, seine (unter Umständen dysfunktionalen) Formen, die die Beziehungsgestaltung der Beteiligten annehmen kann, sind das wesentliche und stets präsente Element transaktionsanalytischer Denk- und Arbeitsweise.17 Es verwundert daher kaum, dass der transaktionsanalytische Beitrag zur Kommunikationstheorie weit über die Grenzen der Psychotherapie hinaus bekannt und anerkannt ist und die übrigen transaktionsanalytischen Konzepte nach sich zog. Gleichwohl handelt es sich bei der Transaktionsanalyse nicht um ein (einheitliches) Denkmodell vom Menschen und seiner psychischen Organisation. Vielmehr versammelt die Transaktionsanalyse mehrere, sich teilweise überschneidende, Konzeptbereiche18, die in ihrer Gesamtheit ein nahezu vollständiges „Bild vom individuellen und sozialen Menschen“ erfassen. Die Transaktionsanalyse entwickelte sich in den 1950er Jahren in den USA. Ursprünglich handelte es sich bei der Transaktionsanalyse um ein tiefenpsychologisches Psychotherapieverfahren, das als Gegenentwurf zur klassischen Psychoanalyse, obschon an diese anknüpfend, verstanden wurde.19 Berne und seine Schüler stellten – im Gegensatz zum pessimistischen psychodynamischen Modell Freuds und zum Umweltdeterminismus des behavioristischen Modells – den Menschen als selbstverantwortliches Wesen in den Mittelpunkt ihrer Konzeption. Geprägt ist dieses Menschenbild durch 14  Zum

Wesen psychologischer Modelle ausführlich Hagehülsmann 1994, 14 ff. zur Humanistischen Psychologie Quitmann 1996. 16  Zur tiefenpsychologischen Dimension der Transaktionsanalyse Müller ZTA 1997, 129; zur kognitiv-psychotherapeutischen Dimension der Transaktionsanalyse Schlegel 2002, 171; ders. ZTA 2003; kritisch zu einer Überbetonung der tiefenpsychologischen Dimension Gooß ZTA 2004. 17  Bernes Ansatz nun konsequent fortführend Sell ZTA 2009. 18  Vgl. Schulze 1992, 147; Schlegel ZTA CD-ROM 2000, 69. 19  s. Stewart / Joines 2008, 403 ff.; Rüttinger 2005, 13; Moiso / Novellino ZTA 2004, 11. 15  Ausführlich



I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse227

die Existenzphilosophie20, wie sie bereits für die Mediation dargestellt wurde. Beide Methoden, Transaktionsanalyse und Mediation, gehen in ihrer Haltung und Methodik von demselben Menschenbild aus und haben sich konsequent an ihm orientierend ihre Form gegeben.21 Mittlerweile wird die Transaktionsanalyse nicht mehr nur in der klinischen und therapeutischen Arbeit angewendet.22 Das Spektrum der Transaktionsanalyse reicht von der Arbeit in und mit Organisationen bis zur pädagogischen und seelsorgerischen Arbeit von einzelnen Personen.23 Ausgebildet werden anhand transaktionsanalytischer Modelle Manager wie Führungskräfte, interne wie externe Unternehmensberater, Erzieher und Lehrer ebenso wie Kinder- und Erwachsenenpädagogen.24 Aus der Vielfalt transak20  Instruktiv

Quitmann 1996. die Transaktionsanalyse die Selbstverwirklichungstendenzen des Menschen samt seiner Selbstverantwortung in den Fokus nimmt, erscheint es konsequent, dass sie die komplexen psychologischen und beziehungsdynamischen Fühl-, Denk- und Verhaltensmuster in eine einfache und allgemeinverständliche Sprache zu fassen sucht, um sich eben jenen Menschen mitzuteilen und auch von ihnen verstanden zu werden, Berne 2001, 11 f.; ders. 1958, 177 f.; Schmid 1994. 22  Generell ist die Transaktionsanalyse mit anderen Therapieansätzen hochkompatibel und bereichert sie, vgl. Berne 2005, 256 ff.; Clarkson 1996; Stewart / Joines 2008, 395; Schlegel 1995, 360 ff.; Schmid ZTA 1984, 54; Dusay 1979, 55, der über seine transaktionsanalytische Arbeit mit Morenos Psychodrama und Perls Gestalttherapie berichtet; einen bewegenden Bericht zur Ergänzung von Transaktionsanalyse und Gestalttherapie liefert English 2001, 217 ff. Ein 5-Schritte-Modell zur transaktionsanalytischen und gestalttherapeutischen Behandlung von psychosomatischen Symptomen liefert Schmale-Riedel ZTA 2005; zu Verbindungslinien mit der Katathym Imaginativen Psychotherapie (KIP) Daigger ZTA 2005; s. zum Ganzen auch Schlegel 2002, 330; Hennig / Pelz 2002, 12 f. („integrative Therapie“); ChristophLemke ZTA 2001; Groder 1979. 23  Die Transaktionsanalyse greift jedoch nicht nur in andere Bereiche als der Psychotherapie über, sondern formt sich auch selbst weiter aus. In ihren Anfängen wurden mehrere transaktionsanalytische Schulen unterschieden (San Francisco oder klassische Schule von Eric Berne, Cathexis-Schule oder auch Schiff- bzw. Neubeelterungsschule von Jackie Lee Schiff und ihren Mitarbeitern sowie die Neuentscheidungsschule von Mary und Robert Goulding) s. dazu Stewart / Joines 2008, 390 ff.; Barnes 1979; Schiff 1979; Goulding 1979 sowie Goulding / Goulding 2005. Kottwitz 1990 und Moiso / Novellino ZTA 2004, 11 m. w. N. zählen zudem noch die integrativeklektische und die psychodynamische bzw. Neu-Bernesche Schule auf. Eigenständig neben diesen Schulen entwickelte sich seitdem auch eine sog. systemische Transaktionsanalyse, die die transaktionsanalytischen Konzepte mit den Ideen und der Sprache der Systemtheorie verbindet, dazu Schmid 1994; Gautier-Caspari ZTA 1994. Zum Ganzen instruktiv Hagehülsmann / Hagehülsmann 1994, 1318 f.; Schlegel 2002, 258 ff.; ders. ZTA 2000). 24  Rüttinger 2005, 15 (Transaktionsanalyse im Management). Die Ausbildung zum Transaktionsanalytiker gliedert sich nach einer ca. dreijährigen Grundausbildung in die Bereiche Psychotherapie, Beratung, Erziehung und Erwachsenenbildung, Organisationsentwicklung sowie Management, Hennig / Pelz 2002, 359. 21  Da

228

D. Die Transaktionsanalyse

tionsanalytischer Anwendungsbereiche ergibt sich dabei, dass einzelne Konzeptbereiche und Anliegen je nach den Ansprüchen des organisatorischen Kontextes betont oder vernachlässigt werden.25 Transaktionsanalytische Arbeit stützt sich in jedem Beratungskontext auf vier grundlegende Annahmen vom Menschen und seinem Sein in der Welt. Sie werden im Folgenden ausführlich dargestellt. Das damit skizzierte (transaktionsanalytisch fundierte) Bild vom Menschen entspricht dem des Grundgesetzes sowie der Mediation.26 Wenn auch das Grundgesetz eine gewisse Offenheit in der Frage des zugrunde liegenden Menschenbildes aufweist, verweist es umso deutlicher auf abendländische Traditionen und vermittelt – allein schon durch seinen Katalog der Grundrechte – zwischenmenschliche Werte, denen sich die Transaktionsanalyse ebenso wie die Mediation verpflichtet. Im Mittelpunkt aller drei Konzeptionen steht– ausgehend von der Würde des Menschen, Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes –, dass der Mensch seinem Leben aktiv Gestalt verleiht und (auch) als soziales Wesen (selbst-)bestimmt, welche Entwicklung er ihm verleiht.27

Grundgesetz „Der aktivierende Staat“

Mediation (Vermittlung in Konflikten)

Transaktionsanalyse

Selbstverantwortlichkeit der Bürger

Eigenverantwortlichkeit von Konfliktbeteiligten

Autonomie des Menschen (Selbstgesetzlichkeit)

Abbildung 4: Kompatibilität grundgesetzlicher, mediativer und transaktionsanalytischer Annahmen vom Menschen

Transaktionsanalytische Modelle und Methoden setzen dieses Bild vom Menschen konsequent um und verdeutlichen, wie mit „diesem Menschen“ umzugehen möglich und was ein „solcher Mensch“ zu leisten in der Lage ist. Zunächst jedoch, bevor die transaktionsanalytischen Modelle und Methoden im Einzelnen vorgestellt werden, soll das transaktionsanalytische Menschenbild konkretisiert werden. Dies erscheint nicht nur unentbehrlich, 25  Vgl.

dazu Schulze 1992, 146 f. m. w. N.; Rautenberg / Rogoll 2007, 11. bereits Kap. C. II. 1.; zur Bedeutung von Menschenbildern Hagehülsmann 1994, 13 ff. 27  Die verbindlichen Ethik-Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Trans­ ak­ tionsanalyse sind im Internet einsehbar, s. http: /  / www.dgta.de / transaktionsanalyse /  ethik.php. Zur Konkretisierung des grundgesetzlichen Menschenbildes infolge der staatstheoretischen Konzeption des aktivierenden Staates s. Kap. E. I. 26  Dazu



I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse229

um ein Verständnis von transaktionsanalytischer Denk- und Arbeitsweise zu erhalten, sondern wirkt zugleich einführend in die weitere Darstellung der Transaktionsanalyse. 1. Der Mensch ist in Ordnung Zentrale Überzeugung der Transaktionsanalyse ist, dass jeder einzelne Mensch seinem Grunde nach in Ordnung ist – so wie er ist und wie er werden wird.28 Zwar ist nicht jedes Verhalten, das er an den Tag legt, akzeptabel und wird akzeptiert, aber sein Sein als Mensch geht in Ordnung. Er ist einzigartig und wertvoll und in seiner Ganzheit mit einem Potential an konstruktiven Kräften ausgestattet.29 Dass der Mensch latent und potentiell destruktive und zerstörerische Tendenzen aufweist30 und zuweilen auch lebt, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern fordert, das menschliche Verhalten vom Menschsein zu unterscheiden.31 2. Der Mensch kann fühlen, denken und entsprechend handeln Die Transaktionsanalyse geht weiter davon aus, dass jeder Mensch, soweit er keine schweren Körperschädigungen hat, fühlen und denken und über diese Fähigkeit verfügen und ihnen entsprechend leben kann.32 Daraus leitet sich menschliche Lernfähigkeit und damit Veränderungsfähigkeit sowie letztlich Verantwortlichkeit ab. Ein jeder ist in der Lage zu lernen und sich buchstäblich zu bilden und zu verändern. Derlei Veränderungen erfas28  Vgl. Stewart / Joines 2008, 28; Hennig / Pelz 2002, 13. In der Fachsprache der Transaktionsanalyse wird diese Tatsache mit dem englischen Begriff „o.k.“ bezeichnet, was griffig ist, aber im Deutschen nicht den vollständigen Bedeutungsgehalt widerspiegelt. Im Englischen umfasst die Begrifflichkeit die Überzeugung, dass es mit dem anderen Menschen schon seine „Richtigkeit“ hat und er deswegen als solcher anzuerkennen ist und dadurch derjenige dies für sich selbst ebenso beanspruchen kann. Im Deutschen trug das O.k.-Kürzel zunächst zur Simplifizierung der Transaktionsanalyse bei, so dass sie vor allem in akademischen Kreisen nicht ernst genommen wurde, ähnlich Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 143. 29  So Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 23. 30  Berne 2001, 314 ff. sprach hier vom sog. „Kleinen Faschisten“, der in jedem Individuum unter einer „Plattform sozialer Ideale“ zumindest lauert und für „günstige“ Gelegenheiten bereit steht. 31  Die Entsprechung in der Mediations- und Verhandlungslehre postuliert das Harvard-Konzept: Die Persönlichkeit des Verhandlungspartners ist von dem Sachproblem, was man mit ihm hat, zu trennen, vgl. Fisher / Ury / Patton 2006, 43–70. S. auch Kap. C. III. 3. a). in dieser Untersuchung. 32  Stewart / Joines 2008, 29; Hennig / Pelz 2002, 14.

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D. Die Transaktionsanalyse

sen stets die drei verbundenen Dimensionen Fühlen, Denken und Verhalten.33 Des Menschen Fühlen, Denken und Verhalten sind dabei immer auch Ausdruck dessen, was er in seinem momentanen Leben zu erleben bereit und gewillt. Zugleich bezeugt er damit seine Bereitschaft, mit den Konsequenzen auf seine ganz eigene Art und Weise umzugehen und mit ihnen leben zu lernen sowie sich durch sie zu verändern und weiter zu bilden. Das dabei oftmals erlebte Spannungsfeld zwischen ichbezogener Entscheidung und sozialer Bezogenheit, zwischen Selbstverwirklichung und sozialer Anpassung34, ist nicht auflösbar oder umgehbar. Vielmehr ist es denkend, fühlend und handelnd zu erleben. Den eigenen Standort im Spannungsfeld von Ich- und Du-Bezogenheit zu finden, gelingt dabei dem Menschen nicht ein für alle Male, sondern wird stets aktualisierend erfühlt, bedacht und handelnd entschieden. Dieses Spannungsfeld von Ich-Bezogenheit (Selbstverwirklichung) und Du-Bezogenheit (Anpassung) mag zwar als Gegensatzkonstruktion erscheinen, zeigt sich aber im Erleben vor allem als Lernfeld, das durch das eigene Fühlen, Denken und Verhalten für das eigene Wachstum genutzt wird. Das bedeutet eben einerseits, dass Selbstverwirklichung in der Bezogenheit auf andere und in der sozialen Anpassung herausgebildet und praktiziert wird. Und andererseits offenbart sich in der sozialen Zurückgezogenheit auf die eigene Persönlichkeit die eigene Soziabilität.35 Das eine kann nicht durch Überbetonung des anderen aufgehoben werden. Beides, Ich- und DuBezogenheit, Selbstverwirklichung und Anpassung, beansprucht die Verantwortung des Menschen und ist in der menschlichen Lern- und Veränderungsfähigkeit grundgelegt.36 Das führt – noch „vor“ der Annahme von der Verantwortlichkeit des Menschen – zunächst zu der Annahme, dass der auf seine Lebenssituation antwortende Mensch entsprechende Entscheidungen trifft. 3. Der Mensch entscheidet und kann Entscheidungen widerrufen Transaktionsanalytische Modelle und ihre praktische Handhabung basieren auf dem Gedanken, dass jeder Mensch über sein Leben, d. h. über sein Fühlen, sein Denken und sein Verhalten entscheidet.37 Das ist die Konse33  Ausführlich

dazu das Persönlichkeitsmodell, Kap. D. II. Gührs / Nowak 2002, 25. 35  Vgl. Schellenbaum 2005, 156 („Konsequenz der Ich-Liebe ist Du-Liebe“). 36  s. in diesem Zusammenhang auch Maturana / Pörksen 2002, 215 ff. 37  Der Begriff „Entscheidung“ ist angesichts des Alltagsverständnisses „kühn“ (Schlegel 2002, 332) gewählt, versteht sich jedoch als terminus technicus für die 34  Dazu



I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse231

quenz der Lern- und Veränderungsfähigkeit, die eben nicht unwillkürlich verläuft, sondern von der Person – entscheidend – beeinflusst wird. Das eigene Fühlen, Denken und Verhalten erscheint damit als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, die es wahrzunehmen und anzuerkennen gilt. Folglich kann niemand einem jemand allein entscheidend das Fühlen, Denken und Verhalten diktieren, also linear-kausal verursachen. Selbst durch physische Gewalt ist letztlich niemand von jemandem direkt und unmittelbar in seinem Fühlen, Denken und Verhalten beeinflussbar. Es bedarf stets einer mehr oder weniger verständlichen Entscheidung desjenigen, der fühlt, denkt und handelt.38 Entscheidungen sind von dieser Warte betrachtet nicht einmal nur Notwendigkeiten. Vielmehr sind sie unumgehbar und nicht nivellierbar, ob der lebendige Mensch das möchte oder nicht, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. Leben – das ist die transaktionsanalytisch prägnante Konsequenz – heißt Entscheidungen treffen. Diese tatsächlichen, wenn auch großteils unbewussten, Entscheidungen wirken für das eigene Leben letztinstanzlich. Insbesondere wenn das eigene Erleben ohne Befriedigung und leidvoll ist, stellt es für jedermann eine Herausforderung dar, die eigenen Entscheidungen vor sich (und manchmal auch anderen) offen zu legen und als solche wahr- und anzunehmen.39 Mögen die Reaktionen – im Fühlen, Denken und Verhalten – auch unbewusst und musterhaft sein, so bleiben sie aus der Sicht der Transaktionsanalyse gleichwohl eine Konsequenz eigener, wenn auch von Unbewusstheit getragener, Entscheidungen. eigene Re-Aktion. Der Begriff verdeutlicht insbesondere, dass die maßgebenden Veränderungsansätze für das eigene Fühlen, Denken und Verhalten und damit für das eigene (Er-)Leben auch in der eigenen Person zu finden sind; zur Problematik und zum Verständnis des Begriffs aus der Sicht der Existenzphilosophen s. Quitmann 1996, 69, 86. 38  Vgl. Stewart 1993, 18; Stewart / Joines 2008, 29; Rautenberg / Rogoll 2007, 14. Auch Eltern, die zunächst einen enormen Einfluss auf ihre (Kleinst- und Klein-) Kinder haben, können nicht direkt und unmittelbar bewirken, wie diese sich entwickeln. Kinder „entscheiden sich“ nach transaktionsanalytischer Diktion auch für eine, namentlich ihre ganz eigene, Richtung und Entwicklung – entsprechend ihrer gesamten Umweltsituation. Diese, wenn auch kaum von einem entwickelten Bewusstsein getragenen Entscheidungen werden angesichts äußerer Umstände getroffen, die oftmals bedrückend, aber kaum je allein entscheidend sind. Aus der Sicht der Transaktionsanalyse sind frühkindliche Entscheidungen durch drei Komponenten bestimmt: die Anpassung an elterliche Botschaften, die Gegenreaktion auf elterliche Botschaften und das, was das Kind will und auswählt, vgl. Kottwitz 1990, 15. Anpassung, Gegenreaktion, Wille und Auswahl sind die Eigenaktivitäten des Kindes, die sein Leben entscheidend bestimmen. 39  Besonders deutlich wird die Nichtwahrnehmung eigener Anteile – und damit das Übersehen der eigenen Veränderungsmöglichkeiten –, wenn es um die Gefühls­ ebene geht, was in sozialen Konflikten niemals ausbleibt. Ausführlich dazu Kap. E. III. 2. in dieser Untersuchung.

232

D. Die Transaktionsanalyse

Schuld (an dem eigenen Erleben), das sei hier klargestellt, wird weder in der transaktionsanalytischen Diktion noch in der transaktionsanalytischen Konzeption dem Erlebenden zugeschrieben. Vielmehr werden seine leidvollen Erfahrungen, aber auch seine Glückserfahrungen, als Folge vor allem eigener Entscheidungen und damit nicht mehr als unveränderlich konstruiert. Sie rücken das eigene Erleben in den Bereich des Machbaren und damit in den Bereich der entscheidungsbedingten Veränderungsfähigkeit. Erfasst die Lern- und Veränderbarkeit des Menschen auch dessen Unzufriedenheit und Leiden, steht ihm konsequenterweise auch die Verantwortung dafür zu. Sowohl diese Erkenntnis als auch die folgenden Versuche, das leidvolle Erleben zu verändern, können schmerzvoll sein – und zu neuem Leiden führen („verleiten“). Jedoch bedeutet all das nichts anderes, als dass sich Menschen verändern (können).40 4. Der Mensch strebt nach Autonomie Hat es mit Menschen schon seine Richtigkeit und Ordnung, selbst im Fall, dass sie sich oder andere schädigen, da sie gleichwohl lern- und veränderungsfähig sind und darüber ihre Entscheidungen treffen, dann ist es nur ein Schritt, in all dem den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit als Antwort auf die eigenen Lebensfragen zu erkennen oder kurz: Verantwortung. Verantwortung in diesem Sinne bezeichnet die Notwendigkeit, aber auch die Fähigkeit, eine Antwort auf die Tatsache des eigenen Lebens zu finden, die eigene Lebenszeit zu strukturieren und eigene Bedürfnisse ausreichend zu stimulieren. Verantwortung zu übernehmen bedeutet danach, die eigene Antwort zu finden und weniger eine von Bezugspersonen vorgegebene zu übernehmen bzw. die lebensnotwendige Tatsache der Verantwortung zu leugnen.41 Dem bewusstseinsfähigen Menschen kommt mithin von Beginn an denknotwendig Verantwortung zu und die Fähigkeit, diese nach ihrer eigenen Art und Weise auszubilden. Letztlich gilt es, das eigene Leben als Antwort auf dieses Leben zu leben. Verantwortung in diesem Sinne ist an sich frei von moralischer, ethischer oder rechtlicher Pflicht, sondern fordert selbst die Ausbildung einer eigenen Ethik und ist somit ein grundlegender Charakterzug des Lebens, der die Fähigkeit zur Fertigkeit reifen lassen möchte, die eigene Antwort in der sozialen Lebensgestaltung bewusst zu geben. 40  Dass die Theorie der Transaktionsanalyse die menschliche Fähigkeit des Lernens, der Veränderbarkeit und Verantwortlichkeit nicht erfasse, sondern zum Verständnis pathologischer Zustände entwickelt wurde, behauptet irrigerweise Zalcman ZTA 1993, 75. 41  s. auch die Ausführungen bei Quitmann 1996, 86 zur existenzialistischen Auffassung von Verantwortung.



I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse233

Die Frage nach der Verantwortung ist die Frage nach der Qualität der Reaktion. Es handelt sich dabei nicht um eine inhaltliche, wertebezogene Qualität, sondern um die Qualität, sich möglichst vieler Umstände der eigenen Reaktion und ihrer möglichen Konsequenzen bewusst zu sein und sich ihrer später, bei ihrem Eintritt, abermals reagierend auch damit verantwortlich ihrer anzunehmen. Für jeden geht es darum, das eigene Erleben samt seiner Empfindungen, Gedanken und Verhaltensweisen in den eigenen bewussten Verantwortungsbereich zu heben. Dieses Streben nach Wachstum und Verantwortung, der Ausbildung der Fähigkeit, fühlend, denkend und handelnd die eigene Antwort auf den eigenen Lebensvollzug zu geben und damit im menschlichem Leben eine Ziel- und Sinnorientiertheit zu erkennen42, erfasst die transaktionsanalytische Konzeption unter dem Dach der Autonomie des Menschen.43 Daraus leitet sich eine weitere und nicht zu unterschätzende Konsequenz ab, der in der transaktionsanalytischen Theorie und Praxis hohes Gewicht beigemessen wird: Jeder trägt nur für sich selbst die Verantwortung.44 Es mag eine Sache sein, der Tatsache zuzustimmen, dass jeder für sich selbst 42  Das gilt auch für destruktive Verhaltensweisen gegen sich oder andere. Sie entsprechen (s)einer momentanen Verfassung und individuellen Ordnung. Um diesem – mitunter auf den ersten Blick unverständlichen – Verhalten Verständnis abzuringen, ist allerdings die vergangenheitsbezogene Frage nach dem „Warum?“ nur selten förderlich, oftmals hinderlich, da sie lediglich Rechtfertigungen herausfordert, die in Vergangenes und mithin Nicht-mehr-Existierendes verweisen. Ausgehend von der Gegenwart führt die Frage nach dem Sinn des Verhaltens („Wofür?“) zu einem Verständnis der aktuellen Verfasstheit des Menschen. Aus dieser Verfasstheit und individuellen Ordnung heraus ist das Verhalten sinnhaft, ähnlich Gührs /  Nowak 2002, 24. 43  Vgl. Berne 2001a, 244 ff.; Clarkson 1996, 24 ff.; Barnes 1979, 28; James / Jongeward 1984, 297; Gührs / Nowak 2002, 25; Bürki ZTA 1993, 208; Stewart / Joines 2008, 380 ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 1994, 1321; dies. 2001, 10, 14 („integrierte Persönlichkeit“); zur transaktionsanalytischen Historie des Begriffs Müller ZTA 2005. Um einer mitunter negativen Konnotation des Autonomiebegriffs zu begegnen, konkretisiert Schlegel 1995, 371 den Aspekt der sozialen Verbundenheit mit dem Begriff „bezogener Autonomie“, Schneider ZTA 2001, 159; ders. 2002, 101 mit „persönlicher Autonomie“ und Held ZTA 2002, 280 aufgrund seines konstruktivistischen Ansatzes mit „systemisch-bezogener Autonomie“; ganz auf dieser Linie speziell für Paarbeziehungen auch Maaz 2007, 154 ff. („Eigenständigkeit in Bezogenheit“). All diese begrifflichen Ergänzungen sind einer kommunikativen Anschlussfähigkeit geschuldet, um zu verhindern, dass das Verständnis von Autonomie und Eigengesetzlichkeit zu einem Missverständnis reift, dass es hierbei um Egozentrik und Selbstbezogenheit ohne Umweltkontakt ginge. Daraus ist jedoch nicht zu schlussfolgern, dass die ursprüngliche Bezeichnung der Autonomie eine sozialautistische, autarke Persönlichkeit beschrieben hätte, ergänzend dazu Gührs / Nowak 2002, 25. 44  In begrüßenswerter Deutlichkeit etwa Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 145.

234

D. Die Transaktionsanalyse

Verantwortung trägt, doch scheint es allgemein hin eine ganz andere zu sein, der Erkenntnis zuzustimmen, dass jeder letztlich nur für sich selbst die Verantwortung trägt, sowohl im Fühlen, Denken als auch Handeln. Weder die eigenen Empfindungen oder Gedanken, noch die daraus resultierenden Verhaltensweisen, hat ein anderer zu verantworten oder könnte dafür die Verantwortung übernehmen. Die Vorstellung, dass einem Mensch durch sein Handeln keine Verantwortung für die Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen anderer Menschen zukommt, entspricht auch tatsächlich nicht den geläufigen Vorstellungen unseres Kulturkreises. In der rechtsorientierten und -durchdrungenen Gesellschaft wirkt die Idee der Verantwortung als Ausgangspunkt der Idee einer Verpflichtung gegenüber jemand anderem. Verantwortung als Ausdruck der eigenen Antwort dient als Grundlage der Bewertung eines Dritten, so dass der Begriff der Verantwortung in die Nähe von Zurechnung und Schuld gerückt ist.45 Strebt der Mensch danach, zu lernen und zu wachsen und dadurch seine Verantwortung und Autonomie zunehmend intensiver wahrzunehmen, wird deutlich, dass Autonomie und Verantwortung „zugleich Besitz und Ziel“46 des Lebens sind. Keineswegs steigert sich die Verantwortung und Autonomie, wird größer oder schwerer wie ein Gegenstand oder unerträglich „wie ein Stein“. Was sich im Lebensprozess verändert, ist die bewusste Wahrnehmung und in diesem Sinne Übernahme durch Integration dieser vollkommenen und unumgänglichen Verantwortung.47 Insoweit strebt der Mensch nach etwas, was ihm sein Leben schlechthin bereits anheim gestellt hat. Deshalb handelt es sich bei diesem Streben darum, gegenwartsbezogen aus sich selbst heraus und im Kontakt mit seiner Umwelt zu empfinden, zu denken und zu handeln und auf diese Weise auf jene Umwelt bewusst, spontan und intim einzuwirken. Gelingt dies, gibt es keine unbeleuchteten Verantwortungsberei45  Dazu Jabandzic ZTA 2002, 36. Verantwortung ist nach transaktionsanalytischer Konzeption kein Etwas, das zwischen Protagonisten durch einen Dritten aufgeteilt werden könnte. Muss allerdings ein Dritter eine Situation beurteilen, namentlich einen Streit entscheiden, dann wird es erforderlich, Verantwortung als Ausgangspunkt derart zu konzeptualisieren, dass sie für Zurechnungen und Schuld handhabbar wird. Die Überführung des Sozialen in das Rechtssystem ist hierfür der klassische Fall. Das soziale Leben „mit dieser Brille betrachtet“, rückt den Begriff der Verantwortung in die Nähe von Schuld. In diesem Zusammenhang ist die Begriffsherkunft aufschlussreich. Der Begriff der Verantwortung stammt aus dem Mittelhochdeutschen im Zusammenhang mit dem Rechtsleben. Verantworten hieß damals, eine Anklage zu beantworten, sich den Vorwürfen zu stellen und sich oder das eigene Verhalten zu rechtfertigen, vgl. Ruge 2004, 161. 46  Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 23. 47  Zum ethischen Problem eines Therapie- und Beratungsverfahrens hinsichtlich der Definitionsmacht, was Autonomie ist: Schulz-Wallenwein ZTA 2004; Hagehülsmann ZTA 2005.



I. Der Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse235

che des eigenen Lebens mehr und andere „müssen“ nicht mehr für das eigene Erleben und Handeln verantwortlich gemacht werden.48 Nach Berne kennzeichnen drei Fähigkeiten menschliche Autonomie: Bewusstheit, Intimität und Spontaneität. Die autonome Person ist wahrnehmungsfähig, grundsätzlich freudvoll sowie eigenständig in ihren Urteilen, Entscheidungen und Handlungen. Sie entscheidet darüber in der aktuellen Situation, also spontan und nicht musterhaft. Sie berücksichtigt ihre Grundbedürfnisse und die äußere Realität und ist zu aufrichtiger Nähe zu anderen Personen in der Lage, ohne von ihr oder einer anderen Person vereinnahmt zu werden.49 Das bedeutet freilich nicht, dass das Leben so wird, wie der autonome Mensch es sich wünscht oder vorstellt. Für die Gesamtsituation trägt keiner allein die Verantwortung, aber jeder für sich und sein Erleben. Ausgangspunkt und hervorragendes Kennzeichen von Autonomie ist Bewusstheit.50 Sie befähigt dazu, die Gegenwart unmittelbar, d. h. ungehemmt und offen wahrzunehmen und zu empfinden. Es ist die ursprüngliche Fähigkeit, die uns und anderen durch „Erziehung“ zwar nicht abhanden kommt, weil sie noch nicht vorhanden war, aber zu deren Entwicklung wir nicht unbedingt angehalten und ermuntert werden. Sondern heranwachsende Menschen werden dorthin gezogen, wo andere sie wissen wollen, wo die Dinge eben so gesehen werden, wie sie die anderen sehen. Der bewusste Mensch hingegen begreift die Welt durch seine persönliche Begegnung mit ihr.51 Dinge und Ereignisse sieht und hört er unverfälscht, er schmeckt und riecht ihre Tatsächlichkeit und reagiert mit Körper und Geist übereinstimmend auf sie. Das gelingt nur durch und schafft zugleich Bewusstheit. Es ist ein wechselseitiger Vorgang, der linear-kausal nicht zu erfassen ist. Konsequenz von Bewusstheit, und deshalb ein wesentlicher Aspekt im Lernprozess des Lebens, ist das Spüren und Anerkennen eigener Freiheit. Bewusstheit ermöglicht zu erkennen, wer man ist und wie frei wir in Verbundenheit mit anderen tatsächlich sind. Autonomie, gekennzeichnet durch Bewusstheit, führt gerade nicht zu einer sozialautistischen, autarken Lebensgestaltung, sondern mündet in das Spüren der eigenen Soziabilität und bestenfalls in das Anerkenntnis des eigenen sozialen Wesenskerns. Es handelt sich um 48  Dies bedeutet freilich nicht, dass andere Menschen an der Situation, die Gefühle und Gedanken anregt sowie Verhalten herausfordert, keine Verantwortung tragen können. Jedoch tragen diese Menschen ihre eigene Verantwortung. 49  Hagehülsmann / Hagehülsmann 1994, 1321 mit Verweis auf Barnes 1979, 28. 50  Berne 2001a, 244 ff. (auch zum Folgenden); ausführlich zum Berneschen Autonomiebegriff Leinhos ZTA 1990. 51  James / Jongeward 1984, 298. Dieses Ziel entspricht der „Achtsamkeit“, wie sie der Zen-Buddhismus lehrt, vgl. Thich Nath Han 1997, 122 und Beck 2000, 246 ff., Sach / Faust 2008, 252 ff., 276 bzw. der „Aufmerksamkeit“, wie sie der Psychoanalytiker Schellenbaum 2005, 149 umreißt.

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D. Die Transaktionsanalyse Menschenbild der Transaktionsanalyse Menschen sind o.k. Sie leben selbstverwirklichend und aufeinander bezogen. (Kooperationsbereitschaft)

Bewusstheit

Menschen streben nach (Vervollkommnung ihrer) Autonomie. Ihr Leben ist ihre Verantwortung.

Autonomie Spontaneität

Intimität

Menschen können fühlen, denken und entsprechend handeln. Sie lernen und verändern sich.

Menschen treffen Entscheidungen und können sie widerrufen. Sie lernen und verändern sich durch Entscheidungen. Ihr Leben vollzieht sich entscheidend.

Abbildung 5: Elemente und Konsequenzen des transaktionsanalytischen Menschenbildes

eine Freiheit als Jemand, nicht von jemandem oder etwas. Bewusstheit hat deshalb im Kontakt mit anderen konsequenterweise Intimität zur Folge.52 Intimität beschreibt die Fähigkeit eines bewussten Menschen, im Hier und Jetzt offen für alles Seiende zu sein und sich mit seiner gesamten Persönlichkeit darauf einzulassen. Intimität im transaktionsanalytischen Sinne wird weder vorrangig noch ausschließlich im sexuellen Kontakt zu anderen Menschen be- und erlebt. Intimität ist in jeder zwischenmenschlichen Kontaktgestaltung be- und erlebbar.53 Spontaneität bedeutet die Freiheit, seine Gedanken und Empfindungen ungehemmt ausdrücken zu können. Spontaneität offenbart sich zwar (für den Beobachter) im Verhalten der Person, aber das beobachtbare Verhalten bleibt nur ein Indiz für die Spontaneität des Handelnden. Das erklärt, weshalb der spontane Mensch keineswegs jemand ist, der frei von Grenzen handelt. Jeder handelt innerhalb von Grenzen, aber der spontane Mensch ist frei vom Glauben, etwas tun oder unterlassen zu müssen und Grenzen bestehen immer noch, nur weil sie einstmals bestanden.54 52  Aus diesem Grund dürfte Jordan ZTA 2003 Autonomieentwicklung insbesondere unter dem Aspekt von Bindungs- und Beziehungsfähigkeit verstehen. 53  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 14; Lüthi ZTA 2004. 54  James / Jongeward 1984, 299.



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 237

Das eigene Fühlen, Denken und Handeln wird ausschließlich an der gegenwärtigen Situation ausgerichtet. Spontaneität verdeutlicht sich durch flexible Empfindungen und Gedanken sowie durch einen Zugang zu verschiedenen Möglichkeiten, auf eine gegenwärtige Situation zu reagieren.55

II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) Das transaktionsanalytische Persönlichkeitsmodell basiert im Ausgangspunkt auf der psychoanalytischen Vorstellungswelt von Freud, der die menschliche Psyche in ‚Es‘, ‚Ich‘ und ‚Über-Ich‘ (Instanzenlehre) gliedert56. Wenn sich auch Berne in dieser Tradition der Ich-Psychologen versteht, so nimmt er gleichwohl einschneidende und entscheidende Änderungen vor.57 Die von Berne gemeinten Ichzustände sind nach seiner Ansicht nicht bloß „griffige Ideen“ oder „interessante Neologismen“, sondern „tatsächliche, real erfahrbare Phänomene“58. Das unterscheide sich von den Instanzen, die Freud beschreibt.59 Bernes Nachfolger allerdings erkennen – ganz auf der Linie konstruktivistischer Erkenntnisse, dass auch die Ichzustände „bloß“ Denkmodelle darstellen, nützliche Metaphern, um erlebbare Phänomene einordnen zu können.60 Unabhängig von den Details dieser Diskussion, die sich auf der Grundlage der hier vertretenen konstruktivistischen Erkenntnistheorie erübrigt, lässt sich feststellen, dass sich das transaktionsanalytische Persönlichkeitsmodell auf das Freudsche ‚Ich‘ jedenfalls bezieht, aber ohne das ‚Es‘ und ‚Über-Ich‘ entsprechend zu konzeptualisieren.61

55  Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg

2007, 23. schreibt dem ‚Es‘ die Gesamtheit der biologischen Bedürfnisse zu, dem ‚Über-Ich‘ die internalisierten Eltern, die sich aus Gründen der Moral den triebhaften und elementaren Äußerungen der Persönlichkeit widersetzen und dem ‚Ich‘ die realitätsbezogene Vermittlerfunktion, s. dazu auch Schlegel 1995, 13 f. 57  Schulze 1992, 149 f. m. w. N.; zur „Neopsychologie“ (oder „Ich-Psychologie“) s. Schönpflug 2006, 317 f.; Pervin / Cervone / John 2005, 123 ff. 58  Berne 2006, 32; zu Korrelationen der Hirnarchitektur mit Ichzuständen Kämmerling ZTA 1993; Allen ZTA 2003. 59  Stewart / Joines 2008, 42 f.; Schlegel ZTA 1992, 52 weist darauf hin, dass Berne sich selbst teilweise von früheren Aussagen diesbezüglich distanziert hat. 60  Steiner 1989, 41; Wartenberg ZTA 1987, 8; Moiso / Novellino ZTA 2004, 10; Tyrangiel ZTA 2004, 195; anders offenbar James / Jongeward 1984, 34; zum Ganzen Schlegel ZTA 1992, 52. 61  Vgl. Berne 2005, 195 f. und Steiner 1989, 41; aber auch die Interpretation von Müller ZTA 1995, 151 ff. 56  Freud

238

D. Die Transaktionsanalyse

ÜBER-ICH

Bezüge

ICH

ES

Ichzustände

Bezüge

Quelle: Sell 1989, 42. Abbildung 6: Das transaktionsanalytische Persönlichkeitsmodell und das Freudsche Instanzenmodell

Was wird nun konkret als Ichzustände bezeichnet? Berne selbst definiert einen Ichzustand nicht einheitlich.62 Ichzustände seien jedenfalls beobachtbare Weisen des Seins und stellen ein jeweils kohärentes Zusammenspiel aus Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen dar.63 Indem ein Ichzustand als ein Muster aus Fühlen, Denken und Verhalten gekennzeichnet ist, anerkennt die transaktionsanalytische Konzeption das unumgehbare Zusammenspiel von Fühlen und Denken, das in Verhalten mündet und bringt „Kopf und Bauch wieder zusammen“, weil sie stets nur zusammen (im Verhalten) be- und erlebbar sind. Indem diese drei Ebenen in Ichzuständen konzeptualisiert werden, werden sie zu drei Zugängen zum Menschen. Die Beobachtung des Verhaltens ermöglicht zum Beispiel Hypothesen auf (korrespondierende) Gedanken und Gefühle. Entsprechendes gilt für Gedanken und Gefühle als Zugänge. Damit ist die irrige Annahme, dass Gefühle beim Denken oder Handeln außen vor 62  Berne 2006, 28 („Geisteszustände und die jeweils darauf bezogenen Verhaltensmuster“); Berne 2001, 26 („… kohärente Gedanken- und Gefühlssysteme, die durch entsprechende Verhaltensmuster zum Ausdruck gebracht werden.“); Berne 1974, 70 („Teilpersönlichkeiten“). Diese Vielzahl an Erklärungen dürfte sich daraus ergeben, dass Berne zwar in Anlehnung an die Psychoanalyse sein System begründete, gleichwohl aber einen eigenständigen Weg zu gehen beabsichtigte; so Schlegel ZTA 1992, 52 f. 63  Berne 2001, 26; ähnlich Schulze 1992, 150; Christoph-Lemke / Weil ZTA 1997, 44; Stewart / Joines 2008, 39; Stewart 1993, 60 f.; Schneider ZTA 2001, 148. Ob die erlebbaren Ichzustände ihrerseits auf sog. ‚Psychischen Organen‘ beruhen, die als „innerer Ausgangspunkt“ der in die Welt gebrachten Ichzustände fungieren, bedarf hier keiner Klärung. Denn praktisch hat diese Unterscheidung keinen Nutzen und wird auch von Berne selbst als bedeutungslos eingestuft, dazu Schlegel ZTA 1993, aber auch Wartenberg ZTA 1988, 50, 54 ff.; ders. ZTA 1996.



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 239

gelassen werden können oder dass Fühlen ohne Gedanken möglich ist, konzeptionell behoben.64 Das ist einerseits eine „geniale Idee“65 und zwingt an­ dererseits zu einer ganzheitlichen Betrachtung, was einen der Vorzüge der Transaktionsanalyse ausmacht. Die Transaktionsanalyse klassifiziert diese (un­ endlich) vielen Seins- und Erlebnisweisen in drei „Wesensseiten der Persönlichkeit“66, die der Person zur Verfügung stehen, und betitelt sie als Eltern-Ich-, Kind-Ich- und Erwachsenen-Ichzustände.67 Bedeutsam ist, dass jede Person über jeden Ichzustand grundsätzlich frei verfügen kann. Die Person hat prinzipiell die Wahl, wie sie ihre Umwelt wahrnimmt und mit welchem Ichzustand sie die Welt empfindet, gedanklich wahrnimmt und sich in ihr verhält. Oder anders gewendet, kein Mensch ist sein Ichzustand, sondern nutzt ihn, um sich auf die entsprechende Weise zu erleben und auszudrücken.68 Die Gesamtperson unterscheidet sich folglich von seinen Ichzuständen, in denen sie sich freiwillig befinden oder unversehens wieder finden kann.69 Allerdings handelt es sich bei Ichzuständen nicht um das Phänomen, das soziologisch oder sozialpsychologisch als „Rolle“ bezeichnet wird. Rolle und Ichzustand bezeichnen Unterschiedliches.70 Während ein „Ichzustand“ ein kohärentes System aus Empfindungen, Gedanken und Verhaltensweisen ist, das eine momentane psychische und physische Organisationsstruktur ausdrückt71, ist eine „Rolle“, die familiär, beruflich, privat oder irgendwo sonst eingenommen wird, ein sozial mehr oder minder erwartetes Verhaltensprogramm, wenn auch mit ihm bestimmte Gedanken und Gefühle verbunden sein werden.72 Die Rolle beschreibt den „gesellschaftlichen 64  Das schließt freilich nicht die – häufig beobachtbare – Tatsache aus, dass sich Menschen über einzelne Ebenen ihrer Ichzustände nicht bewusst sind und daher meinen, sie gäbe es nicht. 65  Mohr ZTA 2009, 201. 66  Schlegel ZTA 1992, 36 m. w. N. 67  Berne 2006, 28 („Jeder hat alle Ichzustände.“), Schlegel ZTA 1992, 35 ff.; andere Autoren, bspw. Rautenberg / Rogoll 2007, 17, nennen sie – wohl aus didaktischen Erwägungen – die lehrenden, reflektierenden und kindhaften Haltungen. Inhaltlich unterscheiden sich diese Begriffe nicht. 68  Vgl. Schlegel ZTA 1991, 5; ders. ZTA CD-ROM 2000, 73; Schneider ZTA 2001, 149; James / Jongeward 1984, 36. 69  Aus dieser Erwägung ist es mehr und mehr üblich, die grafische Darstellung nicht mehr nur mit den drei übereinander gelegten Kreisen vorzunehmen, vgl. etwa Schneider ZTA 2001, 150 m. w. N. 70  Berne 2006, 224. 71  So Kämmerling ZTA 1993, 34. Mitunter wird das zusammenhängende Muster aus Gefühlen, Gedanken und äußerlich sichtbarem Verhalten schlicht als „Verhaltensweise“ bezeichnet, so etwa Schneider ZTA 2001, 148. 72  Beispiele: Ein Beamter „hat“ sich so zu verhalten, ein Kunde „ist“ König und als Pfarrer „hat man“ sich so zu benehmen.

240

D. Die Transaktionsanalyse

Forderungsdruck“73, während der Ichzustand, in dem sich die Person ausdrücken möchte, innerhalb ihrer sozialen Rolle gleichwohl frei bestimmbar bleibt und nur von individuellen Grenzen bedingt ist.74 Die Transaktionsanalyse konzeptualisiert Ichzustände nicht nur zu einem Persönlichkeitsmodell, sondern auch zu einem Verhaltensmodell. Das transaktionsanalytische Modell der Gesamtpersönlichkeit erfasst das Strukturmodell, das transaktionsanalytische Modell des menschlichen Verhaltens findet seinen Niederschlag im Funktionsmodell.75 Doch für welche Zwecke dienen diese Modelle? Wann findet welches Anwendung? Stellt sich die Frage, woher eine Fühl-, Denk- und Verhaltensweise einer Person stammt oder welchen historischen Bezug ein Gefühl, Gedanke oder Verhalten aufweist, so bietet das Strukturmodell Antworten. Im Strukturmodell lassen sich ichzustandsbezogene Strukturen verorten. Solche Inhalte, Speicherungen und Ablagerungen, Prägungen und Erfahrungen einer Person, die sich stets in einem kohärenten System aus Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen wieder beleben und aktualisieren können, werden im Strukturmodell dargestellt.76 Wird danach gefragt, wie sich die Gesamtpersönlichkeit (für Dritte!) zeigt, wie sie sich ausdrückt, also funktioniert, bietet das Funktionsmodell Antworten. Es handelt sich um das Modell „der 73  Schlegel 2002, 146. Berne 2006, 224 selbst erkennt für die Rolle als wesentliches Merkmal, dass derjenige, der sie innehat, sie „wie ein Schauspieler“ spiele, verkennt dabei aber, dass eine sozialpsychologische Rolle nicht wie eine Schauspielrolle bloß gespielt wird. Die sozialpsychologische Rolle fühlt sich „echt“ an, so dass der Schauspielvergleich allenfalls trägt, wenn ein Schauspieler sein Schauspiel aufgibt und die Rolle verinnerlicht hat und in diesen Momenten eben so ist, dass die Schauspielerperson buchstäblich verschwunden ist. Das entspricht der Schauspielmethode nach Stanislawski & Straßberg (Method Acting), wie sie etwa von Marlon Brando oder Robert de Niro praktiziert wurde. 74  Beispiel: Ein Lehrer hat sozialpsychologisch eine elternähnliche Rolle inne, kann sie aber mit allen seinen Ichzuständen ausfüllen – ganz nach didaktischen Zwecken oder individuellen Begrenzungen. Dazu auch English 2001, 210. Schmid 2004, 83 ff., insbes. 96 ff.; ders. 1994, 55 ff. begründet aus systemischer Sicht das „Drei-Welten-Modell“, um soziale Rollen (der Professionswelt, der Privatwelt und der Organisationswelt) mit Ichzuständen in einem Gesamtkonzept formulieren zu können. Mohr 2000, 213 ff.; ders. 2008, 108 ff. erweitert das Drei-Welten-Modell mittels der Gemeinwesenwelt zu einem „Vier-Welten-Modell der Personenrollen“. 75  Das Funktionsmodell ist im engeren Sinne kein Persönlichkeitsmodell, wird an dieser Stelle der Arbeit aber vorgestellt, damit die unterschiedliche Verwendung von Ichzuständen herausgehoben wird. Es ist bedauerlich, dass von Beginn an beide Dimensionen, Struktur und Funktion, identisch benannt wurden (Eltern-Ichzustand, Erwachsenen-Ichzustand und Kind-Ichzustand), so dass Missverständnisse allein dadurch gefördert werden. 76  Ähnlich Stewart / Joines 2008, 68; vgl. auch Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 28.



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 241

Beobachtung bevorzugter Haltungen“77, das etwa Fragen des ‚Wirkens nach außen‘, des ‚Inerscheinungtretens‘ unterschiedlicher Ausdrucksweisen einer Persönlichkeit beantwortet. Es vermag aber keine Antworten geben, wenn es darum geht, wie die Person momentan ist, also was sie momentan fühlt, denkt und handelt, sondern nur, wie sie sich für beobachtende Dritte in diesen Dimensionen zeigt. Das Funktionsmodell ist deshalb ein Verhaltensmodell. Die aktuelle Funktionsweise eines Menschen vermag ein Beobachter, der jener selbst sein könnte, in dieses Modell einzuordnen, um daraus weitergehende Hypothesen, wie z. B. nach der Struktur, zu bilden.78 Ein Persönlichkeitsmodell ist es nicht. Mag das erlebte Verhalten einer Person auch Hypothesen zur Struktur ermöglichen, bleibt beides, Beobachtung und Persönlichkeitsstruktur, doch Verschiedenes. Die Transaktionsanalyse arbeitet deshalb mit dem Funktionsmodell, wenn sie zeigen will, wie Menschen miteinander umgehen. Zur Analyse von (kommunikativem) Verhalten ist deshalb das Funktionsmodell zu verwenden. Das Strukturmodell ist heranzuziehen, wenn geklärt und aufgezeigt werden will, was in dem Menschen (innerlich) abläuft bzw. wie er verfasst ist und was seine Ordnung ausmacht.79 Das Strukturmodell bezieht sich auf die Erlebnisgeschichte und die Herkunft des Individuums, stellt die Gesamtpersönlichkeit in seine Historie, während das Funktionsmodell das – für einen Beobachter – erlebbare Verhalten zu ordnen erlaubt. Gemeinsam ist den Ichzustandsmodellen, dass sie Beschreibungsmodelle sind, die darüber informieren, was und wie es vor sich geht oder nicht. Es sind weniger Erklärungsmodelle, die erhellen, warum etwas vor sich geht oder eben nicht.80 Sowohl das Strukturmodell als auch das Funktions­ 77  Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg

2007, 28. ZTA 2003 zieht deshalb zur Erläuterung des Funktionsmodells das „Innere Team“-Modell von Schulz von Thun heran. Zum Inneren Team Schulz von Thun 2008b; Schulz von Thun / Stegemann 2004. Obschon dieses Vorgehen praktikabel ist, muss – zumindest bei der theoretischen Grundlegung – bedacht werden, dass das Innere Team-Modell als Persönlichkeitsmodell konzipiert wurde, vgl. Schulz von Thun 2004, 29; ders. 2008b, 181 ff. 79  Stewart / Joines 2008, 69; ähnlich Rath ZTA 1992, 102, 109 f., der zutreffend von einem „mix of concepts“ (S. 104) spricht, wenn nicht zwischen Struktur und Funktion, Erklärungs- und Beschreibungsmodellen unterschieden wird. Diese erforderliche Differenzierung findet vorliegend eine Parallele bei der Betrachtung des „Rechtssystems“. Im Vergleich von Recht und Mediation wurde auf das Funktionieren des Rechtssystems zurückgegriffen, nicht auf die Inhalte bzw. dessen Struktur, vgl. Kap. C. IV. 1. b). Zur Funktionsanalyse des Rechts diente die Systemtheorie nach Luhmann, weil sie die Konsequenzen des Rechtssystems für die Umwelt verdeutlicht. Es wäre unergiebig gewesen, die Inhalte von Recht und Mediation zu vergleichen, da Mediation lediglich „Funktion“ und „Prozess“ ist, nicht aber inhaltliche Struktur für die künftige Beziehung vorgibt. 80  Rath ZTA 1992, 104. 78  Mohr

242

D. Die Transaktionsanalyse

EL

Eltern-Ichzustand

ER

Erwachsenen-Ichzustand

K

Kind-Ichzustand

Quelle: vgl. Berne 2001, 27. Abbildung 7: Transaktionsanalytisches Grundmodell der Persönlichkeit

modell werden traditionell in der Transaktionsanalyse mit den drei über­ einander postierten Kreisen dargestellt.81 Diese symbolisieren den sog. Eltern-Ichzustand, den Erwachsenen-Ichzustand und den Kind-Ichzustand. Diese grafische Darstellung hat sich zum Signet der Transaktionsanalyse entwickelt. 1. Das Strukturmodell Jedes Individuum, das sich ein paar Jahre auf dieser Welt entwickeln konnte und keine schweren Hirnschädigungen aufweist, kann sich in unzähligen Ichzuständen befinden und damit fühlen, denken und entsprechend handeln.82 Diese unzähligen Ichzustände können letztlich drei erleb- und unterscheidbaren Qualitäten zugeordnet werden83, so dass die transaktionsanalytische Diktion im Rahmen des Strukturmodells84 drei Ichzustände kategorisiert. Es symbolisiert, dass die Gesamtpersönlichkeit sowohl die im wahrsten Sinne beeindruckenden Vorbildfiguren (etwa die Eltern) „verinner81  Andere grafische Darstellungen haben sich bisher nicht durchgesetzt, mögen sie auch die Unterschiede grafisch verdeutlichen, die zwischen dem Funktionsmodell und dem Strukturmodell bestehen; vgl. etwa Wartenberg ZTA 1988. 82  Holloway 1980, 28 („Tatsächlich gibt es Tausende über Tausende von Ichzuständen“); Schulze 1992, 153 („viele tausend verschiedene Ichzustände“); Kämmerling ZTA 1993, 34 („Jeder Augenblick ist ein eigener Ichzustand.“); anders Berne 1979, 193 f.; 2005, 195 („Jeder Mensch hat ein begrenztes Repertoire an Ichzuständen zur Verfügung, die wiederum in drei Kategorien unterteilt werden können.“), der hier nur hervorheben wollte, dass es sich bei Ichzuständen um übernommene und daher begrenzte Verhaltensmuster handelt, statt um eigene Kreationen mit einer deshalb potentiell unbeschränkten Vielzahl. Zum Ganzen Schlegel ZTA 1992, 34 ff. 83  Dazu Sell ZTA 2009, 101; Stewart / Joines 2008, 33 f.; Schulze 1992, 153. 84  Das Strukturmodell wird auch als „Ursprungsmodell“ bezeichnet, vgl. Schlegel 1995, 18.



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 243

licht“ und seine entsprechenden Reaktionen im eigenen Denken, Fühlen und Verhalten „speichert“ als auch einen im Hier und Jetzt agierenden Zustand aufweist. Jeder Mensch formt in sich seine realen Bezugspersonen sowie seine eigenen Reaktionen. Diese Speicherungen (vergangener Ichzustände) können später und werden später häufig abgerufen. Das ist keine bloß kognitive Erinnerung, sondern eine empfundene, erlebbare Wiederbelebung auch im Handeln. Die Person fühlt, denkt und handelt so wie früher einmal. Das Strukturmodell ermöglicht, in all diesen Abdrücken der eigenen Geschichte, den Prägungen und Einfaltungen der Zeit und damit den persön­ lichen Strukturen Ordnung zu bringen.85 Wenn auch der Gedanke, dass der Mensch unterschiedliche Ichzustände aufweisen kann, nicht originär von Berne stammt, so ist ihm jedoch der Gedanke zuzuschreiben, ihr Zusammenwirken sowohl intrapsychisch als auch in Bezug zur Außenwelt zu formulieren.86 a) Der strukturelle Kind-Ichzustand Der Kind-Ichzustand ist als Speicher aller Erfahrungen zu verstehen, die man als Kind und im weiteren Verlauf seines Lebens gemacht hat.87 Alle Empfindungen und Gedanken sind hier aufgezeichnet, ebenso wie das dazugehörige frühere Verhalten. Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen, die die Persönlichkeit wiederbelebt und damit auf eine aktuelle Situation reagiert, wie sie es früher (in einer ähnlichen Situation etwa) bereits schon einmal getan hat, sind Äußerungen eines Kind-Ichzustandes.88 In diesem Falle ist der Mensch „Kind-Ich gesteuert“.89 85  Verhaltensbeobachtung ermöglicht Dritten, über diese Ordnung Hypothesen zu bilden, jedoch nur direkte Kommunikation (Nachfragen) ermöglich Erkenntnis, vgl. Schlegel 1995, 21; Schneider ZTA 2001, 152 m. w. N. 86  Vgl. Sell ZTA 2009, 101. 87  Vgl. Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 25; Berne 1974, 71 („[Der Kind-Ichzustand] … lässt erkennen, dass in jedem Mann noch der kleine Junge steckt, der er einst war, in jeder Frau das kleine Mädchen. Dies ist der Kind-Anteil der Persönlichkeit […] Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Kind nicht als Prügelknabe dienen darf, ist es doch der beste Teil der Persönlichkeit […] der schöpferisch und spontan ist, klug und liebenswürdig, so wie eben Kinder sind.“ Dass Kinder „auch mürrisch, unverschämt und rücksichtslos, ja sogar grausam“ sein können, verschweigt Berne im Folgenden keineswegs.). 88  Da es eine Vielzahl von Ichzuständen gibt, die lediglich klassifizierbar sind, wird in der neueren transaktionsanalytischen Literatur nicht mehr von dem Ichzustand, sondern von einem Ichzustand gesprochen, instruktiv Schneider ZTA 2001, 149 m. w. N. 89  Schlegel ZTA 2001, 77 nennt „Kind-Ich gesteuertes“ Verhalten kindheitliches Verhalten. Äußerungen des funktionalen Kind-Ichzustandes (Funktionsmodell) nennt er hingegen kindliches Verhalten.

244

D. Die Transaktionsanalyse

b) Der strukturelle Eltern-Ichzustand Bestimmte Ichzustände der Persönlichkeit ähneln den Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen der Eltern oder sonstiger Bezugspersonen. Der Mensch hat in diesen Fällen die Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen, wie er sie erlebt hat, in sich aufgenommen und bildet daraus die Kategorie des Eltern-Ichzustandes.90 Freilich sind die eigenen Eltern hier zuvorderst „vertreten“, doch beschränkt sich der Ichzustand keineswegs nur auf sie; auch ältere Geschwister etwa, Großeltern, Tanten und Onkel oder Lehrer und Sporttrainer sind im Eltern-Ichzustand gespeichert und repräsentiert. Deshalb handelt es sich in erster Linie um Werte, Ge- und Verbote, die als ungeprüfte Überzeugungen gespeichert sind und zu Vorurteilen führen können.91 Es gehören hierher letztlich alle Strukturen, die aus einstmals übernommenen Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen bestehen. Es handelt sich um imitatorische Elemente. „Eltern-Ich gesteuert“ ist der Mensch, wenn er so fühlt, denkt und entsprechend handelt, wie es die abgespeicherten Personen vorgelebt oder aufgetragen haben.92 c) Der strukturelle Erwachsenen-Ichzustand Andere Ichzustände der Persönlichkeit sind Äußerungen und Reaktionen im Denken, Fühlen und Verhalten, die sich auf das Hier und Jetzt beziehen. Der Erwachsenen-Ichzustand, der nicht aus der Vergangenheit herrührt93, sondern anhand der aktuellen Realität kreiert ist und sich zumeist sachlich im Denken, empfindsam im Fühlen und angemessen im Verhalten zeigt, ist der Erwachsenen-Ichzustand des Menschen.94 Dieser Ichzustand hat insoweit keine vergleichbaren Inhalte wie das Eltern-Ich oder das Kind-Ich, die wiederbelebte Gefühls-, Gedanken- und Handlungswelten sind. Das Erwachsenen-Ich ist nicht bloß eine gegenwärtige Reaktion der Persönlichkeit, sondern eine Reaktion auf diese Gegenwart – ohne Vergangenes gegenwärtig wieder zu beleben. Strukturell ist das Erwachsenen-Ich nicht nach seinem Herkommen aufzufassen.95 90  Berne 1974, 70 („Der Elternteil sagt uns, was wir tun sollen, wie wir uns benehmen sollen, wie gut oder schlecht wir sind, wie viel besser oder wie viel schlechter die anderen. Kurz gesagt, er macht kritische Anmerkungen zu allem, was wir tun […] Wir wissen genau, wann die Eltern in uns und durch uns sprechen.“). 91  Ähnlich Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 25 f. 92  Vgl. Schlegel ZTA 2001, 77 (‚elterliches Verhalten‘, statt des funktionalen ‚elternhaften Verhaltens‘). 93  Diese Negativbestimmung verwendet Berne 2006, 46; vgl. Schlegel 1995, 19. 94  Positivbestimmung eines Erwachsenen-Ichzustandes z. B. bei Schneider ZTA 2001, 150. 95  Schlegel ZTA 1992, 41.



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 245

Dieser Zustand hat an sich wenig mit dem Alter der Person zu tun, sondern ist eine aktuelle und aktualisierbare Qualität, die sich frühzeitig zu entwickeln beginnt.96 Das Erwachsenen-Ich ist strukturell der „Problem­ löser“97 des Individuums gegenüber der Umwelt und übernimmt innerlich eine „Vermittlerfunktion“98 zwischen den Speicherungen der Eltern-Ich- und Kind-Ichzustände, die auf die momentane Situation aktiviert zu werden drohen. Dank ihm ist es überhaupt möglich, autonomes Fühlen, Denken und Handeln auszubilden.99 Die Transaktionsanalyse differenziert im Übrigen in der strukturbezogenen Modellbildung der menschlichen Persönlichkeit in höhere Ordnungen 96  Rüttinger 2005, 22 und Schulze 1992, 156 gehen beispielsweise davon aus, dass sich der Erwachsenen-Ichzustand mit etwa fünf Jahren zu entwickeln beginnt. Berne 1974, 71 (Auch hat diese Qualität „nichts mit „Aufrichtigkeit“ zu tun, denn auch Diebe und Betrüger entscheiden unübertrefflich darüber, wann sie was zu tun haben.“). 97  Berne meinte unter anderem, der Erwachsenen-Ichzustand arbeite wie ein Computer (1974, 71; 2001, 27). Zum transaktionsanalytisch inspirierten Vergleich von Gehirn und Computer Kämmerling ZTA 1993, 7 ff. Aus der Äußerung Bernes schlussfolgerten einige Transaktionsanalytiker, dass der Mensch im ErwachsenenIchzustand „wie ein Computer sei“ und damit ausschließlich rational und technokratisch arbeite, womit insbesondere eine Gefühllosigkeit assoziiert und verstanden wurde. Angenommen wurde, dass der Mensch im Erwachsenen-Ichzustand keine Gefühle habe, so etwa Steiner 1989, 43; Goulding / Goulding 2005, 38; anders Holloway 1980, 30; Bennett 1977, 34 f.; Stewart / Joines 2008, 33; Rautenberg / Rogoll 2007, 54; Rüttinger 2005, 22, 23; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 17. Instruktiv dazu, ob der Erwachsenen-Ichzustand Gefühle beherbergt Schlegel 1995, 46; ders. ZTA 2001, 86 ff. Die Debatte ist allerdings nur verständlich, wenn man im Blick behält, ob das Funktionsmodell mit dem Strukturmodell vermischt wurde. Strukturanalytisch ist ein Erwachsenen-Ichzustand das kohärente Muster von Fühl-, Denk- und Verhaltensweisen, mit dem die Gesamtpersönlichkeit auf das, was gegenwärtig geschieht, reagiert. Insoweit gehören Gefühle auch zum Erwachsenen-Ichzustand. Im Funktionsmodell, mit dem sich darstellen lässt, wie sich Ichzustände (für Dritte) zeigen, das also ein Verhaltensmodell ist, wird der Erwachsenen-Ichzustand regelmäßig an einem nüchternen, emotionslosen Verhalten „erkannt“. Das heißt aber nicht, dass tatsächlich, also strukturell keine Gefühle vorhanden sind. Gefühle sind immer und in jedem strukturellen Ichzustand vorhanden, zuweilen aber nicht für Dritte erkennbar. 98  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 26 nennen den Erwachsenen-Ichzustand deshalb ausdrücklich „Mediator“. 99  Ausführlich und zusammenfassend Copray ZTA 1986, 66 ff.; Sell ZTA 2009, 101. Der strukturelle Erwachsenen-Ichzustand überprüft die Speicherinhalte des Eltern-Ichzustandes auf ihre aktuelle Tauglichkeit und Sinnhaftigkeit und „beschützt“ das Individuum, wenn dessen impulsiver oder zur Trägheit neigender Kind-Ichzustand reale Gefahren außer Acht lässt; Schulze 1992, 156; Rüttinger 2005, 23 f. mit Beispielen. Dem strukturellen Erwachsenen-Ichzustand wird – infolge seiner überprüften Inhalte – die Fähigkeit zu ethischer Prinzipientreue, Wahrhaftigkeit und Empathie zugeschrieben, vgl. Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 24.

246

D. Die Transaktionsanalyse

Person

Eltern-Ichzustand EL

Früher von anderen übernommene, musterhafte Fühl-, Denk- und Verhaltensweisen.

ER

Heute auf die Situation bezogene und bewusst ausgewählte Fühl-, Denk- und Verhaltensweise.

K

Erwachsenen-Ichzustand

Kind-Ichzustand

Früher selbst erlebte und daraus abgeleitete, musterhafte Fühl-, Denkund Verhaltensweisen.

Abbildung 8: Strukturmodell der menschlichen Persönlichkeit

und zeichnet auf diese Weise die individuelle Entwicklung nach.100 Insbesondere für therapeutische Beratungskontexte bietet sich die Arbeit mit diesen Strukturmodellen höherer Ordnung an. Vorliegend werden sie deshalb hier nur knapp erwähnt und bleiben ohne weitere Berücksichtigung.101 100  Zum Strukturmodell zweiter Ordnung, das ein entwicklungsbiologisches und -psychologisches Erklärungsmodell darstellt, s. statt vieler Schlegel ZTA 1992. Zur umstrittenen und ungeklärten Aufteilung des Erwachsenen-Ichzustands in der Darstellung höherer Ordnungen Schlegel ZTA 2001; Tudor ZTA 2005; Stewart / Joines 2008, 59 ff.; Barnes 1979, 34 und lesenswert English 2001, 54 ff. sowie Schneider ZTA 2001. Dazu folgende Übersicht:

Das Strukturmodell zweiter Ordnung Eltern-Ichzustand (El 2)

Erwachsenen -Ichzustand (ER 2) Kind-Ichzustand (K 2)

EL3

EL3

ER3

ER3

K3

K3

ER2

Verinnerlichte Eltern(-figuren)

Erwachsenen-Ichzustand Eltern-Ichzustand im Kind-Ichzustand

EL1 ER1 K1

(„magische Elternfiguren“ / „Schweine – Eltern – Ich“ / „Hexenmutter“ / „gute Fee“ / „lieber Pate“ „freundliche Weihnachtsmann“ / „Spongy“)

ER-Ichzustand im Kind-Ichzustand

(„kleiner Professor“ / „kleiner Pfiffikus“ / „Spunky“)

Kinder-Ichzustand im Kind-Ichzustand („somatisches Kind“ / „Sleepy“)

101  Zuweilen wird das Strukturmodell durch Übertonung einiger Elemente vereinfacht. Dieses vereinfachende Modell stellten in der transaktionsanalytischen Literatur insbesondere Harris 2001 sowie Harris / Harris 2001 dar, instruktiv dazu Schlegel ZTA 1986, 62 f. Danach handelt im Erwachsenen-Ichzustand, wer denkt, im Eltern-



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 247

Wie dieser „strukturierte Mensch“ seinem Leben Gestalt gibt und in Bezug zur Umwelt funktioniert, verdeutlicht das – im Folgenden erläuterte – transaktionsanalytische Funktionsmodell. 2. Das Funktionsmodell Das Funktionsmodell verdeutlicht, wie der Mensch seine (innere) Struktur in die Welt bringt, sich äußert und in der zwischenmenschlichen Interaktion agiert.102 Es ist ein Verhaltensmodell und die einzelnen Ichzustände können anhand einer verhaltensorientierten Funktionsanalyse der sich äußernden Persönlichkeit erkannt und in dieses eingeordnet werden. Aus dem beobachtbaren Verhalten kann andererseits nicht ohne Weiteres auf die Struktur der Persönlichkeit geschlossen werden. Ebenso wenig zeigt die verhaltensorientierte Funktionsanalyse, welch inneres Kräftespiel in der Person wirkt.103 Das Funktionsmodell allerdings ermöglicht, zwischenmenschliche Interaktionen, die sog. Transaktionen, zu kennzeichnen und zu analysieren.104 Hier geht es zunächst um den funktionalen Aspekt nur einer Persönlichkeit. Dafür werden in einem ersten Schritt die kategorisierbaren IchzuIchzustand, wer urteilt und im Kind-Ichzustand, wer fühlt. Diese schlichte Kategorisierung ist allerdings mit der Ichzustandstheorie nicht vereinbar: Jeder Ichzustand ist ein Zusammenspiel aus Empfindungen, Gedanken und Verhaltensweisen, vgl. Stewart / Joines 2008, 45 f. Das vereinfachende Modell mag mitunter praktikabel sein und einen „wahren Kern“ offen legen, namentlich, dass die Eltern die Realität (für die Kinder) definieren, die Erwachsenen sie denkend untersuchen und das kleine Kind sie vor allem empfindet und erlebt. Jedoch besteht die Gefahr durch Überbetonung einzelner Elemente zugunsten einer plausiblen Vereinfachung Entscheidendes zu unterschlagen: Im vereinfachenden Modell wird die Dimension der Zeit nicht berücksichtigt. Der Kind-Ichzustand und der Eltern-Ichzustand sind jedoch keine Reaktionen auf die aktuelle Realität, sondern lediglich aktuelle Einblendungen aus der Vergangenheit – unter Ausblendungen des aktuellen Geschehens. Lediglich im Erwachsenen-Ichzustand wird nichts Vergangenes wiederbelebt und auf die Gegenwart reagiert. In diesem Zusammenhang sei auf das „Konzeptmodell“ hingewiesen, das bereits frühzeitig in den Schriften Bernes angedeutet ist, vgl. Berne 1957, und von Trautmann / Erskine TAJ 1981, 179 (Figure 3: „Structural (Phenomenological Model“) ausgearbeitet ist. Es zeigt, wovon sich Menschen leiten lassen (Werte, Gedanken oder Empfindungen). Das Konzeptmodell stellt – trotz seiner Darstellung mittels dreier Kreise – kein Ichzustandsmodell dar, sondern ist ein Verhaltensmodell. In der Sache ist es eher eine Referenz an das psychoanalytische Instanzenmodell. Diesen Umstand übersieht das vereinfachende Modell und vermischt in seiner modellhaften Antwort Fragen nach Funktionen / Verhaltensweisen mit solchen nach (Persönlichkeits-)Strukturen. 102  Vgl. Stewart / Joines 2008, 47. 103  Die Transaktionsanalyse bezeichnet dieses Kräftespiel als „inneren Dialog“, dazu Wartenberg ZTA 1988, 55 ff. 104  Dazu Kap. D. IV.

248

D. Die Transaktionsanalyse

stände105 der verhaltensorientierten Funktionsanalyse kurz vorgestellt. Im Anschluss werden jeweils die erkennbaren Merkmale, durch die der Beobachter den Ichzustand erkennen kann, tabellarisch geordnet.106 Die Transaktionsanalyse orientiert sich bei ihrer Analyse am verwendeten Vokabular der Person, ihrer Artikulation, Mimik sowie Gestik und ihren allgemeinen Verhaltensweisen.107 a) Die funktionalen Kind-Ichzustände Das Kind-Ich weist funktionsanalytisch alle Impulse und Ausdrucksformen auf, die während der Kindheit angelegt und ausgebildet wurden. Das Kind konnte (ebenso wie der erwachsene Mensch es in der Gegenwart kann) in unterschiedlicher Art und Weise auf seine Umwelt reagieren. Diese Reaktionen waren – je früher desto mehr – emotional geleitet. Die Transaktionsanalyse unterscheidet üblicherweise drei solcher Ausdrucksformen, das freie, das angepasste sowie das rebellische Kind-Ich, wobei das angepasste und das rebellische Kind-Ich als zwei Seiten derselben Medaille erscheinen. Beide sind an die – wie auch immer gesetzten Grenzen – gebunden und orientieren sich an diesen.108 In einem angepassten und rebellischen Kind-Ichzustand reagiert der Mensch, ist also reaktiv und außengeleitet, statt wie im freien Kind-Ichzustand innengeleitet und unbefangen.109 Die vorliegende Untersuchung greift einen Vorschlag von Oller-Vallejo110 auf, der neben dem freien Kind-Ich das angepasste Kind-Ich als zweite 105  Gleichwohl das Strukturmodell die innere Ordnung des Menschen erfasst und das verhaltensbezogene Funktionsmodell beleuchtet, wie diese Ordnung eingesetzt wird, wird in beiden Modellen dennoch der Begriff des Ichzustandes verwendet. Um der begrifflichen Problematik zu entgehen, wird vorliegend ein sprachlicher Zusatz verwendet: entweder ein ‚funktional‘ bzw. ‚strukturell‘ vorangestellt oder ein ‚im funktionalen / strukturellen Sinn‘ angehängt. In der transaktionsanalytischen Literatur werden weitere Möglichkeiten vorgeschlagen. Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 28 verwenden den Begriff der „Ich-Haltungen“ für das Funktionsmodell, um von (strukturellen) Ichzuständen sprachlich abzugrenzen. Temple ZTA 2002, 256 f. spricht ihrerseits von „Modus“ bzw. „Modi“, um den funktionalen Charakter des Verhaltensmodells herauszustellen. In der Tat ist dieser Vorschlag für eine zukünftige – auch sprachliche – Genauigkeit mehr als nur eine „interessante Variante“, wie Mohr ZTA 2009, 215 zu Recht meint. 106  Zur kritischen Würdigung derartiger Tabellen Stewart / Joines 2008, 73 f.; Stewart 1993, 63 f. 107  Vgl. Schulze 1992, 157. 108  Vgl. Stewart / Joines 2008, 47, 49; Hennig / Pelz 2002, 31 („reagierendes K-Ich“); Schlegel 2002, 131 („reaktives K-Ich“); anders Rüttinger 2005, 25 f. 109  Vgl. Schlegel ZTA 1986, 62. 110  Vgl. Oller-Vallejo ZTA 1987 (auch zum Folgenden).

verspielt, locker, aufgeregt, müde, sich überlassend, ausgelassen, rhythmisch

auf sich bezogen, unbekümmert, schöpferisch, lustig, energiegeladen, begeistert, offen, pfiffig, kreativ, lustig oder auch traurig

Gestik

allgemeines Verhalten

rebellisches K

schamvoll, ängstlich, sich rückversichernd, schuldbewusst, vorsichtig, scheu, Spontaneität unterdrückend, beifall­ heischend

zurückhaltend, gesenkter Blick, Hand heben, um etwas sagen zu dürfen

niedergeschlagene Augen, rücksichtsvoll, waagerechte Stirnfalten

demütig, devot, bettelnd, unsicher, larmoyant, folgsam

launisch, aufsässig, frech, trotzig, wütend, gehässig, zeternd, launisch, selbstbewusst, aufmüpfig

trotzig, angespannt, strammstehend, Fuß aufstampfend, wut­ schnaubend

verschlagener Blick, zitternde Lippen, vorstehendes Kinn, senkrechte Stirnfalte

trotzig, quengelnd, brüllt vor Wut, bockig, protestierend abgehackt, motzend

jetzt erst recht, verdammt ich trau’ mich nicht, ich will’s versuchen, ich habe noch mal, ich wollte doch nur, Och männo! Angst, man muss

fügsames K

Abbildung 9: Der Kind-Ichzustand im funktionalen Sinn

Quelle: Schulze 1992, 153 f., Bennett 1977, 40 f.; Rautenberg / Rogoll 2007, 58, Gerhold 2005, 22 f.

locker, pfiffig, ungehemmt, glänzende u. große Augen, Tränen

hell, laut, frei, emotional, zu Extremen neigend, übersprudelnd, sich überschlagend

Artikulation

Mimik

Superlative, „Ich will!“ Modewörter (sagenhaft, Sauerei, klasse, super, spitze, Wonne, pfundig)

freies K

Vokabular

resigniert, hilflos, schmollend, bescheiden, unsicher, introvertiert, nieder­geschlagen, Gefühle unterdrückend

verkrampft, hängende Schultern, auf die Lippen beißen, abwartend, überfordert

schmollend, verstockt, feuchte Augen, spitzer Mund

zerknirscht, unsicher, leise, weinerlich, sparsam

(zumeist Gedanken) Lass’ mich in Ruhe! Ich bin wohl ein Pech­vogel! Ich gewinne nie etwas!

zurückgezogenes K

II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 249

250

D. Die Transaktionsanalyse

Funktionskategorie formuliert, die ihrerseits in drei weitere Kategorien geordnet wird. Der angepasste Kind-Ichzustand ist der Ausdruck des Individuums, der auf Einschränkungen kritischer oder fürsorglicher Eltern-Ichzustände reagiert und zwar mit den gelernten Verhaltensweisen der Fügsamkeit, der Rebellion oder des Rückzugs. Das erklärt sich aus zwei Erwägungen. Zum einen sind die genannten Drei an der Umwelt orientierte und mithin anpassende Äußerungen unterschiedlicher psychischer und physischer sowie sozialer Qualität. Zum anderen lässt sich diese tiefergehende Differenzierung des funktionalen Kind-Ichzustandes mit dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten transaktionsanalytischen Gefühlskonzept stimmig verbinden.111

b) Die funktionalen Eltern-Ichzustände Eltern-Ichzustände, die das Individuum einnehmen kann, können in zwei Kategorien unterteilt werden, in den fürsorglichen bzw. umhegenden ElternIchzustand und in den kritischen bzw. wertenden Eltern-Ichzustand.112 Die Transaktionsanalytiker verwenden eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe für diese Kategorien, die sich inhaltlich allerdings kaum unterscheiden. Dies ist kein Zeichen von Ungenauigkeit, sondern des Bemühens, möglichst umgangssprachlich und treffend zu formulieren. So spricht Bennett beim kritischen Eltern-Ichzustand auch vom „strafenden Eltern-Ich“113, Stewart / Joines weisen auch auf die Bezeichnung „kontrollierendes ElternIch“114 hin. Im Folgenden wird sich auf das fürsorgliche und kritische Eltern-Ich als Bezeichnung beschränkt werden. Wie diese Ichzustände verhaltensdiagnostisch erkennbar sind, wird abermals anhand einer Tabelle verdeutlicht.

111  Dazu

Kap. E. III. 2. Stewart / Joines 2008, 52 ff.; Bennett 1977, 20 ff. 113  Vgl. Bennett 1977, 40. 114  Vgl. Stewart / Joines 2008, 52. 112  Vgl.

kritisches Eltern-Ich

automatisch urteilend, (vor-) verurteilend, abwertend und anklagend, Schuld und Unrecht suchend, dogmatisch und rechthaberisch, zurechtweisend und starre Grenzen ziehend, generalisierend

erhobener Zeigefinger, Hände über den Kopf zusammenschlagen, sich aufblasen, korrekt-steifes und überhebliches Benehmen, hinter der Hand sprechen, mit dem Fuß aufstampfen, mit der Faust auf den Tisch schlagen, Arme vor der Brust verschränken, Hände in die Hüfte stemmen

autoritär, missbilligend, zusammengepresste Lippen, vorgeschobenes Kinn, Stirnrunzeln, häufig senkrechte (!) Falte zwischen den Augen, Kopfschütteln, befremdeter Gesichtsausdruck

moralisierend und generalisierend, laut, hart, nachdrücklich, gespannt und anklagend bis abkanzelnd, aber auch leise, herablassend und seufzend, zuweilen wehleidig und verzweifelnd, aber auch ironisch, zynisch und scharf

Unsinn!, du sollst nicht, das macht man nicht, nicht so, das weiß doch jeder, das du ja nie, wie kannst du nur, ich sagte dir doch, das ist lächerlich, Hör auf!

Abbildung 10: Der Eltern-Ichzustand im funktionalen Sinn

Quelle: Schulze 1992, 158 f.; Bennett 1977, 40 f.; Berne 2006, 68 ff.; Gerhold 2005, 20 f.

gütig, besorgt, anerkennend, beratend und unterstützend, aber auch abnehmend und anderen wenig zutrauend und zumutend, überfürsorglich, bemutternd

offen, Raum gewährende Armhaltung, Umarmung, auf die Schulter klopfen, freundliches Zunicken, väterliches Anstupsen der Schultern, langsames Kopfnicken, Kopf tätschelnd

Gestik

allgemeines Verhalten

gütig, ermunternd, zufrieden bis glücklich, verständnisvoll, interessiert-liebevoll, ängstlich­ fürsorglich, gezieltes Augenzwinkern

tröstend, besorgt, umhegend, pflegend, liebevoll, mitfühlend bis mitleidig, aufmunternd, gewährend, aktivierend, beruhigend, weich und „einbettend“

Artikulation

Mimik

Kann ich helfen? kein Problem, macht nichts, du schaffst es schon, mach’ dir keine Sorgen, ich mach das für dich, du armer Kerl, lass’ dir helfen

fürsorgliches Eltern-Ich

Vokabular

II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 251

252

D. Die Transaktionsanalyse

c) Der funktionale Erwachsenen-Ichzustand Ein Erwachsenen-Ichzustand wird im Funktionsmodell nicht unterteilt. Ihm wird jedes Verhalten zugeordnet, das auf die konkrete Situation im Hier und Jetzt reagiert und durch den das Individuum alle seine Fähigkeiten und Möglichkeiten ausschöpft.115 Verhaltensbezogene Indizien ließen sich tabellarisch folgendermaßen zusammenstellen: Erwachsenen-Ich Vokabular

alle W-Fragen (bis auf eine ‚verfolgerische‘ Warum-Frage), wahrscheinlich, möglicherweise, ich denke, meines Erachtens nach, ich werde, ich spreche nur für mich, nicht für andere, Aussagen mit: verglichen mit …, vermutlich …, sicherlich ...

Artikulation

sachlich, aber nicht unpersönlich, angemessen, ruhig, ausgeglichen, neutral, verbindlich, klar und deutlich (wie ein Nachrichtensprecher)

Mimik

abwägend, aufmerksam, offen, ruhig, Blickkontakt haltend, zugewandt, nachdenklich, Lidschlag alle 3–5 Sekunden, vielseitiges Minenspiel, abwechslungsreich

Gestik

aufrechte Haltung, häufiges Wechseln der Körper­haltung, bewegt und beweglich, entspannt, aktives Zuhören

allgemeines Verhalten

empfindsam, entspannt, konzentriert, aber nicht verkrampft, kooperativ, vergleichend, Alternativen entwickelnd

Quelle: Schulze 1992, 158 f.; Bennett 1977, 40 f.; Gerhold 2005, 20 f. Abbildung 11: Der Erwachsenen-Ichzustand im funktionalen Sinne

Abschließend werden die transaktionsanalytischen Funktionsmodelle des menschlichen Verhaltens dargestellt; zunächst das Funktionsmodell nach Oller-Vallejo, sodann die „klassische“ Darstellungsweise in der Transak­ tionsanalyse.

115  Ausführlich zu den verschiedenen Varianten, einen Erwachsenen-Ichzustand zu erfassen Mohr ZTA 2001.



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 253

fürkritisches sorgliches Eltern-Ich Eltern-Ich

Erwachsenen-Ich

freies Kind-Ich zurückgerebellisches zogenes angepasstes Kind-Ich fügsames

Quelle: Oller-Vallejo ZTA 1987, 66 ff. Abbildung 12: Das Funktionsmodell nach Oller-Vallejo

fürkritisches sorgliches Eltern-Ich Eltern-Ich

Erwachsenen-Ich

rebellisches Kind-Ich

angepasstes Kind-Ich

freies Kind-Ich

Quelle: Berne 2001, 28. Abbildung 13: Das transaktionsanalytische Funktionsmodell

254

D. Die Transaktionsanalyse

3. Die vier Methoden der Ichzustandsdiagnose Berne unterscheidet vier Methoden der Ichzustandsdiagnose, namentlich die verhaltensbezogene und die soziale Diagnose116, die sich auf den Prozess und die Funktion der Ichzustände konzentrieren, sowie die historische und die phänomenologische Diagnose, die sich auf die Struktur der Ichzustände beziehen.117 Die verhaltensbezogene Diagnose wurde bereits vorgestellt. Sie stützt sich auf das beobachtbare Verhalten und anderen Äußerungen der Person, wie etwa der Gestik und Mimik, der Sprache und Sprechweise sowie dem gesamten Verhaltensauftritt. Auch wenn jeder Mensch die Verhaltensindizien ganz individuell einsetzt, gibt es gleichwohl Verhaltensweisen, die typisch sind für alle Menschen und die dem geschulten Beobachter Anhaltspunkte auf den aktivierten Ichzustand geben.118 Das beobachtbare Verhalten der Person ist auch Ausgangspunkt der sozialen Diagnose, jedoch über den Umweg des jeweiligen Interaktionspartners. Insoweit wird sich die Tatsache zunutze gemacht, dass der Mensch (oftmals) in Beziehung zu seinen Mitmenschen tritt, indem er einen komplementären Ichzustand verwendet. Der eigene aktivierte bzw. beanspruchte Ichzustand lässt Rückschlüsse auf den Ichzustand des Kommunikationspartners zu.119 Ist beispielsweise das kritische Eltern-Ich einer Führungskraft aktiviert, ist es wahrscheinlich, dass der Mitarbeiter mit seinem angepassten Kind-Ich agiert. Gleichwohl ermöglichen verhaltensbezogene und soziale Diagnosen für sich genommen lediglich Vermutungen darüber, welcher strukturelle Ichzustand tatsächlich aktiviert ist. Eine umfassende Ichzustandsdiagnose bleibt auf Kontaktaufnahme und auf direktes Nachfragen angewiesen.120 Die historischen und die phänomenologischen Diagnosen befassen sich ihrerseits nicht mehr „bloß“ mit dem Prozess der Äußerung und Kommunikation durch Ichzustände. Sie diagnostizieren durch direkte Kommunikation die (historisch gewachsenen) Strukturen und fragen nach den entsprechenden Speicherinhalten. Historisch diagnostiziert ist ein Ichzustand, wenn die betroffene Person feststellen kann, welche Bezugsperson den „Prototyp für das Verhalten“121 geliefert hat. Die historische Diagnose fragt danach, wie die Person als Kind gewesen war. Es wird nach den Eltern bzw. nach Elternfigu116  Berne bezeichnet die soziale Diagnose auch als „operationale Diagnose“, vgl. Berne 2006, 72. 117  Schlegel 2002, 143; Stewart 1993, 62 ff.; weitere transaktionsanalytische und andere psychologische Konzepte zur Ichzustandsdiagnose in einem „Konzeptverbund“ zusammenführend Christoph-Lemke / Weil ZTA 1997, 47 f. 118  Ebenso Stewart / Joines 2008, 74. 119  Vgl. Stewart / Joines 2008, 78. 120  Vgl. Stewart 1993, 68. 121  Berne 2006, 72.



II. Das Persönlichkeitsmodell (Ichzustandsmodelle) 255

ren gefragt und wie der Mensch diese als Kind erlebt hat und welche Empfindungen, Gedanken und Verhaltensweisen übernommen wurden.122 Phänomenologisch wird die historische Diagnose, wenn der Mensch sich nicht „bloß“ an die Vergangenheit erinnert, sondern sie im Hier und Jetzt erneut oder erstmals in vollständiger Intensität erlebt.123 Die damit einhergehenden körperlichen und psychischen Sensationen, also die jeweiligen „Phänomene“ dabei, sind von der Person selbst beobachtbar, weshalb sich diese Diagnosemethode zuvorderst auch zur Eigenanalyse einsetzen lässt.124 Ichzustände zu erkennen, ist eine der zentralen transaktionsanalytischen Arbeiten, die eine präzise und umfassende Beobachtung und aus diesem Grunde eine ausgiebige Schulung erfordert. Aber es handelt sich keineswegs um eine „visuelle und auditive Mathematik“.125 Die menschliche Kreativität bei der Erschaffung und Ausbildung von Ichzuständen verbietet schematische Lösungen, sondern erfordert bei der Ichzustandsdiagnose stets einen entscheidenden Rest an Intuition. Beobachtung, meinte Berne in diesem Zusammenhang, ließe sich erlernen, aber seine Intuition entsprechend zu verwenden, sei allenfalls kultivierbar, bleibt aber als geronnene Erfahrung von unschätzbarem Wert bei der Ichzustandsdiagnose. Die Fähigkeit, Ichzustände zu erkennen, ermöglicht eine erweiterte Wahrnehmung und befähigt dazu, dem Geschehen eine genauere und insoweit angemessene Bedeutung zuzuschreiben. Beobachtend zu erfassen, was in einer konfliktären Beziehungsgestaltung geschieht und warum dasjenige und nicht etwas anderes belebt wird, vermag sich zu einem konstruktiven Ausgangspunkt entwickeln, um konfliktmildernd zu wirken. Die Ichzustandsmodelle können beispielsweise genutzt werden, um Veränderungen einer Person oder einer Gruppe anzuregen. Sie ermöglichen, dass der einzelne Mensch sich selbst, ggf. als Teil einer lebendigen Gruppe oder Organisation, umfassender versteht. Die Ichzustandsmodelle ermöglichen eine umfassendere Reflexion über das eigene Erleben im Fühlen, Denken und Verhalten mit sich und anderen und unterstützen die Kommunikation mit den Beziehungspartnern. Sie verhelfen, dem eigenen Handeln und Erleben einen wachstumsförderlichen Sinn abzuringen, um beispielsweise (bewusster) entscheiden zu können, ob die Konsequenzen noch erwünscht sind oder eine Neuorientierung ansteht. Insoweit vermittelt das Persönlichkeitsmodell die Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit den eigenen Empfindungen, Bedürfnissen und Wahrnehmungen auf eine Weise umzugehen, die weder der 122  Vgl.

Stewart 1993, 65. Berne 2006, 72; Stewart / Joines 2008, 79 ff. 124  Vgl. Schulze 1992, 152. 125  Zu den unterschiedlichen Varianten, Ichzustände zu messen Heyer ZTA 1987 m. w. N. 123  Dazu

256

D. Die Transaktionsanalyse

e­igenen Person oder ihrer beruflichen Aufgabe schadet, noch betroffenen dritten Personen. Dank dieses Konzepts und der Möglichkeit, Ichzustände (durch Nachfragen) zu bestimmen, können wir beurteilen, ob die Person ihre Kindheit „wiederholt“, seine Elternfiguren „imitiert“ oder unmittelbar auf die Gegenwart reagiert.126 Im Übrigen sind Kenntnisse der Ichzustandsmodelle unabdingbar, um die weiterführenden Konzepte der transaktionsanalytischen Entwicklungstheorie sowie der transaktionsanalytischen Kommunikationstheorie verstehen zu können.

III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts Die transaktionsanalytische Theorie bietet nicht nur Konzepte für das gegenwärtige Sein des Menschen, sondern verfügt auch über ein umfassendes Modell für das Gewordensein: Das Lebensskriptmodell. Sie beschreibt den Menschen als historisches Wesen, dessen Sein insbesondere als ein Gewordensein verständlich wird. Der folgende Teil der Untersuchung stellt zunächst das transaktionsanalytische Entwicklungsmodell, die sog. Skripttheorie, vor und umreißt die wesentlichen Komponenten und Bedingungen (Kap. D. III. 1. und Kap. D. III. 2.), um schließlich darzustellen, wie sich das Skript auswirkt (Kap. D. III. 3.). Die Ausführungen werden bewusst knapp gehalten, auch wenn es sich bei der „Skriptanalyse“ um das „Herzstück“127 transaktionsanalytischer Arbeit handelt. In der Beratungspraxis findet sie kaum ausdrücklichen Eingang und bleibt der therapeutischen Arbeit vorbehalten. Soweit es um Persönlichkeitsentwicklung geht – wie in der Beratungspraxis – und nicht um Heilung – wie in der therapeutischen Praxis –, bedarf es keiner umfassenden und ausdrücklichen Skriptanalyse bzw. „Arbeit am Skript“. Gleichwohl sind Kenntnisse der Skripttheorie für jeden professionellen Berater von unschätzbarem Wert, zumal er durch sie die – freilich fließenden – Grenzen zur therapeutischen Tätigkeit erst wahrnehmen und wahren kann.128 1. Definition des Lebensskripts Die Transaktionsanalyse geht davon aus, dass jeder Mensch als Kind einen Lebensentwurf verfasst.129 Dieser Lebensentwurf, Lebensskript oder 126  Stewart

1993, 61. 2008, 152. 128  Generalisierend Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 222. 129  Vgl. Berne 2001, 47, aber auch 164; English 2001, 61; 1980, 171 f. 127  Stewart / Joines



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 257

kurz Skript genannt130, enthält Vorstellungen (erstens) von sich selbst, (zweitens) von den anderen, (drittens) von der Welt sowie (viertens) von seinem Lebensverlauf in groben Zügen, wobei Anfang, Höhepunkte und Ende in ihren wesentlichen Merkmalen enthalten sind. Beim Lebensskript handelt es sich konkret um … •• „einen unbewussten, aber bewusstseinsfähigen Lebensplan, •• der in der Kindheit bis zum Alter von sechs oder sieben Jahren aufgestellt, •• von den Eltern oder elternähnlichen Bezugspersonen beeinflusst und •• durch spätere Ereignisse bestätigt und gerechtfertigt wird.“131 a) „… unbewusst, aber bewusstseinsfähiger Lebensplan …“ Die Vorstellung, dass der Mensch keineswegs über alle Umstände und Folgen seiner Verhaltensweisen den Überblick innehat und insoweit unbewusst handelt, ist weder der Transaktionsanalyse vorbehalten noch ihr zu verdanken. Bereits die Psychoanalyse Freuds132, aber auch die sog. „Individualpsychologie“ Adlers133, der den Begriff des „Lebensplanes“ einführte, konnten unbewusstes Handeln nachweisen und arbeiteten damit. Insbesondere wenn Berne die Wurzel des Skripts im „Kindheitsdrama“134 des Einzelnen erkennt, werden die Parallelen zu dem, was Freud „Wiederholungszwang“ und dessen Schülerin Deutsch „Schicksalsneurose“ nannte, offenbar.135 Gleichwohl ist der Einzelne seinem Unbewussten nicht schicksalhaft oder zwingend ausgeliefert, sondern besitzt als herangereifte, erwachsene Persönlichkeit die Chance, die Skriptinhalte und -entscheidungen ins Bewusstsein zu heben und Klarheit über längst vergessen geglaubte, aber immer noch wirksame und beeinflussende Lebensjahre zu erlangen. Der Begriff „Skript“ deutet ebenso wie der Begriff „Lebensplan“ an, dass es sich nicht bloß um ein vage formuliertes Weltbild handelt, sondern um eine Geschichte, die einen Anfang, eine Mitte und ein Ende besitzt, in der die 130  Hennig / Pelz

2002, 90; Schlegel 2002, 272. Berne 2001, 48; Stewart / Joines 2008, 152; Schlegel 2002, 272. 132  Berne 2001, 81 („Man kann ganz allgemein sagen, dass die Skriptanalyse sich zwar auf Freud zurückführen lässt, dass sie jedoch nichts mit der Psychoanalyse zu tun hat.“). 133  Berne 2001, 79; vgl. auch Schulze 1992, 186; Kottwitz 1990, 14 f.; Schlegel 1995, 178 f., der sich dezidiert mit den Auffassungen und Unterschieden zwischen Adler und Berne befasst. 134  Berne 2006, 115 ff.; ders. 1979, 250. 135  Vgl. Schlegel 1995, 182 f. 131  Vgl.

258

D. Die Transaktionsanalyse

wesentlichen Rollen und Charaktere bereits verteilt wurden.136 Drehbuch, Ausstattung und Regie übernimmt das Kleinkind137, die Hauptrolle besetzt es mit sich selbst und verteilt die Nebenrollen fein säuberlich im Voraus.138 b) „… in der Kindheit … aufgestellt …“ Bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mensch den engen Familienkreis verlässt, also mit dem sechsten, siebten Lebensjahr, und in die gesellschaftliche Schule des Lebens eintritt, was sich in westeuropäisch geprägten Ländern mit dem Eintritt in die staatliche Schule deckt, ist das Lebensskript endgültig abgefasst.139 Entscheidend ist dabei, dass das Kind seinen Lebensplan beschließt und dieser nicht über jenem verhängt wird.140 Skript und skriptgebundenes Handeln beruhen damit stets auf eigenen Entscheidungen, wenn auch vergessenen und unbewussten. Weder sind die Eltern oder andere Umweltfaktoren die entscheidenden Größen für die Skriptinhalte, noch sind die Skriptinhalte „gottgegeben“ oder „schicksalhaft“. Äußere Einflüsse sind mehr „Einladungen“141 oder „Angebote“ an das Kleinkind, sich auf die eine oder andere Weise zu entscheiden. Andererseits „entscheidet“ das Kleinkind nicht wie ein bewusst nachdenkender Erwachsener. Skriptentscheidungen ähneln mehr vorbewussten, intuitiv getroffenen Entscheidungen, mehr von absolut empfundenen Gefühlen her, denn um die Relativität (allen Seins) wissend.142 Der Wirklichkeitsbezug des Kindes ist noch von der absoluten Abhängigkeit von den Eltern oder elternähnlichen Bezugspersonen geprägt und beeinflussbar.143 136  Stewart / Joines

2008, 152 f. diktieren die Eltern dem kindlichen Autor beim Verfassen des Skripts viele Inhalte und sind nicht ganz ohne Einfluss auf dessen Story. Ihre Funktion allerdings entspricht – um im Bild zu bleiben – auch schon in den ersten Jahren des Menschen, eher der eines („Film-“)Produzenten, der als Zahlender zwar auch darüber mitbestimmt, was produziert wird. Biologisch findet dieser Vergleich auf der genetischen Ebene seine Entsprechung. Dennoch sind die Eltern ebenso wenig die Regisseure des Lebens ihrer Kinder wie diese bloß marionettenhafte Schauspieler in einem Stück namens „Mein Leben“ sind. Das transaktionsanalytische Skriptmodell begreift den Menschen deshalb in einem vergleichenden Sinne als „Autorenfilmer“. 138  Zu Nebenrollen und deren Verteilung Berne 1979, 240 f. 139  Berne 1974, 114; ders. 2001, 48, 53; English 1980, 171 f.; zur Entwicklungsgeschichte des Entwurfs vom „Protokoll“ bis hin zum „Skript“ s. Berne 2006, 115; Hennig / Pelz 2002, 94. 140  Stewart / Joines 2008, 153. 141  Vgl. Schlegel 2002, 280; Jabandzic ZTA 2002, 26. 142  Der Begriff „(Skript-)Entscheidung“ ist transaktionsanalytisch als Terminus technicus zu verstehen. 143  Ähnlich Stewart / Joines 2008, 153. 137  Freilich



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 259

Insoweit reflektiert das Lebensskript, unabhängig vom Inhalt, das angeborene menschliche Bedürfnis, Zeit, Raum und Beziehungen zu strukturieren und somit Grenzen zu bestimmen und Freiheit zu erfahren. Erst das Skript, sozusagen als Niederschrift allererster Erfahrungen, ermöglicht es, die kommenden vorausschauend zu sortieren, um Ordnung im Leben zu erhalten.144 Das Skript ist Ausdruck des Bedürfnisses, nur mit Erfahrungen weiter fortzufahren. c) „… von den Eltern beeinflusst …“ Dass sich Lebensskripte nicht nur ihrem Inhalte nach Bühnenmanuskripten und Filmdrehbüchern ähneln, sondern auch in der Herstellung und Entwicklung, stellte Berne frühzeitig fest und baute im Laufe seiner Theoriebildung diesen Vergleich aus.145 Den Eltern kommt, um im Bild zu bleiben, hierbei die Funktion und Macht von Produzenten zu, die sich oftmals mehr genötigt sehen, dem Regisseur des Lebensstücks mehr Freiraum zu gewähren, obschon sie das, was und wie „die Welt da draußen“ funktioniert, besser zu wissen glauben. Ihre Botschaften fließen (bei aller Letztentscheidungsgewalt des kleinen Regisseurs) in sein Lebensskript ein und präsentieren sich für ihn wie Einladungen, die er anzunehmen hat.146 Sie sind es, die dem Kind Anlass und Richtschnur bei der Abfassung seines Skriptes sind. Sie sind der Rahmen, innerhalb dessen das Kind seinen Lebensplan entwirft, sein Bild von seiner Zukunft auf der Bühne seines Lebens eigenmächtig ausmalt.147 Welche Arten von Skriptbotschaften es gibt, die die Eltern erteilen und wie sie lauten, wird weiter unten behandelt werden (Kap. 4.3.2.). d) „… durch spätere Ereignisse bestätigt und gerechtfertigt …“ Enthält das Skript maßgebende Entscheidungen und Vorstellungen darüber, wie der Mensch sich selbst, die anderen und die Welt als solche sieht und wie sein Leben zu verlaufen hat, bestimmen diese (mitunter irrigen) Vorstellun144  Ähnlich

English 1980, 172. Ende 1958 und Beginn der 1960er Jahre, vgl. Berne 1979, 251; ders. 1958, 188; ders. 2001, 52 ff. 146  Ähnlich Jabandzic ZTA 2002, 26; neben den elterlichen Einflüssen gibt es noch weitere skriptbildende Bedingungen: allgemeine Motive (z. B. Märchen und Legenden), Illusionen des Kindes über das Leben sowie der Wunsch, das Kindheitsdrama zu wiederholen, um es sodann aufzulösen. Dazu sogleich unter Kap. D. III. 2. mehr. 147  Deutlich Goulding / Goulding 2005, 58. 145  Bereits

260

D. Die Transaktionsanalyse

gen alle spätere Wahrnehmungen und beeinflussen die gewonnenen Erfahrungen.148 Die Realität muss verzerrt wahrgenommen werden, damit sie zum Skript „passt“. Die häufig zu beobachtende Tatsache, dass die wahrnehmbare Realität ins eigene Skript unter Ausblendungen „eingepasst“ wird, statt die Skriptinhalte zu revidieren, wird nicht verständlich, wenn nicht die Ursprünge der Skriptbildung offen gelegt sind. Das Skript selbst bildet für das Kleinkind Grundlage und Fahrplan, sein Leben selbst zu verwirklichen. Es gibt Struktur und Halt, bietet Sicherheit und ordnet das scheinbare Chaos einer überwältigenden Welt.149 Ähnlich einem Drehbuch gibt es Hinweise und Stichworte und schreibt damit vor, welche Empfindungen, Gedanken und Handlungsweisen gegenwärtig möglich sind, obschon seine Inhalte zu einer Zeit verfasst wurden, in der allein schon die Vielzahl an Möglichkeiten Unsicherheit hervorrief.150 Das Skript als (kindliche) Entscheidung zeigt letztlich „die Überlebensstrategie des Kleinkindes“151, die es in der damaligen Lebenssituation getroffen hat, als die Welt übermächtig erschien und das Kind sich selbst als ohnmächtig und ausgeliefert erlebte.152 Deshalb erscheint das Skript auch als „magische Lösung“153 des jungen Menschen.154 Durch skriptgebundene Empfindungen, Gedanken und Verhaltensweisen werden die damals erforderlichen, im Hier und Jetzt aber oftmals überholten 148  Goulding / Goulding 2005, 61; Schlegel 2002, 272; Jabandzic ZTA 2002, 26 m. w. N. 149  Aus diesem Grunde wird verständlich, dass es auch im Erwachsenenalter zu skriptähnlichen Erfahrungen kommt, sofern die Umwelteinflüsse ähnlich chaotisch wirken (bspw. Krieg, Katastrophen). 150  Vgl. English 1980, 246 („Das Kind spürt mehr ein Bedürfnis nach eigenbestimmten Grenzen und Richtlinien, mit dem Ziel seinem künftigen Leben Gestalt oder Form zu geben, als dass es sich selbst in Raum und Zeit aufgelöst begreift.). 151  Stewart / Joines 2000, 155. 152  Zum Verständnis des Skripts und seiner Bedeutung ist es wesentlich, die Welt aus der Sicht eines Kleinkindes wahrzunehmen, in der die Eltern allmächtig erschienen und das eigene Denken noch „marsisch“ war, dazu Berne 2001, 122 ff.; Schlegel ZTA 1987b. Dabei spielt es grundsätzlich keine maßgebende Rolle für die Skriptbildung, ob die Geschehnisse tatsächlich gefährlich und bedrängend waren oder das Kind sich darüber irrte. 153  Stewart / Joines 2008, 173. 154  Skripte lassen sich inhaltlich kategorisieren. Sie können nach dem bevorzugten psychologischen Spiel, Kap. D. IV. 2. b), benannt werden, nach Bannbotschaften, Kap. D. III. 2. b), oder nach Antreibern, Kap. D. III. 2. d). James / Jongeward 1983, 111 ff. ordnen Skripte nach den Rollen des sog. „Drama-Dreiecks“, so dass „Verfolger-“, „Retter-“ und „Opferskripte“ zu unterscheiden sind. Gebräuchlich sind Kategorisierungen nach dem angestrebten Skriptende („Skriptauszahlung“), dazu. Kap. D. III 3. Betont werden muss jedoch, dass die jeweilige Kategorisierung lediglich hilft, die Vergangenheit zu verstehen, um gegenwärtige Probleme zu lösen. Keineswegs sollen damit Prognosen formuliert oder die Zukunft festgelegt werden. Die Titulierung ist keine Zuschreibung, dazu Kap. D. III. 2. c).



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 261

Entscheidungen und Sichtweisen „gerechtfertigt“ und beibehalten.155 Soweit dazu die Realität verzerrt wahrgenommen wird, wird sie im Wege der Umdeutung (Redefinition) herabgesetzt (discountet), worauf im fünften Teil dieser Untersuchung ausführlich eingegangen wird. 2. Die Bildung des Lebensskripts Kein Mensch kann letztlich bewirken, dass ein anderer auf eine ganz bestimmte Art und Weise empfindet, denkt oder entsprechend handelt.156 Das trifft auch für Klein- und Kleinstkinder zu. Auch sie sind – in der Sprache der Systemtheorie – selbstreferentielle / selbstorganisierende Systeme157 bzw. – in der Sprache von Foersters – nichttriviale Maschinen158. Wenn sie auch nicht wie erwachsene Personen überlegt entscheiden, kann gleichwohl kein anderer darüber konkret bestimmen, wie sie empfinden, denken und wahrnehmen oder handeln. Ob sie schreien, weinen, stillhalten oder schlafen, es handelt sich um individuelle Reaktionen auf die jeweils erlebte Situation. Diese Reaktionen von Kindern sind und bleiben zwar kindliche, aber dennoch selbst getroffene Entscheidungen. Es sind Schlussfolgerungen, die aus dem besonderen Erleben anlässlich einer konkreten Situation für das allgemein Erlebbare anlässlich sonstiger Situationen getroffen werden. Anhand des eigenen aktuellen Erlebens wird auf das Leben schlechthin geschlussfolgert und insoweit alles Erlebte auf sich selbst bezogen (Eigenbezüglichkeit).159 Situative Entscheidungen, denen kaum relativierende Erfahrungen beigemischt werden können, wirken deshalb prägend und nahezu für das gesamte Leben entscheidend. Das Lebensskript ist deshalb Ausdruck eigener Beschlussfähigkeit und Entscheidungsgewalt160 und zeugt von unterentwickelter, aber vorhandener Autonomie und unbewusster, aber wirkungsmächtiger Gestaltungskraft. 155  Stewart / Joines

2008, 154; auch Schulze 1992, 186. 2005, 58; Stewart / Joines 2008, 155. 157  Vgl. Simon 2006, 31 ff.; Schmid 2004, 18 f. 158  Mit von Foerster lässt sich der Mensch als eine „nichttriviale Maschine“ beschreiben, dessen Reaktion (Output) auf die Umwelteinflüsse (Input) unerklärbar, aber aufgrund der Bildung stabiler Werte prognostizierbar ist. Im Gegensatz zu trivialen Maschinen, bei denen eine unveränderliche Relation zwischen Input und Output besteht, besitzen nichttriviale Maschinen eine innere Struktur, die es für den Beobachter unmöglich macht, die Reaktion vorherzusagen, vgl. von Foerster / Pörksen 2006, 54 ff. 159  Dazu Schlegel 1995, 32; Stewart / Joines 2008, 155 ff.; allgemein zur Entwicklung des Individuums Berne 1972, 107 ff.; zur Entwicklungspsychologie und den Erkenntnissen der Säuglingsforschung Stern 1993; Dornes 2004, 2004a, 2006. 160  Berne 2001, 140 (akzeptierender, Beschluss = innerliche „Akzeptionsrede“ des Kindes); Steiner 1989, 89 ff. 156  Goulding / Goulding

262

D. Die Transaktionsanalyse

Ist damit das kleine Kind der Autor seines Skripts, so ist der Inhalt gleichwohl von der Umwelt angeregt und insbesondere von den Eltern bzw. elternähnlichen Bezugspersonen mittelbar produziert worden. Wie sie das Umfeld für das kleine Kind gestalten und auf dieses mittelbar oder unmittelbar einwirken, ist und bleibt Basis, aufgrund derer es seine grundlegenden Sichtweisen einnimmt und entsprechend reagiert. Diese Einwirkungen und Einflüsse werden im Lebensskriptmodell als skriptbedingende Botschaften kategorisiert. Da es sich um die ersten Einwirkungen handelt, könnte man von Grundeinwirkungen sprechen, die dadurch grundlegend für alles Folgende werden. Sie bestimmen maßgebend mit, welche Grundeinstellung der Mensch sich selbst, den anderen und dem Leben als solchem gegenüber einnimmt. Um die Grundeinstellung und die skriptbedingenden Botschaften geht es im Folgenden. a) Die Grundeinstellungen Der Mensch bildet sich über sich selbst und die anderen frühzeitig seine Meinung. Er bezieht zum Erkannten und Wahrgenommenen Stellung und wertet es – zuweilen ab, bisweilen auf, jedenfalls aber aus.161 Dabei nimmt er eher früher als später eine bevorzugte Sichtweise ein. Das ist seine Grundeinstellung.162 Sie sagt etwas darüber aus, wie wertvoll sich der Betrachter im Vergleich zu anderen erlebt und die anderen im Vergleich zu sich. Diese Grundeinstellung beschreibt keineswegs eine bloß momentane Erlebnisweise oder „kurzlebige Empfindung im Hier und Jetzt“163. Sie ist nicht „tagesformabhängig“, sondern fundamental und färbt die Wahrnehmung von sich, den anderen und der Welt allgemein wie die Tönung einer Brille. Im Alltag vermögen wir Haltungen einzunehmen und diese auch kurzfristig zu wechseln. Doch unter Stress oder in Krisensituationen sind wir geneigt, unsere Grundeinstellung zu beziehen. In diesen Situationen wird sie offenkundig. Die Grundeinstellung, die der Mensch bezieht, ist eine der ursprünglichsten Beziehungsaktivitäten im Leben des Menschen. Durch sie setzt er sich mit anderen eigenständig in Beziehung. Sie ist sein erster Akt von Beziehungsgestaltung auf der Erkenntnisbasis von Ich und Du, vom Erlebnis des 161  Vgl. Rautenberg / Rogoll 2007, 173 f.; Schlegel 1995, 123; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 146. 162  Die Bezeichnungen variieren zwischen „Grundannahmen“, „Grundeinstellungen“, „Grundhaltungen“, „Grundpositionen“ oder „Grundüberzeugungen“, vgl. dazu Stewart / Joines 2008, 177; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 146 ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 41. 163  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 147, offensichtlich in Anlehnung an English 2001, 78.



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 263

anderen als anderen.164 Sie ist seine Antwort und steht damit in seiner Verantwortung.165 Tatsächlich trifft der Mensch die Entscheidung der Grundeinstellung bis zum Eintritt in das dritte oder vierte Lebensjahr. Dieser Akt dürfte der Ausgangspunkt der Skriptbildung sein.166 Zudem ist er das „Bindemittel“ für die einzelnen Inhalte des Skripts, die sich an dieser Grundeinstellung orientieren werden.167 Es ist die Grundeinstellung, die alle weitere (Selbst-)Erkenntnis und weiteren (Selbst-)Konzepte für den Lebensvollzug formt und bestimmt. Sie ist des Menschen erste Antwort auf die Frage des Getrennt- und Verlorenseins: „Bin ich Teil der Lösung oder des Problems“. Das Konzept der Grundeinstellungen erläutert die vier Möglichkeiten, wie sich ein Mensch im Vergleich zu anderen begreifen und empfinden kann. Es ermöglicht auf einfache und effektive Weise eine Einordnung ganz konkreter Empfindungen, Gedanken und Verhaltensweisen und lässt sie – oftmals in neuem Licht – begreiflich werden.168 Es eignet sich hervorragend als Instrument zur ersten Diagnose und weiteren Planung in unterschied­ lichen Bereichen. Auch zur Eigenverortung ist es äußerst handlich und effektiv. Aus den Elementen „ich“ und „du“ und deren Bewertung, die die Transaktionsanalyse mit dem Kürzel „o.k.“169 versieht, sind vier Grundeinstellungen ableitbar: 164  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 147; vgl. aber Stewart / Joines 2008, 179, die ohne Nachweis auf Berne verweisen (3.–7. Lebensjahr). Das Kleinkind begreift sich allerdings schon vorher als ein (von der versorgenden Mutter) getrenntes Einzelwesen. Der Säuglingsforscher Stern 1993, 47 ff. meint, dass diese Erkenntnis, in dem Zeitraum vom zweiten bis zum sechsten Lebensmonat reift. Daraufhin erst erkennt der Säugling, dass die Mutter ein „anderer“ ist, ein anderes Subjekt als es selbst; S. 179 ff.; s. auch English 2001, 80 f.; Rautenberg / Rogoll 2007, 174; zum „Wunder des Andersseins“ lesenswert Schlegel ZTA 2006. Weil die Grundeinstellung bereits derart frühzeitig eingenommen wird, ist sie nicht identisch mit der „Grundüberzeugung“ („belief“) nach Bateson und Dilts, dazu Ponschab / Schweizer 1997, 27 ff. 165  Die Grundeinstellung ist damit Folge der Wahrnehmung eines irgendwie gearteten Getrenntseins in der Welt. Durch Träume und (Allmachts-)Phantasien kann diese „Erkenntnis“ freilich hinausgezögert werden, vgl. English 2001, 79. Doch wird sie unumgänglich, muss sich angesichts ihrer neu positioniert werden. 166  Dazu Stewart / Joines 2008, 178; English 2001, 84, 85 (Grundeinstellung ist die „Matrix für das Skript“); vgl. auch Steiner 1989, 114, dessen Begriffswahl allerdings von der vorliegenden abweicht. Anders Berne 2001, 106, der davon ausgeht, dass zunächst Skriptüberzeugungen gewonnen werden, die sodann die Grundlage für die grundlegende Lebenseinstellung werden. 167  Berne 2001, 107; ähnlich English 1980, 173. 168  Vgl. etwa die hervorragende Integration dieses Modells zur Behandlung von Persönlichkeitsstilen in Therapie und Beratung bei Joines / Stewart 2008. 169  „O.k.“ bedeutet wertvoll, wichtig und willkommen in der Welt, während „nicht o.k.“ wertlos, unwichtig und in der Welt nicht willkommen übersetzt werden

264

D. Die Transaktionsanalyse

•• „Ich bin o.k., du bist o.k.“ oder „Ich (+) / Du (+)“ oder •• „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ oder „Ich (+) / Du (–)“ (+ / –). •• „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ oder „Ich (–) / Du (+)“ (– / +). •• „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“ oder „Ich (–) / Du lisiert (– / –).

schlicht (+ / +). oder symbolisiert oder symbolisiert (–)“ oder symbo-

aa) „Ich bin o.k., du bist o.k.“ Soweit und solange das Kleinkind sich in dem Zustand befindet, dass es sich mit der Welt eins fühlt und erlebt und die Situation, die Erikson mit „Urvertrauen“ umreißt170, noch nicht erschüttert ist171, hat es die Position „Ich bin o.k., du bist o.k.“ eingenommen.172 Entscheidendes Kriterium dieser – nur zu Beginn des Lebens und später allenfalls kurzfristig einnehmbaren – Position ist die Unmittelbarkeit der Bedürfnisbefriedigung, die aus der biologischen Austauschsituation zwischen Mutter und Kind herrührt. Das hat eine beachtliche Konsequenz: Diese Position zu verlassen, ist keine Entscheidung des Menschen, sondern eine Notwendigkeit des eigenen Lebensvollzugs. Die „ursprüngliche primäre Wechselseitigkeit“ (Steiner) muss durch die eigene physische und psychische Entwicklung – früher oder später – abgebrochen werden. Das Durchtrennen der Nabelschnur verdeutlicht diese Notwendigkeit von Beginn an. Der Preis der Entwicklung ist die Loslösung und ganz tatsächliche Ausstoßung aus einem „paradiesischen Zustand“, in dem sich das heranwachsende Wesen noch kaum um seine Bedürfnisse kümmern musste. Schmerz und Frustration gehören auch zum Preis eigener Entwicklung.173 Soweit auf diesem Weg Tendenzen oder gar kann, vgl. Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 41. Schlegel 1995, 123 seinerseits weist darauf hin, dass die Ableitung und konkrete Bestimmtheit des Kürzels „o.k.“ ungeklärt ist. Doch erkennt er – m. E. zu Recht – genau darin die Vorzüge, um die Grundsätzlichkeit der Grundeinstellung, ihre mehr atmosphärische, denn rational festlegbare Bedeutung herauszustellen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass „Ich“ auch als „Wir“ verstanden werden kann (z. B. die eigene Familie, das eigene Geschlecht, die eigene Gruppe oder Organisation etc.), und „Du“ als „Ihr“ (z. B. die anderen, die Frauen, die Nachbarn, die Ausländer etc.). 170  Zur psychologischen Entwicklung nach Erikson s. Pervin / Cervone / John 2006, 147 f. 171  English 2001, 78 ff. („Es gibt einfach kein Wachstum für das Kleinkind, ohne das es sich in einem bestimmten Ausmaß als ärgerlicher und hilfloser Frosch in einem schmutzigen und verhassten Tümpel erlebt …“). 172  Steiner 1989, 91 f. 173  Ausführlich English 2001, 79.



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 265

zeitweilige Fixierungen von „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ oder „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ vorkommen, so gibt doch dieser Ausgangspunkt sogleich auch das Ziel im sich entwickelnden Leben vor. Deshalb dürften Stewart / Joines meinen, es handele sich hierbei um die „Position des Vorankommens“174. English benennt das Ziel als stets zu aktualisierende (fünfte) Position des „Ich bin o.k., du bist o.k. – realistisch“175. Sie versieht dadurch das Modell der Grundeinstellungen mit einer inneren und konsequenten, vor allem entwicklungspsychologischen, Dynamik.176 Sie umreißt damit Stationen des (Lebens–)Weges eines jeden Menschen und verweist dafür auf uralte Motive aus Märchen und Legenden.177 Das „Realistische“ an der fünften Grundeinstellung des „Ich bin o.k., du bist o.k. – realistisch“ meint insbesondere „bewusst“ und „Erwachsenen-Ich“-gesteuert. Diese Grundeinstellung wird damit zum Ausdruck einer „integrierten“178 bzw. autonomen Persönlichkeit, die die anderen – im Folgenden beschriebenen – Grundeinstellungen im Verlaufe ihrer Entwicklung durchschritten hat.

174  Stewart / Joines 2008, 182. Der Begriff vom „Vorankommen“ birgt allerdings die Gefahr, dass es um Fortschritt geht, um das Verlassen einer Position, die sodann zurückgelassen und verloren ist. Passender erscheint mir der Begriff des Wachstums und der Entwicklung und damit letztlich um Erweiterung und Bereicherung. Bereits im Matthäusevangelium 18,3 heißt es diesbezüglich „werdet wieder wie die Kinder“, was einerseits nicht heißt, Kind zu bleiben, und andererseits, diese ursprüngliche Einstellung alsbald wieder zu erlangen (z. B. kindliche Unbekümmertheit ≈ Altersgelassenheit). 175  English 2001, 78 ff., 87. 176  Ausführlich zum Ausgangskonzept der Grundeinstellungen Harris 2001, 54 ff., 60. Dem O.k.-Gitter ist allerdings stets eine implizite Dynamik zugesprochen worden. Da Grundeinstellungen Produkte von Entscheidungen sind, die stets abgeändert werden können, handelt es sich nie um eine starre Konzeptbildung. Schlegel ZTA 2001a weist daraufhin, dass das ursprüngliche Konzept von Berne eine „Umdeutung“ durch die Interpretation von Ernst TAJ 1980 erfahren habe, der sein bekanntes „O.k.-Korral“ (O.k.-Geviert) dazu verwandte, um mögliche Ausgänge von zwischenmenschlichen Begegnungen zu beschreiben. Tatsächlich werden in der transaktionsanalytischen Literatur beide Grundkonzepte zu einem einheitlichen Konzept der Grundeinstellungen zusammengeführt, vgl. statt vieler Stewart / Joines 2008, 177 ff. 177  Stets wiederkehrende Motive solcher Erzählungen sind der Held, der über Zauberkräfte verfügt oder ähnliche übernatürliche Fähigkeiten besitzt, sie aber auf unerklärliche Weise verliert und auf der Suche nach ihnen eine Vielzahl unterschiedlicher Abenteuer durchleben muss, vgl. English 2001, 82 („Aladin und die Wunderlampe“). 178  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 10 ff., die den Berneschen Begriff abgewandelt und erweitert haben, vgl. dazu Berne 2006, 188 f.; Schlegel ZTA 2001; Schneider ZTA 2001.

266

D. Die Transaktionsanalyse

bb) „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ In der (Grund-)Einstellung des „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ sind Unterlegenheitsgefühle und -gedanken vorrangig.179 Derjenige, der nicht sich und nur die anderen als wertvoll empfindet, leidet an Minderwertigkeitsgefühlen und denkt, dass er „niemals liebenswert oder beachtenswert sein“ wird. Er bezweifelt sich und seinen Wert im Vergleich zu anderen grundsätzlich. Es ist die „Position des Abrückens und des Weggehens“180. Es handelt sich um eine depressive und introjektive (selbstbezogene) Haltung.181 Ohnmachtsgefühle gegenüber der eigenen Situation beherrschen das Erleben. Im Denken der „Untersicheren“182 sind die anderen die kompetenten und zur Rettung Berufenen. Ihr Wert und ihre Fähigkeiten werden (über-)betont. Beispiele: Gerät ein solcher Mensch in Stresssituationen, fragt er sich „automatisch“, was er „nun schon wieder angestellt“ hat oder glaubt, dass derartige Probleme „natürlich“ nur ihn betreffen.183 Es handelt sich auch um Menschen, die sich „wie selbstverständlich“ entschuldigen, wenn sie von anderen angerempelt oder weggedrängt werden. Nach ihrem eigenen Verständnis von sich selbst, nehmen sie die Schuld auf sich, dass der andere sie angerempelt hat. Derartige Menschen mögen sich bereits dann schuldig fühlen, wenn sie im Bus oder in der Straßenbahn sitzen und ein zugestiegener Fahrgast offensichtlich einen Sitzplatz sucht. Einfache Informationsfragen werden bspw. mit „Vielleicht ist es eine dumme Frage, aber …“ o. ä. eingeleitet.184

cc) „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ In dieser (Grund-)Einstellung des „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ sind Überlegenheitsgefühle und -gedanken vorrangig.185 Diese Menschen bezweifeln ihren Wert nicht, aber den der anderen dafür umso mehr. Das kann offen ausgedrückt werden, was allgemein hin arrogant wirkt. Zuweilen wird diese Haltung allerdings auch versteckt in übertriebener Fürsorglichkeit zum Ausdruck gebracht. Es ist die „Position des Loswerdens und Abschiebens“186 und eine projektive (auf die anderen bezogene) Haltung.187 179  Vgl.

Schlegel 1995, 124. 2008, 182; Schlegel ZTA 2001a, 177. 181  Berne 2001, 108 f. 182  English 1982, 28 f.; dies. 2001, 8. 183  Ähnlich Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 149. 184  Schlegel 1995, 124. 185  Vgl. Schlegel 1995, 124. 186  Stewart / Joines 2008, 183. 187  Berne 2001, 108. 180  Stewart / Joines



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 267

Diese Menschen helfen nicht, sondern „retten“188 – häufig auch ohne eine Bitte darum. Derartige Retter brauchen und suchen „hilfsbedürftige“ Opfer und zuweilen fabrizieren sie sie auch. Der rebellierende Hinweis, es gehe auch ohne ihre „Hilfe“, wird „selbstverständlich überhört“ bzw. bezeugt vielmehr die Unfähigkeit, da die vermeintlich Hilfebedürftigen nicht einmal wissen, dass es ohne sie gerade nicht (so gut) geht. Unterlaufen den „Übersicheren“ gleichwohl Fehler oder unterliegen sie Irrtümern, fühlen sie sich schnell in ihrem Selbstwertgefühl angegriffen.189 Beispiele: In Stresssituationen sind stets andere (Menschen oder Umstände) an unliebsamen Entwicklungen schuld. Hierher gehören alle tyrannischen Verhaltensweisen sowie jedwedes autoritär-fürsorgliche Gehabe aus einer „Übersicherheit“ heraus, die kontrollierend ist und wirkt.190 Das Diktat der „Gluckenmutter“ oder die besorgten (Entwicklungs-)Verbote des Vaters gehören auch dazu. In politischen, wirtschaftlichen oder ähnlichen Führungskreisen ist diese Grundeinstellung überproportional anzutreffen. Klinisch betrachtet handelt es sich um Menschen mit wahnhaften Charakterstrukturen, wobei sie abnorm misstrauisch gegenüber anderen sein können oder im eigentlichen Sinne größenwahnsinnig.191

Nach English handelt es sich bei den beiden Grundeinstellungen „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ und „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ um abwehrende Haltungen.192 Sie verhindern, nachdem der Mensch aus der Ursprungssitua­ tion ausgestoßen wurde bzw. sich selbst verabschiedete, um weiter zu wachsen, die Erlebniswelt der Einstellung „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“, ohne zu der Einstellung „Ich bin o.k., du bist o.k. – realistisch“ hinzuführen. dd) „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“ Die Grundeinstellung des „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“ bzw. (– / –) basiert nicht auf einem Vergleich untereinander. Vielmehr handelt es sich um eine Einstellung der Sinn- und Wertlosigkeit.193 Jemand mit dieser Einstellung zweifelt nicht an sich oder den anderen, sondern verzweifelt am Sein in der Welt schlechthin. Sein Zweifel ist nicht Beginn einer Suche, sondern eher 188  Der Begriff „Retter“ oder „retten“ wird vorliegend als destruktives Verhalten verstanden – im Gegensatz zum konstruktiven „helfen“. Retter sind kontrollierend, verhindern Entwicklung und wirken konservierend auf das Verhalten ihrer Opfer. Sich einem Retter und seiner Maßnahmen zu entziehen, um seine eigene Lebenssituation eigenständig zu meistern, ist (de facto zusätzliche) Arbeit. Retter sind auch „verletzt“, wenn ihr „Angebot“ nicht angenommen wird, vgl. Kap. D. IV. 2. b) cc) („Drama-Dreieck“). 189  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 148. 190  English 1982, 28 f.; dies. 2001, 8. 191  Vgl. Schlegel 2002, 92. 192  English 2001, 84. 193  Berne 2001, 109; Schlegel 1995, 126.

268

D. Die Transaktionsanalyse

Ende eines Entscheidungsprozesses, Position beziehen zu müssen. Es ist die „Position des Verlorenseins und des Aufgebens“194. Angesichts eigener Ohnmacht und dem (momentanen) Erlebnis, dass auch andere Frust und Schmerz „abstellen“ können, überkommt den Menschen mit dieser Grundeinstellung eine schier endlose Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Gleichwohl handelt es sich keineswegs immer um offensichtlich verzweifelte oder hoffnungslose Charaktere. Häufig und mitunter dauerhaft verbergen sie ihre grundsätzliche Einstellung zur Welt vor sich und anderen hinter emsiger (Aufbau-)Arbeit. Diese Menschen sind praktisch dauerhaft im Ausnahmezustand, sind auf allen möglichen Gebieten anzutreffen, strengen sich an, andere und letztlich doch vor allem sich selbst von der Sinnhaftigkeit des eigenen Seins und Treibens zu überzeugen, wirken dabei aber allzu verkrampft und wenig glaubwürdig.195 Das eigene Leben erscheint als „Notwehr“. Beispiele: Im Alltag fallen Menschen mit dieser Grundeinstellung mitunter durch die übertrieben provokante, häufig mit Verzweiflungstönen gestellte „Warum (eigentlich) nicht …?“-Frage auf: Warum sollte man sich eigentlich nicht umbringen?196 Warum sollte man Freude am Leben empfinden? Ihre Stärke zeigt sich, wenn sie vom Erleben noch bewegt sind, also motiviert, endlich eine Antwort auf ihre Fragen zu erhalten. Ihnen ist an sich „nichts heilig“ und ihr Denken insoweit nicht begrenzt, so dass sie Denk- und Handlungsanstöße ungewöhnlichen Ausmaßes geben können. Sind unkonventionelle Wege gesucht, sind sie gefragt. Es dürfte kein Zufall sein, dass Kinder, sind sie aus der paradiesischen Ursprungssituation entlassen und noch hungrig aufs Leben, in die „Warum?“-Phase gelangen. Es ist der Weg, einen (eigenen) Sinn im Erleben wieder zu finden, wo dieses jetzt von Bewusstsein begleitet ist. Vom klinischen Standpunkt unter dem Betrachtungswinkel der Angst handelt es sich insbesondere um schizoide Charaktere wie sie Riemann und Lowen beschrieben haben.197 Entfällt jedoch die Motivation, der Hunger aufs Leben und die Bewegtheit vom Er-Leben, droht der Sturz ins Bodenlose. Dann wird kaum noch gefragt und schon gar nicht mehr hinterfragt. Das ist die Variante übertriebener Unauffälligkeit. „Erlösung“ im Erleben ist ad acta gelegt worden: „Was soll das schon nützen …?!“. In Organisationen und Großgruppen bezeichnen sie sich als die „kleinen Lichter“198, die in der Masse unterzugehen scheinen, was für sie selbst jedoch kein Grund zur Aktivität ist, sondern Bestätigung.

Die (bevorzugte) Grundeinstellung als ursprünglichster Akt eigener Beziehungsgestaltung bildet, wie bereits angedeutet, die „Matrix für das Skript“199 und ist Basis und Kern der nachfolgend geschilderten Elemente des Lebensplans. 194  Ähnlich

Stewart / Joines 2008, 184. Schlegel 1995, 126. 196  Nach Berne 2001, 109; s. auch das Beispiel bei Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 150. 197  Lowen 1992, 431 ff.; ders. 1998a; Riemann 2000, 20 ff. 198  Vgl. Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 149. 199  English 2001, 84. 195  Ähnlich



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 269

Ich bin o.k., du bist o.k. realistisch kooperative Einstellung Position des Vorankommens partnerschaftlich, konstruktiv, wertschätzend, ressourcenorientiert Typ: Sicher

Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k. nihilistische Einstellung Position der Sinn- und Wertlosigkeit, des Verlorenseins und Aufgebens lust- und hoffnungslos, verzweifelt oder intrigant und sabotierend Typ: Unsicher

Ich bin nicht o.k., du bist o.k. introjektive Einstellung Position des Abrückens und Weggehens unterwürfig, ängstlich, wehleidig, hilfsbedürftig Typ: Untersicher

Du bist o.k.

Du bist nicht o.k.

Ich bin o.k. Ich bin o.k., du bist nicht o.k. projektive Einstellung Position des Loswerdens und Abschiebens arrogant abwertend oder übertrieben hilfsbereit (gönnerhaft) Typ: Übersicher

Ich bin nicht ok.

Abbildung 14: Konzept der Grundeinstellungen (Gesamtübersicht200)

b) Die Bannbotschaften Neben Botschaften, die den Wachstumsprozess des Kindes unterstützen, ist es allerdings auch Botschaften ausgesetzt, die lebenshemmend und wachstumsabträglich sind und die wie Wachstumsblocker auf anstehende Entwicklungsschritte wirken, so dass es zu regelrechten „Verwachsungen“201 kommen kann. Derartig lähmende Botschaften und Begebenheiten, aufgrund derer das Kind Beschlüsse fürs Leben fasst, die es prägen, werden – in der transaktionsanalytischen Diktion – „Bannbotschaften“202, „Verfügungen“203, „Einschärfungen“204 oder „destruktive Grundbotschaften“205 genannt. Allen 200  s.

auch Vogelauer 2007, 276. 2007, 155; eindringlich dazu Maaz 2003, 52 ff. 202  Vgl. Rautenberg / Rogoll 2007, 155 sowie Stewart / Joines 2008, 200 (die freilich von Rautenberg übersetzt sind). 203  Steiner und ihm folgend Berne verwenden den Begriff der Verfügung (engl. injuction) in Anlehnung an juristische Begrifflichkeiten, so jedenfalls Jabandzic ZTA 2002, 33 in offensichtlicher Übernahme von Schlegel 1995, 196; zum Ganzen auch Rautenberg / Rogoll 2007, 156. 204  Steiner 1989, 78, 106 und Schulze 1992, 187. 205  Schlegel 1995, 197 ff.; Hennig / Pelz 2002, 98 f. sprechen von „einschränkenden Botschaften“. Schlegel verwendet den Begriff Grundbotschaften als Oberbegriff, 201  Rautenberg / Rogoll

270

D. Die Transaktionsanalyse

diesen Konzepten gemeinsam ist die Vorstellung, dass Bannbotschaften aus dem Kind-Ichzustand der Eltern oder elternähnlichen Bezugspersonen heraus (un-)bewusst kommuniziert werden. Denn bei Bannbotschaften handelt es sich nicht um erzieherische Anweisungen, sondern um – häufig erst im Nachgang in Worte fassbare – emotionale Beziehungsbeschreibung der Elternpersonen ihrem Kind gegenüber.206 Die Kommunikation erfolgt für das Kind zu vorsprachlichen Zeiten durch Gebärden, Mimik, körperlichen Kontakt und Nichtkontakt. Der Transaktionsanalyse, wie sie heute weitestgehend gelehrt wird, sind zwölf207 prägnant ausgedrückte Bannbotschaften geläufig, die ihrem Wesen entsprechend negativ formuliert sind. Es handelt sich um verneinende und damit direkt grenzsetzende, wachstumsstoppende bzw. wachstumsbehindernde Botschaften, die verbal oder nonverbal geäußert werden. Nochmals sei dabei betont, dass Bannbotschaften für sich betrachtet keine Wirkungsmacht entfalten, solange und soweit das Kleinkind nicht beschließt, ihnen durch Anpassung zu folgen oder sich im Wege der Rebellion an ihnen zu orientieren.208 Aus diesem Grunde formuliert Stewart die entsprechenden um konstruktive von destruktiven Grundbotschaften abgrenzen zu können, Schlegel 2002, 84. Das ist indes nur erforderlich, weil er auch konstruktive Lebensskripte anerkennt. Insoweit entspricht sein Verständnis vom Lebensskript demjenigen des Bezugsrahmens, unter dem jedwede Annahme (Definition) von sich, den anderen und der Welt als solchen subsumierbar ist, vgl. Schlegel 2002, 272, 32. Der Bezugsrahmen ist wie ein „Fenster“ oder eine „Brille“, durch das oder die der Mensch sich, die anderen und die Welt anschaut. Sinn des Bezugsrahmens ist es, psychische Sicherheit und Stabilität zu ermöglichen, wobei er aus flexiblen, aber eben auch aus rigiden Anteilen besteht, dazu Schiff / Schiff / Schiff NTA 1977. Zumeist werden die Begriffe „Skript“ und „Bezugsrahmen“ demnach differenziert, vgl. statt vieler Stewart / Joines 2008, 275 sowie Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 15 ff. Das Skript bezeichnet diejenigen Annahmen, die durch Ausblendungen und Verzerrungen (Discounts) zustande kommen und nicht (mehr!) lebensförderlich sind. Der Bezugsrahmen seinerseits bezeichnet alle Annahmen (Definitionen), also auch die konstruktiven und lebensförderlichen, vgl. Mellor / Schiff NTA 1977; lesenswert auch Schneider, E. ZTA 1994, 61 ff. Danach ist das Skript ein Teil des Bezugsrahmens. Diesem Verständnis wird hier gefolgt. 206  Schulze 1992, 187; Schlegel 2002, 84; Steiner 1989, 73 („Das Kindheits-Ich der Eltern übt den größten Einfluss und Druck auf die heranwachsende Person aus.“); lesenswert dazu auch Maaz 2003, 52 ff. 207  Jaoui NTA 1980 formulierte eine dreizehnte Bannbotschaft („Wisse nicht! Entdecke nicht!“). Als eine Form von „Denke nicht!“- bzw. „Wachse nicht!“-Botschaften setzte dies sich nicht durch. 208  Vgl. Rautenberg / Rogoll 2007, 159; Stewart / Joines 2008, 210  ff.; Goulding / Goulding 2005, 58 mit Hinweis auf Berne 2001, 143 ff., der den Vergleich aufstellt, im Kind-Ichzustand des Kindes existiere eine „Elektrode“, die die Eltern bloß zu betätigen bräuchten und das Kind könne nicht anders, als den Geboten zu folgen.

Ich bin klein (und süß).

häufig das jüngste Geschwisterchen; Tochter als Spielkameradin der Mutter; durch Entwicklung eine „sexuelle Gefahr“ für den Vater

häufig erstgeborene Geschwister; Beachtung für Altklugheit; Über­ forderung

Nesthocker; Liebkind, zerstreuter Tollpatsch, meidet Verantwortung; wohnt noch mit vierzig bei Mutti; bei Frauen mitunter eine „horizontale Körperspaltung“: kindlicher Oberkörper bei ausladendem Unterleib

Altklug; autarkes Verhalten, bittet nie um etwas, ist kaum vergnügt oder verspielt („knochentrocken“); betont Sauberkeit und Ordnung; sucht zu Betreuende, ist aber mit Kindern ausgesprochen unbeholfen (Unter­ gebene); Sorgt sich oft

extreme Orientierung oder gar Identifikation mit anderen; benimmt sich „gegengeschlechtlich“, trägt entsprechend andere Kleidung und Frisur; treibt entsprechenden Sport, Wunschberuf: Schauspieler

Aufhören zu wachsen; Suizid (-versuche); häufige „Unfälle“; gefährliches Autofahren; autoagressive Krankheiten; gefährliche Berufe, Extremsportarten; Süchte; nur für andere da sein und im Übrigen in Depression verfallen (burnouts) etc., Wertlosigkeitsgefühle

(mögliche) Konsequenzen /  nonverbale Hinweise

„Erwachsensein ist anstrengend.“; „Das ist zuviel für mich!“; „Ich habe noch so viel Zeit.“

„Ich war schon immer sehr verantwortlich.“; „Das sind doch Kindereien.“; „Ich kann das doch nicht einfach tun ...!“

„Ich kenne mich nicht!“; „Ich bin wie ...“; im Übrigen fehlen „Ich“-Aussagen

Berichte über Suizidversuche, „Warum überlebte ich und nicht der andere?“; „Was wäre alles besser, wenn ich nicht wäre?“

verbale Hinweise

Abbildung 15: Bannbotschaften, Skriptentscheidungen, Skriptüberzeugungen (1. Teil)

Ich darf nicht erwachsen werden.

Werde nicht erwachsen!

Ich bin kein Kind (mehr).

Ich darf kein Kind sein.

Sei kein Kind!

Ich bin nicht ich.

Ich darf nicht so sein.

Sei nicht du selbst!

Ich sterbe. Ich muss sterben.

enttäuschte Erwartungen der Eltern; mitunter an zweideutigem Namen erkennbar (Klaus Maria; Andrea, Sascha, Conny); Das Kind soll Unmögliches vollbringen, z. B. wie eine berühmte Person werden

ungewollte Schwangerschaft; Abtreibungs- oder Tötungsversuch; unbeachtet lassen etc.; kein Platz in der Familie / Welt z. B. durch elterliche Trauer über den Tod eines anderen Kindes („Tote werden be­achtet / geliebt“)

Existiere nicht! Sei nicht!

Ich darf nicht existieren.

„anregende“ Ursprungssituationen

Bannbotschaft /  Skriptentscheidung /  Skriptüberzeugung

III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 271

Ich gehöre nicht dazu.

Migrantenfamilie; Heimkind; Einzigartigkeit und Besonderheit des Kindes wird immer überbetont

Nichtbeachtung der einzigartigen Existenz; häufige Vergleiche durch die Eltern

übervorsichtige Eltern (vielleicht ein anderes Kind durch einen Unfall verloren …)

eifersüchtige Angst der Eltern; häufig bei sozial aufgestiegenen Eltern

„anregende“ Ursprungssituationen

ungesellig; stets und überall Außenseiter; leidiges oder elitäres Auftreten; „Extrawurst“, Außenseiter; Eigenbrötler

„Back office“-Arbeiter; Panik vor öffentlichen Reden; Aschenputtel­dasein; Kompensation über Status­symbole, die nicht die Persönlichkeit unterstreichen, sondern von ihr ablenken sollen (Pomp und Protz)

Projekte werden hier gar nicht erst begonnen; berufsmäßige extreme Umständlichkeit Unentschlossenheit; vielfältige Interessenbekundungen bei extremer Entscheidungsschwäche; körperlich gebremst; Abwarten als Masche; Reden über die Notwendigkeit des Handelns – sowie die Angst vorm Scheitern

gehäufte Misserfolge; kurz vor oder während der entscheidenden Prüfung „passiert etwas“ (Erkrankung; Vergesslichkeit; Erfolgsangst als Prüfungsangst); immer nur fast fertige Projekte etc.; viel Fleiß ohne Effekt; extreme Umständlichkeit

(mögliche) Konsequenzen/ nonverbale Hinweise

verbale Hinweise

„Ich bin / fühle / denke / handle da ganz anders.“; „Ich bin was Besonderes (und ihr nicht)“; „Andere haben immer was gegen mich.“; „Die können mich nicht leiden.“

„Man muss zufrieden sein, mit dem, was man hat.“; „Bitte, nach Ihnen.“; „Auf mich hört doch eh’ niemand.“; „Was habe ich schon zu sagen?!“; häufige Antwort: „Ist mir egal.“

„Ich habe immer Angst!“; „Die anderen getrauen sich so etwas / sind so spontan ...“; „Ich mache immer alles falsch; also lass’ ich’s.“

„Das schaff’ ich nie!“, „Ich musste immer mehr arbeiten / lernen / mich mühen als andere.“; „Den anderen fällt alles zu!“

Abbildung 16: Bannbotschaften, Skriptentscheidungen, Skriptüberzeugungen (2. Teil)

Ich darf nicht dazugehören.

Sei nicht zugehörig!

Ich bin nicht wichtig.

Ich darf nicht wichtig sein.

Sei nicht wichtig!

Ich tue es nicht.

Ich darf gar nichts tun.

Tu’s nicht! Tu nichts!

Ich schaffe es nicht. Ich bin nicht erfolgreich.

Ich darf’s nicht schaffen.

Schaff’s nicht!

Bannbotschaft /  Skriptentscheidung / Skriptüberzeugung

272 D. Die Transaktionsanalyse

Ich fühle nichts.

Ich darf nicht fühlen.

(bestimmte) Gefühle / Empfindungen sind verboten – in der Wahrnehmung oder auch nur im Ausdruck.

belächelnde(s) Eltern(teil) bei eigenständigen Gedanken­ experimenten

tatsächliche „Gefühlslücken“; psychosomatische Erkrankungen (Essstörungen etwa); schwingt physisch nicht mit; starrer Körper; häufig steif in der Hüfte

häufig verwirrt; Gefühlseskalation als Flucht und Ersatz fürs Denken, dabei mitunter sehr übergriffig; gewohnheitsmäßiges „Vergessen“; sucht Zerstreuung, wo Denken Not tut

Beachtung über Kranksein suchen; gehäufte Krankenhausaufenthalte; Kränkeln aus Loyalität gegenüber einem Elternteil, der auch bereits tot sein kann; auffälliges Verhalten und Auftreten; Clownerie

Zauderer; latent misstrauisch; meidet körperliche Nähe und Verbundenheit; Verlustängste; Berufswahl: Polizist, Jurist, Fernfahrer; Informatiker

(mögliche) Konsequenzen/ nonverbale Hinweise

verbale Hinweise

„Das darf gar nicht weh tun!“; „Ich bin dumm, wenn ich darüber traurig bin!“; antwortet auf Fragen nach Empfindungen mit „Ich denke, dass ...“

„Ich bin so verwirrt!“; „Was hast du gesagt?!“, „Kannst du das nochmals sagen?!“; „Was ist eigentlich Trumpf?!“

„Manchmal bin ich ein bisschen komisch / verrückt / nicht normal.“; „Wenn man krank / unnormal ist, wird man wenigstens umsorgt/beachtet.“

„Mir ist alles recht!“; „Ich habe keine Lieblingssachen, mir ge­fällt alles gleich.“

Abbildung 17: Bannbotschaften, Skriptentscheidungen, Skriptüberzeugungen (3. Teil)

Fühle nicht! Fühle nicht körperlich.

Ich bin dumm. Denken ist gefährlich.

Ich darf nicht denken.

Denke nicht! Denke nicht über … Geld/Sex/Arbeit etc. … nach!

Ich bin krank. Ich bin nicht normal.

Ich darf nicht gesund sein.

Sei nicht gesund! Sei nicht normal!

Ich traue niemandem. Ich lass mich nicht ein.

Im Kranksein Beachtung und Gehör gefunden (in Großfamilien, in Konflikten); Vater oder Mutter war lange schwer krank

Körperfeindlichkeit in der Familie; früher Verlust einer nahe stehenden Person

Sei nicht nahe! Lass dich nicht ein! Trau niemandem!

Ich darf niemandem trauen. Ich darf mich nicht einlassen.

„anregende“ Ursprungssituationen

Bannbotschaft /  Skriptentscheidung / Skriptüberzeugung

III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 273

274

D. Die Transaktionsanalyse

zwölf Skriptthemen nicht als Skriptbotschaften, sondern als Skriptentscheidungen. Dafür verwendet er die Formulierung „Ich darf nicht …“. Diese Skriptüberzeugung ist es, nach der der Mensch lebt und sein Leben gestaltet, unabhängig davon, ob eine solche Botschaft tatsächlich vermittelt werden sollte.209 Diese eigene, einstmals getroffene Entscheidung ist es, die noch gegenwärtig, aber häufig unbewusst wirkt und sich als aktuelle und mitunter rationalisierte Lebensanschauung darstellt. Dazu die Übersicht auf den Seiten 271 bis 273210. c) Die Zuschreibungen Zuschreibungen bzw. Attributionen erhalten durch den kindlichen Beschluss auch einen skriptbedingenden Charakter, werden aber im Gegensatz zu Bannbotschaften positiv formuliert und zuvorderst verbal geäußert und nur sekundär von nonverbalen Signalen begleitet.211 Durch Zuschreibungen wird häufig gegenüber Dritten kundgegeben, was bzw. wie das kleine Kind ist oder sein soll. Es handelt sich um charakterisierende Feststellungen der Elternpersonen, an denen sich das Kind orientiert. Entweder achtet es darauf, dieses Merkmal nicht zu verlieren (und damit die elterliche Zuwendung) oder aber es bemüht sich um die Eroberung der gewünschten Merkmale. Beispiele für unmittelbare Zuschreibungen: „Du bist mein Dummerchen!“; „Du bist mein Liebling!“; „… so niedlich / … so pflegeleicht / … ein ganz Stiller / … ein Quälgeist etc.“; „Du kommst noch ins Kitchen / … in die Anstalt!“.

Besonders wirksam scheinen Zuschreibungen zu werden, wenn sie das Kind indirekt wahrnimmt, z. B. indem sie gegenüber Dritten geäußert oder aufgeschrieben wurden.212 Beispiele für mittelbare Zuschreibungen: „Das ist ein ganz Feiner!“; „Papa sagt, Du bist lästig!“; „Ach Gottchen, ist der schmächtig / blass / süß!“

Bisher war von Skriptbotschaften die Rede, die dem Kind bereits im Säuglingsalter vermittelt wurden, sozusagen „atmosphärisch“213 durch unbewusste und nonverbale Signale. Müsste sich der Mensch allein an diesen Bannbotschaften ausrichten, wäre er ziemlich verloren, weil sie seine Exis209  Dazu Schlegel 1995, 198 („Was erinnert wird, charakterisiert die Gegenwart!“); Rautenberg / Rogoll 2007, 158 f. 210  Vgl. bei Rautenberg / Rogoll 2007, 155 ff.; Goulding / Goulding 2005, 52 ff.; Schlegel 1995, 196 ff.; Stewart / Joines 2008, 200 ff.; Stewart 1993, 104 ff. 211  Vgl. auch zum Folgenden Stewart / Joines 2008, 191 f.; Schlegel 1995, 193 f. 212  Dass dürfte mit den sog. „Zuwendungsmythen“ (Stroke-Mythen) zu tun haben, vgl. Kap. E. III. 4. d) bb) (2) (b). 213  Schlegel 1995, 213.



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 275

tenz als solche betreffen. Die Elternpersonen übermitteln überdies eine Reihe bewusster Botschaften, die dem Kind den Weg weisen, wie es hier leben kann und darf. Um derartige, auch das Lebensskript bedingende Botschaften, geht es im Folgenden. d) Die Antreiber Skriptbotschaften, die die Eltern bewusst, wenn auch nicht unbedingt reflektiert übermitteln in einer Zeit, in der das Kind bereits begrifflich denken gelernt hat, selbst spricht und die elterliche Sprache versteht und von ihrem Beispiel lernt, heißen Antreiber214. Antreiber sind erzieherisch gemeinte, verbal oder beispielgebend vermittelte Aufforderungen aus dem Eltern-Ichzustand der Eltern oder elternähnlicher Bezugspersonen.215 Sie dienen der Abwehr der Bannbotschaften. Antreiberverhalten, das im Erwachsenenalter bei Stresssituationen aktiviert und aktualisiert wird, ist häufig eine Verhaltensweise, die ursprünglich von den Eltern bzw. elternähnlichen Bezugspersonen belohnt wurde.216 Unterscheidbar sind allgemein hin fünf wirksame Antreiber, die erst in ihrer sprachlichen „immer“-Formulierung ihren antreibenden Bedeutungsgehalt offenbaren217: •• Sei (immer) perfekt! •• Sei (immer) anderen gefällig! •• Streng dich (immer) an! •• Sei (immer) stark! •• Beeil dich (immer)!218 214  Das Antreiberkonzept stammt aus den 1970er Jahren und wurde ursprünglich von Kahler entwickelt. Es hängt eng mit dem Miniskriptkonzept (ebenfalls von Kahler) zusammen, das im Anschluss erläutert wird (Kap. D. III. 3.), vgl. Kahler 1980. Das Antreiberkonzept wird in der Beratungstätigkeit aufgrund seiner hohen Anschlussfähigkeit, Praktikabilität und Plausibilität häufig angewendet, verfeinert und mit anderen Konzepten verbunden, vgl. etwa Kreyenberg ZTA 2003; Schneider ZTA 2006. 215  Schlegel 2002, 5; ders. 1995, 205; Schulze 1992, 189; Jabandzic ZTA 2002, 34. 216  Kreyenberg ZTA 2003, 64. 217  Zum Folgenden auch Stewart / Joines 2008, 228 ff.; Schulze 1992, 190 f.; Rautenberg / Rogoll 2007, 181 ff.; Schlegel 2002, 5 ff.; zur systemischen Sicht auf Antreiber Schmid 2006, 14 ff. 218  Einige Autoren wollen weitere Antreiber entdeckt haben, die sich indes als Paraphrasen zu den genannten Fünf begreifen lassen. Sie werden in der Übersicht („Skriptapparat: Antreiber“) aufgeführt, vgl. dazu Schlegel 1995, 205 ff. Lediglich drei Antreiber anerkennend Mescavage / Silver NTA 1979. Eine Neustrukturierung mittels der Einzelantreiber als Komponenten eines (einzigen) Angetriebenseins un-

276

D. Die Transaktionsanalyse

Uneinigkeit besteht bei der Frage, „wo“ das Kind die Antreiber strukturell verinnerlicht bzw. wo sie konzeptionell zu verorten sind, wenn und soweit sich das Kind ihrer annimmt. In Anlehnung an Kahler gehen Stewart / Joines sowie Rautenberg / Rogoll davon aus, dass das heranwachsende Kind die Antreiberbotschaften in seinem Eltern-Ichzustand aufnimmt.219 Dies findet seine Begründung darin, dass Antreiber sprachlich unverfälscht formulierte Gebote sind, die auch so verstanden und deshalb auf diese Weise abgespeichert werden. Dem wird sich in der vorliegenden Untersuchung angeschlossen.220 Im Gegensatz zu Bannbotschaften, unter denen Menschen durch ihre Skriptentscheidungen stehen, lassen sich Antreiber bzw. Antreiberverhalten im sozialen Kontakt präzise erkennen. Jeder Antreiber ist von einer typischen Kombination von wahrnehmbaren Äußerungsformen begleitet. Bezugspunkte sind Wortwahl, Stimmlage bzw. Sprechweise, Gestik, Mimik und Körperhaltung, die darüber hinaus auf die intrapersonale Verfassung schließen lassen.221 In den folgenden Übersichten222werden diese Punkte tabellarisch dargestellt. Zu beachten ist, dass das Wahrnehmen nur eines Verhaltensindizes nicht ausreicht, um auf das entsprechende Antreiberverhalten schließen zu können. Für eine sichere Diagnose bedarf es stets mehrerer entsprechender Indizien. Zudem gilt, dass es für die Diagnose auf Wahrnehmungen ankommt, nicht auf Deutungen oder gar Wertungen. Dabei kommt es für die Diagnose von Antreibern auch nicht entscheidend darauf an, die genannten Indizien rational wahrzunehmen. Antreiberdiagnose ist keine Mathematik. Vielmehr schafft Antreiberverhalten eine spezifische ternimmt Preukschat ZTA 2003. Darauf zu einem „dynamischen Handlungspentagon“ aufbauend und die Antreiber zu grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten in Beziehung setzend Schneider ZTA 2006. Drei Antreiber zu den Verhaltensdimen­ sionen Geschwindigkeit, Kraftaufwand und Zielgenauigkeit ordnend Schneider, M. ZTA 2006. Zum Zusammenhang von Antreibern und Persönlichkeitstypen Ware ZTA 1992. 219  Vgl. Kahler 1980, 119; Stewart / Joines 2008, 212; Rautenberg / Rogoll 2007, 182. 220  Jedoch verorten andere Autoren die Antreiber im Eltern-Ichzustand des KindIchzustands, also im Eltern-Ichzustand zweiter Ordnung („magische Eltern“, „Schweine-Eltern-Ich“), so Hennig / Pelz 2002, 96, die jedoch zu Recht darauf hinweisen, dass die jeweilige Fragestellung eine passende Konstruktion fordert. Wieder andere Autoren spalten die Antreiberbotschaft in zwei Teile auf, in einen Teil, der eine Überlebensbedingung beinhaltet und der im Kind-Ichzustand abgespeichert wird und in einen anderen Teil, der die Verhaltensnorm formuliert und im ElternIchzustand abgespeichert wird, so etwa Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 200. 221  Etwaige Rückschlüsse auf die intrapersonale Verfassung des Menschen bleiben aber Vermutung und können allenfalls durch Nachfragen überprüft werden. Gleichwohl bietet das beobachtbare Antreiberverhalten einen ersten Anhaltspunkt für etwaige Bannbotschaften. 222  Vgl. Stewart / Joines 2008, 230 ff.; Schulze 1992, 192; Schlegel 1995, 205 ff.

Könntest du?, ständige Ein­fügungen : nicht wahr ...? Verstanden? Oder ...? hmhm? Verstehen Sie?

Sei anderen immer gefällig!

Sei stets der Beste!

sozusagen; das kommt drauf an; natürlich! Erstens …, zweitens …, drittens; komplizierte Wendungen

Wortwahl

Sei immer perfekt!

Antreiber

ausgestreckte Hände, Handflächen nach oben, ständiges zustimmendes Kopfnicken, verspanntes Lächeln (‚scheues Grinsen‘)

am Kopf kratzen; an den Fingern abzählen; Fingerkuppen beider Hände aneinandergelegt; das Kinn streichelnd

Gestik

Stirnfalten (quer!); blickt Gesprächspartner von unten nach oben an, hochgezogene Augenbrauen

ernst; streng; Pokergesicht; blickt nach oben an die Decke, wo die (perfekte) Antwort zu stehen scheint

Mimik

vorgeschobene Schultern, krummer Buckel, devot, zugeneigt, ‚kriecht förmlich in den Gesprächspartner rein‘ (passt sich an!)

kerzengerade, (perfekte) Balance, aber steif und hart; starr; zusammengekniffene Pobacken

Körperhaltung

Abbildung 18: Die Antreibermatrix (1. Teil)

Mediator: „Würden Sie mir bitte, wenn es ihnen nichts ausmacht, erklären, wie es zu dieser Situation kam, oder?“

Schnell und hoch bis piepsend in der Stimmlage; zuweilen weinerlich, fast wimmernd

Einschübe; inhaltliche Abschweifungen; Stimme hörbar ausge­glichen; Mediator (aalglatt): „Erzählen Sie mir jetzt bitte ganz genau, was konkret vorgefallen ist, also wie sie … und …“

Sprechweise

wahrnehmbare Ausdrucksformen

„Ich bin noch nicht gut genug für den anderen!“

„Ich muss es noch besser machen!“

psycho­lo­gische Verfassung

Verkrampfungen in Bauch und Magen

angespannter Körper

psycho­ somatische Verfassung

intrapersonale Verfassung

III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 277

Beeil dich immer!

Zeige / habe keine Gefühle!

Sei immer stark!

Gib dir immer Mühe!

Streng dich immer an!

Antreiber

Ich habe keine Zeit! Ich muss los! Mach schnell /  rasch / kurz.

Kein Kommentar! Ist mir egal! unpersönlicher Ausdruck (‚man‘; ‚das‘; ‚es‘) statt Ich-Botschaften.

Ich versuche mal, …; Was ich zu sagen versuche; ist …; Es ist schwer …; Das versteh’ ich nicht.

Wortwahl

wippende Beine; Klopfen mit den Fingern; hin und her ruckeln; zappeln; häufiger Blick zur Uhr; unruhig

Gestik wird vermieden; bewegungslos, weil emotionslos

geballte Fäuste, Hände an die Ohren / Augen gelegt (‚mühsam zu hören bzw. zu sehen‘)

Gestik

nervöses Blinzeln; unsteter Blick; Stirnrunzeln

ausdrucks- und bewegungslos; Pokerface

Stirnfalte zwischen den Augen (längs), verbissenes Gesicht, Augen zusammen­ gekniffen

Mimik

schnelle Bewegungen; unruhiger Gesamteindruck für den Gesprächspartner

verschränkte Arme und / oder übereinander­ gelegte Beine oder eine Ferse auf dem Knie; statuenhaft

vorn über­ gebeugt, Ellenbogen aufgestützt

Körperhaltung

Abbildung 19: Die Antreibermatrix (2. Teil)

abgehackt; verschluckt; bringt Sätze nicht zu Ende; Tonfall eines Maschinengewehrs; Mediator: „So, beginnen wir mit der Arbeit – was ist vorgefallen?!“

hart; monoton; leise; unbewegt; wenig einladend; nahezu abwesend; extrem nüchtern; Tonfall eines Staubsaugers; Mediator: „Was ist passiert?“

bedrückt; gequält; angestrengt; angespannt; Mediator: „Versuchen sie bitte, mir ihre Situation genau zu erklären!“

Sprechweise

wahrnehmbare Ausdrucksformen

„Das werde ich nie beenden können und müsste doch längst fertig sein!“

„Ich darf den anderen keinesfalls zeigen, dass ich schwach bin!“

„Ich muss mich noch mehr anstrengen!“

psycho­lo­gische Verfassung

kribbeliges Gefühl (vor allem in den Beinen und Armen)

„taubes Gefühl“ oder gar kein Körper­ gefühl

Anspannungen und Verkrampfungen im Nacken und oberen Rückenbereich

psycho­ somatische Verfassung

intrapersonale Verfassung

278 D. Die Transaktionsanalyse



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 279

Atmosphäre im sozialen Kontakt, löst emotionale Dynamiken aus, Beziehungsmuster und Wirklichkeitslogiken, die spür- und erlebbar sind.223 In­ tuition ist ein wichtigstes Hilfsmittel zur Diagnose von Antreibern, eine geübte und professionalisierte Intuition ein besonders geeignetes.224 Antreiber unterscheiden sich von Bannbotschaften erheblich. Sie gebieten Verhaltensweisen, statt welche zu verbieten.225 Bannbotschaften sind – verwortet – stets negativ formuliert, Antreiber positiv. Bannbotschaften verneinen Entwicklung, Antreiber geben zumindest eine Richtung vor, wenn sie auch dadurch andere ausschließen. Gemeinsam ist beiden, dass sie das sich entfaltende Leben beschränken und zu „Verwachsungen“226 führen. Aber auch in dieser Begrenzungsfunktion wirken Antreiber und Bannbotschaften unterschiedlich. Bannbotschaften begrenzen das Leben eindeutig, unmittelbar und insoweit „absolut“, während Antreiber den jungen Menschen in eine bestimmte Richtung weisen und dadurch nur mittelbar die Entwicklung begrenzen und im Übrigen ausdrücklich bestimmtes Verhalten gebieten. Diese Unterschiede sind für den Einzelnen erheblich: Während Bannbotschaften aus dem Kind-Ichzustand der Eltern zumeist unbewusst geäußert werden, werden Antreiber bewusst formuliert oder beispielgebend vorgelebt.227 Insoweit wirken Antreiber „relativ“ und sind beziehungsorientiert. Das zeigt sich bereits sprachlich daran, dass Antreiber erzieherisch gemeint sind und offen bzw. als moralisch notwendig vertreten werden. Bannbotschaften hingegen betreffen die Existenz als solche und sind nicht an konkretes Verhalten geknüpft. Sie werden ursprünglich nicht verbal, aber körpersprachlich formuliert und das Kind entschließt sich für oder gegen sie zu einer Zeit, in der es selbst noch nicht begrifflich denken kann und sprechen gelernt hat. Bannbotschaften werden also präverbal, sozusagen „atmosphärisch“ vermittelt und derart aufgenommen. Sie wirken deshalb auch zumeist diffus und intensiv. Sie vermitteln ein Lebensgefühl bzw. wirken umfassend auf dieses ein, wenn und soweit später gegen sie verstoßen wird. Sie sind deshalb schwer in Begriffe zu fassen und als solche nur mit mutigem Gespür begreifbar.228 223  Schmid

2006, 15. bzw. Antreiberverhalten beschreiben innerliche und äußerliche Prozesse, sind als solche allerdings nicht existent. Sie werden in der Sprache versachlicht, um sie begreifbar werden zu lassen; eindringlich dazu Schneider ZTA 2006, 17. 225  Dennoch sind Antreiber keine – das Leben bejahende – Erlaubnisse. Vielmehr sind Antreiber Direktiven, die befolgt werden müssen. Erlaubnisse sind Lizenzen, die wahrgenommen werden dürfen, aber nicht müssen, vgl. Schlegel 1995, 204. 226  Rautenberg / Rogoll 2007, 155. 227  Stewart / Joines 2008, 212. 228  Aus diesem Grunde äußern sich, sobald gegen Antreiber verstoßen wurde, mitunter „Kopfbewohner“ (Goulding 2005), die schimpfen und oftmals laut zu sich 224  Antreiber

280

D. Die Transaktionsanalyse

Bannbotschaften und Antreiberverhalten können kombiniert werden: In diesem Fall weist der Antreiber einen Weg, um der angenommenen Bannbotschaft, also der eigenen Skriptentscheidung und -überzeugung (noch) nicht zu folgen und ihre Erfüllung aufzuschieben.229 Sie übernehmen somit Abwehrfunktionen im Dienste des (Über-)Lebens und stellen die Lösung des Erwachsenen-Ichzustands im Kind-Ichzustand230 auf die lebensverneinende Bannbotschaft dar. Insoweit „verwalten“ sie die Bannbotschaften und ihre (Auf-)Forderungen, schieben sie auf, aber nicht ab. Eine Auflösung der Bannbotschaften und die Erlösung von ihren Wirkungen kann durch ein (verstärktes) Antreiberverhalten nicht erfolgen.231 Wurden beispielsweise die Bannbotschaften „Existiere nicht!“ und der Antreiber „Sei (immer) stark!“ vermittelt, so würde eine entsprechende Kombination lauten: „Ich darf existieren, wenn und solange ich stark bin!“ bzw. „Ich muss immer stark sein, sonst darf ich nicht existieren!“ Eine andere Kombination könnte lauten: „Ich kann es schaffen, wenn und solange ich mich anstrenge!“232 Mitunter wird auch davon ausgegangen, dass Bannbotschaften untereinander kombiniert werden können.233 Deutlich wird jedoch daran, dass Antreiber, jedenfalls im Ausgangspunkt, im Dienste des Lebens stehen und diesen konstruktiven Kern niemals einbüßen können. Sollten sich Antreiber als Lösungsstrategie des Kindes im Erwachsenenalter als nicht mehr tauglich oder gar hinderlich erweisen, so gilt das jedenfalls nicht für diese konstruktiven Anteile.234 e) Die Programme Ein drittes Element rundet die Einführung in die Grundlagen des Lebensskripts ab: Programme. Programme bestehen aus Verhaltensweisen, die selbst geäußert werden („Das hättest Du besser machen können – und müssen!“ oder „Das kann doch nicht so einfach sein! Ich muss etwas falsch gemacht oder übersehen haben …“). Anders bei Verstößen gegen Bannbotschaften; hier werden Körperspannungen wahrgenommen, ein unbestimmtes Unbehagen, das sich ausbreitet. Z. B. können Existenzängste scheinbar unvermittelt auftauchen, das Herz beginnt zu rasen etc., wenn sich beispielsweise etwas „Luxus“ gegönnt wurde („Existiere nicht!“ oder „Nimm Dich nicht wichtig!“), ausführlich Stewart / Joines 2008, 198. 229  In der älteren transaktionsanalytischen Literatur wurden sie deshalb auch als „Gegenskriptbotschaften“ bezeichnet, vgl. Mescavage / Silver NTA 1979; Steiner TAB selected 1976a, die praktisch vom „Regen in die Traufe“ führen, so Schmid, zitiert nach Mohr 2006, 73 m. w. N. 230  ER oder auch „kleiner Professor“ genannt. 2 231  Dazu Risto 2003, 169. 232  Weitere Beispiele bei Rautenberg / Rogoll 2007, 183 ff. 233  Vgl. Stewart / Joines 2008, 214 („Ich darf existieren, wenn und solange ich niemandem zu nahe komme“). 234  s. dazu die Übersicht bei Vogelauer 2007, 272.



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 281

Elternpersonen aus ihrem getrübten Erwachsenen-Ichzustand235 übermitteln und die das Kind oder der erwachsene Mensch deshalb aufgreifen, weil sie ihm zeigen, wie er sein Leben (freilich unbewusst geleitet von den Bannbotschaften und Antreibern) tatsächlich gestalten kann.236 Dabei unterscheidet sich der Inhalt von Programmen nicht wesentlich von den Antreibern. Beide können „äußerlich“ den gleichen Inhalt aufweisen. Programme unterscheiden sich allerdings von Antreibern darin, dass sie oftmals einleuchtend begründet werden (können), dass sie sozial anerkannt sind und durch Überlieferung, Sitte und Anstand, Religion oder Weltanschauung offen transportiert werden („Rationalisierungen“). Sie erscheinen – insbesondere in der modernen Leistungsgesellschaft – zweckmäßig und entsprechen angesichts der „sichtbaren Erfordernisse“ dem „gesunden Menschenverstand“, auf den sich in diesem Zusammenhang berufen wird, wenn eine tiefergehende Begründung Dunkles und Unerwünschtes offenbaren würde.237 Und das ist der tragende Grund, weshalb sich für ein Programm entschieden wird und gegen andere, die auch angeboten werden: Programme dienen dem Antreiberverhalten, die ihrerseits von den Skriptentscheidungen in Dienst genommen wurden und schaffen dies durch ihr sozialadäquates Auftreten. Antreiber – und noch weniger Skriptentscheidungen – können im Kontakt zu anderen nicht derart bewusst vertreten und gelebt werden wie Programme. Die Anzahl der möglichen Programme ist deshalb auch unzählig. Letztlich handelt es sich um alle Aussagen, denen ein „das macht man (schon immer) so …“ zugrunde liegt. Alle Verhaltensweisen, denen solche Motivation zugeschrieben werden kann, werden dadurch zu Programmen, die die Bannbotschaften erfüllen lassen und den Antreibern Wirkung verschaffen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bannbotschaften aufgrund ihres absoluten Charakters und ihrer Negation des Lebens stets entwicklungshemmend sind, während antreibende Botschaften ihrer Permanenzforderung („immer“) wegen problematisch sind. Programminhalte sind für sich genommen keineswegs problematisch. Sie werden es aber für den Einzelnen, wenn er sie nicht hinterfragt und sich ihrer Bedeutung für ihn selbst bewusst wird. In diesem Fall dienen die Inhalte dazu, Bannbotschaften und Antreiber zu befolgen. Und das wirkt sich problematisch aus.

235  s.

dazu Kap. D. II. 5. Rautenberg / Rogoll 2007, 188 f. (auch zum Folgenden). 237  Ob es allerdings noch andere Zusammenhänge gibt, in denen die Berufung auf den „gesunden Menschenverstand“ angebracht ist, muss an dieser Stelle offen bleiben. 236  Vgl.

282

D. Die Transaktionsanalyse

f) Die Beschlüsse – Das Lebensskript als (veränderliche) Entscheidung Bannbotschaften, Antreiber und Programme sind an und für sich wirkungslos. Wirkung und Macht werden durch den Adressaten verliehen. Indem er sich die Skriptbotschaften zu eigen macht, sich ihrer annimmt und sie befolgt, bestimmen sie sein Leben oder genauer, gestaltet er mit ihnen sein Leben. Diese sog. Skriptentscheidungen oder skriptbedingten Schlussfolgerungen238 haben zwei Aspekte: Sie sind die Antwort des Einzelnen, wie er die Welt und das Leben als solches sieht und wie er gedenkt, in ihr sein eigenes zu verbringen.239 Seine Antworten, seine Skript­ entscheidungen sind, so abträglich sie tatsächlich für sein nachfolgendes Leben werden mögen, gleichwohl die besten Entscheidungen, zu denen das Kind in der Lage war, um sein vitales und emotionales Überleben zu sichern.240 Beispiel: Beschließt das kleine Kind, dass die Welt ein „gefährlicher Ort“ ist, so wird die Skriptentscheidung erst durch den Beschluss vollständig, wie es damit umgeht. Möglicherweise hält es sich aus der gefährlichen Welt fern und wartet auf den lieben Traumprinzen / die liebe Traumprinzessin im eigenen Schloss (oder Verlies) oder aber bietet dieser Welt gerade seine Stirn und setzt sich für sich ein oder aber stürzt sich todesmutig (oder -willig) mit offener Brust in sie.

Das Kleinkind wird nach der Vorstellung der Transaktionsanalyse auch in den ersten Monaten oder Jahren seines Lebens nicht „im mechanischen Sinne“ durch die Eltern oder allgemein die Umwelt „geprägt“, sondern reagiert von Beginn an auf sie, wenn auch mit seinen ganz beschränkten, aber für das eigene Leben entscheidenden Mitteln.241 Die „Macht“ der Skriptbot­ schaften ist im Grunde genommen Ausdruck der tatsächlichen, wenn auch (noch) nicht bewussten Selbstverantwortlichkeit. Sie zeigen, dass sich der Mensch – schon immer und immer noch – für sein konkretes Leben entscheidet, wenn auch nur aus mangelndem Überblick über die eigenen Lebenszusammenhänge. Zu beachten ist dabei freilich, dass die Skriptbe238  Jabandzic ZTA 2002, 32; English 1980, 176, die „Schlussfolgerungen“ aber von den Skriptentscheidungen dadurch abgrenzt, dass sie Schlussfolgerungen früher getroffen sieht. 239  Dazu Schlegel 1995, 226 f.; Stewart / Joines 2008, 210 f. 240  Jabandzic ZTA 2002, 35 m. w. N. 241  Schlegel 1995, 227 f. mit Beispielen („Je jünger das Kind ist, umso mehr lebt es nicht in einer rational überschaubaren, sondern in einer emotional bestimmten Welt. Zudem steht es, je jünger es ist, umso ausgesprochener, unter einem schweren Druck, da es ohne Eltern nicht leben kann und ihre Zuneigung dringend nötig hat.“) Zudem weist Schlegel darauf hin, dass auch „unpersönliche Ereignisse“, bei denen elterliche Botschaften lediglich vermutet werden, Skriptentscheidungen begründen können.



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 283

schlüsse stets das Ziel verfolgen, die eigenen Grundbedürfnisse zu befriedigen.242 Hier ist der Wert der Skriptarbeit zu finden. Skriptarbeit zeigt, wie ein jeder beeinflusst und belastet wurde, ohne ihm die Verantwortung für sein momentanes Leben und insbesondere Erleben zu nehmen und anderen aufzubürden. Sie eignet sich nicht für Schuldzuschreibungen, sondern zeigt, wie wir uns – aus welchen Gründen auch immer – heute selbst noch belasten. Skriptarbeit lässt uns nicht nur abstrakt und generell verstehen. Sie lässt uns uns in unserer ureigenen Individualität und Persönlichkeit verstehen. Und sie lässt uns dadurch auch andere verstehen. Sie zeigt, dass derjenige, der sein Er-Leben verändern und entwickeln möchte, sich mit sich und der Gegenwart auseinanderzusetzen hat, statt mit den eigenen Eltern, anderen Umwelteinflüssen oder mit etwas Vergangenem wie der eigenen Vergangenheit243. Ausgangspunkt der Skriptarbeit ist, wie von jeder transaktionsanalytischen Arbeit, die Gegenwart, die für sich die eigene Macht und Selbstverantwortlichkeit über das eigene Leben offenbart. Skriptarbeit zeigt, weshalb und wie wir unser Leben tatsächlich gestalten, und verdeutlicht, dass es tatsächlich unser Leben ist, was wir erleben – und keineswegs die Folgen eines Loses. Da das Skript der Handlungsplan eines Kindes für ein Kind ist, halten Skriptentscheidungen den Erwachsenen im Leben als Kind fest. Skriptarbeit gestaltet deshalb um, entspricht aber weniger einer „Einmalarbeit“, die zu einem festen Punkt als abgeschlossen gelten kann, sondern mehr einer „Korrekturarbeit“, die steter Aufmerksamkeit und Wiederkehr bedarf. Indem allerdings vergangene Entscheidungen und Beschlüsse wieder ins Bewusstsein gehoben werden und der „Vergesslichkeit“ entrissen, wird der Raum geschaffen, neue Entscheidungen und Beschlüsse zu formulieren, sich und sein bisheriges Handeln zu hinterfragen, um gegebenenfalls neue Wege zu beschreiten.244 Abschließend zu den Entscheidungsgrundlagen des Lebensskripts sei die Skript-Matrix grafisch dargestellt. Sie stammt von Steiner und lässt die Zusammenhänge bildhaft vermitteln, um das (eigene) Skript geordnet auf einen Blick zu erfassen: 242  Solche Bedürfnisse sind das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nach Wichtigkeit im sozialen Kontakt, nach Versorgung und Erfolg, nach Authentizität und Selbständigkeit, nach Initiativkraft und eigenständigem Fühlen und Denken. Dazu Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 183 ff. 243  Die Vergangenheit (die nicht real existiert) sollte nicht verwechselt werden mit dem, was wir Erinnerung (an die Vergangenheit) bezeichnen. Erinnerung spiegelt nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart wider; sie ist gegenwärtig und deshalb wirkungsvoll im individuellen und kollektiven Leben. Ähnlich Schlegel 1995, 198. 244  Ebenso Rautenberg / Rogoll 2007, 191.

284

D. Die Transaktionsanalyse Skriptmatrix mit einem Beispiel für das Skript eines Mannes

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Abbildung 20: Die Skriptmatrix245

3. Die Auswirkungen des Lebensskripts Das Lebensskript ist mit dem Eintritt ins Schulalter verfasst und wird durch nachfolgende Ereignisse allenfalls, wenn auch nur geringfügig, ergänzt. Schließlich wird alle Wahrnehmung durch die Skriptinhalte gefiltert und ein korrigierender Erwachsenen-Ichzustand ist naturgemäß noch nicht ausreichend auf- und ausgebaut worden. Vielmehr stellt der Gang aus dem engen Familienkreis als „Eintritt“ in das gesellschaftliche Leben die erste „echte Bewährungsprobe“ dar. Es scheint, als seien bis zu diesem Zeitpunkt alle Vorbereitungen getroffen worden, um das Stück vor einem größeren Publikum als nur der eigenen Familie aufzuführen.246 Die Auswirkungen lassen sich zunächst in den Dimensionen der Persönlichkeit feststellen. Das Skript wirkt sich auf das Fühlen, das Denken sowie das Verhalten des Einzelnen aus, so dass es ichzustandbildend wirkt. Die transaktionsanalytische Theorie stellt dafür eine ganze Reihe von unterschiedlichen Konzepten und Modellen zur Verfügung, um Skriptinhalte und Skriptumsetzungen zu er245  s. dazu Steiner 1989, 97 ff.; Stewart / Joines 2008, 193; Rautenberg / Rogoll 2007, 187; Henning / Pelz 2002, 97. 246  Ähnlich Berne 1974, 114; ders. 2001, 48, 53; Schlegel 1995, 176 ff.



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 285

kennen sowie gegebenenfalls zu beenden. Kategorisieren lassen sich Skripte unterschiedlich. Naheliegend ist die Differenzierung nach den tatsächlichen Konsequenzen, die der Vollzug von Lebensskripten mit sich bringt.247 Bedeutsamer als die Kategorisierung von Skriptinhalten und -themen, sind die Möglichkeiten, wie der jeweilige Skriptinhalt umgesetzt wird. Nach dem Wie? gefragt, bleibt ein Aufspüren der Lebensskriptinhalte nicht aus, sondern stellt de facto den Einstieg zur Beantwortung des Was? (ist der Inhalt) dar. Bei aller Individualität der jeweiligen Skriptinhalte werden Lebensskripte gleichwohl musterhaft umgesetzt. Der Darstellung des Skriptprozesses dienen zwei bedeutsame Modelle: das Miniskriptmodell sowie das Modell der Prozessskripte. Das Miniskriptmodell248 bietet anhand des Antreiberkonzepts und des Konzepts der Grundeinstellungen ein Prozessmodell zur Analyse von und Intervention bei problematischen Alltagssituationen. Die Skriptauswirkungen zeigen sich (blitzartig) im aktuellen Verhalten sowie an den wahrnehmbaren Gefühlsreaktionen249. Eine angemessene Reaktion bleibt aus. Das Skript wirkt begrenzend – auf die Wahrnehmung von sich, den anderen und der Welt sowie auf das Reaktionsverhalten.250 Ausgangspunkt zur Aktivierung des Miniskripts ist häufig eine Stresssituation. Sie begrenzt die an sich vorhandene Freiheit, aus dem vollständigen Reservoire unserer Gesamtper247  Berne kategorisiert in „Gewinner-“, „Verlierer-“ und „Nichtgewinnerskripts“. Gewinner sind für Berne diejenigen, die ihre selbst definierten Ziele tatsächlich und auf gesundem Wege erreichen oder zumindest wissen, was zu tun ist, falls sie (ihr erstes Ziel) nicht erreichen. Verlierer sind diejenigen, die ihre Ziele nicht erreichen und große Verluste einstreichen (hamartische Skripte). Nichtgewinner verfehlen ebenso ihre Ziele, streichen aber keine Verluste ein (banale Skripte). Berne 2001, 244 f. („Ein Gewinner weiß, was er zu tun hat, wenn er einmal verliert, aber er spricht nicht darüber. Ein Verlierer weiß nicht, was er tun soll, wenn er verliert, und er spricht darüber, was er tun wird, wenn er einmal gewinnt.“); vgl. auch Schlegel 2002, 79 f.; Stewart / Joines 2008, 163 ff. Steiner unterteilt die Skriptinhalte in „lieblos“-, „freudlos“- und „kopflos“-Skripte, um Korrelationen mit dem Autonomiekonzept formulieren zu können. Bei „lieblos“-Skripten mangelt es an Intimität (dafür Depression bis zum Freitod), bei „freudlos“-Skripten an Spontaneität (dafür Langeweile bis zu Süchten) und bei „kopflos“-Skripten an Bewusstheit (dafür Konfusion bis hin zur Psychose), Steiner 1989, 129 ff.; Hennig / Pelz 2002, 101 f.; übersichtlich Schlegel 2002, 286 ff. Einen sog. „Skriptschlüssel“ kreiert Wahking NTA 1980, der die – sogleich vorzustellenden – Prozessskripte mit Steiners Kategorisierung verbindet. 248  Es stammt von Kahler 1980; vgl. zum Folgenden auch Stewart / Joines 2008, 241 ff.; Schulze 1992, 193 ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 57 ff. 249  Ähnlich Schulze 1992, 193 („Das Miniskript kann als Sequenz von skriptgebundenen Verhaltensweisen und dadurch hervorgerufenen negativen Gefühlen verstanden werden.“). 250  Ähnlich Hennig / Pelz 2002, 103.

286

D. Die Transaktionsanalyse Stress- und Drucksituation führt zur ...

1. Antreiberposition Emotionen werden nicht wahrgenommen (keine „Gefühle“)

3. Position des Rächers Um der Verzweiflung zu entkommen Maschen: Vorwürfe; Wutausdrücke; Euphorie; Gehässigkeit

4. Position der Verzweiflung

2. Position des Bremsers

Scheitern aller (skriptgebundenen Lösungsversuche)

Der Weg des Antreibers führte zu keiner Lösung

Maschen: Wert- und Hoffnungslosigkeit; Ungeliebtheitsannahmen; Aussichtslosigkeit

Maschen: Schuldgefühle; Sorgen; Verwirrung; Verlegenheit; Leere

Abbildung 21: Die Prozessschritte im Miniskriptmodell251

sönlichkeit im Hinblick auf Empfindungen, Gedanken und Verhalten zu wählen. Stress und Druck lässt Menschen auf ihre typischen Rezepte zurückgreifen. Dabei handelt es sich um Rezepte aus dem strukturellen Eltern-Ichzustand252, häufig sind es die bevorzugten Antreiber. Sie sollen – wie bereits 251  Die Grafiken unterscheiden sich in der transaktionsanalytischen Literatur. Teilweise wird der Prozess durch einseitige Pfeile („Einbahnstraßen“) dargestellt, denen gefolgt werden würde, so etwa Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 58, 59 und Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 203. Kahler 1980, 104 sowie Stewart / Joines 1980, 243 verdeutlichen die Bewegungen nicht durch Pfeile, sondern durch Striche, so dass beide Richtungen eröffnet sind. Schulze 1992, 194 anerkennt – offenbar in Anlehnung an oder zumindest im Gleichklang mit Kahler / Capers TAJ selected 1980, 126 – lediglich die Möglichkeit eines Richtungswechsels zwischen der zweiten und dritten Position (durch zwei entgegen gesetzte Pfeile). Hennig / Pelz 2002, 105 verdeutlichen durch zweiseitige Pfeile, dass die Bewegungen stets geändert werden können. Einbahnstraßen gibt es danach nicht. Jede Position weist – innerhalb des Miniskripts – mindestens zwei weitere Positionen auf, zu denen gewechselt werden kann. Jedoch verdeutlicht die Darstellung in einem Dreieck, dass die dritte Position die einzige ist, von der aus drei Positionen angesteuert werden können. Die meisten Darstellungen, auch die ursprüngliche von Kahler 1980, 104, vernachlässigt aber die Möglichkeit, von der dritten nochmals zur ersten Position direkt zu wechseln, obschon Wut und Ärger Gefühlsreaktionen auf problematische Situa­ tionen sind, denen typischerweise mit (verstärktem) Antreiberverhalten begegnet wird. Lediglich Stewart / Joines 2008, 243 anerkennt diese Möglichkeit. Dieser wird hier, allerdings durch Pfeile verdeutlicht, gefolgt. 252  Ebenso Hennig / Pelz 2002, 103.



III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 287

dargelegt – helfen, der Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ zu entkommen, was ein bedingtes O.k.-Sein zur Folge hat: „Ich bin o.k., wenn ich … (mich beeile)“. Versagen die Antreiber als Lösungsrezepte, wird die Grundeinstellung (– / +) aktiviert. Der Mensch fühlt sich unterlegen und abhängig. Sein Handeln ist gebremst oder gar vollständig blockiert, was bedeutet, dass die – mit dem Antreiber kombinierte – Bannbotschaft wirkt und sich in diesem Moment für sie entschieden wurde. Steigt der Stress dadurch an und kann gleichwohl oder deswegen lebensbejahende Energie aktiviert werden, besteht die Möglichkeit, das Abhängigkeitsverhältnis umzudrehen: „Ich bin o.k., Du bist nicht o.k.“! Die anderen sind Schuld an der Misere, was deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Scheitert auch dieser Versuch, den Stress zu beheben bzw. das zugrunde liegende Problem zu lösen, kündigt sich die Position der Verzweiflung an, die auch ohne den Zwischenstopp zuvor betreten werden kann: „Ich bin nicht o.k., Du bist nicht o.k.“. Die vier Sta­ tionen des Miniskripts können – je nach Situation und Person – unterschiedlich schnell und häufig durchlaufen werden. Bedeutsam daran ist, dass sie sich, gerade weil sie nicht über „Einbahnstraßen“ erreichbar sind, gegenseitig verstärken (können). Folgende Übersicht verdeutlicht den Teufelskreislauf des Miniskriptprozesses (circulus vitiosus253). Nun zu den Prozessskripten. Da Lebensskripte Möglichkeiten darstellen, die eigene Lebenszeit einzuteilen, lohnt es sich, ihre Bindung an die Zeit zu betrachten und sie danach zu kategorisieren. Unabhängig vom Inhalt, muss das Skript in der Zeit umgesetzt werden. Dabei zeigt sich, dass Skriptinhalte in sechs verschiedene Weisen prozessiert werden, aus denen sich jeder letztlich ein, maximal zwei auswählt.254 Lebensskripte werden umgesetzt, indem man niemals etwas tut oder immer etwas tut, oder indem man nichts tut, bevor nicht … (eine Bedingung eingetreten ist) oder indem man etwas angstvoll oder lustlos tut oder unterlässt, weil danach der Preis zu zahlen ist, oder indem man beinahe etwas tut, was man sich vorgenommen hat. Diese unterschiedlichen Weisen, das Lebensskript umzusetzen, finden in Mythen und Legenden ihre entsprechenden Vorbilder.255 Stets werden Skriptvollzüge von Antreibern begleitet. Denn Antreiberverhalten sind praktisch „Miniaturversion[en] der Prozessskripte“, wie Stewart / Joines256 es formulieren. Hauptantreiber und Prozessskript bedingen sich gegenseitig. Dazu folgende Übersicht: 253  Hennig / Pelz

2002, 104. 1974, 119 f.; ders. 2001, 246 ff.; Stewart / Joines 2008, 225. 255  Berne 2001, 246 selbst ordnete ihnen Gestalten der griechischen Mythologie zu; dazu Hennig / Pelz 2002, 120 ff. 256  Stewart / Joines 2008, 235, vgl. 219 ff.; zum Ganzen Schlegel 1995, 236 ff.; Rautenberg / Rogoll 2007, 192 ff. 254  Berne

Niemals

Aber dann

Danach

Nachdem

Bevor nicht

Erst wenn

Solange

Bis

Prozess­skript

Ich habe nie Glück.

Ich bekomme niemals das, was ich am meisten will.

Traue nichts und niemandem!

Ich kann (heute) genießen, muss (morgen) aber büßen!

Wenn ich erst …, dann …

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Ich kann keinen Spaß / Erfolg / Partner etc. haben, bevor nicht … „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.“ (Fassbinder, R. W.)

Motto

Tantalus

Damokles

Herkules

Mythos

klagend; leidvoll; jammernd; schmerzvoll; übertreibend

inhaltliches Satzmuster: „hoch, aber tief“

Bindestriche und Klammern

verschachtelte Sätze

viele Einschübe

Sprache

Sie klagen ihr Leid als hätten Sie noch nie darüber gesprochen ... ... zumal nicht mit Dir ... und schon gar nicht erst gestern

„Du wirst schon sehen, wenn Du erstmal … (studierst, Kinder hast, im Beruf bist etc.).“; Prophetie des „bösen Endes“

„Mach’ nur, Du darfst schon …, aber dann!

das große Bis des Lebens: mit 66 fängt das Leben an; wenn die Kinder erst aus dem Hause sind, dann …

Ich bin bereit, also gleich ...

Ja, ich komme zum Essen/Trinken, aber ich möchte noch schnell die Ablage erledigen …

Beispiele

Abbildung 22: Zeitgebundenheit der Skriptauswirkungen (1. Teil)

Fängt nicht an, kommt nicht voran. Alle vor­handenen Verlockungen dürfen nicht genossen werden.

Bekommt etwas Angenehmes, bestraft sich dann aber mit Unangenehmen.

Hält sich selbst davon ab, Angenehmes zu bekommen, bevor nicht etwas Unan­genehmes erledigt ist.

Muster

A: Sei stark!

BB: Existiere nicht! Schaff’s nicht! Tu nichts!

A: Sei anderen /  mir gefällig!

BB: Nimm’ Dich nicht wichtig!; Sei nicht Du selbst!

A: Sei perfekt!

BB: Schaff’s nicht! Tu’s nicht! Nimm’ Dich nicht wichtig!

Bannbotschaft /  Antreiber

Sei offen und drück’ deine Wünsche und Gefühle aus!

Sei dir selbst zu gefallen! Du lebst Hier und Jetzt – auch in Zukunft.

Zum Ziel kommst du Schritt für Schritt. Du bist gut genug, so wie du bist!

Erlaubnis /  Ausstieg

288 D. Die Transaktionsanalyse

„So wie man sich bettet, so liegt man.“

Ich hätte es beinah geschafft, musste dann aber irgendwie, warum auch immer aufhören ...

Erreichte Ziele sind nichts wert. „Nach dem Spiel, ist vor dem Spiel.“ „Wer rastet, der rostet.“

Sobald das Ziel erreicht ist, weiß ich nicht, was ich (mit mir) tun soll. Warten auf den Tod.

Beinah (Typ 1)

Beinah (Typ 2)

Beinah mit offenem Ende

Motto

Immer

Prozess­skript

Philemon und Baucis

Die Gegner der Hydra

Sisyphos

Arachne

Mythos

klagende Seufzer; angestrengte Stimme; fügsame Sprache

Erfolgs­ meldungen werden mit Negativem abgeschlossen.

Sätze werden abgebrochen und die Inhalte fallengelassen.

stets unter­ brochene Sätze (… ach, ja … übrigens …)

Sprache

Mütter, die ihr Leben der Familie geopfert haben und ihr Rentnerdasein als sinnlos empfinden …

Nachdem das gesteckte Ziel bravourös erreicht wurde, wird keine Befriedigung gefühlt. Stattdessen werden sofort neue Ziele angepeilt. (Extrem-Sportler, Bestmarkenhetzer)

Positionen werden andeutungsweise zurückgenommen („Ich habe die Prüfung bestanden – gewissermaßen …“); gestellte Fragen werden selbst beantwortet („Habe ich nicht abgenommen? naja, ist auch egal.“)

Die einmal getroffene Entscheidung wird beibehalten, auch wenn sie nicht das bringt, was gewünscht war; mögliche andere Entscheidungen werden (häufig unter dem Deckmantel der Konsequenz) unterlassen.

Beispiele

Abbildung 23: Zeitgebundenheit der Skriptauswirkungen (2. Teil)

Zu einem bestimmten Punkt (im Leben/Projekt) stellt sich ein Blackout ein.

Beendet Angefangenes, beginnt aber ohne Pause / ‚Ernte‘ Neues.

Fängt an, bringt es aber nicht ganz zu Ende.

Bleibt in Situationen, selbst wenn sie unangenehm sind.

Muster

A: Sei anderen gefällig! Streng dich an.

BB: Nimm dich nicht wichtig! Fühle nicht! Sei nicht du selbst!

A: Sei anderen gefällig! Beeil’ dich! Sei perfekt!

BB: Existiere nicht! Sei nicht zugehörig! Sei kein Kind!

A: Sei anderen gefällig! Streng dich an!

BB: Sei nicht! Schaff es nicht!

A: Streng dich an!

BB: Fühle nicht! Denke nicht! Nimm dich nicht wichtig!

Bannbotschaft /  Antreiber

Du darfst Du selber sein.

Du darfst dir die Zeit geben, die du benötigst und dein Tempo einlegen. Du darfst deinen Erfolg genießen.

Du darfst deine Dinge gelassen zu Ende bringen und auch sein lassen.

Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Tu’s einfach!

Erlaubnis /  Ausstieg

III. Das Entwicklungsmodell: Die Theorie des Lebensskripts 289

290

D. Die Transaktionsanalyse

Im Übrigen sind Skriptinhalte und -prozesse auch mittels anderer Konzepte erkennbar und veränderbar. Genannt sei hier beispielhaft das Konzept der Passivität257. Passivität meint, dass nichts problemlösendes getan wird. Die Lösung eines konkreten Problems wird (mitunter durchaus aktiv) vermieden – und zwar durch passives Denken, also durch Ausblenden oder Abwerten sowie durch passives Handeln, also durch Nichtstun, Überanpassung, Agitation oder durch Gewalt. Das Konzept beschreibt die Auswirkungen des Lebensskriptes darauf, wie die Wirklichkeit verzerrt wahrgenommen wird, damit diese zu den Skriptinhalten weiterhin passt. Die Beobachtung passiven Denkens und Verhaltens eignet sich sowohl zur Diagnose der Konfliktsitua­ tion als auch zur Intervention und wird im fünften Teil dieser Untersuchung detailliert vorgestellt.258 Das Lebensskript wirkt darüber hinaus besonders intensiv auf den kommunikativen Umgang der Person. Transaktionsanalyse i. e. S.  – die sogleich vorgestellt wird – ist stets von Skriptthemen betroffen, weil Transaktionen die maßgebende Prozesslandschaft zur Skriptbelebung darstellen. Unter dem Aspekt zwischenmenschlicher Zuwendungen (Strokes) lassen sich Skriptthemen wie unter einer Lupe ausfindig machen.259 All das bedeutet allerdings keineswegs, dass es sich bei der Nutzung dieser transaktionsanalytischen Konzepte um „Skriptarbeit“ handelt. Diese setzt insbesondere eine Absprache darüber voraus, dass Skriptinhalte erkundet und abgeändert werden, was jedoch therapeutischen Prozessen vorbehalten bleibt.

IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) Eine „Transaktion“ ist in der Sprache der Transaktionsanalyse die kleinste Kommunikationseinheit.260 Die Analyse der Kommunikation stellt ein 257  Dazu

Schiff / Schiff NTA 1977; Stewart / Joines 2008, 251 ff. Kap. E. III. 3. b) cc). 259  Ausführlich dazu Kap. E. III. 5.; vgl. auch Bauer 2008b, 23 („Kern aller menschlichen Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben“.) Beachtenswert ist dabei, dass es sich keineswegs bloß um ein psychologisches Modell handelt, sondern um ein neurobiologisch manifestiertes Phänomen. Es ist unser Gehirn, das aus Psychologie Biologie macht, wie Bauer es formuliert. 260  Gündel ZTA 2001, 7 ff.; Hennig / Pelz 2002, 42 weisen darauf hin, dass der Begriff dem Bankwesen entlehnt ist und in diesem Zusammenhang die Aktion des Kunden und die entsprechende Bestätigung des Geldinstituts beschreibt. Unabhängig davon weist aber Schlegel 1995, 78 zutreffend darauf hin, dass der Begriff zur amerikanischen Umgangssprache gehört und zwischenmenschliche Kommunikation umschreibt. Müller ZTA 2002, 43 weist darüber hinaus auf die Motive Bernes hin, dass mit dem Begriff der Transaktion (statt Kommunikation oder Interaktion) zugleich der „Gewinn“ für die Menschen herausgestellt werden soll, sich an dem zwischen258  s.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 291

Teilkonzept des Gesamtsystems Transaktionsanalyse dar und wird deshalb auch „Transaktionsanalyse im engeren Sinne (i. e. S.)“261 oder „spezielle Transaktionsanalyse“262 genannt, oder schlicht „Kommunikationsanalyse“263. Eine Transaktion besteht aus einer Aktion (Stimulus) und einer darauf bezogenen, nicht notwendigerweise inhaltlich korrespondierenden Reaktion (Response).264 Aktion und Reaktion können verbal oder nonverbal mitgeteilt werden. Die Reaktion ist ihrerseits, wie der Name bereits andeutet, auch wieder ein Teil einer neuen, sich anschließenden Transaktion, so dass die (zwischenmenschliche) Kommunikation aus ineinander (zu be-)greifenden Transaktionen besteht, deren Anfänge nur selten feststellbar sind.265 Dies gilt umso mehr, als dass Berne bereits frühzeitig darauf hinwies, dass jede Freisetzung von Energie, die einen anderen Organismus beeinflusst, kommunikativ wirke, sofern dieser jener eine Bedeutung beimisst und damit (s) ein Verständnis abringt.266 Berne meinte deshalb, dass eine Transaktion die „Grundeinheit aller sozialen Verbindungen“267 ist. menschlichen Austausch zu beteiligen. Die Begriffe der Transaktion und Kommunikation werden jedoch nicht nur in der heutigen TA-Literatur synonym verwendet, sondern auch im (amerikanischen) Sprachgebrauch. Systemwidrig ist es allerdings, wenn auch bei einer bloßen Aktion, einer Botschaft etwa, von einer „Transaktion“ gesprochen wird. Zur Transaktion wird die Kommunikation erst durch die Reaktion, dazu Schlegel 2002, 323; Gührs / Nowak 2002, 119. 261  So Schulze 1992, 160; Stewart / Joines 2008, 25. 262  So die Übersetzung von Berne 2001, 36. 263  So Hennig / Pelz 2002 (Bsp. S. 42). 264  Die pragmatische Kommunikationstheorie hat eine andere Terminologie. Eine Kommunikation bedeutet nach ihrer Diktion eine Mitteilung, also das, was transaktionsanalytisch der „Aktion“ entspricht. Der wechselseitige Ablauf von Kommunikationen (Austausch von Mitteilungen) heißt „Interaktion“, entspricht den transaktionsanalytischen Transaktionen; vgl. Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 50 f.; noch anders aber Watzlawick / Beavin 1990, 95. 265  Schlegel 2002, 323 („verkettete Transaktionen“); Bennett 1977, 43 differenziert zwischen Gespräch, Kommunikation und Transaktionen: Ein Gespräch besteht aus Worten und Lauten, Kommunikation zusätzlich aus bildhaften und geschriebenen Zeichen und Symbolen. Transaktionen hingegen sind umfassender und beziehen auch die (zum Teil unbewussten) Erwartungen und Wünsche der Beteiligten bei ihrer Kommunikation in die Analyse ein. Transaktionen umfassen danach „alle Formen zwischenmenschlichen Kontakts; den sozialen, psychischen, den materiellen und den geistigen“. 266  Vgl. Berne 1953, 90. Dabei gilt auch für Transaktionsanalytiker der von von Foerster geprägte Satz: „Der Hörer, nicht der Sprecher bestimmt die Bedeutung einer Aussage.“, lesenswert dazu von Foerster / Bröker 2007, 343 f.; aus entsprechenden Erwägungen heraus schlägt Schmid 2004, 49 auch eine andere, die konstruktivistische Perspektive verdeutlichende, Definition vor. 267  Vgl. Berne 2001a, 32. Da auch soziales Gegeneinander oder Nebeneinander transaktional erfasst werden kann, erscheint die Definition bei Stewart / Joines 2008,

292

D. Die Transaktionsanalyse

Berne und seine Schüler nutzten für ihr Kommunikationsmodell die Erkenntnisse und Modelle der damals aufstrebenden Kybernetiker wie Wiener, Korzybski und von Foerster.268 Um Transaktionen zu analysieren, wird deren Modellvorstellung von einem Sender und einem Empfänger und ihren Nachrichtenübermittlungen durch das (funktionsbezogene) Ichzustandsmodell ergänzt.269 Das Modell ist von der – unzureichend modellierenden – Vorstellung beeinflusst, dass Menschen wie Maschinen funktionieren und im Kommunikationsprozess Informationen (von einem auf den anderen) übertragen werden. Gleichwohl war Berne bereits klar, dass der Empfänger entscheidet, welchen Wert die übermittelte Botschaft (für ihn) hat und was sie (für ihn) bedeutet.270 99 als „Grundeinheit allen sozialen Miteinanders“ als unzureichend. Andererseits verweist Bernes Definition als „Grundeinheit aller sozialer Verbindungen“ weit über den Kommunikationsbegriff i. R. v. zwischenmenschlichen und unmittelbaren Begegnungen hinaus, sondern greift den Forschungsfeldern vor, die nunmehr als „all­ gemeine Netzwerkforschung“ Bedeutung erlangen. Diese Netzwerkforschung verwendet den Begriff der überpersönlichen Kommunikation, um gegenseitige, zwischenmenschliche Einflüsse darzustellen, ohne dass es je zu Transaktionen i. e. S. gekommen ist. Vielmehr zeigt sich anhand der Netzwerkforschung, dass es strukturelle und dynamische Gesetzmäßigkeiten gibt, die vom Standpunkt des einzelnen weder erkennbar noch beeinflussbar sind; instruktiv dazu Christakis / Fowler 2010, 32 ff., 40 ff. 268  Vgl. Dusay 1979, 60; Berne 1953 (Das dort aufgeführte „Symposium. Teleological mechanism“ waren die alljährlichen „Macy-Konferenzen“, von denen von Foerster berichtet, vgl. von Foerster / Bröcker 2007, 160 ff., 166); zur Entwicklung des Kommunikationsmodells für technische Nachrichtenübertragungen nach Wiener und Shannon, dessen Übertragung auf zwischenmenschliche Kommunikation Probleme bereiten musste, vgl. von Foerster / Bröcker 2007, 341 ff.; s. aber auch zu Wieners Kommunikationsbegriff Stichweh 2005, 26 f. 269  Berne 2001, 29 ff.; 2001a, 32 ff.; Gührs / Nowak 2002, 119; Stewart / Joines 2008, 99; Hennig / Pelz 2002, 42. Die Art und Weise, wie die bewusste oder unbewusste Botschaft übermittelt wird, findet keine grafische Erwähnung, wird aber in die Analyse einbezogen. 270  Vgl. Berne 1953, 88 ff.; zur Unzulänglichkeit des schlichten Sender-Empfänger-Modells für zwischenmenschliche Kommunikationen Kals 2009, 126 f.; Maturana / Pörksen 2002, 91 ff., die sich vor allem aus dem Phänomen von Missverständnissen ergeben, die keineswegs stets auf Bösartigkeiten des Senders oder hartnäckige Verweigerungen des Empfängers zurückzuführen sind, i.  d.  S. siehe etwa Weyreuther DÖV 1997. von Foerster war einer der ersten, der darauf hinwies, dass zwischenmenschliche Kommunikation nicht wie bei technischen Geräten funktioniert. Die aus der Rundfunktechnologie angeregte Kommunikationstheorie nach Shannon und Weaver sei insoweit unzureichend, um Kommunikation theoretisch zu erfassen. In der Kommunikation werden zwar auch Signale übertragen, aber nicht Informationen. Informationen werden zwar aus Signalen gewonnen, aber erst durch den Verstehensprozess existent. Der verstehende Hörer bestimmt allein, was die Botschaft der Mitteilung ist, vgl. von Foerster / Bröker 2007, 341 ff.; von Foerster / Pörksen 2006, 97 f.; Simon 2006, 54 f., 56, allgemein zum Vergleich von Menschen und



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 293 A

B

Abbildung 24: Das Beziehungsdiagramm zur Transaktionsanalyse i. e. S.

Zunächst wird die transaktionsanalytische Kommunikationsanalyse vorgestellt, bei der die Zusammenhänge mit den beteiligten Ichzuständen der Personen offen gelegt werden (Kap. D.IV.1.).271 Grafisch wird dabei das kommunikative Moment zwischen den Beteiligten, deren Ichzustände durch die drei übereinander gestellten Kreise symbolisiert werden, durch einen Vektor (Pfeil) dargestellt.272 Die Darstellung der Ichzustände erfolgt mit dem Funktionsmodell der Transaktionsanalyse. Sodann wird derjenige Teil der transaktionsanalytischen Kommunikationsanalyse vorgestellt, der sich mit inhaltlichen Kommunikationsmustern beschäftigt (Kap. D.IV.2.). Dem therapeutischen Ursprung der Transaktionsanalyse ist es dabei geschuldet, dass es sich bei den analysierten Kommunikationsmustern insbesondere um festgefahrene und für die Beteiligten unbefriedigende Verlaufsformen handelt.

Maschinen Bohl ZKM 2001. Die Luhmannsche Systemtheorie geht auch davon aus, dass bei Kommunikation nichts mehr übertragen wird. Jedoch wird Kommunikation selbst als ein autopoietisches System konzipiert, das von keinerlei anderem System (wie bspw. dem psychischen System „Bewusstsein“) gesteuert oder unmittelbar beeinflusst wird, vgl. dazu bereits Kap. C. IV. 1. b) bb). Gleichwohl ist dieses (Kommunikations-)System von seiner Umwelt abhängig, ohne die es nicht existieren könnte, weshalb Luhmann auch von einer System-Umwelt-Theorie sprach. Einen Versuch, die transaktionsanalytische Kommunikationstheorie durch die Luhmannsche Systemtheorie anzureichern, unternimmt Wartenberg ZTA 1996. 271  Berne 2001, 29 (auch zum Folgenden); Risto 2003, 43. 272  Anders stellen freilich diejenigen die Kommunikationen dar, die auf ein abgewandeltes Funktionsmodell zurückgreifen, so etwa Schmid ZTA 1990, 158 m. w. N.

294

D. Die Transaktionsanalyse

1. Transaktionen und Ichzustände: Die Transaktionsformen Drei Transaktionsformen sind unterscheidbar, innerhalb derer Transaktionen verlaufen; die komplementären Transaktionen, die irritierenden Transaktionen sowie die verdeckten Transaktionen. Anhand dieser drei Grundformen lassen sich drei kommunikationstheoretische Regeln formulieren. Die grafische Darstellung mittels des Funktionsmodells verdeutlicht dabei zweierlei: Sie zeigt, welche Ichzustände durch die Person genutzt werden, um sich auszudrücken. Darüber hinaus wird deutlich, dass beim Kommunikationspartner ein bestimmter Ichzustand angesteuert oder zumindest unbewusst angesprochen, also stimuliert wird. Dadurch werden Erwartungen gehegt und geäußert. Dies stellt den Leitgedanken273 der transaktionsanalytischen Kommunikationstheorie dar. a) Die komplementären Transaktionen Die Komplementärtransaktion ist strukturell simpel aufgebaut. An ihr sind lediglich zwei Ichzustände beteiligt. A stimuliert einen Ichzustand bei B an, mit dem dieser auch reagiert und seinerseits denjenigen bei A anpeilt, den dieser aktiviert hatte. Die Erwartungen, die in der Anpeilung von Ichzuständen enthalten sind, werden bei komplementären Transaktionen erfüllt. Die Botschaften ergänzen sich gegenseitig. aa) Wesen und Beispiele komplementärer Transaktionen Transaktionen sind komplementär, wenn die Inhalte sich derart stimmig aufeinander beziehen, dass die gegenseitig geäußerten Erwartungen über die funktionalen Ichzustände erfüllt werden, so dass die grafische Darstellung die entsprechenden Pfeile parallel zwischen insgesamt zwei Ichzuständen verlaufen lässt.274 Aus diesem Grunde werden Komplementärtransaktionen auch Paralleltransaktionen genannt.275 Das ist dann der Fall, wenn der reagierende B aus dem Ichzustand antwortet, den der agierende A anregte und B seinerseits denjenigen Ichzustand anvisiert, aus dem A agierte. Soweit A 273  So

Risto 2003, 43; vgl. auch Bennett 1977, 43. Berne 2001, 29; ders. 2001a, 33; Schulze 1992, 160; Schlegel 1995, 79; Stewart / Joines 2008, 99; Gührs / Nowak 2002, 119; Bennett 1977, 44 („direkte Transaktion“). 275  Vgl. etwa Hennig / Pelz 2002, 43; Schmidt 2002, 64; Gerhold 2005, 68; Risto 2003, 44, was insofern missverständlich ist, als dass die Transaktion als solche nicht parallel (zu was auch?) verläuft. Nur Aktion und Reaktion verlaufen „parallel“ – symbolisiert durch die Pfeile. 274  Vgl.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 295

und B ihre entsprechenden Ichzustände nutzen, ist von einer horizontalen Komplementärtransaktion zu sprechen, die die einfachste, klarste und damit reibungsfreieste Form darstellt.276 Spricht A allerdings den Kind- oder Eltern-Ichzustand des B an, obschon er jeweils mit dem gegenteiligen Ichzustand agiert, regt er eine vertikale Komplementärtransaktion an.277 In diesem Falle verlaufen die Pfeile vertikal, aber immer noch parallel zwischen zwei Ichzuständen, namentlich zwischen Eltern-Ich- und Kind-Ichzuständen.278 Dazu beispielhaft folgende Schaubilder: 276  Berne

2001, 29 f.; 2001a, 33. werden in der Literatur zur Transaktionsanalyse auch vertikale Komplementärtransaktionen unter Beteiligung von Erwachsenen-Ichzuständen aufgeführt, so etwa Bennett 1977, 49 ff. James / Jongeward 1984, 43 führen „FeedbackTransaktionen“ an, bei denen der professionelle Begleiter das Leiden oder die Wut des Klienten spiegelt und vorsichtig umformuliert. Eine Situation, die in Mediationsund Begleitprozessen häufig vorkommt. „Feedback-Transaktionen“ (vertikale Komplementärtransaktionen unter Beteiligung von ER) kommen tatsächlich in professionellen Begleitprozessen vor. Jedoch spricht der funktionale Erwachsenen-Ichzustand nicht den funktionalen Kind-Ichzustand des Klienten an, sondern den funktionalen Erwachsenen-Ichzustand (womit es sich tatsächlich nicht um eine Komplementärtransaktion, sondern um eine disparate Transaktion handelt – dazu sogleich). Wenn er aber den funktionalen Kind-Ichzustand des Klienten anregt, reagiert der Begleiter mit dem funktionalen Eltern-Ichzustand. Die grafisch dargestellte Transaktion von Bennett 1977, 49 bzw. James / Jongeward 1984, 43 gibt es de facto nicht. Das dürfte der Grund sein, dass vertikale Komplementärtransaktionen unter Beteiligung von Erwachsenen-Ichzuständen heute weder theoretisch noch praktisch in der Transak­ tionsanalyse gelehrt werden; s. etwa aus der neueren Literatur Schlegel 2002, 324; ders. 1995, 79 f.; Stewart / Joines 2008, 99 ff.; Rüttinger 2005, 54 f.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 54; Hagehülsmann 2002, 45 f.; Schmidt 2002, 64 ff.; Gührs / Nowak 2002, 119 f.; Hennig / Pelz 2002, 43 f.; Risto 2003, 44 f.; Rautenberg / Rogoll 2007, 63 ff.; Rogoll 2006, 33 ff. 277  Mitunter

Feedback-Transaktion A

B

A (rebellisches K): „Ich bin so sauer auf mich, weil ich es wieder nicht geschafft habe und zu nichts tauge.“ B (zuhörend): „Irgendetwas ist passiert, mit dem Du gar nicht zufrieden bist und Du glaubst, daran Schuld zu haben, oder?“

278  Jedoch sind keineswegs alle Transaktionen, die zwischen Eltern-Ich- und KindIchzuständen erfolgen, stets komplementäre Transaktionen. Da funktional mehrere Eltern-Ich- und Kind-Ichzustände existieren, kann es auch zu disparaten Transaktionen kommen, obschon in einer groben Grafik die Pfeile parallel verlaufen würden. Beispiel nach Schulze / Lohkamp 2005, 29: A spricht fürsorgliches EL an: „Ich glaube, ich bin krank und würde einen Tee, den Du mir kochen könntest, gut gebrauchen können.“ B reagiert aus kritischem EL: „Ich habe Dein kindisches Gejammer satt!“.

296

D. Die Transaktionsanalyse komplementäre Transaktion (Horizontale, ER-ER) A

B

A: „Ist mein Antrag bei Ihnen eingegangen?“ B: „Ja, Ihr Antrag traf gestern mit der Post bei mir ein.“

komplementäre Transaktion (Horizontale, EL-EL) A

B

A: „Ich möchte nur zu gern wissen, was die sich im Stadtrat bei diesem Beschluss gedacht haben?!“ B: „Das würde ich auch gern wissen und wette mit Dir, die wissen es selbst nicht!“

komplementäre Transaktion (Horizontale, K-K) A

B

A: „Stell’ Dir vor, der Sachbearbeiter genehmigt heute unseren Antrag!“ B: „Und stell’ Du Dir vor, wir könnten morgen bereits unser Lokal eröffnen!“



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 297 komplementäre Transaktion (Vertikale, EL-K) A

B

A (kritisches EL):„Sie haben Ihre Aufgaben ja immer noch nicht erledigt. Dabei hatten Sie genügend Zeit!“ B (zurückgezogen): „Ja, ich kann das eben nicht so gut wie Sie sich das vorstellen.“ B (fügsam): „Ja, aber ich strenge mich schon sehr an …“ Anmerkung: Reagiert B mit seinem rebellischen K, handelt es sich nicht um eine Komplementärtransaktion.

bb) Erste transaktionsanalytische Kommunikationsregel Aus Komplementärtransaktionen folgt die erste transaktionsanalytische Kommunikationsregel: „Komplementärtransaktionen können ungehindert weitergehen.“279 Solange Transaktionen komplementären Charakter aufweisen, vollzieht sich die Kommunikation zwischen den Beteiligten reibungslos und kann theoretisch unbegrenzt fortdauern. Die jeweiligen Erwartungen werden erfüllt, die angepeilten Ichzustände werden aktiviert und genutzt. Ichzustandsbezogen erfolgt während der Transaktion kein Wechsel. Diese Erwartungserfüllung heißt aber nicht, dass die Beteiligten zufrieden sind und die Beziehung frei von Konflikten ist. Der Gesprächsverlauf selbst ist lediglich frei von Überraschungen und insoweit vorhersehbar.280 b) Die irritierenden Transaktionen Bei irritierenden Transaktionen werden mehr als zwei funktionelle Ichzustände bedeutsam. Zwar agieren und reagieren die beteiligten Personen jeweils mit nur einem Ichzustand, doch werden dadurch mehr als zwei Ichzustände für die Analyse relevant, weil die Reaktionen mit anderen funk­ tionalen Ichzuständen erfolgen, als es vom Agierenden erwartet worden war. In der Regel werden vier Ichzustände bei Transaktionen aktiviert, jedoch sind auch irritierende Transaktionen erlebbar, bei denen lediglich drei Ichzustände beteiligt sind.

279  Vgl. 280  Vgl.

Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 55. Stewart / Joines 2008, 102 f.; vgl. Rüttinger 2005, 55.

298

D. Die Transaktionsanalyse

aa) Wesen und Beispiele von irritierenden Transaktionen Irritierende Transaktionen kommen dadurch zustande, dass die Reaktion des Gesprächspartners nicht der Erwartung entspricht. Das kann auf zwei Weisen erfolgen. Entweder reagiert B mit einem anderen als den durch A stimulierten funktionalen Ichzustand oder B regt seinerseits einen Ichzustand bei A an, in dem A sich nicht befindet. Die ausgetauschten Botschaften sind nicht nur nicht aufeinander abgestimmt, sondern widersprechen sich. Sie sind disparat.281 Häufig drückt sich diese Disparität grafisch in sich kreuzenden Pfeilen aus. Deshalb werden disparate Transaktionen auch vorwiegend Überkreuztransaktionen oder gekreuzte Transaktionen genannt.282 Dazu folgende Schaubilder: irritierende Transaktion (mit gekreuzten Pfeilen) A

B

A: „Ich habe meine heutigen Aufgaben erfüllt und und würde gerne etwas früher als sonst gehen. Ist das für Sie in Ordnung?“ B: „Moment mal. Hier sag’ ich wo es lang geht!“

281  Schlegel 2002, 325; ders. 1995, 81 ff. („unstimmige Transaktionen mit disparaten Botschaften“). 282  Dazu Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 55; Rüttinger 2005, 55; Schmidt 2002, 67; Hennig / Pelz 2002, 44; Berne 2001, 31; Bennett 1977, 53; Stewart / Joines 2008, 103; Risto 2003, 46; Rautenberg / Rogoll 2007, 73; Gerhold 2005, 69; Gührs / Nowak 2002, 121. Ursprünglich leitet sich der Begriff der Überkreuztransaktion tatsächlich von der grafischen Darstellung ab, vgl. Berne 2001, 31. Kritik wurde daran geübt (Nachweise bei Schulze 1992, 164, Fn. 251), weil es irritierende Transaktionen gibt, bei denen sich die Pfeile nicht kreuzen. Bezieht man allerdings – freilich im Wege der Umdeutung – den Titel auf die irritierenden Botschaften (und nicht die Pfeile), die sich ja widersprechen und insofern (inhaltlich) „kreuzen“, können – ungeachtet der grafischen Darstellbarkeit – alle Transaktionen mit sich widersprechenden Botschaften unter der Überschrift „Überkreuztransaktionen“ subsumiert werden. Berne verwendet den Begriff der Irritation selbst für einen Unterfall der Überkreuztransaktion, in dem er diese Transaktion Typ III nennt, vgl. Berne 2001, 33. In der Übersetzung seines Buches „Principles of Group Treatment“ von 1966 aus dem Jahre 2005, wird darüber hinaus ebenfalls von „irritierenden Transaktionen“ gesprochen, vgl. Berne 2005, 200. Durchgesetzt hat sich diese Begrifflichkeit in der Fachliteratur allerdings nicht. Vorliegend wird der Begriff der irritierenden Transaktionen verwendet, um sprachlich das Wesen dieser Transaktionsform zu erfassen und Missverständnisse über die Vektorenlage zu vermeiden.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 299 irritierende Transaktion (mit gekreuzten Pfeilen) A

A: „Ich habe meine heutigen Aufgaben erfüllt und würde gerne etwas früher als sonst gehen. Ist das für Sie in Ordnung?“

B

B (hilflos): „Ja, was soll ich da bloß wieder sagen? Wenn Sie meinen, dass Sie eher gehen können, dann wird das schon in Ordnung sein.“ B (verärgert): „Wie soll ich denn das alles hier allein schaffen?! Immer soll ich Ihnen zustimmen, wenn Sie von mir etwas verlangen.“

irritierende Transaktion (mit gekreuzten Pfeilen) A

B

A: „Ich weiß einfach nicht weiter. Diesen Antrag zu bescheiden, bin ich nicht in in der Lage. Die Rechtsmaterie ist mir einfach fremd.“ B: „Was ist erforderlich, dass Sie nicht mehr sagen müssen und einen Antwortbescheid formulieren können?“

irritierende Transaktion (mit gekreuzten Pfeilen) A

B

A: „Wie oft habe ich Sie darauf hingewiesen, dass Sie den Antrag heute, ich wiederhole: H-E-U-T-E bescheiden müssen? Nicht später!“ B: „Moment mal, die Unterlagen sind noch nicht vollständig. Ich schlage vor, dass ich mich unmittelbar mit dem Antragsteller in Verbindung setze. Was halten Sie davon?“

300

D. Die Transaktionsanalyse irritierende Transaktion (mit gekreuzten Pfeilen) A

B

A: „Wie oft habe ich Sie darauf hingewiesen, dass Sie den Antrag heute, ich wiederhole: H-E-U-T-E bescheiden müssen? Nicht später!“ B: „Und wie oft habe ich Sie darauf hingewiesen, dass Sie mich schriftlich darauf aufmerksam zu machen haben?“

irritierende Transaktion (mit gekreuzten Pfeilen) A

B

A: „Morgen kommt unser Chef zurück. Der wird mich wieder klein machen, weil ich die Unmengen an Arbeit nicht geschafft habe.“ B: „Na, und mich erst! Mich hat der ja ohnehin auf dem Kieker!“

An folgenden Transaktionen mit unstimmigen Botschaften zeigt sich, dass sich grafisch kreuzende Pfeile keineswegs der Maßstab sind, um die Disparität der ausgetauschten Botschaften zu bestimmen. Disparität bezeichnet die enttäuschten Erwartungen, die das Wesen von Überkreuztransaktionen beschreiben, was sich funktionsanalytisch darin äußert, dass B mit einem Ichzustand reagiert, der von A nicht angesprochen war oder auch darin, das B seinerseits einen anderen Ichzustand bei A anspricht, als dieser aktiviert hat. A wird in beiden Fällen in einem Ichzustand angesprochen, in dem er sich nicht befindet.283 Grafisch können die Pfeile dabei in einem Winkel zueinander stehen (trianguläre Transaktionen mit disparaten Botschaften).284 283  Vgl. Hennig / Pelz 2002, 44; auch Stewart / Joines 2008, 103; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2002, 55; aber auch Gührs / Nowak 2002, 121; Rüttinger 2005, 55; jedoch insoweit unvollständig, als dass sie lediglich Disparitäten beachten, bei denen B nicht aus dem – von A angesprochenen – Ichzustand reagiert. 284  Zeichnete man die Pfeile direkt in den angesprochenen / reagierenden funktionellen Ichzustand, würde auch grafisch eine Pfeilkreuzung sichtbar werden. Das ist in



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 301 irritierende Transaktion (trianguläre Transaktion) A

B

A: „Los, lass’ uns heute früher mit der Arbeit aufhören und nach Hause gehen!“ B: „Du spinnst wohl! Was meinst Du, was uns da vom Chef blüht!“

irritierende Transaktion (trianguläre Transaktion) A

B

A: „Los, lass’ uns heute früher mit der Arbeit aufhören und an den See fahren!“ B: „Meinst Du wirklich? Bekommen wir da nicht eine ganze Menge Ärger?“

irritierende Transaktion (trianguläre Transaktion) A

B

A: „Der Chef ist heute schon wieder nicht im Büro erschienen! Unmöglich, wofür der sein vieles Geld bekommt! Unsereiner müsste mal so Urlaub machen können, wie der arbeitet! B abfällig : „Ich glaube wohl kaum, dass Du das beurteilen kannst!“

der Literatur zur Transaktionsanalyse allerdings eine seltene Übung, auch wenn ausdrücklich das Funktionsmodell zur Transaktionsanalyse i. e. S. herangezogen wird, so etwa Stewart / Joines 2008, 106; Schulze / Lohkamp 2005, 29; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 52 ff. Nicht zu verwechseln sind trianguläre Transaktionen mit den sog. angulären Transaktionen, einem Unterfall der (sogleich zu behandelnden) doppelbödigen bzw. verdeckten Transaktionen. Dazu Berne 2005, 202; ders. 2001, 33 f.

302

D. Die Transaktionsanalyse irritierende Transaktion (trianguläre Transaktion) A

B

A: „Der Chef ist heute schon wieder nicht im Büro erschienen! Unmöglich, wofür der sein vieles Geld bekommt! Unsereiner müsste mal so Urlaub machen können, wie der arbeitet! B.: „Das kannst Du doch nicht sagen! Wenn das jemand hört.“

Irritierende Transaktionen kommen allerdings auch dergestalt vor, dass in der grafischen Darstellung die Pfeile parallel verlaufen. Insofern zeigt die Grafik, dass zwar bei den jeweiligen Aktionen unterschiedliche Ichzustände angepeilt wurden, aber die Reaktionen mit jeweils zwei anderen Ichzuständen erfolgten.285 Wenn sich auch die Pfeile in der nachfolgenden Grafik nicht kreuzen, sondern parallel verlaufen, handelt es sich dennoch nicht um komplementäre bzw. parallele Transaktionen. Das ergibt sich aus den Umständen, dass der angesprochene B einerseits einen anderen als den angepeilten Ichzustand aktiviert (ER statt EL) und andererseits einen anderen Ichzustand als den bei A aktivierten anpeilt (ER statt EL). Insoweit nimmt B die Einladung des A, mit dem Eltern-Ichzustand zu antworten, nicht an und irritiert B zusätzlich, indem er dessen Erwachsenen-Ichzustand anregt. Dazu folgende Schaubilder: irritierende Transaktion (mit parallelen Pfeilen) A

B

A Handwerksmeister: : „Die Jugend von heute ist wirklich das Letzte. Wir hätten uns früher so etwas nicht erlauben können.“

Beispiel nach Schmidt 2002, 71.

B Kollege, freundlich: „Hat das früher dein Meister – über uns – nicht auch schon gesagt?“

285  Eine beispielhafte Transaktion mit unstimmigen Botschaften, bei denen die Pfeile in der Grafik dennoch parallel verlaufen, bietet (soweit ersichtlich als einziger) Schmidt 2002, 71.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 303 irritierende Transaktion (mit parallelen Pfeilen) A

B

A bei Ampelrot wartend: „Unmöglich, diese Jugend hält sich auch an gar keine Regeln. Das hätte es bei uns früher nicht gegeben!“. B verschmitzt, motivierend: „Na, dann lass uns doch wenigstens jetzt und hier auch die Regeln brechen! Wir sind doch nicht zu alt dafür!“

bb) Zweite transaktionsanalytische Kommunikationsregel Kommunikationstheoretisch gilt für irritierende Transaktionen, dass sie den Kommunikationsfluss unterbrechen und etwas anderes einleiten (zweite Kommunikationsregel).286 Eine Unterbrechung zeigt sich zum Beispiel an einem „unvermittelten“ Themenwechsel oder ichzustandsbezogen an einem Ichzustandswechsel oder an einem tatsächlichen Abbruch der Kommunikation. Individuell sind die Beteiligten irritiert oder empfinden ein kurzzeitiges Unbehagen.287 Die Kommunikationsregel verdeutlicht weiter, dass eine kreuzende Reaktion „etwas anderes einleitet“. Das bedeutet, dass jeder Kommunikationspartner für sich durch seine Irritation eine (bewusste oder unbewusste) Entscheidung zu treffen hat. Er kann seinerseits dem kommunizierten Reiz widersprechen, also erneut die angebotene Transaktion durchkreuzen. Er kann aber auch das Angebot annehmen und in den (angepeilten) Ichzustand wechseln oder die Kommunikation endgültig abbrechen. Ihm bleibt auch die Möglichkeit, die erfolgte Überkreuzreaktion selbst als Thema der Kommunikation anzusprechen (sog. Metakommunikation), was letztlich darauf hinausläuft, das Thema auf diese Weise mit ErwachsenenIchzuständen zu behandeln.288 Betont sei an dieser Stelle, dass die transaktionsanalytische Feststellung, dass die Kommunikation durch eine kreuzende Reaktion unterbrochen wur286  Ähnlich Berne 1979, 209; ders. 2001, 31; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 56; Rautenberg / Rogoll 2007, 81; Schmidt 2002, 68; auch Stewart / Joines 2008, 106, die bereits den (für einen Kommunikationsfortgang erforderlichen) Ichzustandswechsel in die Kommunikationsregel aufnehmen. 287  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 57. 288  Zum Ganzen Schlegel 1995, 82; ihm folgend Schulze 1992, 165 f. m. w. N.

304

D. Die Transaktionsanalyse

de und etwas anderes einleitet, wertneutral zu verstehen ist. Oder anders genähert: Überkreuztransaktionen können unbefriedigend und hinderlich für die zwischenmenschliche Beziehung sein. Allerdings können Überkreuztransaktionen auch der Beginn von befriedigenden und anregenden Beziehungen sein oder solche erst ermöglichen. Das Vorhandensein von irritierenden Transaktionen sagt noch nichts über den Wert und den aktuell empfundenen Zustand der Beziehung zwischen den Beteiligten aus. Insbesondere in professionellen Beratungs- und Begleitprozessen stellen (bewusste) Überkreuztransaktionen ein wichtiges Instrumentarium dar.289 Aus den transaktionsanalytischen Kommunikationsregeln insgesamt lässt sich kein absoluter Wert ableiten. Die Transaktionsformen und die aus ihnen abgeleiteten Regeln sind wertneutral zu verstehen. Keineswegs beabsichtigt die Transaktionsanalyse durch ihre Titulierung und Systematisierung eine Entscheidung darüber, ob die Transaktionsform an sich gut oder schlecht, wünschens- oder ablehnenswert ist. c) Die verdeckte Transaktion Bei verdeckten Transaktionen sind auch – wie bei irritierenden Transaktionen – mehr als zwei Ichzustände beteiligt, jedoch kommt es (noch) nicht zu Irritationen zwischen den Beteiligten. Vielmehr tauschen sie Botschaften auf mehreren Ebenen aus, wobei eine „über die andere gelegt“ und jene dadurch „verdeckt“ wird. Häufig bleibt die verdeckte Botschaft beiderseits unbewusst. aa) Wesen und Beispiele verdeckter Transaktionen Verdeckte Transaktionen kommen zustande, wenn Botschaften zeitgleich von mehreren Ichzuständen ausgehen und mehrere Ichzustände beim Adressaten anpeilen, so dass es zu einer Doppelbödigkeit der Botschaften kommt, also eine Botschaft die andere verdeckt.290 Dabei ist nicht die Gleichzeitigkeit der Botschaften das charakteristische Merkmal.291 Charakteristisch ist 289  Vgl. Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 57; Gührs / Nowak 2002, 124. Vom Standpunkt des Wachsen und der Persönlichkeitsreifung aus, lässt sich sogar formulieren, dass Klienten Beratung beanspruchen, um irritierende Transaktionen, wenn auch unbewusst, zu ermöglichen. 290  Anders war es bei den irritierenden Transaktionen. Grafisch waren zwar auch drei oder vier Ichzustände relevant (s. o.), aber nicht tatsächlich von den Beteiligten aktiviert, sondern allenfalls angepeilt. 291  Statt vieler Schlegel ZTA 1987a, 31. Um zwei unabhängige Transaktionen und nicht um eine verdeckte Transaktion handelt es sich, wenn die jeweiligen Aktionen



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 305

für verdeckte Transaktionen die Doppelbödigkeit der Botschaften: Die eine Ebene ist durch die andere verdeckt. Da die verdeckte Ebene zumeist292 beiden Gesprächspartnern unbewusst bleibt, wirkt sie sich auf die Beziehungsgestaltung besonders intensiv und häufig tückisch aus. Obwohl die überlagerte Ebene dadurch weniger verständlich erscheint bzw. erscheinen soll, weist sie den gewichtigeren Inhalt auf. Die verdeckende, zumeist verbalisierte Ebene ist die „soziale“, „offene“293 bzw. „inhaltliche“294 Ebene; die verdeckte, zumeist nonverbale295 Ebene, ist die „psychologische“296 Ebene. Die verdeckten Botschaften lassen sich häufig nur aus dem Kontext und der Vorgeschichte der Beteiligten entziffern, zuweilen aber bereits anhand der Intonation, der konkreten Sprechweise, der Sprach- und Wortwahl, der Gestik und Mimik der Beteiligten erahnen. Auch die Lautstärke des Sprechers, sein Sprechrhythmus, seine Atmung, ihre Tiefe und Geschwindigkeit, sein Muskeltonus, seine Hauttranspiration und viele andere körperliche Signale werden hierfür relevant, so dass die verhaltensbezogene Ichzustandsanalyse für die transaktionsanalytische Kommunikationsanalyse fruchtbar zu machen ist. Jedenfalls werden „unterschwellige Botschaften“297 geäußert und sind insoweit keineswegs „geheim“298, wenn auch zumeist unbewusst oder für Dritte unbemerkt. Stets berühren verdeckte Botschaften

(Botschaften, Mitteilungen) zeitgleich, aber inhaltlich unabhängig voneinander und offen ausgetauscht werden. Beispiel: Die Zuhörerin eines Projektvortrags geht anschließend zum Vortragenden und bekundet ihre Zustimmung: „Das war hochinteressant, was sie zu diesem Thema ausführten.“ Zeitgleich schreibt sie ihre Telefonnummer auf und legt sie mit einem Lächeln auf seinen Projekthefter. Er bedankt sich für ihre lobenden Worte und schaut zugleich entzückt auf die Visitenkarte, vgl. auch Schlegel 2002, 327. Hier werden keine Botschaften verdeckt und „doppel­ bödig“ (Schlegel ZTA 1987a) ausgetauscht, sondern offen und zeitgleich, jedoch die eine auf verbale und die andere auf nonverbale Weise. 292  Bei werbenden Aktionen wird die verdeckte Botschaft bewusst gesendet, dazu sogleich mehr. 293  Berne 2001, 34; Stewart / Joines 2008, 107; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 59; Hennig / Pelz 2002, 46. 294  So etwa Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 60; Hagehülsmann 2002, 49. 295  Dazu Stewart / Joines 2008, 111 f.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 60; Bennett 1977, 69 meint gar, verdeckte Transaktionen allein am Widerspruch zwischen Wort und Verhalten zu erkennen. Das erscheint m. E. einerseits zu eng, andererseits zu weit gefasst. Es gibt einerseits verdeckte Botschaften, die über doppeldeutige Worte mitgeteilt werden. Insoweit ist die Definition zu eng. Zum anderen gibt es Widersprüche zwischen Worten und Verhalten, ohne dass sie zu einer verdeckten Transaktion führen. Insoweit ist die Definition zu weit gefasst. 296  Berne 2001, 34; Stewart / Joines 2008, 107; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 59; Hennig / Pelz 2002, 46; Risto 2003, 50. 297  Schlegel 2002, 326 f.; ders. 1995, 83 ff. 298  So zu Recht Stewart / Joines 2008, 111.

306

D. Die Transaktionsanalyse

das Zwischenmenschliche, den „Beziehungsaspekt“299 der Beteiligten zueinander oder zum angerissenen, u. U. heiklen Thema.300 Verdeckte Transaktionen können der Sache nach in jeder Situation vorkommen, in beruflichen oder privaten und alltäglichen Angelegenheiten. Die Beteiligten mögen dabei die tatsächlichen (Sach-)Probleme halbwegs lösen und die anstehenden Aufgaben mehr oder minder befriedigend bewältigen. Häufig gelingt allerdings nicht einmal das oder jedenfalls nur unter großen Verlusten und mit wenig Befriedigung. Gleichwohl können gerade in problematischen und konfliktträchtigen Dauerkontakten und Beziehungssituationen verdeckte Transaktionen häufig angetroffen werden. Aber auch in harmlosen oder neckischen Bezugnahmen, in Ironien und witzigen Anspielungen, Flirts oder sonstigen Anbandelungen werden verdeckte Transaktionen genutzt. In allen Fällen scheinen in der konkreten Situation „verdeckte Transaktionen“ notwendig zu sein, damit sich die Beteiligten mitteilen können. Die Verdeckung hilft jedenfalls, Verunsicherung oder gar Furcht davor, etwas Unerwünschtes oder gar Unangenehmes mitzuteilen und eine negative Reaktion zu ernten, im sozialen und offenen Bereich klein zu halten.301 Verdeckte Transaktionen sind erscheinen somit „relativ notwendig“; relativ, weil sie besonders empfindliche und daher bedeutsame Themen der Beteiligten tangieren, und notwendig, weil sie aus einer empfundenen Not erwachsen, sich nicht offen und daher bedeutsam mitteilen zu können.302 Es gibt zwei Typen verdeckter Transaktionen: „Duplextransaktionen“ und „Angulärtransaktionen“.303 Zunächst zu den Duplextransaktionen: Das sind Transaktionen mit doppelbödigen Botschaften, bei denen vier Ichzustände 299  Etwa

Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 60; Hagehülsmann 2002, 49. zwischen einer sozialen und psychologischen Ebene zu unterscheiden, um sich verdeckten Transaktionen zu nähern, entspricht nicht vollständig dem Vorgehen in der allgemeinen Kommunikationslehre, zwischen der Inhalts- und Prozessebene zu unterscheiden. Soweit die Literatur zur Mediation – freilich im Anschluss an die Kommunikationslehre – zwischen der Sach- und Beziehungsebene differenziert, liegt ebenfalls nur eine Entsprechung im Groben, nicht aber in der detaillierten Gesprächsanalyse vor, dazu auch Berne 1953, 87 ff.; Hennig / Pelz 2002, 45 f.; zum Vergleich mit dem Modell vom „Nachrichtenquadrat“ nach Schulz von Thun instruktiv Schlegel 1995, 85. 301  Ähnlich Schulze 1992, 166 m. w. N. 302  Dabei ist zu beachten, dass – erstens – die Not aktuell empfunden wird und real ist, wenn auch – zweitens – der ursprüngliche Anlass für diese Empfindungen längst Vergangenheit und nicht mehr real ist. Es ist mitunter eine persönliche Not, die als Konsequenz eines früheren Ereignisses zum Instrument greift, manipulative Kommunikationsmuster wie „Maschen“, s. „Ersatzgefühle“, Kap. E. III. 2. b) bb) (3), und „psychologische Spiele“, s. Kap. D. IV. 2. b), zu benutzen. 303  Statt vieler Stewart / Joines 2008, 109. 300  Transaktionsanalytisch



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 307

agieren oder – bei unvollständigen Duplextransaktionen304 – agieren sollen. Dabei kann es zu komplementären305, aber auch zu gekreuzten Duplextransaktionen306 kommen. Bei komplementären Duplextransaktionen lässt die Grafik der Pfeile und beteiligten Ichzustände ein Viereck erkennen, weshalb Rautenberg / Rogoll sie auch „Viereckstransaktionen“307 nennen. Bei den gekreuzten Duplextransaktionen kreuzen sich die Ebenen der gleichwohl komplementären Botschaften. Möglich ist aber auch, dass sich nicht nur die Ebenen, sondern auch die Botschaften der jeweiligen Ebene kreuzen. Das gilt sowohl für die verdeckten Botschaften308 als auch für die offen ausgetauschten. Oder kurz: Duplextransaktionen stellen eine Mischung aus Komplementär- und Überkreuztransaktionen dar, wobei eine Ebene durch die andere verdeckt wird. Dazu beispielhaft folgende Schaubilder, die freilich keineswegs alle Varianten von verdeckten Transaktionen erfassen:309 verdeckte Transaktion (Typ: vollständige komplementäre Duplextransaktion, Variante: „Nahe Parallelebenen“) A

B

A (offene Ebene): „Gehen Sie abends nach der Arbeit gern ins Fitnessstudio?“/ (verdeckte Ebene): „Ich würde gerne mit Ihnen Sport treiben!“ B (offene Ebene): „Ich habe bereits heute Morgen einen ‚Fitnesspartner‘ gesucht.“ / (verdeckte Ebene): „Ich würde gerne mit Ihnen heute Abend Sport treiben!“

304  Sie

erwähnt insbesondere Schlegel 2002, 326; ders. 1995, 84 ff. Schlegel 2002, 326; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 59. 306  Dazu Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 59. 307  Rautenberg / Rogoll 2007, 88 f. 308  Dazu auch die Beispiele bei Schlegel 2002, 327. 309  Berne 2001, 34 zählte insgesamt 6480 (theoretisch) mögliche Varianten von Duplextransaktionen auf. 305  Dazu

308

D. Die Transaktionsanalyse verdeckte Transaktion (Typ: vollständige komplementäre Duplextransaktion, Variante: „Nahe Parallelebenen“) A

B

A (offene Ebene): „Na Alder, warst’e in der Vorlesung?“ / (verdeckte Ebene): „Dort lernt man doch eh’ nichts, von den Pfeifen!“ B (offene Ebene): „Alder, Du bist wohl blöd im Koppe?“ / (verdeckte Ebene): Bei den Pfeifen dort lernt man doch eh’ nichts!“

verdeckte Transaktion (Typ: vollständige komplementäre Duplextransaktion, Variante: „Entfernte Parallelebenen“) A

B

Klinsi (A) und Loddar (B) A (offene Ebene): „Wer soll mit solchen Pässen ein Tor schießen?!“ / (verdeckte Ebene): „Keiner spielt g’scheite Pässe und das betrifft auch dich, du Pfeife!“ B (offene Ebene): „Gute Stürmer haben schon immer aus dem Nichts ein Tor g’macht!“ / (verdeckte Ebene): „Du würdest nicht mal das Wasser treffen, wenn du aus dem Boot fällst.“

verdeckte Transaktion (Typ: vollständige komplementäre Duplextransaktion, Variante: „Nahe Parallelebenen“) A

B

A (offene Ebene): „Gehen sie abends nach der Arbeit gern ins Fitnessstudio?“ /(verdeckte Ebene): „Ich würde gerne mit ihnen Sport treiben!“ B (lehnt Doppelbödigkeit ab): „Ja, deshalb habe ich mich im Fitnessstudio angemeldet. Dort findet man stets einen Trainingspartner.“ B (nimmt Doppelbödigkeit offen auf): „Ich kann mir gut vorstellen, mit ihnen heute Abend eine Runde Squash zu spielen!“



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 309 verdeckte Transaktion (Typ: gekreuzte Duplextransaktion, Variante: „Gekreuzte Ebenen“) A

B

A (offene Ebene): „Wann werden sie den Termin zur Öffentlichkeitsbeteiligung ansetzen können?“ / (verdeckte Ebene): „Sie werden es wieder nicht rechtzeitig schaffen, stimmt’s!“ B (offene Ebene): „Diesen Monat bestimmt nicht mehr!“ / (verdeckte Ebene): „Ich bin überlastet und weiß nicht weiter!“

verdeckte Transaktion (Typ: gekreuzte Duplextransaktion, Variante: „Gekreuzte Ebenen“) A

B

Frau fällt in Ohnmacht A (offene Ebene) : „Ich glaub’, mir wird schwindelig.“ / (verdeckte Ebene): „Bitte halten sie mich!“ B (offene Ebene): „Ist schon gut.“ / (verdeckte Ebene): „Fallen sie ruhig, ich halte sie.“

verdeckte Transaktion (Typ: gekreuzte Duplextransaktion, Variante: „Verdeckte Kreuzung“) A

B

Chef und Sekretärin (Ordnungssinn) A aufgebracht (offene Ebene): Wo sind die Antragsunterlagen, die ich heute Morgen genau hier auf den Tisch gelegt habe?!“ / (verdeckte Ebene): „Sie sollen sich nicht in Dinge einmischen, die sie nichts angehen!“ B überheblich (offene Ebene): „Sehen sie sie nicht auf der Ablage daneben?!“ / (verdeckte Ebene): „Wenn sie schauen würden, brauchten sie nicht so dumm fragen!“

310

D. Die Transaktionsanalyse verdeckte Transaktion (Typ: gekreuzte Duplextransaktion, Variante: „Verdeckte Parallele“) A

B

Chef und Sekretärin (Affäre) A (offene Ebene): „Bring’ mir einen Kaffee in mein Büro“ / (verdeckte Ebene): „Ich will ein paar Minuten mit dir allein sein.“ B (offene Ebene): „Warten sie! Nur einen Moment …“ / (verdeckte Ebene): „Ich will mich hübsch machen, um die Minuten mit dir genießen zu können.“

Der zweite Typ verdeckter Transaktionen umfasst Angulärtransaktionen, die infolge ihrer Vektorenstellung auch Winkeltransaktionen genannt werden. Bei Angulärtransaktionen verlaufen Botschaften ebenfalls auf zwei Ebenen, jedoch sind lediglich drei Ichzustände beteiligt. Das bedeutet, dass ein Beteiligter (A) zugleich aus einem Ichzustand zwei Ichzustände seines Kommunikationspartners (B) anregt. Besonders im Geschäftsleben, speziell bei werbender Kommunikation, sind Angulärtransaktionen anzutreffen. Dabei ist jedoch in der transaktionsanalytischen Theorie ungeklärt, ob es sich tatsächlich um besondere Duplextransaktionen handelt. Die Unklarheit entzündet sich an der grafischen Darstellung der Transaktion. Konkret geht es um die Problematik, ob der Erwachsenen-Ichzustand verdeckte oder gar unbewusste Botschaften senden könne. Wer dies verneint, plädiert deshalb dafür, dass es sich bei Angulärtransaktionen um regelrechte Duplextransak­ tionen handelt, wie sie bereits dargestellt wurden („Einladung ins Fitnessstudio“): Die verdeckten Botschaften würden zwischen Kind- bzw. Eltern-Ichzuständen ausgetauscht werden. Verkannt würde jedoch dabei, dass der Erwachsenen-Ichzustand in der Grafik der Transaktionsanalyse i. e. S. lediglich einen Verhaltensmodus darstellt, nicht aber einen strukturellen Ichzustand. Strukturell wird die Botschaft (vermutlich in den meisten Fällen) aus dem Kind- bzw. Eltern-Ichzustand stammen. Das ändert aber nichts daran, dass der Vektor bei der grafischen Darstellung der Transaktionen vom Erwachsenen-Ichzustand aus verläuft und die verdeckte Botschaft an den Kind-Ichzustand der anderen Person sendet. Ungeachtet dieser theoretischen Unklarheit bleibt aber die Besonderheit der Angulärtransaktion zu beachten, namentlich, dass die verdeckte Botschaft vom Sender bewusst mitgeteilt wird.310 310  Vgl. zur grafischen Darstellung Berne 2001a, 38; ders. 2001, 34; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 60 f.; ausführlich und m. w. N. Bennett 1977, 71 ff.; Hennig / Pelz 2002, 48. Indem der Initiator einer Angulärtransaktion bewusst die eine



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 311 verdeckte Transaktion (Typ: Angulärtransaktion) A

B

Versteckte Werbung (Extravaganz) A (offene Ebene): „Das ist das beste Buch zum Thema. Das kann sich zwar nicht jeder leisten, aber es versteht ohnehin nicht jeder in seiner intellektuellen Tiefe.“ / (verdeckte Ebene): „Na, zeigen sie mir, dass sie das Geld und den Verstand haben!“ B (offene Ebene): „Genau das suchte ich.“ / (verdeckte Ebene): „Ihnen werde ich’s zeigen!“

verdeckte Transaktion (Typ: Angulärtransaktion) A

B

Versteckte Werbung (Verknappung) A (offene Ebene): „Das Buch habe ich noch einmal vorrätig. Vorhin hat sich bereits ein anderer Kunde dafür interessiert …“ / (verdeckte Ebene): „Wenn Du es jetzt nicht kaufst, wirst Du – wie immer und überall – auch hier zu spät kommen. Willst Du ein Versager sein?!“ B (offene Ebene): „Ich nehm’s mit.“ / (verdeckte Ebene): „Ich will kein Versager sein und bin auch keiner.“

bb) Dritte transaktionsanalytische Kommunikationsregel Die sich aus den verdeckten Transaktionen ableitende dritte Kommunikationsregel lautet: Gibt es in einer Kommunikation eine verdeckte Ebene, ist sie maßgebend und bestimmend.311 Was diese Regel bedeutet, lässt sich Botschaft verdeckt, handelt es sich um ein Manöver und nicht um die Einladung zu einem psychologischen Spiel, dazu sogleich unter Kap. D. IV. 2. b) bb) (4). 311  Vgl. Berne 2005, 201 („Das beobachtbare Ergebnis einer verdeckten Transaktion wird von der psychologischen Ebene … bestimmt.); Schmidt 2002, 72 („Verdeckte Transaktionen werden auf der verdeckten Ebene entschieden.“); Rautenberg / Rogoll 2007, 95 („… so kommt die verdeckte Ebene in der Regel momentan zum Zuge.“); Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 62 („Das Ergebnis einer Kommunikation ist eher von der verdeckten Ebene abhängig als von der offenen.“); Schulze 1992, 169 m. w. N. („… den Ausgang der Interaktion im Wesentlichen beeinflussen resp. ihn entscheiden …“).

312

D. Die Transaktionsanalyse

nicht ohne Verständnis vom Zweck und Fokus transaktionsanalytischer Kommunikationsanalyse verdeutlichen und begreifen: Sie ist zuvorderst eine Beziehungsanalyse.312 Transaktionsanalytische Betrachtungen fokussieren das, was zwischen den Beteiligten tatsächlich und beziehungswirksam geschieht und was sich wechselseitig auf die individuellen Persönlichkeiten auswirkt. Transaktionsanalyse erläutert, was zwischen den menschlichen Aktionen und Reaktionen Bedeutung gewinnt und erkundet den Raum zwischen den Beteiligten, so wie ihn etwa Buber und Bohm philosophisch formulieren313. Transaktionsanalytische Kommunikationsanalyse fragt danach, in welcher Beziehung die Beteiligten tatsächlich zueinander stehen und achtet deshalb weniger auf die oberflächlich und gesellschaftlich anerkannten (Sach-)Informationen, die bestimmte Themen umkreisen können. Transaktionsanalytische Kommunikationsanalyse achtet zuvorderst auf die Art und Weise des kommunikativen Austauschs, den angeschlagenen Ton, das Zwischenzeilige sowie die einhüllende Atmosphäre insgesamt. Das hier angesprochene Zwischenmenschliche ist – wie im zweiten Teil der Untersuchung dargelegt – die Schlüsselstelle der Konfliktbehandlung, ist einerseits Ausgangspunkt der Konfliktentfaltung und andererseits Ansatzpunkt für eine konfliktüberwachsende Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung. Dieses Zwischenmenschliche informiert über das, was zwischen Menschen ansteht und damit auch für jeden Einzelnen. Die sachbezogene Thematik des Konflikts, die Sachaufgabe, ist zumeist sekundär. Sie ist zwar ihrerseits häufig besser greifbar, aber doch nur der Bote, nicht aber die mitunter persönliche Botschaft selbst. Transaktionsanalyse macht buchstäblich begreifbar, dass Konfliktlagen immer (auch) Beziehungs- und Persönlichkeitsfragen sind. Den Blick nicht mehr auf die Sachfragen (ab-) lenkend oder auf die „objektiven Inhalte“ gerichtet, wird schnell deutlich: Es sind die oftmals nur leise tretenden Zwischentöne und offen gehaltenen Hintertüren, die zwar verdeckt mitgeteilt werden, aber umso wirksamer Lärm und Wind ins soziale Haus, in den Beziehungshaushalt bringen. Transaktionsanalytisch fundierte Kommunikationsanalyse findet an dieser Stelle nicht mehr nur ihre wissenschaftliche Berechtigung, sondern ihre ganz praktische und unmittelbare Verwendung und Anschlussfähigkeit im sozialen Bereich.

312  Eindringlich 313  Buber

dazu Sell ZTA 2009. 2006, 272 ff.; Bohm 2002.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 313

2. Transaktionen und Inhalte: Die Transaktionsmuster Transaktionsanalyse i. e. S. ist nicht ausschließlich auf die beteiligten Ichzustände fokussiert. Ganze Kommunikationsabläufe können mit Hilfe der Transaktionsanalyse i.  e.  S. auf ihre Musterhaftigkeit untersucht werden. Dabei ist es der psychoanalytischen und psychotherapeutischen Herkunft der Transaktionsanalyse geschuldet, dass vorwiegend gestörte und konfligierende Transaktionsmuster analysiert wurden und heute zur Diagnose gelehrt werden. Jedenfalls sind frühzeitig Transaktionsmuster festgestellt worden, die in ihrer Abfolge für beobachtende Dritte voraussagbar waren und für die an ihnen Beteiligten unbefriedigend. Die Analyse bezieht sich hierbei nicht mehr auf einzelne Transaktionen, bestehend aus Reiz und Reaktion, sondern auf die Inhalte ganzer Transaktionsketten. Im Folgenden werden die daraus entstandenen Konzepte der „redefinierenden Transaktionen“ sowie der „(psychologischen) Spiele“, ein Kernstück der Transaktionsanalyse, vorgestellt.314 a) Die redefinierenden Transaktionen Der Mensch nimmt die Welt auf seine ganz eigene Weise wahr und das ganz sicher anders als andere. Er macht sich auf seine Weise (s)ein Bild von ihr und schafft sich auf diese Art seinen „Bezugsrahmen“315. Der Bezugsrahmen schematisiert die Wahrnehmung, weist als Konsequenz Empfindungs-, Gedanken- und Verhaltensmuster auf und beinhaltet damit die Gesamtheit der individuellen Definitionen von sich, den anderen und der Welt allgemein, womit er Orientierung und Sicherheit bietet.316 Da der Mensch die Komplexität der Welt nicht mit seinen Sinnen erfassen kann, ist er um deren Reduzierung bemüht und nimmt buchstäblich nur das für wahr, was er wahrnimmt. Falsch kann er – in dieser Weltdefinition – sich, die anderen und die Welt an sich nicht (wahr-)nehmen. Jedoch kann er sie im Vergleich zu anderen menschlichen Definitionen wahrnehmen. Da die 314  Im Zusammenhang mit Transaktionsmustern ist auch das Konzept der „Ausbeutungstransaktion“ zu erwähnen, dazu English 2001, 104 ff. Jedoch handelt es sich um eine Vorstufe eines „psychologischen Spiels“, das in der vorliegenden Untersuchung im Zusammenhang mit dem transaktionsanalytischen Gefühlskonzept erläutert wird, dazu Kap. E. III. 2. b) bb). 315  Dazu Schiff / Schiff / Schiff NTA 1977; Gührs / Nowak 2002, 64 ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 15 ff. 316  Erstarrte und verfestigte Anteile des Bezugsrahmens, solche, die Abwertungen enthalten, stellen das Lebensskript dar. Dazu Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 15; Stewart / Joines 2008, 273, 275; Mellor / Schiff NTA 1977.

314

D. Die Transaktionsanalyse

Wahrnehmungen Muster bilden, kommt es im Kontakt mit anderen zu Deutungs- und Definitionsunterschieden, die entweder eine Relativierung des Bezugsrahmens als Gesamtheit der Muster erforderlich machen, oder es kommt zu Umdeutungen der fremden Definitionen, so dass diese doch noch zu den eigenen passen. Erfahrungsgemäß fällt der zweite Weg den meisten Menschen leichter als der erste.317 Das dürfte mit den spürbaren oder befürchteten Unannehmlichkeiten zu tun haben, die mit Neuformu­ lierungen oder gar Relativierungen der eigenen Weltdefinitionen einher­ gehen.318 Finden Einpassungen und Umdeutungen in der Kommunikation statt, handelt es sich um „redefinierende Transaktionen“ oder kurz um „Re­ definitionen“.319 Redefinitionen können bewusst, halbbewusst oder unbewusst und innerhalb kaum messbarer Zeitspannen erfolgen.320 Redefinieren, das Umdeuten der wahrnehmbaren in die wahrgenommene (und damit „einzig wahre“) Welt, ist an sich ein intrapersonaler Vorgang321. Sofern der Reiz transaktional und damit äußerlich wahrnehmbar umgedeutet wird, kommt es zu einer redefinierenden Transaktion.322 Das geschieht entweder dadurch, dass die Reaktion den Reiz inhaltlich lediglich tangiert oder da317  Der Bezugsrahmen wirkt – bildhaft gesprochen – wie ein „Fenster“ oder eine „Brille“, durch das die Welt wahrgenommen und die Wahrnehmung sortiert wird. Ohne dieses Fenster (Brille) würden wir nichts sehen und nichts wahrnehmen. Nur dank dieses Hilfsmittels ist Kontakt und Wahrnehmung überhaupt möglich. Aber selbst das größte und sauberste Fenster und die beste Brille ist und bleibt eine Begrenzung. Nicht nur, dass die Welt in ihrer Ganzheit nicht wahrgenommen werden kann, sondern auch deshalb, weil man nur durch das eigene Fenster und die eigene Brille die anderen und die Welt betrachtet, die die „selben“ Dinge mit ihren eigenen Fenstern und Brillen wahrnehmen, instruktiv zum Bezugsrahmen Schneider, E. ZTA 1994. 318  Ähnlich Gührs / Nowak 2002, 64 und Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 232. Schließlich bedeutet alles Neue auch Tod (des Alten), ein Willkommen zugleich Abschied vom „Gerade-eben-noch-Vorhandenen“, dazu auch Schellenbaum 1997, 154 ff. („Realität ist Sein und Nichtsein“, „Jede Neuerung ist furchtbar.“) sowie 162 ff. 319  Teilweise überlappt sich das Konzept der „Redefinitionen“ mit dem „Passivitätskonzept“, bei dem Redefinitionen „Discounts“, also Abwertungen genannt werden, vgl. Stewart / Joines 2008, 250 ff.; Schiff / Schiff NTA 1977. 320  Schlegel 2002, 327 f.; Gührs / Nowak 2002, 194. 321  So ausdrücklich Stewart / Joines 2008, 276. Die Literatur zur Transaktionsanalyse verwendet den Begriff der Redefinition auch für Transaktionen und unterscheidet mithin sprachlich nicht konsequent zwischen dem inneren Vorgang und dem äußerlich wahrnehmbaren Indiz für diesen, vgl. auch Mellor / Schiff NTA 1977a. 322  Für sonstige Umdeutungen, z. B. im Denken und Verhalten, bietet die Transaktionsanalyse mit dem Passivitätskonzept und der „Abwertungstabelle“ ein praxis­ taugliches und -erprobtes Diagnose- und Interventionsinstrument; dazu Stewart /  Joines 2008, 251 ff.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 315

durch, dass er ihn vollständig blockiert. In beiden Fällen ist zwar der Reiz Anlass der Reaktion, aber sie bezieht sich nicht oder nicht umfänglich auf ihn. Im ersten Fall weicht B dem unangenehmen Reiz seitwärts aus, im zweiten mauert er. Dabei kann er bewusst, halbbewusst oder unbewusst redefinieren.323 Bewusstes Redefinieren dient allerdings weniger dazu, das eigene Weltbild aufrecht zu erhalten, sondern dasjenige des Gesprächspartners ins Wanken zu bringen.324 aa) Die tangentiale Transaktion Weicht B dem Reiz seitwärts aus, streift er also lediglich die angesprochene Thematik, kommt eine „tangentiale Transaktion“ zustande. Das Ausweichen erfolgt, indem B formal ein wahrgenommenes Prädikat, Objekt, Subjekt oder sonst ein angesprochenes Element herausgreift und die „angerissene Thematik“ für die eigene „reizende Reaktion“ verwendet oder durch ein anderes Prädikat, Objekt, Subjekt etc. ersetzt, so dass er nur scheinbar auf den Gesprächspartner eingeht. Inhaltlich hat das zur Folge, dass entweder ein anderer Aspekt des angesprochenen Themas behandelt oder ein ganz neues Thema eingeleitet wird. Transaktionsmuster: Redefinierende Transaktionen – Tangentiale Transaktion A

B

Thema/ Frage

Abbildung 25: Tangentiale Transaktion

323  Schlegel

2002, 327. 2002, 50 sprechen hier von „therapeutischen Redefinitionen“. Bei dieser Intervention handelt es sich praktisch um das aus der systemischen Therapie und Beratung stammende Konzept des „Reframing“, um die Bedeutungszuschreibung des Klienten zu einem Problem (Wirklichkeitskonstruktion) zu erschüttern, s. von Schlippe / Schweitzer 2006, 177 ff.; Schwing / Fryszer 2006, 243 ff. 324  Hennig / Pelz

316

D. Die Transaktionsanalyse

Beispiele325: 1. Mitarbeitergespräch326: A:  „Was werden sie im nächsten Quartal verändern, um die Vorgaben zu erreichen?“ B: a)  „Ich bin seit dem letzten Jahr täglich eine Stunde früher im Büro, um den vorgegebenen Arbeitsplan zu erreichen.“ (Ausweichen in der Zeit) b) „Man könnte versuchen, schneller zu arbeiten.“ (Aufweichen des Subjekts, Entpersonalisierung) c) „Meine Veränderungen bringen doch eh’ nichts.“ (Einweichen des Themas, Emotionalisierung) d)  „Die Vorgaben kann doch keiner erreichen.“ (Abkehr vom Thema, Konfrontation durch Rebellion) 2. Vertragsverhandlungen327: A:  „Was benötigen sie noch von uns, damit sie mit den derzeitigen Vertragsbedingungen einverstanden sind?“ B: a) „Ihre Vertragsbedingungen sind für uns eine Zumutung!“ (Abkehr vom Thema, Konfrontation durch Rebellion) b) „Einverstanden sind wir mit den derzeitigen Bedingungen überhaupt nicht.“ (Entweichen mit Hilfe des Nebensatzes) c)  „Was könnte man wohl benötigen bei solchen Vertragsbedingungen?!“ (Aufweichen des Subjekts, Entpersonalisierung, Konfrontation durch Provokation) d) „Die alten Vertragsbedingungen waren annehmbarer.“ (Entweichen durch ungefragtes und nicht problemlösendes Vergleichen) 3. Coaching-Situation328: A: „Was haben sie ihrem Vorgesetzten gesagt, als er sie von Ihrer Versetzung in Kenntnis setzte?“ B: a)  „Ich war total wütend!“ (Abkehr vom Prädikat, vom Verhalten zum Fühlen) b)  „Ich sagte mir, dass der Typ dumm wie Stroh ist.“ (Abkehr vom Objekt) c)  „Ich habe von der Versetzung ja bereits gewusst.“ (Entweichen durch unwichtige Erläuterungen) d) „Der setzte mich ja gar nicht in Kenntnis. Das fand ich ja um die Ecke heraus!“ (Entweichen durch Erläuterungen) e) „Ich bin zu meiner Frau nach Hause gegangen und habe ihr davon berichtet.“ (Abkehr von Objekt und Prädikat)

325  Im

Folgenden werden die redefinierenden Teile der Reaktion kursiv geschrie-

ben. 326  Abgewandelt

und erweitert nach Gührs / Nowak 2002, 194. und erweitert nach Stewart / Joines 2008, 277. 328  Abgewandelt und erweitert nach Hennig / Pelz 2002, 51. 327  Abgewandelt



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 317

4. Lob329: A: „Sehr gut, wie sie das letzte Woche in der Abteilungsleitersitzung in die Hand genommen haben.“ B: a) „Man tut, was man kann.“ (Abkehr vom Subjekt, Entpersonalisierung) b)  „Ist schon in Ordnung so.“ (Aufweichen der Bedeutung, Milderung) c)  „Hab’ ich immer schon so gemacht.“ (Abkehr vom Zeitpunkt) d)  „Frau X hätte das sicher noch besser gemacht.“ (Abkehr vom Subjekt, Entweichen) e)  „Das war noch gar nichts!“ (Aufweichen der Bedeutung)

A empfindet die tangentiale Reaktion tatsächlich, aber unangenehm reizend, weil er vor allem nicht ernst genommen, sondern in unbeabsichtigte Gefilde ge-, ver- oder entführt wird. Verlaufen ganze Gespräche auf diese Art und Weise, beschleicht die Beteiligten früher oder später das Gefühl, dass sie „sich im Kreise drehen“ und „das alles nichts bringt“ – außer Mühen und den Eindruck schwerer Arbeit mit komplizierten Menschen. Psychologisch liegt aber genau darin der Kern des Gespräches und entspricht seinem „eigentlichen“ Zweck. Das ist der tiefere, für die Beteiligten zumeist verborgene, Sinn des Gespräches.330 Es bestätigt Skriptüberzeugungen und rechtfertigt entsprechendes Antreiberverhalten und stützt und stärkt auf diese Weise das vorhandene Selbst- und Weltbild, also den Bezugsrahmen bzw. dessen rigiden Anteile, das Lebensskript. bb) Die blockierende Transaktion Die blockierende Transaktion weist eine andere Struktur auf und verläuft regelmäßig nicht unbemerkt (von A). Inhaltlich wird durch B irgendein Aspekt des Reizes in Frage gestellt. Die „mauernde Blockade“ wird deshalb von A sogleich wahrgenommen. Das Bestreiten oder Infragestellen eines angesprochenen Aspekts zwingt zwar wortwörtlich nicht zu einem Gesprächsabbruch, doch ist ein solcher häufig die Folge von Blockaden. A spürt nämlich schnell, dass sein Anliegen nicht nur erst zum Zuge kommt, wenn er sich mit B „abdefiniert“ hat, sondern dass sein Anliegen generell unerwünscht und der Definitionsabgleich bloß Vorwand ist. So sehr grundsätzlich eine gemeinsame Sprache zum gegenseitigen Verständnis erforderlich ist und beiträgt, so sehr dienen die Definitionsversuche hier jedoch der Blockade, dem Zeitgewinn und nähren die Hoffnung, dass das unerwünschte Gesprächsthema beendet wird.331 329  Abgewandelt

nach Gührs / Nowak 2002, 196. Stewart / Joines 2008, 277. 331  Ein eindrucksvolles Beispiel erwähnen beiläufig von Foerster / von Glasersfeld 1999, 233. 330  So

318

D. Die Transaktionsanalyse Transaktionsmuster: Redefinierende Transaktionen – Blockierende Transaktion A

B

Thema/Frage

Abbildung 26: Blockierende Transaktion Beispiele: 1. Beurteilungsgespräche332: A:  „Herr Abteilungsleiter, können sie die Beurteilungsgespräche mit ihren Mitarbeitern bis zum vereinbarten 31.3. geführt und protokolliert haben? B: a) „Wissen sie, der Einfluss dieser Gespräche scheint mir auf das derzeitige Betriebsklima weniger günstig niederzuschlagen.“ (Infragestellung des Hintergrundes) b) „Naja, die Beurteilungsbögen für die Protokollierung müssten unbedingt geändert werden.“ (Infragestellung der Protokollierung) c)  „Wollen sie wissen, was ich leisten kann oder ihrer Meinung nach leisten muss?“ (Infragestellung des Fragecharakters des Reizes) d) „Meinen sie vollständig und ausführlich im Computer protokolliert oder die handschriftliche Mitschrift?“ (Aufforderung zur Definition und Konkretisierung) 2. Lob333: A: „Sehr gut, wie sie das letzte Woche in der Abteilungsleitersitzung in die Hand genommen haben.“ B: a) „Was heißt hier ‚sehr gut’?“ (Infragestellung des Adverbs) b) „Was haben Sie denn sonst erwartet?“ (Infragestellung der integeren Motivation) c) „Was wollen sie denn damit wieder sagen?“ (Infragestellung der integeren Motivation)

Zwar sind blockierende Transaktionen offensichtlicher und damit grundsätzlich für A leichter ansprechbar. Hat er es aber mit einem „versierten Blockierer“ zu tun, wird auch das Ansprechen der Blockade hinterfragt 332  Abgewandelt 333  Abgewandelt

nach Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 233, 249. nach Gührs / Nowak 2002, 196.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 319

werden und das Gespräch eskaliert oder kommt abrupt zum Erliegen.334 Jedenfalls bleiben Blockaden nicht ohne nachhaltige Folgen für die gesamte Beziehung der Gesprächspartner. Blockaden (wie auch Tangenten) lösen ein mehr oder minder deutlich wahrnehmbares Unbehagen aus, das zumeist antreibend dahingehend wirkt, die geäußerten Dinge richtig zu stellen, sich noch präziser auszudrücken und von möglichen oder unmöglichen Missverständnissen abzugrenzen. Die Versuchung scheint groß, sich gegenüber dem Blockierenden für die bloß untergeschobenen Inhalte zu rechtfertigen oder gar zu entschuldigen.335 Festhalten lässt sich zu „Redefinitionen“, dass sie alltäglich und überall vorkommen und dass sie gerade deshalb zum allgemeinen „Sprachschatz“ gehören und nahezu unbemerkt das Leben der Beteiligten leiten oder gar verleiten (können). Sie verursachen regelmäßig ein Unwohlsein, ohne dass sie als Ursache entlarvt werden. Der reizende A merkt zwar schnell, dass sein Impuls inhaltlich verdreht wurde und sich das Gespräch auf Abwegen befindet. Aber all seine Mühen, die durch die Redefinition des B provoziert werden, die Dinge richtig zu stellen, sich „deutlicher“ zu verständigen, sich und die angesprochene Thematik von der Redefinition abzugrenzen, gar zu rechtfertigen und zu entschuldigen, sind vergebens, soweit die Redefinition nicht wahrgenommen und metakommunikativ angesprochen wird.336 b) Die regelhaften Kommunikationsmuster: Die psychologischen Spiele Das Konzept der psychologischen Spiele337 ist eine der vier Säulen des (klassischen) transaktionsanalytischen Theoriengebäudes und wohl sein be334  So

Stewart / Joines 2008, 278; Gührs / Nowak 2002, 195. Gührs / Nowak 2002, 197 f. 336  Bei der Konfrontation von Blockaden (und Tangenten) ist zu beachten, dass sie unbewusst erfolgen, so dass die Gefahr besteht, selbst verfolgerisch zu wirken („Erkläre Dich …!“, „Warum machst Du …“). Mitunter wird auf diese Weise selbst die Kommunikation blockiert. 337  Berne und seine Schüler nannten die nachfolgend beschriebenen Kommunikationsmuster lediglich „games“, vgl. Berne TAB selected 1976 und 1976a; ders. 2001a (orig. „Games People Play“ von 1964); Samuels TAJ 1971, 95; James TAJ 1980. In der deutschsprachigen Fachliteratur wird verschiedentlich von „Psychologischen Spielen“ (Risto 2003, 124), von „Psychospielen“ (Rautenberg / Rogoll 2007, 124), von „Ränkespielen“ (erwähnt bei Schulze 1992, 171) oder schlicht von TASpielen gesprochen. Gührs / Nowak 2002, 139 nennen die psychologischen Spiele ungenau „manipulativ“, obgleich die Spiele nicht (bloß) auf einer Manipulation beruhen, sondern die (Selbst-)Manipulation sind. Deshalb handelt es sich allenfalls um „manipulatorische Spiele“. Vorliegend werden die Begriffe „Spiele“ oder „psychologische Spiele“ vorrangig verwendet. 335  Ähnlich

320

D. Die Transaktionsanalyse

kanntestes Konzept.338 Trotz dieses Stellenwertes wird es vorliegend im Rahmen der transaktionsanalytischen Kommunikationstheorie behandelt, da es sich der Sache nach um die Analyse störender, aber stets wiederkehrender Transaktionsmuster handelt. Psychologische Spiele sind zunächst einmal kursorisch kommunizierte und verdeckte Komplementärtransaktionen, die auf ein ganz bestimmtes, voraussagbares Ergebnis, namentlich den „Spielgewinn“ zusteuern.339 Ein psychologisches Spiel beginnt mit einer Abwertung eines Aspektes der Realität, die einem potentiellen Mitspieler offeriert, darauf zu reagieren. Das Spiel endet stets mit Unbehagen und sonstigen unguten Gefühlen und Gedanken. Deshalb ist der Begriff „Spiele“ fachspezifisch zu verstehen und nicht mit Alltags- oder sportlichen Spielen zu verwechseln. Gemeinsam ist den psychologischen Spielen und sonstigen Spielen wie Schach oder Fußball allerdings, dass sie regelhaft ablaufen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Zunächst wird deshalb erläutert, weshalb derartige Spiele begonnen werden [Kap. D. IV. 2. b) aa)]. Das fördert Verständnis und legt die Dimensionen der entsprechenden transaktionalen Vorgänge offen. Danach werden die erkennbaren Transaktionsmuster und ihre Charakteristika definiert [Kap. D. IV. 2. b) bb)] sowie ihre Analysemöglichkeiten beispielhaft erläutert [Kap. D. IV. 2. b) cc)]. Abschließen werden dieses Kapitel konkrete Hinweise zum konstruktiven Umgang mit Spielern [Kap. D. IV. 2. b) dd)]. aa) Nutzeffekte psychologischer Spiele Die Effekte psychologischer Spiele nutzen den Spielern auf drei Ebenen – der sozialen, der psychologischen und der existenziellen Ebene, die zudem jeweils eine innere und eine äußere Seite aufweisen. Diese Nutz­ effekte bleiben allerdings den Spielern selbst häufig verborgen und sind nicht schlechthin lebensförderlich, also im engeren Sinne ‚nützlich‘. Psychologische Spiele werden unbewusst gespielt. Andererseits bleibt es ihm freilich unbenommen, sich dieser Nutzen bewusst zu werden. Insoweit handelt es sich beim Spielen psychologischer Spiele um unbewusst motivierte, aber bewusstseinsfähige Verhaltensweisen, die skriptgebundene Gefühle und Gedanken aktualisieren.340 338  Schlegel 1995, 150; Bernes „Spiele der Erwachsenen“, Berne 2001a, geriet – wiewohl als Fachbuch geschrieben – zum Bestseller und bewirkte dadurch unbeabsichtigt, dass die Transaktionsanalyse insgesamt und über Jahrzehnte mehr als „oberflächliche Alltagspsychologie“, denn als ernsthafte und wissenschaftliche Theorie wahrgenommen wurde. 339  Vgl. Berne 2001a, 57; ders. 2001, 40; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 161; Rautenberg / Rogoll 2007, 126; ausführlich Stewart / Joines 2008, 345 f. 340  Zum Folgenden s. Berne 2001a, 68 f.; Stewart / Joines 2008, 354 ff.; Hennig / Pelz 2002, 64 f.; Schlegel 1995, 168 ff.; Schulze 1992, 174 f.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 321

Der äußerliche Nutzen auf sozialer Ebene ergibt sich aus dem Kontakt zu seinen Mitmenschen. Die Kontaktgestaltung mag zwar oberflächlich oder negativ ausfallen, doch besteht überhaupt Kontakt zu anderen. Zugleich ermöglichen Spiele, die anstehende Zeit zu verbringen und sie zu strukturieren341, was ein menschliches Grundbedürfnis ist. Gleichwohl wirkt diese Weise der Bedürfnisbefriedigung zugleich verschwenderisch im Hinblick auf sonstige Möglichkeiten der Zeitstrukturierung (Rückzug, Aktivität, Intimität).342 Insbesondere besteht eine Sehnsucht nach ehrlichem und innigen Kontakt sowie bedeutungsvollen Begegnungen zu anderen (Intimität), die irrigerweise nicht anders gestillt werden könne als durch Spiele spielen, weshalb es sich um Fassadenverhalten handelt. Der innere Nutzen der Sozialebene zeigt sich in der emotionalen Erregung, die Spiele für die Spieler mit sich bringen. Die emotionale Erregung ist zwar keineswegs ausreichend, um das Bedürfnis nach Stimulation343 (befriedigend) zu stillen, doch ist das eher Folge ihrer unehrlichen Erzeugung, denn ihrer Intensität. Spiele kompensieren den Mangel an Offenheit, der aus Furcht und Unkenntnis ob der Konsequenzen ehrlicher Bedürfnisoffenbarung entsteht. Der äußerliche Nutzen auf der psychologischen Ebene ist folgender: Spiele dienen dazu, sich vor sozialen Kontakten und allgemein Situationen zu schützen, die man fürchtet und meiden möchte, ohne vollständig auf sie zu verzichten. Vielmehr werden soziale Kontakte derart gestaltet, dass das Bedürfnis vermieden wird, seine Gefühle der Wut, der Angst und der Trauer, aber auch der Liebe gegenüber anderen unverfälscht mitzuteilen und stattdessen Ersatzgefühle angeboten werden. Die Kontaktgestaltung mittels Spielen soll gleichwohl dasjenige einbringen, was allein ein Umgang i. S. v. Intimität verspricht, einen offenen und ehrlichen Austausch von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, die in der Gegenwart gegründet sind (struktureller Erwachsenen-Ichzustand). Der innere Nutzen der psychologischen Ebene besteht darin, sich seine bekannten, aber unguten Gefühle zu besorgen, sie zu hegen und zu pflegen. Wenn schon nicht offener und ehrlicher Austausch und Kontakt möglich scheint, dann wenigstens bekannten und – allein insoweit – bewährten Umgang mit anderen. Der äußere Nutzen auf biologischer bzw. existenzieller Ebene ergibt sich aus eben jenen bekannten, wenn auch unguten oder gar gefährlichen Erlebensweisen. Es werden diejenigen Strokes von anderen „eingefordert“, die bekannt sind und einstmals lebensstimulierend wirkten und nunmehr wieder 341  Zum transaktionsanalytischen Konzept des Zeitstrukturierungsbedürfnisses s. Kap. E. III. 4. d) aa). 342  Ebenso Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 171. 343  Dazu Kap. E. III. 4. d) aa).

322

D. Die Transaktionsanalyse

wirken sollen. Das Spielende ist zumeist von negativer Zuwendung344 durch Schläge, Beleidigungen oder psychische Verletzungen gekennzeichnet. Dadurch wird die Gefahr gebannt, dass der Mensch mangels mitmenschlicher Zuwendung zugrunde geht und die irrige Annahme bestärkt, dass es gar keine Zuwendung gibt, wenn nicht negative akzeptiert und „eingefordert“ werden.345 Dadurch wird zugleich die eigene negative Grundeinstellung346 bestätigt und gerechtfertigt, Skriptüberzeugungen347 gefolgt, die bevorzugten Antreiber348 aktiviert und generell das Lebensskript349 bestärkt und belebt, was sich als innerer Nutzen der Spiele in existenzieller Hinsicht darstellt. Doch auch hier, bei der Suche nach dem Zweck und Nutzen von Spielen, gilt, dass so viel Schatten nicht ohne Licht erkennbar wäre. Spieler setzen zumeist bekannte und insoweit vergangene Situationen neu in Szene, reinszenieren Situationen, die in ihrer Herkunftsfamilie uraufgeführt und als mangelhaft erlebt wurden.350 Dabei sind sie und die aus ihnen stammenden Erfahrungsannahmen nicht vollständig archiviert, sondern zur Grundlage des aktuell wirksamen Skripts geworden.351 Existenziell bleibt deshalb, diese Annahmen, die in der Gegenwart unbefriedigend oder gar gefährlich sind, zu widerrufen und neuen zu folgen. Spiele erscheinen danach als der verzweifelte Versuch, den Irrtum endlich aufzulösen, fehlende Erfahrungen zu integrieren, um die aktuellen Lebensprozesse bewältigen zu können. Spiele spielen stellt danach einen „echten Fehler“ dar, den es zu machen gilt, um das Fehlende erkennen und integrieren zu können und auf diese Weise überflüssig werden zu lassen. Sodann wird die bis dato wirksame Vergangenheit archivierbar. Dies stärkt den strukturellen Erwachsenen-Ichzustand samt seiner Autonomie. Dieser Aspekt ist praktisch ein erlösender existenzieller Nutzen von Spielen.352 344  Dazu

Kap. E. III. 4. d) bb). Kap. E. III. 4. d). 346  Dazu Kap. D. III. 2. a). 347  Dazu Kap. D. III. 2. b). 348  Dazu Kap. D. III. 2. d). 349  Dazu Kap. D. III. 2. 350  Spiele sind in diesem Zusammenhang ein Ausdruck des „Wiederholungszwangs“ wie ihn Freud beschrieben hat, vgl. dazu Christoph-Lemke 1990, 109 f.; Schlegel 1995, 182 m. w. N.; Joines / Stewart 2008, 58. Die Spielanalyse dient in diesem Kontext dazu, den Wiederholungszwang zu konkretisieren und anhand erlebbarer Verhaltensweisen (und damit auch mittels Denk- und Gefühlsmustern i. S. d. Ichzustandstheorie) begreifbar zu machen. 351  Insoweit Spiele motivational Reinszenierungen sind, wird tragischerweise geglaubt, dass der damalige Mangel heute behoben werden könne. Tatsächlich ist der Mangel von damals in der Gegenwart nicht mehr zu beheben und bleibt unwiderruflich Mangel. 352  Ähnlich Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 165. 345  Dazu



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 323

bb) Definition und Charakteristika psychologischer Spiele Psychologische Spiele sind auf vielfältige Weise erläutert worden und Berne selbst präsentierte im Laufe seines Schaffens mehrere Definitionen. Ganz allgemein lassen sie sich als eine fortlaufende Folge verdeckter Komplementärtransaktionen begreifen, die zu einem ganz bestimmten, voraussagbaren Ergebnis führt.353 In diesem Sinne handelt es sich um spezielle Kommunikationsmuster, die anhand einer Transaktionsanalyse i.  e.  S. erkennbar und bestimmbar werden.354 Nach der dritten Kommunikationsregel bestimmen dabei die verdeckten Transaktionsebenen das Ergebnis und die Atmosphäre zwischen den Beteiligten. Für English sind psychologische Spiele die Konsequenz von ausbeutenden Transaktionen, deren Komplementärstruktur verlustig zu gehen droht, so dass ein Beteiligter oder beide ihren Ichzustand wechseln und auf diese Weise einen „Trostpreis“, was der Spielgewinn tatsächlich sei, einfordern.355 Bevor jedoch exemplarisch Spiele mit Hilfe des Karpmanschen Drama-Dreiecks356 vorgestellt werden, soll die Spielstruktur und ihre einzelnen Elemente anhand der Berneschen SpieleFormel (‚formula G[ame]‘) untersucht werden.357 Die dadurch zutage geförderten Erkenntnisse ermöglichen es, die konkreten Spiele in geraffter Form darzustellen. Psychologische Spiele sind •• Transaktionsketten, •• bei denen A (Spielinitiator) eine attraktive Falle durch einen doppelbödigen Stimuli stellt, •• die das (Spiel-)Interesse des B (potenzieller Mitspieler) weckt und •• zu einer doppelbödigen Reaktion führt, •• so dass ein Rollenwechsel angeregt wird, •• der zu einem Moment der Perplexität und •• zur Auszahlung der (beiderseits unbewusst) erstrebten Spielgewinne führt. 353  Vgl.

Berne 2001a, 57; dazu auch Rautenberg / Rogoll 2007, 124 ff. auch Hennig / Pelz 2002, 56. 355  Dazu English 2001, 104 ff., 116 ff.; dies. TAJ selected 1980a, 263 = English 2001, 141 ff.; zu Ausbeutungstransaktionen Kap. E. III. 2. b) bb) (3). 356  Karpman TAB selected 1976. 357  Vgl. zum Folgenden Berne 2001, 41; Stewart / Joines 2008, 337; Hennig / Pelz 2002, 60 ff.; Schulze / Lohkamp 2005, 41 ff. Diese Herangehensweise, Spiele zu analysieren, weist starke Bezüge zur mathematischen Spieltheorie auf, die dazu dient, Regeln, Wahrscheinlichkeiten und Muster im menschlichen Entscheidungsverhalten zu erkennen, vgl. Berne TAB selected 1976, 4. Das schlägt sich auch in der Terminologie („Formel“) nieder, obschon die Entsprechung keineswegs durchzuhalten ist. 354  So

324

D. Die Transaktionsanalyse

Dazu folgende Übersicht: A

B

B

Con

+ Gimmick = Response

Attraktive Falle/ Haken

+

Interesse/ Öse

=

unverdächtige Reaktion/ Antwort

A

B

A+B

Switch

Crossup

Payoff

Rollenwechsel

Moment der Perplexität/ Verwirrtung/ Enttäuschung

Auszahlung/ Spielgewinn

angelehnt an Berne 2001, 41;A Christoph-Lemke ohkamp B A B 1993, 122; A Schulze / LB +A 2007, 42. Abbildung 27: Spieldefinition mittels der Spielformel von Berne

(1) „… Transaktionsketten …“ Da es sich bei Spielen um Transaktionsketten handelt, sind mindestens zwei Personen erforderlich, damit ein Spiel zustande kommen kann. Soweit Berne und andere Transaktionsanalytiker358 meinen, es seien auch „einseitige Spiele“ möglich (sog. „Kopfspiele“, „Solitär-Spiele“ oder „PhantasieSpiele“), handelt es sich eigentlich um Verhaltensweisen, die tatsächlich keinen Spielcharakter aufweisen, auch wenn sie zu ähnlichen Resultaten (wie etwa ungute Gefühle oder Körperverletzungen) führen. Ihnen fehlt das transaktionale bzw. kommunikative Element.359 Drei- und mehrseitige Spiele sind freilich möglich.360 Die Transaktionsketten eines Spieles können beliebig ausdauernd fortgesetzt werden; ihr kursorischer, also wiederkehrender Charakter ist maßgebend.361 (2) „… attraktive Falle durch doppelbödigen Stimuli …“ Spiele werden eingeleitet, indem der Initiator A unbewusst eine „attraktive Falle“ (engl. „con“) aufstellt. Spiele haben infolge ihrer verdeckten Transak358  Vgl. Berne 1974, 139 sowie Teile der Fachliteratur, etwa Goulding / Goulding 2005, 48. 359  Derartige Fühl-, Denk- und Verhaltensweisen einer einzigen Person sind mit der sog. transaktionsanalytischen „Maschenanalyse“ nach Erskine und Zalcman sowie der Analyse von „Ausbeutungstransaktionen“ (als Teil der „Existenziellen Verhaltensmuster-Analyse“) nach English passender zu beschreiben. Dazu Zalcman ZTA 1993, 60 ff., 65; Erskine / Zalcman NTA 1979; English 2001, 165 ff., 104 ff. 360  Berne 2001a, 78. 361  Vgl. Berne 2001, 40.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 325

tionen einen unbewusst doppelbödigen Charakter362, der sie von Operationen und Manövern unterscheidet. Operationen sind zwar ebenfalls kursorisch. Sie weisen aber keine verdeckten Botschaften auf. Diese sind transaktional auf nur einer Ichzustandsebene angesiedelt.363 Insoweit handelt es sich um einfache Komplementärtransaktionen. „Manöver“ würde jemand hingegen einleiten, wenn er einem anderen bewusst eine Falle stellt.364 Ein solch beabsichtigtes Vorgehen ist kein Spiel, weil es insoweit an verdeckten Transak­ tionen mangelt. Spieler jedoch handeln unbewusst oder zumindest halb­ bewusst.365 (3) „… Spielinteresse bei einem potenziellen Mitspieler weckt …“ Die „attraktive Falle“ schnappt allenfalls dann zu, wenn der gewählte Transaktionspartner und potenzielle Mitspieler „spielanfällig“ ist, also eine Schwäche hat, bei der sich der Stimuli „einhakt“ und die beansprucht wird. Diese Schwäche wird im Englischen „gimmick“366 genannt. Sie entspricht häufig einer Skriptüberzeugung und ist damit Ausdruck einer Grundeinstellung jenseits von „Ich bin o.k., du bist o.k.“, weshalb es sich der Sache nach um eine psychosoziale Wunde handelt, die im Verborgenen noch schmerzt und durch die Reinszenierung des eigenen Spieles geheilt werden soll.367 (4) „… zu einer doppelbödigen Reaktion führt …“ B tappt transaktional in die „attraktive Falle“, wenn und soweit er sein Mitspielinteresse (response) signalisiert. Das geschieht ebenfalls durch eine doppelbödige und unbewusste Botschaft gegenüber A, so dass der eigent­ liche Inhalt außerhalb der bewussten Wahrnehmung beider Spieler mitgeteilt und verstanden wird. Das transaktionale Kernelement psychologischer Spiele, unbewusste verdeckte Komplementärtransaktionen, liegen als Bedingung für das Spielen und seine Vollendung vor. 362  Vgl.

Schlegel ZTA 1987a, 32. beispielsweise ein Mitarbeiter immer wieder nach, ob er seine Arbeit richtig macht oder bittet er stets um Lob und Anerkennung, die er auch erhält, handelt es sich lediglich um Operationen, sofern er kein verdecktes Anliegen kommuniziert, Berne 2001, 41 f. 364  Schmidt 2002, 77. 365  Auch angesichts der Notwendigkeit, das eigene Leben in den Dimensionen von Raum und Zeit zu strukturieren, die die Transaktionsanalyse mit dem Konzept der Zeitstrukturierung, Kap. E. III. 4. d) aa), erfasst, ist das Spielen psychologischer Spiele die einzige Variante, die verdeckte Transaktionen beinhaltet. 366  Vgl. Stewart / Joines 2008, 337. 367  Vgl. Christoph-Lemke 1990, insbes. 115 f. 363  Fragt

326

D. Die Transaktionsanalyse

Jeder Spieler bedarf zumindest eines Mitspielers, der jedoch – und das ist bedeutsam – sein eigenes Spiel initiiert. Als Mitspieler eignen sich deshalb solche Menschen, die Spiele bevorzugen, die sich komplementär zum eigenen Spiel verhalten.368 Die Aktion des B, die sich aus der Sicht des A als Mitspielinteresse darstellt, ist aus der Sicht des B selbst eine Einladung – und umgekehrt. Spielsequenzen sind damit komplementäre Transaktionsketten von verdeckten Transaktionen, bei denen bestimmte Ebenen für beide Spieler unbewusst sind. Kommt es zum Spiel, ist jeder Initiator des eigenen Spiels und Mitspieler eines anderen Spiels.369 Damit wird auch der Grundannahme von Entscheidungsfähigkeit und Autonomiestreben Rechnung getragen: Weder kann ein Spielinitiator den Mitspieler zum Spielen zwingen, noch kann er linear-kausal bewirken, dass der andere die Rolle wechselt370. Er vermag ihn lediglich zum Spielen einzuladen („verführen“). Jeder Teilnehmer ist und bleibt jedoch auch beim Spielen (mit einem anderen) für seine Handlungen alleinverantwortlich.371 Beispiel: Das zuerst erkannte Spiel heißt – nach Berne – „Warum nicht – Ja, aber …“ („WANJA“) und kommt zustande, wenn A anderen (B) ein Problem unausgesprochen schildert (z. B. schweres Seufzen, Jammern, Klagen, Zaudern etc.), auf der verdeckten psychologischen Ebene B auffordert, das Problem durch Unterbreiten von klugen Vorschlägen zu lösen. Tappt B in die „attraktive Falle“, indem er Vorschläge ungefragt unterbreitet („Warum probierst Du nicht einmal …?), wird A als gewiefter WANJA-Spieler des B’s Vorschläge gekonnt abperlen lassen („Ja, aber das klappt nicht, weil …!“; „Das habe ich auch schon probiert, aber …“). Soweit B hier Mitspieler im WANJA-Spiel von A ist, spielt er als Hauptakteur sein eigenes Spiel: „Ich versuche nur, Dir zu helfen …“ („IVEDIH“), für das er A als opfertauglichen Mitspieler benötigte.372

368  Schlegel 1995, 171 („Seine Spielanfälligkeit ist sozusagen ein passiver Köder, die der Initiant intuitiv wittert.“). 369  Bernes „Spiele der Erwachsenen“ (2001a) war ein Bestseller, betonte allerdings die Spielsequenzen aus der Sicht eines Spielers und ging lediglich am Rande auf ein komplettierendes Zusammentreffen von Spielern ein. Das förderte die Tendenz, stets bei anderen Spiele zu erkennen und zu benennen. Dies wurde alsbald selbst als Spiel („Spieleerkennen“) erkannt. Heute ist allgemein anerkannt, dass Spiele Ausdruck beiderseitiger (und gleich verantwortlicher) Beziehungsgestaltung sind, vgl. insbes. Christoph-Lemke 1990; dies. ZTA 2001, 115; Hennig / Pelz 2002, 54; Stewart / Joines 2008, 431 („Kapitel 23, Fn. 2). 370  Die Begriffe Rolle und Rollenwechsel beziehen sich hier auf die Rollen im Karpman’sche Drama-Dreick, mit dem Spiele ebenfalls analysiert werden können, s. dazu Kap. D. IV. 2. b) cc). 371  Ausführlich Christoph-Lemke 1990. 372  Vgl. Berne 2001a, 151 ff.; auch Gührs / Nowak 2002, 164.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 327

(5) „… so dass ein Rollenwechsel angeregt wird …“ Durch die doppelbödige Reaktion regt B einen Rollenwechsel bei A an. Die Wende in der Spielsequenz wird eingeleitet (engl. „switch“). Dies stellt – neben der Unbewusstheit der Spieler – das wesentliche Charakteristikum eines psychologischen Spiels dar. Häufig wechselt A mit der Rolle auch den Ichzustand. Dabei handelt es sich um die strukturellen Eltern- und KindIchzustände. Im Erklärungsmodell des „Drama-Dreiecks“, das im Anschluss dargestellt wird, wird die ursprüngliche Rolle des „Verfolgers / Täters oder Opfers“ verlassen und zu einer anderen gewechselt. Diese neue Rolle korreliert mit der Botschaft, die zuvor verdeckt kommuniziert wurde. (6) „… zu einem Moment der Perplexität … führt“ Der Wechsel des Ichzustands sowie der damit einhergehende Rollenwechsel führt zu einem „Moment der Perplexität“ (engl. „crossup“). Dieser kann als Enttäuschung erlebt werden und ist in körperlichen und emotionalen Sensationen wahrnehmbar (Augenzwinkern, veränderte Sitzhaltung und Atemvorgänge, Erröten, Schwindelanfälle etc.). Da B nicht nur Mitspieler des A ist, sondern selbst auch Spielinitiator und Hauptakteur des eigenen Spiels, nimmt A seinerseits, als Mitspieler des B, Entsprechendes bei und für sich wahr. Diese Spielsequenz verdeutlicht besonders intensiv, was insgesamt gilt: psychologische Spiele sind zirkulär wirkende Kommunikationsabläufe, die sich einer reinen Kausalbeschreibung entziehen.373 (7) „… Auszahlung der erstrebten Spielgewinne …“ Im Moment des Wechsels und der Wahrnehmung eigener Verwirrung kündigt sich die Auszahlung des unbewusst erstrebten Spielgewinnes an (engl. „payoff“). Dabei handelt es sich um die Bestätigung skriptgebundener Empfindungen und Gedanken über sich, die anderen und die Welt, so dass die damit verbundenen Verhaltensmuster gerechtfertigt und verstärkt werden.374 Dieser Spielgewinn ist von Beginn an konkret definiert, mag das dem Spieler auch unbewusst bleiben. Grundlage all dessen ist das eigene Lebensskript, weshalb der Spielgewinn häufig „überraschend und doch oft als vertraut“375 eingestrichen wird. Beispiel: Der „WANJA“-Spieler bestätigt sich die Erfahrung, dass ihm niemand helfen kann und er letztlich allein mit seinem unlösbaren Problem bleibt bzw. die 373  Dazu

instruktiv von Foerster / Bröker 2007, 333 f. 2008, 338 („Ersatz- bzw. Maschengefühle“). 375  Schmid 2004, 43. 374  Stewart / Joines

328

D. Die Transaktionsanalyse

anderen auch nicht klüger sind. Komplementäre „IVEDIH“-Spieler bestätigen sich ihrerseits, dass niemand auf sie hört und Menschen generell undankbar sind.

Spielgewinne sind in ihrer Intensität kategorisierbar. Die transaktionsanalytische Theorie unterscheidet drei Grade von Spielen.376 Ein Spiel ersten Grades mag mitunter gesellschaftlich akzeptabel sein und gilt im Bekanntenkreis des agierenden Urhebers kaum mehr als ein Fehltritt.377 Daher mag er durchaus freimütig über seine Spielzüge und -erlebnisse berichten und so im Nachhinein die Nutzen seiner Spiele in weiteren gesellschaftlichen Transaktionen maximieren und ausschöpfen wollen. Der Gewinn von Spielen ersten Grades ist im Ganzen betrachtet mäßig unangenehm und allgemein toleriert. Es mag sich um öffentlich erteilte „Körbe“ handeln, leichte Verletzungen oder polizeiliche Verwarnungen. Bei einer Spielintensität zweiten Grades möchten die Spieler ihr Spiel und insbesondere seinen Ausgang „vor den Augen der Öffentlichkeit verbergen“, wiewohl kein schwerwiegender oder bleibender Schaden durch sie entsteht. Dabei mag es sich um versehentliche oder zumindest nicht regelmäßige und schon gar nicht erhebliche Gewalt in der Ehe oder bei der Kindererziehung handeln. Mitunter kann es aber auch bereits hier zu strafrechtlichen Anklagen kommen, jedoch nicht wegen allzu schwerwiegender Delikte. Spiele dritten Grades sind jedoch endgültiger Natur. Gewonnen werden durch sie dauerhafte Krankheiten, schwere Verletzungen und – last but not least – der eigene Tod. Für sie sind deswegen Operationssäle, Psychiatrien, Scheidungs- und Strafgerichte und auch Leichenhallen die tauglichen Bühnen für eine angemessene Inszenierung. Nun sollen beispielhaft psychologische Spiele mit Hilfe des „DramaDreiecks“378 vorgestellt werden, deren Kenntnis für Konfliktberater und Mediatoren hilfreich ist. Wie mit Spielern umgegangen werden kann, um zu einer, wenn auch nur zeitweiligen Spielfreiheit zu gelangen, erfolgt im Anschluss.

376  Dazu Stewart / Joines 2008, 336; Hennig / Pelz 2002, 54; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 170. 377  Vgl. Berne 2001a, 79. 378  Das „Drama-Dreieck“ nach Karpman stellt eine weitere Möglichkeit neben der zur Definition verwendeten Berne’schen Spielformel dar, um Spiele zu analysieren. Für die didaktische Aufbereitung in der Praxis eignet es sich allerdings besser. Weitere Möglichkeiten zur Spielanalyse bieten das „Symbiosekonzept“ nach Cathexis-Schule, die davon ausgeht, dass durch Spiele die Kindheitsbühne nochmals aufgebaut wird, um das vergangene, aber nachhallende Drama aufzulösen, dazu Schiff 1979, 105 f.; das „Redefinitions-Sechseck“ nach Mellor / Schiff, das aber in seiner Anwendung kompliziert und daher nicht praktikabel ist, vgl. Mellor / Schiff NTA 1977a. Zusammenfassend Hennig / Pelz 2002, 56 ff.



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 329

cc) Darstellung einer Auswahl von Spielen anhand des Drama-Dreiecks Psychologische Spiele – das ist bereits deutlich geworden – verlaufen und enden je nach Spielgrad mehr oder weniger dramatisch. Karpman untersuchte aus diesem Grunde die dramatische Struktur von Spielsituationen im Vergleich zu Märchen und Dramen und konnte jeweils drei Spielrollen ausmachen, die in jedem Spiel besetzt sein müssen.379 Dabei handelt es sich um die Rollen „Verfolger“, „Opfer“ und „Retter“, die ihre jeweils eigene Thematik mittels unterschiedlicher Elemente und Strukturen beleben.380 Gemeinsam ist den Rollen in der Theorie der Transaktionsanalyse, dass sie als nicht authentisch bzw. als unecht beschrieben sind.381 Das bedeutet, dass die Menschen, die in diesen Rollen agieren, so fühlen, denken und handeln, wie sie es früher schon einmal erlebt haben. Ihr Handeln ist nicht ausschließlich auf die gegenwärtige Situation bezogen, sondern auch auf eine Situation, die tatsächlich längst vergangen ist. Insoweit werden skriptgebundene Strategien angewendet, die von Ersatzgefühlen begleitet sind. Der Rollenwechsel im Drama-Dreieck entspricht dem switch der Spielformel. Die Verfolgerrolle wird von Personen bevorzugt, die andere herabsetzen, sie übermäßig kritisieren, sie bestrafen (wollen) oder sogar verletzen. Es handelt sich um Personen, deren bevorzugtes Thema Kritik und Anklage ist, um auf anderen Menschen „herumhacken“382 und ihnen zusetzen zu können. Ihre Grundeinstellung ist „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“, die sie transaktional mit dem kritischen Erwachsenen-Ichzustand funktional zum Ausdruck bringen. Nicht selten pflegen Personen, die die Verfolgerrolle bevorzugen, ein Ersatzgefühl von Ärgerlichkeit.383 In Bezug auf ihre zugrunde liegenden Bedürfnisse handeln sie passiv384. Ihr Verfolgen, ob durch Agitation oder Gewalt, wertet einerseits die eigenen Bedürfnisse nach Nähe und Intimität ab und andererseits den Wert und die Würde der anderen Menschen. Thema der Opferrolle ist Hilflosigkeit und Ablehnung anderer. Sie wird bevorzugt von Personen besetzt, die gerne oder zumindest gewohnt auf sich 379  Vgl.

Karpman TAB selected 1976. Folgenden auch Schulze 1992, 178 ff.; Stewart / Joines 2008, 338 ff.; Gührs / Nowak 2002, 133 ff.; Hennig / Pelz 2002, 57; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 164 ff. 381  Vgl. Joines / Stewart 2008, 59; Stewart / Joines 2008, 339. 382  Schulze 1992, 180. 383  Zum transaktionsanalytischen Konzept der Ersatzgefühle s. Kap. E. III. 2. b) bb). 384  Zum transaktionsanalytischen Konzept der Passivität s. Kap. E. III. 2. b) cc). 380  Zum

330

D. Die Transaktionsanalyse

‚herumhacken‘ lassen. Ausgefüllt wird diese Rolle nicht nur mit offener Hilflosigkeit, sondern auch mit lockender Schüchternheit, verführerischer Kindlichkeit oder vermeintlicher Unwissenheit bis zur tollpatschigen Unbeholfenheit. Personen, die diese Rolle bevorzugen, haben die Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“, mitunter auch „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“. Wahrnehmbare Ersatzgefühle sind insbesondere Ängstlichkeit und Traurigkeit, denen transaktional mit dem fügsamen oder zurückgezogenen Kind-Ichzustand Ausdruck gegeben wird. „Opfer“ werten insbesondere sich selbst ab, indem sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Problemlösung missachten und können auf nahezu jede Art passiv handeln, also durch Nichtstun und Überanpassung, aber auch durch Agitation und Autoaggression.385 Themen der Retterrolle sind Befreiung und Erlösung, Sicherheit und Tröstung. Sie wird von Personen bevorzugt, die gerne einschreiten, wenn auf Menschen irgendwie „herumgehackt“ wird oder wurde. Belebt wird die Rolle mit vorgegebener Allwissenheit (zumindest, was das Problem des Opfers betrifft), mit unsagbarem Mitgefühl, mit Sorgenbekundungen und grenzenloser Hilfsbereitschaft, aber auch mit ungefragten Ratschlägen und Rettungstaten. Retter weisen – wie schon die Verfolger – die Grundeinstellung „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ auf, da sie die Fähigkeiten der anderen, sich selbst zu helfen, abwerten und überhaupt nicht fordern, geschweige denn fördern. Ganz im Gegenteil, sie benötigen Opfer, um Retter spielen zu können, so dass sie andere in der Fixierung der Opferrolle fördern und zuweilen andere in die Rolle befördern. Aber auch das eigene Bedürfnis nach gleichberechtigter (und damit emotional gleich riskanter) Kontaktgestaltung wird ausgeblendet. Funktional bringen sie sich mit einem fürsorglichen Eltern-Ichzustand zum Ausdruck, wobei das Gegenüber hinter den Ersatzgefühlen von selbstgefälliger Überlegenheit und grundloser Lösungssicherheit durchaus die wahren Gefühle der Angst und Unsicherheit, aber auch der Traurigkeit und Ärgerlichkeit spüren kann.

385  s.

dazu die Ausführungen in Kap. E. III. 3. b) cc) (1) (b) (Passives Verhalten).



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 331 Spielanalyse mit Hilfe des Drama-Dreiecks

Rolle des Verfolgers

Rolle des Retters

„Ich hack’ auf Dir herum!“

„Ich bin für Dich da, wenn (und solange) auf Dir herumgehackt wird!“

Thema: Kritik und Anklage Grundeinstellung: (+/–) Ersatzgefühl: Ärgerlichkeit funktionaler Ichzustand: kritischer Eltern-Ichzustand Abwertung: Wert und Würde der anderen Bedürfnis nach Nähe Passives Verhalten: Agitation und Gewalt

Thema: Selbstgerechtigkeit Grundeinstellung: (+/–) Ersatzgefühl: Überlegenheit, Mitleid funktionaler Ichzustand: fürsorglicher Eltern-Ichzustand Abwertung: Lösungskompetenz der anderen, Rolle des Opfers eigenes Nähebedürfnis Passives Verhalten: „Auf mir kann man herumhacken.“ jede Variante möglich Thema: Ablehnung und Hilflosigkeit Grundeinstellung: (–/+) Ersatzgefühl: Ängstlichkeit, Verzweiflung funktionaler Ichzustand: angepasster Kind-Ichzustand Abwertung: eigene Lösungskompetenz Passives Verhalten: Nichtstun, Überanpassung

Abbildung 28: Das Drama-Dreieck mit Erläuterungen

Und nun folgt eine Auswahl psychologischer Spiele – tabellarisch geordnet nach den vorgestellten drei Spielrollen.386

386  Angelehnt an Gührs / Nowak 2002, 145 ff.; s. auch Berne 2001a. Stewart / Joines 2008, 357 betonen aber zu Recht, dass es nicht hilfreich ist, sich auf die Inhalte der Spiele zu konzentrieren und auf diese Weise eine Unzahl an ‚verschiedenen‘ Spielen zu benennen. Denn auf der Prozessebene der Spiele wird deutlich, dass diesen unterschiedlichen Spielen Muster zugrunde liegen, die eine inhaltliche Benennung obsolet werden lassen. Dieses Verständnis wird vorliegend geteilt, weshalb nur eine geringe Anzahl benannt ist, die diese Muster besonders deutlich erkennen lässt.

Jetzt will ich Euch mal erzählen, was ... (B) ... angestellt hat … Was halten Sie denn davon? Wie stehen Sie denn dazu?

Eröffnung

Anmerkung

Nichteinstieg

Ablehnung

Antithese

Attraktive Falle

Wichtig für Berater: Rekapitulieren sie ihr Handeln. Haben Sie sicher nicht den anderen eingeladen, auf diese Weise zu handeln, weshalb sein Vorwurf berechtigt wäre?

Sparen sie sich (ungebetene) Ratschläge. Bei der Auszahlung nehmen sie (liebeund humorvoll) alle Schuld übertreibend auf sich – und lassen gegebenenfalls den Spieler einfach stehen.

Soll ich ... dies oder jenes ... tun? Sag’ mir, was ich tun soll? Ich verlass‘ mich (ganz auf Dich). Wenn Du das sagst, dann mach ich das so.

In Schwierigkeiten kommen und andere dafür beschuldigen, um die eigene Angst zu spüren und Verantwortung nicht zu übernehmen.

Ich bin nicht Schuld, da ich nur das getan habe, was die anderen von mir wollten.

Sieh nur, was du angerichtet hast!

Abbildung 29: Verfolgerspiele

Mediatoren und Konfliktberater, aber auch Führungskräfte werden häufig von den Konfliktbeteiligten und Mitarbeitern in den Gerichtssaal gebeten.

Nehmen sie nicht das Angebot an, über den Sachverhalt zu richten. Soll ich dein Richter sein? Welches Urteil hast du bereits gefällt? Sprich’ mit ihm direkt, statt mich um eine Verurteilung zu bitten.

Ermutigung, Triumph, aber auch Niedergeschlagenheit. Andere runtermachen und bloßstellen.

Nutzen

Einladung

Die anderen müssen mir sagen, dass ich im Recht bin.

These

Gerichtssaal

Häufig in Lernprozessen (Schule) und Ablösungsprozessen (Familie) anzufinden. Ist auch aus der Opferrolle einfädelbar.

Paraphrasieren sie beide Botschaften (‚aktives Zuhören‘). Vorher Vertrag darüber schließen, nicht auseinander zu laufen, sondern das Problem gemeinsam zu lösen. Feste Zeiten vereinbaren.

Provokationen und Unterstellungen durch unmissverständliche Doppelbotschaften.

Vermeidung von Nähe und Verantwortung. Rechtfertigungen für Lärm und Action (Türenknallen! Scherbenhaufen!).

Wenn wir genug Tumult veranstalten und genug Distanz zwischen uns schaffen, brauchen wir unser Problem nicht lösen und/oder uns an die Arbeit machen.

Tumult

332 D. Die Transaktionsanalyse

Häufiges, unnötiges Nachfragen. Missachten vorhandener und relevanter Informationen. Jetzt bin ich verwirrt, was ist Trumpf?

Eröffnung

Anmerkung

Nichteinstieg

Ablehnung

Antithese

Attraktive Falle

Dumm-Spieler leben durch ihre Passivität Aggressionen aus und können auf diese Weise Gespräche und sonstige Arbeitsprozesse regelrecht lahm legen.

Übergehen sie das Verhalten, wechseln Sie das Thema. Lachen die keinesfalls über seine „Dummheit“! Verweigern Sie Wiederholungen. Ich finde dein Verhalten nicht komisch. Ich denke nicht für dich. Bist du erfolgreich mit der Strategie, anderen vorzumachen, du seist dumm?

Offizielle Rechtfertigung dafür, nicht zu denken, Probleme nicht zu lösen und Verantwortung nicht zu übernehmen. Beachtung und Zuwendung (Strokes) mittelbar einfordern.

Nutzen

Einladung

Solange ich dumm bin, sind alle zufrieden und guter Laune.

These

Dumm!

Abbildung 30: Opferspiele

Passivität: Agitation, Autoaggression, Bannbotschaft: Schaffe es nicht!, Nimm dich nicht wichtig! Antreiber: Sei perfekt!, Sei stark! Prozessskript: Bis-Skript.

Du schaust überlastet aus. Du darfst dein eigenes Tempo gehen und dir Ruhe gönnen. Weshalb schaffst du es nicht, damit aufzuhören, wenn du merkst, dass du es nicht schaffst? Ich möchte nicht wissen, wann du nicht kannst, sondern wann du Zeit hast.

Zuerst muss ich aber unbedingt ... Was ich noch alles tun muss, das willst du gar nicht wissen! So wie du arbeitest, möchte ich mal Urlaub machen können!

Schutz vor Nähe, Rechtfertigung für Erschöpfung, Existenzberechtigung, Präventivmaßnahme gegen Forderungen anderer.

Ich muss versuchen, alles sofort zuschaffen. Ich bin unersetzlich. Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.

Überlastet!

Der Wechsel aus der Opfer- in die Verfolgerrolle ist bei ‚Ja, aber ...‘ besonders deutlich.

Geben Sie keine Ratschläge! Nach dem ‚Ja, aber ...‘: Was ist deine Schwierigkeit, für die du Unter­stützung brauchst? Das ist ein wirkliches Problem. Was willst/wirst du tun? Was hast du schon probiert? Was wäre anders, wenn das Problem lösbar wäre? Wetten, dass ich noch eine Antwort weiß, die du mit einem ‚ja, aber‘ parierst? Was müsste ein guter Rat denn alles berücksich­ tigen? Ich finde es sinnvoller, mit dir darüber zu reden, welchen Nutzen du von der Beibehaltung des Problems hast.

Indirekte, nonverbale Bitte um Ratschläge, z. B. durch Leid klagen. (Das) ... habe ich getan, aber es ging schief ... Was tut man, wenn ...?

Triumph, exklusive Probleme zu haben und etwas Besonderes zu sein. Ärgerrechtfertigung und Enttäuschung.

Ich zeige dir deine Unfähigkeit, (meine) Probleme zu lösen.

Ja, aber ...

IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 333

Anmerkung

Nichteinstieg

Ablehnung

Antithese

Attraktive Falle

Die Retterrolle kann zugunsten der Opferrolle, aber auch zugunsten der Verfolgerrolle abgelegt werden. Das hat Auswirkungen auf die Intervention bzw. Reaktion desjenigen, der nicht mitspielen möchte.

Ratschläge und Hilfsangebote entschieden ablehnen: Ich werde über deinen Vorschlag nachdenken. Kam es zum Rollenwechsel (switch), ist es wichtig, nicht das Problem des Retters lösen zu wollen.

Ungefragte Ratschläge und übertriebene Hilfsangebote. Du kannst mich jederzeit anrufen. Also, wenn du mich fragst, dann ... So wird das nix ...

Eröffnung

Einladung

Versuch, eigene Schuldgefühle loszuwerden. Bestürzung über die Undankbarkeit der anderen. Bestätigung von Inkom­petenz.

Nutzen

Ich wollte dir doch nur helfen.

Niemand macht das, was ich ihm rate.

These

Abbildung 31: Retterspiele

Werden die versteckten Abwertungen konfrontiert, besteht die Gefahr, dass Spiele angezettelt werden, die stark symbiotische Charakterzüge aufweisen (Was wärest du ohne mich!; Was wäre ich ohne dich!). Suchen Sie sich ggf. woanders Unterstützung.

Weisen Sie die verdeckten Abwertungen zurück, ohne sich auf Diskussionen einzulassen. Betonen Sie Ihre Lösungskompetenz. Würde es dir tatsächlich so gehen, wenn dir das passieren würde? Wie hast du deine Krisen gemeistert?

Übertriebenes Mitgefühl (Mitleid) Du Ärmste(r), das muss ja furchtbar sein. Ich an deiner Stelle wäre am Boden zerstört. Du siehst ja schrecklich mitgenommen aus.

Fremde (vermeintliche) Schwächen und Unzulänglichkeiten lassen die eigenen, soweit sie überhaupt wahrgenommen werden, erträglich erscheinen.

Der andere kann ohne mich sein Leben nicht richtig leben.

Du Ärmste(r)

Transaktionsanalyse eignet sich besonders gut als inhaltliche Grundlage für dieses Spiel.

Ich möchte das jetzt nicht hören, sondern lieber etwas Schönes mit dir unternehmen. Was denkst du, ist dein Anteil an dem Problem? Und was ist dir dabei über dich selbst klar geworden? Das ist deine Interpretation, nicht meine! Ich will nicht dein Patient werden. Möchtest du mich als Patient? Was kostest du?

Neulich auf einem Seminar, musste ich an dich denken. Jetzt weiß ich, was dein Problem ist. Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie es kommt, dass du ...? Findest du es nicht merkwürdig, dass du …?

Ungefragte Interpretationen fremden Verhaltens.

Vermeidung, sich mit den eigenen Problemen zu beschäftigen. Bestätigung des o.k.-Seins: (Wenn ich dich therapieren kann, muss ich in Ordnung sein.)

Ich weiß besser als die anderen, was sie denken, fühlen und weshalb sie etwas tun.

Therapie

334 D. Die Transaktionsanalyse



IV. Das Kommunikationsmodell (Transaktionsanalyse i. e. S.) 335

dd) Hinweise zum Umgang mit Personen, die Spiele spielen Angesichts der vorstehenden Analyse stellt sich die Frage, was zu tun ist und wie mit Situationen umzugehen ist, in denen Spielsequenzen wahrgenommen werden oder unmittelbar bevorstehen. Angesichts der Wirkungen von Spielen ist das Streben nach Spielfreiheit, sowohl für den Einzelnen als auch für Gruppen und Organisationen, von grundlegendem Interesse.387 Analytisch gibt es zwei Ansatzpunkte: die Vermeidung von Spielen sowie deren Unterbrechung. Vermeidung erfolgt individuell. Jeder Einzelne hat im Umgang mit anderen darauf zu achten, dass er nicht zu Spielen einlädt, indem er eine der drei Rollen des Drama-Dreiecks besetzt.388 Diese Besetzung wirkt auf andere einladend, eine der übrigen Rollen im Wege komplementärer Transaktionen zu besetzen. Bevor konkret Hilfe geleistet wird, sollte ihre Notwendigkeit eindeutig und nicht vorschnell geklärt werden. Bevor andere kritisiert werden, sollte sich über das eigentliche Ziel Klarheit verschafft werden und ob es durch Kritik erreichbar ist. Bevor anderen das eigene Ungemach mitgeteilt wird, ist sich auch darüber Klarheit zu verschaffen, was von dem anderen gewollt ist und ob er das zu leisten imstande ist. Erforderlich ist also, sich über die eigene bevorzugte Rollenwahl bewusst zu werden. In organisationalen und beruflichen Zusammenhängen sind insbesondere mittels klarer Verträge und Absprachen Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen eindeutig zu definieren und abzusichern.389 Vermeidbar sind Spiele auch dadurch, dass ausreichend konstruktive Zuwendung gegenüber anderen erfolgt, so dass der „Stroke-Haushalt“390 ausreichend gefüllt ist. Zwischenmenschlicher Kontakt sollte demnach nicht doppelbödig gestaltet werden, Gefühle und Gedanken direkt und ohne Abwertungen mitgeteilt und strukturell vom Erwachsenen-Ichzustand gesteuert werden.391 Komplexer gestaltet sich das Bestreben, Spiele durch Unterbrechungen zu beenden. Hierbei muss betont werden, dass niemand es in der Hand hat, die Spiele eines anderen zu beenden oder zu bewirken, dass der andere nicht mehr zu Spielen einlädt. Jedoch ist es möglich, eigene Spiele (im Spielverlauf) zu unterbrechen und aus Spielen, in denen man mit anderen 387  Gerade die Verwaltungsorganisation im aktivierenden Staat, auf die im fünften Teil dieser Untersuchung detailliert eingegangen werden wird, bedarf eines positiv eingestellten und motivierenden Personals auf allen Hierarchieebenen, wofür die Abwesenheit von psychologischen Spielen eine unbedingte Voraussetzung ist. 388  Ebenso Schulze 1992, 183. 389  Vgl. Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 176. 390  s. dazu ausführlich Kap. E. III. 4. d) bb) (2) (c). 391  Ausführlich dazu Gührs / Nowak 2002, 169; Schulze 1992, 183 f.

336

D. Die Transaktionsanalyse

verwickelt ist, herauszutreten. Darüber hinaus ist es möglich, den anderen dazu einzuladen, mit dem Spielen aufzuhören. Erforderlich ist dafür nicht einfach die eingenommene Rolle des Drama-Dreiecks zu verlassen, sondern auch, keine der anderen beiden Rollen einzunehmen. Die Devise heißt: Raus aus dem Drama-Dreieck – um unserer selbst willen.392 Es kommt darauf an, keine der Rollen Verfolger, Opfer, Retter beizubehalten oder (neu) einzunehmen. Das Verharren in einer der Rollen begründet die Gefahr, dass ein neues Spiel begonnen wird.393 Demgegenüber sind die Möglichkeiten des Abbruchs bzw. eines spielfreien Neuanfangs vielfältig. Nahezu jede Abänderung des – gemäß der Spielformel – vorhersagbaren Transaktionsverhaltens wirkt unterbrechend.394 Damit das Transaktionsverhalten allerdings ausschließlich unterbrechend wirkt und nicht bloß durch eine weitere Einladung spielauswechselnd, muss Ausgangspunkt die Wahrnehmung des eigenen Fühlens, Denkens und Verhaltens sein. Die eigene Bewusstwerdung über das eigene Interaktionsverhalten ist der Königsweg zur Spielfreiheit. Allein das Wahrnehmen und Reflektieren der eigenen psychologischen Spiele wirken tatsächlich auf die Kommunikationsmuster (auch der komplementären Mitspieler!) ein, so dass ein „Eingreifen“ im engeren Sinne, ein dagegen Ankämpfen gar nicht nötig ist, sondern der Erfahrung nach einer Spielfreiheit eher abträglich.395 Sind die eigenen Lieblingsspiele bekannt und die bevorzugte Rolle abgelegt, kann im Anschluss die Kommunikation auch im Hinblick auf Spiele bewusst(er) gesteuert werden, wobei jede unerwartete Antwort oder sonst unübliche Reaktion eines vorhersehbaren Spielverlaufs diesen in neue Bahnen lenkt – und bestenfalls raus aus dem Drama-Dreieck.396

392  So

auch in wünschenswerter Klarheit Stewart / Joines 2008, 362. würde sicherlich eher eine Verfolgerrolle sein, denn eine Retterrolle. Geeignete Spiele wären etwa: „Jetzt hab ich Dich, Du Schweinehund!“, dazu Berne 2001a, 105 f.; Gührs / Nowak 2002, 148; „Sieh nur, was du angerichtet hast!“, dazu Gührs / Nowak 2002, 152; „Transaktionsanalyse“, dazu Berne 2001a, 210 f.; Schulze 1992, 184; Gührs / Nowak 2002, 156. 394  Eingehend dazu Stewart / Joines 2008, 362 ff. 395  Zur Illusion von Spielfreiheit Gührs / Nowak 2002, 167, wobei jedoch die „gewisse Spannung“, die Spiele „in unser Leben“ bringen, sicher auch auf anderen Wegen erzeugbar ist. Die Illusion ist also nicht aus dieser Erregung abzuleiten, sondern vor allem aus der Gefahr, das Verfolgerspiel „Spielfreiheit“ in organisationalen Zusammenhängen zu etablieren. 396  s. dazu Antithesen in den Abbildungen des Kap. D. IV. 2. b) cc). 393  Das



V. Das Vertragskonzept337

V. Das Vertragskonzept Das Vertragskonzept beschreibt die wichtigste Methode transaktionsanalytischer Arbeit. Sie ist gewissermaßen das Grundgesetz transaktionsanalytischer Beratungstätigkeit: Ohne Vertrag, keine (transaktionsanalytisch fundierte) Beratung.397 Im professionellen Kontakt wird mit und an Verträgen gearbeitet. Sie bilden letztlich die Grundlage und den Rahmen der (professionellen) Beziehung und verhelfen, diese offen und direkt zu gestalten. Diese Art von Vertragsarbeit zielt auf den Prozess, der im Kontakt verläuft und damit auf ‚etwas anderes‘ als juristische Vertragsarbeit. 1. Die Vertragsorientiertheit als Grundlage jeder Beratungsarbeit Das transaktionsanalytische Vertragskonzept basiert auf der Erkenntnis, dass bei jedem zwischenmenschlichen Kontakt bewusst oder unbewusst, ausdrücklich oder stillschweigend „Vereinbarungen“ getroffen werden, was miteinander getan oder unterlassen wird, was voneinander erwartet wird oder zu erwarten ist und wie tatsächlich miteinander umgegangen wird.398 Soweit unbewusste Absprachen getroffen werden, sind sie maßgebend für das gemeinsam zu verantwortende Arbeitsergebnis, weshalb es notwendig erscheint, sich bewusst über die entsprechenden Inhalte zu werden. Vertragsarbeit ist nach diesem weiten Verständnis praktisch jede Tätigkeit, die geeignet ist, gemeinsam und ebenbürtig ein definiertes Ziel zu erreichen, um die anstehenden Aufgaben in beiderseitiger Eigenverantwortlichkeit zu bewältigen. Verträge im Sinne der Theorie der Transaktionsanalyse sind damit auf der Basis freier Entscheidungen getroffene partnerschaftliche Vereinbarungen, die bezeugen, was die Beteiligten tun, woran sie arbeiten wollen und was sie voneinander erwarten (können).399 Diese transaktionsanalytische Vertrags- und Entscheidungsorientiertheit ist eine direkte Konsequenz des Autonomiekonzepts und damit eine der „tragenden Säulen der Transaktions­ analyse“400 überhaupt. Der transaktionsanalytische Vertragsbegriff rekurriert einerseits auf das juristische Verständnis von Verträgen und bedient sich seiner Terminologie. 397  Ähnlich Mautsch 2007a; Hennig / Pelz 2002, 131 (für Therapie  /  Beratung); Steiner 1989, 275 (Therapie). 398  Vgl. Schulze 1992, 207. 399  Vgl. statt vieler Gührs / Nowak 2002, 45. Diese Definition umfasst auch unbewusste Entscheidungen, die auf den Vertragsinhalt und dessen Realisierung einwirken. 400  Schibalski ZTA 1991, 38.

338

D. Die Transaktionsanalyse

Steiner, ein Schüler Bernes, meint, dass ein transaktionsanalytisch fundierter Beratungsvertrag vier Voraussetzungen habe, die den Bedingungen juristischer Verträge entsprechen: gegenseitige Übereinkunft, Leistung und Gegenleistung, Geschäftsfähigkeit und kein Widerspruch zu geltenden Gesetzen.401 Andererseits ist das Verständnis von Verträgen in der transaktionsanalytischen Theorie umfassender als dasjenige des Rechtssystems. Um den Sinn transaktionsanalytischer Vertragsarbeit zu erfassen, bedarf es einer Darlegung der Unterschiede zur juristischen Vertragsarbeit. Diejenigen Vertragsinhalte, die auch das Rechtssystem als Vertragsinhalte anerkennt, sind nur eine von mehreren Vertragsebenen, die die transaktionsanalytische Theo­rie unterscheidet.402 Juristische Vertragsarbeit ist im Gegensatz zur transaktionsanalytischen Vorgehensweise nicht direkt beziehungsorientiert. Anhand weniger gesetz­ licher Kriterien (Geschäftsfähigkeit, Abgabe und Zugang von Willenserklärungen etc.), also eines kleinen Ausschnitts der zwischenmenschlichen Beziehung und Kontaktgestaltung, konstruiert das Rechtssystem einen Status quo der Vertragspartner, indem sie Rechte und Pflichten anerkennt. Diese können notfalls zwangsweise durchgesetzt werden, soweit sie ein richtender Dritte als vollstreckungsfähig beurteilt. Das staatlich ausdifferenzierte Rechtssystem wirkt auf diese Weise rekursiv auf die juristische Vertragsarbeit zurück, da jene nicht ohne Blick auf aktuelle Rechtsentwicklungen erfolgt. Juristische Vertragsarbeit ist in diesem Sinne nicht gegenwarts-, sondern zukunftsbezogen, da sie die juristische Wirksamkeit anstrebt und insofern den potentiellen Konflikt, der obendrein juristisch behandelt wird, ins Auge fasst. Das lässt sich deutlich an umfangreichen Vertragswerken wie Ehe- oder sonstige Fusionsverträgen von (natürlichen oder juristischen) Personen zeigen. Juristische Vertragsarbeit ist folglich antizipierte Konfliktbehandlung.403 Transaktionsanalytische Vertragsarbeit ist ihrerseits (präventive) Konfliktvermeidung und insofern ihrer Natur nach beziehungsorientiert. Indem sie sich an der aktuellen (Arbeits-)Beziehung ausrichtet, weist sie einen prozesshaften Charakter auf und durchzieht wie ein roter Faden die gesamte Beratungstätigkeit. Der Vertrag ist – ausdrücklich oder nicht – immer Gegenstand der Kommunikation.404 Er übernimmt die Funktion eines Beziehungsbarometers, das darüber Auskunft gibt, wie es um das Verhältnis der Beteiligten und den Beratungsprozess insgesamt steht. An ihm ausgerichtet, 401  Steiner

1989, 275 ff.; vgl. auch Stewart / Joines 2008, 372 f. den einzelnen Vertragsebenen sogleich unter Kap. D. V. 2. 403  s. zu diesen Ausführungen Kap. C. IV. 1. b), Kap. C. IV. 1. d) sowie Kap. C. IV. 1. e). 404  Ähnlich Hennig / Pelz 2002, 131 f. 402  Zu



V. Das Vertragskonzept339

gelingt es den Beteiligten, einen Raum für ebenbürtige Begegnung zu schaffen, bei der klar wird, was wirklich anliegt, gewollt ist und erwartet werden kann.405 Zuvorderst zeigt sich transaktionsanalytisch fundierte Vertragsarbeit an der beraterischen Grundhaltung, die Ausdruck der Wertschätzung und einer „Ich bin o.k., du bist o.k.“-Grundeinstellung ist. Mag der Klient auch problematische und konfliktträchtige Fühl-, Denk- und Verhaltensmuster aufweisen, die ihm und anderen in beruflichen und / oder privaten Kontexten Schwierigkeiten bereiten, so ist und bleibt er als Person anerkannt und seine Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Ebenbürtigkeit erhalten.406 Die Vertragsorientiertheit, für die dem Berater die Verantwortlichkeit zukommt, verhindert zudem, dass das Ziel, die Autonomie des Klienten zu fördern, zu einem moralischen Prinzip oder unerfüllbaren Paradoxon verkommt („Du sollst autonom sein!“) und ein „individuelles Wollen“407, das genau deshalb unterstützbar wird, bleibt. Diesen Gedanken konsequent zu Ende geführt, verdeutlicht, dass es sich de facto um einen Vertrag des ­Klienten mit sich selbst handelt, dessen Zeuge der Berater ist und dessen Umsetzung er begleitet. Zum anderen basiert transaktionsanalytische Vertragsorientiertheit auf den kommunikationstheoretischen Erkenntnissen der Transaktionsanalyse. Sie verhindert, dass Beratungs- oder sonstige Problemlösungsgespräche im Kreise verlaufen oder in einer Sackgasse enden. Sie vermeidet redefinierende Transaktionen bzw. unterbricht psychologische Spiele, konfrontiert absprachegemäß Ersatzgefühle und skriptgebundene Verhaltensweisen, um das Lern- und Wachstumsziel des Klienten zu fördern. Vertragsarbeit heißt, die Kommunikation bewusst(er) und zufrieden stellend(er) zu strukturieren.408 Methodisch gibt es praktisch eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie die Vertragsarbeit gestaltet werden kann, jedoch dürfte – vor allem in organisationalen Zusammenhängen – das Interview die geläufigste Form darstellen.409 Wie transaktionsanalytische Vertragsarbeit bei der praktischen Beratungsund Vermittlungstätigkeit umgesetzt wird, um ihrem Anliegen gerecht zu werden, ist im Folgenden erläutert. Dafür werden die erforderlichen Bedingungen untersucht, die die Funktionstüchtigkeit und Wirksamkeit von Bera405  Teilweise sprechen Transaktionsanalytiker deshalb auch bei Verträgen von einer kommunikativen „Kläranlage“, etwa Schibalski ZTA 1991; ebenso Risto 2003, 88. 406  Vgl. Stewart 1993, 157; ausführlich Jucker ZTA 2001, 40 („Bevor ich in die Vertragsarbeit einsteige, prüfe ich meine o.k.-Position.“); ähnlich Loomis ZTA 2001. 407  Schulz-Wallenwein ZTA 2004, 21 f. 408  Vgl. Gührs / Nowak 2002, 45; Schibalski ZTA 1991; Loomis ZTA 2001, 92 („Der Vertrag ist ein Bezugspunkt [zur Reflexion, S.W.]“); Hennig / Pelz 2002, 140. 409  Denkbar sind daneben etwa eine Zielphantasie, Tagtraumarbeit oder Rollenspiele, vgl. Hennig / Pelz 2002, 140.

340

D. Die Transaktionsanalyse

tungsverträgen sicherstellen (Kap. D. V. 4.). Zunächst werden jedoch die einzelnen Vertragsebenen und -arten dargestellt, die in der transaktionsanalytischen Theorie differenziert werden (Kap. D. V. 2. und Kap. D. V. 3.). 2. Transaktionsanalytisch differenzierte Vertragsebenen Die Transaktionsanalyse erkennt in professionellen zwischenmenschlichen Zusammenhängen mehrere Vertragsebenen an, unabhängig davon, dass bei allen zwischenmenschlichen Kontakten Verträge bewusst oder unbewusst, heimlich oder offen zustande kommen.410 Sie differenziert drei Vertragsebenen: die administrative, die professionelle und die psychologische Ebene.411 Diese Ebenen kommen praktisch stets vor bzw. können bei der jeweiligen Interaktion beobachtet werden. Die administrative Vertragsebene (auch Geschäftsvertrag genannt) betrifft Vereinbarungen über den Rahmen des Zusammenkommens und die Zusammenarbeit, speziell also die Beratungs- und Vermittlungsfunktion, die (Art der) Vergütung, Zeit und Ort der Gespräche und andere organisatorische Dinge. Dieser Geschäftsvertrag erfasst praktisch diejenige Ebene der Interaktion, die das Rechtssystem anerkennt. Hier werden die rechtlich relevanten Absprachen getroffen, wobei jedoch zu beachten ist, dass Absprachen aus den anderen Ebenen mehr oder weniger auch rechtsrelevanten Charakter erhalten können.412 Der professionelle Vertrag (auch Behandlungsvertrag genannt) betrifft diejenigen Dinge, die die Beteiligten einbringen möchten und können. Was geändert werden soll, wozu die beiden Seiten bereit und in der Lage sind, um gewünschte Veränderungen, Wandlungen und Erweiterungen zu erreichen und (er-)halten zu können.413 Die Absprachen dieser Ebene entscheiden insbesondere darüber, wie fruchtbar die (professionelle) Beziehung 410  Vgl.

Schulze 1992, 207. Stewart / Joines 2008, 371; Stewart 1993, 155; etwas anders differenziert Schulze 1992, 208 f.: 1. Offener Vertrag, der in seinen Inhalten den Geschäfts- und Behandlungsverträgen ähnelt, 2. Beziehungsvertrag, 3. Geheimvertrag. 412  Besonders für das Rechtssystem bedeutsam sind etwa unausgesprochene Erwartungen, die Inhalt der psychologischen Vertragsebene (dazu sogleich im Text mehr) wurden, wenn es um die Wirksamkeit im juristischen Sinne geht. Siehe dazu etwa §§ 119, 123, 133, 157 BGB. 413  Etwaige Ziele können beispielsweise Verhaltens-, Denk- oder Empfindungsänderungen sein, Unterstützungs- und Fürsorgeverträge oder Sabotagevermeidung bei Veränderungsprozessen im privaten oder beruflichen Umfeld (Einen Vertrag über die Änderung von Empfindungen und Gefühlen zu schließen, mag an dieser Stelle eigentümlich vorkommen, wird aber anhand des transaktionsanalytischen Konzepts der Gefühle deutlich werden, s. Kap. E. III. 2. b). 411  Dazu



V. Das Vertragskonzept341

wird. Die Vertragsinhalte sollten die Ziele (positiv formuliert) vorgeben. Geregelt werden sollten darüber hinaus die Verantwortlichkeiten und die ethische Grundhaltung des Beraters. Seine Erfahrung und Kompetenz sind für den Klienten ebenso transparent zu gestalten wie die Methoden seiner Beratung.414 In diesem Zusammenhang sind auch die Möglichkeiten von Schutz (protection) abzusprechen und zu verhandeln, sofern akute Probleme oder sich ausweitende Krisen diesen extra erfordern. Inhalt des professionellen Vertrages ist es auch, dass der (mündige) Klient die Eigenverantwortung für sich und seine Entwicklung übernimmt, sich ihrer also bewusst ist. Der psychologische Vertrag (auch Beziehungsvertrag genannt) betrifft die zwischenmenschliche Beziehung der Beteiligten, jenseits des „offiziell Greif- bzw. Hörbaren“. Freilich ist die psychologische Ebene für Dritte erkennbar, aber nicht allein aus dem schriftlichen Vertragstext und nicht ohne die Beteiligten konkret im Umgang miteinander zu erleben. Der Beziehungsvertrag ist – anders als der professionelle und administrative Vertrag – zumeist nicht dokumentiert; und wenn, dann nur zwischenzeilig oder in persönlichen Aufzeichnungen (bspw. Tagebücher, Briefe etc.). Oftmals ist diese Ebene verdeckt und den Beteiligten in ihren konkreten Details unbewusst, weil im unausgesprochenen Bereich verblieben. Gleichwohl ist sie der Nährboden der Beziehung. Hier wird das Gelingen oder Misslingen der gewünschten Veränderungen begründet und entschieden.415 Seine verdeckten Inhalte können für das verabredete Ziel hinderlich sein. 3. Transaktionsanalytisch geordnete Vertragsarten Die Theorie der Transaktionsanalyse differenziert – ihren weitläufigen Anwendungsbereichen geschuldet – eine Vielzahl von Vertragsarten, die hier entsprechend ihrer Bedeutung für den vorliegenden Zusammenhang angesprochen werden sollen.416 414  Zu denken ist hier etwa an Einzel- oder Gruppensitzungen, welche anderen Personen welche Informationen erhalten dürfen, welche Beratungsverfahren (neben Transaktionsanalyse) noch Anwendung finden (dürfen) und ob die Methoden ausschließlich verbalorientiert sind oder auch körperbezogen sein können, vgl. Hennig / Pelz 2002, 133 f. 415  Auf der psychologischen Ebene werden die Rollen für manipulative Spiele eingenommen, Verfolger-, Opfer- und Retterspiele angezettelt, emotionale Rabattmarken ausgewählt und gesammelt, aber auch Zuneigung und Sympathiepunkte vergeben. 416  Speziell zu transaktionsanalytischen Verträgen in der Organisationsentwicklung Kessler / Hauser / Reuter ZTA 1988, 153 ff.; im Coaching Mautsch 2007a; Limpächer / Limpächer ZTA 2004.

342

D. Die Transaktionsanalyse

Nach dem sozialen Kontext geordnet, lassen sich Alltagsverträge von Verträgen mit professionellen Begleitern und rollenbedingten Verträgen mit Mitarbeitern unterscheiden. Der Kontext bestimmt hier die Vorgehensweise und die Inhalte der Vertragsabsprachen, wobei je spezifische Besonderheiten zu beachten sind.417 Verträge mit professionellen Begleitern (Beratungsverträge) sind ihrerseits unterteilbar in Erkundungs- bzw. Explorationsverträge, Kontroll- bzw. Betreuungs- und Fürsorgeverträge sowie in Veränderungsverträge.418 All diese Vertragsarten können zudem in polare Kriterien geordnet werden. So gibt es Kurz- und Langzeitverträge, für die die Überschaubarkeit (des Weges zum Etappenziel) das maßgebende Kriterium ist.419 Da Recht und das Rechtssystem bedeutende Komponenten des sozialen Umgangs sind, wird zuweilen zwischen juristischen und sozialen Verträgen unterschieden. Danach wird in einem sozialen Vertrag die Art und Weise geregelt, wie Menschen miteinander vor- und umgehen, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen.420 Verträge lassen sich konstruktiv nach der Personenanzahl ordnen. Danach lassen sich Zwei-Personen-Verträge, Dreiecksverträge (inkl. Kettenverträge), Mehrparteienverträge sowie Verträge mit sich selbst unterscheiden. Bedeutung haben in der Beratungs- und Vermittlungstätigkeit die sog. Dreiecksverträge. Ihre Besonderheit ist weniger, dass drei oder mehr Parteien mit verschiedenen Motiven beteiligt sind421, sondern dass sie „über’s Eck“ zustande gekommen sind und deshalb mehr als die konkret beteiligten Personen mitwirken. „Übers Eck“ kommt ein Vertrag zustande, wenn eine der beteiligten Personen durch eine dritte Person geschickt oder beauftragt worden ist.422 Hier spielen für die reibungslose und aufgabenorientierte Beziehungsgestaltung die jeweiligen Erwartungen (auch etwaiger Dritter) 417  Vgl.

Gührs / Nowak 2002, 49, 50 f. Schneider 2002, 61 ff.; Loomis ZTA 2001. 419  Vgl. Schneider 2002, 57; Stewart 1993, 171 ff. m. w. N. („Gesamtvertrag und Stundenvertrag“. Der Stundenvertrag entspricht einem „Vertrag im Vertrag“.). 420  Vgl. m. w. N. Schneider 2002, 89. Bedenkt man aber, dass bereits das Rechtssystem maßgebend vorgibt, wie man (nicht) miteinander umzugehen hat (vgl. StGB, aber auch § 242 BGB), so ist diese polare Unterscheidung wenig ergiebig. 421  So aber die einleitende und deshalb unbrauchbare Definition von Gührs / Nowak 2002, 51. Danach wäre jede Eheberatung oder Mediation ein Dreiecksvertrag, was aber – auch durch die nachfolgenden Ausführungen von Gührs / Nowak selbst belegt – nicht gewollt ist. 422  Z. B. vertritt ein Trainer oder Mediator seinen Kollegen zu einem Termin oder die Teilnehmer einer Fortbildungsveranstaltung haben sich den Trainer nicht selbst ausgesucht, sondern sind angewiesen worden, die Veranstaltung zu besuchen etc.; ausführlich zu derartigen „Dreiecksverträgen“ English ZTA 1985; dies. 2001, 211 f.; Gührs / Nowack 2002, 51 f.; Limpächer / Limpächer ZTA 2004. 418  Dazu



V. Das Vertragskonzept343

eine besondere Rolle. Das erfordert ein genaues Maß an transaktionsanalytischer Vertragsarbeit. Nach dem Grad der Offenheit und Bewusstheit lassen sich zudem offene und heimliche Verträge unterscheiden.423 Heimliche Vertragsabsprachen finden dabei stets auf der verdeckten, psychologischen Ebene statt und wirken sich dort aus. 4. Voraussetzungen funktionstüchtiger Vertragsarbeit Damit der vertragsorientierte Kommunikationsprozess in Beratungs- und Vermittlungssituationen sinnvoll funktioniert, sind bestimmte Voraussetzungen zu beachten. Ihr Vorhandensein kann durch Leitfragen geklärt werden, anhand derer der Berater bzw. Vermittler seine Kommunikation mit den Beteiligten strukturiert (Prozessverantwortung). Zwar folgt ein Berater im Detail anderen Leitfragen als ein Mediator in der Mediation. Beide haben allerdings identische Leitthemen zu behandeln, die ein entsprechendes Vorgehen sinnvoll erscheinen lassen. •• Ist die jeweilige Vertragsabsprache für die Gesamtpersönlichkeit bzw. das Personensystem stimmig? Eine Vertragsabsprache ist stimmig, wenn sie strukturell vom Erwachsenen-Ichzustand unter Beachtung von produktiven funktionalen Ichzuständen beschlossen wurde.424 Soweit ein Eltern-Ichzustand die Absprachen nicht toleriert oder ein Kind-Ichzustand keine Freude empfindet, die Absprachen umzusetzen oder die Absprachen nicht sinnvoll oder machbar erscheinen, würde der Vertrag sicher scheitern. Vertragsabsprachen, die allein von KindIchzuständen oder Eltern-Ichzuständen abgeschlossen werden, werden mit Sicherheit später torpediert und scheitern. Beispiele: Klient in der (Team-)Beratung: „Ich werde mich ab heute um des lieben Friedens willen zurücknehmen und das Team während der Arbeit nicht mehr stören.“ oder eine Mediantin: „Ich werde meinen Mann von jetzt an nur noch loben, damit es ihm besser geht und er wieder lieb zu mir ist.“ (beide wahrscheinlich aus dem angepassten Kind-Ichzustand geschlossene Absprachen); Berater: „Sie müssen endlich aufhören, immer und überall herumzunörgeln …!“ oder Mediant: „Lass’ nur gut sein! Das mach’ ich doch gerne für dich!“ (wahrscheinlich Eltern-Ichzustände). 423  Gührs / Nowak

2002, 49 f. 2002, 54 sprechen hier – in Anlehnung an das Funktions- bzw. Verhaltensmodell – von „produktiven Ichzuständen“, die an der Vertragsabsprache beteiligt sein sollten. Damit meinen sie beispielsweise, dass der Erwachsenen-Ichzustand Sinn und Machbarkeit zu prüfen hat, der Eltern-Ichzustand keine Einwände haben und der Kind-Ichzustand Lust zur Umsetzung verspüren sollte. Diese Konzeption mag hilfreich in der praktischen Beratungsarbeit sein, stellt allerdings theoretisch eine Vermischung der Ichzustandsmodelle dar. 424  Gührs / Nowak

344

D. Die Transaktionsanalyse

•• Ist das Vertragsziel positiv formuliert? Beratungs- und Mediationsanliegen sind häufig negativ formuliert. Würden sie in dieser Weise als „Aufhörverträge“425 vereinbart werden, blieben sie Ziele, ohne umgesetzt zu werden. Aufhörverträge sind in aller Regel im Hinblick auf das erklärte Ziel wirkungslos, frustrieren jedoch und bestätigen die Annahme ihrer Unerreichbarkeit. In diesem Sinne sind sie häufig Ausdruck von Skriptüberzeugungen und Antreiberdynamiken. Beispiele: Für Beratungssituationen: „Ich will aufhören mit Rauchen / Trinken.“; „Ich will nicht mehr nervös / aufgeregt / ängstlich sein, wenn ich mit meinem Chef / vor meinem Team / mit meinen Mitarbeitern / vor Kunden reden muss.“ oder für Media­ tionsverfahren: „Wir wollen uns nicht mehr streiten und bekriegen.“; „Wir wollen nicht mehr destruktiv zusammenarbeiten.“; „Ich will mir von dem nicht mehr alles gefallen lassen.“; „Das mache ich nicht mehr mit …!“, „Wir dürfen uns nicht mehr streiten, wenn wir das Projekt schaffen wollen.“ etc.

Wirksame Vertragsformulierungen haben einen bejahenden Charakter und geben vor, was stattdessen positiv zu tun ist.426 Sie formulieren Alternativen, die uns von dem Unerwünschten weglocken und dadurch zur Vermeidung der unerwünschten Verhaltensweisen beitragen.427 Die Wirkungslosigkeit im anderen Falle hat mehrere Gründe. Zum einen kommt es bei „Aufhörverträgen“ zu internalen Kämpfen der Ichzustände gegeneinander, die stets die Gesamtpersönlichkeit verliert.428 Der Kampf gegen etwas kostet Energie, die irgendwann verbraucht ist, so dass das Abgewehrte sich wieder verwirklicht. Es handelt sich nicht um Gegenstände, die vernichtet werden können, sondern um eigene Verhaltensweisen. Dieses Abgewehrte und Verneinte wird nicht wirklich aus der Welt geschafft, indem es abgelehnt wird, sondern bleibt persönliche Realität und ist Anlass und Treibstoff des Kampfes. Sind jedoch die Kräfte im Kampf erschöpft, ist der Weg für das Abgewehrte und Verneinte wieder frei und wird wieder zur Realität. Verdeutlichen lässt sich die psychologische Dynamik dieses Zusammenhangs am Bezugspunkt „Zeit“.429 Dasjenige, was jetzt nicht ist, erfordert 425  Stewart

1993, 161. 1993, 162; Mautsch 2007a, 69. 427  Aber es gibt Beratungssituationen, in denen zunächst ein solches Auftragsangebot („Machen Sie mir die Angst  /  Aufregung  /  Nervosität weg!“) gewürdigt und akzeptiert werden muss, da es im Weltbild des Klienten die „Eintrittskarte“ und „Erlaubnis“ ist, überhaupt Beratung bzw. allgemein Hilfe in Anspruch zu nehmen; vgl. Schweitzer / von Schlippe 2006, 92 ff. m. w. N. 428  Die „Sauftour“ des abstinenten „Alkoholikers“ (Selbstvertrag: „Ich will nicht mehr trinken!“), der nächtliche „Fressanfall“ (nach) einer Diät („Ich will weniger essen!“) etc. sind beredte Beispiele dafür, aber auch der um so heftigere Streit von „Nichtkriegswilligen“ nach einer vermeintlichen Harmoniephase („beiderseitiges Kragenplatzen“) gehört dazu, ausführlich Stewart 1993, 161. 429  Zum Folgenden auch Kühne de Haan 2007, 101 ff. 426  Stewart



V. Das Vertragskonzept345

stets einen Vergleich mit Vergangenem oder Zukünftigem, also mit Nicht­ existentem. Vergleichen kann allerdings nur der Verstand, nicht unsere Wahrnehmung bzw. unser Bewusstsein. Unser Bewusstsein kann sich nur an der Gegenwart orientieren und kennt keine Verneinung und unsere Wahrnehmung, nimmt nur das (für) wahr, was ist und nicht das, was nicht ist. Was jetzt und hier (wahrnehmbar) ist, ist unserer Wahrnehmung zugänglich. Da es eine „Falschnehmung“ nicht gibt, ist es dem Bewusstsein unmöglich, zu verneinen. Wahrnehmung und Bewusstsein können sich nicht an der Vergangenheit oder der Zukunft orientieren. Das schafft nur der Verstand. Verneinen heißt, den Verstand zu nutzen und die Gegenwart mit Dingen oder Möglichkeiten aus der Vergangenheit oder Zukunft zu vergleichen. Das hat erhebliche Konsequenzen für Motivation und Vertragsabsprachen und deren Zielerreichung. Beispiele: Die Feststellung, dass es am Tage nicht Nacht ist, leistet unser Verstand. Unser Bewusstsein nimmt ausschließlich wahr, dass heller Tag ist. Einer verneinenden Aufforderung nachzukommen, etwas wahrzunehmen und sich etwas bewusst zu werden, etwa, sich keinen „roten Elefanten“ vorzustellen, ist aus diesem Grunde unmöglich. Negativformulierungen aktivieren stets im Bewusstsein dasjenige, was nicht sein soll. Der Verstand sagt: „Ich darf nicht rauchen!“ und das Bewusstsein nimmt wahr: „Ich (und) Rauchen!“, womit das, was unterlassen werden will, in der eigenen Vorstellung abermals aktualisiert wurde. Dem Kind wird gesagt: „Fass’ nicht an die heiße Herdplatte!“ und es nimmt wahr: „Fass’ die heiße Herdplatte an!“ oder „Herdplatte!“.

Soll das Anliegen erreicht werden, muss daher das Vertragsziel positiv formuliert werden, also was stattdessen getan, gedacht oder gefühlt werden möchte. Diese positive Natur eines formulierten Vertragszieles gibt Alternativen vor, die von dem Unverwünschten weglocken und dadurch die Vermeidung unerwünschter Fühl-, Denk- und Verhaltensweisen erreichen.430 •• Ist das Vertragsziel für Dritte nachvollziehbar? Woran werden sie dessen Erreichung merken können? Nachvollziehbar ist das Vertragsziel für Dritte, wenn es zeitlich begrenzt, in einfacher Sprache abgefasst und beobachtbar ist. Die zeitliche Begrenzung entlastet vom Erfolgsdruck und ermöglicht Erfolgserlebnisse.431 Ein­ 430  Das schließt freilich in bestimmten Beratungssituationen nicht aus, dass zunächst mit negativen Zielformulierungen gearbeitet werden kann, da in ihnen der Bezugsrahmen des Klienten deutlich wird. Erst wenn die Beratungsbeziehung etabliert ist und guter Kontakt besteht, der bisherige Bezugsrahmen als aktuell vorhandenes Lösungsreservoir akzeptiert und gewürdigt wurde, kann auf der Basis einer tragfähigen Beziehung an dessen Erweiterung gearbeitet werden. Kontakt ist wichtiger als Inhalt, wobei dem Berater / Mediator die Prozessverantwortung zukommt. 431  Vgl. Gührs / Nowak 2002, 55.

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D. Die Transaktionsanalyse

fache Sprache hilft, Missverständnisse zu unterbinden, ist aber nicht ohne Übung, gerade in komplexen Materien oder umfangreichen Vertragsabsprachen, einzuhalten. Es ist besonderes Augenmerk auf die Einfachheit in der Sprache zu legen. Beobachtbar ist das Vertragsziel, wenn es konkrete Verhaltensweisen beschreibt, die „mit irgendeinem der Sinnesorgane wahrgenommen werden“432 können. Nur in diesem Fall lässt sich für Dritte feststellen, ob der Vertrag erfüllt worden ist oder nicht. Zudem ist das Erfordernis, beobachtbares Verhalten zu formulieren, eine Konsequenz aus dem Erfordernis, positive Vertragsabsprachen zu treffen und keine Verneinungen. Beobachtbares Verhalten ist nur sinnlich wahrnehmbare Aktivität, nicht deren Unterlassungen.433 Beispiel: Ob der Vertrag über’s „Nichttrinken“ oder „Nichtrauchen“ eingehalten wurde, ist praktisch unmöglich zu kontrollieren. Und selbst wenn ein Beobachter über den gesamten Zeitraum hinweg den Vertragspartner kontrollieren könnte, wäre die Tatsache, dass das unerwünschte Verhalten nicht geschehen ist eine verstandesmäßige Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass der Vertragspartner die gesamte Zeit über etwas anderes getan hätte. Aber genau dieses Verhalten ist ausschließlich beobachtbar gewesen.

•• Werden Vertragsbrüche thematisiert? Zur Vertragsarbeit gehört es auch, Vertragsbrüche zu thematisieren. Vertragsabsprachen können noch so gut formuliert sein; sie stellen keine absolute Sicherheit für deren Erfüllung dar. Abredewidriges Verhalten sollte allerdings im Rahmen der Vertragsarbeit thematisiert werden, damit sich kein heimlicher Vertrag einschleicht („An Verträge braucht man sich hier nicht zu halten.“434). Diese Konfrontation ist allerdings in einer ebenbürtigen Haltung vorzunehmen. Einer etwaigen Verführung, aus Vertragsbrüchen Kapital zu schlagen und Schuld zu verteilen, sollte nicht nachgekommen werden. Vertragsbrüche sind lediglich Anlass zur Nachprüfung: Wurde zu Beginn etwas Wesentliches, das nun zum Vertragsbruch führte, übersehen. Kann das jetzt abgeändert werden? Ist eine Weiterarbeit sinnvoll oder ist ein Auseinandergehen (zum Nachteil beider Seiten435) angebracht? Maßgebend ist also nicht die Überlegung, ob „wir es noch mal gemeinsam versuchen sollten?“, sondern, „was haben wir verändert, so dass wir neue Sicherheit spüren, dass unser neuer Vertrag diesmal hält?“ 432  Stewart

1993, 164. auch Schibalski ZTA 1991, 39. 434  Gührs / Nowak 2002, 56 auch zum Folgenden. 435  Würde das Auseinandergehen infolge eines Vertragsbruchs nur zu Lasten eines Partners gehen, wäre dies ein Indiz, dass der Vertrag zuvor unstimmig war. Der stimmige Vertrag ist stets für beide Seiten von Vorteil, so dass seine Nichterfüllung zu beider Lasten geht. 433  Vgl.



VI. Grenzen der Transaktionsanalyse347

•• Fördert das Vertragsziel die Autonomie der Beteiligten? Ob ein stimmiger Vertrag gefunden ist, egal ob in einer Beratung oder Mediation, lässt sich anhand der dem Berater bzw. Mediator im Übrigen zur Verfügung stehenden transaktionsanalytischen Diagnoseinstrumente feststellen. Das Vertragsziel sollte beispielsweise nicht psychologische Spiele unterstützen. In tiefer schürfenden Beratungssituationen kann auch anhand der Lebensskriptinhalte geprüft werden, ob das Vertragsziel einen Ausstieg aus dem Skript darstellt.436 Dafür besonders förderlich ist die Überprüfung, ob dem Klienten der Preis der Veränderung bewusst ist und jener bereit ist, diesen zu zahlen.437 Die Kosten können Zeit und Geld betreffen, aber auch jedes andere Engagement, eine (äußere und damit auch innere) Umstellung und somit stets auch Abschied von etwas oder jemandem. Hierher gehört auch der bewusste Umgang mit eigener Angst oder Enttäuschung bzw. eigenem Ärger ebenso wie derartige Gefühle bei anderen.

VI. Grenzen der Transaktionsanalyse Obschon die transaktionsanalytische Theorie und Praxis ein umfangreiches Methodenreservoir für Beratungs- und Mediationsverfahren vorweisen kann, ist sie dennoch in ihrem Erfolg begrenzt. Bei unbedachter Anwendung, sowohl in der Diagnose, als auch bei der Intervention, kann sie zur Verschlimmerung der Problematik beitragen. Gerade die Arbeit mit dem Konzept der psychologischen Spiele birgt die Gefahr in sich, dass „geheime Motive“ erkannt werden, wo tatsächlich keine sind und es zu einer „Verdächtigungspsychologie“438 kommt, die gerade in organisationalen Zusammenhängen Konflikte verschärft und weiter in die Eskalation treibt. Die Anwendung von transaktionsanalytischen Konzepten in beruflichen Gruppen und Organisationen bedarf zunächst generell eines erfahrenen Transaktionsanalytikers, der beobachtet, begleitet und anleitet. Dies gilt jedenfalls für die erste Zeit, in der die Beteiligten mit den transaktionsanalytischen Konzepten, ihrer direkten und klaren Sprache sowie ihrer inhaltlichen Prägnanz in Kontakt kommen und zwischenmenschlichen Umgang „üben“. Die hier angesprochene Gefahr ist vor allem auf die hohe kommunikative Anschlussfähigkeit der transaktionsanalytischen Terminologie zurückzuführen. Das, was eingangs als Vorteil herausgestellt wurde439, zeigt sich nun andererseits als Gefahr. 436  Dazu

Stewart 1993, 165 ff. 2007a, 70. 438  Balling ZTA 2003, 227. 439  s. Kap. D. 437  Mautsch

348

D. Die Transaktionsanalyse

Neben der hohen Kompatibilität der transaktionsanalytischen Sprache ist allerdings auch das theoretische Gerüst an sich, wie gezeigt, nicht widerspruchsfrei, sondern weist bereits in seinen Formulierungen Mehrdeutigkeiten und Ungenauigkeiten auf, die sich von Beginn der Transaktionsanalyse an bis heute durchziehen. Hinzu kommen die Überlappungen der Konzepte, so dass soziale Phänomene auf vielerlei Weise transaktionsanalytisch erfasst und reflektiert werden können, wodurch Widersprüche kaum zu vermeiden sind. Beispiel: Wie Schneider zutreffend bemerkt, führen sprachliche Ungenauigkeiten bei der Arbeit mit den Ichzustandsmodellen dazu, dass Transaktionsanalytiker ihre Klienten „infantilisieren“440. Aufforderungen, man solle sein „freies Kind“ oder sein „fürsorgliches Eltern-Ich“ aktivieren, sind tatsächlich keine Seltenheit in der Praxis transaktionsanalytischer Arbeit. Tatsächlich hat bereits Berne den Grundstein zu dieser Vermischung von strukturellen und funktionalen Aspekten gelegt, indem er Fragen, die das Funktionsmodell beantworten könnte, mit der Hilfe des Strukturmodells löste – und umgekehrt.441 Ein ähnliches Problem beschäftigt die Transaktionsanalyse im Rahmen der „Emotionen“, deren transaktionsanalytische Konzeptualisierung dem fünften Teil dieser Untersuchung vorbehalten bleibt.442

Dieses – zugegebenermaßen spezielle – Problem praktischer Transak­ tionsanalyse weist seinerseits auf eine umfassendere Gefahr hin, der die Transaktionsanalyse, wie jedes andere Erklärungsmodell, unterliegt: Die Verwechslung von Landkarte und Landschaft, von Begriffen und ihren Bezugsobjekten. Es ist gerade die leichte Verständlichkeit und gute Praktikabilität der Transaktionsanalyse443, die zu dem Irrtum führen können, dass die transaktionsanalytischen Konzepte die Wirklichkeit selbst sind. Das wird zuweilen in der Arbeit mit transaktionsanalytischen Konzepten, die so griffig und wirkungsvoll sind, vergessen. Die hohe kommunikative Anschlussfähigkeit der Transaktionsanalyse, deren Diagnosepotential auch für Ungeübte enorm ist, begründet andererseits die Wahrscheinlichkeit, dass daraus entwickelte „Interventionen“ des­ truktiv wirken. Indem relativ schnell Antreiberverhalten und funktionale Ichzustände erkannt werden können, werden ebenso schnell die Erkannten mit Diagnosen etikettiert – und regelrecht zu Ertappten. Die transaktionsanalytische Genauigkeit und Tiefenschärfe geht durch solche „Etikettierungen“ schnell verloren, so dass sich letztlich im Empfinden, Denken und Erleben nichts zum Wohlsein aller ändert, sondern die empfundene Misere bestätigt und verstärkt wird. 440  Schneider

ZTA 2001, 159. ausführlich Schlegel ZTA 1992; Rath ZTA 1992, 100 ff. 442  Zur Problematik Kottwitz 1995, 441, 463; ausführlich Kap. E. III. 2. b) bb). 443  Hagehülsmann / Hagehülsmann 1994, 1343 (auch zum Folgenden). 441  Dazu



VI. Grenzen der Transaktionsanalyse349

Mit Schmidt lässt sich sagen, dass die Transaktionsanalyse an sich nicht gefährlich ist, aber ihre Anwendung ein hohes Maß an Verantwortung voraussetzt, damit sie nicht destruktiv zur unbewussten Manipulation anderer eingesetzt wird.444 Insbesondere ist bei der Anwendung transaktionsanalytischer Konzepte im Rahmen der Verwaltungsorganisation situative Kreativität erforderlich, um nicht sprachlich jede Anschlussfähigkeit zu unterbinden. Denn mag die transaktionsanalytische Diktion der (US-amerikanischen) Alltagssprache entnommen sein, um mit privaten Klienten gut in Kontakt zu kommen, muss doch andererseits bei der Anwendung in Organisationen deren sprachliche Kultur berücksichtigt werden. Das gilt m. E. für die Anwendung transaktionsanalytischer Konzepte bei der Arbeit mit Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes in besonderem Maße. Deren Kultur und das Verständnis dafür sind nicht bloß „Türöffner“ für Berater, sondern häufig die einzig vorhandene Tür selbst.445 Aus Sicht der Geisteswissenschaft, deren Werkzeug vor allem die Sprache ist und deren Sprachvielfalt unterschiedliche Phänomene differenziert bezeichnen kann, ist die Verwendung von Alltagsausdrücken freilich eine Ursache dafür, wie das Problem sprachlicher Verselbständigung und ungerechtfertigter Generalisierung von sozialen Phänomenen begründet wird. Freilich wird dies häufig in Kauf genommen, um das jeweilige Modell für den (nichtwissenschaftlichen) Klienten anschaulicher und verständlicher zu machen, was statt durch Sprachvielfalt durch Sprachgewalt hie und da möglich erscheint. An dieser Stelle ist weniger eine Grenze der Transaktionsanalyse berührt, sondern mehr die Grenze der Veränderlichkeit schlechthin. Methoden und Konzepte zur persönlichen Veränderung und bewussten Erweiterung der eigenen Persönlichkeit können noch so ausgefeilt und handlich sein; die entsprechenden Wünsche stoßen zwangsläufig auf persönliche Grenzen und benötigen Zeit.446 Es bedarf einer inneren Haltung, die von Respekt sich selbst und anderen gegenüber getragen ist, einschließlich der individuellen Grenzen, die nicht ohne guten Grund bestehen. Eine solche Haltung ist mit der Vorstellung, dass es „so und nicht anders ist und zu sein hat“, unvereinbar. Nichts ist „einfach so“ und nichts „muss so bleiben“, sondern alles wird immer und überall neu, wenn auch unbewusst entschieden, stetig neu konstruiert und ist deshalb zugleich so veränderlich wie stabil. Unsere Ord444  Schmidt

2002, 109. zu Kulturen von Organisationen (der Privatwirtschaft) Balling

445  Ausführlich

ZTA 2005. 446  Zu diesem Problemkreis, wenn auch auf therapeutisch angeregte Veränderungen gemünzt Hagehülsmann 2002, 119 ff. Für Veränderungen von Großorganisationen und Institutionen gilt dies umso mehr; dazu Scharpf 1987.

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D. Die Transaktionsanalyse

nung entstammt uns. Wir sind die Grenze wie auch die Veränderung. Und wir sind „o.k.“; sind im besten Sinne der Worte in der für uns hier und jetzt besten Ordnung. Denn es ist die einzig bestehende Ordnung. Dieses Spannungsfeld ist bei der Anwendung transaktionsanalytischer Konzepte in der Beratung und Vermittlung von problematischen und konfligierenden Situationen unter Menschen auszuhalten. Dieser Notwendigkeit allerdings begegnet die Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse (DGTA) dadurch – und begegnet damit den angesprochenen Gefahren insgesamt –, dass sie in ihren Aus- und Fortbildungsangeboten447 die Grundhaltung einnimmt, dass Lernen selbststeuernd und konstruktivistisch erfolgt, Lebensnähe zwischen Lernendem und Gelerntem erforderlich ist und insbesondere die fachliche Kompetenz mit persönlichem Wachstum verbindet: Jeder ist Lehrer des anderen und Schüler aller.

447  Zur Weiterbildung in Transaktionsanalyse allgemein Hennig / Pelz 2002, 358 ff.; Schmid ZTA 1984.

E. Mediation und Transaktionsanalyse – Anwendungsmöglichkeiten im öffentlichen Sektor des aktivierenden Sozialstaates Nachdem in den Kapiteln zwei bis vier die Grundlagen sozialer Konflikte, der Mediation als Konfliktbehandlungsmethode sowie des unterstützenden Instrumentariums der Transaktionsanalyse dargelegt wurden, sollen im Folgenden ihre Anwendungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten im öffentlichen Sektor skizziert werden. Dabei wird die These vertreten, dass das Verständnis vom „aktivierenden“ und „gewährleistenden Staat“ nicht nur eine gewandelte Verwaltungspraxis fordert, sondern der Umbau und Übergang hin zum aktivierenden Staat selbst konfliktträchtig ist und Mediation sowie Transaktionsanalyse hilfreiche Konzepte und Instrumente zur gelingenden Durchführung dieses Vorhabens bereit halten. Dafür bedarf es zunächst einer knappen Standortbestimmung des Staatsund Politikverständnisses vom aktivierenden Staat (Kap. E. I.). Als Referenzgebiet dient dafür das Arbeitsförderungsrecht. Sodann werden Möglichkeiten der Anwendung von Mediation und Transaktionsanalyse im Konfliktmanagement des öffentlichen Sektors insgesamt vorgestellt, wobei nicht nur akutes, sondern auch präventives Konfliktmanagement zur Sprache kommt (Kap. E. II. und Kap. E. III.). Dabei wird zunächst untersucht, wie das sich das Verfahren der Mediation in die Konfliktmanagementarchitektur des aktivierenden Staates einpassen könnte. Erst im Anschluß werden die Poten­ tiale der Transaktionsanalyse aufgezeigt, einerseits für die Arbeit einers Mediators, andererseits für sonstige Beratungs-, aber auch Führungstätigkeiten generell.

I. Der aktivierende Staat Im Folgenden geht es um das Staatsverständnis und Leitbild des „aktivierenden Staates“, das seinerseits enorme Veränderungen in der Gesetzgebung- und Verwaltungspraxis fordert und fördert (dazu Kap. E. I. 1.). Anhand des Referenzgebietes des Arbeitsförderungsrechts werden diese Auswirkungen für die Gesetzgebungspraxis beschrieben (dazu Kap. E. I. 2.). Im Anschluss daran erfolgt eine knappe Darstellung, inwieweit sich die Verwaltung als Organisation weiter zu entwickeln hat, um den gesetzgeberischen Anforderungen gerecht zu werden (dazu Kap. E. I. 3.).

352

E. Mediation und Transaktionsanalyse

1. Das Leitbild des aktivierenden Staates Der Staat westeuropäischer Provenienz steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts angesichts bisheriger Lösungsversuche und aktueller Herausforderungen vor einem Dilemma. Weder kann er durch Expansion („sozialistischer, fürsorglicher Maximalstaat“), wozu er ohnehin aus vielerlei Gründen nicht mehr in der Lage ist1, noch durch einen geordneten Rückzug („neoliberaler, schlanker Minimalstaat“) seinen rechtsstaatlichen und sozialen Ansprüchen sowie denen seiner Bürger genügen2. Derartige Lösungen nach dem Prinzip „mehr-“ oder „weniger von demselben“-Rezept taugen offenbar nicht mehr, um angemessene und gewünschte Lösungen zu erhalten. Es spricht vieles dafür, dass – wie auch immer angemessene Lösungen ausschauen werden – sie, dass einen vollständigen „Strukturwandel von Staatlichkeit“3 erfordern oder auch nur bewirken werden. In Deutschland4 ist dieser Strukturwandel seit Mitte der 1990er Jahre mit dem Leitbild vom „aktivierenden“ bzw. „gewährleistenden Staat“ eingeläutet worden.5 Das Leitbild des aktivierenden Staates löste das vom „schlanken Staat“ ab.6 Anlass zur Überlegung, den Staatsapparat zu verschlanken, gaben sowohl der konjunkturelle Abschwung zu Beginn der 1990er Jahre und die Anstrengungen der deutschen Wiedervereinigung als auch der wirtschaftliche Druck durch einen sich globalisierenden Wirtschaftsverkehr. 1  Dazu

nur Ellwein / Hesse 1994. Pitschas 2002, 241 f. 3  Bogumil / Jann 2009, 277. 4  Zur englischen und amerikanischen Entwicklung s. Wohlfahrt NDV 2001; Trube NDV 2003, 335; zur sozialpolitischen Historie Evers TuP 2001, 83 f. 5  Als „Leitbild“ erfüllt der aktivierende Staat eine Orientierungsfunktion. Insoweit handelt es sich weniger um ein theoretisches Konzept, das es gilt, eins zu eins umzusetzen, um mit Gewissheit den erwünschten Erfolg zu erzielen. Es vermittelt eine Atmosphäre und umreißt Etappenziele, Wege und Fortbewegungsmöglichkeiten, um sich selbst verwirklichen zu lassen. Das Leitbild vom gewährleistenden Staat weist viele Parallelen auf. Für den vorliegenden Zusammenhang ist eine Differenzierung dieser beiden Konzepte nicht erforderlich und deshalb ausgespart worden. Instruktiv Bogumil / Jann 2009, 50; Voßkuhle 2006, Rn. 63 f.; Pitschas 2004, 763 ff., 765 („subsidiäre Staat“, „neue soziale Rechtsstaat“); Wohlfahrt NDV 2001, 82 („befähigende“ oder „ermunternde Staat“); zum aktivierenden Staat im Recht s. Luthe NDV 2003. Zum Gewährleistungsstaat Waechter 2008; Hoffmann-Riem 2000, 15 ff.; Schuppert 1997; ders. 2000, 933 m. w. N.; ders. 2003, 289 ff.; Pitschas 1998, 765 („funktionaler Gewährleistungsstaat“); Franzius Der Staat 2003 und 2008; ders. VerwArch 2008; kritisch Vesting 2000, 111 ff. 6  Heinze / Hilbert / Spalink / Stöbe-Blossey 2005, 12; Dahme / Wohlfahrt TuP 2001, 10; skeptisch zum Leitbildbegriff Dehnhard RuP 2001, 48. Siehe zum Übergang vom schlanken zum aktivierenden Staat die Einschätzung von Meurer DAngVers 1997, 413 f. 2  Ähnlich



I. Der aktivierende Staat353

Dem könne – so die zentrale These – der Staat nur dadurch begegnen, indem er sich auf seine Kernaufgaben beschränke, seinen Staatsapparat verkleinere und die Verrechtlichung der sozialen und wirtschaftlichen Bereiche zurücknehme.7 Die Kernziele des aktivierenden Staates lassen sich wie folgt formulieren8: •• Verändertes Verständnis von Staat und Gesellschaft, •• neue Verantwortungskooperation statt Verantwortungsübertragung und -verlagerung, •• netzwerkgesteuerte Koproduktion (Verwaltungspartnerschaft) statt diffi­ ziler Arbeitsteilung, •• allseitige Aktivierung von Leistungspotentialen statt Kürzung eigener Leistungen. Zentrales Veränderungsmoment im Übergang vom hierarchischen Rechtsstaat über den aktivierenden Staat hin zu einem partnerschaftlichen Staat ist das Überwinden des dichotomischen Verständnisses von Staat und Gesellschaft. Das bedeutet, dass Ausgangspunkt und Kern des Konzepts ein gewandeltes Verständnis darstellt. „Staat und Gesellschaft“ werden nicht mehr als solches gedacht. Das ist fundamental im wahrsten Sinne des Wortes, worauf sich letztlich das weitere Konzept entfalten kann. Erst auf diesem Fundament ist es überhaupt möglich, eine „partnerschaftlichen Verantwor­tungs­koope­ ration“9 zu denken und zu erleben, deren Ansätze heute bereits in einem stetig komplexer werdenden Geflecht aus staatliche und gesellschaftlichen Beziehungsstrukturen erkennbar werden. Diese Komplexität wird durch das Modell von getrennten, sich widerstrebenden Staats- und Gesellschaftsstrukturen nicht mehr ausreichend erfasst.10 Erst mit einem entsprechend gewan7  Ausfrl. dazu Blanke / Plaß 2005, 30; zum „überforderten Staat“ Ellwein / Hesse 1994. Anleihen erhielt dieses Konzept aus dem privatwirtschaftlichen Sektor, in dem aktuelle Managementkonzepte auf die staatliche Organisation übertragen wurden, dazu Bogumil / Jann 2009, 49 f. Entsprechend zu diesem staatlichen Leitbild entwickelte sich der Bürger zum „Kunden“ staatlicher Leistungen, vgl. Baer 2006, 150 ff. 8  Ähnlich Walkenhaus 2006, 322; Dahme / Wohlfahrt TuP 2001, 10. 9  Pitschas 2002, 238, der zutreffend darauf hinweist, dass es sich dabei keineswegs um eine Neuaufteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten (Verantwortungsteilung) handelt, sondern um die Erledigung dieser Aufgaben durch Netzwerke. Bei denen kann nicht wie bisher zwischen den Bereichen Staat und Gesellschaft getrennt werden, jedenfalls nicht mehr anhand eines überkommenen Maßstabes. Dafür prägt Pitschas das Bild einer „Verantwortungsgemeinschaft bzw. eines gemeinsamen Verantwortungskreises, innerhalb dessen sich in wechselnder Ausdehnung dem Staat und der Gesellschaft jeweils zugewiesene, aber ineinander verfließende Verantwortungssektoren offenbaren“. 10  So auch Schuppert DV 1998, 415. Verfahrensprivatisierungen und funktionale Privatisierungen (Teilprivatisierungen) von öffentlichen Aufgaben zeigen die Aufgabe des dichotomischen Staatsverständnisses und spiegeln neuartige Kooperationsver-

354

E. Mediation und Transaktionsanalyse

delten Staatsverständnis wird es möglich sein, staatliches Handeln oder genauer staatliche Kommunikation und seine Bewirkungen11 auch in den Bereichen angemessen zu beschreiben, die mit dem traditionellen Verständnis als „Entgrenzungen und Vernetzungen“12 sprachlich erfasst werden können. Die Neubestimmung des Staats- und Selbstverständnisses ist grundlegend für das Konzept vom aktivierenden Staat. Dieser erscheint nicht mehr nur als Gegenüber, entscheidet nicht mehr nur zu Gunsten oder zu Lasten des Bürgers oder produziert unmittelbar, sondern aktiviert andere, „gesellschaftliche“ Akteure und begreift sich in seinen vielfältigen Erscheinungen selbst als Akteur unter mehreren im prozesshaften Miteinander.13 Es bleibt dabei nicht aus, dass sich auch sein Handeln verändert. Mit einer Aktivierung und Wandlung Anderer korreliert stets auch eine eigene. Freilich zeichnet sich der Staat auch weiterhin für die Durchsetzung öffentlicher Interessen verantwortlich, doch möchte er sie anders als bisher wahrnehmen. Er möchte mehr die Erfüllung öffentlicher Interessen moderieren und begleiten, die jedoch zunehmend durch die netzwerkgesteuerte Akteure tatsächlich handelnd gewahrt werden. Öffentliche Interessen sollen stetig weniger durch diktatorische Ge- und Verbote, sondern durch dialogische Kommunikation gewahrt werden. Aus dem bisherigen Verständnis wirkt dieser Anspruch „begrenzend“, da der Staat lediglich gesellschaftliche Dynamik und Prozesse initiiert, ohne sie vorschreiben und notfalls zwangsweise durchsetzen zu können. Jedoch speist sich dieser Anspruch aus der Erkenntnis, dass staatliche Regelung und Steuerung wie bisher nicht mehr funktionieren, da sie der gesellschaftlichen Komplexität nicht mehr Herr werden. Man mag zwar Ansprüche formulieren können und Zwangsrechte, Verantwortung und Schuld durch einen Regelungskatalog zuschreiben, der „nur“, aber ordenthältnisse wider. Letztlich wird dadurch die Entwicklung fortgeführt, die Forsthoff 1971, 112 f. bereits erkannte: Je fachspezifischer das Wissen wird, desto mehr ebnet sich der Dualismus Staat – Gesellschaft ein. Zudem kommt, dass der Staat als Organisation auch nicht mehr als relativ statische Konstruktion beschrieben werden kann, sondern als „dynamischer Prozessfluss“ verstanden werden muss, vgl. zur Idee der Organisationsentwicklung der Kommunalverwaltung Kraus 1996, 176; allgemein zur Organisationsentwicklung Gebert / von Rosenstiel 2002, 380 ff. 11  Dass es angebracht ist, auf systemtheoretische Konzepte (nach Luhmann) zurückzugreifen, um den Staat der Informations- und Wissensgesellschaft beschreiben zu können und damit das Recht nicht mehr von der Handlung und seinen kausalen Wirkungen her zu denken, sondern von der Kommunikation und deren selbstreferentiellen und zirkulären Bewirkungen, bemerkt zutreffend die sog. Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, dazu Vesting  2008; richtungsweisend bereits Hill JZ 1993. 12  Hoffmann-Riem 2006, Rn. 139; ders. AöR 2005, 11. 13  An dieser Stelle können die aus den Politik- und Sozialwissenschaften bekannten Phänomene „sozialer Netzwerke“ hilfreiche Erfahrungen liefern, wie ein solches „Miteinander“ funktioniert. Pitschas 2002.



I. Der aktivierende Staat355

lich umgesetzt werden müsse. Die implizite Annahme jedoch, dass auf diese Weise komplexe Systeme und Organisationen direkt, final und punktgenau gesteuert werden könnten, passt nicht mehr zu den real erfahrbaren Phänomenen im hochkomplexen System „Staat“ bzw. „Gesellschaft“. Das veränderte Verständnis von Staat und Gesellschaft führt zu einem veränderten Verständnis von Verantwortung. Deshalb wird im Zuge und als Ausdruck des Staatswandels eine neue Verantwortlichkeitslehre formuliert. Verantwortlichkeiten werden gestuft und neuartig verteilt.14 Diese neue Verantwortlichkeitslehre stellt beispielsweise die „Verwaltungsverant­ wor­ tung“15 auf ein neues Fundament und ermöglicht damit, die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung zu verorten, ohne ihre Garantenstellung schlechthin aufzulösen.16 Die einzelnen Verantwortungsstufen beschreiben die Intensität staatlicher Aufgabenwahrnehmung und umfassen etwa die Erfüllungs-, Überwachungs-, Finanzierungs-, Organisations-, Beratungs- und Einstandsverantwortung, aber auch eine soziale Abfederungsverantwortung.17 Beschreibt das Konzept der Verantwortungsstufen die Intensität staatlicher Aufgabenwahrnehmung („Leistungstiefe“), so beschreibt das Konzept der Verantwortungsteilung verschiedene Verwirklichungsphasen arbeitsteiliger Gemeinwohlkonkretisierung.18 Eine daraus entwickelte Verantwortlichkeitslehre ist ohne die Beachtung eines generalisierten Kooperationsprinzips (auch im Recht!) undenkbar. Die Dinge scheinen sich allerdings auch tatsächlich in diese Richtung zu entwickeln.19 Es dürfte kaum einen Zufall darstellen, dass die Aktivierung 14  Einführend Trute DVBl 1996; Schuppert DV 1998, 422 ff.; ders. 2000, 402 ff., 404; Schmidt-Aßmann 2004, 170 ff.; Hill 2008, 72 ff.; vgl. auch Blanke / Plaß 2005, 35 f. 15  Pitschas 1990, 10 („Gesamtheit derjenigen Verantwortlichkeiten und Verfahren, Zuständigkeiten und spezifischen Handlungsspielräume …, die das System ‚öffentliche Verwaltung‘ rechtlich und politisch verfassen …“); vgl. auch Schuppert DV 1998, 419 f. 16  Verantwortlichkeiten dienen nach diesem Verständnis nicht mehr primär dazu, im Fall des Scheiterns (eines Projekts) falsches Tun sowie Schuld zuzuschreiben und damit Recht als binäre Codierung zu verwenden, sondern dazu, die Aufgaben zu erledigen und bei einem auftretenden Fehler das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und zu fragen, was dem Verantwortlichen den noch fehlte oder noch fehlt, es letztlich doch noch zu erreichen. Diese Aufgabe der Gewährleistungs- oder -Abfederungsverantwortung kommt dem Staat zu. 17  Schuppert DV 1998, 422; s. auch die Rezeption der „Stufenlehre“ Walkenhaus 2006, 323. 18  Schuppert 2000, 408 ff.; vgl. Der Abbau der Leistungstiefe staatlichen Handelns beschreibt insbesondere den Umbau vom Leistungs- bzw. Fürsorgestaat hin zum Gewährleistungsstaat, Dahme / Wohlfahrt TuP 2001, 11. 19  Das Kooperationsprinzip hat sich nicht nur in der (Evolutions-)Biologie als das Lebensprinzip biologischer Systeme herausgestellt, dazu Bauer 2008b und

356

E. Mediation und Transaktionsanalyse

gesellschaftlicher Kräfte im Konzept des aktivierenden Staates durch ein verstärktes Zusammenwirken staatlicher, halbstaatlicher und privater Akteure und damit durch Formen von Kooperation erreicht werden soll.20 Grundlegend jedoch erscheint, dass das Prinzip prozesshafter Kooperationen21 zum expliziten Wissen wird und damit auch rechtswissenschaftlich als Leitprinzip von Großorganisationen wie dem (aktivierenden) Staates erkannt und anerkannt wird. Es geht nicht bloß um eine einmalige Aktivierung Nichtaktiver oder um eine Zusammenarbeit von verschiedenen Teilen (wie Staat und Gesellschaft), sondern um das Verständnis, dass Kooperationsprozesse stetig fortlaufen und nicht aufhören können. Deshalb spricht man zu Recht auch von einem kooperierenden Verfahrensstaat22, statt „bloß“ von einem „kooperativen Staat“. Die Vorstellung, dass der Staatswandel zu bewirken wäre und dies einen Abschluss findet, erweist sich auf der Grundlage eines prozessorientierten Verständnisses als Irrtum. Ein gewandeltes Verständnis von Staat und Gesellschaft, das zu neuen Vorstellungen von Verantwortlichkeiten führt, wandelt auch die Vorstellung von gesetzlicher Steuerung und Regulierung in der und durch die Organisation. Grundlegend ist auch hier, dass Steuerung und Regulierung informations-23 und kommunikationsbezogen gedacht werden. Der Gesetzgeber, der traditionell über Haushaltsmittel und konditionale Rechtsprogramme die Verwaltung zu steuern verstand und damit ein handlungsorientiertes Steuerungskonzept24 verfolgte, orientiert sich im Konzept des aktivierenden Staates stärker am Kommunikationsbegriff. Keineswegs verschenkt das Konzept des aktivierenden Staates die Führungskraft und -verantwortung sowie die Steuerungskraft des Gesetzgebers und seiner Gesetze. Eine Akti2008c, sondern gewinnt auch in den sozialen (Funktions-)Systemen zunehmend an Bedeutung. Daran ändert auch nichts, dass ihm im Rechtssystem bisher die Anerkennung als grundlegendes Prinzip versagt wurde. 20  Voßkuhle 2006, 63 m.  w.  N.; Bogumil / Jann 2009, 54; Heinze / Hilbert / Spalink / Stöbe-Blossey 2005, 18 f.; Trute 1999, 20 ff.; Franzius Der Staat 2003, 497. 21  Dazu Schuppert DV 1998, 436, 440 ff.; ders. 2000, 428 ff. 22  Pitschas 1990, 401 ff., 516; ders. 1997, 41 ff.; Schmitz NVwZ 2000; zum Prozesscharakter der Organisationsentwicklung auf Kommunalebene Kraus 1996, insbes. 176. 23  Informationsbezogener Steuerungsansatz bedeutet nicht, dass Information als (weiches) Instrument staatlicher Steuerung (dazu Dose 2006a) zu verstehen ist, sondern bezieht sich auf das systemtheoretische Verständnis, wie es Vesting 2008, Rn. 3 ff. für die Neue Verwaltungsrechtswissenschaft darlegt. 24  Franzius DV 2006, 341 („In ihrem reduktionistischen Grundansatz übt die Vorstellung, dass das Gesetz steuert, die Verwaltung den gesetzlichen Willen umsetzt und die Gerichte diesen Prozess kontrollieren, eine besondere Faszination aus. Dennoch kann diese Perspektive […] nicht mehr überzeugen.“), dazu auch SchmidtAßmann 2002, 547 ff.



I. Der aktivierende Staat357

vierung ohne Gesetze und den Gesetzgeber erscheint auch nach der Aktivierungskonzeption unmöglich.25 Dass der systemtheoretisch fundierte Kommunikationsbegriff unterdessen ins Zentrum des gesetzgeberischen Fokus rücken wird und damit eine gewisse „Prozeduralisierung des Rechts“ eintritt, zeigt sich insbesondere am Konzept der „regulierten Selbstregu­ lierung“26, obschon es sich dabei keineswegs um ein systemtheoretischer Betrachtung vorbehaltenes Konzept handelt27. Die Implementation staat­ licher Gesetze, die nur noch einen einzuhaltenden Rahmen abstecken, erfolgt bei der gesellschaftlichen Selbstregulierung eben nicht mehr durch staatliche Stellen, sondern durch gesellschaftliche Akteure. Lediglich ihr rahmenorientiertes Handeln wird staatliche kontrolliert und überwacht.28 Pitschas definiert übergreifend und nicht nur für eine regulierte Selbstregulierung das gesetzgeberische Ziel, wirkungsorientiert zu handeln und deshalb „intentionale“ Gesetze29 zu formulieren. Diese sollen die bisherigen und vollzugsdefizitären Konditionalprogramme ergänzen. Intentionale bzw. finale Gesetzgebung bedeutet, dass (mehr oder weniger ausschließlich) der gesetzgeberische Wille benannt wird, seine Wünsche und Ziele formuliert, die sodann durch die Kooperationseinheiten eigenverantwortlich umgesetzt werden.30 Das gesetzgeberische Steuerungskorsett gilt es dabei den netzwerkartigen, kooperativen Strukturen der Verantwortungsgesellschaft anzupassen und allen „Vollzugseinheiten“ damit die Luft zum Atmen und Handeln zu belassen, die für eine Aktivierung erforderlich ist. Insoweit wird der Vorstellung eine Absage erteilt, dass der Gesetzgeber den komplexen, netzwerkartigen Beziehungsstrukturen der Verantwortungsgesellschaft mit Konditionalprogrammen gerecht werden kann. 25  Vgl.

Franzius DV 2006, 339. zur „regulierten Selbstregulierung“ Schröder 2007, 200 ff.; ausfrl. Thoma 2008. 27  Vgl. Franzius DV 2006, 339. 28  Beispielhaft sei hier die Tendenz genannt, dass der Staat nicht mehr selbst die Rechtseinhaltung kontrolliert, sondern dazu übergeht, die Rechtseinhaltungskontrolle Privaten zu überlassen und lediglich diese privaten Kontrolleure zu überwachen (private Fremdkontrolle im Dreiecksverhältnis). Daneben finden sich auch in der privaten Eigenkontrolle (bipolares Verhältnis) entsprechende Neuerungen, vgl. etwa § 8 V EnWG oder der verantwortliche Aktuar im Versicherungsrecht oder die Compliance-Stellen im Wirtschaftsbereich (§ 33 I Nr. 3 WpHG), vgl. Eifert DV 2006. 29  Pitschas 2002, 259. 30  Zur Finalsteuerung Görlitz / Sigrist 2006, 291. Im Prinzip wirken hier die gleichen Kräfte wie in der Mediation, wenn Ansprüche und Rechtspositionen umgewandelt werden in Interessen und Bedürfnisse, Wünsche und Ziele – angesichts der Tatsache, dass die anderen Beteiligten ausschließlich dafür gewonnen werden können, um diese zu bewegen und die Ziel zu erreichen. Programmatisch geht es darum, mit Gesetzen zu führen, statt mit ihnen zu (er-)ziehen. 26  Instruktiv

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Akzeptabel – angesichts Art. 20 Abs. 3 GG und den Erfahrungen mit dem reduktionistischen Ansatz, dass Gesetze linear-kausal steuern –, wenn der Begriff der Gesetzesbindung wieder stärker in seinem ursprünglichen Sinne verstanden wird. Die Verwaltung handelt nicht so, wie der Gesetzgeber es im Gesetz formuliert, weil der Gesetzgeber es so formulierte, sondern weil die Verwaltung sich dazu selbst entschloss. Gesetzesbindung i.  S.  d. Art. 20 Abs. 3 GG wird nicht als Fremdbindung konzeptualisiert, sondern als Eigenbindung. Die Verwaltung bindet sich in einem eigenen (strukturdeterminierten) Entscheidungsprozess. Zutreffend verweist Vesting in diesem Zusammenhang auf die römisch-rechtliche Herkunft des Begriffs der „Bindung“ von obligatio31, und die systemtheoretische Konsequenz, dass die „Herstellung eines Gesetzes (Veränderung der bisherigen Rechtslage) und die Bindung an das Gesetz (Anpassung der Verwaltung an die neue Rechtslage […] nicht gleichzeitig geschehen“ können.32 Es muss an dieser Stelle noch offen bleiben, ob sich die wissenschaftlichen Diskussionen33 mit all ihren Schattierungen in einen systemtheoretischen Steuerungsansatz münden werden, wie er aktuell von der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft vorgeschlagen wird.34 Doch kann bereits jetzt festgestellt werden, dass eine ausschließliche Konditionalsteuerung der Verwaltung unmöglich geworden ist und um eine finale bzw. intentionale Gesetzgebung ergänzt werden muss. Dabei wird es nicht ausbleiben, dass die Dogmatik der gesetzlichen Bindung der Verwaltung den gewandelten Steuerungsinstrumentarien angepasst wird, ohne damit den Anspruch auf gesetzliche Bindung aufzugeben.35 Das gewandelte Verständnis von der Gesetzesbindung wird dabei vor allem die wirkungsorientierte Funktion betonen müssen und damit primär im Blick behalten, dass die Verwaltung bei ihrer Aufgabenerledigung gesetzlich unterstützt wird.36 Wie kann die Entwicklung des aktivierenden Staates verlaufen? Wie können Leistungspotentiale der Beteiligten aktiviert werden? Gesteht der Staat seine eigene Begrenztheit (nicht Unmöglichkeit!) in Sachen Regelung und Steuerung der Gesamtorganisation ein, ist es plötzlich und paradoxerweise möglich, dass er sich (dadurch) öffnen und weiten kann. Das Eingeständnis, dass Steuerung offensichtlich anders als durch lineare Kausalverursachung funktioniert und sich von dieser Vorstellung gelöst wird, ermöglicht die 31  Lat.

ligare, binden. 2008, Rn. 34. 33  s. zur Steuerungs- und Regulierungsdebatte statt vieler Reimer 2006 m. w. N.; Eifert 2006; Franzius DV 2006. 34  s. dazu Voßkuhle 2006; Vesting 2008, Rn. 3 ff. 35  Reimers 2006, Rn. 78 ff.; ausfrl. Hoffmann-Riem AöR 2005, 30 ff.; Vesting 2008, Rn. 3; kritisch dazu Görlitz / Sigrist 2006, 291 f. 36  Franzius DV 2006, 338; s. auch Vesting 2008, Rn. 3. 32  Vesting



I. Der aktivierende Staat359

weitende Einsicht in die Kraft der Kooperation.37 Zwar erscheint nach wie vor allein der Staat in der Lage zu sein, das öffentliche Interesse wirksam zu schützen, aber eben keineswegs mehr in althergebrachter Manier. Auf der Grundlage des oben skizzierten Verständnisses wandelt sich auch seine anerkannte Alleinverantwortlichkeit zu einer Letztverantwortlichkeit und seine Leistungspflichten zu Beistandspflichten. Er wird nicht durch den skizzierten Wandel verantwortungslos, sondern nimmt Verantwortung – buchstäblich – anders wahr. Mit anderen Worten gewährleistet der aktivierende Staat, dass die öffentlichen Interessen beachtet und aus ihnen erwachsene Auf­ gaben erledigt werden38 sowie, dass er die dafür erforderliche „Hilfe zur Selbsthilfe“ (den hilfsbedürftigen Verantwortlichen) leistet. Deshalb konzentriert sich das staatliche Engagement im aktivierenden Staat auf die Schaffung von Strukturen, die das gesellschaftliche Potential zur Problembewältigung heraus- und zutage fördern.39 Er möchte ermuntern und befähigen, indem er seine „Pflicht zum hilfreichen Beistand“40 erkennt, anerkennt und danach handelt, um so steuernd im Mittelpunkt gesellschaftlicher Wirkkräfte zu stehen, statt von oben bzw. außen kontrollierend einzuwirken – in der Vorstellung, er könne das in linear-kausaler Weise.41 Deshalb stellt sich für den aktivierenden Staat nicht die Frage, wer – Staat, Markt oder Zivilgesellschaft – für gesellschaftliche Probleme verantwortlich ist und sie zu bewältigen hat, sondern was er angesichts seiner Begrenztheit in Bewirkungsmöglichkeiten – zur Bewältigung beitragen kann.42 Das Konzept vom aktivierenden Staat geht davon aus, dass jede hoheitliche Verantwortungswahrnehmung letztlich Ausdruck seiner (politischen) Führungsverantwortung ist.43 Die Führungsverantwortung der Verwaltung 37  Die (rechtsstaatlich gestützte) Furcht vor dem Leviathan ist angesichts einer allseits anerkannten linear-kausalen Bewirkungsmöglichkeit verständlich, doch wandelt sich auch diese Furcht und ihre „Berechtigung“, wenn der Staat nicht mehr auf diese Weise regelt und allseits ein gewandeltes Verständnis von staatlicher Steuerung existiert. 38  Schuppert 2000, 917  ff., insbes. 933 ff. („Gewährleistungsverantwortung“); einführend Franzius DV 2006, 351 ff. 39  Anders als im absolutistischen Preußen, in dem der König der erste Diener des Staates war, ist es der aktivierende Staat, der sich in den Dienst der Gesellschaft stellt und das sozusagen an erster Stelle. 40  Heinze / Hilbert / Spalink / Stöbe-Blossey 2005, 18 m. w. N. 41  Vgl. Wohlfahrt NDV 2001, 82. 42  Es dürfte kein Zufall sein, dass der Staat zunehmend als Moderator, Schlichter oder Vermittler zwischen den einzelnen Markt- und Gesellschaftsinteressen erscheint und zeitgleich auch im öffentlichen Recht die Methoden der außer- und vorgerichtlichen Streitbeilegung, insbes. der Vermittlung, wissenschaftliche Hochkonjunktur aufweisen, umfassend dargestellt bei Kaltenborn 2007. 43  Ellwein / Hesse 1994, 209; Blanke / Plaß 2005, 36; dazu auch Franzius Der Staat 2003, 505 („Oberverantwortung“); Rossen 1999, 180 ff., 197 ff.; wohl ähnlich

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

gegenüber den gesellschaftlichen Akteuren findet ihr Korrelat in der Führungsverantwortung des parlamentarischen Gesetzgebers gegenüber der Verwaltung. Staatliche Führungsverantwortung ist damit nach wie vor funktionale Voraussetzung für die angestrebten Aktivierungs-, Kooperations- und gesellschaftlichen Selbststeuerungsprozesse im aktivierenden Staat.44 In diesem Zusammenhang wird es eine Aufgabe des aktivierenden Staats sein, seine eigene Struktur, seine Aufbau- und Ablauforganisation sowie das gesamte Verwaltungs-, insbesondere aber das Führungspersonal adäquat auf das neuartige Selbstverständnis hin vorzubereiten. In Bereichen, die dem Schub technischer Neuerungen und daher hoher Komplexität unterliegen (wie Telekommunikations-, Rundfunk-, Internet-, aber auch Energie- und Umwelt“verwaltung“), können Ausblicke in kommende Organisationen, Strukturen und netzwerkartigen Gebilden aus öffentlicher und privater Verwaltung genommen werden.45 Das bedeutet nichts anderes als eine umfassende Selbstaktivierung46, woran deutlich wird, was sich bereits auf vielfältige Weise zu verwirklichen beginnt: ein Formenwandel staatlicher Einflussnahmen und Wirkungsweisen.47 Die veränderten Handlungs- und Organisations- und damit letztlich Kommunikationsformen des Staates, die sich aus der Einsicht in die gewandelten Prinzipien von Kooperation und Verantwortungsteilung ergeben, speisen sich zudem aus einem weiteren Handlungsprinzip. Die erstrebte Aktivierung gesellschaftlicher Akteure gelingt allenfalls durch ein miteinander verknüpftes staatliches Fordern und Fördern.48 Fordern bedeutet dabei erst in zweiter Linie ein – bei Nichterfüllung mit Sanktionen belegtes – BeanspruTrute DVBl 1996, 955 f. („Legitimationsverantwortung des Staates“); Wohlfahrt NDV 2001, 82 („Steuerungsverantwortung“). 44  Blanke / Plaß 2005, 36. 45  s. dazu Vesting 2008, Rn. 41 ff.; ders. 2000, 120 ff. 46  Bull 2005, 90 spricht von einer „Schwäche des öffentlichen Dienstes“ (bezogen auf Nordrhein-Westfalen), die darin besteht, „dass die Führungskompetenz der Vorgesetzten allgemein zu schwach ausgebildet ist“. 47  Banner 1997, 19 ff., 26 („dezentrale Kontextsteuerung“); Baer 2006, 223 ff. („Metaregulierung“); übergreifend Jochum 2004, 164 ff.; Wohlfahrt NDV 2001, 83. Mit Franzius Der Staat 2003, 499 lässt sich durchaus vermuten, dass „der“ aktivierende und gewährleistende Staat die systemtheoretische Vorstellung von autopoietischen und selbstreferentiellen Funktionssystemen akzeptiert hat, so dass er lediglich sein gesellschaftliches Umfeld organisiert zu „stören“ beginnt, als dass er dem Glauben weiter anhängt, es direkt linear-kausal steuern zu können. Die gesamte Debatte um die Rechtmäßigkeit kooperativer Handlungsformen der Verwaltung lässt sich als Versuch lesen, das Anerkenntnis eines anderen Steuerungsparadigmas zu erringen, vgl. Dederer 2004; Schlette 2000; Kämmerer 2001; Schulze-Fielitz DVBl 1994; Bulling DÖV 1989. 48  Wohlfahrt NDV 2001, 83; Hoffmann NDV 2002, 87 f.; Steinbrück 2005, 45 („Empowerment“).



I. Der aktivierende Staat361

chen, sondern zuvorderst, die individuellen und gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten unmissverständlich zu benennen und Einvernehmen darüber herzustellen. Zuweilen mag dies zunächst lediglich als unverantwortlicher Rückzug eingeschätzt und sodann als Verlust begriffen werden, jedoch stellt die staatliche Verweigerung von etatistischer Fürsorglichkeit den Startschuss für Veränderungsprozesse dar. Es ist das schwierige Geschäft des Grenzenziehens, das sich zunächst aus einem verständlichen „Ich kann nicht (mehr)!“ gebiert, jedoch in einem umfassenden „Du musst (jetzt)!“ äußert. Beides entspringt einem paternalistischen Verständnis der gemeinsamen Beziehungsstruktur, weshalb sich letztlich gar nichts ändert. Zwang und Repression werden sich ebenso einschleichen, sobald der andere nicht will und schon gar nicht so, wie der zwar „erschöpfte“ und „überforderte“, aber noch machtvolle Vater Staat möchte.49 Der aktivierende Staat aktiviert sich im ersten Schritt nicht im Gesetz, sondern im Grundverständnis aller und zuvorderst der staatlichen Beteiligten. Entsprechendes gilt für das Element des Förderns. Zum Aktivierungsprozess gehört neben dem Fordern das Fördern.50 Das staatliche Fördern derjenigen, von denen gefordert wird, ist konsequent angesichts der gemeinsamen (paternalistischen) Beziehungsstruktur. Die Förderung ist der eigene Beitrag zum Erreichen der Forderung.51 Die staatliche Förderung unterstützt und begleitet die gesellschaftlichen Kräfte, während diese den neuen Anforderungen bzw. Herausforderungen selbstständig und eigenverantwortlich begegnen und sich auf diese einstellen. Diese Förderung erfolgt so viel wie nötig (zur Aufgabeerledigung), aber so wenig wie möglich, so dass sie einen beiderseitigen und stets zu aktualisierenden Entwicklungsprozess einleitet, der im besten Sinne kooperativ von statten geht.52 Staatliches Fordern und Fördern ist miteinander 49  Eindringlich

Wohlfahrt NDV 2001, 85. Aspekt des Forderns setzt damit auch auf Eigennutz (als Chance), da in ihm ein enormes Potential gesellschaftlichen Nutzens steckt, Heinze / Hilbert / Spalink / Stöbe-Blossey 2005, 20. 51  Bloßes Fordern käme konzeptionell dem „schlanken Staat“ nah, der sich aus seinen Verantwortungs- und Tätigkeitsbereichen zurückzieht, was der Aufforderung gleichkommt, dass die zurückgelassenen privaten Akteure nunmehr die entsprechenden Aufgaben wieder selbst übernehmen und erfüllen müssen. 52  Soweit der aktivierende Staat bzw. die ihn umsetzenden Personen jedoch das Fordern, aber auch das Fördern ausschließlich auf den Bürger beziehen, besteht die Gefahr, dass die erstrebte „Aktivierung schnell zur Drangsalierung und Marginalisierung mutieren kann“, so zutreffend Trube NDV 2003, 339, ähnlich Wohlfahrt NDV 2001, 84 f. Gerade bei den personenbezogenen Dienstleistungen (wie Beratungen, Eingliederungsvereinbarungen etc.) im koproduzierenden Verfahrensstaat kommt es darauf an, dass die konkreten Personen (innerlich) aus einer partnerschaftlichen Grundeinstellung heraus handeln (transaktionsanalytisch: „Ich bin o.k.  /  Du bist o.k.“). Wird dieser Aspekt in der Fortbildung nicht beachtet, bleibt es bei der Anwendung von mehr oder weniger tauglichen „Alltagspädagogiken“. Siehe dazu 50  Der

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

– untrennbar und wechselbezüglich – verknüpft. Das bedeutet, dass das eine nicht ohne das andere realisierbar ist. Weder verspricht ein ausschließliches Fordern Erfolg, noch würde ein forderungsfreies Fördern – mangels Herausforderung – Veränderungen zeitigen. Aus staatlicher Sicht lässt sich feststellen, dass das Fordern von Anderen die eigenen Förderungsaktivität aktiviert und die Förderungsansprüche der Anderen das eigene Fordern ermöglicht. Fordern und Fördern sind nicht bloß gegenseitige Zugeständnisse oder polare Spiegelbilder, sondern sich wechselseitig bedingende, zirkulär wirkende Erscheinungen eines Wandlungsprozesses.53 Ob sich mit all dem der zunächst macht- und kompetenzhungrigen Leviathan, sodann allzuständige Wohlfahrtsstaat und (genötigte?) Leistungs- und Fürsorgestaat zu einer staatlichen „Entwicklungsagentur“54 wandelt, die selbst und in führender Rolle den gesellschaftlichen Wandel moderiert und begleitet, mag bei aller aktuellen Schemenhaftigkeit lediglich zu hoffen bleiben. Dies wäre tatsächlich ein Meilenstein des Kooperationsgedankens: Im Wege prozeduraler Kooperationsverhältnisse infolge eines „Formenwan­del[s] staatlicher Steuerung“55 eine gemeinwohlorientierte Aufgabenwahrnehmung durch alle beteiligten Akteure. Der aktivierende Staat als „Verfahrensstaat“56, der von kooperativer Koproduktion gekennzeichnet ist!57 Wie sich tatsächlich das Konzept vom aktivierenden Staat im aktuellen gesetzlichen Recht auswirkt, soll im Folgenden am Referenzgebiet des Rechts der Arbeitsförderung (Sozialgesetzbuch III) dargestellt werden, ehe konkret auf veränderte Handlungsformen der Verwaltung eingegangen wird (Kap. E. I. 3.). Inwieweit diese gewandelten Handlungsformen durch Me­ diation und Transaktionsanalyse weiterhin (heraus-)gefordert und gefördert werden können, wird sodann den Hauptteil dieses Kapitels beanspruchen (Kap. E. II. sowie Kap. E. III.).

für den Bereich der Arbeitsvermittler in den Arbeitsagenturen Koch / Krug / Stops ­Sozialer Fortschritt 2009, 245  f.; ausfrl. Behrend / Ludwig-Mayerhofer / Sondermann / Hirseland IAB-Kurzbericht 21 / 06; Schiel / Schröder / Gilberg / Kruppe IABKurzbericht 21 / 08. 53  Sozialstaatlich ergibt sich daraus der Übergang vom Integrationsprinzip der Teilhabe (durch Aus- und Verteilen) zum Integrationsprinzip der Teilnahme (durch eigenverantwortliche Übernahme), vgl. Wohlfahrt NDV 2001, 83. 54  Bandemer / Hilbert 2005, 27; Heinze / Hilbert / Spalink / Stöbe-Blossey 2005, 19 („Gewährleistungsagentur“). 55  Schuppert DV 1998, 431, 438; Mayntz 1987 (handlungsbezogener Steuerungsansatz); vgl. zur Entwicklung von Kooperationsverhältnissen im Verwaltungsverfahren Ritter AöR 1979; Jochum 2004, 163 ff. 56  Pitschas 1990, 401 ff., 516; ders. 1997, 41 ff.; Schmitz NVwZ 2000. 57  Dazu Reis NDV 2002, 284.



I. Der aktivierende Staat363

2. Das Recht der Arbeitsförderung als Referenzgebiet für die gesetzliche Aktivierung des aktivierenden Staates Bis zum Jahre 1998 galt (seit 1969) in Deutschland zur staatlichen Arbeitsförderung das Arbeitsförderungsgesetz (AFG).58 In seinen einleitenden Paragrafen formulierte es die staatliche Verantwortung für den Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt. •  Bis 1998: § 1 AFG [Allgemeine Ziele des AFG]: „Die Maßnahmen nach diesem Gesetz sind im Rahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung darauf auszurichten, dass ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert wird.“ •  § 2 AFG [Konkretisierung der allgemeinen Ziele des AFG]: „Die Maßnahmen nach diesem Gesetz haben insbesondere dazu beizutragen, dass 1. weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern, 2.  die berufliche Beweglichkeit der Erwerbstätigen gesichert und verbessert wird, 3. …“

Das gesetzgeberische Ziel des AFG war sowohl ein hoher Beschäftigungsstand als auch eine ständige Verbesserung der Beschäftigungsstruktur. Dieses Streben war nicht weniger als das Streben nach Vollbeschäftigung.59 Bedeutsam daran war das staatliche Selbstverständnis, dass die Zielerreichung – ganz im Sinne des althergebrachten wohlfahrtsstaatlichen Denkens – letztendlich in der Alleinverantwortung des Staates lag. Verantwortlichkeiten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern waren nicht formuliert worden.60 Mit dem – das AFG ablösenden – Dritten Sozialgesetzbuch von 1998 begann auf gesetzlicher Ebene ein grundlegender Wandel im arbeitsförderungsrechtlichen Denken. Deutlich wird der Wandel anhand der veränderten Verantwortlichkeiten für den Arbeitsmarktausgleich. Der Staat verabschiedete sich von der Vorstellung, dass er die Verantwortung für Vollbeschäftigung trägt, indem er die „besondere Verantwortung“ der Arbeitgeber und Arbeitnehmer betonend hervorhob. •  Fassung von 1998: § 1  SGB III [Aufgaben der Arbeitsförderung]: „(1)  Durch die Leistungen der Arbeitsförderung soll vor allem der Ausgleich am Arbeitsmarkt unterstützt werden, indem Ausbildung- und Arbeitsuchende über 58  Zum

AFG instruktiv Reinhard 2008, 52 ff. 1997, 1, Rn. 3; Schmidt-De Caluwe 2008, 47, Rn. 6. 60  Jedoch sah das AFG bereits Mitwirkungspflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor, die jedoch „im Dienst staatlicher Pflichterfüllung standen“, vgl. §§ 6 ff. AFG (Auskunfts- und Meldepflichten). 59  Niesel

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe beraten, offene Stellen zügig besetzt und die Möglichkeiten von benachteiligten Ausbildungs- und Arbeitsuchenden für eine Erwerbstätigkeit verbessert und dadurch Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie des Bezugs von Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vermieden oder verkürzt werden. (2)  Die Leistungen der Arbeitsförderung sind so einzusetzen, dass sie der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung entsprechen sowie der besonderen Verantwortung der Arbeitgeber für Beschäftigungsmöglichkeiten und der Arbeitnehmer für ihre eigenen beruflichen Möglichkeiten Rechnung tragen und die Erhaltung und Schaffung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen nicht gefährden.“ •  § 2 SGB III [Besondere Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern] (1) Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen. Sie sollen dabei insbesondere 1.  im Rahmen ihrer Mitverantwortung für die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zur Anpassung an sich ändernde Anforderungen sorgen, 2.  vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden und 3. durch frühzeitige Meldung von freien Arbeitsplätzen deren zügige Besetzung und den Abbau von Arbeitslosigkeit unterstützen. (2) Die Arbeitnehmer haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen. Sie sollen insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen. (3)  Die Arbeitnehmer haben zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit 1.  jede zumutbare Möglichkeit bei der Suche und Aufnahme einer Beschäftigung zu nutzen 2. ein Beschäftigungsverhältnis, dessen Fortsetzung ihnen zumutbar ist, nicht zu beenden, bevor sie eine neue Beschäftigung haben und 3.  jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen.“

Staatliche Leistungen sollten nicht nur im Einklang mit den beschäftigungspolitischen Zielen der Bundesregierung stehen, sondern nunmehr vor allem die „besondere Verantwortung“ der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt beachten und die „Schaffung und Erhaltung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen nicht gefährden“, vgl. § 1 Abs. 2 SGB III. Dass staatliches Arbeitsförderungsrecht nicht arbeitsund arbeitsplatzgefährdend wirken sollte, ist freilich sprachlich wenig sagend und praktisch eine Selbstverständlichkeit. Andererseits haben staatliche Leistungen die besondere Verantwortung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt zu beachten. Obschon das deutsche Rechtssystem privatautonome Arbeitgeber und Arbeitnehmer anerkennt,



I. Der aktivierende Staat365

steht ihre Privatautonomie auch im Recht nicht strukturlos, sondern ist eingebettet in einen (funktionierenden) Arbeitsmarkt. Dieser ist Grundbedingung auch der Privatautonomie von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Doch eben daran offenbart sich der grundlegende Wandel staatlicher Arbeitsförderung seit dem Erlass des Dritten Sozialgesetzbuches. Erstmals wird im deutschen Arbeitsförderungsrecht die Verantwortung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt formuliert.61 Indem staatlichen Leistungen zur Arbeitsförderung lediglich eine dienende und unterstützende Funktion für den Arbeitsmarktausgleich zukommt, sieht der Staat seine Aufgabe nicht mehr darin, „Arbeitsplätze bereitzustellen“62. Für den Ausgleich von (Arbeits- und Arbeitsplatz-)Angebot und (Arbeits- und Arbeitsplatz-)Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sind zuvorderst die Marktteilnehmer, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, verantwortlich. Das SGB III überträgt jedoch nicht nur den Marktteilnehmern die Verantwortung für den Arbeitsmarktausgleich, sondern weist dem Staat eine subsidiäre Verantwortlichkeit zu. Der aktivierende Staat hat akzeptiert, dass der Arbeitsmarktausgleich weitgehend unabhängig von staatlichen Maßnahmen und insbesondere seiner Arbeitsverwaltung erfolgt oder eben nicht erfolgt.63 Insofern beinhaltet seine Gewährleistungsverantwortung ein Kooperationsangebot an die Marktteilnehmer. Indem der Arbeitsmarkt, der Ort, an dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenkommen, um ihre (Arbeits-)Beziehungen gemeinsam zu gestalten, zum Zentrum auch staatlicher Förderungsleistungen anerkannt wird64, liegt es in der Konsequenz des aktivierenden Sozialstaates, die dortigen Verantwortlichkeiten für eine gelingende arbeitsmarktbezogene Beziehungsgestaltung neu zu ordnen. Im Zuge dessen wurden das arbeitsmarktbezogene Kooperationsprinzip neu formuliert sowie die Eigenständigkeit der (Arbeits-)Verwaltung zur Verwirklichung des aktivierenden Sozialstaats betont. Im Jahre 1998 – mit dem Übergang vom AFG zum SGB III – wandelte der Gesetzgeber die Verantwortlichkeiten dergestalt um, dass er seine Verantwortlichkeiten nahezu vollständig aus der ersten Reihe und dem Zentrum der Verantwortungskreise (Pitschas) strich. Indem er den Marktteilnehmern eine „besondere Verantwortung“ für den Ausgleich und sich selbst lediglich unterstützende Funktionen einräumte, formulierte er ein 61  Vgl. Schaub NZA 1997, 810. Freilich erfolgte in der Praxis der Wechsel von der Konzeption des alten AFG aus dem Jahre 1969 hin zum aktivierenden Sozialstaat „keineswegs so abrupt“ (Schmidt-De Caluwe 2008, 47, Rn. 9) wie es der gesetzliche Vergleich vermuten lässt. Gleichwohl stellt der Gesetzeswortlaut regelmäßig und auch in diesem Falle ein Indiz für den Wandels dar, das lediglich zeitversetzt zur Praxis kodifiziert wird. 62  BT-Drucksache 13 / 4941, S.  151. 63  Dazu Eichenhofer SGb 2000, 289; Schmidt-De Caluwe 2008, 47, Rn. 7. 64  Vgl. Eichenhofer SGb 2000, 290.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Subsidiaritätsverhältnis der Verantwortlichkeiten, das eher einer klassischen Verschlankung ähnelte als einem Willen zur (aktiven) Aktivierung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur kooperativen Gestaltung des Arbeitsmarktes. Ob der Regelung deshalb keine Dauerhaftigkeit beschieden war, kann hier nicht entschieden werden. Jedenfalls wurde der anstehende Paradigmenwechsel im Arbeitsförderungsrecht hin zum aktivierenden Staat wenig später, namentlich im Jahre 2001 mit dem Job-AQTIV-Gesetz65 weiter geführt. Bereits mit der gesetzlichen Überschrift von § 2 SGB III wurde klargestellt, wie und durch wen der Arbeitsmarkt aktiv gestaltet wird, wodurch einerseits der staatlichen Arbeitsverwaltung der beschäftigungspolitische Gestaltungsauftrag wieder zurückgegeben und andererseits das Kooperationsprinzip im Gesetz vervollständigt wurde. •  Fassung von 2001: § 1  SGB III [Ziele der Arbeitsförderung] „(1) Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Sie sind insbesondere darauf auszurichten, das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Dabei ist die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Prinzip zu verfolgen. Die Leistungen sind so einzusetzen, dass sie der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung entsprechen. (2)  Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen insbesondere 1.  den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen, 2.  die zügige Besetzung offener Stellen ermöglichen, 3.  die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Kenntnissen, Fertigkeiten sowie Fähigkeiten fördern, 4.  unterwertiger Beschäftigung entgegenwirken und 5. zu einer Weiterentwicklung der regionalen Beschäftigungs- und Infrastruktur beitragen.“ •  § 2  SGB  III [Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit den Arbeitsämtern] „(1) Die Arbeitsämter erbringen insbesondere Dienstleistungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, indem sie 1. Arbeitgeber regelmäßig über Ausbildungs- und Arbeitsmarktentwicklungen, Ausbildungsuchende, Fachkräfteangebot und berufliche Bildungsmaßnahmen informieren sowie auf den Betrieb zugeschnittene Arbeitsmarktberatung und Vermittlung anbieten und 2. Arbeitnehmer zur Vorbereitung der Berufswahl und zur Erschließung ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten beraten, Vermittlungsangebote zur Ausbil65  Novellierungsgesetz vom 10.12.2001, abgedruckt in BGBl. 2001, Teil I, S. 3443 ff.; ausführlich Luthe SGb 2002.



I. Der aktivierende Staat367 dungs- oder Arbeitsaufnahme entsprechend ihren Fähigkeiten unterbreiten sowie sonstige Leistungen der Arbeitsförderung erbringen. (2) Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen. Sie sollen dabei insbesondere 1.  im Rahmen ihrer Mitverantwortung für die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zur Anpassung an sich ändernde Anforderungen sorgen, 2.  vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden, (3)  Die Arbeitgeber sollen die Arbeitsämter frühzeitig über betriebliche Veränderungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigung haben können, unterrichten. Dazu gehören insbesondere Mitteilungen über 1.  zu besetzende Ausbildungs- und Arbeitsplätze, 2. geplante Betriebserweiterungen und den damit verbundenen Arbeitskräftebedarf, 3.  die Qualifikationsanforderungen an die einzustellenden Arbeitnehmer, 4.  geplante Betriebseinschränkungen oder Betriebsverlagerungen sowie die damit verbundenen Auswirkungen und 5.  Planungen, wie Entlassungen von Arbeitnehmern vermieden oder Übergänge in andere Beschäftigungsverhältnisse organisiert werden können. (4) Die Arbeitnehmer haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen. Sie sollen insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen. (5)  Die Arbeitnehmer haben zur Vermeidung oder zur Beendigung von Arbeitslosigkeit insbesondere 1.  ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen, 2.  eigenverantwortlich nach Beschäftigung zu suchen, 3.  eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen und 4.  an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.“

Die „besondere Verantwortung“ der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die im Jahre 1998 noch als vorrangig gegenüber staatlicher Verantwortung betrachtet wurde, ist im Jahre 2001 aufgegeben worden.66 Das Gesetz spricht jetzt von einem „Zusammenwirken der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit den Arbeitsämtern“, vgl. § 2 SGB III (Normtitel). Mit dem Gebot zum Zusammenwirken wird das Leitbild des aktivierenden Staates verdeutlicht, nach dessen Vorstellung der Arbeitsmarktausgleich kooperativ bewirkt wird, indem die Marktteilnehmer durch den vermittelnden, moderierenden und 66  Dazu

auch Luthe SGb 2002, 78.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

beratenden Staat unterstützt werden (Verantwortungskooperation).67 Der Arbeitsmarkt wird staatlicherseits nicht mehr ausschließlich als Kampfplatz der Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrachtet, der mit Recht und Vollzug beruhigt und befriedet werden müsse.68 Entsprechende Normen, die den Rückfall in gewaltsame Arbeitskämpfe verhindern und andererseits begrenzte (Arbeits-)Kämpfe zulassen, bleiben dabei existent.69 Ungeachtet dessen erkennt der aktivierende Staat den Arbeitsmarkt auch als Ort der Begegnung von Verbundenen an. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind untrennbar miteinander verbunden und beide ohne den anderen undenkbar. Dass die Art und Weise der Beziehungsgestaltung in der Verantwortlichkeit dieser miteinander Verbundenen liegt, ist nicht nur zwingend, sondern mit dem Job-AQTIVGesetz auch staatlicherseits – im Bereich der Marktförderung – anerkannt. Aus der Verbundenheit und gegenseitigen Einflussnahme kann, so das Streben des aktivierenden Staates, (bewusste) Kooperation erwachsen. Dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichwohl und zum überwiegenden Teil diesbezüglich Ungeübte sind, fordert den Staat seinerseits zur unterstützenden Mitgestaltung heraus. Hier setzt sein Aktivierungskonzept an und wird zum Aktivierungsauftrag. Zu betonen bleibt in diesem Zusammenhang, dass die §§ 1, 2 SGB III gerade nicht die Tarifvertragsparteien anspricht, die freilich durch ihr Wirken auf dem Arbeitsmarkt, namentlich durch ihre lohn- und arbeitsbedingungsbezogene Normsetzung, erheblichen Einfluss ausüben.70 Tarifrecht­ liche Regelungen und tarifvertragliche Ordnungen stehen historisch im Zeichen einer „klassischen“ Wahrnehmung vom Arbeitsmarkt als zu regulierendem Kampfplatz von Konkurrenten, die sich zu großen (Kriegs-)Ver67  Deshalb ist es zu kurz gedacht, wenn man das veränderte Grundverständnis lediglich in der „aktiven staatlichen Beteiligung an den Zielen ‚hoher Beschäftigungsstand‘ sowie Verbesserung der ‚Beschäftigungsstruktur‘“ erkennt, so aber Luthe SGb 2002, 78. 68  Angesichts der historischen Entwicklung seit der Industrialisierung war diese Sichtweise indes verständlich. Staatliche Normierung stand seither im Zeichen der Gewaltverhinderung (Stufe drei der Konfliktbehandlungsmöglichkeiten): Der (soziale) Friede auf dem Arbeitsmarkt wurde zunächst durch Sanktionen und Interventionen des Staates erreicht, die die Gewalt monopolisierten, und so dann durch Förderung des sozialen Wohlstandes. Aus dieser Sicht wird verständlich, weshalb bei der Gefährdung des sozialen Wohlstandes die Angst vor Gewalt und Krieg wieder erwacht, gleichwohl eine zwingende Logik nicht erkennbar ist. Der eigene Wohlstand deckte die eigene Wahrnehmung, dass die anderen Marktteilnehmer „Gegner“ bzw. „Ausbeuter“ (Konkurrenzdenken) seien und der Markt selbst ein Ort des Mangels, zu. 69  Das liegt ganz auf der Linie delegierender und rechtlicher Konfliktbehandlung wie sie im zweiten und dritten Kap. beschrieben wurde, vgl. B. II. 3. sowie C. IV. 1. d) bb) (2). 70  Eichenhofer SGb 2000, 291; Gagel 1999, 170.



I. Der aktivierende Staat369

bänden organisierten. Sie werden deshalb weder ausdrücklich noch zufällig oder systemwidrig nicht mit den neuartigen Verantwortlichkeiten vom aktivierenden Sozialstaat angesprochen.71 Adressaten der aktivierenden Normen sind vielmehr der einzelne Arbeitgeber und der einzelne Arbeitnehmer, denen auf diese Weise ihre Selbst- und – diese bloß gespiegelt – ihre Sozialverantwortung verdeutlicht wird. Indem diese Einzelnen für sich und ihr Wirken am Arbeitsmarkt Verantwortung übernehmen, üben sie zugleich ihre Sozialverantwortung aus.72 Beim aktivierenden Staat handelt es sich gleichwohl nicht um ein individualistisches Konzept. Der Bezug auf die einzelnen Individuen bedeutet nicht, dass sie zu Einzelkämpfern erklärt werden. Der aktivierende Staat geht konzeptionell nicht davon aus, dass Konkurrenz das Geschäft belebt, sondern Kooperation. Dem aktivierenden Staat obliegt es, die Kooperationsbereitschaft zu aktivieren und das Feld für die Konsequenzen daraus zu schaffen und sich auf diese vorzubereiten. Der Gesetzgeber hat deshalb den Arbeitsmarktteilnehmern im Jahre 2001 nicht nur ihre Gestaltungsmitverantwortung verdeutlicht, sondern zudem ihre daraus folgende Verantwortlichkeit anerkannt.73 Hier wird verständlich, weshalb es sich beim Konzept des aktivierenden Staates tatsächlich um einen Paradigmenwechsel handelt. Der Staat erkennt im Arbeitsmarkt einen Ort der Kooperation aller dort Versammelten, einschließlich sich selbst und begreift sich nicht mehr ausschließlich als „Ring- und Schiedsrichter“ im Kampf der Arbeits- oder, weil in der Größenordnung besser handhabbar der Tarifparteien. Vielmehr anerkennt er sich als dritten Akteur auf dem Arbeitsmarkt neben Arbeitgebern und Arbeitnehmern, der durch seine Normvorgaben, Beratungs- und Vermittlungstätigkeiten sowie durch Benachteiligtenförderungen für einen Ausgleich am Arbeitsmarkt in nahezu gleich wirkungsvoller Weise mitverantwortlich ist. Deshalb und doch von einem anderen Startpunkt aus möchte der aktivierende Staat durch seine Arbeitsförderungspolitik wieder einen hohen Beschäftigungsstand erreichen und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessern. Gleichwohl der Staat die „überkommenen Zielen deutscher Arbeitsförde­ 71  Der Sozialstaat alter Prägung erinnert freilich die Tarifparteien oft an ihre öffentliche Verantwortung für soziale Gerechtigkeit und appelliert sowohl politisch als auch rechtlich entsprechend an die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. 72  Dazu auch Schmidt-De Caluwe 2008, 66, Rn. 5; Das Aktivierungskonzept ist tatsächlich auf die individuellen Akteure bezogen, was zumindest kritisch betrachtet werden kann, wenn die Probleme auf der Strukturebene verortet werden, so Trube NDV 2003, 336. Jedoch greift die Kritik daneben, wenn die Problemverortung dazu benutzt wird, die Ergebnisse gegeneinander auszuspielen. Vielmehr ist zu bedenken, dass die staatliche Aktivierung gesellschaftlicher Akteure mit der Aktivierung staatlicher Akteure beginnt und sich ohnehin die gesamte Beziehungsstruktur verändert. 73  Ähnlich Schmidt-De Caluwe 2008, 67, Rn. 10.

370

E. Mediation und Transaktionsanalyse

rungs­politik“74 wieder aufgegriffen hat, sind seine Bemühungen um sie anderer Natur. Er übernimmt als dritter „Teilnehmer“ auf dem Arbeitsmarkt die moderierende und vermittelnde Stellung ein, die aktivierend wirken soll.75 Es ist dieser gewandelte Ausgangspunkt, der zu anderen Instrumentarien und Bewirkungsketten führen kann, wenn und soweit die Verwaltungsangehörigen dieses gewandelte Verständnis integrieren und durch eigenverantwortliches Verwaltungshandeln in der kooperierenden Verwaltungspartnerschaft tatsächlich mit Leben erfüllen. Seit dem Erlass des Job-AQTIV-Gesetzes im Jahre 2001 sammelte der Staat reichlich Erfahrungen mit seiner aktivierenden Rolle. Es kam zu mehreren Gesetzesnovellen. Mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, das am 1.1.2009 in Kraft getreten ist, sind auch Grundsatznormen neu ausgerichtet worden. •  Aktuelle Fassung: § 1  SGB III [Ziele der Arbeitsförderung] (1)  Die Arbeitsförderung soll dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. Dabei ist insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist als durchgängiges Prinzip der Arbeitsförderung zu verfolgen. Die Arbeitsförderung soll dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Sie ist so auszurichten, dass sie der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung entspricht. (2)  Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen insbesondere 1.  die Transparenz auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erhöhen, die berufliche und regionale Mobilität unterstützen und die zügige Besetzung offener Stellen ermöglichen, 2. die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten fördern, 3.  unterwertiger Beschäftigung entgegenwirken und 4.  die berufliche Situation von Frauen verbessern, indem sie auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung eines geschlechtsspezifisch geprägten Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinwirken und Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gefördert werden. (3) Die Bundesregierung soll mit der Bundesagentur zur Durchführung der Arbeitsförderung Rahmenziele vereinbaren. Diese dienen der Umsetzung der Grund74  Luthe

SGb 2002, 77. arbeitsmarktökonomisches Konzept, mit dem er „Matching-Prozesse“ beeinflussen möchte, beschränkt sich zuvorderst auf die Bereitstellung von Informationen über potentielle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um eine höhere Transparenz auf dem Arbeitsmarkt für dessen Teilnehmer zu erreichen, so Luthe SGb 2002, 77 f. 75  Sein



I. Der aktivierende Staat371 sätze dieses Buches. Die Rahmenziele werden spätestens zu Beginn einer Legislaturperiode überprüft. •  § 2  SGB III [Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit den Agenturen für Arbeit] „(1)  Die Agenturen für Arbeit erbringen insbesondere Dienstleistungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, indem sie 1. Arbeitgeber regelmäßig über Ausbildungs- und Arbeitsmarktentwicklungen, Ausbildungsuchende, Fachkräfteangebot und berufliche Bildungsmaßnahmen informieren sowie auf den Betrieb zugeschnittene Arbeitsmarktberatung und Vermittlung anbieten und 2. Arbeitnehmer zur Vorbereitung der Berufswahl und zur Erschließung ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten beraten, Vermittlungsangebote zur Ausbildungs- oder Arbeitsaufnahme entsprechend ihren Fähigkeiten unterbreiten sowie sonstige Leistungen der Arbeitsförderung erbringen. (2) Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen. Sie sollen dabei insbesondere 1.  im Rahmen ihrer Mitverantwortung für die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zur Anpassung an sich ändernde Anforderungen sorgen, 2.  vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden, 3. Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung zur Meldung nach § 38 Abs. 1 bei der Agentur für Arbeit informieren, sie hierzu freistellen und die Teilnahme an erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen ermöglichen. (3) Die Arbeitgeber sollen die Agenturen für Arbeit frühzeitig über betriebliche Veränderungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigung haben können, unterrichten. Dazu gehören insbesondere Mitteilungen über 1.  zu besetzende Ausbildungs- und Arbeitsplätze, 2. geplante Betriebserweiterungen und den damit verbundenen Arbeitskräftebedarf, 3.  die Qualifikationsanforderungen an die einzustellenden Arbeitnehmer, 4.  geplante Betriebseinschränkungen oder Betriebsverlagerungen sowie die damit verbundenen Auswirkungen und 5.  Planungen, wie Entlassungen von Arbeitnehmern vermieden oder Übergänge in andere Beschäftigungsverhältnisse organisiert werden können. (4) Die Arbeitnehmer haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen. Sie sollen insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen. (5)  Die Arbeitnehmer haben zur Vermeidung oder zur Beendigung von Arbeitslosigkeit insbesondere

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

1.  ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen, 2.  eigenverantwortlich nach Beschäftigung zu suchen, bei bestehendem Beschäftigungsverhältnis frühzeitig vor dessen Beendigung, 3.  eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen und 4.  an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.“

§§ 3–7 SGB III benennen die unterschiedlichen Leistungen der Arbeitsförderung und bestimmen das„ökonomisches Prinzip“76, dass durch die Leistungen der größtmögliche Förderungseffekt unter Beachtung der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der zur Verfügung stehenden Mittel zu bewirken ist. Sie lauten im Wortlaut folgendermaßen: •  § 3 SGB III [Leistungen der Arbeitsförderung] (1) Arbeitnehmer erhalten folgende Leistungen: 1.  Berufsberatung sowie Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung und diese unterstützende Leistungen, 2.  Förderung aus dem Vermittlungsbudget, 3.  Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, 4.  Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, 5. Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, 6. Übernahme der Weiterbildungskosten während der Teilnahme an einer beruf­ lichen Weiterbildung, 7. allgemeine und als behinderte Menschen zusätzlich besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen nach diesem und dem Neunten Buch, insbesondere Ausbildungsgeld, Übernahme der Teilnahmekosten und Übergangsgeld, 8.  Arbeitslosengeld während Arbeitslosigkeit, Teilarbeitslosengeld während Teilarbeitslosigkeit sowie Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, 9.  Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall, 10.  Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, 11. Wintergeld, 12. Transferleistungen. (2) Arbeitgeber erhalten folgende Leistungen: 1.  Arbeitsmarktberatung sowie Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung, 2.  Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten bei Eingliederung von leistungsgeminderten Arbeitnehmern sowie im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung beschäftigter Arbeitnehmer, 3.  Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung für die betriebliche Aus- oder Weiterbildung und weitere Leistungen zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen, 4.  Zuschüsse zur Vergütung bei einer Einstiegsqualifizierung, 76  Eichenhofer

SGb 2000, 292.



I. Der aktivierende Staat373 5. Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung für Bezieher von SaisonKurzarbeitergeld. (3)  Träger von Arbeitsförderungsmaßnahmen erhalten folgende Leistungen: 1. Zuschüsse zu zusätzlichen Maßnahmen der betrieblichen Berufsausbildung, Berufsausbildungsvorbereitung und Einstiegsqualifizierung, 2. Übernahme der Kosten für die Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung, 3.  Darlehen und Zuschüsse für Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, 4.  Zuschüsse zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. 5. (weggefallen) 6. (weggefallen) (4) Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind alle Leistungen der Arbeitsförderung mit Ausnahme von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, Teilarbeitslosengeld und Insolvenzgeld. (5) Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung sind alle Leistungen der aktiven Arbeitsförderung mit Ausnahme des Anspruchs auf Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung sechs Monate nach Eintritt der Arbeitslosigkeit, Gründungszuschuss, Eingliederungsgutschein für ältere Arbeitnehmer nach § 223 Abs. 1 Satz 2, Berufsausbildungsbeihilfe während einer erstmaligen beruf­ lichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, Vorbereitung auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses im Rahmen einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nach § 61a, Weiterbildungskosten zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses, besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Kurzarbeitergeld, Wintergeld und Leistungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen. •  § 4  SGB III [Vorrang der Vermittlung] (1) Die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit hat Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit. (2)  Der Vermittlungsvorrang gilt auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. •  § 5  SGB III [Vorrang der aktiven Arbeitsförderung] Die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind entsprechend ihrer jeweiligen Zielbestimmung und den Ergebnissen der Beratungs- und Vermittlungsgespräche einzusetzen, um sonst erforderliche Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit nicht nur vorübergehend zu vermeiden und dem Entstehen von Langzeitarbeitslosigkeit vorzubeugen. •  § 6 SGB III (weggefallen) •  § 7 SGB III [Auswahl von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung] Bei der Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung hat die Agentur für Arbeit unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombina­ tion von Leistungen zu wählen. Dabei ist grundsätzlich auf 1.  die Fähigkeiten der zu fördernden Personen, 2.  die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und 3.  den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf abzustellen.

Diesen fördernden Bemühungen um den Arbeitsmarktausgleich sind Forderungen an die Marktteilnehmer gleichsam immanent. Es ist das Vorgehen zur Aktivierung durch „Fördern und Fordern“. Es zeigt sich bereits in den Grundsatznormen des SGB III. Die Arbeitsuchenden haben den durchsetzbaren Anspruch auf frühzeitige Hilfe, gehen damit jedoch zugleich eine Eigenverpflichtung zur aktiven Stellensuche und sonstigen Arbeitslosigkeit beendenden Initiativen ein.77 Aktivierend soll wirken, dass die aktiven Unterstützungsleistungen nicht mehr lose neben passiven Lohnersatzleistungen gewährt werden, sondern beide miteinander verknüpft sind. Das sozialstaatliche Integrationsprinzip der Teilhabe geht in dem Integrationsprinzip der Teilnahme auf. Gesellschaftliche Integration nicht mehr durch Teil­ habenlassen (im Wege sozialrechtlicher Ansprüche), sondern durch Teilnahme am Integrationsprozess der Arbeitsplatzsuche, wodurch gesellschaft­ liche Integration garantiert sei.78 Vorrang erhalten damit Fördermaßnahmen, die die Chancen auf eigene Teilnahme am Sozial- und Arbeitsleben erhöhen.79 Der Gesetzgeber verdeutlicht seine Erwartungen bereits in § 2 Abs. 4, 5 SGB III, so dass die Arbeitsverwaltung diese Konzeption weder umgehen noch aufheben kann. Ihr kommt die Aufgabe zu, bei konkret auftretenden Schwierigkeiten unterstützend zu wirken und den Arbeitsmarktteilnehmern „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu gewähren. Schmidt-De Caluwe ist darin zuzustimmen, dass sich dieses Konzept in der Eingliederungsvereinbarung nach §§ 37 Abs. 2 SGB III konkretisierend widerspiegelt.80

77  Schmidt-De

Caluwe 2008, 51, Rn. 22. NDV 2001, 83; zur Entwicklung kritisch Ebsen 2004, 729 ff. 79  Kritisch und unterstellend Dahme / Wohlfahrt TuP 2001, 11. 80  Schmidt-De Caluwe 2008, 51, Rn. 22; dazu auch Schweiger NZS 2002, 411; Eichenhofer NZS 2007, 57; kritisch Ebsen 2004, 736 ff. Es handelt sich dabei praktisch um das aus dem Führungsmanagementbereich bekannte und erprobte Konzept der Zielvereinbarungsgespräche, auf das noch genauer eingegangen werden wird, Kap. E. III 2.; Pitschas 2004, 779 f. ordnet – berechtigterweise – die Eingliederungsvereinbarung nach § 35 SGB III a. f. bzw. § 37 Abs. 2 SBG III als neuartige Handlungsform der Verwaltungspartnerschaft ein, die das Kooperationsprinzip aktualisiert und individuelle Bindungswirkungen, die für eine situative Verwaltung erforderlich wird, garantiert, vgl. Pitschas 2002, 266. 78  Wohlfahrt



I. Der aktivierende Staat375 •  § 37  SGB  III Potentialanalyse und Eingliederungsvereinbarung (1) … (2) In einer Eingliederungsvereinbarung, die die Agentur für Arbeit zusammen mit dem Ausbildungsuchenden oder Arbeitsuchenden trifft, werden für einen zu bestimmenden Zeitraum festgelegt 1.  das Eingliederungsziel, 2.  die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit, 3.  welche Eigenbemühungen zu seiner beruflichen Eingliederung der Ausbildungsuchende oder Arbeitsuchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er diese nachzuweisen hat, 4. die vorgesehenen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Die besonderen Bedürfnisse behinderter und schwerbehinderter Menschen sollen angemessen berücksichtigt werden. Bei Arbeitslosen, die einen Eingliederungsgutschein nach § 223 erhalten, soll in der Eingliederungsvereinbarung die Ausgabe des Eingliederungsgutscheins mit einem Arbeitsangebot oder einer Vereinbarung über die notwendigen Eigenbemühungen zur Einlösung des Eingliederungsgutscheins verbunden werden.

Die zugrunde liegende Vorstellung aller individualbezogenen Aktivierungsversuche ist dabei, dass Arbeitslosigkeit kein unabänderliches Schicksal ist und auch kein Zustand, mit dem sich abgefunden werden müsse. Es handelt sich vielmehr zeitweiliges und von vorübergehenden Umständen zwar abhängiges, aber durch eigene Bemühungen und mit staatlicher Unterstützung überwindbares Missgeschick.81 Wenn auch der Ansatz des aktivierenden Staates individualbezogen ist, wird damit Arbeitslosigkeit nicht zum Anlass, dem Arbeitslosen Schuld zuzusprechen.82 Vielmehr wirkt Aktivierung zukunftsbezogen. Deshalb sollte das Aktivierungsinstrumentarium auch nicht auf Sanktionsmaßnahmen beschränkt werden, sondern von Fragen geleitet werden, was es bedarf, um den Zustand der Arbeitslosigkeit im konkreten(!) Fall zu beenden. Nach dem gesetzgeberischen Willen tritt an dieser Stelle das Instrument der Eingliederungsvereinbarung auf den Plan, das einen fairen Ausgleich zwischen Fördern und Fordern sichern soll.83 Ob dieses Instrument dazu tatsächlich in der Lage ist, soll an dieser Stelle (noch) nicht abschließend geklärt werden84. Aus dem individuell ausgerichteten Ansatz wird jedoch erkennbar, dass die Aktivierung weniger mit dem Instrument zu tun hat, als mit denjenigen, die damit umzugehen haben. Denn die dem Instrument anhaftende Ansprache an die Persönlichkeit betrifft beide Seiten, sowohl den Arbeitsuchenden 81  Ähnlich

Eichenhofer NZS 2007, 57. verkennt wohl Trube NDV 2003, 341. 83  BT-Drucksachen 14 / 6944, S.  24. 84  s. dazu Kap. E. III. 3. a). 82  Das

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

als auch den Case Manager!85 Deshalb darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass eine aktivierende Handhabung durch die Verwaltungsangehörigen zunehmend auch von gesetzgeberischer Seite erschwert wird, indem die belassenen Spielräume verengt werden und den detaillierten Vorgaben des Bundessozialgerichts entsprechend dem Instrument eine konditionale Steuerungsfunktion zugeschrieben wird. Es dient letztlich nur dazu, später gerichtlich feststellen zu können, ob Kürzungen des Arbeitslosengeldes berechtigt waren oder nicht und verkommt nahezu zur reinen Dokumenta­ tion.86 Überspitzt könnte man meinen, dass die Eingliederungsvereinbarung lediglich für das Gericht verfasst würde, damit es eine Grundlage zur Entscheidung erhält. Statt dem staatlichen Verwaltungspersonal unterstützend beizustehen, um die anstehenden Aktivierungsaufgaben gut bewältigen zu können, wird abermals versucht, direkt mit dem Gesetz bzw. der juristischen Methode zu steuern. Deutlich wird jedoch, welche bedeutende Rolle den Agenturen für Arbeit und den in ihnen wirkenden Mitarbeitern zukommt, um das Konzept des aktivierenden Staates umzusetzen. Qualifiziertes Personal, mit dem Geist der Verwaltungspartnerschaft arbeitende Persönlichkeiten, die tatsächlich die Zeit und die Kraft zum Fördern aufbringen, sich also dem Verwaltungspartner widmen können (und ihre persönlichen Grenzen bewusst wahren können, ohne sie durch Burn-Out-Syndrome ziehen zu müssen), fordert das Konzept vom aktivierenden Staat, weshalb es zunächst keineswegs zur Kostenreduzierung tauglich ist.87 Es ist eine Investition und im Grunde genommen ohne Garantie auf Erfolg. Im Übergang vom AFG zum SGB III sind gleichwohl die bestehenden Verwaltungsstrukturen und -maximen grundlegend geändert worden. Nach mehreren Gesetzesänderungen seit 1998 gelten die §§ 9, 9a, 10 SGB III nunmehr mit folgendem Wortlaut. •  § 9 SGB III [Ortsnahe Leistungserbringung] (1) Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen vorrangig durch die örtlichen Agenturen für Arbeit erbracht werden. Dabei haben die Agenturen für Arbeit die Gegebenheiten des örtlichen und überörtlichen Arbeitsmarktes zu berücksichtigen. (1a) (weggefallen) (2)  Die Agenturen für Arbeit sollen die Vorgänge am Arbeitsmarkt besser durchschaubar machen. Sie haben zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem 85  Das

verkennt etwa Ebsen 2004, 736 ff. dazu bereits grundsätzlich Schweiger NZS 2002. 87  Im Bereich der öffentlichen Arbeitsvermittlung zeigt sich jedoch in Modellversuchen, dass mehr Vermittlungspersonal in den Arbeitsagenturen zwar mehr kostet, aber auch zu mehr Arbeitsvermittlungen führt und insoweit auch Kosten (an anderer Stelle) reduziert, Schiel / Schröder / Gilberg / Kruppe IAB-Kurzbericht 21 / 08; allgemein zur Arbeitsweise und Qualifizierung der Arbeitsvermittler Behrend / Ludwig-Mayerhofer / Sondermann / Hirseland IAB-Kurzbericht 21 / 06. 86  Vgl.



I. Der aktivierende Staat377 örtlichen und überörtlichen Arbeitsmarkt beizutragen. Der Einsatz der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist zur Verbesserung der Wirksamkeit und Steuerung regelmäßig durch die Agenturen für Arbeit zu überprüfen. Dazu ist ein regionales Arbeitsmarktmonitoring einzurichten. Arbeitsmarktmonitoring ist ein System wiederholter Beobachtungen, Bilanzierungen, Trendbeschreibungen und Bewertungen der Vorgänge auf dem Arbeitsmarkt einschließlich der den Arbeitsmarktausgleich unterstützenden Maßnahmen. (3)  Die Agenturen für Arbeit arbeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Gemeinden, Kreisen und Bezirken sowie den weiteren Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes, insbesondere den Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, den Kammern und berufsständischen Organisationen, zusammen. Sie sollen ihre Planungen rechtzeitig mit Trägern von Maßnahmen der Arbeitsförderung erörtern. •  § 9a SGB III [Zusammenarbeit mit den für die Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Agenturen für Arbeit, zugelassenen kommunalen Trägern und Arbeitsgemeinschaften] Beziehen erwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem Zweiten Buch auch Leistungen der Arbeitsförderung, so sind die Agenturen für Arbeit verpflichtet, eng mit den für die Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Agenturen für Arbeit, zugelassenen kommunalen Trägern und Arbeitsgemeinschaften zusammenzuarbeiten. Sie unterrichten diese unverzüglich über die ihnen insoweit bekannten, für die Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende erforderlichen Tatsachen, insbesondere über 1.  die für erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des Zweiten Buches vorgesehenen und erbrachten Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sowie 2.  über die bei diesen Personen eintretenden Sperrzeiten. •  § 10 SGB III [Freie Förderung] (1)  Die Agenturen für Arbeit können bis zu zehn Prozent der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung einsetzen, um die Möglichkeiten der gesetzlich geregelten aktiven Arbeitsförderungsleistungen durch freie Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu erweitern. Die freien Leistungen müssen den Zielen und Grundsätzen der gesetzlichen Leistungen entsprechen und dürfen nicht gesetzliche Leistungen aufstocken. Bei Leistungen an Arbeitgeber ist darauf zu achten, Wettbewerbsverfälschungen zu vermeiden. Projektförderungen sind zulässig. (2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zu der freien Förderung, insbesondere zu den Voraussetzungen, den Grenzen und zum Verfahren, zu regeln.

Wichtig für den vorliegenden Zusammenhang sind die gesetzgeberischen Zwecke der Dezentralisierung und Flexibilisierung der Verwaltung sowie das Kooperationsgebot, vgl. §§ 9 Abs. 3, 9a SGB III.88 Diese Ziele flankiert § 10 SGB III, indem die Norm den Agenturen für Arbeit einen Handlungsspielraum belässt, innerhalb dessen freie aktive Arbeitsförderung möglich 88  Generell

zu diesen Maximen Pitschas 2002, 239 ff.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

wird. Den örtlichen Agenturen für Arbeit wird damit insbesondere ermöglicht, den regionalen und örtlichen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes besondere und oftmals die erforderliche Beachtung zu gewähren.89 Derartige Flexibilisierungsinstrumente und Dezentralisierungsmaßnahmen ermöglichen erst in der Praxis, das Gebot zur Zusammenarbeit zu verwirklichen, das § 9 III SGB III in aller Deutlichkeit herausstellt. Erst im Verlauf der Verwaltungsarbeit kann Verwaltungskooperation und -partnerschaft gelingen. Die Norm fließt aus der Erkenntnis, dass „staatliche Verwaltung wünschenswerte gesellschaftliche Zustände nicht einseitig durch Gesetzesbefehl und Verwaltungsvollzug verordnen, sondern nur im Zusammenwirken mit dem Adressaten … erreichen kann“90. Insoweit verwundert es an dieser Stelle nicht, dass die Norm ausdrücklich Bezug auf die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände nimmt, welche die Einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirksam vertreten. Die den Agenturen für Arbeit gesetzlich verordneten Zusammenarbeiten führen nach der gesetzgeberischen Vorstellung schließlich zu den örtlichen „Bündnissen für Arbeit“. Es mag allein bei der Betrachtung des Gesetzes bereits deutlich geworden sein, dass allein die Veränderung des gesetzlichen Wortlauts keineswegs aktivierend wirkt. Eine systemtheoretische Steuerungskonzeption zeigt, dass die Aktivierung das Ergebnis eines selbstorganisierten Entscheidungsprozesses ist, zu dem der Mitteilende (Gesetzgeber) lediglich einzuladen vermag. So sehr damit die Aktivierung im konkreten Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen den beteiligten Individuen erfolgt, ist es doch die Gesetzesebene, die diese Prozesse überhaupt erst ermöglichen können. Das Recht der Arbeitsförderung weist in diesem Zusammenhang – wie gezeigt – enorme Entwicklungen auf. Ob es jedoch zur Aktivierung der Beteiligten kommt und welche Konflikte auftauchen (können) oder ob sich der (alte) Staat lediglich in neuen Kleidern präsentiert91, zeigt sich erst auf der Anwendungs- und Vollzugsebene von Gesetzen.

89  Vgl. Mutschler 2008, 129, Rn. 2; Eichenhofer SGb 2000, 294. Kruse 2008, Rn. 1 f. berichtet, dass bis heute in keinem Jahr Maßnahmen der freien Förderung die erlaubten 10 % erreichten. Das muss allerdings nicht gegen das Bedürfnis der Praxis nach derartigen Flexibilisierungsinstrumenten sprechen, sondern kann auch eine Ungeübtheit in ihrer Handhabung belegen, die den Einzelnen auf bekanntes und insoweit sicheres Terrain zurückweichen lässt. 90  Dazu Eichenhofer SGb 2000, 294. 91  In diese Richtung weisend Görlitz / Sigrist 2006.



I. Der aktivierende Staat379

3. Aktivierendes Verwaltungs- und Konfliktmanagement im öffentlichen Sektor des aktivierenden Staates Die konzeptionellen Grundgedanken vom aktivierenden Staat, die systemtheoretische Grundlegung der Großorganisation und seiner Steuerungsmöglichkeiten, das daraus resultierende Kooperationsprinzip, die daraus ableitbare Aufgaben- und Verantwortlichkeitsarchitektur sowie das allseitige Orientierungsprogramm des wechselbezüglichen Forderns und Förderns führen offensichtlich auch für die Verwaltung zur Notwendigkeit neuer Handlungsformen. Staatliche Leistungen werden im aktivierenden Staat nicht mehr einfach erbracht, sondern in einem gemeinschaftlichen Kommunikationsprozess bestimmt und an Eigenaktivitäten geknüpft. Solche Prozesse kommen nur selten (allein) durch normative oder autoritäre Vorgaben und Anweisungen in Gang. Vielmehr bedürfen sie staatlicher Interventionen, die beratend und begleitend wirken und auf Informierung und Motivierung ausgerichtet sind. Die initiierten Kommunikationsprozesse ermöglichen einen gemeinsamen Lernprozess92, innerhalb dessen die Bedingungen geschaffen werden, um die Aufgaben kooperativ zu bewältigen. Erforderlich dafür ist, passende gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Verwaltung derartige Prozessinitiierungen ermöglichen und nicht mehr auf vereinzelte Aktivitäten zugeschnitten sind.93 Oder anders genähert, Ausgangspunkt aller Verwaltungstätigkeit bleibt die staatstheoretische Grundlegung des aktivierenden Staates und seiner gesetzlichen Normierung. Von den Gesetzen und ihren (Ziel-)Vorgaben wird keine Verwaltungstätigkeit losgelöst.94 Gleichwohl ändern sich das (Selbst-)Bild und die Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung, so dass die Verwaltung selbst durch das Leitbild des aktivierenden Staates aktiviert wird.95 Fordert allerdings die Konzeption des aktivierenden Staates einen Wandel der Verwaltungspraxis, so bedarf es zugleich der Förderung der Verwaltungspraxis durch den Gesetzgeber. 92  Blanke / Plaß 2005, 38 („Bewirkungsketten“); vgl. auch Bull 2005, 86; Trute DVBl 1996, 954 („Regulierungsverwaltungsrecht für private Selbstregulierung“). 93  Im Zuge der Verwaltungsreformen der letzten Jahre sind anhand des Neuen Steuerungsmodells zahlreiche Erfahrungen möglich gewesen, dazu Epping VerwArch 2008, 426 ff.; Voßkuhle 2006, Rn. 53 ff.; Dose 2006b. Siehe auch die Erfahrungen der Direktorin der BfA Meurer DAngVers 1997, 1998, 1999, insbes. 2000, 2002. 94  Bandemer / Hilbert 2005, 26; instruktiv Vesting 2008, Rn. 3. 95  Da die Verwaltung als monolithische und hierarchisch gegliederte Pyramide, die durch Gesetze direkt gesteuert, spätestens im aktivierenden Staat nicht mehr konsistent beschreibbar ist, wird im Folgenden auch der umfassendere Begriff des öffentlichen Sektors verwendet. Bogumil / Jann 2009, 198.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Übernimmt der aktivierende Staat die Moderatoren- und Vermittlerrolle im Hinblick auf das gesellschaftliche Interessengeflecht, so muss die Verwaltung die Moderatoren- und Vermittlerrolle bei der Politikumsetzung übernehmen. Sie vermittelt eigenständig die im Parlament formulierte Politik während der kooperativen Koproduktionen im öffentlichen Sektor.96 Sie bedarf deshalb eines Freiraumes mittels handlungsgewährender Gesetze, die nicht mehr am Bild der konditional steuerbaren Verwaltungshierarchie festhalten. Dies dürfte zu einer Typologie von Gesetzen führen, wie sie etwa Schuppert formuliert.97 Ein am Leitbild des aktivierenden Staates orientiertes, politikumsetzendes Verwaltungshandeln wird sich innerhalb eines gesetzlich gewährten Freiraums eigenständig verorten. Dieser Freiraum wird durch ein Spektrum an Handlungsmöglichkeiten ausgefüllt werden, aus dem die Verwaltung schöpfen kann98 und zuvorderst durch eine „intentionale Gesetzgebung“99 gewährleistet wird. Verwaltungshandeln bleibt zwar gesetzesumhegt, ist aber nicht mehr in der bisherigen Weise gesetzesdeterminiert.100 Verwaltungshandeln wird zunehmend mehr Kooperationshandeln werden, Verhandeln und Vermitteln auf der Grundlage der skizzierten Prinzipien.101 Als Verfahrensgestalter kreiert die Verwaltung fallbezogene Prozesse, um die gewünschten Wirkungen zu erreichen. Verwalten stellt sich damit ebenso wie die gesetzgeberische Tätigkeit als Bewirken von Wirkun-

96  Zur

Eigenständigkeit der Verwaltung Hoffmann-Riem 2006. 2008. Denkbar scheint auch, die parlamentarische Steuerung auf eine Art „Grundsatzsteuerung“ zu begrenzen, vgl. dazu Pitschas 2002, 245 m. w. N.; generell zu den Umbrüchen in der Gesetzgebung Hoffmann-Riem AöR 2005; Vesting 2008, Rn. 40 f. 98  Ausfrl. zu Maßstäben des Verwaltungshandelns Pitschas 2008. Schuppert 2000, 443 ff. spricht sich in diesem Zusammenhang für ein „Verwaltungskooperationsrecht“ aus, dazu auch Schmidt-Aßmann 2002, 561. 99  Pitschas 2002. 100  Ausfrl. Hill 2008, ders. DÖV 1987, insbes. 888 ff.; ders. DV 1993, 181 („Spielräume“); Hoffmann-Riem DV 2000 („Möglichkeitsraum“), 158, 170  ff.; Schröder 2007 („Verwaltung als gesetzesdirigierte Gewalt“); andeutend Trute DVBl 1996, 952. Hill DV 1993, 179 fordert parallel dazu für die Entwicklung der Verwaltung eine „Veränderung der Denkstrukturen“; „… weg vom Denken in Schranken und der Vermeidung von Fehlern hin zu einer Verwaltungskultur der eigeninteressierten und eigenverantwortlichen Innovation und ständigen Verbesserung …“; dazu auch Fisch 2002, der treffend die Unterschiede einer konditionalen und finalen Führung darlegt; dazu auch Bogumil / Jann 2009, 197. 101  Selbst der Verwaltungsakt als klassisches einseitig-imperatives Vorgehen der Verwaltung hat sich aus seiner obrigkeitsstaatlichen Verwurzelung gelöst. Verwaltungsakte sind verfahrensrechtlich von vielerlei Kommunikationsprozessen abhängig, die sich als Kooperationsmittel interpretieren lassen, bspw. behördliche Beratungs- und Auskunftspflichten sowie die Antrags- und Anhörungspflichten, vgl. Bauer, H. 2008, Rn. 75. 97  Schuppert



I. Der aktivierende Staat381

gen dar.102 Dafür werden sich nicht zuletzt die Verwaltungsorganisation, insbesondere die Ablauforganisation, sowie die Qualifizierung des Verwaltungspersonals entsprechend verändern. Die Verwaltung in ihrem Aufbau und ihrer Organisation wird durch die Umformulierung des Verwaltungsrechts, das sich am Kommunikationsbegriff ausrichtend als Verwaltungsinformationsrecht darstellen wird, selbst aktiviert und aktiv, um im gesellschaftlichen Umfeld aktivierend wirken zu können.103 Organisatorisch wird mehr team- und projektorientiert104 gearbeitet werden. Gemeinwohlinteressen werden von denjenigen, die sie vertreten, mit denjenigen, die sie verwirklichen werden, in einem kooperativen Kommunikationsprozess ver­ wirklicht. Rechtswirksame Verträge, sonstige bindende Absprachen, un­ verbindliche Vereinbarungen105, aber auch Zielvereinbarungen106 und ­Beratungsleistungen107 stehen dafür zur Verfügung und werden zu einem selbstverständlichen Handlungs- und (präventiven) Konfliktmanagementinstrumentarium ausgebaut und genutzt.108 Wie arbeitet eine aktivierte und aktivierende Verwaltung? Was kann die aktivierende Verwaltung ihrerseits dazu beitragen, den Staat insgesamt akti102  Blanke / Plaß

2005, 38 („Bewirkungsketten“). Banner 2005; Steinbrück 2005; Kaczorowski 2005; Behrens 2005, 159 ff.; Zur Veränderung des Verwaltungsrechts Vesting 2008, insbes. Rn. 5. 104  Baer 2006, 251; grundlegend zur Teamarbeit in der öffentlichen Verwaltung Bauer 1995; s. auch den Bericht von Meurer DAngVers 1997, 411; dies. DAngVers 1999, 111; zum Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung Schelle 1996. 105  Schuppert 2000, 443 ff.; zu (verwaltungs-)rechtlichen Einwänden gegen den Vertrags- und Absprachegedanken zusammenfassend Schlette 2000, 35 ff. 106  Pitschas 2002, 266; Epping VerwArch 2008, 441; für die beraterische Sozialhilfe Reis NDV 2002, 286; zu Zielvereinbarungen im Hochschulbereich generell Trute WissR 2000, s. auch die gesetzliche Regelung in Sachsen Anhalt § 57 HSG LSA. 107  Zu Beratungsleistungen und sonstigen personenbezogenen Dienstleistungen in der Sozialhilfe Hoffmann NDV 2002; Reis NDV 2002. An personenbezogenen Dienstleistungen wird besonders deutlich, was damit gemeint ist, der aktivierende Staat sei ein Verfahrensstaat, der mit dem Bürger als Koproduzenten kooperiert. Bei personenbezogenen Dienstleistungen fallen Produktion und Konsum der (staatlichen) Leistung zusammen. Die Produkte sind weder materieller Natur, noch speicherbar, aber – da erfahrungssteigernd – zu späteren Zeiten erinnerbar. Die Qualität des Prozesses hängt in hohem Maße von der Qualität der persönlichen Interaktion ab. Das heißt, dass Kooperationsfähigkeit und -willigkeit der Beteiligten die Produktqualität bestimmen. Das zeigt sich deutlich im Bereich der öffentlichen Arbeitsvermittlung, s. Behrend / Ludwig-Mayerhofer / Sondermann / Hirseland IAB-Kurzbericht 21 / 06; Schiel / Schröder / Gilberg / Kruppe IAB-Kurzbericht 21 / 08; Koch / Krug / Stops Sozialer Fortschritt 2009, 245 f. 108  Ähnlich Pitschas 2004, 772 ff., 774; ders. 1994, 234 ff.; ähnlich Hill JZ 1993; ders. DVBl 1989, 325 ff.; ders. DÖV 1987, 889 ff.; für das Sozialverwaltungsverfahrensrecht Tettinger VVDStRL 2004, 224 ff.; kritsch Brohm NVwZ 1991, 1029 ff. 103  Dazu

382

E. Mediation und Transaktionsanalyse

vierend wirken zu lassen? Welches Instrumentarium nutzt sie? Eine aktivierende Verwaltung bedient sich – insbesondere im Konfliktmanagementbereich – eines erweiterten Handlungs- und Kommunikationsspektrums.109 Sowohl schlichtes110 und informales111, als auch bürgerorientiertes112 und integratives113 Verwaltungshandeln stehen als ergänzende Handlungsformen der Verwaltung zur Verfügung. Jede einzelne besteht dabei aus einer Vielzahl von Methoden und Vorgehensweisen. Ihr bündelnder Gedanke ist dabei stets, kooperative und kreative Koproduktion im Wege einer Kommunika­ tion, die sich der Selbstreferentialität und Selbstorganisation der anderen Systeme bewusst ist.114 Ihre Lösungen entspringen damit nicht primär der hierarchischen Beziehungsstruktur, sondern der Einsicht, dass Konsenslösungen der unmittelbar Beteiligten tragfähiger sind. Diese Vorgehensweise wirkt nach Außen tatsächlich ansteckend, motiviert und beugt zudem einer Eskalation von Gegensätzen vor, da sie im direkten Austausch beigelegt werden können. Die von diesen Gedanken getragenen Handlungsformen fordern keineswegs einen völligen „Abschied vom Recht“115, sondern allenfalls eine Ver­ abschiedung vom vorgestellten Bewirkungs- und Lösungspotential des Rechts. Kooperatives Verwaltungshandeln ist keine „Hinwendung zum Unrecht“. Das Konzept des aktivierenden Staates fordert von der Verwaltung den Wandel vom Gehorsam zur Verantwortung, „vom Verwalten zum Ge­ stalten“116. Bei all dem mag sich die aktivierende und aktivierte Verwaltung im öffentlichen Sektor durchaus zum „Partner bei der eigenen (privaten) Le­bens­ 109  Zum öffentlichen Konfliktmanagement instruktiv Kostka DV 1993; zum sozialrechtlichen Verwaltungsinstrumentarium und dessen Erweiterung Tettinger VVDStRL 2004. 110  Statt vieler Schulte 1995. 111  Dazu Kautz 2001, 36 ff.; Schlette 2000, 216 ff.; Kippes 1995, 11 ff. jeweils m. w. N.; grundlegend Bohne 1981. 112  Pitschas BayVBl 2000; Bogumil / Jann 2009, 228, vgl. auch Meurer DAngVers 1999, 112. 113  Hill DVBl 1993. 114  Vgl. den Erfahrungsbericht von Meurer DAngVers 1998 sowie 1999. 115  Voigt 1983. Das sich vom Recht als verbindliches Kommunikations- und Steuerungsinstrument nicht verabschiedet werden kann, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die Umsetzung von Konsenslösungen oftmals die Amtsdauer von Per­ sonen überdauert und neue Personen agieren, die an den Konsensprozessen und -lösungen weder unmittelbar beteiligt noch sonst eingebunden waren. 116  So Meurer DAngVers 1997, 406; dies. DAngVers 1999, 110 ff.; zu den Umstrukturierungsbemühungen Meurer DAngVers 1997, 406; s. auch Töpfer 1990, 84; zur Gestaltungsfunktion der Verwaltung angesichts ihrer Gestzesbindung SchmidtAßmann 2002, 547 ff.



I. Der aktivierende Staat383

gestaltung“117 wandeln, obschon es den Kern der Sache verfehlen würde, darin allein eine „Enthierarchisierung“118 geordneter Verhältnisse zwischen Verwaltung und Bürger zu erblicken, bei der alle Errungenschaften des liberalen Rechtsstaats in einem chaotischen Miteinander verloren gingen. Das Subordinationsverhältnis zwischen Verwaltung und Bürger im Verwaltungsrechtsverhältnis besteht nach wie vor fort, jedoch wird es nicht in jeder Begegnung aktualisiert, sondern tritt nur in Teilbereichen zutage. Der aktivierende Staat erweitert und intensiviert die Begegnungsmöglichkeiten des Bürgers mit ihm, so dass diese ihn auch partnerschaftlich „kennen lernen“ können. Weisen große Teile der rechtlich formulierten Beziehungsstruktur Hierarchieelemente auf, so ändert sich daran wenig, wenn projektbezogen auf kooperativer Basis gemeinsam aufeinander zu und abgestimmt vorgegangen wird. Das schließt keineswegs aus, dass die Beteiligten zerstritten vor Gericht ziehen, um vom Richter die gesetzlichen Lösungen gesagt zu bekommen. Dieser Weg steht angesichts Art. 19 Abs. 4 GG nach wie vor offen. Indem die Verwaltung jedoch ihr Potential anbietet („fördert“), um bei Problemen, die Gemeinwohlbelange berühren können, individuell zu helfen, verwirklicht sich die staatliche Beistandspflicht nach außen.119 Die für ein derartiges Förderungsprogramm erforderlichen Reformen innerhalb der verwaltenden Großorganisation sind dabei nicht nur immens, sondern werden ihrerseits nur gelingen, wenn sie von den Führungskräften und Mitarbeitern akzeptiert und mitgetragen werden.120 Ganz sicher werden sie scheitern, wenn sie ohne oder ohne gegen die Mitarbeiter der Verwaltung initiiert und durchgesetzt werden sollen.121 Veränderungsprozesse des angesprochenen Ausmaßes finden lediglich von Innen her mit der Organisation statt und sind grundsätzlich auch nur durch sie selbst gestaltbar. Ist das Ziel jedoch eine aktivierende und kooperationsfähige Verwaltung, ist bereits dieser interne Reformprozess aktivierend und kooperativ zu gestalten. Die Aktivierung eines aktivierenden Staates beginnt also nicht nur mit 117  Grunow / Hegner 1980; zur Verantwortungspartnerschaft im aktivierenden Sozialstaat Pitschas 2004. 118  Heinelt 2005, 11. 119  Das stellt i.Ü. einen Aspekt des „Prinzip der Subsidiarität“ dar; Bandemer / Hilbert 2005, 29. Der Staat wirkt nicht mehr als demokratisch legitimierte Entscheidungsinstanz von außen in die Gesellschaft und von oben auf seine „Untergebenen“, indem er mit Hilfe der Exekutiven verwaltend interveniert („einstandspflichtiger Verwaltungsstaat“). Vielmehr bietet er seine Möglichkeiten in einem kooperativen (und bestenfalls zwischenmenschlich kommunizierten) Prozess an, um passende Lösungen zu finden. 120  Für das Beispiel der Umstrukturierung der BfA s. dazu Meurer DAngVers 1997, 411. 121  Eindrucksvoll Schäfer / Raumann OE 2009, 40 („Change Management Prozesse im öffentlichen Dienst funktionieren Top Down oder überhaupt nicht.“).

384

E. Mediation und Transaktionsanalyse

der Aktivierung des Staates selbst. Sondern die Aktivierung der Verwaltung wirkt modellhaft für die Aktivierung der Gesellschaft. Oder anders betrachtet. Der Aktivierungsprozess der Verwaltung kann ein Lernprozess für den Aktivierungsprozess der gesellschaftlichen Akteure sein. Werden die Verwaltungsmitarbeiter beim Umbau der Verwaltungsorganisation gut geführt und individuell begleitet, lernen sie zugleich das Führen und Begleiten, die zu ihren wesentlichen Aufgaben im aktivierenden Staat gehören werden. Mag das Ziel eines aktivierenden Staates hehr oder zumindest wünschenswert sein, so ruft seine Umsetzung – weil sie den Status quo verändert – Konflikte hervor. Diese Konflikte sind es (erst), die die zu aktivierenden Kräfte der Beteiligten und Umsetzenden frei legen werden. Diese Konflikte sind es aber auch, die das Potential haben, die Umsetzungsbemühungen aller Beteiligten zu ersticken. Veränderungskonflikte122 sind – nach dem hier dargelegten Verständnis von Konflikten – wichtig und notwendig. Der förderliche Umgang mit ihnen durch die Initiatoren der Aktivierungstendenzen ist letztlich nicht nur eine Grundbedingung für den Aktivierungsprozess, sondern stellt zugleich ein Modellhandeln dar, an dem sich die übrigen Betroffenen orientieren werden. Verwaltungspolitik als Reformpolitik des aktivierenden Staates ist danach Modellhandeln von oben nach unten und von innen nach außen. Deshalb wird nahezu parallel zu einer Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte eine Aktivierung des öffentlichen Sektors selbst erforderlich werden. Die Aktivierung des aktivierenden Staats beginnt nach allem keineswegs im veränderten Staatshandeln gegenüber der Gesellschaft, sondern in der staatlichen Organisation selbst und damit im alltäglichen Leben der Mitarbeiter in den staatlichen Institutionen und Behörden. Bei aller Abstraktion, die bisher anhand des Staatsverständnisses vom aktivierenden Staat und der gesetzlichen Reformen am Beispiel des Arbeitsförderungsrechts vorgenommen wurde, stellt die erstrebte Aktivierung letztlich eine Aktivierung von fühlenden, denkenden und entsprechend handlungsfähigen Menschen dar. Menschen sind der Ausgangspunkte und Endpunkte aller Aktivierungsvorsätze in der Großorganisation ‚Staat‘, sind die organisierten Akteure, die beeinflussen und durch sie beeinflusst werden (sollen), die aktiv werden und andere aktivieren möchten. Die beteiligten Menschen sind letztlich sowohl der Zweck als auch die Mittel jedweder Organisation, die ihre Existenzberechtigung aus ihnen ableitet. Aus diesem Grunde steht auch für die Verwaltung im aktivierenden Staat ein Paradigmenwechsel123 an. Weder generelle Regeln noch hierarchische Weisungen sind dabei in der Lage, eine befriedigende Organisationsleistung zu si122  Ausfrl.

Schwarz 2005, 203 ff. BayVBl 2000, 103; für die Praxis skeptisch Bogumil / Jann 2009,

123  Pitschas

244.



I. Der aktivierende Staat385

chern124; innovative und responsive Organisationen sind angewiesen auf die Kompetenz und die Motivation aller professionellen Mitglieder. Ihre problemgerechte und -bewältigende Arbeit wird zwar von der hierarchischen Organisation beeinflusst. Die Organisation kann die Aufgaben- und Problemlösung fördern oder behindern, aber sie kann sie nicht linear-kausal steuern.125 Gewissermaßen organisiert sich jeder Mitarbeiter selbst und nutzt die zur Verfügung gestellten Rahmenbedingungen der Organisation dafür. Sein Grad an Professionalisierung entscheidet über das Gelingen oder Misslingen der Aktivierungsprozesse im aktivierenden Staat. Mitarbeiterqualifikationen, insbesondere in kommunikativen und (psycho-)sozialen Aspekten, die Aus- und Fortbildungen von Persönlichkeits-, Führungs- und Systemkompetenzen werden deshalb eine zunehmende Bedeutung erlangen.126 Insbesondere in einem kooperierenden, koproduzierenden Verfahrensstaat kommt es auf allen Ebenen auf eine professionalisierte Kommunikation an, die sich an den konkreten Bedürfnissen und Rollenbildern orientiert. Emotionale und kommunikative Kompetenzen sind dabei weder einfach vorhanden oder nicht, sondern ebenso – durch Fortbildungen – zu aktivieren und zu professionalisieren.127 Sie sind Voraussetzung und Konsequenz der erstrebten und hier skizzierten Aktivierungsprozesse.128 Wie im Bereich des Arbeitsförderungsrechts beispielhaft aufgezeigt, handelt es sich bei der Aktivierung des aktivierenden Staates um einen Veränderungsprozess ungeheuren Ausmaßes. Das betrifft nicht nur, aber insbesondere die Verwaltung und ihre Angehörigen, die sich sowohl intern als auch extern umstrukturieren und neu orientieren müssen. Solche gravierenden Veränderungsprozesse sind, wie die Erfahrungen der Change-ManagementProzesse der Privatwirtschaft zeigen, sowohl für die (Verwaltungs-)Organisation als auch für den einzelnen Mitarbeiter nur durch eine bewusste Steuerung und Begleitung der sozialen Prozesse „verkraftbar“.129 Insbesondere benötigen Führungskräfte und „Kontaktpersonal“ der Verwaltung ein erhöhtes Maß an Sozial- und insbesondere Konfliktmanagementkompetenz, um den durch die Veränderungsprozesse auftauchenden Fragen und Schwierigkeiten gerecht zu werden oder kurz, um ihre Führungsaufgaben bewäl­ 124  Bogumil / Jann 2009, 295 m. w. N.; Scharpf 1987, 119 ff.; vgl. auch Grimmer DV 1998. 125  Scharpf 1987, 134 f. 126  s. dazu die (ermutigenden) Schriften der Bayerischen Verwaltungsschule Anwander / Draf 1998; Paul 1997, 146 ff., ebenso Kraus 1996, aus der Praxis hierzu Meurer DAngVers 2000, 366; 2002, 79; 2003, 304. 127  Beispielhaft für des aktivierenden Sozialstaat ebenso Hoffman NDV 2002, 88; Meurer DAngVers 2003, 304 f. 128  Vgl. Hill DV 1993; 179; Kostka DV 1993, 107; Hoffmann NDV 2002. 129  Schwarz 2005, 205 f.

386

E. Mediation und Transaktionsanalyse

tigen zu können. Im Folgenden wird deshalb beispielhaft aufgezeigt, inwieweit die Transaktionsanalyse als Konzeptverbund und die Mediation als Konfliktbehandlungsverfahren in dem aufgezeigten Wandel eines aktivierenden Staates hin zum kooperativen Rechtsstaat dienlich sein können. Die Mediation als Konfliktbehandlungsmethode beschreibt insbesondere eine Möglichkeit, im akuten Konfliktfall zu verfahren und ermöglicht darüber hinaus die Erweiterung von Führungskompetenzen in der Organisation, die als präventives Konfliktmanagement durch professionelles Führen nützlich werden kann. Sie ist eine Möglichkeit, wie die Verwaltung das „grundgesetzliche Verständnis der Stellung des Bürgers im Staat … durch das Gespräch“130 praktisch umsetzen kann. Ihre Prämissen und Vorgehensweisen entsprechen denen des aktivierenden Staates, so dass Mediationskompetenz hilft, das Verwaltungsverfahren als einen kooperativen, lösungsund ressourcenorientierten Kommunikationsvorgang zwischen Verbundenen zu begreifen. Der grundrechtlich-rechtsstaatliche Gedanke, dass der gebotene Ausgleich aller Interessen im Verwaltungsverfahren zu erreichen ist, vermag in der Mediation praktisch mit Leben gefüllt werden131 – aber, nicht durch Dritte, sondern nur durch die Interessierten selbst. Die Mediation mit ihren drei Grundgedanken – Vermittlung, Ausgleich und Transformation, die Kommunikation, Kreativität und Kooperation realisieren – passt als Instrument zu den Aufgaben, vor denen sich die Verwaltung im aktivierenden Staat sieht und die sie in einem aktivierenden Verwaltungsverfahren nutzen darf. Die Transaktionsanalyse mit ihren vielfältigen Konzepten vermag umfassend bei individuellen, zwischenmenschlichen und organisationalen Prozessen zur Diagnose und zu förderlichen Intervention beitragen. Insoweit dient ihr Instrumentarium nicht nur im Konfliktfalle einem entsprechend geschulten Mediator, um in der Krise zu intervenieren, sondern ermöglicht es insbesondere Führungskräften, um in Zeiten umfassenden Wandels Führungsanforderungen gerecht zu werden. Das zeigt sich einerseits durch die intensive Bearbeitung ethischer Fragen im Rahmen transaktionsanalytischer Arbeit als auch dadurch, dass Transaktionsanalyse in der Praxis erlernt und eingeübt wird. Es ist die Verknüpfung von fachlicher Kompetenz und persönlichem Wachstum132, die Transaktionsanalyse fordert und fördert sowie für Aktivierungsaufgaben prädestiniert. In diesem Zusammenhang wird es besonders hilfreich sein, auf die Erfahrungen der systemischen Transaktions­analyse bei der Organisationsentwicklung zurückzugreifen. Insoweit vermögen beide 130  BVerfGE 45, 297 ff., 335 (zum umweltrelevanten Planungsrecht); BVerfGE 69, 315 ff., 355 (zum versammlungsrechtlichen Kooperationsprinzip). 131  Pitschas 1990, 285. 132  Dazu Schmid ZTA 1984, 51.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation387

Methoden die im öffentlichen Sektor eingeleiteten und anstehenden Reformund Wandlungsprozesse zu unterstützen. Denn es gilt, den partnerschaft­ lichen Rechtsstaat mit (s)einem Verwaltungskooperationsrecht als lernfähige und lernende Organisation zu begreifen.133 Die zugrunde liegenden Leit- und Menschenbilder des aktivierenden Staates (der aktivierte, selbstverantwort­ liche Bürger), der Mediation (die eigenverantwortliche Person) und der Transaktionsanalyse (die autonome  /  integrierte Persönlichkeit) entsprechen sich nicht nur inhaltlich, sondern finden im Menschenbild des Grundgesetzes ihr grund- und staatsrechtlich abgesichertes Verbundkonzept.

II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation im Umfeld von Verwaltungsverfahren Im Zuge des Funktionswandels von Staat und Verwaltung fand die Methode der Mediation auch in der juristischen und verwaltungswissenschaftlichen Literatur eine rege Diskussion.134 Gleichwohl wurde nicht selten die Rezeption der mediativen Methode für den öffentlichen Sektor von irrigen Annahmen begleitet.135 Im Folgenden geht es um die Möglichkeiten, die das Mediationskonzept dem öffentlichen Sektor bietet, um die Aufgaben der Exekutive zu erledigen. Unbeachtet bleibt hierbei, welche Probleme und Chancen die Mediation der Verwaltungsgerichtsbarkeit bietet. Inwieweit die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine „verhandelnde Verwaltung“ noch wirksam kontrollieren kann oder ob sie gar selbst dem Mediationsverfahren zugänglich ist, ist an anderer Stelle behandelt worden.136 Das Mediationsverfahren, das hat die Untersuchung bisher gezeigt, ist eine Methode, die sich von einem richterlich geleiteten Vergleich ebenso unterscheidet wie von Schlichtungsinstrumenten und der Rechtsberatung137. 133  Pitschas

2002, 256. umfassenden Nachweisen Kaltenborn 2007; Appel 2008, Rn. 102. 135  Ähnlich Pitschas NVwZ 2004, 396. 136  Ziekow NVwZ 2004; von Bargen DVBl 2004; Walther ZKM 2005, ders. 2008 und 2008a; Ortloff ZKM 2002; ders. 2003; ders. NVwZ 2004; Pitschas 2008a; Clostermann / Josephi / Kleine-Tebbe / Niewisch-Lennartz / Vogelei SGb 2003; Härtel JZ 2005, 759 ff.; Seibert NVwZ 2008; zur Mediation in der Sozialgerichtsbarkeit Weitz 2008; Dürschke SGb 2001; Spellbrink SGb 2003; Schümann SGb 2005; Oehlmann SGb 2005. Zu lehrreichen Erfahrungen mit der gerichtsnahen Mediation (in der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit) Weitz 2008; (in Australien) Gottwald ZKM 2003. Zu Rechtmäßigkeit von gerichtsnahen Mediationen (Richtermediation) ohne Rechtsgrundlage Monßen 2006, 305 ff. Zu Regelungsbedürftigkeiten generell Sick 2006; Becker / Horn 2006 (mit Gesetzesvorschlägen). 137  Zum Strukturunterschied zwischen Mediation und Rechtsberatung Heintel 2005; Monßen 2006, 300 ff. 134  Mit

388

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Vielmehr stellt sich die Mediation als ein anders ansetzendes, namentlich als ein aktivierendes Instrument dar, das dem Paradigma des Neuen Steuerungsmodells der Verwaltungswissenschaften138 und den Vorgaben des aktivierenden Staates entspricht. Die Verwaltung kann sich dabei der Mediation grundsätzlich auf zwei Weisen bedienen. Entweder vermittelt sie in einem Konflikt selbst. Das entspricht einer Mediation durch den Hoheitsträger. Oder aber die Verwaltung lässt sich (als Konfliktbeteiligter) durch einen privaten Mediator vermitteln. Das entspricht einer Mediation mit dem Staat. Jedes Vorgehen weist dabei spezifische Probleme auf, die sich aus der geltenden Rechtslage ebenso ergeben (können) wie aus den mediativen Grundsätzen. Freilich lassen sich beide Konstellationen kombinieren. Ob und wie die Mediation im öffentlichen Sektor durch die Verwaltung genutzt wird, hängt von unterschiedlichen Zielen und Umständen ab. Rechtliche Bedenken und eventuell auch Grenzen tauchen insbesondere dann auf, wenn die Exekutive an einer Mediation teilnimmt bzw. teilnehmen möchte, die ein privater Konfliktmittler durchführt. Bei einer solchen Mediation mit der Verwaltung stehen einerseits kompetenzrechtliche Fragen in Rede, andererseits wirft die Beteiligung Privater Probleme der Unparteilichkeit hoheitlicher Entscheidungen auf. Dem verfassungsrechtlich gebundenen Hoheitsträger bietet das Öffentliche Recht dabei keine Hintertür für eine „Flucht ins Privatrecht“139. Soweit man davon ausgehen muss, dass verwaltungsrechtlichen Verfahrensteilen privatisiert werden, wenn ein privater Konfliktmittler bei Konflikten der Verwaltung vermittelt, bedürfen verfassungs- und verwaltungsrechtliche Fragen der Klärung. Insbesondere stehen die Abwägungsherrschaft und Letztentscheidungsverantwortlichkeit der Verwaltung im Fokus einer rechtlichen Begutachtung. Zudem sind die (Vor-) Prägungen eines Mediationsverfahrens nicht übersehbar und bedürfen einer rechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung.140 Von diesem Ausgangspunkt sind es nur wenige Schritte hin zu verfassungsrechtlichen Determinanten, denen sich eine privat geführte Mediation, 138  Das Konzept des Neuen Steuerungsmodells entwickelt sich seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Grundgedanke ist dabei, dass sich die Identität der Verwaltung des Staates aus dem Dienstleistungsgedanken herausbildet. Der Bürger rückt dadurch in der Vorstellungswelt der Verwaltung in die Nähe eines „Kunden“. Ausgangspunkt hoheitlicher Steuerung ist damit nicht mehr das juristisch abgesicherte und bürokratisch organisierte hierarchische Gefälle („Subordinationsverhältnis“), sondern angesichts der Zielvorstellungen wirkungsorientiertes unternehmerisches Management („Verwaltung als Dienstleistungsunternehmen“), vgl. Pitschas 2002, 243 f.; zu einzelnen Reformmodellen Klimecki 1998; praxisnah Wolf / Draf 1999, 171 ff.; anschaulich und zu Auswirkungen in der Kinder- und Jugendhilfeberatung Langer / Langer OSC 2008. 139  Pestallozza 1973. 140  Vgl. Appel 2008, Rn. 122, 38 ff.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation389

an der sich der Hoheitsträger freiwillig beteiligt, zu unterwerfen hat. Insbesondere die Strukturvorgaben der Rechtsstaatlichkeit und des Demokratieprinzips begrenzen staatliche Vorgehens- und Entscheidungsweisen, die sich auf die Handhabung und Möglichkeiten der Mediation im öffentlichen Sektor auswirken. Mag man angesichts des Anspruchs des aktivierenden Staates und infolge des Strukturwandels der Gesellschaft und dessen Rasanz auch den kooperativen und verhandelnden Staat für unumgänglich halten141, so stellt sich doch und im Grunde genommen umso dringender die Frage, welche Veränderungen und Konsequenzen das Verfahren der Mediation mit der Verwaltung anstehen (können). Es scheint gut möglich, dass sich Private im Wege der Mediation tatsächlich zu Partnern der Verwaltung entwickeln, wenn auch in einem begrenzten thematischen und zeitlichen Rahmen. Ob sich das Verwaltungsrecht solcher Verwaltungsmöglichkeiten oder gar -notwendigkeiten öffnet, öffnen kann oder bereits geöffnet ist, wird aufzuzeigen sein. Dabei geht es insbesondere um die Problematik, „inwieweit sich die Verantwortung des Staates für seine eigene Entscheidung verändert und verändern darf, wenn er die verfahrensmäßige Vorbereitung und Vorprägung der Entscheidung teilweise auf private Akteure überträgt“142. Notwendig könnte deshalb werden, ein (an den Funktionswandel auch sprachlich angepasstes) Gesamtkonzept von einem konsensualen Verwaltungsrecht auszuformulieren oder zumindest das Mediationskonzept für den öffent­ lichen Sektor weiter gesetzlich zu umhegen.143 Denn Mediation als Methode ist mehr als eine bloße „Pazifizierung von Protest“144, sondern ein ernst­ hafter Versuch, den komplexen Konflikten im Staat des einundzwanzigsten Jahrhunderts konstruktiv zu begegnen und sie zu nutzen, um den gemein­ samen Vorstellungen Gestalt zu verleihen. 1. Private Konfliktmittler in Mediationen mit staatlichen Stellen Die Möglichkeit, einen privaten Konfliktmittler im Verwaltungsverfahren hinzuziehen, ist stets überlegenswert, wenn die Suche nach einer allseits akzeptierten Verwaltungsentscheidung erfolglos bleibt. Die Mediation dient in diesem Fall nicht nur, ein drohendes Gerichtsverfahren abzuwenden, sondern vor allem die unmittelbar Betroffenen in die direkte und unmittel141  Zum Staatswandel und seiner Feststellung lesenswert Schuppert Der Staat 2008; Genschel / Leibfried Der Staat 2008, Walkenhaus 2006a. 142  Appel 2008, Rn. 104. 143  Pitschas NVwZ 2004, 398; Pitschas 2008c, 181 f.; Appel 2008, Rn. 131. 144  Appel 2008, Rn. 107.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

bare Kommunikation zu bringen oder sie darin zu halten und auf diese Weise (wieder) Kooperation im Interesse aller Betroffenen145 zu ermöglichen. Mediationen im öffentlichen Sektor weisen allerdings einige Besonderheiten gegenüber Mediationen im privaten Sektor auf146: Im Unterschied zur Mediation in Familien oder sonstigen privaten Bereichen endet eine Mediation – nach der hier vertretenen Konzeption – nicht mit einer justiziablen und schon gar nicht einer hoheitlichen Entscheidung. Mediationen im öffentlichen Sektor können Empfehlungen abgeben oder auch – mehr oder minder – konkrete Entscheidungsvorschläge unterbreiten. Sie können aber nicht die hoheitliche und demokratisch legitimierte Entscheidung der Behörde selbst treffen oder verbindlich vorgeben.147 Mediationen mit dem Hoheitsträger ersetzen damit nicht das klassische Verwaltungsverfahren. Mediationsverfahren reichern das Verwaltungsverfahren an und ergänzen es insoweit, als dass Entscheidungsprozess der Verwaltung, in dem Maße wie auch sie es für erforderlich hält, begleitet wird.148 Das bedeutet allerdings nicht, dass beide Verfahren, das Mediationsverfahren und das Verwaltungsverfah145  In einem Konflikt im öffentlichen Sektor, der auch von einem Verwaltungsverfahren umhegt und strukturiert wird, ist freilich auch stets das Interesse der Allgemeinheit betroffen, das freilich im Hoheitsträger seinen Vertreter findet. Eine Mediation im öffentlichen Sektor führt also nicht dazu, dass die Interessen der Allgemeinheit außen vor bleiben oder verkauft und eingetauscht werden, sondern lediglich, dass alle betroffenen Interessen beachtet werden. 146  Ramsauer / Holznagel 2002, Rn. 2 ff.; Zilleßen 2000. 147  Ebenso Kaltenborn 2007, 181; Zilleßen 2000, 135; Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 2; Schneider VerwArch 1996, 43 f. Analytisch betrachtet ist diese Aussage allerdings ungenau: Auch in privaten Mediationen ist die abschließende Mediationsvereinbarung der Medianten eine Sache und der Rechtsgehalt, den das Rechtssystem und seine Rechtsanwender daraus filtern, eine andere. Um allerdings auf verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen Mediation im öffentlichen Sektor aufkommen, beruhigend zu wirken, muss insbesondere darauf hingewiesen werden, dass Mediation im öffentlichen Sektor keineswegs das Verwaltungsverfahren anreichert oder gar verdrängt. Mediation ergänzt es lediglich. 148  Dazu auch Kap. E. II. 1. c) aa) sowie Kap. E. II. 1. d). Die ersetzende bzw. ergänzende Funktionsweise der Mediation wird durch die generelle Aufwertung des Verwaltungsverfahrensrechts ermöglicht, die Ausdruck steten Komplexitätszuwachses ist, Schulze-Fielitz 1993, 103; ders. DVBl 1994, 664; für das Planfeststellungsverfahren Siegel NuR 2002, 81. Für Mediationen im Umfeld von Verwaltungsverfahren werden üblicherweise drei Modelle unterschieden: Die vorlaufende Mediation findet zeitlich vor dem Beginn des Verwaltungsverfahrens statt, während die mitlaufende Mediation im selben Zeitraum stattfindet, Rüssel 2004, 144 ff.; Bonk 2008, 1596, Rn. 42c. Das Modell der selbstlaufenden Mediation findet insoweit unabhängig von der klassischen Vorgehensweise im Verwaltungsverfahren statt. Insoweit können Fragen des generellen Konfliktpotentials geklärt werden. Hier findet praktisch konfliktvermeidende Kommunikation im Gewande einer Mediation statt (sog. Data-Mediation etwa i. S. d. § 5 S. 2 ff UVPG), Holznagel / Ramsauer 2009, 20, 44 ff.; Härtel JZ 2005, 755.



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ren, nicht auch raum-zeitlich zusammenfallen können. Es ist durchaus möglich und oftmals praktikabel, wie die Erfahrungen im planfeststellungsrechtlichen Erörterungstermin zeigen149, dass dieser Termin so gestaltet wird, dass er die Voraussetzungen beider Verfahren aufweist.150 Insoweit handelt es sich bei Mediationen im öffentlichen Sektor um Planung im Sinne Luhmanns: Sie legt – rechtlich nicht bindende – Entscheidungsprämissen fest, um Entscheidungen treffen zu können.151 Ihr kommt im öffentlichen Sektor Komplementär-, nicht aber Surrogatfunktion zu.152 Häufig handelt es sich zudem um Konfliktlagen, bei denen mehr als nur zwei soziale Akteure miteinander konfligieren.153 Zudem stellt es keine Seltenheit dar, wenn die beteiligten Menschen lediglich als Vertreter von Interessengruppen auftreten, deren „Wille“ in eigenen Gremien und eigenen Verfahren ermittelt werden.154 So speist sich beispielsweise das Interesse eines Umweltverbandsvertreters gegen den Bau eines Großvorhabens mitunter sowohl aus persönlichen als auch aus Verbandsinteressen. Zudem vertreten die einzelnen sozialen Akteure unterschiedliche Interessen, die sich in einzelnen Punkten allerdings überlagern können. Generell trifft diese Tatsache auf jeden Amtswalter zu, der für den Hoheitsträger in einer Mediation die öffentlichen Interessen vertritt. Diesem vielschichtigen Interessengeflecht gerecht zu werden, ist keine einfache Aufgabe, weder für den privaten Mediator noch für die an vielfältig (ein-)gebundenen Verwaltungsbeamten. Solche Konfliktlagen im Wege von Verhandlungen zu bewältigen beansprucht von den Beteiligten ein hohes Maß an (persönlicher) „Streitkultur“155. Die Einschaltung eines privaten Konfliktmittlers wirkt tatsächlich entlastend156 und vermag mitunter, ohne das gewährleisten zu können, die Unparteilichkeit der Verwaltungsentscheidung sichern157. 149  Vgl.

Pünder 2006, 513; ders. DV 2005, 21 ff. 2009, Rn. 74 sprechen von Mediation innerhalb des Erörterungstermins. Sollte allerdings der Vermittler zugleich die Entscheidungshoheit über die Voraussetzungen des Erörterungstermins übertragen bekommen, was nicht zwingend nötig erscheint, handelte er in diesem Falle hoheitlich, so dass zumindest ein Fall der „Verwaltungshilfe“ vorliegt, wenn nicht schon einer der „Beleihung“. kritisch zu diesem Modell, weil es die Un- bzw. Allparteilichkeit der Mediatorenperson in Frage stellt Fehling 2001, 422. Dazu ausfrl. Kap. E. II. 1. c) aa). 151  Luhmann 1999, 635; Krause 2005, 207. 152  Bonk 2008, 1597, Rn. 42a. 153  Appel 2008, Rn. 105; vgl. zu Problemlagen bei multilateralen Interessenstrukturen Schneider VerwArch 1996. 154  Troja / Meuer 2005, 219. 155  Pünder DV 2005, 11. 156  Appel 2008, Rn. 104; zum multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis SchmidtPreuß 2005, 495 ff. 157  So auch Fehling 2001, 420. 150  Holznagel / Ramsauer

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Dennoch stellt eine solche Vorgehensweise der Verwaltung das tradierte Verständnis der Beziehungsstruktur zwischen Staat und privaten Akteuren in Frage. Im öffentlichen Sektor beansprucht die Mediation eben nicht nur ein Verfahren zur eigenständigen privaten Konfliktlösung zu sein, sondern auch eine Dienstleistung bei der hoheitlichen Aufgabenerfüllung. Sie stellt – unter diesem Aspekt betrachtet – jedenfalls eine Anreicherung des staatlichen Angebots für den Umgang mit Konflikten dar.158 Mediationsverfahren im öffentlichen Sektor werfen, gerade weil sie Ausfluss eines gewandelten Staatsverständnis sind, Rechtsfragen im Hinblick auf die gültige Gesetzeslage auf [dazu Kap. E. II. 1. b)]. Auf die statusrechtliche Situation des Konfliktmittlers, der in einer Mediation im öffentlichen Sektor vermittelt, wird im Anschluss daran eingegangen [dazu Kap. E. II. 1. c)]. Nun aber sollen einige – schon vorhandene – Räume aufgezeigt werden, die eine Mediation im öffentlichen Sektor ermöglichen. a) Räume im öffentlichen Sektor für private Konfliktmittlung Auch wenn das Mediationskonzept bisher nicht ausdrücklich im geltenden Verwaltungsverfahrensrecht Niederschlag gefunden hat, so bestehen gleichwohl bereits gesetzliche Tore, mit denen ein Mediationsverfahren realisierbar ist.159 Zur Analyse sind zwei Fragebereiche zu unterscheiden. Einerseits Fragen nach der Möglichkeit eines Mediationsverfahrens, die das Verwaltungsverfahren grundsätzlich gewährt. Daran schließt sich ein zweiter Fragekomplex, der sich auf die rechtliche Zulässigkeit bezieht. Fragen nach der Möglichkeit sind Fragen nach Räume für Mediation, die das geltende Recht mehr oder weniger ausdrücklich belässt. Denn das Mediationsverfahren ersetzt nicht die rechtlich vorgeschriebenen Entscheidungsverfahren der Verwaltung und Politik.160 Möglich ist allenfalls, dass die in diesen Entscheidungsverfahren vorgesehenen Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligungen in der Form eines Mediationsverfahrens durchgeführt werden. Generell allerdings ergänzt Mediation das Verwaltungsverfahren. Davon ist hier sogleich die Rede. Fragen nach der Zulässigkeit sind Fragen, ob das 158  Appel 2008, Rn. 106. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Anreicherung des Verwaltungsverfahrens. 159  Zu sog. „raumgebenden Normen und Prinzipien“ Rüssel 2004, 201–232; zum Normierungs- und Formalisierungsbedarf für Mediation im öffentlichen Sektor Pitschas 2008a, 174 f.; Rüssel 2004, 233 ff. Zu unterscheiden sind dabei die potentiellen Regelungsbereiche, ob Mediation erlaubt bzw. vorgeschrieben ist und wie diese selbst dann durchzuführen ist, (etwa Mediatorenauswahl, Finanzierung, Dauer, Örtlichkeiten etc.). Zum „Wie?“ existieren derzeit überhaupt keine Regelungen. 160  Troja / Meuer 2005, 220; vgl. auch Pünder DV 2005, 15 f. (für den Planfeststellungsbeschluss).



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Mediationsverfahren in einem konkreten Fall mit dem geltenden Recht vereinbar ist; z. B. ob es für seine Durchführung einer parlamentarischen Absicherung bedarf und ob verfassungsrechtliche Grundsätze oder sonstige Rechtssätze entgegenstehen. Diese Fragen werden anschließend behandelt. •  Die §§ 10, 24 Verwaltungsverfahrensgesetz eröffnen die generelle Möglichkeit, Mediationsverfahren im (allgemeinen) Verwaltungsverfahren durchzuführen.161 § 10 VwVfG / Bd. – Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. §  24  VwVfG / Bd. – Untersuchungsgrundsatz (1)  Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2)  Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. (3)  Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Zur Informiertheit, Transparenz und Akzeptanzsicherung erscheint es zweckmäßig und erlaubt, ein konstruktives und vor allem präventives Konfliktmanagement für komplexe Vorhaben im öffentlichen Sektor zu betreiben. Insoweit legt das Gesetz der Verwaltung eine einvernehmliche Konfliktbeilegung nah162, ohne diese ihr zu gebieten.163 Rechtsdogmatisch ist die Auslegung der Norm an den veränderten verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Kontextbedingungen hoheitlichen Handelns auszurichten. Insoweit wird – zu Recht – befürwortet, dass das Mediationsverfahren „zweckmäßig“ i. S. d. § 10 S. 2 VwVfG ist.164 161  So bereits Brohm DVBl 1990, 322; Pitschas NVwZ 2004, 399; Härtel JZ 2005, 758; Rüssel 2004, 207 ff.; Gornig 2006, 247 f. 162  So auch Pünder DV 2005, 16; ders. 2006, Rn. 10. 163  Kaltenborn 2007, 124  ff. geht der Frage nach, ob verfassungsrechtliche Grundsätze die Mediation im Verwaltungsverfahren gebieten und kommt zu einem ablehnenden Ergebnis. Weder das Demokratieprinzip, noch das Übermaßverbot und das Effizienz- und Effektivitätsgebote lassen ein Gebot zur einvernehmlichen Konfliktbeilegung erkennen. Eine entsprechende Rechtspflicht ließe sich auch nicht mit den Grundsätzen der Mediation vereinbaren. 164  Dieser Befund wird de facto durch die positiven Erfahrungen mit der gerichtsnahen bzw. -verbundenen Mediation bestätigt, vgl. dazu Weitz 2008 sowie die Falldarstellungen bei Clostermann, G. / Josephi, K. / Kleine-Tebbe, A. / Niewisch-Lennartz, A. / Vogelei, C. SGb 2003.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Die Zweckmäßigkeit richtet sich freilich nach der jeweiligen Aufgabe, die die Exekutive zu erfüllen hat. Nicht für jede Verwaltungsentscheidung ist eine Mediation zweckmäßig. Je umfänglicher allerdings der Sachverhalt ist und je intensiver die Entscheidung in Interessenbereiche berührt, desto bedeutender wird eine unmittelbare Kommunikation mit den Beteiligten und ein präventives Konfliktmanagement, wenn langwierige Gerichtsprozesse und nicht wieder rückgängig zu machende Tatsachen vermieden werden sollen. Generell lässt sich sagen, dass die gewandelten Kontextbedingungen, die von Unüberschaubarkeit sowohl hinsichtlich der Bedingungen als auch der möglichen Konsequenzen geprägt sind, gerade dazu führen, dass vorab direkte und unmittelbare Kommunikation mit allen Beteiligten vonnöten ist. § 24 VwVfG ermöglicht es der Verwaltung, entsprechend den Anforderungen des Einzelfalles vorzugehen und gegebenenfalls in eine Mediation münden zu lassen.165 Sie stellt eine geeignete Variante dar, um den aktuellen Sachverhalt (Interessen) zu ermitteln, mögliche Konsequenzen abzuschätzen und Konflikte zu vermeiden und statt dieser Kooperation zu ermöglichen.166 •  Wenn auch nicht ausdrücklich, so soll doch nach der gesetzgeberischen Intention § 4 b Baugesetzbuch Raum für private Verfahrensmittler geben.167 § 4b BauGB – Einschaltung eines Dritten Die Gemeinde kann insbesondere zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens die Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten nach den §§ 2a bis 4a einem Dritten übertragen.

Die Norm ermöglicht es Kommunen, für einzelne Verfahrensschritte bei der Bauleitplanung einen unterstützenden „Dritten“ zu beauftragen, insbesondere zur Beschleunigung der Bürgerbeteiligung und der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange. Für den Abwägungsprozess bei der Bauleitplanung bietet sich Mediation an.168 165  Bonk

2008, 1595, Rn. 42d. Bonk 2008, 1595, Rn. 42a; Gornig 2006, 248 weist zu Recht darauf hin, dass die Sachverhaltsermittlung gleichwohl alleinige Aufgabe der Behörde bleibt. 167  Vgl. BT-Drucks. 13 / 6392, S. 47 („§ 4 b sieht die Möglichkeit der Gemeinden vor, insbesondere zwecks Beschleunigung der Beteiligungsverfahren einen Projektmittler einzuschalten, der an ihrer Stelle die Koordination, Vorbereitung und Durchführung der einzelnen Verfahrensschritte übernimmt … Im anglo-amerikanischen Recht hat sich der Einsatz von Projekt- und Verfahrensmittlern weitgehend etabliert und trägt dort zur Beschleunigung der Planungsverfahren und zur Senkung der Verfahrenskosten bei.“); ähnlich Kaltenborn 2007, 111, 116 m. w. N.; Rüssel 2004, 226 ff.; Appel 2008, Rn. 109, Fn. 354; a. A. Krebs 2008, Rn. 117; ihm folgend Remmert 2003, 75. 168  Gornig 2006, 250, 252. 166  Ebenso



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•  Ebenfalls erlaubt § 5 S. 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, dass im Scoping-Verfahren ein „Dritter“ hinzugezogen werden darf, um den Untersuchungsrahmen abzustimmen.169 § 5 UVPG – Unterrichtung über voraussichtlich beizubringende Unterlagen Sofern der Träger eines Vorhabens die zuständige Behörde vor Beginn des Verfahrens, das der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens dient, darum ersucht oder sofern die zuständige Behörde es nach Beginn des Verfahrens für erforderlich hält, unterrichtet diese ihn entsprechend dem Planungsstand des Vorhabens und auf der Grundlage geeigneter Angaben zum Vorhaben frühzeitig über Inhalt und Umfang der voraussichtlich nach § 6 beizubringenden Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens; § 14f Abs. 3 ist zu beachten. Vor der Unterrichtung gibt die zuständige Behörde dem Träger des Vorhabens sowie den nach § 7 zu beteiligenden Behörden Gelegenheit zu einer Besprechung über Inhalt und Umfang der Unterlagen. Die Besprechung soll sich auch auf Gegenstand, Umfang und Methoden der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie sonstige für die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung erhebliche Fragen erstrecken. Sachverständige und Dritte können hinzugezogen werden. Verfügen die zuständige Behörde oder die zu beteiligenden Behörden über Informationen, die für die Beibringung der Unterlagen nach § 6 zweckdienlich sind, sollen sie diese Informa­ tionen dem Träger des Vorhabens zur Verfügung stellen.

Indem der Gesetzgeber den „Dritten“ ausdrücklich neben dem „Sachverständigen“ benennt, ist die Norm bewusst ausladend gefasst worden, um eine an den praktischen Erfordernissen orientierte Gestaltung des ScopingVerfahrens zu ermöglichen. Insoweit erlaubt die Norm einen privaten Dritten einzuschalten. Bereits in dieser frühen Phase eines konfliktträchtigen Planungs- und Genehmigungsverfahrens einen allparteilichen Konfliktmittler einzuschalten, ist auch sinnvoll, damit etwaige Konfliktsituationen frühzeitig erkannt und bearbeitet werden können, die zwischen der Behörde, dem Vorhabenträger sowie Drittbetroffenen entstehen können.170 • Auch im Falle des § 13 Abs. 3 und Abs. 4 des Bundesbodenschutzgesetzes zeigt sich die Möglichkeit, einen „Dritten“ einzubeziehen, wodurch die Möglichkeit geschaffen ist, einen privaten Konfliktmittler zu beauftragen.171 Im Rahmen des Sanierungsplans bzw. Sanierungsvertrags vermag der Mediator den erforderlichen Interessenausgleichs zu unterstützen. § 13 BBodSchG – Sanierungsuntersuchungen und Sanierungsplanung (1)  Bei Altlasten, bei denen wegen der Verschiedenartigkeit der nach § 4 erforderlichen Maßnahmen ein abgestimmtes Vorgehen notwendig ist oder von denen auf 169  Dazu Rüssel 2004, 229 f.; Zilleßen 2009, Rn. 46 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass es nicht darum, dass lediglich ein Termin von einem allparteilichen Dritten geleitet wird, sondern, dass Mediation ein Kommunikationsprozess ist, der sich über einen gewissen Zeitraum entwickelt. 170  Ebenso Kaltenborn 2007, 117; Gornig 2006, 251. 171  Appel 2008, Fn. 354.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Grund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, soll die zuständige Behörde von einem nach § 4 Abs. 3, 5 oder 6 zur Sanierung Verpflichteten die notwendigen Untersuchungen zur Entscheidung über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen (Sanierungsuntersuchungen) sowie die Vorlage eines Sanierungsplans verlangen … (2) … (3) Wer nach Absatz 1 einen Sanierungsplan vorzulegen hat, hat die nach § 12 Betroffenen frühzeitig, in geeigneter Weise und unaufgefordert über die geplanten Maßnahmen zu informieren. § 12 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. (4)  Mit dem Sanierungsplan kann der Entwurf eines Sanierungsvertrages über die Ausführung des Plans vorgelegt werden, der die Einbeziehung Dritter vorsehen kann. (5) …

•  Ebenso wird vertreten, dass sich der Projektmanager i. S. d. § 2 Abs. 2 3 Nr. 5 der Neunten Verordnung zur Durchführung des BundesImmissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren) in der Rolle eines Mediators engagieren ließe.172 § 2 der 9. BImSchVO – Antragstellung (1) Der Antrag ist von dem Träger des Vorhabens bei der Genehmigungsbehörde schriftlich zu stellen. Träger des Vorhabens kann auch sein, wer nicht beabsichtigt, die Anlage zu errichten oder zu betreiben. (2) Sobald der Träger des Vorhabens die Genehmigungsbehörde über das geplante Vorhaben unterrichtet, soll diese ihn im Hinblick auf die Antragstellung beraten und mit ihm den zeitlichen Ablauf des Genehmigungsverfahrens sowie sonstige für die Durchführung dieses Verfahrens erhebliche Fragen erörtern. Sie kann andere Behörden hinzuziehen, soweit dies für Zwecke des Satzes 1 erforderlich ist. Die Erörterung soll insbesondere der Klärung dienen, 1.  welche Antragsunterlagen bei Antragstellung vorgelegt werden müssen, 2.  welche voraussichtlichen Auswirkungen das Vorhaben auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft haben kann und welche Folgerungen sich daraus für das Verfahren ergeben, 3. welche Gutachten voraussichtlich erforderlich sind und wie doppelte Gutachten vermieden werden können, 4. wie der zeitliche Ablauf des Genehmigungsverfahrens ausgestaltet werden kann und welche sonstigen Maßnahmen zur Vereinfachung und Beschleunigung des Ge172  Ausfrl. Kaltenborn 2007, 116 f.; Seibert NVwZ 2008, 369; Spindler DVBl 2008, 1025; Rüssel 2004, 231 f. Beachtlich ist aber der Rollenunterschied eines Projektmanagers zu einem Mediator. Während der Projektmanager erfolgsorientiert arbeitet und insoweit als Privatperson die Unparteilichkeit hoheitlicher Entscheidung in Frage stellt, obgleich seine Vorzüge diese Gefahr in Kauf nehmen lassen können, stellt sich diese Gefahr bei einem Mediator nicht. Vielmehr schafft ein Konfliktmittler Voraussetzungen für einen unparteilichen Interessenausgleich durch den Hoheitsträger, dazu Fehling 2001, 272 f., 420.



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nehmigungsverfahrens vom Träger des Vorhabens und von der Genehmigungsbe­ hörde getroffen werden können, 5. ob eine Verfahrensbeschleunigung dadurch erreicht werden kann, dass der behördliche Verfahrensbevollmächtigte, der die Gestaltung des zeitlichen Verfahrensablaufs sowie die organisatorische und fachliche Bestimmung überwacht, sich auf Vorschlag oder mit Zustimmung und auf Kosten des Antragstellers eines Projektmanagers bedient, 6. …

Da Projektmanagement und Mediation allerdings unterschiedliche Aufträge für private Dritte darstellen173, sollten die Unterschiede und Vorzüge des gesetzlich vorgesehenen Projektmanagements zur Aufgabenbewältigung nicht aus den Augen verloren werden. Dies gilt auch dann, wenn sich der Projektmanager mediativer Elemente zur gegebenenfalls erforderlichen Konfliktvermeidung bedient. Darüber hinaus dürften die gesetzlich vorgesehenen Zahlungsmodalitäten für einen Projektmanager nicht mit den mediativen Grundsätzen im Einklang stehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Begriff des „Dritten“ in umwelt- und planungsrechtlichen Gesetzen keineswegs nur auf Personen verweist, die durch ihre Fachkenntnisse zum Gelingen der Planungsvorhaben beitragen können. Da es dem Gesetzgeber darum geht, generell die Planung und Durchführung zu sichern, sind auch diejenigen Personen samt ihrer Kenntnisse einbeziehbar, die sich auf kommunikative Prozesse spezialisiert haben und wichtige Beiträge zum Gelingen eines Planungsprojektes beitragen können. Je umfassender und komplexer die Personal- und Kommunika­ tionsstruktur ist, desto weniger sind derartige Kenntnisse untergeordnete Beiträge, sondern wachsen zu Grundbedingungen des Gelingens schlechthin. •  Generell im Regelungsbereich umweltrelevanter Vorhaben belässt das Recht Räume für Mediation, in denen vielseitige und aus der Sicht der Mediation ermutigende Erfahrungen eingeholt wurden.174 Mediationsverfahren sind hier vorstellbar bei Lärmbelästigungen und sonstigen Nachbarschaftskonflikten.175 Für Bauvorhaben, bei denen es um eine Standortsuche 173  Zum Projektmanagement als Instrument des Neuen Steuerungsparadigmas in der öffentlichen Verwaltung Schelle 1996, zum systemischen Projektmanagement Boos 1992. 174  Lesenswert Hill DÖV 1994; für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren Trieb 1997, 100 f.; zum immissionsschutzrechtlichen Widerspruchsverfahren Maaß VerwArch 1997, 711 f.; zum Erfahrungsschatz in ‚Umweltmediationen‘ aus der Sicht der Mediation Meuer / Troja ZKM 2004; Hehn 2004; Zilleßen 1998a; ders. 2000; ders. 2009, Rn. 52 (umfangreiche Tabelle mit allen relevanten Umweltrechtsmaterien); Kienast 2000; Trillmich NuR 2007; Flucher 2000 (für Österreich); Sellnow 2000 (für Österreich). 175  Vgl. Meuer / Troja ZKM 2004, 78.

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für lokal unerwünschte Nutzungen geht176, eignet sich das Mediationsverfahren zwischen dem Vorhabenträger und den Vorhabenbetroffenen ebenso, um frühzeitig deren Interessenlage auszuloten und das Vorhaben daraufhin abzugleichen. Beispielhaft seien hier Abfallentsorgungsanlagen genannt, aber auch Flughafennutzungen und Trassenführungen. Im direkten Gespräch zeigt sich schnell, dass auf beiden Seiten nicht zwingend Totalvorbehalte bestehen, sondern solche oftmals Folge von vormaliger destruktiver Kommunikation sind.177 Das zeigt sich beispielsweise in den stark formalisierten Planfeststellungsverfahren. Hier werden die Betroffenen erst eingeschaltet, wenn sich Vorhabenträger und Behörde (erstmals) einig sind, so dass die Betroffenen mit ihren Einwendungen gegen das Vorhaben bereits strukturell als „Störenfriede“ zu dem Verfahren hinzugezogen werden. Das vorgesehene Verwaltungsverfahren züchtet sich auf diese Weise selbst Konfliktsituationen heran, die es späterhin vor Gericht zu bearbeiten gilt.178 Konfliktmittler könnten hier tatsächlich eine sinnvolle Umstellung der praktischen Verfahrensorganisation darstellen.179 Gerade für solche Verwaltungsverfahren bietet Mediation die Möglichkeit an, das Verfahren (vorab) kooperativ und offen gegenüber den gesellschaftlichen Interessen anzustreben bzw. einzuleiten, um auf diesem Wege eine zügige Entscheidung und gegebenenfalls Akzeptanz zu sichern.180 Erprobt sind insbesondere die Anhörungsverfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung und Erörterungstermine im Planungs- und Zulassungsrecht etwa nach §§ 72 ff VwVfG.181 Diese erfüllen 176  So führen beispielsweise Bauvorhaben für Kindergärten, Alten- und Behindertenheime sowie auch Asylantenheime oder Moscheen regelmäßig zu Konflikten. 177  Dazu und zum folgenden Zilleßen 1998b; Perschel 2002, 249. 178  Um den frustrierenden Erfahrungen eines derartig organisierten Erörterungstermins zu entgehen, wird auf bundesrechtlicher Ebene seit dem Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben (BGBl 2006, 2833 (2007, 691) ein Erörterungstermin in das Ermessen der Behörde gestellt, vgl. etwa § 14 a Nr. 5 S. 1 Bundeswasserstraßengesetz; § 43 a Nr. 5 S. 1 Energiewirtschaftsgesetz; § 18 a Nr. 5 S. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz; § 17 a Nr. 5 S. 1 Fernstraßengesetz; § 2 Nr. 5 S. 1 Magnetschwebebahnplanungsgesetz. Die Behörde unterlässt praktisch den Erörterungstermin, sofern keine Befriedung der Beteiligten zu erwarten ist. Davon ist durch die Verfahrensstruktur regelmäßig auszugehen und entspricht der tatsächlichen Erfahrung. 179  Ebenso und zu den Schwächen des Planfeststellungsverfahren ausführlich Pünder DV 2005, 1 ff. 180  Pünder DV 2005, 1 ff.; Wagner / Engelhardt NVwZ 2001; Siegel NuR 2002, 80 f. 181  Ausfrl. dazu Bredemeier 2007, 123 ff.; Hehn 2004, Rn. 11 ff.; Kaltenborn 2007, 49, 112; Holznagel Jura 1999; vgl. auch Trillmich NuR 2007; anders offenbar Gornig 2006, 245. Bei umweltrelevanten Großvorhaben lassen sich generell drei Phasen unterscheiden. In der ersten Phase verhandelt der Vorhabenträger mit der zuständigen Behörde vor dem förmlichen Verwaltungsverfahren (informelle Ver-



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auch in ihrer aktuellen rechtlichen Formalisierung wesentliche Anliegen des aktivierenden Staates, obschon ihre praktische Umsetzung diesbezüglich freilich Wünsche offen lässt.182 §  73 VwVfG / Bd. – Anhörungsverfahren (1)  Der Träger des Vorhabens hat den Plan der Anhörungsbehörde zur Durchführung des Anhörungsverfahrens einzureichen. Der Plan besteht aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen. (2)  … [Stellungsnahmeverpflichtung betroffener Behörden, S. W.] (3)  … [Auslegungspflichten der Gemeinden, S. W.] (3a) … (4) … [Möglichkeit für rechtlich Berührte, Einwendungen gegen den Plan zu erheben, S. W.] (5)  Die Gemeinden, in denen der Plan auszulegen ist, haben die Auslegung vorher ortsüblich bekannt zu machen … (6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist hat die Anhörungsbehörde die rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen den Plan und die Stellungnahmen der Behörden zu dem Plan mit dem Träger des Vorhabens, den Behörden, den Betroffenen sowie den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zu erörtern. Der Erörterungstermin ist mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen. Die Behörden, der Träger des Vorhabens und diejenigen, die Einwendungen erhoben haben, sind von dem Erörterungstermin zu benachrichtigen. Sind außer der Benachrichtigung der Behörden und des Trägers des Vorhabens mehr als 50 Benachrichtigungen vorzunehmen, so können diese Benachrichtigungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch handlungen). Die zweite Phase, das förmliche Verwaltungsverfahren, zeichnet sich dadurch aus, dass betroffene Behörden sowie die Öffentlichkeit beteiligt werden. Sie dürfen – erst jetzt (!) – Stellung nehmen und Einwendungen vorbringen. Regelmäßig wird ein Erörterungstermin durchgeführt. Soweit durch diese Phase kein Gleichklang hergestellt werden kann, gelangt das Vorhaben in die dritte Phase, dem Verwaltungsgerichtsverfahren, in dem abschließend über die Durchführung anhand seiner Rechtmäßigkeit entschieden wird. Zu den Schwächen dieses Verfahrens Pünder DV 2005, 2 ff. Eine Mediation dient (egal in welcher Phase) dazu, die ‚passende Rechtsentscheidung‘ zu finden und stellt nicht das hoheitliche Verfahren selbst dar, vgl. Kaltenborn 2007, 115. 182  Dazu Hehn 2004, Rn. 11 ff.; s. auch die Darstellung von Niehues 1995. Die Konfliktbehandlung stellt sich hier eher als Moderation dar, denn als Mediation. Um das zu ändern, benötigt die zuständige Behörde Personal, das in Vermittlungsarbeit geschult ist, soweit sie nicht einen privaten Vermittler engagiert. Aus mediativer Sicht erscheint es höchst problematisch, dass der Behördenmitarbeiter selbst als Mediator in den Erörterungs- und Anhörungsterminen tätig wird, ähnlich Kaltenborn 2007, 52. Wie bereits ausgeführt, zielen die Beschleunigungsgesetze eher darauf, den Erörterungstermin in das Ermessen der Behörde zu stellen, statt ihn als Chance zu begreifen und anders zu organisieren als bisher. Stattdessen wird auf den Erörterungstermin verzichtet, wenn keine Befriedung zu erwarten ist.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

bewirkt, dass abweichend von Satz 2 der Erörterungstermin im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Anhörungsbehörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht wird, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird; maßgebend für die Frist nach Satz 2 ist die Bekanntgabe im amtlichen Veröffentlichungsblatt. Im Übrigen gelten für die Erörterung die Vorschriften über die mündliche Verhandlung im förmlichen Verwaltungsverfahren (§ 67 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 1 und 4 und Abs. 3, § 68) entsprechend. Die Erörterung soll innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Einwendungsfrist abgeschlossen werden. (7) … (8) … (9)  Die Anhörungsbehörde gibt zum Ergebnis des Anhörungsverfahrens eine Stellungnahme ab und leitet diese möglichst innerhalb eines Monats nach Abschluss der Erörterung mit dem Plan, den Stellungnahmen der Behörden und den nicht erledigten Einwendungen der Planfeststellungsbehörde zu.

Gleichwohl erscheint es in diesem Zusammenhang praktisch, dass vor dem juristisch vorgesehenen Verfahren Vorverhandlungen im Design einer Mediation durchgeführt werden. Solche vorgelagerten Verhandlungen sind zwar nicht gesetzlich vorgesehen, aber grundsätzlich zulässig183. Kaum erprobt, aber der Mediation offen steht auch das förmliche Verwaltungsverfahren nach §§ 63 ff VwVfG, das auch durch die Grundsätze der Nichtförmlichkeit, Einfachheit und Zweckmäßigkeit geprägt ist.184 Selbst im Verfahren des öffentlich-rechtlichen Vertrages nach §§ 54 ff VwVfG lassen sich Räume für Mediationen ausmachen. Nach Franzen185 dürfte es „auf der Linie des Gewährleistungsstaates liegen“, durch „ein aktives Interessenmanagement“ das rigide Zustimmungserfordernis des § 58 I VwVfG gegen ein Mediationsverfahren einzutauschen. Ob tatsächlich ein Austausch notwendig ist, braucht hier nicht abschließend beurteilt werden. Doch scheint in jedem Falle der Weg direkter Kommunikation unter Entscheidungsträgern der Vorzug zu gebühren.186 •  Auch während sozialrechtlicher Verwaltungsverfahren könnte die Mediation dazu dienen, Konflikte mit unterschiedlichsten Beteiligten zu behandeln.187 Im Gesundheitswesen sind ganz ähnlich vielschichtige Konfliktebenen denkbar, in denen vermittelnd interveniert werden kann, um den praktischen Anforderungen und Problemlagen dieser äußerst heiklen Materie 183  Ebenso Perschel 2002, 248; zu den Grenzen der Verfahrensgestaltung BVerwGE 75, 214, 231, wobei es in dieser Entscheidung nicht um Mediation geht. 184  Vgl. Kaltenborn 2007, 43 ff. 185  Franzen VerwArch 2008, 377. 186  Im Ergebnis ebenso, wenn auch skeptisch gegenüber der Mediation im öffentlichen Sektor Gornig 2006, 251. 187  Kilger ZKM 2001; ders. 2009; ders. 2004.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation401

gerecht zu werden.188 Ob es tatsächlich möglich ist, eine vollständige Mediation durchzuführen oder lediglich Raum für einzelne Elemente des mediativen Verfahrens zu nutzen, bleibt dabei jeweils einer Prüfung des konkreten Konfliktes vorbehalten. Bei Konflikten in Schulen, beispielsweise zwischen der Lehrer- und Schülerschaft oder zwischen Lehrer- und Elternschaft, sind Mediationen (auch durchgeführt durch die Aufsichtsbehörde oder im Einzelfall auch Lehrer anderer Schulen) denkbar und auch praktisch zu verwirklichen. Die Erfahrungen mit „Schulmediation“ sind reichhaltig.189 Generell auf der kommunalen Ebene kann Mediation Verwendung finden, um etwa in Konflikten zu vermitteln, die im Zuge des Verwaltungswandels durch das Neue Steuerungsmodell oder generell durch die Aktivierungstendenzen entstehen.190 •  Selbst das durch das Bundesverfassungsgericht entwickelte Koopera­ tionsmodell im Versammlungsrecht eignet sich zur mediativen Konfliktbehandlung im Vorfeld der Versammlung, um konfligierende Interessen einvernehmlich zu befriedigen.191 •  Ebenso scheint es bei anstehenden (konfliktären) Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst möglich, im Design einer Mediation Konfliktund Klärungsgespräche zu führen. Dies bietet sich etwa an, wenn ohnehin gesetzlich vorgesehen ist, den Kreis der Beteiligten und Mitspracheberechtigten zu erweitern, vgl. etwa §§ 78 ff. Bundespersonalvertretungsgesetz.192 Dies stellt nur eine Auswahl dar, in denen bereits nach aktueller Rechtslage Konflikte im öffentlichen Sektor durch das Verfahren der Mediation deeskalierend und interessengerecht behandelt werden können. Entscheidend und zu beachten bleibt gerade bei derartigen Neuerungen im Vorgehen, dass sie selbst Konfliktpotential mit sich bringen bzw. eine Projektionsfläche darstellen, an der Frust-, Ärger- und sonstige Unmutsgefühle ausagiert werden können. Deshalb sind Mediationsverfahren behutsam einzuführen und stets in Absprache mit allen Betroffenen. Die Autonomie der Beteiligten ist besonders ernst zu nehmen und kommunikativ zu achten. 188  Zum Ganzen Ewig 2009; Kaiser ZKM 2000; nahezu resignierend Meyer ZKM 2000. 189  Mediation und Konfliktmanagement in der Schule ist mittlerweile ein anerkanntes Modell, vgl. Davenport 2000; Mickley 2000; Ehninger / Perlich / Schuster 2007. 190  Dazu ausfrl., wenn auch Mediation anders konnotiert Pitschas 2002a. 191  Das bundesverfassungsgerichtlich begründete Kooperationsgebot (BVerfGE 69, 315, 355 ff.) zumindest als Raum für wechselseitig abgestimmte Arrangements zwischen der Behörde und den Privaten anerkennend Hoffmann-Riem 2006, Rn. 119 f. Deutlich dürfte sein, dass bei entsprechend problem- und konfliktträchtigen Gesprächen ein (privater) Mediator unterstützend wirken könnte. 192  Dazu Bonk 2008, Rn. 42 d.

402

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Dass letztlich von den Mediationsverfahren nicht nur das Verwaltungsverfahren und dessen Ressourcen profitieren, sondern auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit ihren Belastungssyndromen, bedarf hier nur dieser knappen Erwähnung.193 Soll darüber hinaus das Mediationsverfahren stärker im Verwaltungsverfahren und dessen Umfeld angewendet werden, rückt die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Verfahrens angesichts verfassungs- und verwaltungsverfahrensrechtlicher Grenzen weiter in den Vordergrund. b) Rechtmäßigkeit privater Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor Damit ein Mediationsverfahren in und im Umfeld von Verwaltungsverfahren stattfinden kann, bei denen der Hoheitsträger als Mediant teilnimmt, muss diese Vorgehensweise mit dem geltenden Recht vereinbar sein. Zwar kann – angesichts der unstrittigen Regelungen im Verwaltungsvertragsrecht194, im Planfeststellungsrecht sowie dem allgemeinen Zweckmäßigkeitsgrundsatz – heutzutage nicht mehr ernsthaft an der grundsätzlichen Zulässigkeit mittlerunterstützter Aushandlungsprozesse im modernen Verwaltungsverfahrensrecht gezweifelt werden.195 Jedoch müssen auch die Gefahren betrachtet werden, die die Mediation für verfassungsrechtliche Garantien und Grundrechte Einzelner darstellt. Hinzu kommt, dass auch bei grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Zulässigkeit von Mediation einfachgesetzliche Vorgaben materieller oder formeller Natur ausgehebelt und unbeachtet bleiben können. Gegebenenfalls bedarf es hier parlamentarischer Aktivität, um Mediation im Verwaltungsrecht gesetzlich zu etablieren.196

193  Pitschas NVwZ 2004, 401. In Gerichtsbarkeit selbst wird die Mediation zunehmende mehr angewendet, weil ihre Vorzüge selbst in gerichtsnahen Mediationen greifen und zu spürbaren Entlastungen führen, ausfrl. zur gerichtsnahen Mediation in der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit Weitz 2008. 194  Zur Konfliktlösung durch Verwaltungsverträge Kaltenborn 2007, 64 ff. 195  So kommen alle ausführlichen Untersuchungen zu der Frage, ob Mediation im öffentlichen Sektor rechtmäßig ist, zu einer positiven Antwort. Etwa Engelbert 1995; Tomerius 1995; Sünderhauf 1997, 97 ff.; Schillinger 2003; Vetter 2004; Kaltenborn 2007, 121 ff.; Rüssel 2004. Von „erheblichen Schwierigkeiten“ spricht gleichwohl Görnig 2006, 245, der jedoch sowohl Recht als auch Mediation polarisierend und nach hier vertretener Ansicht verflachend konzeptualisiert. 196  Ebenso Appel 2008, Rn. 124.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation403

aa) Das Rechtsstaatsprinzip als Rechtmäßigkeitsmaßstab Das in Art. 20 I, III, 28 GG formulierte Rechtsstaatsprinzip beinhaltet mehrere Aspekte.197 Aus ihm fließt nicht nur der Grundsatz der Gewaltenteilung und die grundrechtliche Freiheitssphäre, sondern auch die Anforderung, dass staatliches Handeln messbar sein muss.198 Diese Messbarkeit staatlichen Handelns wiederum weist eine formale und eine materielle Komponente auf. Formal ist Staatshandeln messbar, wenn es gegen bestehende Gesetze nicht verstößt (sog. Lehre vom Gesetzesvorrang199). Handelt der Staat überdies in Bereichen, die grundrechtsrelevant sind oder sonst wesentlichen Charakter aufweisen, wird diese formale Komponente dadurch ergänzt, dass es handlungsleitender Gesetze bedarf (sog. Lehre vom Gesetzesvorbehalt).200 Eine solche Ermächtigungsgrundlage ist ein Gesetz, das auf seiner Rechtsfolgenseite entsprechendes Handeln konkret vorsieht (Befugnis) und dieses an bestimmbare Voraussetzungen (Tatbestand) knüpft. Der Gesetzesvorrang gilt für jedes (Staats-)Handeln, der Gesetzesvorbehalt nur für wesentliches Staatshandeln.201 Materiell bedeutet der Grundsatz von der Messbarkeit staatlichen Handelns, dass das Vorgehen des Staates inhaltlich nachvollziehbar202 ist, nicht willkürlich203 und stets angemessen204. Will man das Handeln des Staates in der Mediation auf seinen rechtsstaatlichen Charakter prüfen, ist es zu untergliedern: Zum einen geht es um das staatliche Handeln, das sich zu einer Mediation entschließt, sie selbst anregt, organisiert oder eine entsprechende Einladung annimmt. Zum anderen geht es um das staatliche Handeln während der Mediation. Und als drittes geht es um das Staatshandeln, das sich als mögliche Konsequenz aus der Mediation ergibt. Dieses hat allerdings nichts mehr mit der Rechtmäßigkeit der Mediation zu tun, sondern ist eine Frage der behördlichen Umsetzung mediativ erlangter Absprachen. 197  Zur

Verortung des Rechtsstaatsprinzips im Grundgesetz Dederer 2004, 400. Sachs 2009, Rn. 77 f.; Sommermann 2005, Rn. 229 ff., insb. 239. 199  Unklar bis fehlerhaft Schillinger 2003, 76  f., mit falschem Verweis auf Schnapp 2001, Rn. 46. 200  Zur – vom Bundesverfassungsgericht entwickelten – Wesentlichkeitstheorie: BVerfGE 33, 125, 158 ff. (Facharztentscheidung); BVerfGE 47, 46, 78 ff. (Sexualkundeentscheidung); BVerfGE 49, 89, 126 (Kalkarbeschluss); s. auch Schnapp 2001, Rn. 47, 56. Zum Umbruch der Lehre vom Gesetzesvorbehalt: Hoffmann-Riem AöR 2005. 201  Bezogen auf die Exekutive spricht man hier von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. 202  Sachs 2009, Rn. 123, 126. 203  Sommermann 2005, Rn. 305. 204  BVerfGE 7, 377, 405, 407 f.; Sommermann 2005, Rn. 308 ff.; Sachs 2009, 145 ff.; Schmidt-Aßmann 2004a, Rn. 87 ff. 198  Vgl.

404

E. Mediation und Transaktionsanalyse

(1) Der Vorrang des Gesetzes Alles Handeln des Staats muss im Rahmen der gesetzlichen Grenzen stattfinden. Staats- und insbesondere Verwaltungshandeln ist an die bestehenden Gesetze gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG.205 Strukturell unterscheidet diese Tatsache den Hoheitsträger keineswegs vom Bürger, der sich auch an die – ihn betreffenden – Gesetze zu halten hat. Generell ist die Feststellung, dass Adressaten der Gesetze sich an diese Gesetze zu halten haben nicht viel mehr als eine Selbstverständlichkeit – und wird dennoch in der verwaltungsrechtlichen Literatur zur Mediation stets betont.206 Ganz so, als ob das Mediationsverfahren dazu verleiten könnte, gesetzliche Vorgaben auszuhebeln oder selbst eine Ausnahme dazu darstellen würde.207 Das Mediationsverfahren ist aber generell nicht geeignet, Interessen einseitig und selektiv wahrzunehmen. Eine entsprechende Annahme diesbezüglich beruht auf einem Missverständnis von Mediation, das diese zu Unrecht in die Nähe von faktisch bindenden Vorabsprachen rückt.208 Mediation soll gerade die tatsächlich berührten Interessen klären und in einen Raum für alle Entscheidungsträger sichtbar zusammenführen. Die gesetzliche Vorgabe, einen Interessenausgleich zu garantieren, wird also durch Mediation nicht umgangen, sondern gefördert. Man mag sich darüber gleichwohl uneinig sein, ob Mediation informales bzw. informelles209 Verwaltungshandeln 205  Zur Gesetzesbindung der Verwaltung aus systemtheoretischer Sicht lehrreich Vesting 2008, Rn. 34 f., der zutreffend erkennt, dass es sich tatsächlich um eine Selbstbindung handelt – und immer gehandelt hat. Die Verwaltung bindet sich in einem prozesshaften Geschehen, das sich nie wiederholt, selbst, obwohl sie auch in jedem einzelnen Fall anders hätte handeln können. 206  Kaltenborn 2007, 146. 207  Kunig 1990, 58; Steinberg 1990, 299 f.; s. dazu Sünderhauf 1997, 136. Freilich ist ein Mediationsverfahren nur sinnvoll, wenn die Verwaltung noch keine Entscheidung getroffen hat. Das bedeutet aber nicht, dass ein Mediationsverfahren unsinnig ist, wenn die zugrunde liegende Rechtsnorm eine gebundene Rechtsfolge aufweist. (Dass ein Mediationsverfahren möglich ist, wenn die zugrunde liegende Norm einen Ermessensspielraum belässt, wird überwiegend anerkannt, vgl. statt vieler Brohm DVBl 1990, 321.) Denn auch bei Rechtsnormen mit gebundener Rechtsfolge gibt es im Rahmen des Vollzugs Rede- und Klärungsbedarf. Gerade wenn sich ein Beteiligter (wie hier die Verwaltung) von Dritter Seite genötigt sieht (durch das Gesetz), einen anderen in seiner Freiheit zu beschränken (wie hier den Bürger), aktualisiert sich ein ungeheures Konfliktpotential, das es zu beachten gilt. Entscheidendes Kriterium, ob Mediation möglich ist oder nicht, ist also nicht die rechtssystematische Frage ob es sich um eine gebundene oder eine ermessensgewährende Rechtsnorm handelt, sondern, ob die Verwaltung bereits eine Entscheidung darüber getroffen hat, was sie tun wird oder nicht. 208  Zutreffend und in wünschenswerter Deutlichkeit Fehling 2008, Rn. 31. 209  Die unterschiedliche Bezeichnung offenbart allein sprachliche Präferenzen, nicht aber sachliche Unterschiede, dazu m. w. N. Fehling 2008, Fn. 1.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation405

ist.210 Während informales Verwaltungshandeln stets den Vorwurf herausfordert, es würden bestehende Gesetze nicht beachtet und insbesondere Verfahrensvorschriften umgangen werden, um selektiv Interessen zu berücksichtigen, trifft das für Staatshandeln in Mediationsverfahren nicht zu.211 Entscheidend ist der Umstand, dass Mediation stets nur verfahrensbegleitend und entscheidungsvorbereitend wirken kann, nicht aber verfahrens- oder entscheidungsersetzend.212 Beachtet man die faktischen Wirkungen des Mediationsverfahrens, die für die Verwaltung von diesem ausgehen, so führen diese dennoch nicht zu Gesetzesverstößen.213 Die faktischen Wirkungen, die durch vor- oder parallel verlaufende Mediationsverfahren entstehen, vermögen nicht den Befund einer rechtswidrigen „Selbstbindung der Verwaltung“ zu stützen. Denn es obliegt einer eigenen Entscheidung der Behörde, welche Konsequenzen sie aus den entscheidungsvorbereitenden Mediationsgesprächen zieht. Es sind gerade die faktischen Wirkungen der Mediation, die bezweckt sind, denn sie ermöglichen eine rechtmäßige und für alle Betroffenen akzeptable Entscheidung, die – so das Ziel – keiner gerichtlichen Überprüfung mehr zugeführt wird. Der Mediator hilft der Verwaltung, dass diese ihre Entscheidung transparent und angesichts aller Interessen trifft. Abnehmen kann er ihr diese Entscheidung jedoch nicht.214 Die rechtlich normierten Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten werden nicht verändert oder verlagert, sondern bleiben bestehen. Entscheidungskompetenz und Entscheidungsverantwortung bleiben unangetastet und in der „einen Hand der Behörde“.215 Aus 210  Ablehnend Sünderhauf 1997, 130 ff.; tendenziell auch Fehling 2008, Rn. 30 f.; bejahend Steinberg 1990, 299; als informales Verwaltungshandeln bezeichnend, in der Sache aber differenzierend Schmidt-Aßmann 2004, 354 f.; Kautz 2002, 39 definiert informales Verwaltungshandeln als „rechtlich nicht geregelte Verfahrenshandlungen sowie Sachentscheidungen der öffentlichen Verwaltung, die außerhalb der rechtlich geregelten Handlungsformen vorgenommen werden.“; ausfrl. Fehling 2008. 211  Ebenso Sünderhauf 1997, 131; zur rechtsstaatlichen Provokation informalen Verwaltungshandelns Hoffmann-Riem 1990, 26 f.; Bohne 1981, 224 ff. 212  Fehling 2008, Rn. 30; Schulze-Fielitz 1990, 60; Pitschas NVwZ 2004, 399; Kaltenborn 2007, 182; Schmidt-Aßmann 2004, 355; Zilleßen 2000, 135. Im Übrigen hat Sünderhauf 1997, 132 ff. die maßgebenden Unterschiede zum informalen Verwaltungshandeln herausgearbeitet: Während informales Verwaltungshandeln gerade dazu dient, betroffene, aber unliebsame Bürger nicht zu beteiligen, werden alle Betroffenen durch die Mediation frühzeitig beteiligt. Mediation ist gerade kein „Hinterzimmergespräch“, deren Wirkungen nur tatsächlich gespürt, Inhalte aber geheim und gerichtlich unüberprüfbar bleiben, in diese Richtung auch Fehling 2008, Rn. 31. 213  So aber wohl Bossong DV 2001, 156 f.; ausführlich dazu Kap. E. II. 1. d) dieser Untersuchung. 214  Schmidt-Aßmann 2007, Rn. 36. 215  Deutlich Pitschas NVwZ 2004, 399; vgl. Trieb 1997, 275; Schillinger 2003, 77, 79. Aus diesem Grunde verstößt ein Mediationsverfahren im Umfeld von Ver-

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

diesen Erwägungen heraus darf auch nicht die erforderliche Rezeption und ggf. Transformation des Mediationsergebnisses216 in das Verwaltungshandeln zu einer Umgehung des Grundsatzes vom Gesetzesvorrang führen.217 Weder stellt die mediationsbeendende Absprache einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar218, noch bindet sie die Verwaltung in rechtlicher Hinsicht. So wenig die Mediation der Verwaltung eine Flucht ins Privatrecht ermöglicht, so wenig erlaubt sie ihr, sich hinter den Absprachen vor dem öffentlichen Recht zu verstecken. Weder kommt dem Mediator noch den Medianten gemeinsam das Recht zu, Verwaltungsentscheidungen zu treffen. Denkbar ist freilich, dass die Verwaltung als (williger) Mediant gegen handlungsformbezogene Vorgaben verstößt. Das wäre ein Verstoß gegen den Gesetzesvorrang. Jedoch, ein mediationsbezogenes Handlungsformverbot besteht – soweit ersichtlich – nicht. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass etwaige Vertragsformverbote – wie etwa §§ 53 Abs. 2 SGB X, 50 Abs. 2 BRRG, 183 Abs. 1 BBG, 2 Abs. 3 BauGB – nicht gegen die Rechtmäßigkeit einer gleichwohl durchgeführten Mediation sprechen.219 Denn die Absprachen der Mediation (im öffentlichen Sektor) stellen nicht zugleich einen rechtlich relevanten Vertrag dar. Die Handlungsformverbote begrenzen vielmehr die – analytisch anschließende – Rezeption der mediativen Absprachen in das Rechtssystem. Insoweit müssen sich die Medianten darüber im Klaren sein, dass ihre Absprachen in der Mediation an sich keineswegs rechtliche Binwaltungsverfahren auch nicht gegen den verwaltungsverfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz, § 24 VwVfG. Er bestimmt, dass die Behörde von Amts wegen den gesamten Sachverhalt ermitteln muss, den sie für ihre verwaltungsrechtliche Entscheidung benötigt. Die Behörde bestimmt Art und Umfang ihres Vorgehens und welche Beweismittel herangezogen werden. Grundsätzlich ist die dabei Behörde verpflichtet, selbst durch eigenes Personal zu ermitteln; gesetzliche Vorschriften gestatten es allerdings ausnahmsweise, dass sie sich Dritter bedienen darf. Zu denken wäre hier an die Amtshilfe oder an Sachverständige und Gutachter; vgl. Ramsauer 2005, § 24, Rn. 26 f. Zum Teil wird zwar vertreten, dass es gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoße, wenn ein privater Mediator eingeschalten würde und es ihm und den übrigen Beteiligten obliege, das entscheidungserhebliche Material zu bestimmen, so Kunig / Rublack Jura 1990, 5. Übersehen wird dabei allerdings, dass der Konfliktmittler oder die übrigen Beteiligten keineswegs die Ermittlungsverantwortung der Behörde übernehmen. Auch überlässt die Behörde nicht dem Mediator, welches Material im Verwaltungsverfahren entscheidungserheblich ist, sondern schaut und begutachtet, ob das Mediationsverfahren nicht noch weiteres Material zutage fördert, das im üblichen Verwaltungsverfahren ungehoben geblieben wäre, ebenso Sünderhauf 1997, 143 f.; Schillinger 2003, 119. 216  Zuweilen Implementation oder schlicht Umsetzung genannt, Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 2; Schneider VerwArch 1996, 45. 217  Appel 2008, Rn. 128; Kunig 1990, 58; Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 2. 218  Pitschas NVwZ 2004, 399. 219  Ausführlich Kaltenborn 2007, 155 ff.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation407

dungen aufweisen (müssen). Das mag letztlich die Bereitschaft zur Mediation schmälern oder gar ausschließen, ändert aber am rechtsrelevanten Befund nichts. Es handelt sich damit um Fragen des Vertrauens, das rechtlich nicht geschützt wird, wohl aber zwischenmenschliche und politische Dynamiken aufweisen mag. Soweit das Gesetz ein Handlungsformgebot aufstellt, ist dieses im Wege einer Mediation nicht umgehbar.220 Der Rechtsakt ist auf die gesetzlich vorgeschriebene Art und Weise auszuführen, kann aber freilich durch eine Mediation vorab oder parallel begleitet und vorbereitet werden. Das bleibt der Exekutiven unbenommen, soweit sie für die Durchführung einer Media­ tion keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage bedarf. Ob die Verwaltung einer derartigen parlamentarischen Erlaubnis bedarf, wird nunmehr zu klären sein. (2) Der Vorbehalt des Gesetzes221 Zweifelhaft ist, ob die Behörde gesetzlich ermächtigt werden muss, ehe sie sich an einer Mediation im öffentlichen Sektor beteiligt oder eine solche initiiert. Da ihr nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewaltenteilung ein Bereich zusteht, in dem sie eigenständig handeln kann, ist Mediation ohne eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage möglich, wenn und soweit sie in diesen Bereichen stattfindet. Im Übrigen führt allerdings der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, vgl. Art. 20 Abs. 1 GG, dazu, dass eine parlamentarische Absicherung verlangt werden muss. Da insoweit zwei gleichrangige Verfassungsaussagen miteinander kollidieren (können), führt das Prinzip der praktischen Konkordanz dazu, dass beide in einen Ausgleich zu bringen sind, die sie größtmöglich zur Anwendung kommen lassen. Das bedeutet vorliegend, dass wesentliches Verwaltungshandeln auf eine gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden können muss.222 Das trifft insbesondere für grundrechtsrelevantes Verwaltungshandeln zu. Sonstiges Verwaltungshandeln bedarf grundsätzlich keiner gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, sondern muss lediglich die bestehenden Gesetze beachten.223 220  Pünder

DV 2005, 24. Gesetzesvorbehalt Reimers 2006, Rn. 23 ff.; fürs Verwaltungsrecht Schmidt-De Caluwe 1999, 126 ff. 222  Statt vieler BVerfGE 47, 46, 78 („Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten den Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen.“). 223  Zusammenfassend zur Wesentlichkeitstheorie Dederer 2004, 472 ff., Reimers 2006, Rn. 47 ff.; Roth 1991, 124 ff. 221  Zum

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Es erscheint nicht ganz abwegig anzunehmen, dass bereits die bloße Teilnahme der Verwaltung an einer Mediation bereits grundrechtsrelevanten Charakter aufweist. Beachtet man allerdings, dass die Mediation ein freiwilliges Verfahren ist, ist den Gesprächen und Aussagen rechtliche Unverbindlichkeit jedenfalls solange zu attestieren, wie die Beteiligten ihren Rechtsbindungswillen nicht ausdrücklich kundtun.224 And dieser Stelle ist sich auch gegenwärtig zu halten, dass die Mediation nicht das Verwaltungsverfahren ersetzt sondern ergänzt und begleitet.225 Da erst die rechtlich verbindliche Entscheidung erst im Anschluss an die Mediation getroffen wird, gilt das Erfordernis einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage nicht für die verwaltungsverfahrensergänzende Mediation.226 Die Verwaltung nutzt die Mediation, um ihre Verwaltungsentscheidungen vorzubereiten – auch um zu erreichen, dass ihre Entscheidungen nicht einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden. Ziel ist neben der Sachverhalts- und insbesondere der Interessenaufkärung, dass die Betroffenen mit der künftigen Entscheidung einverstanden sein werden.227 Zwar kann die Verwaltung sich dessen nicht sicher sein und eine verwaltungsgerichtliche Klage bleibt möglich. Aber das ist auch rechtlich in Ordnung und kein Grund, um von Rechtsunsicherheit zu sprechen. Erstens ist die Rechtslage dahingehend sicher, dass Klage erhoben werden kann. Zweitens ist die Mediation nicht dazu geeignet, Rechtsunsicherheit zu beheben. Und drittens sollte Rechtssicherheit nicht mit Rechtswegerschöpfung verwechselt werden bzw. nicht schon von Rechtsunsicherheit gesprochen werden, nur weil noch eine verbindliche Rechtsentscheidung eingeholt werden könnte.228 Oder kurz, Mediation schafft Klarheit, aber keine Sicherheit. 224  Holznagel / Ramsauer

2009, Rn. 22. ersetzt die Mediation grundsätzlich auch nicht die Anhörungsvorschriften für das (nichtförmliche und förmliche) Verwaltungsverfahren (§§ 28 I, 66 VwVfG), dazu BVerfGE 9, 89, 95 f.; ausführlich Kaltenborn 2007, 239 ff.; Ramsauer 2005, § 28, Rn. 2. Diese behördliche Pflicht bleibt nach wie vor be­ stehen. Das Mediationsverfahren verletzt diese Vorschriften nicht, sondern ermöglicht darüber hinaus mehr als die bloße Abgabe von Stellungnahmen; es ­ ermöglicht einen echten Dialog, ebenso Sünderhauf 1997, 147; Schillinger 2003, ­ 116. 226  Ebenso Schillinger 2003, 78; Rüssel 2004, 174 ff.; anders Sünderhauf 1997, 142 (mit Gesetzesvorschlag, S. 269 ff.); Trieb 1997, 276 ff. 227  Zilleßen 2000, 135. (Die Chance zur Einvernehmlichkeit stellt den ressourcenorientierten Aspekt der Mediation dar, der für die Verwaltung Anlass ist, sich überhaupt einem derart zusätzlichen Verfahren zu öffnen.). 228  Danach wäre Rechtssicherheit nur vom obersten Gericht einholbar und auch nur für den einen zu entscheidenden Fall, was den Gedanken der Rechtssicherheit jedoch ad absurdum führt. 225  Insoweit



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation409

Betont man allerdings die faktischen Wirkungen, die durch Mediationsverfahren geschaffen werden (können), so erscheint es angemessen, eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage durch den parlamentarischen Gesetzgeber zu fordern.229 Jedoch ist dabei zu bedenken, dass sich aus den möglichen Wirkungen der Mediation keine direkte Grundrechtsbetroffenheit ableiten lässt. Mediation erfolgt parallel zum Verwaltungsverfahren und möchte dieses auf unkonventionellen Wegen optimieren. Soweit es der Behörde rechtlich erlaubt ist, sich auf dieses Verfahren einzulassen, ist das eine Sache, eine andere, daraus grundrechtsintensive Eingriffe in die Rechte Privater abzuleiten, eine ganz andere. Das Mediationsverfahren verkürzt nicht die (rechtlichen) Interessen der Grundrechtsträger, sondern dient dazu, diese zunächst einmal wahrzunehmen, um sie in den (komplexen) Entscheidungsprozess des Verwaltungsverfahrens berücksichtigen zu können. Gleichwohl lässt sich eine Wechselwirkung mit den Rechten und Pflichten der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens auch nicht abstreiten, wenn sich die jeweiligen Personen zusammen in einer Mediation (freiwillig) miteinander auseinandersetzen. Insofern Mediationsverfahren im öffentlichen Sektor einen Status der Regelmäßig und Üblichkeit erfahren haben, lassen sich grundrechtsrelevante und damit wesentliche Wirkungen für das entsprechende Verwaltungsverfahren ausmachen. Eine institutionalisierte Mediation, die das Verwaltungsverfahren in seiner Struktur verändern würde, bedarf der gesetzlichen Absicherung.230 Die Entscheidung darüber betrifft keineswegs mehr die laufenden Verwaltungsangelegenheiten, sondern wesentliche Fragen des Staatshandelns. Für aktuelle Mediationsverfahren lässt sich ein derart strukturverändernder Einfluss nicht ausmachen. Da das (allgemeine) Verwaltungsverfahren einfach, zweckmäßig und zügig, also effektiv zu betreiben ist (§ 10 S. 2 VwVfG) und die (rechtlich) Beteiligten anzuhören (§ 28  VwVfG) und zu beraten (§ 25 VwVfG) sind und im Übrigen das Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht an bestimmte Formen gebunden wurde (§ 10 S. 1 VwVfG), bestehen dafür ausreichende gesetzliche Ermächtigungen. Diese Normen reichen aus, um die Initiierung und Teilnahme der Verwaltung an einer Mediation zu rechtfertigen. Zwar erwähnen diese Normen Mediation nicht und geben auch keine konkrete Handlungsbefugnis vor. Jedoch sind derartige Kompetenznormen im Hinblick auf den grundrechtsgesteuerten Gesetzesvorbehalt ausreichende Rechtsgrundlagen.231 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine ausdrückliche Regelung zur Mediation im öffentlichen Sektor nicht existiert. Die bestehenden generellen Verfahrensvorgaben reichen aus, um dem Grundsatz der Gesetzmä229  Appel

2008, Rn. 129. vieler nur Kaltenborn 2007, 186. 231  Gornig 2006, 248 f. 230  Statt

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ßigkeit der Verwaltung zu genügen.232. Im Übrigen führen rechtsstaatliche Erwägungen erst dann zum Erfordernis einer parlamentarischer Rechtsgrundlage, wenn die verfahrensbegleitende Mediation flächendeckend und regelmäßig durchgeführt werden würde. In Falle der Etablierung der Mediation würden die auftretenden Wechselwirkungen zu einer strukturellen Veränderung des Verwaltungsverfahrens führen, die der parlamentarischen Absicherung bedürfen. Bis dahin sind Mediationen, die das grundrechtssichernde Verwaltungsverfahren ergänzen und freiwillig durchgeführt werden, kein wesentliches Verwaltungshandeln im Sinne des Gesetzesvorbehalts233 (3) Die materielle Messbarkeit staatlichen Handelns Nach dem hier zugrunde gelegten Mediationsverständnis ergeben sich aus den materiellen Anforderungen an rechtsstaatliches Handeln keine Besonderheiten für die Exekutive im Mediationsverfahren. Der Exekutive ist es freilich verwehrt, das Mediationsverfahren zu missbrauchen, sei es um Zeit zu gewinnen, Rechte Dritter zu vereiteln oder sonst unpässlichen Entscheidungen auszuweichen. Eines besonderen Rechtsschutzes bedarf es allerdings für die Medianten nicht, da die Mediation freiwillig und eigenverantwortlich begonnen und durchgeführt wird. Es bleibt den übrigen Medianten bzw. dem Mediator vorbehalten, die Konfliktmittlung zu unterbrechen oder gänzlich abzubrechen, sofern sie der Meinung sind, ein gemeinsames Vorgehen führe auf diese Weise nicht mehr zum Ziel.234 Diese Erwägungen führen auch dazu, dass es keinen Anspruch (gegenüber dem Staat) auf Mediation gibt.235 (4) Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19  Abs. 4  GG Mitunter wird die in Art. 19 Abs. 4 GG formulierte Rechtsschutzgarantie als durch die Mediation gefährdet angesehen.236 Die Möglichkeit, in eigene 232  Wird freilich der private Konfliktmittler beliehen, aktiviert sich der Gesetzesvorbehalt, ausfrl. Kap. E. II. 1. c) aa). 233  Im Ergebnis ebenso Schillinger 2003, 78; Bulling DÖV 1989, 289; anders Sünderhauf 1997, 142; Trieb 1997, 142. 234  Mit entscheidungsunwilligen ist genauso unsinnig zu verhandeln wie mit nicht entscheidungsbefugten Partnern; ähnlich Pühl 2004, 17 für „Organisations-Mediation“. 235  Zum (nicht existierenden) Verfassungsgebot auf einvernehmliche Streitbeilegungsmethoden Kaltenborn 2007, 124 ff. 236  Hoffmann-Riem 1990, 15 mit Hinweis auf Bulling DÖV 1989; vgl. auch Püttner 1985, 139, dessen Thema aber weniger die Mediation, sondern die Handlungsspielräume der Verwaltung ist.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation411

Rechte eingreifendes Staatshandeln gerichtlich überprüfen zu lassen, folgt konsequent aus einem rechtsstaatlichen Verständnis.237 Setzt die Verwaltung die vermittelt gefundene Vereinbarung im förmlichen Verwaltungsverfahren um, ist dieses Verwaltungshandeln einer richterlichen Kontrolle zuführbar. Die Mediation im Umfeld von Verwaltungsverfahren könnte den verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz nur dann unterlaufen, wenn die Teilnahme einem Rechtsmittelverzicht gleichkäme oder das Mediationsverfahren die gerichtliche Kompetenz der Rechts- und Verwaltungskontrolle in Frage stellt. Zunächst ist festzustellen, dass die Teilnahme keineswegs einen Rechtsmittelverzicht darstellt und eine etwaige Klageerhebung nicht als widersprüchlich oder rechtsmissbräuchlich zu werten wäre.238 Andererseits verantwortet jeder selbständig, ob er Rechtsschutz beanspruchen möchte oder gar darauf verzichtet. Kunig formuliert es treffend, wenn er feststellt, dass „auf rechtliche Chancen, Antrags-, Einwendungs- und Klagemöglichkeiten … seit jeher verzichtet werden“ kann.239 Insoweit ändert Mediation nichts an den bisherigen Grundsätzen zum Rechtsmittelverzicht. Die Mediation verbietet nicht, sich rechtlich zu schützen, sondern gewährt die Chance, wenn der Rechtsschutz nicht zum eigenen Wohl führt oder zu riskant erscheint, (auch) andere Wege für eine Problem- und Konfliktlösung zu beschreiten. Darüber bleibt festzuhalten, dass eine verfahrensbegleitende Mediation nicht die gerichtliche Kompetenz in Frage stellt, die Verwaltung zu kontrollieren. Denn nur dort, wo Rechte im Streit stehen, kommt diese Kompetenz zum Tragen. Insoweit ermöglicht es eine verfahrensbegleitende Mediation, dass Betroffene vor dem rechtsverbindlichen Verwaltungshandeln in verstärktem Maße gehört werden, so dass Streitfragen beigelegt werden können und Gerichtskapazitäten geschont werden.240 Zu einer Umgehung gericht­ licher Kompetenzen kommt es durch Mediation nicht, zumal der Gang zu den Gerichten weiterhin offen steht. Art. 19 Abs. 4 GG steht einem das Verwaltungsverfahren ergänzenden und begleitenden Mediationsverfahren nicht entgegen.

237  Ebenso

Sünderhauf 1997, 150. Sünderhauf 1997, 151 m. w. N. (Häufig baut eine Klageerhebung oder deren Androhung erst den nötigen Leidens- und Verhandlungsdruck für einen der Konfliktbeteiligten auf, so dass er sich an den Verhandlungstisch setzt, der dieses Mal um einen allparteilichen Dritten ergänzt ist.). 239  Kunig 1990, 57; zum Rechtsmittelverzicht durch öffentliche Stellen Sünderhauf 1997, 152 f. 240  Ähnlich Kaltenborn 2007, 296. 238  Ebenso

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

(5) Der Grundsatz der Gewaltenteilung Ein weiterer und die Betrachtung des Rechtsstaatsprinzips abschließender Aspekt ist der Grundsatz der Gewaltenteilung. Die drei Gewalten im modernen Rechtsstaat führen ihre hoheitlichen Aufgaben nicht losgelöst voneinander aus, sondern sind auf vielfältige Weise miteinander verflochten.241 Die einzelnen und im Ausgangspunkt funktional zuordnungsfähigen Verfassungsorgane und Organe der Träger hoheitlicher Gewalt stellen ein übergreifendes System der checks and balances242 dar. Mediation könnte insofern die durch die Gesetzesordnung vorgesehene Gewaltenorganisation aushebeln oder zumindest durcheinander bringen. Das könnte beispielsweise dadurch geschehen, dass sie zu gesetzes- bzw. rechtsverordnungsvermeidenden Absprachen führt. Für verschiedenes Staatshandeln – etwa bei der Gesetz- oder Verordnungsgebung – sind unterschiedlich intensive Mitwirkungsrechte anderer Organe von Rechts wegen vorgesehen. Führen Absprachen allerdings zu einer Rechtsnorm- bzw. Verordnungsvermeidung, könnten diese Mitwirkungsrechte umgangen werden. Jedoch ist dieses Rechtsproblem durch Mitteilungs- und Informationspflichten der absprachebeteiligten Organe gegenüber den nicht beteiligten Organen behebbar243, zum anderen stellt es kein Problem der Mediation dar. Die etwaige Umgehung derartiger mitwirkenden Verfahrensrechte ermöglicht nicht die Mediation oder der Media­ tor, sondern besteht durch die Absprachen zwischen den beteiligten Organen und den Privaten. Die Mediation selbst ist aber keine Absprache, sondern kann zu einer führen. Mit Vorverhandlungen oder Vorabsprachen ist Mediation jedoch nicht gleichzusetzen.244 Insofern ist hier auf die Differenzierung von Konfliktmittlung und informales Verwaltungshandeln abzustellen. Um informal zu handeln und auf diese Weise die Rechte anderer umgehende Absprachen zu treffen, bedarf es keiner Mediation und stellt auch keine durch die Mediation begründete Gefahr dar. Die Rezeption und Transforma241  Kaltenborn 2007, 198 f.; BVerfGE 7, 183, 188; 95, 1, 15 („Verschränkung“); BVerfGE 3, 225, 247; 34, 52, 59 („Ineinandergreifen“); Ebke 1965, 24 ff. („Verzahnung der Gewalten“). 242  Vgl. Sommermann 2005, Rn. 212 mit dem Hinweis, das Prinzip der checks and balances sei bereits in der amerikanischen Verfassung eingearbeitet worden. Das Prinzip der checks and balances beruht seinerseits auf dem „völkerrechtlich“ erarbeiteten Institut der balance of power, das erarbeitet wurde, um den spanischen Erbfolgekrieg (seit 1704) durch den Friedensvertrag von Utrecht (1714) zu beenden. Maßgeblich daran beteiligt war der britische Außenminister Sir Viscount Boling­ broke, der diese Gleichgewichtspolitik juristisch formulierte und damit ein Wegbereiter für seinen Zögling Montesquieu und dessen moderne Gewaltenteilungslehre wurde, dazu Schulze 1999, 88 ff. 243  Ausfrl. dazu Kaltenborn 2007, 198 ff. 244  Fehling 2008, Rn. 30 ff.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation413

tion der mediativen Absprachen, gerade kein Gesetz oder keine Verordnung zu erlassen, stellt erst eine rechtsbedeutsame Entscheidung der Verwaltung dar, nicht die der Mediation selbst. bb) Das Demokratieprinzip als Rechtmäßigkeitsmaßstab Nach Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG geht „alle Staatsgewalt vom Volke aus“ und muss unmittelbar oder mittelbar auf dieses zurückführbar sein. Im Folgenden werden die Verbotsschranken245 aufgezeigt werden, die der Mediation in und im Umfeld von Verwaltungsverfahren durch das demokratische Gebot der Rückbindung aller Staatsgewalt an das Staatsvolk gesetzt sind. Entsprechende Legitimationsdefizite246 können sich aus unterschiedlichen Aspekten ergeben: Zum einen wirft der – in einer verfahrensbegleitenden Mediation stattfindende – beiderseitige Willensbildungsprozess juristische Legitimationsfragen auf. Diese Fragen betreffen die Mediationsphasen der Problemdarstellung und Lösungssuche. Zum anderen steht die staatliche Entscheidungsverantwortlichkeit in Rede. Sie könnte durch die kooperative Entscheidungsvorbereitung, vermittelt durch eine privaten Mediator, demokratiewidrig berührt werden. Letztlich – so wird von Teilen der kritischen Literatur247 zur Mediation im öffentlichen Sektor eingewandt – könnte durch solcherart „Aushandeln des Staatshandelns“ das zu fördernde Gemeinwohlinteresse auf tote Gleise abgeschoben werden. Die Frage nach der Letztentscheidungskompetenz betrifft die Umsetzungsphase der Mediation. (1) Die Vermittlungsgespräche und das Demokratieprinzip Das grundgesetzliche Demokratieprinzip fordert, dass die Willensbildung des Volkes frei von staatlicher Reglementierung zu erfolgen hat. Dadurch lässt sich der – durch die demokratisch legitimierten Vertreter formulierte – Staatswille auf den Volkswille zurückführen bzw. leitet sich aus jenem 245  Ein Gebot zur streitvermeidenden oder -beilegenden Konfliktvermittlung ist jedenfalls aus dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip nicht herzuleiten, dazu Kaltenborn 2007, 124 ff.; Kunig / Rublack Jura 1990, 10 f.; Böckenförde 2007, 36, der darauf verweist, dass die – durch Mediation erstrebte – Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen nicht zum dogmatischen Bereich der Demokratie gehört, aber sehr wohl zum ideellen Bereich. 246  Zur demokratischen Legitimation Sachs 2009, Rn. 35 ff.; Böckenförde 2005, Rn. 16 ff. („ununterbrochene Legitimationskette“); Sommermann 2005, Rn. 163 ff.; zur erforderlichen Weiterentwicklung dieses Legitimationskonzepts Schuppert, in: FS Rauschning 2001, 201; für das europäische Mehrebenensystem Schliesky 2004, 588 ff.; Hoffmann-Riem AöR 2005, 66 ff. 247  Bossong DV 2001.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

ab.248 Repräsentiert nach dem demokratischen Grundsatz der Staatswille den Volkswillen, beansprucht das Grundgesetz Transparenz in den entsprechenden Willensbildungsprozessen und fordert klare Verantwortlichkeiten für Entscheidungsprozesse.249 Das Mediationsverfahren missachtet die genannten grundgesetzlichen Anforderungen jedoch keineswegs. Auf Seiten der gesellschaftlichen Akteure ist keine undemokratische Beeinflussung durch den Hoheitsträger erkennbar. Er erkauft sich im Mediationsverfahren nicht den Volkswille oder beeinflusst ihn auf demokratiewidrige Weise. Die gesellschaftlichen Akteure sind freiwillig in der Mediation.250 Das Demokratiegebot fordert lediglich eine freie und von staatlicher Repression unbehelligte Willensbildung des Volkes, aber nicht, dass sich der Volkswille ohne den Staat oder fern und unbeeinflusst von ihm zu bilden hat. Das wäre einerseits praktisch nicht zu realisieren und andererseits auch Unsinn. Kein Wille und Verständnis bildet sich im Vakuum, sondern ist auch kognitive Verarbeitung von Erlebtem. Das Mediationsverfahren berührt nicht in demokratiewidriger Weise die freiverantwortliche Willensbildung der gesellschaftlichen Akteure, so dass ein Verstoß gegen den grundgesetzlich vorgesehenen Volkswillensbildungsprozess nicht erfolgt.251 Indem sich der – den Volkswillen repräsentierende – Staatswille bereits im Mediationsverfahren bildet, begründet dies möglicherweise die Gefahr, dass das öffentliche Interesse bzw. die Belange der Allgemeinheit, die nicht durch die gesellschaftlichen Akteure in der Mediation repräsentiert werden, verloren gehen und missachtet werden.252 Insoweit könnte die Mediation zu einer Prioritätenverschiebung auf Seiten der Amtswalter führen. Zum einen besteht die Gefahr, dass die öffentlichen Interessen „eingetauscht“ werden, um mit den anwesenden Individualinteressen zu einem Ausgleich zu gelangen.253 Zum anderen könnten dadurch die gesetzlich vorgesehenen Verantwortlichkeitsstrukturen ausgehebelt werden. Als Vertreter der öffentlichen Interessen (Gemeinwohlbelange) im Mediationsverfahren agieren die Amts248  Vgl.

Sachs 2009, Rn. 17 f., 35; Trieb 1997, 283. 1997, 283. 250  Zur Notwendigkeit von (veränderter) Staatskommunikation ausführlich Hill JZ 1993; auch Präve DÖV 1990. 251  Trieb 1997, 283 f.; Sünderhauf 1997, 121 ff., 129; ähnlich Schillinger 2003, 62 f. 252  So etwa Bossong DV 2001; Stelkens / Schmitz 2001, Rn. 179. 253  Gerade bei umweltrelevanten und lokal unerwünschten Bauvorhaben (etwa Abfallentsorgungsanlagen, Verkehrswegen etc.) wird die Gefahr gesehen, dass die öffentlichen Interessen neben den „personell anwesenden Individualinteressen“ nicht oder nicht in ausreichendem Maße beachtet werden oder es zu einer Prioritätenverschiebung auf Seiten der Behördenmitarbeiter komme. 249  Trieb



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation415

träger.254 Allein dadurch, dass die Behörde an einem Mediationsverfahren teilnimmt und sich die – durch ihre potentiellen Entscheidungen und Verwaltungshandlungen – betroffenen gesellschaftlichen Akteure anhört und mit ihnen an einen Tisch setzt, gibt sie diese Aufgabe nicht preis. Es ist im Rahmen der Mediation auch Aufgabe der Amtswalter, die zu verwirklichenden Gemeinwohlinteressen offen zu legen und unmittelbar denjenigen zu verdeutlichen, die von ihnen buchstäblich betroffenen werden. Die Gefahr, dass die Amtswalter andere, mitunter eigene politische Belange bevorzugen, besteht im politikumsetzenden Verwaltungsverfahren generell. Die Mediation steigert derartige Gefahren und Risiken keineswegs.255 Die Befürchtung, dass durch die Beachtung und Berücksichtigung privater Interessen das öffentliche Interesse seinerseits unberücksichtigt bliebe, nährt sich aus der irrigen Vorstellung, dass das öffentliche Interesse kürzer treten muss, wenn auf private Interessen eingegangen wird. Tatsächlich trifft das nicht zwingend zu und spiegelt – in der Sprache der Mediation – lediglich (juristisch geprägtes) Positionsdenken256 wider. Der juristische Begriff des öffentlichen Interesses bezeichnet tatsächlich Positionen, die häufig mit den privaten Positionen in Streit und Konflikt stehen. In der Mediation mit dem Hoheitsträger wird methodisch das ‚öffentliche Interesse‘ genauso auf die zugrunde liegenden und noch nicht positionierten Interessen hinterfragt, wie in einer Mediation im privaten Sektor. Es obliegt den Amtswaltern, sich den – häufig bestehenden, wenn auch noch nicht erkannten – Möglichkeiten zu öffnen, diese ihnen anvertrauten öffentlichen Interessen in einer transparenten, offenen und abgeglichenen Weise zu verwirklichen. Mediation bietet – im Gegensatz zum herkömmlichen Verwaltungsverfahren – dafür die raumschaffende Verfahrensweise an257, kann selbst aber die Möglichkeiten weder 254  Trieb

1997, 286. aber wohl Stelkens / Schmitz 2001, Rn. 179; Brohm NVwZ 1991, 1029; Steinberg 1990, 307. Zwar bestünde die Möglichkeit, diese öffentlichen Interessen einseitig und notfalls mit den gesetzlichen Zwangsmitteln durchzusetzen. Jedoch müsste auf diesem Wege mit den entsprechenden Reaktionen der Betroffenen gerechnet werden, die ihrerseits die gesetzlich vorgesehenen Gegenmittel ergreifen werden. In diesem Falle findet die Kommunikation im binär codierten und deshalb auf ein Gegeneinander ausgerichteten Rechtssystem statt. Mediation – das zeigte die Untersuchung bisher – verhilft, die gesamte Kommunikation aus diesem Gegeneinander herauszuheben oder zu halten, um ein Miteinander oder doch zumindest Klarheit über die grundlegenden Interessen zu erreichen. Dadurch wirken die behördlichen Entscheidungen, die sodann die mediativen Ergebnisse rezipieren und ins Rechtssystem transformieren, für die unmittelbar betroffenen gesellschaftlichen Akteure weder überraschend und überrumpelnd, noch werden sie als ein Angriff auf die eigenen Interessen aufgefasst. 256  Dazu Kap. C. III. 2. b) (Exkurs: Positionen und Interessen). 257  Vgl. Pitschas 1994, 236 m. w. N. („Konsenssicherung trotz Zeitkosten“); ausfrl. Schmidt-Aßmann 2004, 87 ff. 255  Anders

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

aufzeigen noch vorschreiben. Oder anders gewendet, die Verwaltung entledigt sich in einer Mediation keineswegs ihrer Aufgabe, die (juristischen) öffentlichen Interessen bzw. das Gemeinwohl zu vertreten, sondern geht diese Aufgabe in einer anderen Art und Weise an, um sie im Abgleich mit den betroffenen gesellschaftlichen Akteuren verwirklichen zu können.258 Dass auch das Rechtssystem dieses Bemühen um ein konsensgetragenes administratives Vorgehen unterstützt, ohne dabei anzunehmen die öffent­ lichen Interessen preiszugeben, zeigen die Normen über den öffentlichrechtlichen Vertrag, die diesen gleichberechtigt neben die Handlungsform des Verwaltungsaktes stellen (§§ 54 ff VwVfG). Zudem zeigen auch die juristisch gewährten Beteiligungen und Mitwirkungen, dass individuell Betroffene ein gewisses Maß an Einflussnahme auf die behördliche Entscheidung nehmen können und ein Stück weit unmittelbare und direkte Demokratie verwirklichen.259 Dass der private Konfliktmittler die Vermittlungsgespräche nicht nur passiv anwesend begleitet, sondern (auftragsgemäß) leitet, könnte demokratiebezogene Legitimationsdefizite aufweisen. Zuweilen wird aus der – privatrechtlich vereinbarten – Verfahrensführerschaft des Mediators abgeleitet, dass ein demokratisch nicht legitimierter Konfliktmittler die Herrschaft über das Verwaltungsverfahren übernähme.260 Die Herrschaft über das Verwaltungsverfahren allerdings, die die Exekutive innehat, ist eine Sache, eine ganz andere die Führerschaft, das Mediationsverfahren zu leiten, das – nach der hier vertretenen Konzeption261 – das Verwaltungsverfahren ergänzt und begleitet. Zur sprachlichen Differenzierung und aufgrund des Eigenverantwortlichkeits- und Freiwilligkeitsgrundsatzes der Mediation ist es deshalb angezeigt, statt von Herrschaft des Mediators von dessen Führerschaft zu 258  Vgl. dazu das Konzept der Responsiven Demokratie, nach dem der Staat sich durch ein konsensorientiertes Verarbeiten der gesellschaftlichen politischen Forderungen und Wünsche auszeichnet, damit sich der Bürger in dessen Entscheidungen auch wiederfinden kann, vgl. Würtenberger 1987, 197 ff., 199, 203 ff.; ders. NJW 1991, 261 mit Verweis auf Böckenförde 1982, 319; Schmidt-Aßmann 1988, Rn. 26. Für die mitunter notwendige und erforderliche Distanz zu den gesellschaftlichen Akteuren („Interessengruppen“) plädiert andererseits Stelkens / Schmitz 2001, Rn. 179 mit Verweis auf Kunig DVBl 1992, 1202, der darauf hinweist, dass die Distanz bei „bedrängendem“ Verhalten angebracht ist. Gerade solch „latent gewaltsames“ Verhalten möchte Mediation überflüssig werden lassen – oder es zumindest „verflüssigen“. 259  Ebenso Kaltenborn 2007, 220. 260  So wohl Kunig 1990, 62 m. w. N., der bei einem Mediationsverfahren von einem Entscheidungsgremium ausgeht und insoweit konsequent meint, dass Kommunikation niemals Legitimation ersetze; Brohm DVBl 1993, 326; Engelbert 1995, 64 ff., 97; Ronellenfitsch 1990, 190; wohl auch Schuppert 1990, 50; Funke 1990, 220. 261  s. dazu auch Kap. E. II. 1. c) aa).



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation417

sprechen.262 Der Mediator erhält die Führerschaft über das Mediationsverfahren, weil die Medianten allein kein Verfahren kreieren konnten, in dem sie zu einem Konsens gelangten.263 Aus den unterschiedlichen Grundlagen der Verfahrensführerschaft des Mediators (Eigenverantwortlichkeit der Medianten) und der behördlichen Herrschaft über das Verwaltungsverfahren (staatliches Recht), ergeben sich weitere Konsequenzen: Der Mediator kann seine Führerschaft nicht auf zwangsweise durchsetzbares Recht stützen. Die Medianten bestimmen – zu jedem Zeitpunkt – das „Ob“ der Mediation, der Mediator lediglich in diesem Rahmen das „Wie“.264 (2) Die vermittelte Abschlussvereinbarung und das Demokratieprinzip Legitimationsdefizite würden auch bestehen, wenn die Behörde verpflichtet wäre, das ausgehandelte Ergebnis der Mediation punktgenau zu übernehmen. Dass die Mediationsvereinbarung selbst nicht – auch nicht in schriftlicher Form – eine hoheitliche Entscheidung darstellt, ergibt sich bereits aus rechtsstaatlichen Erwägungen.265 Doch auch das grundgesetzliche Demokratieprinzip steht einer derartigen Rechtswirkung der Mediationsabsprachen entgegen. Hoheitliche Entscheidungen mit Rechtssetzungswirkungen bedürfen der demokratischen Legitimation in sachlich-inhaltlicher sowie personeller Hinsicht.266 Wenn auch nicht den behördlichen, so doch den gesell262  Er führt im besten Sinne des Wortes durch das Mediationsverfahren und begleitet den dadurch angestoßenen Prozess aller Beteiligten und stellt sich mit seiner Erfahrung zur Verfügung, Kap. C. III. 2. 263  Bei einem autoritativen, rechtlich abgesicherten Vorgehen bedarf die Verwaltung nicht des Konsenses. Jedoch muss sie bei derartigem Vorgehen mit Konsequenzen rechnen (Verdruss, Verweigerung, Demonstrationen, verwaltungsgerichtliche Klagen etc.), die sie durch Akzeptanzsteigerung im Wege der Mediation ausschließen möchte. Deshalb – und nicht, um rechtliche Vorgaben zu umgehen oder Vorschriften zu ändern – begibt sich die Verwaltung in eine Mediation. Sie traut dem Mediator zu, dass er die verfahrene Situation mit den Privaten entweder konfliktvermeidend oder -mildernd führt. Entsprechendes gilt für die übrigen Medianten, weshalb er nicht (nur) ein Berater der Verwaltung ist. Das wird zuweilen verkannt, etwa Brohm DVBl 1993, 326. 264  Die Führerschaft des Mediators beschränkt sich allein darauf, dass er auf seine Art und Weise vermittelt und es unterlassen muss, wenn die Medianten damit nicht einverstanden sind. Vertrauen die Medianten dem Führungs- bzw. Vermittlungsstil nicht, sind sie besser beraten, die Mediation abzubrechen, um anderweitig oder andersartig ihre konfligierende Situation aufzulösen. Deshalb stellt Mediation auch nicht eine Form der demokratischen Partizipation dar, so zu Recht Sünderhauf 1997, 123 f. 265  Vgl. Kap. E. II. 1. b) aa). 266  Sachs 2009, Rn. 35 ff.; Böckenförde 2005, Rn. 16 ff.; Sommermann 2005, Rn.  163 ff.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

schaftlichen Akteuren der Mediationssitzungen fehlt diese Legitimation. Allein dadurch, dass die behördlichen Akteure mit den gesellschaftlichen Akteuren zusammen an einem (Mediations-)Tisch eine Verständigung erzielen, ist die – durch Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG geforderte – demokratische Legitimationskette nicht in ausreichendem Maße eng geschmiedet worden. Es bedarf zusätzlich der (verwaltungs-)rechtlichen Rezeption und Transformation der mediativen Absprachen.267 Konsens im Mediationsverfahren heißt nicht, dass er Recht ist.268 Der gemeinsame Wille in der Mediation ist eben nicht des Volkes Wille.269 Jedoch bleibt es der (den Volkswillen repräsentierenden) Behörde und den Mitwirkungsverpflichteten bzw. -berechtigten vorbehalten, den mediativen Konsens zu Recht reifen zu lassen. Dafür bedarf es allerdings einer demokratisch legitimierten und deshalb im Ergebnis legitimierenden Transformationsarbeit. cc) Der Gleichheitsgrundsatz als Rechtmäßigkeitsmaßstab Kritiker der Mediation sehen den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG missachtet, wenn sich der Staat durch private Konfliktmittler unterstützen lässt.270 Denn eine derartig individuelle Konfliktbe267  Dieser Befund ergibt sich auch aus einer weiteren, ausführlich an anderer Stelle, Kap. E. II. 1. d), dargelegten Überlegung: Die abschließende behördliche Entscheidung weist lediglich dann eine ausreichende demokratische Legitimation auf, wenn und soweit die Behörde mit ihr die Letztentscheidungsverantwortlichkeit wahrgenommen und zum Ausdruck gebracht hat, Kaltenborn 2007, 226. Weder das Mediationsverfahren selbst, noch die Tatsache, dass ein privater Konfliktmittler zur Unterstützung herangezogen wurde, können die (juristische) Notwendigkeit klarer juristisch determinierter Verantwortlichkeiten aushebeln. Unklarheit an dieser Stelle, käme einer Verwischung der Ebenen und Aufgabengebiete gleich. 268  Dieser Befund gilt nach dem hier vertretenen konstruktivistischen und systemischen Verständnis nicht nur für Mediationen im öffentlichen Sektor, sondern ebenso für Mediationen im privaten Sektor. Da allerdings das Rechtssystem in den Absprachen Privater über Angelegenheiten, in denen das Rechtssystem Privatautonomie zugewiesen hat, „Rechtskommunikationen filternd erkennt“, bedarf es hier keiner ausdrücklichen Rezeption und Transformation wie im öffentlichen Sektor, vgl. Huber 2007, 193 f. 269  Aus diesen Erwägungen wird auch deutlich, dass Mediation kein Werkzeug der demokratischen Partizipation der Bürger ist. Mediation ist auch keine Basisdemokratie, sondern schlicht eine „Gebärde demokratischer Grundhaltung“ (Duss-von Werdt), zitiert nach Zilleßen 2000. Mediation ist Ausdruck des Bewusstseins gegenseitiger Betroffenheit und des Erfordernisses nach unmittelbarer Kommunikation, um Konflikte abzumildern. 270  Für den privaten Konfliktmittler selbst sind die grundrechtlichen Aussagen nicht unmittelbar relevant. Soweit eine mittelbare Drittwirkung unter Privaten ins Auge gefasst wird, die selbst lediglich ein „Unterfall der allgemeinen Grundrechtsfunktion staatlicher Schutzpflicht“ (Stern 1988, 1509 ff., 1572) und damit eine „Aus-



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation419

handlung mit dem Bürger führe dazu, dass jeder Bürger unterschiedlich behandelt werden würde.271 Zudem würde ein Aushandeln der rechtlichen Entscheidung die Gleichheit vor dem Gesetz gefährden.272 Dennoch führen die angedeuteten Gefahren rechtlicher Ungleichbehandlung nicht zu dem Schluss, dass eine Mediation mit dem Staat das Gleichheitsgebot verletzt. Unabhängig davon, dass Art. 3 GG lediglich eine rechtliche Gleichbehandlung dergestalt fordert, dass nur wesentlich Gleiches gleich behandelt werden muss und wesentlich Ungleiches ungleich273. Die normativen Kriterien zur Gleichbehandlung gibt dabei das Recht selbst vor. Jedoch zwingt Art. 3 GG nicht zu einer außerjuristischen Gleichbehandlung. Soweit das Mediationsverfahren – wie nach der hier empfohlenen Konzeption – das Verwaltungsverfahren ergänzt und begleitet, ist eine unzulässige Ungleichbehandlung vor und mit dem Gesetz noch nicht feststellbar. Maßgebend ist auch hier, dass die Verwaltung im Mediationsverfahren nicht rechtsverbindlich gegenüber anderen Rechtsträgern handelt. Das Mediationsverfahren ersetzt nicht das Verwaltungsverfahren oder reichert es an. Mit der Teilnahme an der Mediation bereitet sich die Verwaltung für ihre – auch Art. 3 GG verwirklichenden – Rechtshandlungen vor.274 Eine derartige Herangehensweise bleibt ihrer eigenen Einschätzung vorbehalten. Davon unberührt bleiben freilich die von Rechts wegen vorgegebenen Anhörungsund Mitwirkungsrechte der Beteiligten, die die Verwaltung zu beachten hat. Es ist allerdings eine Überlegung wert, ob nicht die Verwaltungsent­ scheidung zum Für und Wider eines ergänzenden Mediationsverfahrens eine strahlungswirkung der Grundrechte“ (Sachs 2009a, Rn. 32 mit vielen Nachweisen) darstellt, müsste man dennoch feststellen, dass Art. 3 GG nicht verletzt ist. Da alle Medianten freiwillig teilnehmen und im Übrigen nicht auf ihre Verfahrens- oder sonstigen Rechte verzichten, scheidet eine grundrechtliche Verletzung durch den privaten Konfliktmittler aus. 271  Vgl. Kunig / Rublack Jura 1990, 10 („gleiche Verfahrensteilhabe und Chancengleichheit bei der konkreten gemeinschaftlichen Problemlösung“, „willkürfreie Behandlung verschiedener Konfliktlagen“). 272  Brohm NVwZ 1991, 1029; ders. DVBl 1994, 139 („Wer in Aushandlungsprozessen über die größten Möglichkeiten zu Drohungen und Tauschgeschäften verfügt, wird seine Interessen am besten durchsetzen …“). 273  BVerfGE 78, 249, 287, dazu Schillinger 2003, 69. 274  Eine andere Frage ist, ob sich aus der Zulässigkeit der Mediation ein rechtswirksamer Anspruch der Privaten auf Mediation mit dem Staat ableitet. Teilweise wird das bejaht, Schillinger 2003, 73 f. Angesichts der Freiwilligkeit der Mediation und aller Beteiligten dürfte dieser Rechtsanspruch praktisch wirkungslos sein. Offenheit und Vertrauen, gegenseitiges Interesse und Mitgefühl sind weder einklagbar, noch juristisch vorzuschreiben, ohne dass sie zu inhaltsleeren Förmlichkeiten (Alibiveranstaltung) verkommen. Generell und aus rechtlichen Erwägungen ablehnend Kaltenborn 2007, 124 ff.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

– juristisch einklagbare – selbstbindende Entscheidung darstellt.275 Konsequenz wäre, dass angesichts der jeweiligen Verwaltungspraxis und den Vorgaben des Art. 3 GG ein Anspruch für Private auf Absolvierung einer Mediation heranreifen kann. Dafür spricht, dass die hoheitliche Mediationsteilnahme als tatsächliches Verwaltungshandeln ebenfalls eine anspruchsbegründende Vertrauensbasis darstellen kann. Insoweit gelten die Bindungswirkungen, die für eine Verwaltungspraxis (auch mittels Verwaltungsvorschriften276), entsprechend.277 Gleichwohl wird man bei aller dogmatischen Konsequenz dieses Weges im Auge behalten müssen, dass momentan keine Verwaltungspraxis existiert, die fähig wäre, auf der genannten Grundlage einen Anspruch zu begründen. Dafür steckt Mediation im öffentlichen Sektor noch in Kinderschuhen. Mithin ist auch der Verwaltung Zeit und Raum zu belassen, um Erfahrungen mit dieser Methode zu ermöglichen, ohne sie sogleich zu ersticken. Zudem lässt sich vermuten, dass angesichts der Funktionsweise der Mediation (Eigenverantwortlichkeit und Freiwilligkeit der Teilnehmenden) ein rechtsgültiger Anspruch kontraproduktiv wirkt: Eine erzwungene Mediation verkommt zur Alibiveranstaltung. Vom Standpunkt der Mediation aus ist es wenig sinnvoll, rechtsgültige Ansprüche auf die Durchführung einer Mediation zu begründen. Damit lässt sich zusammenfassend feststellen, dass eine ergänzende und begleitende Mediation mit der Verwaltung nicht gegen geltendes Recht verstößt. Die Feststellung der rechtlichen Zulässigkeit entbindet allerdings die Verwaltung nicht, die Geeignetheit der Mediation im konkreten Verwaltungsverfahren zu prüfen: Die Vorteile, die das Mediationsverfahren durch sein unmittelbares Kommunikationsforum, seinen kooperationsförderlichen Charakter sowie dem prozessbezogenen Sachverstand des Mediators in zwischenmenschlichen und gruppenbezogenen Dynamiken bietet, bedürfen stets eines Vergleichs zum Zeitaufwand, zum Vorhandensein von Spielräumen für Kompromisse (, die freilich erst während der Mediation auftauchen oder auch nicht) sowie den Besonderheiten des konkreten Verwaltungsverfahrens.278 Insoweit stellt Mediation eine Ergänzungsmöglichkeit dar, die der (Aus-)Wahl bedarf. Ein Anspruch gegen die Behörde auf die Durchführung eines Mediationsprozesses besteht ebenso wenig wie ein verfassungsrechtliches Gebot.

275  Zur Selbstbindung der Verwaltung allgemein Ossenbühl 2002, 206 ff., 213 f.; Giemulla / Jaworsky / Müller-Uri 2004, Rn. 151 ff. 276  Zur Selbstbindung der verwaltungsvorschriftengesteuerten Verwaltungspraxis Maurer 2006, Rn. 122 ff.; ders.  2009, 626 ff.; Möstl 2006, Rn. 16 ff., 21; Seibert 2003, 541 ff. 277  Maurer 2006, 131. 278  Ebenso Appel 2008, 123.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation421

c) Der Rechtsstatus des privaten Konfliktmittlers bei Mediationen mit staatlichen Akteuren Die unterschiedlichen mediativen Grundsätze und Vorstellungen von der Rolle der Verwaltung werfen im Hinblick auf den privaten Konfliktmittler in einem Mediationsprozess mit staatlichen Stellen die Frage auf, welcher Rechtsstatus ihm zukommt. Die Antwort auf diese Frage wird nicht zuletzt vom zugrunde liegenden Staats- und Verwaltungsverständnis bedingt.279 Konkret werden unterschiedliche Rechtsinstitute sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechts in die juristische Diskussion geführt, namentlich die Beleihung, die Verwaltungshilfe, die Verwaltungssubstitution, die Verwaltungsmittlung und nicht zuletzt die – auch hier favorisierte – Lösung, dass der Konfliktmittler den Status eines Privaten beibehält, mit dem (auch) die Behörde einen privatrechtlichen Vertrag schließt. aa) Die Beleihung Erwogen wird zum Teil, dass der private Konfliktmittler beliehen280 werden müsse, damit er staatliche Stellen mediieren dürfe.281 Diese Vorstellung resultiert aus der Annahme, die Verwaltung gebe im Mediationsprozess, den der Mediator leitet, die Verfahrensherrschaft (über das Verwaltungsverfahren) zumindest kurzfristig auf.282 Insoweit wird die Vorstellung gepflegt, 279  Fehling

2001, 423. Beliehene bleibt Privatperson, nimmt aber mit Hoheitsgewalt (so BVerwGE 29, 166, 169 f.; 61, 222, 225 f.) bestimmte Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen wahr, die ihm übertragen wurden, Maurer 2009, 523 f., 610; Stober 2004, 508 f. Umstritten ist, ob die Beleihung einen Fall der Organisationsprivatisierung darstellt, bejahend Burgi 2006, Rn. 8; Osterloh VVDStRL 1995, 223 f., Fn. 70; kritisch dazu Stober 2004, 509 f.; Schröder 2007, 259. Der Beliehene wird gleichwohl zu einer neuen Behörde des beleihenden Verwaltungsträgers, Stelkens 2005, 47, 888; Stober 2004, 514 f. Nach Außen tritt der Beliehene als selbständiger Hoheitsträger auf, Lämmerzahl 2007, 187 f., vertiefend Schröder 2007, 260 ff. Nach Innen unterliegt er – zur Sicherung demokratischer Legitimierung seiner Hoheitsgewalt – bestimmten im Beleihungsakt formulierten Begrenzungen (Fach- und Rechtsaufsicht), Kaltenborn 2007, 170 f.; Burgi 2006a, 279 f.; Heintzen VVDStRL 2003, 242. Dass dadurch der Zweck einer Beleihung (Verwaltungstätigkeiten zu dezentralisieren, den eigenen Verwaltungsapparat zu schonen, Verwaltungspotential und Sachkenntnis des Privaten zu nutzen) unterlaufen wird, ist offensichtlich, aber aus dem Anliegen demokratischer Kontrolle und Rückbindung erklärlich, ähnlich Maurer 2009, 610; Heintzen VVDStRL 2003, 242, Fn. 108.; zur Beleihung ausführlich zuletzt Wiegand 2008 (zur Beleihung mit Normsetzungskompetenzen); allgemein Burgi 2001; ders. 2006a, 277 ff.; Freitag 2005; Frenz 1992; Brüning SächsVBl 1998. 281  Brohm DVBl 1990, 327 f.; Vetter 2004, 218; Burgi DV 2000, 187, Fn. 20. 282  Vgl. Brohm DVBl 1990, 327. 280  Der

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

dass dem Mediator Hoheitsbefugnisse im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zugestanden werden müssen, damit er überhaupt erfolgreich vermitteln könne.283 Stehen einer derartigen Beleihung auch keine verfassungsrecht­ lichen Bedenken entgegen, muss hier doch klargestellt werden, dass sie der praktischen Vermittlungstätigkeit des privaten Konfliktmittlers abträglich wäre. Das Potential allparteilichen Auftretens, das der Verwaltung fehlt und von Rechts wegen fehlen muss, schon weil sie im öffentlichen Interessen handelt, aber dem privaten Mediator vermittelnde Wirksamkeit sichert, würde durch eine Beleihung geschmälert. Der Beleihende würde Teil der mittelbaren Staatsverwaltung werden, von (nur) einem Konfliktbeteiligten bestellt und unter dessen Aufsicht stehend. Eine Beleihung durch die konfliktbeteiligte Verwaltung risse ihn von Beginn an aus der Mitte aller Konfliktbeteiligten heraus.284 Entscheidend gegen die Beleihung spricht allerdings, dass der Mediator für seine Vermittlungsarbeit überhaupt keine Hoheitsrechte benötigt.285 Weder weist er die Behörde im Vermittlungsprozess, der obendrein nicht ein Teil des Verwaltungsverfahrens ist, verbindlich an, noch entscheidet er für sie. Auch den entscheidungsrelevanten Sachverhalt im juristischen Sinne ermittelt er nicht, sondern unterstützt die Behörde bei ihren Verwaltungsentscheidungen und den dafür erforderlichen Ermittlungstätigkeiten.286 Eine Beleihung ist weder unter juristischen Gesichtspunkten 283  Wäre das der Fall und übte der Mediator tatsächlich die Verhandlungsführung dergestalt aus, dass er beispielsweise den Entscheidungsgegenstand begrenzt oder erweitert und dadurch entscheidend die inhaltliche Schwerpunktsetzung beeinflusst und sonach die konsensfähige Lösung faktisch erarbeitet, dann müsste er tatsächlich in den Verwaltungsaufbau qua Beleihung integriert werden. In diesem Falle würde der private Mediator hoheitlich tätig werden, so dass er durch die Verwaltung beliehen werden müsste. Eine derartige Beleihung ist jedoch nur auf der Grundlage eines Beleihungsgesetzes möglich, Detterbeck 2005, Rn. 192; eingehend BremStGH NVwZ 2003, 81 ff. Ein (allgemeines) Beleihungsgesetz zugunsten von privaten Konfliktmittlern besteht derzeit nicht. Ob die öffentlich-rechtlichen Normen, die die Hinzuziehung eines „Dritten“ erlauben (s. 5.211), eine ausreichende Beleihungsgrundlage darstellen, ist unklar. 284  Diese Wirkungen eines Beleihungsakts als „ein psychologisches Argument“, Härtel JZ 2005, 759, in Kauf zu nehmen, „über das sich ein Bürger, der Nicht-Jurist und nicht anwaltlich vertreten ist, wohl kaum Gedanken“ mache, verhindert Mediation – und wertet im Übrigen die Konfliktbeteiligten ab. 285  So auch Härtel JZ 2005, 758; Siegel NuR 2002, 84; Kaltenborn 2007, 182; Stelkens / Schmitz 2001, Rn. 179. Aus dieser Erwägung heraus aktiviert – wie bereits im Kap. E. II. 1. b) aa) (2) angedeutet – die Einschaltung eines privaten Konfliktmittlers nicht den institutionellen Gesetzesvorbehalt. 286  Es ist eine Sache, dass die Behörde im Verwaltungsverfahren durch den Untersuchungsgrundsatz verpflichtet ist, den für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, eine ganz andere, dass sie Entscheidungsspielräume bzgl. des Umfangs der Sachverhaltsaufklärung sowie der Mittel dafür besitzt. Als Beweismittel kann sie sich aller Erkenntnisquellen bedienen. Die Mediation



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation423

noch für die Vermittlungstätigkeit als solche nötig, sondern für die Vermittlungstätigkeit abträglich.287 bb) Die Verwaltungshilfe Der private Konfliktmittler könnte als Verwaltungshelfer288 engagiert werden.289 Verwaltungshelfer sind private Personen, die durch die Behörde beauftragt werden, um sie bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben zu unterstützen.290 Wie bereits bei der Beleihung stehen dem Engagement eines privaten Konfliktmittlers als Verwaltungshelfer keine juristischen Bedenken entgegen. Doch arbeitet ein privater Konfliktmittler – nach der hier vertretenen Konzeption – nicht nur im Auftrag der Behörde, sondern auch im Auftrag der anderen privaten Konfliktbeteiligten. Zudem vermittelt er nicht nach den Weisungen der Behörde. Deshalb stellt er sich nicht als ein unselbständidurch einen privaten Konfliktmittler stellt in diesem Licht ein Beweismittel eigener Art dar. Diese Sachverhaltsaufklärung erfolgt nicht unter Einsetzung eines Sachverständigen i. S. d. § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG; wie hier Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 49; Schneider VerwArch 1996, 60. 287  Unter juristischen Gesichtspunkten ist die Beleihung zur Konfliktmittlung ohnehin ohne ein erlaubendes Gesetzes unmöglich. Ein solches Beleihungsgesetz existiert derzeit nicht. 288  Zum Rechtsinstitut der Verwaltungshilfe Burgi 1999; ders. 2006a, 280 ff.; Lämmerzahl 2007, 190 ff. 289  Dafür Kaltenborn 2007, 183; Härtel JZ 2005, 758 f.; wohl auch Appel 2008, 874; überwiegend wird auch die Einschaltung des „Dritten“ i. R. d. Bauleitplanung von § 4b BauGB als Fall der Verwaltungshilfe angesehen, so etwa Ferner 2008, 66; Lüers DVBl 1998, 444; Stollmann NuR 1998, 580 alle m. w. N. 290  Es lassen sich die unselbständige Verwaltungshilfe von der selbständigen Verwaltungshilfe unterscheiden, Stober 2004, 524 ff. Bei der klassischen unselbständigen Verwaltungshilfe handelt es sich um einen Fall funktionaler Privatisierung (Remmert 2003, 197 f.; Schuppert 2000, 371 f.), durch die ein Privater als unselbständiges Hilfsorgan der Behörde tätig wird. Er entspricht als öffentlich-rechtliches Institut dem zivilrechtlichen Erfüllungsgehilfen i. S. d. § 276 BGB. Verabschiedet man sich allerdings vom Kriterium der Unselbständigkeit im Innenverhältnis von Behörde und Privaten, um der Behörde nicht eine „Flucht ins Privatrecht“ (aus den Bindungen des öffentlichen Rechts) zu ermöglichen, kommt es auf andere qualifizierende Merkmale an, um einen Privaten als Verwaltungshelfer einstufen zu können, dazu Kaltenborn 2007, 175; Appel 2008, 874; Burgi 1999, 153; Maurer 2009, 613; für die Selbständigkeit noch Detterbeck 2005, Rn. 194; Frenz 1992, 50 f.; Schlette 2000, 161; Brüning NWVBl 1997, 291; von Heimburg 1982, 130. Sich von diesem Kriterium zu verabschieden fällt umso leichter, je deutlicher wird, dass es im konkreten Fall ungeklärt bleibt, was überhaupt als (un-)selbständig einzustufen ist. Sodann gilt der Private bereits als Verwaltungshelfer (mit allen haftungsrecht­ lichen Konsequenzen für den Verwaltungsträger), sobald er die öffentliche Aufgabe bis zur Entscheidungsreife vorbereitet, Di Fabio VVDStRL 1997, 273; Brüning NWVBl 1997, 292 f.; vgl. dazu auch Burgi 1999, 155 f.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

ger Verwaltungshelfer dar. Ferner bereitet er nicht die – verwaltungsverfahrensrechtlich zu bewältigende – öffentliche Aufgabe bis zur Entscheidungsreife vor, sondern unterstützt die Behörde allenfalls dabei. Das schließt es aus, ihn als selbständigen Verwaltungshelfer einzustufen.291 Er beansprucht gerade nicht, die Herrschaft über das Verwaltungsverfahren auch nur teiloder zeitweise übertragen zu bekommen, sondern benötigt lediglich die Führerschaft im Mediationsverfahren. Diese allerdings wird nicht einmal für eine bestimmte Zeit durch alle Medianten übertragen, sondern solange von allen akzeptiert, wie es für sie akzeptabel ist, sich von dem Mediator durch den eigenen Konflikt (hindurch-)führen zu lassen.292 Es ist für eine gelingende Mediation nahezu zwingend, dass der Mediator von allen Beteiligten beauftragt wird. Im Falle der Verwaltungshilfe wäre das nicht möglich. Zudem unterliegt der Mediator im Rahmen seiner Vermittlungstätigkeit keinesfalls den Weisungen der Behörde bzw. eines Medianten.293 Entscheidend jedoch ist folgende Überlegung: Die vermittelnde Tätigkeit übt der private Konfliktmittler nicht statt der Verwaltung aus. Einerseits ist die Vermittlungsarbeit im öffentlichen Sektor nicht eine öffentliche Aufgabe, andererseits könnte der Verwaltungsträger diese Arbeit selbst gar nicht leis291  Soweit man den mediationsabträglichen Eindruck, dass der Konfliktmittler auf Seiten der Behörde steht, billigend in Kauf nimmt (so ausdrücklich Härtel JZ 2005, 759) und der Konfliktmittler damit wie ein „Erfüllungsgehilfe“ der Behörde nach Außen und damit gegenüber den anderen Medianten auftritt, bedarf es gleichwohl nicht der Übertragung von Hoheitsrechten, insbesondere nicht der Herrschaft über das Verwaltungsverfahren, Kaltenborn 2007, 174 f.; Burgi 1999, 147. Aus diesem Grunde aktiviert sich in diesem Falle auch nicht der Gesetzesvorbehalt. Das gilt jedenfalls solange, wie in der Vermittlungstätigkeit nicht die Verwaltungsentscheidung vorbereitende Handlungen des (selbständigen) Verwaltungshelfers erblickt werden, Stober 2004, 532 f.; dazu auch Burgi  1999, 287 ff. Jedenfalls handelt der private Konfliktmittler als Verwaltungshelfer allein nach dem Maßstab privatrechtlichen Instrumentariums. Seine Vermittlungstätigkeiten würden sich den Vorschriften privatrechtlicher Rechtsgeschäfts- und Realakte unterwerfen. Zum Instrumentarium des Privatrechts s. nur Ellenberger 2009, S. 73 f. Auf Behördenseite bleibt zu beachten, dass der Konfliktmittler selbst keineswegs die Verfahrensrechte der Beteiligten gewährleisten muss, so dass die Behörde nicht nur weiterhin die (Gewährleistungs-) Verantwortung für das rechtmäßige (Vewaltungs-)Verfahren trägt, sondern gegebenenfalls auch die dafür erforderlichen Schritte (neben der Mediation) einzuleiten hat. 292  Dem Befund von Wagner / Engelhardt NVwZ 2001, 374, dass die „Verwaltung ihr Selbstverständnis überdenken und zumindest im Mediationsverfahren bereit sein [muss], ihre gewohnte Position als ‚Herrin des Verfahrens‘ zu Gunsten einer Entscheidungsfindung durch alle Beteiligten … aufzugeben“, ist deshalb nicht zuzustimmen. Ähnlich wie hier Kaltenborn 2007, 290 f.; Sünderhauf 1997, 138; Schillinger 2003, 79; Härtel JZ 2005, 755. 293  Die Medianten können letztlich die Mediation abbrechen, keinesfalls aber vertraglich abgesichert Weisungen zum vermittelnden Vorgehen erteilen. Dazu bereits Kap. C. II.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation425

ten. Niemand kann in einem Konflikt vermitteln, in dem er selbst verstrickt ist.294 Sowohl juristische als auch mediative Gründe sprechen daher gegen die Klassifizierung als Verwaltungshelfer. Dem Verwaltungsträger ist es – angesichts beider Konzeptbereiche – unmöglich, die Vermittlungsaufgabe zu übertragen bzw. zu privatisieren, sofern unter Übertragung und Privatisierung verstanden wird, dass die Verwaltung eine Aufgabe von sich auf andere transportiert bzw. transferiert.295 Deshalb ist die Beauftragung eines privaten Konfliktmittlers auch kein – eine öffentliche Aufgabe – privatisierender Vorgang, so dass das Institut der Verwaltungshilfe nicht auf das Engagement eines privaten Konfliktmittlers im öffentlichen Sektor passt.296 cc) Die Verwaltungssubstitution Für ein eigenständiges Institut „zwischen“ Beleihung und Verwaltungshilfe bleibt nur Raum, wenn „schlicht-hoheitliche Befugnisse“ im Wege der Beleihung nicht, sondern ausschließlich „obrigkeitliche Kompetenzen“ übertragen werden können.297 Verwaltungssubstitution ist sonach weder Beleihung, da keine obrigkeitlichen Kompetenzen übertragen werden, noch (unselbständige) Verwaltungshilfe, da keine behördlichen Weisungsrechte entstehen. Differenziert man in diesem Sinne die übertragbaren Hoheitsbefugnisse, verhält es sich mit der „Verwaltungssubstitution“298 wie mit der (echten) Verwaltungshilfe. Das Verwaltungssubstitut wird an der Durchfüh294  Das ist generell eine Gefahr für Mediatoren, die unter dem Aspekt der Allparteilichkeit einen großen Anteil vermittelnder Tätigkeit ausmacht („Selbstreinigungsarbeiten“ des Mediators), vgl. dazu Kap. C. II. 2. 295  Privatisierung bedeutet zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch, dass eine bisher vom Staat wahrgenommene Aufgabe auf Private transferiert wird, Remmert 2003, 189; Kämmerer 2001, 7 ff. Freilich erfasst diese Umschreibung nicht vollständig den juristischen Sprachgebrauch. Unter Privatisierung werden juristisch auch Phänomene erfasst, die das genannte Merkmal nicht aufweisen; Einzelheiten bei Remmert 2003, 189 ff.; Kämmerer 2001, 8 ff. Die Meinung, dass der private Konfliktmittler einem sachverständigen Berater oder Verfahrenshelfer gleicht und praktisch ein Fall funktionaler Privatisierung (teilw. auch Verfahrensprivatisierung, zusammenfassend dazu Remmert 2003, 189 ff.) darstellt, ist mit der hier vertretenen Ansicht nicht anschlussfähig, vgl. aber Burgi 2006, Rn. 7; Kaltenborn 2007, 172; Stober 2004, 524; mit anderer Begrifflichkeit Brüning NWVBl 1997, 291; vgl. auch Remmert 2003, 189 ff., 197 f. m. w. N.; Pietzcker 1996, 297 f.; zur funktionalen Privatisierung Burgi 1999; Lämmerzahl 2007, 105 ff. m. w. N.; Weiss 2002, 36 ff.; zur Frage, ob die Mediation auch im öffentlichen eine öffentliche Aufgabe ist s. Kap. C. IV. 2.; zur Gefahr der Mediation für das Rechtssystem Kap. C. IV. 1. b) ee). 296  Im Ergebnis ebenso Siegel NuR 2002, 85; Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 8. 297  So ausdrücklich Stober 2004, 530, 512, vgl. auch Appel 2008, Rn. 130. 298  Zur (unechten) Verwaltungssubstitution allgemein von Heimburg 1982, 139 ff.; Frenz 1992, 48 ff.; Burgi 1999, 155 f.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

rung öffentlicher Aufgaben beteiligt, indem es auf der Vollzugsebene schlicht-hoheitlich und insoweit selbständig handelnd deren Wahrnehmung ersetzt – soweit der Verwaltungsträger darauf verzichtete.299 Es erscheint deshalb auch nicht rechtswidrig, für den privaten Konfliktmittler das öffentlich-rechtliche Institut der Verwaltungssubstitution zu aktivieren.300 Nach der hier vertretenen Konzeption ist allerdings maßgebend, dass der konfliktbeteiligte Verwaltungsträger eine Mediation gar nicht selbst durchführen könnte sowie, dass die Vermittlungsarbeit als solche zu keinem Zeitpunkt eine öffentliche Aufgabe war. Indem sich der Verwaltungsträger zusammen mit übrigen Medianten von einem privaten Konfliktmittler durch die kon­ fligierende Situation führen lässt, anerkennt er lediglich, dass er auf externe, also nicht-staatliche Hilfe zur Erfüllung eigener Aufgaben angewiesen ist – ohne jedoch die Erfüllung selbst anderen zu überlassen. Der externe Mediator übernimmt keineswegs die ungelösten öffentlichen Aufgaben oder bereitet deren Lösung vor. Lediglich die Verwaltung bereitet sich vor, um ihre Aufgaben später und andernorts (besser) erfüllen zu können. dd) Die Verwaltungsmittlung Soweit in der Literatur die Verwaltungshilfe auf die unselbständige (Privatisierung der) Aufgabenerledigung beschränkt wird, bleibt das Bedürfnis der Exekutiven bestehen, dass Private die öffentlichen Aufgaben selbständig (wie Beliehene) erfüllen, ohne gleich die Aufgabe selbst zu privatisieren. Dafür dient das Rechtsinstitut der „Verwaltungsmittlung“301. Für dieses gilt allerdings im vorliegenden Zusammenhang das für die Verwaltungshilfe Gesagte entsprechend.302 ee) Die Inpflichtnahme bzw. die Indienstnahme Das „schillernde Rechtsinstitut“303 der Inpflichtnahme oder Indienstnahme zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben kommt, bei allen dogmatischen Unklarheiten, die es aufweist, für den privaten Konfliktmittler nicht zur Anwendung.304 Der Inpflichtgenommene dient der Verwaltung zur Erfüllung 299  Stober

2004, 530. NVwZ 2004, 400; dafür auch Härtel JZ 2005, 758 f. 301  Brüning NWVBl 1997, 286 ff., 292; s. auch Lämmerzahl 2007, 195 f., der allerdings den Verwaltungsmittler als Klammerbegriff für den Beliehenen und den Verwaltungshelfer – ohne weitergehende Belege – verwendet! 302  Kap. E. II. 1. c) aa) (2). 303  Stober 2004, 542. 304  Nunmehr ausführlich dazu Strauß 2009, insbes. 48 ff. 300  Pitschas



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation427

ihrer Verwaltungsaufgaben, wobei seine Sach- und Personalkapazitäten für öffentliche Bedürfnisse besonders genutzt werden sollen.305 Seine Tätigkeitsfelder sind vor allem dem Wirtschaftsverwaltungsrecht zuzuordnen. Zwar weist die Inpflichtnahme wesentliche Unterschiede zur Beleihung auf306, jedoch hat der Inpflichtgenommene mit dem Beliehenen gemeinsam, dass er als „Hilfsorgan der Verwaltung“ auftritt. Diese Tatsache allein führt bereits zu dem Schluss, dass der allparteiliche Mediator nicht als Indienstbzw. Inpflichtgenommener der Verwaltung gelten kann. Maßgebend allerdings ist, dass der Private zur Verwaltungsaufgabenerfüllung gesetzlich gezwungen und damit unfreiwillig in Anspruch genommen wird307: Das schließt es aus, dass ein Mediator als Indienst- bzw. Inpflichtgenommener zu qualifizieren ist. ff) Die privatrechtliche Vertragspartnerschaft Werden die bereits in der Diskussion angedeuteten Grundsätze beachtet, wird schnell deutlich, dass das Engagement eines privaten Konfliktmittlers durch die Verwaltung (und die übrigen Medianten!308) keine öffentlichrechtliche Qualifizierung benötigt. Da der Mediationsprozess das Verwaltungsverfahren weder ersetzt noch Teil dessen ist, sondern lediglich dieses begleitet oder „einleitet“, handelt es sich auch nicht um eine (privatisierungsbedürftige) öffentliche Aufgabe. Vielmehr kommt private Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor durch privatrechtliche Verträge zustande. Der Staat und die anderen Konfliktbeteiligten schließen zusammen mit dem Privaten einen privatrechtlichen Vertrag ab, wodurch dessen vertragliche Pflichten als Mediator begründet werden.309 Damit entspricht der Status des privaten Konfliktmittlers weder einem Beliehenen noch einem Verwaltungshelfer.310 Die Tatsache, dass sich die Mediation inhaltlich auf ein (anstehendes) Verwaltungsverfahren bezieht oder durch ein solches veranlasst wurde, 305  Stober 2004, 543; Dederer 2004, 65 („… wenn der Staat Verwaltungsaufgaben auf Private … abwälzt.“). 306  Es werden bei der Inpflichtnahme keine Hoheitsbefugnisse übertragen, ausführlich Burgi 1999, 252 ff. 307  Strauß 2009, 49. 308  Kap. C. III. 1. b). 309  Detterbeck 2005, Rn. 195. Ob es sich dabei um einen Dienstleistungsvertrag nach §§ 611 ff. BGB handelt oder um einen Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB, kann für den vorliegenden Zusammenhang offen bleiben, obschon vieles für einen Dienstvertrag über höchstpersönliche Dienste spricht, für Werkvertrag allerdings wohl Rüssel 2004, 128, 130; für Dienstvertrag Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 8. 310  Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 8; (für das Planfeststellungsverfahren) Siegel NuR 2002, 85; Rüssel 2004, 123 ff.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

ändert an diesem Befund nichts.311 Indem die Mediation ein Verwaltungsverfahren vorbereitet bzw. begleitet, ist allein daran noch nicht erkennbar, dass der Konfliktmittler auch öffentlich-rechtlich tätig werden muss.312 Der Mediationsprozess ersetzt weder das Verwaltungsverfahren, noch sichert er die bestehenden Verfahrensrechte, sondern erleichtert die Erfüllung dieser Rechtsansprüche und die rechtmäßige Durchführung des Verwaltungsverfahrens. Allein die personalen Effekte des Mediationsprozesses, dessen Besonderheiten und Wirkungsweisen bereits beschrieben wurden313, können die behördliche Rechtswahrung mittelbar, wenn auch maßgebend erleichtern. Insoweit lässt sich zusammenfassen, dass es juristisch grundsätzlich möglich ist, den privaten Konfliktmittler zu beleihen oder ihn als Verwaltungshelfer zu engagieren. Beide Vorgehensweisen sind für den Vermittlungsprozess weder erforderlich noch förderlich. Der Private wird auch nicht mit der öffentlichen Aufgabe „Vermittlung“ beliehen oder dafür als Verwaltungshelfer engagiert, sondern der Mediator kann zusätzlich und zeitgleich mit Hoheitsbefugnissen beliehen oder zur Erledigung öffentlicher Aufgaben helfend herangezogen werden. Das ist juristisch möglich und zuweilen praktikabel.314 Aus den Grundsätzen der Mediation ergibt sich dann aber die problematische Situation, dass der Beliehene organisationsrechtlich auf Seiten des Verwaltungsträgers stünde bzw. der Verwaltungshelfer als verlängerter Arm der Verwaltung tätig wäre315 und in Personalunion die Medianten zu vermitteln hätte. Dieser Rollenkonflikt ist nach der hier dargelegten Ansicht zur Mediation, insbesondere im öffentlichen Sektor, zu unterbinden.316 Das angezapfte ­Potential der Mediation würde sonst geld- und zeitvergeudend verpuffen. d) Die mediative Abschlussvereinbarung und das staatliche Recht Wie bereits erläutert, ersetzt das Mediationsverfahren das Verwaltungsverfahren nicht und reichert es auch nicht an. Es bereitet das Verwaltungs311  Jedoch lässt sich hier ein Vorschlag von Schmidt-Aßmann aufgreifen: Er formulierte die Vermittlungstätigkeit im öffentlichen Sektor als eine Art Ehrenamt im rechtsbereichsübergreifenden Raum, die durch übereinstimmende Willenserklärungen aller Beteiligten zustande kommt, deren Inhalte allerdings aus einer Art (Muster-)Geschäftsordnung schöpfen, vgl. dazu Schmidt-Aßmann 1990, 26 f.; Schneider VerwArch 1996, 63 f. 312  Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 8. 313  Dazu Kap. C. I. 2. sowie Kap. C. III. 2. 314  Zum Beispiel bei Planfeststellungsverfahren, so Holznagel / Ramsauer 2009, Rn.  73 ff. 315  Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 8. 316  Anders aber Pünder 2006, 513 f.



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verfahren vor oder begleitet es. Konsequenz dessen ist, dass die Ergebnisse eines Mediationsverfahrens die Verwaltungsentscheidung ebenso wenig ersetzen können. Das Mediationsverfahren samt seiner vereinbarten Ergebnisse drücken jedoch das Bedürfnis auch der Verwaltung aus, eigenständig und ergebnisorientiert der Komplexität juristischer Handlungsaufträge und Arbeitsanforderungen Herr zu werden.317 Die erstrebten Vorzüge der Media­ tion, insbesondere eine konfliktarme und ertragreiche Zusammenarbeit aller betroffenen Personen zu ermöglichen, werden nur erreicht, wenn das – die Kommunikation binär codierende – Rechtssystem während des Mediationsprozesses Zurückhaltung übt und den übrigen Vorzügen und Potentialen der Medianten Zeit zum reifen belässt – insbesondere dadurch, dass es nicht zu früh Verkürzungen des Geschehens vornimmt. Konsequent meint die überwiegende Ansicht in der Literatur zur Mediation, dass Mediationsabsprachen die späteren Verwaltungsentscheidungen nicht determinieren können und es sich zumindest auf Seiten der Behörde um Absprachen handelt, die ohne Rechtsbindungswillen abgegeben würden.318 Dieser Konstruktion, die mit dem Kriterium des Rechtsbindungswillens die Angelegenheit den Beteiligten überlässt, stehen freilich Bedenken entgegen, die akut würden, sofern Medianten tatsächlich einen Rechtsbindungswillen bekundeten. Es erscheint allerdings möglich, Mediationsabsprachen juristisch als unvollkommene Verbindlichkeiten319 einzustufen. Unvollkommene Verbindlichkeiten durchbrechen den Grundsatz von Schuld und Haftung, indem sie Schuld(en) erfassen, auf die nicht gehaftet zu werden braucht.320 Das (Privat-)Recht kennt – erstens – Schulden, denen bereits der 317  Die Differenz zwischen Recht als Handlungsauftrag sowie als Kontrollauftrag wirkt sich im vorliegenden Zusammenhang besonders deutlich aus. Um dem Handlungsauftrag von Verwaltungsrecht gerecht zu werden, können Mediationen – gerade zur Vorbereitung umweltrelevanter Großvorhaben – dazu dienen, Meinungs- und Stimmungsbilder der betroffenen Bevölkerung einzusammeln oder konkrete Entscheidungsvorschläge erarbeiten zu lassen, die sodann der Verwaltung bzw. dem Vorhabenträger unterbreitet werden, dazu Troja / Meuer 2005, 232 f. Verwaltungsrecht allein als Kontrollauftrag begreifend würde dazu führen, Mediationen überhaupt nicht durchzuführen, solange sie nicht vom Gesetz vorgegeben werden. Mediation findet zwar im Schatten des Rechts statt, ist selbst aber kein Mittel des Rechts, vgl. Hoffmann-Riem AöR 2005, 27 f. 318  Kaltenborn 2007, 226; Appel 2008, Rn. 140; Perschel 2002, 270; Holznagel / Ramsauer 2009, Rn. 2, 22; Härtel JZ 2005, 757; Sünderhauf 1997, 261; Schillinger 2003, 199; anders wohl Pünder DV 2005, 24; ders. 2006, S. 514 f. 319  Einführend Fikentscher / Heinemann 2006, Rn. 67 ff. („Naturalobligationen“); Medicus / Lorenz 2008, Rn. 24 ff. („unvollständige Forderungen“). 320  Eine Schuld im hier verwendeten Sinne ist die obligatorische Verpflichtung, also das Leistenmüssen des Verpflichteten; die Haftung bedeutet das Unterworfensein des Schuldners unter den – staatlich unterstützten – Vollstreckungszugriff des Gläubigers. Soweit der Schuldner nicht leistet, zwingt der Gläubiger den Schuldner

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Charakter einer Verbindlichkeit von Gesetzes wegen abgesprochen wird321, – zweitens – solche, die nicht einklagbar sind322 und – drittens – solche, die zwar einklagbar sind, aber nicht zwangsweise, also mit Hilfe des staatlichen Zwangsapparates, durchgesetzt werden können323. Mediationsabsprachen könnten danach solche Schulden begründen, die jedenfalls nicht zwangsweise durchsetzbar sind. Allerdings spricht gegen diese juristische Klassifizierung der Mediationsabsprachen, dass infolge von unvollkommenen Verbindlichkeiten freiwillig Geleistetes nicht nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden kann und insoweit die Naturalobligation einen Rechtsgrund darstellt. Soweit folglich die Behörde etwas geleistet hat, könnte sie diese Leistung bereicherungsrechtlich nicht zurückfordern. Jedoch besteht durchaus die Notwendigkeit, dass der Behörde bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche zustehen, um öffentlich-rechtliche Vorgaben einhalten zu können und damit rechtmäßig zu handeln. Nach hier vertretener Ansicht erscheint es deshalb angezeigt, dass das Rechtssystem auf Mediationsabsprachen keinen Zugriff nimmt, bevor nicht die Beteiligten rechtsverbindliche Erklärungen abgeben, die den einschlägigen Verfahrensvorschriften entsprechen. Perschel weist darüber hinaus auf die häufig große Teilnehmerzahl bei Mediationen im öffentlichen Sektor hin (häufig bei Standortfragen lokal unerwünschter Bauvorhaben). Bereits die mehrseitige Gesprächssituation ist für ihn ein Indiz, dass die Teilnehmer keine „streng vertragsmäßige Rechtsverbindlichkeit“324 anstreben. Die erforderliche Zurückhaltung des Rechtssystems bei der Qualifizierung der Rechtsverbindlichkeit findet abermals theoretischen Rückhalt in der systemtheoretischen Konzeption, wie sie Luhmann für die Schlichtung einfordert: „… ist es wichtig, Schlichtungsversuche, seien sie erfolgreich oder nicht, als Episoden zu behandeln, die das jederzeit operationsbereite Rechtssystem nicht sabotieren, sondern nur vorläufig suspendieren. Es wird für eine Weile ein System im System gebildet. Justitia nimmt die Binde von den Augen, durch die Klage vor den staatlichen Gerichten mit anschließender Zwangsvollstreckung mittels staatlicher Exekutivgewalt zur Leistung. In der zwangsweise durchgesetzten Haftung aktualisiert sich die Schuld zur Realität und löst sich zugleich durch Erfüllung auf. 321  Vgl. § 762 BGB (Spiel), § 656 BGB (Wette), dazu Medicus / Lorenz 2008, Rn. 24. 322  Vgl. § 1297 BGB: „Aus einem Verlöbnis kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden“, s. auch Medicus / Lorenz 2008, Rn. 25. 323  Vgl. § 888 Abs. 3 ZPO. Keine Urteilsvollstreckung auf Eingehung der Ehe oder auf Herstellung des ehelichen Lebens oder zur Ableistung von Diensten aus einem Dienstvertrag. Dazu Medicus / Lorenz 2008, Rn. 28. 324  Perschel 2002, 270, der einen Vergleich mit völkerrechtlichen Pakten zieht, bei denen – allein aufgrund der Teilnehmerzahl – ebenfalls keine strenge vertragsmäßige Rechtsverbindlichkeit zustande kommt.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation431

solange dies dauert, und sieht die Realitäten, wie sie sind, nämlich mehrwertig.“325 Diese Zurückhaltung geht insoweit vom Rechtssystem selbst aus, stellt selbst eine Rechtsoperation dar und überlässt deshalb keineswegs die Deaktivierung den Beteiligten der Mediation. Während es jedoch für Schlichtungsversuche sachgerecht ist, dass das System im Anschluss zur Zweiwertigkeit zurückkehrt, findet dieser – das soziale Geschehen verkürzende und insoweit die Komplexität dessen reduzierende – Vorgang bei der strukturell anders gelagerten Mediation erst statt, wenn die Mediationsabsprachen rezipiert und gegebenenfalls (ins Verwaltungsrecht) transformiert werden. Das betrifft alle Mediationsaussagen, auch diejenigen von nicht-staatlichen Akteuren. Zusammenfassend lassen sich Mediationsinhalte als rechtsfremde Absprachen bezeichnen, die bloße Absichtserklärungen oder Gentlemen’s agreements darstellen.326 Da die juristische Letztentscheidungsverantwortlichkeit der Verwaltung für Verwaltungsentscheidungen in keiner Weise aufhebbar ist327, bindet sich die Verwaltung durch Informationen und Mitteilungen in der Mediation rechtlich noch nicht. Es bleibt der Verwaltung vorbehalten, die Erkenntnisse des Mediationsverfahrens im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zu rezipieren und gegebenenfalls ins öffentlichrechtliche Rechtssystem zu transformieren.328 Die rezipierten Inhalte sind 325  Luhmann Rechtstheorie 1986, 186. Insoweit vermitteln Mediationsräume selbst. Sie vermitteln zwischen außen- und damit rechtswirksamen Handeln und rein internen und insoweit noch nicht bindenden Vorgängen. Sie stellen einen Übergang dar, der als „praktische Entgrenzungserscheinung“ das Recht vor neue Herausforderungen stellt, dazu Hoffmann-Riem AöR 2005, 11 f. 326  Appel 2008, Rn. 140; ähnlich Pünder DV 2005, 25. 327  Vgl. Kaltenborn 2007, 220 m. w. N.; Loosen 1999, 80 ff.; Perschel 2002, 266; Ferz 2003, 152 f. (österreichische Rechtslage). 328  Die Verwaltung ist im Rahmen des Verwaltungsverfahrens jedoch nicht dergestalt frei, dass sie die Mediationsabsprache oder sonstige „Vertragsabreden“ ohne weitere Prüfung übernehmen darf. Wenn und soweit das öffentliche Recht der Verwaltung Ermessen einräumt, hat sie dieses Ermessen auszuüben. Soweit die Verwaltungsentscheidung die vormals mit anderen getroffenen Entscheidungen ohne weiteres übernimmt, leidet sie grundsätzlich an einem Abwägungsausfall, dazu Appel 2008, Rn. 141; Pünder DV 2005, 25 f.; ders. 2006, 515; Kaltenborn 2007, 227 f.; Perschel 2002, 266 f. Mit dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 45, 309, 321) ist dieses Vorgehen allerdings zulässig, wenn es „sachlich gerechtfertigt“ ist, die „Zuständigkeitsordnung gewahrt“ wurde und die Entscheidung „inhaltlich nicht zu beanstanden“ ist. Zu betonen ist hierbei jedoch, dass es sich nicht um Rechtswirkungen der Mediationsabsprachen handelt, sondern um ein rechtswidriges Vorgehen im Rahmen einer Verwaltungsentscheidung. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob es sich hierbei um „faktische Wirkungen“ der Mediationsabsprachen handelt, so aber Appel 2008, Rn. 141 m. w. N. Vielmehr wirkt die Vorgehensweise bei der Verwaltungsentscheidung rechtswidrig, als dass die Mediationsabsprache faktisch auf die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidung

432

E. Mediation und Transaktionsanalyse

zwar dann in der Mediation erarbeitet worden und entsprechen jenen Absprachen, doch sind sie analytisch nicht identisch. 2. Hoheitliche Konfliktmittler in Mediationen durch staatliche Stellen Im Folgenden geht es um Mediationen in rein verwaltungsinternen Konflikten oder in rein privaten Konflikten, die jeweils durch einen hoheitlichen Konfliktmittler geführt werden. Der Hoheitsträger bedient sich der Media­ tion als Konfliktmanagementinstrumentes, indem er selbst durch seine Amtsträger in Konflikten vermittelt bzw. Konflikten vorbeugt.329 Hierbei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden. Soweit der Hoheitsträger Konfliktbeteiligte untereinander vermitteln möchte, die außerhalb der Verwaltung stehen (verwaltungsexterne Mediationen), handelt es sich um eine Konstellation von Mediation, die der gerichtsnahen bzw. -internen Mediation nicht unähnlich ist. Hier ist die allparteiliche und interessenfreie Stellung des Mediators fraglich, da er in einem sozialen Konflikt, an dem keine Hoheitsträger beteiligt sind, (auch) staatliche Interessen verfolgt.330 Mediative Kompetenzen, also Fähigkeiten und Fertigkeiten, die einen Mediator auszeichnen, werden zunehmend mehr auch für Leitungs- und Führungsarbeiten empfohlen, die in großen Organisationen anstehen. Solches Führen mit Mediationskompetenzen gerät zu einem verwaltungsinternen Konfliktmanagementinstrument, das sich vor allem zur präventiven Konfliktbehandlung eignet (verwaltungsinterne Mediation). Darauf soll jedoch in dieser Untersuchung nicht weiter eingegangen werden. einwirkt. Die Mediationsabsprachen können allenfalls ein Indiz dafür sein, dass die Behörde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ihr Ermessen nicht ausgeübt hat. Das Gericht sollte also nicht strukturell den Fehler begehen, den sie der Verwaltung vorwerfen würde. Dieses Verständnis hat zur Folge, dass es sich bei Mediationsabsprachen keineswegs um „kooperatives Recht“ handelt, dazu einführend Schulze-Fietlitz DVBl 1994. 329  Als innerbetriebliches Konfliktmanagementinstrument gewinnt die Mediation zunehmend an Bedeutung und wird neben dem arbeitsrechtlichen Instrumentarium vor allem in größeren Betrieben und Konzernen ausgebaut, s. dazu ausführlich Ponschab / Dendorfer 2009. 330  Die gerichtsnahe und -interne Mediation wurde und wird von den Justizverwaltungen insbesondere mit Blick auf ihre (erhofften) Entlastungswirkungen eingeführt. Sowohl diese Erwartungen als auch die entsprechenden Motivationen bei den Richtermediatoren können einen erheblichen Einfluss auf die Art und Weise der Vermittlungsarbeit ausüben. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass sich derartige Bedenken (vgl. Monßen 2006, 299, der im Übrigen wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen die Richtermediation erhebt!) keineswegs bestätigen (müssen), s. dazu Weitz 2008, 266 f.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation433

Aus den vorstehenden Ausführungen wird diesbezüglich deutlich, dass sich die Sicht- und Vorgehensweise eines Mediators auch für Leitungs- und insbesondere Führungsarbeiten als nützlich erweist. Gleichwohl handelt es sich bei der Mediation zuvorderst um eine Verfahrensweise, die nicht originär Handlungskompetenzen vermittelt, geschweige denn ein Methodenreservoir darstellt. Das wird insbesondere durch die Herkunftsberufe vermittelt und bringt jeder Mediator mit331, mögen diese Ursprünge auch zunehmend mehr vom schillernden Mediationsbegriff überdeckt werden. Mediation beschreibt für sich genommen lediglich eine Prozessebene der Konfliktbehandlung332, eine Verfahrensweise, aber vermittelt keine materiellen Inhalte zur Vermittlung. Zwar bildete sich mit der Zeit durch die Professionalisierung der Mediation und der institutionellen Organisation der Mediatoren samt ihrer Qualitätsmanagementanforderungen ein mehr oder minder einheitlicher Kanon von Vermittlungstechniken heraus. Doch täuscht das nicht erfolgreich vor, dass es sich in der Sache um Methoden und Techniken handelt, die aus den Herkunftsberufen stammen. Große Verdienste haben sich hier insbesondere die Psychologie und die Kommunikationsforschung erworben. Da sich allerdings die mediative Kompetenz auch für organisa­ tionsinternes Konfliktmanagement eignet, das sich vor allem durch eine intelligente Führungsarbeit auszeichnet, verwundert es nicht, dass sich Mediatoren auch als externe Führungskräfte-, Personal- und Organisationsentwickler anbieten.333 Doch tauchen gleichwohl spezifische Fragen auf, wenn ein Hoheitsträger sich als Mediator anbietet, um in einem Konflikt zwischen verwaltungsexternen Konfliktbeteiligten zu vermitteln. Angesichts der – auch im Verwaltungsrecht tendenziell befürworteten – Notwendigkeit kooperativen Verwaltungshandelns erscheint es nur konsequent, die kooperationsfördernden Konfliktbehandlungsmethoden der Mediation zu integrieren. Wesentliches hierzu ist bereits in den Ausführungen zum aktivierenden Staat und dessen Umsetzung auf der Verwaltungsebene erläutert worden. Im Folgenden geht es um Probleme, die sich aus der Sicht der Mediation ergeben (können). Bei Konflikten im öffentlichen Sektor ist stets das öffentliche Interesse berührt, für dessen Wahrung und Förderung der Verwaltungsträger (auch) zuständig ist. Zweifelhaft ist deshalb, ob der Verwaltungsträger bzw. genauer der für ihn handelnde Amtsträger als Konfliktmittler rechtlich zulässig und mediativ geeignet ist. Neben dem verwaltungspolitisch Wünschens­ werten, dass sich der gesetzgeberische Steuerungsansatz hin zu einem Ver331  s.

Kap. C. III. 3. Kap. B. II. 4. 333  Ausfrl. von Hertel 2008. Führungskompetenzen werden anhand transaktionsanalytischer Konzepte behandelt werden, dazu Kap. E. III. 4. 332  s.

434

E. Mediation und Transaktionsanalyse

waltungskooperationsrecht334 entwickelt, das der Verwaltung erweiterte Handlungsspielräume belässt und den kooperativen und bürgernahen Staat verwirklicht, stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Mediationsverfahren, die der Hoheitsträger selbst leiten möchte. Da das Mediationsverfahren dem aktuellen Staats- und Verwaltungsverständnis entspricht und zur Verwirklichung des aktivierenden Staates behilflich sein kann, ist diese Frage grundsätzlich zu bejahen. Auch kennt das aktuelle Recht keine Norm, die es der Verwaltung verbietet, ein Mediationsverfahren – und sei es nur zur Interessenklärung und Entscheidungsvorbereitung – leitend durchzuführen. Ein behördengeleitetes Mediationsverfahren, das Konflikte unter Privaten im öffentlichen Sektor behandelt, ist rechtmäßig und lediglich nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten durchzuführen. Auch hier gilt – wie schon für Mediationen, bei denen die Verwaltung als Mediant beteiligt ist –, dass die mediative Vorgehensweise keineswegs die verwaltungsverfahrensrecht­ lichen Pflichten zu umgehen vermag. Allein aus der Perspektive der Mediation erscheint es wenig ratsam, dass bei Konflikten unter Privaten, die auf anstehende Verwaltungsentscheidungen möglicherweise einwirken, die Behörde selbst die Mediation durchführt. Allenfalls der Einsatz mediativer Elemente ist hier anzuraten, der sich jedoch auf ein intelligentes kommunikatives Vorgehen beschränkt und insoweit wenig mit dem mediativen Verfahren als solchen zu tun hat. Von einer Integration der Mediation in das Verwaltungsverfahren zu sprechen, wäre zumindest gewagt. Vergegenwärtigt man sich zudem, dass die Person des Mediators zwar (rollenbezogen) allparteilich vermittelt, aber im Übrigen persönlich keinerlei Interesse am Ausgang des konkreten Konfliktverfahrens hat, bestehen begründete Zweifel an der Tauglichkeit und Geeignetheit eines Verwaltungsbeamten, dass als Mediator tätig wird. Teilweise wird dies bejaht, insbesondere weil der jeweilige Verwaltungsbeamte zur Neutralität verpflichtet sei und persönlich sowie wirtschaftlich unabhängig.335 Jedoch ist die Neutralität, die die Persönlichkeit in der Rolle des Verwaltungsbeamten zu beachten hat, rechtsbezogen. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend.336 Die Geeignetheit hieraus abzuleiten, vermengt sachlich Unvermischbares. Jedoch ist damit noch nicht die Ungeeignetheit eines Verwaltungsbeamten in der Rolle eines Mediators belegt. Mehrere Erwägungen sprechen jedoch dafür. Zunächst ist der Verwaltungs334  Schuppert DV 1998, 443. Freilich ist der Begriff Verwaltungskooperationsrecht wesentlich umfassender zu verstehen, als das bloß er die Verwaltungsmedia­tion erfasst. 335  So Brohm DVBl 1990, 324 f.; Schillinger 2003, 192; Steinberg 1990, 306 f.; Erbguth NVwZ 1992, 551; zur Vermittler- und Moderatorenrolle des Staates als Staatsaufgabe Schuppert 2003, 143 ff. 336  Kap. C. II. 2.



II. Ausgewählte Anwendungsbereiche von Mediation435

träger und damit der einzelne Beamte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen berufen, vgl. § 24 VwVfG und hat die Interessen der Allgemeinheit zu beachten und zu würdigen. Ob er angesichts dieser Rechtspflichten in der Lage ist, vermittelnd den Konfliktbeteiligten beizustehen, darf zumindest bezweifelt werden.337 Es scheint vielmehr, als ob der Verwaltungsbeamte als Vertreter des öffentlichen Interesses selbst Konfliktbeteiligter ist, gerade weil er von Rechts wegen verpflichtet wurde. Genau deshalb, weil er Rechtspflichten zu erfüllen hat und dadurch an das Recht gebunden ist, ist er zur rechtlichen Neutralität verpflichtet338 und zur mediativen Allparteilichkeit nur schwerlich fähig.339 Rechtliche Neutralität ist auf das Recht und die Rechtsentscheidung bezogen, die Allparteilichkeit des Mediators allerdings auf die Konfliktbeteiligten und ihren sozialen Konflikt.340 Letztlich und maßgebend dürfte allerdings sein, ob die beteiligten Medianten den Amtswalter als ihren Mediator akzeptieren oder nicht.341 Eigenverantwortlichkeit und Freiwilligkeit der Medianten ist hier gefragt und erfordert konkrete Kommunikation und ­Kooperationsbereitschaft, ausgedrückt in allseitigen Absprachen, damit der Amtswalter nicht ohne „Auftrag der Beteiligten“ zu vermitteln beginnt.342 Theoretische Hinderungsgründe oder Präferenzen sind bei diesen Fragen praktisch zweitrangig. Gegen Gesetze verstößt der Amtswalter jedenfalls nicht, wenn er im Verwaltungsverfahren, in dem Private in konfligierende Situationen geraten, vermittelnd tätig wird. Vielmehr wirkt derartiges Vorgehen deeskalierend und kann aufwendigere Konfliktbehandlungsmethoden vermeiden. Bedeutsam bleibt jedoch für den Amtswalter, dass er Rollenklarheit für sich behält und gegenüber den Medianten transparent macht. 337  Ablehnend insoweit Hehn 2004, Rn. 30; Trieb 1997, 47; wohl auch Treiber 1990, 291; Schmidt-Aßmann 1990, 18, 26; anders Brohm DVBl 1990, 324 f. 338  Ähnlich Treiber 1990, 295 f. 339  Ebenso wohl Appel 2008, Rn. 115. 340  Deshalb erscheint der Begriff der „Allparteilichkeit“ für die Mediatoren stimmiger und vermeidet Kollisionen mit dem Rechtsbegriff der „Neutralität“; dazu bereits unter C. II. 2. 341  Vgl. Holznagel Jura 1999, 74 m. w. N.; Wagner / Engelhardt NVwZ 2001, 372; Trieb 1997, 46, 128 untersuchte die Frage empirisch, wobei nur 14 % einen Behördenvertreter akzeptieren würden und 58 % nicht (28 % ohne Nennung). Zu dieser Frage im privatwirtschaftlichen Kontext und im Ergebnis wie hier Ponschab / Dendorfer 2009, Rn. 45. 342  Da die Qualität jeder Kooperation – und damit auch derjenigen zwischen Mediator und Medianten – von der Qualität der konkreten Kooperationspartner abhängt, verwundert dieses Ergebnis keineswegs, sondern liegt ganz auf der Erfahrungslinie, die auch in anderen öffentlich-rechtlichen Kooperationsvorgängen gemacht wurden. So wurde beispielsweise im Bereich des Public Private Partnership eine „Akteurs­ typologie“ entworfen, um den Kooperationserfolg abschätzen zu können, vgl. dazu Schuppert DV 1998, 444 ff.

436

E. Mediation und Transaktionsanalyse

III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines transaktionsanalytisch fundierten Verwaltungs- und Konfliktmanagements Die bisherigen Ausführungen zur Mediation und zur Transaktionsanalyse haben erkennen lassen, dass sich die Bezugsrahmen und Menschenbilder beider Methoden entsprechen. Überdies kann auch festgestellt werden, dass Konzepte der Transaktionsanalyse die Vermittlungsarbeit von Mediatoren unterstützen und professionalisieren können. Insoweit sind Ansätze einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation erkennbar, die im Folgenden skizziert werden. Für die Vermittlungstätigkeit wird dafür die transaktionsanalytische Konzeption zu Gefühlen dargestellt. Der transaktionsanalytische Konzeptbereich zu Emotionen und Gefühlen eignet sich deshalb zur exemplarischen Darstellung einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation, weil die Mediation(sbewegung) ohnehin den Emotionen und Gefühlen der Medianten einen besonderen Wert beimisst und in ihnen einen zuverlässigen Weg zu einer kooperativen Lösung erkennt.  III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements

Sodann wird der Nutzen der Transaktionsanalyse für die Umsetzung des aktivierenden Staates untersucht. Der Nutzen leitet sich zum einen bereits aus den Ansätzen einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation ab. Andererseits bietet die Transaktionsanalyse unabhängig von einem vermittelnden Konfliktmanagement im Verfahrensdesign einer Mediation hilfreiche Konzepte an, um Konfliktsituationen bereits auf frühester Stufe zu klären bzw. bestimmte Konfliktsituationen, die aus einem Mangel an Verständnis menschlicher Grundbedürfnisse herrühren, zu vermeiden. Beispielhaft wird dieser Nutzen an der Eingliederungsvereinbarung nach § 35 SGB III, einem Steuerungsinstrument des aktivierenden Sozialstaates, dargestellt (dazu Kap. E. III. 3.). Anhand dessen werden praxiserprobte Beratungskonzepte der Transaktionsanalyse auf ihre Transformierbarkeit hin untersucht. Abschließen wird diesen Teil die Frage, inwieweit die Transaktionsanalyse ein aktivierendes Verwaltungs- und insbesondere Führungsmanagement zu unterstützen vermag, um den gewandelten Anforderungen im aktivierenden Staat gerecht werden zu können (dazu Kap. E. III. 4.). Dafür dienen die transaktionsanalytischen Konzeptionen der Grundeinstellungen und Zuwendungen. Im Ergebnis werden Umrisse erkennbar, inwieweit ein Führungsverständnis wie auch eine daraus resultierende Führungsarbeit in der Verwaltungsorganisation des aktivierenden Sozialstaates transaktionsanalytisch fundiert werden können.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements437

1. Tabellarische Verortung transaktionsanalytischer Konzeptbereiche für das Mediationsverfahren Im Folgenden (siehe Folgeseite) sollen anhand eines tabellarischen Überblicks mögliche Anwendungsbereiche transaktionsanalytischer Konzepte im Mediationsverfahren aufgezeigt werden. Das ist zwar schematisch und scheinbar strukturierend, jedoch verbietet sich in der praktischen Vermittlungsarbeit ein schematisches Vorgehen. Dafür sind sowohl die transaktionsanalytischen Konzepte zu komplex und vielseitig anwendbar, als auch der Mediationsprozess zu wenig vorhersagbar. Die Übersicht dient folglich zu einer ersten Orientierung, die für die Mediationsarbeit als Landkarte dienen kann, jedoch diese allenfalls annähernd zu beschreiben vermag. 2. Das transaktionsanalytische Konzept der Gefühle als Beispiel einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation Die Rolle von Gefühlen in Konflikten und in der Konfliktbehandlung ist bereits besprochen worden. Ebenso ist skizziert worden, welche Bedeutung die Literatur zur Mediation und ihre Praxis den Gefühlen beimessen, um zu einer konstruktiven Konfliktlösung zu gelangen: Mediatoren schreiben den Gefühlen Informationsfunktionen zu. Einerseits seien sie Wegweiser zu bedeutsamen Interessen und Bedürfnissen, die es im Vermittlungsprozess offen gelegt werden müssen, andererseits weisen sie auf Blockaden und Störungen hin, die den Vermittlungsprozess beeinflussen und deshalb vorrangig begegnet werden müsse, um eine tragfähige, also von allen Beteiligten getragene, Lösung zu finden.343 a) Ausgangspunkte Im Folgenden wird das Thema „Gefühle in der Vermittlung von Konfliktbeteiligten“ transaktionsanalytisch konzeptualisiert. Wie kann das, was in dem spezifischen Veränderungsprozess der Vermittlung von Konfliktbeteiligten geschieht, transaktionsanalytisch erklärt werden und – anhand dieser Erklärungen und entsprechend dem Vermittlungsauftrag – zu konkreten Handlungsoptionen des Mediators führen? Da in Veränderungsprozessen allgemein und in dem speziellen Fall, dass diese durch einen konkreten Konflikt ange343  Vgl. Kap. C. III. 2. a) sowie zusammenfassend Hauser 2002, 274 ff.; zur Bedeutung von Emotionen / Gefühlen im Straf(-verfahrens-)recht Schüler-Springorum 2007.

Informieren über Mediation; Erwartungen klären; förderliche Bedingungen schaffen; Raum-, Zeit- und Honorarfragen klären; Gesprächs- und Umgangsregeln vereinbaren; Vertraulichkeit klären

Themen-und Konfliktfelder zusammenstellen; Klarheit über die Positionierungen verschaffen (lassen); Zuhören und gute Arbeitsatmosphäre schaffen; Konfliktdynamik entschleunigen; gebremstes (Nach-)Fragen; auf Interessen und Bedürfnisse achten

Interessen und Bedürfnisse herausarbeiten; Positionen flexibilisieren; Verhärtungen aufweichen; Zukunft als gemeinsam gestaltbar herausarbeiten

Verhandeln über gemeinsame Neuausrichtung; Ideen sammeln; die gemeinsame Lösung finden

– schriftliches Vereinbaren der gefundenen Lösung – Nachfolgetermin vereinbaren →  Mediationsvereinbarung (Konsenslösung)

Auftragsklärung und Auftragserteilung

Darstellung der Problem­ situationen durch die Medianten

Erhellung der Konfliktstruktur

Problem-und Konfliktsituation bearbeiten

Übereinkunft Umsetzung, ggf. Nachbearbeitung

Analyse / Diagnose

– Kommunikationsanalyse (Maschen-und Spieleanalyse; redefinierende Transaktionen; Passivitätskonzept)

–  Persönlichkeitsanalyse (Autonomiekonzept) – Gruppentheoretische Grundlagen – Organisationsanalyse

– Maschenanalyse – Spieleanalyse – Passivitätskonzept – Gruppentheoretische Grundlagen

– Persönlichkeitsanalyse (Strukturmodell; Antreiberverhalten; Skriptentscheidungen) – Kommunikationsanalyse (Maschen-und Spieleanalyse; redefinierende Transaktionen; Passivitätskonzept)

– Kommunikationsanalyse (Transaktionsformen und -muster; Maschenanalyse) – Persönlichkeitsanalyse – Gruppentheoretische Grundlagen (Gruppendynamik)

– Persönlichkeitsanalyse – Kommunikationsanalyse – Organisationsanalyse (Kultur)

Interventionsarbeit mit ...

– Zuwendungskonzept – Vertragskonzept

– Umgang mit Widerstand (Passivität) und Ersatzgefühlen – Umgang mit psychologischen Spielen

– Funktionsmodell – Grundeinstellungen – Kommunikationsanalyse Vertragskonzept

– Persönlichkeitsmodell und Kommunikationsanalyse – Zuwendungskonzept – Umgang mit Passivität – Umgang mit Ersatzgefühlen

– Vertragskonzept – Zuwendungskonzept

– Zuwendungskonzept (Stroken) – Vertragskonzept

Abbildung 32: Anwendungsbereiche der Transaktionsanalyse im Mediationsverfahren

Kontaktaufnahme mit allen Konflikt­ beteiligten; Orientierung über das Konfliktfeld; Motivierung zur Mediation; Anerkennung des Ist-Zustandes

Themen

– Bezugsrahmen der Transaktionsanalyse (Autonomiekonzept) – Grundeinstellung des Mediators („Ich bin o.k., du bist o.k.“)

Phasenübergreifend

Kontaktaufnahme

Phasen

Transaktionsanalyse

Mediation

438 E. Mediation und Transaktionsanalyse



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements439

regt wurden, die Bedeutung der Emotionen und der Wert der daraus resultierenden Gefühle nicht unterschätzt werden sollte344, bedarf jeder Beteiligte und insbesondere der Mediator, der genau dafür beauftragt wurde, ein fundiertes Konzept von Emotionen und Gefühlen. Grundlegend werden diesbezüglich in den nachfolgenden Ausführungen jedoch nicht ausschließlich die Erfahrungen der transaktionsanalytisch arbeitenden Praktiker und damit einhergehend die transaktionsanalytische Theorie sein. Es werden neben diesen Erfahrungen zusätzlich die Erkenntnisse neurobiologischer Grundlagenforschung verwertet. Sie bestätigten in den vergangenen Jahren in beeindruckender Weise die Genauigkeit transaktionsanalytischer Empirie und die darauf aufbauenden theoretischen Annahmen der Transaktionsanalyse.345 aa) Emotion und Gefühl Neurophysiologisch ist zwischen drei Phänomenen beim menschlichen Organismus zu differenzieren: der Emotion, dem Wahrnehmen der Emotion (Fühlen) sowie dem Erkennen, dass eine Emotion wahrgenommen wird (Bewusstsein).346 Wenn der Mensch mit einem Umweltobjekt zusammentrifft, ist er unweigerlich damit beschäftigt, eine Beziehung zu diesem Objekt herzustellen (Emotion = „Herausbewegung“ zum Objekt hin oder vom Objekt weg), wodurch sich sein Organismus verändert. Die neuronale Registrierung dieser körperlichen Veränderung, die im Gehirn anhand einer „Kartierung des Körpers“347 stattfindet, ist der Prozess des Fühlens. Das Spüren bzw. Wahrnehmen der Emotion ist ein gehirnbezogener Vorgang. Das Erkennen dieser beiden Prozesse wiederum begründet Bewusstsein, was allgemeinhin als Reflexionsprozess bezeichnet wird.348 Emotionen, also biochemische und neuronale und insgesamt musterhafte Reaktionen des Organismus auf seine Umwelt, die regulatorische Funktio344  Vgl.

Hagehülsmann / Hagehülsmann 2007, 246. dazu Allen ZTA 2003. 346  Damasio 2007, 19, 340 ff.; vgl. aber noch ders. 2006, 185 ff., bei dem die deutsche Übersetzung noch von dem „Gefühl“ (für die Emotion) und dem „Empfinden des Gefühls“ (für das Fühlen) spricht. Ein anderes Konzept verfolgt etwa Roth 2007, 137 ff., 141, der zwischen Gefühlen im weiteren Sinne (= körperliche Bedüfnisse sowie Affekte) und Gefühle im engeren Sinne (= Emotionen) unterscheidet, das allerdings mehr darauf angelegt ist, die einzelnen Gefühle zu differenzieren und weniger darauf, was im Grunde genommen Gefühle sind. 347  Damasio 2007a, 104. 348  Damasio 2007, 33, 40. Das Bewusstsein beginnt damit als Fühlen dessen, was geschieht, wenn Menschen sehen, hören, schmecken, tasten, riechen oder kurz, ihre Umwelt wahrnehmen (bzw. sich ihrer erinnern). Deshalb schlussfolgert Damasio 2007 programmatisch: „Ich fühle, also bin ich“. 345  Einführend

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

nen ausüben349, haben ausnahmslos alle Menschen, aber auch nichtmenschliche Wesen350. Denn jeder Organismus ist – im eigentlichen Sinne des Wortes – von seiner Umwelt bewegt und bewegt sich in seiner Umwelt (auf einige Objekte zu und von anderen weg).351 Dadurch werden fortlaufend Beziehungen verändert, so dass es sich um einen nicht abstellbaren Prozess der Beziehungsgestaltung handelt, als dessen Gradmesser die Emotionen gelten können. Oder anders ausgedrückt und in Anlehnung an Watzlawicks Kommunikationstheorem: Wir können nicht nicht emotional sein.352 Spezifisch menschlich jedoch ist der Wahrnehmungsvorgang dieser Emotionen im Körper, das Fühlen. Emotionen rufen Gefühle hervor, wenn und soweit der Organismus in der Lage ist, die eigenen Emotionen wahrzunehmen. Dazu ist der Mensch unter allen Lebewesen wohl am besten in der Lage. Dabei arbeitet das Gehirn auf der Grundlage seiner Kartierungen des (durch das Umweltobjekt bewegten) Körperzustandes.353 Dies begründet die bedeutende Konsequenz von Beeinflussungsmöglichkeiten für den Menschen, deren er sich in aller Regel allerdings nicht vollkommen bewusst ist. Während die Emotionen die physische Konsequenz der Umweltobjekte sind, wird zur Grundlage des Fühlens sowohl dieses Umweltobjekt als auch der daraus resultierende Körperzustand selbst. Oder anders genähert, da das Gehirn direkt den Körperzustand beeinflussen kann und damit das Wahrnehmungsobjekt „Körper“ selbst, kommt es zu Rückkopplungsprozessen, die es unmöglich machen, Gefühle als Prozesse passiver Wahrnehmung zu verstehen.354 Fühlen ist ein aktivitätsgeprägter Vorgang, auch wenn wir uns über unsere Aktivitäten insoweit nicht bewusst und im Klaren sind. Fühlen als mentale Erfahrung des Organismus zu begreifen, bedeutet, dass der Mensch gewissermaßen (immer) im Kopf fühlt, was sich im Körper bewegt.355 Ge349  Damasio 2007, 68. Die durch Emotionen hervorgerufenen Veränderungen im Körper des Organismus betreffen dessen chemisches Profil ebenso wie den Zustand der Viszera sowie bestimmter Muskelgruppen, insbesondere des Gesichts, der Kehle und der Gliedmaßen, Damasio 2007, 339; vgl. auch Hamm 1995, 83. 350  s. Damasio 2009. 351  Eine Besonderheit für Menschen besteht allerdings darin, dass sie nicht nur auf Repräsentationen der Außenwelt (Objekte) emotional reagieren, sondern auch auf neuronale Repräsentationen ihrer Innenwelt (Gedanken, Erinnerungen etc.). Dabei müssen derartige Vorstellungen der Innenwelt nicht einmal dem Menschen bewusst sein, um ihn emotional reagieren zu lassen, vgl. Damasio 2007, 63 f. 352  Ähnlich Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 128. 353  s. dazu auch Bauer 2008a, 40 ff., 43. 354  Vgl. Damasio 2007a, 110 f. 355  Vgl. Bauer 2008a, 40 ff., 43 sowie Damasio 2007a, 103 f., 111 wobei Damasio darauf hinweist, dass Gefühle nicht ausschließlich aus umweltbezogenen Emotionen heraus entstehen können, sondern auch aus anderen Anlässen heraus, die eine homöostatische Reaktion bewirken, zum Beispiel Erinnerungen. In diesem Fall mo-



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements441

fühle haben ihren Ausgangspunkt in der Körperverfassung, die einerseits beeinfllusst wird durch die Umweltobjekte (Emotionen), andererseits durch die Gehirntätigkeit selbst.356 Fühlen erfordert nach diesem Konzept eine Wahrnehmung der Vorgänge im Körper. Diese Wahrnehmung allerdings basiert auf einer Kartierung des Körpers durch das Gehirn im Gehirn. Das heisst, das Gehirn registriert die Körperverfassung, indem es „diese“ im Gehirn (selbstreferentiell) konstruiert.357 Ob Gefühle, um abschließend ein Vorstellungsbild aufzugreifen, tatsächlich im Bauch sitzen oder vielmehr der Bauch wie ein zweites Gehirn funktioniert, mag hier offen bleiben358, aber was dort bewegt ist und / oder (den Gesamtorganismus) bewegen möchte, wird jedenfalls im Kopf registriert, d. h. gefühlt. Die Wahrnehmung der Emotion ist Fühlen, aber erst die Wahrnehmung der Wahrnehmung der Emotion, die Wahrnehmung des Fühlens, führt zu bzw. ist Bewusstsein. Das „Gefühl“ muss vom „Wissen um das Gefühl“ unterschieden werden. Die Wahrnehmung der Emotion als solche ist deshalb nicht ohne Weiteres mit dem Wissen um das Gefühl gleichzusetzen.359 Wedifiziert das Gehirn sein Wahrnehmungsobjekt, den Körper. Gefühle übersetzen den jeweiligen Körperzustand in die Sprache des Geistes, dazu Damasio 2006, 218 („Empfindungen sind genauso kognitiv wie jedes andere Wahrnehmungsbild … Mit Hilfe von Empfindungen vergeistigen wir den Körper …“) sowie ders. 2007, 43 f., 339 („Nichts an emotionalen Reaktionen ist verschwommen, geheimnisvoll oder unspezifisch, ebenso wenig wie an Repräsentationen, die Gefühle von Emotionen werden können. Das Substrat von emotionalen Gefühlen ist ein sehr konkreter Komplex neuronaler Muster …“); vgl. auch Lowen 1979, 35 f., 57. 356  Damasio 2007a, 111. Da Emotionen unwillkürliche Körperreaktionen sind, die – wie der Name bereits andeutet – ‚nach außen‘ gerichtet sind und von Dritten grundsätzlich beobachtet werden können, sind sie mehr oder weniger „öffentlich“, s. Damasio 2007, 57 f.; ähnlich Hennig / Pelz 2002, 77. Das von dem Juristen Lowen entwickelte tiefenpsychologisch fundierte, jedoch körperbezogene Behandlungsverfahren der Bioenergetik konzeptualisiert Emotionen und Gefühle aufgrund ihrer praktischen Erfahrung ähnlich wie die Neurophysiologie und die Transaktionsanalyse, vgl. Lowen 1991, 85 f. („Ein Gefühl besteht aus zwei Elementen: einerseits aus einem körperlichen Geschehen, andererseits aus dessen geistiger Wahrnehmung … Der Körper allein schafft noch keine Gefühle … zwar jede Emotion ein Gefühl ist, nicht aber jedes Gefühl eine Emotion.“). Indem zwischen den körperlichen Reaktionen der Emotionen und deren Wahrnehmungen (Gefühle) differenziert wird, löst sich auch der Streit zwischen der Psychophysiologie und der Bewusstseinspsychologie auf, ob Gefühle / Emotionen subjektiv erlebte Gefühlszustände sind oder objektiv nachprüfbar, dazu Hamm 1995, 83. 357  Vgl. dazu Roth 1996, 252 ff.; ders. 1992. 358  Lesenswert Gershon 2001. 359  Der Zustand des Fühlens setzt also nicht voraus, dass sich der fühlende Mensch der Emotion und des Gefühls, das sich durch die Emotion entfaltet, vollkommen bewusst ist. Das widerspricht nur auf dem ersten Blick der Alltagserfahrung von Menschen. Grundsätzlich ist zwar zu vermuten, dass Menschen zur bewussten Wahrnehmung ihrer Gefühle tendieren. Gleichwohl kennt jeder Situationen,

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

sentlich an diesen neurobiologischen Grundlagen sind folgende Konsequenzen, die die Transaktionsanalyse bereits empirisch angenommen hatte: Menschen können ihre eigene, von der Umwelt veranlasste Bewegtheit zwar wahrnehmen, doch dabei können – im Prozess der Bewusstwerdung – „Fehler“ auftreten. Einerseits kann die Wahrnehmung der Bewegtheit (Gefühl) von der tatsächlichen Bewegtheit (Emotion) abweichen. Andererseits kann das wahrgenommene Gefühl auf der Bewusstwerdungsstufe „fehlerhaft“ bezeichnet und sonach abweichend vom Gefühl und von der Emotion verwortet und zur Sprache gebracht werden. Emotion bzw. Gefühl passen mit der bewussten Deklarierung nicht zusammen.360 Eine andere, nicht minder bedeutsame, Konsequenz aus den neurobiologischen Grundlagen ist, dass die Bewusstwerdung vom Fühlen für das Fühlen nicht erforderlich ist. Der Mensch kann zwar fühlen, muss sich dessen aber nicht bewusst sein oder werden.361

bb) Allgemeine Funktionen von Emotionen und Gefühlen Bevor diese neurophysiologischen Grundlagen (für die Beratungspraxis) konzeptionell verarbeitet werden, soll Funktion und Bedeutung von Emo­ tionen und Gefühlen geklärt werden. Zu unterscheiden ist an dieser Stelle die Bedeutung für den Menschen, der Emotionen und Gefühle hat, sowie für den Beobachter (Mediator, Berater, Führungskraft), der diesen Menschen professionell begleitet und berät. Indem Emotionen unwillkürliche chemische und neuronale Reaktionen des Organismus auf die Umwelt (der er selber auch sein kann) darstellen, in denen ihm „plötzlich bewusst“ wird, dass ihm unbehaglich ist oder er sich ängstlich fühlt. Rekapitulierend ist in solchen Situationen feststellbar, dass das Gefühl, wenn auch nur kurz, bereits vor der bewussten Wahrnehmung virulent war. Damasio 2007, 50. 360  Die Deklarierung des Gefühls im Bewusstwerdungsprozess und damit die unpassende Bezeichnung ergibt sich freilich erst in der Kommunikation (mit sich oder anderen). Für den Beobachter, der man selber auch sein kann, passt also die Emotion nicht zu dem Gefühl bzw. das Gefühl nicht zum Bewusstseinsinhalt. Nur aus dessen Sicht kann von „Nichtpassen“, „Fehlerhaftigkeit“ etc. gesprochen werden. Doch gibt es freilich – aus der Sicht des Organismus – Gründe für diese „Unstimmigkeiten“, die, wenn man sie beachtet, die Stimmigkeit durchaus erklären können. So haben Erziehung und Sozialisation einen enormen Einfluss auf diesen Prozess des Fühlenlernens und der Bewusstwerdung, die Damasio mit seinem Konzept der somatischen Marker auf neurobiologischer Grundlage zu erklären versucht, vgl. Damasio 2006, 227 ff., 243. 361  Aus dieser neurobiologischen Erkenntnis ergibt sich die Absicherung und Bestätigung des transaktionsanalytischen – und sogleich dargestellten – Konzepts der Ersatzgefühle.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements443

sind sie das erste „Meldesystem des Organismus“. Die Emotionen messen der Umwelt Bedeutung für den Gesamtorganismus bei. Sie üben also regulatorische Funktionen aus, die ganz ursprünglich für das weitere Überleben bedeutsam sind.362 Emotionen sind biologisch determinierte, weil von der angeborenen Gehirnstruktur bedingte, Prozesse363, die unabhängig von einer spezifischen (Lern-)Kultur die Existenz des Organismus in dieser Kultur zu sichern verhelfen. Der Körper dient den Emotionen als Bühne, die das Gehirn wahrzunehmen in der Lage ist, so dass Gefühle entstehen können. Emotionen allein sind nützlich, aber erst der Vorgang des Fühlens begründet für den Menschen die Aufmerksamkeit auf das Problem, das die Emotion schon begonnen hat zu lösen, namentlich sich auf die veränderte Umwelt einzustellen. Gefühle sind der Ausgangspunkt für konkrete und spezifische Planungs- und Entscheidungsverhalten im Hinblick auf die Umwelt, so dass der Mensch nicht (mehr) stereotyp reagiert.364 Dieser Vorgang lässt (den Beobachter) Emotionen und Gefühle für den weiteren Verlauf als Grundlage des bewussten Denkens und Entscheidens erkennen, so dass diese Elemente weder analytisch noch praktisch getrennt denk- und behandelbar sind.365 Emotionen, die Wahrnehmung der Emotionen sowie die Bewusstwerdung dieser Emotionenwahrnehmung stellen nicht nur ein funktionales Kontinuum dar, sondern begründen in ihrem Zusammenhang eine Bewertungskette des Organismus „Menschen“, die bedürfnis- und interessenorientiert366 erfolgt. Der Mensch ist sowohl privat als auch beruflich ein „Homo Emotionicus“367. Für professionelle Begleiter wie Mediatoren, aber auch Berater und Führungskräfte ergibt sich aus all dem die dringende Notwendigkeit, die jewei362  Damasio

2007, 68, 341 f.; ders. 2009. ist in dem Zusammenhang, dass Emotionen dem Einfluss des Gehirns unterliegen, zu beachten, dass das Gehirn seinerseits kein fixes Organ ist, sondern ebenso einem ständigen Lern-, Wandlungs- und Entfaltungsprozess unterliegt, der maßgebend von den sozialen Beziehungen des Menschen und den sich daraus entwickelnden Emotionen abhängig ist. Auch hier wird ein wechselseitiger Prozess erkennbar, dazu mit Nachweisen Bauer 2008, 209 ff., insbes. 216 ff. 364  Vgl. Damasio 2007, 342. 365  Roth 2003, 297 ff.; ebenso Lowen 1979, 149 ff. Das bedeutet, dass zu jedem Gedanken ein korrespondierendes Gefühl gehört und aus jedem Gefühl ein – korrespondierender – Gedanke erwachsen kann. Ist lediglich ein Gedanke und dazu widersprechendes Gefühl dem Menschen bewusst, ist das lediglich ein Anzeichen für unvollständiges Bewusstsein, nicht aber Beweis dafür, dass Gefühle und Gedanken (Verstand) einander widersprechen. Deshalb ist in Entscheidungssituationen, in denen Gefühl und Verstand scheinbar „einander widersprechen“, nicht die Frage ‚Entweder-oder?‘ maßgebend, sondern, ‚Was fehlt? Worüber bin ich mir noch nicht für mich bewusst?‘ entscheidungs- und handlungsleitend. 366  Zur transaktionsanalytischen Bedürfnistheorie s. Hennig / Pelz 2002, 65 ff.; English 2001, 54 ff. 367  Mohr 2008, 66; s. dazu auch Kals 2009, 142 f. 363  Wichtig

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

ligen Emotionen und Gefühle in ihre Aufgabenerledigungen bewusst einzubeziehen. Dies gilt gleichermaßen bezogen auf die eigene Person wie auf die Personen, die in ihrem Einflussbereich stehen und arbeiten. Emotionen und bewusst gewordene (und gegebenenfalls kommunizierte) Gefühle368 bieten einerseits einen gewichtigen Anhaltspunkt, um die aktuelle Situation grundlegend und realitätsbezogen zu erfassen. Andererseits bietet diese Blickrichtung den Zugang zum fühlenden Menschen und eine maßgebende Fläche der Kontaktaufnahme.369 Emotionen als zweckgerichtete Hinweise für grundlegende Bedürfnisse stehen direkt mit der Motivation des Menschen im Zusammenhang.370 Gerade in existenziellen Konfliktlagen oder solchen, die sich entsprechend anfühlen(!), aber auch in weniger akuten Kontexten, ist die Motivation des Menschen ein wichtiger Aspekt, um zu einer Klärung zu gelangen. Der Einfluss auf die Motivationslage des Menschen, den Emotionen und Gefühle ausüben, wird besonders deutlich, wenn die Emotionen und Gefühle dem Menschen bewusst werden und ihm die Bedeutung für sein Handeln bzw. Nichthandeln deutlich wird.371 Motivation ist in diesem Zusammenhang kein Selbstzweck, sondern steht im Dienste des Lernens, wobei Emotionen – experimentell nachgewiesen372 – ein enormer Einfluss zugeschrieben wird. Nunmehr soll es um eine stimmige und praktisch handhabbare Konzeptualisierung der Emotionen und Gefühle gehen. Dabei wird auf die unterschiedlichen transaktionsanalytischen Konzepte373 rekurriert, die die neurophysiologischen Grundlagen bereits empirisch vorwegnahmen.

368  Erinnert sei hier daran, dass Gefühle als solche eine private, mentale Erfahrung sind, die aus der Wahrnehmung der Emotion entsteht. Für einen Beobachter ist das Gefühl insoweit nicht erfahrbar. 369  Mohr 2008, 67 („Zugang zu den Gefühlen ist der Königsweg“, wobei die Aussage für den Coaching-Bereich getroffen wurde. Im Übrigen trennt Mohr nicht zwischen Emotion und Gefühl, ebd. S. 65). Die Analyse der Situation kann freilich auch ergeben, dass dieser Zugang tunlichst zu meiden ist, weil sich auf dieser Ebene der Mediant / Klient sperrt und den persönlichen Zugang (noch) verwehrt. 370  Mohr 2008, 65; vgl. auch Maturana / Pörksen 2002, 218. 371  Mohr 2008, 73 ff.; Damasio 2007, 355 ff. mit beeindruckenden Beispielen zum Thema Motivation / Lernen, wobei der Lernprozess unterhalb der Bewusstseinsschwelle auf der emotionalen Ebene aufgezeigt wird. Der Körper lernt (über die emotionalen Strukturen anhand seiner Reaktionen), bevor oder ohne dass dem Menschen der Prozess bewusst wird. 372  Zusammenfassend Roth 2003, 302 ff.; ders. 2007, 243 ff.; dazu auch Damasio 2007, 353 f. 373  Für den therapeutischen Prozess zusammenfassend Kottwitz 1995.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements445

b) Das transaktionsanalytische Gefühlskonzept Am Anfang stehen drei Grundbedürfnisse.374 In Anlehnung an Englishs Konzept der drei Triebkräfte im menschlichen Leben375 formuliert Schneider die drei Grundbedürfnisse des Menschen, das Überleben, das Gestalten und das Ruhen, die ihrerseits unterschiedlichen Einfluss auf die Emotionen und Gefühlen haben. In wechselbezüglichen Prozessen entwickeln sich daraus spezifische Gedanken und Verhaltensweisen.376 Für den vorliegenden Zusammenhang relevant ist dabei die Annahme, dass der Mensch (zumindest zeitweise) die Grundbedürfnisse durch jeweils andere ersetzen kann. Auf Dauer jedoch schadet er sich dadurch, soweit er einem oder zwei nicht den erforderlichen Platz im Lebensprozess einräumt. Ein weiterer und für das Gefühlskonzept bedeutsamer Ausgangspunkt ist das transaktionsanalytische Persönlichkeitsmodell der Ichzustände.377 Ein Ichzustand ist ein kohärentes Zusammenspiel von Fühl, Denk- und Verhaltensweisen, das eine bestimmte Seinsweise beschreibt. Konsequenz der Kohärenzannahme ist, dass Gefühle immer vorhanden sind und eine – mit entsprechenden Gedanken und Verhaltensweisen verbundene – Ebene des Seins darstellt. Menschen sind, was sich aus dem Persönlichkeitsmodell zutreffend ableiten lässt, zu keinem Zeitpunkt emotions- bzw. gefühllos. Weder ist es möglich, Gefühle auszuschalten und aus Entscheidungen und Verhalten herauszuhalten, noch sind sie als solche einzuschalten und Entscheidung sowie dem Verhalten (extra) zugrunde zu legen.378 Vielmehr sind sie eine wahrnehmbare Ebene, die in ständigem Kontakt mit dem Denken und Verhalten steht und sowohl diese beiden anderen Kategorien beeinflusst als auch von diesen selbst beeinflusst wird.379 Der Mensch kann also allen-

374  Mohr

2008, 190. 2001, 165 ff.; dies. ZTA 1992. Danach strukturiert English in Anlehnung an Freud und Jung sowie unterschiedlichen philosophischen und religiösen Vorstellungen, dass das menschliche Leben von drei Antrieben beeinflusst ist, dem Überlebenstrieb, dem Gestaltungstrieb sowie dem Ruhetrieb. Diese (An-)Triebe sind dabei nicht mit den transaktionsanalytischen Antreibern zu verwechseln (dazu Kap. D. III. 2. d). 376  Schneider ZTA 1992, 67 f.; s. zu anderen Bedürfnistheorien auch Mohr 2008, 67 ff., 69. 377  s. Kap. D. II. 378  Diese Aussage gilt für den funktional „gesunden Menschen“. Welche Konsequenzen aus biologischen Schädigungen der (für Gefühle notwendigen) neuronalen Strukturen erwachsen, beschreibt Damasio 2006. 379  Mohr 2008, 74 bringt diesen Aspekt dadurch zum Ausdruck, dass er von „Denkgefühlen“ spricht, wobei die angedeutete Kausalität („… durch Bewertungen geprägt“) jedenfalls nicht linear besteht. 375  English

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

falls entscheiden, ob er sich seiner Gefühle bewusst wird, nicht aber, ob er überhaupt welche hat bzw. entwickelt. In der transaktionsanalytischen Literatur wird mitunter zwischen vier unterschiedlichen Arten von Gefühlen differenziert: Grundgefühle, soziale Gefühle, Maschengefühle, die auch Ersatzgefühle genannt werden, sowie in komplexe Gefühle.380 Grundgefühle381 stellen die Basis menschlichen Fühlens dar, die sich nach der Zeit des Ausgeliefertseins emotionaler Re-Ak­ tionen im Kleinkindalter herausbildet und lediglich zwischen Freude, Trauer, Wut und Angst untergliedert ist. Soziale Gefühle sind das Ergebnis eines originären Lernprozesses, der im Austausch mit anderen erfolgt. Zu ihnen zählen Gefühle der Scham382 und Schuld, aber auch des Vertrauens und Gelassenheit. Maschengefühle383 sind auch im frühen sozialen Umgang gelernte Gefühle, doch passen sie nicht zu den zugrunde liegenden Emo­ tionen. Daher folgen dem Beleben von Maschengefühlen keine Befriedigung und Beruhigung. Vielmehr entwickelt sich eine (zwanghafte) Wiederholungstendenz. Im Übrigen gibt es noch komplexe Gefühle, die Spielarten und Mischformen der genannten Gefühlsarten darstellen. Sie sind Resultate von Reflexionsprozessen und damit Zeugnisse von individuellen Bewusstwerdungs- und Entwicklungsprozessen.384 aa) Die vier Grundgefühle und ihre lebensregulierenden Funktionen Freude, Trauer, Ärger385 und Angst386 sind – nach der vorliegenden Konzeption – die vier grundlegenden Gefühle des Menschen.387 Sonstige 380  Auch

zum Folgenden Hennig / Pelz 2002, 77. werden sie auch „echte Gefühle“ (Stewart / Joines 2008, 306) oder „authentische Gefühle“ (Hagehülsmann 2002, 82) oder „Ursprungsgefühle“ (Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 119, die zudem von „angeborenen Gefühlen“ reden, was die Sache zumindest sprachlich nicht trifft). 382  Schneider ZTA 1997, 72 f. zählt „Scham“ ebenso wie „Schmerz“, „Schuld“ und „sexuelle Gefühle“ zu den Grundgefühlen. Dazu sogleich mehr unter Kap. E. III. 2. b) bb). 383  Zuweilen auch „Ersatzgefühle“ genannt (Schneider ZTA 1997, 73; Hagehülsmann 2002, 81; Risto 2003, 117) oder auch (engl.) „Racket“ oder „Racketgefühl“, „Gefühlskreisel“ oder „Gefühlsverstrickung“ (Rogoll 2006, 56). 384  Schneider ZTA 1997, 75 f. 385  Zuweilen wird das Grundgefühl des Ärgers auch als „Wut“ bezeichnet (vgl. Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 52; Hennig / Pelz 2002, 77) oder auch als „Zorn“ (Thomson ZTA 1989, 59). Nur zum Teil bestehen Überschneidungen mit „Aggression“ bzw. „Aggressivität“, die mehr Verhaltensweisen als eine Emotion bzw. ein Gefühl beschreiben. Möglich bleibt – und für den praktischen Beratungsprozess äußerst nützlich – Wut und Ärger dahingehend zu konzeptualisieren, dass 381  Zuweilen



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements447

Gefühle bauen auf diesen auf oder sind Schattierungen oder Kombinationen aus diesen vier Grundgefühlen .388 Wie alle Gefühle sind Grundgefühle wahrgenommene Emotionen als biochemische Reaktionen, die durch gegenwärtige Reize hervorgerufen werden. Diese zugrunde liegenden Emotionen sind eine spezifische und funktionale Reaktion des Organismus auf Einflüsse der Umwelt.389 Ihre Funktion ist es, das (Über-)Leben des Organismus in seiner sozialen Umwelt zu regulieren, indem sie für diesen 386387

Ärger ein gelenktes bzw. gesteuertes Moment aufweist, das der Wut (noch) fehlt. Oder anders formuliert: Wut ist die (ungelenkte) Emotion, die sich gefühlt und reflektiert zu Ärger wandeln kann. Deshalb wird im Folgenden auch von dem Gefühl Ärger gesprochen – und nicht von der Emotion Wut. 386  Goulding / Goulding 2005, 169 differenzieren zwischen Furcht und Angst. Furcht stellt für sie die emotionale Reaktion auf eine reale oder fantasierte gegenwärtige Gefahr und Angst auf eine zukünftige Gefahr dar. Diese Differenzierung passt zu dem Begriff der Angst, wie er hier verwendet wird, ähnlich Roth 2003, 323 ff., 332 f. 387  Vgl. Stewart / Joines 2008, 306; Gührs / Nowak 2002, 171; Hennig / Pelz 2002, 77, 80; Kottwitz 1995, 448; Hagehülsmann 2002, 82; Risto 2003, 114. Schneider ZTA 1997, 72 f. zählt „Scham“ ebenso wie „Schmerz“, „Schuld“ und „sexuelle Gefühle“ zu den Grundgefühlen; ähnlich auch Mohr 2008, 71 f.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 119; Hagehülsmann / Hagehülsmann / Anderegg 2007, 51 f. Für den vorliegenden Zusammenhang sind insbesondere die vier genannten Grundgefühle von praktischer Relevanz, weshalb gerade sie konzeptionell verarbeitet werden und sonstige (komplexe) Gefühle außen vor gelassen werden können. Schmerz wird vorliegend nicht zu den grundlegenden Gefühlen konzeptualisiert, weil er als Bestandteil der hier benannten Grundgefühle im Beratungs- und Mediationsprozess verwertbar bleibt. Schmerzen entstehen infolge der Wahrnehmung von körperlichen Veränderungsprozessen, sind körperliche Sensationen, die zu den Grundgefühlen hinführen können, ohne allerdings selbst ein Gefühl zu sein. Schmerzen sind Bestandteile von Gefühlen. Gefühle als solche, auch Grundgefühle, sind insoweit das Ergebnis eines komplexeren Vorganges, als die bloße körperliche Sensation, vgl. dazu auch Damasio 2007, 411. Oder anders gewendet: Schmerz kann Freude bringen, das Ergebnis von Trauer, aber auch Angst sein oder Ausgangspunkt von Wut bilden. Ähnlich wie mit Schmerz verhält es sich auch mit Lust, sexuellen Gefühlen sowie mit Ekel. Schuld und Scham ihrerseits werden vorliegend ebenso wenig als Grundgefühle konzeptualisiert. Sie werden im Interaktions- und Sozialisationsprozess angelernt. Scham bedarf als „gefühltes Falschsein“ („Du bist falsch!“) und Schuld als „gefühltes Falschhandeln“ („Du handelst falsch!“) einer Zuschreibung durch einen Beobachter (der der Fühlende auch selber sein kann). Das trifft für die vier Grundgefühle nicht zu. 388  Schneider ZTA 1997, 75 nennt komplexe Gefühle solche, die sich aus den vier Gefühlen zusammensetzen und sich von jenen durch die zusätzliche Qualität der Reflexion zusammensetzen, ohne allerdings zu klären, weshalb nicht über die vier Grundgefühle reflektiert werden könne bzw. was sich an ihnen dadurch ändern würde. 389  Als „Umwelt“ der im Körper wirksamen Emotion zählt in diesem Sinne etwa auch ein Gedanke (Gehirn) oder eine sonstige „innere Repräsentation einer Vorstellung“ (Damasio 2007, 384 ff.), die sich auf den emotionalen Zustand des Körpers

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

wahrnehmbar und damit zu einem Gefühl werden, das seinerseits Grundlage für Entscheidungen (Bewusstsein) und Verhaltensweisen wird.390 Sie beginnen als Reaktionen zu wirken, indem sie Ereignisse der Umwelt verarbeiten und den fühl- und bewusstseinsfähigen Organismus zum Fühlen und damit zu anpassenden Handlungsformen anregen.391 Da sich den Grundemotionen spezifische lebensförderliche Zwecke zuordnen lassen, lässt sich bestimmen, ob die tatsächliche Anpassung auf das Umweltereignis sowohl auf der Fühl- als auch der Verhaltensebene zweckmäßig oder unzweckmäßig erfolgte. Probleme und Konflikte finden in unzweckmäßigen und dysfunktionalen Anpassungen oftmals reichhaltige Nahrung zur Eskalation. Zweckmäßige und angemessene und insoweit funktionale Gefühle weisen dabei nicht nur eine Zeitqualität auf, sondern korrelieren mit unterschiedlichen Grundeinstellungen und Ichzuständen. Zwar lässt sich nicht sagen, dass Grundgefühle stets angemessen sind, wenn sie den passenden Zeitbezug aufweisen. Jedoch lässt sich mit Sicherheit sagen, dass sie nicht angemessen und dysfunktional sind, wenn sie sich auf eine unpassende Zeitqualität beziehen. Konkret gilt folgendes.392 Ärger ist die fühlende Reaktion auf einen unerwünschten und unbefriedigenden Zustand. Der Organismus reagiert mit Ärger auf eine gegenwärtige frustrierende Situation, um diese abzuändern. Sie kann in einer Person, einer Sache oder eines bestimmten Umstandes begründet sein, mit dem sich der Organismus nicht abfinden möchte, weil sie seiner Bedürfnisbefriedigung entgegensteht. Ärger mobilisiert körperlich, indem sich die Blutgefäße erweitern, sich Atmung und Blutkreislauf erhöhen, die Muskeln spannen und für – im wahrsten und besten Sinne des Wortes – „aggressive“ Aktionen vorbereitet werden. Ärger ist de facto eine körperliche Mobilmachung, die dazu dient, den unerfreulichen Zustand zu verändern. Ärger fordert den Menschen auf, (bewusst und in diesem Sinne) tätig zu werden, um wieder zur inneren Ruhe zu finden. auswirken. Statt von „innerer Umwelt“ ließe sich auch vom „inneren Milieu“ sprechen, vgl. Damasio 2007, 168 f. 390  Transaktionsanalytisch besehen, lassen sich die Grundgefühle im somatischen Kind-Ichzustand verorten, der sich als Kind-Ichzustand im Kind-Ichzustand des Strukturmodells zweiter Ordnung finden lässt, vgl. Kap. D. II. 1. c); ebenso OllerVallejo ZTA 1987, 68. 391  Vgl. dazu Damasio 2007a, 185, der auf neurobiologischer Grundlage und unabhängig von transaktionsanalytischen Einflüssen zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt, wie sie die transaktionsanalytische Theorie zieht. 392  Zum Folgenden auch Thomson ZTA 1989; Stewart / Joines 2008, 306 ff.; Vallejo ZTA 1987; Gührs / Nowak 2002, 171 f.; Mohr 2008, 71; Hagehülsmann / Hagehülsann 2001, 120 ff.; Hennig / Pelz 2002, 79 f. Zu dysfunktionalen (unzweckmäßigen, unpassenden oder nicht angemessenen) Gefühlen ausführlich Kap. E. III. 2. b) bb).



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements449

Angst ist die emotionale Reaktion des Organismus auf ein bedrohliches Ereignis. Die Bedrohung für das (Über-)Leben des Organismus kann sich ebenso auf Personen oder Umstände beziehen wie bei der Emotion Ärger. Jedoch bezieht sich Angst auf die Zukunft; der Schaden ist noch nicht eingetreten, aber wahrscheinlich. Sinn der Angst ist es, der Bedrohung und damit der Schädigung zu entkommen, weshalb die erste Reaktion oftmals die Flucht ist. Gleichwohl wirkt in Zeiten der Angst auch die Erfahrung des Alleinseins, der Verlassenheit und Unvollkommenheit, die die Situation auslöst. Das ruft – mit der Zeit – auch Ärger hervor, weshalb Angst zwar stets eine emotionale Reaktion auf bedrohliche Situationen ist, aber keineswegs die einzige. Auf der Körperebene wirkt sie sich auf vielfältige Weise aus. Angst kann den Körper zur Flucht (auch nach vorn) aktivieren oder zur Erstarrung als passive Lösung führen.393 Auf der Bewusstseinsebene ermöglicht Angst angesichts der Bedrohung eine schadensverhindernde Entscheidung. Doch muss sie jetzt getroffen werden. Trauer ist hingegen die emotionale Reaktion auf Verluste. Die Verluste können in der Trennung von bestimmten Personen oder dem Vergehen von bestimmten Umständen begründet sein. Sinn der Emotion Trauer ist es, die Verluste zu akzeptieren und noch bestehende (innere) Bindungen an die vergangenen Zustände zu lösen und damit Abstand zu gewinnen. Auf der Körperebene entlädt sich die emotionale Trauer etwa in Tränen und allgemein in einer dadurch eingeleiteten Entspannung der (angesichts der drohenden Verluste muskulär angespannten) Körperstruktur. Auf der Bewusstseinsebene führt Trauer zur Einsicht in die Unabänderlichkeit des Verlustes und ermöglicht Neues.394 Indem sich Angst auf die Zukunft, Wut auf die Gegenwart und Trauer auf die Vergangenheit bezieht, verwundert es nicht, dass es zu sog. „ÄrgerAngst-Trauer-Prozessen“ kommt: Geht für das Leben Bedeutsames verloren, „flößt die Zukunft Angst ein“. Der Erkenntnis, dass der Verlust tatsächlich eintritt, wird noch ausgewichen und – letztlich vergeblich – versucht, das Unabänderliche abzuändern. Ärgergefühle mobilisieren nun den Körper. Der 393  Vgl. Hamm 1995, 100 ff. Die Bezüge zu den ersten Stufen der Konfliktbehandlungsmöglichkeiten („Ausweichen“ und „Kampf“, s. Kap. B. II. 1. und Kap. B. II. 2.) sind nicht zufällig. Es sind zuvorderst Formen und Stufen von Angst, durch die Konflikte für den Menschen spürbar werden. 394  Hier wird deutlich, weshalb Trauer gerade fürs (Neu-)Lernen besonders bedeutsam ist. Wird sie nicht zugelassen, die Emotion nicht gefühlt oder das Gefühl nicht bewusst wahr- und angenommen, die Endlichkeit und Endgültigkeit geleugnet, so dass an längst Vergangenem festgehalten wird und kein Platz für Neues besteht. Erst der Abschied bekräftigt den Anfang von Neuem. Mohr 2008, 77 verweist in diesem Zusammenhang auf notwendige, aber häufig nicht zugelassene Trauerprozesse in großen Organisationen.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Verlust wird noch nicht im Bewusstsein akzeptiert. Die Anspannung findet erst im Trauern Entspannung, sobald der Verlust als solcher anerkannt wird.395 Sich dem Neuen zuzuwenden, erfordert daher, die drei Emotionen im Körper und Bewusstsein zu fühlen und der einhergehenden Anpassung Raum und Zeit zu belassen. Dabei gilt, je größer der Verlust ist, desto heftiger sind die emotionalen Reaktionen und desto häufiger das Wechseln zwischen den drei Emotionen. Deutlich wird, dass alle drei Emotionen im Dienst des (Über-)Lebens stehen und dem Organismus verhelfen, sich der der aktuellen Lebenssituation anzupassen und sich auf diese einzulassen. Freude ist hiernach keine zweckgerichtete Emotion, die den Organismus dazu verhelfen will, sich der Lebenssituation anzupassen. Sie ist vielmehr das Resultat einer sinnvollen Anpassung zwischem dem Organismus und seiner Umwelt. Sie hat keine problemlösende, auf Anpassung gerichtete Funktion. Vielmehr ist sie die emotionale, gefühlte Reaktion auf einen problemfreien Zustand.396 Ihr Sinn ist die entspannte Gegenwart zu genießen, weshalb sie den Umkehrpunkt von entspannender Trauer über Vergangenes und anspannender Furcht vor dem Zukünftigem darstellt. Da die Gegenwart auch der historische Bezugspunkt des Ärgers ist, ist Freude sein Gegenteil. Freude ist – von dieser Warte besehen – der emotionale Ausdruck der Akzeptanz alles Seienden, die Bejahung der Gegenwart, während Ärger diese zumindest teilweise ablehnt. Es ist möglich, den vier grundlegenden Gefühlen nicht nur ihre Zeitqualitäten zuzuordnen, sondern sie anhand ihrer Sinnzuschreibungen den Ichzuständen des Funktionsmodells zuzuordnen. Entsprechendes ist mit den Grundeinstellungen machbar. Da es sich bei den Grundgefühlen um Reaktionen handelt, die eine Anpassung zwischen Organismus und Umwelt bezwecken, liegt die Vermutung nicht fern, dass sich die Grundgefühle auch dem funktionalen Kind-Ichzustand zuordnen lassen. Dies gilt umso mehr, als dass sich funktional wie strukturell die Eltern-Ichzustände und der Erwachsenen-Ichzustand erst nach und nach herausbilden, während Emotionen von Beginn an ihren Dienst für das Überleben leisten. Freude ist danach die emotionale Reaktion und der Ausdruck des freien Kind-Ichzustandes, Angst die Reaktion des fügsamen, Ärger die des rebellischen und Trauer die des zurückgezogenen Kind-Ichzustandes.397 Im angepassten Kind-Ichzustand 395  Insoweit wird verständlich, wenn zum Teil – wie etwa Thomson ZTA 1989, 59 – das Gefühl der Trauer auch als das Vergehen und Aufgeben von Wut verstanden wird. 396  Gührs / Nowak 2002, 171; ähnlich Stewart / Joines 2008, 308. 397  Zu den motorisch expressiven Reaktionsweisen (insbesondere der Gesichtsmuskeln), die Rückschlüsse auf den emotionalen Zustand ermöglichen, s. Hamm 1995, 88 ff.

Hindernis; generell Frustration

Verlust

Problem­freiheit; umfassendes Zufriedensein

Ärger/Wut/Zorn

Trauer

Freude

Freude; Genuss

Loslösung; Abschied

Frustrations­ bewältigung; Veränderung

Schadlosig­keit; Sicherheit; Schutz

Sinn und Zweck

Gegenwart

Ver­gangenheit

Gegenwart

Zukunft

histo­rischer Bezug (Zeit­qualität)

Funk­tionaler Kind-Ichzustand

Freier Kind­Ich-Zustand

Zurückgezogener Kind-IchZustand

Rebellischer Kind-IchZustand

Fügsamer Kind-IchZustand

Abbildung 33: Elemente der Anpassung

Quelle: in Anlehnung an Oller-Vallejo ZTA 1987, 72; Schneider ZTA 1997.

Bedrohung

Anlass in der inneren oder äußeren Umwelt

Angst/Furcht

Emotion/ Grund­gefühl

Ich (+) / Du (+)

Ich (–) / Du (–)

Ich (+) / Du (–)

Ich (–) / Du (+)

Vor­rangigeGrundein­stellung

locker; ungehemmt; rhythmisch; unbekümmert

leise; zerknirscht; hilflos; blass; introvertiert

trotzig; bockig; schmollend; angespannt; „schnaubend“

zurückhaltend; gesenkter Blick; vorsichtig; scheu; sich versichernd

(vgl. Abb. 5 im 4. Kapitel – ­Tabelle zur Verhaltensdiagnose)

Körper-und Verhaltensebene

III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements451

452

E. Mediation und Transaktionsanalyse

äußern sich die drei grundlegenden Techniken der Anpassung, aus denen sich drei funktionale Zustände der Fügsamkeit, der Rebellion und des Rückzugs ergeben. Im fügsamen Kind-Ichzustand bewegt sich der Mensch auf den anderen (anschmiegend) zu, um die Angst nicht wahrzunehmen. Die vorherrschend eingenommen Grundeinstellung ist „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“. Im rebellischen Kind-Ichzustand bewegt sich der Mensch gegen den anderen und nimmt die Position „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ ein. Im zurückgezogenen Kind-Ichzustand, dem vorrangig die Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“ zugrunde liegt, bewegt sich der Mensch von dem anderen weg.398 Konfliktsituationen – auch in beruflichen Kontexten – berühren stets auch die private und intime Gefühls-, Gedanken- und Erfahrungswelt, so dass es zu komplexen Prozessen im Fühlen, Denken und Verhalten kommt, denen man keineswegs mit einem schlichten „Verweis auf die Sache“ angemessen begegnet. Das Konzept der Grundemotionen und -gefühle bietet gerade für solche Situationen, in denen derart basale Grundmuster aktiviert werden, einen ersten Anhaltspunkt für die situative Analyse. Gerade die vier Grundgefühle sind in Konflikten gedanken- und verhaltensprägend, so dass sie einen verlässlichen Diagnoseansatz bilden. Für einige Praktiker sind sie nicht nur der „Königsweg“ bei der Analyse, sondern auch für die Intervention.399 Dem Mediator werden durch die jeweiligen Konfliktschilderungen (dritte Phase des Mediationsprozesses) unterschiedliche Elemente vorgetragen400, die er anhand des Konzeptes schnell und zuverlässig einordnen kann, um anschließend weiterführende Hypothesen bilden zu können und Fragen sowie sonstige Interventionen zu konzipieren vermag. Ergänzend dient dem Mediator bei dieser Analyse die – im vierten Kapitel vorgestellte – Verhaltensdiagnose anhand des funktionalen Ichzustandsmodells der Transaktionsanalyse. Um die Diagnose allerdings nicht voreilig als abgeschlossen zu behandeln, bedarf es noch eines ergänzenden Konzepts für unzweckmäßige, unangemessene bzw. dysfunktionale Gefühle, das sogleich im Anschluss vorgestellt wird. Erst dieses Konzept der Ersatz- und Ma398  Vgl. Oller-Vallejo ZTA 1987, 66, 72, wobei allerdings nochmals darauf hingewiesen ist, dass es sich bei dieser Konzeptualisierung des funktionalen KindIchzustands nicht um die gängige Theorie und Praxis der Transaktionsanalyse handelt, sondern sich diese Vorgehensweise für den hier genutzten Beratungskontext der Mediation eignet. 399  Etwa Mohr 2008, 77 (allerdings auf das Coaching bezogen). Zum Umgang mit Grund- und Ersatzgefühlen, sogleich unter E. III. 2. b) cc). 400  Es ist empirisch hinreichend belegt, dass Menschen ihre emotionalen Erlebnisse sprachlich äußerst nuanciert beschreiben können, jedoch all diese scheinbar unterschiedlichen Gefühlsmitteilungen auf wenige basale Ordnungsdimensionen organisiert werden können, Hamm 1995, 86 m. w. N. Das Konzept der Grundgefühle bietet eine solche Ordnungsstruktur.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements453

schengefühle verdeutlicht, weshalb das Thema Gefühle in Konflikten so bedeutungsvoll ist. Pointiert lässt sich sagen, dass es nicht die (echten) Gefühle sind, die Konflikte problematisch erscheinen lassen, sondern diejenigen individuellen und sozialen Gefühlsphänomene, die mit ihnen verwechselt werden und immer noch als Ersatz für echte Gefühle dienen. bb) Die Konzeption der Ersatzgefühle401 Die Transaktionsanalyse unterscheidet zwischen authentischen Gefühlen, die situationsangemessen dem Individuum in ihrer ursprünglichen Funktion dienen und sog. Ersatzgefühlen, die einen sozialen, d. h. insbesondere familiären Zweck der Vergangenheit verfolgen.402 (1) Ausgangspunkte Bevor dem näher nachgegangen wird, ist klarzustellen, dass das Konzept der Ersatzgefühle einen Schnittpunkt zweier transaktionsanalytischen Basis­ annahmen bildet. Die eine Annahme beruht auf der klinisch wie alltäglich beobachtbaren Erfahrung, dass zwar unterschiedliche Menschen auf das gleiche Umweltereignis unterschiedlich – im Fühlen, Denken und Verhalten – reagieren, jedoch der Einzelne bei ähnlichen, insbesondere in problematischen Situationen keineswegs. Die Tatsache ist weithin bekannt, aber überhaupt nicht trivial403. Trivial ist sie nicht, weil der Einzelne in seinen 401  An dieser Stelle sei nochmals auf das Wesen transaktionsanalytischer Konzepte eingegangen: Ersatzgefühle (und Ersatzverhalten) existieren als solche nicht und sind keine materiellen Entitäten. Hier handelt sich um ein Konzept, mit dem ein in der sozialen Welt erfahrbares Phänomen praktikabel und umfassend beschrieben werden kann. Diesen erfahrbaren Phänomenen wurde sich in der Transaktionsanalyse ausführlich und unter Heranziehung unterschiedlicher Konzeptbereiche genähert; zusammenfassend Schlegel 1995, 134 ff. Vorliegend und für die mediative Arbeit besonders gut geeignet ist der – hier verwertete – Ansatz von English 2001, 90 ff. und Schneider ZTA 1997. 402  Kottwitz 1995, 441; English 2001, 106 ff. („Konsequenz dieser familiären Gefühlspolitik“). 403  Heinz von Foerster erklärte diese Beobachtung bereits anhand seiner konstruktivistischen Theorie trivialer und nichttrivialer Maschinen, vgl. von Foerster / Bröcker 2007, 177 ff.; von Foerster / Pörksen 2006, 54 ff., wobei die Bezeichnung „Maschine“ nicht auf mechanische oder elektronische Teile hinweisen soll, sondern auf eine begriffliche und definierbare Struktur (= System, hier: Mensch). Die angesprochene Nichttrivialität der Menschen bedeutet, dass das Ergebnis (output, Reaktion im Fühlen, Denken, Verhalten) einer Beeinflussung von außen (input) der „Maschine Mensch“ nicht voraussagbar oder analytisch eindeutig bestimmbar ist, obschon synthetisch determiniert und vergangenheitsabhängig, vgl. dazu auch Simon 2006, 34 ff.

454

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Stresssituationen404 keineswegs variabel reagiert, obschon er anders könnte, sondern vielmehr eine recht monotone Art pflegt. Insbesondere auf der Gefühlsebene scheint es, als würde der Einzelne bestimmte „Lieblings­ gefühle“405 entwickelt haben. Die zweite transaktionsanalytische Annahme klang bereits an und betrifft die Vorstellung, dass der Mensch ein autonomes Wesen ist, dessen Streben darauf gerichtet ist, über diese Tatsache bewusst und entscheidend zu verfügen.406 Daraus folgt, dass kein Umweltereignis und eben auch kein Konflikt und, um genau zu sein, kein Konfliktbeteiligter in der Lage ist, bei den anderen Gefühle zu determinieren, also über Gefühle in linear-kausaler Weise zu bestimmen. Gefühle werden ebenso wie Gedanken und Verhaltensweisen aus einer unendlichen Vielzahl an Möglichkeiten (mehr oder weniger bewusst) von demjenigen der sie erlebt ausgewählt.407 Das entspricht keineswegs dem Alltagsverständnis von Gefühlen. Im Alltagsverständnis werden andere Menschen oder bloß Situationen für die eigenen Gefühle verantwortlich gemacht und für schuldig gesprochen. Diese haben sich zu ändern, damit man selbst wieder andere Gefühle bekommt. Derlei Annahmen und Verhaltensweisen („Du machst mir Angst!“, „Das macht mich traurig!“, „Du bist schuld, dass ich mich verletzt fühle!“ etc.) werten – transaktionsanalytisch besehen – die eigene Autonomie ab und bürden dem anderen eine Last auf, die er weder trägt, noch überhaupt zu tragen vermag.408

404  Der Begriff des Stress ist vieldeutig und umstritten. Vorliegend wird mit Stress eine konkrete Beziehungsstruktur eines Individuums zu seiner Umwelt beschrieben. Das Individuum befindet sich zwar in der – von der Umwelt beeinflussten – Situation, doch lehnt es diese fühlend, denkend und handelnd, aber zumindest zeitweise erfolglos ab. Zur Neurophysiologie von Stresserleben Roth 2003, 310 ff. 405  Bereits in den Anfängen der Transaktionsanalyse wies Berne darauf hin, dass ein jeder „Lieblingsgefühle“ hat, denen er sich v. a. in Stresssituationen überlässt, ohne dass sie problem- bzw. stresslösend wirken, vgl. dazu Berne 1957, 1958 sowie 1972, 44, 53 f.; ders. 2001, 170 ff.; ders. 2005, 125. Thomson ZTA 1989 unterscheidet sodann – mit Blick auf die Zeitqualität – zwischen „zweckmäßigen und unzweckmäßigen Gefühlen“. Stewart / Joines 2008, 299 („Allzweck-Emotion“), weisen zu Recht darauf hin, dass Menschen, sobald sie in problematische Situationen kommen, zwar Lieblingsgefühle aufsetzten, diese jedoch im doppelten Sinne situativ seien. Es gibt danach Lieblingsgefühle (auf Stress- und Problemsituationen), die „zum Hausgebrauch“ benutzt werden und welche für den „Arbeitsplatz“. 406  Vgl. schon Kap. D. I. 407  Ebenso Goulding / Goulding 2005, 154; Hennig / Pelz 2002, 87 f.; kritisch dazu Wandel 2002, 21. 408  Goulding / Goulding 2005, 112 f.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements455

(2) Entwicklungsprozess von Ersatzgefühlen Emotionen sind biochemische Reaktionen, deren (bewusste) Wahrnehmung, das Fühlen durch den menschlichen Organismus, das Ergebnis eines langwierigen und durchaus lebenslangen Lernprozesses darstellt. Mit Gefühlen und erst recht nicht mit bewusst wahrgenommenen Gefühlen kommt der Mensch nicht auf die Welt. Sie erlernt er, wobei das Erlernen selbst einem sozialen Bewertungsprozess unterliegt, der insbesondere in den ersten Lebensjahren familiär bedingt ist.409 Soweit Emotionen durch den Menschen wahrgenommen wurden und er sich über diese Gefühle Bewusstheit verschaffte, ist noch nicht darüber entschieden worden, ob und wie den Gefühlen sozialer Ausdruck verliehen wird. Über diesen differenzierten Prozess des Fühlens, Bewusstwerdens und Benennen des Gefühlten sowie der verbalen oder aktivitätsbezogenen Äußerung verfügt der junge Mensch noch nicht. Emotionen bewegen buchstäblich das Kleinkind in ungefilterten Formen.410 Das Wahrnehmen von Emotionen und die Bewusstwerdung der Gefühle werden durch die Eltern bzw. die unmittelbaren Bezugspersonen (ein-)geleitet. English beschreibt, wie die Eltern durch ihr Verhalten den Differenzierungsprozess fördern oder verhindern. Durch die Eltern lernt das Kind oder auch nicht, zwischen bewusster Wahrnehmung der Emotionen sowie darauf folgender Handlungen zu unterscheiden.411 Indem Eltern auf bestimmte Gefühle aufmerksam machen und auf andere nicht oder weniger, regen sie den Lernprozess des Fühlens und Bewusstwerdens beim Kind an. Zunächst einmal stehen dem Menschen seine Bezugspersonen Modell, die er nachahmt.412 Zum anderen leiten entsprechende „Erziehungsmaßnahmen“ den Wahrnehmungs- und Lernprozess des Fühlens. Dabei kommt es nicht nur durch Verstärkungen einiger Gefühle zu Einschränkungen anderer. Die Beachtung ausgewählter Gefühle führt auf diesem Wege zum Beschweigen unliebsamer. Mitunter werden solche Gefühle aber auch direkt unterdrückt. Dieses Unterdrücken erfolgt entweder im Verbot, das Gefühl zu haben und entsprechend danach zu handeln, wobei das Gefühl benannt wird413, oder 409  Vgl. Stewart / Joines 2008, 301 ff.; English 2001, 91 ff.; mit Lehrbeispiel Hennig / Pelz 2002, 81 ff.; ausfrl. Goulding / Goulding 2005, 140 ff. 410  Alle Formen und, soweit man davon reden kann: Schattierungen von Wut und Angst sowie Freude und Trauer, zeigen sich ungefiltert in Körperreaktionen (Schreien, Jammern, Weinen, Schlagen, Greifen, Lachen etc.), vgl. English 2001, 91. 411  Indem die Mutter bspw. Verständnis dafür aufbringt, dass die Tochter über den jüngeren Bruder verärgert ist, weil er ihr Spielzeug kaputt macht, aber verbietet, ihn deswegen zu schlagen, erlaubt sie Gefühle des Ärgers, differenziert sie aber von den ableitbaren Folgehandlungen, vgl. English 2001, 91 f. 412  Vgl. Rautenberg / Rogoll 2007, 114. 413  Beispielhaft English 1982, 129 f.; Rautenberg / Rogoll 2007, 115, Fn. 2 weisen darauf hin, dass derlei Befolgungen erzieherischer Maßnahmen („Schluss jetzt mit

456

E. Mediation und Transaktionsanalyse

das verbotene Gefühl wird nicht einmal benannt414. In beiden Fällen wird „eine Gefahr“ bereits im Gefühl gesehen und vermittelt, die zu meiden ist. Oder anders, das Fühlen in diese Richtung wird bei Strafe (v. a. durch Liebesentzug) untersagt. Insoweit der junge Mensch von der Familie abhängig ist, stellt die familiäre Bewertung wahrgenommener und geäußerter Gefühle bedeutsame Stimuli dar. Da allerdings die Emotion das Kind im wahrsten Wortsinne immer noch „bewegt“, muss es diese Bewegung anders ausagieren. Entweder wird es sich anstrengen, nicht zu fühlen oder anders zu fühlen, um sich – auf dem Wege eines erlaubten und willkommenen Gefühls – derart auszudrücken. Das Kind entwickelt ein Ersatz- bzw. Maschengefühl, das durch entsprechendes Ersatz- bzw. Maschenverhalten ausgedrückt wird.415 (3) Sinn und Funktion von Ersatzgefühlen Aus dem soeben Genannten verdeutlicht sich bereits die Tatsache, dass Ersatzgefühle sinnhaft sind. Aus der Sicht desjenigen, der sie be- und erlebt, ergeben sich Sinn und Funktion aus der individuellen Historie416 und den sozialen Umständen. Ersatzgefühle und das mit ihnen einhergehende Ersatzverhalten sind sozial zielorientiert, also auf andere Menschen bezogen. So wie sie einst den nährenden Bezugspersonen als Garanten des eigenen Überlebens zuliebe aufgesetzt wurden, „verfolgen sie“ auch heute noch entsprechende Interessen. Dass sich die äußere Situation des Erlebenden entscheidend verändert hat, der Heulerei, oder …“) keineswegs nur einer existenziell empfundenen, sondern einer häufig existenziellen Not entspringt. Die Transaktionsanalyse bezeichnet sie deshalb auch als „Überlebensentscheidungen“, die das kleine Kind trifft und die als Bannbotschaften zu Skriptentscheidungen führen können, vgl. dazu bereits Kap. D. III. 2. b). 414  Hierbei werden jegliche emotionale Regungen ignoriert, so dass sie als seltsame Unbehaglichkeiten, keine (erfühlte!) Bedeutung zugemessen wird und insoweit bedeutungslos, aber keineswegs folgenlos bleibt. Derartige Verbote werden insbesondere auf – den Emotionen vorausgehende, vgl. Damasio 2007a, 37 ff. – Triebe wie Sexualität, Lust und Schmerz bezogen, ähnlich English 2001, 92. 415  In der Literatur zur Transaktionsanalyse, insbes. in der praktisch ausgerichteten Literatur wird nicht konsequent zwischen einer wahrnehmbaren Masche und einem Maschengefühl differenziert, vgl. beispielsweise Schmidt 2002, 15 ff.; Rüttinger 2005, 62 f.; James / Jongeward 1984, 218 f.; wie hier Stewart / Joines 2008, 300 ff.; Rautenberg / Rogoll 2007, 112 ff.; Hennig / Pelz 2002, 84 f. 416  Die Vergangenheit vermag allerdings lediglich zu erklären, weshalb diese konkreten Gefühle heute noch ersatzweise gefühlt werden; keineswegs aber verursacht sie heute diese Gefühle oder ist daran schuld. Darauf wird sogleich bei der Frage zum Umgang mit Ersatzgefühlen – sowohl für denjenigen, der sie belebt als auch für Beobachter, insbesondere für den Mediator – einzugehen sein.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements457

nämlich durch die tatsächliche Unabhängigkeit von denjenigen, denen zuliebe einst die Gefühle ersatzweise aufgesetzt wurden, bleibt dabei unbewusst. Ersatzgefühle und entsprechendes Verhalten „schützen“ davor, frühe Kränkungen und Verletzungen (auch heute noch) nicht wahr- und anzunehmen.417 Sie ersparen es auf diese Weise, sich über frühe Notlagen Bewusstheit zu verschaffen und stehen im Dienst eines – aus tatsächlich überlebten, aber noch nicht abgelegten Abhängigkeiten heraus entstandenen – verklärenden „Elternschutzes“.418 Oder anders gewendet, sie dienen der Aufrechterhaltung des Mythos von (ausschließlich) „glücklichen Kindertagen“. Der soziale Sinnbezug von Ersatzgefühlen besteht darin, dass die Aufnahme und Gestaltung sozialer Kontakte auf bekanntem und scheinbar kontrollierbarem Weg erfolgt.419 In der Herkunftsfamilie Gelerntes wird weiter verwendet, weil es dasjenige ist, was sich bisher mehr oder weniger bewährt hat. Indem dieses angelernte „Gefühlsmuster“420 weiterhin Verwendung findet, wird wirklich neuen, auch fühlbaren Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen ausgewichen. Sicherlich zeigt sich hier neben der grundsätzlichen Furcht vor dem Unbekannten auch die Hoffnung, die alte und prekäre Familiensituation, in der das authentische Gefühl verboten war, auf- und sich von ihr zu erlösen. Hier eröffnet sich der Anschluss zur Konzeption vom Lebensskript421: Ersatzgefühle und von ihnen geleitetes Verhalten, sog. Rabattmarken sammeln, stehen in engem Bezug zum Lebensskript. Sie beleben und verstärken die Skriptinhalte und -ziele, so dass sie diese letztlich Realität werden lassen. Die Ersatzgefühle sind die treuen Gefährten auf dem (weiten) Weg zum Skriptergebnis, sprich: zum unbewussten Lebensziel, das in frühen Zeiten – nicht ganz freiwillig und überhaupt nicht bewusst – selbst gesteckt wurde.422 Ersatzgefühle und entsprechendes Ersatzverhalten erfüllen zudem den Sinn, den Hunger nach Strokes zu befriedigen. Sie erzeugen im Individuellen und Zwischenmenschlichen Spannungen und vermeiden Langeweile. Dies wird besonders daran deutlich, wenn man mit Berne der Meinung ist, dass Ersatzgefühle die Ausgangspunkte für psychologische Spiele sind, die ihrerseits eine Möglichkeit darstellen, die Lebenszeit zu strukturieren.423 417  Rautenberg / Rogoll

2007, 118. die Ausführungen speziell zum „Mutterschutz“ bei Maaz 2007, 47 ff., zu den Hintergründen ders. 2003. 419  Hennig / Pelz 2002, 85. 420  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 128. 421  Erskine / Zalcman NTA 1979; Stewart / Joines 2008, 313; Holtby NTA 1979; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 137 f. 422  Berne 2001, 170 ff., im Detail anders betonend English 2001, 141. 423  s. dazu Kap. E. III. 4. d) aa). 418  Vgl.

458

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Die Kontaktgestaltung mittels psychologischer Spiele weist ein hohes Maß an Informationsaustausch auf und sättigt den Hunger nach sozialen Kontakten in durchaus intensiver, aber nicht befriedigender Art und Weise und erhält eine spannungsreiche zwischenmenschliche Emotionalität. Ersatzgefühle und Ersatzverhalten haben des Weiteren die Funktion, die kindlich Fantasie und Illusion aufrechtzuerhalten, andere Menschen könnten in ihren Fühl-, Denk- und Verhaltensweisen in linear-kausaler Art und Weise entscheidend beeinflusst werden.424 Diese ebenso abwertende wie grandiose Idee rührt freilich auch aus den Erfahrungen in der Ursprungsfamilie. Die Ersatzgefühle und das dazugehörige Ersatzverhalten waren diejenigen Gefühlsäußerungen, die erlaubt waren und den Wünschen der Bezugspersonen entsprachen. Dementsprechend verhielten sich diese Bezugspersonen auf eine Art und Weise, die dem Kind so erschien, als hätte es diese selbst verursacht. Die Reaktion in der Not wird zum Normalfall. Die Anpassungsleistung wird ohne Not weiter erbracht und führt zu einem latenten Unbefriedigtsein, weil die echten und aktuellen Emotionen als Körperreaktionen auf die Gegenwart nicht wahrgenommen werden. Stattdessen wird weiterhin geglaubt, man könne Gefühle bei anderen machen (Grandiosität) und die eigenen werden von anderen gemacht (Abwertung). Wird die grandiose Idee im sozialen Geschehen umgesetzt, besteht die Möglichkeit, sich des eigenen Irrtums und des kindlichen Aberglaubens bewusst zu werden. Da das keineswegs angenehm ist und die Vorstellung einer wie auch immer gearteten „glücklichen Kindheit“ erschüttert, fungieren Ersatzgefühle im gegenwärtigen Kontakt auch als Erpressungsmittel. Derartige erpresserische Transaktionen, die English mit Ausbeutungstransaktionen bezeichnet, werden un- oder zumindest halbbewusst eingesetzt, um die eigenen Kindheitsvorstellungen von sich, den anderen und der Welt insgesamt nicht aufgeben zu müssen, indem andere „gezwungen“ werden, sich diesen entsprechend zu verhalten (Racketeering425). 424  Hennig / Pelz 2002, 85 gehen darüber hinaus und schreiben den Ersatzgefühlen auch den Sinn zu, die Fantasie aufrechtzuerhalten, dass die absolute Kontrolle über sich selbst (im Fühlen, Denken und Handeln) erlangbar wäre. 425  Der Begriff „racket“ bzw. „racketeering“ entstammt dem Sprachgebrauch der amerikanischen Unterwelt, mit dem die Erpressung von Schutzgeldern (durch „Versicherungspolicen“) bezeichnet wurde, English 2001, 105. Da es sich bei Ausbeutungstransaktionen zwar auch um eine Nötigung zu einem bestimmten Verhalten handelt, aber grundsätzlich nicht um eine vermögensbezogene Nötigung, ist die Charakterisierung als nötigende Ausbeutungstransaktion angebrachter. Zu ausbeutenden Transaktionen insgesamt English 1982; dies. 2001, 108 ff.; dies. TAJ selected 1980, 232 ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 129 ff.; Gührs / Nowak 2002, 176 f.; Schlegel 1995, 138 f., der zu Recht darauf hinweist, dass die erfolgreiche Nötigung mittels geäußerter Ersatzgefühle v. a. ein Ergebnis der Bereitschaft desjenigen ist, der sich nötigen lässt. Der „beleidigende Rückzug“ etwa oder der „Trä-



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements459

Beispiel „Der tränenreiche Rückzug“: In einer Teambesprechung oder einem Media­tionsgespräch zieht sich eine Person unter Tränen empört zurück, indem sie ohne Ankündigung und mit hingeworfener Entschuldigung den Raum verlässt. Freilich zielt er (wenn auch unbewusst) darauf ab, dass sich andere nun um diese Person kümmern. Entscheidend für die Diagnose ist die nachfolgende, nicht aber die Anlasssequenz! Warum die Person aufgestanden und schluchzend hinausgelaufen ist, ist zweitrangig, wenn überhaupt von Interesse. Viel mehr jedenfalls hat die Person nicht unternommen. Die anderen Personen jedenfalls werden innerlich und äußerlich mit einem Male höchst aktiv. Einige möchten das gemeinsame Gespräch zumindest unterbrechen, andere laufen hinterher oder fragen sich, was sie oder die Übrigen dazu beigetragen haben, fühlen sich schuldig oder suchen den Schuldigen (der noch im Raum sein muss!). Rätselraten und gegenseitige Vorwürfe, aber auch Anfragen an den Mediator bzw. Gesprächsleiter werden vorgebracht – irgendetwas müsse doch getan werden, ist die wahrnehmbare Stimmungslage. Letzten Endes sind das alles Anzeichen für die „Macht“, die die hinausgelaufene Person durch ihren beeindruckenden Rückzug aktivierte. Mitunter verteilt sie später nicht nur innerlich, sondern auch verbal „Noten“, inwieweit sich die Anderen angesichts ihres Leids bewährt haben.426

(4) Erkennbarkeit von Ersatzgefühlen Gerade in Konfliktsituationen verdecken Ersatzgefühle diejenigen Interessen und Bedürfnisse, um die es den Beteiligten tatsächlich geht und führen zu Positionen und Einstellungen, die einer Problem- bzw. Konfliktlösung tatsächlich entgegenstehen oder eine solche nicht fördern. Dem Mediator ist daher dringend ein praktikables Konzept zur Verfügung zu stellen, das nicht nur das Phänomen der Ersatzgefühle beschreibt, sondern Kriterien zur Erkennbarkeit benennt. Zwar reagiert jeder Drittbeteiligte und damit auch ein Mediator, auch ohne bewusste Kenntnis intuitiv auf Ersatzgefühle. Für ein transaktionsanalytisch fundiertes Vermitteln in Konflikten kommt es deswegen darauf an, dass der Mediator seine Diagnosen und Interventionen theoretisch konzeptualisiert, um sie darauf aufbauend praktisch zu professionalisieren. Dieser Anspruch setzt insbesondere voraus, dass der Mediator selbst mit der Bandbreite seiner authentischen wie auch ersatzweisen Gefühlen vertraut ist. Lediglich die Erkenntnis seiner eigenen Emotions- und Gefühlswelten ermöglicht es ihm, als Gesprächspartner seine allparteiliche

nenausbruch“ vermögen nur denjenigen zum Handeln, das er sonst mit guten Gründen unterlassen hätte, zu nötigen, der sich von einer beleidigten Stimmung oder eben Tränen anrühren lässt. Für Mediatoren sind etwaige Übereinkünfte, die durch Maschengefühle und –Verhalten eingeleitet werden, ganz besonders heikle Situationen, weil sie nicht auf standfesten Böden getroffen wurden und gegenseitige Schuldvorwürfe faktisch programmiert sind. 426  Gührs / Nowak 2002, 176.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Stellung im Konflikt- und Mediationsprozess zu behalten.427 Je vertrauter und bewusster der Mediator mit sich ist, desto klarer kann er authentische Gefühlsausdrücke von solchen unterscheiden, die lediglich ersatzweise – aus welchen Gründen auch immer – von den Medianten „aufgelegt“ werden. Lohnenswert hat sich in der Praxis erwiesen, folgende Aspekte im Media­ tionsprozess besonders zu beachten: Grundlegend ist, dass Ersatzgefühle an den Wirkungen auf die übrigen anwesenden Personen erkannt werden können. Generell stehen jegliche übertriebene und unangemessene Gefühlsäußerungen im Verdacht, dass es sich bei ihnen um Ersatzgefühle handelt.428 Übertrieben und unangemessen sind jedenfalls nicht abklingende Gefühlsausdrücke, die immer wieder, d. h. die in einem raum-zeitlichen-Unmittelbarkeitszusammenhang vorgebracht und mit gleicher Intensität „aufgelegt“ werden. Zudem basieren diejenigen Äußerungen mit großer Geste und unüberhörbaren Vorwürfen, aber auch die kleinlauten Gesten angesichts eindeutiger Verletzungen, auf Ersatzgefühlen. Dritte können die übertriebenen oder auch untertriebenen, also in jeder Hinsicht unangemessenen Gefühlsäußerungen, nicht nachvollziehen und reagieren mit Befremden.429 Indem diese Dritten gleichwohl durch den Ausdruck der Ersatzgefühle beeinflusst werden sollen, offenbart sich der lebensgeschichtliche Hintergrund. Es werden die Lösungen der Vergangenheit, die auf die Mitglieder der Herkunftsfamilie zugeschnitten waren, nochmals – und zumeist erfolglos – angewendet.430 Beispiele: Der von schweren Vorwürfen begleitete Wutausbruch gegenüber unbeteiligten Dritten oder sich selbst431 gehört hierher, aber auch die Entschuldigung desjenigen, dem soeben in der überfüllten Straßenbahn auf die Füße getreten wurde. Satzanfänge im Tenor von „Jetzt muss ich Dir aber endlich einmal sagen, wie sehr … (es mich ärgert, ich traurig bin etc.)“ oder „Das musste ich mir nun lange genug anhören, …“ sind hörbare Indizien für unangemessene Gefühlsausdrücke und transaktionales Racketeering. Dritte schauen sich etwa bloß fragend an, was das jetzt und hier solle oder zucken bloß mit den Achseln, fühlen sich betreten und verspüren schlichten Unwillen. All das sind Anzeichen, dass Ersatzgefühle ausgedrückt wurden.

427  Risto

2003, 119; prägnant für das Begleiten generell Maaz 2007, 71 ff., 73,

124 f. 428  Vgl. Gührs / Nowak 2002, 177; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 128; Risto 2003, 120. 429  Rautenberg / Rogoll 2007, 124, ähnlich Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 128 f.; English 1982, 132. 430  Steiner 1989, 53 ff.; English 1982, 106 ff.; Goulding / Goulding 2005, 50 f. 431  Berne 2005, 125 benennt hier die Selbstkasteiungen eines rückfälligen Alkoholikers.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements461

Ersatzgefühle, die Ausdruck von grundlegenden Skriptentscheidungen darstellen, offenbaren sich – für das geübte Auge – zudem im chronischen Körperausdruck. Transaktionsanalytiker benennen hier beispielhaft das „Muffel- und Unzu­frie­den­ heits­racket“432, das sich in runterhängenden Mundwinkeln zeigt. Das „Liebkind­ racket“ seinerseits zeigt sich in einem permanenten Grinsen und chronischem Lächeln, sobald mit einem Gegenüber interagiert wird.433 Begleitet wird es recht häufig von der Querfalte auf der Stirn. Als chronischer, bereits in früher Kindheit begründeter, Körperausdruck verwundert es nicht, dass es sich um die entsprechenden Anzeichen handelt, die bereits für das Erkennen des angepassten Kind-Ichzustandes im funk­tionalen Persönlichkeitsmodell maßgebend waren.434

Der Mediator kann häufig am besten Ersatzgefühle erkennen, wenn er methodisch selbstreflektierend vorgeht. Angesichts der verbalen und nonverbalen Transaktionen mit den Medianten bzw. der Kommunikation ­ der Medianten untereinander befragt sich der Mediator selbst (im Stillen), wie er emotional darauf reagiert (hätte).435 Daraus lassen sich Rückschlüsse auf den (Ersatz-)Charakter der geäußerten Gefühle bei den Medianten ziehen. Beispiele: Welche Emotionen und Gefühle nehme ich als meine Reaktionen auf meinen Gegenüber wahr? Kommt Ärger und Ungeduld auf? Halte ich sie / ihn für süß, aber naiv? Fühle ich mich zu bestimmtem Verhalten genötigt? Löst das Verhalten das Problem?

Die Lösungsqualität der Gefühlsäußerung angesichts eines aktuellen Problems bzw. Konflikts offenbart, ob es sich um den Ausdruck von Ersatzgefühlen handelt. Mit Blick auf die oben beschriebene Zeitqualität der vier grundlegenden Gefühle, lässt sich die Lösungsqualität der Gefühlsäußerungen praktikabel bewerkstelligen.436 Besteht keine erkennbare Möglichkeit, dass der Gefühlsausdruck der erste oder auch nur ein Schritt zur Lösung ist, so stimmt in aller Regel der Zeitbezug nicht. Der unpassende Zeitbezug des Gefühlsausdrucks stellt ein sicheres Indiz für ein Ersatzgefühl dar. Als Lösungen auf vergangene Probleme, die in der Herkunftsfamilie bestanden, begründen Ersatzgefühle in der aktuellen Situation erst die Probleme und Konflikte, stellen sich aber für denjenigen, der sie belebt, als die einzige und selbstverständliche Lösungsstrategie dar.437

432  Vgl.

Gührs / Nowak 2002, 177; English 1982, 133. English 1982, 136 f., die von einem ähnlichen Fall berichtet. 434  s. Kap. D. II. 2. a). 435  Gührs / Nowak 2002, 178. 436  Stewart / Joines 2008, 307 f. 437  Rautenberg / Rogoll 2007, 123; Stewart 1993, 50 f.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 128; vgl. dazu auch Watzlawick / Weakland / Fish 1992. 433  Vgl.

462

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Beispiele: Wird mit Ärger (Zeitqualität: Gegenwart) auf einen Verlust reagiert oder mit Angst (Zeitqualität: Zukunft) auf ein Hindernis, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Ersatzgefühle.

Hinweise auf Ersatzgefühle gibt auch die Typik des Gefühlsausdrucks. Das ist freilich nicht zu Anfangs möglich, jedoch ist es mit zunehmender gemeinsam verbrachter Zeit dem Mediator möglich, originelle bzw. authentische von typischen, maschenartigen Gefühlsäußerungen zu unterscheiden. Originalität im Gefühlsausdruck bedeutet nicht, dass derjenige immer auf neue Art und Weise reagieren müsste. Originalität wird durch eine momenthafte Gefühlsäußerung erreicht, die die emotionale Reaktion auf die aktuelle und einmalige Situation bezeugt. Typische und wiederkehrende Gefühlsreaktionen hingegen erscheinen wie immer wiederkehrende Maschen438 und werden wie ein „Sprung in der Platte“ erlebt. Sie riechen mehr, als das sie duften und schmecken fad. Ihr Erscheinen wirkt auf den Betrachter künstlich und aufgesetzt.439 Möchte der Mediator seine (Arbeits-)Hypothese, es handele sich um eine Ersatzgefühl, überprüfen, wird er nach einer direkten Konfrontation häufig Empörung und Rechtfertigungen ernten. Da derjenige sich nicht darüber im Klaren ist, dass und wie er einen Maschenprozess einleitete und seine unbefriedigende Erlebnisweise provozierte und diese gleichwohl für eine absolute Selbstverständlichkeit hält, stellt jede direkte Konfrontation damit eine Bedrohung des dazugehörigen skriptbestimmten Bezugsrahmens dar. Diese Erlebnisweise muss konsequent gerechtfertigt und verteidigt werden. Deshalb stellt sich für den Erlebenden die Umwelt als rechtfertigende Ursache für seine (Ersatz-)Gefühle dar und nicht umgekehrt die Umwelt als Konsequenz seiner (verlockenden) Maschen.440 Beispiel: Wer angesichts eines aktuellen Verlustes (Trauersituation) nicht trauern kann, weil er sich einen solchen Gefühlsausdruck nie gestatten durfte und diesem Verbot auch heute noch „gehorcht“, muss, wenn Ärger und Wut seine erlaubten Ersatzgefühle darstellen, eine entsprechende Situation provozieren.441 Besonders deutlich treten Rechtfertigungen nach einer Konfrontation eines Traurigkeitsrackets auf, bei der das vormalige „Opfer“ recht schnell und eindeutig diese Position ver438  Rogoll

2006, 57, English 2001, 90. 2001, 90. 440  Zum Hintergrund Rogoll 2006, 57 f.; zum verlockenden Charakter der geäußerten Maschengefühle s. Stewart / Joines 2008, 309, insbes. die Anmerkung des Übersetzers Rautenberg. 441  Vgl. Stewart / Joines 2008, 300, die jedoch zu Recht darauf hinweisen, dass es keineswegs immer erforderlich ist, selbst eine entsprechende Situation zu kreieren („eine Masche zu stricken“), um ein Maschengefühl erleben zu können, vgl. S. 301. Einerseits reicht für das Aufkommen auch von Maschengefühlen eine eigene Erinnerung an vergangene Erlebnissituationen aus oder die anderen bzw. „die Welt“ sorgen dafür, dass entsprechende Stresssituationen ohne Zutun eintreten. 439  English



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements463

lässt, um die eines „Verfolgers“ einzunehmen.442 Der Mediator sollte deshalb mit diesem Diagnoseinstrument zumindest sparsam umgehen und auf andere ausweichen. Zum Umgang mit Ersatzgefühlen sogleich mehr.

Zusammenfassend lässt sich damit ein Maschengefühl als ist die typische reaktive Wahrnehmung auf eine Emotion definieren, die in der Kindheit gelernt und gefördert wurde, so dass es als sozial angelerntes Gefühl ein ursprüngliches Grundgefühl um der sozialen Anpassung willen ersetzt. Es wird späterhin in unterschiedlichen Stresssituationen erlebt, so dass es als Ausdruck eines Lösungsversuchs für vergangene Probleme in der Gegenwart des Erwachsenen eine Fehlanpassung bedeutet.443 Die Masche als Mittel zur Problemlösung stellt im konzeptionellen Kontext des Lebensskriptes die Gesamtheit skriptgebundener Verhaltensweisen dar, die, ohne bewusst zu werden, als Mittel zur Umweltbeeinflussung eingesetzt wird.444 (5) Förderliche Umgangsweisen mit Ersatzgefühlen Ausgangspunkt für den mediativen Umgang mit (Ersatz-)Gefühlen stellt die transaktionsanalytische Annahme von der Autonomie des Menschen dar und dessen Streben nach ihr.445 Das bedeutet im Kontext der Gefühle und Gefühlsäußerungen zunächst, dass es eine Sache ist, ein Gefühl zu haben und eine andere, dieses – wahlweise im Hinblick auf das Ob und Wie – tatsächlich zum Ausdruck zu bringen. Sodann – und das zeichnet das transaktionsanalytische Gefühlskonzept aus – bedeutet das Autonomiekonzept im Hinblick auf Gefühle, dass niemand bei einem anderen Menschen Gefühle machen kann. Der Mensch fühlt und wird nicht durch andere zu einem bestimmten Gefühl getrieben. Zwar können Menschen keineswegs frei entscheiden, ob sie emotional auf Reize reagieren, jedoch obliegt es ihrer Freiheit, wie sie die Emotionen fühlen und wie sie darauf handelnd reagieren.446 Menschen können durch ihr Handeln nicht in linear-kausaler Weise Gefühle bei anderen determinieren. Dies gilt, auch wenn von einer kausalen Ursache-Wirkungs-Beziehung ausgegangen wird, die zu der Vorstellung führt, dass (eigene) Verhalten sei eine automatische Reaktion auf eine äußerliche Reizsituation. Visuell ließe sich das folgendermaßen darstellen: 442  Zum

„Drama-Dreieck“ Kap. D. IV. 2. b) cc). Stewart / Joines 2008, 300, 321. 444  Stewart / Joines 2008, 300. 445  Schneider ZTA 1997, 78. 446  Ebenso Schneider ZTA 1997, 79. Diese Annahme korreliert mit dem transaktionsanalytischen Persönlichkeitsmodell, dem Konzept der Ichzustände. Dabei handelt es sich – wie im Kap. D. II. dargelegt wurde – um ein kohärentes System aus Fühlen, Denken und Verhalten. 443  Vgl.

464

E. Mediation und Transaktionsanalyse Reiz

Verhalten, das wie ein Zwang oder zumindest als automatisch erlebt wird.

Abbildung 34: Automatismusverhalten

Tatsächlich stellt sich allerdings der Prozess der Reizverarbeitung bis hin zur eigenen Handlung „intern“ differenzierter dar, wobei die Möglichkeit besteht, darüber bewusste Steuerungsherrschaft zu erlangen. Von einem erwachsenen, mündigen Menschen ist diesbezüglich freilich mehr zu erwarten als von einem Kleinkind.

„1. Reaktion“: Emotionale Reaktion „2. Reaktion“ – (Fühlen): Wahrnehmung der Emotion „3. Reaktion“ – (Bewusstsein): Wahrnehmung des Gefühls führt zu Gedanken, Fantasien und Träume (Bewertungen!) „4. Reaktion“: Handlungsimpulse

Zunahme der Steuerungsherrschaft (Selbst- und Sozialkompetenz)

Reiz

Handlungsmöglichkeiten

Quelle: in Anlehnung an Schneider ZTA 1997, 79 f.; ders. 2009, vgl. auch Mohr 2008, 74 f. Abbildung 35: Gefühls- und Handlungsautonomie



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements465

Grundlegend für einen förderlichen Umgang mit Ersatzgefühlen in einer Mediation oder auch bei einer sonstigen Problem- und Konfliktbearbeitung ist die Tatsache, dass Ersatzgefühle und das entsprechende Verhalten (Maschenstricken, Racketverhalten) nicht vorgespielt werden.447 Ersatzgefühle erscheinen dem Träger wie echte Gefühle und für Dritte – trotz ihres Ersatzcharakters – sind es „wirkliche Gefühle“448. Sie sind genauso real wie echte, authentische Gefühle. Das gefühlsäußernde Verhalten (Racketverhalten) ist keineswegs Schauspielerei, mag es zuweilen auch so erscheinen, sondern eine Notwendigkeit desjenigen, der die Racketgefühle empfindet. Der Grad der Notwendigkeit spiegelt dabei den Grad des darin verborgenen, aber auch erkennbaren Leidens. Diese Tatsache erschwert den Umgang mit Ersatzgefühlen generell. In der Mediation ist es schwierig mit ihnen umzugehen, weil die übrigen Medianten intuitiv spüren, dass „hier etwas nicht stimmt“, dass „eine Lockmasche gestrickt“ wird. Der Mediator muss im Rahmen seiner Interventionen stets auf die übrigen Medianten achten und die (Gruppen-)Atmosphäre im Blick behalten. Grundlegend für jede Art Intervention ist – wie bereits bei der Diagnose von Ersatzgefühlen dargelegt –, dass sich der Mediator selbst Klarheit darüber verschafft hat, mit welchen Gefühlen er Schwierigkeiten hat und wo seine eigenen Ersatzgefühle lauern, um nicht aus eigenen Trübungen heraus zu handeln.449 Im Übrigen schadet ein fundamentales Interesse an anderen Menschen und der Förderung ihrer Entwicklungsschritte nicht, das sich vor allem im Mitgefühl mit der Tatsache zeigt, dass andere sich in ihrer Not auch in heftige Konflikte verstricken, um (letztlich auch) ihre echten Gefühle fühlen zu dürfen. Dem Mediator bleibt es dabei unbenommen, auf Maschenäußerungen zu reagieren und gegebenenfalls die vermuteten Gefühle anzusprechen.450 Beispiele: „Ich habe den Eindruck, dass Sie im Grunde ärgerlich sind. Täusche ich mich?“451; „Wenn ich das erlebt hätte, was Sie uns eben geschildert haben, dann wäre ich nicht traurig, sondern wütend.“; „Ich erlebe Sie wütend, obschon Sie über 447  Gührs / Nowak

2002, 177. Bezeichnung „wirkliche Gefühle“ wurde früher auch als Gegensatz zu Ersatzgefühlen verwendet. Die heutige Literatur zur Transaktionsanalyse verwendet vorrangig das Gegensatzpaar echt / unecht, wodurch sie zum Ausdruck bringen möchte, dass Ersatzgefühle eben auch „wirklich“ vorhanden sind, vgl. Stewart / Joines 2008, 304. 449  Vgl. Gührs / Nowak 2002, 179. 450  Gührs / Nowak 2002, 179; Risto 2003, 119. 451  Die Geschlossenheit der („ja-oder-nein“-)Frage ist ein intensiver Eingriff in den Autonomiebereich des Klienten und sollte allenfalls dann erfolgen, wenn eine gesicherte Beziehung aufgebaut wurde oder zumindest ein gewisser Erfahrungsschatz mit dem Klienten besteht sowie – in beiden Fällen – eine ausdrückliche (transaktionsanalytische) Vertragsabrede darüber besteht, dass derartige Eingriffe erlaubt sind. 448  Die

466

E. Mediation und Transaktionsanalyse

den Verlust der Beziehung zu ihrer Frau reden. Welche Möglichkeiten bestünden noch?“

Dennoch gilt, dass allein dadurch, dass der Mediator auf den Ersatzcharakter hinweist oder gar das zugrunde liegende Gefühl „aufdeckt“, sich weder das Verhalten, noch das Ersatzgefühl ändert.452 Häufig verstärkt sich das problematische Verhalten bei einer Konfrontation und wird umso heftiger, je direkter und verständnisloser diese ist.453 Beispiele: „Soll ich etwa nicht zeigen, wie verletzt ich darüber bin, dass …?!“454; „Das ist doch ganz normal! Da würde doch jeder ‚ausrasten’!; Sie können nur so ruhig bleiben, weil sie nicht in meiner Lage sind! Sie verstehen mich nicht …“

Diese Verteidigungshaltung wird gerade dadurch provoziert, dass die Mediationsbewegung mit dem Anspruch auftritt, im Mediationsprozess hätten Gefühle – anders als vor Gericht – ihren Platz und müssten sich entfalten dürfen.455 Es bedarf jedoch eines hohen Maßes an Empathie, Vorsicht und Klarheit auf Seiten des Mediators sowie eines beiderseits – auch in dieser Hinsicht – klaren Mediationsauftrages, um mit Ersatzgefühlen förderlich umgehen zu können. Der Mediator ist jedenfalls gut beraten, Ersatzgefühle und dazugehöriges Verhalten wahrzunehmen und für sich zu würdigen, aber gegenüber den Medianten so wenig wie möglich mit Beachtung zu beschenken456 Das mag ihm mitunter Vorwürfe von Gefühllosigkeit oder Desinteresse einbringen, jedoch sollte diese Gefahr keine Versuchung darstellen, der Mascheneinladung zu folgen oder durch die möglichen Vorwürfe in die Opferrolle zu gehen. Das bedeutet vor allem, dass der Mediator sich stets bewusst bleibt, worum es bei Ersatzgefühlen geht und dass sie ihrerseits nicht „schlecht“ 452  Rautenberg / Rogoll

2007, 121. English 2001, 90. 454  Der transaktionsanalytisch fundierte Mediator kennt auf eine solche ‚Frage“ nur eine Antwort: „Nein!“, womit er jedoch lediglich verneint, dass der Mediant fühlen „soll“. Generell ist der Schlüssel zur Annäherung nicht der sonstige Inhalt der Frage, sondern das Wörtchen „soll“, das Aufschluss darüber gibt, in welcher Lage sich der Mediant glaubt. Im „Soll“ zeigt sich seine Welt. Er fühlt, denkt und handelt infolge von Ge- und Verboten, die jedoch vor langer Zeit, wenn überhaupt, bestanden haben und denen er immer noch folgt. 455  Richtig daran ist freilich, dass Gefühle in der Mediation direkt beachtet werden, doch wäre es vermessen zu behaupten, dass Gefühle in der rechtlichen Konfliktbehandlung wirkungslos blieben. Gerade ihre Nichtbeachtung lässt sie im Stillen umso wirkungsmächtiger werden. Im Gerichtssaal sind sie – auch wenn sie nicht zur Sprache kommen – gleichwohl sehr gut beobachtbar und wirken wechselbezüglich auf das Handeln und Denken der Beteiligten (Ichzustände als kohärente Systeme aus Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen). 456  Gührs / Nowak 2002, 179; Risto 2003, 119.; zum Zuwendungskonzept der Transaktionsanalyse s. Kap. E. III. 4. 453  Vgl.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements467

sind oder absichtlich eingesetzt werden. Sie ergeben aus der Sicht des Trägers Sinn und sind Zeugnis seiner grundsätzlichen Lösungskompetenz, mögen sie auch seine Lösungen auf längst vergangene Problemsituationen darstellen.457 Korrespondierend damit ist jeder Ausdruck echter Gefühle durch positive Reaktionen und angemessene Herausstellung zu würdigen.458 Soweit eine tragfähige Beziehung zwischen den Medianten und dem Mediator aufgebaut wurde, ist es auch möglich und zuweilen erforderlich, den verborgenen echten Gefühlen nachzugehen und entsprechende Ermutigungen für ein erforderliches Nachspürendes auszusprechen. Dem Mediator wird zumeist nicht viel mehr Raum und Zeit bleiben, als auf den Ersatz- und Stellvertretercharakter hinzuweisen und zu entsprechender Eigenarbeit zu ermutigen. Im Rahmen dessen ist es – je nach Kontext der Mediation – möglich, das Konzept der Ersatzgefühle vorzustellen. Dieses Vorgehen ermöglicht es dem Mediator, die Beteiligten in ihrem Erwachsenen-Ichzustand anzusprechen, Gefühle zu thematisieren459 und so auf eine Atmosphäre konstruktiver Zusammenarbeit und gegenseitigen Verständnisses hinzuwirken. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das hier vorgestellte, transaktionsanalytisch fundierte Konzept von Gefühlen sinnvolle Anwendung in Konfliktgesprächen und Mediationsverfahren finden kann, indem es gleichermaßen zur Diagnose und Intervention eingesetzt wird. Im Folgenden geht es um eine transaktionsanalytische Fundierung der Interaktionen im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2 SGB III, einem Steuerungsinstrument des aktivierenden Staates. 3. Transaktionsanalytisch fundierte Eingliederungsvereinbarungen i. S. d. § 37 Abs. 2 SGB III Im Folgenden soll das Steuerungsinstrument der Eingliederungsvereinbarung i. S. d. § 37 Abs. 2 SGB III exemplarisch für die Möglichkeiten trans457  Etwaige Vorwürfe würden aus dem Kind-Ichzustand oder dem Eltern-Ichzustand des Medianten stammen, so dass der Mediator seine Transaktionen auf den Erwachsenen-Ichzustand zu richten hat, um die Situation zu meistern. Dies kann durch Nachfragen erfolgen oder durch Darstellung der eigenen Erlebnisweise der Situation und sich auf diese Art – samt seiner Gefühle und Gedanken – als Modell anbieten. 458  Schlegel 1995, 326. 459  Mohr 2008, 74 f. weist zu Recht darauf hin, dass ebenso wie ein Gedanke auch ein Gefühl auf seine Lösungsorientierung hin zu überprüfen ist. Deutlich wird daran, dass es sich bei Gedanken und Gefühlen um zwei Seiten derselben Medaille handelt, so dass der Streit darüber, wie zu handeln ist (rational / vernünftig – emotional / gefühlsbetont) lediglich als Machtkampf erscheint.

468

E. Mediation und Transaktionsanalyse

aktionsanalytisch unterstützter Aktivierung staatlicher und gesellschaftlicher Akteure dargestellt werden. Hierbei geht es um „klassische“ transaktionsanalytische Beratungstätigkeit und nicht um eine Implementierung von Mediation als Konfliktmanagementinstrument. Nicht ein transaktionsanalytisch arbeitender Mediator soll das Eingliederungsvereinbarungsgespräch begleiten, sondern der jeweilige Sachbearbeiter fundiert seine Beratungstätigkeit mit transaktionsanalytischen Konzepten. •  § 37  SGB  III Potentialanalyse und Eingliederungsvereinbarung (1)  Die Agentur für Arbeit hat unverzüglich nach der Ausbildungsuchendmeldung oder Arbeitsuchendmeldung zusammen mit dem Ausbildungsuchenden oder Arbeitsuchenden dessen für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persön­ lichen Merkmale, seine beruflichen Fähigkeiten und seine Eignung festzustellen (Potentialanalyse). Die Feststellung erstreckt sich auch darauf, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung erschwert ist. (2) In einer Eingliederungsvereinbarung, die die Agentur für Arbeit zusammen mit dem Ausbildungsuchenden oder Arbeitsuchenden trifft, werden für einen zu bestimmenden Zeitraum festgelegt 1.  das Eingliederungsziel, 2.  die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit, 3.  welche Eigenbemühungen zu seiner beruflichen Eingliederung der Ausbildungsuchende oder Arbeitsuchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er diese nachzuweisen hat, 4. die vorgesehenen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Die besonderen Bedürfnisse behinderter und schwerbehinderter Menschen sollen angemessen berücksichtigt werden. Bei Arbeitslosen, die einen Eingliederungsgutschein nach § 223460 erhalten, soll in der Eingliederungsvereinbarung die Ausgabe des Eingliederungsgutscheins mit einem Arbeitsangebot oder einer Vereinbarung über die 460  § 223 SGB III  (1)  Arbeitnehmer,

Eingliederungsgutschein für ältere Arbeitnehmer die das 50. Lebensjahr vollendet haben, können einen Eingliederungsgutschein über die Gewährung eines Eingliederungszuschusses erhalten, wenn sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mehr als zwölf Monaten haben. Sind sie seit Entstehen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mindestens zwölf Monate beschäftigungslos, haben sie einen Anspruch auf einen Eingliederungsgutschein. (2)  Mit dem Eingliederungsgutschein verpflichtet sich die Agentur für Arbeit, einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber zu leisten, wenn der Arbeitnehmer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnimmt, die Arbeitszeit mindestens 15 Stunden wöchentlich beträgt und das Beschäftigungsverhältnis für mindestens ein Jahr begründet wird. (3) Der Eingliederungszuschuss wird für zwölf Monate geleistet. Die Förderhöhe richtet sich nach den jeweiligen Eingliederungserfordernissen und darf 30 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts nicht unterschreiten und 50 Prozent nicht überschreiten. Für Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf einen Eingliederungsgutschein haben, beträgt die Förderhöhe 50 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements469 notwendigen Eigenbemühungen zur Einlösung des Eingliederungsgutscheins verbunden werden. (3) Dem Ausbildungsuchenden oder Arbeitsuchenden ist eine Ausfertigung der Eingliederungsvereinbarung auszuhändigen. Die Eingliederungsvereinbarung ist sich ändernden Verhältnissen anzupassen; sie ist fortzuschreiben, wenn in dem Zeitraum, für den sie zunächst galt, die Ausbildungsplatzsuche oder Arbeitsuche nicht beendet wurde. Sie ist spätestens nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit, bei arbeitslosen und ausbildungsuchenden Jugendlichen sowie in den Fällen des Absatzes 2 Satz 3 spätestens nach drei Monaten, zu überprüfen. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden.

Das Steuerungsinstrument der Eingliederungsvereinbarung dient dazu, die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur mit den Bemühungen des Arbeitsuchenden in eine gemeinsame und abgestimmte Planung zu bringen, um das beiderseits erwünschte Ziel alsbaldiger Beschäftigungsaufnahme zu erreichen. Ausgehend vom Konzept des aktivierenden Sozialstaates handelt es sich bei den arbeitsförderungsrechtlichen Eingliederungsvereinbarungen um den gesetzgeberischen Versuch, die – insbesondere die Eigenverantwortlichkeit – aktivierenden Effekte von Zielvereinbarungsgesprächen in die vollziehende Arbeitsmarktpolitik zu übernehmen. Aus dem Bereich des privatwirtschaftlichen Personalmanagements ist das Zielvereinbarungsgespräch als modernes Steuerungsinstrument bekannt.461 Dort gilt es als wirksam und hilfreich zur betriebsinternen Personalentwicklung462. Jedoch bestehen nicht nur Verbindungslinien zu Zielvereinbarungsgesprächen, sondern es können zudem weitere Verbindungen und Schnittpunkte zu anderen professionellen Gesprächsführungen und -inhalten ausgemacht werden. Dazu folgende Übersicht: Neben der gemeinsamen Zweckbestimmung von Ziel- und Eingliederungsvereinbarungen bestehen jedoch gravierende strukturelle Unterschiede. So existieren – jedenfalls derzeit – nicht einmal annähernd entsprechende Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen zwischen Führungskräften und „ihren“ Mitarbeitern in der Privatwirtschaft auf der einen Seite und den (4)  Das

berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt und die Auszahlung des Eingliederungszuschusses bestimmen sich nach § 220. (5) Eine Förderung ist ausgeschlossen, wenn 1.  zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um einen Eingliederungszuschuss nach Absatz 2 zu erhalten, oder 2. die Einstellung bei einem früheren Arbeitgeber erfolgt, bei dem der Arbeitnehmer während der letzten zwei Jahre vor Förderungsbeginn mehr als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt war. 461  Mutschler 2008, 335, Rn. 52. 462  Gührs / Nowak 2002, 263.

470

E. Mediation und Transaktionsanalyse Arbeitsförderungsrechtliche Eingliederungsvereinbarungen (aktivierendes) Zielvereinbarungsgespräch Öffentlichrechtlicher Vertrag (str.)

transaktionsanalytisch fundierte Vertragsarbeit

(direktive) Zielvorgabe EingliederungsVereinbarung (EV) Beratungsgespräch Reflexionsund FeedbackGespräch

Quelle: angelehnt an Gührs / Nowak 2002, 264. Abbildung 36: Schnittstellen von Eingliederungsvereinbarungen zu sonstigen Kommunikationsprozessen

Mitarbeitern der Arbeitsagenturen und den Arbeitsuchenden in der Arbeitsförderungspolitik auf der anderen Seite. Mangelnde Aktivierung von Mitarbeitern hat weiter reichende Konsequenzen für die Führungskraft als eine mangelnde Aktivierung von Arbeitsuchenden für die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen. Es erscheint nicht abwegig, dass die von der Führungskraft gestaltete Beziehung zum Mitarbeiter das wesentliche Moment der Aktivierungsarbeit darstellt. Insoweit Eingliederungsvereinbarungen entsprechende Wirkungen entfalten sollen, sind entsprechende Beziehungsstrukturen zu etablieren. Zielvorgaben gehören ebenso wie Eingliederungsvereinbarungen zum Führungsinstrumentarium, jedoch sind diese ein Instrument direktiver Führung. Eingliederungsvereinbarungen sind zwar – wie sogleich näher ausgeführt wird – gesetzlich umhegt und zunehmend durch einzelne Vorgaben inhaltlich ausgerichtet463, jedoch gehört zu ihnen stets ein Spielraum, den 463  Die Tendenz, Eingliederungsvereinbarungen zunehmend inhaltlich auszurichten und gesetzliche Vorgaben zu machen, ist eine Konsequenz juristischer Denk- und Arbeitsweise. Sie dient dazu, Sanktionen (durch Dritte) am Maßstab der Gerechtigkeit erlassen zu können. Vom Gedanken der eigenverantwortlichen Kooperation, der zur Aktivierung führen sollte, wird dadurch Abstand genommen und auf eine recht-



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements471

die konkreten Personen mittels Vereinbarungen ausfüllen können, aber auch auszufüllen haben. Beratungsgespräche ähneln den Eingliederungsvereinbarungen. Oder anders gewendet, für die Aktivierung der Arbeitsuchenden ist eine beraterische Grundhaltung bzgl. Akzeptanz und Partnerschaftlichkeit ebenso förderlich. Der Problemanalyse folgt eine konkrete Planung von Veränderungsschritten.464 Jedoch sucht sich der Arbeitsuchende nicht den beratenden Mitarbeiter der Arbeitsagentur aus und schon gar nicht freiwillig und definiert überdies sein Problem nicht selbstständig. Diese drei Elemente unterscheiden die Eingliederungsvereinbarung von einer Beratung. Soweit man das Konzept der Aktivierung konsequent anwendet, birgt der Kooperationsgedanke und die Förderung einer partnerschaftlichen Beziehungskultur im Rahmen der beratenden Gespräche zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung auch die Möglichkeiten zu einer partnerschaftlichen Feedback-Kultur. Dadurch werden „Kundengespräche“ und „Bürgerkontakt“ nicht zu einer Einbahnstraße, sondern ermöglichen in der Praxis die Professionalisierung des Verwaltungspersonals. Darin dürfte die größte Herausforderung des Aktivierungskonzepts zu sehen sein, wodurch das Ziel von Akzeptanz und Verständnis unmittelbarer Überprüfung zugeführt würde. Dass Eingliederungsvereinbarungen überdies arbeitsförderungsrechtliche Seiten aufweisen und mit Hilfe transaktionsanalytischer, insbesondere vertragsorientierter Konzepte und Methoden gestaltet werden können, wird nunmehr ausführlicher als die bisher genannten Schnittstellen mit profes­ sionellen Gesprächskontexten dargestellt.

liche Konfliktbehandlung (wieder) zurückgegriffen. Das Bundessozialgericht (BSG) hält es – zu Recht – für erforderlich, die Eigenbemühungen in der Eingliederungsvereinbarung konkret niederzulegen, um bei Nichteinhaltung hieran eine rechtliche Sanktion (Kürzung von Geldern) knüpfen zu können. Zwar wird vermutet, dass konkret angedrohte Sanktionen Motivation und Aktivierung zeitigen, jedoch spricht alle, insbesondere aber die juristische Erfahrung, dagegen. Gefragt wird danach, was getan werden kann und muss, wenn die „Vereinbarungen“ nicht eingehalten wurden (Vergangenheit), statt zu fragen, wie Vereinbarungen wirksam gestaltet werden können. Echte Eigenverantwortlichkeit sowie Verbindlichkeit durch Verantwortungsübernahme erfordern wahrlich einen „Kulturwechsel“, der demjenigen entspricht, der in der Konfliktbehandlung von der juristischen zur mediativen Methode erforderlich ist. 464  Vgl. Gührs / Nowak 2002, 267. Auch bei der Beratungsarbeit liegt der Akzent auf der Beobachtung und Analyse der aktuellen Lebenssituation, vgl. Hennig / Pelz 2002, 201.

472

E. Mediation und Transaktionsanalyse

a) Gesetzlicher Rahmen der Eingliederungsvereinbarungen Die nach § 37 Abs. 2 SGB III zwischen dem Arbeit- bzw. dem Ausbildungsuchenden und der Arbeitsagentur zu schließende Eingliederungsvereinbarung ist ein Instrument des aktivierenden Sozialstaates, das die individuelle Sozialverantwortung fördern und fordern soll465. Mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008466, das seit dem 01.01.2009 gilt, wurde auch die rechtliche Umhegung der Eingliederungsvereinbarungen nach dem damaligen § 35 Abs. 4 SGB III umgestaltet. Mit der Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2 SGB III, die zügig nach dem Eintritt der Arbeitslosigkeit abgeschlossen werden soll, wird das Sozialrechtsverhältnis zwischen dem erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen und der Arbeitsagentur konkretisiert467, nicht aber ein neues Rechtsverhältnis begründet.468 In ihr sollen die beiderseitigen künftigen Aktivitäten festgelegt und dokumentiert werden, die geeignet erscheinen, die Arbeitslosigkeit zu beenden. Sie verdeutlicht, dass die Beendigung der Arbeitslosigkeit das gemeinsame Ziel der Beteiligten darstellt.469 So werden in ihr die Bemühungen des erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen festgelegt, sowie die staatlichen Leistungen der Arbeitsagentur, die diese unterstützen sollen.470 Nach § 37 Abs. 3 SGB III ist dem erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen eine Ausfertigung der schriftlichen Eingliederungsvereinbarung auszuhändigen. Satz 2 bestimmt, dass die Vereinbarung veränderten Verhältnissen anzupassen bzw. fortzuschreiben ist, soweit in dem anvisierten Zeitraum die Arbeitslosigkeit kein Ende gefunden hat. War seit der Einführung der Eingliederungsvereinbarung durch das Job­ AQTIV-Gesetz im Jahre 2002 die Rechtsnatur dieses Instituts umstritten471, dürften die Neuregelungen dafür sprechen, dass es sich nach dem gesetzgeberischen Willen um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i. S. d. § 53 Abs. 1 465  Hoffmann

NDV 2002, 91. I 2008, S. 2917. 467  Schoch 2005, Rn. 122; Davilla SGb 2009, 279. 468  BT-Drucksache 14 / 6944, S.  31. 469  Dafür muss die Eingliederungsvereinbarung beiderseits von den produktiven Ichzuständen der Beteiligten getragen sein. Die produktiven Ichzustände sind der (billigende) fürsorgliche Eltern-Ichzustand, der (agierende) Erwachsenen-Ichzustand sowie der (begeisterte) freie Kind-Ichzustand, vgl. dazu Gührs / Nowak 2002, 111. Soweit der kritische Eltern-Ichzustand („Das bringt doch eh nichts!“) oder der angepasste Kind-Ichzustand („Wenn’s sein muss!“, „Das mach’ ich nicht!“, „Ach’, ist mir doch egal!“) die Vereinbarungen schlossen, ist ein Scheitern programmiert. 470  Schoch 2005, Rn. 121. 471  So wurde vertreten, es handle sich lediglich um einseitig, informales Handeln der Verwaltung, da es der Vereinbarung an der Rechtsverbindlichkeit fehle, vgl. Schweiger NZS 2002, 412; Lehmann-Franßen NZS 2005, 520. 466  BGBl



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements473

SGB X handelt. Maßgebend dafür sprechen die gesetzlich vorgegebenen und nicht verhandelbaren Konsequenzen, die bei mangelhaften oder unterlassenen, aber zugesicherten, Eigenbemühungen eintreten. So kann nach § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III für Arbeitslose eine Sperrzeit eintreten und für Nichtleistungsbezieher nach § 38 Abs. 3 S. 2 SGB III die Vermittlung eingestellt wird.472 Zwar begründet die Eingliederungsvereinbarung kein neues (Sozial-)Rechtsverhältnis. Jedoch verwirft das nicht den vertraglichen Charakter, da im Sozialrecht ein öffentlich-rechtlicher Vertrag auch abgeschlossen werden kann, um ein bestehendes Rechtsverhältnis zu konkretisieren.473 Unabhängig vom Rechtscharakter einer Eingliederungsvereinbarung, dient diese dazu, das den aktivierenden Sozialstaat unterstützende Steuerungsparadigma des Neuen Steuerungsmodells umzusetzen. Die beratenden Gespräche sind Ausdruck einer wirkungsorientierten Dienstleistung der Verwaltung für den Arbeitsuchenden und sollen Hilfe zur Selbsthilfe bieten.474 Indem der Bürger als Partner der Sozialverwaltung gesetzlich anerkannt und von seinem Engagement die staatliche Leistungsbereitschaft abhängig gemacht wird, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine neue Art von Verantwortungskooperation zwischen Staat und Bürger geschaffen.475 Insoweit schafft die Norm den nötigen Raum, in dem sich soziale476 Eigenverantwortung entfal472  Dazu

auch Davilla SGb 2009, 279. SGb 2009, 279; a. A. Schweiger NZS 2002, 412, der mangels Begründung eines neuen Rechtsverhältnis irrigerweise davon ausgeht, der Eingliederungsvereinbarung fehle es an einer rechtlichen Verbindlichkeit. Die Rechtsnatur der Eingliederungsvereinbarung für Hilfebedürftige i. S. d. § 15 SGB II war seinerseits von Beginn an (1.1.2005) nahezu unbestritten als öffentlich-rechtlicher Vertrag eingestuft worden, vgl. Berlit 2006, 234, Rn. 8; Lehmann-Franßen KNZS 2005, 519. Maßgebend wurde dabei darauf abgestellt, dass lediglich im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II deren Inhalte auch einseitig per Verwaltungsakt festgesetzt werden konnte. Diese Möglichkeit ist für die erforderlichen Eigenbemühungen i. S. d. § 37 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB III i. R. d. Eingliederungsvereinbarung seit dem 1.1.2009 auch eröffnet worden, was die Annahme eines öffentlich-recht­ lichen Vertragscharakters untermauert. Gleichwohl wird hieraus kein Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung abgeleitet, Winkler info also 2009, 4. 474  Zugrunde liegt der Arbeitsvermittlung ein Prozessmodell, dass sich in die Informationsphase, Betreuungsphase sowie Suchphase gliedert, vgl. Koch / Krug / Stops Sozialer Fortschritt 2009, 243. Die Eingliederungsvereinbarung gehört strukturell zur Betreuungsphase. 475  Zur Verantwortungspartnerschaft in der Sozialverwaltung Pitschas 2004. Zuweilen wird deshalb befürwortet, den Bürger als „Kunden“ zu betiteln, um die gewandelte Einstellung ihm gegenüber zum Ausdruck zu bringen, vgl. Jährling-Rahnefeld VSSR 2003, 294 ff. 476  „Sozial“ ist die Wahrnehmung der individuellen Eigenverantwortlichkeit in Bereichen, in denen Ansprüche gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden, die die Selbst- bzw. Eigenhilfe stärken, weil jene durch diese sodann entlastet wird. 473  Davilla

474

E. Mediation und Transaktionsanalyse

ten kann. Die Kooperationsbereitschaft des aktivierenden Sozialstaates stützt sich auf die individuelle Eigenverantwortung des hilfsbedürftigen Privaten, die er zu aktivieren beabsichtigt, um letztlich seinem sozialstaatlichen Auftrag gerecht zu werden. Instrumentell sind konsequenterweise individuelle Beratung und vertragliche Verfahrensweisen maßgebend und durch § 37 Abs. 2 SGB III zumindest gesetzlich ermöglicht worden, wenn auch praktisch noch nicht umgesetzt.477 Durch die Umsetzung und im Vollzug kann sich jedoch staatliche Hilfe zur Selbsthilfe entwickeln und entfalten.478 § 37 Abs. 2 SGB III normiert zwar den Kooperationsgedanken des aktivierenden Sozialstaates, schafft aber selbst noch keine Kooperation zwischen den Beteiligten. Die Norm eröffnet den Weg zu kooperativem Umgang, gestaltet ihn aber inhaltlich nicht aus bzw. kann ihn für die konkreten Beteiligten nicht determinieren. Recht – oder genauer: Gesetz – kann Kooperation demnach zwar ermöglichen, aber nicht direkt bewirken. § 37 Abs. 2 SGB schafft die – in einem Rechtsstaat – erforderliche Bedingung der gesetzlichen Erlaubnis, indem er (klarstellend) entsprechende Kooperationsversuche nicht für rechtswidrig erklärt, sondern ausdrücklich zulässt und einfordert.479 Andererseits gilt es klarzustellen, dass daran anschließende Kooperationsprozesse keineswegs Rechts- und Verwaltungsentscheidungen unterbinden oder deren Bestandskraft schmälern.480 Insoweit wäre es ein Trugschluss zu glauben, dass kooperative Vorgehensweisen des Staates mangelhafte Klarheit und Verbindlichkeit bedeuten würden. Vielmehr schaffen sie in eigenverantwort­ lichen Kommunikationsprozessen Klarheit und Verbindlichkeit. Kommt es tatsächlich zur Eingliederungsvereinbarung zwischen dem privat handelnden Bürger und der hoheitlichen Sozialverwaltung, lässt sich Daraus ergibt sich umgekehrt, dass derjenige unsozial bzw. unsolidarisch handelt, der „unter schrankenloser Ausnutzung der öffentlichen Hilfsbereitschaft die soziale Eigenverantwortung und ihre Betätigung durch individuelle Risikovorsorge vernachlässigt“, Pitschas 2004, 766. Spiegelbildlich dazu gilt, dass das gemeinwohlorientierte Verwaltungshandeln keineswegs die Kundenorientierung und -freundlichkeit ausschließt, dazu m. w. N. Jährling-Rahnefeld VSSR 2003, 294 ff. 477  Vgl. auch Hoffmann NDV 2002, 91. 478  Wie allerdings tatsächlich die Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen werden, ist empirisch wenig belegt, Davilla SGb 2009, 279. Jedoch ist zu vermuten, dass die Beteiligten Kooperation und Gemeinschaftlichkeit weder pflegen noch verspüren. Dafür spricht insbesondere die gesetzgeberische Entwicklung seit 2002, die mit der Novellierung am 1.1.2009 den Rahmen noch enger steckte. 479  Die binäre Codierung des Rechts vermag zwar Kooperation gesetzlich erlauben. Sie kann sie aber nicht vorschreiben oder gar inhaltlich determinieren. Schließlich läuft der Gesetzgeber, indem er Kooperation gesetzlich einfordert, Gefahr, die Beteiligten in paradoxer Weise zur eigenverantwortlichen Kooperation aufzufordern. Derart paradoxe Aufforderungen führen niemals zu den gewünschten Ergebnissen. Eigenverantwortlich sein sollen, ist unmöglich. 480  Ähnlich Pitschas 2004, 780.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements475

davon sprechen, dass der Bürger zum (kooperierenden) Koproduzenten staatlicher Leistungserbringung481 wurde. Mit einem dichotomischen Verständnis von Staat und Gesellschaft wird zwar deutlich, dass die staatliche Leistung nicht ohne direkte Mitwirkung mit dem privaten Bürger zustande kommen konnte. Allerdings erschöpft sich der Sinn und Zweck der Idee einer aktivierenden Eingliederungsvereinbarung nicht in dem mehr oder weniger ausgehandelten Abschluss der Vereinbarung. Der Sinn der Vereinbarung erschöpft sich auch nicht darin, etwaige Verstöße dagegen justiziabel werden zu lassen. Das entspricht einem überkommenen Rechtsverständnis und zeigt sich in der gesetzlichen Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008. Die Potentiale jedoch liegen in der Schaffung eines kooperativen StaatBürger-Verhältnisses, die weniger vorhersehbar sind und eine Ergebnisoffenheit des Verwaltungshandelns abverlangen.482 Das ist diesem freilich fremd und fordert letztlich – ganz auf der Linie des aktivierenden Staates – eine veränderte „Philosophie des Verwaltungshandelns im Gefolge des Wandels der Staatlichkeit“483. So wie fordernde Ansagen eine Anhörung nicht zu einem Kooperationsprozess werden lassen, hinterlassen vertragsähnliche Absprachen lediglich den Beigeschmack einer Alibiveranstaltung. Wer vom Bürger verlangt, aktiv zu werden, hat das Problem schon mal erkannt, nur noch nicht als eigenes. Eingliederungsvereinbarungen können wirksame Instrumente zur Aktivierung werden, wenn und soweit der individuelle Bürger als Ausgangs- und Bezugspunkt eines individuell orientierten Verwaltungshandelns wird. Keineswegs ist damit gewährleistet, dass jeder Arbeitsuchende durch die Eingliederungsvereinbarung wieder eine Beschäftigung findet. Jedoch scheint eine entsprechend gewandelte Vorgehensweise die jeweiligen Verantwortlichkeiten kooperativ wahrnehmbar werden zu lassen. Oder anders angeknüpft, es geht nicht darum, dass die Gemeinschaft, der Staat, die Arbeitsverwaltung die Last des Arbeitslosen trage, sondern im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung einen Raum schafft, damit dieser durch eine professionalisierte Beratungshilfe484 und sonstige Unterstützungsleistungen mit der Last umzugehen lernt und sie eigenständig, aber nicht allein schultern kann. In einer solchen tatsächlichen Kooperation können sowohl der Staat als auch der Arbeitsuchende ihren jeweiligen Sinn 481  Pitschas

2004, 768 f. zum Wandel des Bürgers vom „Befehlsempfänger“ hin zum „Gesprächspartner“ Voßkuhle 2000, 365 ff. 483  Pitschas 2002, 228. So wurde im Zuge der arbeitsförderungsrechtlichen Aktivierungsgesetze die gesamte Organisation der Arbeitsvermittlung umgestellt, vgl. dazu knapp Koch / Krug / Stops Sozialer Fortschritt 2009, 244 f. 484  Zur Professionalität der Arbeitsvermittler Koch / Krug / Stops Sozialer Fortschritt 2009, 245. 482  Allgemein

476

E. Mediation und Transaktionsanalyse

in diesem sodann mitunter aktivierenden Institut finden und erleben. Mit einem rein dichotomischen Verständnis von Staat und Gesellschaft, das sich letztlich aus Misstrauen speist, ist das Instrument weder adäquat beschreibbar noch praktisch aktivierend.485 Entscheidend ist danach die konkrete Anwendung des Steuerungsinstruments, nicht die Tatsache seiner Existenz. Deshalb plädiert das Konzept des aktivierenden Staates auf ein gewandeltes Vorgehen der Arbeitsverwaltung innerhalb des gesetzlich beschreibbaren Verwaltungsverfahrens. Verwaltungspartnerschaftliche Arbeitsweise fördert und fordert auch von der Exekutive ein gewandeltes Verständnis, eine andere Philosophie sowie darauf abgestimmte Instrumentarien, die ihrer Philosophie entsprechend angewandt werden, um tatsächlich zu Kooperationsprozessen einzuladen.486 Das zielt in der Sache auf den Übergang vom ­hierarchisch-organisierten Verwalten hin zu einem emanzipierten und insoweit eigenverantwortlichen Gestalten durch die staatliche Verwaltung.487 Maßgebend wird für die Verwaltung neben der Gesetzmäßigkeit ihres Handelns die tatsächliche Wirkungsweise ihrer Tätigkeiten, was zuvorderst eine wirkungsorientierte Sichtweise und damit vor allem „Mut“ verlangt. „Dienst nach Vorschriften“, die tatsächlich weder die Verwaltungspartnerschaft noch die personenbezogenen Dienstleistungen der Arbeitsagentur determinieren bzw. antizipieren können, ist unmöglich. Damit korrespondiert freilich eine Handlungsoffenheit der Exekutive, die sich einer justiziellen Kontrolle naturgemäß entzieht488, obgleich der Rechtsweg für den nach „recht / unrecht“ binär codierten Bereich offen steht. Konsequenterweise gilt es deshalb zu klären, wie eine Eingliederungsvereinbarung zustande kommen kann. Es bedarf innerhalb der Verwaltung eines 485  Der juristische Standpunkt, der lediglich die juristische Sicht und Erfahrung erfassen kann, stößt hier auf die gleichen Schwierigkeiten, wie die Erfassung der (potentiellen und gewünschten) Mediationsdynamik im Hinblick auf ein individuelles Konfliktmanagement. Oder anders gewendet, Mediation dient ebenso der Aktivierung der Konfliktbeteiligten, die nicht (mehr) von einem Dritten bloß angehört und sodann gerichtet werden wollen. 486  Deshalb ist Schweiger NZS 2002, 412 nicht darin zuzustimmen, dass in der Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2 SGB III ein „untaugliches Kooperationsangebot“ vorliegt, das die „Bezeichnung Vereinbarung nicht verdient“. Das wird letztlich von der Handhabung bestimmt, was auch Schweiger NZS 2002, 415 anerkennt, wenn diese auch zugegebenermaßen durch die gesetzliche Neuausrichtung vom 21.12.2008 erschwert wurde. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass dem Arbeitsuchenden keine Verhandlungsposition zukommt. „Passivität“ ist ein machtvolles Instrument in Verhandlungen, das zudem durch den beschreitbaren Gerichtsweg flankiert wird. Sich mit der Arbeitsverwaltung um Recht und Ansprüche zu streiten, ändert jedenfalls nichts am Zustand der Arbeitslosigkeit. 487  Pitschas 2002; ders. 2004, 772; Jährling-Rahnefeld VSSR 2003, 297, 300 ff.; Meurer, DAngVers 1999, 110. 488  Zum Ganzen einführend Pitschas 2002, 231 ff.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements477

an den Leitbildern des aktivierenden Staates ausgerichteten und dieses belebenden Kontaktpersonals, das von entsprechendem Führungspersonal angeleitet und unterstützt wird. Personalentwicklung ist vermutlich der bedeutsamste Ansatzpunkt, um das – am Leitbild des aktivierenden Staates orientierte – Verwaltungshandeln in den Formen der Verwaltungspartnerschaft zu realisieren.489 Das wird vor allem vor dem Hintergrund deutlich, dass Verwaltungspartnerschaft einerseits eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglicht, wodurch die Kommunikationsbedürfnisse sich wandeln und somit die Kommunikationsstrukturen ändern. Zudem kommt andererseits und praktisch noch viel wichtiger, dass verwaltungspartnerschaftlicher Umgang gesetzesumhegt ist, also die staatlichen Gesetze den Anlass und den Rahmen der zwischenmenschlichen und rollenbezogenen Begegnung darstellen, nicht aber zwischen den Beteiligten stehen und die weitere Vorgehensweise vorgeben. Darauf muss das Verwaltungspersonal eingestellt sein und gewappnet. Verwaltungspartnerschaft ist originärer Dialog, für den beide Seiten Verantwortung tragen, so dass der Staat zunächst sein Personal zu aktivieren hat, woraus sich bestenfalls eine Aktivierung des Partners ergeben kann. Fremdaktivierung funktioniert, wenn überhaupt, über Eigenaktivierung. Wie vermag die Transaktionsanalyse hierbei den Behördenmitarbeitern Unterstützung liefern? Neben unterschiedlichen persönlichkeitsbezogenen Konzepten, die die erforderliche Grundeinstellung gegenüber dem Kunden der Verwaltung und Selbstreflexionen ermöglichen und vermitteln können, sind es vor allem ihre Kommunikationskonzepte, die in der Lage sind, das Kontaktpersonal auf die Gesprächssituation vorzubereiten. Im Folgenden soll deshalb die Wirkungsweise transaktionsanalytischer Konzeptualisierung von Gesprächssituationen mit Blick auf Eingliederungsvereinbarungsgespräche aufgezeigt werden. b) Transaktionsanalytisch fundierte Gestaltung des Kommunikationsprozesses von Eingliederungsvereinbarungen Transaktionsanalytische Konzepte bieten für Beratungs- und Verhandlungsgespräche nicht nur unterschiedliche Diagnosekonzepte, mittels derer auf Seiten des Beraters Verständnis und Hypothesen ausgebildet werden. Sie 489  Eindringlich Wolf / Draf 1999, 179, 293 ff.; vgl. auch Klimecki 1998; Klages 1998; Pitschas BayVBl 2000, 102 („… einen verhaltensbezogenen Ansatz wählen, der den partnerschaftlichen Umgang mit dem Bürger als ‚Kunden‘ in der Entwicklung des Selbstverständnisses der Mitarbeiter ebenso verankert wie die Bereitschaft, den Bürger nicht nur als ‚Kunden‘, sondern auch als ‚citoyen‘ zu aktzeptieren.“); Pitschas 2002, 257 („Institutionalisierung von Subjektivität in der öffentlichen Verwaltung unverzichtbar“), dazu auch Bruns / Ridder 2005; Reichard 2005; am Beispiel eines Bürgeramtes Räder 1996, 220, 228.

478

E. Mediation und Transaktionsanalyse

bieten auch Interventionsinstrumente und Methoden zur Prozessgestaltung an. Insbesondere transaktionsanalytische Vertragsarbeit bietet Leit- und ­Orientierungsmöglichkeiten, um den Beratungsprozess professionell gestalten zu können. Zusätzlich zur vertragsorientierten Gesprächs- und Beratungsführung, lässt sich das positive Gegenstück zur transaktionsanalytischen Abwertungstabelle heranziehen, um inhaltlich nach der Diagnose der Abwertungen zu einer konstruktiven Problemlösung ohne Abwertungen zu kommen. aa) Ausgangspunkte Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass der Beratungscharakter des Gesprächs im Vordergrund steht, das letztlich zu einer für beide Seiten stimmigen Vereinbarung führen soll. Stimmig ist eine Vereinbarung, wenn sich die produktiven Anteile der Ichzustände in ihr wieder finden können und damit der freie Kind-Ichzustand, der fürsorgliche Eltern-Ichzustand sowie der Erwachsenen-Ichzustand bei der Umsetzung aktiviert werden wird.490 Denn lediglich in diesem Falle ist gewährleistet, dass sich die Person eigenverantwortlich dafür einsetzen wird, das sie die Vereinbarung einhält. Jedoch ist es für Beratungssituationen keineswegs untypisch, dass sich der Ratsuchende – verdeckt oder offen – strukturell im Kind-Ichzustand befindet und seine Transaktionen funktional aus dem angepassten Kind-Ichzustand organisiert.491 Ob er – angesichts des verpflichtenden Gesprächsanlasses verständlicherweise – rebellisch, fügsam oder zurückgezogen den kritischen bzw. fürsorglichen Eltern-Ichzustand der Beratungsperson reizt, ist dabei letztlich zweitrangig. Die folgende Abbildung skizziert die beschriebene Ausgangssituation einer Pflichtberatung. Da eine sinnvolle Vereinbarung, die unterstützt, motiviert und insgesamt den Arbeitsuchenden aktiviert, nicht zustande kommen kann, soweit dieser funktional aus dem angepassten Kind-Ichzustand agiert, kommt es darauf an, dass die Beratungsperson selbst im Erwachsenen-Ichzustand bleibt und diesen beim Arbeitsuchenden zu aktivieren versucht. Voraussetzung dafür 490  Vgl.

Gührs / Nowak 2002, 111 ff. Moment wird auch in der juristischen Literatur zur Eingliederungsvereinbarung nicht verkannt, vgl. etwa Ebsen 2004, 736 f., wenn auch im Endeffekt und je nach Geschmack schier unverrückbare Konsequenzen abgeleitet werden, die letztlich zu einer „Selbsterfüllenden Prophezeiung“ führen können. Wenn gemeint wird, dass der Arbeitsuchende im Eingliederungsgespräch zu einer realistischen Einschätzung kommen soll und seine Eigenverantwortlichkeit aktivieren und nutzen soll, würde sich der befehlende Case Manager in unauflösbare Paradoxien verstricken, die eine Lösung sein wollen, tatsächlich aber das Problem sind, vgl. dazu Watzlawick / Weakland / Fisch 1992, 84 ff. 491  Dieses



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements479 A

B

A (rebellisches K): „Von Ihnen lass’ ich mir gar nichts vorschreiben!“ oder A (fügsames K): „Ich tue, was Sie mir sagen („aber es wird nicht funktionieren …)“ oder A (zurückgezogenes K): „Sie können mir auch nicht helfen …“ Hinweis: Die Darstellung des KindIchzustands orientiert sich an der Konzeption von Oller-Vallejo ZTA 1987.

Abbildung 37: Ausgangspositionen eines Eingliederungsvereinbarungsgespräches

ist, dass die Beratungsperson die kooperative Grundeinstellung einnimmt und beibehält. Die Aktivierung des Arbeitsuchenden beginnt, wenn überhaupt, mit einer Selbstaktivierung.492 bb) Grundeinstellung des Gesprächsführers Das Ziel des aktivierenden Staates, gesellschaftliche und individuelle Kräfte zu aktivieren, birgt im Bereich des Sozial- und Arbeitslosenförderungsrechts die Gefahr, dass die personenbezogenen Dienstleistungen (Beratungsgespräche) und das Kontraktmanagement (Eingliederungsvereinbarungen) lediglich die alten (Beziehungs-)Strukturen zwischen Verwaltung und Bürger in „neue“ sprachliche Formen bringen. Lediglich die irrige Verurteilung, das Problem läge beim (jeweils) anderen und sei durch ihn verursacht worden, würde verfestigt werden. Grundlegend für das Gelingen der Aktivierung sind die – gesetzlich nicht zu verordnenden – Grundeinstellungen der beteiligten Personen. Soweit jedoch ein neuer Paternalismus im Wege des Kontraktmanagements oder sonstiger Steuerungsinstrumente des Neuen Steuerungsmodells institutionalisiert wird, aktiviert der Staat keineswegs. Aus dem angloamerikanischen Raum sind jedoch Tendenzen eines „new paternalism“ oder „life politics“ vernehmbar.493 Sie bevorzugen Betreuungsformen, die strenge Beaufsichtigungen mit Maßnahmen kombinieren, durch die arbeitslose Hilfsbedürftige vor allem gedrängt werden, einen 492  Es zeigt sich, dass die konkreten Personen letztlich entscheidend sind, wie das Instrument der Eingliederungsvereinbarung wirkt. Mag auch die Ausgangsposition durchaus problematisch erscheinen, so ist sie weder untypisch, noch unveränderlich. 493  Dazu und zum Folgenden Wohlfahrt NDV 2001, 84; Dahme / Wohlfahrt TuP 2001, 12 ff.

480

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Arbeitsplatz zu finden. Methodische Ansatzpunkte sind dabei die „Förderung“ von Disziplin und Anpassung der Hilfsbedürftigen, so dass die Betreuung insbesondere durch Überwachung und Kontrolle strenger Vorgaben erfolgt. Der paternalistischen Helferstrategie, von Hilfebeziehern neue Verhaltensweisen zu fordern, die vermutlich für Dritte Arbeitsbereitschaft signalisieren („Sei pünktlich!“, „Kleide Dich ordentlich!“, „Putze Dich …, deine Zähne …, deine Fingernägel … etc.“), liegt nicht nur die irrige Annahme zugrunde, dass deren Abwesenheit für die prekäre Situation verantwortlich ist, obwohl das auch sein kann. Entscheidend jedoch ist, dass dadurch nicht Ordnung und Motivation gelehrt wird, sondern Anpassung.494 Eine aus gesellschaftlichen Engpässen heraus rigoros paternalistische „Politik der Lebensführung“495 führt in der Formulierung und Umsetzung des Arbeitsförderungsrechts keineswegs zur Aktivierung mündiger Bürger, sondern hält die Personen vielmehr im sturkturellen Kind-Ichzustand fest. Eine solche Politik führt als Lösung für die diagnostizierten Probleme der „Arbeitslosigkeit“ oder der „Hilfebedürftigkeit“ keineswegs zur Lösung, sondern verfestigt diese paradoxerweise.496 Hilfebedürftige Erwachsene „bewusst wie Kinder“497 zu behandeln, manifestieren das (Vor-)Urteil, Verantwortung und Schuld seien auch dort zu finden.498 Das Konzept des aktivierenden Staates wird lediglich dann den erstrebten Erfolg haben, wenn es auf einer gewandelten Einstellung der – dieses Konzept umsetzenden – Beteiligten basiert. Konkret für die Gespräche und Verhandlungen zur Eingliederungsvereinbarung ist festgestellt worden, dass „das ‚Wie‘ der zu führenden Gespräche […] durch Menschen- und Weltbilder geformt wird, die die Mitarbeiter individuell in Abhängigkeit von ihrem subjektiven Erfahrungshintergrund 494  Dass derjenige, der Ordnung predigt, nicht Ordnung lehrt, sondern Predigen, wird deutlich, sobald der Bepredigte in eine Situation gelangt, die ihm Untergebene beschert. Aus der Familienpsychologie ist dieser Umstand längst bekannt. Das erste, was Kinder machen, sobald sie „erwachsen“ sind, ist, ihre Eltern wie Kinder zu behandeln. Als „fragwürdige Kunst des Beibringens“ erkennt und behandelt diese Problematik allgemein für die Mediation Perschel 2002, 261; Zum konstruktivistischen bzw. systemischen Zugang zu derlei Fragen der Pädagogik Maturana / Pörksen 2002, 134 ff. 495  Wohlfahrt NDV 2001, 85. 496  Dass diese Lösung selbst das Problem verfestigt, rührt einerseits aus einer „schrecklichen Vereinfachung“ her, wie sie Watzlawick / Weakland / Fisch 1992, 60 ff., formulierten, als auch aus der Tatsache, dass sie eine „mehr derselben“-Lösung darstellt (S. 51 ff.). 497  Zu Recht kritisierend Wohlfahrt NDV 2001, 85 mit Nachweisen. 498  Konstruktivistisch ließe sich ergänzen, dass Verantwortung und Schuld tatsächlich dort gefunden werden, weil sie dort (von dem Beobachter samt seiner Wirklichkeitskonstruktionen) gesucht wurden.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements481

entwickeln“499. Zur Aktivierung der Arbeitsuchenden ist es deshalb nach hier vertretener Ansicht ein hilfreiches Moment, die konkreten Arbeitsvermittler in ihrer Beratungstätigkeit zu schulen und sie in diesen grundlegend gewandelten Aufgaben zu unterstützen. Staatliche Bemühungen zur Arbeitsvermittlung sollten genau hier, also beim Arbeitsvermittler, ansetzen. Aktivierungsbemühungen sind Ausgangspunkte nicht nur für organisationale Umstrukturierungen und Verwaltungsreformen, sondern für eine Personalentwicklung, die die kommunikativen und sozialen Anforderungen der Mitarbeiter in das Zentrum rückt. Transaktionsanalytisch lassen sich die Anforderungen mit Hilfe der Grundeinstellungen500 konzeptualisieren. Beratungsgespräche und Verhandlungen zur Eingliederungsvereinbarung sind mit einer „Ich bin o.k., du bist o.k.-realistisch“-Grundeinstellung zu führen, obschon die Ausgangssituation und praktische Erfahrungen sicher oftmals dazu verleiten, eine der übrigen Grundeinstellungen einzunehmen. Die (+  /  +-realistisch)-Grundeinstellung einzunehmen und beizubehalten bedeutet jedoch keineswegs, dass alle Verhaltensweisen des arbeitsfähigen Hilfsbedürftigen gebilligt und gefördert werden müssten. Vielmehr geht es darum, dass die konkrete Person als solche akzeptiert wird und sich aller fixierender oder etikettierender Urteile enthalten wird501. Das erfordert vor allem, dass der arbeitssuchenden Person in ihrer subjektiv erlebten Situation geholfen wird, die sich von der Wahrnehmung des Arbeitsvermittlers unterscheiden mag.502 Soweit die konstruktive Grundeinstellung aktiviert ist, ist eine personenbezogene Dienstleistung möglich und eine aktivierende Eingliederungsvereinbarung gestaltbar. Vom staatlichen Aktivierungskonzept betrachtet, ist erste Voraussetzung nicht der Mitwirkungs- und Unterzeichnungswille des Arbeitsuchenden, sondern die konstruktive Grundhaltung auf staatlicher Seite. Oder anders formuliert: die Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte beginnt mit der Aktivierung staatlicher Mitarbeiter, indem auch sie auf den organisationalen „Kulturwandel“ vorbereitet und unterstützt werden und sich darauf einstellen können.503 499  Behrend / Ludwig-Mayerhofer / Sondermann / Hirseland

IAB-Kurzbericht 21 / 08, 3. Kap. D. III. 2. a). 501  Vgl. etwa bei Behrend / Ludwig-Mayerhofer / Sondermann / Hirseland IABKurzbericht 21 / 08, 3  ff. 502  Es bedarf hier nur eines knappen Hinweises, dass die derzeitigen Verhältniszahlen zwischen Verwaltungspersonal und Hilfesuchenden einer konstruktiven Grundeinstellung wenig förderlich sind und – wie unter D. III. 2. a) ausgeführt – dazu führen, diese Grundeinstellung situativ „zu verlassen“. 503  Beispielsweise ist eine erfolgreiche Arbeitsvermittlung nicht nur von der Quantität, sondern vor allem von der Qualität und Professionalisierung der Arbeitsvermittler abhängig. Das belegen mehrere Modellprojekte, vgl. Schiel / Schröder / Gilberg / Kruppe IAB-Kurzbericht 21 / 08. 500  Dazu

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Für die konkrete Durchführung dieser Dienstleistung und einer entsprechenden Diagnose der Situation und ihrer Ursachen des Hilfebedürftigen weist die Transaktionsanalyse mit dem Konzept der Passivität ein leicht zu handhabendes Instrument auf, das im Folgenden dargestellt wird. cc) Das Passivitätskonzept Das Passivitätskonzept der Transaktionsanalyse eignet sich sowohl als Analyse- bzw. Diagnoseinstrument, wie auch als Interventionsinstrument. Es kann mithin vom Arbeitsvermittler (oder einem sonstigen Berater) als „Schema im Hinterkopf“ „angewendet“ werden, um Antworten einordnen zu können und Fragen zu planen oder als Schema in die Transaktion gebracht werden, anhand dessen beide Gesprächsteilnehmer die Problematik thematisieren. Das hängt vor allem von der Intensität der Beziehungsebene zwischen den Gesprächsteilnehmern ab, aber auch von deren Strukturierungsvermögen. (1) Das Passivitätskonzept als Diagnoseinstrument Passivität ist nach Ansicht der Cathexis-Schule504 eine wesentliche Ursache für die Entstehung und Beibehaltung von problematischen und konfliktträchtigen Situationen. Das Konzept der Passivität beschreibt, wie Menschen es anstellen, ein anstehendes Problem nicht zu lösen. Passivität beschreibt und erfasst innere Vorgänge und daraus resultierendes Handeln, das anlässlich eines Problems erfolgt, aber nicht problemlösend wirkt. Zu unterscheiden sind passives Denken (Abwerten bzw. engl. Discounten) von passiven Verhaltensweisen.505 Passives Denken steht im Dienste der Stabilisierung des kognitiven Bezugsrahmens. Es hält den Glauben aufrecht, das eigene Problem löse sich entweder durch andere oder die Zeit allgemein. Passives Verhalten provoziert andere, sich problemlösend zu verhalten, so dass eine symbiotische Beziehungsgestaltung (unbewusst) erstrebt wird.506 504  Dazu

Kap. D I.

505  Redefinierende

Transaktionen sind passivitätsfördernde Transaktionen, vgl. Kap. D. IV. 2.a). 506  Das transaktionsanalytische Konzept der Symbiose ist eng mit dem der Passivität verknüpft. Symbiose bedeutet in der transaktionsanalytischen Diktion, dass zwei oder mehr Menschen sich so verhalten, als bildeten sie zusammen eine einzige Person, vgl. Stewart / Joines 2008, 280; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 211 ff. Einzeln können die Beteiligten nicht auf alle Ichzustände zurückgreifen bzw. vermögen nicht, jeden denkbaren Ichzustand zu aktivieren. Zum Beispiel wird Herr X, der nach einer schweren Operation aus der Narkose erwacht, noch nicht sein Erwachsenen-Ich- bzw. seinen Eltern-Ichzustand aktivieren können, weshalb diese Ichzustände



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements483

(a) Passives Denken (Abwerten) Passives Denken stabilisiert den Bezugsrahmen. Der Bezugsrahmen wird – gleich dem Lebensskript – in der Kindheit entwickelt. Er beschreibt umfassend die individuellen Wahrnehmungsmuster, Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen, wie in der Welt agiert und auf die anderen reagiert wird. Umstritten ist innerhalb der Transaktionsanalyse, ob problematische Inhalte des Bezugsrahmens stets Skriptinhalte sind, so dass das Skript letztlich einen Teil des Bezugsrahmens darstellt507 oder ob es problematische Inhalte des Bezugsrahmens gibt, die nicht zum Lebensskript gehören508. Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, wie die Inhalte des Lebensskriptes zustande kommen und ob es problematische Lerneffekte gibt, die jenseits der Skript­ entscheidungen eintreten. Die Frage bedarf hier keiner abschließenden Beantwortung, da der problemlösungsvermeidende Charakter von passivem Denken und Verhalten unbestritten bleibt. Aus der Sicht des Individuums gilt, dass das aktuelle Problem nicht um den Preis der Infragestellung und Neuformulierung des Bezugsrahmens (bzw. der Änderung des Lebensskriptes) behandelt und gelöst wird. Schon die Infragestellung des Bezugsrahmens durch äußere oder innere Reize wirkt sich massiv auf das psychische und physische Wohlbefinden aus, so dass sie als Bedrohung wahrgenommen wird.509 Unterschiedliche psychische und physische Reaktionen werden zur Verteidigung des bekannten und insoweit bewährten Bezugsrahmens aktiviert.510 So werden Situationen und Personen gemieden, die den Bezugsrahmen infrage stellen oder es werden nur diejenigen Teile wahrgenommen, die für die Existenz des Bezugsrahvom Betreuungspersonal übernommen werden. Eine ebenso „gesunde Symbiose“ herrscht zwischen Mutter und Säugling / Kleinstkind, in der die Mutter die Erwachsenen-Ichzustands- und Eltern-Ichzustandsfunktionen übernimmt und – zumindest für die Zeit des Umgangs mit ihrem Kind – ihre Kind-Ichzustandsbedürfnisse zurückstellt, vgl. dazu Stewart / Joines 2008, 286 ff. Daneben gibt es auch „ungesunde Symbiosen“, in denen – trotz der realen Möglichkeit, selbst alle Ichzustände aktivieren zu können – lediglich diejenigen besetzt und energetisiert werden, denen sich der jeweilige Partner nicht bedient. Die Nichtbedienung eigener möglicher und für die Problemlösung und Lebensgestaltung erforderlicher Ichzustände ist Folge einer „Abwertung“ und damit passiven Denkens und Verhaltens. 507  So Mellor / Schiff NTA 1977, 133; Stewart / Joines 2008, 275; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 15. 508  Vgl. Hennig / Pelz 2002, 193. 509  Beispielsweise sind psychosomatische Beschwerden im Rahmen eines „Kulturschocks“ Reaktionen der Infragestellung des eigenen Bezugsrahmens. Das eigene Erleben völlig fremder Lebensweisen führt zu ganz indivduellen Abwehr- und Verteidigungsreaktionen, Hennig / Pelz 2002, 193. 510  Hennig / Pelz 2002, 193.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

mens keine Gefahr darstellen. Derartige Wahrnehmungsmängel, die zu regelrechten Denkstörungen führen können, aber keineswegs ausschließlich dramatische Folgen haben, bezeichnet die Transaktionsanalyse als „Abwertungen“ oder „Discounts“.511 Die Arten abwertenden Denkens können in einer „Abwertungstabelle“ dargestellt werden. Diese Abwertungstabelle dient in der Gesprächsführung sowohl als Diagnoseinstrument als auch zur Planung und Strukturierung des weiteren Gesprächsverlaufs.512 Indem die Tabelle die einzelnen Abwertungen (häufig durch tangentiale Transaktionen513) indexiert, wird ermöglicht, eine Gesprächsführung aufzubauen, in der zunächst die massivste Abwertung besprochen wird.514 Abgewertet werden stets problematische, d. h. bezugsrahmengefährdende Aspekte der Realität. Das kann auf vier Stufen erfolgen und betrifft entweder den Reiz als solchen, das daraus resultierende Problem oder die möglichen Alternativen. Diese typisierten Abwertungsstufen (AS) können sich zudem auf unterschiedliche Bereiche, namentlich die eigene Person, die anderen oder die Welt im allgemeinen, beziehen.515 Die massivste der vier Formen der Abwertung betrifft die Existenz des Problems, die schlichtweg geleugnet wird. Auf der zweiten Stufe wird die Bedeutung des Problems heruntergespielt, auf der dritten die generelle Unvermeidbarkeit bzw. Unveränderlichkeit angenommen oder zumindest – auf der vierten Stufe – wird davon ausgegangen, dass lediglich Andere die Problemlage verändern können. Abwertungen jedweder Stufe sind nicht unbedingt Randerscheinungen in Problem- und Konflikt- oder Beratungsgesprächen. Sie können nahezu in jeder Situation auftreten und den oberflächlichen Sinn völlig unterminieren. Abwertungen zeigen sich im Übersehen, Vergessen und Herunterspielen von Tatsachen. Bestimmte Dinge werden nicht wichtig genommen, bagatellisiert, bestritten oder geleugnet.516 Bedeutsam ist, dass Abwertungen keineswegs absichtlich erfolgen. Sie sichern den aktuellen Bezugsrahmen auf einer unbewussten Ebene, weshalb alle Problemlösungsbemühungen vergebens sind. Das Beratungs- oder Verhandlungsgespräch lässt sich daher entlang der Abwertungsdiagonalen aufbauen, die zur Kernabwertung vordringen lassen. Denn ist es wenig sinnvoll, mit jemanden über Lösungsmöglichkeiten zu 511  Hennig / Pelz 2002, 193; „Discount“ = engl. für Reduzierung, Herabsetzung, Verbilligung. 512  Hennig / Pelz 2002, 194. 513  Vgl. Kap. D. IV. 2. a). 514  Hennig / Pelz 2002, 194. 515  s. dazu die Abbildung unter Kap. E. III. 3. d). („gedrehte Abwertungstabelle“ nach Schulze ZTA 2005). 516  Ebenso Gührs / Nowak 2002, 182.

AS4 Abwertung der allg. Lösbarkeit des Problems AS5 Abwertung eigener Fähigkeiten, das Problem zu lösen

AS3 Abwertung der allg. Veränderbarkeit des Reizes AS4 Abwertung eigener Fähigkeiten, anders zu reagieren

Allgemeine Veränderbarkeit („Scheuklappen“)

Persönliche Lösungsfähigkeit („Hinkebein“)

Abbildung 38: Die allgemeine Abwertungstabelle

AS6 Abwertung eigener Fähigkeiten, eine Alternative umzusetzen

AS5 Abwertung der Auswahl tragfähiger Alternativen

AS4 Abwertung der Bedeutung von Alternativen

AS3 Abwertung der Bedeutung des Problems

AS2 Abwertung der Bedeutung des Reizes

Bedeutung („Vernebeln“)

AS3 Abwertung der Existenz von Alternativen

AS2 Abwertung der Existenz des Problems

AS1 Abwertung der Existenz des Reizes

Alternative

Problem

TYP

Existenz („Blindheit“)

Reiz/Stimulus

Quelle: angelehnt an Mellor / Sigmund TAJ 1975.

EBENE

ABWERTUNG eines Typs auf einer konkreten Ebene führt zu einer spezifischen Abwertungsstufe (AS)

III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements485

Ab­wertung auf der EBENE

AS2 „Das bisschen, was ich trinke, ist bei mir kein Problem. Das hat mir nie geschadet …“

AS3 „Das ist normal, wenn man trinkt, dass man dann wegnickt. Da kann man nichts gegen tun …“

AS4 „Besser wäre es, wenn ich aufhörte, aber nachdem ich schon so lange trinke, spielt es auch keine Rolle mehr.“

Bedeutung („Vernebeln“)

Allgemeine Veränder­barkeit („Scheuklappen“)

Persönliche Lösungsfähigkeit („Hinkebein“)

AS5 „Besser wäre es bestimmt, aufzuhören. Doch ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.“

AS4 „Besser wäre es, wenn ich aufhörte, aber nachdem ich schon so lange trinke, spielt es auch keine Rolle mehr.“

AS3 „Das ist normal, wenn man trinkt, dass man dann wegnickt. Da kann man nichts gegen tun.“

AS2 „Das bisschen, was ich trinke, ist bei mir kein Problem. Das hat mir nie geschadet …“

Problem

Abwertung des Typs Alternative

AS6 „Ja, Ich habe es schon so oft versucht, … doch spätestens als ich wieder getrunken hatte, war es zu spät. Ich kann nicht anders.“

AS5 „Besser wäre es bestimmt, aufzuhören. Doch ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.“

AS4 „Besser wäre es, wenn ich aufhörte, aber nachdem ich schon so lange trinke, spielt es auch keine Rolle mehr.“

AS3 „Das ist normal, wenn man trinkt, dass man dann wegnickt. Da kann man nichts gegen tun.“

Abbildung 39: Ebenen der Abwertung angesichts einer problematischen Situation (hier: „Alkohol und Arbeitslosigkeit“)

AS1 „Ich werde nicht betrunken! Ich bin voll da! Mein Körper verträgt das.“

Reiz/Stimulus

Existenz („Blindheit“)

Abwertungsstufe (AS)

486 E. Mediation und Transaktionsanalyse



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements487

reden oder gar Schritte zu persönlicher Veränderung anzusprechen, wenn dieser das Problem oder dessen Bedeutung noch gar nicht erkannt hat.517 Der Gesprächspartner kann die Abwertungstabelle in einem ersten Schritt dazu verwenden, um fragend herauszufinden, auf welcher Bewusstseinsebene sich der Klient befindet, um sodann konfrontierend die einzelnen Abwertungen der Realität anzusprechen. Damit hat er sowohl ein taugliches Diagnoseinstrument in Händen, dass ihm zusätzlich erlaubt, die konkreten Gesprächsinhalte auszumustern, mit denen er den Erwachsenen-Ichzustand des Klienten anspricht. Die folgende Tabelle verdeutlicht das Gesagte und die Zusammenhänge für die Diagnose der Bewusstseinsebene:518 Die Indexierungen verdeutlichen, dass sich Abwertungen jeweils über die Diagonalen erstrecken und alle höherwertigen Abwertungen miterfassen. Wenn jemand auf irgendeiner Diagonale bzw. Stufe abwertet, wertet er automatisch auch in sämtlichen „Kästen“ darunter und rechts von dieser Diagonale ab. Dabei gilt, dass je niedriger der Index der – häufig: tangentialen – Transaktion ist, desto massiver ist die Denkstörung bzw. Trübung des Erwachsenen-Ichzustandes. Mellor und Sigmund nennen diese Abwertungsstufen die „Hierarchie der Discounts“519. (b) Passives Verhalten Passives Denken ist ein Prozess, der nicht direkt wahrnehmbar ist, sondern durch Äußerungen, insbesondere durch tangentiale Transaktionen sowie bestimmten anderen Verhaltensweisen gegenüber anderen kommuniziert wird.520 Die transaktionsanalytische Konzeptualisierung passiver Verhaltensweisen orientiert sich dabei strikt an der problemlösenden Funktion des Handelns und nicht an dem alltagsüblichen Verständnis von Passivität. Passives Verhalten kann sich also durchaus in dramatischen Aktivitäten äußern, jedoch bleibt es im Bezug auf die Lösung eines anstehenden Problem passiv, soweit es zur Lösung nichts beiträgt oder diese sogar behindert. Passiv handelt eine Person, wenn sie die ihr zur Verfügung stehende Energie nicht dazu verwendet, ihr Problem zu lösen, sondern aus einer symbiotischen Haltung heraus erwartet, dass andere oder die Zeit das Problem lösen werden.521 Gekennzeichnet ist passives Verhalten dadurch, dass anderen Menschen die Verantwortung für die Problemlösung zugeschoben wird oder 517  Gührs / Nowak

2002, 182. Hennig / Pelz 2002, 196; Stewart / Joines 2008, 264 ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 239 ff. 519  Vgl. Mellor / Sigmund TAJ 1975, 301; Stewart / Joines 2008, 267 f. 520  Gührs / Nowak 2002, 184; Stewart / Joines 2008, 254. 521  Hennig / Pelz 2002, 233; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 233. 518  Dazu

488

E. Mediation und Transaktionsanalyse

zumindest versucht wird, sich selbst der Verantwortung zu entziehen. Mitunter dient es dazu, körperliche und emotionale Spannungen auf- und abzubauen.522 Passives Verhalten zeigt sich in unterschiedlichen Erscheinungen und verschiedenen Schweregraden, die nunmehr dargestellt werden. Die offensichtlichste Form passiven Verhaltens angesichts einer problematischen Situation ist das „Nichtstun“.523 Die Person verwendet ihre Energie nicht dazu, das Problem zu lösen, sondern um jede problemlösungsorientierte Aktivität zu unterbinden.524 Indem die Person buchstäblich wartet, erwartet sie (unbewusst), dass die Zeit oder andere ihr Problem lösen werden. Sie muss nur ausharren, was sich etwa im Trödeln, Tagträumen oder Zuspätkommen äußern kann, aber auch im Pläneschmieden oder sonstigen Ablenkungsmanövern wie Fernsehen, Kaffeetrinken oder ähnlichem. In Gesprächen wird auf konkrete Fragen oder Ansprachen zu aktuellen Problemen ebenso häufig geschwiegen wie mit „Ich weiß nicht.“ geantwortet.525 Geduldiges Nichtstun war dann „erfolgreich“, wenn andere Menschen stattdessen aktiv geworden sind und scheinbar die Verantwortung übernommen haben.526 Beispiel: In Beratungs- und Verhandlungssituationen äußert sich Nichtstun zunächst in Schweigen und „kommunikativer Verweigerung“. Der Berater mag sich alsbald fragen, warum der Klient nicht daran interessiert zu sein scheint, sein eigenes Problem zu lösen. Auf Nachfragen hört er entweder „Ich weiß nicht.“ oder „Das bringt nichts“ oder „Das habe ich schon versucht“. Bemüht sich der Berater um so mehr, je weniger der Klient mitarbeitet, indem er diesem das Denken, Fühlen und Handeln „abnimmt“, ist die im Nichtstun geäußerte Einladung zur Symbiose von Seiten des Beraters angenommen worden.

Eine stärkere Form der Passivität ist die „Überanpassung“. Sie kommt häufig dann zum Einsatz, wenn trotz abwartenden Nichtstun weder das Problem „verschwunden“ ist, noch andere die Verantwortung zur Problemlösung übernommen haben. Dabei ist sie durchaus nicht leicht als Passivität zu entziffern, da sie sozial anerkannt und insbesondere in ausgesprochenen Lernkulturen (Schule, Studium, Aus- und Fortbildungen etc.) als pflegeleicht und hilfreich vom Lehrpersonal erlebt wird.527 In der Überanpassung wird 522  Hagehülsmann / Hagehülsmann

2001, 234. Konfliktsituationen spricht man auch vom Ausweichen oder Flüchten, vgl. Kap. B. II. 1. 524  Stewart / Joines 2008, 254. 525  Mit Beispielen Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 234. 526  Zur Psychodynamik s. auch Gührs / Nowak 2002, 185. 527  Die in der Passivität enthaltene Abwertung der eigenen Lösungskompetenz spiegelt sich in der ungerechtfertigten Aufwertung der lehrenden Person wider. Bei dieser kann es zu kurzzeitig erhebenden, tatsächlich aber wenig verwurzelten Gefühlen von Stärke und Überlegenheit kommen. 523  In



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements489

keine Energie darauf verwendet, eine eigene Lösung auf die aktuelle Problemsituation zu finden, sondern darauf, zu erraten, was der andere darüber denken bzw. tun würde oder sich wünscht, was gedacht und getan werden sollte.528 Erkennbar wird Überanpassung an vorauseilendem Gehorsam, ständigem Bejahen und Befürworten und einem Ablesen jeden Wunsches von den Augen. Im Gegensatz zu einer Person, die nichts Problemlösendes tut, weist die Person, die sich überanpasst, einen hohen Aufmerksamkeitsgrad auf und ist vollkommen auf die andere Person zentriert. Deshalb – und das ist das Wirkungsvolle an einem solchen „Lösungsversuch“ – kommt er weder mit seinen Bedürfnissen in Kontakt noch äußert er seine Sicht der Dinge, die für ihn ein Problem darstellen.529 Da er seine eigene Lösungskompetenz abwertet, stellt für ihn das herausfordernde Element seiner Problemsituation sein wahrgenommenes Problem dar, das er dadurch zu lösen versucht, indem er es den anderen Personen recht macht. Die (unbewusste) Idee dahinter ist freilich, dass diese Personen im Gegenzug sein eigentliches Problem aus Dankbarkeit und Retterwünschen lösen werden.530 Von allen Formen der Passivität erfordert die Überanpassung nicht nur den höchsten Grad an Aufmerksamkeit, sondern beinhaltet auch das meiste Denkvermögen. Jedoch handelt es sich nicht um eigenständiges Denken531, weshalb im Nachgang keine Verantwortung für das folgende Handeln und dessen Konsequenzen übernommen wird.532 Die erstrebte Problemlösung jedenfalls ist für die konkrete Person weder stimmig noch zufrieden stellend. Zwar ist das Problem irgendwie vom Tisch, aber ein unangenehmes Gefühlsgemisch aus Ärger, Traurigkeit und Unzufriedenheit bleibt zurück, da eine wachstumsförderliche Auseinandersetzung nicht stattgefunden hat und im Ergebnis lediglich die eigene Unfähigkeit bestätigt und verstärkt wurde.533 Beispiel: Soweit es sich um einen Lösungsversuch aus Überanpassung handelte, wird das Scheitern im Nachgang typischerweise mit Äußerungen gerechtfertigt wie: „Aber ich habe es doch genauso gemacht, wie sie gesagt haben …“ oder „Ich hatte sie so verstanden, dass ich … sollte“ oder „Nun mache ich es schon so, wie man mir sagte, und dann ist es wieder nicht richtig …“. Insbesondere Lern- und Prüfungskontexte laden zur Überanpassung ein. 528  Hennig / Pelz

2002, 234. 2002, 185; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2002, 234. 530  Vgl. Hennig / Pelz 2002, 234. 531  Das Denken entstammt einer Trübung, Stewart / Joines 2008, 255. Das Ergebnis des Denkprozesses ist strukturell im Erwachsenen-Ichzustand des Kind-Ichzustands (ER1, „kleiner Professor“) zu verorten und nicht im Erwachsenen-Ichzustand (ER2), vgl. dazu Kap. D. II. 1. c). in dieser Untersuchung. 532  Vgl. Gührs / Nowak 2002, 185. 533  Die Unfähigkeitsannahme ist das Ergebnis der Abwertung der eigenen Person, vgl. Stewart / Joines 2008, 255. 529  Gührs / Nowak

490

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Für Verhandlungssituationen und Problemlösungsgespräche – wie sie die Eingliederungsvereinbarungen nach § 37 Abs. 3 SGB III darstellen – sind weitere Umstände von Bedeutung. Zum einen besteht ein deutliches Machtungleichgewicht über den formulierbaren Inhalt, zum anderen wirken verschiedene Problemdefinitionen zusammen. Da die Arbeitslosigkeit des Einzelnen (in ihrer Masse) für den Staat ein eigenes soziales Problem darstellt, ist die Versuchung groß, sich seiner Lösungsversuche (über-)anzupassen. Deshalb besteht bereits strukturell die Möglichkeit, dass der Arbeitsuchende sich in der konkreten Eingliederungsvereinbarung nicht wiederfindet, sondern nur das, von dem er ausgeht, dass es dem Behördenmitarbeiter gefällt oder zumindest beruhigt.

Eine weitere passive Verhaltensweise hohen Aktivitätsgrades stellt die „Agitation“ dar. Agitation ist zwar von der problematischen Situation veranlasst und auf eine Lösung gerichtet, aber zugleich völlig ungeeignet, das Problem wirklich zu lösen. Innerlich erfolgt die agitierende Abwertung durch Grübeln oder Zwangsgedanken.534 Wahrnehmbar für Dritte sind ruheloses Treiben, übertriebene Aktivitäten und geschäftiges Getue, Aktionismus mit tausend Anfängen, die nie auch nur ein Ende finden, geschweige den ein (vom Problem) erlösendes. Agitierende Verhaltensweisen sollen zwar interne Spannungen abbauen („Abfackeln“). Jedoch wird die Ursache der Spannungen, das Problem selbst, dadurch nicht gelöst, sondern häufig in seinen Ausmaßen vergrößert. Dieser „Teufelskreis“ lädt Dritte dazu ein, das Problem für den Typ des Agitierenden zu lösen.535 In der Agitation selbst erlebt sich die Person zumeist verwirrt und keineswegs klar denkend.536 Beispiele537: Hektisches, nervöses Rauchen, Fressanfälle und Putzattacken, ungezählte Briefanfänge und ständig abgebrochenes Wählen der Telefonnummer, aber auch Nägelkauen, mit den Fingern trommeln, gedankenverlorenes Löckchendrehen und die Haare zwirbeln sind – neben anderen – verbreitete Gewohnheiten, die Agitation mit sich bringen. Ebenso hierher gehören das angespannte „Rennen“, statt lockerndes Joggen bzw. Laufen. Eine häufige gedankliche Rechtfertigung ist ein „Zuerst muss ich noch …, ehe ich dieses Problem lösen kann“. In Beratungsgesprächen werden etwa ununterbrochen Fragen gestellt, ohne die Antworten abzuwarten bzw. diese gedanklich zu verarbeiten. Agitation findet sich aber auch bei vermeintlich kreativen Einfällen, sofern sie nicht an bestimmten Punkten geordnet, entfaltet und zueinander in Bezug gesetzt werden, um systematisch Nutzen aus ihnen zu ziehen.

Passives Verhalten eskaliert in seiner vierten Form zu „Gewalt“. Gewalt kann sich gegen Dritte richten, wodurch diese genötigt werden sollen, das Problem zu lösen. Zur Gewalt als passive Lösungsstrategie gehört aber auch diejenige gegen sich selbst, um sich für eine konstruktive Lösungsstrategie 534  Hennig / Pelz

2002, 234. Hennig / Pelz 2002, 235. 536  Gührs / Nowak 2002, 186. 537  s. dazu Stewart / Joines 2008, 256; Gührs / Nowak 2002, 186; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 234 f.; Hennig / Pelz 2002, 235. 535  Vgl.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements491

unfähig zu machen. Endeffekt aller passivitätsverwirklichender Gewalt ist, dass sich Dritte (Verwandte, Freunde, Nachbarn) oder die Staatsgewalt (Polizei, Krankenhaus, Fürsorge) um die Person kümmern (müssen), die ­ sich damit der eigenen Lösung entzieht.538 Beispiele539: Gewalt gegen andere kann sich im Rahmen von Problemgesprächen in Anschreien und Beleidigungen äußern, aber auch darin, dass laut auf den Tisch geschlagen wird oder Sachen gegen die Wand geschmissen werden. Im Nachgang wird sich meist mit Ohnmacht gerechtfertigt („Ich konnte nicht anders!“, „Ich bin halt ausgeflippt!“). Gewalt gegen sich erfasst alle Varianten von Autoaggression. Drogen- und Alkoholkonsum („Kümmert Euch um mich, oder ich saufe mich zu Tode!“), destruktives Nägelkauen, riskante Fahrmanöver, die Ausbildung psychosomatischer Symptome, „Nervenzusammenbrüche“, Selbstverletzungen („Ritzen“; Schlägereien), aber auch eher unverdächtige Handlungen wie „selbst gewählter Schlafentzug“ durch langes Fernsehen oder Computer spielen, aber auch unvernünftiges Lernen („Auspowern“) gehören hierher.

(2) Das Passivitätskonzept als Interventionsinstrument Leitlinie für einen beraterischen Umgang mit passiven Verhaltensweisen des Gesprächspartners ist, dass nicht unüberlegt für diesen gedacht, gefühlt und gehandelt wird. Weder die Lösung, noch die Verantwortung für das Problem, das der Gegenüber hat, kann vom Berater übernommen werden und schon gar nicht dadurch, dass eine – wenn auch kurzfristige – symbiotische Beziehung eingegangen wird. Daraus lassen sich weitere Grundregeln für die einzelnen passiven Denk- und Verhaltensweisen ableiten, die im Folgenden zusammengefasst werden. Für Problem- und Verhandlungsgespräche, wie sie im Rahmen des § 37 Abs. 3 SGB III stattfinden (können) ebenso wie für Beratungsgespräche generell gilt, dass Gewalt in keiner Form akzeptabel ist. Das gilt auch für die subtileren Formen von Gewalt wie „laut werden“ oder „mit der Faust auf den Tisch schlagen“, die zwar niemanden direkt schädigen, aber doch das Gesprächsklima mit Angst vergiften (können).540 Aus einer „Ich bin o.k. / Du bist o.k.“-Grundhaltung heraus, die dazu führt, dass die Person von dessen Verhaltensweisen getrennt beurteilt wird541, ist der Gewalt eindeutige Grenzen zu ziehen. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die vielfältigen Formen autoaggressiver Gewalt zu legen, da auf diese Weise über 538  Die Umgebung löst letztlich nicht das Problem der Person, sondern dämpft lediglich den Grad der passiven Verhaltensweisen, die zumeist im Folgenden von vorne wieder beginnen, ebenso Hennig / Pelz 2002, 235. 539  s. Stewart / Joines 2008, 257; Gührs / Nowak 2002, 188. 540  Ebenso Gührs / Nowak 2002, 192. 541  Dazu bereits Kap. D. I. 1. in dieser Untersuchung.

E. Mediation und Transaktionsanalyse

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Quelle: Schulze ZTA 2005 Abbildung 40: Gedrehte dreidimensionale Abwertungstabelle nach Schulze

Sorgen und Ängste letztlich die Verantwortungsübernahme abgenötigt wird. Interventionen können in diesem Zusammenhang mit dem Ziel konzipiert werden, das sie gewaltsames Verhalten in agitierendes und überanpassendes zu wandeln suchen. Da in der Überanpassung ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Denkvermögen enthalten ist, kann sodann mit weiteren Methoden der Gesprächsführung542 das Problem konkret bearbeitet werden. Soweit sich passives Denken allein im Nichtstun und in Überanpassung zeigt, findet der Gesprächspartner lediglich dann einen Zugang zum Klienten, wenn er auf dessen Ebene des Problembewusstseins arbeitet und argumentiert.543 Die Abwertungstabelle stellt in den Händen des Beraters dabei ein Instrument dar, mit dem er ermitteln kann, welche Informationen dem Klienten fehlen, die für seine Problemlösung relevant sind oder werden können.544 Dabei ist immer von der Abwertungsebene auszugehen, auf der sich 542  Die wichtigsten Methoden der Gesprächsführung hat Berne 2005, 207 ff. in seinen acht Interventionstechniken zusammengefasst. Es handelt sich um die Befragung, die Spezifizierung, die Konfrontation, die Erklärung, die Illustration, die Bestätigung, die Deutung sowie die Kristallisation. 543  Gührs / Nowak 2002, 184. 544  Ursprünglich wurde die Abwertungstabelle zwar im psychotherapeutischen Kontext entwickelt, bewährte sich aber alsbald als ein effektives Instrument auch im Organisationskontext und im Bildungswesen, Stewart / Joines 2008, 270.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements493

der Klient befindet. Beraterische Bemühungen, die auf einer Abwertungsebene mit zu hohem Index ansetzen, bleiben fruchtlos und laden lediglich zur Überanpassung ein bzw. werden sodann vom Klienten selbst abgewertet545. Insofern gilt es mittels Fragen546 zunächst herauszufinden, welchen niedrigsten Index der Klient abwertet. Dafür setzt der Berater die Gesprächsthemen auf der höchsten Ebene an und „klopft die Abwertungstabelle von der oberen linken Ecke aus ab“ oder beginnt, soweit er die „gedrehte Abwertungstabelle“ nach Schulze nutzt, von der Spitze aus und arbeitet sich nach unten547. Wichtig ist dabei, dass abwertende Transaktionen mit hohem Index (z. B. auf der Abwertungsstufe 4, AS4) auch von Personen genutzt werden können, die im Grunde auf einer viel höheren Stufe abwerten. Aus einer einzelnen abwertenden Transaktion lässt sich noch nicht die höchste Abwertungsstufe ableiten. Aus diesem Grunde muss der Berater vor allem zu Beginn sehr sorgfältig vorgehen. Abwertung für Abwertung ist die Tabelle von ihm im Gespräch abzuschreiten. Hypothesen zur höchsten Abwertungsstufe sind nicht unüberprüft den weiteren Beratungsbemühungen zugrunde zu legen.548 Dies ist auch zum Eigenschutz erforderlich. Nichts ist unbefriedigender als vergebene Hilfeleistungen. Oder anders gewendet: Wer den Eindruck bekommt, „gegen eine Wand“ zu reden, muss nicht lauter werden, sondern aufmerksamer. Beispiel: Hier wird das Problem der – durch Alkoholabhängigkeit mitverursachten – Arbeitslosigkeit aus der obigen Tabelle wieder aufgegriffen. Spricht der Berater zu recht den übermäßigen Alkoholkonsum als problemverursachend an, mag der Klient antworten: „Es stimmt schon, dass es sicherlich besser ist, damit aufzuhören. Aber nachdem ich nun schon jahrelang trinke, spielt es auch keine Rolle mehr“. Das lässt – wie sich aus der Tabelle entnehmen lässt – auf eine Abwertung auf der vierten Stufe (AS4) schließen. Alternativen wird keine Bedeutung beigemessen und die generelle Veränderlichkeit des Problems wird nicht beachtet. Die persönliche Fähigkeit, den körperlichen Stimuli (Reiz) zu verändern, würde geleugnet werden. Jedoch kann allein daraus nicht geschlossen werden, dass der Klient den Reiz selbst wahrnimmt oder gar als Problem für sich definiert hat oder Alternativen kennt. Beraterische Bemühungen etwa, dass es sich auch nach jahrelangem Trinken lohne, sofort mit dem Trinken aufzuhören, wofür wissenschaftliche Beweise oder Erfahrungen aus der Verwandtschaft oder – bei Alkoholismus – vorzugsweise aus der Nachbarschaft und sonstiger Sozial­ lienten einlädt, bleisphäre herangezogen werden, zu denen die Rechtfertigung des K ben zumeist – abgesehen von beiderseitiger Frustration – ohne Nachhall. Ehe sich der Berater auf dieser Ebene um Enttrübung bemüht, bedarf es einer ungetrübten Sicht auf die Dinge tabellarisch höher angesiedelter, aber im Ü ­ brigen grundlegenderer Ebenen. 545  Stewart / Joines

2008, 268. unterschiedlichen Frageformen und Herangehensweisen s. etwa Duss-von Werdt 2005, 219; Risto 2003, 34 f., 134 f.; Jacquat pm 2007; Wack NTA 1980. 547  Vgl. Schulze ZTA 2005. 548  Stewart / Joines 2008, 268 f. 546  Zu

494

E. Mediation und Transaktionsanalyse

Bedeutsam wird an diesem einen Beispiel bereits, welche Arbeit und Genauigkeit einem Berater in Problemlösungsgesprächen abverlangt wird. Außerhalb von konkreten Gesprächssituationen sind Abwertungen und tangentiale Transaktionen durchaus leicht zu erkennen, aber in der konkreten Beratungssituation gilt das keineswegs.549 Hinzu kommt, dass viele Abwertungen alltäglicher Natur sind, denen wir alle, aber nicht unabänderlich unterworfen sind. Hier gilt es, das Verwaltungs- und Kontaktpersonal entsprechend zu schulen und die dafür nötigen zeitlichen und organisatorischen Räume zu schaffen. Möglichkeiten bieten entsprechende und mit dem Einverständnis des Klienten angefertigte Tonbandaufzeichnungen, mit deren Hilfe die Gespräche im Nachgang analysiert und reflektiert werden können. Im Rahmen einer kollegialen Beratung, bei der sich Verwaltungsangestellte mit ähnlichen Aufgaben- und Beratungsgebieten gegenseitig unterstützen und reflektieren, könnten zudem positive Motivationseffekte erzielt werden. Hilfreich ist sicherlich, wenn diese Kollegialberatungen zunächst von einem erfahrenen Transaktionsanalytiker oder sonst entsprechend geschultem Berater bzw. Supervisor angeleitet werden.550 Sind die – dem passiven Verhalten zugrunde liegenden – Abwertungen einmal erkannt, ist es stets lohnend, sie frühzeitig und konsequent551 anzusprechen, wofür allerdings ein – wenn auch nur kurzfristiger – Vertrag vonnöten ist. Zumeist ergibt er sich direkt aus der Beratungssituation, auf die sodann nur kurz hingewiesen werden sollte. Im Übrigen reicht ein Vertragsschluss dergestalt aus, dass kurz nachgefragt („Sind sie einverstanden, wenn ich mit Ihnen in diesem Punkt konkreter werde …?) und eine entsprechende Antwort abgewartet wird.552 Besonders muss bei der abwertungsbezogenen Konfrontation darauf geachtet werden, keine verfolgerische Posi­ tion einzunehmen und den „Übeltäter anzuklagen“. Ein „Repertoire von 549  Jongeward:

„TA ist simple, but not easy“, vgl. Kap. D. kollegialen Beratung s. Schulze / Lohkamp ZTA 2005; ähnlich der Erfahrungsbericht von Schäfer / Raumann OE 2009. Zudem zeigt sich hier deutlich, dass das Konzept des aktivierenden Staates keineswegs nur auf eine Aktivierung der gesellschaftlichen Akteure hinausläuft, indem diesen per Gesetz Mitarbeit zugestanden oder abgefordert wird. Vollständig ist das Konzept lediglich dann, wenn zugleich die Verwaltungsmitarbeiter selbst aktiviert werden und ihr Führungsverständnis auch intern entsprechend definiert und umgesetzt wird. Aus den Ideen des Neuen Steuerungsmodells zur Aktivierung der Kommunalverwaltung ergibt sich nichts anderes, vgl. Vogel 1996, 169. 551  Zu Recht weisen allerdings Hennig / Pelz 2002, 198 darauf hin, dass bei Klienten mit erheblichen Schwierigkeiten ein Fülle von Abwertungen zu erwarten sind, deren konsequente Konfrontation nicht nur den Gesprächsfluss zerstören, sondern auch eine gemeinsame Gesprächsbasis verhindern würde. Hier gilt die Regel: Je stärker die Abwertung, desto eher die Konfrontation. 552  Ebenso Hennig / Pelz 2002, 198. 550  Zur



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements495

sanften Hinweisen bis hin zu deutlichen Anweisungen“553, die gleichwohl bestimmt und konsequent sind, kann sich lediglich mit Erfahrung und Reflexion angeeignet werden. dd) Transaktionsanalytisch fundierter Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen Für den Abschluss und die Formulierung einer Eingliederungsvereinbarung sind aus transaktionsanalytischer Sicht bestimmte Anforderungen zu beachten. Wie bereits angesprochen554 ist es für das gelingende Umsetzen der Vereinbarung erforderlich, dass ihre Inhalte für die Gesamtpersönlichkeit stimmig sind und von den Ethos-, Logos- und Pathosqualitäten des Erwachsenen-Ichzustandes getragen sind.555 Damit zusammen hängt das Erfordernis, dass das Vertragsziel positiv formuliert wird. Aufhörverträge556 wie etwa „Ich werde nicht mehr …“, sind zu unterlassen. Hinzu kommt, dass die Vereinbarungen paritätische Inhalte aufweisen müssen. Keiner der Beteiligten sollte weit überwiegend mehr leisten als der andere. Hier ist besonderes bei Passiven darauf zu achten, dass der Berater nicht seine etwaigen leistungsorientierten Antreiber557 aktiviert, sondern konsequent passive Denk- und Verhaltensweisen konfrontiert. Insgesamt lassen sich „gute“ Vereinbarungen daran erkennen, dass sie – unabhängig von ihrer gesetz­ lichen Verpflichtung – von den Beteiligten freiwillig, d. h. mit ihren produktiven Ichzuständen, geschlossen wurden, ihre beiderseitigen Verantwortlichkeiten bei klarer Rollendefinition festlegen und nicht auf unrealistischen Erwartungen basieren. 4. Transaktionsanalytisch fundierte Führungsarbeit als Beispiel eines aktivierenden Verwaltungsmanagements Das Leitbild vom aktivierenden Staat verwirklicht den aktivierenden Staat nicht. Es sind die agierenden Personen innerhalb und außerhalb der staat­ lichen Organisation in einem wechselbezüglichen Prozess, die ihn aktivie553  Hennig / Pelz

2002, 198. Kap. D. V. 4. 555  Gührs / Nowak 2002, 111 nutzen an dieser Stelle das Konzept der produktiven Ichzustände. Sie arbeiten letztlich anhand struktureller Erwachsenen-Ichzustandsqualitäten konkrete Funktionsweisen heraus, die für die Gesamtpersönlichkeit produktiv und nützlich sind. 556  Stewart 1993, 161. 557  s. Kap. D. III. 2. c). 554  Vgl.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

rend wirken lassen. Die staatliche Organisation ist – wie jede andere Organisation auch – weder Selbstzweck558, noch ohne Menschen denkbar. Personen leiten die staatliche Organisation und verwirklichen die Zwecke, um deren Willen die Organisation geschaffen wurde, indem sie andere Personen führen. Vor diesem Hintergrund rücken – die Verwaltungsorganisation ­fokussierend – die Aspekte von Führungsarbeit in den Blickpunkt, die ihr Gelingen vorrangig ausmachen. Für die praktische Führungsarbeit innerhalb von Verwaltungsorganisationen hat das Leitbild des aktivierenden Staates dabei enorme Auswirkungen. Ohne zu überraschen lässt sich wohl bereits hier sagen, dass der Führungsstil innerhalb der Verwaltungsorganisation eines aktivierenden Staates ebenfalls aktivierende Elemente wird aufweisen müssen.559 a) Führen in und Leiten von Organisationen Um Verständnisschwierigkeiten zu entgehen, erscheint es angebracht, die Begriffe „Führen“ und „Leiten“ zu klären, da sie mitunter synonym verwendet werden.560 Differenziert man sie jedoch im Zusammenhang mit (Verwaltungs-)Organisationen, lässt sich mit dem Begriff des Leitens der materielle bzw. funktionale Inhalt der organisationalen Aufgaben bezeichnen, während Führen das menschenbezogene Umsetzen des Leitens ist. Geleitet wird die Organisation, um deren Ziele und Zwecke zu erfüllen. Geführt werden hingegen die Menschen, die die Erfüllung der Leitungsaufgaben sichern sollen. Führen ist damit die sozial-psychologische Konsequenz des Leitens.561 Leitungsaufgaben, die in jeder Organisation bestehen, sind etwa das Erstellen von Leitbildern und Visionen als Grundlage aller Ausführungstätigkeiten der Organisationsmitglieder562 und als Ausgangskommunikation für Nichtmitglieder, sonach das Setzen konkreter Ziele, das Entwickeln von Strategien zur Umsetzung der Ziele, Planen, Organisieren, Integrieren, Koordinieren, Delegieren sowie grundlegend allseitiges Informieren und Kontrollieren der Mitglieder.563 Kurz formuliert, geht es bei der Leitung 558  Wolf / Draf

1999, 2. „aktivierenden Führungsstil“ spricht jedenfalls Klages 1997, ders. 1998, vgl. dazu die Anforderungen, die die Direktorin der BfA Meurer DAngVers 2003, 304 f. formuliert. 560  Püttner 2007, 218 ff. differenziert seinerseits zwischen Führungskonzeption (Leiten) und Führungsstilen, wobei er auf den Begriff der Leitung / des Leitens großteils verzichtet; ähnlich Töpfer 1982, 125 ff. 561  Als Oberbegriff könnte sich das Verwaltungs-„management“ anbieten, so etwa Wolf BayVBl. 1984, 745. 562  s. dazu aus der Praxis Meurer DAngVers 2000, 363 ff. 563  Wolf / Draf 1999, 17; vgl. auch für die Verwaltung konkret Töpfer 1990, 81 f. 559  Vom



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements497

um die Entfaltung der Organisation, indem für die Organisationsmitglieder rollenentsprechende Entfaltungsmöglichkeiten geschaffen werden. Leiten ist das Organisieren der Organisation. Von dieser Warte aus lässt sich festhalten, dass (theoretisch) Organisationen jeder Größenordnung geleitet und geschaffen werden können, obschon sie freilich in ihrer Komplexität die intellektuellen Kapazitäten des Einzelnen bei weitem übersteigen. Geführt werden nach hier vertretenem Begriffsverständnis unterdessen ausschließlich Personen. Aus der Sicht einer Führungskraft zielt das Führen Anderer auf die Erfüllung der eigenen Leitungsaufgaben, aus der Sicht der Organisation auf die Belebung und Entfaltung der Organisation und aus der Sicht des Geführten auf die Ermöglichung, die durch die Organisation zugedachte Rolle ausfüllen zu können. Führen ist damit das Organisieren von rollenbezogenen Ausführungs- oder Basistätigkeiten der sonstigen Organisationsmitglieder. Dabei stellt sich die Führungsrolle selbst als eine organisationsbezogene Rolle dar, die professionell ausgeführt werden möchte.564 Das Leiten der Organisation(-seinheiten) im Wege des Führens ist stets ein kommunikativer Prozess, der (bei allen Unterschieden der einzelnen Personen dennoch) musterhaft abläuft.565 Geführt wird praktisch durch das gesamte Verhalten samt den erkennbaren Denk- und Gefühlsäußerungen gegenüber dem Geführten.566 Oder konkreter, auch Schweigen, Unterlassungen oder sonst vermeintlich „unkommunikative“ Verhaltensweisen sind kraft ihrer Beeinflussungs- und Wirkungsmacht Varianten des Führens und werden von der Führungsperson ebenso wie von den Geführten in den organisationalen Kontext eingebettet. Um Führungsarbeit adäquat beschreiben zu können, lohnt es nicht, sie als die Arbeit eines Einzelnen zu formulieren und seine Tätigkeiten allein zu fokussieren, sondern den (tatsächlich konstruktivistischen) Kommunikationsprozess, der von allen Interaktionspartner gemeinsam zu verantworten ist, im Auge zu behalten.567 Deutlich wird dadurch, dass man zwar grundsätzlich Organisationen jeder Größenordnung schaffen und leiten kann, sich aber Führungsarbeit immer auf einen engen 564  Zur Frage, ob „Führung“ eine nicht erlernbare „Kunst“ sei, die man könne oder eben nicht, oder eine zu professionalisierende Fähigkeit, die zur Fertigkeit bewusst ausgebildet werden kann, s. Meixner 1996, 145 f. 565  Vgl. Wolf / Draf 1999, 78. 566  Vgl. Watzlawick / Beavin 1990, 98 („Alles Verhalten ist Kommunikation“ in Gegenwart eines zweiten, was selbstverständlich sei, aber nicht trivial.); dazu auch Watzlawick / Beavin / Jackson 2000, 50 ff. 567  Simon 2004, 36 ff. weist zu Recht darauf hin, dass die Entscheidungen von Führungspersonen stets in einem komplexen Kommunikationsprozess zustande gekommen sind, in dem die Führer (von anderen Personen mittels gefilterter Informationen etc.) geführt wurden. Insoweit schlussfolgert Simon zu Recht, dass Führung die Organisation eines möglichst offenen – und auch konfliktträchtigen – Kommunikationsprozesses darstellt.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Personenkreis begrenzt.568 Ohne direkte und intensive Kommunikation ist Führung nicht möglich. Da die Qualität der Leitung einer Organisation und damit die Qualität der Organisation selbst von der Qualität der Führungsarbeit abhängt, muss sich mit dem Wandel und der Entfaltung der Organisation ebenso die Führungsarbeit wandeln und entfalten. Bevor jedoch das Führen als ein durch die Führungskraft zu steuernder Kommunikationsprozess erläutert wird, den die Transaktionsanalyse wirkungsorientiert zu unterstützen vermag, ohne ihn linear-kausal steuern zu können, sei hier ausdrücklich klargestellt, dass Führungsarbeit in heutigen Organisationen und insbesondere einer aktivierenden Verwaltung keine qualitativ oder quantitativ gesteigerte Basisarbeit ist. Führungskräfte müssen weder die ersten Experten in ihrem Fach sein, noch sich zu einer Art „Obersachbearbeiter“ entwickeln.569 Führungsarbeit ist lediglich die Umsetzung der Leitungsaufgaben der Organisation und damit gerade keine Basistätigkeit gegenüber Nichtmitgliedern. Sie schafft den Rahmen, damit die Geführten leitbild- und zielorientiert ihre Basisarbeiten ausführen können. Führen heißt gerade nicht (selbst) Ausführen und ist nicht bloße Delegation, sondern bedeutet – wenn man so möchte – das Hin- und Zuführen anderer zu erfolgreicher und zufriedenstellender Basis- und Ausführungstätigkeit.570 568  Wolf / Draf 1999, 224, die die Anzahl von neun Mitarbeitern für eine durchschnittliche Führungskraft noch nicht als überfordernd ansehen. 569  Deutlich Müller 1996, 43; Klages 1998, 61; vgl. auch Meurer DAngVers 2003, 304 f.; Klimecki 1998, 75, 81, der diese Vorstellung zutreffend auf das bürokratische Modell von Organisation und Führung zurückführt, wodurch die praktische Problematik besonders klargestellt ist: Führungskräfte, die sich dem Leitbild der aktivierenden Verwaltung verpflichtet sehen in einer Verwaltungsorganisation, die dem bürokratischen Modell entstammt, sind „Störenfriede“, wenn nicht gar „Aussteiger“, wie Klimecki 1998, 81 meint, zumindest aber „Sonderlinge“. Klargestellt sei hier noch, dass mit den Begriffen Führungsarbeit und Basisarbeit keineswegs die Qualität und das Niveau bewertet werden. Basisarbeit beeinflusst zwar auch andere Personen, aber zumeist Nichtmitglieder der Organisation. Basisarbeit erbringt nicht nur der – in der Hierarchie unten angesiedelte – Sachbearbeiter in der Verwaltung, sondern auch der Richter im Gericht oder der Arzt im Krankenhaus, vgl. Wolf / Draf 1999, 58. 570  Hier spiegelt sich das Steuerungsparadigma der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft wider, das mit Gesetzen gleichsam lediglich einen Rahmen setzen möchte, der von den Adressaten (Verwaltungsbeamten) eigenverantwortlich und situativ ausgefüllt wird. Intentionale Steuerung ergänzt die finale und konditionale Steuerung. Notwendig wird sie, da die zukünftigen Bedingungen (Konditionen), unter denen die Verwaltung mit Außenwirkung zu entscheiden und zu handeln hat, vom Gesetzgeber nicht mehr adäquat vorausgedacht werden kann. Das zu regelnde Sozialleben ist komplex, schnelllebig und wandlungsfähig. Der Gesetzgeber kann von seiner Warte aus und im Voraus nicht genügend generalisieren und konkrete Handlungsanweisungen erteilen, ohne ungerecht zu werden. Er vermag lediglich Ziele (= Wünsche!) vorzugeben, denen sich die ausführenden Akteure selbstorgani-



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements499

b) Entwicklungslinien der Führungsforschung Es gibt unterschiedliche Blickwinkel auf organisationsinterne Arbeitsabläufe, um herauszufinden, was (erfolgreiche) Führungsarbeit ausmacht. Die in nahezu unüberschaubarer Literatur niedergelegte Führungsforschung571 zeugt von der Vielfalt möglicher Betrachtungsweisen. Gleichwohl lassen sich die Ansätze und Ausgangspunkte in vier grobe Bereiche ordnen572: Es gibt Führungstheorien, die an die Eigenschaften der Führungsperson anknüpfen und die (Miss-)Erfolge von Führungsarbeit maßgeblich auf diese Eigenschaften zurückführen.573 Konsequent werden Optimierungsmaßnahmen ebendort angesetzt. Andere Führungstheorien knüpfen nicht an den – mehr oder minder unveränderlichen – persönlichen Eigenschaften an, sondern an den Verhaltensweisen der Führungsperson. Die wirkungsmächtigste Einflussgröße in der Führungsarbeit wird de facto im Führungsstil erkannt. Hierbei handelt es sich um die geradezu klassischen Spannungsbögen, zwischen denen konkrete Führungstätigkeit verortet wird („autoritär / demokratisch“, „sachlich / persönlich“, „aufgabenbezogen / personenbezogen“ etc.).574 Weit über diese Ansätze hinaus verweisen Führungstheorien, die auf die konkrete Führungssituation abstellen und gutes Führen stets kontextualisiert zu beschreiben und zu begreifen versuchen. In den Fokus untersuchender Beobachtung wird der gesamte Kontext der führungsorientierten Interaktion zwischen der Führungsperson und des Geführten gerückt, der – so die zentrale These – über Erfolg und Misserfolg des Führens maßgeblich entscheide. Wenn und soweit jedoch Führungstheorien dazu dienen sollen, praxis­ taugliche Aussagen darüber zu treffen, wie erfolgreiche Führung funktioniere und was zu tun sei, dann müssen situative Führungstheorien enttäuschen. Allein der rasante Wandel der relevanten Umfeldgrößen von Führungsarbeit habe bereits den Eindruck hinterlassen, die situativen Führungstheorien seien beliebig, wenig aussagekräftig und müssten deshalb als gescheitert gedeutet werden575. Psychologisch und konstruktivistisch orientierte Ansätze der Führungsforschung untersuchen das Gelingen bzw. Misslingen von Füh-

sierend annähern notfalls müssen und sollen bzw. bestenfalls können und wollen. Dazu bereits Kap. E. I. 1. mit den entsprechenden Nachweisen. Eine pointierte Gegenüberstellung beider Steuerungsvarianten bezogen auf Führungsfragen liefert Simon 2004, 30 ff. 571  Instruktiv Kahls 2009, 97 ff.; umfassend Neuberger 2002; Schulze / Lohkamp 2008; Püttner 2007, 218; alle mit umfangreichen Literaturnachweisen. 572  Zum Folgenden Schulze / Lohkamp 2008; Gebert / von Rosenstiel 2002, 185 ff.; Eck 2007. 573  Ausführlich Neuberger 2002, 223 ff. 574  Vgl. dazu Schulze 1992, 91 ff. 575  So Klages 1997, 195.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

rungsarbeit unter dem Aspekt, dass es sich dabei stets um Kommunikationsprozesse zwischen Menschen handelt. Derartige interaktionsorientierte Ansätze fokussieren die personale Verfasstheit aller Beteiligten im Führungsprozess unter der systemtheoretischen Maßgabe, dass es sich jeweils um selbstorganisierende (psychische) Systeme handelt, die miteinander interagieren. Interaktionsansätze in der Führungsforschung wurden insbesondere von beziehungsorientierten576 sowie systemischen577 Schulen der Psychologie beeinflusst. Mit der Transaktionsanalyse ist vorliegend eine beziehungsorientierte Konzeption gewählt, die in hervorragender Weise geeignet ist, Führungsarbeit als interaktiven Kommunikationsprozess zwischen der Führungsperson und der Person des Geführten zu beschreiben. Erfolgt Führung durch Kommunikation zwischen Personen, handelt es sich – wie die Transaktionsanalyse in Anlehnung an konstruktivistisch-systemische Ideen betont – um einen Vorgang, bei dem beide Personen wirklichkeitskonstruierend agieren.578 Hierbei spielen – wie die Untersuchung bereits verdeutlichte – nicht nur die interaktiven Prozesse eine Rolle, sondern auch die dadurch veranlassten intraindividuellen Prozesse, die sich ihrerseits wiederum in den Interaktionen des Führungsprozesses Wirkung verschaffen und diesen beeinflussen.579 Allein daran wird deutlich, dass kein Leitbild an sich und keine Sachvorgaben einer Organisation allein in der Lage sind, aus den organisationsbezogenen Kommunikationsinhalten die beziehungsorientierten Inhalte zwischen den Beteiligten zu eliminieren.580 576  Vgl. etwa das Konzept der „stimmigen Führung“, Schulz von Thun / Ruppel / Stratmann 2007, 13 ff., 27. 577  Ein umfangreicher und konsistenter Vorschlag, das „System Führung“ zu erfassen, stammt von dem Transaktionsanalytiker und Organisationsberater (auch von Verwaltungsorganisationen) Mohr 2000, ders. ZTA 1996. 578  Beide Seiten sind deshalb aktiv am Führungsprozess beteiligt und schaffen infolge ihrer inneren Verfasstheit individuelle Wirklichkeitskonstruktionen, aus denen sich spezifische Wirkungen ableiten. Keinesfalls flößt ein „Aktiver“ einem „Passiven“ danach Informationen ein, die eins zu eins – ähnlich wie Gegenstände unverändert – übertragen werden. Führen als wechselbezügliches Mitteilen und Verstehen von Informationen kann somit nicht als Arbeit eines Einzelnen abschließend beschrieben werden, sondern ausschließlich als wechselbezügliches Beeinflussen zweier sich selbstorganisierender Personen, Schmid 1994, insb. 32 ff.; Held ZTA 2002, 274 ff. 579  Ebenso Schulze / Lohkamp 2008, 199 f. 580  Es verwundert deshalb und zeigt zugleich die aktuelle Problematik auf, wenn Seidel / Ovey / Birk 2008, 12 davon sprechen, dass es kaum Fortbildungsangebote oder Personalentwicklung jenseits der fachlichen Qualifikation gebe, weil diese nach wie vor „verpönt“ sei, vgl. auch Klimecki 1998. Deshalb sind schwach ausgeprägte Führungskompetenzen im öffentlichen Dienst, dazu Bull 2005, 90, keineswegs den Führungskräften vorzuwerfen. Es muss vielmehr verwundern, dass Führungskräfte durchaus in einer Gesamtschau positiv bewertet werden, vgl. Klages 1997 und 1998.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements501

Welche Bedeutung kommt dieser Erkenntnis im Führungsprozess zu? Führungspersonen tragen zwar organisationsbegründet die Verantwortung für die Produkte und Dienstleistungen der Organisation, also abstrakt gesprochen „für die Sache“ (Organisationszweck), aber die Verantwortung für die Beziehungsgestaltung und Atmosphäre des Führungs- und damit des Arbeitsprozesses obliegt – wie bei jeder kommunikativen Beziehung – allen daran Beteiligten gleichermaßen. Diese aus dem Kommunikationsprozess erwachsene beziehungsgestaltende Verantwortung ist jedoch nicht gleich auf beide Personen verteilbar, um sodann entscheiden zu können, wer seinen Teil gut oder schlecht trägt. Beiderseitige Verantwortung für die Gestaltung einer Kommunikationsbeziehung wird dergestalt getragen, dass die aus ­einem Kommunikationsprozess erwachsene eine Verantwortlichkeit gemeinsam getragen wird – oder die Kommunikation wird beendet. Und auch diese Beendigung wird als Kommunikation von allen Beteiligten zugleich verantwortet. Kommunikation und die daraus resultierende Beziehungsverantwortung sind nicht trennbar, sondern nur (aber nicht wie bei Gegenständen) verteilbar. Weder die Organisation, noch die Führungspersonen vermögen die Geführten von ihrer Verantwortung gegenüber ihren Führungspersonen für die Gestaltung der gemeinsamen Arbeitsbeziehung zu entheben. Ebenso wenig ist das umgekehrt möglich. Die Führungskräfte benötigen zur Führungsarbeit ebenso die Unterstützung der Geführten wie die Geführten die Unterstützung der Führungskräfte! Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben lediglich auf den ersten Blick hauptsächlich Fachkompetenzen erfordert. Bereits der zweite Blick und erst recht eine genaue Analyse offenbart, dass die Umsetzung der Leitungsaufgaben im Wege des Führens vor allem Sozial- und Kommunikationskompetenzen verlangt.581 Fraglich ist deshalb für den vorliegenden Zusammenhang, was eine gute Führungskraft in der Verwaltungsorganisation des aktivierenden Staates ausmacht. Dafür lohnt es sich, typische Führungssituationen in Organisationsabläufen zumindest kurz zu benennen. Sie werden ganz praktisch zeigen, dass es sich tatsächlich auch in der Verwaltungsorganisation um einen „wechselseitigen Kommunikationsprozess mit verschiedenen Ausprägungen“582 handelt. Führungssituationen im Alltag einer Führungskraft betreffen beispielsweise informierende und klärende Konfliktgespräche mit Mitarbeitern583 ebenso wie 581  Vgl. Fisch 2002, 675 f.; Simon 2004, 37; Hoffmann NDV 2002, 90; a. A. Püttner 2007, 228, der eine differenziertere Fachausbildung einzelner Ver­ waltungsbereiche unter Beachtung dortiger Freiheits- und Verantwortungsräume fordert. 582  Wolf / Draf 1999, 78 f. 583  Siepmann / Siepmann 1992, 246; Semmler / Wewer 2005, 291.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Motivations-584 und Kritikgespräche585. Dabei muss es sich keineswegs stets um Gespräche unter Anwesenden handeln. Das mag zwar wünschenswert erscheinen, jedoch erlauben moderne Kommunikationsmittel einen umfassenden Informationsfluss auch über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg. Typische Führungssituationen in jeder Organisation betreffen überdies vor allem das organisationsinterne Konfliktmanagement586 Dies erfordert insbesondere ein hohes Maß persönlicher Konfliktlösungsfähigkeit (nicht Konfliktfreiheit!) sowie Teamfähigkeit.587 Dabei ist nicht nur, wenn ein Konflikt zwischen Mitarbeitern auftritt, Führungsarbeit gefragt, sondern auch, wenn sich ein Mitarbeiter in einem Konflikt mit Nichtmitgliedern der Organisation befindet, dessen Auswirkungen die Organisation betreffen (etwa im Kundenkontakt oder durch Ehekrisen o. ä.). Besonders schwierig wird konfliktbezogene Führungsarbeit, wenn die Führungskraft selbst im Konflikt beteiligt ist.588 Vergegenwärtigt man sich die Erkenntnisse der Transaktionsanalyse zum Sein und Werden einer Persönlichkeit, so wird der Nutzen ihrer Konzepte und Modelle für den vorliegenden Zusammenhang schnell offenbar. Die Transaktionsanalyse vermag auch in organisationsbezogenen Kommunika­ tionen aufzeigen, inwieweit sich die Struktur der Persönlichkeiten auswirkt (Strukturmodell der Ichzustände), wie sie in Funktion tritt und was in der Begegnung mit anderen tatsächlich, also wirkungsmächtig abläuft (Funk­ tionsmodell der Ichzustände, Kommunikationsanalyse, Motivationsanalyse589). Dafür vermag sie führungsrelevante Interventionen zu Verfügung stellen. Insbesondere der transaktionsanalytische Fokus, die Beziehungsebene in den wechselseitigen Transaktionen diagnostizierend zu durchleuchten und stimmige Interventionen zu erarbeiten, führt zu einer hervorragenden Eignung anhand transaktionsanalytischer Konzepte, um Führungsprozesse zu untersuchen und zu steuern. Es liegt auf der Hand, dass die Führungsarbeit der Führungskraft dann erfolgreich auf den Geführten wirkt (und nicht umgekehrt), wenn es ihr gelingt, diesen Kommunikationsprozess einflussrei584  Klages 1998; Müller 1996; Hegner 1982, 77 f.; Fisch 2006, 224; ausführlich und die Vergleichbarkeit von Privatwirtschaft und Verwaltung hierbei bejahend Meyersiek 1990. 585  Wolf / Draf 1999, 78, 145 f.; Siepmann / Siepmann 1992, 246. 586  Fisch 2002, 680; von Hertel 2008, 13 ff., 244 f. („innersystemische Mediation“); Regnet 2001, 116 ff.; Höher / Höher 2004, 11 („Führen heißt Konflikte lösen“), 14 ff.; Meixner 1996, 155. 587  Ebenso Töpfer 1990, 86 f. 588  Die genannten und durchaus problematischen und herausfordernde Führungssituationen treten verstärkt in Veränderungsprozessen einer (Verwaltungs-)Organisation auf, wie sie durch Reformumsetzungen initiiert werden; Fisch 2002, 680 ff.; exemplarisch Schäfer / Raumann OE 2009; Fackelmann OE 2009; Rösel / Prestin / Schüler-Lubienetzki / Schönermark OE 2009. 589  Dazu sogleich Kap. E. III. 4. c).



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements503

cher zu gestalten.590 Erfolgreiches Führen erfolgt durch bewusste und „intendierte Verhaltensbeeinflussung“591, mag auch über die Wirkung eigener Verhaltensweisen auf den Geführten keine absolute, d. h. linear-kausal definierbare Kontrolle herrschen. Bedeutet allerdings Führen, die Wirkungen eigenen Verhaltens auf andere abschätzen und insoweit steuern zu können, bedeutet Führen zuvorderst Selbstwahrnehmung und -erkenntnis.592 Führen beginnt mit eigener Persönlichkeitsentwicklung und Leitfrage wie beispielsweise „Wer bin ich als Führungskraft? Was bedeutet diese Rolle für mich und wie möchte ich sie ausfüllen?“.593 c) Transaktionsanalytisch fundiertes Führungsverständnis anhand des Konzepts der Grundeinstellungen Jedes Verständnis von Führungsarbeit und jeder daraus entwickelte Führungsstil korreliert mit einem zugrunde liegenden Menschenbild.594 Solche Menschenbilder lassen sich in den vier transaktionsanalytisch konzeptualisierten Grundeinstellungen sich selbst, anderen Menschen und der Welt gegenüber erfassen.595 Ihre Wirkungen beschränken sich dabei keineswegs lediglich auf die Führungsarbeit als solche, sondern haben auf jeglichen zwischenmenschlichen Umgang innerhalb und außerhalb der Organisation Einfluss und prägen überdies die „Organisationskultur“596 schlechthin. Aus diesem Grunde wird verständlich, dass die Grundeinstellung des Menschen (als soziales Individuum) umfassend auf die Gestaltung seines individuellen und sozialen Lebens ebenso wirkt wie auf das organisationale Handeln, das die Kultur der Organisationen bewirkt. Das folgende Schaubild verdeutlicht den Zusammenhang. 590  Donat / Konzelmann 2006, 133 („Nicht zuletzt kommt den Führungskräften die entscheidende Rolle bei der Aktivierung und Steuerung des wichtigsten Potentials der Verwaltung zu: Den Mitarbeitern.“). 591  Müller 1996, 43; Siepmann / Siepmann 1992, 243. 592  Hier spiegeln sich Ebenen wider. So wie Führung des Geführten bei der Führungsperson beginnt, beginnt – wie festgestellt – die Aktivierung der Gesellschaft mit der Eigenaktivierung der Staatsorganisation. Oder aus der Beobachterposition erkennbar: Der Wandel eines Beteiligten (Systems) verändert die Rahmenbedingungen des anderen (Umwelt) und umgekehrt. 593  Vgl. auch Töpfer 1990, 83 (für kooperative Führung), ausfrl. Schulz von Thun / Ruppel / Stratmann 2007, 17 ff.; generell für Personalentwicklung als Persönlichkeitsentwicklung Schibalski ZTA 1984 sowie ZTA 1989. 594  Müller 1996, 53. 595  Dazu Kap. D. III. 2. a). 596  Dazu nur Morgan 2002, 155 ff., kritisch allerdings zum Begriff der „Organisationskultur“ und in der Sache verkürzend Bosetzky / Heinrich / Schulz zur Wiesch 2002, 235.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse Individuum



Selbstbild/ Menschenbild/ Weltbild



Leitbild/Kultur der Organisation, geschaffen von den Mitgliedern der Organisation

 

Selbstkompetenz/ Sozialkompetenz

 Führungskompetenz zur Umsetzung der Leitungsaufgaben in Organisationen

Abbildung 41: Bedingungen von Führungskompetenzen597

Wirkt danach das angestrebte Leitbild bzw. die tatsächlich gelebte Kultur der Organisation auf die Führungsarbeit, die ihrerseits vom Menschenbild der Führungsperson bedingt wird, erklärt es sich von selbst, dass die Antwort auf die Frage nach einer aktivierenden Organisation und deren Leitung und Führung zuvorderst bei den Persönlichkeiten, namentlich den Führungspersönlichkeiten, selbst ansetzen muss. Führen ist Ausdruck einer – bestenfalls: entwickelten – Persönlichkeit in einer – bestenfalls: professionalisierten – Berufsrolle. Beides, Persönlichkeitsentwicklung sowie berufliche Professionalisierung, verlaufen allerdings keineswegs nach einem linearen Schema, das sich von Person zu Person gleicht, sondern wird höchst individuell bewerkstelligt. Anhand des transaktionsanalytischen Konzepts der Grundeinstellungen598 kann einerseits dieser Zusammenhang dargestellt werden. Andererseits werden dadurch zugleich Muster deutlich, die die Prozesse steuerbar werden lassen. Um die Zusammenhänge zu konzeptualisieren, werden die vier überwiegend praktizierten Führungsstile in der deutschen öffentlichen Verwaltung herangezogen, die in umfassenden empirischen Studien der Speyerischen Forschungsgruppe um Helmut Klages festgestellt werden konnten.599 Die Studien wurden anhand eines fortlaufend optimierten Fragebogens erstellt, die ein breit gefächertes Bild der öffentlichen Verwaltung skizzieren. Die Befragun597  In der Übersicht vernachlässigt sind für den hier interessanten Zusammenhang die wechselbezüglichen Wirkungen der Umwelt auf das Individuum, das sich sein Selbst-, Menschen- und Weltbild keineswegs unabhängig von seiner Umwelt macht, vgl. hierzu auch die Übersicht bei Wolf / Draf 1999, 300. 598  Dazu Kap. E. III. 4.2. 599  Vgl. Klages 1997 sowie 1998.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements505

gen der Mitarbeiter orientierten sich dabei an zwei Maßstäben als konstitutive Dimensionen: „Direktivität“ und „Gewährung von Selbstständigkeit und Kollegialität“600. „Direktivität“ erfasste alle Merkmale, die die Führungsperson als führungsstark und mächtig erscheinen lassen.601 Direktive Merkmale sind etwa Durchsetzungsfähigkeit und Geradlinigkeit. Das enthaltene Autoritätspotential ergibt sich aus Fachkenntnis und einer klaren Aufgabenorientierung. Thematisch lässt sich der Spannungsbogen mit den Polen von Dominanz / Gelassenheit umreißen. „Gewährung von Selbstständigkeit und Kollegialität“ erfasst als Dimension praktischer Führungsarbeit alle Merkmale, mit denen der Führungsperson bescheinigt wird, dass sie ihren Mitarbeitern Freiräume belässt, damit sie sich ihre Arbeit selbst einteilen können. Der Spannungsbogen lässt sich mit dem Thema Nähe / Distanz skizzieren und beschreibt dabei durchaus den Grad von Mitarbeiterorientierung.602 Die an diesen Dimensionen ausgerichteten Befragungen der Verwaltungsmitarbeiter ergaben im Ergebnis, dass insbesondere vier Führungsstile praktiziert werden. Es handelt sich dabei um folgende Führungsstile: •• der •• der •• der •• der

direktive bzw. bürokratische Führungsstil egozentrische Führungsstil Laissez-Faire Führungsstil aktivierende bzw. kooperierende Führungsstil

Eine Führungsperson nutzt in ihrer täglichen Führungsarbeit keineswegs nur einen Stil, sondern greift auf mehrere zurück, mischt sie auf ganz individuelle Art und Weise und kann zudem die Stile mit unterschiedlichen Grundeinstellungen und damit kontextangemessen ausfüllen. Das transak­ tionsanalytische Konzept der Grundeinstellungen eignet sich deshalb besonders gut, Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeit der Führungsperson und seiner Handhabung bzw. Wirkungsweise seiner unterschiedlichen Führungsinstrumente und -stile herzustellen und aufzuhellen.603 Vorliegend 600  Diese Dimension wurde zudem auch als Maßstab von „Kooperativität“ bezeichnet, vgl. Klages 1997, 202, was hier, um Missverständnisse in den Begrifflichkeiten zu vermeiden, bewusst außen vor gelassen wird. 601  Klages 1997, 202. 602  Ohne den Zusammenhang enger zu knüpfen als er tatsächlich sein mag und von den Initiatoren der Studie intendiert war, sind Parallelen in den Dimensionen „Direktivität“ und „Gewährung von Selbstständigkeit und Kollegialität“ zu den Dimensionen der Ohio- und Michigan-Studien („Aufgabenorientierung“, „Mitarbeiterorientierung“), die eine Vielzahl von Führungslehren beeinflussten, nur schwerlich zu verkennen. Näher dazu Klages 1997, 202; Schulze 1992, 89 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 603  Ebenso Hagehülsmann / Hagehülsmann ZTA 2005, 285; grundlegend Wallgreen ZTA 1989; vgl. auch James 1992, 69 ff.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

dient das Kontinuum der Grundeinstellungen nicht dazu, theoretisch ein Modell zu entwickeln, um Führungsweisen zu verorten oder auf diese Weise ein Kontinuum der Führungsstile zu entwickeln. Das ist andernorts ausführlich erfolgt.604 Dieses führungsstilbezogene Konzept der Grundeinstellungen dient vorliegend dazu, real erfahrbare und in der öffentlichen Verwaltung vorkommende Führungsstile auf die möglichen zugrunde liegenden Grundeinstellungen zurückzuführen und anhand dessen ihre Wirkungsweisen zu erklären. Daran wird deutlich werden, dass äußeres Verhalten (Führen) von der inneren Einstellung bedingt ist und sich die innere Einstellung im Kommunikationsprozess des Führens wirkungsvoll niederschlägt605 – und letztlich ausschlaggebend für den Führungsprozess ist, der Steuerungsprozess sein will. aa) Der direktive bzw. bürokratische Führungsstil Der direktive, bürokratische Stil kann als der klassische Führungsstil innerhalb der deutschen Verwaltungsorganisation gelten. Maßgebendes Kennzeichen dieses Führungsstils ist das Zurücktreten der Führungsperson hinter die geltenden Regeln und Traditionen der Organisationskultur, in deren Dienst sie sich stellt. Die Befragungsstudien zeigen, dass besonders in Krisenzeiten verstärkt auf diese Führungsweise zurückgegriffen wird, obschon eine bürokratische, eng an Normen und Regeln orientierte, Führung von den Geführten großteils, und nicht nur bei der Bewältigung von Krisen, negativ eingeschätzt wird.606 Soweit die Führungsperson mit einer negativen Grundeinstellung des „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“ bürokratisch führt, kann dies in einem übertriebenen Rückzug, aber auch in einem übermäßigen Antreiben geschehen. Dabei mag mitunter die aggressive, weil übertriebene Geschäftigkeit kurzfristigen, weil auf „Raubbau“ basierenden, Erfolg bringen.607 Es handelt sich bei dieser Grundeinstellung um die Position des Verlorenseins und der Sinnlosigkeit. Infolgedessen kommt es zum typischen „Kampf-FluchtSyndrom“608, das in der Führungsarbeit in stillem Rückzug und übertriebener Geschäftigkeit erlebbar wird. Die Gesetzes- und Regelungslage selbst dient in beiden Varianten dazu, das Führungsverhalten zu rechtfertigen. 604  Vgl.

etwa Bennett 1997, 176–192. 1992, 69. 606  Klages 1997, 204. Zu vermuten ist, dass diese Führungsweise in Bezug auf die eigenen Vorgesetzten Absicherung verspricht („Wer nicht gegen die Regeln verstößt, kann nichts falsch machen.“). 607  Vgl. Schlegel 1995, 126; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 149 f. 608  Wallgreen ZTA 1989, 30. 605  James



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements507

Einerseits bedarf es keiner direkten609 Führungsarbeit und damit keines zwischenmenschlichen, austauschenden Kontakts, da er ohnehin nichts an der Sach- und Rechtslage ändern könnte („Was gibt es schon darüber zu reden?!“).610 Im anderen Extrem wird die Rechtslage allerdings nicht weniger missbraucht, indem permanent auf sie verwiesen wird. In ihr wird im Außen der Sinn und Halt erblickt, der selbst nicht gespürt wird. Die negative Grundeinstellung ist in der Variante des Rückzugs noch für jedermann erkennbar und wird als Mangel an Führung auch wahrgenommen. Das gilt durchaus auch für die Führungskraft selbst, die die eigene Arbeit mitunter als „fad“ und „unecht“ empfindet. Dass obendrein der Führungskraft jedwede Freude an der Arbeit vergangen ist, wird nicht bloß den Geführten klar. Von „Führen“ kann im Grunde bei solchem Rückzug keine Rede sein, schon eher vom „Desertieren“611. Ruheloses und geschäftiges Antreiben hingegen wird nicht im gleichen Maße als Mangel an Führungsarbeit wahrgenommen, obschon auch dieses Treiben vor allem den Versuch darstellt, der eigenen, mit der Grundeinstellung einhergehenden, Gefühlswelt zu entkommen oder zumindest diese zu organisieren. Sucht jedoch die Führungsperson den „Ausweg aus der Sinnlosigkeit“ in einem übersteigerten Arbeitspensum, ohne die innere Grundeinstellung zu reflektieren, ändert sich nichts Substanzielles. Zwar mag es zu intensiviertem Kontakt zum Mitarbeiterstab kommen, jedoch ohne interaktivem Austausch. Der Kontakt beschränkt sich auf Anordnungen und Anweisungen sowie auf geschlossenes, mit „ja“ oder „nein“ zu beantwortendes Nachfragen. Bürokraten, ob zurückgezogen oder (voran-)getrieben612, mit der Grundeinstellung der Sinnlosigkeit, arbeiten allein und „für sich“. Führungspersonen, die derart agieren, wirken in bei609  Zur Klarstellung sei hier erwähnt, dass direkte Führungsarbeit zwischenmenschlichen, unmittelbaren Kontakt und wechselbezügliche Transaktionen erfordert, während sich direktive Führungsarbeit in Vorgaben und Befehlen erschöpft. 610  Wie selbstverständlich gehen Menschen mit der (–  / –)-Grundeinstellung davon aus, dass alle anderen die Welt (und damit auch die Rechtslage) genauso betrachten. Über die Bewertung der objektiven Welt könne kein Streit entstehen. Und wenn doch, liegt das an der Unfähigkeit der anderen. Hier zeigt sich der defensive Charakter, den diese Grundeinstellung begründet, sowohl im Rückzug als auch im Antreiben. Deshalb verwundert es nicht, wenn ein bezeichnender Charakterzug darin liegt, dass neue Informationen nicht zugelassen werden, sich und das eigene Verhalten nicht reflektiert und Probleme stets nur bei anderen erkannt werden. Ihre Antwort auf Konflikte und Probleme ist zuvorderst Wut und Ärger auf andere (= Ersatzgefühl), die sie entweder für sich behalten (Rückzug) oder anderen vorhalten (Agitation, Gewalt). Ähnlich Joines / Stewart 2008, 191. 611  So verwundert es nicht, dass der ineffektive Verfahrensstil nach dem Reddinschen Führungsstilkonzept auch als „Deserteur“ bezeichnet wird, vgl. bei Schulze 1992, 93. 612  Die (– / –)-Grundeinstellung führt in dieser Variante häufig zu den Antreibern „Sei stark!“ und „Sei perfekt!“, dazu Kap. D. III. 2. d), sowie zu den Prozessskrip-

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

den Varianten ziel- und orientierungslos und weisen eine „Tendenz zur Seelenlosigkeit“613 auf. Krisen und Veränderungsprozesse der Organisation können durchaus bewältigt werden, aber aus ihnen werden weder die Führungsperson, noch deren Mitarbeiter oder die Organisation selbst gestärkt hervorgehen.614 Soweit ineffektive Bürokraten ihre (– / –)-Grundeinstellung verlassen und zu einer „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ oder zu einer „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“-Grundeinstellung gelangen, führte dies zwar qualitativ zu mehr Kommunikation, aber oftmals nicht im direkten Kontakt, sondern über Mittelspersonen oder telefonisch, schriftlich oder per E-mail. Scheinbar zwingt das wahrgenommene Gefälle auf der Beziehungsebene zu verstärktem Kontakt, ohne dass dieser aber konstruktiv wirkt. Ihre ineffiziente Führungsarbeit zeigt sich vor allem an einer unsagbar umständlichen Organisation der Aufgabenerledigung. Infolgedessen werden die Mitarbeiter zunehmend demotiviert, was sich zu ausgewachsenen Entfremdungserscheinungen bei ihnen entwickeln kann. Das wiederum erscheint dem ineffektiven Bürokraten höchst befremdlich, da doch alles nach Recht und Gesetz erfolgt und die Mitarbeiter angemessen entlohnt würden. Die Stärken eines bürokratischen und direktiven Führungsstils kommen auf der Basis einer „Ich bin o.k., du bist o.k.“-Grundeinstellung zur vollen Entfaltung. Er ist im besten Sinne effizient und von unbestechlicher Klarheit geprägt. Er scheut keine Transparenz und ist sich der positiven Wirkungen von Regelgebundenheit bei der Entscheidungsfindung als auch in der Entscheidung selbst bewusst. Das Element von Berechenbarkeit und Sicherheit der betroffenen Mitarbeiter wird weder verkannt, noch für alle Zeiten als allein bestimmend angesehen. Der Arbeitsbereich der Geführten wird auf diese Weise, ohne beengend zu wirken, umgrenzt und schafft eine solide Basis zur Erledigung der Aufgaben. Zwar mag der Entscheidungsspielraum in der Sache gering sein, jedoch ist das kein Zeichen mangelnden Vertrauens in den Mitarbeiter, sondern sachlich begründet. Der Mitarbeiter spürt, dass er als Person und in seiner Rolle voll anerkannt wird, was jedoch nicht dazu führt, sachlich ungerechtfertigt Kompetenzen zu übertragen. Sollte es ten „Niemals“ und „Bevor nicht“, dazu Kap. D. III. 3). Diese wiederum festigen nunmehr ihrerseits die eingenommene Grundeinstellung der Sinnlosigkeit. 613  Püttner 2007, 219. 614  Völlig zu recht weisen Hagehülsmann / Hagehülsmann ZTA 2005, 275 darauf hin, dass in Zeiten organisierter Veränderung oder hereinbrechenden Krisen der Kontakt von Führungskräften zu ihren Mitarbeitern wahrscheinlich die wesentlichste Komponente von Führungsarbeit ist. Lediglich der Kontakt trägt derartige Veränderungen und lässt Krisen nicht nur durchstehen, sondern zu genutzten Chancen werden. S. dazu auch Kap. E. III. 4. d) („Strokeorientiertes Verwaltungsmanagement“).



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements509

zu Unklarheiten darüber oder über die Kompetenzbereiche selbst kommen, finden die Mitarbeiter durch Nachfragen und im direkten Kontakt mit der Führungsperson präzise und verwertbare Antworten. Zwischenmenschliches und Privates findet zwar nach wie vor keinen Eingang in das Führungsinstrumentarium, doch ist für den Geführten spürbar, dass dies lediglich die Grenzen der Zusammenarbeit absteckt. In anderen als den beruflichen Kontexten sind private Themen der Führungsperson keineswegs unangenehm. Allein, sie „gehören“ auch für den Bürokraten mit einer (+ / +)-Grundeinstellung nicht „zur Arbeit“. Darin ist keine Abwertung der Person des Mitarbeiters enthalten, was dieser sehr wohl spürt und durch Einhaltung der Grenzen honoriert. Die klare Zuordnung und Begrenzung des Umgangs miteinander dürfte auch der Grund für das vorbildhafte Krisenmanagement des effektiven Bürokraten sein. bb) Der egozentrische Führungsstil Der egozentrische Führungsstil wird in beiden den Befragungen zugrunde liegenden Dimensionen von Verwaltungsmitarbeitern abgelehnt. Sowohl bei den Merkmalen der „Direktivität“ als auch bei den Merkmalen, die die „Gewährung von Selbstständigkeit und Kollegialität“ anzeigen, wurde der egozentrische Führungsstil als schwach eingestuft.615 Der egozentrische Führungsstil korreliert regelmäßig mit der Grundeinstellung „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“, was sich sowohl in unverhohlener Abwertung anderer als auch in der Überbetonung der eigenen Person spiegeln kann. Der egozentrisch führende Vorgesetzte, getragen von einer übersicheren und wenig zugänglichen Art, galt zwar lange Zeit als prädestiniert für Führungsaufgaben616, jedoch ist er in der öffentlichen Verwaltung zunehmend weniger vertreten und beliebt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich die Mitarbeiter nicht geführt, sondern – je nachdem – vorgeführt oder benutzt fühlen. 615  Klages

1997, 204. dürfte mit den früher favorisierten autoritären Strukturen in Organisationen zu tun haben, die einen derartigen Führungsstil geradezu provozierten. Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 148, 254 sowie Krausz ZTA 1989, 102 zum „zwingenden Führungsstil“, mit dem große Übereinstimmungen zum egozentrischen Führungsstil bestehen. Insbesondere im Zusammenhang mit den Themen „Macht“ und „Abhängigkeit“ kommt die zwingende autoritäre Struktur einer egozentrischen Führungsperson zum Ausdruck. Der Unterschied zum direktiven, bürokratischen Führungsstil, der auf einer (+ / –)-Grundeinstellung basiert, zeigt sich im Grad des Kontakts. Kontaktarmut ist dem zwingenden, egozentrischen Führungsstil ein Graus, denn nur im Kontakt mit den „Untergebenen“ wird die eigene Grundeinstellung bestätigt werden können. 616  Das

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Ein egozentrischer Führungsstil auf der Basis von „Ich bin o.k., du bist o.k.“ existiert hingegen nicht. Wer sich und andere akzeptiert in dem, was sie sind, stellt sich zu keinem Zeitpunkt auf Kosten anderer Menschen ins Zentrum. Die positive Grundeinstellung, sich selbst und den anderen gegenüber, verhindert derartig aufwertendes Gehabe. Das bedeutet andererseits nicht, dass der „O.K.-Boss“617, mit den Tätigkeiten und Verrichtungen stets zufrieden ist und alles in Ordnung bzw. eben „o.k.“ findet. Ganz im Gegenteil, doch weiß er die Person seines Mitarbeiters von dessen Tätigkeit zu trennen und nicht das eine mit dem anderen zu verwechseln. Gerade weil er um die grundsätzliche Lernfähigkeit und -willigkeit weiß, ist er bestrebt, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, statt sich zu Lasten aller in Ich-Getue zu verzetteln. Möglich erscheint allerdings, dass die egozentrische Führungsweise den Versuch darstellt, die Annahme eigener Wertlosigkeit gegenüber den anderen zu kompensieren. Insoweit stellt sie den Versuch dar, über die Führungsweise und damit in der organisationsbedingten Begegnung mit anderen die Wahrnehmung der Gedanken- und Gefühlswelt von „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ zu verhindern oder zumindest abzufedern. Das erscheint als ein antriebsstarker Motor, der zu Höchstleistungen führen kann. Allerdings ist festzustellen, dass diese sich auf die eigenen Fachkompetenzen beschränken, nicht aber auf die Motivation und Förderung seiner Mitarbeiter, für die er als Führungskraft zuständig ist. Egozentrische Führungspersonen erscheinen oftmals wie „Obersachbearbeiter“, die stets bemüht sind, die „Besten im Stall“ zu bleiben – und verkennen damit das originäre Aufgabenfeld einer Führungskraft. cc) Der Laissez-Faire-Führungsstil Nähert man sich dem sog. Laissez-Faire-Führungsstil unvoreingenommen618, lässt sich feststellen, dass er sowohl im konstruktiven als auch im destruktiven Sinne nahezu grenzenlos zu wirken imstande ist. Ein „Gewährenlassen“ kann die unterschiedlichsten Wirkungen entfalten, was keineswegs bloß von den Persönlichkeiten der Mitarbeiter oder sonstigen Umständen abhängt, sondern maßgeblich auch von der zugrunde liegenden Einstellung der Führungsperson.

617  James

1992. wird der Laissez-Faire-Stil jedoch reflexartig negativ konnotiert, da das erkennbare „Gewährenlassen“ im Arbeits- und Organisationskontext mitunter als Schleifenlassen, Aus- und Zurückweichen gleichgesetzt wird, vgl. etwa Wolf / Draf 1999, 13; Klages 1998, 62. 618  Häufig



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements511

Ähnlich dem Führungsstil eines ineffektiven Bürokraten, der aus einer „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“-Grundeinstellung vor seinen Führungsaufgaben de facto desertiert, verzichtet auch der Laissez-Faire-Stil auf Führung, soweit er sich aus der Grundeinstellung der Sinnlosigkeit gebiert. So wie sich eine innerlich derart eingestellte Führungsperson verloren und ohne Sinn fühlt, lässt sie ihre Mitarbeiter auf verlorenem Posten stehen und vermag ihnen keinen Sinn der anstehenden Tätigkeiten und Aufgaben vermitteln. Dieser Stil, basierend auf der Position der Sinnlosigkeit, ist wohl derjenige Stil, auf den der Begriff der „Führung“ am allerwenigsten zutrifft.619 Der Unterschied zwischen diesem Laissez-Faire-Stil und dem ineffektiven bürokratischen Stil findet sich in den Einstellungen gegenüber dem Gesetz bzw. sonstigen Arbeitsvorgaben (= Welt). Der Bürokrat erkennt in ihnen seinen (Handlungs-)Sinn und glaubt (irrig), deshalb nicht direkt und aktiv führen zu müssen. Für ihn ist alles klar und wer sich nicht daran hält, wird den Gesetzen entsprechend behandelt. Mit seiner Person habe all das nicht viel zu tun. Seine Mitarbeiter wissen um die Gesetze und Vorgaben ebenso Bescheid. Vertreter des Laissez-Faire-Stils hingegen, die auf einer „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“-Basis operieren, interessieren sich bereits wenig für die Gesetze und Vorgaben (= Welt). Sie erkennen sich kaum als Adressaten und richten ihre „Handlungen“ kaum nach ihnen aus. Trotz identischer Grundeinstellung wirkt sich der ineffektive Bürokrat weder auf die Organisation noch auf die Mitarbeiter derart verheerend aus wie der Laissez-Faire-Stil mit negativer Grundeinstellung. Ein Laissez-Faire-Stil, getragen von einer positiven Grundeinstellung (+ / +), vermag allerdings nicht unerheblich konstruktiv wirken. Indem er ausgedehnte Freiräume für die Geführten zu schaffen in der Lage ist, können entsprechend konstituierte Mitarbeiterpersönlichkeiten solche Freiräume nutzbringend für die Organisation und die eigene Persönlichkeitsentwicklung ausfüllen.620 Den Entscheidungen und konkreten Vorgehensweisen einer solchen Führungskraft, so wenig sie ausdrücklich benannt und bekannt werden, wird große Bedeutung beigemessen. Dieser Stil versucht selbst, die reaktive Kontrolle zu vermeiden. Fehler weiß diese Führungsperson am ehesten als das zu begreifen, was sie sind. Nicht als Anlass, den Mitarbeitern das Fehlende beizubringen, sondern sie allenfalls auf Fehlendes hinzuweisen in dem Wissen und Vertrauen, dass der Mitarbeiter nunmehr darum bemüht ist, das ihm Fehlende zu integrieren, um derartige Fehler unnötig 619  In diesem Zusammenhang wird auch von einem „Tauchstil oder Stil der Senilen“ gesprochen, vgl. Wolf / Draf 1999, 13. 620  Diese Tatsache dürfte Töpfer 1990, 82 zu der Feststellung veranlasst haben, dass „Kooperative Führung […] die ganze Bandbreite zwischen laissez-faire und autoritär [umfasst]…“.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

werden zu lassen. Für Rückfragen und Erläuterungen ist die Führungsperson offen und zugänglich. An einer derartigen Personalentwicklung ist der Laissez-Faire-Stil mit den Grundeinstellungen „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ sowie „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ hingegen ebenso wenig interessiert wie mit der Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“. Dem Laissez-Faire-Still geht bei nahezu jeder Grundeinstellung jedes Kontrollbedürfnis ab. Das unterscheidet ihn vom bürokratischen Stil. Dem bürokratischen Stil ist bei jeder Grundeinstellung viel an Kontrolle gelegen. dd) Der aktivierende bzw. kooperierende Führungsstil Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Staat, um aktivierend auf die gesellschaftlichen Akteure wirken zu können, sich selbst aktivieren muss. Erst eine aktivierende Verwaltung vermag das Leitbild zu beleben, wozu ein verwaltungsinterner Organisations- und Kulturwandel erforderlich scheint. Es verwundert in diesem Zusammenhang keineswegs, dass die befragten Verwaltungsmitarbeiter gleichsam eine aktivierende Führung innerhalb der Verwaltungsorganisation bevorzugen und ihr – soweit verwirklicht – beste Führungsnoten bescheinigen.621 Die Leitgedanken des aktivierenden Führungsstils entsprechen den Empfehlungen und Maßgaben des Standardwerks zum Thema „Leiten und Führen in der öffentlichen Verwaltung“.622 Doch auch dieser Führungsstil wird von der Grundeinstellung der Führungsperson bedingt. Die Anwendung kooperativer und damit grundsätzlich aktivierender Instrumente führt keineswegs immer zum gewünschten Erfolg. Das ist weder überraschend, weil die Instrumentenverwendung keine linear-kausale Ursache zu setzen vermag, noch ist es ein Grund, solche – dennoch bewirkenden – Instrumente als untauglich zu verwerfen. Die tatsächlichen Grundeinstellungen der beteiligten Führungsperson sind dabei lohnende Ansatzpunkte, um eine mangelnde Aktivierung und wenig kooperierende Art und Weise des Führungshandelns zu erklären. Zwar ist mittlerweile unbestritten, dass die Verwaltung kooperativ geführt werden muss, doch unklar ist nach wie vor, wie ein kooperativer Führungsstil ausgestaltet ist.623 Insoweit kann als gesichert gelten, dass kooperative 621  Klages

1997 sowie 1998. Wolf / Draf 1999 (zusammenfassend S. 307), obgleich hier von einem „kooperativen Führungsstil“ gesprochen wird. Die andersartige Titulierung erklärt sich daraus – wie sich aus den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit ableiten lässt –, dass „Aktivierung“ das Ziel und „Kooperation“ den Weg und das bedeutendste Instrument dafür beschreibt. In der Sache gleichen sich die Konzepte, vgl. dazu Töpfer 1982 sowie 1990. 623  So bereits Töpfer 1990, 81. 622  Vgl.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements513

Führung maßgebend von der Persönlichkeit der Führungsperson abhängt und diese maßgebend auf die Wirkungen seiner Führungsarbeit Einfluss nimmt.624 Führung ist mit anderen Worten nicht bloß eine professionalisierte Technik, sondern zuvorderst eine professionalisierte Haltung. Dabei ist schon jetzt feststellbar, dass es keinen aktivierenden Führungsstil auf der Basis einer „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“-Grundeinstellung gibt. Wer sich, die anderen und die Welt auf diese Weise betrachtet, kann nicht die Idee verinnerlicht haben, kooperierende Führungsinstrumente zur Aktivierung einzusetzen. Dieser Führungsstil wird de facto durch die Grundeinstellung der Sinnlosigkeit ausgeschlossen. Aktivierende und auf Kooperation zielende Führungsinstrumente, die mit der Grundeinstellung „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“ gehandhabt werden, münden früher oder später in einer – für alle Beteiligten – unangenehmen Überfürsorglichkeit gegenüber den Geführten. Die abwertende Einstellung gegenüber den geführten Personen äußert sich gerade in einer erdrückenden Überfürsorglichkeit. Diese Herabsetzung ist zumeist auf der Beziehungsebene in der interaktiven Kommunikation festzustellen und äußert sich in einem wohlmeinenden Paternalismus, der das gesamte Arbeitsklima durchdringt und lähmend wirkt. Das Zuviel an Hilfe („Kooperationsangebote“) wirkt erdrückend und fördert bei den Mitarbeitern eine Unselbstständigkeit und Abhängigkeit.625 Zwar lässt sich die Abwertung nicht auf den ersten Blick und ohne weiteres feststellen, da sich die Beteiligten kaum darüber bewusst sind, doch atmosphärisch vermitteln die ausgetauschten Transaktionen wahrnehmbar, dass alle Geschäftigkeit von der Führungsperson abhängt. Er wirkt mehr wie ein übereifriger Trainer626, spricht von den Mitarbeitern mitunter von „seinen Jungs“ und „seinen Mädels“, die noch von seiner Motivationsgabe abhängen. Die Abwertungen verbergen sich zumeist „hinterm Komma“, in unmerklichen Einschränkungen: „Ich bin sicher, dass sie die Aufgabe erledigen, wenn sie sich nur richtig anstrengen“ oder „Das musst du nicht mehr heute erledigen. Du bist doch vollkommen überfordert damit“.627 Beachtlich ist, dass beide Seiten abwerten und so die symbiotische Beziehungsstruktur 624  Vgl.

Töpfer 1990, 81 f. Krausz ZTA 1989, 101; James 1992, 20 f., die diesen Führungsstil als „Coach“ in der Form des „wohlwollenden Despoten“ bezeichnet. 626  Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 260 sprechen deshalb auch vom „trainierenden Führungsstil“. 627  Freilich mag eine solche übertriebene Fürsorglichkeit auch Ausdruck eigener Unzulänglichkeitseinschätzungen sein, die die Angst vor den Leistungen anderer kaschieren soll, wie James 1992, 21 vermutet. Das entspricht einer (– / +)-Grundeinstellung, die im Alltag oftmals zu Pendelbewegungen mit (– / +) führt. Generell muss mit den Verbaläußerung keineswegs stets eine Abwertung einhergehen und sich die Interaktionspartner in einer symbiotischen Beziehungsstruktur befinden. Erst aus 625  Vgl.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

aufrechterhalten bleibt: Die Führungsperson glaubt ihrerseits, dass die Leistung der Geführten von seiner (permanenten) Motivationsarbeit abhängt. Die Geführten glauben unterdessen, dass ihre Leistungsfähigkeit von der Motivationsarbeit ihrer Führungsperson abhängig ist. Indem sie annehmen, ohne ihn hilflos zu sein, stützen sie die schiefe Beziehungsstruktur.628 So wirken Mitarbeiter- und vor allem Teamgespräche künstlich und wenig kraftvoll, sind nur scheinbar motivierend und aktivierend629, wie Strohfeuer. Sie verkommen zu Werbeveranstaltungen, in denen die Führungsperson einerseits die Stimmungslage abzuklären sucht und andererseits die Geführten von seiner Präferenz überzeugen möchte. Einwände werden angehört, weil es zum kooperierenden Ton gehört, doch verhindert die Grundeinstellung, dass die eigene Entscheidung reflektiert wird und neue Impulse eingearbeitet würden. Rückmeldungen zur Führungsarbeit sind keineswegs willkommen und verhallen kommentarlos im Raum. Mitarbeiterbefragungen dienen der Führungsperson mehr als Stimmungsbarometer, denn als Grundlagenerweiterungen eigener Entscheidungen.630 Irgendwie spüren die Geführten, dass das Ziel von mehr Kooperation und Eigenverantwortung Ziel bleiben soll, bloßes Gerede und Verpackung ist, aber ohne Substanz und wirklicher Veränderungsbereitschaft. Wenig demotiviert auf lange Sicht mehr. Im Ergebnis bleiben beide „Seiten“, Führungspersonen und Geführte, infolge gegenseitiger Manipulation in ihrer symbiotischen Verbundenheit gefangen.631 Der Führer führt nicht die zu Führenden zur Eigenverantwortung und Selbstständigkeit, sondern verführt und hält sie durch Manipulation in der Symbiose. Sein kooperatives Instrumentarium verkommt durch seine grundeinstellungsbegründete Abwertung zur bloßen Kalkulation und Verfeinerung von selbsterhaltender Kontrolle. Hingegen bleibt der Geführte aufgaben- und problembezogen passiv durch Überanpassung.

einem Zusammenspiel von Äußerung, Gestik, Mimik und Verhalten können gesicherte Hypothesen gebildet werden. 628  Bevorzugte psychologische Spiele sind auf Seiten der Führungsperson „Ich versuche ja nur, Dir zu helfen“ und „Du Ärmster“. Und auf Seiten der Geführten „Tritt mich und lache mich dabei aus!“, „Holzbein“, „Sieh nur, wie ich mich bemüht habe“, „Überlastet“ und „Ich Ärmster“, zum Ganzen s. Kap. D. IV. 2. b) sowie Gührs / Nowak 2002, 145 ff. 629  Balling ZTA 1989, 115 spricht in diesem Zusammenhang von Motipulation, um die Mischung aus Motivation und Manipulation sprachlich begreifbar zu machen. 630  So werden etwa Mitarbeiter ermutigt, Ideen zu Fragestellungen zu entwickeln, die insgeheim längst entschieden sind, Balling ZTA 1989, 115. Aktivierung wird auch dort erkannt, wo nur für den Papierkorb gearbeitet wird. Allgemeinhin wird dieses Phänomen auch als „Beschäftigungstherapie“ bezeichnet. 631  Ausführlich zum Symbiosekonzept in hierarchischen Arbeitsbeziehungen ­Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 253 ff., dazu auch Balling ZTA 1989, 114 f.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements515

Anders entwickelt sich der Führungsprozess, wenn die Führungsperson kooperationsförderliche und aktivierende Führungsinstrumente mit der Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“ verwendet. Die Grundströmung einer selbstabwertenden Grundeinstellung ist das Ausweichen vor offenem und direktem, d. h. insbesondere ehrlichem Kontakt. Es handelt sich um die Position des Abrückens und Weggehens.632 In Situationen, die der Führungsperson konkrete Entscheidungen abfordern, wird unter dem Deckmantel von kooperativer Förderung der Geführten und einem kritikresistenten Demokratieanliegen ausgewichen. Einerseits wird Kooperation mit Demokratie verwechselt und andererseits Demokratie als Allheilmittel angesehen, dessen Verabreichung von eigener Verantwortung freizeichnet. Entscheidungen sollen – im Namen des Kooperationsgedankens – plötzlich „alle treffen“, obschon sie der Führungskraft obliegen. Seine Grundeinstellung (ver-)führt ihn dazu, dass der sinnvolle Weg der Kooperation nicht mehr nur auf die Beziehungsebene beschränkt wird, sondern auch auf die Sachebene ausgedehnt werden müsse. Die Führungsperson „übersieht“ dabei beflissentlich, dass Kooperation und Aktivierung nicht bedeutet, dass die sachlich begründete Entscheidungsverantwortung nicht auf alle Mitarbeiter ausgedehnt wird. Kooperation bedeutet gerade nicht, dass alle alles machen, weil dann nichts geschafft würde, sondern dass jeder das Seinige erledigt und dadurch – vom Standpunkt des Ganzen aus betrachtet – alle kooperativ zusammen arbeiten. Deshalb bedeutet die Idee der Aktivierung und Kooperation nicht, dass die Führungsperson die anstehenden Führungsentscheidungen im Wege der (Basis-)Demokratie entscheiden lässt. Kooperation bedeutet, dass er seinen Entscheidungsfindungsprozess zusammen mit seinen Mitarbeitern gestaltet und angesichts ihrer Überlegungen und Ansichten seine Entscheidung trifft und gegenüber seinen Mitarbeitern begründet und vertritt.633 Führung wird prozesshaft auf der einen Seite gestaltet und prozesshaft auf der anderen erlebt. Keineswegs zeigt sich Führung allein im Entscheidungsinhalt – und auch nicht vorrangig. Verführt die Grundeinstellung allerdings dazu, in Führungsprozessen Kooperation mit Demokratie zu verwechseln, wird Führung als beiderseits aktivierender Prozess aufgegeben und ausgeschlossen. Führungspersonen, die auf diese Weise Kooperation einerseits verzerrt verstehen und zusätzlich mit Demokratie verwechseln, wirken im besten Sinne des Wortes wie „unfassbare Kompromissler“. In konfligierenden Situationen treten sie sodann als „überbeflissene Friedensstifter“634 auf. Ihre unermessliche Sorge darum, als autoritär, abkanzelnd und unkommunikativ zu gelten, führt zu einer überfür632  Vgl.

Kap. D. III. 2. a) bb). Töpfer 1990, 92. 634  Dazu James 1992, 29 f. 633  Vgl.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

sorglichen Weichspülerei der eigenen Person und eigener Entscheidungsversuche. Unterstützt wird dieses Bemühen durch ein weiteres Missverständnis, das die Idee der Mitarbeiterförderung betrifft. Autoritäres Auftreten wird hinter jedem Ausdruck von Ärger erblickt, so dass sich dieser als solches bereits verbietet. Selbst berechtigter Ärger wird nicht mehr offen und direkt und damit auflösend angesprochen.635 Dies hat erhebliche Konsequenzen für den Führungsprozess: Offener und direkter Ärgerausdruck würde dem Geführten Grenzen aufzeigen und ermöglichen, eine klare und sichere Arbeitsbeziehung mitgestalten zu können. Erst die Ansprache über eigene Grenzen, die Mitteilung über Erwartungen und Ansprüche an die Zusammenarbeit sowie ein angemessener Umgang mit diesbezüglichen Grenzüberschreitungen und Missachtungen aus einer (+ / +)-Grundeinstellung heraus ermöglichen es, die zukünftige Zusammenarbeit konstruktiv zu gestalten. Der Ausdruck von Ärger ist Teil des Miteinanders und verhindert es nicht. Wird allerdings die Förderungsidee infolge einer „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“-Grundeinstellung derart verstanden, dass Ärger und Konflikte stets Zeichen mangelnder Kooperation sind, wird sich kaum getraut, sie offen zum Ausdruck zu bringen. Da die Unterdrückung von Ärger und Wut über die Mitarbeiterleistungen viel (emotionale und mentale) Energie kostet, ist es wenig verwunderlich, dass sich die aufgestaute Energie später spontan und unangemessen Bahn bricht.636 Dieses Verhalten wird durch die persönliche Gefühlsstruktur bedingt. Die Angst, bei den Geführten als autoritär zu gelten, verhindert in diesem Fall eine konstruktive und tatsächlich kooperierende Führung, weil sie Halt und Sicherheit nicht bieten kann.637 635  Vgl.

dazu auch Kap. E. III. 2. b). „Gefühlsstau“ durchbricht sodann die aufgesetzte Welt der Ersatzgefühle, dazu Kap. E. III. 2. b) bb), und wirkt, als erlaube sich die Führungsperson einmal einen Wutausbruch, der schon längst überfällig war. Hier wird verständlich, weshalb die Transaktionsanalyse von „Rabattmarken“ als Währung für Ersatzgefühle spricht. Solche Rabattmarken (Ärgermarken, Traurigkeitsmarken) werden wie Gutscheine in einem Bonusheft gesammelt und können zu passender Gelegenheit eingetauscht werden, um die unterdrückten, „nicht erlaubten“ Gefühle zumindest kurzfristig und ungestraft ausleben zu können vgl. Berne 2001, 172 ff. Löst eine Führungsperson ihr Bonusheft ein, das sie anlegte, weil sie aus Angst, als autoritär zu gelten, keinen Ärger ausdrückte, führt das zu einem Wutausbruch, bei dem sie kurzfristig die Grundeinstellung wechselt. Möglich ist, dass sie zur „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“-Grundeinstellung wechselt oder aber sogleich die Grundeinstellung der Sinnlosigkeit allen Handelns und Seins bezieht. Je nach Größe des Sammelheftes verläuft der „Wutausbruch“. 637  Häufig mangelt es an konkreten Anweisungen der oberen Führungsebene, wie auf der nachgeordneten Ebene bestimmte Befugnisse und Begrenzungen verteilt sind, die sich gerade nicht aus einem schriftlichen Regelwerk ergeben, sondern von der übergeordneten Führungsperson verteilt werden müssen. Die (aus Angst, autoritär zu gelten) unterlassene Führungsentscheidung begründet Unklarheiten sowie „Gerangel“ um die entsprechenden Aufgaben auf der unteren Ebene. Möglich ist, 636  Dieser



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements517

Die kooperative Gestaltung des interaktiven Arbeitsprozesses mit dem Ziel, alle vorhandenen persönlichen Ressourcen zu aktivieren, gelingt auf der Basis einer „Ich bin o.k., du bist o.k.“-Grundeinstellung am ehesten. Die propagierten Wirkungen kooperationsförderlicher Führungsinstrumente sind von der positiven Grundeinstellung sich selbst und den anderen gegenüber abhängig. Diese fördert die Beteiligung aller und fordert dadurch deren Eigenverantwortlichkeit, weshalb sie Kooperation nicht benutzt, um Verantwortung zu verlagern. Eine Führungsperson mit dieser Grundeinstellung reißt weder Entscheidungen und Verantwortlichkeiten an sich, die ihr nicht zustehen und die sie nicht übernehmen kann, noch wälzt sie eigene Entscheidungen und Verantwortung auf die Geführten ab. Die Führungsperson weiß um die förder­ lichen Wirkungen eines kooperativ gestalteten Entscheidungsfindungsprozesses sowie um die erforderliche Klarheit von Sachentscheidungen, die klare Verantwortlichkeiten nach sich ziehen. Zu einer Verwechslung von Kooperation mit Demokratie oder Partizipation kann es angesichts der Grundpositionierung nicht kommen. Praktisch bedeutet das vor allem, dass es für einen kooperativen Führungsstil keine Stereotypen gibt. Weder können Rezepte noch gar Allheilmittel an Führungspersonen verteilt werden, damit sie kooperativ führen.638 Soweit man im Grundsatz zwischen Sach- und Beziehungsebene differenzieren mag, betrifft Kooperation nicht die Sach-, sondern die Beziehungsebene, gibt keine materiellen Inhalte vor, sondern gestaltet den Prozess der Arbeitsbeziehung (um). Jedoch bestimmt diese prozesshafte Beziehungsgestaltung die spätere materielle Entscheidung, ohne dass linearkausal feststellbar bleibt, wer wie die Weichen gestellt hat. Der Einfluss der am Arbeits- bzw. genauer am Führungsprozess beteiligten Personen auf die getroffenen Sachentscheidungen wird dadurch einerseits enorm gesteigert, so dass alle personalen Ressourcen genutzt werden, ist aber andererseits nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. Kooperative Führung bedeutet und erfordert deshalb, dass sich ein jeder, der sich an diesem Prozess beteiligt, darauf mit seiner gesamten Person einlässt, um die Rolle auszufüllen. Das wiederum ist nur möglich mit einer „Ich bin o.k., du bist o.k.“-Grundeinstellung, weshalb das organisationale Ziel der Aktivierung aller durch kooperative Führungsprozesse seinerseits zu einer prozesshaften Entwicklung des beteiligten Personals führt. Oder anders gewendet führt der kooperative bzw. aktivierende Führungsstil auf der Basis von „Ich bin o.k., du bist o.k.“ zu der Erkenntnis, dass die Aufgaben ganz vernachlässigt werden oder aber sich eine Führungsperson auf der nachgeordneten Ebene diese Verteilungsaufgabe selbst vornimmt. Mitunter übernimmt auch die Sekretärin der oberen Führungskraft, bei der sich die Rangelnden beschweren oder trösten, die Entscheidung. Die Sekretärin freilich ist damit überfordert und kompensiert ihrerseits aus falsch verstandener Kooperation die Führungslücke, vgl. Balling ZTA 1989, 112. 638  Ebenso Töpfer 1990, 82 ff.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

dass interne Aktivierung nicht bloß sachbezogene, fachliche Personalentwicklung ist, sondern umfängliche und damit auch beziehungsbezogene Persönlichkeitsentwicklung.639 Soweit das Konzept der Grundeinstellung verdeutlicht, dass Führungsarbeit prozesshaft wirkt und deshalb situativ zu erfolgen hat, die Führungsperson folglich in der Gestaltung der Führungsarbeit sich selbst, die geführte Person sowie die konkrete Situation beachten sollte, bleibt und – paradoxerweise – verstärkt sich das Bedürfnis von Führungskräften, was sie nun konkret tun können.640 Die Antwort muss angesichts der aufgeführten Erkenntnisse eher ernüchternd ausfallen, denn keine Situation kann vorweggenommen werden. Um allerdings auf einer „O.k.“-Basis das konkrete Handeln aus der Vielzahl von Möglichkeiten auswählen zu können, bedarf es konkreter Konzepte, die die Bandbreite der Möglichkeiten darlegen. Beispielhaft soll im Folgenden ein derartiges transaktionsanalytisches Konzept vorgestellt werden, das die zwischenmenschliche Beziehungsgestaltung durch Zuwendungen umfasst. Ausgewählt wurde es nicht nur angesichts der vorangegangenen Untersuchungsergebnisse, dass ein gelingender Interak­ tionsprozess auf der Beziehungsebene enorme Bedeutung für den Führungsprozess hat. Ausgewählt wurde es, weil in der Praxis von Organisationen diesbezüglich besonders hoher Bedarf existiert.641 d) Transaktionsanalytisch fundierte Führungsarbeit anhand des Konzepts der Zuwendungen – strokeorientiertes Führungsmanagement Führungsarbeit erfordert unmittelbaren zwischenmenschlichen Kontakt von Führungsperson und Geführten, der durch nichts zu ersetzen ist. Und der menschliche Wunsch nach Kontakt und seiner ganz individuellen Ausgestaltung ist so zentral für unser allgemeines Wohlbefinden, dass wir sehr viel Energie aufwenden, um ihm gerecht zu werden. Keineswegs gilt das ausschließlich für zwischenmenschliche Kontakte im beruflichen und / oder organisationalen Bereich. Angesichts der Tatsache allerdings, dass wir Menschen heutzutage einen Großteil unserer Wachzeiten in beruflichen und / oder organisationalen Kontexten verbringen, ist diese Aussage dennoch von enormer Bedeutung. Es verwundert also keineswegs, dass eine unbefriedi639  In wünschenswerter Klarheit Schibalski ZTA 1984, insbes. 34; ders. ZTA 1989, insbes. 121; Mohr 2000, 101 f. 640  Vgl. Schulze / Lohkamp 2008, 209. 641  Wolf / Draf 1999, 113 („Es fehlt ganz allgemein an einer Anerkennungstechnik und -praxis. ‚Solange ich nichts sage, ist alles in Ordnung‘ verrät eine ebenso falsche Einstellung wie eine leere Höflichkeit …“).



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements519

gende Kontaktgestaltung im beruflichen Kontext Demotivation bis hin zur Frustration zur Konsequenz hat. Deshalb ist es ein (rationales) Gebot für Organisationen bzw. deren Leitungs- und Führungskräfte ein hohes Maß an Bewusstheit, Raum, Zeit und Ressourcen darauf zu verwenden, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie der zwischenmenschliche Kontakt ausgestaltet wird und werden möchte. Die organisationale Realität ihrerseits vermittelt ein Bild, das diesbezüglich enorme Herausforderungen parat hält, um nicht zu sagen, dass sich die Frage nach der Gestaltung des zwischenmenschlichen Kontakts jenseits gemeinsamer Reflexion und Absprache befindet. „Net gschumpfe isch gnug globt“, heißt es im Schwäbischen, was im Österreichischen soviel bedeutet wie „Wenn man aufhört, den Hund zu schlagen, freut er sich“. Es ist empirisch hinreichend untermauert, was praktisch in jeder Organisation beobachtbar ist: Ein unbewusster und deshalb völlig unzureichender Umgang mit (ehrlichem) Lob und (konstruktivem) Tadel ist Normalität. Von einer Kultur der Anerkennung ist insbesondere die bürokratische Verwaltungsorganisa­ tion weit entfernt.642 Das galt lange Zeit durchaus als erstrebenswert, um einen vermeintlich reibungsfreien Ablauf in einer Organisation zu gewährleisten, von der seine Gestalter das (Vor-)Bild einer Maschine hatten.643 Im Folgenden wird deshalb das transaktionsanalytische Zuwendungskonzept erläutert und seine Implementation in die Verwaltungspraxis skizziert, um eine Anerkennungs- und Beachtungskultur zu fördern, die einer aktivierenden Verwaltungsorganisation gerecht zu werden vermag. Um jedoch das Konzept der Zuwendung sowohl in seiner praktischen Nutzbarkeit als auch in die Landschaft transaktionsanalytischer Konzepte stimmig einordnen zu können, bedarf es grundlegender Ausführungen zur transaktionsanalytischen Motivationskonzeption. aa) Ausgangspunkte Der angedeutete Istzustand ist zwar historisch erklärbar, verwundert aber dennoch, wenn man in Betracht zieht, dass das Bedürfnis nach Anerken642  Wolf / Draf

1999, 113. Morgan 2002, 23 ff., 50 („Der mechanistische Organisationsansatz scheint die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten eher zu begrenzen als zu mobilisieren und formt die Menschen nach den Erfordernissen der mechanistischen Organisation, anstatt die Organisation auf die Stärken und Fähigkeiten der Mitarbeiter auszurichten. Bei diesem Arrangement verlieren die Arbeitnehmer genauso wie die Organisation. Ihnen entgehen Chancen der Persönlichkeitsentwicklung […] und den Organisationen gehen die kreativen und intelligenten Beiträge verloren, zu denen die meisten Arbeitnehmer fähig sind, wenn sie Gelegenheit dazu bekommen.“); lesenswert dazu auch Bohl ZKM 2001. 643  Dazu

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

nung ein überlebensnotwendiges Grundbedürfnis ist.644 Anerkennung und Beachtung unserer Persönlichkeit und Handlungsweisen sind zwingend für unser physisch-psychisches Wachstum erforderlich. Sie gehören zu den antriebsstärksten Motoren unseres Handelns, was insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, dass kooperatives Handeln unter Menschen sowohl die biologischen als auch psychologischen Systeme auf gesunde und wachstumsförderliche Weise anregt.645 Andererseits gilt aber auch, dass jede (und sei es auch eine verletzende) Form von Zuwendung besser ist, als (auf lange Sicht) gar keine Strokes.646 Darauf wird zurückzukommen sein. Berne und seine Schüler formulierten neben den materiellen Grundbedürfnissen nach Nahrung, Kleidung und Obdach drei psycho-physiologische Grundbedürfnisse.647 Besonders beachtlich daran war, dass sie sie von 644  Bereits die frühere Säuglingsforschung zeigte, dass hygienisch makellose Bedingungen und ordentliche Ernährung für Kinder zum Überleben allein nicht ausreichen. Selbst Kinder, denen es an körperlicher Zuwendung (Stimulierung des Tastorgans Haut) nicht mangelt, dafür aber an Nahrung, haben eine höhere Überlebenschance als diejenigen, die (früher bspw. in Waisenhäusern) zwar ausreichend Nahrung erhielten, aber keine körperliche Zuwendung, vgl. Spitz 2009; dazu auch Stewart / Joines 2008, 116 f.; Rautenberg / Rogoll 2007, 95 ff.; mit weiterführenden Anmerkungen Schlegel 1995, 101 f. Eindrucksvolles Fallbeispiel bei James / Jongeward 1984, 68 f. Berne und seine Schüler betonten bereits frühzeitig den transaktionalen Ansatz (Mutter-Kind-Beziehung), um die menschliche Entwicklung zu erklären. Ihre Erklärungen sind mittlerweile allgemeinhin von der experimentellen Entwicklungspsychologie und Sozialisationstheorie bestätigt worden, vgl. Stern 1993; Dornes 2004 sowie 2004a und 2006. Klargestellt sei hier, auch wenn es verwundern mag, dass selbst Schläge und sonstige lieblose körperliche Kontakte im Vergleich zur körperlichen Kontaktarmut oder gar -sperre das Überleben des Kindes sichern. Diese Zusammenhänge wurden in jüngster Zeit auch von neurobiologisch ausgerichteten Forschungen untermauert, vgl. dazu Bauer 2008, 177 ff. 645  Vgl. Bauer 2008c, 23 ff. 646  Statt vieler Schulze 2007, 445; Hagehülsmann 2002, 54; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 78. 647  Hennig / Pelz 2002, 65, 67 („seelische Grundbedürfnisse“); Schlegel 2002, 83 m. w. N.; kritisch zur Systematik der Grundbedürfnisse ders. 1995, 101 ff.; Berne 2001, 38 allerdings erfasst die drei Hunger (nach Stimuli, nach Strokes und nach Strukturen) als Basis und Antriebsfaktoren, um dem Bedürfnis nachzukommen, die Lebenszeit zu strukturieren. Offensichtlich widerspricht sich Berne hier selbst und gerät – im Hinblick auf den Strukturhunger – in eine Tautologie. Gerade diese theoretischen Unzulänglichkeiten, die sich insbesondere in der Unterbelichtung des Stimulus-Hungers niederschlagen, scheinen English 2001, 54 ff. veranlasst zu haben, ein eigenständiges Motivationskonzept auszuformulieren. Sie führt menschliche Verhaltensweisen auf drei Triebkräfte zurück, aus denen sich wiederum drei Grundbedürfnisse ableiten, vgl. auch English ZTA 1992; Schneider ZTA 1997, 66 f., der Überlebenstrieb, der Gestaltungstrieb sowie der Ruhetrieb. Diese spiegeln sich strukturanalytisch in den Ichzuständen des Kind-Ichzustands der Strukturanalyse zweiter Ordnung wider (Spongy, Spunky und Sleepy), vgl. Kap. D. II. 1. c). M. E. handelt es sich um drei grundlegende Erscheinungsformen, die Wachstum und Rei-



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements521

Beginn an in ihren transaktionalen und damit sozialen Dimensionen formulierten. Der Bedeutungsgehalt der drei psycho-physiologischen Grundbedürfnisse wird auch dadurch hervorgehoben, dass sie als „Hunger“ bezeichnet werden.648 Der Mensch muss demnach, um heranreifen und wachsen zu können, nicht nur seine Hunger nach Nahrung, Kleidung und Obdach stillen, sondern auch seine Hunger nach Stimulation, Struktur und Anerkennung („Strokes“).649 Da er nicht über das „Ob“ dieser Hunger entscheiden kann, wohl aber über das „Wie“ ihrer Befriedigung, können „Verwachsungen“ die Folge nicht nur von Mangelsituationen sein, sondern auch von Kompensationen und Verwechslungen. Insoweit obliegt dem Menschen eine – mit zunehmende Reifung mehr – eigenverantwortliche Entscheidungsgewalt für eine wachstumsgerechte Befriedigung aller (!) seiner Hunger.650 Das Grundbedürfnis nach Stimulierung erfasst sowohl körperliche Berührungen und damit das Tasten der Haut, als auch das Hören mit den Ohren, das Sehen mit den Augen, das Riechen mit der Nase wie das Schmecken mit Mund und Zunge. Sie alle können uns gewissermaßen ebenfalls und auch zutiefst körperlich spürbar berühren. Stimulierung ist auf alle unsere (körperlich verortbaren) Sinne bezogen und beschreibt den Vorgang, wie wir mit der Welt um uns herum Kontakt aufnehmen. Von diesem Bedürfnis, unsere Welt (an-zu-)erkennen, indem die Welt unsere Sinne stimuliert, differenziert Berne und nach ihm viele Vertreter der heutigen Transaktionsanalyse das Bedürfnis nach Zuwendung und Anerkennung insbesondere durch andere Menschen.651 fung ermöglichen, was der grundlegende Trieb jedweden, aber vor allem anscheinend menschlichen, Lebens zu sein scheint, wobei sich Wachstum durchaus als zunehmender Aufbau von (holistischer) Komplexität begreifen lässt, s. dazu Bauer 2008c; Damasio 2007 sowie 2007a. Dieser durchaus allseitige und umfassende Wachstumstrieb scheint das zu erfassen, was Mohr 2008, 68 f. mit dem Begriff des „Lebensstroms“ skizziert. Eine Verbindung der Motivationskonzepte von Berne und English nehmen Hennig / Pelz 2002, 66 f. vor. Weiterführende Erkenntnisse lassen sich daraus allerdings – für den vorliegenden Zusammenhang – nicht ableiten. Zusätzlich zu den drei Grundbedürfnissen wird im Gefolge von Steiner 1989, 53 zum Teil auch der „Positionshunger“ als viertes Grundbedürfnis benannt, obschon Steiner selbst darauf hinweist, dass die Grundeinstellung, Kap. D. III. 2. a), selbst lediglich dazu dient, die Lebenszeit und die Sozialverbindungen inhaltlich zu strukturieren. 648  Berne 1974, 151 ff. (Im Übrigen differenziert er die drei Hunger für den erwachsenen Menschen weiter aus: Stimulationshunger, Kontakthunger, Anerkennungshunger, Strukturhunger, sexueller Hunger und Erlebnishunger, dazu Hennig / Pelz 2002, 67; Schlegel 2002, 83 f.). 649  Vgl. ausdrücklich für Strokes Steiner 1989, 137. 650  Vgl. dazu Schneider ZTA 1997, 67 f. 651  Berne versteht den Stimulus-Hunger (Reizhunger) wohl insbesondere als Hunger nach körperlicher Berührung, der sich mit zunehmendem Alter zu einem Zuwendungshunger höherer Ordnung, dem Stroke-Hunger (Zuwendungshunger) wandelt, Berne 2006, 82; ders. 2001a, 14; ebenso James / Jongeward 1984, 69.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Das mag konzeptionell darin begründet sein, dass die Stimulierung durch ein Wesen unserer Gattung eine herausragende Bedeutung für unser Wohlbefinden hat.652 Ganz praktisch dient die Differenzierung jedoch dazu, um Erlebnisweisen zu erklären und in der Beratungspraxis transparent zu machen, die sich heutzutage als Probleme zu häufen scheinen.653 Das Grundbedürfnis nach Struktur entstammt der Sehnsucht nach Sicherheit und wird insbesondere dadurch befriedigt, dass die (Lebens-)Zeit geplant bzw. planend ausgestaltet, eben strukturiert wird.654 Denn, nach einem berühmten Wort Bernes, vergeht nicht die Zeit, sondern wir gehen durch die Zeit655, so dass Langeweile, Ungewissheit und damit Unbestimmtheit und Furcht zu vermeiden sind. Er erkennt im Struktur-Hunger eine Art „präventives Motiv“ zur Bildung von Gruppen.656 Denn die in ihnen wiederkehrende Strukturen vermitteln solche Sicherheit und vermeiden Ungewissheit, da sie bekanntes und vertrautes Erleben ermöglichen.657 Nicht nur aus diesem Grunde macht sich ein jeder eine Vorstellung davon, wie er seine Zeit (mit anderen) strukturiert, sondern auch, weil er sich davon eine Vorstellung machen muss! Er kann nicht anders als zu entscheiden, was er im nächsten Moment tun wird.658 Das wird in Gruppentreffen von Menschen besonders 652  Andere Ansicht Pelz ZTA 1991, 51, der die Schriften Bernes so interpretiert, dass das Bedürfnis nach Stimulierung ein ausdifferenzierter Hunger und damit ein „Spezialfall“ nach Zuwendung sei. 653  Hennig / Pelz 2002, 71. Das Phänomen einer Überstimulierung bei gleichzeitigem Mangel an Zuwendung und Beachtung einerseits, ist ein solches Problem, das in Metropolen durch Verkehrslärm, im sozialen Umgang durch Rollenvielfalt bei gleichzeitigem „Zeitdruck“ entsteht. Oder das Phänomen einer Unterstimulierung, das häufig in Kleinfamilien bei wenig Abwechslung und Kontakten auftritt und durch ein Übermaß an Stimulierung zu kompensieren versucht wird. Zu denken ist hier an die Problematiken von Computerspiele, von Extremsportarten und extremen „Fun“-Aktivitäten, vgl. Pelz ZTA 1991. 654  Vgl. Hennig / Pelz 2002, 68; Rogoll 2006, 50 ff. („Zeitgestaltung“); s. aber auch Schlegel 2002, 353 f. 655  Hier zitiert nach Schlegel 1995, 106. 656  Berne 1979, 235 f. 657  Festgehalten muss hier aber werden, dass Erleben niemals wiederholbar ist, nicht mal in Ansätzen. In gewissem Sinne mögen ähnliche Strukturen wiederkehren, doch einerseits sind sie nicht die selben und andererseits ist der (diese Strukturen) Erlebende nicht mehr derselbe von einst. Selbst die Erinnerungen (an eine glückliche Vergangenheit) und Wünsche (nach einer glücklichen Zukunft) sind aktuelle Phänomene, sind gegenwärtig und stets neu. Weder findet Erleben in der Vergangenheit oder Zukunft statt, noch erleben wir aktuell Vergangenes oder Zukünftiges. Tatsächlich gibt es lediglich ausschließlich die Gegenwart, das viel beschworene Hier und Jetzt, aus dem wir nicht entfliehen können. Selbst persönliche Erinnerungen oder die gesamte Geschichtswissenschaft spiegeln Gegenwart und keineswegs die Vergangenheit. 658  Zur Aufgabe, die Tages- und Lebenszeit zu strukturieren, meint Berne 2001a, 16: „Ein immerwährendes Problem des Menschen besteht in der Frage, wie er seine



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements523

deutlich, sobald unklar ist, was als nächstes ansteht. Dieses beobachtbare Phänomen veranlasst Berne auch dazu, den „Führungshunger“ von Menschen als ein Spezialfall bzw. ein Produkt des Strukturhungers zu verstehen.659 In der Transaktionsanalyse werden sechs Varianten systematisiert, inwieweit zwischenmenschlicher Kontakt durch die Zeit hindurch gestaltet wird.660 Jede Variante bringt eine unterschiedliche Intensität zwischenmenschlicher Zuwendung mit sich. Die Varianten zwischenmensch­ licher Kontakt- und Zeitgestaltung sind Rückzug661, Ritual662, Zeitvertreib663, Aktivität664, psychologische Spiele665 sowie Intimität666. Tageszeit strukturieren soll. In diesem existenziellen Sinn besteht die Funktion allen gesellschaftlichen Lebens darin, sich bei der Bewältigung dieses Projekts gegenseitig Beistand zu leisten.“ Letztlich zeigt sich hier der – aus der eigenen Existenz gebärende – Zwang zur Entscheidung. Eigenverantwortlichkeit (und damit auch persönliche Freiheit) sind deshalb keineswegs Zustände, bei denen Zwänge (und damit auch persönliche Pflichten) abwesend sind. Die eigene Existenz begründet Eigenverantwortlichkeit, namentlich die Notwendigkeit, auf die Gegenwart zu reagieren, und Freiheit ebenso wie Zwang und Pflicht. Es handelt sich damit nicht um Pole auf einem Spannungsbogen oder zwei Seiten derselben Medaille, sondern um Identisches, das von verschiedenen Seiten beobachtet wird. Es ist die (Grund-)Position des Beobachters, die bestimmend wirkt. 659  Berne 1979, 236. 660  Vgl. Berne 2001, 38; ders. 2001a, 16  ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 106 ff. 661  „Rückzug“: Jede Form des Sich-Abkapselns (Tagträumen im Beisein anderer), aufgabenfreies Erleben ohne Anteilnahme anderer daran. Berne 2001, 39 („sicherste Form des Sozialverhaltens“ vor erneuten emotionalen Verletzungen); Stewart / Joines 2008, 137. 662  „Rituale“: Hier stereotype, gesellschaftlich programmierte Folge einfacher Komplementärtransaktionen (Standardgrußformel, kurzer small-talk), die Halt und Sicherheit im sozialen Umgang geben. Sie sind nicht als sinnentleerte Wiederholung zu verstehen. Stewart / Joines 2008, 138; ausfrl. Risto Kon:sens 1999; Schneider ZTA 2006; Schneider, M. ZTA 2006. 663  „Zeitvertreib“: Unverbindliche Gesprächs- und Begegnungsform mit komplementären Transaktionen (Sport, Auto, Kinder, Mode u. ä. als Gesprächsthemen); sicherer Informationsmarkt und Form des „Vorfühlens und -tastens“ für einen intensiveren Kontakt. Stewart / Joines 2008, 139 ff. 664  „Aktivität“: Vorhabenbezogene Betätigung, jede Form des zielgesteuerten Tuns, um etwas Benötigtes zu erreichen. Hierher gehört insbesondere jede konstruktive Form des Arbeitens (Viele Transaktionsanalytiker bezeichnen deshalb die vierte Stufe auch als „Arbeit“, so Rautenberg / Rogoll 2007, 109; Steiner 1989, 53; Risto 2003, 148). Einführend Stewart / Joines 2008, 141 f. 665  „Psychologische Spiele“: Sie werden genutzt, wenn zwar großer Hunger nach Intimität besteht, sich aber vor ihr noch gefürchtet wird. Sie bringen immerhin näher, wenn auch auf unangenehme Weise. Sie sind angesichts des aktivierten Lebensskripts sinnhaft, verlangen aber keine ehrliche und offene Hingabe, die die – wahrlich enttäuschende – Erkenntnis in sich birgt, dass das Leben nicht so verlaufen muss, wie man es einst als Kind im Lebensskript formulierte. Dennoch ist auch

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Das Grundbedürfnis nach Strokes entstammt unserer sozialen, auf Kooperation aufbauenden neurobiologischen Konstitution.667 Der englische Begriff stroke weist eine vielschichtige Bedeutung auf, die die gesamte Bandbreite von Zuwendungsmöglichkeiten erfasst. Im Deutschen reicht die Bedeutung von einem sanften Streicheln bis zu heftigen Schlägen, erfasst aber auch sonstige Formen von Zuwendungen und Beachtungsformen wie Blicke, Gesten oder verbale Mitteilungen, in denen Anerkennung zum Ausdruck kommt.668 Strokes sind für das Überleben und Wohlbefinden des Menschen ebenso unentbehrlich wie primär biologische Grundbedürfnisse (Nahrung, Obdach etc.).669 Dabei kommt es zunächst einmal nicht auf die Art der Strokes an, also das „wie“, ob nun positiv oder negativ, sondern auf das „ob“. Für das Überleben ist wichtig, dass überhaupt ein Zeichen der Anerkennung erfolgt. 666

Die Grundbedürfnisse stehen nicht ohne inneren Zusammenhang nebeneinander. Sie sind wechselbezüglich ineinander verschlungen und bedingen beim Spiel dieses Risiko vorhanden, weil das Spiel einen intensiven sozialen Kontakt (mit aktuellen Menschen) erfordert und als solches durchschaubar ist. Funktionsanalytisch sind die angepassten Kind-Ichzustände (fügsam / rebellisch / zurückgezogen) bzw. die Eltern-Ichzustände (kritisch  /  fürsorglich) aktiviert, strukturell die Kind-Ichzustände (zweiter Ordnung). Stewart / Joines 2008, 142 ff., 331 ff. 666  „Intimität“: Hier als echte, offene und ehrliche mitmenschliche Begegnung jeden Inhalts zu verstehen, also frei von Manipulationen und Hintergedanken. Es handelt sich um jede Kontaktaufnahme, die nicht nur von Arglosigkeit, sondern insbesondere vom Interesse am Gegenüber gegleitet wird. Dieses vorbehaltlose Interesse am anderen birgt das Risiko der Zurückweisung in sich, dass eigene, frühere Zurückweisungen berühren und insoweit emotional riskant ist. Keineswegs ist der Begriff vorliegend auf sexuellen Kontakt beschränkt, der im Übrigen in jeder der genannten Zeitstrukturierungen gestaltet werden kann. In Intimität befinden sich bspw. auch der Vorgesetzte und Mitarbeiter, wenn sie sich ehrlichen Herzens z. B. über ihre gegenseitige Unzufriedenheit aussprechen, mögen dabei auch Ärger, Angst oder Traurigkeit aufkommen, ähnlich Schulze 1992, 173 m. w. N.; funktionsanalytisch ist der freie Kind-Ichzustand, gestützt vom Erwachsenen-Ichzustand, aktiviert. Es handelt sich um Reaktionen auf die Gegenwart, weshalb strukturell der Erwachsenen-Ichzustand agiert, vgl. Stewart / Joines 2008, 144 ff. 667  Bauer 2008b, 23 („Wir sind – aus neurobiologischer Sicht – auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen. Kern aller menschlichen Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung und Zuneigung zu finden und zu geben.“). 668  Aus dieser Erwägung heraus findet der englische Begriff „Stroke“ in der weiteren Untersuchung Verwendung. Überdies wird damit der transaktionsanalytischen Theorie und Fachsprache Rechnung getragen. Praktikabel ist er, weil er im Deutschen weitestgehend unbelastet verwendet werden kann und eine ausschließlich positive, liebevolle Konnotation (wie etwa der Begriff des Streichelns oder der Streicheleinheiten), was der Konzeptualisierung zugute kommt. Ähnliches gilt für den deutschen Begriff der Zuwendung. 669  Ausfrl. und m. w. N. Steiner 1989, 135 ff.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements525

Intensität der Strokes

Rückzug – Ritual – Zeitvertreib – Aktivität – Psychologische Spiele – Intimität

Varianten der Zeitgestaltung

Abbildung 42: Lebenszeitgestaltung in Relation zu Zuwendungen

sich gegenseitig.670 Mitunter kann zwar ein Mangel an Befriedigung eines Bedürfnisses durch die (Über-)Erfüllung eines anderen kompensiert oder zumindest zeitweise überbrückt werden. Jedoch vermag ein Bedürfnis nicht gänzlich vernachlässigt werden. Ein anderer Zusammenhang wird offenbar, wenn die Intensität und Qualität von Strokes mit den Varianten sozialer Zeitgestaltung in Beziehung gesetzt werden.671 Dann zeigt sich, dass die Intensitäten der Strokes im Rahmen von Rückzug, über Rituale, Zeitvertreib und Aktivitäten hin bis zu psychologischen Spielen und Intimität wachsen.672 Ob damit gleichsam ein Ansteigen eines emotionalen oder sozialen Risikos einhergeht, wird in der Literatur zur Transaktionsanalyse uneinheitlich beurteilt.673 Da wir uns als solcherart soziale Wesen ununterbrochen in der einen oder anderen Art und Weise zuwenden, uns stroken und damit einander zu verstehen geben, ob und was wir aneinander finden oder auch nicht, handelt es sich bei dem Konzept der Strokes um das „zentrale Motivationskonzept der Transaktionsanalyse“674. Dieses wird im Folgenden dargestellt.

670  Vgl.

Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 74. Qualität und Intensität von Strokes lassen sich nicht objektiv bestimmen, sondern werden vom Gestrokten subjektiv bestimmt, so Stewart / Joines 2008, 120 f. Gleichwohl zeigt die Erfahrung (Wahrscheinlichkeit), dass bestimmte Strokes auf die ein oder andere Art aufgenommen und bewertet werden. So wird davon ausgegangen, dass negative Zuwendung grundsätzlich bedeutsamer bewertet wird als positive Zuwendung, dazu ausführlich Schlegel 1995, 103 m. w. N. 672  Vgl. Rogoll 2007, 50 („steigender Intensität und Macht“); Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 106. 673  Vgl. Berne 2001, 40; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 106; Schlegel 1995, 107; a. A. Stewart / Joines 2008, 137. 674  Pelz ZTA 1991, 51. 671  Die

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

bb) Das transaktionsanalytische Zuwendungskonzept (Die Theorie der Strokes) Ein Stroke ist eine Einheit an Zuwendung bzw. Anerkennung einer Person gegenüber einer anderen.675 Der Anerkennende ist der Strokende, der Anerkannte der Gestrokte. Beim Stroken bzw. Gestroketwerden handelt es sich um einen Interaktionsprozess, der unter dem Blickwinkel der Anerkennung und Zuwendung untersucht wird. Soweit in der Alltagssprache jedoch die Begriffe „Zuwendung“ und „Anerkennung“ eine positiv Konnotation aufweisen, trifft das nicht für die transaktionsanalytischen Fachsprache zu. Beide Begriffe werden grundsätzlich denotativ gebraucht. Ein Stroke kann demnach ein „Hallo“ sein, ein sanfter Strich übers Haar ebenso wie ein Lob für gelungene Arbeit, aber eben auch ein Tadel, ein böser Blick oder ein deftiger Schlag ins Gesicht. Strokes bezeichnen jede Art von (wahrnehmenden) Kontakt mit und zu anderen.676 Sie können folglich nicht nur ihrer Anzahl, sondern auch ihrer Intensität nach geordnet werden. (1) Die drei Dimensionen von Strokes Strokes weisen in der transaktionsanalytischen Systematik drei Dimen­ sionen auf. Sie lassen sich nach der Art ihrer Mitteilung, ihres Wertes und ihres Anlasses ordnen.677 Unterscheidbar sind verbale von nonverbalen Strokes, wodurch der menschlichen Fähigkeit einer ausdifferenzierten Sprache als Mitteilungsmöglichkeit Rechnung getragen wird.678 Zudem sind sie nach ihrem Anlass bzw. ihrer Begründung unterscheidbar. Insoweit sind 675  Berne

2001a, 15; Stewart / Joines 2008, 116; Clarkson 1996, 33. Schlegel 2002, 356. Unabhängig von der Art des Kontakts anerkennt die Transaktionsanalyse jedenfalls für den herangewachsenen Menschen auch die Möglichkeit des Selbststrokens, vgl. statt aller nur Stewart / Joines 2008, 130. Insoweit kommt es, jedenfalls für den erwachsenen Menschen, nicht in erster Linie auf den Kontakt zu anderen Menschen an. Maßgebend ist die Wirkung beim Gestrokten. 677  Zum Folgenden Stewart / Joines 2008, 116 ff.; Schulze 2007, 444 ff.; Hennig / Pelz 2002, 71 ff. 678  Diese Differenzierung bedeutet auch, dass Tiere aus der vorliegenden Konzeptualisierung ausgeschlossen sind. Unerwähnt soll allerdings nicht bleiben, dass Tiere ganz ähnliche Wirkungen durch Anerkennung und Zuwendung erzielen können. In der praktischen Therapie- und Beratungsarbeit etwa wird sehr wohl auf diese Tatsache zurückgegriffen. So werden – und zwar mit erstaunlichen Wirkungen – Pferde nicht nur zur Heilung psychosomatischer Störungen wie Bulimie hinzugezogen, sondern auch in Führungskräftetrainings, um Führungskompetenzen zu pro­ fessionalisieren. Dankbar genutzt wird dabei ihre unvermittelte, d. h. gewissermaßen grundehrliche Art, auf Wahrgenommenes sofort zu reagieren, was von untergebenen Mitarbeitern, wenn auch aus verständlichen Gründen, nicht bestätigt werden kann. 676  Zutreffend



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements527

bedingte Strokes, die von Verhaltensweisen des Gestrokten veranlasst wurden, von unbedingten Strokes, die sich auf dessen Sein beziehen, zu unterscheiden. Überdies sind Strokes inhaltlich nach ihrer (Auf-)Ladung zu differenzieren, so dass es positive und negative Strokes gibt. Die Unterscheidung in verbale und nonverbale Strokes trägt lediglich der Bedeutung der Sprache Rechnung. Eine werthaltige Differenzierung ist damit nicht verbunden. Eine verbale Anerkennung („Das haben sie gut gemacht!“) bedeutet allein deshalb, dass sie ausgesprochen wurde, keine höhere Intensität oder Werthaltigkeit gegenüber einer nonverbalen Anerkennung (Augenkontakt, Handzeichen, Umarmungen etc.).679 Die Werthaltigkeit der Strokes wird durch die Teilnehmer der Kommunikation prozessiert. Somit ist festzuhalten, dass jede Transaktion ein Austausch von Strokes darstellt.680 Strokes sind folglich ein „Produkt“ von Transaktionen. Bedeutsamer als das Medium der Mitteilung ist die Differenzierung nach dem Anlass, so dass unbedingte von bedingten Strokes unterscheidet werden können.681 Gründen sich Strokes auf das Verhalten des Gestrokten, handelt es sich um bedingte Strokes, mit denen folglich Leistungen bzw. Nichtleistungen beachtet und bewertet werden. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass sie für den Gestrokten in seiner Person nicht fixierend wirken, sondern orientierend für weiteres Handeln. Unbedingte Strokes ihrerseits beziehen sich nicht auf das Verhalten, sondern auf das Sein des Gestrokten. Sie beurteilen sein Dasein, nicht aber sein Sosein.682 Unbedingte Strokes wirken fixierend. Strokes können überdies nach ihrer – wenn auch wechselbezüglichen – Ladung qualifiziert werden. Sie werden in positive und negative Strokes differenziert, womit die Reaktivität des Strokenden umrissen ist. Die Einordnung richtet sich danach, auf welche Weise der Strokende auf den Gestrokten reagiert. Sie dient dazu zu beschreiben, in welcher Art sich der Strokende äußernd entlädt. Zweierlei ist beachtlich: Erstens bedeutet die Einordnung positiv / negativ nicht, ob der Stroke gut oder schlecht ist. Der Strokeladung, also seiner positiven oder negativen Qualifizierung ist grundsätzlich keine ethische, moralische oder anderweitige Wertung zu entnehmen. Diese Qualifizierung besagt lediglich, dass das Sein bzw. die gegenwärtige Anwesenheit des Gestrokten oder dessen Verhalten bejaht und befürwortet wird oder verneint und abgelehnt. Sie beschreibt gewissermaßen die Positionierung des Strokenden gegenüber dem Sein oder dem Verhalten 679  Dieser Unterscheidung kommt somit lediglich eine formale Ordnungsfunktion zu, die sich allerdings in der praktischen Beratungstätigkeit bewehrt und ein genaueres Arbeiten mit dem Stroke-Konzept ermöglicht. 680  Ebenso Hagehülsmann 2002, 54. 681  Vgl. Goulding / Goulding 2005, 123; Schulze 2007, 445. 682  Ähnlich Gührs / Nowak 2002, 86.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

des Gestrokten. Negative Strokes verneinen entweder das Sein oder das Verhalten des Gestrokten. Allein aus der Positivität / Negativität des Strokes lässt sich nicht ohne weiteres schlussfolgern, dass der Stroke gut / schlecht oder angemessen / unangemessen bzw. förderlich / hinderlich ist.683 Wachstum und Reifung bedarf zuweilen auch bedingter negativer Strokes684. Und selbst unbedingte negative Strokes sind nicht stets unangemessen oder gar schlecht, sondern können eine angemessene Reaktion auf bestimmtes Verhalten darstellen.685 Der Prozesscharakter des Strokens hindert letztlich, dass ein absoluter Wert, ob der Stroke angemessen war oder nicht, bestimmt werden könnte.686 Dennoch wird eine wertbezogene Bestimmung vorge683  Tatsächlich wird diese Konzeption in der Literatur zur Transaktionsanalyse, aber auch in der praktischen Arbeit nicht durchgehend beibehalten. In anderen Zusammenhängen schleichen sich nahezu unbemerkt zu den Begriffen „positiv / negativ“ Werturteile ein, die im Grundsatz nicht angelegt sind. Vgl. etwa die Ausführungen zur Stroke-Ökonomie. Das dürfte freilich damit zusammenhängen, dass das Befürworten des Seins oder Tuns häufig auch lebensförderlichen Charakter aufweist und sich der Gestrokte damit „gut“ fühlt. Umgekehrt gilt das für negative Strokes entsprechend. 684  Hier sind etwa Missbilligungen selbstschädigenden Verhaltens zu verorten. Etwa: „Mich schmerzt es, wenn Du rauchst“. Überdies sind negative Strokes auch Mitteilungen anderer, wie sie das Verhalten jeweils einschätzen. Dadurch wird ermöglicht, das Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls abzuändern, damit es für andere akzeptabel wird. Allein ein bedingter, negativer Stroke ist jedoch nicht dazu in der Lage, Verhalten zu ändern. Möglich ist allerdings, dass er Antreiberdynamiken in Gang setzt, „Sei immer anderen gefällig!“, vgl. Kap. D. III. 2. d); Zum Ganzen Stewart / Joines 2008, 133 ff. 685  Weil unbedingte negative Strokes immer dem Leben des anderen abträglich sind, werden sie in der Literatur der Transaktionsanalyse häufig als schädlich, unnötig, unangemessen oder zumindest schwerwiegend bewertet, vgl. etwa Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 80; Hagehülsmann 2002, 55; Schlegel 1995, 104; Gührs / Nowak 2002, 88. Das erklärt sich aus dem Kontext der Fallbeispiele, die Transaktionsanalytiker zur Konzeptbildung nutzten. Sie entstammen der Kindererziehung bzw. Pädagogik, der Therapie Heilungsbedürftiger oder der Entwicklung der Persönlichkeit in beruflichen Zusammenhängen. Zieht man allerdings in die Betrachtung (unbedingter, nonverbaler) negativer Strokes etwa eine Tötung mit ein, die in Notwehr ausgeführt wurde und damit gerechtfertigt ist (vgl. §§ 212, 32 StGB), so erscheint selbst die Bestimmung eines absoluten Wertes für unbedingte negative Strokes als nicht mehr sachgerecht, unklar in diese Richtung weisend auch Stewart / Joines 2008, 134. Das bedeutet, das selbst ein unbedingter, negativer Stroke nicht an sich „schlecht“ ist, sondern der Kontext die Bewertung (des Beobachters) bestimmt. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht möglich, die Notwehr als einen bedingten Stroke zu werten, weil er durch das Verhalten („gegenwärtiger Angriff“, vgl. § 32 StGB) des anderen veranlasst und sich mit diesem nicht einverstanden erklärt wurde. Denn der tötliche Stroke betrifft das Sein des Angreifers, was für die Qualifizierung als unbedingter Stroke maßgebend ist. Andererseits bleibt unbestritten, dass die Notwehr für den Angreifer nicht wachstumsförderlich ist. 686  Für die Frage der Werthaltigkeit ist zu klären, wer den Wert bestimmt; der Informierende oder der Verstehende – oder der (auch, aber auf seine Weise) Beob-



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements529

nommen – und zwar aus der Sicht des Gestrokten. Ein Stroke ist danach positiv, soweit ihn der Gestrokte als angenehm empfindet und negativ, soweit er für diesen schmerzlich ist.687 Damit ist aber gerade nicht gesagt, dass der Mensch negative Stroke meidet und lieber ohne Strokes auskommt, bis wieder positive in Aussicht sind. Negative Strokes wirken ebenso wie positive Strokes verstärkend auf das Stroke-Muster und daraus resultierende Fühl-, Denk- und Verhaltensweisen.688 Sie überbrücken auch nicht bloß die Zeit bis es wieder positive Strokes gibt, sondern verfestigen und fixieren gleichsam, so dass durchaus nach geraumer Zeit negativer Strokes an sich positive Strokes gemieden werden können. Die erläuterten Dimensionen von Strokes können in einem Stroke-Würfel dargestellt werden, der alle Kombinationen grafisch und damit sozusagen auf einen Blick erfasst: unbedingte, positive, verbale Strokes; unbedingte, negative, verbale Strokes; bedingte, positive, verbale Strokes; bedingte, negative, verbale Strokes; unbedingte, positive, nonverbale Strokes; unbedingte, negative, nonverbale Strokes; bedingte, positive, nonverbale Strokes sowie zu guter Letzt bedingte, negative, nonverbale Strokes.689 achtende. Da es sich beim Stroken – wie festgestellt – um einen Kommunikationsprozess handelt, gibt es für die Qualifizierung jedenfalls keinen absoluten Wert. Vielmehr ergibt sich der Wert (mehr oder weniger) aus dem Zusammenspiel der – sich selbst organisierenden – Kommunikanten. Insofern gilt für die Frage der Werthaltigkeit von Strokes das, was für sonstige Aspekte der Kommunikation ebenso gilt: Beide Beteiligten bestimmen selbst die Bedeutung und den Wert der mitgeteilten Information (Stroke). Die Problematik ist zwar in der transaktionsanalytischen Konzeption nicht unbekannt und wird bspw. in der Feststellung, dass niemand die Gefühle eines anderen linear-kausal bestimmen kann, verarbeitet, „dazu Kap. E. III. 2. b) bb) (1). Gleichwohl wird es im vorliegenden Zusammenhang des StrokeKonzepts kaum ausgeführt. Das dürfte der Grund dafür sein, dass in der transak­ tionsanalytischen Literatur häufig vom „Geben“ und „Nehmen“ der Strokes geschrieben wird, so dass ähnlich eines Gegenstandes der Geber bestimmt, was er gibt, vgl. Hennig / Pelz 2002, 72 ff.; Hagehülsmann 2002, 54 f. 687  Vgl. Stewart / Joines 2008, 118; im Ergebnis wohl auch Schulze 2007, 444 f. Damit ist jedoch der Strokende (Informierende) nicht aus jeder Verantwortung für die Wirkungen seiner Strokes entlassen. Denn er bestimmt (ganz eigenständig), inwieweit und wodurch er sein Gegenüber positiv bzw. negativ anerkennt. Der Verstehensprozess beim Gestrokten findet mit anderen Worten nicht im luftleeren Raum statt, sondern knüpft an das, was der Strokende zu verantworten hat, an. Letztlich ergibt sich die Qualifizierung von Positivität und Negativität eines Strokes aus dem Zusammenspiel von mitgeteilter Information des Stroke-Gebers und dem Verstehen des Stroke-Nehmers. 688  Vgl. Stewart 1993, 45; Stewart / Joines 2008, 120; Rautenberg / Rogoll 2007, 100 f. 689  Vgl. auch Cooper / Kahler NTA 1978. Transaktionsanalytiker differenzieren zudem noch in „unechte Strokes“ und „Plastik-Strokes“. Unechte Strokes beginnen positiv und enden negativ oder mit einem „Pferdefuß“ („Das haben sie gut ge-

530

E. Mediation und Transaktionsanalyse Der Stroke-Würfel („stroke-cube“) nonverbal verbal bedingt

unbedingt positiv

negativ

Quelle: Schulze 2007, 446. Abbildung 43: Die drei Dimensionen von Strokes

(2) Wirkungsweisen von Stroke-Prozessen Die Wirkungsweise von Stroke-Prozessen ist vielschichtig und berührt individuelle und soziale Phänomene, die zum Teil auch von anderen transaktionsanalytischen Konzeptbereichen erfasst sind. Im Folgenden wird lediglich auf den Konzeptbereich der Stroke-Theorie eingegangen, der für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist, so dass der Natur der Sache nach keine Vollständigkeit gegeben ist. Dargestellt werden das Konzept vom Stroke-Filter, zwei Stroke-Mythen sowie das – unter Transaktionsanalytikern keineswegs unumstrittene – Konzept der Stroke-Ökonomie von Steiner.

macht – für ihre Verhältnisse.“; „Sie sehen toll aus, wenn man bedenkt, dass … … sie schwierige Voraussetzungen dafür haben.“), während Plastik-Strokes eine unaufrichtige positive Zuwendung darstellt („Wenn sie nicht hier wären, wären wir alle völlig verloren!“). Letztlich handelt es sich bei diesen beiden Stroke-Arten um verdeckte Transaktionen, bei denen mehrere der oben genannten Strokes gleichzeitig und auf verschiedenen sozialen Ebenen ausgegeben werden. Zum Ganzen Stewart /  Joines 2008, 121; James / Jongeward 1984, 77 ff.; Steiner 1989, 310 (der hierzu auch bedrückende bzw. druckausübende Strokes zählt, die durch einen versteckten Vergleich Konkurrenzdruck aufbauen, „Du bist mir das Liebste meiner Kinder“); Hennig / Pelz 2002, 72, die beide Arten zu „einer schädlichen Form“ von Zuwendung zusammenfassen; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 80; Hagehülsmann 2002, 55; Zum weiteren, mitunter veralteten, Stroke-Vokabular Orten NTA 1978.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements531

(a) Der Stroke-Filter „Different strokes for different folks“690. Dass sich die Qualität eines Strokes nicht objektiv messen lässt, wurde bereits anhand der Tatsache festgestellt, dass es sich um einen Kommunikationsprozess handelt, innerhalb dessen die konkret Beteiligten den ausgetauschten Informationen ihre ganz eigene Bedeutung beimessen. Diese jeweils individuelle Deutungsformen sind durch den persönlichen Stroke-Filter bedingt.691 Es ist der persönliche Stroke-Filter, der darüber bestimmt und Auskunft gibt, welche konkreten Arten von Strokes beliebt sind oder als unangenehm empfunden werden. Der Stroke-Filter entwickelt sich im Laufe des Lebens aufgrund der persönlichen Konstitution sowie den konkreten Lebenserfahrungen. Während die einen ihre Vorliebe für bedingte, positive, verbale Strokes entdeckt haben, lernen andere bedingte, negative, nonverbale Strokes schätzen oder zumindest akzeptieren. Die einen mögen lieber hören, was sie gut gemacht haben, während andere lieber für das gelobt werden wollen, was sie sind. Andererseits vertragen die einen überhaupt keine negativen Strokes, während abermals anderer sich durch solche noch nicht aus der Fassung bringen lassen. Gerade für Strokes gilt: Jedem das Seine!, wobei entscheidend ist, dass unerwünschte bzw. ungewöhnliche Strokes regelrecht herausgefiltert werden. Soweit Strokes nicht zum persönlichen Bezugsrahmen692 passen, aktiviert sich der persönliche Stroke-Filter. Der Stroke-Filter beeinflusst maßgebend den Verstehensprozess der Kommunikationsteilnehmer. Entweder führt er dazu, dass der (gemeinte) Stroke-Inhalt nicht oder aber lediglich verzerrt aufgenommen wird.693 Für den Beobachter sind solcherlei Ausfilterungsprozesse – mehr oder weniger gut – erkennbar. Jedenfalls kommt es oft zu Inkongruenzen in den verbalen und nonverbalen Strukturen.694 Diese 690  Stewart / Joines

2008, 122. Stewart / Joines 2008, 122 f.; Gührs / Nowak 2002, 89 f.; Goulding / Goulding 2005, 121 ff. 692  Dazu Kap. D. IV. 2. a). 693  Das transaktionsanalytische Passivitätskonzept spricht hier von einer Abwertung der Mitteilung (discount), vgl. Kap. E. III. 3. b) cc). In diesem Sinne ist der Stroke-Filter ein Spezialinstrument, um den Bezugsrahmen aufrecht zu erhalten bzw. ein hochsensibles Diagnoseinstrument, ob der Bezugsrahmen durch Transaktionen mit diesem Gesprächspartner tangiert und gefährdet wird. Somit filtert er nicht nur einzelne Mitteilungen, sondern ist in der Lage, ganze Personen „auszufiltern“. 694  Inkongruenzen sind zwischen verbalen und nonverbalen Reaktionen auf einen Stroke hin erkennbar, vgl. Stewart / Joines 2008, 84 ff., 111 ff. Stimmen die Inhalte der Stroke-Absicht nicht mit dem Lieblings-Stroke-Quotienten überein, so werden häufig auf nonverbaler Ebene die Abwertungen vorgenommen. Es handelt sich um den spiegelbildlichen Prozess, der etwa bei verdeckten Transaktionen vorkommt. Dort „sollen“ bestimmte Inhalte auf der nonverbalen, verdeckten bzw. psy691  Vgl.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

zu erkennen, erlaubt es, den Stroke-Filter des Transaktionspartners zu erkunden und dementsprechend die weitere Kommunikation zu strukturieren. Lediglich dadurch ist ein bewusster Umgang möglich, ob sich dem persönlichen Stroke-Filter angepasst oder dieser konfrontiert wird. Problematisch wirkt sich der Stroke-Filter insbesondere aus, wenn er zu dicht ist. In diesem Fall ist die Person nicht in der Lage, das Maß an mitgeteilten Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, was im sozialen Miteinander einen verständigen Umgang erschwert. Soziale Folgen sind oftmals Formen von Isolation, die bis zu depressiven Krankheitsbildern reichen können.695 Ein offener Stroke-Filter ist hingegen für sich betrachtet unproblematisch. Vielmehr ermöglicht er die Aufnahme aller Stroke-Inhalte, die in der mitgeteilten Information angeboten werden. Selbst wenn auf diese Weise begrenzende oder antreibende Botschaften des Kommunikationspartners ungefiltert bleiben, bedeutet das keineswegs, dass die Botschaften „in der Person sind“ und diese ihnen „ausgeliefert“ wäre. (b) Die Stroke-Mythen Von Stroke-Mythen war bereits im Rahmen der Bildung des Lebensskriptes die Rede.696 Zuschreibungen, die die Elternpersonen oder sonstige nahestehende Bezugspersonen gegenüber Dritten kundgeben, wirken auf das Kind besonders intensiv. Das Kind, das von ihnen erfährt, nimmt sich der zu Dritten gesprochenen Inhalte besonders an. Es scheint, dass sich die damals wirkenden Kräfte später im Erwachsenenleben fortsetzen. Zwei für den vorliegenden Zusammenhang relevante Situationen, in denen diese Kräfte zu wirken scheinen, werden im folgenden dargestellt. Der erste Stroke-Mythos lautet, dass der Inhalt eines Strokes, der gegenüber einem Dritten kundgegeben wird, stimmen muss und niemand ihn bezweifelt. Die Wirkung dieses Mythos bezieht sich einmal – ganz ähnlich den Zuschreibungen – auf die gestrokte Person selbst. Was zu Dritten gesagt wird, so die Annahme, muss ehrlichen Herzens sein und ist deshalb besonders ernst gemeint und deshalb ernst zu nehmen. Diese Wirkung hat Jedermann in seiner Kindheit durch Zuschreibungen kennengelernt. Andererseits bewirkt ein solcher Stroke im Erwachsenenleben gleichsam eine gewisse Ohnmacht, die im Kindesalter nicht maßgebend war: Derjenige, gegenüber dem der Stroke geäußert wurde, bezweifelt, so die Annahme, dessen Inhalt nicht. Diese Annahme ist die konsequente Fortführung des (Irr-)Glaubens, chologischen Ebene kommuniziert und verstanden werden, während sie hier zwar nicht verstanden werden sollen, aber auch nicht ungeäußert bleiben können. 695  Ähnlich Stewart / Joines 2008, 123. 696  s. Kap. D. III. 2. c).



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements533

dass der Strokende die Wahrheit sagt.697 Wirkte die Zuschreibung in der frühen Kindheit skriptbildend, weil sie von einer bedeutsamen Bezugsperson geäußert wurde, erscheint im Erwachsenenleben ein derartiger Stroke deshalb bedeutsam, weil wir (weiterhin) annehmen, dass der Dritte diesem zweifelsfrei und vorbehaltlos zustimmt. Aus diesem Grunde nehmen etwa Mitarbeiter diejenigen Äußerungen besonders ernst, die ihre Kollegen oder Vorgesetzten gegenüber Dritten „heimlich“ kommunizieren. Das gilt sowohl für positive als auch für negative Strokes und zeigt sich etwa im gesamten Arbeitsrecht. Arbeitszeugnisse, Personalakten und ähnliche Strokes sind aufgrund dieses Stroke-Mythos (juristisch) hochsensibel. Das gilt vor allem für bedingte negative Strokes. Über die beschwert sich der Gestrokte – oftmals vor Gericht.698 Ganz ähnlich stellt sich aber auch die Sachlage für bedingte positive Strokes dar, über die sich allerdings nicht der Gestrokte, sondern ein „übersehener Nicht-Gestrokter“ beschwert.699 Ein weiterer Stroke-Mythos wird aktiviert, wenn ein bestimmter, zumeist bedingt positiver Stroke ausbleibt oder lediglich auf Bitten erteilt werden würde.700 Hier handelt es sich praktisch um eine zum ersten Stroke-Mythos umgekehrte Situation. Deshalb verwundert es keineswegs, dass hier eine ganz ähnliche Wirkung durch einen Stroke-Mythos eintritt.701 Der zweite Stroke-Mythos lautet, dass ein (v. a. bedingter, positiver) Stroke nichts oder 697  Mit anderer Begründung für die Stärke indirekt wahrgenommener Zuschreibungen Schlegel 2002, 194, 356 f. 698  Die rechtlichen Vorgaben, die für Arbeitszeugnisse bestehen und zu sprachlichen Verklausulierungen führen, sind Legion. Zudem fachen sie die Energie der „Kleinen Professoren“ (Erwachsenen-Ichzustand im Kind-Ichzustand) an, die sich sprachliche Kunststücke einfallen lassen, um doch noch „ihre Wahrheit ins Zeugnis“ schreiben zu können, ohne von den Juristen belangt werden zu können. All das wird unter anderem dadurch verständlich, dass sich der hier dargelegte Stroke-Mythos auswirkt. Instruktiv zum Recht des Arbeitszeugnisses Stück MDR 2006 m.w.N; Löw NJW 2005 sowie NZA-RR 2008, der mitteilt, dass im Jahre 2005 25.878 und 2008 über 32.288 Gerichtsverfahren in Deutschland wegen der Erteilung oder Berichtigung von Arbeitszeugnissen angestrengt wurden. 699  Deshalb empfehlen beispielsweise Wolf / Draf 1999, 113 in ihrem Handbuch zum Führen und Leiten in der öffentlichen Verwaltung, dass „Anerkennung […] nur unter vier Augen ausgesprochen werden [sollte], weil es sich um die Bewertung einer subjektiven Leistung handelt, die anderen gegenüber nicht gerecht sein muss. Die Gefahr der Erregung eines Neidkomplexes ist bei den Kollegen und Konkurrenten des Belobigten immer gegeben.“ Damit entlarven sie nicht den zugrunde liegenden Stroke-Mythos und nutzen ihn konstruktiv für die Führungsarbeit, sondern richten die Führungsarbeit nach ihm aus. 700  Das ist eine typische berufliche Situation bei der Zusammenarbeit mehrerer Personen, insbesondere, wenn zwischen ihnen ein organisatorisches bzw. hierarchisches Gefälle (wie zwischen Führungsperson und geführten Personen) besteht. 701  In beiden Situationen scheinen diejenigen Kräfte zu wirken, die – wie schon erwähnt – auch für die Kraft der Zuschreibungen, Kap. D. III. 2. c), die im Kindes-

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

nicht viel taugt oder jedenfalls nicht stimmt, wenn erst um ihn gebeten werden muss.702 Dabei spricht, klar besehen, nichts dafür, dass eine entsprechenden Bitte um den Stroke diesen in seinem Wert mindert. Erbetene Strokes sind ebenso wertvoll wie solche, die ohne Bitte erteilt werden. Zwar mag es vorkommen, dass der Strokende allein durch die Bitte und damit „bloß aus Gefälligkeit“ eine Leistung oder die Tatsache der Anwesenheit ausdrücklich anerkennt. Falls dafür Anzeichen bestehen, lässt sich das durch Nachfragen klären. Sollte sich herausstellen, dass der Stroke nicht von Herzen, sondern aus Unterwürfigkeit kommt, kann er abgelehnt werden. All das lässt sich aber nur durch beiderseitige bewusste Kommunikation klären, was zumeist aus ebenjenem Mythos heraus unterlassen wird. Dabei mag sich herausstellen, dass der erbetene Stroke ehrlich gemeint war und nur deshalb unterblieben wäre, weil seine Notwendigkeit fehlerhaft eingeschätzt wurde. Herausstellen kann sich auch, dass angenommen wird, anderen nicht derart na kommen zu dürfen (Lebensskript, Bannbotschaft) oder es generell verboten sei, andere oder zumindest Fremde positiv zu stroken, was freilich wenig mit dem Gestroketen zu tun hat.703 (c) Die Stroke-Ökonomie Strokes sind keine Gegenstände, weshalb sie, mögen sie in gewisser Hinsicht auch „gegeben“ werden, weder weniger werden noch verloren gehen können. Es ist ein folgenreicher Irrtum anzunehmen, weil man Strokes jemandem für sein Dasein oder Handeln gibt, sie weggibt und danach nicht mehr hat. Dass eine an materiellen Gegenständen orientierte Logik für Strokes nicht passt, zeigt sich auch an der „Rücknahme“ eines Stroke: Keineswegs geschieht sie durch Entgegennahme eines vormals weggegebenen Strokes, sondern durch „Hingabe“ eines erneuten Strokes mit gegenteiliger Aussage. Dadurch soll beim Gegenüber bewirkt werden, dass der Inhalt des vormaligen Strokes nicht mehr als gültig angesehen wird.704 Strokes funktionieren an sich nicht wie gegenständliche (Wirtschafts-)Güter und dürften schon deshalb anderen Regeln unterliegen. Gleichwohl werden sie häufig nach den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten beurteilt, nach alter wahrgenommen werden, verantwortlich sind und sich im Erwachsenenleben in mythischer Art und Weise fortsetzen. 702  Ähnlich Stewart / Joines 2008, 126. 703  Zu derartigen Einschränkungen aufgrund einer familiären bzw. gesellschaftlichen Stroke-Ökonomie s. sogleich im Anschluss, Kap. E. III. 4. d) bb) (3). 704  Klargestellt sei hier, dass genau diese Wirkung nicht vom Stroke-Geber allein abhängig ist. Der Stroke-Nehmer muss genau diese Intention des Stroke-Geber verstehend an- bzw. übernehmen.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements535

denen gegenständliche Wirtschaftsgüter „funktionieren“.705 Die Annahme, dass Strokes entsprechend funktionieren, ist darauf zurückzuführen, dass Strokes einen enormen Einfluss auf das (Zusammen-)Leben von Menschen haben, da sie ihrerseits das Überleben und Wohlbefinden der Menschen maßgeblich beeinflussen. Dieser besondere Wert von Strokes (ver-)führt dazu, sie nach den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten physischer Güter und deren Austausch zu behandeln, denen ein ähnlicher Wert zukommt. Konsequenz dieser Annahme ist, dass sich Menschen, die dieser Annahme unterliegen, tatsächlich so verhalten, entsprechend fühlen und denken. Die sozialen Wirkungen sind folglich „sich selbst erfüllende Prophezeiungen“706. Sie erscheinen immer wertvoller und insbesondere unerreichbarer, je mehr ihr Wert an gegenstandsbezogenen Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie bemessen wird. Diese Wertbestimmung verführt dazu, sie einerseits zur Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen gegenüber anderen zu missbrauchen und sich andererseits durch verführte Verführende missbrauchen zu lassen. Ansatzpunkt ist das ökonomische Prinzip der „Verknappung“, das zu einschränkenden Handhabungen führt.707 Die familiär geprägten und gesellschaftlich geübten Gesetzmäßigkeiten von Strokes, die sich daraus ableiten (lassen), sollen nun skizziert werden. Zu beachten ist dabei, dass die Stroke-Ordnung einen (gedachten) Absender hat, um dessen willen die Regeln aufgestellt wurden. ­Dadurch, so Steiner, werden persönliche Abhängigkeiten gesichert, StrokeMonopolisten gestärkt und Ausbeutung auf familiärer, wirtschaftlicher und politischer Ebene beibehalten und gefördert.708 In den anschließenden Ausführungen zur Stroke-Ökonomie wird deshalb einerseits von „Richtlinien“ gesprochen, wodurch ihr anweisender Charakter zum Ausdruck kommt, und andererseits die Reihenfolge aus systematischen Erwägungen abgeändert, wodurch ihre inhaltlichen Zusammenhänge, ihre gegenseitigen Wirkungen und ihre systematische Geschlossenheit insgesamt verdeutlicht wird. •• 1.  Fixierende Stroke-Richtlinie: „Gib keine Strokes, auch wenn Du gerne möchtest!“ Diese Richtlinie begrenzt vor allem unser Bedürfnis, andere positiv in ihrem Sein und Handeln anzuerkennen und damit unserer Liebe, Freude und 705  So

vor allem Steiner NTA 1978; ders. 1989, 136 ff.; ders. 1991, 74 ff. Watzlawick 2006. Zu verdinglichende Metaphern, die unsere Fühl- und Denkweisen (ver-)führen und zu entsprechenden Schrägheiten führen: Simon 1997, 146 ff.; ders. 1998, 158 ff. (Hier thematisch über die Güter „Wissen“ und „Lernen“, die, gedanklich verdinglicht, zum Vorstellungsbild eines Lernstoffs führen, der eingetrichtert werden könnte.). 707  Steiner 1991, 75. 708  Zum Folgenden auch Steiner 1989, 139 ff.; ders. 1991, 74 ff.; Schulze 2007, 446 ff.; Stewart / Joines 2008, 124 ff.; Hagehülsmann / Hagehülsmann 2001, 81 f. 706  Dazu

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Hintergrund dieser Regelung ist das Misstrauen gegenüber allem Fremden. Da Stroken auch Kontaktaufnahme bedeutet und zwischenmenschliche Begegnung erfordert und fördert, bleibt durch Nichtstroken Fremdes fremd. Schlegel verdeutlicht dies, indem er formuliert, dass danach niemand positiv anerkannt werden dürfe, der nicht von vornherein nahestehe.709 Andererseits erfasst diese Regelung auch weite Bereiche des Verteilens negativer Strokes. Indem das Verteilen negativer Strokes unterbunden wird, ist es beispielsweise untersagt, sich der persönlichen Grenzüberschreitungen anderer zu erwehren. Ist es nicht erlaubt, diesem Grenzverletzer zu verdeutlichen, dass er „zu weit gegangen ist“ (wenn auch ohne böse Absicht), so bleiben nur Rückzug und Kontaktabbruch, um die eigenen Grenzen zu wahren. Insgesamt isoliert dieses Gesetz die Person am stärksten und verhindert ein befreites Erleben sozialer Kontakte. Diese Stroke-Richtlinie korreliert mit dem Antreiber „Sei immer stark!“, durch den verhindert wird zu fühlen und Gefühltes zum Ausdruck und damit in die Transaktion zu bringen.710 Gegenbeispiel: „Gut, dass Sie Eigeninitiative ergriffen haben und dadurch das Problem gelöst ist. Das ist ein Grund, weshalb ich gerne mit ihnen zusammenarbeite.“

•• 2.  Fixierende Stroke-Richtlinie: „Gib dir selbst keine positiven Strokes!“ Diese Richtlinie begrenzt ebenfalls unseren positiven Stroke-Haushalt und ist die einzige, die ausschließlich positive Strokes erfasst. Eigenartigerweise wird gerade diese Forderung kaum je ausdrücklich auf positive Strokes begrenzt und stets nur davon gesprochen, sich selbst keine Strokes geben zu dürfen.711 Die Regeln der Stroke-Ökonomie verbieten keineswegs sich in seiner Persönlichkeit oder sein eigenes Verhalten zu verneinen. Negatives Selbststroken und erst recht abwertende Selbstbezichtigungen sind erlaubt 709  Schlegel 2002, 358. Auch Schulze 2007, 446 begrenzt diese Regelung auf positive Strokes, was sich allerdings aus dem Kontext („strokeorientiertes Management in Dienstleistungsunternehmungen“) erklärt, indem insbesondere der Mangel an positiven Strokes zu beklagen sei. 710  Die historisch ursprünglicheren Bannbotschaften, denen mit den Antreibern zu entkommen versucht wird und die deshalb auch mit den Stroke-Richtlinien verknüpft sind, lassen sich aus der Übersicht zu den sechs Prozessskripten im Kap. D. III. 3. dieser Untersuchung entnehmen. 711  Vgl. etwa Steiner 1989, 140; Schulze 1992, 447; Stewart / Joines 2008, 124; Hennig / Pelz 2002, 73; wohl aber anders, wenn auch nicht im Kontext einer StrokeÖkonomie Goulding / Goulding 2005, 132 ff. Vielmehr wird ohne ausdrückliche Erläuterung davon ausgegangen, dass negative Strokes „schlecht“ oder zumindest „wenig wertvoll“ sind. Die Formulierungen in der Literatur zur Stroke-Ökonomie lassen allerdings keinen anderen Schluss zu, als dass negative Strokes im Rahmen der Stroke-Ökonomie tatsächlich diese Bewertung beigemischt bekommen, vgl. statt vieler nur Steiner 1989, 140.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements537

und flankieren nahezu jedes Antreiberverhalten, das Menschen in sich aktivieren. Jedoch – und darauf bezieht sich die zweite Stroke-Richt­linie –, ist Eigenlob verboten, da es geradezu „stinkt“, wie der Volksmund propagiert, so dass frühzeitig jede Form von „Prahlerei“ zu unterlassen sei. Die Ursachen dürften einerseits darin zu finden sein, dass das Stroke-Monopol in Gefahr gerät. Andererseits liegt der Aufforderung die irrige Annahme zugrunde, dass an Selbstabwertungen anderer, die sich im sozialen Kontext an Eigenlob anschließen können, eine linear-kausale Mitverantwortung zu tragen sei. Oder anders gewendet: Durch die zweite Richtlinie sollen Dritte mit Qualitätsbekundungen der eigenen Person nach dem Motto verschont bleiben: „Wenn du dich für Gutes lobst, merke ich, dass ich nichts dergleichen zu bieten habe.“ Als damit korrelierender Antreiber für denjenigen, der sich an dieses Verbotsgesetz hält, wirkt – neben „Sei immer stark!“ – „Sei anderen immer gefällig!“. Gegenbeispiel: „Das habe ich echt klasse hinbekommen. Wenn ich mir das Risiko vergegenwärtige, dann wird mir jetzt so richtig deutlich, dass ich mutig und entschlossen gehandelt habe. Hätte ich in dieser Art vorher gar nicht von mir gedacht. Toll!“

•• 3.  Fixierende Stroke-Richtlinie: „Nimm keine Strokes an, (auch) wenn Du sie möchtest!“ Nicht nur, dass die Stroke-Ökonomie das Verteilen von Strokes verbietet, sie untersagt auch die Annahme solcher Strokes, die im Grunde gerne angenommen worden wären.712 Dieser Richtlinie wird bereits früh im familiären Kontext nachgekommen („Sprich nicht mit Fremden und nimm’ nichts von ihnen an!“) und redliche Motive sind dieser Forderung zuweilen nicht abzusprechen.713 Gleichwohl vermag sich der steuernde Einfluss auch im Erwachsenenalter fortsetzen, wodurch es zu erheblichen Beschränkungen (Stroke-Filter!) und Mangelerscheinungen des Stroke-Haushalts kommt. Der 712  Zum

Folgenden eindrucksvoll Goulding / Goulding 2005, 127 f. steuernde Einfluss auf das Kind vermag lebensförderlich, aber auch -schädlich sein. Das bedarf hier keiner Vertiefung, jedoch können andere Autoritäten im späteren Alter diese „Elternfunktion“ übernehmen, soweit das Kind dem Gebot ungeprüft folgt. Steiner erkennt gerade darin den problematischen Charakter der Regelung. Als solche Autoritäten, die den Platz des Stroke-Monopolisten einnehmen, können etwa Lehrer oder Sporttrainer angesehen werden, später andere Vorgesetzte, aber auch Ehepartner oder selbst die eigenen Kinder. Institutionell bieten sich etwa der Staat oder die eigene Firma an, aber auch die Werbebranche bzw. die Unterhaltungsindustrie oder irgendeine sonstige heilsversprechende Industrie an. Diese, sehr unter dem Aspekt von Macht und Manipulation formulierte, Stroke-Richtlinie dürfte im Ganzen betrachtet dasjenige sein, weshalb dem von Steiner gezeichneten pessimistischen Bild der StrokeÖkonomie nicht jeder Transaktionsanalytiker zustimmt oder zumindest nicht uneingeschränkt, vgl. etwa die Andeutungen bei Stewart / Joines 2008, 125. 713  Der

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

Forderung wird häufig dadurch nachgekommen, dass der positive Stroke zunächst äußerlich angenommen714, aber letztlich doch durch eine Redefinition abgelehnt wird. Gegenbeispiel: „Vielen Dank für die lobenden Worte und wohltuende Anerkennung. Damit geht es mir sehr gut.“715

•• 4.  Fixierende Stroke-Richtlinie: „Bitte nicht um Strokes, wenn Du welche brauchst!“ Die Regelungsmotivation der dritten Stroke-Richtlinie wird hier konsequent fortgeführt: Wenn Strokes (von anderen) nicht angenommen werden dürfen, bedarf es auch keiner Bitte um sie.716 Die Richtlinie diktiert damit, auch weiterhin „stark“ zu sein und „nicht (die eigenen Bedürfnisse) zu fühlen“ und letztlich doch dem jeweiligen Stroke-Monopolisten „gefällig zu bleiben“.717 Überdies scheint hier auch der Stroke-Mythos zu wirken, dass erbetenen Strokes kein spürbarer Wert zukomme.718 Gegenbeispiel: „Sagen Sie mir bitte, wie es Ihnen mit meiner Präsentation geht. Was halten Sie davon? Ich bitte Euch um Rückmeldungen, damit ich weiß, was ich bei Ihnen mit meinen Äußerungen bewirkt habe.“ oder „Bitte, sag’ mir etwas Nettes. Ich bin wie leergesaugt von dem Seminar. Das hat mich derart angestrengt, dass meine Akkus auf Null stehen.“

•• 5.  Fixierende Stroke-Richtlinie: „Lehne keine Strokes ab, wenn Du sie nicht willst.“ Der Kreis, der einsam macht und gegebenenfalls abhängig von einzelnen und oftmals bloß herbeiphantasierten Stroke-Monopolisten, denen zuliebe die Stroke-Richtlinien (immer noch) beachtet werden, schließt sich mit der fünften Aufforderung. Nach den vorherigen Stroke-Richtlinien darf man weder andere Menschen stroken, noch Strokes von ihnen annehmen und auch nicht um Strokes bitten. Der Stroke-Hunger bleibt ungestillt. Die fünfte Regelung knüpft nunmehr an die ersten beiden an und formuliert diese, wenn auch nicht vertiefender, so doch für die spezielle Situation des negativ Gestroketwerdens: Ungewollte und schmerzhafte Strokes müssen unwidersprochen angenommen werden. Es ist also verboten, dem Verhalten des 714  Vgl.

dazu die fünfte Stroke-Richtlinie („Lehne keine Strokes ab!). dazu auch Kap. D. IV. 2. a) aa) (Beispiel Nr. 4 – Lob). 716  Keineswegs wird dieses Verbot dadurch missachtet, dass auf erpresserische Weise Zuwendung von anderen erbeutet wird. Hierbei handelt es sich um Maschenverhalten, das nicht nährend wirkt, dazu Erskine ZTA 1989. 717  Hier wird das Konzept von Schneider, M. ZTA 2006 verständlich, das den Gefälligkeitsantreiber als Generalantreiber qualifiziert. 718  Dazu ausfrl. Goulding / Goulding 2005, 130 ff. 715  Vgl.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements539

Kommunikationspartners ehrlich zu begegnen, diesen bedingt negativ zu stroken und seinen Wert damit zu verteidigen, also positiv selbst zu stroken. Gegenbeispiel: „Ich möchte nicht mehr hören, dass ich im Kundenkontakt scheinbar unerschöpflich sensibel wirke. Das weiß ich zur Genüge. Hast Du mir noch etwas anderes, eventuell zu meinem Durchsetzungsvermögen, zu sagen?“

cc) Ansätze einer zuwendungsorientierten Führungsarbeit als Element eines aktivierenden Verwaltungsmanagements Hinreichend deutlich geworden ist bisher, dass die transaktionsanalytische Theorie der Strokes darauf hinweist, dass Streicheleinheiten keine Schmeicheleinheiten sind, sondern als echte Führungsinstrumente genutzt werden können. Bestätigung, Anerkennung und Lob sind ebenso beeinflussende Maßnahmen im sozialen Kontakt wie Ablehnung, Missachtung und Kritik.719 Die transaktionsanalytische Konzeption verdient insbesondere für ihre Konsistenz Beifall und eignet sich deshalb sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Führungsarbeit als Grundlage. Ihr besonderer Vorzug ist dabei, dass sie nicht nur Lob und Zuspruch als bedeutsame Führungsinstrumente heraushebt und damit die Anfälligkeit für manipulative Spiele herabsetzt.720 Vielmehr konzipiert sie Lob und Zuspruch gleichwertig mit Kritik und Ablehnung auf einer Basis von Zuwendung und Anerkennung. Wolf / Draf stellen – zu recht – fest, dass es „ganz allgemein an einer Anerkennungstechnik und Anerkennungspraxis“721 in deutschen Verwaltungen fehlt – und meinen doch nur unzureichendes Lob und mangelnden Zuspruch. Die transaktionsanalytische Konzeption vermag aber aufzuzeigen, dass kein erteiltes Lob und mangelnder Zuspruch gleichwohl Stroke-Wirkungen zeitigt und die Motivierung des Mitarbeiters beeinflusst. Da Zuwendungen jeglicher Art einen bedeutsamen Faktor menschlicher Motivation darstellt, der im sozialen Erleben wirksam wird, stellt eine strokeorientierte Führungsarbeit ein brauchbares Instrument der Arbeitsmotivation dar, das einem aktivierenden Führungsstil zuträglich ist. Im bewussten Stroken durch die Führungsperson wird Führungsarbeit ge(währ)leistet und sowohl der eigenen Führungsarbeit als auch der geleisteten Arbeit Sinn zugesprochen und verliehen, so dass eine Steigerung der eigenen Motiva­tion sowie der Motivation des Geführten ermöglicht wird. Strokeorientierte Führungsarbeit wird – was die transaktionsanalytische Konzeption verdeutlicht – nicht ausschließlich durch Lob und Zuspruch geleistet, sondern auch 719  Vgl.

ganz ähnlich Wolf / Draf 1999, 113. Gührs / Nowak 2002, 291 ff. 721  Wolf / Draf 1999, 113. 720  Vgl.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

durch schlichte Erwähnungen von eigenverantwortlich auszugestaltenden Handlungsspielräumen, dem Mitteilen von Hintergrundinformationen oder Ähnlichen.722 Strokeorientierte Führungsarbeit ist in diesem Sinne die konkrete Umsetzung der ko-operativen Gestaltung der Arbeitsbeziehung von Führungsperson und Mitarbeiterperson, die sich in beziehungsorientierter Kommunikationsmustern niederschlägt.723 Mit einer strokeorientierten Führungsarbeit erfüllten die Führungspersonen zudem auch ihre zentrale Aufgabe als verwaltungsinterne Personalentwickler.724 Nicht nur die Steigerung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeiten der Mitarbeiter durch strokeorientierte Motivation, Delegation und Ermutigung sind wesentliche Aufgaben der Führungskräfte, die keineswegs auf die jeweiligen Personalabteilungen abgewälzt werden können. Auch die Steuerung der Organisation und die Erhöhung ihrer Lernfähigkeit, die Entwicklung der Kommunikation und Koordination und damit Konfliktfähigkeit, die keineswegs Konfliktfreiheit bedeutet oder anstrebt sind Führungsaufgaben in einer Verwaltungsorganisation, die sich gesellschaftlicher Aktivierung verschrieben hat. Ausgangspunkt einer solchen Führungsarbeit bleibt dabei die ständige Weiterentwicklung der eigenen Identität als Führungskraft sowie der Umsetzung des eigenen Führungspotentials.725 Welche Maßgaben können daraus im Einzelnen abgeleitet werden.726 •  Die –  hier dargelegte  – Bedeutung und Relevanz der Gestaltung zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse für den Erfolg von Führung in und Leitung einer Verwaltungsorganisation sowie der Aktivierung der Bürger nach Außen müssen sich die Führungspersonen bewusst sein. •  Zu den wesentlichen Aufgaben der Führungspersonen in allen Verwaltungsorganisationen gehört es, diese zwischenmenschlichen Kommunika­ tionsprozesse bewusst und aktiv zu gestalten, wobei ein strokeorientierter Umgang förderlich ist. Erstrebenswert erscheint dabei – angesichts der individuellen Stroke-Filter –, ein individuelles Zuwendungsmanagement zu betreiben, bei dem auf authentische und angemessene Zuwendungen zu achten ist.727 Das bedeutet vor allem die Zuwendungskultur zu erweitern und nicht mehr lediglich die im wahrsten Wortsinne hervorragenden Leis722  Vgl.

zur Bedeutsamkeit solcher Informationen auch Töpfer 1990, 80. Schulze 2007, 450 f.; Zur neurobiologischen Bedeutung kooperativen Sozialverhaltens, die sich im Führungsverhalten freilich fortsetzt, s. Bauer 2008b, ders. 2008c. 724  Vgl. auch zum Folgenden Bennett 1977, 90 ff. 725  Ähnlich Müller 1996, 43; Zur Personalqualifizierung (insbes. des Führungspersonals) kritisch Bull 2005, 89 f. 726  Zum Folgenden auch Schulze 2007, 451. 727  Ausfrl. dazu James 1992, 87 ff., 96 ff.; Gührs / Nowak 2002, 291 ff. 723  Vgl.



III. Ausgewählte Anwendungsbereiche eines Konfliktmanagements541

tungen zu würdigen, sondern auch die leise daherkommenden, ohne die nichts und schon gar nicht die Organisation funktionstüchtig bliebe. •  Zuvorderst bedarf es dafür der Bereitschaft, sich selbst und den eigenen Umgang mit Strokes in der Gestaltung zwischenmenschlicher Kommunikationsprozess (Beziehungsgestaltung) kritisch zu hinterfragen und Bewusstheit zu fördern. Folgende Fragen bedürfen etwa eine Antwort: Wie gehe ich mit Strokes um und welche Zuwendungskultur besteht in meiner Gruppe oder Abteilung? Wie stroke ich meine Mitarbeiter und wie wird bevorzugt unter den Mitarbeitern gestroket? Wie schaut mein Stroke-Filter aus? Sind organisationale Stroke-Mythen bzw. gesellschaftlich anerkannte, aber unreflektierte Stroke-Richtlinien verinnerlicht?728 Welche Antreiber unterstützen das aktuelle Stroke-Muster?729 etc. •  Darüber hinaus gilt es, das eigene Stroke-Muster ggf. zu verändern und zu entwickeln. Speziell im Hinblick auf die gesellschaftlich normierte Stroke-Ökonomie ließe sich das Postulat einer individuell auszuformenden und insoweit zu aktivierenden „new-stroke-economy“ aufstellen. Leitlinien könnten diesbezüglich folgendermaßen lauten730: •• Zuwendung ist jedem einschließlich mir selbst gegenüber erlaubt. •• Ich entscheide, welche Zuwendung ich annehme und welche nicht. •• Ich darf um Zuwendung, die ich benötige oder bloß möchte, bitten und sie gegebenenfalls einfordern. Speziell für Führungskräfte in Großorganisationen könnten diese Leit­ linien weiter spezifiziert werden: Ersten, ich darf Positives erwähnen, auch wenn es nicht herausragend ist. Zweitens, negatives Verhalten darf ich sachbezogen konfrontieren, ohne die Person als „nicht o.k.“ zu betrachten. Drittens, Selbstabwertungen konfrontiere ich, ohne verfolgerisch zu werden. •  Erforderlich ist zur Erfüllung der vorgenannten Maßgaben nicht nur die kognitive Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Verhaltens, sondern zudem einerseits aktives und aktivierendes Training (etwa in Work728  In Organisationen und unter Führungskräften sind freilich Stroke-Mythen und -Gesetze modifiziert, wirken aber umso stärker. Sie lauten etwa: „Wer gelobt wird, entwickelt sich nicht weiter.“; „Ich bin vor allem dazu da, auf Fehler aufmerksam zu machen.“; „Nur Schwächlinge brauchen Lob.“; „Kritische Distanz und Unpersönlichkeit zählen bei uns.“, vgl. dazu Gührs / Nowak 2002, 291. 729  In diesem Zusammenhang ist es zum Beispiel erforderlich darüber Klarheit zu erlangen, dass Mitarbeiter keinesfalls aufgrund ihrer Antreiber die Arbeitsleistungen erbringen, sondern trotz ihrer Antreiber! Infolgedessen bedarf es auch keiner Unterstützung und Förderung der Antreiberprozesse durch Strokes, ähnlich Bennett 1977, 90 ff. Generell sind Passive Verhaltensweisen, Grandiositäten oder Einladungen zu manipulativen Spielen nicht durch Strokes zu verstärken oder zu verfestigen. 730  Ähnlich Hennig / Pelz 2002, 73; vgl. auch Steiner 1989, 306 ff.

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E. Mediation und Transaktionsanalyse

shops) sowie andererseits die Annahme von Rückmeldungen durch geführte Mitarbeiter sowie durch sonstige Führungskräfte der Verwaltungsorganisa­ tion.731 Derartige Feedback-Strukturen sollten nicht erst in Krisensituationen installiert, sondern als fester Bestandteil in den alltäglichen Arbeitsablauf etabliert werden.732 Eine Entwicklung der organisationalen Zuwendungskultur bzw. der Zuwendungskultur einzelner Gruppen erfolgt nicht von heute auf morgen, sondern bedarf Zeit und hat – wie jede Veränderung – dynamische Grenzen.

731  Zu Feedback-Strukturen für Führungskräfte allgemein Mohr 2000, 89 ff.; speziell zur Kollegialen Beratung Schulze / Lohkamp ZTA 2005. 732  Dazu Gührs / Nowak 2002, 292 f.

F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick In diesem abschließenden sechsten Teil der Arbeit werden noch einmal knapp die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Ziel der vorliegenden, transdisziplinär angelegten Arbeit war es, mit Hilfe der Transaktionsanalyse sowie einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation das Konfliktmanagement im öffentlichen Sektor zu verbessern, wozu insbesondere die Umsetzung des Staatsverständnisses vom aktivierenden Staat Anlass gibt.  F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick

Ergebnisse des ersten Teils: Als (wissenschafts-)theoretische Basis der Untersuchung dient ein systemisch-konstruktivistisches Verständnis. Es sichert die Widerspruchsfreiheit einzelner Erkenntnisse und koppelt die unterschiedlichen Konzeptbereiche von Mediation, Transaktionsanalyse und aktivierender Staat. Insbesondere bietet es eine stabile Grundlage zur Beantwortung von Fragen der Steuerung sozialer Einheiten. Ergebnisse des zweiten Teils: Soziale Konflikte sind bewusst kommunizierte, aktuelle Gegensätze zwischen mindestens zwei sozialen Einheiten (Menschen, Gruppen, Organisationen), bei denen jede soziale Einheit annimmt, dass ihre Interessenbefriedigung von dem Tun oder Unterlassen der anderen sozialen Einheit abhängt. Diese prozess- und beziehungsorientierte Konzeptualisierung des Konfliktbegriffs verdeutlicht, dass nicht das gegensätzliche Moment des Konflikts für die Konfliktbehandlung maßgebend ist, sondern die Interdependenzstruktur der Konfliktbeziehung. Sie ist letztlich sowohl Ausgangs- als auch Endpunkt jeglicher Konfliktbehandlung. Insbesondere ist es für ein beziehungsorientiertes Konfliktmanagement erforderlich, den Konfliktbegriff vom Problembegriff abzukoppeln. Ein Problem ist ein unerwünschter Ist-Zustand einer sozialen Einheit. Wird die Veränderung des Ist-Zustands für eine weitere soziale Einheit zum Problem, kommt es zum Konflikt, der sich folglich aus zwei Problemsituationen zusammensetzt. Ein Konflikt besteht also immer aus mindestens zwei sozialen Einheiten, während ein Problem stets nur eine soziale Einheit aufweist. Als weiteres Ergebnis für ein verbessertes Konfliktmanagement kann festgehalten werden, dass der Konfliktprozess destruktive, aber auch konstruktive Wirkungen für die sozialen Einheiten haben kann. Ein konstruktives Konfliktmanagement bedarf der Wahrnehmung der Potentiale, die der Kon-

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F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick

flikt für die sozialen Einheiten parat hält. Das ist die funktionale Komponente eines Konfliktes, dass er zur Veränderung auffordert, zum Lernen und Reifen, zur Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung. Diese wachstumsförderliche Komponente zeigt sich an dem Modell der Konfliktbehandlungsebenen, das einen evolutionären Prozess der Konfliktbehandlungsmöglichkeiten darstellt. Indem alles Verhalten angesichts eines Konflikts als Konfliktbehandlung konzeptualisiert wurde, war es unmöglich, den Konflikt – in doppelten Wortsinne – „sein“ zu lassen. Er befindet sich stets im Werden, in einem ständigen Entwicklungsprozess, der keine Stagnation kennt, sondern allenfalls von einem Beobachter zugeschrieben wird. Eine solche Zuschreibung wird durch die prozessorientierte Konzeptualisierung vermieden. Vielmehr ist alles Verhalten angesichts eines Konflikts bereits Konfliktbehandlung und kann auf fünf Ebenen verortet werden. Es ist möglich als Konfliktbeteiligter zu flüchten, sich mit dem anderen zu bekriegen oder mit ihm zu verhandeln. Zudem ist es möglich, einen Dritten einzuschalten, entweder im Wege der Delegation, damit dieser eine Entscheidung trifft, oder im Wege der Mediation, damit dieser bei der Entscheidungsfindung hilft. Bereits an dieser Stelle zeigte sich, dass das Recht und die juristische Methode, das Verfahren der Delegation bedienen und somit nicht unmittelbar der Mediation vergleichend gegenüberstellt werden kann. Das Recht stellt einen Maßstab dar, anhand dessen der Dritte eine Entscheidung über den Konflikt trifft, während die Mediation kein Maßstab ist, anhand dessen der Mediator entscheidet. Oder anders gewendet, das Recht und die Mediation sind nicht bloß zwei unterschiedliche Werkzeuge, mit denen ein Dritter einen Konflikt behandelt. Die Aufträge und Aufgaben und damit die Funktionen für den Konfliktverlauf sind im Rahmen einer Delegation grundverschieden zu denen im Rahmen einer Mediation. Bereits das deutet an, dass Richter, an die delegiert wird, anderer Werkzeuge bedürfen als Mediatoren. Ergebnisse des dritten Teils: Für das Mediationsverfahren konnten drei Basisgedanken herausgearbeitet werden, der Vermittlungs-, der Ausgleichsund der Entwicklungsgedanke, die den menschlichen (neurobiologisch angelegten) Bedürfnissen nach Kommunikation, Kooperation und Kreativität zuarbeiten. Zudem konnten historische Linien nachgezeichnet werden, die verdeutlichen, dass die Basisgedanken der Mediation eine kulturelle Tradition besitzen. Dadurch wurde erst vollends verständlich, weshalb sich Mediation aktuell in vielen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen Raum verschaffen kann. Mediation ist eine Verfahrensweise zur Konfliktbehandlung, stellt aber kein inhaltliches Entscheidungssystem (wie das Rechtssystem für die Delegation) zur Verfügung. Auf der – von allen Mediationsteilnehmern verein-



F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick545

barten – Basis von Eigenverantwortlichkeit vermittelt ein allparteilich agierender Mediator die Medianten. Das bedeutet, dass er den Konfliktlösungsprozess der Beteiligten begleitet und die Medianten von destruktiven Konfliktkommunikationen fernhält. Er beeinflusst durch seine Vorgehensweise die konkrete Art des Konfliktgeschehens und visiert die überstimmenden Interessen der Beteiligten an, auf deren Basis ein Modus Vivendi herausgearbeitet werden kann. Auch wenn der Mediator den Konflikt nicht anhand der geäußerten Positionen wie ein Richter entscheidet, so wirkt er bzw. das Verfahren der Mediation für den weiteren Konfliktverlauf entscheidend. Das Verfahren selbst ist bereits der Ansatz einer Lösung, ein erster Schritt, zu dem sich die Beteiligten gemeinsam und freiwillig entschieden haben. Da die Delegation als Konfliktbehandlungsmethode der Mediation evolutionär vorangeht, kann der mediative Ansatz besonders hell ausgeleuchtet werden, wenn die juristische Vorgehensweise als Kontrast dient. Diese Vorgehensweise wirkt zudem rückkoppelnd: Auch die juristische Methode im Rahmen der Delegation zeigt sich in einem neuen Licht, wenn sie zur Beleuchtung der mediativen Methode genutzt wird. In einer rechtsphilosophischen, historischen, systemtheoretischen sowie funktionsanalytischen Betrachtung des Rechts konnten seine Wirkungsweisen bei der Behandlung sozialer Konflikte sowohl für die Konfliktbeteiligten als auch für die Gesamtgesellschaft herausgearbeitet werden. Dabei ergab die Frage nach dem Ursprung und Wesen des Rechts, dass es kein letztgültiges Recht gibt, das unabhängig von uns Menschen existiert. Ein Befund, den die systemtheoretische Betrachtung des Rechts bestätigte. Recht ist eine Beurteilung von Menschen – vor allem anlässlich sozialer Konflikte. Es war die (systemtheoretische) Rechtstheorie, die im Anschluss an diese ernüchternde Erkenntnis rechtsphilosophischer Suche lakonisch feststellte, dass damit und letztlich alles Recht ist, was Recht ist. Das bedeutet aber nicht, dass alles zu allen Zeiten Recht ist oder sein kann. Recht ist also keineswegs beliebig, sondern nur relativ. Rechtsinhalte befinden sich in veränderbaren Relationen zu anderen Faktoren und können nicht dekontextualisiert werden, was jedoch ihrer Gültigkeit und Wirksamkeit keineswegs schadet. Konkret für die Mediation ergibt sich daraus die Erkenntnis, dass die Medianten nicht über Recht und Unrecht verhandeln können. Sie können lediglich darüber verhandeln, ob sie diese die rechtliche Lösung favorisieren und umsetzen wollen oder ihre eigene Lösung kreieren. Die Bedeutung und Wirkungsweise des Rechtssystems zeigt sich auch, wenn es unter systemtheoretischen und historischen bzw. funktionalen Aspekten betrachtet wird. Als beachtlich zeigt sich in diesem Zusammenhand der Staat als Vertreter gesamtgesellschaftlicher Interessen. Indem die Rela-

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F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick

tionen des Rechtssystems erhellt werden konnten, wurde der Staat und sein Entwicklungsprozess beleuchtet. Die Entwicklung des Rechtssystems ist untrennbar mit der Staatswerdung des modernen Staates verbunden. Dem Staat als Akteur und späterhin als maßgebender Organisator gesellschaft­ licher Organisation dient das Recht seit Beginn als Kommunikationssystem zur Stabilisierung seiner selbst und damit zunehmend der Gesamtgesellschaft. Ohne Recht gäbe es keine Großorganisation „Staat“. Recht schafft also nicht Ordnung in einer (chaotischen) Großorganisation, sondern ermöglicht eine Großorganisation erst. Oder anders gewendet: das Auseinanderfallen einer Großorganisation mangels durchgesetztem Recht ist nicht der Beginn von Chaos, sondern der Beginn einer angemessenen Ordnung. Indem sich Recht bei der Ausdifferenzierung einer Organisation zur Aufrechterhaltung der Ordnung entwickelt, wird Recht durch diese geprägt und schafft die Ordnung nicht aus sich selbst heraus. Die Aufgabe des Rechts ist deshalb selbstverständlich konservativ. Jede progressive Tendenz, die dem Recht zugeschrieben wird, ist ein Irrtum. Und wer Recht dafür verwendet, benutzt schlichtweg ein unpassendes Werkzeug.1 Recht hat folglich konkrete Funktionen, die ihr angesichts sozialer Großgruppen durch diese selbst zugewiesen werden. Recht kommen Steuerungsfunktionen zu. Es übernimmt Präge-, Freiheitssicherungs-, Erwartungssicherheits- und Konfliktentscheidungs- oder kurz Ordnungsfunktionen. Das Rechtssystem, mit dem das Konfliktsystem erfasst werden soll, benötigt zur Konfliktbehandlung Positionierungen der Konfliktparteien (Ansprüche bzw. Anspruchsbehauptungen). Anhand der jeweiligen Ansprüche sowie den entsprechend prozessual gestellten Anträgen kann der Konflikt nunmehr in der Form eines Rechtsproblems (rechtlich) gelöst werden. Der Konflikt wird in der Sprache des Rechtssystems und anhand seiner Werte behandelt und durch diese entschieden. Das ist (für die Konfliktbeteiligten) der Preis der Delegation. Das Recht wird also keineswegs allein im Namen der Konfliktbeteiligten benutzt, sondern vor allem im Namen der sozialen Gruppe insgesamt.2 Recht ist ein Instrument dieser Großgruppe bzw. der in ihr maßgebenden Gewalt, heutzutage der Staatsgewalt. In diesem Zusammenhang konnte auf rechtsanthropologische Untersu1  Das bedeutet jedoch nicht, dass Recht nicht zukunftsweisende Wirkungen entfaltet und Neues anstößt, doch geht es seiner Funktion auch in diesem Fall um die Sicherung und Fixierung eines Zustandes, der noch nicht einmal Realität ist. Ungewöhnlich ist das allerdings nicht, dass durch Recht Veränderungen herbeigeführt werden (sollen), gerade um die bestehende (kriegsfreie) Ordnung zu konservieren und jeden Rückfall in Kampf und Gewalt zu verhindern. 2  Deshalb geht es bei der Rechtsanwendung nicht nur um (Einzelfall-)Gerechtigkeit, sondern – ganz im Radbruch’schen Sinne – um Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeitserwägungen.



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chungen zurückgegriffen werden, die zeigten, dass Rechtsregeln erstens jedenfalls ab einer bestimmten Größe der Gruppe nötig werden und zweitens nichts dafür spricht, dass diese Notwendigkeit bei einem Weiterwachsen der Gruppe wieder „verschwindet“. Die Gefahr, dass eine flächendeckende Mediation dem Rechtssystem die sozialen Konflikte „wegnimmt“, anhand derer sich das Rechtssystem stabilisieren und weiterentwickeln muss, ist allein theoretischer Natur. Dass das Rechtssystem für die Gesellschaft eine wichtige Ordnungsfunktion erfüllt, ist auch nahezu unbestritten. Doch ist damit noch nicht gesagt, dass Recht allein angesichts der weitergehenden Ausdifferenzierung ausreichend bleibt. Vieles – und vor allem das Aufkommen der Mediationsbewegung selbst – spricht dafür, dass ab eines bestimmten Komplexitätsgrades Rechtsregeln nicht mehr ausreichen und für sich sogar kontraproduktiv wirken können. An solchen Stellen der Ausdifferenzierung erscheint es erforderlich, einige Bereiche zur Konfliktbehandlung (wieder) den sozialen Einheiten zu überlassen. Die beteiligten Einheiten müssen sich dazu befähigen, sich in (durchaus konfligierenden) Kooperationsprozessen zusammenfinden und eigenverantwortlich die für sie anstehenden Aufgaben erfüllen, die bis dato an den Staat als Rechtsorganisator und -durchsetzer delegiert wurden. Hier wird sich das Konzept des aktivierenden Staates anschließen (können). Das (durchsetzbare) Rechtssystem stellt sich einerseits als eine Konsequenz gesellschaftlicher Ausdifferenzierung dar und andererseits zugleich als Bedingung weitergehender gesellschaftlicher Ausdifferenzierung. Recht ermöglicht zum einen die überindividuell organisierte Gesellschaft, in der gemeinschaftliche Moment i. S. v. Tönnies unterzugehen droht. Zum anderen ermöglicht Recht allerdings auch die Mediation in einer solchen (gewaltbefreiten) Gesellschaft und stärkt und bewahrt damit ebenjenes gemeinschaftliche Moment. Recht ermöglicht also die Gefährdung des Gemeinschaft­ lichen und stärkt es gleichwohl. Die Mediation konkurriert also nicht mit dem Rechtssystem. Und der Mediator konkurriert nicht mit dem Richter um die (bessere) Konfliktbehandlungsmethode. Denn Konflikte bzw. Konfliktbeteiligte sind nicht für die Mediation und das Rechtsystem da; ihr Sinn ist nicht, Mediation und Recht zu nähren. Recht und Mediation existieren zur Konfliktbeilegung und deshalb für die Konfliktbeteiligten bzw. die betroffene Gesellschaft insgesamt, weshalb Recht und Mediation zusammen eine sinnvolle Bereicherung für das soziale Geschehen darstellen. Ergebnisse des vierten Teils: Bevor speziell auf die Mediation im öffentlichen Sektor eingegangen wurde, für die es Besonderheiten herauszustellen gab, ist die Transaktionsanalyse – angesichts der Notwendigkeit eines verbesserten Konfliktmanagements im öffentlichen Sektor – grundlegend vor-

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F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick

gestellt worden. Mit ihr wurde ein Konzeptverbund ausgewählt, der diese Bestrebung gewährleisten kann. Zum einen vermag die Transaktionsanalyse Führungskompetenzen innerhalb der Verwaltung zu professionalisieren, zum anderen vermag sie die Vermittlungstätigkeit des Mediators zu unterstützen. Der transaktionsanalytische Ansatz zeichnet sich durch seine hohe Allgemeinverständlichkeit aus. Er ist mit anderen Ansätzen personaler und organisationaler Steuerung kompatibel. Und er kann, vor allem in organisationalen Zusammenhängen, mit der systemtheoretischen Gedankenwelt unterfüttert werden, ohne dass seine ursprüngliche Beziehungsorientiertheit verloren ginge. Gleichwohl bleibt seine tiefenpsychologische Fundierung unverkennbar und spiegelt sich sowohl in der Persönlichkeitsanalyse anhand des strukturorientierten Ichzustandsmodells, in der entwicklungspsychologischen Analyse anhand des Lebensskriptmodells sowie in der Kommunikationsanalyse anhand des funktions- bzw. ausdrucksorientierten Ichzustandsmodells. Die Sicherung der Kompatibilität mit den Anforderungen eines Konfliktmanagements im öffentlichen Sektor bietet die vertragsorientierte Arbeitsweise transaktionsanalytischer Beratung. Bereits anhand der grundlegenden Darstellung transaktionsanalytischer Konzeptbereiche zeichnete sich ab, dass mit ihnen ein Instrumentarium zur Analyse und Intervention aufgeboten wurde, mit Hilfe dessen Konfliktsituationen erklärbar werden, diese diskutiert und letztlich konstruktiv gestaltet werden können. Anhand der transaktionsanalytischen Arbeitsweise, ihrer Vertragsorientiertheit, konnten zugleich Parallelen zum Konzept der – ebenfalls prozessorientierten – Mediation aufgezeigt werden, die belegen, dass eine transaktionsanalytische Fundierung der Vermittlungstätigkeit des Mediators eben diese zu unterstützen und zu professionalisieren vermag. Ergebnisse des fünften Teils: Die vorgestellten Grundlagen konnten anhand des Verwaltungsmanagements im öffentlichen Sektor, wie es sich im Konzept des aktivierenden Staates darstellt bzw. darstellen soll, verknüpft werden. Dafür war es freilich zunächst erforderlich, das Konzept des aktivierenden Staates vorzustellen. Es zeigte sich, dass dem Konzept des aktivierenden Staates ein systemtheoretisch fundiertes Steuerungskonzept zugrunde liegt. Innerhalb der Organisation „Gesellschaft“ kommt den staatlichen Stellen Führungsfunktion zu. Diese Führungsfunktion muss dem Grundgesetz entsprechend rechtstaatlich und demokratisch ausgeübt werden. Das schließt es aber freilich nicht aus, dass die steuernden Gesetze auf der Grundlage eines gewandelten Wirkungsverständnisses erlassen werden und sich in ihrer Struktur ebenfalls wandeln. Der aktivierende Gesetzgeber regelt weniger konditional, sondern final bzw. intentional. Dadurch wird sich die Arbeitsweise der Exekutive wandeln. Sie wird zunehmend kooperative Handlungsstrategien verfolgen, um aktivierend und zielerfüllend wirken zu können.



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Ausgangsbedingung für das Ideal eines kooperativen und koproduktiven Umgangs ist ein gewandeltes Verständnis von Staat und Gesellschaft auf beiden Seiten. Bereits die aktuelle Beziehungsstruktur von Staat und Gesellschaft ist nicht mehr auf einer dichotomischen Grundlage denkbar. Ebenso wenig würde eine Aktivierung gesellschaftlicher Potentiale gelingen, wenn sie auf einer dichotomischen Grundlage basiert. Der Staat generell, vor allem aber der aktivierende Staat ist nicht mehr von der Gesellschaft differenziert (zu denken). Praktisch beginnt die Aktivierung gesellschaftlicher Akteure deshalb mit der Aktivierung staatlicher Stellen, insbesondere der Verwaltung. Das Konzept des aktivierenden Staates ist in seinem Kern ein Entwicklungskonzept, das mit der Entwicklung und Veränderung der staatlichen Stellen beginnt. Die gewünschte Aktivierung gesellschaftlicher Potentiale beginnt mit einer Eigenaktivierung und Förderung von Potentialen innerhalb der Organisation „Staat“. Die staatliche Organisation samt seiner Mitglieder ist der Wirkungsbereich, mit dessen Hilfe die gesellschaftlichen Bereiche gesteuert werden (können), den es zu aktivieren gilt, damit er die hoheitlichen Funktionen der Führung, Begleitung, Vermittlung etc. zu bewältigen vermag. Für dieses gewandelte Funktionsverständnis des Staates sind vorliegend zwei Konzeptbereiche ausgewählt worden, die die Aktivierung und Umsetzung des Konzepts vom aktivierenden Staat fördern (können). Als ein Handlungsinstrument, mit dem das gewandelte Verständnis sowohl verwaltungsintern als auch verwaltungsextern umgesetzt werden kann, ist die Konfliktbehandlungsmethode der Mediation. Für Mediationen im öffentlichen Sektor gelten infolge demokratischer und rechtsstaatlicher Legitimationserfordernisse einige Besonderheiten gegenüber einer Mediation im privaten Sektor. Zunächst war mit der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur die Rechtmäßigkeit eines Mediationsverfahrens festzustellen, woran sich auch nichts dadurch ändert, dass als Mediator ein privater Konfliktmittler eingeschalten wird. Zudem konnten eine ganze Bandbreite von Konfliktsituationen aufgezeigt werden, in denen sich ein Mediationsverfahren anbietet und bei denen es von Vorteil für den Mediationsprozess ist, dass der Mediator privat agiert. Zudem weisen neuere Gesetze geradezu die Möglichkeit aus, einen privaten Dritten zu beauftragen, mag der Begriff des Mediators auch noch keinen Eingang in diese Gesetze gefunden haben. Durchaus problematisch erwies sich die juristische Qualifizierung der Stellung des Mediators in einem Mediationsverfahren, an dem ein Hoheitsträger teilnimmt. Unter Verkennung der Steuerungsfunktion eines Mediators wurde aus demokratie- und rechtsstaatlichen Erwägungen zum Teil gefordert, dass der Mediator hoheitlich agiere und deshalb demokratisch legitimiert sein müsse. Das wäre letztlich allenfalls über das Rechtsinstitut der Beleihung

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möglich gewesen. Beachtet man jedoch die Prinzipien der Mediation, wie sie im dritten Teil der Untersuchung eingehend herausgearbeitet wurden, die Eigenverantwortlichkeit und Freiwilligkeit aller Beteiligten sowie die Allparteilichkeit des Mediators, dann wird daran deutlich, dass ein hoheitliches Agieren des Mediators seiner Vermittlungstätigkeit abträglich wäre. Verfassungsrechtliche oder sonst juristische Erwägungen machen es auch nicht erforderlich, dem Mediator hoheitliche Befugnisse zuzuschreiben. Im Rahmen seines Vermittlungsauftrages hat er keine juristisch relevante Frage zu entscheiden. Das wird bereits daran deutlich, dass das Mediationsverfahren das Verwaltungsverfahren bzw. die juristischen Entscheidungsverfahren nicht ersetzen kann und möchte. Schlussendlich kommt es im Rahmen eines Mediationsverfahrens im öffentlichen Sektor, bei dem auch ein Hoheitsträger Mediant ist, zu einer privatrechtlichen Beauftragung des privaten Konfliktmittlers, der sich als Dienstvertrag nach § 611 BGB darstellt. Die von den Medianten ausgehandelte Mediationsabsprache am Ende eines Mediationsverfahrens (im öffentlichen Sektor) ist für sich gesehen noch kein verbindliches (und schon gar nicht öffentliches) Recht. Dazu bedarf es einer hoheitlichen Umsetzung durch die staatlichen und insofern demokratisch legitimierten Akteure. Allein durch die juristisch vorgesehenen und den demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Entscheidungsverfahren können die ausgehandelten Absprachen in bindendes (öffentliches) Recht überführt werden. Ob das Mediationsverfahren selbst in das Rechtssystem integriert und von diesem als eigener Bestandteil anerkannt wird, kann jedoch nur im Einzelfall beurteilt werden bzw. bedarf einer gesetzgeberischen Entscheidung. Angesichts der Mediationsprinzipien, deren Einhaltung erst die Erfolge einer Mediation ermöglichen, dürfte sich auch eine schlichte juristische Anerkennung des Mediationsverfahrens als ein juristisches Entscheidungsverfahren verbieten. Grundsätzlich kann es – als Konsequenz zum Vorgenannten – auch kein generelles rechtliches Gebot zu einer Mediation geben. Freiwilligkeit und Eigenverantwortlichkeit sind nicht zu verordnen und würden den Adressaten in ein unauflösbares Paradoxon verstricken, dessen Preis allerdings auch der Absender zu zahlen hätte. Mediation eignet sich nicht nur zur Aktivierung gesellschaftlicher Akteure und bietet sich damit als ein Instrument des aktivierenden Staates an. Mediation eignet eben so für ein organisations- und damit verwaltungsinternes Konfliktmanagementinstrument. Zur Aktivierung dieses Instruments kann dabei – auch angesichts der Besonderheiten von Verwaltungsorganisationen – auf die Erfahrungen von privatrechtlichen Organisationen zurückgegriffen werden.



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Erkennt man in der Mediation als Konfliktbehandlungsverfahren zunächst nur eine Verfahrensebene, bedarf der Mediator konkretisierender Konzepte und Modelle, um tatsächlich vermittelnd wirken zu können.3 Für diese Vermittlungs- und Führungsarbeit ist vorliegend die Transaktionsanalyse mit ihren interdependenten Konzeptbereichen, die im vierten Teil vorgestellt wurden, ausgewählt worden. Darauf aufbauend konnten nun die Konzeptbereiche des Persönlichkeitsmodells, des Lebensskriptmodells, der Transak­ tionsanalyse i. e. S. sowie das Vertragskonzept, wenn auch nur tabellarisch, den einzelnen Mediationsphasen zugeordnet werden. Exemplarisch wurde im Anschluss das transaktionsanalytische Gefühlskonzept für die Vermittlungstätigkeit untersucht. Es eignet sich, ausgehend vom Konzept der Grundgefühle bis hin zur Diagnose samt anschließender Intervention mittels des Konzepts der Ersatzgefühle, in ausgesprochen praktikabler Weise für die Vermittlungstätigkeit von Mediatoren. Im Anschluss daran wurde das transaktionsanalytische Passivitätskonzept für die (aktivierenden) Verwaltungstätigkeiten im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung gem. § 37 Abs. 2 SGB III fruchtbar gemacht. Mit diesem Konzept kann den Arbeitsvermittlern ein Diagnose- und Interventionsinstrument an die Hand gegeben werden, das ihnen hilft, das Eingliederungsgespräch, das der Vereinbarung vorangeht, zu strukturieren und zu gestalten. Dabei handelt es sich um ein überaus praktikables und effizientes Instrument.4 Für den Abschluss selbst der Eingliederungsgespräche, der eine Eingliederungsvereinbarung i. S. d. § 37 Abs. 2 SGB III vorsieht, konnte das transaktionsanalytische Vertragskonzept fruchtbar gemacht werden, mit Hilfe dessen Aktivierungspotentiale weniger unbeachtet bleiben und (psychologische) Aktivierungshindernisse ausgeräumt werden können. Abschließend wurde die verwaltungsinternen Aktivierungsbemühungen, die bei den Führungskräften anzusetzen hat, mit Hilfe von transaktionsanalytischen Konzepten angereichert. So konnten mittels des transaktionsanalytischen Konzepts der Grundeinstellungen die in der Verwaltungspraxis vorkommenden Führungsstile theoretisch fundiert werden. Diese Fundierung ermöglichte im Folgenden, konkrete Handlungsoptionen für eine verwal3  Im Zuge der Professionalisierung von Mediation sowohl an Universitäten als auch an privaten Ausbildungsinstituten und der bundesweiten Organisation von Mediatoren in Vereinen und Verbänden kam es freilich zu einer Anerkennung von ethischen Werten und Vermittlungstechniken eines Mediators. Deren Herkunft ist aber nicht die Mediation selbst, sondern ist in anderweitigen Disziplinen wie Kommunikationstheorie, Psychologie, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften etc. zu finden, so schon Kap. E. II. 2. 4  Dieses Konzept hätte ebenso gut für die Tätigkeit des Mediators oder für die aktivierende Tätigkeit einer Führungskraft innerhalb der Verwaltung vorgestellt werden können.

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tungsinterne Aktivierung herauszuarbeiten, wofür exemplarisch das transaktionsanalytische Stroke-Konzept ausgewählt wurde. Mit diesem Konzept kann der zwischenmenschliche Umgang auf der Basis von Grundbedürfnissen analysiert und gegebenenfalls verändert werden. Resümierend lässt sich feststellen, dass es sich sowohl bei dem Konfliktbehandlungsverfahren der Mediation als auch bei dem transaktionsanalytischen Instrumentarium, die überdies miteinander kombiniert werden können, um sinnvolle und praktikable Instrumente zur Aktivierung sowohl verwaltungsinterner als auch -externer sozialer Einheiten handelt. Indem die Untersuchung auf der Basis eines konstruktivistischen Verständnisses, ausgehend von dem Phänomen der sozialen Konflikte, die Disziplinen mediativer Konfliktbehandlung und transaktionsanalytischer Beratungstätigkeit in den Kontext eines aktivierenden Verwaltungsmanagements stellt, handelt es sich um eine transdisziplinäre Grundlagenarbeit. Konsequenterweise hat die Arbeit zwar wichtige Fragen beantworten können, doch muss zugleich konstatiert werden, dass dadurch weitere Fragen erst aufgeworfen wurden. Einige wenige dieser möglichen Forschungsfelder sollen kurz angesprochen werden und die gesamte Arbeit damit abschließen. Der Wandel des Staatsverständnisses und damit die Umsetzung des aktivierenden Staates stellen juristisch eine enorme Herausforderung dar, der sich bereits sowohl die Rechtswissenschaften als auch die Rechtspraxis vollends gegenüber sehen. Es scheint eine der größten juristischen Herausforderungen darzustellen, das gewandelte Staatsverständnis, dem ein grundlegend anderes Steuerungsparadigma zugrunde liegt, juristisch zu formulieren. Dies stellt sich vor allem deshalb als problematisch dar, da die bisherigen juristischen Formulierungen diesem gewandelten Verständnis scheinbar im Wege stehen. Es gilt nicht nur, neue juristische Formulierungen vorzunehmen, sondern das gewandelte Steuerungsparadigma mit der vorhandenen Sprache erläuternd zu formulieren. Es kommt also auf einen Bedeutungsgehalt der Sprache an, der noch (mehr oder weniger) unbekannt ist. Beispielsweise gilt es, die die Grundrechtsdogmatik anzupassen. Die Grundrechte als Abwehrrechte sind das Ergebnis gesellschaftlicher Liberalisierung, so dass der Staat vor allem als Widerpart zum Bürger und damit als Gefahr seiner Freiheit verstand wurde. Die Grundrechte als Leistungsrechte sind das Ergebnis gesamtgesellschaftlicher Sozialisierung, die den Staat als fürsorgliches Oberhaupt verstand, der für seine Bürger und ihr Überleben Mitverantwortung trägt. Beiden Entwicklungen liegt ein anspruchsbezogenes Steuerungsparadigma zugrunde. Dieses zeigt sich vor allem in der juristischen Formulierung. Der eine kann von dem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen und notfalls



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zwangsweise durchsetzen, sofern der handlungsbezogene Tatbestand der Vorschrift kausal und zurechenbar erfüllt wurde. Wie das Rechtssystem zu formulieren ist, dem ein nicht-linear-kausales Steuerungsparadigma zugrunde liegt, ist nahezu juristisches Neuland, dessen Erschließung in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren begann und die viele Missverständnisse mit sich bringt. Speziell für das Verwaltungsrecht, das Verwaltungsorganisationsrecht sowie das Verwaltungsmanagement generell wird es unumgänglich werden, auf der Basis eines systemtheoretischen Verständnisses, das Recht vom Kommunikationsbegriff ausgehend zu denken und zu formulieren.5 Um ein solches Verwaltungsinformationsrecht bemüht sich aktuell und die im Aufstreben begriffene Neue Verwaltungsrechtswissenschaft.6 Keineswegs ist dadurch eine andere normative Orientierung gewonnen und „alles“ würde (handlungsbezogen) neu bewertet werden müssen. Das ist weder der Anlass, noch das Ziel dieser Umstellung. Gewonnen wird dadurch zunächst eine neue Reflexionsbasis.7 Es wird darauf ankommen, die Verständnisbasis8 der Systemtheorie sowie des Konstruktivismus weitergehend auch zur Basis der Verwaltungswissenschaften auszubauen und vor allem im Rahmen der Formulierung des Verwaltungsrechts zu beachten. Der konstruktivistische Typus von Erklärungen eignet sich zur Steuerung lebender bzw. Leben voraussetzender Systeme – wie es die Teilnehmer der Verwaltung und die Verwaltung selbst sind. Ausgangspunkt ist nicht mehr die Handlung einer Person, sondern die Kommunikation; an die Stelle der Vorstellung linearer Kausalität tritt das Verständnis zirkulärer Kausalität, also netzwerkartiger, rückgekoppelter Wechselbeziehungen; an die Stelle der Vorstellung linearer Korrelationen tritt die Vorstellung nicht-linearer Beziehungen zwischen beobachteten Variablen, so dass damit gerechnet wird, dass kleine „Ursachen“ große „Wirkungen“ haben können. Die Idee der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit dessen, was passieren wird, muss konsequent aufgegeben werden (Stichwort: „nichttriviale Systeme“). Auch die Idee einer statischen Struktur der Gesellschaft (Stichwort: „Verfassung“) wird zugunsten einer Prozessorientierung aufgegeben werden müssen, um dem selbstreferentiellen bzw. autopoietischen Charakter lebender bzw. Leben voraussetzender Systeme gerecht zu werden. Und schlussendlich wird man bei der Kodifizierung des Rechts in noch stärkerem Maße beachten müssen, dass auch das Recht von einem Beobachter stammt und als konkretisiertes Weltbild 5  Dazu

Vesting 2008, Rn. 1 ff., 30 ff. Voßkuhle 2006 sowie 2000. 7  s. Vesting 2008, Rn. 34. 8  Zum Folgenden auch Simon 2006, 76 f. 6  Dazu

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F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick

einer Errechnung und Konstruktion entstammt, das seine Nützlichkeit prozesshaft zeigt. Generell erscheint mir – für eine befriedigende Organisationsentwicklung – erforderlich, akteur- und systemtheoretische Betrachtungen in einer Theorie zu verbinden. Jede Betrachtung für sich bringt, neben enormen Vorzügen, auch Nachteile. Die systemtheoretische Betrachtung ermöglicht zwar einem Beobachter, organisationsbezogene Steuerungsfragen angemessen zu beantworten, doch bleiben die Interessen und Bedürfnisse der individuellen Akteure in der Theorie außen vor. Sie erscheinen als Fußnote oder gar nur als Randnotiz. Eine akteursbezogene Theorie vermag ihrerseits allein allerdings der Komplexität von Organisationen nicht Herr zu werden.9 Den Versuch einer verbindenden Basistheorie unternimmt etwa Fischer10, worauf in diesem Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen werden soll. Seine Arbeit verbindet in theoretisch angemessener Vorgehensweise handlungs- und systemtheoretische Ansätze, um Organisationen und Steuerung in Organisationen zu erklären. Sie stellt ein sozialwissenschaftlich orientiertes Fundament einer Akteur- und Systemtheorie her. Sie erscheint mir angesichts ihres systemtheoretischen Verständnisses der Komplexität heutiger Organisationen in der theoretischen Betrachtung Herr zu werden, ohne aber den Faktor „Mensch“ und dessen Beziehungsebene aus den Augen zu verlieren. Damit erscheint es möglich, dass „der Mensch“ nicht nur durch die (System-)Theorie in seiner „unfassbaren“ Komplexität beachtet wird, sondern auch in der (Akteur- und System-)Theorie „fassbar“ bleibt. Für die Beratungstätigkeit in Verwaltungsorganisationen und damit zur Aktivierung einer aktivierenden Verwaltung bietet sich die systemische bzw. organisationale Transaktionsanalyse11 an. Beide verbinden das systemische / systemtheoretische Gedankengut als Reflexionsbasis mit den praktikablen Ansätzen der beziehungsorientierten Transaktionsanalyse. Dabei können die Konzepte nicht nur für spezielle Steuerungsfragen von Führungskräften genutzt werden, sondern erfassen die Bereiche der Teamentwicklung ebenso wie die der Organisationsentwicklung im Ganzen. Für den mediativen Umgang mit sozialen Konflikten sind die hier aufscheinenden Ansätze einer transaktionsanalytisch fundierten Mediation sowohl theoretisch als auch praktisch ausbaufähig und -bedürftig. Angesichts des Standes mediativer Forschung erscheint es weder verfrüht noch unnötig, 9  Simon

2007, 16 ff. 2009. 11  Zur systemischen Transaktionsanalyse Schmid 1994 sowie 2004; zur organisationalen Transaktionsanalyse Mohr 2000 sowie 2006. 10  Fischer



F. Resümee und forschungsprogrammatischer Ausblick555

dem Mediator für sein spezifisches Verfahren einheitliche und in sich konsistente Modelle anzubieten, die sich aus der Vielfalt transaktionsanalytischer Konzeptbereiche herausschälen lassen. Rückkoppelnd lässt sich auf diesem Wege auch die transaktionsanalytische Beratungspraxis (einer einzigen sozialen Einheit) spezifisch erweitern auf die Beratung zweier miteinander konfligierender Einheiten. Insoweit existieren freilich bereits Erfahrungen transaktionsanalytischer Beratung im Zusammenhang mit Ehe- und Paarberatungen12 bzw. bei Konfliktberatung in Teams13.

12  s. 13  s.

Hennig / Pelz 2002, 300 ff. Höhl-Spenceley 2007.

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Personen- und Sachregister 9-Stufen-Modell Personen- und65Sachregister 12. Jahrhundert 182 Abfallentsorgungsanlage 398 Abgrund  72 Abhängigkeitsannahme  52 Ablauforganisation  381 Abschiedsritual  135 Absichtserklärung  431 Absprachen, rechtsverordnungsvermeidende  412 Abwerten  483 Abwertung  458 Abwertungstabelle  484 Abwertungstabelle, umgedrehte  493 Adler, Alfred  257 administrative Vertrag  340 Aggression  82 Agitation  490 Aktionismus  55 Aktivierungsinstrumentarium  375 Aktivierungsprozess  384 Aktivierungsversuche  375 Aktivität  523 Akzeptanz  51, 56 Akzeptanzsicherung  393 Allgemeine Gerichtsordnung von 1781  185 Allparteilichkeit  124 Allparteilichkeit und Neutralität  125 Allparteilichkeitsgrundsatz  123 Alltagspädagogiken  361 Alltagsverträge  342 Anerkennungskultur  519 Angst  446, 449 Angulärtransaktionen  306, 310

Anhörungsverfahren  398 Anpassung  230, 450 Anspruch  197 Antrag  197 Antreiber  275, 279 Aporie  99 Arbeitsförderungsgesetz  363 Arbeitsförderungspolitik  370 Arbeitsförderungsrecht  365 Arbeitslosigkeit  480 Arbeitsmarktausgleich  363 Arbeitszeugnisse  533 Ärger  446, 448 Aristoteles  54 Atmosphäre  51 Attributionen  274 Aufhörverträge  495 Auflösung  72 Auftragserteilung  131 Auftragsklärung  131 Auseinandersetzung  57 Ausgleichsmaßnahme  217 Ausweichen  78 Autonomie  232 Autorenfilmer  258 Bannbotschaften  269, 279 Bauleitplanung  394 Bedrohung  58 Befangenheit  66 Befriedung  29 Behandlungsvertrag  340 Beleihung  421, 425 Beobachter  43 Beobachterperspektive  160 Beratungsarbeit  59, 337



Personen- und Sachregister629

Beratungsgespräch  471 Beratungspraxis  442, 555 Beratungstätigkeit  554 Berman, H. J.  159 Berne, Eric  226 Betroffenheit  49 Bewusstheit  51, 56, 235 Bewusstsein  174, 439 Bewusstwerdung  53 Beziehungsauseinandersetzung  54 Beziehungsgestaltung  73, 262 Beziehungskonflikt  65 Beziehungsmoment  106 Beziehungsmoment, gemeinschaftliche  106 Beziehungsmoment, vergesellschaftete  106 Beziehungsstruktur  361 Beziehungsvertrag  341 Beziehungswesen  105 black box  40, 174 Bohm, David  104, 312 Boxkampf  194 Buber, Martin  104, 312 Bundesbodenschutzgesetz  395 Bundesverfassungsgericht  401 Bürger  31 Burn-Out-Syndrom  376 Bürokratie  184 Case Manager  376 Cathexis-Schule  482 Chance  58 checks and balances  412 crossup  327 Darlehen, soziales  69 Debatte  66 Delegation  29, 32, 35, 84, 85, 88, 91, 100, 219 Demokratie, responsive  416 Demokratieprinzip  413, 417 Demokratisierung  212

Denkansatz  41 dialogische Prinzip  104, 122 Dienstleistung, personenbezogene  481 Dreiecksverträge  342 Drohkommunikation  65 Drohungen  71 Du-Bezogenheit  230 Duplextransaktionen  306 Egoismus  213 Eigenverantwortlichkeit  29, 93, 113, 420 Eigenverantwortlichkeit im Finden  120 Eigenverantwortlichkeit im Suchen  115 Eingliederungsvereinbarung  375, 436, 467, 472, 480 Einheit, soziale  47, 54 Einigungszwang  52 Eltern-Ich, fürsorgliche  250 Eltern-Ich, kritische  250 Eltern-Ichzustand  242, 478 Eltern-Ichzustand, strukturelle  244 Eltern-Ichzustände, funktionale  250 Emotion  439 Emotion und Gefühl  439 Emotionalität  49 Engagement, absichtsarmes  125 English, Fanita  458 Enthierarchisierung  383 Entrechtlichungsdebatte  202 Entschädigung  50 Entscheidungsgewalt  84 Entscheidungsmaßstab  32 Entscheidungsprozess  29, 390 Entwicklungsagentur  362 Entwicklungsgeschichte  42 Entwicklungslinie  28 Entwicklungspotential  100 Entwicklungsprozess  143 Entwicklungsprozess, dialektische  100 Epistemologie  44

630

Personen- und Sachregister

Erkenntnis  56 Erkenntnistheorie  37 Erörterungstermin  399 Erwachsenen-Ichzustand  242, 478 Erwachsenen-Ichzustand, funktionale  252 Erwachsenen-Ichzustand, strukturelle  244 Eskalation  60 Ethik  43, 44 Evolutionsprozess  35 Exekutive im Mediationsverfahren  410 Existenzphilosophie  227 Explorationsverträge  342 Falsifizierung  40 Feedback-Kultur  471 Fehler  73 Felderfassungskompetenz  138 Flucht  78 Flucht ins Privatrecht  388 Fluchtreflex  82 Flughafennutzung  398 Flusslehre, Heraklitsche  74 Foerster, Heinz von  37 Fördern und Fordern  374 Freiwilligkeit  114, 420 Freude  57, 446, 450 Friedrich II. (Preußen)  185 Friedrich II. (Staufer)  184 Führen  28, 496 Führungsanforderungen  386 Führungsarbeit  436, 498, 499, 518 Führungsarbeit, zuwendungsorientierte  539 Führungsforschung  499 Führungsstil  31 Führungsstil, aktivierende  512 Führungsstil, bürokratische  506 Führungsstil, egozentrische  509 Führungsstil, Laissez-Faire-  510 Führungsstile  505

Führungsverantwortung  359 Führungsverständnis  436 Funktionsmodell  240, 241, 247, 450 Fürsorgestaat  29, 36 Fürsorglichkeit  361 Gefahr  58 Gefühlsausdruck  462 Gefühlsäußerung  461 Gegensatz  47, 49, 50, 52, 57, 76 Gegensätzlichkeit  49 Gemeinsamkeit  49 Gemeinwohlbelange  414 Gentlemens agreements  431 Gerechtigkeit  175, 206 Gerechtigkeitsideal  176 Gerichtsprozess  34, 50 Geschäftsvertrag  340 Gesellschaft  29, 30 Gesetz  28, 173 Gesetze, handlungsgewährender  380 Gesetze, intentionale  357 Gesetzgeberperspektive  160 Gesichtsverlust  69 Gestalten  382 Gewährleistungsverantwortung  365 Gewalt  29, 490 Gewaltabwesenheit  194 Gewaltanwendung  194 Gewaltenteilung  407, 412 Gewaltmonopol  29 Gewaltmonopolisierung  194 gimmick  325 Glasersfeld, Ernst von  42 Glasl, Friedrich  153 Gleichbehandlung  206 Gleichheitsgrundsatz  418 Großgruppe  191, 194, 195 Großorganisation  31 Grundbedürfnis nach Stimulierung  521 Grundbedürfnis nach Strokes  524 Grundbedürfnis nach Struktur  522



Personen- und Sachregister631

Grundeinstellung  262, 479 Grundeinstellungen  448 Grundgefühle  446 Gute Sitten  194 Güteverfahren  95 Haftung  429 Haltung  57, 62 Harmonie  34 Hart, H. L. A.  159 Harvard Negotation Project  149 Harvard-Konzept  148, 149, 151 Heimtückemord  203 Heraklit  74, 136 Hilfe zur Selbsthilfe  31, 359, 374 Hilfebedürftigkeit  480 Hobbes  157 Homo Emotionicus  443 homo mediator  104, 125 Honorar  29 Humanistischen Psychologie  105 Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.  267, 506 Ich bin nicht o.k., du bist o.k.  266, 508, 510, 515 Ich bin o.k., du bist nicht o.k.  266, 508, 509 Ich bin o.k., du bist o.k.  264, 508, 510 Ich-Bezogenheit  230 Ich-Botschaften  144 Ichzustand  238, 239 Ichzustandsdiagnose  254 Imagesorge  68 Indienstnahme  426 Information  38, 169 Informiertheit  121 Informiertheit über die Rechtslage  122 Inpflichtnahme  426 Inquisitionsprozess  183 Instanzenlehre  237 Integrationsprinzip, sozialstaatliches  374

Interdependenz  57 Interdependenzannahme  52, 76 Interessen  141, 149 Intimität  235, 523, 525 Investiturstreit  180 Issue-Lawine  63 Ist-Zustand  54 Jasper, Karl  58 Jhering, R. von  157 Job-AQTIV-Gesetz  366, 368 JobAQTIV-Gesetz  472 Justitia  430 Justiz, Berechenbarkeit der  206 Justiz, Verstaatlichung der  183 Kadijustiz  206 Kampf  80 Kampf-Flucht-Syndrom  506 Kampfeshaltung  89 Kampfplatz  368 kanonisches Recht  181 Kant  157 Karpman, Steven  329 Kausalitätsvorstellungen, wechsel­ seitige  64 Kelsen, H.  158 Kind-Ich-, angepasste  248 Kind-Ich, freie  248 Kind-Ich, rebellische  248 Kind-Ichzustand  242, 478 Kind-Ichzustände, funktionale  248 Kind-Ichzustand, strukturelle  243 Kindheit  258, 533 Kindheitsdrama  257 Kirche  108 Kirkegaard  104 Kognitionstheorie  37 Kommunikation  48, 109 Kommunikation, dreifach-selektive Differenz bei der  169 Kommunikationsabläufe  313 Kommunikationsanalyse  35

632

Personen- und Sachregister

Kommunikationsgrundlage  42 Kommunikationsprozess  48 Kommunikationsregel, dritte  311 Kommunikationsregel, erste  297 Kommunikationsregel, zweite  303 Kommunikationstheorie, pragmatische  169 Kommunikativität  210 Kompetenz, Schutz und Erlaubnis  225 kompetitiv  97 Komplexität  28, 65, 354 Kompositionensystem  109 Konditionalprogramme  357 Konflikt  27, 32, 34 Konflikt, sozialer  34, 46 Konfliktanalyse  62 Konfliktaustragung  80 Konfliktbehandlung  29, 34, 50, 53, 76 Konfliktbehandlung, Entmündigung in der  198 Konfliktbehandlungsebenen  102 Konfliktbehandlungsmöglichkeiten  34, 178 Konfliktbeteiligte  29, 48 Konfliktdiagnose  50 Konflikte in Schulen  401 Konfliktenteignung  198 Konfliktentfaltung  63 Konfliktentscheidung  32 Konfliktepisode  65 Konflikterhellung  134 Konflikteskalation  60 Konflikteskalationsmodell  65 Konfliktforschung  100 Konfliktfreiheit  44 Konfliktlösung  29, 50 Konfliktmanagement  27, 29, 34, 56, 194, 394, 543 Konfliktmanagementkompetenz  385 Konfliktmanager  29 Konfliktmittler  416, 421 Konfliktsituation  52 Konflikttypologie  62

Konfliktursache  61 Konfliktwirkungen, konstruktive  73 Konfrontation  78 Konkurrenz  58 Konsens  98, 216, 418 Konsensualität  44 Konstruktivismus  37, 39, 42, 43, 45 Kontaktaufnahme  131 Kontextsteuerung  360 Kontingenzformel  176 Kooperation  44, 78, 110, 359, 369, 524 Kooperationsangebot  365 Kooperationsgebot  377 Kooperationsmodell  401 Kooperationspartner  36 Kooperationsprinzip  366, 379 Kooperationsspektrum  355 kooperativ  98 Kooperativität  210 Krankheit  76 Kreativität  111, 210 Krieg  29, 74 Krise  58, 76 Kurzsichtigkeit, kognitive  67 Lebensdrang  75 Lebensgestaltung  383 Lebenssachverhalt  203 Lebensskript  36, 257, 457, 523 Lebensskript als Entscheidung  282 Lebensskript als magische Lösung  260 Lebensskript, Bannbotschaft  534 Lebensskript-Matrix  283 Lebensskriptmodell  256 Lebensskript, Programme des  280 Lebensskripts, Ausgangspunkt des  263 Lebensskripts, Auswirkungen des  284 Legitimation  413, 418 Legitimationsdefizite  417 Legitimationskette  413 Leidensdruck  115 Leiten  28, 496



Personen- und Sachregister633

Lernfähigkeit  229 Lernprozess  379 Letztentscheidungsverantwortlichkeit  418 Letztverantwortlichkeit  359 Liber Augustalis  184 Logik  99 Luhmann, Niklas  48, 169, 191, 210, 430 Machtausgleich  97 Marker, somatische  442 Maschengefühle  446 Maximalstaat  352 Mediation  32, 33, 45, 94, 103, 136, 198, 386, 432 Mediation, Abschlussvereinbarung  417, 428 Mediation als Gefahr des Rechts­ systems  177 Mediation, Ansätze für  147 Mediation, Ausgleichsgedanke der  109 Mediation, Basisgedanken der  106 Mediation, Begriff  112 Mediation, Bezugsrahmen der  103 Mediationen im öffentlichen Sektor  390 Mediation, Gefühle in der  139, 437 Mediation, Grundsätze der  113 Mediation im öffentlichen Sektor  35, 135, 186 Mediation im Rechtsstaat  207 Mediation in der staatlich-verrecht­ lichten Gesellschaft  154 Mediation in Familien  390 Mediation, Mäeutische  153 Mediation, Metanoische  153 Mediation, Phasenmodell der  136 Mediation, Prozessschritte einer  130 Mediation, Räume im öffentlichen Sektor  392 Mediation, transaktionsanalytisch fundierte  36, 436

Mediation, Transformationsgedanke der  110 Mediation, Transformative  151 Mediation, Transgressive  152 Mediation und das staatliche Recht  213 Mediation und Rechtsstaat  219 Mediation, verfahrensbegleitende  411 Mediation, Vermittlungsgedanke der  107 Mediation, Vertraulichkeit in der  128 Mediation, verwaltungsexterne  432 Mediation, verwaltungsinterne  432 Mediation, Zauber der  209 Mediationskompetenzen, Führen mit  432 Mediationsprozess  199 Mediationsverfahren  387 Mediationsverfahrens, Gestaltung eines  130 Mediator, aktive  116 Mediator, Allparteilichkeit des  124 Mediator als Konfliktakteur  137 Mediator als Mitmensch  139 Mediator als Verfahrensgestalter  137 Mediator als Vertreter von Kooperation  140 Mediator, Neutralität des  126 Mediator, passive  116 Mediators, Prozessverantwortung des  132 Mediators, Verfahrensführerschaft des  416 Meditation  112 Medizin  112 Meinungsverschiedenheit  49 Mensch  170 Menschenbild  387 Messbarkeit staatlichen Handelns  410 Metanoia  153 Metaphernbrücke  152 Minimalstaat  352 Miniskriptmodell  285 Misstrauen  67

634

Personen- und Sachregister

Missverständnis  56 Mitarbeiter  28 Mitte  112 Mitteilung  51, 169 Mittelalter  107 Montagmorgen  174 Motiv  56 Nachfolgetreffen  135 Naturalobligation  430 Naturrechtslehren  161 Negativauftrag  95 Netzwerk, neuronales  38 neu erinnert  65 Neues Erinnern  70 Neutralität  126, 435 Nichtstun  488 nichttriviale Maschinen  261 Non-Profit-Organisation  27 Notwehr  203 Nullsummenspiel  204 Objektivität  42 obligatio  358 Öffentlichkeitsbeteiligung  398 O.K.-Boss  510 Oller-Vallejo  252 Opfer  329 Opferbereitschaft  82 Opferstatus  69 Ordnung  187 Organisation  27, 30, 36 Organisationsentwicklung  386, 554 Organisationsentwicklungsmaßnahme  27 Panne  56 Papst Gregor VII  180 päpstliche Revolution  180 Paradigmenwechsel  369, 384 Paralleltransaktionen  294 Pars pro toto  131

Partizipation  212, 418 Passivität  290 Passung  41 Paternalismus, Neuer  479 payoff  327 Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst  401 Personalentwicklung  477 Personenbezogene Ansätze zur Mediation  150 Personifizierung  70 Persönlichkeitsanalyse  35 Persönlichkeitsentfaltung  191 Persönlichkeitsentwicklung  74 Persönlichkeitsmodell  445 Pflichtbewusstsein  28 Planfeststellungsrecht  402 Planfeststellungsverfahren  398 Planung  391 Positionen  142, 149 Positionen und Interessen  141 Positionsdenken  415 Positivauftrag  95 Prinzip Eigennutz  213 Privatautonomie  129, 218 Privatisierung  425, 426 Privatisierung, funktionale  425 Problem  54 Problemdarstellungen  132 Problemlöser  245 Produzenten  259 Professionalisierung  29, 433 professionelle Vertrag  340 Projektion  63 Projektmanagement  397 Projektmittler  394 Prozessberatung  45, 54 Prozessskript  287 Prozessverantwortung  199 Prüfungswesen, Jur.  185 Psychoanalyse  257 psychologische Vertrag  341 Pufferzone  163



Personen- und Sachregister635

Racketeering  458 Reaktionsprozess  38 Recht als Erwartungssicherung  192 Recht als Immunsystem der Gesamt­ gesellschaft  178 Recht als Teilsystem der Gesamtgesellschaft  166 Recht der Arbeitsförderung  363 Recht, Abschied vom  382 Recht, Gesellschaftliches  218 Rechts, Begriff des  156 Rechts, binäre Codierung des  166, 196 Rechts, De-Thematisierung des  211 Rechts, Entscheidungsfunktion des  193 Rechts, Erziehungsfunktion des  186 Rechts, Freiheitsfunktion des  191 Rechts, Funktionen des  186 Rechts, Gerechtigkeitsfrage des  175 Rechts, Kernelemente des  162 Rechts, Kommunikationstheorie des  165 Rechts, Leitidee des  192 Rechts, Ohnmacht des  202 Rechts, Paradoxie des  164, 173, 174 Rechts, Prägefunktion  189 Rechts, Prozeduralisierung des  357 Rechts, regelgesteuerte Programme des  168 Rechts, Schatten des  217 Rechts, Steuerungsfunktion des  187 Rechts, Steuerungsfunktionen des  546 Rechts, Veränderungsfunktion  188 Rechts, Verstaatlichung des  179 Rechts, Zirkularität des  172 Rechts- und Staatsferne der Vermittlung  95 Rechtsanwalt  197 Rechtsanwendung  174 Rechtsbeistand  197 Rechtsberatende Tätigkeit  196 Rechtsberatung  387 Rechtsfalls, Konstruktion des  202

Rechtsformen, außereuropäische  205 Rechtsfriede  213 Rechtsgemeinschaft  189 Rechtsgrund  430 Rechtskonflikte  200 Rechtskonzeptionen, gerechtigkeits­ orientierte  161 Rechtspositivismus  161 Rechtspraxis  175 Rechtsproblem  56 Rechtsschulen  182 Rechtsschutzgarantie  410 Rechtsstaat  28 Rechtsstaatlichkeit  194 Rechtsstaatsprinzip  403 Rechtsstreit  88 Rechtssystem  32, 87 Rechtssystems, Autopoiese des  167 Rechtsunterworfenen  189 recognition  151 Redefinition  261 Redefinitionen  314 Regel und Entscheidung  173 Regelaussage  173 Regressionsschwelle  66 Regulierung, gesetzliche  356 Relativismus  41 Response  291 Re-Transformierung der Rechtslösung  201 Retter  267, 329 Richter  32, 84, 91 Ritual  523 Rituale  525 Rückforderungsansprüche, bereicherungsrechtliche  430 Rückzug  523 Ruhe und Ordnung  88, 219 Rüthers, Bernd  159 Sachbezogene Ansätze zur Mediation  148 Sachproblem  54

636

Personen- und Sachregister

Samurai  79 Sanierungsplan  395 Sartre  104 Schadensersatz  50 Scheidung  58 Schicksalsneurose  257 Schlichter  84, 91 Schmidt-De Caluwe, R.  374 Schuld  50, 53, 63, 429, 480 Schulmediation  401 Schwierigkeit  54 Scoping-Verfahren  395 Selbstaktivierung  360, 479 Selbstbeobachtung  176 Selbstkompetenz  93, 199 Selbstreferentialität  167 Selbstregulierung, regulierte  357 Selbstverwirklichung  230 Selektion  38 self fulfilling prophecy  70 Signalwirkung  50 Simplifizierung  64 Sinnesorgan  38 Situation, unangenehme  59 Sizilien  183 Skriptbotschaften  259, 275 Skriptinhalte  260 Skriptüberzeugung  274 Sokrates  153 Solipsismus  39 Sozialdarwinismus  213 soziale Systeme  174 Sozialkompetenz  35, 36 Sozialstaat  29, 33 Spannung  49 Spannungsverhältnis  49 Spengler, O.  158 Spiel  57 Spiele, attraktive Falle  324 Spiele , Definition  323 Spiele, Manöver und  325 Spiele, Mitspielinteresse und  325

Spiele, Moment der Perplexität und  327 Spiele, Nutzeffekte  320 Spiele, Operationen und  325 Spiele, Opferrolle und  329 Spiele, Phantasie-Spiele  324 Spiele, psychologische  319 Spiele, Retterrolle und  330 Spiele, Rollenwechsel und  327 Spiele, Solitär-Spiele  324 Spiele, Spielgewinn und  327 Spiele, Spielintensität und  328 Spiele, Spielrollen und  329 Spiele, Verfolgerrolle und  329 Spiele-Formel  323 Spielregeln  57 Spieltheorie  148 Spirale, pyramidenförmige  136 Spontaneität  235 Sprache  50 Staat  29 Staat, aktivierende  27, 351, 548 Staat, erschöpfte  361 Staat, gewährleistende  352 Staat, kooperative  356 Staat, Leitbild des aktivierenden  352 Staat, schlanke  352 Staat, überforderte  361 Staatsexamen, Jur.  185 Staatsgewalt  183 Staatsgewalt, moderne  180 Staatsverständnis  30, 392 Staatswandel  356 Stadtstaaten  107 Steuerungsansatz, systemtheoretische  358 Steuerungskonzept  548 Steuerungskonzept, handlungs­ orientiertes  356 Steuerungskonzeption, system­ theoretische  378 Steuerungsparadigma  31 Stimulus  291



Personen- und Sachregister637

Strafrecht  192 Straßenverkehr  49, 50, 188 Straßenverkehrsteilnehmer  53 Streit  59 Streitgespräch  34, 80 stroke  524 Stroke-Filter  537 Stroke-Haushalt  335 Stroke-Hunger  538 Stroke-Muster  541 Stroke-Mythos  532 Stroke-Ökonomie  530, 534 Stroke-Richtlinien  535 Stroke-Würfel  529 Strokes, bedingte u. unbedingte  527 Strokes, positive u. negative  527 Strokes, verbale u. nonverbale  527 Strudelwirkung  68 Strukturmodell  240, 241, 242 Strukturwandel von Staatlichkeit  352 Subordinationsverhältnis  83, 186, 383, 388 Systeme, nichttriviale  553 Systemtheorie  40 TA, Ausgangspunkte der  226 TA, Bezugsrahmen der  226 TA, Bezugsrahmen-Konzept  313 TA, die acht Interventionstechniken  492 TA, Gefühlskonzept  445 TA, Grenzen der  347 TA, Konzept der Ersatzgefühle  453 TA, Konzept der Grundbedürfnisse  445 TA, Konzept der psychologischen Spiele  320 TA, Menschenbild der  229 TA, Passives Denken  483 TA, Passives Verhalten  487 TA, Praktikabilität der  348 TA, psycho-physiologische Grund­ bedürfnisse  520

TA, Signet der  242 TA, Skripttheorie  256 TA, Zuwendungskonzept  526 Täterstatus  69 Tankanzeige  76 Teambesprechung  459 Teilnehmerperspektive  160 Transactio  109 Transaktion, blockierende  317 Transaktion, tangentiale  315 Transaktion, verdeckte  304 Transaktionen, ausbeutende  458 Transaktionen, irritierende  297 Transaktionen, komplementäre  294 Transaktionen, redefinierende  313 Transaktionsanalyse  33, 35, 221, 386, 436, 502, 547 Transaktionsanalyse i. e. S.  35, 290 Transaktionsformen  294 Transaktionsketten  324 Transaktionsmuster  313 transdisziplinäre Grundlagenarbeit  27 Transformation  106 Trassenführung  398 Trauer  446, 449 Trauersituation  462 Typologie von Gesetzen  380 Überanpassung  488 Übereinkunft  135 Überlebensstrategie  260 Ulpian  157 Umweltbeanspruchung  145 Umweltrecht  33 Umweltverträglichkeitsprüfung  395 Uneinigkeit  50 Universität  108 Unrecht  53 Unterordnung  59, 83 Unterschiedlichkeit  49 Unterwerfungswille  81 Urvertrauen  264

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Personen- und Sachregister

Veränderungsfähigkeit  229 Veränderungskonflikt  75 Veränderungsprozess  36 Veränderungsrasanz  28 Verantwortlichkeitslehre  355 Verantwortung  44, 50, 55, 232, 234, 480 Verantwortungsgesellschaft  357 Verantwortungskooperation  353, 368 Verantwortungsstufen, Konzept der  355 Verbalauseinandersetzung  79 Verbindlichkeiten, unvollkommene  429 Verdächtigungspsychologie  347 Verdeckungsabsicht  203 Verfahrensbezogene Ansätze zur Mediation  150 Verfahrensherrschaften  199 Verfahrensorganisation  398 Verfahrensprivatisierung  425 Verfahrensrecht  129 Verfahrensstaat  385 Verfolger  329 Vergangenheitsbeurteilung  204 Vergeltungsschläge, begrenzte  71 Verhalten  48 Verhaltensprogramm  239 Verhandlung  97 Verhandlungsatmosphäre  138 Verhandlungsgespräch  477 Verhandlungslehre  148 Verhandlungsstrategie  202 Verhärtung  66 Vermittlung  92, 94 Vermittlungstätigkeit  29, 436 Vernichtung, totale  72 Vernichtungswille  81 Versammlungsrecht  401 Verschwiegenheitsvertrag  129 Verstehen  169 Verteilungskonflikt  61 Verträge mit sich selbst  342

Vertragsarbeit  337 Vertragsarbeit, Bedingungen von  343 Vertragsarten  341 Vertragsbrüche  346 Vertragsebenen  340 Vertragsformulierungen  344 Vertragspartnerschaft, privatrechtliche  427 Vertragsziel  344 Vertraulichkeit  129 Vertraulichkeit, gerichtsfeste  129 Verwalten  30, 382 Verwaltung  35 Verwaltung, öffentliche  28 Verwaltungsentscheidung  429 Verwaltungsgerichtsbarkeit  387 Verwaltungshandeln, kooperierendes  380 Verwaltungshelfer  35, 423 Verwaltungsinformationsrecht  381, 553 Verwaltungsmittlung  426 Verwaltungsorganisation  381, 436 Verwaltungspartnerschaft  353 Verwaltungspraxis  351, 519 Verwaltungsrecht  389 Verwaltungsrechtswissenschaft, Neue  358, 553 Verwaltungsstaat  185 Verwaltungssubstitution  425 Verwaltungsverantwortung  355 Verwaltungsverfahren  386 Verwaltungsvertragsrecht  402 Viabilität  42 Viereckstransaktionen  307 Vorbehalt des Gesetzes  407 Vorbereitungsdienst, Jur.  185 Vorrang des Gesetzes  404 Waffenstillstandsabkommen  101 Wahrheit  38, 42, 533 Wahrheitsanspruch  40



Personen- und Sachregister639

Wahrnehmung  51, 443 Wahrnehmung, selektive  66 Wahrnehmungsvorgang  37, 440 Wandlungsprozess  30, 387 Watzke, Ed  152 Weltinterpretation  37 Wendepunkt  58 Wertekonflikt  61 Wertlosigkeit  267 Wettbewerb  57 Widerspruch  56 Widerstreit  48 Wirklichkeit  38 Wirklichkeitskonstruktion  44 Wissen  41, 42

Wissenschaft  42 Wohlfahrtsstaat  362 Wunschverwirklichung  123 Zaungäste  199 Zeitvertreib  524 Zersplitterung  71 Zielvereinbarungsgespräch  469 Zielvorgaben  470 Zufall  29 Zusammenstoß  48 Zuschreibungen  274, 533 Zweckmäßigkeit  394 Zwiespalt  58 Zwischenmenschliche  226