Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht: Zur gesetzlichen Begründung von Emissionsrechten und ihrer Übertragung nach den Kompensationsregeln des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Bereich der Luftreinhaltung [1 ed.] 9783428485413, 9783428085415

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Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht: Zur gesetzlichen Begründung von Emissionsrechten und ihrer Übertragung nach den Kompensationsregeln des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Bereich der Luftreinhaltung [1 ed.]
 9783428485413, 9783428085415

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CHRISTOPH ENDERS

Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 66

Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht Zur gesetzlichen Begründung von Emissionsrechten und ihrer Übertragung nach den Kompensationsregeln des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Bereich der Luftreinhaltung

Von

Christoph Enders

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Enders, Christoph: Kompensationsregelungen im Immissionsschutzrecht : zur 8.esetzlichen Begründung von Emissionsrechten und ihrer Ubertragung nach den Kompensationsregeln des BundesImmissionsschutzgesetzes im Bereich der Luftreinhaltung I von Christoph Enders. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 66) Zugl.: Freiburg, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08541-8 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-08541-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

8

Meinen Eltern

Vorwort Unter dem Regime des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind nach und nach rechtliche Rahmenbedingungen eines Marktes für "Emissionsbefugnisse" geschaffen worden. Behalten die Rahmenbedingungen den Vorteil der Umwelt im Auge, so führt der Handel mit Emissionsrechten, obgleich profitorientiert, zu einem Ausgleich von Umweltbelastungen, der für eine bessere Ressourcenallokation steht. Dieser Ausgleich, allgemein Kompensation genannt, kann dann ein wichtiges zusätzliches Instrument der Luftreinhaltung darstellen. Dennoch: Während der gesetzlich nicht normierte räumlich-einwirkungsbezogene Ausgleich von Immissionsbeiträgen weitgehend problemlos vonstatten geht, haben die Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen als potentielle Marktteilnehmer das staatliche Angebot im Bereich des Vorsorgeprinzips, d. h. der anlagenbezogen geregelten Emissionsvorgänge, offenkundig nicht angenommen. Was ist der Grund? Obwohl gerade die Voraussetzungen der Vorsorge-Kompensation unmittelbar im Gesetz geregelt sind, verbreitet die Ungewißheit einiger Tatbestandsmerkmale erhebliche Rechtsunsicherheit Ab wann kann man überhaupt von den geforderten überobligationsmäßigen Schadstoffreduktionen sprechen? Sind hierbei auch die Immissionsverhältnisse maßgeblich zu berücksichtigen? Darf oder muß die Kompensation befristet werden, damit sie ihren gesetzlichen Zweck erfüllt? Worauf genau richtet sich ein allfälliger Anspruch des Betreibers? Welche Rolle spielen für die genannten Punkte jetzt und in der Zukunft untergesetzliche Kompensationskonzepte? Wie ist schließlich die ordnungsgemäße Durchführung der jeweiligen Kompensationsvereinbarung verwaltungsrechtlich sicherzustellen? Das sind nur einige der Fragen, die sich Anlagenbetreibern wie Behörden aufdrängen und die Wahrnehmung der rechtlich eröffneten Handlungsmöglichkeiten verhindern. Die vorliegende Untersuchung, die im Sommer 1995 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen wurde und sich, nachdem sie für die Veröffentlichung überarbeitet wurde, auf dem Stand von Juni 1995 befindet, will zur Klärung dieser Zweifel beitragen, indem sie die Voraussetzungen der Kompensation im Schutz- und Vorsorgebereich gegeneinander abgrenzt, vor allem aber die marktwirtschaftliehe Öffnung auf dem Hintergrund des nach wie vor gefahrenabwehrrechtlichen gesetzlichen Gesamtzusammenhangs darstellt und dabei nicht zuletzt nach verfassungsrechtlichen Grenzen fragt. Dann werden Strukturen sichtbar, die aus

8

Vorwort

der ordnungsrechtlichen Einbindung der Umweltpolitik resultieren und gesetzestechnisch andere Lösungen nahelegen. Die Themenwahl wurde angeregt durch ein umweltrechtliches Seminar, das Herr Professor Dr. Dietrich Murswiek im Sommersemester 1991 an der Universität Freiburg gehalten hat. Er hat die Arbeit, die später während meiner Assistententätigkeit an seinem Lehrstuhl entstand, betreut und dabei in zentralen Punkten zu Wendungen des Argumentationsgangs den Anstoß gegeben. Vor allem aber hat er, auch und gerade wo meine Thesen sich nicht mit den seinen treffen, an der Freiheit zu eigenständiger wissenschaftlicher Entfaltung nie einen Zweifel aufkommen lassen. Dafür danke ich ihm herzlich. Dank schulde ich auch Herrn Professor Dr. Rainer Wahl, der das Zweitgutachten erstellt und Hinweise gegeben hat, denen ich für die Veröffentlichung gerne nachgegangen bin. In vieler Hinsicht versteht sich diese Arbeit als Fortsetzung des Gedankenaustauschs, an dem ich seinerzeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Ernst-Wolfgang Böckenförde während der Lehrstuhlgespräche teilhaben durfte, zu denen sich die Herren Professoren Böckenförde und Wahl wöchentlich mit ihren Mitarbeitern trafen. Mein besonderer Dank gilt ferner und nicht zum ersten Mal Joachim Wieland, der mich, selbst wo er Kritik übte, stets ermutigt und so ganz maßgeblich zum Entstehen auch dieser Arbeit beigetragen hat. lvo Appel, Stephan Gerstner, Ansgar Hense, Georg Hermes, Johannes Masing, Susanne Meyer, Albrecht Philipp, Peter Schütz und Ute Ziegler haben in Freiburg durch unermüdliche Gesprächsbereitschaft und mit kritischen Ratschlägen den Schaffensprozeß gefördert; von Bielefeld bzw. Erlangen aus haben die langjährigen Diskussionspartner Johannes Hellermann und Joachim Lege manchen Gedanken klären helfen. Schließlich möchte ich Herrn Leitenden Ministerialrat Dr. Klaus Hansmann, Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft, Düsseldorf, der mir unkompliziert und hilfsbereit den Gemeinsamen Entwurf der Arbeitsgruppe "Umweltrecht und Verwaltungsorganisation" der Gemeinsamen Umweltkommission zum Umweltrahmengesetz zugänglich gemacht hat, ebenso danken, wie Herrn Leitenden Regierungsdirektor Dr. Wolfram Haug vom Regierungspräsidium Freiburg für Einblicke in die Praxis. Frau Gudula Diesch, Freiburg, hat die Arbeit mit großer Einsatzbereitschaft zuverlässig in Form gebracht.

Freiburg, im August 1995

Christoph Enders

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umwelt· nutzungnach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz

I7

Erstes Kapitel

Einleitung: Marktwirtschaftliche Instrumente und Gefahrenabwehr im Immissionsschutz

I7

I.

Der Gedanke eines Austauschs von Emissionsberechtigungen zwischen den Betreibern genehmigungsbedürftiger Anlagen . . . . . . . . . . . . . .

I7

II.

Defizite des Ordnungsrechts und marktwirtschaftliche Orientierung der Umweltnutzung im Bundes-Immissionsschutzgesetz?. . . . . . . . . . . . .

21

III. Das begrenzte Sanierungsziel des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Bereich anlagenbezogener Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I.

II.

Zweites Kapitel Die (ordnungsrechtliche) Kontrolle der Umweltnutzung durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz Die Tradition des Polizeirechts und die sog. vorbeugende Gefahrenabwehr

26 26

I. Schädlichkeit i. S. der polizeilichen Generalklausel. . . . . . . . . .

27

2. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nach allgemeinem Polizeirecht . . . . . . . . . . . .

29

3. Verantwortung im Polizeirecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

Sicherheitsstandard und Verantwortlichkeit nach§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG (mit§§ 6, 7, 48 BlmSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

I. Schädlichkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit im BlmSchG . . .

37

2. Der Anlagenbelreiber als potentieller Störer (Verhaltensstandard)

40

3. Zurechnung der Schädlichkeit und ihre Grenzen .

44

a) Normative Zurechnung . .

44

b) Grenzen der Zurechnung . . . . . . . . . .

46

III. Die Pflicht zur Vorsorge- Eine unvollkommene Rechtspflicht.

51

I. Positive und negative Bestimmung des Vorsorgegebots.

51

2. Positive Strukturelemente der Vorsorgenormierung. . .

59

10

Inhaltsverzeichnis Drittes Kapitel

Die Pflicht des Anlagenbelreibers zur Luftreinhaltung und der verfassungsrechtliche Schutz seiner Emissionsbefugnis I.

63

Der Rechtsgrund von Umweltnutzungsbefugnissen . . . . . . . . . . .

63

1. Die Freiheit des Setreibers und das "Recht auf Umweltverschmutzung".

63

2. Die Rechtsnatur von Umweltnutzungsbefugnissen und die Frage nach den Befugnisgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

II. Die Rechtfertigung des Schutzgebots vor der Freiheit des Belreibers

75

1. Das Schutzgebot als gleichmä!3iger Eingriff in die Berufsfreiheit

75

2. Die Pflichtenkonkretisierung durch Verwaltungsvorschriften und ihr verfassungsrechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmtheit des Gesetzes und Bindungswirkung . . . . . . . . . . b) Die begrenzte Ermächtigung der§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 48 Nr. 1 BlmSchG

81 81 84

III. Die Rechtfertigung des Vorsorgegebots vor der Freiheit des Belreibers

89

1. Formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung .

89

2. Charakter und Maßstab der einzelnen Vorsorgeanordnung . . . .

93

Viertes Kapitel

Die Rechtsstellung des Anlagenbetreibers und "wohlerworbene Emissionsrechte"- Das Problem des Bestandsschutzes I.

Freiheit der Betätigung und Schutz des wohlerworbenen Rechtsbestands (Bestandsschutz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 99

1. Bedeutung und rechtliche Grundlagen des Bestandsschutzes a) Rechtsstaatliche Strukturen des Bestandsschutzes . . . . b) Bestandsschutz als Schutz betätigten Vertrauens. . . . . c) Der Schutz "wohlerworbener" rechtswidriger Erlaubnisse

101 101 104 112

2. Die rechtliche Bemessung des Vertrauensbetätigungsschutzes.

113

3. Die grundrechtliche Absicherung des Vertrauensbetätigungsschutzes- Bestandsschutz als Eigentumsschutz? . . . . . . . . . .

116

II. Bestandsschutz nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz .

123

1. Materielle Setreiberpflichten und Einzelfallermächtigung.

123

2. Das Gebot verhältnismäßiger Durchsetzung der Grundpflichten gegenüber den Betreibern genehmigter Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Die abstrakt-generelle Anhindung der Einzelfallermächtigungen an die Ver129 fassung . . . . . . . . . . . . . . III. Nachträgliche Anordnung und Widenuf. . . . . . . . .

132

1. Reichweite und Grenzen der nachträglichen Anordnung

132

Inhaltsverzeichnis a) Die Tatbestandsvoraussetzungen als Eingriffsgrenzen . aa) Immissionsabwehr . . . . . . . . . . . . . bb) Anlagenbezogene Vorsorge . . . . . . . . . . b) Die Verhältnismäßigkeit als Rechtsfolgenbegrenzung . c) Anordnungen gegenüber rechtswidrig genehmigten Anlagen . 2. Differenzierungen im Bestandsschutz gegenüber Schutz- und Vorsorgeanforderungen beim Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Änderung der Sachlage und die Situationsgebundenheit des Anlagenbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Heranrücken schutzbedürftiger Nutzungen und Abwehrobliegenheit des Setreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Änderung der Sachlage durch nachträglichen Erkenntnisgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II

132 132 142 143 149 !50 150 !51 154

b) Die Änderung der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsförmige Sanierungsmaßgaben im Vorsorgebereich und ihre Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche Grenzen der Sanierung im Bereich anlagenbezogener Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Gemeinwohlklausel als Auffangtatbestand (§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Abwehr erheblicher Gefahren . . . . . . . . . . . . bb) Der Widerruf nach§ 21 Abs. 1 Nr. 5 zum Zweck der Vorsorge

163 163 166

Zweiter Teil Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz

169

!56 !56 161

Fünftes Kapitel I.

Der gesetzliche Tatbestand der Kompensation Der positive Begriff der Kompensation . . . . . . . . . . . .

169 169

1. Kompensationen in Erfüllung des Schutzgebots (lmmissionsbereich). a) Die Einhaltung der Schädlichkeilsgrenzen durch Ausgleichsmaßnahmen und deren Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reduktionen des allgemeinen Schädlichkeilsstandards . . c) Sanierungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Sanierungsklausel der Nr. 2.2.1.1 lit. b TA Luft bb) Die Sanierungsklausel der Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft. cc) Die Sanierungsklauseln des§ 67a Abs. 2 BlmSchG

169

177 182 186

2. Kompensation und Überkompensation im Emissionsverbund

189

169 173 177

12

Inhaltsverzeichnis a) Minimierung des Restrisikos durch Überkompensation im Emissionsbereich (Ausgleichsmaßnahmen zur Vorsorge) . . . . . . . . . . . . 189 b) Die Vorsorge-Kompensation als Sanierungsinstrument - absolute Ausschlußgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Das gesetzliche Konzept der Vorsorgekompensation·. . . . . . . . . 197 a) Die materiellen gesetzlichen Anforderungen an eine Überkompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Die beiden Grundkonstellationen der verhältnismäßigen und der unverhältnismäßigen Vorsorge-Anforderung. . . . . . . . . . 197 bb) Die Gleichbehandlung von geringfügigen Überschreitungen der Vorsorgeanforderungen (§§ 17 Abs. 3a i.V.m. 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 cc) Die Gleichbehandlung sämtlicher Fälle der gravierenden Überschreitung von Vorsorgeanforderungen . . 206 b) Rechtswidrig genehmigte Anlagen. . . . . . . . . . . . . . . .

. 210

II. Die hoheitliche Sicherstellung der Kompensationsvereinbarung durch "Anordnung" und die Freiwilligkeit der überobligationsmäßigen Emissionsminderung 211 1. Unspezifische und spezifische Möglichkeiten der Durchsetzung.

. 211

2. Die nachträgliche Anordnung als Sicherungsmittel . . . . . . .

. 213

a) Die Verpflichtung der passiv beteiligten Anlage. . . . . . . b) Das Verhältnis der Anlagen(betreiber) im Emissionsverbund- öffentlich-rechtlich gesehen . . . . .

. 213 . 219

3. Die Sicherstellung durch Widerruf . . . . . . . . . . . .

. 221

III. Untergesetzliche Beschränkungen der Vorsorge-Kompensation.

. 223

1. Die gesetzliche Erweiterung der Kompensationsmöglichkeiten mit der Dritten Novelle und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Grundtendenz: Erweiterung der Kompensationsmöglichkeiten b) Gesetzliche Grenzen der Kompensation c) Die Förderung des Gesetzeszwecks . . . . . . . . . . 2. Die Fortschreibung der TA Luft für die neuen Bundesländer. a) Die Geltungsanordnung des § 67a Abs. 3 BlmSchG- Normative Befristung, räumliche und stoffliche Beschränkung von Kompensationen. aa) Die Befristung in der TA Luft . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an die örtlichen Immissionsverhältnisse. . . . cc) Das Erfordernis vergleichbarer Wirkung. . . . . . . . . . . b) § 17 Abs. 3a BlmSchG und das Kompensationskonzept für die neuen Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vergleichbarkeit der Wirkung- Ermächtigender und zwingender Charakter der Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 223 . 223 . 223 . 225 . 227 . . . .

227 228 229 230

. 231 . 237

Inhaltsverzeichnis

13

3. Das gesetzliche Verhältnis der Einzelfallermächtigung zu künftigen Kompensationskonzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Der tatbestandliehe Vorrang des Kompensationskonzepts . . . . . . . 239 b) Kompensationen im Rahmen gebietsbezogener Vorsorge als Ausnahme vom Sanierungskonzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Die Sicherung des konzeptionellen Vorrangs untergesetzlicher Sanierungs- und Kompensationsvorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . 244 Sechstes Kapitel

I.

Rechtscharakter und verwaltungsdogmatische Strukturen der Kompensation Die Kompensation als Formalisierung informellen Verwaltungshandeins

. 246

1. Rechtszwang und Freiwilligkeit als Wesensmerkmale der Kompensationsregelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 246

246

2. Die Kompensation(svereinbarung) als Zweck und Mittel gesetzlichen Umweltschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II.

3. Die Kompensation als speziell geregeltes Austauschmittel

. 250

Der Anspruch "auf' Kompensation . . . . . . . . . . . .

. 252

I. Der Anspruch auf Kompensation als Genehmigungsanspruch im Geltungs-

bereich des Schutzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

2. Der Anspruch auf Kompensation als Abwehranspruch im Bereich anlagenbezogener Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . 253 . 253 a) Der Gegenstand des Kompensationsanspruchs . . b) Der Kompensationsanspruch als Abwehranspruch. . 254 3. Die Möglichkeit untergesetzlicher Ausgestaltung des Kompensationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Behördliches Ermessen und Anspruch auf Kompensation . . . . . . . 254 b) Die Kompetenz der Verwaltung zur abstrakt-generellen Verkürzung des Kompensationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des kompensationswilligen Anlagenbelreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 257

1. Der Rechtsschutz des Belreibers in Belastungsgebieten .

. 257

a) Der Anspruch auf Genehmigung . . . . . . . . . b) Der Rechtsschutz gegenüber Gefahrenanordnungen .

. 257 . 258

2. Der rechtliche Schutz des Kompensationsanspruchs im Bereich anlagenbezogener Vorsorge. . . . . . . . . . . . . 259 3. Der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . a) Der Anspruch auf (Änderungs-)Genehmigung in Belastungsgebieten

. 260 . 260

b) Die Gefahrenanordnung . . . . . c) Vorsorgeanordnung und Widerruf. . . . . . . . . . . . . . . .

. 261 . 264

14

Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

267

Siebtes Kapitel I.

Der rechtliche Schutz von Drittinteressen Rechte Dritter als Grenze von Kompensationsregelungen . .

0

I. Zur verfassungsrechtlichen Basis des Drittschutzes im Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutznormtheorie und Schutzpflichtlehre . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtlich fundierter Nachbarschutz als Abwehr staatlich auferlegter Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das System der Beschränkung von zivilrechtliehen Immissionsabwehransprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die logisch sekundäre Beschränkung der punktuellen (zivilrechtlichen) Immissionsabwehr (§ 14 BimSchG) . . . . . . . . . . . . bb) Die (logisch primäre) Beschränkung punktueller Abwehransprüche im Zivilrecht auf das Schutzniveau des öffentlichen Rechts (§ 906 Abs. 1 BGB n.F.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anlagenbezogene Emissionsbegrenzungen als Domäne des öffentlichen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267 267 267 267 270 272 272 273 275

2. Der ( verfassungsrechtlich gebotene) Umfang des Drittschutzes gegen schädliche Umwelteinwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 276 3. Die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs . . . . . . . . . 279 II.

Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit von Kompensationsregelungen unter dem Aspekt des Drittschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Die allgemeine (untergesetzliche) Sanierungsklausel (Nr. 2.2.1.1 lit. b

TA Luft). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 280

2. Die besonderen gesetzlichen Sanierungsklauseln, § 67a Abs. 2 BlmSchG . . . . . . . . . . a) § 67a Abs. 2 Nr. l BlmSchG b) § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG

. 282 . 282 . 283

3. Schutz "durch Vorsorge" als Auslegungsproblem

. 285

III. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarn . . . . .

. 292

Achtes Kapitel I.

Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes Der Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes . I. Immissionsabwehr - § 67a Abs. 2 BlmSchG. a) § 67a Abs. 2 Nr. I BimSchG . . . . . .

294 . 294 0

0

294 295

Inhaltsverzeichnis

15

b) § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG .

. 297

2. Die Minimierung des Restrisikos.

. 299

a) Die Bestimmtheit der gesetzlichen Ermächtigung nach Art. 80 Abs. I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Kompensation im Emissionsbereich als Eingriff in die Freiheit des Begünstigten (Überkompensation)? . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Verfassungsrechtliche Bindungen von Austauschverhältnissen (-das Koppelungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . II.

303

Der Vorrang des Gesetzes und die Wesentlichkeitslehre .

. 307

1. Der Umfang der Ausnahme . . . . . . . . . . . .

. 307

2. Die gesetzliche Erweiterung der Kompensationsmöglichkeiten

. 311

III. Bindung und Bindungswirkung untergesetzlicher Normierung .

. 312

1. Unterschiede zwischen Immissions- und Emissionsbereich

. 312

2. Die Bindung an das Gesetz . . . . . . . . . . . . . .

. 313

3. Die Bindungswirkung der untergesetzlichen Kompensationsregelung

. 314

Neuntes Kapitel

Schluß

315

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

Erster Teil

Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz

Erstes Kapitel

Einleitung: Marktwirtschaftliche Instrumente und Gefahrenabwehr im Immissionsschutz I. Der Gedanke eines Austauschs von Emissionsberechtigungen zwischen den Betreibern genehmigungsbedürftiger Anlagen

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 15. März 1974 1, das im Bereich des anlagenbezogenen Immissionsschutzes die Gewerbeordnung2 ablöste, war wie diese zunächst ordnungsrechtlich geprägt. Es gestaltete materiell-rechtlich gesehen polizeiliche Gefahrenabwehr3 auf dem Gebiet der schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 1 BimSchG), namentlich der hier interessierenden Luftverunreinigungen (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 BimSchG) zeitgemäß aus4 . Von Anfang an geschah dies vor allem in zwei in § 1 BimSchG niedergelegten Grundprinzipien5 . Das Schutzgebot sollte über die bislang eröffneten Möglichkeiten hinaus der Abwehr von Immissionen dienen und, soweit diese unter den Lebensumständen einer modernen Industriegesellschaft als unvermeidlich gelten müssen, jedenfalls nur unschädliche (zumutbare) Einwirkungen zulassen. Das - in seiner genauen Motivation und Zielrichtung umstrittene - Vorsorgegebot> setzte noch eine Stufe vorher an und nahm präventiv (vorbeugend) die frühzeitige Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen in den Blick. Einzelheiten interessieren an dieser Stelle nicht. Fest steht, daß die gesamte nachI BGBI. I S. 721, 1193. 2 In ihrer ursprünglichen Fassung Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. 6. 1869, Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes S. 245, später Reichsgewerbeordnung, Bekanntmachung vom 26. 7. 1900, RGBI. S. 871 mit zahlreichen Änderungen. 3 Vgl. Friauj; Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn., Rdnr. 10; Götz, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, Rdnr. 20, 24. 4 Vgl. Feldhaus, DVBI. 1984, S. 552, 553. 5 Vgl. zum Ganzen Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237 ff. Näher unten im 2. Kapitel. 6 Zu Einzelheiten auch hier weiter unten. 2 Enders

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

folgende Regelung des Rechts der genehmigungsbedürftigen Anlagen (§ 4 ff. BlmSchG) auf diesen, den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen in einem engeren und einem weiteren Verständnis7 normierenden Prinzipien fußt 8 . Von ihnen ausgehend entwickelt sie ein gesetzliches System gegen die einzelne Anlage gerichteter Anforderungen, das sich materiell zentriert um die selbständigen Grundpflichten (nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BimSchG) als Verhaltenspflichten des Betreibers9 und das hiervon ausgehend die Voraussetzungen der (rechtmäßigen) Genehmigung und ihres Entzugs (§§ 6 Nr. 1, 21 BlmSchG 10) und des weiteren Einschreitens gegen genehmigungsbedürftige Anlagen(§§ 17, 20 BlmSchG) regelt. Erstmals hat nun die zweite Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes im Jahre 1985 11 über erste untergesetzliche Ansätze 12 hinaus dieses auf die einzelne Anlage zielende immissionsschutzrechtliche Instrumentarium erweitert: In der Verordnungsermächtigung des § 7 Abs. 3 BlmSchG wurde dem Verordnunggeber und über § 48 Nr. 4 BlmSchG auch dem Verwaltungsvorschriftengeber die Möglichkeit eröffnet, unter näher bestimmten Voraussetzungen den Austausch von Emissionsberechtigungen zwischen genehmigungsbedürftigen Anlagen zuzulassen. Die neue Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft13 machte bereits 1986 von dieser Ermächtigung Gebrauch. Sie schrieb nicht nur - insoweit im unveränderten Rahmen der allgemeinen Ermächtigung zur Konkretisierung des Schutzgebots - überkommene, auf die Immissionslage bezogene Austauschmöglichkeiten fort (Nr. 2.2.1.1 lit. b, 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft), sondern setzte in Nr. 4.2.10 die spezielle gesetzliche Ermächtigung in Gestalt einer neuen und auf die Emissionsfrachten bezogene Regelung "von Ausgleichsmaßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen" um. Diese Weichenstellung der zweiten Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und der ihr zugehörigen untergesetzlichen Regelungen bestimmt bis heute das hier zu untersuchende gesetzliche Modell einer kompensatorischen Übertragung von Emissionsrechten. Zwar lockerte die Dritte Novelle zum Bundesimmissionsschutzgesetz 14 die eher rigiden Zulässigkeitsbeschrän7 Jarass, BimSchG, § 1, Rdnr. 13. 8 Zu den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, ders., aaO, § 22, Rdnr. 19. 9 Die sich freilich auf die Anlage beziehen, vgl. Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 98; Jarass, aaO, § 6, Rdnr. 2a. 10 Der Entzug der rechtswidrigen Genehmigung richtet sich nach der Rücknahmevorschrift des § 48 (L)VwVfG. 11 Vom 4. 10. 1985, BGBI. I S. 1950. 12 Zunächst in der TA Luft v. 8. 9. 1964, GMBI. S. 433, sodann TA Luft v. 28. 8. 1974 (GMBI. S. 426, 525), geändert am 23. 2. 1983 (GMBI. S. 94). Zur Vorgeschichte Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28 ff. l3 TA Luft vom 27. 2. 1986, GMBI. S. 95, ber. S. 202. 14 Vom 11. 5. 1990, BGBI. I 870; Bekanntmachung der Neufassung vom 14. 5. 1990, BGBI. I 880.

Erstes Kapitel: Marktwirtschaftliche Instrumente und Gefahrenabwehr

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kungen und führte nicht zuletzt neben der Ermächtigung des § 7 Abs. 3 BlmSchG in § 17 Abs. 3a BlmschG eine Einzelfallermächtigung ein 15. Für die neuen Bundesländer wurde wenig später mit Blick auf deren besondere wirtschaftliche und ökologische Situation in § 67a BlmschG eine eigene Ausnahmevorschrift geschaffen 16, die auch erweiterte Kompensationsmöglichkeiten betrifft. An der Grundstruktur der Kompensationsregelung hat sich dadurch bis hin zum Entwurf des Allgemeinen Teils eines Umweltgesetzbuchs 17 nichts geändert. Fragt man nach der Herkunft dieser Grundstruktur, so wird allgemein auf das US-amerikanische Vorbild 18 verwiesen. Hier werde seit 1977 eine Politik des kontrollierten Emissionshandels (emissions trading policy) praktiziert19, die auf der Übertragbarkeit von Emissionsrechten basiere und darin auch das deutsche Modell beeinflußt habe20. Zwei Stichworte sind es vor allem, die diese Politik des kontrollierten Emissionshandels kennzeichnen und damit die mögliche rechtliche Bedeutung einer Übertragung von Emissionsrechten umschreiben: Die offset-policy (Ausgleichspolitik) ermöglicht Anlagenzulassungen in "non-attainment areas", in Belastungsgebieten also, in denen an sich wegen der Überschreitung von gesetzlichen Luftverschmutzungs-Standards eine Neuansiedlung schadstoffemittierender Industrieanlagen nicht mehr in Betracht kormnt21 . Entscheidend ist nun weniger, was zum Teil hervorgehoben wird, daß die offsets einen Ausgleich zwischen verschiedenen Unternehmen, wenn auch innerhalb des nämlichen Belastungsgebiets ermöglichen22, entscheidend ist auch nicht ausschließlich, daß Neuanlagen in das Austauschverhältnis einbezogen sind23 . Den Kern der rechtlichen Bedeutung von offsets bezeichnet vielmehr ihre materiell berechtigende (befreiende) Wirkung. Werden nämlich 15 Vgl. bereits Rehbinder/Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen, S. 321. 16 Durch Abschnitt II, Kap. XII des Einigungsvertrags-Gesetzes vom 23. 9. 1990, BGBI. II S. 880. 17 Vgl. §§ 87, 89 f. UGB-AT(E), und hierzu Rehbinder, in: Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch- Allgemeiner Teil, S. 360 ff., 366. 18 Zu den rechtspolitischen Möglichkeiten vor allem Kothe, ZRP 1985, S. 145, 146 ff.; Rehbinder/Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen. 19 Endres, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. I, 23; Kothe, aaO, S. 146; Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 69 f. 20 Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 97; Endres, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. I, 23; Gawei/Ewringmann, NuR 1994, S. 120; Huckestein, ZfU 1989, S. 1.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rdnr. 224 spricht allerdings in diesem Zusammenhang von einem "ReImport". 21 Rehbinder/Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen, S. 41 f. Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 66 f. m. Fn. 186, S. 68 in Fn. 191. 22 So freilich Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rdnr. 224; Wasmeier, NuR 1992, S. 219, 221. 23 So Endres, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. I, 20; vgl. Rehbinderl Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen, S. 43, 49 f. 2•

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

Neuanlagen überhaupt nur zugelassen, wenn gebietsbezogene Belastungsstandards sich nicht verschlechtem oder gar - in non-attainment areas - mit Errichtung und Betrieb ein absoluter Rückgang der Gesamtemissionen zwingend verbunden ist24, so kann diese materielle Genehmigungsvoraussetzung schlechterdings nur erfüllt werden, indem das Minderungspotential von Altanlagen genutzt, also ein Austausch von Emissionsrechten vorgenommen wird25 . Das bubble-Prinzip26 besagt darum im Gegensatz hierzu vor allem, daß auch dort - in attainment areas27 -, wo die gesetzlichen Anforderungen allein durch Maßnahmen an der genehmigungspflichtigen Anlage zu erfüllen wären, der Anlagenbetreiber die Möglichkeit hat, durch Bildung eines Emissionsverbunds, d.h. indem eine fiktive Glocke über einen Industriekomplex gestülpt wird, verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Vergünstigungen zu erlangen28 . Können schließlich Emissionsrechte in Ergänzung ihrer Übertragbarkeit zur späteren Verwendung gutgeschrieben werden Cernissions banking), so ermöglicht das ihren effektiven Einsatz im Bedarfsfalle. Gegenüber der Tragfähigkeit eines sich hier in ersten Konturen abzeichnenden Modells des Emissionshandels, das in seiner reinsten Ausprägung eines Lizenzsystems29 nicht weiter erörtert werden soll, lassen sich manche grundsätzliche Einwände erheben30. Für die rechtliche Konstruktion ist ungeachtet dessen von vorrangigem Interesse, zwei seiner Wesens- und damit Tatbestandselemente festzuhalten 31 : Die rechtsförmige Übertragung von Emissionsberechtigungen setzt als notwendige Bedingung, blickt man auf die unmittelbar begünstigte Seite des Austauschverhältnisses, eine ausdrückliche Ausnahme 24 Zu den Anforderungen an Errichtung und Betrieb von Anlagen in attainment und nonattainment areas, Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 68 in Fn. 191. 25 Ders., aaO, S. 70. Zu darüber hinausreichenden Anwendungsmöglichkeiten der offset-policy, die sich aber mit einem auf Neuanlagen projizierten bubble-Konzept decken, vgl. Rehbinder/ Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen, S. 48, 49, 308. 26 Zu diesem Endres, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 1, 20; Jarass, DVBI. 1985, S. 193, 198; Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rdnr. 224; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 7 BlmSchG, Rdnr. 39j; Kothe, ZRP 1985, S. 145, 146; Rehbinder/Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen, S. 43, 49 f. 27 Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 68 in Fn. 191. 28 Ders., aaO, S. 70; vgl. auch Rehbinder/Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen, S. 49 f. Das Instrument des "netting" bezeichnet letztlich denselben Effekt mit Blick auf wesentliche Änderungen bestehender Anlagen, näher Rombach, aaO. 29 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 92, 94; Wasmeier, NuR 1992, s. 219 ff. 30 Vgl. Endres, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. I, 21 f., im übrigen aber mit grs. positiver Tendenz, aaO, S. 2, 24; GaweVEwringmann, NuR 1994, S. 120, 121 m.Nw. in Fn. 8; Huckestein, ZfU 1989, S. I, 13; Rehbinder, aaO, S. 92, 116 ff. 31 Vgl. auch§§ 87 ff. UGB-AT (E), und hierzu Rehbinder, in: Kloepfer/Rehbinder/SchmidtAßmann!Kunig, UGB-AT, S. 360 ff. Ferner Wasmeier, NuR 1992, S. 219,221.

Erstes Kapitel: Marletwirtschaftliche Instrumente und Gefahrenabwehr

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zunächst vom verbotsbewehrten Umweltstandard voraus 32 - sofern dieser jenseits eines reinen Lizenzsystems grundsätzlich als allgemeiner Maßstab fortbestehen soll. Die nähere gesetzliche Ausformung der Übertragungs-Voraussetzungen macht dann den gesetzlichen Tatbestand der Kompensation aus, der den partiell außer Kraft gesetzten Umweltstandard aus der weiteren Perspektive des Emissionsverbunds gewissermaßen rekonstruiert, sei es im Sinne der Umweltneutralität der Transaktion, sei es im Sinne einer zusätzlichen Entlastung der Umwelt33 . Dieser Tatbestand wird im folgenden in seiner konkreten Gestalt, Rechtsfolgenanordnung und verwaltungstechnischen Durchsetzung im Gesamtzusammenhang des Gesetzes und auf dem Hintergrund der Verfassung darzustellen sein. Weil aber die Übertragung von Emissionsrechten eine Abweichung vom allgemeinen Umweltstandard in zumindest einer Hinsicht erfordert, ist noch vor der Ausnahme die Regel in den Blick zu nehmen und nach der Begründung von Emissionsrechten zu fragen. Dies auch deshalb, weil es einen Unterschied machen muß, ob der Eintritt des einzelnen Setreibers in den Emissionsverbund einen Akt der Freiwilligkeit oder die einzige Möglichkeit der Erfüllung gesetzlicher Anforderungen darstellt. Über Anfang und Ende des Zwangs geben nur die allgemeinen Regeln Auskunft. ll. Defizite des Ordnungsrechts und marktwirtschaftliche Orientierung der Umweltnutzung im Bundes-Immissionsschutzgesetz? Was ist also Gegenstand des übertragbaren Emissionsrechts? Die nunmehr beleuchteten und nachfolgend näher zu untersuchenden Aspekte der Begründung (Freistellung von Rechtspflichten, Übertragung von Emissionsberechtigungen) verweisen zunächst nicht auf ihren rechtlichen Ursprung, sondern einen vor-rechtlichen, nämlich ökonomischen und ökologischen Hintergrund. Dieser verdeutlicht in der Kritik an der tradierten ordnungsrechtlichen, oder, wie in den Wirtschaftswissenschaften formuliert wird, "auflagengeprägten" Umweltpolitik34 zugleich den Zweck der Übertragungsmöglichkeit. Umweltschäden stellen in weitem Umfang negative externe Effekte dar35, ihre Kosten 32 Rehbinder, aaO, S. 364, 365. 33 Vgl. Rehbinder, aaO, S. 366. 34 Cansier, NVwZ 1994, S. 642, 646; Endres, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. I, 3. Gemeint sind selbstverständlich nicht die Nebenbestimmungen i.S. von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Da im übrigen der Begriff der Auflage dem Versammlungsrecht vorbehalten ist, ist er also im vorliegenden Zusammenhang als Synonym zwangsweise durchsetzbarer Pflichten bzw. pflichtenkonkretisierender Verfügungen der Behörde aufzufassen. 35 Zum folgenden Endres, aaO; Mur.rwiek, JZ 1988, S. 985, 992, ders., NuR 1994, S. 170 f.; Wasmeier, aaO, ; Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 84 ff.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

werden entgegen dem Verursacherprinzip nicht vom Urheber getragen, sondern letztlich von der Gemeinschaft36, weil Umweltgüter- in einem vorrechtliehen Sinne zumindest- "öffentliche Güter" verkörpern 37 . Das läßt aus wirtschaftlicher Sicht einen gesteigerten individuellen Vermeidungsaufwand schon immer unrentabel erscheinen und verhindert eine optimale Ressourcenallokation. Dieses Ziel bestmöglicher Ressourcenallokation ist demnach nur durch eine Internalisierung der externen Umweltnutzungs-Kosten zu erreichen. Ob das Ordnungsrecht einen solchen Prozeß anzuleiten vermag, scheint indessen aus volkswirtschaftlicher Perspektive zweifelhaft38 . Denn die Vermeidungskosten werden, insbesondere angesichts eines chronischen Informationsdefizits auf Seiten der Verwaltung, stets (zu) hoch sein, ohne daß in technischer und ökologischer Hinsicht der Innovationsbereitschaft des Betreibers Anreize vermittelt werden. Näher liegt, daß der wirtschaftlich denkende, innovative Anlagenbetreiber auf ein anforderungskonformes, jedoch nicht weniger umweltschädliches Verhalten ausweicht, solange dies geringere Kosten verursacht. Nun wird klar, was mit den Begriffen des Emissionsrechts, der Übertragung von Emissionsrechten, schließlich des Emissionshandels gerade auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion gemeint ist: Der Schadstoffausstoß des Industriebetriebs wird weniger als Gefahr, denn als Umweltnutzung begriffen. Der Verbrauch knapper Umweltgüter aber hat, ganz unabhängig von seiner Gefährlichkeit, seinen Preis. Und für diesen Preis wiederum steht der Preis des Emissionsrechts. Er kann sich im Bereich der Umweltgüter sicherlich nicht rein marktwirtschaftlich bilden, sondern wird vom Staat als dem Treuhänder des Gemeinwohls unmittelbar festgesetzt oder mittelbar geschaffen39 . Indem zum einen die Umweltnutzungsmöglichkeiten und d.h. im Hinblick auf die Luftreinhaltung: die Verschmutzungsbefugnisse verknappt werden, zum anderen und vor allem ihre Übertragung zwischen den Interessenten vom Staat ermöglicht wird, wird dem tendeziell unerwünschten Verhalten ein Marktpreis zugeordnet. Diesem Funktionsmodus entspricht - trotz ihrer Einbettung in das nur bedingt außer Anwendung bleibende ordnungsrechtliche Instrumentarium40 - dem Grunde nach auch die Kompensation. Befinden sich zwei Anlagenbetreiber A 36 Zum Verursacherprinzip Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 51; Kloepfer, § 3, Rdnr. 27 ff. Zum Zusammenhang vonVerursacher-und Gemeinlastprinzip ders., in: Kloepfer/Rehbinder/ Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch- Allgemeiner Teil, S. 145 ff. 37 Bender/Sparwasser, aaO, Rdnr. 84; Höffe, Sittlich-politische Diskurse, S. 135, 150. Weitergehend zum Rechtsgutscharakter Murswiek, JZ 1988, S. 985, 992 f.; ders., Handbuch des Staatsrechts, Band V,§ 112, Rdnr. 83; ders., DVBI. 1994, S. 77, 81, 82. 38 Vgl. Cansier, NVwZ 1994, S. 642, 646 (insb. für den Bereich der "Risikovorsorge"); Endres, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. I, 3 f. ; GaweVEwringmann, NuR 1994, S. 120; Kothe, ZRP 1985, S. 145 f., !50; Wasmeier, NuR 1992, S. 219, 220. 39 Murswiek, JZ 1988, S. 985, 991. 40 Vgl. etwa GaweVEwringmann, NuR 1994, S. 120, 123.

Erstes Kapitel: Marktwirtschaftliche Instrumente und Gefahrenabwehr

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und B in einem Austauschverhältnis, so darf B, wenn A mit dem Schadstoffausstoß seiner Anlage freiwillig unterhalb der maßgeblichen Schädlichkeitswerte bleibt, diese Werte überschreiten. Während nun A Vermeidungskosten entstehen, kann B die Einsparung der an sich gesetzlich geschuldeten Investitionen verbuchen. A wird allerdings seine Vermeidungsleistung nur dann an B als "Emissionsrecht" veräußern wollen, wenn der Preis seine (A's) Kosten übersteigt. Und B wird umgekehrt nur dann Interesse zeigen, wenn seine eigenen, nun entfallenden Vermeidungskosten über dem von A geforderten Kaufpreis lägen, im Ergebnis also eine Einsparung auf der Haben-Seite verbleibt. So entsteht ein Markt der Nutzungsberechtigungen. und kommt es zur marktwirtschaftlich orientierten Selbststeuerung umweltrelevanten Verhaltens, die eine optimale oder doch bessere Allokation der knappen Ressourcen garantieren soll. Daraus resultiert der Anreiz, dort, wo es kostengünstig möglich ist, umweltfreundliche Technikstandards und Produktionsmethoden zu entwickeln und anzuwenden, um die erzielten Vermeidungserfolge als Emissionsrechte gewinnbringend zu veräußern. Gleichwohl muß man sich klar machen, daß hinter dem, was im Ergebnis verkürzt "Emissionsrecht" genannt werden mag, Rechte durchaus verschiedenen Inhalts stehen können. Natürlich läßt sich das Regelungsziel des Umweltrechts in letzter Instanz immer aus der Gemeinwohlschädlichkeit der Umweltverschmutzung begreifen. Aber die Schutzgüter und damit die Regelungstechniken differieren doch. Von ihnen hängt wiederum die Rechtsposition des auf die Umwelt einwirkenden Anlagenbetreibers ab, wie sie die Kompensationsregelung vorfindet, um sie zu modifizieren oder wenigstens (ausnahmsweise) ergänzend zu erweitern. Weil es keineswegs notwendig ausgemacht ist, daß sich die Konstruktion jener Rechtsstellung mit der Idee handelbarer Emissionsrechte verträgt, hängt ohne eine nähere Bestimmung des Rechtscharakters der Setreiberposition jegliche Erörterung aktueller oder möglicher Kompensationsregelungen in der Luft. Die Situation in den USA kommt dabei der Vorstellung von der Umweltnutzung und der korrespondierenden Nutzungsberechtigung von vornherein näher als dies von der rechtlichen Ordnung umweltrelevanten Verhaltens im Bundes-Immissionsschutzgesetz behauptet werden kann. Das US-amerikanische Recht nämlich regelt mehr oder weniger abstrakte Standards der Luftqualität41, was die Luft selbst zum Schutzgut deklariert und eine Deutung der Emissionsbefugnis als (Nutzungs-) Recht an der Luft nahelegt42. Im Bundes41 Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 66 f. Dagegen spricht Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rdnr. 224, im Hinblick auf das Glockenprinzip von staatlich vorgegebenen Immissionswerten. 42 Vgl. auch Wasmeier, NuR 1992, S. 219 in Fn. 3.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

Immissionsschutzgesetz verweist dagegen der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (§§ I, 3 Abs. I BimSchG) auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft, damit die Gesamtheit oder einzelne Mitglieder der Rechtsgemeinschaft als Schutzgutträger43 . Dadurch werden auf den ersten Blick Nichtstörungsschranken im Sinne des klassischen Gefahrenabwehrrechts errichtet. Die Rechtsposition des Anlagenbetreibers definiert sich - unabhängig von erforderlichen Präzisierungen und zunächst unabhängig vom Einfluß der Grundrechte44 -negativ aus dieser (gesetzlichen) Grenze des Nicht-Dürfens. Er darf seine Anlage nicht so errichten oder betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden und er darf auch die Grenze technisch vermeidbaren Schadstoffausstoßes nicht überschreiten. Eine Nutzung von Rechtsgütern Dritter oder der Allgemeinheit ist so betrachtet rechtlich nicht primär angesprochen, vielmehr soll eine derartige Inanspruchnahme gerade verhindert werden. Immerhin kann man die zunächst nur auf Beachtung der Verbotsgrenzen (durch Behörden und Gerichte) gerichtete Befugnis in eine bis zur bezeichneten Grenze sich erstreckende, im Austauschverhältnis handelbare Berechtigung (positiv) umformulieren. Diese gliedert sich dann in die zwei nach Schutz- und Vorsorgeprinzip getrennten und auch für die Kompensation zu unterscheidenden Teilgehalte45 : eine auf die Umgebung der Anlage bezogene und mit konkreten Duldungspflichten der Nachbarschaft gekoppelte Einwirkungsbefugnis (vgl. § 3 Abs. 2 BimSchG) und eine Emissionsbefugnis, die der Anlage unter anderem unmittelbar nach Maßgabe abstrakter (Gemeinwohl-)Schädlichkeit der emittierten Stoffe zugestanden wird (vgl. §§ 3 Abs. 3, 7 Abs. I Nr. 2 BimSchG). Die erstere nimmt automatisch ab, je mehr an schädlichen Umwelteinwirkungen bereits vorhanden ist und wird prekär folglich in sogenannten Belastungsgebieten (vgl. § 67a Abs. 2 BimSchG)46 . Darum müssen Altanlagen nach Art der offsets verzichten, damit neue Immissionen zugelassen werden können. Wenn dagegen die Emissionsbefugnis vor allem zu einem isoliert an der einzelnen Anlage zu messenden und ihr zuzurechnenden Schadstoffausstoß bestimmten Umfangs (§ 7 Abs. I Nr. 2 BimSchG) berechtigt, so bleibt es zwangsläufig dem Gesetzgeber vorbehalten, die unverbundenen EmissionsGrößen aufeinander zu beziehen und zu einer rechtlich relevanten Aussage zu verknüpfen.

43 Vgl. Jarass. BlmSchG, § I, Rdnr.6, 8; § 3, Rdnr. 18. 44 Einschränkend insofern Murswiek, JZ 1988, S. 985, 992 f.; ders., Handbuch des Staatsrechts, Band V,§ 112, Rdnr. 67, 83; ders., DVBI. 1994, S. 77,80 f., 81, 82. 45 Undeutlich Huckestein, ZfU 1989, S. I, 3; Kloepj'er, Umweltrecht, 4, Rdnr. 226. 46 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 47 ff., 67 ff.

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Erstes Kapitel: Marktwirtschaftliche Instrumente und Gefahrenabwehr

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Ob der Gesetzgeber nun mehr oder weniger frei agiert, ob der Verwaltung ein geringerer oder größerer Spielraum bei der Durchsetzung seiner Maßgaben zusteht: Eine zuverlässige Aussage zum systemgerechten Verständnis, zu den Bedingungen und Grenzen einer Übertragung jener Berechtigungen wird sich ungeachtet der nunmehr erzielten Klärung nur treffen lassen, wenn der rechtliche Hintergrund der Gefahrenabwehr nicht völlig ausgeblendet wird und damit die Bedingungen und Grenzen des Nicht-Dürfens präsent bleiben. Die hieran anknüpfende Analyse der vom Bundes-Immissionsschutzgesetz dem Anlagenbetreiber eingeräumten Rechtsposition ist deshalb der Untersuchung der gesetzlichen Kompensationstatbestände voranzustellen.

111. Das begrenzte Sanierungsziel des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Bereich anlagenbezogener Vorsorge Die einheitliche "Emissionsbefugnis", das läßt sich bereits jetzt sagen, existiert so nicht, weil sie je nach der Art der sie begrenzenden, von Gesetzes wegen zu vermeidenden Schädlichkeit im Bundes-Immissionsschutzgesetz eine auch für das Kompensationsmodell folgenreiche differenzierte Regelung erfahren hat. Eine weitere, sozusagen auf der anderen Seite des gesetzlichen Kompensationskonzepts angesiedelte Beschränkung der ungehinderten Übertragung von Emissionsbefugnissen, die ausschließlich die Ausgleichsmaßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen betrifft, ist meist mit kritischem Unterton vermerkt worden: Die untergesetzliche Regelung der Kompensation in Nr. 4.2.10 TA Luft stellt ein in sich abgeschlossenes Programm von zeitlich begrenzter Bedeutung aut47 , dessen Rechtswirkungen sich mit dem Fristablauf zum 1. März 1994 (Nr. 4.2.10, 4.2.4 TA Luft) - abgesehen von der Durchsetzung etwa noch unerfüllter Verpflichtungen - erledigt haben. Selbst wenn man berücksichtigt, daß für die neuen Bundesländer dieses Programm zur wiederholten Anwendung gelangt48, so sind doch auch dort die für Kompensationen zu wahrenden (Antrags-)Fristen für die Vorlage eines Sanierungsplans (Nr. 4.2.1 0 Abs. 1 lit. b TA Luft, vgl. § 67a Abs. 3 BlmSchG) bereits wieder abgelaufen, die am 30. Juni 1999 endende Kompensationsphase ist in Gang gesetzt. Eine Fortschreibung sieht die untergesetzliche Regelung selbst nicht vor. Der Grund ist nun nicht erst in einer zufälligen untergesetzlichen Konkretisierung zu sehen, sondern bereits in der gesetzlichen Ermächtigung gern. § 7 Abs. 3 BlmSchG angelegt. Sie hat ein konkretes Sanierungsvorhaben des untergesetzlichen Normgebers im Blick (§ 7 Abs. 2 BlmSchG), in welches sich die 47 Gawel/Ewringmann, NuR 1994, S. 120, 121 , 123 f.; Huckestein, Ztu 1989, S. I, 15. 48 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 2.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

Kompensationsregelung einfügen, dessen (begrenztem) Zweck sie sich unterordnen soll. Nicht nur von Emissionsgrenzwerten nach Absatz 1, gerade auch von den Sanierungsbestimmungen (Übergangsregelungen) nach Absatz 2, kann sie ausnahmsweise befreien und so dem Betreibereinen (sachlich eher begrenzten) Vorteil einräumen49 . Die zeitliche Beschränkung.der Kompensation durch Ausschlußfrist und Höchstdauer erscheint so als Konsequenz des Sanierungsgedankens, begründet freilich zugleich ihren Charakter als "Einwegprodukt". Es ist daher nicht nur eine Beziehung des solchermaßen in sich geschlossenen Konzepts zur gesetzlich gewährleisteten Emissionsbefugnis herzustellen, was letztlich auf die Frage nach seiner gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Rechtfertigung hinausläuft. Mindestens ebenso wichtig erscheint das Verhältnis des abstrakt-generellen Konzepts zur gesondert ermächtigten Einzelmaßnahme. Mit der Dritten Novelle ist nämlich die Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmSchG neu hinzugekommen, der nun ein angemessener Platz im Normengefüge der Kompensationsvorschriften bestimmt werden muß, der beiden: Normsetzungs- wie Einzelfallermächtigung eine eigenständige Funktion beläßt. Nur dann wird die im Gegensatz zum Konzept sich fortschreibende Freistellungsklausel mit dem gegenwärtigen ebenso wie mit möglichen künftigen Sanierungs- und Kompensationskonzepten des untergesetzlichen Vorschriftengebers harmonieren und kann überhaupt ein untergesetzliches Konzept neben einzelfallorientierten Kompensationsmaßnahmen bestehen. Zweites Kapitel

Die (ordnungsrechtliche) Kontrolle der Umweltnutzung durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz I. Die Tradition des Polizeirechts und die sog. vorbeugende Gefahrenabwehr § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG verlangt, genehmigungspflichtige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen (nach§ 3 Abs. 1 BimSchG) nicht hervorgerufen werden können 50. Stellt man die Vorschrift als Instrument vorbeugenden Immissionsschutzes in den Zusammenhang polizeilicher Gefahrenabwehr51 , so muß man sich den begrenzten Erklärungswert 49 Gawei/Ewringmann, NuR 1994, S. 120, 121, 123 f.; Huckestein, ZfU 1989, S. I, 15. 50 Sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen, wie sie der Anlagenbetrieb verursachen könnte (§ 5 Abs. 1 Nr. I 2. Alt., § I BlmSchG}, interessieren im Zusammenhang der Kompensation nicht. 51 So die h. M.: Breuer, Der Staat 20 (1981}, S. 393, 411; ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 176; Feldhaus, DVBI. 1980, S. 133, 134; Hansen-Dix, Die Gefahr im Poli-

Zweites Kapitel: Die Kontrolle der Umweltnutzung durch das BlmSchG

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dieser Feststellung klarmachen. Zu Recht hebt sie allerdings den negativ-abwehrenden Charakter der Bestimmung hervor: Diese regelt ein Verhalten mit der Zielsetzung, dessen schädliche Folgen gemeinwohlverträglich zu begrenzen. Damit statuiert das Schutzprinzip zugleich eine Nicht-Störungspflichtoder läßt sich doch in eine solche umformulieren und umschreibt dann den Frei(heits)raum, innerhalb dessen sich die geregelte Betätigung gemeinwohlverträglich entfalten kann. Daß die Gefahrenabwehr vorbeugend erfolgen soll, erscheint freilich als Pleonasmus, solange man sich mit dem Sicherheitsstandard des allgemeinen Polizeirechts zufrieden geben will. Denn es ist gerade das Wesen polizeilicher Gefahrenabwehr, daß sie dem Schaden vorbeugt (praeveniert)52. Auch wenn es nicht Zweck des Schutzprinzips sein kann, jedes auch nur theoretisch denkbare Risiko des Anlagenbetriebs auszuschließen 53, befremdet es doch, die spezialgesetzlich formalisierte Prüfung möglicher schädlicher Auswirkungen des Anlagenbetriebs auf den Rahmen der polizeilichen Generalklausel zu begrenzen. Diese gebietet, soweit sie im vorliegenden Zusammenhang interessiert, der Polizei, Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit bedroht wird. Der Gefahrbegriff weist dabei nach klassischem Verständnis zwei strukturbestimmende Elemente auf: das der Schädlichkeit (des Verhaltens oder Zustands) und das der Wahrscheinlichkeit (des Schadenseintritts). Zum Haftungstatbestand ergänzt wird er von der- innerhalb einer Gemeinschaft gleich freier Rechtssubjekte individuell definierten - Verantwortlichkeit des Störers. In sämtlichen Hinsichten geht das Bundes-Immissionsschutzgesetz aus sachimmanenten Gründen neue Wege, die, wie zu zeigen ist, über die Tradition des Polizeirechts hinausführen. 1. Schädlichkeit i. S. der polizeilichen Generalklausel Zunächst sollen die erwähnten Aspekte der Gefahrenabwehr kurz beleuchtet werden. Die Gefahr i. S. des Polizeirechts wird seit jeher - zum einen - durch den zu verhütenden Schaden definiert und mittels der Erheblichkeit der damit geforderten Beeinträchtigung vom bloßen Nachteil und von der bloßen Belästigung abgehoben, die zwar grundsätzlich keine weiteren Gegenstandsbereiche,

zeirecht, S. 90 f., !56; Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 9; Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 268; Martens, DVBI. 1981, S. 597, 599; Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge, S. 67; Rid/Hamann, VBIBW 1988, S. 7 in Fn. 2; Sellner, NJW 1980, S. 1255, 1256; ders., Immissionsschutzrecht, Rdnr. 25; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. ISO ff.; Send/er, UPR 1990, S. 41, 42; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 15 in Fn. 8, 22 f. Kritisch hiergegen Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 332 ff., 337, 391 f. 52 Vgl. Maurenbrecher, Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts, § 196, S. 353 in Anm.f. 53 BVerwGE 55, 250 (254); vgl. auch Rauschning, VVDStRL 38 (1980), S. 167, 197.

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wohl aber eine geringere Intensität der Beeinträchtigung meinen 54 : "Bloße 'Nachteile' und 'Belästigungen', sie mögen selbst erheblicher Art ... sein, sind keine 'Gefahren' ... und können deshalb ein Einschreiten der Polizei (sc. aufgrundder polizeilichen Generalklausel) nicht rechtfertigen", hat das Preußische Oberveraltungsgericht judiziert55 , und das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem später angeschlossen56. Bei aller Kontinuität ist freilich nicht zu verkennen, daß sich im Verständnis des Schadensbegriffs ein Wandel vollzogen hat. Blickt man nämlich auf das dem Schadensbegriff korrespondierende Objekt des Schadens, so wurde früher eindeutig güterorientiert gedacht. Natürlich waren die geschützten Güter - der Bestand des Staates oder seiner Einrichtungen, das Leben, die Gesundheit, Freiheit, Ehre oder das Vermögen der einzelnen - letztlich in der Rechtsordnung verwurzelt: rechtlich anerkannte Interessen, Rechts-Güter. Aber die durchaus lückenhafte Rechtsordnung war nicht selbst Schutzgut, ihr Bruch nur eine mögliche Ursache der Rechtsgutsgefährdung 57 , die materielle Polizeipflicht wurde vielmehr als ihrem Inhalt nach selbstverständliche Nichtstörungspflicht vorausgesetzt58 . Weil die Aufgabe der Gefahrenabwehr durch den Schadensbegriff nicht rechtsnormativ begrenzt war, bildete die Erheblichkeit der Beeinträchtigung das notwendige Korrektiv einer zu weiten Eingriffsbefugnis59. Auch heute kennzeichnet man den polizeilichen Schaden als "eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung eines polizeilichen Schutzgutes" 60 . Indessen verdeckt dies leicht den Umstand, daß dem Begriff der Erheblichkeit in seiner überkommenen Funktion, vom (drohenden) Schaden die Nachteile und Belästigungen abzugrenzen und so das Ausmaß der allgemein hinzunehmenden Beeinträchtigungen normativ festzulegen, nurmehr marginale Bedeutung zukommt. Denn allgemein begreift man nun vorrangig die gesamte gesetzlich ent-

54 Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 281 ff.; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 118; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 13 ff.; Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 247; ders., in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 3 BlmSchG, Rdnr. 9, 12 f. ; vgl. auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 303 f. 55 Urt. v. 22. März 1917, PrOVGE 72, 380 (382); vgl. fernerE 77, 333 (336), E 95, 141 (143). Ungenau Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 64 f. 56 BVerwG, DVBI. 1969, S. 586. 57 Martens, in: Drews/Wacke!VogeiJMartens, Gefahrenabwehr, S. 232, 236. 5S 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 251 f. m. Fn. 17; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 389 f.; vgl. PrOVGE 8, 327 (330) und noch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 177, Martens, aaO, S. 279m. Fn. 72, 293. 59 Zu notwendigen Einschränkungen auch Mayer, aaO, S. 261 ff. 60 Martens, in: Drews/Wacke/Vogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 221.

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faltete Ordnung des Rechtsstaats als polizeiliches Schutzgut61 . Wird sie verletzt oder steht ihre Verletzung bevor, enthebt die rechtsnormative Umgrenzung weiterer Gewichtungen. Das verbindliche Wort des demokratisch legitimierten Gesetzgebers reicht aus, ein Verhalten als schädlich zu kennzeichnen 62 : Ein (möglicher) Gesetzesverstoß ist immer erheblich. Der Erheblichkeitsmaßstab behält also - im Rahmen der öffentlichen Sicherheit - seine Bedeutung nur dort, wo das Gesetz ein Rechtsgut nicht oder nicht gegen die konkret drohende Art und Weise der Beeinträchtigung in Schutz nimmt63 . Im übrigen versteht sich heute Rechtsgüterschutz als Schutz des Gesetzesrechts und gesetzlicher Rechte und das allgemeine Polizeirecht folgt anderweitigen, die materielle Polizeipflicht gesetzmäßig konkretisierenden Verhaltensanordnungen mit seinem Durchsetzungsinstrumentarium nach64. Den Schutz vor erheblichen Nachteilen und Belästigungen mag man daher in herkömmlicher Sichtweise so auffassen, daß der Beeinträchtigungsgrad in Beziehung auf ein vorgegebenes Rechtsgut neu festgelegt (abgesenkt) wird. Richtigerweise sind demgegenüber Nachteile und Belästigungen negativ gerade dadurch gekennzeichnet und von der Gefahr abgehoben, daß sie bislang keine (andere) abschließende normative Regelung erfahren haben. Rechtsbeziehungen zu Sachen beispielsweise sind als Eigentum oder Besitz im Verhältnis zu Dritten nach bürgerlichem Recht vor Einwirkungen nur in den Grenzen des Ortsüblichen geschützt (§§ 906, 862, 1004 BGB). Ansonsten sind sie vom Gesetz von vornherein nicht anerkannt. Soweit die Abwehr von Nachteilen oder Belästigungen nach öffentlichem Recht darüber hinausreicht, wird also nicht mit § 3 Abs. I BlmSchG das geschützte Rechtsgut vorausgesetzt, sondern vielmehr die Rechtssphäre erweitert und in diesem Umfang zugleich konstituiert65 . 2. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nach allgemeinem Polizeirecht

Daß die Schädigung des polizeilichen Schutzguts noch bevorsteht und verhindert werden soll, bezeichnet den vorbeugenden Charakter der Gefahrenabwehr. Der insofern mit Blick auf die Schadensträchtigkeit der Situation erfor61 Giitz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 75; Martens, aaO, S. 232, 236; bereits Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 397. Enger Friauf; Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn., Rdnr. 38; Gusy, Polizeirecht, Rdnr. 83 f.: Nur die Normen des öffentlichen Rechts, einschließlich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts. 62 Giitz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 118; Martens, aaO, S. 236. 63 Martens, aaO, S. 236, 293. Dann ist allerdings immer zu fragen, ob das Spezialgesetz einen Schutz auf allgemeinpolizeilicher Grundlage nicht ausschließen wollte. 64 Vgl. insoweit Friauf, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn., Rdnr. 38: "Generalklausel als Sanktionsnorm bei Verletzung von Verbotsvorschriften"; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rdnr. 172. 65 Vgl. unten 2. Kapitel, II. I. bei und in Fn. 109; 7. Kapitel, I. 2. a.E.

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derliehen Einschätzung hat wiederum das Preußische Oberverwaltungsgericht die Eckdaten vorgegeben: Eine "ganz entfernte Gefahr" 66 erfüllt danach nicht den Tatbestand der GeneralklauseL Vielmehr muß eine Sachlage "die erkennbare objektive Möglichkeit eines Schadens" enthalten67 , also "mit Wahrscheinlichkeit"68, genauer: "mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Eintritt eines Schadens nach sich ziehen" 69 , damit von einer (objektiven) Gefahr die Rede sein kann. Skrupulöse Berechnungen werden mit diesem Hinweis auf die Schadenswahrscheinlichkeit nicht angemahnt. Wenn die Möglichkeit des Schadens objektiv erkennbar, sein Eintritt wahrscheinlich sein muß, so sollen umgekehrt fernliegende Erwägungen zugunsten eines vernünftigen Maßstabs ausgeschlossen werden70. Wesentlich anderes gilt auch dann nicht, wenn man in neuererDiktioneine "hinreichende Wahrscheinlichkeit" des Schadenseintritts verlangt71 , von daher eine Prognose des Kausalverlaufs für geboten erklärt, die wesentlich auf einem Wahrscheinlichkeitsurteil fußt72 . Nach wie vor braucht nämlich der Eintritt des Schadens keineswegs gewiß zu sein, bereits die nicht entfernte Möglichkeit des Schadenseintrittes begründet das positive Urteil über die Gefahrträchtigkeit einer Situation73 . Dennoch verstehen sich unter dem Aspekt des Wahrscheinlichkeitsurteils zwei notwendige Relativierungen des Gefahrbegriffs. Zum einen wird die objektive Erkennbarkeit der Gefahr auf den Entscheidungs- als Prognosezeitpunkt projiziert, damit auf die ex-ante verfügbare Tatsachenkenntnis und auf das zu ihrer unmittelbaren Beurteilung aktuell zu Gebote stehende Wissen bezogen. Der hierin zutage tretende normativ-subjektive Wahrscheinlichkeitsbegriff74 erlaubt es, der Situationsgebundenheit polizeilicher Entscheidung Rechnung zu tragen: Die Anscheinsgefahr qualifiziert er als polizeiliche Gefahr, weil in der konkreten Situation der verständige, besonnene und sachkundige Amtswalter auf Grundlage aller erhebbaren Tatsachen von der hinrei66 PrOVGE 87, 301 (310). 67 PrOVGE 77, 333 (338); im Anschluß hieran BVerwG DVBI. 1969, S. 586. 68 PrOVGE 72, 380 (382). 69 PrOVGE 87, 301 (310). Auch: "nach dem Gesetz der 'Kausalität", PrOVG PrVBI. 16, S. 125, 126. 70 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 437. 71 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 115, 117; Martens, in: Drews/WackeNogeV Martens, Gefahrenabwehr, S. 223; BVerwGE 28, 310 (315 f.); E 45, 51 (57); E 88, 348 (351). 72 Vgl. Martens, aaO; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 15. 73 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 117; Martens, aaO. 74 Begriff bei Hoffmann-Riem, Festschrift Wacke, S. 327, 339; vgl. ferner Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, S. 34; 0 . Schneider, DVBI. 1980, S. 406, 407, 408; Martens, aaO, S. 223; kritisch Götz, aaO, Rdnr. 127; hiergegen wiederum Murswiek, Die staatliche Verantwortung, s. 385 f .

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ehenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, einer gefährlichen Sachlage also ausgehen mußte75 . Aber noch ein zweiter Punkt erhellt aus der Rede vom normativ-subjektiven Charakter des Gefahrenurteils. Der mögliche Schaden bestimmt den Wahrscheinlichkeitsmaßstab und über ihn die Anforderungen an die Prognose. Je größer das Ausmaß der zu befürchtenden Schädigung, je bedeutender das möglicherweise bedrohte Rechtsgut, desto geringer werden die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sein und desto eher ist die Annahme einer Gefahr erlaube6. Damit scheint zugleich ein weiteres Problem des allgemeinen Polizeirechts, das Problem des Gefahrenverdachts dogmatisch klarer strukturiert: Wiewohl nach wie vor umstritten ist, ob es mit allen Konsequenzen der Kategorie der polizeilichen Gefahr zuzuordnen ist, löst es sich doch nach häufig und zunehmend vertretener Ansicht in Fragen teils des Wahrscheinlichkeitsgrades, teils der Verhältnismäßigkeit auf17. Wenn eine Sachlage offenkundig unklar ist, nämlich hinreichend sichere Schlüsse über ihre Entwicklung nicht zuläßt, sei es, daß bereits die Diagnose des Sachverhalts Not leidet, sei es, daß es an dem nötigen Erfahrungswissen, an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntissen fehlt, so ist die Gesamtwahrscheinlichkeit des (immerhin möglichen) Schadenseintritts herabgesetzt78 . Dies bedeutet nicht, daß nun die Polizei zur Untätigkeit verurteilt wäre. Das potentiell gefährdete Rechtsgut muß ja angesichtsder Variabilität des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes nur wichtig genug sein, um trotz allfälliger Zweifel ein Einschreiten zu ermöglichen. Und diese Konstruktion scheint dank des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beliebige Abstufungen zuzulassen. Man mag deswegen den Gefahrenverdacht als Gefahr geringerer Wahrscheinlichkeit erachten, den "Gefahrerforschungseingriff' als eine andere Bezeichnung des stets verhältnismäßigen Mittels nehmen, das gerade im Interesse 75 Martens, aaO, S. 226; Schneider, aaO, S. 408. Anders Götz aaO. Hierzu und zum folgenden zusammenfassend und mit w. Nw. Schach, JuS 1993, S. 724,725. 76 Martens, aaO, S. 224; ferner DarnsUidt, Gefahrenabwehr, S. 75 ff., 84; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 16; BVerwGE 88, 348 (351). Nach Auffassung einiger soll in diese Abwägungsentscheidung auch das durch die Gefahrenabwehr in Anspruch zu nehmende Rechtsgut einbezogen werden, vgl. Hansen-Dix, Die Gefahr im Polizeirecht, S. 39 ff., 42, 43, Martens, aaO, das aber richtigerweise bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall zu berücksichtigen ist, vgl. Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 108 ff., Trute, aaO. Denn das Polizeirecht ist durch seinen Schutz-, d.h. Eingriffszweck geprägt, während die Freiheit des Störers nur vorausgesetzt wird, vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 85 in. Fn. 19. 77 Vgl. Breuer, DVBI. 1986, S. 849, 855 f.; Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 95 f.; Ho.ffmannRiem, Festschrift Wacke, S. 327, 331, 335; Schneider, DVBI. 1980, S. 406, 408; Martens, aaO, S. 226; Murswiek, aaO, S. 385; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 114; Trute, aaO, S. 17 f. Anders konsequent Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 128, 130, 133. 78 Vgl. Schneider, aaO.

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hochrangiger Rechtsgüter den Verdacht mitunter nur dann effektiv auszuräumen in der Lage ist, wenn es die vermutete Gefahr selbst bannt. Gleichwohl wird aus dieser Perspektive ein wichtiger Aspekt vernachlässigt: Erfolgt die Gefahrenabwehr auf der schmalen Basis eines überdurchschnittlich unsicheren Wahrscheinlichkeitsurteils, so sind nach ihrem Zweck in aller Regel nur vorläufig- bis zur Klärung der Zweifel- sichernde Maßnahmen angezeigt79 . Mit dem Bewußtsein von der Vorläufigkeit der Maßnahme ginge nun doch eine wichtige Einsicht verloren: daß die vermutete Gefahr das eigentliche Endziel der Abwehrmaßnahmen vorstellt. In einem überschaubaren Problemhorizont können zwar schwierige Sachverhaltsdiagnosen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Ist eine Diagnose schlechterdings unmöglich oder sonst untunlich, steht einer endgültig gefahrabwehrenden Lösung nichts im Wege- wenn nur der mögliche Schaden hinreichend groß scheint80. Daß die Bekämpfung der Gefahr derart punktuell betrieben wird und auch die Reaktion auf einen Verdacht von Fall zu Fall verschieden zu dosieren ist, bedeutet aber letztlich nur deshalb keine Einbuße an Rechtsstaatlichkeit, weil das allgemeine Polizeirecht auf zeitlich und räumlich begrenzte, lebensweltlich vertraute Gefahrsituationen zugeschnitten ist. Sie lassen sich beherrschen, weil sie vollständig unter dem Wertregime der Rechtsgüterordnung stehen, welches selbst radikale Maßnahmen (bei möglicher Gefährdung hochrangiger Güter) nachvollziehbar zu begründen erlaubt81 . Gründe der Gleichmäßigkeit der Gesetzesanwendung und der Rechtssicherheit mögen allerdings klarstellende spezielle Regelungen veranlassen, wie sie § 10 Abs. 1 BSeuchG getroffen hat82. 79 PrOVGE 77, 333 (338 f.): "Die Möglichkeit der rechtzeitigen Beseitigung (sc.: einer Gefahr) darf nicht dadurch ausgeschlossen werden, daß die Pliifung, ob die möglich erscheinende Gefahr auch tatsächlich vorliegt, nicht mehr rechtzeitig vorgenommen oder abgeschlossen werden konnte. Die Polizei ... ist deshalb befugt, in derartigen noch ungeklärten Fällen die Entwickelung eines Geschehens oder einer iri Angriff genommenen Handlung, aus der nach dem bisher erkennbaren Tatbestande bei verständigem Ermessen eine polizeiliche Gefahr hervorzugehen scheint, so lange aufzuhalten und eine weitere Änderung des bestehenden Zustandes so lange zu verhindern, bis über das tatsächliche Vorliegen oder Nichtvorliegen einer polizeilichen Gefahr Klarheit geschaffen ist. Solche polizeilichen Verfügungen dürfen ihrem Wesen nach also nur einstweilige sein ... " Vgl. auch Götz, aaO, Rdnr. 128 ff.; Schach, JuS 1993, S. 724,725. 80 So zur Verhütung übertragbarer Krankheiten vgl. BVerwGE 39, 190 (195 f.) unter Anwendung von§ 10 Abs. I BSeuchG a. f. (vom 18. 7. 1961, BGBI. I S. 1012). 81 Vgl. BVerwGE 39, 190 (196); auch Ho.ffmann-Riem, Festschrift Wacke, S. 327, 340f.; Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge, S. 39. 82 Im Fall von BVerwGE 39, 190 (191) waren durch den Gefahrerforschungseingriff an den streitgegenständlichen argentinischen Hasen gerade keine Salmonellen, also Tatsachen, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, festgestellt worden. An sich hätte damit nach Sinn und Zweck des Gefahrerforschungseingriffs der Gefahrverdacht ausgeräumt sein sollen. Es blieb aber die Frage, ob angesichts des Rangs des zu schützenden Rechtsguts bereits die Annahme solcher Tatsachen ausreichen sollte, die lediglich auf aktuelle Erfahrungswerte mit anderen Posten aus Argenlinien eingeführter Hasen gestützt werden konnte. Das BVerwG hat das, aaO, S. 193 f., bejaht und die Vernichtung sämtlicher Hasen des gefahrverdächtigen Postens für zulässig

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Das ändert sich mit einer Zunahme und Ausdifferenzierung der Tatsachen, durch welche die Aufgabe der Gefahrenabwehr auf die Urteilsbasis vage geklärter Kausalgesetzlichkeilen verwiesen ist83 . Scheint im allgemeinen das Rechtsgut den Wahrscheinlichkeitsgrad zu bestimmen und so das Wahrscheinlichkeitsurteil nach der beschriebenen "Je-desto"-Formel zu steuern, so läßt sich im Falle unsicherer Prognose des Kausalverlaufs, die auf ihrerseits je bedingt formulierte oder auch einander widersprechende Sätze der Wissenschaft zurückgreifen muß, die Fiktion vom vorgegebenen Rechtsgut nicht aufrechterhalten. Gerade ob und wann bestinunte Umwelteinwirkungen schädlich sind, insbesondere wo genau die Grenzen etwa "des Rechtsguts" Gesundheit verlaufen, wird dann streitig sein84 . Die Feststellung des Schadenseintritts verlangt zugleich eine Definition des Rechtsguts. Dieses wirkt nicht begrenzend, sondern ist selbst Gegenstand des wertenden Urteils. Der Gefahrerforschungseingriff im engeren Sinne schafft hier keine Abhilfe, da nicht zu sehen ist, wie die Polizeibehörde nach Abbruch des gefahrverdächtigen Geschehens in zurnutbarer Frist Widersprüchlichkeilen des (natur-)wissenschaftlichen Meinungsstandes ausräumen oder auch nur diesen vollständig erheben könnte 85 . Ein positives Gefahrenurteil läßt sich folglich auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel nur dann treffen, wenn man- in dubio pro securitate- immer den Extremfall zugrundelegen und alles gefahrverdächtige Verhalten verbieten wollte86 . Das hieße, ob der Unbestimmtheit der Generalklausel, einen weitgehenden Stillstand des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in Kauf nehmen und wäre ein Verstoß gegen den polizeirechtlichen Grundsatz, daß die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts die Annahme einer Gefahr nicht trägt. Daß Gefahrenurteile immer auf einer gewissen Unaufgeklärtheil der Situation beruhen 87 , ist also ein tatsächlich zutreffender, juristisch aber unbefriedigender Hinweis. Die Reaktion auf nur entfernt mögliche Schäden mag notwendig und höchst erwünscht sein. Die Frage nach dem angemessenen gesetzlichen Mittel ist damit nicht beantwortet. Wenn das allgemeine Polizeirecht die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit regelt, so rekurriert es auf Erfahrungswissen und Plausibilitäten des täglichen Lebens. Aus ihnen gewinnt es seine Bestimmtheit88 . Das bedeutet keine in sich ruhende Wertfreiheit Wird erklärt; der Gesetzgeber hat aber noch eine in diesem Sinne klarstellende Regelung getroffen, vgl. § 10 Abs. I BSeuchG in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. 12. 1979, BGBI. I S. 2262. 83 Trute, Vorsorgestrukturen, S. 20 ff. 84 Enders, AöR 115 (1990), S. 610, 624 f. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 386 f. spricht daher vom "Gefährlichkeitsverdacht"; ebenso Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 112 ff. 85 Enders, aaO, S. 634 m. Fn. 132. 86Vgl. BVerwGE39, 190(196). 87 Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 95 f.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 17, 18 in Fn. 26, 19; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 113 f. 88 Vgl. BVerfGE 54, 143. 3 Enders

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aber der Bereich der Wertung zu weit in Gegenstände des wissenschaftlichen Spezialwissens hinein ausgedehnt, stößt eine generalklauselartige Ermächtigung wie diejenige des allgemeinen Polizeirechts an die Grenzen des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Gesetzesvorbehalts (Art, 20 Abs. 3 GG), damit gesetzlicher Regelungsfunktion überhaupt Schon aus Gründen der Gleichheit und Rechtssicherheit muß der als Tatsache nicht vorfindliehe Wissensstand verbindlich festgelegt werden. Dabei sind, wo eindeutige Erkenntnisse fehlen, echte und allgemeinverbindliche Wertentscheidungen gefragt Die erforderte Definitionsarbeit kann unter dem Titel der öffentlichen Sicherheit und mit Hilfe des von der polizeilichen Generalklausel vorausgesetzten normativ-subjektiven Maßstabs nicht geleistet werden. Sie soll es auch nicht Es ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers, in bewußter politischer Entscheidung jene speziellen Bereiche zu regeln und diejenigen Wertungen zu treffen, die schließlich das allgemein in Kauf zu nehmende spezifische "Restrisiko" bezeichnen und darum dem Vernunftgebrauch des alltäglichen Einzelfalls versagt bleiben müssen89. Alles weitere ist eine Frage der Regelungsdichte des Spezialgesetzes. 3. Verantwortung im Polizeirecht

Ähnlich verhält es sich mit der Verantwortlichkeit Sie wird im Polizeirecht grundsätzlich verschuldensunabhängig bestimmt, nämlich entweder als Verhaltens- oder als Zustandsverantwortlichkeit90. Erstere knüpft an die Ursächlichkeit eines Verhaltens91 , damit der Konstruktion nach an eine eigene Kausalkette an, die zur schadensgeneigten Situation geführt hat Diese Kausalkette setzt sich zwar bei näherem Hinsehen nahtlos in der Entwicklung der Situation bis hin zur Realisierung des Schadens fort, Dennoch bleibt ein Unterschied, weil das Kausalitätsurteil es ausschließlich mit vergangenen oder gegenwärtigen, grs, "meßbaren" Tatsachen zu tun hat, während das in die Zukunft gerichtete Urteil über die Gefahrensituation eine Prognose erfordert. Die Polizeigesetze tragen dem Rechnung, indem sie die Entscheidung über die Gefährlichkeit der Situation voraussetzen und die Störerverantwortlichkeit gesondert regeln92.

89 Enders, AöR 115 (1990), S. 610, 634 f.; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 133; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 361 (zum "hochpolitischen" Charakter solcher Entscheidungen) sowie ders., VVDStRL 48 (1990), S. 207, 218 f. Vgl. auch BVerwGE 72, 300 (315). 90 Statt aller Martens, in: Drews/WackeNogeVMartens, Gefahrenabwehr, S. 293, 307 ff., 318 ff. 91 Ders., aaO, S. 310 ff. 92 Vgl. auch Schoch, JuS 1993, S. 724,726 (nach Fn. 37).

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Selbst wenn aber die Gefährlichkeit der Situation feststehen sollte und daher das Naturgesetz von Ursache und Wirkung eine solide Basis rechtlicher Zurechnung bietet, sind zusätzliche normative Kriterien erfordert, welche die Verantwortlichkeit näher bestimmen und dadurch einerseits effektive Gefahrenabwehr ermöglichen, andererseits die Haftung begrenzen. In gewisser Hinsicht ist ein haftungserweiternder Zurechnungsgrund bereits in der Zustandsverantwortlichkeit zu sehen, da sie Gefahren mit umfaßt, die ursächlich auf menschliches Verhalten zurückgehen. Die in der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft begründete Beziehung zu einer Sache, die sich in polizeiwidrigem Zustand befindet, erübrigt aber den Nachweis des Kausalzusammenhangs, der sich in Wahrheit hinter dem Begriff "Zustand" verbirgt. Daneben und auch über die umgekehrt zur Haftungsbegrenzung entwickelten Gesichtspunkte hinaus93 bedarf es umso mehr eines eigenständigen Zurechnungsrahmens, je komplexer die zu beurteilenden Sachverhalte sich darstellen. Diesen Rahmen abzustecken und verbindlich über die Eingriffsfestigkeit eines Verhaltens oder Zustands zu entscheiden, ist wiederum Aufgabe des Gesetzgebers, der damit die Pflichtenstellung des Verantwortlichen normativ bestimmt. Demzufolge können als solche identische Sachlagen wie der Betrieb einer Schweinemästerei94 durchaus verschieden zu behandeln sein, je nachdem, ob der Anlagenbetreiber als (latenter) Störer95 oder Inhaber einer Rechtsposition96 zu betrachten ist. Die Frage, ob der Anlagenbetreiber nun für einen Zustand oder sein Verhalten verantwortlich ist und in welchem Umfang, ist gleichwohl falsch gestellt. Denn die Argumentation in den gängigen polizeirechtlichen Kategorien ist auf dem Hintergrund spezialgesetzlicher Regelung nur noch begrenzt möglich, jene Differenzierungen lassen sich nicht mehr trennscharf durchhalten97 . Nach wie vor mag man zwar, wie etwa seinerzeit das OVG Münster im Schweinemästerfall98, beim Anlagenbetrieb eher den Zustand der Sache im Blick haben, der ja in einem weiteren Sinne auch von der Sache ausgehende Gefahren einschließt99 . Dementsprechend wurde in der Gewerbeordnung vom

93 Im einzelnen Martens, in: Drews/WackeNogei!Martens, Gefahrenabwehr, S. 311 ff. 94 Vgl. § I der 4. BirnSchV vorn 24. 7. 1985, BGBI. I S. 1586 (mit Änderungen) mit Nr. 7.1 des Anhangs. 95 OVG Münster, OVGE 11, 250. 96 Martens, in: Drews/WackeNogei!Martens, Gefahrenabwehr, S. 316, 323 f. 97 Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 125; Send/er, WiVerw 1977, S. 94 ff. 9 8 OVG Münster OVGE 11, 250 (251 f.). 99 Etwa PrOVGE SI, 383 (386) zu den von einem Hausschornstein ausgehenden Gesundheitsgefährdungen; vgl. ferner Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 404, Fn. 57; Martens, in: Drews/WackeNogei/Martens, Gefahrenabwehr S. 322 ff.; auch Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 206. 3•

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

21. Juni 1869 100 das "Erforderniß besonderer Genehmigung" auf Anlagen bezogen (§ 16 GewO, ähnlich heute § 4 BlmSchG), die für Nachbarn oder Allgemeinheit "erhebliche Nachtheile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können". Gleichzeitig entfaltet eine solche Genehmigung berechtigende Wirkung, die nach ihrem Zweck im Ergebnis nicht einen statischen Zustand, sondern ein Verhalten schützt 101 , nämlich über die Errichtung hinaus den Betrieb der Anlage. Durch die Genehmigung wird dieser in Beziehung zu einer gleichfalls im Wandel begriffenen Umwelt gesetzt. Die rechtliche Befugnis deshalb ohne weiteres nach dem Umfang des Genehmigungsbescheids und diesen damit als absolute Grenze behördlichen Einschreitens zu bestimmen 102, wäre freilich voreilig 103. Wo es ein ausdrückliches Genehmigungserfordernis gibt, verleiht dieses in der Tat nach Maßgabe der Genehmigungsurkunde eine besondere Befugnis. Wie lange und unter welchen Umständen von dieser Befugnis Gebrauch gemacht werden darf, die Frage nach der genauen Reichweite des subjektiven öffentlichen Rechts also, ist gleichwohl differenziert und nur unter Berücksichtigung des gesamten materiell-rechtlichen Zurechnungsrahmens zu beantworten 104. Nur soviel steht fest: Das subjektive öffentliche Recht schließt, soweit es reicht, die Verantwortlichkeit, d. h. die Zurechnung von Beeinträchtigungen i. S. einer Störung, aus 105 . Diese Reichweite sachgerecht zu bestimmen, ist umso dringender geboten, je offener der Begriff der Schädlichkeit sich darstellt.

100 Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes S. 245; Neubekanntmachung vom 26. Juli 1900, RGBI. S. 871. - Zu dieser statischen Betrachtung Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 124 f.; Send/er, UPR 1990, S. 41, 42. 101 Ungeachtet der Charakterisierung als Sachgenehmigung Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 98; Jarass, BlmSchG, § 6, Rdnr. 2a. Vgl. bereits PrOVGE 82, 351 (356): Einleiten von Abwässern als nach§§ 16 ff. GewO geschützte "Betriebshandlung"; Martens, DVBI. 1981, S. 597, 604: dem subjektiven öffentlichen Recht, die Anlage zu errichten und zu betreiben, entsprechen umgekehrt "Verhaltensgebote", die auf den Betrieb einer Anlage einwirken, auch S. 605; ders., in: Drews/Wacke/ VogeVMartens, Gefahrenabwehr, S. 316 f. Vgl. auch§ 50 UGB-AT (E), der in der allgemeinen Bestimmung über Eröffnungskontrollen an "umwelterhebliche Handlungen" anknüpft. 102 Zum Problem Martens, DVBI. 1981, S. 597, 604 (ftir betriebsbezogene Maßnahmen), 605 f. (ftir die Legalisierungswirkung hinsichtlich sonstiger Maßnahmen); dens., in: Drews/Wacke/VogeVMartens, S. 161,316 f. (im Anschluß an PrOVGE 82, 351), 322,323 f. 103 Feldhaus/Schmitt, WiVerw. 1984, S. I, II f. 104 Schoch, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199, 210ff. bezeichnet diesen Rahmen des Verwaltungsakts als "Rechtsverhältnis"; vgl. auch Schmidt-Aßmann, DVBI. 1989, S. 533, 539 f. 105 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel!Martens, Gefahrenabwehr, S. 316 f. , 322.

Zweites Kapitel: Die Kontrolle der Umweltnutzung durch das BlmSchG

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II. Sicherheitsstandard und Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG (mit§§ 6, 7, 48 BlmSchG) 1. Schädlichkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit im BlmSchG

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz prägt mit seiner Definition der "schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 3 Abs. 1 BimSchG einen neuen Begriff der Schädlichkeit106. Er bezieht die vom allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr nicht erfaßten erheblichen Nachteile und Belästigungen mit ein. Verzichtbar ist die Differenzierung gleichwohl nicht. Denn die abwehrrelevanten Erheblichkeitsstandards des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wollen in Anlehnung an hergebrachte Begriffe- insoweit bleibt es beim überkommenen Verständnis 107 -offenkundig nicht einfach über den ohnehin nach der Rechtsordnung gewährleisteten Schutz vor möglichen erheblichen Schäden (Gefahren für anderweit normierte Rechtsgüter) quantitativ hinausgehen 108, sondern auch rechtsnormativ nicht umfassend bewehrte Interessen ausdrücklich aufnehmen 109 . Mit diesem Verbot erheblicher Beeinträchtigungen, die also - nach herrschender Auffassung - dem Betroffenen billigerweise nicht mehr zugemutet werden können llO, ist zunächst negativ klargestellt, daß unerhebliche Beeinträchtigungen der genannten Art nicht als schädlich gelten und die sie hervorrufenden Immissionen darum erlaubt sein sollen. Die Schädlichkeitsschwelle positiv zu bestimmen fällt aber schwer, obwohl es nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 BlmSchG ausreicht, wenn die Immissionen abstrakt "geeignet" sind, er106 Ders. , aaO, S. 160; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. II f. ; auch Trute, Vorsorgestrukturen, S. 17. 107 Martens, aaO, S. 159; Jarass, aaO. Nr. 2.2.1.3 Abs. 3 TA-Luft ist insofern unzutreffend formuliert: Die Behörde hat nicht zu beurteilen, ob erhebliche Gefahren vorliegen, sondern ob drohende Schäden als erheblich zu gelten haben, wovon bei Gesundheitsbeeinträchtigungen stets auszugehen ist. Mögliche Schäden an Tieren, Pflanzen und anderen Sachen sind dagegen nicht ohne weiteres erheblich. Anders wohl Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 282. !08 Vgl. Amt!. Begründung, BT-Drs. 7/179, S. 25 f.; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 12, 33 f.; Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 245 246 ff.; ders., in: Landmann!Rohrner, UrnweltR I,§ 3 BlrnSchG, Rdnr. 8, 10; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 294. 329 f. 109 Man denke an die nachbarlichen Duldungspflichten der §§ 903 ff. BGB oder die Einschränkungen durch den polizeirechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz. Der Eigentumsschutz kommt daher als solcher in§ I, § 3 Abs. I, Abs. 2 BlmSchG nicht vor. Der Schutz vor erheblichen Sachschäden geht stufenlos in den vor erheblichen Nachteilen über, vgl. Jarass, aaO, § 3, Rdnr. 12, 13, 16. 110 BVerwGE 50, 49 (53 ff.), 51, 15 (29 ff.), 51, 35 (37 f.); 52, 122 (127); Jarass, aaO, § 3, Rdnr. 34; Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 248; ders. , in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 3 BlmSchG, Rdnr. 14; Martens, DVBI. 1981, S. 597,598. Kritisch Classen, JZ 1993, S. 1042 ff.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 303 ff.; noch anders Koch, in ders./ Scheuing, GK-BimSchG, § 3, Rdnr. 58, 61 f.: "gebietsadäquates Belastungsniveau" und ähnlich Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 69 ff., der auf eine "gebietsspezifische Abwägung" hinaus will, die nach der "Erheblichkeit der Gesamtimmissionen" fragt.

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hebliehe Beeinträchtigungen herbeizuführen 111 . Es braucht zwar keine (eingetretene oder unmittelbar bevorstehende) Beeinträchtigung eines bestimmten Rechtsguts im Einzelfall nachgewiesen zu werden; auch die abstrakte Eignung ist aber nach einem vernünftigen (Wahrscheinlichkeits-) Maßstab zu bestimmen, der mehr leisten muß als nur völlig entfernte, theoretische Risiken auszuschließen, die derBetreibernicht soll verantworten müssen 112. Soweit nun§ 3 Abs. 1 BimSchG in der angegebenen Weise mit den aus der Polizeirechtsdogmatik vertrauten unbestimmten (Rechts-)Begriffen Nachteil und Belästigung arbeitet, signalisiert dies sicherlich die Tendenz des Gesetzes, die Schädlichkeitsschwelle zu senken und dadurch den Sicherheitsstandard gegenüber dem des allgemeinen Polizeirechts zu erhöhen. Diese Spezialregelung hat aber gerade den oben angeführten und vom Gesetzgeber ausdrücklich benannten Grund, daß die allgemeine Lebenserfahrung, wie sie den subjektiv-normativen Wahrscheinlichkeitsurteilen des allgemeinen Polizeirechts als Basis dient, im Bereich des Technikrechts regelmäßig versagt 113. Es ist daher müßig, an dieser Stelle die Tragfähigkeit der im allgemeinen Polizeirecht beheimateten Rechtsfigur des Gefahrenverdachts zu problematisieren 114. Der Gesetzgeber hat statt seiner im Interesse einer gleichmäßigen und dauerhaften Lösung eigenständige Anforderungen und einen besonderen Schädlichkeilsbegriff normiert. Was daher nach dem allgemeinen Polizeirecht möglicherweise nur einen Gefahrenverdacht begründen würde, kann sich nach dem spezifischen Maßstab des Bundes-Immissionsschutzgesetzes durchaus als schädlich im eigentlichen Sinne darstellen und eine Vermeidungspflicht auslösen. § 3 Abs. 1 BimSchG verlangt i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG hierbei eine sowohl abstrakte wie konkrete, in beider Hinsicht aber nicht anlagenbezogene115 Wirkungsprognose 116 als Schädlichkeitsnachweis. Auf der Grundlage wissenschaftlichen Sachverstands ist zunächst abstrakt die Wahrscheinlichkeit möglicher Schäden, genauer: die ohne Rücksicht auf den Beitrag einzelner An111 Amt!. Begründung, BT-Drs. 7/179, S. 29; Feldhaus, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I, § 3 Anm. 6.; Kutscheidt, Grundzüge des Umwe1trechts, S. 237, 245 f; ders., in: Landmann!Rohmer, UmweltR I,§ 3 BlmSchG, Rdnr. 3, 8, 9. 112 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 332 ff.; Send/er, WiVerw 1993, S. 235, 278. 113 BT-Drs. 7/179, S. 25 f. sowie Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 7/1513, S. 3; Kutscheidt, in: Landmann-Rohmer, UmweltR I, § 3 BimSchG, Rdnr. 9.; vgl. auch Nr. 2.2.1.3 Abs. 2 1it. b TA Luft. Ferner BVerwGE 72, 300 (315) zum Vorsorgeprinzip im Atomrecht 114 So freilich Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 446; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 112 ff., 148 ff.; Roßnage/, in: Koch!Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 159; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 18,38 f.; vgl. auch Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269,275 (m. w. Nw.). 115 Vgl. Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 7/1513, S. 3; Kutscheidt, in: Landmann/ Rohmer, UmweltR I,§ 3 BimSchG, Rdnr. 20.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 25 f. 116 Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 70, 104 f.; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GKBimSchG, § 5 Rdnr. 223. Vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 297 f.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 17, 22.

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lagen definierte Schädlichkeit von Immissionen nach deren Art und Menge und in Abhängigkeit von feststehenden Ennittlungsverfahren - zu bestimmen117. Soweit die allgemeine Lebenserfahrung vor dieser Aufgabe kapitulieren müßte, fungiert der Stand der Wissenschaft als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der§§ 5 Abs. 1 Nr. I, 3 Abs. 1 BlmSchG (TA Luft Nr. 2.2.1.3 Abs. 2lit. b) 118. Der Stand der Wissenschaft stellt aber seinerseits eine relative Größe dar 119 . Abgesehen davon, daß sich aus dem Anspruch naturwissenschaftlicher Beschreibung und Prognose eine Grenze nur ansatzweise ziehen läßt, wird der Stand der Wissenschaft stets aus mehr oder weniger divergierenden Auffassungen gewonnen werden müssen und werden dabei zahlreiche Einzeldaten ihrerseits bewertender Natur sein, so daß im Ergebnis ein endgültiges Schädlichkeitsurteil aussteht. Es bleibt daher ein erheblicher Bedarf an politisch zu verantwortender Entscheidung, in der - neben den verbindlichen Meßverfahren - das allgemein hinzunehmende Maß an Beeinträchtigung wertend festgelegt, damit letztlich über die Erheblichkeitsschwelle das Rechtsgut definiert wird. Zu Recht wird insofern von "wertbestimmten Begriffen" (der Gefahr, des Nachteils, der Belästigung) gesprochen 120 und darauf hingewiesen, daß die Festsetzung der Schädlichkeit nach § 3 Abs. 1 BlmSchG eine politische Abwägung widerstreitender Interessen vorstellt 121 , die ein Zumutbarkeitsurteil - notwendig zugleich über das in Kauf zu nehmende spezifische Restrisiko trifft 122. Nicht nur einer umfassenden Erhebung einschlägiger Fachkenntnisse dient daher die der Bundesregierung erteilte gesetzliche Ennächtigung, "nach Anhörung der beteiligten Kreise", insb. auch von Vertretern der Wissenschaft 117 BVerwGE 55, 250 (254); Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, § 3 BlmSchG, Rdnr. 9; ders. , Grundzüge des Umweltrechts, S. 245 f.; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 28; Martens, in: Drews/WackeNogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 159; Sel/ner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 28; Trute, aaO, S. 22. 118 Insb. Sellner, aaO, Rdnr. 28. Vgl. Martens, DVBI. 1981, S. 597, 600; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, aaO, § 3 BlmSchG, Rdnr. 9; Kloepfer/Kröger, NuR 1990, S. 8, 10 f; BVerwGE 55, 250 (254). 119 Anders Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 218 f. 12 Feldhaus, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I,§ 3 BlmSchG, Rdnr. 6. 121 BT-Drs. 7/179, S. 29: "Die Einschränkung (sei!. auf erhebliche Beeinträchtigungen) ist das Ergebnis einer Güterabwägung, auf die in einem hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Lande nicht verzichtet werden kann ... "; Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 181m. w. Nw.; Gusy, DVBI. 1987, S. 497, 503; Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 245, 259 f.; Martens, DVBI. 1981, S. 597, 598; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 360 f., 375 f.; Ossenbühl, DÖV 1982, S. 833, 838 ff.; BVerwGE 77, 285 (291 f.). 122 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 33 ff.; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 3 BlmSchG, Rdnr. 10 f., 14 f.; Murswiek, aaO; dens., VVDStRL 48 (1990), S. 207, 219; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 27; Stich/Porger, BlmSchG, § 3 Anm. II f.; BVerwGE 50, 49 (55 f.), E 51, 15 (29); vom 11. 2. 1977, DVBI. 1977, S. 770, 771. Zum Begriff des Restrisikos BVerwGE 69, 37 (43, 43 f.), BVerfGE 49, 89; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 165. - Was daraus für Luftverunreinigungen im Hinblick auf eine mögliche Ortsüb1ichkeit/ Situationsgebundenheit folgt, ist eine weitere Frage, Kutscheidt, aaO, Rdnr. 15; Sel/ner, aaO; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 71, 72 ff.

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durch Verwaltungsvorschriften Immissionsschädlichkeitswerte zu regeln (§§ 48 Nr. I, 51 BlmSchG) 123 . Gerade auch dem politischen Hintergrund des Vorgangs trägt das besondere Verfahren Rechnung, welches bei Erlaß der Verwaltungsvorschriften zu beachten ist (§ 48 i. V. m. §51 BlmSchG). In der Folge ist im Rahmen der Erheblichkeitsklausel der Sache nach ein begrenzter (Beurteilungs)Spielraum zur abstrakt-generellen, normkonkretisierenden und -standardisierenden Schädlichkeitsbestimmung anerkannt, der die gerichtliche Kontrolldichte verringert 124. Bei Anwendung dieser abstrakten (Schädlichkeits-)Aussage einschließlich des ggf. zugehörigen Meß- und Berechnungsverfahrens (vgl. Nr. 2.5, Nr. 2.6 TA Luft) auf den einzelnen Fall, läßt sich ein konkreter Schädlichkeitsbefund ermitteln oder prognostizieren. Der Beitrag der einzelnen Anlage interessiert zunächst nach wie vor nicht 125 : Ist die Schädlichkeitsschwelle überschritten, ist auch die Vermeidungssituation eingetreten und sind jedenfalls zusätzliche Immissionen derselben Art verboten. 2. Der Anlagenbeireiber als potentieller Störer (Verhaltensstandard)

Wird demgemäß die Schädlichkeitsschwelle als Wirkungsstandard gerade nicht anlagenbezogen definiert, ist nur ein bestimmtes Maß an Umweltbelastung, gleichgültig woher diese rührt, für vertretbar erklärt und zugleich eine Nichtsstörungsschranke bezeichnet, die in keinem Fall überschritten werden darf. Die Frage nach dem Störer, der jeweils für die Überschreitung der Schädlichkeitsschwelle geradezustehen hat, bleibt offen. Auch durch § 4 BimSchG ist sie - für den Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen - nur im Ansatz beantwortet. Er kennzeichnet den Betreiber (Eigentümer, rechtmäßigen Besitzer) der abstrakt schädigungsgeneigten, daher genehmigungsbedürftigen Anlage als potentiellen Störer. Er ist für den polizeimäßigen Zustand der Anlage verantwortlich. Bei dieser zustandsorientierten, statischen Betrachtungsweise kann es - ungeachtet der Tatsache, daß das Immissionsschutzrecht eine anlagenbezoge-

123 BVerwGE 55, 250 (254); Martens, in: Drews/WackeNoge1/Martens, aaO, S. 159 f.; Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 179; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 22. 124 Etwa BVerwGE 55, 250 (254, 255 f.) ; BVerwG DVBI. 1988, S. 539 und zu dieser Rechtsprechung Wahl, NVwZ 1991, S. 409,413 nach Fn. 42. Ferner Breuer, aaO, Rdnr. 181 ; Feldhaus, in: Feldhaus, BimSehR Bd. 1, § 48 BlmSchG, Anm. 5; Hili, NVwZ 1989, S. 401 ff., 409; Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 13; durchweg kritisch: Koch, ZUR 1993, S. 103 ff., ders., in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 48, Rdnr. 68 ff.; auf einem frühen Standpunkt der Diskussion Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I,§ 3 BlmSchG, Rdnr. 19, 19a, ders., Grundzüge des Umweltrechts, S. 248 f., 258, 259 f. ; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 360 f., 375; Schultze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 ff., insb. S. 780; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 22: "administrative Selbstprogrammierungen höherer Stufe", ferner S. 317 ff., 321 f., 324, 339 f.; Wahl, aaO, S. 409 ff. 125 Vgl. auch Jarass, DVBI. 1985, S. 193, 198 f.; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GKBimSchG, § 5, Rdnr. 231,278, 292. Ungenau Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 104 f ., 120.

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nen (Sach-)Genehmigung vorsieht 126 - nicht bleiben 127 , weil es die subjektiven öffentlichen Berechtigungen namentlich im Technikrecht ihrem Sinn und Zweck nach mit umweltrelevantem Verhalten, mit einer doppelten Variablen also, zu tun haben. Der in der Tradition der Gefahrenabwehr stehende Schutzgrundsatz des § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG, der hier zuerst interessiert, muß daher noch einen Zurechnungsmodus bereitstellen, der erst darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang die als schädlich eingeschätzte Immissionslage dem lediglich potentiellen Störer auch zugerechnet werden darf. Zweckmäßig wählt das Gesetz die Ursächlichkeif des von der Anlage ausgehenden Immissionsbeitrags als Anknüpfungspunkt einer spezifischen Haftung des Betreibers, legt mithin das Verursacherprinzip zugrunde: Die Anlage ist so zu errichten und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen, die erheblichen Beeinträchtigungen des § 3 Abs.l BlmSchG also, nicht hervorgerufen werden können 128. Es kommt demnach darauf an, daß nicht aufgrund des Betriebs der bestimmten Anlage die - abstrakt definierte, anhand der Falldaten zu konkretisierende - Schädlichkeitsschwelle überschritten wird. Das erfordert im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung, insoweit hat das Wort von der vorbeugenden Gefahrenabwehr seine volle Berechtigung, zum Zwecke konkreter Zurechnung eine Immissionsprognose 129 als zukunftsgerichteten Kausalitätsnachweis. Während nämlich im allgemeinen Polizeirecht die Verantwortlichkeit des Handlungsstörers anhand eines Kausalverlaufs bestimmt wird, dessen Endpunkt dem (in der Gegenwart verorteten) aktuellen Entscheidungszeitpunkt entspricht, ist die Pflichtenstellung des Anlagenbetreibers nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zukunftsorientiert Das liegt in der Konsequenz des Genehmigungserfordernisses und konstituiert erst dessen besondere Präventivwirkung. Bereits § 18 Satz 1 GewO sollte gewährleisten, daß die Möglichkeit künftiger Umweltbeeinträchtigungen durch die Anlage seitens der Behörde in Betracht gezogen würde, um diese, soweit erforderlich,

126 Friauj; WiVerw 1986, S. 87, 98; Jarass, BlmSchG, § 6, Rdnr. 2a. 127 Sie mag immerhin die Haftung für sonstige Gefahren, namentlich also Störfallrisiken verdeutlichen, obgleich auch diese Folge des Betriebs, nicht eines Zustands sind. 128 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 295 f., 298; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BlmSchG, § 5, Rdnr. 222. Petersen, Schutz und Vorsorge, unterscheidet bezüglich der Schutzpflicht Risikoerkenntnis und Risikozurechnung, S. 117 ff., 121 ff. Allgemein zum Verursacherprinzip Bender!Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 51; Kloepfer, Umweltrecht, § 3, Rdnr. 27 ff. 129 BVerwGE 55, 250 (265 ff.); Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 265, 273; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 297 f., 393 ff. ; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GKBimSchG, § 5, Rdnr. 226, 229, 23 1, 276 ff.; Sel/ner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 30 ff., 34; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 17, 22.

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zu verhindern 130. Die Behörde hatte zu prüfen, "ob die Anlage erhebliche Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für das Publikum herbeiführen könne(!)" und bejahendenfalls die Genehmigung zu versagen, soweit nicht mit Bedingungen abgeholfen werden konnte,§ 18 Satz 2 Gew0 131 . Weniger wollen auch die§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 6 Nr. 1 BlmSchG nicht garantierenl32. Darum muß im Rahmen der erforderlichen lmrnissionsprognose 133 einerseits die Immissionsvorbelastung oder Grundbelastung im Einwirkungsbereich der Anlage festgestellt (im wesentlichen: gemessen 134) werden, was rechtlich nur die Anwendung der (einwirkungsbezogenen) Schädlichkeitskriterien auf eine konkret vorgegebene Situati6n bedeutet. Andererseits ist die von der Anlage verursachte Zusatzbelastung zu ermitteln und d.h. zu prognostizieren, die aber isoliert betrachtet ebenfalls keine abschließende Aussage erlaubt. Sie addiert sich vielmehr mit der Vorbelastung zur Gesamtbelastung. In diesem letzten Schritt der Verknüpfung beider einwirkungsbezogener Größen liegt eigentlich erst der rechtlich geforderte Kausalitätsnachweis. Er setzt an der relativen Veränderung der Grundbelastung an; die Bewertung der Gesamtbelastung fügt das absolut normative Kriterium hinzu. Nach der TA-Luft 1986 135 wird die für die Schädlichkeitsschwelle maßgebliche Gesamtbelastung mit Hilfe von lmmissionskenngrößen für die Vorbelastung (Nr. 2.6.2 und 2.6.3), die (u.a. mit Hilfe einer Ausbreitungsrechnung zu prognostizierende) Zusatzbelastung (Nr. 2.6.4 mit Anhang C) und die Gesamtbelastung (Nr. 2.6.5) bezogen auf die Beurteilungsflächen eines Beurteilungsgebiets (Nr. 2.6.1.1, 2.6.2.2 und 2.6.2.3) bestimmt und anband von Immissionswerten (Nr. 2.5) bewertet 136. Aber der Kausalitätsnachweis, die Bestimmung des nach öffentlichem Recht individuell Verantwortlichen weist noch einen weiteren Aspekt auf: Die verhaltensbezogen prognostischen Elemente fehlen nämlich naturgemäß in der Situation der nachträglichen Anordnung (vgl. Nr. 2.6.1.2, 4.1.1 TA-Luft) 137. Ist I30 BVerwG, Beschl. v. 28. 3. 1968, DÖV 1968, S. 773, 774; vgl auch BVerwGE 28, 131 (135). 131 Mit der Untersagungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 2 GewO bei ungenehmigtem Betrieb oder Verstoß gegen Bedingungen, vgl. Seydel-Schecher, Gewerbepolizeirecht, S. 79 ff.. 92. 132 Vgl. Bezugnahme in BT-Drs. 71179, S. 32: "Es darf auch nicht die Möglichkeit künftiger Beeinträchtigungen bestehen. Immissionsschutz im Bereich der genehmigungsbedürftigen Anlagen muß nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets auch vorbeugender Immissionsschutz sein ..." 133 Vgl. zum Ganzen Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 30 ff. 134 Ders., aaO, Rdnr. 33 nach Fn. 110. 135 Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft v. 27. 2. 1986, GMBI. S. 95. 136 Dabei ist die nach Nr. 2.2.1.1 - 2.2.1.3 verschiedene Verbindlichkeit der Immissionswerte, insb. auch die u.U. sich ergebende Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung zu beachten, die allgemein dann eintritt, wenn keine Immissionswerte festgesetzt sind. 137 Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.6.1 TA Luft, Rdnr. 16 ff.

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hier neben dem Schädlichkeitsurteil nicht mehr als der Kausalitäts- (Störer-) nachweis des allgemeinen Polizeirechts verlangt, scheint sich die Ungewißheit demgemäß auf Ungenauigkeiten des Meß- und Berechnungsvorgangs zu reduzieren138. Aber auch insoweit bleibt die Rechtsstellung des Betreibers bei näherem Hinsehen zukunftsoffen: Die- erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durch Beschluß des Innenausschusses 139 - verselbständigte Pflicht des§ 5 Abs. I Nr. l BlmSchG führt über die begrenzte Perspektive des Genehmigungstatbestands hinaus. Anstatt - wie früher § I8 GewO - die gefahrenbeurteilende Behörde anzusprechen, die freilich mit der Genehmigung (§ 6 Nr. I BlmSchG) und auch im weiteren Verlauf des Anlagenbetriebs (§§ I7, 20, 2I BlmSchG) den gesetzlichen Sicherheitsstandard zu wahren hat, wendet sich § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG unmittelbar an den Betreiber. Mit der Auswechslung des Adressaten signalisiert der Gesetzgeber rechtstechnisch eine Veränderung im Inhalt der Handlungsanweisung: Der Betreiber hat Sorge zu tragen, daß schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden können 140. Anders formuliert: Im Polizeirecht reflektiert die materielle Pflicht, sich polizeigemäß zu verhalten (bzw. eine Sache in polizeigemäßem Zustand zu halten), nichts als die in der Achtung der Rechtsordnung sich ausdrückende Voraussetzung des Rechtszustands oder: die im Rechtszustand vorauszusetzende allgemeine Pflichtigkeit des Rechtsunterworfenen 141 . Sie mündet in die konkrete Verantwortlichkeit des Störers erst in der Situation der Gefahr und wird durch die Polizeiverfügung realisiert. Mit der gesetzlichen Verselbständigung der materiellen Polizeipflicht zur Betreiberpflicht verdichtet sich - bedingt durch die Genehmigung in §§ 6 Nr. I, 5 Abs. I BimSchG der Rechtszustand zum konkreten Rechtsund Pflichtenverhältnis 142. Dieses selbständige Pflichtenverhältnis ist normativ (ex ante) künftigen Entwicklungen geöffnet (dynamisiert). Denn der Betreiber muß nach dem Wortlaut grundsätzlich jedwede, auch künftige Schadensmöglichkeiten in seine Vorkehrungen einbeziehen, damit schädliche Umwelteinwirkungen "nicht hervorgerufen werden können". Die§§ I7, 2I BimSchG errichten zwar gewisse Bestandsschutzgrenzen. Zugleich werden diese vom Gesetz

138 Vgl. BVerwG DVBI. 1988, S. 539, 540. 139 BT-Drs. 7/179, S. 5 f., 711513, S. 4. 14 Feldhaus, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I,§ 5 BlmSchG, Anm. 2. 141 So bereits mit verschiedenen Akzentuierungen Anschütz, VerwArch 5 (1897), S. I, 133;

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Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 104; 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 251 ff.; PrOVGE 8, 327 (329 f.). Ferner Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 177; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 293. 142 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 192 f. Forsthoff, aaO, S. Ü7 f. trifft dieselbe Unterscheidung, faßt aber die zu trennenden Gesichtspunkte unter dem Begriff des Verwaltungsrechtsverhältnisses zusammen. Ferner Martens, DVBI. 1981, S. 597, 598; auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 295.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

relativiert, indem es die Setreiberhaftung aus § 5 Abs. I Nr.1 BimSchG in einen Bereich der Ungewißheit ausdehnt 143 . 3. Zurechnung der Schädlichkeit und ihre Grenzen

a) Normative Zurechnung In beiden Hinsichten stellt sich demnach spezialgesetzlich das Zurechnungsproblem: mit Blick auf den Schädlichkeits- und auch mit Blick auf den Kausalitätsnachweis, der seinerseits Bedingung der konkreten Schädlichkeitszurechnung ist 144. Im Vordergrund steht freilich der erstere Problembereich, die Frage, warum überhaupt und in welchem Umfang der einzelne Betreiber für Ungewißheiten bei der (abstrakten) Festsetzung der Schädlichkeitsschwelle (einschließlich der zugehörigen Meß- und Berechnungsverfahren) geradestehen soll. Der naturwissenschaftliche Kausalitätsgrundsatz zieht jedenfalls gerade im spezialgesetzlichen Umfeld nur aüßerste Grenzen. Gleichgültig wie im einzelnen die der Verwaltung zukommenden Kompetenzen einzuschätzen wären 145, entscheidet in erster Instanz die vom Gesetzgeber formulierte Rechtspflicht, als Ausprägung des Gesetzesvorbehalts, über die Reichweite der Freiheitseinschränkung146. Für diese bedarf es über die formell-funktionale Ermächtigung (der§§ 7, 48 BimSchG) hinaus zunächst eines materiell hinreichenden normativen Zurechnungsgrundes, der, was die Ungewißheiten über wirkliche Geschehensabläufe angeht, nicht schon in den § 3 Abs. 1 oder § 4 BimSchG zu sehen ist. Es lag freilich nicht im subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers, das Ausmaß des ausdrücklich in Bezug genommenen vorbeugenden Immissionsschutzes 147 auszudehnen, wenn er die tradierte Möglichkeitsform in die Formulierung der Setreiberpflicht nach § 5 (Abs. 1) Nr. I BimSchG aufnahm148. Da aber der Gesetzgeber, der Gefahrenabwehr und Vorsorge nicht klar geschieden und die Vorsorge als Mittel der vorbeugenden Gefahrenabwehr klassifiziert hat 149, sich ohnehin nicht völlig über die Grenzen der Gefahren143 Vgl. auch Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 218 f.; kritisch Rauschning, VVDStRL 38 (1980}, S. 167, 197. 144 Murswiek, aaO, S. 331 ff., 340, ordnet das geschilderte Zurechnungsproblem dem "Risiko-

minimierungsgebot" als einem (neben dem Beeinträchtigungsverbot) zweiten Bestandteil des Sicherheitsstandards zu. 145 Vgl. Bul/inger, JZ 1984, S. 1001 ff.; speziell zu normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften Trute, Vorsorgestrukturen, S. 304 ff. 146 BVerfGE 84, 34 (50, 50 f., 53).

147 BT-Drs. 71179, S. 32. 148 Auf Vorschlag des Bundesrats, BT-Drs. 71179, S. 52, 60. 149 Vgl. BT-Drs. 7/179, S. 32: "Immissionsschutz im Bereich der genehmigungsbedürftigen

Anlagen muß ... stets auch vorbeugender Immissionsschutz sein ... Es muß deshalb (!) bereits im

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abwehr im klaren war, kommt es entscheidend auf die objektiv-teleologische Auslegung des Schutzprinzips an, die bestätigt, daß hier das Gesetz klüger ist als seine Verfasser 150: Von dem üblichen polizeirechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab muß (und sollte ja) gerade angesichts der komplizierteren Wirklichkeitsstrukturabgegangen werden. Den erforderlichen Wechsel hat das Gesetz vorgenommen, indem es den Adressaten der verselbständigten Verhaltenspflicht, folglich den Inhalt der nun negativ gewendeten (Möglichkeits-)Formel ausgetauscht hat. Damit hat sich der Bezugspunkt des prognostischen Wahrscheinlichkeitsurteils gewandelt 151 , eine Verschiebung, die auch das Bundesverwaltungsgericht keineswegs ignoriert hat. Denn es hat in seinem VoerdeUrteil befunden, daß nach der Möglichkeitsformel in § 5 (Abs. I) Nr. I BlmSchG Risiken, die als solche erkannt seien, "mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein" müßten 152. Ging es also früher- und auch noch in § 18 GewO- um die hinreichende Wahrscheinlichkeit des (zu verhütenden) Schadenseintritts, die zugleich die polizeiliche Gefahrenabwehraufgabe begrenzte, dann statuiert die unmittelbar bürgergerichtete Vorschrift des § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG umgekehrt die Betreiberpflicht, Schäden möglichst zu vermeiden. Maßstab dieser Pflicht ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Schadensvermeidung! Dieser hat keine eingriffsbegrenzende Wirkung, die punktuelle (insoweit wieder begrenzte) Umkehrung des prognoseleitenden Erfolgsmaßstabs bedeutet vielmehr tendenziell eine Pflichtenerweiterung. Wenn nicht der gesetzlich vorgeschriebene Vermeidungserfolg einigermaßen sicher, also mit- nach dem Stand der Wissenschaft- hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird, besteht kein Genehmigungsanspruch oder sind - gegenüber bereits genehmigten Anlagen - nachträgliche Anordnungen zulässig.

Zeitpunkt der Genehmigung Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen werden. Die Forderung nach ausreichender Vorsorge ist angesichts der zunehmenden Verdichtung unserer Lebensräume unabdingbar ... ". Vgl. auch Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439,445. 150 So dezidiert Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 207. Ähnlich Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 88 ff.; vermittelnd Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316 ff., 333 ff. , 344. Auch das BVerfG geht davon aus, daß es entscheidend auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers, nicht etwa die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ankomme, BVerfGE I, 299 (312) std. Rspr., vgl.noch BVerfGE 79, 106 (1 2 1). Die Gesetzesmaterialien dürfen daher "nicht dazu verleiten, die Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen ... Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat", BVerfGE II, 126 (130), vgl. ferner BVerfGE 62, I (45). 151 Vgl auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 332 ff. und dens., VVDStRL 48 (1990), s. 207, 2 14 f. 152 BVerwGE 55, 250 (254). Vgl. auch Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 25.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

Wenn damit Ungewißheiten genau im Umfang der materiellen Ermächtigung der§§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG'S3 verbindlich dem Anlagenbetreiber zugerechnet werden dürfen, so betrifft das - begrenzt durch den Begriff der Erheblichkeit wie er sich innerhalb einer gewissen Bandbreite des "Standes der Wissenschaft" herausbildet - zunächst die im Rahmen der gern. §§ 1, 3 BimSchG gebotenen Wirkungsprognose verbleibenden und nach dem Willen des Gesetzgebers nur in der abstrakt-generellen dezisionistischen Festsetzung durch die Verwaltung sich auflösenden Ungewißheiten des Schädlichkeitsurteils (§§ 7 Abs. 1, 48 Nr. 1 BimSchG), die geradezu zum Gesetzesprogramm gehören. Dementsprechend mindert sich der ~estandsschutz gegenüber künftigen "Nachbesserungen" des Sicherheitsstandards; der Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen sieht sich unter den allgemeinen Vorbehalt besserer Erkenntnisse gestellt. Aber auch die spezifisch erweiterte Störerhaftung, die eine Inanspruchnahme des Betreibers zu jedem denkbaren Zeitpunkt im Verlaufe des Anlagenbetriebs ermöglicht, findet im selbständigen Gebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG einen bestimmten rechtlichen Ausdruck: Soweit die (verhaltensbezogene) Immissionsmessung und -prognose 1s4 zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung zwangsläufig nur einen Teilbereich der Wirklichkeitsbedingungen abdeckt, dehnt das Gesetz, um unzulängliche Erkenntnismöglichkeiten auszugleichen, die Verantwortlichkeit des Betreibers- nach Art einer Fiktion der Vorhersehbarkeit- ausdrücklich auf die künftige tatsächliche Entwicklung der immissionsrelevanten Verhältnisse aus. Dieser Aspekt einer Umkehrung des Erfolgsmaßstabs bewirkt neben der aktuellen Verantwortlichkeit i.e.S. mittelbar Vorkehrungspflichten als rechtliche Obliegenheiten 1ss des Betreibers, den Anlagenbetrieb so einzurichten, daß schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden. b) Grenzen der Zurechnung Daß die Umkehrung des Erfolgsmaßstabs Grenzen haben muß, versteht sich von selbst und folgt nicht erst aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. Für den Schädlichkeitsnachweis, der auf einer Immissionswertfestsetzung beruht, ergibt sie sich aus dem Begriff der Erheblichkeit. Jenseits dieser durch ImmissionsIS 3 Das ist der Hintergrund der sog. normativen Ermächtigungslehre, vgl. bereits Bullinger, JZ 1984, S. 1001, 1002 in und nach Fn. 12; ferner vor allem Schmidt-Aßmann, in: MaunzJDürig, Grundgesetz, Art. 19 IV, Rdnr. 180 ff., insb. 18S ff.; dens., Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rdnr. 38 ff.; Wahl, NVwZ 1991, S. 409,410 ff. m. Nw. IS4 Die Immissionswerte der TA Luft 1986 berücksichtigen Meß- und Berechnungsungenauigkeiten, d.h. "einen Unsicherheitsbereich bei der Ermittlung der Kenngrößen" (Nr. 2.S TA-Luft). 155 Der Begriff bezeichnet Neben- oder Mitwirkungspflichten, die sich von der ausdrücklich geregelten Rechtspflicht unterscheiden, vgl. Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 102; auch BVerfGE 69, 315 (3S7)- Brokdorf.

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werte bestimmten Schädlichkeitsschwelle soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Begriff des (allerdings auf erhebliche Nachteile und Belästigungen ausgedehnten) Schadens im herkömmlichen, begrenzten Sinne des Gefahrenabwehrrechts enden. Soweit sich hier die Besorgnis der Schädlichkeit in bezug auf bestimmte Emissionen nicht völlig ausräumen läßt, handelt es sich um mehr oder weniger diffuse Verdachtsmomente, die sich vor allem aufgrund mangelnder Kenntnisse über Langzeitwirkungen oder synergetische und koergetische Effekte noch nicht zur Annahme einer schadensgeneigten Situation verdichtet haben 156. Im übrigen werden Zurechnungsgrenzen vor allem mit Blick auf den zeitlichen Rahmen der bei der Genehmigung erforderlichen Immissionsprognose diskutiert, auf die sich der Kausalitätsnachweis stützt. Ist der Genehmigungsentscheidung wegen § 6 Nr. 1 BimSchG die Entwicklung der Immissionslage während der gesamten voraussichtlichen Betriebsdauer der Anlage zugrundezulegen 157? Einen eigenständigen, die Zurechnung erweiternden Rechtsgrund stellt allerdings § 6 Nr. 1 BimSchG nicht dar. Die gesonderte und die Verantwortlichkeit des Betreibers intensivierende Verfassung seiner Grundpflichten hat dazu veranlaßt, den formellen Genehmigungstatbestand isoliert zu regeln158. Ist die Genehmigung (nur) zu erteilen, wenn die Einhaltung der Grundpflichten "sichergestellt ist", so erinnert dies zunächst an die klassische Funktion des Verwaltungsakts, so auch der Genehmigung, dem Adressaten gegenüber ZU bestimmen, was im konkreten Fall Rechtens sein soll 159 Daß hiermit immer auch einem berechtigten Interesse des Betreibers an der Dauerhaftigkeit der rechtlichen Grundlage seiner Vermögensdispositionen entsprochen wird, zeigt das Gesetz, wenn es mit den§§ 17, 21 BimSchG die einmal getroffene konkret-individuelle Regelung in gewissem Umfang zugunsten eines beschränkten Bestandsschutzes festschreibt. Gerade weil aber die einzelne Maßnahme in erster Linie die effektive Durchsetzung des Gesetzeszwecks "sicherzustellen" hat, wie nicht zuletzt die analogen Formulierungen der Vorschriften über Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt belegen(§ 36 Abs. 1 VwVfG; 0

156 Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 184, 188; Feldhaus, UPR 1987, S. I, 4 ff.; Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 20, S. 134; Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 165 f.; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 443 ff. 157so Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 392 ff.; vgl. auch dens., VVDStRL 48 (1990), S. 207,213 f. Darüber geht für erkennbare und als Gefahr zu bewertende Risiken noch hinaus Roßnage I, aaO, Rdnr. 156.

158 Vgl. BT-Drs. 7/1508, S. 6 und hierzu Bericht des lnnenausschusses, BT-Drs. 711513, S. 4 (zu§ 6); Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 392; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 18. 159 Bei 0 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, S . 95, und deutlicher noch 3. Auf!., Bd. I, S. 93 (dort das folgende Zitat) auch im Sinne der Rechtssicherheit und damit im Interesse des Betroffenen verstanden: der Verwaltungsakt solle "dem Einzelnen Halt gewähren und ihn darüber sicherstellen, wohin es geht".

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

§ 12 Abs. 1 BimSchG), ist jene rechtlich bestandsbildende und folglich gegenläufige Wirkung der Genehmigung in die Entscheidung einzubeziehen. Nur darf dies nicht umgekehrt dazu führen, daß die gesetzlichen Begriffsgrenzen aufgeweicht werden, die den bestimmten Bestand des Normsatzes selbst, seine Regelungsfunktion garantieren. Obzwar also schädliche Umwelteinwirkungen hinreichend wahrscheinlich ausgeschlossen werden sollen, ist dem Betreiber, der nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG für kausale Beiträge haftet, doch nur das zuzurechnen, was vernünftigerweise im Rahmen wägbarer Ungewißheiten überhaupt zugerechnet werden kann. Das ist eine Frage der Prognosemöglichkeiten, im übrigen eine Frage der Zweckmäßigkeit der Ermittlung.

Sicher ist dann sinnvollerweise im Zeitpunkt der Genehmigung anzusetzen160. Ist aber auch die Mehrbelastung durch künftig zu errichtende andere Anlagen und sonstige Immissionsquellen, dementsprechend auch eine mögliche Reduktion zu berücksichtigen? Das Bundesverwaltungsgericht scheint in diese Richtung zu votieren, wenn es feststellt, die Immissionsprognose habe "die voraussichtlichen zukünftigen Immissionsverhältnisse" im Einwirkungsbereich der geplanten Anlage zu ermitteln und dabei "alle erheblichen Umstände, die die Immissionsverhältnisse in jenem Gebiet voraussichtlich beeinflussen, einzubeziehen" 161 . Möglicherweise wäre also unabhängig von abgeschlossenen Genehmigungsverfahren die Immissionsentwicklung einschließlich städtebaulicher und wirtschaftlicher Trends zu prognostizieren. Der Wille des Gesetzgebers läßt sich zugunsten einer solchen Berücksichtigung künftiger Änderungen der Immissionslage freilich nicht in Anspruch nehmen 162. Der Bundesrat hatte zwar in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf angemahnt, "bei der Genehmigung von Anlagen auch die zahlreichen Umwelteinwirkungen (zu berücksichtigen), die im Zusammenwirken der Anlage mit anderen, insbesondere auch erst künftig zu errichtenden Anlagen, entstehen können" 163 . Daß "auch die zu erwartende Immissionsbelastung durch künftig zu errichtende Anlagen berücksichtigt werden muß", wurde aber in der Erwiderung des Innenausschusses eindeutig als Ausprägung des nachträglich zum Schutzzweck des Gesetzes erhobenen Vorsorgegebots verstanden 164. Die160 Vgl.

S. 22 ff.

Sel/ner,

Immissionsschutzrecht, Rdnr. 25 bei Fn. 70;

Trute,

Vorsorgestrukturen,

161 BVerwGE 55, 250 (265). 162 Entgegen Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 3 BlmSchG, Rdnr. 20. 163 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 7/179, S. 52, auf welche die Bundesregierung zusicherte, die Frage im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, aaO, S. 60. 164 Vgl. Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 7/1513, S. 3 (r. Sp.): die Notwendigkeit ergebe sich "bereits aus dem erweiterten Schutzzweck des§ I". Die nähere Darstellung des um die Vorsorge erweiterten Gesetzeszwecks, aaO, S. 2 (r. Sp.) übernimmt textlich im wesentlichen die Begründung des Regierungsentwurfs zu§ 6 Nr.2 (heute 5 Abs. I Nr. 2) BlmSchG, BT-Drs. 7/179, s. 32.

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ses wirkt nun vorwiegend ("insbesondere", § 5 Abs. 1 Nr. 2) und jedenfalls in dem von der Ermächtigung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BimSchG aufgenommenen Umfang anlagenbezogen, kümmert sich mithin nicht um die örtliche Entwicklung der Immissionsverhältnisse. Daß aber dort unter dem Titel der "Vorsorge" sämtliche verbleibenden Eventualitäten auf die Schultern des einzelnen Betreibers geladen werden könnten, will auch nicht einleuchten. Das Bundesverwaltungsgericht hat denn auch mit den "zukünftigen Immissionsverhältnissen" etwas anderes gemeint 165 : Im Voerde-Urteil ging es nicht um fernliegende, kaum zu prognostizierende und folglich schwer zuzurechnende Veränderungen der Immissionssituation, sondern um durchaus gegenwärtige, nämlich durch Bedingungen zum Genehmigungsbescheid gesicherte(§§ 6 Nr. 1, 12 Abs. 1 BimSchG). Das Gesetz bedient sich damit offenkundig, wenn bestimmte Umstände im Interesse der Zweckerreichung rechtlich "sichergestellt" werden sollen, einer überkommenen verwaltungsrechtlichen Terminologie, die nicht zuletzt auf Vollstreckbarkeit individueller Verhaltenspflichten gemünzt ist. Soweit in dieser Weise die Verwaltung die Immissionssituation kontrolliert und die Beachtung von Sicherheitsstandards durchsetzen kann (§ 20 Abs. 2 BimSchG) 166 , stellen die fraglichen Immissionen auch kein unlösbares Prognoseproblern dar, sondern können mit anderweitigen Minderungen der meßbaren Immissionsbelastung verrechnet werden 167. So erklärt sich, warum Veränderungen der Immissionsverhältnisse, die nicht gerade auf (künftige) Emissionen der zu genehmigenden Anlage zurückgehen oder sich ihr sonst unmittelbar rechtlich zurechnen lassen, mit Rücksicht auf das naturgesetzliche Kausalitätsprinzip unter dem Gesichtspunkt der (vom Gesetz selbst nicht näher definierten) Vorbelastung, nicht der Zusatzbelastung betrachtet werden 168 , wie dies ausdrücklich in der TA Luft (Nr. 2.6.1.1 Abs. 3) geschieht, die für eine allgemeine Veränderung der Belastungsverhältnisse den Prognosezeitraum durch den Zeitpunkt der Inbetriebnahme und d.h.: auf die 165 Unklar Sellner, NJW 1980, S. 1255, 1259 nach Fn. 49, wenn er außer und nach der 1mmissionsprognose gesondert den künftigen Immissionsbeitrag der Anlage berücksichtigen will. 166 (Echte, nicht modifizierende) Auflagen fallen unter § 20 Abs. I BimSchG, Bedingungen unter § 20 Abs. 2 BimSchG, vgl. Jarass, BlmSchG, § 20, Rdnr. 8, 22. 167 Auf diesem Prinzip basieren auch die einwirkungsbezogenen Klauseln der TA Luft sowie des § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmschG, die trotzeiner Überschreitung der allgemeinen Schädlichkeitsschwelle durch die Vor- und ggf. Gesamtbelastung Zusatzbelastungen unter der Bedingung konkreter Sanierungserfolge zulassen, Nr. 2.2.1.1 lit. b bb) TA Luft, vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 395, Fn. 14, Rehbinder Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 38 ff. m. Fn. 15, näher unten. 168 Auch die Irrelevanzklausel nach 2.2.1.2 lit. c TA Luft bezieht sich für die allgemeinen Immissionsverhältnisse im Nachteils- und Belästigungsbereich auf die (grs. meßbare) Vorbelastung. Anders nach Nr. 2.2.1.2 Iit. d i.V .m. Nr. 2.2.1.3 Abs. 3 TA Luft, wo für selbigen Bereich eine Gesamtbetrachtung vorgeschrieben ist, die sich hier als Sonderfallprüfung an die Standardprüfung anschließt und daher an die Gesamtbelastung anknüpft. 4 Enders

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

Vorbelastung begrenzt (Nr. 2.6.3.3) 169. Hintergrund ist die durch§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BirnSchG nur begrenzt eröffnete Möglichkeit der Zurechnung: Sie wird zwar zugunsten eines höheren Sicherheitsstandards gegenüber dem aus dem Polizeiund Gewerbepolizeirecht überkommenen Haftungsumfang (sowohl im Schädlichkeits- wie im Kausalitätsnachweis) deutlich erweitert, weil der Anlagenbetreiber die Verantwortung für Ungewißheiten über die Vermeidung möglicher Schäden zu tragen hat und so von Gesetzes wegen latenter Störer bleibt. Auch hier liefert indessen der hinter § 5 Abs. 1 Nr. 1 BirnSchG stehende Zweck der Gefahrenabwehr im oben entwickelten Sinne brauchbare Anhaltspunkte der Begrenzung. Es bleibt nämlich beim Normzweck der Gefahrenabwehr nicht nur insofern, als die zu vermeidenden Umwelteinwirkungen jedenfalls negativ nicht als unschädlich (unerheblich) zu qualifizieren sein dürfen. Positiv müssen sie, um dem Betreiber als Störer zugerechnet werden zu können, gerade (kausal) auf den Betrieb seiner Anlage zurückgehen. Das läßt sich aber auch unter der normativ verschärften Bedingung eines hinreichend wahrscheinlichen Verrneidungserfolgs nur für insgesamt noch wägbare Ungewißheiten behaupten. Für die gesamte Dauer ihrer voraussichtlichen Betriebszeit können demgegenüber nicht sämtliche Veränderungen der Immissionssituation im Einwirkungsbereich der Anlage sinnvoll prognostiziert werden. Die Hochrechnung bloßer Trends ist mit derartigen Unsicherheitsfaktoren belastet170, daß sie den Bereich der Spekulation erreicht 171 . Hier gibt es keine "hinreichende Wahrscheinlich-' keit'' (der Schadensvermeidung). Auch wenn diese mathematisch- durch Abschläge von spekulativen Extremannahmen - noch zu definieren wäre: Dem Gesetzeszweck vorbeugender Schadensbekämpfung (§§ 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BirnSchG), der eine "Zuordnung von Immissionen zu bestimmten Emittenten" erfordert 172, genügt ein rein definitorischer Ursachen-Zusammenhang nicht. Dem einzelnen Betreiber würde andernfalls auf die von ihm kausal herbeigeführten Immissionen die in ihrer Herkunft nicht ausgewiesene, gesamte künftige Immissionsbelastung als Schädlichkeitsbeitrag angerechnet. Diese Gesamtbelastung hat aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt noch die Qualität eines einzelnen, vorn Betreiber verursachten Schadens. Sie stellt vielmehr eine im Rahmen solcher Schadensabwehr auch bei begrenzter Umkehrung des Erfolgsrnaßstabs nicht mehr als potentieller Schaden zurechenbare Gerneinlast dar. Daraus und aus der Notwendigkeit, mit dem Gesetz zwischen ursprünglicher Genehmigungsentscheidung und nachträglicher Anordnung (§ 17 BirnSchG) zu differenzieren, ergeben sich die- mit denen der Nr. 2.6 TA Luft 169 Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 34 bei Fn. 111. Kritisch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 394 ff., 398m. Fn. 24. 170 Murswiek, aaO, S. 397. 171 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 3 Rdnr. 31. 172 BVerwGE 69, 37 (44).

Zweites Kapitel: Die Kontrolle der Umweltnutzung durch das BlmSchG

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nicht exakt identischen und sie gegebenenfalls verdrängenden 173 - rechtsverbindlichen Grenzen einer Schädlich.keitsprognose im Zeitpunkt der Genehmigung: Zum einen darf der Prognosezeitraum die rechtlich maßgebliche Nutzungsdauer der Anlage nicht überschreiten (vgl. § 5 Abs. 3 BlmSchG). Zum anderen muß die Entscheidung, die sich auf noch zu genehmigende Drittanlagen nicht erstreckt, zu deren Nachteil der Prioritätsgrundsatz gilt 174, so präzise gefaßt sein, daß im Falle einer Fehlprognose der Betreiber jederzeit mit Erfolg die Aufhebung entsprechender Auflagen bzw. eine günstigere (unbedingte) Genehmigung verlangen kann. Diese Grenzen der Zurechenbarkeit markieren zugleich Grenzen des Schutzprinzips.

m.

Die Pflicht zur Vorsorge - Eine unvollkommene Rechtspflicht 1. Positive und negative Bestimmung des Vorsorgegebots

Auch die Pflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG, die nach dem Willen des Gesetzgebers den Vorsorgezweck realisiert 175, dient dem (vorbeugenden) Umweltschutz und bekämpft schädliche Umwelteinwirkungen. Sie setzt aber für den vornehmlich ("insbesondere") vom Gesetz ins Auge gefaßten Fall von vomherein anlagenbezogen am Ort der Entstehung schädlicher Umwelteinwirkungen, bei den Emissionen der einzelnen Anlage an (§ 7 Abs. I Nr. 2 BlmSchG). Welche positive Zielsetzung steht hinter dem Vorsorgegebot? Daß es nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie nach seinem Sinn und Zweck über das Schutzprinzip hinausweist, unterliegt keinem Zweifel 176. Über die näheren Mittel-Zwecke, diejenigen Zwecke also, denen im Verhältnis zum Vorsorgegebot eine Mittelfunktion zukommt, die aber zugleich als eine Konkretisierung jenes gesetzlichen Zwecks gelten können, befinden sich im wesentlichen zwei Auffassungen im Streit177: Die eine, vertreten insbesondere von Feldhaus, Seltner und Martens propagiert - mit unterschiedlichen Nuan-

173 Näher unten 3. Kapitel, II. 2. 174 Zur Begründung unten 3. Kapitel, II. 1. 175 BT-Drs. 7/1508, S. 3; Bericht des lnnenausschusses, BT-Drs. 711513, S. 2, 3. 176 Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 183. 177 Zum ganzen m. Nw. Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 163; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 197 ff.; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 425 ff.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 112 ff.; vgl. auch BVerwGE 65, 313 (320). Häufig werden aber die widerstreitenden Auffassungen zur Multifunktionalität der Vorsorge verknüpft: Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 233 ff.; Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 42; Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 449 f.; Petersen, aaO, S. 208 ff.; wohl auch Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 84; Send/er, UPR 1983, S. 33, 43.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

cierungen- die Freiraumthese 178. Danach will das Vorsorgeprinzip, ohne daß deswegen vom Grundsatz der gebundenen Genehmigungsentscheidung abgewichen würde (§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG) 179, in vorausschauender Planung Freiräume schaffen, die künftig Emittenten wie auch immissionsempfindlichen (Passiv-) Nutzungen zugute kommen könnten. Hierzu paßt die gleichfalls behauptete Verteilungsfunktion 180 insofern, als nur verteilt werden kann, was zuvor von anderen Nutzungen planefisch freigehalten wird. Damit wird zu Recht auch das über den Einzelfall, insbesondere die Zumutbarkeitsfrage im einzelnen Nachbarschaftsverhältnis hinausgreifende Moment einer umfassenderen Umweltnutzungsentscheidung festgehalten 181 . Gegen ein solches planerisches Verständnis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG 182 wendet sich die andere, namentlich von Breuer vertretene These, die das Vorsorgeprinzip "als Gebot einer gefahrenunabhängigen Risikovorsorge" begreift 183 , es also in den Zusammenhang einer erweiterten und vorverlagerten Gefahrenabwehr stellt. In der Tat scheinen jedenfalls auf der Ebene der Genehmigungsentscheidung planerische Erwägungen ausgeschlossen, weil der Gesetzestext gemäß dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers die Genehmigung als gebundene Entscheidung beschreibt(§ 6 BlmSchG) 184. Mit diesem Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung würde sich zwar durchaus die planerische Verteilung von "Freiheitschancen" auf untergesetzlicher Ebene (der Verordnung oder Satzung) vertragen, wie sie etwa auch im Baurecht vorgesehen ist. Nur einem - über unselbständige Konkretisierungsbefugnisse hinausreichenden - echten Planungsermessen der im Einzelfall entscheidenden Ge-

178 Feldhaus, DVBI. 1980, S. 132, 135; Jarass, aaO; Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 450; Martens, DVBI. 1981, S. 597, 602 f.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 341 ; Salzwedel, 5. wiss. Fachtagung der GUR 1981, S. 33, 41 ff., 45 ff., 51 f.; Sel/ner, NJW 1980, S. 1255, 1257; ders., Immissionsschutzrecht, Rdnr. 60; vgl. auch Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 234 ff., 238, 242 f. 179 So jedenfalls Feldhaus, DVBI. 1980, S. 132, 137; vgl. allerdings Murswiek, aaO, S. 339 f., 352 ff., 362. ISO Sel/ner, NJW 1980, S. 1255, 1257. 181 Vgl. BVerwGE 69, 37 (44, 45), unter Bezugnahme auf BR-Drs. 95/83, S. 35, 36 sowie das Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, BT-Drs. 10/113 Nr. 406 ff., 525, s. 125. 182 Breuer, Der Staat 20 (1981), S. 393, 413; ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn. Rdnr. 184 ff., 187. 183 Ders., DVBI. 1986, S. 849, 855; ders., Besonderes Verwaltungsrecht, aaO, Rdnr. 184. ferner Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 42, 50; Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, § I BlmSchG, Rdnr. 7 ; Kloepfer/Kröger, NuR 1990, S. 8, II; Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge, S. 71. 184 BT-Drs. 7/179, S. 31.

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nehmigungsbehörde, steht der gesetzliche Genehmigungsanspruch entgegen 185 . Überhaupt vermittelt aber die Vorstellung von der planensehen Verteilung von Freiheitsbereichen allein dann einen zutreffenden Eindruck, wenn eine raumbezogene Vorsorge angesprochen sein soll 186: Verschmutzungsrechte und -räume lassen sich nur insoweit zuweisen, als Immissionen bestimmten Emittenten zugeordnet werden können, die ihr "Guthaben" bis zu einem vorgegebenen Stand aufbrauchen dürfen. Die Technikstandards und Emissionsgrenzwerte des Bundes-Immissionsschutzgesetzes dagegen weisen keine Nutzungsrechte zu, sondern sichern einen allgemeinen Vorsorgelevel 187 . Der auf diese Weise nach dem "Regelbeispiel" in§ 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG durch weiträumige Vorsorge geschaffene Umweltstandard kommt nicht einem bestimmten Kreis von Pflichtigen oder Begünstigten zugute, sondern die gewonnenen Nutzungsmöglichkeiten werden, immissions- nicht emissionsabhängig, nach dem Prioritätsprinzip und entsprechend der Belastung des konkreten Beurteilungsgebiets bis zu den Grenzen der Schädlichkeit wieder verteilt 188 . Die Bewirtschaftung der Luft hat also der Gesetzgeber mit seiner durch§§ 5 Abs. 1 Nr. 2 ("insbesondere"), 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BimSchG markierten Entscheidung ganz vornehmlich den untergesetzlich konkretisierten - Wirkungsstandards nach § 5 Abs. 1 Nr.1 BimSchG 189 vorbehalten, nicht dem Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG zugeordnet. Die abstrakt-generell anordnende Verwaltung kann demgegenüber für das von ihr zu entwerfende, verbindliche Modell anlagenbezogener Vorsorge eben den Handlungsspielraum für sich in Anspruch nehmen, der typischerweise mit Rechtsetzungsermächtigungen einhergeht, ist also frei innerhalb der vom Gesetz und insb. dessen Zweck wie auch von der Verfassung gezogenen Grenzen 190. Gerade die Perspektive raumbezogener Vorsorgeplanung, wie sie in §§ 44, 47 BimSchG entworfen wird, bestätigt, daß der Vorsorgegrundsatz offenkundig

185 Salzwedel, 5. wiss. Fachtagung der GUR 1981, S. 33, 46 ff., konstatiert hinsichtlich des "Ob" der raumbezogenen "besonderen" Vorsorge ein eingeschränktes, auf Verhältnismäßigkeit der Entscheidung überprüfbares "unechtes" Bewirtschaftungsermessen, propagiert aber insoweit ein echtes (Konkretisierungs-)Ermessen- stets im Rahmen abstrakt-genereller Vorgaben; wohl auch Send/er, UPR 1983, S. 33, 43. 186 Vgl. Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 167 f., zu Sellner, NJW 1980, S. 1257, 1259; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 288 ff., 298 f. 187 BVerwGE 69, 37 (46). 188 Vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 299 f., 361 in Fn. 40. 189 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 10. 190 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 361 in Fn. 37, sieht letztlich die Entscheidung des Verwaltungsvorschriftengebers als Planungsentscheidung, an die die Genehmigungsbehörde gebunden ist.

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nur begrenzt einen planerisch verteilenden Gehalt entfaltet 191 : Zwar gestattet § 48 Nr. 1 BimSchG mit seiner Bezugnahme auf den (gesamten) Schutzzweck des § 1 BimSchG Immissionswerte nicht nur zum Schutz vor Gesundheitsgefahren, erheblichen Nachteilen und Belästigungen festzusetzen. Vielmehr dies war gerade Zweck einer entsprechenden Änderung der Vorschrift während des Gesetzgebungsverfahrens 192 - können Immissionswerte auch festgesetzt werden, um eine angemessene Vorsorge sicherzustellen, da § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG "die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung" nur beispielhaft erwähnt 193. So umfaßt die Ermächtigung des § 48 Nr. 1 BlmSchG nicht nur Immissionswerte im engeren Sinne und ergänzt damit § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG. Sie ermöglicht auch die Festsetzung von "Immissions1eitwerten", die (von festgestellten oder zu erwartenden Luftverunreinigungen) aus Gründen der Vorsorge nicht überschritten werden dürfen. Diese unterscheiden sich von den "Immissionswerten" im engeren Sinne(§§ 44 Abs. 1 Satz 2, 47 Abs. 1 BimSchG) und eröffnen über § 47 Abs. 1 Satz 3 BimSchG die konkrete Möglichkeit einer raumbezogenen Vorsorgeplanung, mit welcher "die Luftqualität ... auf Grund eines umfassenden Handlungskonzepts verbessert werden so11" 194. In doppelter Hinsicht weist diese Planung anhand von Immissionsleitwerten eine Affinität zur Bewirtschaftung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG auf, die ihr im Instrumentarium der Vorsorge eine Sonderstellung verleiht: Die unterhalb der die Schwelle zulässiger (zumutbarer) Belastung bezeichnenden Immissions(schädlichkeits)werte anzusiedelnden Immissionsleitwerte 195 werden sich zum einen relativ eng an jene Schädlichkeitswerte anlehnen müssen und werden dadurch mittelbar begrenzt 196. Zum anderen bezeichnet die Raumbezogenheil selbst eine Begrenzung. Zwar ist der enge Rahmen einer Zurechnung nach Beurteilungsflächen (gern. Nr. 2.6.2.3 TA Luft) 197 sicherlich überschritten, ohne daß dieser weitere räumliche Zusammenhang im Falle des § 47 Abs. 1 Satz 3 BimSchG notwendig durch eine rechtsverbindliche Festsetzung definiert wäre (vgl. §§ 44 Abs. l Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BimSchG). Es geht der Norm auch um solche schlichten "Gebiete" nach§ 44 Abs. 1 Satz 2 BimSchG, die sich gerade durch (festgestell191 Trute, Vorsorgestrukturen, S. 296 ff. , 298 f. erkennt abwägungsähnliche oder -verwandte Momente nur in der Einschätzung des Besorgnispotentials, in der optimierenden Ermittlung des Standes der Technik und schließlich im Entwurf des Maßstabskonzepts, in welchem abstrakt-generell über den Vorsorgestandard und den Bestandsschutz zugunsten von Altanlagen zu entscheiden ist. Vgl. auch bereits Salzwedel, 5. wiss. Fachtagung der GUR 1981, S. 33, 51 f. 192 BT-Drs. 7/1508, S. 26 f. und Begründung des Innenausschusses BT-Drs. 7/1513, S. 8. 193 Trute, Vorsorgestrukturen, S. 132 f.; vgl. auch Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 50. 194 Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 11/4909, S. 23.

s.

195 BT-Drs. 11/4909, S. 22, Begr. zu Art. I Nr. 19, Anm. 3. 196 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 58 a.E; Salzwedel, 5. wiss. Fachtagung der GUR 1981 , 33,42 f. 197 Vgl. Hansmann, in: Landmann-Rohmer, Umweltrecht I,§ 44 BlmSchG, Rdnr. 7b.

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te/zu erwartende) Überschreitung von Immissionsleitwerten definieren 198. Soll die mit der Gebietsbezogenheit notwendig verbundene örtliche Beschränkung aber normativen Sinn erlangen, so muß die Überschreitung der Immissionsleitwerte den Emittenten gerade des betreffenden "Gebiets" zugerechnet werden können, damit ein Vorsorgeplan seinen Zweck überhaupt zu erfüllen vermag. Andernfalls wären auch die zu seiner Durchsetzung nach§ 47 Abs. 3 BlmSchG zu treffenden Anordnungen unverhältnismäßig. Anders formuliert: Immissions(leit)werte können in den Dienst der Vorsorge nach§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG gestellt werden, soweit sie Werte unterhalb der Schädlichkeitsschwelle (nach § 3 Abs. 1 BlmSchG) markieren. Per definitionem (§ 3 Abs. 2 BlmSchG) bleiben sie aber wirkungsbezogen, was denknotwendig und auch nach der Systematik eines dem Schutz umgrenzter Rechtsgüter verpflichteten Rechtsmodells als Basis jeder Zurechnung die Zuordnung zu lokalisierbaren Emissionsquellen erfordert 199. In diesem Bereich erteilt § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG offenkundig einen - auf Einhaltung seiner Grenzen gerichtlich überprüfbaren - Konkretisierungsauftrag. Inwieweit Vorsorgeanforderungen danach - gerade auch im Einzelfall - unmittelbar auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG gestützt werden können, erweist sich als Frage der Auslegung200. Der zuständigen Behörde verbleibt jenseits des einwirkungsbezogenen Schutzstandards im Einzelfall jedenfalls lediglich derjenige - nur bedingt "planerische", nämlich auf Normverwirklichung gerichtete- Entscheidungsspielraum, der vom Gesetz zum Zwecke kleinräumi-

198 Das folgt daraus, daß das Gesetz- so in § 47 Abs. I Satz I und 2 BlmSchG - nur Gebiete nach § 44 Abs. I Satz I BlmSchG als Untersuchungsgebiete bezeichnet und diesen Begriff in § 47 Abs. I Satz 3 BlmSchG bewußt vermeidet, vielmehr an die (tatsächliche) Feststellung oder Erwartung von Luftverunreinigungen anknüpft, vgl. § 44 Abs. I Satz 2 a.E.. Daß § 44 Abs. I Satz 2 BlmSchG der von Immissionsleitwerten "zum Schutz vor Gesundheitsgefahren" spricht, in Widerspruch zu§ 47 Abs. 1 Satz 3 BlmSchG die Kategorie gesundheitsschützender Immissionsleitwerte schaffen will, ist kaum anzunehmen und entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, wie die Begründung des Gesetz gewordenen Regierungsentwurfs, aaO, ergibt. Dort - und die Begründung zur Regelung des Vorsorgeplans verweist hierauf zurück- sind Immissionsleitwerte eindeutig neben den Schutz vor Gesundheitsgefahren gestellt und als (bislang national noch nicht festgelegte) Vorsorgewerte beschrieben. Einen gewissen Sinn ergibt die Formulierung andernfalls nur, soweit von § 44 Abs. I Satz 2 vorsorgende Immissionsleitwerte erfaßt werden, die in Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften festgelegt sind. Im übrigen würde aber durch eine Beschränkung auf den Gesundheitsschutz eine Untersuchungspflicht nur bei Überschreitung von gesundheitsschützenden Immissionswerten ausgelöst; so Hansmann, aaO, Rdnr. 7a, § 47, Rdnr. 4a. Daß Vorsorgepläne gerade "für die Gebiete nach § 44 Abs. 1" aufgestellt werden können, so ders., aaO, § 47, Rdnr. 7, ist dann zumindest bezüglich der nationalen, von Bund oder Ländern festgelegten Vorsorgeleitwerte in sich widersprüchlich, da ja § 44 Abs. 1 Satz 2 zu solchen Werten gerade nichts sagen soll. Nach dieser Auffassung wäre § 47. Abs. I Satz 3 eine insoweit völlig eigenständige (Ermessens-)Regelung. Wie hier Jarass, BlmSchG, § 44, Rdnr. 2, nach dem auch "Quellen in der Nachbarschaft des Untersuchungsgebiets mit einbezogen werden" können, aaO, § 47, Rdnr. 7. 199 Jnsofem zutreffend verweist Sellner, NJW 1980, S. 1255, 1257 (r. Sp.), 1259 n. Fn. 43, bei Fn. 49 auf den Einwirkungsbereich der Anlage; vgl. auch Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 50. 200 Dolde, NVwZ 1986, S. 873,881 in Fn. 61.

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ger Vorsorge in einem - unten noch zu erörternden - sehr engen Rahmen zugestanden und von bindenden untergesetzlichen Maßgaben belassen wird 201 . Eben jenen Konnex konkreter (Umwelt-) Einwirkungen zu Ort und Zeitpunkt ihrer Entstehung läßt das im gesetzlichen Regelfall anlagenbezogene Vorsorgeprinzip vermissen. Das liegt nicht zuletzt daran, daß das Schutzgut "Atmosphäre" oder "Luft" zwar in § 1 und- zumindest mittelbar- § 3 Abs. 2 bis 4 BlmSchG (Luftverunreinigungen) erwähnt, aber in Wahrheit- aus naheliegenden Gründen und anders als im US-amerikanischen Recht202 - nicht als Schutzgut, sondern eher als Medium verstanden wird, so, wenn in § 44 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG von "Luftverunreinigungen in der Atmosphäre" die Rede ist, die "schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können". Wäre dies anders, könnte die Emission als Schadenszufügung sanktioniert werden. So ist es zwar richtig, die Vorsorge außerhalb des Einwirkungsbereichs auf dem Hintergrund einer vorverlagerten Gefahrenabwehr zu sehen. Aber dieses Unterfangen formuliert im Ergebnis die erhoffte positive Präzisierung des Vorsorgegrundsatzes doch eher als Problembeschreibung. Der Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien erhärtet nur den Befund, daß der Gesetzgeber mit dem Vorsorgegrundsatz wohl auf Defizite des Gefahrenabwehrmodells reagieren wollte, insofern auch die Vorsorge als Fortsetzung der Gefahrenabwehr verstanden hat, daß er sich aber über (normativen) Gehalt und genaue Funktion des Vorsorgeprinzips keineswegs im klaren war2 03 . Zu sehr finden sich hierfür in der Gesetzesbegründung Elemente der klassischen vorbeugenden Gefahrenabwehr mit Gesichtspunkten eines planerischen Umweltnutzungskonzepts vermengt204, die durch den Obertitel vorbeugenden Umweltschutzes nur lose aufeinander bezogen sind. Ganz richtig resümiert Jarass 205 , daß sämtliche Thesen über das Ziel der Vorsorge nur (mögliche) Motive einer individuellen Vorsorgeverpflichtung nennen und nicht als Kriterien zur genauen Abgrenzung der Pflicht taugen. In der Tat beschreibt der Begriff "Vorsorge" eine Zielsetzung, von der sich positiv nicht genau sagen läßt, was sie rechtlich bedeuten so11 206.

201 Näher unten 3. Kapitel, lll. 2. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 341, 361 in Fn. 37, spricht allerdings von Ermessensbindung. 202 Vgl. oben I. Kapitel, II. 203 Zur Berufung auf die Begründung des Gesetzentwurfs, Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 186; vgl. auch Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 139,443 ff., 445 (unten). 204 Vgl. bereits oben BT-Drs. 7/179, S. 32; BT-Drs. 7/1513, S. 2, 3 und Kutscheidt, aaü. 205 Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 42. Zusammenfassend auch Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 84. Vgl. noch unten 2. Kapitel, lll. 2., 3. Kapitel, III. 1., 2. 206 Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 163 I. Sp. Wenig überzeugend daher der Versuch von Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 453, zur Bestimmung des Drittschutzes im Vorsorgebereich am Ende doch noch auf jene Zielvorstellungen zurückzugreifen.

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Wenn sich aber die Konturen des Vorsorgegrundsatzes im Positiven nur verschwommen abzeichnen, liegt es nahe, mit dem Bundesverwaltungsgericht207 zunächst ein negatives, dafür präziseres Bild herauszuarbeiten, das von den Defiziten des Gefahrenabwehrmodells her den verbleibenden umweltschutzrechtlichen Regelungsbedarf analysiert. Die Ergebnisse können, nachdem die Komponenten des vorbeugenden Immissionsschutzes voraufgehend gewürdigt wurden, kurz zusammengefaßt zu werden208 : Das Vorsorgegebot teilt mit der Gefahrenabwehraufgabe, wie sie auch dem vorbeugenden Immissionsschutz zugrunde liegt, die Vorstellung eines drohenden Schadens, dessen Verwirklichung bereits im Vorfeld verhindert werden soll. Die im Technikrecht zu bewältigenden komplizierten Sachverhalte bedürfen freilich einer Definition des "Schädlichen", die von §§ 1, 3 Abs. I BimSchG nur im Ansatz und auf dem Abstraktionsgrad hochgradig unbestimmter Rechtsbegriffe geleistet wird. Darum hat der Gesetzgeber die Definitionsaufgabe im Rahmen der vorgegebenen unbestimmten Rechtsbegriffe (vor allem der Erheblichkeit der zu verhindernden Beeinträchtigungen) an die Verwaltung delegiert: an die Bundesregierung als Verordnunggeber nach § 7 BimSchG oder als Verwaltungsvorschriftengeber nach § 48 BimSchG, wobei jeweils der Bundesrat zuzustimmen hat und die "beteiligten Kreise" nach §51 BimSchG anzuhören sind. Das gilt für Emissionsbegrenzungen nicht wesentlich anders als für Immissionsschädlichkeitswerte (vgl. §§ 7 Abs. 1 Nr. 2, 48 Nr. 2 BimSchG). Jedoch stellt sich der von der anlagenbezogenen Vorsorgeregelung aufgefangene, abstrakte Schädlichkeitsverdacht als die Kehrseite des individuell erlaubten, der Allgemeinheit wie der Nachbarschaft definitionsgemäß zurnutbaren (begrenzten) Restrisikos dar. Daß es der Gesetzgeber für erforderlich gehalten hat, schädliche Umwelteinwirkungen nicht nur abzuwehren, sondern ihrem Entstehen vorzubeugen, zeugt also von einer diffusen Schädlichkeit des an sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG zulässigen Emissionsverhaltens, von einem nicht effektiv emgrenzbaren Restrisiko jenseits bestehender Wirkungsstandards 209 . Der Grund dieses Schädlichkeitsurteils über an sich zulässiges Emissionsverhalten liegt in der Unmöglichkeit wirkungsbezogener Zurechnung i. S. eines

207 BVerwGE 69,37 (42 ff.) zur 13. BlmSchV vom 22. 6. 1983 (BGBI. I S. 719). 208 Ähnlich wie im folgenden auch Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 446 bei Fn. 45, 449 bei Fn. 57. 58. 209 Vgl. BVerwGE 69, 37 (43, 44 f.), Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 84 f.; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BlmSchG, § 5, Rdnr. 439 f., 444. Wenig hilfreich erscheinen mangels

exakter Abgrenzungsmöglichkeiten Unterscheidungen nach positiv feststehenden, vorrechtliehen Begriffen der Gefahr, des Risikos und Restrisikos, was auch die Verfechter dieser Differenzierung eingestehen, vgl. Breuer, NVwZ 1990, S. 211, 213 f. ; Kloepfe r/Kriiger, NuR 1990, S. 8, II ; Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 272 f.

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(prognostizierbaren) Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs210, was zugleich den negativen Charakter des Begriffs "Restrisiko" erweist. Soweit es um den Schutz bestimmter Rechtsgüter (einzelner oder der Allgemeinheit) vor einem nachweisbar (kausal) schädigenden Verhalten geht, hat das Gesetz mit dem Schutzgrundsatz des § 5 Abs. I Nr. 1 BimSchG alle erdenklichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Sind dagegen Schäden als solche (noch) nicht bekannt oder stehen sie, soweit überhaupt greifbar, am Ende eines fiktiven Kausalverlaufs, "wirken" die als schädlichkeitsverdächtig eingeschätzten Emissionen in einer Weise, die sich mit einem räumlich (auf Beurteilungsgebiete) begrenzten und auf meßbare Wirkungsdaten angewiesenen Rechtsgüterschutz nicht erfassen läßt211 . Wie potentiell schädliche 'Emissionen auf lange Sicht und im wechselweisen Verhältnis zueinander wirken, wie sie sich ausbreiten und wie daraus schließlich Umweltschäden entstehen, ist häufig noch unbekannt. Was bleibt, ist das Bewußtsein der Schädlichkeit bestimmter Immissionen, auch außerhalb exakt nachweisbarer Kausalverläufe. Notwendig verlagert sich das Schutz-Interesse, wendet sich von den nicht zurechenbaren, daher rechtlich uninteressanten Immissionen ab und statt dessen ihrer Entstehung, den Emissionen zu. Der Setreiber wird darum durch das Vorsorgegebot anlagenbezogen zum Zwecke der Schadensvermeidung in Anspruch genommen, haftet aber weder für eine von ihm verursachte schadensgeneigte Situation, noch für einen potentiellen Beitrag zu einem bestimmten (definitionsgemäß begrenzten) Schaden212 . Vorsorge setzt, indem sie bereits das Entstehen (abstrakt) schädlicher Umwelteinwirkungen eindämmen will, ihrem Wesen nach typischer Weise vor der nachweisbaren Schädlichkeit des Individualbeitrags an, läßt den konkreten Schadensbezug außer acht, statuiert stattdessen einen rein normativen Zurechnungszusammenhang und zieht den Anlagenbetreiber für einen abstrakt definierten Schädlichkeitsbeitrag zur Verantwortung. Über eine abstrakte Gefährdungshaftung, die immer noch die kausal bewirkte Schädigung einzelner

°

21 Feldhaus, UPR 1987, S. I, 4 f.; im einzelnen hierzu und zum folgenden auch Roßnagel, aaO, Rdnr. 443 ff. 211 Vgl. BVerwGE 69, 37 (43 f. - Fernheizwerk Heidelberg) für den Ferntransport von Luftschadstoffen. Können die Transportwege nicht nachgewiesen werden, ist auch ein an sich bekannter Schaden nicht zurechenbar. Kommt aber die Unkenntnis weiterer Ursache-Wirkungsbeziehungen, insb. synergetischer und koergetischer Effekte hinzu, läßt sich weder über eine bestimmte Schädlichkeit der - sich zu neuen Wirkstoffen verbindenden - Emissionen noch über die Herkunft von Schadstoffen etwas sagen, vgl. Feldhaus, aaO, S. 4 ff.; Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 20, S. 134; Petersen, Schutz und Vorsorge, spricht bezüglich der Vorsorge einerseits von "Risikoerkenntnis" und "Ungewißheit über die Wirkungsprognose", andererseits von "Risikozurechnung" und "Ungewißheit über die Verursachungsbeziehung", S. 221 ff., 239 ff.; ähnlich auch Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 84. 212 Der erstere Punkt fallt bei gebietsbezogenen Immissionsleitwerten oder sonst kleinräumig konzipierten Festlegungen fort, die einen (zurechenbaren) "Schaden", d.i. ein Verbot unterhalb der Schadensgrenze definieren. Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 446, 453 f.

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Rechtsgüter im Blick hat, geht diese Regelung hinaus. Das Vorsorgegebot reagiert mit ihr auf das lückenhafte Erfahrungswissen (bezüglich Haftungskausalität wie Schädlichkeitskausalität) und normiert den spezialgesetzlichen Haftungsgrund eines Gefährlichkeitsverdachts auf unsicherer Prognosegrundlage. 2. Positive Strukturelemente der Vorsorgenormierung

Im Gegensatz zu dem an der Gefahrenabwehraufgabe orientierten Schutzprinzip des § 5 Abs. I Nr. I BimSchG, das sich der Sache nach auch als Schädigungsverbot formulieren läßt, mündet die Vorsorge nach § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG in ein positives Gebot. Das Verbot vorsorgeschädlicher Handlungen hätte nämlich keinen eigenständigen Inhalt außer demjenigen, alles einer optimalen Vorsorge Abträgliche zu unterlassen- Emissionsminimierung als letztlich unbegrenztes Verbot jeglicher Emissionen 21 3. Das ist es aber nicht, was der Gesetzgeber mit dem Vorsorgeprinzip bezweckte. Das Vorsorgeprinzip fordert die allgemein anlagenbezogene Beachtung eines gleichmäßigen Vorsorgestandards214, weil es die Konsequenz aus der Existenz eines Umweltrisikos jenseits zurechenbarer Umwelteinwirkungen und zugeteilter Umweltnutzungsrechte zieht- jedenfalls soweit Stand der Technik (§ 3 Abs. 6 BimSchG) und ihm entsprechende (anlagenbezogene) Emissions(grenz)werte - nicht Immissionsleitwerte- die Vorsorgeanforderungen konkretisieren (vgl. § 7 Abs. I Nr. I u. 2; § 48 Nr. 2 BlmSchG). Das Vorsorgeprinzip verlangt darum vom einzelnen nicht, bei seinem Handeln bestimmte, d. h. abgegrenzte Rechtsgüter zu achten, sondern schreibt in Ermangelung exakt definierbarer (negativer) Nichtstörungsschranken ein Tätigwerden vor, dem nun genauepositive Kriterien vorzugeben wären. Welches sind aber diese Kriterien? Unmittelbar aus dem Begriff der Vorsorge sind sie nach allem nicht zu gewinnen, weil dieser keine begriffsimmanenten Schranken aufweist, sondern als gelungene Vorsorge diejenige ausweist, die schädliche Umwelteinwirkungen vollständig verhindert. Was angemessene Vorsorge ist, folgt bestenfalls aus zusätzlichen Gesichtspunkten. Weil aber der Gesetzgeber nur einen abstrakten Schädlichkeitsverdacht hegt, bieten auch die zu vermeidenden schädlichen Umwelteinwirkungen selbst keine Anhaltspunkte. Sobald von schädlichen Umwelteinwirkungen gesprochen werden kann, greift

213 Insoweit zutreffend die Kritik bei Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 240; vgl. auch Kutscheidt, aaO, S. 449; Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 168; Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 205 f. 214 BVerwGE 69, 37 (46); Breuer, DVBI. 1986, S. 849, 855; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 64 ff., 133 Fn. 88.

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folgerichtig neben § 5 Abs. I Nr. 1 BlmSchG die Vorsorge allenfalls ausnahmsweise im Nahbereich der Anlage215 . Bleibt in systematischer Sicht das in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG genannte Hilfs-Kriterium der dem Stand der Technik entsprechenden Emissionsbegrenzungen. Die hier in ein Ergänzungsverhältnis gebrachten Komponenten können, je für sich betrachtet, den Vorsorgestandard auf verschiedene Weise festlegen. Sollen nämlich Maßnahmen gegenüber dem Anlagenbetreiber, allgemeiner: dem Polizeipflichtigen getroffen werden, so gibt es zwei Möglichkeiten die Anordnung hinreichend bestimmt zu formulieren: indem entweder das Mittel oder das Ziel angegeben wird 216. Der Stand der Technik bezeichnet nun das Mittel, nämlich Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen. Emissionsbegrenzungen im eigentlichen Sinn verweisen dagegen auf Grenzwerte als das wie auch immer zu erreichende - Ziel der Vorsorgemaßnahme. Beide Gesichtspunkte unterscheidet auch das Gesetz in § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BlmSchG. Von diesen vom Gesetzgeber zur Präzisierung des Vorsorgegebots angegebenen Relationen, der Mittel- und der Zielrelation entfaltet freilich nur die erstere eine eigenständig begrenzende Wirkung. Ihr allein war auch nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers diese Funktion zugedacht: Nach dem zunächst einheitlichen Genehmigungstatbestand in § 6 des Regierungsentwurfs mußten auch (Nr. 2) "zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen getroffen werden"217. Zu einem Zeitpunkt als die Vorsorge noch nicht zum Gesetzeszweck erhoben war, setzte man hierbei, um eine entsprechende Begrenzungswirkung zu erreichen, ein traditionelles Verständnis vom "Stand der Technik" voraus, dem nur Verfahren und Einrichtungen gerecht wurden, "die von der Fachpraxis als besonders wirksam anerkannt sind", sich also "im Betrieb bewährt haben", "praktisch erprobt sein" sollten218 . Flankiert wurde diese in sich stehende Vorsorgeverpflichtungdurch die Ermächtigung der Bundesregierung in § 40 Nr. 2 des Entwurfs, Emissionswerte festzulegen, "deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist" (heute § 48 Nr. 2 BlmSchG). Diese Emissionswerte hatten demnach die Funktion, die nach dem Stand der Technik bereits begrenzten Mittel einer dem Schutzzweck deutlich nachgeordneten Vor215 Insoweit richtig Sel/ner, NJW 1980, S. 1255, 1259 I. Sp. Immissionsleitwerte nehmen daher, wie dargelegt, nur für die Überschreitung des Schädlichkeitsrahrnens die Ermächtigung des § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG in Anspruch. Im übrigen beziehen sie sich auf zurechenbar verursachte Einwirkungen,§ 48 Nr. I BimSchG. 216 Bereits Jel/inek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 228, Forstho.ff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 249. Zum Immissionsschutzrecht Jarass, BimSchG, § 12, Rdnr. 10, § 17, Rdnr. 17; Val/endar, in: Feldhaus, BimSchR, Bd. I, § 17 BimSchG, Anm. 10. 217 BT-Drs. 71179, S. 6. 218 BT-Drs. 71179, S. 32. Vgl. auch 2.31 TA-Lärm (v. 16. 7. 1968).

Zweites Kapitel: Die Kontrolle der Umweltnutzung durch das BlmSchG

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sorge durch Zielvorgaben weiter zu konkretisieren, ähnlich wie Immissionswerte die Begriffsgrenzen der Erheblichkeit bestimmen. Das Gesetzesverfahren brachte indessen noch verschiedene Änderungen: Im Zusammenhang mit der Ergänzung des § 1 um den Vorsorgezweck wurde in § 3 Abs. 5a auch eine Legaldefinition des Standes der Technik aufgenommen (heute § 3 Abs. 6)219 , die nach der Begründung des beschlußfassenden Innenausschusses das Ziel verfolgte, den Begriff, einem stärker vorwärtsgerichteten Verständnis der Vorsorge entsprechend, "in einem dynamischen Sinne" fortzuentwickeln220. Erweiterter Gesetzeszweck und dynamisierte Technikanforderung müssen im wechselseitigen Zusammenhang gesehen werden: Auch neue, noch nicht im Betrieb erprobte technische Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, sollten dem Stand der Technik entsprechen und gegenüber dem Betreiber, dessen darauf gerichtete (Grund-)Pflicht zugleich (mit § Sa des Entwurfs) verselbständigt und hervorgehoben wurde, durchgesetzt werden können221. Freilich war mit dieser Dynamisierung die ursprünglich begriffs- (und folglich eingriffs-) begrenzende Wirkung des "Standes der Technik" und die bloß ergänzende Konkretisierungsfunktion von Emissionswerten dahin. Der Gesetzgeber, dem dieser Zusammenhang nicht verborgen blieb, ermächtigte daher mit § 6a (heute § 7) BlmSchG den Verordnunggeber zur verbindlichen Regelung gerade des Standes der Technik, was in der Begründung des Innenausschusses ausdrücklich als notwendige Folge der in § 5a (mit § 3 Abs. 5a, heute § 5 Abs. 1 Nr. 2 mit 3 Abs. 6) BlmSchG i. S. dynamisierter technischer Vorsorgeanforderungen neu und selbständig formulierten Grundpflicht bezeichnet wurde222. In der Verordnungsermächtigung ist dann, worauf Kutscheidt zu Recht hingewiesen hat223 , konsequenterweise nicht mehr von Emissionswerten, sondern von (verbindlichen) Emissionsgrenzwerten die Rede. Das - im einzelnen nach den Materialien nicht näher positiv definierte Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG statuiert demnach in seiner anlagenbezogenen Komponente nur eine unvollkommene Rechtspjlicht. Für sich

219 BT-Drs. 7/1508, S. 4. 220 Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 7/1513, S. 2. 221 AaO, S. 2 f. Vgl. auch Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 28, S. 139. 222 Bericht des lnnenausschusses, aaO, S. 5. § 5a Nr. I bedeutete insoweit keine wesentliche sachliche Änderung, weshalb auch § 6a Abs. I nicht ausdrücklich von Immissions(grenz)werten spricht. Mit geringfügig abweichenden Folgerungen zur Entstehungsgeschichte auch Gusy, Zwanzig Jahre BlmSchG, S. 185, 189 f.; verkannt werden diese Zusammenhänge von Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 280 und insb. von Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 209 ff. 223 Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 255 f ., 259; vgl. auch § 43 Abs. I Nr. I BlmSchG.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

allein ist diese mangels Bestimmtheit nicht vollziehbar-2 24. Sie bedarf der rechtsverbindlichen originären Festsetzung. Zutreffend spricht denn auch das Bundesverwaltungsgericht vom Regelungsspielraum, "den § 5 Nr. 2 (a. F., C. E.) in Verbindung mit§ 7 BimSchG dem Verordnungsgeber eröffnet", behandelt also die beiden Bestimmungen als einen einheitlichen Tatbestand, der zum Erlaß von Vorsorgeregelungen im Rahmen eines "langfristigen, auf eine einheitliche und gleichmäßige Durchführung angelegten Konzept(s)" ermächtigt225. Damit ist zugleich ein wichtiger Unterschied zwischen Festsetzungen im Immissions- und Emissionsbereich offengelegt Im Immissionsbereich könnten wohl nach § 7 Abs. 1, der insoweit keine abschließende Regelung trifft, verbindliche Werte (Grenzwerte) bestimmt werden. Unabdingbar ist dies indes nicht, weil § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG im erforderlichen Umfang - vorbehaltlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit - durch die Konkretisierungsermächtigung des § 48 Nr. 1 BlmSchG ergänzt wird. Anders verhält es sich mit den von § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG vorgeschriebenen Emissionsbegrenzungen, die angesichts der dynamisierten Technikklausel ohne weitere verbindliche (legitimierte) Wert-Entscheidung nichts als eine ausfüllungsbedürftige, nicht vollziehbare Leerformel darstellten. Wird hier das Mittel fortschrittlicher technischer Verfahren, Einrichtungen, Betriebsweisen durch das seinerseits am Stand der Wissenschaft orientierte Ziel qualifiziert, den Schadstoffausstoß auf ein bestimmtes Maß zu begrenzen, so bedeutet das nicht lediglich eine Konkretisierung 226, sondern eine selbständig wertende Festsetzung des Standes der Technik227 . § 40 Nr. 2 (heute§ 48 Nr. 2) BlmSchG ist in seiner ursprünglichen Konkretisierungs-Funktion überflüssig geworden, soweit 224 Dieser auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkt wird häufig nicht hinreichend markiert, vgl. Breuer, DVBI. 1986, S. 849, 855; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 317 f., 319 ff., 323; Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 280; ders., Umweltzertifikate und Kompensations1ösungen, S. 92, 114; Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515, 525 (bei Fn. 53), 529. Reich, GefahrRisiko-Restrisiko, S. 203 ff., insb. 218 ff. postuliert im Gegenteil eine Präzisierungsfunktion des "Standes der Technik", der§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG zur selbständigen Eingriffsgrundlage macht; vgl. auch Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 156. Mangelnde Bestimmtheit und damit fehlende Vollziehbarkeil konstatieren dagegen Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 243 f; Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 57 f.; Ossenbühl, DÖV 1982, S. 833, 839; Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge, S. 40; Schwerdtfeger, WiVerw 1984, S. 217, 227; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 66 f., 288 ff. Die Konsequenzen differieren: Teils wird verbindliche, untergesetzliche Außenrechtssetzung gefordert, so von Grabitz, aaO, S. 244 für den Bereich ressourcenökonomisch und ökologisch motivierter Vorsorge, während manche, etwa Ossenbühl und Rengeling, jew. aaO, für die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung votieren (zurückhaltender freilich später Ossenbühl NVwZ 1986, S. 161, 163, 169, I. Sp.) und andere, etwa Jarass, aaO, Petersen, aaO, S. 322 f., Schwerdtfeger, aaO, Trute, aaO, S. 67, Verwaltungsvorschriften für die Normkonkretisierung ausreichen lassen wollen. 225 BVerwGE 69, 37 (45). 226 Insofern ungenau BVerwG, aaO und mit ihm Jarass, Petersen, Schwerdtfeger und Trute, jeweils oben Fn. 224. 227 Zum deutlich politisch wertenden Charakter gerade von Vorsorgeregelungen auch Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 19 a.E.; Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515, 529.

Drittes Kapitel: Pflicht zur Luftreinhaltung und Schutz der Emissionsbefugnis

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die der Verwaltung vom Gesetzgeber übertragene Definitionsaufgabe den Charakter originärer Rechtsschöpfung trägt228 . Konsequent wurde darum mit der zweiten Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 4. 10. 1985229 durch § 17 Abs. 3 BlmSchG klargestellt, daß die abstrakt-generell festgelegten Vorsorgeanforderungen nicht zur Disposition der im Einzelfall anordnenden Behörde stehen, vielmehr einen auch für diese verbindlichen (Rechts-)Standard setzen230 . Überhaupt vollzieht sich die emissions- und damit anlagenbezogene Vorsorge(§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BlmSchG) nach dem Gesetz nicht in der einzelfallorientierten unmittelbaren Anwendung des Vorsorgegebots nach§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG231 ; sie bedarf der weiteren rechtsnormativen Vermittlung, bevor sie den Anlagenbetreiber aktuell zu verpflichten vermag232 . Diese formal-funktionelle Antwort gibt das Gesetz auf die Frage nach dem positiven Gehalt des anlagenbezogenen Vorsorgegebots.

Drittes Kapitel

Die Pflicht des Anlagenbetreibers zur Luftreinhaltung und der verfassungsrechtliche Schutz seiner Emissionsbefugnis I. Der Rechtsgrund von Umweltnutzungsbefugnissen 1. Die Freiheit des Betreibers und das "Recht auf Umweltverschmutzung"

Fragt man nach der Rechtfertigung der Grundpflichten, so ist an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung gedacht. Daß die Betreiberposition verfassungsrechtlich fundiert ist, ist aber keineswegs ausgemacht. Steht nicht die gemeinnützige Verwaltung knapper Umwelt-Ressourcen von vomherein außerhalb eines solchen Rechtfertigungszusammenhangs? Knappe Umweltgüter seien - ähnlich wie Rechte Dritter ~ grundsätzlich kein möglicher Gegenstand grundrechtlicher Freiheit, so heißt es. Nutzung und Verbrauch spielten sich daher außerhalb der Grundrechtsschutzbereiche ab. Und in der Tat stellt ein "Recht auf Umweltverschrnutzung"233 keine Selbstverständlichkeit 228 Insoweit wie hier Gusy, Zwanzig Jahre BimSchG, S. 185, 190m. Fn. 23. 229 BGBI. I S. 1950. 230 Dies geschah ausdrücklich auch in Reaktion auf das oben zitierte Urteil BVerwGE 69, 37, vgl. Bericht des BT-Innenausschusses, BT-Drs. 10/3556, S. 13, 16. 231 Vgl. BVerwGE 69, 37 (45)- Fernheizwerk; anders die Vorinstanz VGH Mannheim v. 10. 11. 1981, VBlBW 1982, S. 176, 177 f. 232 Vgl. Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 243 f., jedoch gerade für die- hier abgelehnte- ressourcenökonomische und ökologische Funktion der Vorsorge. 233 Vgl. den Begriffbei Send/er, UPR 1983, S. 33, 41, auch Murswiek, DVBI. 1994, S. 77, 79. Gegenkritik bei Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 100 ff., WiVerw 1989, S. 121, 131 ff.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

dar234 - selbst wenn man in Betracht zieht, daß der Betreiber einer emittierenden oder sonst auf die Umwelt einwirkenden Anlage diese kaum in einer anderen denn der Umwelt abträglichen Weise sinnvoll nutzen kann, sollen sich die erheblichen Errichtungs- und Unterhaltskosten lohnen. Der NaßauskiesungsBeschluß des Bundesverfassungsgerichts235 hat das für die Eigentumsgewährleistung nach Art. I4 Abs. I GG- nicht zuletzt dem Kläger des Ausgangsverfahrens - drastisch klargemacht Dieser mußte auf weiteren Betrieb seiner Kiesbaggerei ersatz- und entschädigungslos verzichten, weil die seit I936 ausgeübte "andere alte Benutzung", im Wasserschutzgebiet gelegen, nach den Grundsätzen des Wasserhaushaltsgesetzes deq1 Wohl der Allgemeinheit widersprach und nicht mehr erlaubnisfähig erschien(§§ I7, 6, I5 WHG): Das Grundstückseigentum - ein darüber hinausreichendes eigenständiges, i. S. des § 17 Abs. 2 WHG privilegiertes "Recht" lag nicht vor (vgl. § I7 Abs. I Satz I Nr. 2)236 - umfasse nach der zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers nicht das Grundwasser237 . Der Fortfall der bislang nach § I96 des Preußischen Wassergesetzes 238 gegebenen (sonstigen) wasserrechtlichen 234 Das Problem selbstverständlicher Grundrechtsschranken ist älter, vgl. etwa Dürig, AöR 79 [1953/54], S. 57, 79, 80, 82; aus neuererZeitnoch H.H. Klein, DVBI. 1994, S. 489, 491. Die Gegenthese zur freien Nutzbarkeit gerade von Umweltgütern findet sich dagegen wohl erstmals dogmatisch ausgearbeitet bei Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 245m. Fn. 42,246 m. Fn. 44, 248 f. , vgl. ferner dens., Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 112, Rdnr. 67, 83, 102 ff., dens., DVBI. 1994, S. 77, insb. 80 ff.; dens., NuR 1994, S. 170, 175 f. Dieser lehnt einen spezialgrundrechtlich verankerten Nutzungsanspruch a limine ab, einen Nutzungsanspruch aus dem allgemeinen Freiheitsrecht im Ergebnis: Gesetzliche Beschränkungen stellen danach entweder die bürgerliche Rechtsordnung her, indem sie die Freiheit des einen mit der des anderen kompatibel machen, und damit die denknotwendige Voraussetzung rechtlich garantierter Freiheit zwischen Privaten schaffen oder sie beschränken im Gemeininteresse die faktische Teilhabe an öffentlichen Umweltgütem. Sie sind insofern jeweils bis zur Schwelle einer institutionellen Kern-Garantie individuell unverzichtbarer Umweltnutzung materiell gerechtfertigt. Es bedarf zwar formal-rechtstechnisch einer gesetzlichen Ermächtigung; Art. 2 Abs. I GG besitzt jedoch materiell-rechtlich keinen Gewährleistungsgehalt Die Umweltnutzung siedeln außerhalb grundrechtlicher Schutzbereiche auch an: Lorenz, Festschrift Lerche, S. 267, 270 ff., 275 ff.; Scherzberg, DVBI. 1994, S. 733, 742 f.; Wieland, WUR 1991, S. 128, 134. Nach Lorenz soll in solchen Fällen der Inanspruchnahme der Rechte Dritter oder von Umweltgütem, eine "abwägende Zusammenordnung der widerstreitenden Rechtsgüter", aaO, S. 272, bzw. eine Abwägung der Freiheitsbetätigung mit Allgemeininteressen, S. 279, die Grenze bereits des Schutzbereichs ergeben(- solange das Verhalten im Regelungsbereich des Grundrechts verbleibt). Damit markiert freilich der Schutzbereich zugleich Voraussetzung und Ergebnis des Grundrechtsschutzes; Schutzbereich und Schranken werden im Abwägungsprozeß ineinander übergehen. Scherzbergs verallgemeinemder Hinweis, aaO, in Fn. 97, auf schutzbereichsimmanente Schranken der Wissenschaftsfreiheit wiederum geht fehl, weil es sich bei der Wissenschaftsfreiheit um eine spezifische Ausprägung der Geistes-, mithin der Denk-, nicht einer Handlungsfreiheit handelt. Zu Begriff und Problem auch Isensee, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 3, 4. 235 BVerfGE 58, 300. 2 36 Vgl. BVerfGE 58, 300 (350) m. Nw. aus der Rechtsprechung, insb. BVerwGE 20, 219. 237 BVerfGE 58, 300 (332 ff.) 238 Vom 7. Aprill913, Gesetzsammlung S. 53; nach dieser Vorschrift konnte der "Eigentümer eines Grundstücks ... über das auf oder unter der Oberfläche befindliche Wasser verfügen, soweit sich nicht aus diesem Gesetz ... ein anderes ergibt oder Rechte Dritter entgegenstehen".

Drittes Kapitel: Pflicht zur Luftreinhaltung und Schutz der Emissionsbefugnis

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Eigentümernutzung sei aber bloße Ausgestaltung der Eigentümerstellung nach Art. 14 Abs. I Satz 2 GG und grundsätzlich nicht als Enteignung entschädigungspflichtig239. Nach diesem Diktum hatte also die Beeinträchtigung des Umweltschutzguts Grundwasser im Grundsatz von vornherein keine Grundlage im grundrechtlich geschützten Eigentum. Indessen findet der Grundsatz seine Erklärung in den Besonderheiten der Eigentumsgarantie: Das Eigentum wird von der Verfassung in Art. 14 Abs. I GG nicht einfach vorausgesetzt. Infolgedessen weist auch Art. 14 Abs. 1 GG keinen klassischen Eingriffsvorbehalt auf. Vielmehr erteilt er mit Abs. 1 Satz 2 dem Gesetzgeber einen Auftrag, die Rechtsstellung des Eigentümers auszugestalten, damit, wenn auch in gewissen Grenzen: originär zu bestimmen240: "Der Gesetzgeber schafft damit auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen(!) und ausformen; sie können privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Natur sein" 241 . Auf dieser Ebene des Inhalt und Schranken des Eigentums pro futuro bestimmenden Gesetzes ist es zwangsläufig zunächst unerheblich, ob etwa nach der reichsgesetzlichen Rechtslage im Jahre 1900 gern. § 905 BGB die Grundwassernutzung zur Eigentümerbefugnis zählte242 : Zwar ergibt sich diese für den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall aus § 196 PrWG243 . § 1a Abs. 3 WHG dient dann der eigentumsrechtlichen "Klarstellung" 244 des mit§§ 6, 7, 8, 15 ff. WHG konstitutiv bewirkten Ausschlusses, wie umgekehrt § 196 PrWG zuvor als Inhaltsbestimmung dem Eigentümer bestimmte Nutzungsbefugnisse zuerkannt hatte. Was demgegenüber§ 905 BGB ursprünglich als Inhalt voraussetzte, ob er also die Nutzung am Grundwasser von der Eigentümerstellung inhaltlich umfaßt wissen wollte oder eine Zuweisung schlichtweg nicht vornahm245, ist abstrakt-generell, aus Sicht der Eigentumsordnung 239 BVerfGE 58, 300 (330, 336, 350 f.). 240 Vgl. BVerfGE 58, 300 (330, 335); 84, 382 (385). Aus der Literatur: Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2568, 2572 f.; Burgi, NVwZ 1994, S. 527, 529 f. m. Fn. 40; Enders, AöR 115 (1990), S. 610, 621 f.; Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 139 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 15, 25; Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht II, Rdnr. 226 f., 230 f., 960, 966; Schach, Jura 1989, S. 113, 115 bei Fn. 39, S. 116, 117; Wahl, Festschrift Redeker, S. 245, 255 f . Diese besondere Struktur ist bei einer Verallgemeinerung der Aussagen des Naßauskiesungsbeschlusses zu beachten, vgl. Sendler, UPR 1983, S. 33, 41; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 245 m. Fn. 42, 366. 241 BVerfGE 58, 300 (330, auch 335 f.); auf letzteren Aspekt weist bereits Stier-Somlo, VerwArch 18(1910), S. 140, 150hin. 242 BVerfGE 58, 300 (332- 334). 243 BVerfGE 58, 300 (349). 244 Vgl. BVerfGE 58, 300 (305, 317). 245 Vgl. BVerfGE 58, 300 (334). 5 Enders

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

betrachtet solange ohne Belang, wie es um die ausdrückliche Neu-Zuweisung oder einen Nutzungsausschluß für die Zukunft geht246 . Denn dann steht gewissermaßen die Norm als solche, in ihrer abstrakten Natur als reine Rechtsregel zur Debatte. Ihren Gestaltungsmöglichkeiten setzt zwar die Institutsgarantie des Eigentums gewisse äußerste Grenzen, die eine gesetzliche Abschaffung dieser Rechtseinrichtung verbieten247 . Im übrigen liest sich Art. 14 GG auch außerhalb des Absatzes 1 als Ermächtigung des gemeinschaftsordnenden Gesetzgebers. Denn soweit Absatz 2 nicht überhaupt nur eine besondere - gesetzlich zu konkretisierende - Pflichtigkeit des Eigentümers hervorheben will248 , verweist er auf das Gemeinwohl als Regelungsziel, das im demokratischen Rechtsstaat traditionell vom parlamentarischen Gesetzgeber definiert wird. Deshalb kommt es auch so maßgeblich darauf an, ob es sich- wie im Wasserhaushaltsgesetz - um (Neu-)Regelungen handelt, die eine nur abstrakt-generelle Inhalts- und Schrankenbestimmung treffen und die Eigentümerstellung ausgestalten249 oder ob eine Enteignung Ziel der Regelung ist250: Die Enteignung nämlich begründet ein besonderes Staat-Bürger-Verhältnis251 . Sie stellt einen Eingriff dar, der im Unterschied zu den bloßen Freiheits- (d.h.: Herrschafts-)beschränkungen der allgemeinen Rechtsordnung der besonderen Rechtfertigung bedarf. In Anerkennung der an sich nach der allgemeinen Rechtsordnung bestehenden Berechtigung252 ist deren Entzug als echte Ausnahme geregelt ("Sonderopfer"). Eben weil der Staat hier nicht Rechtsverhältnisse nach allgemeinen Grundsätzen ordnet, muß er sich an der gesetzlich näher zu bestimmenden öffentlichen Aufgabe messen lassen, zu deren Erfüllung ("zum Wohle der Allgemeinheit") gerade das konkrete Rechtsobjekt benötigt wird, so daß der Zugriff auf die konkrete Rechtsposition unverzichtbar erscheint253. Die Entschädigungspflicht entspricht dieser Ausnahme vom regulä246 BVerfGE 58, 300 (336, 350 f.). 247 Insb. BVerfGE 24, 367 (389). 248 Vgl. BVerfGE 37, 132 (140 f.) ; 68, 361 (368). 249 BVerfGE 58, 300 (336, 351). Sc/weh, Jura 1989, S. 113, 118 f. 250 Sei es eine (Legal-)Enteignung oder eine gesetzliche Ermächtigung zur Administrativent-

eignung. Sie wäre durch die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Bigenturnspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. I Satz I zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben zu kennzeichnen, BVerfGE 24, 367 (394), BVerfGE 58, 300 (330 f., 336 f., 351); näher BVerfGE 56, 249 (266, 271 ff.)- abw. Meinung Böhmer; ferner etwa BVerfGE 66, 248 (257); 70, 191 (199 f.); 74, 264 (280); 79, 174 (191); BVerwGE 84, 361 (366). Lege, NJW 1993, S. 2565 ff.; Schoch, Jura 1989, S. 113, 118 f. , jew. m. Nw. 251 Zum Folgenden auch Böhmer, BVerfGE 56, 266 (271 ff.) - abw. Meinung; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 323 ff., 326. 252 Vgl. C. Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 110, 118 ff., 120. 253 Vgl. BVerfGE 66, 248 (257). Insofern fragt sich, ob auf das Erfordernis der Rechtsübertragung zur Verwirklichung eines Gemeinwohlprojekts verzichtet werden kann; bejahend etwa Burgi, NVwZ 1994, S. 527, 528 m. Fn. 18, 529 bei Fn. 24, Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 211, 236, Maurer, Festschrift Dürig, S. 293, 305, ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdnr. 27,

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ren Rechte- und Pflichtenverhältnis, markiert das Außergewöhnliche des Vorgangs und erinnert an die ursprünglich der Expropriation anhaftende deliktische Eigenschaft, indem sie anstelle eines Bestandsschutzes nur Entschädigung, Wertersatz gewährt254. Die ganz andere, abstrakt-generelle und verfassungsrechtlich kaum gebundene Perspektive der Inhalts- und Schrankenbestimmung ist in die Zukunft gerichtet und sieht vom konkreten Eigentumsgegenstand und d.h. der konkreten Rechtsposition ab. In dieser abstrakt-generellen Irrelevanz des rechtlich gegebenen Eigentumsbestandes spiegelt sich der stets originäre Charakter von Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wider, die in ihrer Summe die Rechts- als Eigentumsordnung konstituieren, welche die Herrschaftsmacht des Eigentümers bestimmt und begrenzt. In dieser Rechtsnatur des Eigentums liegt eine partielle Umkehrung des rechtsstaatliehen Verteilungsprinzips: An sich wäre nach diesem, den Grundgedanken der Freiheitsrechte bezeichnenden Prinzip die inhaltlich undefinierte Freiheit des Individuums das Erste und die Regel, ihre Einschränkung die logisch sekundäre, stets begründungs- und rechtfertigungsbedürftige Ausnahme255 . Weil aber das Eigentum nach Auffassung des Grundgesetzes eine positive Bestimmung seines Inhalts erforderlich macht, setzt ein Stillschweigen des Gesetzes keine Vermutungsregel zugunsten eines "an sich" auf Verfassungsebene umfassend gewährleisteten Eigentumsrechtes in Kraft256 . Darum erscheint ihre sachlich variable und relative Reichweite geradezu als Substanz der verfassungsrechtlichen Gewährleistung und diese der Neuregelung dem Grunde nach jederzeit zugänglich257 . Anders gesprochen: Das Eigentum verleiht gerade gegenüber dem Staat in seiner Gesetzgebungsfunktion keine (verfassungs-) rechtliche Be46; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 328 f.; verneinend Lege, NJW 1993, S. 2565, 2566, 2567 rn. Fn. 32, 2569, ders., JZ 1994, S. 431, 432 (r. Sp.), 438 (1. Sp.); Osterloh, DVBI. 1991,906, 911 ff. 254 Vgl. Fleiner, Festgabe Laband, Bd. II, S. 1, 20 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Vetwaltungsrechts, S. 23; Mayer, Deutsches Vetwaltungsrecht I, 3. Auf!., S. 222m. Fn. 16. 255 Zum Gedanken bereits Fleiner, Festgabe Laband, Bd. II, S. I, 10; ferner ders., Institutionen des Deutschen Vetwaltungsrechts, S. 131, 389; zum Begriff C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 126 f., 166, 175. 256 BVerfGE 58, 300 (334, 334 f. , 335 f.); ferner etwa BVerfGE 84, 382 (385). Die ablehnende Position von Engel, AöR 118 (1993), S. 169, 193 ff., beruft sich, aaO, S. 195, zu Unrecht auf BVerfGE 58, 300 (335): Daß der "Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigenturns ... aus der Verfassung selbst gewonnen werden" müsse, heißt zum einen nur, daß es einen verfassungsrechtlichen Begriff des Eigentums gibt, daß also ein Rechtsinstitut, das der Gesetzgeber "Eigentum" nennt, diesen Namen nicht ohne weiteres verdient. Zum anderen kann eine einzelne Vorschrift des einfachen Rechts wie etwa § 903 BGB aufgrund der besonderen Struktur der Eigentumsgewährleistung nicht für sich in Anspruch nehmen, den Inhalt des Eigentums abschließend zu bestimmen. 257 BVerfGE 58, 300 (350 f.).- Nicht zufällig verortet also Hesse die "Garantie des Eigentums" außerhalb des Kreises der Freiheits- und Gleichheitsrechte, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 441 ff.

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fugnis. Verhaltens- und damit Nutzungsbefugnisse für die Zukunft ergeben sich nie unmittelbar aus Art. 14 Abs. I GG. Und das gilt entsprechend für die derivativen Positionen des einfachen Rechts, die nichts als den ihnen vom Gesetzgeber zugedachten Inhalt schützen: "Befugnisse" statuieren sie nach Maßgabe der Gesetzesbindung gegenüber Behörden, Gerichten und im Zivilrecht auch zwischen Privaten. Gegenüber dem Inhalt und Schranken des Eigentums für die Zukunft bestimmenden Staat erweisen sich dagegen diese begrenzten Berechtigungen als unselbständig und irrelevant258. Sie erscheinen im Lichte der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie tatsächlich als Gegenstand allgemeiner Chancenzu teilung 259. Das öffentliche Regime zum Schutz von Umweltgütern mag nun, solange dabei ein Kern unerläßlicher Gefahrenabwehr gewahrt bleibt, in durchaus verschiedener und verschieden weit reichender Weise errichtet werden. Beschränkt sich eine entsprechende Regelung nicht auf punktuelle Verbote und (planerische) Einzelermächtigungen, kommt - in diese Richtung tendiert das Wasserrecht-unmittelbar die Begründung einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung im engeren Sinne eines Gemeingebrauchs260 in Betracht, die je nach Bedürfnis der Bewirtschaftung verschieden ausgedehnt261 erfolgen und 258 Weil in diesem Sinne selbständige Eigentumsgehalte nicht existieren, ergibt sich auch entgegen Burgi, NVwZ 1994, S. 527, 530 ff., die Befugnis zum Bebauen von Grundstücken dem Staat (als Staat) gegenüber nicht als selbständige Rechtsposition der Baufreiheit aus § 903 BGB. Diese Vorschrift berechtigt nach dem Willen des Gesetzgebers im Verhältnis gleichgeordneter Privatrechtssubjekte, vgl. bereits PrOVGE 14, 378 (380 f.). Mangels weiterreichenden Gehalts hilft sie darum nicht, im Falle die Grundstücksnutzung hoheitlich beschränkt wird, die Frage: Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung ohne Rückgriff auf zusätzliche Kriterien zu beantworten. Allgemein ist ein solcher Versuch der Begründung auf Nutzung (des Bodens, des Wassers, der Luft) gerichteter (Teil-) Rechtspositionen aus dem Eigentum, vgl. Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 129 ff., Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 211, 217 ff., nicht eindeutig Bryde, in: v. Münch!Kunig, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 14, 30, infolge der besonderen verfassungsrechtlichen Struktur der Eigentumsgarantie zum Scheitern verurteilt. 259 Sendler, UPR 1983, S. 33, 41; vgl. auch Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 318, 323 ff. Eine weitere Frage ist, wie es sich mit der Auswirkung auf bereits ins Werk gesetzte Nutzungen verhält; dazu unten. Das hierin begründete schwierige Verhältnis der Inhalts- und Schrankenbestimmung zur Enteignung findet in Gestalt salvatorischer Entschädigungsklauseln gesetzlichen Ausdruck, vgl. BVerwGE 84, 361. Zu diesen Maurer, Festschrift Dürig, S. 293, 312; Pietzcker, JuS 1991 , S. 369. 260 Auch abstrakt, also durch Gesetz, vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 383, und grs. auch an privatem Eigentum, ders., aaO, S. 379 f.; vgl. § 2 Abs. 2 u. 3 FStrG, §§ 5 Abs. I, 12 StrG B.-W. 261 Auch an eine erweiterte Einführung öffentlichen Eigentums, das nicht unter dem Regime der Privatrechtsordnung steht, vgl. für das Bett der öffentlichen Gewässer§§ 4, 5 WG Ba-Wü (mit Art. I Abs. 2, 65 EGBGB), dazu Forsthoff, aaO, S. 379 m. Fn. 4 u. 5, wäre zu denken, das angesichts seines besonderen öffentlichen Zwecks der Institutsgarantie des Eigentums nicht zuwiderläuft, BVerfGE 24, 367 (390). Schließlich kommt eine Vergesellschaftung nach Art. 15 GG in Betracht. In allen Fällen ist aber bestehendes Privateigentum zu berücksichtigen (vgl. § 4 Abs. I Satz 2 WG B.-W.), bzw. das Gebot einer Entschädigungsregelung zu beachten, BVerfG aaO, S. 395, 403 ff.

Drittes Kapitel: Pflicht zur Luftreinhaltung und Schutz der Emissionsbefugnis

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etwa übermäßige (Sonder-)Nutzungen in konsequenter Fortführung des Grundmodells mit einer Verleihungsgebühr belegen könnte262 . Die zentrale Frage lautet aber: Bedarf es aus dem materiellen Grunde des rechtsstaatliehen Freiheitsvorrangs eines förmlichen und verhältnismäßigen Gesetzes, das die Nutzung knapper natürlicher Ressourcen und die Belastung der Umwelt gemeinverträglich ordnet, gegebenenfalls auch öffentliche Güter benennt, die im Interesse der Allgemeinheit der Bewirtschaftung bedürfen263 , oder geht es stets um gewährendes, freiheitsermöglichendes Staatshandeln, das auf die Gesetzesform allenfalls objektiv-rechtlicher Erfordernisse wegen verwiesen ist264? Wenn gerade die Eigentumsgewährleistung besonders schwach entwickelt scheint, erledigt sich damit keineswegs das Rechtfertigungsproblem im Ganzen. Um dies zu erkennen, muß noch nicht im einzelnen erörtert werden, wo genau die verfassungsrechtlichen Grenzen der tendenziell freien Ausgestaltung zu ziehen wären, damit Eigentum nicht einfach nach Maßgabe des einfachen Gesetzes gewährleistet wird265 . Trotz partieller Umkehrung des Verteilungsprinzips durch Art. 14 Abs. I GG steht die Nutzung knapper Umwelt-Güter keineswegs außerhalb des individuellen Beliebens: Soweit sie vor dem Zugriff des Gesetzgebers von vornherein nicht durch Art. 14 Abs. I GG geschützt wird, greifen andere Grundrechte Platz, subsidiär Art. 2 Abs. 1 GG. Sie stellen das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip wieder her, lassen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch wieder aufleben. Dieses aus den Freiheitsgrundrechten folgende Recht, auf Bodenschätze, Wasser, Luft zuzugreifen, steht allerdings unter dem- gesondert an der Verfassung zu überprüfenden - Vorbehalt gesetzlicher Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse Dritter, erlaubt zunächst nur die Nutzung gesetzlich nicht zugeteilter Entfaltungsbereiche und nicht zugewiese-

262 Vgl. auch Wieland, WUR 1991, S. 128, 133 f.; Murswiek, NuR 1994, S. 170, 172 (m. Nw .), 175 f., jedoch kritisch gegenüber der rechtlichen Notwendigkeit und Leistungsfähigkeit gerade des Instruments der Verleihungsgebühr. Gebühren für den schlichten Gemeingebrauch, vgl. Forsthoff, aaü, S. 390, kommen demgegenüber nur in Frage, wenn eine über die bloße Zulassung hinausgehende Leistung des Staates vorliegt. 263 So bereits Fichte, Grundlage des Naturrechts, S. 222. Wenn dort ausgeführt ist, daß der "Bergbau ein natürliches Regale" sei, so ist damit der "Grundsatz" gemeint, daß der Staat das Recht haben soll, bestimmte, sich nicht reproduzierende Naturprodukte "zu einem Regale zu machen". "Die Hauptsache dabei ist die, dass nur das ausdrücklich gegebene Gesetz (die ausdrückliche Declaration der geschehenen Zueignung... ), keinesweges aber ein stillschweigend vorausgesetztes, die Bürger von der Besitznehmung ausschliesse". 264 Insb. Murswiek, o. Fn. 2; auch Lorenz, Festschrift Lerche, S. 267, 272. 265 Kritik an einer unbeschränkten Ermächtigung des Gesetzgebers bereits bei C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 166, 171 f. Zum Problem des Verhältnisses zwischen Gewährleistung und Ausgestaltungsauftrag: Jsensee, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 3, 15; Jarass, in: Pieroth/Jarass, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 28 ff.; Leisner, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 149, Rdnr. 54 ff. ; Pieroth/Schlink, Grundrechte- Staatsrecht II, Rdnr. 230 f .; Schach, Jura 1989, S. 113 f., 118; Wahl, Festschrift Redeker, S. 245, 255m. Fn. 39, 256.

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ner ("freier") Güter266 . Selbst wenn aber bei Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Umweltregimes eine bislang bestehende (privatrechtliche) Bindung bestimmter Güter erst aufgehoben werden müßte, trifft dies, solange nicht einfach die Rechtszuständigkeit wechselt, nicht ausschließlich die Eigentümer als Eigentümer267 , sondern die Menge sämtlicher potentieller Umweltnutzer. Mit dem Ende ihrer eigentumsrechtlichen Zuordnung fallen diese zuvor gebundenen Güter wieder in die allgemeine Freiheitssphäre268 . Das öffentlich-rechtlich begründete Regime setzt in solchen Fällen die Maßstäbe einer allgemeinen 266 Zur Rechtfertigungsbedürftigkeit von Nutzungsbegrenzungen durch die allgemeine Rechtsordnung, vgl. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsgrundrechte, S. 204 ff. und Enders, Der Staat 35 (1996). Wird das bestehende rechtliche Verbot, Eigentum Dritter in Anspruch zu nehmen, durch Widmung des Eigentumsgegenstands zur öffentlichen Sache überwunden, so bedeutet dies keine originäre Neubestimmung der Rechtssphären, sondern eine staatliche Leistung zugunsten der Berechtigten. Wenn daher die Duldungspflicht des Eigentümers, die durch Widmung der eigentumsrechtlich gebundenen Sache an den Gemeingebrauch begründet wurde, wieder beseitigt wird, so kann ein originärer Eingriff in die Freiheit der Begünstigten hierin nicht liegen, weil lediglich eine staatliche Leistung zurückgenommen wurde. Dafür spricht in tatsächlicher Hinsicht der Hintergrund der Daseinsvorsorge, rechtlich aber der Umstand, daß das fortbestehende Privateigentum lediglich durch eine öffentlich-rechtliche, durch ihren Zweck begrenzte Bindung überlagert wird, d.h. weiterhin veräußert und zugunsten Dritter dinglich belastet werden kann, Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 379 ff., Lorenz, Festschrift Lerche, S. 267, 276; vgl. auch BVerfGE 24, 367 (388), VGH Mannheim v. 7. 7. 1994, NVwZ-RR 1995, S. 185, 186. Auch wenn man jenen Vorgang als vollständigen Entzug einer (Teil-)Rechtsposition deutet (so Lege, NJW 1993, S. 2565, 2567), besteht also nach dem Willen der Rechtsordnung ein Regel-Ausnahmeverhältnis: Der (öffentlich- rechtlich eröffnete) Nutzungsanspruch bildet die Ausnahme von der (privatrechtlichen) Ausschlußbefugnis des Eigentümers. Er verkörpert eine Leistung und wird als Teilhabeanspruch von Anfang an nur final bedingt eingeräumt. Die Entwidmung macht die Ausnahme rückgängig, indem sie die Zweckbindung aufhebt, stellt folglich, was etwa Rennert, NJW 1989, S. 3261, 3263 verkennt, keinen neuen (gezielten) Eingriff dar, sondern setzt die allgemeine Regel wieder in Kraft. Da der Staat als potentiell Berechtigter an der zivilrechtliehen Eigentumsordnung Teil hat, vgl. auch Anschütz, VerwArch 5 (1897). S. I, 87 f., ist im übrigen für diese Erwägung gleichgültig, daß nach BVerfGE 61. 82 (108 f.) Art. 14 Abs. 1 GG nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater schützt. Unabhängig von einer Widmung gibt es auch hier keinen (freiheitsrechtlichen) Zugangs- oder Nutzungsanspruch. In BVerfGE 80, 137 (15I f.)- Reiten im Walde -, hätte schon mit Rücksicht auf das privatrechtliche Eigentum die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verworfen werden müssen. Im Ergebnis übereinstimmend Lorenz, aaO; Murswiek, DVBI. 1994, S. 77, 82 in Fn. 26; anders wohl Burgi, ZG 1994, S. 341, 362 f. Zur Möglichkeit der Grundrechtsbindung im Rahmen des Gemeingebrauchs, Enders, VerwArch 83 (1992), S. 527, 551 ff.; etwas anders Burgi, aaO, S. 359 ff., Erichsen, in: Handbuch des Staatsrechts, Band VI,§ 152, Rdnr. 63 ff. 267 Wie im Falle öffentlicher Nutzung an privaten Gütern - vgl. oben Fn. 266 -, anderweitiger Enteignung oder Vergesellschaftung von Privateigentum oder der Neu(zu)ordnung bestehender Sachherrschaft durch Umwandlung in öffentliches Eigentum, vgl. BVerfGE 24, 367 (388 ff.). 268 Eine Regelung wie die des § 196 PrWG verändert unmittelbar die Eigentumsordnung und schränkt die Zugriffsbefugnisse Dritter ein, die demgemäß mit ihrer Streichung wieder erweitert werden. Insofern kommt es tatsächlich darauf an, ob § 905 BGB eine Grundwassernutzungsbefugnis einräumt. ·Wäre dies der Fall, wären nur die Grundeigentümer Eingriffsadressaten, ansonsten sämtliche Nutzungsinteressenten, so daß der obligatorisch Berechtigte aus eigenem Recht Verfassungsbeschwerde erheben könnte. Andere Dritte können sich auf ihre Freiheitsrechte berufen, wenn ein Zugriff auf das Grundwasser ohne Verletzung des Grundeigentums möglich erscheint, §§ 903, 905 BGB.

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Nutzung dem Grunde nach - zumindest für eine logische Sekunde - "freier" Umweltgüter. Sie steht dem bisherigen Eigentümer so sehr oder so wenig zu wie anderen Rechtsunterworfenen. Die demnach fortbestehende Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlichen Umweltschutzes läßt sich weder mit dem Hinweis auf die allgemeine Rechtsordnung noch auf die (zunächst nur faktische) Bedeutung der natürlichen Lebensgrundlagen für die Gemeinschaft bestreiten: Wird die individuelle Freiheit zur Umweltnutzung gezielt im öffentlichen Interesse (des Umweltschutzes) ausgeschlossen, so geht es dem hierin notwendig begründeten öffentlich-rechtlichen Verbot selbst dort, wo Private seiner Schutzwirkung teilhaftig werden, nicht primär um eine Bestimmung von (mehr oder weniger selbstverständlichen) Befugnisgrenzen zwischen den Rechtssubjekten innerhalb der zivilen Rechtsgüterordnung. Es zeichnet auch nicht a priori feststehende Umweltnutzungsschranken nach, um gewissermaßen die dem Zugriff des einzelnen von selbst, kraftNaturder Sache entzogenen Güter269 beim öffentlich-rechtlichen Namen zu nennen. Vielmehr definiert es in Gestalt des "öffentlichen Interesses" das Interesse der verfaßten Gesamtheit, als welches es gegen das Privatinteresse aller einzelnen durchzusetzen ist270. Der demokratisch gewählte Gesetzgeberund dieser nur in den gebotenen Formen - ist hierzu nun gerade deshalb vorrangig berufen, weil das öffentliche Interesse im allgemeinen unter dem Grundgesetz so wenig selbstverständlich ist, wie etwa seine besondere Ausprägung in der Qualität eines öffentlichen Gutes 271 . Die Verfassung verlangt deshalb nicht nur eine Entscheidung des Gesetzgebers. Aus demselben, in der allgemeinen Freiheitsverbürgung subjektiv-rechtlich verankerten Grund des rechtsstaatliehen Verteilungsprinzips (Art. 2 Abs. 1 mit 1 Abs. 3 GGl72, schließt sie sich von selbst verstehende Freiheitseingriffe normativ aus und gebietet stattdessen ihre ausdrückliche Begründung und Rechtfertigung vor dem Freiheitsanspruch des Bürgers. Die beiden Fragen nach Form und Inhalt der Rechtfertigung können angesichtsder Grundrechtsbindung der gesamten staat-

269 A.A. Wieland, WUR 1991, S. 128, 134. 270 Zu diesem Begriff des öffentlichen Interesses: Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 68 f. ; ihm folgend Anschütz, VerwArch 5 (1897), S. I, 109. Für ein Nachbarrecht zwischen "öffentlichem Eigentum" (am Naturhaushalt) und dem privaten Eigentum ist aus dieser Sicht entgegen Ladeur, NuR 1994, S. 8, 9, 11, kein Raum; der Staat ist nicht "Nachbar", vgl. bereits Enders, AöR 115 (1990), S. 610, 626 m. Fn. 87. 271 Anders für den insoweit unzulänglichen Begriff des öffentlichen Guts i. S. der politischen Ökonomie, bei dem "von positiv-rechtlichen Bestimmungen abgesehen und nur die Frage gesteilt (wird), ob das Gut als solches die beiden Eigenschaften (scil. Unteilbarkeit und Öffentlichkeit) hat, die es zu einem öffentlichen ... Gut qualifizieren", Hiiffe, Sittlich-politische Diskurse, S. 135, 150. 272 Vgl. für das Grundgesetz Bachof, Gedächtnisschrift W. JeJlinek, S. 287, 301; Dürig, AöR 79 (1953/54), S. 57, 62,jedoch mit zu weitreichenden Folgerungen.

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liehen Gewalt nur einheitlich beantwortet werden273 . Der allgemeine, ggf. spezialgrundrechtlich gesicherte Freiheitsanspruch reicht darum grundsätzlich auch hier so weit, als er nicht durch verfassungs-, und insb. verhältnismäßiges Gesetz eingeschränkt wird 274 . Und je nach der regelungstypischen Schwere des Eingriffs werden die Anforderungen an die materielle Rechtfertigung des Gesetzes differieren. 2. Die Rechtsnatur von Umweltnutzungsbefugnissen und die Frage nach den Befugnisgrenzen

Umweltnutzungsbefugnisse fließen dem Staat gegenüber von Verfassung wegen aus den Freiheits- als Betätigungsgrundrechten. Daraus folgt der Rechtscharakter der Befugnis oder Berechtigung. Es handelt sich nicht um eines der Rechte an einer oder auf eine Sache oder Leistung, wie sie das Zivilrecht vermittelt und wie sie auch ein Zertifikatmodell zu seinem Gegenstand machen könnte. Geht es verfassungsrechtlich, um zunächst von Verfassungsrechtspositionen Dritter abzusehen275 , um Unterlassungsansprüche, kraft derer verfassungswidrige (insb. ungesetzliche und übermäßige) Einschränkungen individueller Freiheit abgewehrt werden können, so stellen sich die Regelungen des einfachen Rechts als potentielle Grenze dieses (inhaltlich ansonsten nicht definierten) Anspruchs dar276 . Ob sie durch unmittelbare gesetzliche Verhaltens273 Auch die Möglichkeit gewohnheitsrechtlich begründeter Freiheitseinschränkung zum Schutz von Sicherheit und Ordnung ist aus der Not der Zeit geboren, vgl. v. Doemming!Füßleinl Matz, JöR I (1951), S. 55 ff., 57; aus der Rspr. auch VGH Württ.-Baden, DÖV 1952, S. 279, 282 f., BVerfGE 6, 32 (39 f.) und hierzu Dürig, AöR 79 (1953/54), S. 57, 58, und jedenfalls heute obsolet, Erichsen, Handbuch des Staatsrechts, Band VI,§ 152, Rdnr. 35. Vgl. allerdings OVG Lüneburg v. 21. 3. 1994, NdsVBI. 1994, S. 40- gewohnheitsrechtlicher Friedhofszwang. 274 Tragen demgegenüber "formale" Freiheitseingriffe des Gesetzgebers ihre Rechtfertigung in sich (vgl. oben Fn. 234), kann sich der einzelne bei konsequenter Konstruktion (subjektiv-rechtlich) nicht mehr von Verfassung wegen auf Gesetzesvorbehalt und Verhältnismäßigkeilsgrundsatz berufen. Das gilt auch, wenn unmittelbar zwingende Verfassungsgebote zur immanenten Rechtfertigung herangeführt werden. Denn entgegen H. H. Klein, DVBI. 1994, S. 489, 491; Wahl/Masing, JZ 1990, S. 553; Wahl, in: UTR Bd. 14, S. 7, 26 f. , wird das Ungleichgewicht zwischen Schutz und Eingriff durch das objektive Erfordernis eines Gesetzes nicht (mehr) behoben, weil es insoweit bei der nunmehr von Klein, aaO, S. 489 in Fn. 2 widerrufenen - Feststellung bleibt, "daß die Grundrechte nicht beides zugleich sein können: Ansprüche auf staatliche Aktion und auf deren Negation", ders., Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 72; Enders, AöR I 14 (1990), S. 610,630 f. Originäre grundrechtliche Teilhabeansprüche, Murswiek, DVBI. 1994, S. 77, 81 f., sind kein Ersatz, denn sie gewährleisten bestimmungsgemäß nur eine Minimalposition, etwa ein Recht auf Verursachung unvermeidbarer Emissionen. Sie sind im übrigen ihrerseits besonders begründungsbedürftig, da das Grundgesetz tatsächliche Freiheitsvoraussetzungen ursprünglich nicht garantiert. Eine ohnehin nur abwehrrechtlich vor dem Entzug des Existenzminimums schützende Gewährleistung wurde aus dem Text des Art. 2 GG wieder gestrichen, vgl. v. Doemming/Füßlein/Matz, JöR I ( 1951 ), S. 58 ff., 61 f. 275 Dazu unten 7. Kapitel. 276 Vgl. H.H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, S. 38,70 f.

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pflichten oder Einräumung eines an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Anspruchs gezogen wird, ist gleichgültig. Die Betätigungsfreiheit reicht in jedem Fall nur so weit, als sie das Gesetz nicht verfassungsmäßig ausschließt. Der sachliche Gehalt einer freiheitsrechtlich verstandenen Umweltnutzungsbefugnis ergibt sich demnach im Unterschied zu ihrer Rechtsnatur weniger aus dem, was sie rechtlich ist (- nämlich inhaltlich undefinierte, wiewohl begrenzte Freiheit), als aus dem, was sie nicht ist, genauer: den ihre Grenzen rechtfertigenden Gemeinwohlgründen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz statuiert, was die genehmigungspflichtigen Anlagen angeht (§ 4 BlmSchG), im Grundsatz ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, eine gebundene Kontrollerlaubnis (§ 6 BlmSchG)277. Das setzt eine Betreiberfreiheit voraus 278, die neben der Nutzung der jeweiligen Anlage die Inanspruchnahme des nicht anderweitig zugewiesenen Luftraums umfaßt. Fragt man nach dem Zweck der Freiheitseinschränkung fällt allerdings auf, daß das Gesetz die Luft nur unter Vorbehalt zum öffentlichen Umweltgut erhebt. Zwar nennt der Katalog des § 1 BlmSchG in der Reihe der gesetzlichen Schutzgüter "die Atmosphäre" (vgl. auch § 3 Abs. 2 BlmSchG). Da aber eine Schädigung der Atmosphäre nicht definiert wird, bleibt ihr Schutz vor "schädlichen" Umwelteinwirkungen einstweilen selbstbezüglich. Folgerichtig spricht das Gesetz die Luft eher wertneutral als Umweltmedium an (vgl. § 3 Abs. 4, auch § 44 Abs. 1 BlmSchG), während eigentlich zweckkonkretisierend gerade der Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" (§ 3 Abs. 1 BlmSchG) wirkt, indem er als Objekt der Schädigung und damit des Schutzes Allgemeinheit und Nachbarschaft angibt279 . Unter deren möglichen Schutzinteressen bleibt freilich "die Atmosphäre" gleichfalls ein Fremdkörper. In der polizeilichen Begrifflichkeil (Gefahr, Nachteil, Belästigung, § 3 Abs. I BlmSchG) hat sie keinen angestammten Platz. Der Schädlichkeitsmaßstab des Gesetzes muß sich daher trotz des multimedialen Einschlags an den Richtwerten des Personen- und Sachgüterschutzes orientieren (vgl. Nr. 2.5, Nr. 2.2.1.3 Abs. 3 TA Luft), die den Zweck und Rechtsgrund des Verbots bezeichnen.

277 Zu dieser Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rdnr. 51 ff. 278 Ohne daß deshalb notwendig von einem "lndustrieförderungszweck" auszugehen wäre. Die individuelle Freiheit als solche ist unmittelbar kein Bestandteil des Gemeinwohls; sie wird von den Grundrechten - als Gegenpart des staatlich definierten Gemeinwohls - undefiniert vorausgesetzt. Dem Gemeinwohl kommt die Funktion der gesetzlich zu bestimmenden Freiheitsschranke zu. Der Zweck der Industrieförderung hat danach einen tatsächlich-politischen, keinen rechtlichen Stellenwert. Anders vor allem Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 308 f.; wie dieser Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 3, Rdnr. 61, Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 70. 279 Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, TA Luft Nr. 2.2.1.2, Rdnr. I; Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer, aaü, § I BlmSchG, Rdnr. 4; Jarass, BlmSchG, § I Rdnr. 6 (andererseits Rdnr. 8).

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Trotz des damit gegebenen Bezugs auf die bereits zivilrechtlich geschützten Belange der Nachbarschaft bewahrt dieses öffentlich-rechtliche Verbot seinen die Freiheit des Betreibers eigenständig verkürzenden (Eingriffs-)Charakter. Zum einen, weil es - zumindest potentiell - über die zivilrechtliehen Abwehrbefugnisse quantitativ hinausweist. Zum anderen und vor allem aber, weil es nicht etwa in einem actus contrarius zur öffentlich-rechtlich verhängten Duldungspflicht der Betroffenen die Zivilrechtsordnung wiederherstellt. Anders als im Falle der Entwidmung von öffentlichen, jedoch im Privateigentum stehenden Sachen, bildet das Nicht-Dürfen (des Nutzungsinteressenten) nicht einfach nur die Kehrseite eines positiven (mehr oder weniger eingeschränkten) zivilrechtlichen Dürfens des einwirkungsbetroffenen Rechtsinhabers (§§ 903 ff. BGB) ab. Das Nicht-Dürfen des Betreibers ruht vielmehr auf für sich und unabhängig von jenem Dürfen bestehender öffentlich-rechtlicher Grundlage: es dient zunächst dem Schutz der Allgemeinheit (§ 3 Abs. I BlmSchG) und liegt im öffentlichen Interesse, das auch die Wahl der Mittel (zweckimmanent) verhältnismäßig beschränkt280. Insofern verhängt das Bundes-Immissionsschutzgesetz zwar kein absolutes Verbot281 , geht vielmehr offensichtlich davon aus, daß im wesentlichen den schädlichen Nebenfolgen grundsätzlich zulässigen Verhaltens gesteuert werden soll. Die Freiheit des Betreibers wird also nach Maßgabe der Genehmigung aufrechterhalten und nur soweit das Gemeinwohl d.i.: der Umweltschutz es zwingend fordert, eingeschränkt. Auch wenn damit aber auf eine durchgängige gemeingebrauchsähnliche Regelung verzichtet wird, zeichnet sich diese Bindung gegenüber der klassischen, etwa aus dem Bau- oder Gewerberecht vertrauten, strikten Wenn-dann-Konditionierung der Kontrollerlaubnis 282, doch durch Spielräume der Verwaltung unterhalb der Ebene des Parlamentsgesetzes aus, sei es bei der schutzorientierten einwirkungs- und raumbezogenen Luftbewirtschaftung (primär § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG), sei es bei der Konstituierung von Vorsorgekonzepten (§ 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG)283 . Auf diesem Hintergrund geht es im folgenden zunächst um die generelle Rechtfertigung von Schutz- und Vorsorgeprinzip vor der Freiheit des Anlagenbetreibers. Beide 280 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 404 (f.) - ("Die Polizei soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen"); Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 267, 3. Aufl., S. 223. Vgl. BVerfGE 7, 377 (403); Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 100 ff., 11 2 f.; Böckenf örde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik, S. 53 mit Fn. III ; Schlink, EuGRZ 1984, S. 457, 459 f. 281 Vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 306, 333; Rauschning, VVDStRL 38 (1980), S. 167, 197; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BlmSchG, § 5, Rdnr. 147 f.. 282 Vgl. 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, I, S. 239 ff.; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 405 ff. Im vorliegenden Zusammenhang Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 73, 172 ff. , 175, 187. Vgl. auch BVerwGE 55,250 (253 f.). 2 83 Zur Bewirtschaftungs. oben 2. Kapitel, ferner Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, S. 26, 275 f., S. 279 ff.

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prägen, indem sie den Umweltschutzzweck in Gestalt allgemeiner Betreiberpflichten umsetzen, das System des Immissionsschutzrechts284 und geben möglichen Einzelmaßnahmen den Inhalt verbindlich vor(§§ 4 i.V.m. 6, 17, 20, 21 BimSchG). Weil durch solche einesteils die Betätigungsfreiheit der Betreiber im Gemeinwohlinteresse eingeschränkt wird, zugleich aber für Errichtung und Betrieb von Anlagen als spezifischer Eigentumsnutzung285 eine Inhaltsund Schrankenbestimmung getroffen ist, kommen als verfassungsrechtliche Maßstabsnormen die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und (subsidiär) 2 Abs. 1 GG in Betracht286. Vor allem mit Blick auf die Kompensation im Emissionsbereich, die ausschließlich genehmigte Anlagen zu ihrem Gegenstand hat, ist dann von besonderem Interesse, welcher Schutz dem Anlagenbetreiber aus den genannten Grundrechten gegenüber Regelungen erwächst, die bisher Erlaubtes untersagen und d.h. gerade Altanlagen in ihrem Betrieb einschränken. Hier stoßen Eingriffe möglicherweise auf Bestandsschutzgrenzen, die dann im Bereich des Vorsorgegrundsatzes mit Hilfe von Kompensationsmaßnahmen nach §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG zu überwinden wären.

II. Die Rechtfertigung des Schutzgebots vor der Freiheit des Betreibers 1. Das Schutzgebot als gleichmäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit

Während jedenfalls das anlagenbezogene Vorsorgegebot (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BimSchG) eine für sich nicht vollziehbare materielle Verpflichtung statuiert und auf ergänzende, untergesetzliche Normierung angewiesen ist, bedarf die denBetreibereiner genehmigungsbedürftigen Anlage(§§ 4, 6 Nr. 1 BlmSchG) bindende Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG grundsätzlich nur der Konkretisierung (§ 48 Nr. 1 BlmSchG). Im Vordergrund steht darum die materiellrechtliche Rechtfertigung des Schutzprinzips als sol284 § 5 Abs. I Nr. 3 und 4 BlmSchG spielen im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. 285 Vgl. BVerfGE 13,225 (229), 77, 84 (117); Pieroth/Schlink, Grundrechte- Staatsrecht II. Rdnr. 981; auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 258. 286 Anders Murswiek, DVBI. 1994, S. 77, 80 m. Fn. 16, 81 m. Fn.22, 82, nach dem die speziellen Freiheits- (d.i. Eingriffsabwehr-) rechte bereits tatbestandlieh nicht vor Einschränkungen aufgrund des Schutzprinzips oder des Vorsorgeprinzips schützen. Nur Art. 2 Abs. I GG ist einschlägig, auch dieser aber nur als formell-rechtstechnische Gewährleistung der Gesetzmäßigkeit. Ein originärer Teilhabeanspruch - sei es an immissionsbetroffenen Gütern Dritter, sei es am Umweltgut Luft - umfaßt demgegenüber nicht das Privilegium der "Verursachung industrieller Großimmissionen", ders., Die staatliche Verantwortung, S. 247 f., weshalb es völlig "im politischen Ermessen des Gesetzgebers (steht), die industrielle Nutzung der Umweltmedien zu regeln und zu beschränken", aaO, S. 249, soweit sie nicht offenkundig gemeinwohlverträglich ist. Dem Bestandschutz soll aber auch nach diesem Modell verfassungsrechtliche Bedeutung zukommen, aaO, S. 249 in Fn. 50, S. 256 ff. Für einen Schutz des einfachgesetzlichen Status auch Lübbe-Woljf, Die Grundrechte als Eingriffsa:bwehrrechte, S. 103 ff., 146.

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chen, namentlich vor Art. 12 Abs. 1 GG. Sie bereitet auf den ersten Blick wenig Probleme: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz steht ganz in der Tradition der Gewerbeordnung, soweit es die Berufsfreiheit des einzelnen - der Anlagenbetrieb dient in aller Regel der Sicherung der individuellen Existenzgrundlage - in Bahnen lenkt, die einen ausreichenden Schutz der Allgemeinheit gewährleisten. Es soll damit positiv geregelt werden die Berufsausübung und das fragliche Verhalten erst in dem Moment untersagt sein, in welchem es nach seiner konkreten Art und Weise, seinem konkreten Umfang auf Rechtsgüter der Allgemeinheit, wozu hier gleichfalls traditionsgemäß auch die Interessen der Nachbarschaft zählen (§ 16 Abs. 1 mit 17 Abs. 2 GewO; § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG), übergreift. Solche Verhaltensanforderungen finden als Berufsausübungsregelungen nach der sog. Drei-Stufen-Lehre des Bundesverfassungsgerichts287 bereits darin ihre grundsätzliche Rechtfertigung, daß sie unmittelbar dem Schutz gesetzlich anerkannter Rechtsgüter :vor schädlichen Folgen individuellen Freiheitsgebrauchs, also einem vernünftigen Gemeinwohlzweck dienen. Erweist sich darin der Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Immissionen als Teil des von § 1 BlmSchG beschriebenen Umweltschutzzwecks seine verfassungsrechtliche Legitimität, muß freilich die Regelung der Berufsausübung auch im übrigen den Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit entsprechen288 . Daß aber die Pflicht, genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß "schädliche Umwelteinwirkungen ... nicht hervorgerufen werden können", geeignet ist, jenen legitimen Schutzzweck zu verwirklichen, kann keinem Zweifel unterliegen. Die Umkehrung des Erfolgsmaßstabs macht zwar den Setreiber für zahlreiche in der Natur der Sache begründete Ungewißheiten verantwortlich, die ebensogut dem von der Allgemeinheit (respektive den Nachbarn) zu tragenden Restrisiko zugeschlagen werden könnten. Der Gesetzgeber ist aber nicht etwa von Verfassung wegen verpflichtet dieses Restrisiko sehenden Auges zu vermehren. Er braucht sich nicht auf weniger effektive Mittel der Schadensvermeidung verweisen zu lassen. Allenfalls könnte man in Zweifel ziehen, ob die spezialgesetzliche Ausdehnung der Setreiberhaftung über das im allgemeinen Polizeirecht übliche Maß hinaus dem einzelnen Betreiber auch zugemutet werden kann (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Wird ihm nicht eine Rechtsposition eingeräumt, die ob der zahlreichen Unwägbarkeiten die Ausübung der Berufsfreiheit in Wahrheit in Frage stellt? Bei der zunächst gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise ist diese Frage eindeutig zu verneinen. Die Pflicht, schädliche Beeinträchtigungen jederzeit (nicht etwa nur zum Zeitpunkt der Genehmigung) zu 287 Seit BVerfGE 7, 377 (402 f., 405 ff.) std. Rspr. 288 BVerfGE 7, 377 (406).

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vermeiden, ist als solche stets zumutbar. Das gilt jedenfalls so lange, wie trotz Umkehrung des Erfolgsmaßstabs völlig unwahrscheinliche, nicht vorhersehbare Entwicklungen der Immissionsverhältnisse außer acht bleiben und nicht zu Lasten des Setreibers ein Verbot jeglicher Freiheitsbetätigung begründen. Nicht zuletzt ist durch ein gestuftes System des Bestandsschutzes (in § § 17, 21 BlmSchG) Sorge getragen, daß dem Anlagenbelreiber mit der Schutzpflicht auch für den weiteren Verlauf des Anlagenbetriebs keine unbegrenzte und darum unzumutbare Belastung auferlegt wird (dazu unten). Da dem Industrieförderungszweck nur tatsächlich-politische Bedeutung zukommt und er keine rechtliche Schranke bezeichnet, folgt aus der gesamtgesellschaftlichen Nützlichkeit von Industrieansiedlungen nichts anderes. Der Gesetzgeber kann natürlich, begrenzt durch eine ihn etwa treffende Schutzverpflichtung, derlei im Sinne einer möglichst ungehemmten Entfaltung der wirtschaftlichen Kräfte in seine Erwägungen einstellen. Er ist hierzu aber nicht rechtlich verpflichtet. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht schon sehr bald begonnen, anhand von Art. 12 Abs. 1 GG auch nachzuprüfen, ob vielleicht durch die notwendig generalisierenden und insoweit typisierenden gesetzlichen Regelungen einzelne, nach objektiven Merkmalen abgrenzbare Berufsgruppen durch die Gleichbehandlung in einer Weise besonders stark belastet werden, die vor der Verfassung als unzumutbar zu gelten hat, weil die außergewöhnliche (gewissermaßen vom Gesetzgeber übersehene) Belastung außerhalb der Typisierung des bislang gesetzlich formulierten Ziel-Ergebnis-Zusammenhangs steht289 . Der Gefahr, daß im Interesse klarer und effektiver Regelung wesensmäßige Verschiedenheiten- insb. durch durch ein weites Berufsbild- vorschnell nivelliert werden290, hat das Bundesverfassungsgericht hierbei zuletzt dadurch zu begegnen gesucht, daß es auf die besondere und faktisch auf die Berufswahl zurückwirkende Intensität des Eingriffs abgehoben und damit an diesen den Rechtfertigungsmaßstab nicht für Berufsausübungs-, sondern für objektive Berufszulassungsregelungen angelegt hat: Um solche Berufswahlregelungen zu rechtfertigen, reichen vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls nicht mehr aus, der Eingriff muß vielmehr von Allgemeininteressen getragen sein, "die so schwer wiegen, daß sie den Vorrang vor der Berufsbehinderung (sc. der betroffenen Berufsgruppe) verdienen" 291 . Dieses Problem läßt sich verhältnismäßig gegebenenfalls nur noch durch Sonderregelungen lösen, die den typisierend 289 Vgl. Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik, S. 53 mit Fn. 111. 290 BVerfGE 30,292 (327); E 68, 155 (173 ff.); E 77, 84 (106); zum Berufsbild auch E 86, 28 (38). 291 BVerfGE 77, 84 (106); auch E 86, 28 (38 f.). Nach BVerfGE 7, 377 (405), darf die "Freiheit der Berufswahl ... nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger ('überragender') Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert, d.h.: soweit der Schutz von Gütern in Frage steht, denen bei sorgfaltiger Abwägung der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des Einzelnen eingeräumt werden muß ...".

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nicht erfaßten Belastungen Rechnung tragen und vom Bundesverfassungsgericht in Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebracht wurden292 . Betrachtet man auf diesem Hintergrund die Situation der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen, so scheint durch die beschriebene raum- und wirkungsbezogene Bestimmung der Schädlichkeit und den dadurch erzeugten Bewirtschaftungseffekt293 die (gleichbehandelte) Gruppe der Neubewerber besonders belastet. Ihnen bleibt nämlich, wenn das zulässige Immissionsvolumen ausgeschöpft ist, der Zugang zum Markt vollständig versagt294. Daß eine durch die Erheblichkeit der Beeinträchtigungen bezeichnete Schwelle zu überschreiten ist, bevor die Reaktion der Rechtsordnung erfolgt, ist indessen noch nichts dem Recht der Gefahrenabwehr Fremdes. Bereits nach der herrschenden Theorie von der unmittelbaren Verursachung kommt es für die polizeirechtliche Haftung darauf an, welches Verhalten, indem es die Gefahr setzt, die Gefahrengrenze überschreitet295 . Damit werden lediglich die rechtlichen Grenzen eines fiktiven Freiheitsraums verdeutlicht. Während freilich die klassische Fragestellung, da sie ja das begrenzende Rechtsgut als gegeben voraussetzt, auf den ersten Blick darauf hinauszulaufen scheint, wer die Gefahr verursacht hat296, stellen Immissionswerte ein Mittel dar, mit dessen Hilfe primär markiert wird, wann (und sekundär, unter Zuhilfenahme weiterer Kausa1itätserwägungen, von wem) die Schädlichkeitsschwelle überschritten wird. Sie quantifizieren die Begrenzung des Rechtsguts, die ansonsten in der vordergründig plausiblen, den Definitionsakt jedoch verbergenden Scheinidentität von "LebensGut" und "Rechtsgut" aufgeht. In der Maßzahl isoliert, enthüllt die Definition des Rechtsguts das auch mit dem Begriff der "Gefahrengrenze" angesprochene binäre Denkmodell297, mit welchem sich die juristische Konstruktion in bewährter Manier die Wirklichkeit unterwirft, das aber unter den Bedingungen einer zunehmend komplizierten Wirklichkeitsstruktur seinen fiktiven (und da292 Eine große Gruppe bilden grundsätzlich Altfälle, in denen die neuerdings beschränkte, bislang zulässige Betätigung bereits für eine gewisse Zeitspanne unter Kapitaleinsatz ausgeübt wurde. Sie werden häufig mit Hilfe einer Übergangsregelung geföst, vgl. BVerfGE 30, 292 (333), 58, 300 (351); BVerfG (Kammer) v. 29. 10. 1992, NJW 1993, S. 1575. In BVerfGE 77, 84 (106) wurde diese Möglichkeit gleichwohl nicht in Betracht gezogen. Anders lag E 68, 155 (173 ff.)- Indienstnahme privater Verkehrsunternehmen zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, weil es nicht um einmalig erforderte Investitionen ging. In BVerfGE 61, 291 (311) war in Wirklichkeit kein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG gegeben, nur ein an Art. 2 Abs. I GG zu messendes Verbot der allgemeinen Rechtsordnung, vgl. aaO, S. 308, 310. 293 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 10. 294 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 300. 295 Martens, in: Drews/WackeNogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 313. 296 Ders., aaO, S. 313 ff. 297 Unschädlich/zulässig- schädlich/unzulässig.

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durch dezisionistischen) Charakter offenbart, indem es "unschädliche" Immissionen zur schädlichen Beeinträchtigung summiert. Daß sich die tatsächliche Knappheit des Freiheitsraums in rechtlich definierten Schranken manifestiert, bedeutet also noch keine Sonderbelastung für denjenigen, der diese Schranken mißachtet und von der Gemeinschaft hierfür zur Verantwortung gezogen wird. Dies gilt dann aber auch für die notwendige Folge, daß abstrakt gleiche rechtliche Chancen in der Wirklichkeit nur unterschiedlich realisiert werden können -je nachdem wie die rechtlich geschützten Frei(heits)räume, sei es von Mitbewerbern, sei es von Betroffenen bereits besetzt sind und ausgenutzt werden. Probleme rechtlicher Gleichheit werden dadurch nie aufgeworfen. Das Immissionsschutzrecht unterscheidet sich in diesem Punkt nicht wesentlich von anderen Rechtsvorschriften: Wann und wo sie Anwendung finden, wen sie konkret berechtigen oder verpflichten, das sind Fragen der tatsächlichen Umstände, nicht der abstrakten Regelung. Nur weil etwa die Straßenverkehrsordnung, wenn sie das Parken im Verkehrsraum regelt, das Prioritätsprinzip zugrunde legt (vgl. § 12 Abs. 5 StVO) und nicht jedem Verkehrsteilnehmer ausreichenden Parkraum garantiert, betreibt sie darum noch keine gleichheitswidrige Bewirtschaftung. Lediglich der Rechtsgüterschutz selbst, der unverzichtbare Sphären persönlicher Integrität und wichtige Funktionen des Gemeinschaftslebens rechtlich bewehrt, ist unmittelbar Ausfluß der Rechtsordnung. Der Prioritätsgrundsatz, der den newcomer seiner Chance beraubt, entstammt dagegen der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer freien Marktwirtschaft, deren Gesetzmäßigkeiten über den Naturzustand nicht wesentlich hinausgehoben sind. Eine rechtliche Benachteiligung liegt hierin nicht298 . So meint auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es eine von Art. 3 Abs. 1 GG verbotene (rechtliche) Gleichbehandlung thematisiert, in Wahrheit die tatsächliche Ungleichbehandlung durch besondere (zufällige) Belastungseffekte. Allgemein gilt daher: Geht es um tatsächliche Nachteile bei der Wahrnehmung rechtlich gleicher Freiheit, bildet den verfassungsrechtlichen Maßstab nicht Art. 3 Abs. 1 GG, sondern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, namentlich -gerade für Altfälle-auf seiner dritten Stufe299 . Steht aber das Verbot zusätzlicher schädlicher Immissionsbeiträge - wie hier - in Belastungsgebieten als solches nicht außer Verhältnis zum Zweck des Umwelt- insb. Gesundheitsschutzes, so läßt sich in den Kategorien des Bundesverfassungsgerichts formu298 Vgl. auch Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 75 f., 92, 120; Roßnagel, in: Koch!Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 293. 299 Selbst dort, wo- wie im Strafrecht- die zum eigentlichen Verbotstatbestand hinzutretende Sanktion unmittelbar Rechtscharakter hat, ist das (Miß-)Verhältnis von gleichem Tatbestand und ungleicher Folgebelastung maßgeblich, das lediglich im Bereich der Strafvorschriften mit Rücksicht auf den Schuldgrundsatz in besonderer Weise rechtlich ausgestaltet ist, BVerfGE 90, 145 (173, 198). Anders zum ganzen Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. I GG, Rdnr. 222; Maurer, Festschrift Dürig, S. 293, 308.

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lieren: Bei den "newcomern" handelt es sich in Wahrheit nicht um eine nach objektiven Merkmalen abgrenzbare Berufsgruppe, die einer Sonderbehandlung bedürfte300. Auch sonst spricht nichts dafür, die Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an dem für Berufswahlregelungen geltenden, strengen Maßstab zu messen. In letzter Instanz - eine regelmäßige Folge des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt-kann zwar die an sich lediglich kontrollierte Freiheitsbetätigung auch vollständig untersagt werden(§ 20 i.V.m. §§ 17, 21 BimSchG), weil sie, wenn die einschlägigen gesetzlichen AusübungsPflichten mißachtet werden, nach dem Maßstab des Gesetzes "stört" und nicht genehmigungsfähig erscheint. Darüber wird aber nicht die bloße Ausübungsregelung zur Wahlregelung. Der materiell-negative, bloß verbietende Gehalt der (formell-positiven) Kontrollerlaubnis macht vielmehr ein allgemeines Verbot deutlich und umschreibt einen Bereich der von vornherein von der Berufsfreiheit, die nur erlaubte Tätigkeiten schützt301 , nicht umfaßt ist, sondern jedermann verschlossen bleibt. Er wird folglich auch nicht im Sinne des Gesetzesvorbehalts in Art. 12 Abs. 1 GG positiv "geregelt" und ist nur an Art. 2 Abs. 1 GG zu prüfen302 . Ob jemand ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut eines anderen oder der Allgemeinheit im Rahmen seiner Berufsausübung, durch wissenschaftliche Betätigung oder eine Meinungsäußerung beeinträchtigt, ist ganz 300 Die gegenteilige Auffassung käme hier gleichwohl zum seihen Ergebnis, da der Schutz vor erheblichen Beeinträchtigungen auch und gerade in einer Industriegesellschaft ein überragendes Gemeinwohlgut darstellt. 301 BVerfGE 7, 377 (397). Etwa noch BVerfGE 81, 70 (85). 302 Es ist zu differenzieren: Die Belreiberpflichten und ihre Konkretisierungen dienen dem Umweltschutzzweck, das bedingte Verbot nach§ 20 Abs. I BlmSchG (Untersagung) dient seinerseits der Durchsetzung der Pflichtenstellung und kann als Annex ihrer Ausübungsregelung gelten. Das stellt gerade insofern einen zulässigen (geeigneten, erforderlichen und im engeren Sinne verhältnismäßigen) Eingriff dar, als die Freiheitsausübung gesetzlich an bestimmte - verfassungsmäßige, ihrem Inhalt nach hier nicht mehr gesondert zu prüfende - Bedingungen geknüpft ist, die mit der (deshalb nur bedingten) Untersagung gewahrt werden. Nach§ 20 Abs. 2 Satz I erstarkt dagegen die formelle, der Kontrolle der Verhaltensetwartungen positiv dienende Genehmigungspflichtigkeit zum materiellen Verbots-Tatbestand, sobald das die Freiheitsausübung bedingende Genehmigungserfordernis nicht beachtet wird. Das ist ein allgemeines Verbot, mit dem der Gesetzgeber die Grenze zwischen erlaubter (beruflicher) und unerlaubter Betätigung zieht. Als solches ist es vor Art. 2 Abs. I GG nur zulässig, wenn ein Konnex zu den Bedingungen der Freiheitsausübung erhalten bleibt und vom einzelnen geltend gemacht werden kann. Zu Recht greift darum die negative Vermutungswirkung eines FehJens der Genehmigung auch nur, soweit die Erteilung einer Genehmigung materiell unwahrscheinlich ist, BVetwGE 84, 220 (233), wobei freilich Zweifel zu Lasten des Setreibers gehen. Das rechtfertigt sich aus dem Verbotsgrund der potentiellen Gefahrliehkeil genehmigungsbedürftiger Anlagen(§ 4 BlmSchG). Vor gesetzgebenscher Beliebigkeil ist der Betreiber insoweit durch§ 21 Abs. I Nr. 4 BlmSchG geschützt. Auch in den typisch gewerberechtlichen Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit, die im Gegensatz zu den subjektiven Berufszulassungsvoraussetzungen nicht den positiven Nachweis einer besonderen Befahigung oder Eigenschaft verlangen, sondern eine Negativ- (Nichtstörungs-) Schranke errichten (vgl. § 20 Abs. 3 BlmSchG), ist kein regelnder(!) Eingriff in die Berufsfreiheit zu sehen.

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gleichgültig. Dieser "Eingriff' wird nicht etwa dadurch erlaubt, daß er mit grundrechtlich privilegierter Freiheitsentfaltung einhergeht303 . Nichts anderes besagt bei näherem Hinsehen die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, daß im Recht der nach Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlagen - anders als etwa im Baurecht - alles als verboten zu gelten habe, was nicht ausdrücklich durch Genehmigung erlaubt sei304 . Ein Verhalten, das nicht innerhalb der Genehmigung sich bewegt, ist demnach allgemein verboten. Nur ist einschränkend darauf hinzuweisen, daß die gegenüber jedermann gültige negative Bewehrung der präventiven formellen Pflicht in dieser strikten Ausprägung Folge einer durch § 20 Abs. 2 BlmSchG gesetzlich besonders angeordneten und materiell vor der Verfassung zu vertretenden Rechtswirkung des Genehmigungserfordernisses ist305 . 2. Die Pflichtenkonkretisierung durch Verwaltungsvorschriften und ihr verfassungsrechtlicher Rahmen

a) Bestimmtheit des Gesetzes und Bindungswirkung Die formellen und materiellen Anforderungen, denen eine Verordnung zu genügen hat, reduzieren sich tendenziell gegenüber lediglich normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften306 . Rechtfertigt sich der Schutzgrundsatz als verhältnismäßiger Grundrechtseingriff vor der Verfassung, so sind grundsätzlich auch Verwaltungsvorschriften, die seinen Gehalt nach Maßgabe eines hierfür gesetzlich vorgesehenen, qualifizierten Verfahrens verbindlich konkretisieren307 sollen (§§ 48, 51 BlmSchG), insgesamt unbedenklich- wenn sie sich

303 So das Bundesverfassungsgericht im Lüth-Urteil mit Blick auf die Meinungsfreiheit, BVerfGE 7, 198 (208), wobei diese einen Ausnahmefall insoweit verkörpert, als die Beeinträchtigung Dritter gerade unmittelbar in der geschützten Betätigung selbst liegen kann, nicht eine beiläufige Begleiterscheinung darstellt. Umgekehrt ist dann ausnahmsweise auch der gezielte Eingriff in die Meinungsfreiheit erforderlich, wie die Hervorhebung des Ehrenschutzes in Art 5 Abs. 2 GG belegt. 304 BVerwGE 84, 220 (LS. 2 u. S. 224), vgl. auch BVerwG v. 29. 9. 1993, VBIBW 1994, S. 94, 95; Send/er, WiVerw 1993, S. 235,279. 305 Oben in Fn. 70. 306 Gusy, Zwanzig Jahre BlmSchG, S. 185, 200m. zahlr. Nw. in Fn. 63, im übrigen vorwiegend kritisch, S. 203 f. Grundsätzlich ablehnend beurteilen diese Figur Koch, ZUR 1993, S. 103, 104 ff., ders., in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 48, Rdnr. 68 ff., Wolf, DÖV 1992, S. 849, 856 f., während Goerlich, ThürVBI. 1993, S. I, 3 f. ergänzend hervorhebt, daß häufig eine Verminderung gerichtlicher Kontrolle an der einen schnell durch die Ausdehnung des Prüfungsanspruchs an anderer Stelle eingeholt wird. 307 Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 13m. Nw. 6 Enders

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funktionell und materiell im Rahmen der (Konkretisierungs-)Ermächtigung halten308. Mit dem funktionellen Aspekt ist die (immanente oder Selbst-) Beschränkung auf den vom Verwaltungsvorschriftengeber intendierten Aussagegehalt angesprochen. Von vomeherein kann gemäß der Idee einer ermächtigungsimmanenten Präzisierung des Normbefehls keine Verbindlichkeit erlangen, was nicht als Konkretisierung gewollt war. Verwaltungsvorschriften nach § 48 Nr. 1 BlmSchG binden die Justiz - jedoch nur im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung und d.h. des exekutivischen Handlungs- und Konkretisierungsspielraums. So müssen sowohl angesichts atypischer Situationen als auch neuer besserer Erkenntnisse Verwaltungsvorschriften nach Sinn und Zweck einer generell-abstrakten Konkretisierung versagen und entfalten sie keine gesteigerte materielle Bindungswirkung309. Wenn damit - neben dem mehr grundsätzlichen, auf die Sicherheitsfunktion des Staates rekurrierenden Erfordernis, daß Verwaltungsvorschriften einen staatlich verfaßten Sachverstand zu repräsentieren haben310 - übereinstimmend vor allem teleologische Kriterien angeführt werden, um die von Verwaltungsvorschriften erzeugte Bindung zu begrenzen, sollte allerdings der zweite Schritt nicht vor dem ersten getan werden. Die funktionell-formale Beschränkung, auf die übereinstimmend und nahezu ausschließlich abgehoben wird311 , hat schließlich einen materiellen Hintergrund: Ganz allgemein ist für den Handlungsspielraum der eingreifenden Verwaltung die Reichweite der Ermächtigung entscheidend312. Verwendet nun 308 Tendenziell anders Trute, Vorsorgestrukturen, S. 328 f. 309 Zu beiden Gesichtspunkten BVerwGE 55, 250 (258, 260, 261); nur zum letzteren BVerwG DVBI. 1988, S. 539, auch BVerwG, Beschl. v. 10. I. 1995, DVBI. 1995, S. 516. 517; in einem fachplanerischen oder auch bebauungs(nutzungs)rechtlichen Kontext stehende Entscheidungen etwa BVerwGE 77, 285 (290); 79, 254 (258 f.); 81, 197 (200, 204 f.)- gehören dagegen aus noch darzulegenden Gründen nur bedingt hierher. Aus der Literatur: Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 181 a. E.; Feldhaus, in: Feldhaus, BimSehR Bd. 1, § 3 BlmSchG, Anm. 6; Gusy, DVBI. 1987, S. 497, 502, 505; ders., Zwanzig Jahre BlmschG, S. 185, 202 f.; Hili, NVwZ 1989, S. 401, 409 f.; Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 16 ff.; Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 258, 260 f., der allerdings von norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften spricht; ders., in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, § 3 BlmSchG, Rdnr. 19, 19a; Send/er, UPR 1993, S. 321, 327, 328; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 319 ff., 324, 339 f.; Wahl, NVwZ 1991, S. 409, 412. S. ferner die Begründung des Rechtsausschusses zu dem durch das Sachenrechtsänderungsgesetz (SachenRÄndG) eingefügten§ 906 Abs. I Satz 3 BGB, BT-Drs. 1217425, S. 89 f. 310 Gusy, DVBI. 1987, S. 497, 504, 505; Wahl, NVwZ 1991, S. 409,4121. Sp.; BVerwGE 77, 285 (291 f.), vgl. auch BVerwGE 55, 250 (257). 311 Wahl, NVwZ 1991, S. 409, 410 f. 312 Insb. Schmidt-Aßmann, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rdnr. 38 f., 59 und im Anschluß an ihn Hili, NVwZ 1989, S. 401, 403; die Fragestellung auch bei Wolf, DÖV 1992, S. 849, 853. Hierfür ist grs. gleichgültig, ob die Verwaltung auf der Grundlage eines unbestimmten Rechtsbegriffs oder einer Ermessensermächtigung tätig wird, Bullinger, JZ 1984, S. 1001, 1002, 1005 ff.; von der Kontrollfunktion der Gerichte her argumentierend ebenso Send/er, UPR 1993, S. 321, 328 (r. Sp.).

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der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe, die zu konkretisieren der Verwaltung überlassen bleibt, so binden folglich die darauf im Umfang der Reichweite jener Begriffe ergangenen Verwaltungsentscheidungen, so auch in besonderer Weise ermächtigte normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften die Gerichte, weil diese das rechtmäßige (nämlich im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffs sich haltende) Verwaltungshandeln nicht aufheben dürfen 313 . Zwar sind Rechtsbegriffe stets nur mehr oder weniger unbestimmt314. Mit dem Grad der Unbestimmtheit steigt aber die Zahl der rechtmäßigen Konkretisierungsalternativen, damit die Handlungsfreiheit der Verwaltung und spiegelbildlich die Bindungswirkung ihrer Konkretisierungsakte315 . Die Frage nach der Verbindlichkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften stellt sich daher auch als Frage nach der Reichweite der ermächtigenden Norm, diese aber wiederum - unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Interpretation - auch als Frage nach der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Bestimmtheit. Schon immer - nicht erst seit der Weimarer Auseinandersetzung mit dem staatsrechtlichen Positivismus316 - hat man unbestimmte Ermächtigungen als Widerspruch zum Gedanken der Gesetzmäßigkeit empfunden, weil sie keinen bestimmten (eigenen) Willen des Gesetzgebers ausdrücken und damit dem Rechtfertigungserfordernis einer spezifisch gesetzlichen Eingriffsermächtigung nicht genügen317 . Man hat sich lediglich, was etwa die mangelnde Bestimmtheit polizeilicher Generalermächtigungen angeht, durch rechtsstaatliche Übung beholfen. Heute ist, wie das Bundesverfassungsgericht richtig gesehen hat, das Gebot hinreichender Bestimmtheit von Eingriffsgesetzen positiviert und zum Verfassungsgrundsatz avanciert: Bereits der Gesetzgeber ist an die Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) und insbesondere ihre Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) gebunden. Diese Bindung liefe leer, wenn die Steuerungswirkung des Gesetzes durch Blankoermächtigungen entwertet 313 Gusy, DVBI. 1987, S. 497, 499 f., 500 f.; Schmidt-Aßmann, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rdnr. 39 f.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 313 f., 320 ff., 327, 339. Kritisch zur Diskussion um die Kontrollproblematik, insb. zum Kriterium der Ermächtigung nach Maßgabe der materiellen Regelungsdichte Ossenbühl, Festschrift Redeker, S. 55, 59 ff., 63 f. und jetzt auch seine frühere Auffassung aufgebend Gusy, Zwanzig Jahre BlmschG, S. 185, 200 f. Deutlich in Richtung der normativen Ermächtigungslehre bewegt sich indessen neuerdings das Bundesverwaltungsgericht mit dem Beschluß v. 10. 1. 1995; DVBI. 1995, S. 516,517 für Emissionswerte der TA Luft. 314 Etwa BVerfGE 81, 70 (88). 315 Gusy, DVBI. 1987, S. 497, 499; vgl. Hili, NVwZ 1989, S. 401, 406 (1. Sp.), Wahl, NVwZ 1991, S. 409, 412 m. Fn. 25. Auf dem Hintergrund und in den Grenzen eines solchen normativ eröffneten Entscheidungs- und Handlungsspielraums vermag entgegen Wolf, DÖV 1992, S. 849, 856 (vor Fn. 59), auch eine Verwaltungsvorschrift durchaus "an der Allgemeinverbindlichkeit des Gesetzes (zu) partizipieren". 316 Schmitt, Verfassungslehre, S. 176 zu§ 10 II 17 ALR., vgl. auch aaO, S. 177 und Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 140, 166; S. 181, 210. 317 Vgl. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 140. 6*

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würde. Die Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) besagt mithin zwar nicht unmittelbar etwas über die Rechtsverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften318. Die Bindung des Gesetzgebers (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs.3 GG) führt aber zur verfassungsrechtlichen Forderung nach der hinreichend bestimmt gefaßten gesetzlichen Ermächtigung, welche die Reichweite des Eingriffs definiert319. So gesehen behält das Grundgesetz die Ermächtigung zu Freiheitseingriffen nicht nur den bestimmten320, wohl aber den hinreichend bestimmten Gesetzen vor. Allein im Rahmen solcher verfassungsmäßig, d.i. hinreichend bestimmt eingeräumter Konkretisierungsbefugnis haben die Festsetzungen der Verwaltung Bestand.

b) Die begrenzte Ermächtigung der§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 48 Nr. 1 B1mSchG Für die gebundene Kontrollerlaubnis nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 6 Nr. BlmSchG und die Konkretisierung ihres materiellen Maßstabs durch Verwaltungsvorschriften folgt daraus: Mit jenen funktionell und immanent beschränkenden Kriterien ist nur die Ausnahme von der sonst geltenden Regel angesprochen, daß die Beurteilung des Einzelfalls (auch durch die Gerichte) sich an der verbindlichen Maßgabe der nach §§ 48, 51 BlmSchG ordnungsgemäß erlassenen Verwaltungsvorschriften orientieren müsse. Die Regel selbst ist begründungsbedürftig. Sie kann ihre Begründung nur darin finden, daß der Verwaltungsvorschriftengeber lediglich begrenzt ermächtigt wird und ihm vom Gesetz selbst verfassungsmäßige und hierauf auch rechtlich überprüfbare, das heißt wiederum hinreichend bestimmte Grenzen gezogen sind321 . Ohne eine solche Begrenzung würde die punktuelle Umkehrung des Erfolgsmaßstabs in § 5 Abs. l Nr. 1 zur unwiderleglichen Schädlichkeitsvermutung ermächtigen, die vor Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG mangels Bestimmtheit keinen Bestand hätte. Wichtigste Einsicht ist daher, daß die ab318 Vgl. Schmidt-AßrruJnn, Handbuch des Staatsrechts, Band I,§ 24, Rdnr. 39. 319 Für Eingriffserrnächtigungen: BVerfGE 8, 274 (325 f.), 9, 137 (147 f.); Verbote: BVerfGE 9, 83 (87), 20, 150 (155 ff.) . Das Bestimmtheitserfordemis des

für präventive Art. 80 Abs. I Satz 2 GG formuliert eine spezielle und logische Konsequenz dieses Gedankens, BVerfGE I, 14 (60), 2, 307 (334 f.), 5, 71 (76 f.), 7, 282 (301 f.), vgl. auch Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 375, 395 f. Fn. 64. Zum entsprechend strukturierten Gesetzesvorbehalt nach Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. BVerfGE 71, 108 (I 14); 87, 209 (223 f.). Dabei ist die Bestirnn'ltheit Indikator, die "Voraussehbarkeit" als solche aber, vgl. BVerfGE 4, 7 (21), recht verstanden eher Folge einer eigenen, ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers, BVerfGE I, 14 (60), auch BVerfGE 49, 89 (126 f., 129), 58, 257 (278). Unzutreffend insofern Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 81. 320 Vgl. BVerfGE 49, 89 (133). 321 Gusy, DVBI. 1987, S. 497, 501, 503, 505; Send/er, UPR 1993, S. 321, 326 f., 328; BVerwG DVBI. 1988, S. 539.

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strakt-generellen Festsetzungen der Verwaltungsvorschriften vom Betreiber unter Berufung auf das Gesetz widerlegt werden können 322 . Inhaltlich ist die vom Gesetzgeber in § 6 BlmSchG dokumentierte materielle Bindung323 , soweit sie vom betroffenen Anlagenbelreiber als Rechtsanspruch gegenüber der im Einzelfall vollziehenden Verwaltung geltend gemacht werden kann, allein in der gesetzlichen Anordnung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG fundiert. Es kommt also vornehmlich darauf an, ob und wie der Begriff der Erheblichkeit trotzUmkehrungdes Erfolgsmaßstabs und des damit eröffneten Entscheidungs- (Wertungs-, Konkretisierungs-)spielraums die Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG noch materiell begrenzen kann. Fallen die zu überprüfenden Grenzen der Ermächtigung letztlich mit den Grenzen des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erheblichkeil zusammen, so müssen Entscheidungen wie Normkonkretisierungen der Verwaltung genau insoweit widerlegt werden können, als sie rechtlich unerhebliche Beeinträchtigungen verbieten wollten. Da der "Stand der Wissenschaft und Technik" als teilweise ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal allgemein den Exekutivspielraum (den Anwendungsspielraum bei der Einzelfallentscheidung- vgl. Nr. 2.2.1.3 Abs. 2 lit. b) TA Luft - und den Definitionsspielraum des Vorschriftengebers 324) markiert, bestimmt sich nach ihm die Grenze zwischen erheblichen und unerheblichen Beeinträchtigungen325 - nur steht das Urteil über die Schädlichkeit im Hinblick auf Nachteile und Belästigungen unter dem deutlichen Vorbehalt normativer Festsetzungen326. Materiell-rechtlich unerheblich sind Umwelteinwirkungen unter dem normativen Regime des Schutzprinzips allerdings nicht bereits dann, wenn - positiv betrachtet - das Schädlichkeitsurteil nicht völlig einhellig getroffen wird, also entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung einzelne wissenschaftlich fundierte Zweifel an der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen bzw. am Aussagewert von Ermittlungsverfahren geäußert werden. Das wäre mit dem Ziel des Gesetzes, den Schädlichkeitserfolg hinreichend wahrscheinlich auszuschließen und Ungewißheiten bis zu einem gewissen Grade dem Anlagenbetreiber als potentiellem Störer anzulasten, nicht zu vereinbaren. Es reicht also zur Begründung des Eingriffs in die Freiheit des Anlagenbetreibers regelmäßig aus, wenn bestimmte Umwelteinwirkungen in der Wissenschaft überwiegend 322 Vgl. Murswiek, VVDStRL 48 (1990), S. 207, 214 f.; auch§ 156 UGB-AT(E) und zu ihm Rehbinder, in: Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 480. 323 BT-Drs. 7/179, S. 31. Sie ist auch bei der Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zugrundezulegen. 324 Schmidt-Aßmann, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rdnr. 38 f. 325 Send/er, UPR 1993, S. 321, 327 (I.Sp.). 326 Näher unten 4. Kapitel, Ill. I. a) aa).

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

für schädlich erachtet werden oder ihre Unschädlichkeit begründeten Zweifeln unterliegt327 . Solche nach dem Stande der Wissenschaft überwiegende Wahrscheinlichkeit kennzeichnet - für Nachteile und Belästigungen stets mit dem soeben erwähnten weiteren Spielraum zugunsten untergesetzlicher Normgebung - die Erheblichkeitsschwelle, ihr Nachweis die nach ihrem Gegenstand aus dem materiellen Recht folgende, grundsätzlich den Staat - im Einzelfall wie bei abstrakt-genereller Normkonkretisierung - treffende Beweislast Kann der Nachweis nicht in dieser Weise geführt werden, beeinträchtigen die Immissionen nur unerheblich und sind erlaubt. Die für eine Widerlegung des Schädlichkeitsurteils an die Darlegungslast zu stellenden Anforderungen unterscheiden sich indessen, je nachdem ob es sich um eine (auch dezisionistisch wertende) Festlegung des Verwaltungsvorschriftengebers oder die Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Einzelfall handelt. Insoweit schlägt sich die Umkehrung des Erfolgsvermeidungsmaßstabs gerade dann in einer erhöhten Verbindlichkeit der Verwaltungsentscheidung nieder, wenn sie mit der formell-funktionellen Bewertungsermächtigung der§§ 48, 51 verbunden ist328. Wird der Stand der Wissenschaft bewußt generalisierend und in wertender Betrachtungsweise in einem besonderen Verfahren durch Verwaltungsvorschriften bestimmt, muß der Anlagenbetreiber diese hoheitliche Festlegung regelmäßig gegen sich gelten lassen und reicht eine substantiierte Darlegung von einzelnen, dem bislang anerkannten Sicherheitsstandard sachlich widerstreitenden wissenschaftlichen Äußerungen nicht aus, um das Schädlichkeitsurteil zu erschüttern329 . Dessen spezifischer Charakter begründet vielmehr eine erhöhte Substantiierungslast: Das Recht verbietet nur die Verletzung äußerer Grenzen des Konkretisierungsspielraums. Damit hierbei 327 In diesem Sinne auch die Begründung des Rechtsausschusses zum neuen § 906 Abs. I Satz 3 BGB, BT-Drs. 121742S, S. 90. 328 Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 12 f.; Sa/zwede/, S. wiss. Fachtagung der GUR 1981, S. 33, 46 f.; BVerwG Beschl. v. 10. I. 199S, DVBI. 199S, S. Sl6, Sl7. Auch BT-Drs. 121742S, S. 89 zu § 906 Abs. I Satz 3 BGB. Zur insoweit gebotenen formal-verfahrensmäßigen Rechtskontrolle des Vorschriftengebers Goerlich, ThürVBI. 1993, S. I, 4 nach Fn. 2S. 329 Für Dritt-Betroffene, die die Notwendigkeit einer Verschärfung der Anforderungen aufgeund neuer Erkenntnisse behaupten, gilt möglicherweise anderes: Der Nachweis der "Veralterung" bedarf lediglich gesicherter Erkenntnisse, "die die ... Werte und Meßverfahren als den Anforderungen des BlmSchG genügend in Frage stellen (!) könnten", BVerwG DVBI. 1988, S. S39, auch S. S40; vgl. Gusy, DVBI. 1987, S. 497, SOS - weil bereits dann der Schadenseintritt nicht mehr hinreichend unwahrscheinlich ist. Diese Differenz zwischen möglichst effektiver Durchführung des Schutzgrundsatzes und Abwehrposition des Belreibers versteht Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 306 ff., 3S3 ff.. 362, aus dem Widerspruch von Umweltschutzzweck und lndustrieförderungszweck, welcher schließlich auch der Genehmigungsbehörde ein Ermessen eröffnet, das zwischen den verschiedenen Voraussetzungen von Versagung (jenseits der Unzumutbarkeitsgrenze) und Genehmigung (unterhalb der Bagatellschwelle) angesiedelt ist, aaO, S. 300, 362, 366, dabei freilich durch abstrakt-generelle Festsetzungen der Verwaltung auf untergesetzlicher Ebene gebunden sein soll, S. 360 f., 363.

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trotz der Umkehrung der Schädlichkeitsvermutung der Begriff der Erheblichkeit seinen begrenzenden Charakter bewahrt, versteht sich als (Negativ-)Grenze der Zurechnung die überwiegend wahrscheinliche (heißt hier: in der Wissenschaft überwiegend vertretene) Unerheblichkeit von beeinträchtigenden Umwelteinwirkungen oder entsprechend die überwiegend angenommene Unzulänglichkeit des vom Vorschriftengeber vorgesehenen Meß- oder Berechnungsverfahrens330. Entgegen den Vorgaben des hierzu besonders legitimierten Verwaltungsvorschriftengebers werden also mögliche Beeinträchtigungen dann hinreichend wahrscheinlich vermieden, wenn ihr Eintritt nach dem Stand der Wissenschaft, d.h. nach überwiegender Auffassung unwahrscheinlich ist, weil entweder tatsächlich zu verzeichnende Immissionen ihrer Qalität nach als unschädlich zu erachten sind oder der Qualität nach potentiell schädliche Immissionen sich nicht zu erheblichen Mengen akkumulieren. Es geht damit nicht nur darum, begründete Zweifel an der Schädlichkeit darzutun. Verlangt ist die positive, hinlänglich schlüssige und wissenschaftlich untermauerte Behauptung der Unbedenklichkeit, wobei freilich vereinzelte Zweifel an der Unschädlichkeit nicht den Ausschlag geben331. Die Normkonkretisierung in Gestalt abstrakt-genereller Verwaltungsvorschriften erfolgt indessen nur punktuell. Wo dieser Regelungsverzicht nicht in Kenntnislücken seine Ursache hat, kann es auch darum gehen, aus verfassungsrechtlichen Gründen der Einzelfallgerechtigkeit einen genügenden, durch Verfahren und gewisse Eckdaten der Entscheidungstindung begrenzten Spielraum zu belassen (vgl. Nr. 2.2.1.3, insb. mit 2.2.1.2 lit. d) TA Luft). Jedenfalls kann man für die im einzelnen nicht abschließend, sondern durch Verwaltungsvorschrift ausdrücklich generalklauselartig geregelten Sonder-, d.i. Ausnahme-

330 Nach Murswiek, VVDStRL 48 (1990), S. 207,215, bedarf es, was zutrifft, nicht notwendig des positiven Beweises der Schädigungsunmöglichkeit Vielmehr müßten "Tatsachen ermittelt werden, die einen -in Relation zum potentiellen Schaden - 'hinreichenden' Wahrscheinlichkeitsgrad für die Unmöglichkeit der Schädigung ergeben". Dieser Nachweis kann freilich als Tatsachenbeweis i.e.S. nicht gelingen, sondern muß zwangsläufig hypothetisch bleiben, vgl. Scherzberg, VerwArch 84 (1993), S. 484, 496. Scherzberg bezeichnet daher als Risiko, analog dem Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften, die "Gefahr einer Fehleinschätzung der Gefahr", was nicht auf die im Zweifelsfall unmögliche konkrete (Un-)Schädlichkeitsprognose abzielt, sondern gewissermaßen auf einer Metaebene angesiedelt ist, aaO, S. 491 f., 497 f. So oder so muß aber der erforderte Nachweis mit dem Stand der Wissenschaft rückgekoppelt sein. Ausgangspunkt jeglicher Maßnahmen ist insoweit nicht das Nicht-Wissen, sondern bleibt stets das positive Wissen. Vgl. Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 95; auch Kloepfer!Kröger, NuR 1990, S. 8, 10 f.; Roßnage I, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, 195 ff., 450. 331 Nach Seltner, Neuere Entwicklungen im lmmissionsschutzrecht, S. 24, 32, sind die "Anforderungen an die Substantiierungslast ... hier sehr hoch"; in diese Richtung auch Sendler, UPR 1993, S. 321,326 f. unter Hinweis aufBVerwGE 92, 185 (195 f.)- Mülheim-Kärlich II, die, allerdings aus der Perspektive des rechtlich dem Schutzzweck parallel gelagerten Nachbarinteresses, den Stand der Wissenschaft mittelbar als Objekt der Beweiserhebung kennzeichnet.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

fälle 332 in allen Hinsichten, die nicht Meß- oder Berechnungsverfahren betreffen, nicht von einem politischen Votum des Verwaltungsvorschriftengebers zur Konkretisierung des nach allgemeiner Auffassung Schädlichen (erheblich Beeinträchtigenden) sprechen. Er hat stattdessen pauschal und ohne eigene Entscheidung- in Nr. 2.2.1.3 Abs. 2 lit. b TA-Luft- auf den Stand der Wissenschaft und die allgemeine Lebenserfahrung verwiesen 333 . Da die Ermächtigung der§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 48 Nr. l, 51 BlmSchG auf die Instanz des Verwaltungsvorschriftengebers, ihre spezifischen Funktionen und Handlungsmöglichkeiten zugeschnitten ist, und zu weiterreichenden Lockerungen der Gesetzesbindung kein Anlaß besteht, sind Einzelmaßnahmen der Verwaltung im gewohnten Umfang durch die Gerichte zu überprüfen, die dazu selbst jenen Stand der Wissenschaft präzisieren (lassen) müssen, nach welchem erhebliche Beeinträchtigungen hinreichend sicher ausbleiben: Bestimmt sich, was als erheblich zu gelten hat, nach dem Stand der Wissenschaft, kann das Gericht durchaus darüber befinden, ob dieser von der Behörde im Einzelfall zutreffend - wenn auch auf der "sicheren Seite" - festgelegt wurde 334. Diese fallbezogene Bestimmung rechtlicher Begriffsgrenzen entspricht der den Gerichten nach der Funktionenordnung zugewiesenen Aufgabe. Schweigen die Verwaltungsvorschriften, so verbleibt dem Staat die Beweislast in dem aus §§ 6, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG folgenden, oben beschriebenen inhaltlichen Ausmaß und vermögen bereits substantiiert vorgetragene Zweifel an einer ausreichenden (überwiegend die Schädlichkeit annehmenden) wissenschaftlichen Basis des konkreten Schädlichkeitsurteils entsprechende Beweiserhebungen zu veranlassen335 , die, wenn sie die Zweifel bestätigen, dieses Urteil widerlegen. Nur soweit auf dieser Basis noch Wertungsfragen zu entscheiden sind, ist- vor allem im Bereich der Nachteile und Belästigungen- an eine Vertretbarkeitskontrolle zu denken (vgl. Nr. 2.2.1.3 Abs. 4 TA Luft), welche aber die aus dem Gesetz, insb. seinem Schutzzweck (gesetzlicher Vorrang schutzbedürftiger Nutzungen) zu entwickelnden Argumentationslasten und -verbote zu berücksichtigen hat336 . 332 Im einzelnen Sellner, aaO, S. 33 ff. 333 Und auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem selbstverständlich die Ermittlungsmaßnahmen entsprechen müssen. 334 Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 12, 13 a.E.: kein Beurteilungsspielraum; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 3 BlmSchG, Rdnr. 18; a.A. Sel/ner, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 24, 34. Insofern ist daran zu erinnern, daß' auch nach der Lehre vom "Ermessensbegriff' dieser selbst einer rechtlichen Präzisierung bedarf, vgl. Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 260 f. , wie sie hieranhanddes "Standes der Wissenschaft" vorzunehmen ist. Anders und zu großzügig BVerwGE 72, 300 (316, 317 f.). 335 Jedenfalls also wenn sich "aus dem prozessualen Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten herleiten läßt, daß die ... Annahmen und Bewertungen der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf den Stand von Wissenschaft und Technik als widerlegbar erscheinen", BVerwGE 78, 177 (182)Brokdorf - zu§ 7 Abs. 2 AtG. 336 Dazu unten 4. Kapitel, Ill.l.

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111. Die Rechtfertigung des Vorsorgegebots vor der Freiheit des Betreibers 1. Formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung

Die Vorsorge in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG stellt einen offenen, nicht ohne weiteres vollziehbaren Rechtsbegriff dar337 , welche die Vorschrift- jedenfalls soweit die anlagenbezogene Vorsorge betroffen ist- nicht nur nach dem Willen des Gesetzgebers, sondern auch aus Gründen der verfassungsrechtlichen Bestimmtheit als unmittelbare materielle Eingriffsgrundlage (i.V.m. §§ I7, 20, 21 BlmSchG, Art. 20 Abs. 3, 1 Abs. 3 GG) disqualifiziert. Die Frage der Rechtfertigung erscheint dadurch in einem neuen Licht: § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG muß- anders als § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG338 - als Kern einer Rechtsetzungsermächtigung begriffen werden 339 . Die eigentlich materiellen Anforderungen sind entsprechend der geringen gesetzlichen Regelungsdichte eher dürftig und werden von § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG ohne weiteres erfüllt340: Daß es sinnvoll ist, schädlichen Umwelteinwirkungen bereits an ihrer Quelle zu begegnen und daß Vorsorge, insb. durch Emissionsgrenzwertfestsetzung ein geeignetes, erforderliches und bei generalisierender Betrachtung auch angemessenes Mittel solch vorbeugenden Umweltschutzes darstellt, liegt auf der Hand. Wichtiger ist darum die andere Erkenntnis, daß erst (i. V. m. § 7 oder § 48 BlmSchG) als Ermächtigung aufgefaßt die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG vollziehbar wird- nämlich unmittelbar durch den Normgeber, mittelbar durch die an seine zwingenden Rechtsvorschriften gebundene, konkretindividuell regelnde Verwaltung. Nur in diesem Verständnis besteht überhaupt die Chance hinlänglicher Bestimmtheit der je individuell adressierten Vorsorgepflicht, wie sie die Einzelfallermächtigungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes voraussetzen und nicht zuletzt die gebundene Form der Genehmigung (§ 6 Nr. I BlmSchG) vorschreibt. Denn für gesetzliche Rechtsetzungsermächtigungen gelten nach Art. 80 Abs. I GG andere, weitere Maßstäbe. Weil der Wesentlichkeitslehre gerade für den Eingriffsbereich ersichtlich kein eigen-

337 Vgl. oben 2. Kapitel. 338 Vgl. Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 255 f., 259. 339 Grabitz, WiVerw 1984, S. 232,243 f. 340 Die erforderliche Differenzierung zwischen Einzelfall- und Rechtsetzungsermächtigung sowie zwischen standardisierender und raumbezogener Vorsorge kommt bei Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge, S. 38 ff. , 87 zu kurz.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

ständiger Aussagegehalt zukommt341 , reicht es aus, wenn sie nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sind (Art. 80 Abs. I Satz 2 GG)342 . Nach der Systematik des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers steht im Vordergrund die Ermächtigung des§ 7 Abs. I (ins~. Nr. I und 2) BimSchG, im Verordnungswege anlagenbezogene Vorsorgeanforderungen zu stellen. Um Inhalt, Zweck und Ausmaß dieser Ermächtigung zu bestimmen, muß die Auslegung auf das Ziel der gesetzlichen Regelung, wie auch ihren Sinnzusammenhang mit anderen Normen namentlich des materiellen Rechts zurückgehen343 . Schaut man demgemäß zum einen auf das Ziel der Gesamtregelung mit ihren zwei Spielarten des vorbeugende1t- Umweltschutzes (§ I BimSchG), zum anderen auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der Vorsorgepflicht des§ 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG und den mittelbaren (negativen) Zusammenhang mit der Schutzpflicht des § 5 Abs.I Nr. I BimSchG, so ergibt sich das folgende Bild einer begrenzten Ermächtigung: Ihrem Inhalt nach ermöglicht sie - § 7 Abs. 1 BimSchG bezieht sich insgesamt auf die Grundpflichtentatbestände des § 5 BimSchG - einen vorbeugenden Umweltschutz, der in erster Linie (Nr. I und 2) anlagenbezogen an der Quelle schädlicher Umwelteinwirkungen, den Emissionen einsetzt, jedenfalls aber nicht das Vorliegen schädlicher, d.i. möglicherweise schädigender, belästigender, nachteiliger Umwelteinwirkungen zur Handlungsvoraussetzung hat. Der allgemeine Umweltschutzzweck des § 1 BimSchG in der zukunftsorientierten und auf technische Maßnahmen an der einzelnen Anlage beschränkten Ausformung des Vorsorgeprinzips nach §§ 5 Abs. I Nr. 2, 3 Abs. 6 BimSchG wird hiermit präzisiert, um- das ist der Zweck der Ermächtigung - Defizite der vorbeugenden Gefahrenabwehr auszugleichen. Was konkret-individuell an Schädlichkeit sich nicht mehr zurechnen läßt und daher auch an Restrisiko verbleibt, soll vorsorgend so weit wie möglich und zulässig reduziert werden. Diesem Zweck, vom (begrenzten) positiven Wissen über schädliche Umwelteinwirkungen und der demgemäß beschränkten Abwehr zur bestmöglichen angemessenen Vorsorge zu gelangen, dient nicht zuletzt die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung der beteiligten Kreise nach § 51 BimSchG. Weitere positive Motive der Normgebung sind hierdurch keineswegs ausgeschlossen, stellen sich aber als Mittelzwecke dar, die sich dem ge341 Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 375, 393, 395. Es sei denn der, daß unwesentliche Eingriffe keiner Ermächtigung bedürfen. Das ist abzulehnen, vgl. auch Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135, 162. 342 Eine zusätzliche Überprüfung anband des Parlamentsvorbehalts i. S. der Wesentlichkeitslehre ist nach zutreffender Auffassung überflüssig, bereits Schenke, DÖV 1977, S. 27,30 (r. Sp.); v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 86 ff., 94 f., 104 f.; anders BVerfGE 91, 148 (162 f.) und im vorliegenden Zusammenhang Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 243 f. Trotz deutlicher Zweifel an der "Verdoppelung" letztlich offengelassen in BVerwGE 89, 121 (130ff., 133). 343 Vgl. etwa BVerfGE 38, 348 (357 f.).

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setzlieh festgelegten Zweck der Vorsorge unterzuordnen haben344. Diese Eingriffsermächtigung wird schließlich nicht unumschränkt erteilt, sondern ist in ihrem Ausmaß durch den zwar relativ weiten, indessen im Lichte des Gesetzeszwecks hinlänglich präzisen Begriffsrahmen begrenzt. An ihn sind dann - wiederum nach Art. 20 Abs. 3 GG - die einzelnen, abstrakt-generellen Festsetzungen gebunden, die selbstverständlich auch die noch näher zu bezeichnenden Verhältnisrnäßigkeitsschranken nicht überschreiten dürfen. Die Rechtswirklichkeit bietet freilich ein etwas anderes Bild: Hier ist die gesetzliche Verpflichtung zur Vorsorge, sieht man von der Verordnung über Großfeuerungsanlagen345 einmal ab, nicht in Verordnungen aktualisiert worden, sondern vor allem durch die allgerneine Verwaltungsvorschrift der TA Luft. Gilt auch insoweit der soeben entfaltete Maßstab des Art. 80 Abs. 1 GG, der dann analog auf Notwendigkeit und Ausgestaltung der Ermächtigung des (nicht abschließenden) § 48 Nr. 2 BlmSchG anzuwenden wäre? Das hängt zunächst davon ab, ob das Grundgesetz überhaupt Formen verbindlicher Außenrechtsetzung durch die Verwaltung außerhalb von Art. 80 Abs 1 GG zuläßt. Bejaht man dies, weil Art. 80 Abs. 1 GG, den tradierten Eingriffsvorbehalt voraussetzend aber nicht festlegend, keine abschließende Regelung der Außenrechtsetzung durch die Verwaltung getroffen habe (Böckenförde)346 , so liegt der weitere Schritt nahe, daß Art. 80 Abs. 1 GG, die überkommene Rechtsform der Verordnung ebenfalls nur als eine Möglichkeit auch des abstrakt-generell eingreifenden Verwaltungshandeins mit Außenwirkung anspricht347 . Für andere, durch Art. 80 Abs. 1 GG weder angesprochene noch ausgeschlossene Formen fehlt es dann an einer ausdrücklichen Regelung, weil Art. 20 Abs. 3 GG und ebenso die Einzelvorbehalte der Grundrechte in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 GG das Prinzip der Gesetzmäßigkeit ohne Rücksicht auf die Delegation von Rechtsetzungsmacht formulieren 348. Wenn es aber eine pflichtenbegründende Normsetzung durch die Verwaltung gibt, die nicht in Form der Verordnung erfolgt - und dem scheint Art. 80 Abs. 1 GG jedenfalls nicht entgegenzustehen -, dann will doch das Grundgesetz offenkundig nicht hinreichend ermächtigte Eingriffe ausgeschlossen wissen. Dieser Rechtsgedanke ist Art. 80 Abs. 1 GG zu entnehmen und wäre ohne Zweifel auf die mit dieser Bestim344 Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 42 a.E.; Roßnagel, in: Koch!Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 425 ff., 436, 439. 345 13. BlmSchV v. 22. 6. 1983 (BGBI. I S. 719). 346 Biickenfiirde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 375, 394, 396 f., zunächst für den Bereich, der nicht die "wesentlichen" Fragen eines Rechtsverhältnisses oder zu ordnenden Lebensbereichs betrifft. 347 Vgl. Biickenfiirde, aaO, S. 390. Anders Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135, 162 f.; Schenke, DÖV 1977, S. 27, 30 (für dauerhafte Regelungen). 348 Vgl. v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 95.

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mung nicht geregelten Fälle der (eingreifenden) Außenrechtsetzung zu übertragen349_ Freilich immer nur dann, wenn der Gesetzgeber die Verwaltung wirklich zu derartigen Eingriffen in Gesetzes- nicht aber Verordnungsform ermächtigen wollte. Hätte er dagegen eine reguläre Verordnungsermächtigung bereitgestellt (etwa in § 7 Abs. 1 BlmSchG), die lediglich durch die Verwaltung nicht ausgefüllt würde, so könnte ihm kein Vorwurf daraus erwachsen, sollte eine hierfür gar nicht vorgesehene Ermächtigung (etwa§ 48 BlmSchG) von der Verwaltung unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG zur Außenrechtsetzung mißbraucht werden. Es wären dann schlichtweg die Normierungen durch die Verwaltung, hier die Vorsorgeregelungen nach der TA Luft hinfällig 350 . Das hiermit aufgeworfene Interpretationsproblem löst sich, wenn man bedenkt, daß § 48 Nr. 2 BlmSchG 351 zunächst eine Konkretisierungsfunktion zukam, die durch einen untergeordneten Stellenwert der Vorsorge und einen ursprünglich konservativen Begriff des Standes der Technik ermöglicht und eng begrenzt wurde. Mit der Aufwertung des Vorsorgeprinzips zur verselbständigten und vor allem anlagenbezogen dynamisierten Vorsorgegrundpflicht (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 6 BlmSchG) wurde diese Funktion zwangsläufig obsolet, weil sich die richtige Einsicht durchsetzte, daß die erforderlichen, in die Zukunft gerichteten und deutlich wertenden Festsetzungen der verbindlichen Rechtsform bedürften 352 . Ist aber die Pflicht zur Vorsorge erst einmal durch Verordnung konkretisiert, erscheint eine weitergehende Konkretisierung überflüssig; dem Bedürfnis nach einer ausschließlich verwaltungsinternen Norminterpretation bietet andererseits Art. 84 Abs. 2 GG eine ausreichende Grundlage 353 . Wenn daher gleichwohl die Ermächtigung des § 48 Nr. 2 BlmSchG aufrechterhalten wurde, so nur, um der Verwaltung Außenrechtssetzung ggf. auch außerhalb von § 7 Abs. 1 BlmSchG zu ermöglichen. Der Gesetzgeber, der schließlich die Gesetzesnormen mit Blick auf ihre "Durchführung" (so ausdrücklich § 48 BlmSchG!) erlassen hat, kann nicht die zwangsläufige Folge der Außenwirkung zum Nachteil der gesetzesanwendenden Verwaltung ignorieren, sondern muß seine Absicht am Maß349 Schenke, DÖV 1977, S. 27, 30 (r. Sp.). Zum Sanierungskonzept der TA Luft Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 878 b. Fn. 40. 350 Genehmigungsbescheide, nachträgliche Anordnungen, Untersagungen etc. wären rechtsund verfassungswidrig, soweit sie die gesetzlichen Vorsorgeanforderungen ohne ausreichende Rechtsgrundlage konkretisierten. Es bliebe bei der unvollkommenen, nicht vollziehbaren Rechtspflicht zur Vorsorge. 351 Im Entwurf des Gesetzes§ 40 Nr. 2, BT-Drs. 7/179, S. 12. 352 Zu § 6a des Entwurfs vgl. Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 711513, S. 5. Zum politisch wertenden Charakter von Vorsorgevorschriften auch Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 19 a.E. 353 Vgl. Gusy, Zwanzig Jahre BlmSchG, S. 185, 188. Allgemein verlangt man darum für eine erweiterte Außen-/Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften besondere Normkonkretisierungsermächtigungen, Jarass, BlmSchG, § 48, Rdnr. 13; BVerwG, Beseht. v. 10. I. 1995, DVBI. 1995,S. 516,517.

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stabdes Art. 80 Abs. I Satz 2 GG (analog) messen lassen. Der Rückgriff auf den Parlamentsvorbehalt der Wesentlichkeitslehre ist dagegen auch hier weder notwendig noch sachdienlich. Wendet man den Maßstab des Art. 80 Abs. I Satz 2 GG auch auf die Ermächtigung zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften nach § 48 BimSchG an, ist zwar zu konstatieren, daß die Vorgaben des Gesetzes insb. hinsichtlich Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung sehr viel offener ausgefallen sind, zumal auch hier keine abschließende Regelung getroffen ist. Die Bezugnahme auf die Durchführung des Gesetzes läßt aber gleichwohl den hinreichend bestimmten und dadurch seinerseits Inhalt und Ausmaß begrenzenden Zweck der Ermächtigung erkennen354 . In Betracht kommt wie in § 7 Abs. I BimSchG allein die Konkretisierung der gesetzlich statuierten Grundpflichten des Betreibers, der besonderen Struktur dieser Normen entsprechend wiederum unter obligatorischer Anhörung der beteiligten Kreise. § 48 steht insofern nicht an Bestimmtheit hinter § 7 BlmSchG zurück. 2. Charakter und Maßstab der einzelnen Vorsorgeanordnung

Innerhalb dieses normativ festgelegten Spielraums ist nun der Normgeber, wie dies dem Sinn einer Ermächtigung entspricht, materiell weithin frei bei der Festlegung der Vorsorgeanforderungen. Im Vorfeld hat es auch die Vorsorge mit Immissionen zu tun - allerdings mit Immissionen, die nie entstehen sollen (§§ I, 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG)355 . Nach dem Vorsorgegedanken ist, darin erschöpft sich auch bereits der rechtliche Gehalt des Begriffs, der Umfang des vom Schutzprinzip grundsätzlich in Kauf genommenen Restrisikos zu verringern356. Weil mit diesem Ziel bewußt ein sehr weiter, an planerische Entscheidungsdimensionen erinnernder Regelungsspielraum eröffnet ist, innerhalb dessen die Emissionen der einzelnen Anlage nur ein Durchgangsziel von Vorbeugemaßnahmen darstellen, braucht die Rechtfertigung nicht auf den Betrieb der jeweiligen Anlage abzuheben, sondern kann in "volkswirtschaftlichen Größenordnungen" erfolgen357 . Die Anforderungen, an denen das Bundesverwaltungsgericht Vorsorgeregelungen insofern gemessen und die es unter allgemei-

354 Vgl. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 375, 393m. Fn. 58. 355 BVerwGE 69, 37 (42, 44); auch Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 237; Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 448. 356 Vgl. BVerwG aaO, S. 42; Breuer, Der Staat 20 (1981), S. 393, 414; Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 444, 448; Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 4; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 444 ff.; Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515,524. 357 BVerwGE 69, 37 (45). Vgl. Kutscheidt, aaO, S. 447; Schulze-Fielitz, aaO, S. 529.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

nem Beifall im Begriff der "Proportionalität" von Vorsorge und (Rest-)Risiko zusammengefaßt hat, fallen dementsprechend großzügig aus 358 . Sie mögen bei unbefangener Betrachtung allzu rudimentär erscheinen: Könnte es, ähnlich wie im Steuerrecht359, mit einer voraussetzungslosen, rein immanenten Proportionalität von (nicht konfiskatorischer/erdrosselnder) Vorsorge und Risikopotential der zu verhindernden Immissionen sein Bewenden haben, wäre man sehr schnell am Ende einer Prüfung, die dann nicht viel mehr reflektiert als die Gemeinnützigkeit des Vorsorgezweckes360. Das entspricht durchaus einer Tendenz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Er taugt zur Rechtfertigung jedes nicht ausdrücklich verbotenen oder völlig willkürlichen, im übrigen frei wählbaren Eingriffszweckes, solange eine gewisse Eingriffsintensität nicht überschritten wird. Je weiter der Zweck, desto weiter daher die rechtfertigende Wirkung361 . Der schieren Beliebigkeit hat freilich das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben, indem es - insbesondere, aber nicht nur im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Eigentumsordnung außerhalb des Steurrechts vor allem auch Sachgerechtigkeit der eingreifenden Regelung gefordert hat362. Der erwünschte und erlaubte Zweck darf also nicht nur irgendwie durch die Summe der (insoweit "geeigneten") Eingriffserfolge befördert werden, das Mittel muß in einem sachlichen Zusammenhang sowohl mit dem Eingriffsziel, der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen363 als auch der gesetzlichen Entscheidung gegen ein Totalverbot (§§ 4, 6 BlmSchG) stehen. Das zurechnungsbegründende Verursacherprinzip, das zwar keinen Verfassungsrang, wohl aber sinnfällige Plausibilität besitzt und häufig die geforderte Sachgerechtigkeit herstellt, versagt freilich in seiner Anwendung auf den gerade in diesem Punkt defizitären Vorsorgegrundsatz. Dennoch könnte auch aus dieser strikteren Perspektive die Minderung der Gesamtemissionen einen Eingriff in die Rechtsstellung des einzelnen Betreibers jedenfalls dann rechtfertigen, wenn sich abstrakt-typisierend und unabhängig vom je konkreten (kausalgesetzlichen) Schädlichkeilsnachweis eine Verantwortlichkeit des Anlagenbetreibers überzeugend begründen ließe. Hierfür bedarf es sicher einer spezialgesetzlichen Regelung, wie sie § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG trifft. Darüber 358 BVerwGE 69, 37 (44). 359 Vgl. BVerfGE 14, 221 (241). 360 Auch insofern könnte man "Tatbestandslosigkeit" befürchten, vgl. Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 124. Deutlich wird dieser Effekt, wenn gesagt wird, daß der sog. große VerhältnismäßigkeilStest den "Gesamtnutzen in Rechnung" stelle, Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439,447. 361 Vgl. Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 167. 362 BVerfGE 52, I (29); 55, 159 (166). 363 Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439,448,449.

Drittes Kapitel: Pflicht zur Luftreinhaltung und Schutz der Emissionsbefugnis

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hinaus scheint materiell ein allgemeiner, wenn auch wissenschaftlich nachgewiesener Zusammenhang zwischen Ursache und Schädigung zwar notwendig, angesichts der besonderen Bedeutung der menschlichen Gesundheit und der Umweltgüter aber auch hinreichend 364. Es muß also, hierauf reduziert sich die materielle Grundrechtsprüfung im Kern, eine wissenschaftlich fundierte, abstrakte Schädlichkeitsvermutung hinsichtlich bestimmter Luftverunreinigungen bestehen; es muß tatbestandlieh vorausgesetzt werden, daß die einzelne Anlage durch ihre Emissionen kausal zu jener abstrakten Schädlichkeit beiträgt. Und es ist abstrakt-generell sicherzustellen, daß die geforderten Vermeidungsleistungen sich im Rahmen des technisch Möglichen bewegen, daß also der Betrieb einer Neuanlage nicht aufgrund progressiver Vorsorgeanforderungen schlechterdings unmöglich wird - eine Eingriffsgrenze, die aus dem Erfordernis der "praktischen Eignung" der Maßnahme folgt, wenn dieses auch auf eine vorherige Erprobung im Betrieb abzielt, § 3 Abs. 6 Satz 2 (mit §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2) BlmSchG. Denn ruinöse technische Vorkehrungen wären den anderweit "mit Erfolg im Betrieb erprobt(en)" nicht vergleichbar. Mehr ergibt sich indes nicht aus dem Erfordernis der Proportionalität zwischen Vorsorge und Risikopotential. Die Zielvorgabe der Emissionsbegrenzungen kann selbst nicht weiter auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden, ist nurmehr zweckdienlich umzusetzen. Vor allem bewegt sich die vielbeschworene Abwägung zwischen der Summe individuell auferlegter Vorsorgekosten und der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der erzielten Verbesserungen (ihrerseits ein Verhältnis von Ausmaß der potentiellen Schädlichkeit und Umfang der Minderung 365 ) juristisch mehr oder weniger im luftleeren Raum und bezeichnet letztlich einen politischen, nicht rechtlichen Vorgang366 . Aus den spärlichen Vorgaben resultiert umgekehrt eine eigenständige formelle Anforderung, die Verpflichtung der Verwaltung, anlagenbezogene Vorsorge nur im Wege der Normsetzung zu betreiben367 : Geht man davon aus, daß unter dem Grundgesetz auch außerhalb von Art. 80 Abs 1 GG verbindliche Außenrechtsetzung stattfinden kann, müssen sich die fraglichen Festsetzungen, auch um dem Regelungszweck des Gesetzes Rechnung zu tragen, dementspre-

364 Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 448 f.; Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515, 524 f.; für Waldschäden und SO?-Immissionen BVerwGE 69, 37 (44 f.). Noch weitergehend Rehbinder, Festschrift Send1er, S.11i9, 279 f. und teilweise auch Roßnagel, in: Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 450 365 Vgl. zur Zumutbarkeit etwa BVerfGE 68, 193 (219); 71, 206 (218). 366 Vgl. indessen Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 878; Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 447 ff.; Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 168 (I.Sp.); Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 320 f., 321 ff., 326 f.; Schu/ze-Fielitz, Die Verwaltung 26 (1993), S. 515, 529; Sel/ner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 59. 367 Jarass, DVBI. 1986, S. 314, 317; vgl. auch dens., BlmSchG, § 48, Rdnr. 2.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

chend behandeln lassen368 . Die im Rahmen von § 48 Nr. 2 BlmschG erlassenen Verwaltungsvorschriften sind daher, soweit sie der anlagenbezogenen Vorsorge dienen - stets vorbehaltlich der hier zu unterstellenden verfassungsrechtlichen Zulässigkeil einer solchen Rechtssetzungsform- nicht als "normkonkretisierend", sondern normersetzend, kurz: als Normen anzusehen. Die mit ihnen getroffenen Vorsorgeanforderungen rechtfertigen sich unter anderem gerade durch die Rechtsförmigkeit, die man von einem "auf eine einheitliche und gleichmäßige Durchführung angelegten", typischerweise abstrakt-generellen Vorsorgekonzept369 verlangen muß370 und haben darum auch vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand. Fehlt ein solches verbindliches Konzept, so kommt nicht etwa statt dessen einfach die "kleine" Verhältnismäßigkeilsprüfung im Einzelfall zum Zuge. Zwar verpflichtet der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz, soweit aus ihm Bestimmtheitsanforderungen resultieren, den Normgeber nicht zu endgültig abschließenden Detailregelungen, für welche dann § 17 Abs. 3 BlmSchG die Frage nach der Bindung der Verwaltung371 zwingend beantwortet. Eine Vorschrift wie etwa Nr. 2.2.1.4 Abs. 1 Satz 2 TA Luft, die außerhalb eines Konzepts steht und einzelfallbezogen für "sonstige Maßnahmen" auf§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG zurückverweist, muß aber zumindest (verfassungskonform) einschränkend ausgelegt werden, und d.h.: § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG selbst muß darauf befragt werden, was er von Verfassung wegen im Einzelfalle zuläßt372 . Die für eine Eingriffsermächtigung verfassungsrechtlich problematischen, weil unbestimmten Tatbestandsmerkmale ergeben sich aus den dargelegten Aspekten der mit§§ 1, 5 Abs. I Nr. 2, 3 Abs. 6 BlmSchG bezweckten Dynamisierung. Zum einen ist daher als Eingriffsvoraussetzung ein hinlänglich nachweisbarer Schädlichkeits-, d.h. Wirkungszusammenhang zu fordern. Ist entweder die Schädlichkeit der im konkreten Fall emittierten Stoffe, das "Besorgnispotential", nicht hinreichend belegt oder ist der Kausalbeitrag der in Anspruch ge-

368 Vgl. RGZ 48, 84; hierzu 0. Mayer, AöR 18 ( 1903), S. 96, 97. 369 Etwa in der 13. BimSchV oder in Nr. 3 und 4 TA-Luft. 370 In BVerwGE 69, 37 (45) war eine nähere Auseinandersetzung mit diesem formellen Erfordernis nicht geboten, da das zu beurteilende Vorsorgekonzept ohnehin in der Rechtsform der Verordnung (13. BimSchV) ergangen war. Das Bundesverwaltungsgericht spricht von der Notwendigkeit einer "Konkretisierung" der Setreiberpflichten nach§ 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG "durch eine Verordnung nach § 7 BimSchG oder eine Verwaltungsvorschrift nach § 48 BimSchG" und setzt insoweit beide Vorschriften gleich. Vgl. auch Jarass, BimSchG, § 5, Rdnr. 57. 371 Nach der zuvor geltenden Gesetzeslage hat Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 180 f., auch für diesen Fall eine Bindungswirkung von Emissionswerten verneint. 372 Die Rede vom "kleinen Verhältnismäßigkeitstest", so Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 881 trotzseines zutreffenden Hinweises in Fn. 61 auf die rechtlich entscheidende "Interpretation des § 5 I Nr. 2", verkürzt also das Problem; auch Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 447, Sel/ner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 59, 448.

Drittes Kapitel: Pflicht zur Luftreinhaltung und Schutz der Emissionsbefugnis

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nommenen Anlage- etwa bei Fernwirkungen- ungeklärt373, scheiden im Einzelfall unmittelbar auf§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG gestützte Vorsorgeanordnungen aus 374. Dasselbe gilt, wenn nicht im Betrieb bewährte und praktisch erprobte technische Anforderungen, sondern gezielt fortschrittliche Technikstandards durchgesetzt werden sollen375 . Umgekehrt sind also Vorsorgemaßnahmen ohne vorherige abstrakt-generelle Konkretisierung nur zulässig, wenn die einschränkend genannten Voraussetzungen - nachweisbarer Schädlichkeitszusammenhang, konservativer Stand der Technik- kumulativ vorliegen 376. Der "Stand der Technik" verkörpert nämlich nach Buchstaben und Willen des Gesetzes keinen Selbstzweck, sondern bezeichnet das Mittel progressiver Vorsorge. Man kann dieses Mittel nicht unter Hinweis auf die früher gegebene Gesetzeslage auf niedrigerem Niveau isolieren377 , ohne gleichzeitig Einbußen bei der Vorsorge in Kauf zu nehmen. Diese Einbußen sind aber mit den beiden Elementen des Schädlichkeitsnachweises bereits bezeichnet. Darum verwundert es wenig, daß einzelfallbezogene Vorsorgemaßnahmen nach allgemeiner Auffassung nur im Rahmen raumbezogener Vorsorge in Betracht kommen. Dort sind sie dem Charakter vorbeugender Immissionsvermeidung (§ 1 BimSchG) entsprechend auf Ausnahmesituationen zu begrenzen: Sie sind vor allem zulässig, wenn die Immissionsbelastung im Einwirkungsbereich einer Anlage die Schädlichkeitsschwelle (nahezu) erreicht, besondere, in den Umweltverhältnissen begründete Unsicherheiten die Ermittlung der Immissionslage und folglich Gewährleistung der gesetzlichen Betriebsvoraussetzungen erschweren und die Vorsorgemaßnahme zu einer Reduzierung dieser Immissionen kausal beiträgt378; sie können möglicherweise auch dem normativen Ausgleich von Rücksichtnahmepflichten zwischen gleichrangigen Nutzungen dienen379 . Ist dann (i. S. einer negativ ausschließenden Bedingung) der Immissionsbeitrag 373 Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 57. 374 Anders VGH Mannheim v. 10. II. 1981, VBIBW 1982, 176, 177 f. - Fernheizwerk Hei-

delberg.

375 Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 57, 58; Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 280. Anders wohl Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 181. 376 Anders wohl Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 58: alternativ. Dann wäre dem VGH Mannheim in seinem o. Fn. 142 zit. Urteil zum Fernheizwerk zuzustimmen, der die Begrenzung der S02Emissionen im Einzelfall unter Berufung unmittelbar auf§ 5 (Abs. I) Nr. 2 BlmSchG vor allem damit rechtfertigte, daß die Reduktion der möglicherweise im Fernbereich schadensträchtigen Emissionen technisch ohne weiteres möglich sei. 377 So aber Grabitz, WiVerw 1984, S. 232, 242; Jarass, aaO; Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269,280.

378 Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 881 bei und insb. in Fn. 61; Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 55, 58 (a.E.); Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 477 f.; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 71 zu§ 34 der 13. BlmSchV.; Salzwedel, 5. wissenschaftliche Fachtagung der GUR, S. 33, 46, 48; wohl auch Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 323, 329 ff. 379 In BVerwG, Beseht. vom 10. 5. 1990, DÖV 1990, S. 840, dürfte es tatsächlich unmittelbar um die Einhaltung von Schutzerfordernissen gegangen sein, vgl. unten 7. Kapitel II. 3. 7 Enders

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

nicht als irrelevant zu erachten und steht auch sonst keine rechtlich zulässige Konkretisierung der Betreiberpflichten entgegen380, kollidiert dieses Gebot kleinräumiger Vorsorge nicht mit dem Schutzprinzip und bedeutet, wenn ein konservativer Stand der Technik eingehalten wird, durchweg eine verhältnismäßige Inanspruchnahme des Anlagenbetreibers. Weil und sofern aber das konkrete Ausmaß der - technisch unaufwendig zu erfüllenden - Vermeidungspflicht bereits unmittelbar aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG folgt, sind die ihrer Durchsetzung dienenden Maßnahmen - sei es der Genehmigungsbescheid mit Nebenbestimmungen (§ 6 Nr. I, I2 BlmSchG), sei es eine spätere nachträgliche Anordnung (§ I7 BlmSchG) - nurmehr immanent auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen381 . Eine solche Anforderung ist insb. i.e.S. unverhältnismäßig und unzumutbar, wenn sie nur eine im Rechtssinne irrelevante Minderung der Gesamtbelastung bewirkt382 . Außerhalb jener einwirkungsbezogenen Parameter dagegen bietet mangels hinreichender Bestimmtheit die Ermächtigung in § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG individuell-konkreten Vorsorgeanordnungen keine Grundlage383 . Diese scheitern, wo sie doch ergehen sollten, wegen Verstoßes gegen die bei verfassungskonformer Auslegung (Art. 20 Abs. 3 GG) nur eingeschränkt ermächtigende Regelung des Vorsorgegebots, damit am Grundsatz der Gesetzmäßigkeit.

380 Nach der es gerade nicht auf die Schädlichkeit der Gesamtbelastung, sondern die Geringfügigkeit der Zusatzbelastung und/oder relative Verbesserungen des Belastungsniveaus ankommen soll, vgl. § 67a Abs. 2 BimSchG, ferner Nr. 2.2.1.1 lit. b, Nr. 2.2.1.2 lit. a Abs. 2, lit. b und lit. c, Nr. 2.2.3.2 Satz I und 3 jeweils auch in Verbindung mit Nr. 4.1.2 TA Luft. Zu diesem Gesichtspunkt in anderem Zusammenhang Laubinger, in: Ule/Laubinger, BimSchG, § 67a, Rdnr. D 8. 381 Zu dieser Verhältnismäßigkeit von Nebenbestimmungen Starost, in: Ule/Laubinger, aaO, § 12, Rdnr. D 3 ff. 382 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 341 in Fn. 29. Nur insofern spielen auch für die Vorsorge die in§ 17 Abs. 2 BimSchG angesprochenen, in§ 7 Abs. 2 BimSchG nicht erwähnten Immissionen eine Rolle. 383 Insoweit ist Rengeling, Die immissionsschutzrechtliche Vorsorge, S. 40, 46 f. zuzustimmen; unzutreffend der Standpunkt von Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 155 f., der Vorsorge im Einzelfall allgemein für unbedenklich hält. BVerwGE 69, 37 (45): Die Frage, welche Emissionsbegrenzung von allen Anlagen dauerhaft als angemessene Vorsorge verlangt werden könne, lasse sich "wegen der Natur der dahinterstehenden umfassenden Problematik nicht in unmittelbarer Anwendung des § 5 Nr. 2 BimSchG auf den jeweiligen Einzelfall entscheiden". Die Entscheidung der Vorinstanz, VGH Mannheim VBIBW 1982, S. 176, 177 f., war also unzutreffend. Sie konnte vom BVerwG nur gehalten werden, weil die Verpflichtung, "bei Ölfeuerungsbetrieb mit schwerem Heizöl nur ... HeizölS mit einem Schwefelgehalt von höchstens I %"zu verwenden, als unselbständiger Teil der Genehmigung, das Begehren der Klägerin aber als Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer umfassenderen Genehmigung gedeutet wurde und so - maßgeblicher Zeitpunkt: letzte mündliche Verhandlung- ohne weiteres die mittlerweile in Kraft getretene 13. BimSchV angewendet werden konnte, BVerwG, aaO, S. 39. Vgl. auch§ 17 Abs 3 BimSchG.

Viertes Kapitel: "Wohlerworbene Emissionsrechte" des Anlagenbetreibers

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Viertes Kapitel

Die Rechtsstellung des Anlagenbetreibers und "wohlerworbene Emissionsrechte"- Das Problem des Bestandsschutzes I. Freiheit der Betätigung und Schutz des wohlerworbenen Rechtsbestands (Bestandsschutz)

Umfang und Rechtfertigung der immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. I und 2 BlmSchG bezeichnen die rechtliche Basis zulässiger Kompensationsmaßnahmen im Bereich der Luftreinhaltung. Was die Kompensation im Immissionsbereich betrifft, handelt es sich dabei um eine unmittelbare Beziehung. Sie stellt die Genehmigungs- bzw. Betriebsvoraussetzungen her. Das gilt an sich nicht anders für Anordnungen, die nach Erteilung der Genehmigung gegenüber Altanlagen getroffen werden: Nach der situationsbezogenen Schutzpflicht kommt es darauf an, ob die Schädlichkeitswerte im Einwirkungsbereich der Anlage (d.h. auf den Beurteilungsflächen des Beurteilungsgebiets) eingehalten sind. Dennoch werden Ausgleichs-Maßnahmen an Drittanlagen erst dort interessant, wo der Schutz der "wohlerworbenen" Rechtsstellung des Betreibers aufhört und er sich nicht mehr auf den Tatbestand der Genehmigung berufen darf. Der verfassungsrechtlich gerechtfertigte Umfang seiner Pflichtenstellung ergibt unmittelbar den Kompensationsrahmen. Die Kompensation im Emissionsbereich dagegen zielt nach ihrer Eigenart gerade und ausschließlich auf bereits genehmigte Anlagen, um diese dem aktuellen Vorsorgelevel anzupassen. Denn dieser durch abstrakt-generelle Normen festgesetzte Vorsorgelevel ist anlagenbezogen (§§ 5 Abs. I Nr. 2, 7 Abs. 3 [insb. mit Abs. 1 Nr. 2], 48 Nr. 4 BlmSchG) und insoweit bei Neuzulassungen nicht kompensationsfähig. Erst die nachträgliche Verschärfung des Standards schafft das KompensationspotentiaL Auch insoweit ist natürlich nicht gleichgültig, ob von Gesetzes und Verfassung wegen überhaupt Vorsorge verlangt werden darf. Die Beziehung zur Grundpflicht ist aber diesmal eine mittelbare. Denn im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Schutz von Altanlagen, dem sog. Bestandsschutz. Er begrenzt die gegenüber genehmigten Anlagen zwangsweise mögliche Vorsorgeregelung. Erst wo er einsetzt und Vorsorge verbietet, konstatiert das Gesetz (§§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG) ein Interesse an Kompensationsmaßnahmen im Sinne vorbeugenden Umweltschutzes, indem es über das zwangsweise zu Erreichende hinausgehende Emissionsminderungen verlangt. Daß der Bestandsschutz auf verfassungsrechtlichen Grundlagen ruht, unterliegt nach dem oben Gesagten kaum einem Zweifel: Die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes müssen sich an der Betreiberfreiheit, soweit sie sie ausschließen, messen lassen. Auch wo sie den Bestand der Genehmigung, 7•

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

nicht das ursprüngliche Genehmigungserfordernis betreffen, regeln sie die Ausübung von Freiheit. Aber wo liegen bei der einzelnen genehmigten Anlage die Grenzen des Zwangs? Die Antwort auf diese Frage, die entscheidend von verfassungsrechtlichen Voraussetzungen abhängt, fällt höchst verschieden aus. Zum einen ist der gesamte, unter dem Titel des Bestandsschutzes traktierte Problemkomplex von der Frage nach der Legalisierungswirkung einmal rechtmäßig erteilter Genehmigungen abzugrenzen384. Zum anderen sind zwar mit dem Hinweis auf die Bindung an die Grundrechte, hier insb. die Eigentumsgarantie und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wichtige Stichworte benannt, die aber dann keineswegs einheitlich präzisiert werden. Nicht nur daß teils auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit, damit die Gewinnerzielungsmöglichkeit als Ausfluß der Privatnützigkeit des Eigentums abgehoben 385, teils demgegenüber enger der Gedanke der Amortisation getätigter Investitionen als Maßstab herangezogen wird 386. Auch vom zuletzt angeführten (Konkretisierungs-)Kriterium der Amortisation wird in durchaus unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Nach Schröde~ 87 scheint dieses Kriterium eine objektive und formell strikte Zulässigkeilsvoraussetzung staatlichen Zwangs zu bezeichnen: Erst wenn sich die betreffende Anlage amortisiert hat, sind überhaupt Einschränkungen des genehmigten Anlagenbetriebs zulässig. Bei Murswiek388 kommt dagegen der Amortisation eher der Charakter eines Zumutbarkeitskriteriums zu, das im Einzelfall die Opfergrenze beschreibt. Im übrigen gerechtfertigte Anforderungen, die die Opfergrenze überschreiten, können gleichwohl gegen Entschädigung durchgesetzt werden. Trute 389 wiederum stimmt beiden Autoren zu. Wenn also die Reichweite des rechtlichen Schutzes genehmigter Freiheitsausübung insgesamt widersprüchlich bestimmt wird, so können Zweifel an der verfassungsrechtlichen Fundierung hierfür offenkundig nicht verantwortlich gemacht werden. Denn seine Basis wird ganz übereinstimmend in den subjektiv-rechtlichen Garantien der Verfassung gesehen und hier vor allem in der Gewährleistung des Eigentums verortet Nachfolgend soll darum umgekehrt gefragt und zuerst die Funktionsweise rechtsstaatliehen Bestandsschutzes untersucht werden, wie sie sich in den (einfach-)rechtlichen Rahmenbedingun384 Hierzu Hermes, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 187 ff.; vgl. auch BVerwGE 55, 118 (121). 385 Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 878; ablehnend Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 265. 386 Insb. Murswiek, aaO, S. 264 ff.; ferner Classen, JZ 1993, S. 1042, 1047; Jarass, DVBI. 1986, S. 314, 317; Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 144 f.; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 127 ff.; Schröder, UPR 1986, S. 127, 131 ; Send/er, UPR 1983, S. 33,45 l.Sp.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 248 f. 387 Schröder, UPR 1986, S. 127, 131; ähnlich wohl FriauJ, WiVerw 1986, S. 87, 106 f. 388 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 264 ff., 267. 389 Trute, Vorsorgestrukturen, S. 249, 264.

Viertes Kapitel: "Wohletworbene Emissionsrechte" des Anlagenbetreibers

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gen und der Begründung positiver Abwehransprüche ausprägt. Die tradierten rechtsstaatliehen Maßstäbe der Verhältnis- und Gesetzmäßigkeit, die freilich heute auch den Gesetzgeber binden (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG), dürfen dabei, losgelöst von ihrem genauen, grundrechtsradizierten Gehalt, der anschließend zu erörtern ist, als solche vorausgesetzt werden. 1. Bedeutung und rechtliche Grundlagen des Bestandsschutzes

a) Rechtsstaatliche Strukturen des Bestandsschutzes

Der Schutz individueller Freiheit hängt nicht nur von Grundrechtspositionen des Betroffenen, sondern zunächst davon ab, wie dieser durch das einfache Recht gestellt ist. Seine Situation ist, typischerweise und in reinster Form im Falle der genehmigungsfreien Tätigkeit, zunächst durch das materielle Recht geprägt, das bestimmte Willensmöglichkeiten objektiv eröffnet, andere ausschließt. Das freie und selbstverantwortete Verhalten des einzelnen empfängt unmittelbar von den Anforderungen des Gesetzes seine Grenzen, und mit der Veränderung dieser Anforderungen erweitert oder verengt sich auch der Rahmen zulässiger Betätigung. So gesehen spitzt sich die Frage nach dem "Bestandsschutz" in ihrer weitesten Formulierung auf die Frage nach der Dauerhaftigkeit des gesetzlichen Status zu, wie also der jeweilige Bestand einer Freiheitsbetätigung, zu dem im weitesten Sinne auch das nicht geregelte, folglich erlaubte Verhalten gehört, sich in Anforderungen niederschlägt, die an eine Modifizierung durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes zu stellen wären. Diese Sicht weist zunächst einen objetiv-generalisierenden Aspekt auf, sie zeigt wie das Gesetz die Freiheit der Bürger begrenzt und wie, weil es dabei seinerseits nicht beliebig und unbegrenzt regeln darf, die Rahmenbedingungen ungehinderter Freiheitsbetätigung Gestalt annehmen. Aus der objektiv gegebenen Rechtfertigungsbedürftigkeit folgen objektive Bedingungen der Freiheitsausübung, welche die Eingriffsseite des Gesetzes widerspiegeln. Allgemein sind dadurch - objektiv - Betätigungsmöglichkeiten insoweit garantiert, als nicht das verfassungsmäßige Gesetz diese im Rahmen der gesetzlichen Pflichten des einzelnen und der Befugnisse der Verwaltung ausschließt. Das schlichte gesetzesförmige Verbot ist völlig auf diesen Aspekt beschränkt, der durch Anzeigepflichten nur im Sinne der Verwaltungseffizienz modifiziert wird. Auch das Genehmigungserfordernis beschreibt aber nichts anderes als eine solche mit Verwaltungsbefugnissen verbundene Pflichtenstellung. Damit bedient sich das Gesetz verschiedener Instrumente, die im Rahmen eines Regelungszwecks das einheitliche Ziel verfolgen, Freiheitsausübung zu kontrollieren und im Gemeininteresse gesetzlich zu reglementieren und die auf

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

diese Weise dem einzelnen eine begrenzte Rechtsposition zuerkennen. Sie ist durch die beiden Seiten geprägt: durch das gesetzliche, ggf. im Einzelakt bekräftigte Zulassen des Freiheitsgebrauchs, das auch der Kontrollerlaubnis den Namen eines begünstigenden Verwaltungsakts einträgt, und durch die zugleich statuierte Freiheitsbegrenzung. Die daraus hervorgehenden objektiven Rahmenbedingungen der Freiheitsbetätigung sind als solche wieder der abstraktgenerellen Veränderung auf Gesetzesebene ausgesetzt. Nur unterscheidet sich die Regelungstechnik je nach Begründung der konkreten Rechtsposition: Beschränkt sie sich auf eine Ausnutzung der materiellen Rechtslage, kann sie ihre Erledigung oder Beschränkung in einem actus contrarius auf dieser Ebene finden. Dementsprechend wirft eine Ermächtigung der Verwaltung, nachträglich die sachliche Reichweite einer Genehmigung entsprechend der materiellen Rechtslage zu beschränken, um Verhaltenspflichten individuell zu aktualisieren, solange keine besonderen Probleme auf, als sie lediglich den objektiven Rahmen der Freiheitsausübung verändert, nicht die bislang ausgeübte Nutzung untersagt. Sieht das Gesetz dagegen unter bestimmten Voraussetzungen individuell zuzuweisende Rechtspositionen vor, bedarf deren Beseitigung der entsprechenden gegenteiligen Ermächtigung, die vor dem Gesetzeszweck und vor allfälligen Schranken der Verfassung zu rechtfertigen ist. Darin liegt keine etwa mit Hinweis auf den Eigentumsschutz- besonders begründungsbedürftige Privilegierung des Genehmigungsinhabers390: Wie stark seine Position im einzelnen wirklich ist, hängt von der abstrakt-generellen Reichweite und Ausgestaltung seiner gesetzlichen Pflichten, d. h. auch vom Charakter der Genehmigung (ob sie gebunden oder nach Ermessen zu erteilen ist) und von den behördlichen Eingriffsbefugnissen ab, die sämtlich objektive Bedingungen der Freiheitsentfaltung darstellen 391 . Die Rechtfertigung vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird demgemäß auf drei Ebenen erfolgen müssen: Einmal auf der Ebene des gesetzlichen Tatbestands, auf welche sich ein den Bürger unmittelbar bindender Normbefehl auch beschränkt. In den Fällen differenzierter Kontrolle sind hierbei Zuteilung und Aufhebung von Befugnissen gesetzlich aufeinander zu be-

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39 C/assen, JZ 1993, S. 1042, 1047; Hermes, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 187, 192. In diese Richtung aber PrOVGE 23, 254 (262). Häufig wird die "Emissionsbefugnis" aus dem Grundeigentum hergeleitet, vgl. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 211, 220 f.; Schenke, NuR 1989, S. 8, 15. Als gesetzlich umschriebener Eigentumsgegenstand wird aber neben der Anlage auch die Genehmigung angeführt, Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 874 in Fn. 15. Nach Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 98 ff., 103, WiVerw 1989, S. 121, 132 ff., 136 (ähnlich wiederum Ehlers, aaO, S. 220 für die Erlaubnis/Bewilligung im Wasserrecht als Kompensation der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung) stellt nicht die Genehmigung, wohl aber "das vermögenswerte Recht auf die genehmigten Emissionen" eine selbständige und durch Art. 14 Abs. I Satz I GG geschützte Eigentumsposition dar. Dagegen Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 30. 391 Das ist genau die Sicht, die Schoch, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199, 236 f., 240 als Anliegen der Lehre vom Verwaltungsrechtsverhältnis kennzeichnet.

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ziehen: Bereits auf Gesetzesebene ist eine am Regelungszweck orientierte, sachgerechte normative Beziehung zwischen dem Verlust der Rechtsposition und dem ursprünglich rechtmäßigen Begünstigungsakt herzustellen. Die spätere Aufhebung muß sich als actus contrarius zum Begünstigungsakt verhalten, gleichgültig, ob nun die Ermächtigung auf eine konkrete Übergangssituation zugeschnitten ist392 oder nach allgemeinen Regeln (etwa §§ 48, 49 VwVfG, § 21 BimSchG) erfolgt. Hierbei das Schicksal der Genehmigung als objektiver Voraussetzung der Freiheitsausübung gänzlich in die Hände der Verwaltung zu geben, wäre mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit nicht zu vereinbaren393 ; ebenso wäre es - in Anbetracht des Genehmigungszwecks - in sich widersprüchlich und daher sicher nicht sachgerecht394, wenn nicht gar mißbräuchlich395, eine ausschließlich relativ zum materiellen Recht existierende, jederzeit veränderliche formelle Rechts- und Pflichtenposition zu schaffen, deren Inhalt also völlig in der Definitionsmacht des Gesetzgebers aufginge. Insofern unterliegt die positive gesetzliche Ausgestaltung der individuellen Pflichtenstellung von vornherein gewissen Einschränkungen, die sich in den jeweiligen Eißgriffsvoraussetzungen niederschlagen müssen. Wenn nun der Tatbestand die Voraussetzungen eines Eingriffs der konkretisierenden Normierung durch die Verwaltung vorbehält oder eine Einzelfallermächtigung erteilt, ist dies nicht nur als Mittel verhältnismäßiger, der Einzelfallgerechtigkeit verpflichteter und dadurch zurnutbarer Regelung zu betrachten. Damit ist auch dort, wo das Gesetz selbst den Anforderungen der Verfassung (insb. der Verhältnismäßigkeit) genügt, eine weitere Eingriffsebene eröffnet: Das Ermessen der (auf der zweiten Ebene normsetzenden oder auf der dritten Ebene im Einzelfall bloß vollziehenden) Verwaltung steht deshalb im Rahmengesetzgeberischen Regelungsverzichts 396 seinerseits unter dem Vorbehalt der Grundrechtsbindung, nach welchem stets nur verhältnismäßige Eingriffe erlaubt sind. Die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers schlägt um in die Bindung der Verwaltung, deren Entscheidungen im Rahmen des vom Gesetzgeber belassenen Spielraums geeignet und erforderlich zur (sachgerechten) Er392 Vgl. z. B. das Gesetz, betreffend die Ablösung der Reallasten und die Regulierung der gutsherrliehen und bäuerlichen Verhältnisse (vom 2. März 1850, PrGS 77); ferner§ 15 Abs. 4, 17 Abs. 3 WHG. Nach BVerfGE 83, 201 (21 I f.) ist Art. 14 Abs. 3 GG nicht "anwendbar, wenn der Gesetzgeber im Zuge der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets bestehende Rechte abschafft, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt". Zum Ganzen und zu dieser im einzelnen nicht unproblematischen Entscheidung Lege, NJW I 993, S. 2565, 2566 f. 393 Vgl. oben 3. Kapitel, Il. 2. a). 394 BVerfGE 55, !59 (166); vgl. auch BVerfGE 52, I (29); 90, 145 (173). 395 BVerfGE 13,230 (234 f.). 396 Was die Bindung an das Gesetz lockert, freilich schon insofern nicht aufhebt, als aus Gründen des Gesetzmäßigkeitsprinzips, ansonsten wegen Art. 80 Abs. I GG eine hinreichend bestimmte Ermächtigung zu fordern ist.

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reichung des gesetzlichen Schutzzwecks sowie zurnutbar sein müssen. Soweit die Freiheit des Anlagenbetreibers grundrechtlich geschützt ist, verstehen sich also gewisse Garantien von selbst und erweisen sich ausdrückliche Bindungen des Verordnunggebers wie der im Einzelfall anordnenden Verwaltung im Kern als deklaratorisch. Die Frage nach den Befugnissen der Verwaltung und dem Schutz, den die Freiheit ihnen gegenüber genießt, läuft hier auf die - hypothetische - Frage hinaus, wie weit das Gesetz bei ausdrücklicher Regelung die individuelle Freiheit hätte zurückdrängen dürfen. Anders: Erweist sich das Gesetz gerade insoweit als dem Einzelfall angemessen, als es durch eine gewisse Offenheit sich auszeichnet, so setzt umgekehrt seine Anwendung eine verfassungskonforme und sodann auf den konkreten Sachverhalt projizierte Interpretation der vom Gesetzgeber gewählten Regelungstechnik - i.S. eines sachlich begründeten und begrenzten Freiheitsausschlusses397 - voraus. Das bedeutet für jede beliebige Art kontrollierter Freiheitszulassung, daß sie durch Ermächtigungen der Verwaltung weder in den Tatbestandsvoraussetzungen noch auch in den Rechtsfolgen völlig konterkarrieft werden darf - auch dort wo grundsätzlich die weitestgehende Einschränkung der Freiheit generell-abstrakt gerechtfertigt ist, weil das gesetzlich geschützte Gemeinwohlgut hinreichend wichtig und durch die verbotene Freiheitsbetätigung genügend nachhaltig gefährdet erscheint398.

b) Bestandsschutz als Schutz betätigten Vertrauens Zwar läßt sich bei nachhaltiger Beeinträchtigung des Gemeinwohls ein Eingriff - seine Geeignetheit und Erforderlichkeit vorausgesetzt - stets rechtfertigen, weil und solange man hier einen generalisierenden Maßstab anzulegen geneigt ist399 . Die Eindeutigkeit dieser Wertung findet sich darin begründet, daß angesichts nachweisbar erheblicher Gefahren für das Gemeinwohl Zufälligkeiten persönlicher Umstände zurücktreten müssen. Sie besagt aber nur, daß der 397 Vgl. auch Salzwedel, 5. wissenschaftliche Fachtagung der GUR, S. 33, 57 f. 398 Vgl. BVerfGE 58, 300 (347 f.) ; Hermes, Wandel der Handlungsformen im öffentlichen Recht, S. 187, 191. - Auch das im Sinne einer Befreiung von einem sog. "repressiven" Verbot auf-

gestellte Bewilligungserfordernis, muß dem Gesetzeszweck dienen, sich also an den Gründen des Verbots messen lassen und vom Gesetzgeber entsprechend ausgestp.ltet sein. Eine gesetzliche Ermächtigung zum jederzeitigen unmotivierten, mithin willkürlichen Widerruf würde von vornherein keinem vernünftigen Zweck dienen und die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes begründen. Der Unterschied zwischen den Erlaubnisformen läuft darauf hinaus, daß im Fall des präventiven Verbots jede einzelne Bestimmung und jede einzelne hierdurch ermächtigte Maßnahme sich als Freiheitseingriff rechtfertigen muß. Durch den Gesamteingriff des repressiven Verbots verbleibt das (verfassungsmäßige) Gesetz als Maßstab der Einzelmaßnahme; wird dieses "willkürlich" verfehlt, vgl. Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, Rdnr. 214 f., 272, 290 (m. Nw.) liegt hierin zugleich ein Verfassungsverstoß. 399 Vgl. BVerfGE 30,292 (317); 68, 193 (219).

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sog. Bestandsschutz seinen Namen nicht wirklich verdient: In Extremfällen, aber auch nur dann erscheint Freiheitsgewährleistung auf jene objektiven Freiheitsbedingungen reduziert400, die das Bundesverfassungsgericht etwa dann vor Augen hat, wenn es von der zukunftsorientierten Ausgestaltung der Bigenturnsordnung spricht401 . Sie sind nämlich zugleich der vorrangige Anhaltspunkt eben der abstrakt-generellen Erwägungen, die auch eine ausgeprägte Sozialbindung des Eigentums besonders plausibel erscheinen lassen. Innerhalb solcher Schranken ist die Wirklichkeit der Freiheitsbetätigung im steten Wandel begriffen und füllt demgemäß die vom verhaltenssteuernden Gesetz geschaffenen Strukturen mit wechselnden (je zufälligen) Inhalten. Man kennt auch dieses Umschlagen aus der Diskussion um die Eigentumsgarantie: Unter dem Regime der abstrakt-generellen Regelung bilden sich konkrete Eigentumspositionen. Wenn dann das Gesetz einen bislang ausdrücklich gestatteten (vgl. 196 PrWG) oder schlechthin typischen Eigentumsgebrauch neu regelt, wandelt sich auch die Eingriffs-Dimension: Eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung kann immer einen konkreten Bestand in der Vergangenheit begründeter Rechtspositionen schmälern402 . Grundsätzlich - und keineswegs beschränkt auf das Beispiel der Bigenturnsgewährleistung - bleiben aber auch subjektiv-zufällige Rechtspositionen verfassungsrechtlich nicht völlig ungeschützt: Steht eine Eingriffsregelung in ihrer generellen Wirkung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang, darf der Gesetzgeber - so das Bundesverfassungsgericht in std. Rspr. 403 - gleichwohl die mit ihr verbundene besondere Belastung bestimmter Gruppen oder einzelner nicht außer Acht lassen, soweit es sich noch um gewollte und typische Folgen handelt. Prospektiv trifft sich diese Rücksicht auf subjektiv-individuell geprägte Umstände einer Nutzung des objektiv gegebenen Freiheitsrahmens mit Gesichtspunkten der tatsächlichen, nicht von Art. 3 Abs. 1 GG gemeinten Gleichbehandlung404 . Retrospektiv trägt sie dem Umstand Rechnung, daß den objektiven Stufen des Eingriffs objektive Bedingungen des 400 Darauf beruht z. B. die ausnahmsweise Zulässigkeil echter Rückwirkung, BVerfGE 2, 380 (405); 13, 261 (272). 40 1 Vgl. BVerfGE 52, I (27), 58, 300 (330, 335). 402 Soweit nicht die Eigentümerstellung ihrem Inhalt nach so begrenzt war, daß die fragliche Nutzung außerhalb liegt. Vgl. etwa BVerfGE 52, I (28); BVerfGE 58, 137 (148 ff.)- Pflichtexemplar; 58, 300 (331 f., 338, 348). Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 139 ff.; Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 15, 25; Maurer, Festschrift Dürig, S. 293, 307 ff; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 256 ff., insb. 257; ; Pieroth/Schlink, Grundrechte- Staatsrecht II, Rdnr. 966, 987; Schach, Jura 1989, S. 113, 119 f. ; Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, S. 247 ff., 258 ff. 403 Zu Berufsausübungsregelungen nach Art. 12 Abs. I GG, BVi:rfGE 30, 292 (327, 332 f.); 68, 155 (173); (Kammer) NJW 1993, S. 1575; zum Eigentum: BVerfGE 58,300 (351). 404 BVerfGE 30, 292 (327); 68, 155 (173)., die sich zu Unrecht auch auf Art. 3 Abs. I GG stützen; vgl. oben 3. Kapitel, II. I.

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Vertrauendürfens entsprechen, diesen letzteren aber die subjektive Betätigung des Vertrauens im Einzelfall korrespondiert. Sie dient dem Schutz dieses Vertrauens. Dieser rückwärtsgewandte Vertrauensschutz, der die (tatsächliche) Wirkungsgleichheit ihrer Natur nach zukunftsgerichteter rechtlicher Neuordnung beabsichtigt, entspringt den Verhältnismäßigkeitserwägungen der dritten Stufe, wonach kein Nachteil für den Betroffenen herbeigeführt werden darf, der außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg des Eingriffs steht405 . Dieser Gesichtspunkt gewinnt - im hier interessierenden Bereich der Verhaltenslenkung und -kontrolle - mit zunehmender Verrechtlichung und folglich Vertypung der Freiheitsbetätigung an Gewicht. Rechtlich relevant erscheint nämlich der individuelle Nachteil besonders dann und besonders schutzwürdig folglich das Vertrauen des Normadressaten in einen Zustand, wenn die Befugnis eine- im Gegensatz zum allgemeinen staatsgerichteten Unterlassungsanspruch - konkretindividuelle Zuordnung erfahren hat406, wenn also mit der Befugnis "eine im objektiven Rechte enthaltene Willensmöglichkeit durch irgend einen Vorgang ... als konkret bestimmte Rechtszuständigkeit eines individuellen Subjekts realisirt worden ist" 407 . Für die Änderung der unspezifisch "begünstigenden", ein bestimmtes Verhalten - nur um solche Betätigungsfreiheit soll es im folgenden gehen - lediglich nicht untersagenden materiellen Rechtslage spielt diese Frage der subjektiv-individuellen Zumutbarkeit also regelmäßig keine Rolle408 . Ist aber die generelle Befugnis zur Berechtigung des typisierten Einzelfalls, damit zur Vertrauensposition verdichtet, verhält es sich anders. Überall dort, wo nicht ein Verwirkungstatbestand greift409 , bedarf es der Vermittlung zwischen dem Privat- und dem rechtlich verfaßten Gemein-Interesse. Einen generalisierenden 405 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 236 ff., 243, 263, 264; auch Burgi, ZG 1994, S. 341, 361 f., 365; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14, Rdnr. 34, Art. 20, Rdnr. 53. Basis ist also nicht ein eigenständiger Grundsatz des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes, anders Maurer, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rdnr. 49, auch nicht die von Art. 3 Abs. I GG geschützte abstrakt-rechtliche Gleichheit, die gerade nicht verletzt ist, anders Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 I, Rdnr. 222 und im Anschluß an ihn Maurer, Festschrift Dürig, S. 293, 308. 406 Vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 263 f. 407 V. Gerber, Grundzüge, § 12, S. 39; nicht hierher gehört "die blosse Befugniss des freien Handeins in einem Gebiete, in welchem die bisherige Gesetzgebung keine Beschränkung auflegte, überhaupt nicht das Recht jedes Einzelnen, an den Vortheilen Theil zu nehmen, welche eine gesetzliche Anordnung gewährt, die nur als abstrakte Norm wirken will ... " 408 BVerfGE 38, 61 (83): "Der Bürger kann nicht darauf vertrauen, daß eine ihm günstige Gesetzeslage unverändert bleibt". 409 Diese kann, weil allein an ein vertrauensausschließendes Verhalten des Begünstigten anzuknüpfen ist, unmittelbar vom Gesetz (also abstrakt-generell) abschließend geregelt werden (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 WHG; § 18 Abs. I BlmSchG).

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Blickwinkel nehmen abstrakt-generelle Übergangsregelungen 410, namentlich Übergangsfristen ein. Ihre Perspektive der Zumutbarkeit ist die einer - immer noch - typisierenden Fallgruppenbildung. Sie formulieren gleichwohl keine Elemente objektiven, zukunftsorientierten Vertrauendürfens, sondern regeln einen von diesem verschiedenen, in der Vergangenheit begründeten (offenen) Tatbestand: das positive Vertrauen in eine individuell begünstigende rechtliche Situation. Weil es einen absoluten Schutz solchen positiven "Kontinuitätsvertrauens" nicht geben kann411 , äußert sich die entsprechende Rechtsposition nicht im Fortbestand der ursprünglichen Befugnis, sondern in Gestalt einer Surrogatberechtigung von begrenztem Bestand, die unter Umständen mehr, freilich auch weniger gewähren mag als das Verfassungsrecht im konkreten Einzelfall gebietet. Daß konkrete subjektive Berechtigungen auf diese Weise abschließend und ausnahmslos zum Erlöschen gebracht werden können, dürfte daher die Ausnahme und an besondere Bedingungen dergestalt geknüpft sein 412 , daß die Freiheitsbeschränkung von vorneherein einer abstrakt-typisierenden und nicht am individuellen Verhalten anknüpfenden Gefahrenabwehr dient413 , wie dies auf Altersbegrenzungen oder objektiv berufswahlregelnde Kontingentierungen zutrifft414. Dann muß sich der Freiheitseingriff bereits von Anfang an seiner Funktion nach an anders gearteten, nicht nur strengeren, sondern auch mehr objektiv-generalisierenden Rechtfertigungsvoraussetzungen messen lassen. Soweit Genehmigungserfordernisse demgegenüber einen individuell verhaltenssteuernden Zweck verfolgen und es die Schädlichkeit der Art und Weise des konkreten Verhaltens zu kontrollieren gilt, ist der Schutz des genehmigten Betätigungsbestands mit dem Hinweis auf Übergangsfristen noch nicht zutreffend beschrieben. Auch hier gilt es gleichwohl, die bislang erlaubte Freiheitsbetätigung mit dem materiellen Recht in einem eigenen Tatbestand positiven 410 Vgl. etwa BVerfGE 30, 292 (333); 58, 300 (351); 68, 193 (219); BVerfG NJW 1993, S. 1575; Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 34, Art. 20, Rdnr. 54; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 264, Trute, Vorsorgestrukturen, S. 248. Unter dem Aspekt von Art. 3 Abs. I GG, Dürig, in: MaunzJDürig, GG, Art. 3 Abs. I, Rdnr. 222. 411 Murswiek, aaO, S. 264. Vgl. auch Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 106 f.; Send/er, UPR 1983, S. 33, 45. 412 Vgl. Sendler, UPR 1990, S. 41 , 45. 413 Es geht also um Verhaltensbefugnisse, die nicht in der konkreten Art und Weise ihrer Ausübung durch den einzelnen, sondern als solche (potentiell) gemeinwohlschädlich erscheinen. Ganz allgemein kann man das von repressiven Verboten sagen. 414 Vgl. auch BVerfG (Kammer) NJW 1993, S. 1575 zu§ 47 Nr.l BNotO. In Wahrheit stehen Altersbegrenzungen, die der Regulierung eines Berufs-Marktes dienen,_ den objektiven Berufswahlvoraussetzungen näher als den subjektiven. Außerhalb objektiver Berufswahlvoraussetzungen erfüllen Übergangsfristen eine eigenständige, unmittelbar die Verhältnismäßigkeit sichernde Funktion, wo sie im Hinblick auf subjektive Berufszugangsvoraussetzungen Veränderungen im Erwerbstatbestand zeitlich derart abstufen, daß bislang betriebener Aufwand nicht entwertet wird.

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Vertrauens zu vermitteln. Die Genehmigung als förmlich verfestigte Anerkennung zulässigen Freiheitsgebrauchs markiert das Auseinanderfallen von formeller und materieller Rechtmäßigkeit Ist ein genehmigtes Verhalten (noch) formell erlaubt, materiell indessen - aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage- an sich verboten (aktuell nicht mehr genehmigungsfähig), so läßt die Genehmigung wegen dieser Divergenz im konkreten Fall mehr zu, als das abstrakt-generelle gesetzliche Verbot. Damit fixiert die Genehmigung zugleich den förmlichen Zurechnungspunkt der Durchsetzung des materiellen Rechts. Verhaltensanordnungen können in der Folge generell gerechtfertigt, angesichts eines ausdrücklich genehmigten Betätigungsbestands im Einzelfall aber - auch wenn sie unter Übergangsfristen ergehen - gleichwohl unzumutbar sein. Denn auf dem Hintergrund der rechtswirksamen Gestattung sind andere Erwartungen veranlaßt und geschützt, als ohne den vertrauensbegründenden und -begrenzenden Akt. Dabei schont die sachliche Anpassung der individuellen Rechte- und Pflichtenstellung ohne Aufhebung ihrer förmlichen Grundlage (als milderes Mittel) zwar den Pflichtigen. Sie ist deshalb nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigung vorrangig geboten415 und als bloße Ausgestaltung der gesetzmäßig konkretisierten Rechtsposition grundsätzlich ohne weiteres möglich. Sachgerecht erscheint sie - als Verschärfung der im Akt der Genehmigung bereits verbindlich festgestellten Rechtspflichten - indessen nur, soweit die Genehmigung (in den Grenzen ihrer Aussagekraft) maßstäbliche Geltung behält416 . Bekundet aber demgemäß die de jure aufrechterhaltene Genehmigung das Fortbestehen der ursprünglichen Befugnis, bedeutet das dem Adressaten, er übe weiterhin eine erlaubte Tätigkeit aus. Auf diese grundsätzliche Zulässigkeit darf er von Rechts wegen vertrauen. Wenn die Verhaltenspflichten zu diesem Rechtsrahmen außer Verhältnis geraten, indem sie unter dem Titel der Nachbesserung Anforderungen formulieren, die ihrem Umfang nach einer originären Genehmigungsentscheidung vorbehalten sind und das genehmigte Verhalten in seiner "Substanz" treffen, weil sie vom genehmigten Bestand in Wahrheit nichts übriglassen, so mag dies unter dem generalisierenden Blickwinkel des materiellen Rechts angemessen sein. Mit Blick auf die spezielle Befugnis ist es unzumutbar. Solange die Genehmigung im Kern fortbesteht, dürfen positive Verhaltensanforderungen aus der Pflichtenstellung eines Genehmigungsinhabers nur insoweit begründet werden, als sie auch vor diesem "Rechtsbestand" zu rechtfertigen sind.

415 Vgl. BVerwGE 88, 286 (290). 416 Gerade in dieser Konsequenz muß sich die gesetzliche Einrichtung von Dauerrechtsverhältnissen mit Gestaltungswirkung manifestieren, Schach, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199,237,240.

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Die ab einer gewissen Dauer oder Intensität von Gemeinwohl-Beeinträchtigungen gleichwohl unabdingbare Durchsetzung des materiellen Rechts gegen die formelle Genehmigung ist daher nicht ohne Rücksicht auf die mit der Genehmigung festgehaltenen Eckdaten möglich, welche die Befugnis als rechtlich anerkannten Einzelfall verbindlich definieren. Soll dem materiell begründeten "Rechtswidrigwerden" der Genehmigung Rechnung getragen werden, bedarf es der Einzelfallermächtigung, um den vertrauensbegründenden Rechtsakt in einem actus contrarius rückgängig zu machen und mit ihm den (noch) bestehenden Vertrauensrahmen aufzuheben417 . Durch die förmliche Aufhebung des Gestattungsakts wird zum einen die ausdrücklich zugelassene, jedoch materiellrechtlich störende Freiheitsbetätigung unumschränkt zum Gegenstand konkreter Neu-Regelung. Zugleich wird die nächsthöhere, abstrakt-generelle Ebene der Rahmenbedingungen und des Vertrauendürfens erreicht, von wo aus sich dann die Eingriffsanforderungen, insb. die Grenzen der Zumutbarkeit definieren. Bezugspunkt des somit in eine formelle Aufhebung und eine materielle Regelung zerfallenden Verhaltensgebots ist jetzt nicht mehr die als solche vorauszusetzende Genehmigung in ihrem nominellen Bestand, sondern das materiell-rechtliche Ansinnen der Erfüllung gesetzlicher Pflichten, das nur den Umstand angemessen in Rechnung zu stellen hat, daß dem neuerdings als störend qualifizierten Verhalten bislang ausdrücklich Rechtmäßigkeit bescheinigt wurde. Ob Anforderungen an eine bislang genehmigte Freiheitsbetätigung im Einzelfall zurnutbar sind, bemißt sich daher nach zwei verschiedenen gesetzlichen Maßstäben. Das Vertrauen innerhalb des mit der Genehmigung statuierten Rechts- und Pflichtenverhältnisses ist anders beschaffen als das Vertrauen auf den Fortbestand der Genehmigung. Ersteres kann sich unmittelbar auf den Umfang der (fortgeltenden) Genehmigung, als derjenigen Einzelfallregelung berufen, die bindend feststellt, was gegenüber dem Adressaten rechtens ist. Zu ihr müssen sämtliche Ausgestaltungen des Rechtsverhältnisses sich ins Verhältnis setzen lassen. Dagegen ist das Vertrauen auf den Fortbestand einer rechtmäßig zugeteilten Befugnis zwar anders zu beurteilen und stärker zu schützen als das des Neubewerbers. Daß die ausdrücklich erteilte förmliche Genehmigung im Umfang ihres Regelungsgehalts418 die Gemeinwohlverträglichkeit des konkreten Verhaltens deklariert, hebt das Verhalten des Genehmigungsinhabers nach Art einer gesetzlichen Vermutung und i. S. eines eigenen Vertrauenstatbe-

417 Vgl. BVerwGE 88, 286 (290) sowie Beschl. v. II. I. 1991 , NVwZ-RR 1991, S. 236 und hierzu Schoch, aaO, S. 237. 418 Vgl. bereits PrOVGE 23, 254 (257), 82, 351 (357). Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 145; Hermes, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 187, 207 ff. ; Martens, in: Drews/ Wacke!Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 316 f. ; Schoch, aaO, S. 237.

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stands 419 ein Stück weit über die Ausnutzung der jeweiligen materiellen Gesetzeslage hinaus. Diese als solche selbständige Rechtsposition rechtmäßig betätigten (positiven) Vertrauens existiert aber - als ein besonderer Umstand der Freiheitsausübung - nur relativ zur gesamten gesetzlichen Pflichtenstellung und ihrer normativen Bewertung tatsächlicher Umstände. Zum einen ist damit das positive Vertrauen des Genehmigungsinhabers unter dem Gesichtspunkt entweder subjektiv-typisierter oder subjektiv-individueller Zumutbarkeit immer (nur) dann zu berücksichtigen, wenn es um die - für den Betroffenen nachteilige - Veränderung der Pflichtenstellung als solcher geht. Der hiermit als subjektive Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angesprochene Vertrauensschutz zieht einer "unechten Rückwirkung" bei Neuregelung konkreter, jedoch als Ausfluß des allgemeinen gesetzlichen Status potentiell offener Pflichtenverhältnisse Grenzen420. Der auch vom Gesetz in diesem Sinne verstandene Begriff "Bestandsschutz"421 umschreibt danach den Schutz der Ausnutzung einer (individuell zugewiesenen) Rechtsposition vor neuen (weiterreichenden) Verhaltensanforderungen422 . Hiervon deutlich unterschieden ist die mit einer rechtmäßigen Genehmigung verbundene Legalisierungswirkung, deren Reichweite über die Zurechnung bereits eingetretener (potentiell) schädlicher Verhaltensfolgen entscheidet423 . Da es sich bei diesen um 419 Vgl. Friauf, aaO. 420 Dies auch der Hintergrund der rückwirkungsfreundlichen Argumentation bei Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 645. Maurer, Festschrift Dürig, S. 293, 308 unter dem Aspekt von Art. 14 Abs. I Satz 2 GG; ferner Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 34, Art. 20, Rdnr. 53. 421 §§ 48 Abs. 2, 49 Abs. 5 VwVfG, § 21 Abs.4 BimSchG. 422 Anders und mit Bezug auf Art. 14 GG definiert Dolde, NVwZ 1986, S. 873 bei Fn. 7; dazu weiter unten im Text. Maurer, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rdnr. 84, betrachtet Investitions-, Bestands- und Existenzschutz als je eigenen Ausschnitt des gegenüber der Aufhebung von Verwaltungsakten gewährleisteten Vertrauensschutzes. 423 Diese wichtige und zutreffende Differenzierung bei Hermes, Wandel der Handlungsformen im öffentlichen Recht, S. 187, 190, 202 f.; im Anschluß an ihn Schoch, Innovation und Aexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199, 238 und jetzt Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. ISO ff., 159, 195. - Einen solchen Fall der Legalisierungswirkung betrifft etwa PrOVGE 82, 351 (356 f.- Beseitigung einer in folge genehmigten Anlagenbetriebs eingetretenen Versehrnutzung von Wasserläufen), ohne daß der Gegenstand polizeilichen Einschreitensexakt bestimmt und die Unterscheidung zwischen unmittelbar anlagenbezogenen und allgemein polizeirechtlichen Pflichten scharf durchgeführt wäre. Der Sprachgebrauch in BVerwGE 55, 118 (121 f.) schließt demgegenüber in die Legalisierungswirkung der Genehmigung das Erlaubtsein des Verhaltens als solchen ein, über das richtigerweise allein nach Maßgabe der speziellen Verhaltensregelung zu entscheiden ist, die für formell und materiell genehmigungspflichtige Anlagen abschließend in den §§ 4 ff., 17, 20, 21 BimSchG getroffen ist, vgl. die insoweit zutreffende Analyse von Martens, DVBI. 1981, S. 597, 604 f. Zu undifferenziert dagegen Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 279 und im Anschluß an ihn Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I,§ 20 BimSchG, Rdnr. 14; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I,§ 20 BimSchG, Anm. 3. Die von letzterem angezogene PrOVGE 23, 254 (257, 262 f., 266 f.) hat gerade die Reichweite von §51 GewO und damit die (ausgleichspflichtige) Nutzungsuntersagung des Anlagenbetriebs als solchen zu ihrem Gegenstand, betrifft nicht die Legalisierungswirkung.

Viertes Kapitel: "Wohlerworbene Emissionsrechte" des Anlagenbelreibers

III

einen tatsächlich abgeschlossenen Vorgang handelt, kommt alles darauf an, ob und in welchem Umfang nach Maßgabe der zum Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens geltenden Rechtslage und insb. des Genehmigungsbescheids der Betreiber der Anlage für den Schadenseintritt rechtlich verantwortlich war und folglich für die Beseitigung der Gefahr oder Störung haftet. Eine nachträglich für einen abgeschlossenen Sachverhalt neu begründete Verantwortung setzte nämlich eine objektiv unerfüllbare (Wohl-)Verhaltenspflicht- im Falle des allgemeinen Polizeirechts die materielle Polizeipflicht als Störungsvermeidungspflicht - voraus, die gegen das objektiv-rechtliche Verbot der echten Rückwirkung verstieße424 . Da dieses sich allgemein und völlig losgelöst von subjektiven Erwartungen formulieren läßt, sind keine Probleme der Einzelfallgerechtigkeit angesprochen, die vielmehr in diesem Kontext ihre Erledigung durch Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG finden. Zum anderen muß der Entzug der Rechtsposition den Anforderungen - der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit - genügen, denen nach der Verfassung jeder Freiheitseingriff unterliegt. Dabei fällt nicht nur auf, daß typisierende Übergangsregelungen, insbesondere wo es um die Steuerung individuellen Verhaltens geht, keine abschließende Lösung darstellen. Es bedarf auch eines materiellen Maßstabs, welcher die zwangsläufig vom Wandel der Umstände bedingte Aussagekraft der Genehmigung und damit das (mögliche) Vertrauen auf ihre Rechtsgeltung zeitlich begrenzt.

424 Das folgt bereits aus dem Gedanken des § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Vgl. auch Friauf; WiVerw 1989, S. 121, 151 ff., 154. Anders wohl Peine, NVwZ 1993, S. 958,960. Die Unterscheidung zwischen echter und (grs. unzulässiger) unechter Rückwirkung, etwa BVerfGE II, 139 (145 f.); 15, 313 (324); 45, 142 (167 f.) ist umstritten. Statt dessen zwischen sachlichem und zeitlichem Anwendungsbereich einer Norm zu differenzieren, wie dies der Zweite Senat vor allem in BVerfGE 72, 200 (242) praktiziert hat (vgl. weiter BVerfGE 76, 256 [345], 77, 370 [377], 78, 249 [283 f.]), ist nur dann wirklich hilfreich, wenn die Norm gerade einen zeitlich definierten Sachverhalt regelt, etwa die Veranlagung zur Einkommenssteuer. Im übrigen ist von Fall zu Fall zu untersuchen, welcher Art die (neu statuierte) Rechtspflicht ist, ob sie den "Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage", BVerfGE 72, 200 (242), lediglich zukunftsorientiert verhaltenslenkend verändert, vgl. BVerfG, aaO, S. 244 f., wie dies auch für die Kontrollerlaubnis typisch ist- dann nur tatbestandliehe Rückanknüpfung -, oder ob sie nachträglich einen Lebenssachverhalt umwertet, insb. als Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht ahndet und damit ein Verhalten regelt, das in der Vergangenheit liegt, so daß eine Steuerungswirkung ausscheidet - dann Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Richtig ist, daß im ersteren Fall vorrangig die Grundrechte einen individuellen Zumutbarkeitsmaßstab aufstellen, vgl. BVerfG, aaO, S. 242 f., während im letzteren Fall nach "allgemeinen rechtsstaatliehen Grundsätzen" als objektiv-rechtlichen Eingriffsgrenzen zu fragen ist, vgl. aaO, S. 242. Jene zuerst genannte Konstellation wirft die hier zu behandelnden Probleme des Vertrauensschutzes i.e.S. (d. h. Investitionsschutzes) auf, die Rückbewirkung von Rechtsfolgen dagegen kann nur im weiteren Sinne unter diesem Aspekt betrachtet werden. Denn es handelt sich um das für jedermann gleiche Vertrauen in die Geltung der Rechtsordnung und den vernünftigen Regel ungszweck ihrer Gebote, das durch objektiv unerfüllbare Rechtspflichten grundsätzlich nicht enttäuscht werden darf, vgl. BVerfGE 15, 313 (324). Zu dieser Rechtsprechung Maurer, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rdnr. 11 ff.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

c) Der Schutz "wohlerworbener" rechtswidriger Erlaubnisse

Wenn bislang von dem mangels besonderer Umstände zu vermutenden425 Vertrauen des Genehmigungsinhabers die Rede war, so wurde die Rechtmäßigkeit der Genehmigung als selbstverständlich unterstellt. Wie verhält es sich aber mit Rechtspositionen, die gegen das Gesetz erlangt wurden? Genießen auch sie Bestandsschutz oder muß der Inhaber mit ihrem jederzeitigen ersatzlosen Entzug rechnen? Forsthoff hat unter Hinweis auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nachdrücklich im letzteren Sinne votiert und eine unbedingte Aufhebungspflicht der Behö.rde angenommen426 . Und in der Tat trifft es zu: Vom Standpunkt der Gesetzmäßigkeit aus ist jede im Widerspruch zum Gesetz stehende Rechtsposition nicht Recht, sondern Unrecht, auf das sich keine "wohlerworbenen" Ansprüche gründen können. Aber mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde jener ursprünglich allein maßgebliche, reine Standpunkt der Gesetzmäßigkeit durch ausdrückliche Bindungen des Gesetzgebers - namentlich an die Grundrechte - verfassungsrechtlich überhöht (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG). Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß mutwillig "die strenge rechtsstaatliche Formalisierung der hoheitlichen Funktionen unter Berufung auf materiale Grundsätze" aufgeweicht würde427 , wenn nun solche Bindungen verdeutlicht werden. Begründung einer die Freiheit rechtswidrig einschränkenden Individualrechtsposition durch die Verwaltung und anschließende Wiederherstellung des materiellen gesetzlichen Zustands sind verfassungs- und d.h. freiheitsrechtlich als ein Eingriff zu verstehen, dessen Zweck aus der Perspektive des Gesetzes nur die Wahrung des allgemeinen gesetzlichen Zustands sein kann. Der einzelne hat insofern einen gegen den Gesetzgeber gerichteten (abwehrrechtlichen) Anspruch darauf (Art. 2 Abs. 1 GG), daß die Schranken seiner Freiheit nicht nach Gutdünken der Verwaltung außerhalb des Gesetzes errichtet und wieder aufgehoben werden können, genauer: einen Anspruch darauf, daß das Gesetz solch unsichere, ungesetzliche "Rechts"-Positionen nur in verhältnismäßigem Umfang zuläßt. Andernfalls würde dem Bürger mittels freiheitseinschränkender Gesetze die Verantwortung für Gesetzesverstöße der Behörden aufgebürdet, was einem unbegrenzten staatlichen Recht auf gesetzwidrige Hoheitsakte gleichkäme428 . 425 Die Regelungstechnik in § 49 Abs. 5 Satz I VwVfG, § 21 Abs. 4 Satz I BlmSchG erscheint zwar umgekehrt, die mangelnde Schutzwürdigkeit dürfte aber besonderer Begründung bedürfen, vgl. § 49 Abs. 5 Satz 2, 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Das Gesetz benennt darum in § 49 Abs.2 Nr. 1 u. 2 VwVfG und entsprechend in § 21 Abs. 1 Nr. I u. 2 BlmSchG solche Umstände und schließt normativ zwingend die Vermutung aus. 426 Forstho.ff, Lelubuch des Verwaltungsrechts, S. 261, 262 f. 427 So ders., aaO, S. 262, vgl. auch S. 80 f. 428 Im Ergebnis ähnlich, jedoch gegen eine freiheitsrechtliche Begründung, Maurer, Handbuch des Staatsrechts, Band 111, § 60, Rdnr. 71 f., 85 m. Nw.

Viertes Kapitel: "Wohlerworbene Emissionsrechte" des Anlagenbetreibers

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Der Gesetzgeber muß folglich dem allgemeinen Vertrauen auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung durch den Schutz der sonst entgegen Art. l Abs. 3 GG rein hoheitlich bestimmten Rechtsposition Rechnung tragen und hat es in § 48 VwVfG429 getan, indem er die Betätigung jenes Vertrauens, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend, als grundsätzlich schutzwürdig anerkennt. Auch die rechtswidrige Befugnis gestaltet hiernach das Verhältnis Staat-Bürger, erlangt einen gewissen, auf die verfassungsrechtlichen Pflichten des Gesetzgebers begründeten, in § 48 VwVfG konkretisierten Bestand und den Rang eines Rechts. Als dessen Tatbestandsvoraussetzung erscheint die rechtswidrige Behördenhandlung, seine Reichweite korrespondiert der verhältnismäßigen Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens. Soweit das materielle Recht ihre Aufhebung verlangt, vermag allerdings die rechtswidrige im Gegensatz zur rechtmäßigen Genehmigung keinen gegenüber diesem materiellen Recht als solchen anerkannten, selbständigen Rechtskreis zu erzeugen. Ihr kommt im Verhältnis zu den gesetzlichen Verhaltensanforderungen eine (im Umfang des Genehmigungsbescheids) uneingeschränkte rechtliche Regelungs(d.h. Erlaubnis-) wirkunggerade nicht zu. Sie verkörpert vielmehr im Aufhebungs-Rechtsverhältnis nur einen (tatsächlichen) Aspekt der gesetzlich vorgeschriebenen Rücknahmeerwägungen, welche erst die gesetzliche Rechtsposition nach Maßgabe betätigten und schutzwürdigen Vertrauens in die Gesetzmäßigkeit der rechtswidrigen Behördenentscheidung präzisieren 430. Di~ Rechtsposition folgt also nicht aus dem tatsächlichen Umstand der Genehmigung, sie folgt aus dem verhältnismäßigen Gesetz (§ 48 VwVfG) und steht insofern der Konstituierung einer genehmigungsfreien Betätigung praktisch gleich. Für eine Aufgliederung der einheitlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung nach interner und externer Verhältnismäßigkeit bestehen von daher weder Anlaß noch Möglichkeit. 2. Die rechtliche Bemessung des Vertrauensbetätigungsschutzes

In der Aufhebung einer rechtmäßigen Genehmigung (§ 49 VwVfG, § 21 BimSchG), die einen Entzug der Sachgesamtheit "Anlage" ohnehin nicht darstellt, liegt auch mit Blick auf die rechtliche Befugnis selbst keine Enteignung, weil ein Umschlagen der Inhalts- und Schrankenbestimmung in eine Enteignung ausscheidet, solange beide begrifflich auseinanderfallen431 . Der Widerruf 429 Des Bundes bzw. in den entsprechenden landesrechtliehen Vorschriften. 430 Am erforderlichen berechtigten und mithin schutzwürdigen Vertrauen fehlt es danach insbesondere, wenn der Rechtsfehler vom Begünstigten gezielt herbeigeführt oder wenigstens grob fahrlässig hingenommen wurde,§ 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG. 431 Vgl. BVerfGE 52, I (28); 58, 300 (331 f., 338); BVerwGE 94, I (5 f.). Friauf, WiVerw 1989, S. 121 , 141. 8 Enders

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

will nicht die Rechtsposition als solche im Namen des Staats in Anspruch nehmen, sondern soll die- für sich gerechtfertigten -abstrakt-generellen Maßgaben der allgemeinen Rechtsordnung realisieren. Er stellt demnach einen Freiheitseingriff, nicht eine (Administrativ-)Enteignung des Betroffenen dar432 . Eine Entschädigung des Rechtsverlusts nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 3 GG scheidet daher aus, um dem Betroffenen das "Sonderopfer" zu entgelten433 . Andererseits stoßen die typisierenden abstrakt-generellen Milderungen eines übergangsweisen Fortbestands der Erlaubnis wie auch das Ermessen der Verwaltung an Grenzen, wenn nur noch das Verbot der (genehmigten) Freiheitsbetätigung dem Gemeinwohlinteresse gerecht wird. Weil und soweit aber mit dem subjektiven Vertrauen in die Rechtsposition wirtschaftlich relevante Freiheitsbetätigungen einhergehen, die sich in geldwerten Investitionen niederschlagen, läßt sich der Verlust der Rechtsposition als Vermögensnachteil beziffern. Will man den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur sog. "ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung" nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG folgen, vermag daher in echten Ausnahmefallen, nämlich dann, wenn es gilt einen vom Gesetz generell beabsichtigten, gleichwohl in seiner besonderen Schwere nicht gewollten Nachteil auszugleichen, Geldersatz die Funktion der Übergangsregelung zu übernehmen und eine anders nicht wirksam zu mildernde Freiheitseinbuße zurnutbar zu gestalten434. Geschützt wird dadurch freilich in Wahrheit wiederum nicht "der Bestand", sondern- hilfsweise und als Surrogat vergangener Erwartung und enttäuschten positiven Vertrauens- das Mittel der Freiheitsbetätigung, die vermögensrechtliche Disposition435 . Verwirklicht sich aber Freiheit typischerweise in Investitionstätigkeit, mag auch der Freiheitsschutz in solchen wirtschaftlichen Kategorien umgesetzt werden. Damit ist zwar noch nicht geklärt, wann wirklich der Entzug der individuellen Verhaltensbefugnis als im Einzelfall unzumutbar zu gelten hat, in welchem 432 Classen, JZ 1993, S. 1042, 1047; Hermes, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 187, 192; Send/er, WiVerw 1993, S. 235,278. Wenn nach Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 98 ff., 103, WiVerw 1989, S. 121, 132 ff., 136 "das vermögenswerte Recht auf die genehmigten Emissionen" eine selbständige Eigentumsposition darstellt, kann der Widerruf dagegen nicht zweifelsfrei als bloße Inhalts- und Schrankenbestimmung qualifiziert werden. 433 Das spricht dafür, ihre verfassungsrechtliche Grundlage außerhalb des Art. 14 Abs. 3 GG zu suchen, wie dies auch bei den Instituten des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs geschieht, vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdnr. 79 ff., 107 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht II, Rdnr. I020. 434 Vgl. BVerfGE 58, 137 {144, 147 ff.); 79, 174 (192); BVerwGE 84, 361 (367, 368, 373 f.); BVerwGE 94, I (5 f., 7). Im übrigen bereits Anschütz, VerwArch 5 (1897), S. 1, 132 ff. Ferner: Lege, NJW 1993, S. 2565, 2569; JZ 1994, S. 431, 433 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdnr. 81 ; ders., Festschrift Dürig, S. 293,311 f. 435 Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 99, 107; Hermes, Wandel der Handlungsformen, S. 187, 190; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 260 ff., 263; Sa/zwede/, 5. wissenschaftliche Fachtagung der GUR, S. 33, 57 f.; Schröder, UPR 1986, S. 127, 130 f.

Viertes Kapitel: "Wohlerworbene Ernissionsrechte" des Anlagenbelreibers

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Umfang also die mit der Genehmigung gegebene Vermutung berechtigten Vertrauens sich im Ergebnis bestätigen muß. Wenn aber im Rahmen jener Zumutbarkeits-Regelungen, die den Bestands- als Vertrauensschutz, diesen aber als Vermögensdispositionsschutz konkretisieren, tatsächliche, näher: wirtschaftliche Aspekte eines positiv betätigten Vertrauens Eingang in die Anpassung des berechtigten Individualinteresses an eine neue Situation finden sollen, so können das nicht einfach Gesichtspunkte des aktuellen und künftigen Bestands sein. Die Möglichkeit, dauerhaft angemessene Gewinne zu erzielen, ist nicht mit der Privatnützigkeit des Eigentums garantiert436 . Die rechtliche Anerkennung des tatsächlichen Vertrauens ist vielmehr durch dessen normativ zu bestimmende Schutzwürdigkeit (zeitlich) begrenzt: Sie reicht von Verfassung wegen jedenfalls nicht weiter als bis zu denjenigen Schranken des völligen Freiheitsausschlusses, die der Gesetzgeber im Rahmen eines sinnvollen (in sich stimmigen) Systems kontrollierter Umweltnutzung zulässiger Freiheitsausübung regelmäßig ziehen darf437 . Vorbehaltlich großzügiger bemessener gesetzlicher Spezialregelungen und ungeachtet besonderer Ausschlußgründe findet auch der Gedanke des Vertrauensschutzes, welcher die Zumutbarkeit des Freiheitseingriffs gewährleisten will, eine immanente Schranke an seinem normativen Zweck, die Sanktionierung zugelassener und gesetzmäßig ausgeübter"ins Werk gesetzter"- Freiheit zu verhindern438 . Ist der Eingriff im übrigen gerechtfertigt, so können Chancen und Erwartungen, wie sie durchaus schutzwürdig mit dem (zukunftsorientierten) Freiheitsgebrauch einhergehen439 , nicht mehr unmittelbar als Zumutbarkeitsmaßstab dienen. Stattdessen soll über die aktuell für alle gleiche materielle Rechtslage hinaus der Bestand geschützt sein, soweit er das im Vertrauen auf die Genehmigung Eingesetzte verkörpert, das verdinglichte Äquivalent ursprünglich berechtigter Freiheitsbetätigung repräsentiert. Das danach (subjektiv-individuell) berechtigte positive Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtsverhältnisses erstreckt sich folglich nur bis zu dem Zeitpunkt, ab welchem sich die getätigte Disposition amortisiert hat440.

436 Friauf, aaO, S. 106 f.; Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 109; Murswiek, aaO, S. 265; Sendler, UPR 1983, S. 33, 45. 437 Am Gedanken des Investitionsschutzes ist nach Salzwedel, 5. wissenschaftlichen Fachtagung der GUR, S. 33, 57 f., bereits die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten einer (sinnvollen) Bewirtschaftung der Umwelt zu messen, so etwa die (widerrufliche) Erlaubnis nach§ 7 WHG. 438 BVerfGE 72, 200 (242). 439 Den zukunftsgerichteten Schutz "wirtschaftlicher Interessen" subsummiert das Bundesverfassungsgericht unter Art. 12 Abs. I (ggf. mit 3 Abs. I) GG, vgl. BVerfGE 30,292 (334 f.) ; 81,40 (49, 50 f.). 440 Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 266 f. Im Anschluß an diesen Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 127 f.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 249. Vgl. auch BR-Drs. 349/85, s. 94.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

Anhand dieser fiktiven Schwelle lassen sich nicht nur mit dem Bundesverfassungsgericht typisierende Übergangsfristen sinnvoll begrenzen, soweit diese die verfassungsrechtlich zumindest gebotene Fortdauer einer bestehenden rechtlichen Betätigungsbefugnis bezeichnen und garantieren441 . Auch und vor allem dort, wo der vorzeitige Entzug der Rechtsposition geboten scheint und Übergangsregelungen kein taugliches Mittel schonender Freiheitseinschränkung (mehr) darstellen442 , sondern ausnahmsweise der Vermögensnachteil auszugleichen ist, setzt der Gedanke der Amortisation den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen eine Entschädigung zu gewähren ist, und den Maßstab, an dem sie sich zu orientieren hat, um den Eingriff auch subjektiv-individuell zurnutbar zu halten443 . Daß im Ergebnis der Eingriff, wenn auch unter angemessener Entschädigung, verfassungsrechtlich zulässig ist, hat seinen Grund darin, daß innerhalb gewisser Schranken das Gemeinwohl grundsätzlich durch den Gesetzgeber definiert wird. Die Erfüllung dieser Aufgabe soll nicht durch subjektiv-zufällige Ausformungen gesetzmäßigen Freiheitsgebrauchs dauerhaft vereitelt werden. Soweit also die objektiv-generellen Rechtfertigungsanforderungen des Freiheitseingriffs gegeben sind, kommen ausschließlich und ausnahmsweise noch die bezeichneten Surrogat-Ansprüche in Betracht, welche die Durchsetzung des öffentlichen Interesses nur mittelbar hemmen. 3. Die grundrechtliche Absicherung des Vertrauensbetätigungsschutzes - Bestandsschutz als Eigentumsschutz?

Ist dieser Gedanke der Amortisation Ausfluß der Eigentumsgewährleistung? Fragt man nach dem materiellen Maßstab des von einem Genehmigungsakt veranlaßten besonderen Vertrauens in die Dauerhaftigkeit der rechtlichen Situation, so wird meist auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Eigentumsgarantie verwiesen. Umfaßt das Eigentum ein Bündel typischer oder ausdrücklich zugeordneter Nutzungen, so ist Bestandsschutz zunächst und vor allem Eigentumsschutz444. Das scheint freilich mit dem Gewährleistungsmo441 Wie dargelegt in den Konstellationen der subjektiven und objektiven Berufszugangsvoraussetzungen, vgl. etwa BVerfG (Kammer) NJW 1993, S. 1575. 442 Auch der polizeiliche Notstandseingriff (etwa §§ 9, 55 PolG B.-W.) zählt hierher, weil seine nachteiligen Folgen, nicht zufällig sondern bei Vorliegen des Tatbestands durchaus gewollt sind; v~l. auch BVerwGE 94, 1 (7). 44 Die Grundsätze steuerlicher Abschreibung können ftir die danach vor allem wichtige Bestimmung der (Rest-)Nutzungsdauer des einzelnen Wirtschaftsguts normative Anhaltspunkte vermitteln, v. Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente des Umweltschutzes, S. 22; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 267, mit Fn. 114; Salzwedel, 5. wissenschaftliche Fachtagung der GUR, S. 33, 58, 73, 85 444 So dezidiert Dolde, NVwZ 1986, S. 873 bei Fn. 7, S. 874 ff.; ferner Feldhaus, in: Feldhaus, BimSehR Bd. 1, § 17 BlmSchG, Anm. 5; Friauj; WiVerw 1986, S. 87, 103; WiVerw 1989, S. 121, 133, 137 f.; Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 4, 10, 39; Koch, in: ders./ Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 40 ff., 51; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 99; Schrö-

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dell des Art. 14 GG und seiner auf die abstrakt-generelle Ebene ausgerichteten Sichtweise nicht kompatibel. Dieses räumt dem Gesetzgeber weitreichende Freiheit ein: Wenn Art. 14 Abs. I Satz 2 GG besagt, daß Inhalt und Schranken des Eigentums "durch die Gesetze bestimmt" werden, dann ist damit sicher nicht der typische Gesetzesvorbehalt formuliert, sondern, der Notwendigkeit gesetzlicher Ausgestaltung und Konkretisierung des Eigentumsrechts Rechnung tragend, eine umfassendere Aufgabe und Ermächtigung angesprochen445 . Die Befugnisse des Eigentümers ergeben sich in der Folge nicht unmittelbar aus der Verfassung, sondern nur aus der Zusammenschau aller zu dem fraglichen Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften446. Angesichts einer (neuen) Inhalts- und Schrankenbestimmung kann demnach auch nicht von einem Eingriff in "das" Eigentum die Rede sein, das im Gegenteil seinen genauen rechtlichen Inhalt erst aus der Hand des Gesetzgebers empfängt447 . Die Bindungen des Gesetzgebers werden damit in der Tat fragwürdig. Der strikt verstandene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedenfalls versagt seinen Dienst, weil nicht einzusehen ist, wie der Gesetzgeber sinnvoll an eine Ermächtigung gebunden sein könnte: Das Verhältnis zu einer der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers nicht ursprünglich vorgelagerten, sondern sich in ihr erst erfüllenden Rechtsstellung ist ohne substantiellen Inhalt und setzt keine Grenzen448 . Das gilt bei Licht betrachtet nicht nur für die Zukunft: Abstrakt-generelle Beschränkungen bestehender konkreter Rechtsstellungen nehmen ja, bleibt man in den verfassungsrechtlichen Kategorien der Eigentumsgewährleistung, lediglich das zuvor Gewährte zurück. Wenn nun dies zutrifft, gerät dann Satz 2 nicht in Widerspruch zum Grundsatz des Art. 14 Abs. I GG, indem er eben die Gewährleistung aushöhlt und leerlaufen läßt, die dieser zunächst verspricht und die wie der gesamte Grundrechtsteil durch Art. I Abs. der, UPR 1986, S. 127, 131 ; Send/er, UPR 1990, S. 41; differenzierend Trute, Vorsorgestrukturen, S. 244 ff. 445 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte- Staatsrecht II, Rdnr. 227, 967; Schach, Jura 1989, S. 113, 115; Wahl, Festschrift Redeker, S. 245, 255 f.. 446 BVerfGE 58, 300 (336). 447 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 449; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 231 ; Schoch, Jura 1989, S. 113, 115; etwa noch BVerfGE 24, 367 (396); 38,

347 (369). 448 Für zukunftsorientierte Regelungen liegt diese Konsequenz, da der Programmsatz des Art. 14 Abs. 2 GG keine ernstzunehmende Schranke darstellt, nahe, auch wenn sie nirgends in vollem Umfang gezogen wird, vgl. BVerfGE 52, I (27, 29 ff.), 58, 300 (335 f.); Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 61; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 257. Mit Blick auf bestehende Eigentumspositionen soll anderes gelten, vgl. BVerfGE 52, I (28); 58, 300 (331 f., 338, 348); Bryde, aaü, Rdnr. 64; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14, Rdnr. 15; Maurer, Handbuch des Staatsrechts, Band Ill, § 60, Rdnr. 49; Murswiek, aaü; Schoch, aaü, S. 113, 119 f.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 244 f., 247 ff., 258 ff.; weitere Nachweise bei Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 995 ff. Tendenziell anders bereits insofern Friauj; WiVerw 1989, S. 121, 139 ff., Wahl, Festschrift Redeker, S. 245, 255 m. Fn. 39, 256, 257 mit je verschiedener Gewichtung der Eigentumsgarantie; vgl. auch BVerfGE 83, 182 (195, 197 f.).

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3 GG gesichert449 scheint450? Wenn es insbesondere keinen Eigentumsschutz individueller "wohlerworbener Rechte"451 gegenüber dem Gesetzgeber gibt, was wäre dann noch der substantielle verfassungsrechtliche Gehalt einer Eigentums-"Gewährleistung"? Ein Blick auf die Verfassungsgeschichte der Gewährleistung bestätigt, daß Bestandsschutz i. S. des Schutzes vor Rechtsänderungen und damit Schutz von wohlerworbenen Rechten gerade gegenüber dem Gesetzgeber keineswegs ihr ausgemachtes Anliegen ist452 : Zuerst nämlich

449 BVerfGE 7, 377 (403 f.). 450 Nach lsensee, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, S. 3, 15, ein "tückischer juristischer Zirkel"; vgl. ferner bereits Schmitt, Verfassungslehre, S. 166, 171 f. zu Art. 153 WRV., im übrigen Pieroth/Schlink, Grundrechte- Staatsrecht II, Rdnr. 230; Schach, Jura 1989, S. 113, 115, 118, 119; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 244. 451 Schach, aaO, S. 119; Pieroth/Schlink, a.a,O, Rdnr. 230. Historisch hat es einen solchen nie gegeben, was mit der besonderen Entwicklung der Eigentums-Garantie zusarnrnenhängt: Im Kampf um die "iura quaesita" galt es zuvörderst, die nach streng vernunftrechtlichen Grundsätzen unhaltbaren Privilegien der Feudalzeit als wirkliche Rechte des verfaßten Zustands fortzuschreiben, um sie nicht der ersatzlosen Streichung anheimzugeben. Meist werden dazu alle auf einem besonderen Titel beruhenden und individuell zugeordneten Rechte als "wohlerworbene Rechte" dem Eigentum gleichgeachtet und nach Maßgabe der Eigentumsgarantie zwar nicht gegen jegliche Beschränkung, wohl aber gegen willkürliche Zwangsabtretung-inGestalt einer Wertgarantie- geschützt verstanden, vgl. etwa Stahl, Philosophie des Rechts, Zweiter Band, Erste Abth., § 27 m. Anm. (a.E.), S. 224, sowie§ 2, S. 257; aaO, Zweite Abth., § 35, S. 124 f.; insb. § 101, S. 336; v. Gerber, Grundzüge, § 12, S. 38 ff.; Zoepjl, Staatsrecht, T. 2, § 295, S. 244, Fn. 1, §§ 432 ff. , S. 592 ff., insb. § 434, S. 597 f.; stärker differenzierend v. Rotteck, Lehrbuch des Vernunftrechts, Bd. 2, § 135, S. 138 (z. Eigentum), § 40, S. 146, §§ 42, 43, S. 148 ff.; Bd. 3, 3.T., § 8, S. 293. Gleichwohl bleibt der Rechtscharakter der Ablösung überkommener (vermögenswerter) Privilegien zweifelhaft: Auch unter Geltung der Eigentumsgarantie der Preuß. Verfassungsurkunde wird (entsprechend bereits Regulierungsedikt v. 14. 9. 1811, GS. S. 281, vgl. auch Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 30, 86), und wird das Obereigentum wie andere typisch persönliche Hoheitsrechte entschädigungslos aufgehoben (§ 2 Nr. I u. 2 des Gesetzes, betreffend die Ablösung der Reallasten und die Regulierung der gutsherrliehen und bäuerlichen Verhältnisse vom 2. März 1850, GS 77). Anders dagegen für die mit jenem verbundenen "Berechtigungen auf Abgaben oder Leistungen" (§ 5), die lediglich gegen Abfindung ablösbar sind (§§ 6 ff.). Ob man solche Berechtigungen als Eigentum unter den Schutz des Art. 9 gestellt sah, oder ob aus politischen Billigkeitsgesichtspunkten Vertrauensschutzgewährt wurde, ist unklar. So konstatiert zwar Zoepjl, Staatsrecht, T. 2, § 295, S. 244 in Fn. 1, § 321, S. 323 f., § 433, S. 597, § 434, S. 599 f. m. Fn. 12 und 13 eine Verschiedenbehandlung von "wohlerworbenen" Feudalrechten und Eigentum in der politischen Praxis der Gesetzgebung, erkennt indessen nicht deren wesensmäßige Differenz. Da es sich um den grundsätzlichen Wandel von der feudalen zur rechtsstaatliehen (allgemeinen, gleichen) Eigentumsordnung handelte und künftig nur Eigentum i. S. der letzteren konstitutionell gewährleistet sein sollte, spricht alles dafür, daß die Beseitigung vermögenswerter wohlerworbener Rechte als solcher nicht eine Enteignung, sondern einen in die abstrakt-generelle Neuordnung sich einfügenden Vorgang sui generis darstellt, der allenfalls einen billigen (einfachgesetzlichen) Ausgleich von Vermögensverlusten erfordert. 452 Dezidiert Anschütz, VerwArch 5 (1897), S. 1 ff. (insb. S. 13 ff., 132), auch Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 645, dessen der rechtsstaatliehen Kultur des entfalteten Gesetzgebungsstaats verpflichtete und in den Kontext des staatsrechtlichen Positivismus eingebettete Haltung gleichwohl die historische Genese der rechtsstaatliehen Eigentumsgarantie verzeichnet, weshalb Anschütz auch einen Wandel der verfassungsrechtlichen Situation trotz textlicher Veränderung unter der Weimarer Reichsverfassung nicht anzuerkennen vermag, WRV, Art. 153, Anm. 3, S. 705; Anm. 5, S. 705 f. Dazu die nachfolgende Fn.

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werden derartig reguläre Rechtsänderungen gar nicht auf Verfassungsebene thematisiert, weil die Eigentumsordnung vorausgesetzt und nur ihre ausnahmsweise Durchbrechung im Akt der Enteigung geregelt wird453_ Die verfassungsrechtliche Lücke zwischen der bislang nur (konkludent) vorausgesetzten generellen Anerkennung des Eigentums und dem Entzug der einzelnen Rechtsposition schließt sich erst im Hinweis des Art. 153 WRV, daß Inhalt und Schranken des Eigentums sich aus den Gesetzen ergeben. Damit ist über den unspezifischen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit hinaus454 angezeigt, daß gerade das Eigentum als Recht nicht der Rechtsordnung vorausliegt, sondern vom Gesetz - sei es im Privat- oder öffentlichen Recht - nach Rechtsgehalt und Ausformung gestaltet werden und nur insofern anerkannt sein soll. Hierin liegt aber, gemessen an der Ausgangsposition der Staatsferne, keine Beschränkung des Gesetzgebers, sondern die ermächtigende Bestätigung seines Gestaltungsauftrags455. Vorausgesetzt ist nur der Begriff des Privateigentums, der der 453 Von Beschränkungen, "'welche vermöge einer allgemeinen gesetzlichen Disposition stattfinden"', sollte zu jener Zeit überhaupt nicht die Rede sein, so die Auskunft des Justizministers Simons während des Gesetzgebungsverfahrens zu Art. 9 Preuß. Verfassungsurkunde, zit. nach Anschütz, Verfassungs-Urkunde, Art. 9, S. 155. Sie waren nicht geregelt. Die rechtliche Ausgestaltung und Fortbildung der Rechtsordnung und damit auch der subjektiven Rechtsstellung des einzelnen im verfaßten Gesetzgebungsstaat wird auf Verfassungsebene genausowenig thematisiert wie selbstverständliche Begrenzungen etwa durch die allgemeine Polizeipflichtigkeit, vgl. etwa noch PrOVGE 8, 327 (329 f.), auch Anschütz, VerwArch 5 (1897), S. I, 132. Die vor allem wichtige Aufgabe des Staates, die rechtliche Friedensordnung nach den allgemeinen Grundsätzen formaler Gleichheit zu verbürgen, bedurfte keiner primär grundrechtlichen, sondern einer sachlich-funktionellen Absicherung, war also dem "gewohnheitsrechtlich" von einem materiell begrenzenden Kern (namentlich der Freiheits- und Eigentumsklausel) her sich fortbildenden, allgemeinen Gesetzesvorbehalt zugeschlagen: das Allgemeine sollte in allgemeiner Weise und d.h. durch den Gesetzgeber geregelt, nicht der einzelne vor abstrakt-generellen Beschränkungen durch die allgemeine Rechtsordnung oder deren Aktualisierung im Einzelfall geschützt werden, vgl. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 71 ff., 76 f., 220 ff. Vielmehr wurden der unverzichtbaren exekutiven Staatsgewalt nur zentrale Sphären bürgerlicher Existenz versperrt, statuierten punktuelle Bestimmungen begrenzte Vorbehalte, die herausgehobene, der staatlichen Einmischung exponierte und darum besonders gefa.hrdete Freiheitsbereiche vor geziehen Willkürakten in Schutz nahmen und insofern auch eine gesetzliche Ermächtigung verlangten. Zu diesen zählte - neben der Freiheit der Person, der Religion und einigen anderen - vor allem die Garantie der "Unverletzlichkeit" des Eigentums (etwa § 24 Wüm. Verfassung; § 164 Verfassung des Deutschen Reichs von 1849; Art. 9 Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat), zugeschnitten auf Entziehungen des Eigentums im Sinne gezielt-willkürlicher, entschädigungsloser Enteignung. Nur diesen- ggf. auch gesetzgebensehen - Einzel-Akt erfaßt der Vorbehalt. Das vorgegebene Eigentum, die umfangende Rechtsordnung wie ihre staatliche Garantie sind dieser eher staatsfernen Perspektive Selbstverständlichkeiten, die keiner besonderen Erwähnung oder Ermächtigung bedürfen; die Einsicht, daß der Gesetzgeber die Sozialordnung gestaltet und in ganz besonderer Weise - als Rechtsinstitut - das Eigentum erst schafft, ist ihr fremd. Nur insofern stimmt daher die These, Unverletzlichkeit bedeute die "absolute Freiheit von jedem staatlichen Eingriffe", Sehe/eher, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, III, S. 196, 207. Vgl. im übrigen in Richtung der hier vertretenen Auffassung, Stier-Somlo, VerwArch 19 (1911), S. 43, 48,49 ff. 454 Hierzu Anschütz, WRV, Art. 153, Anm. 4, S. 705. 455 Vgl. Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 141 ff.; auch Anschütz, aaO, Anm. 5, S. 706

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gleichfalls eigentumsspezifischen Institutsgarantie ihren Inhalt gibt und den Gesetzgeber beschränkt456. Der Verfassunggeber des Grundgesetzes hat diesen Auftrag zur Gestaltung der Eigentumsordnung in Art. 14 GG fortgeschrieben und eher noch betont, indem er "Inhalt und Schranken" als (passiven) Gegenstand gesetzgeberischer Bestimmung kennzeichnet. Auch sein Blickwinkel ist der abstrakt-generelle des Gesetzes. Er kennt keinen Eingriff in das Eigentum und darum keinen eigentumsspezifischen individuellen Bestandsschutz, bevor nicht die konkrete Eigentumsposition entzogen wird. Es gibt kein allgemeines Vertrauen in die Eigentumsordnung. Die Bindung nach Art. 1 Abs. 3 GG läuft deshalb keineswegs leer. Der Gesetzgeber bewegt sich lediglich in einem weiteren Rahmen, der durch das Gesetzmäßigkeitsprinzip und das aus diesem fließende Bestimmtheitsgebot457 einerseits, die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG andererseits definiert wird. Das erstere vermittelt dem Eigentümer das verfassungsunmittelbare und klagefähige Recht, daß gerade und nur der Gesetzgeber seine Rechtsstellung gestaltet und Verwaltung und Rechtsprechung die aus dem Gesetz abzuleitende Rechtsposition beachten458 . Letztere deckt sich mit der Institutsgarantie459, welcher, anders als unter der Weimarer Reichsverfassung460, angesichtsder verfassungsrechtlichen Bindung des Gesetzgebers keine eigenständige Funktion mehr zukommt. Sie verbietet, die Eigentumsordnung derart auszugestalten, daß die verbliebene individuelle Rechtsstellung den Namen des Eigentums nicht mehr verdient461 . Eine weiterreichende, eigentumsspezifische Garantie ist zunächst nicht ersichtlich. So handelt es sich zwar bei Vorschriften, die das Genehmigungserfordernis vervollständigen und der Genehmigung korrespondierend sachliche und formelle Bestandskraft ihrer Regelung abstrakt-generell festlegen, wie dies etwa in §§ 7, 17, 20, 21 BimSchG (i.V.m. §§ 5, 67 BimSchG) geschieht, um Be456 Anschütz, aaO, Anm. 5, S. 706; Stödter, aaO, S. 143. 457 Vgl. BVerfGE 8, 71 (76), 274 (325); 9, 83 (87); 20, 150 (158); 58, 300 (347); 80, 137 (161). 458 Vgl. Pietzcker, JuS 1991, S. 369, 372; auch Enders, AöR (1990). S. 610, 624. Vgl. beispielhaft VGH Mannheim v. 29. 4. 1993, BWVPr 1993, S. 260. 459 Im Ansatz ebenso, jedoch im übrigen für eine weitergehende Bindung Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 32; vgl. auch BVerfGE 58, 300 (348). 460 Anders unter der Weimarer Reichsverfassung, M. Woifj; Festgabe Kahl, Beitrag IV, S. I ff.; ferner Anschütz, WRV, Art. 153, Anm. 5, S. 706 f. Die verfassungsgesetzliche Regelung hat dann nach Schmitt, Verfassungslehre, S. 170: "den Zweck, eine Beseitigung im Wege der einfa-

chen Gesetzgebung unmöglich zu machen", meine aber im Falle des Eigentums nicht die "verfassungsgesetzliche Gewährleistung eines inhaltlosen Namens", sondern die "Anerkennung eines Prinzips .... weil es keinen bürgerlichen Rechtsstaat ohne Privateigentum geben kann ... "; ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 140, 160 ff., 164. 461 BVerfGE 24, 367 (389).

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Stimmungen über die Reichweite der Eigentumsnutzung. Lassen sich aber unter dem normativen Gesichtspunkt der Eigentumsgewährleistung derartige Inhaltsund Schrankenbestimmungen nicht als "Eingriffe" des Gesetzgebers qualifizieren, weil der Inhalts- und Schrankenklausel ermächtigende Funktion zukommt, dann wird auch die Verwaltung nicht zu einem Eingriff in "das Eigentum" ermächtigt. Geschmälert wird, wenn man die für den Bestandsschutz unbeachtlichen Zukunfts-Chancen beiseite läßt, der Wert "ins Werk gesetzter Freiheit", namentlich bereits getätigter Vermögensdispositionen. Es handelt sich folglich bei den unmittelbar verfassungsrechtlichen Bindungen der Verwaltung innerhalb des gesetzlich eröffneten Regelungs- oder Anordnungsspielraums, bei der verfassungsrechtlichen Begrenzung des (Normanwendungs- oder Normsetzungs-) Ermessens durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz also (Art. 1 Abs. 3 GG), nicht um spezifischen Eigentumsschutz. Denn diese Begrenzung durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz reflektiert ja eine bereits den Gesetzgeber treffende Verpflichtung. Sie kann darum nicht aus dem Auftrag des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG folgen, nach welchem das Eigentum als Recht der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber nicht vorausliegt, sondern aus ihr resultiert. Art. 14 Abs. I GG gewährleistet insoweit, in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 2 GG, lediglich den auf die Institutsgarantie zurückgenommenen Schutz. Und das ist kein Bestandsschutz zugunsten der konkreten Rechtsposition, wie er durch Art. 14 Abs. 3 GG gewährleistet ist. Tatsächlich bedeuten auch die sog. ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmungen einen Systembruch, wollte man sie auf Art. 14 Abs. 1 GG beziehen. Wenn nämlich zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung auf der einen, Enteignung auf der anderen Seite eine begrifflich-qualitative Grenze verläuft, so ist nicht einzusehen, wie eine gesetzliche Reduzierung der Eigentümerbefugnis durch vermögenswerte Vorteile ausgeglichen werden könnte. Gerade der Eigentumsschutz schlägt nach seiner positiven verfassungsrechtlichen Regelung nur ausnahmsweise in eine Wertgarantie um. Diese echte Ausnahme ist abschließend bezeichnet durch Art. 14 Abs. 3 GG462 . "Bestandsschutz" wird darum außerhalb der speziellen Garantie des Art. 14 Abs. 3 GG in Wirklichkeit unabhängig vom Bestand und bezogen auf gesetzmäßige Freiheits- in Gestalt qualifizierter Vertrauensbetätigung gewährt463 . 462 Vgl. BVerfGE 24, 367 (397 f., 400, 401); BVerfGE 53, 300 (323). Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 449. 463 Der Schutzbereich des Art. 14 GG erfaßt nicht Erwerbschancen oder tatsächliche Gegebenheiten, auch nicht das Vermögen als solches, BVerfGE 30, 292 (334 f.); 51, 193 (218, 221 f.); 77, 84 (117 f.), 74, 129 (148); Positionen wie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sind nicht geschützt. Anders etwa Engel, AöR 118 (1993), S. 169, 188 ff.; Friau,t: WiVerw 1986, S. 87, 99, WiVerw 1989, S. 121, 133 f. - Ungeachtet der Bestandsschutzproblematik kann freilich die Eigentumsqualität von (Rechts-)Positionen schon wegen Art. 14 Abs. 3 GG nicht dahinstehen.

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Als zurnutbar muß sich die Anwendung der Eigentumsordnung auf den einzelnen Eigentümer nicht vor einer substanzhaft verabsolutierten Rechtsposition ausweisen, sondern vor der stets nur relativ berechtigten Erwartung möglichst unbehinderter Freiheitsentfaltung. Handelt es sich nicht um die Betätigung eines gegenüber dem Gesetzgeber speziell geschützten grundrechtliehen Freiheitsanspruchs, etwa aus Art. 12 Abs. 1 GG, folgt die Rechtfertigungspflicht des Gesetzgebers, und, soweit dieser die Verwaltung zu begrenzt überprüfbarer Rechtsanwendung oder Rechtsetzung ermächtigt, auch der Verwaltung als Verbot unverhältnismäßiger Belastungen aus Art. 2 Abs. 1 GG464 . Da Art. 14 Abs. I GG keinen spezifischen Freiheitsbetätigungsschutz gewährleistet und Inhalts- und Schrankenbestimmurigen keinen Eingriff in das Eigentum begründen, steht die Subsidiarität des allgemeinen Freiheitsrechts dem nicht entgegen465. Unabhängig hiervon wird allgemein Freiheitsverlust, vor dem die Grundrechte schützen, durch Geldersatz nie ungeschehen gemacht. Lediglich seine Folgen werden abgemildert. Es ist aber "nicht die Ausgleichung des Vermögensschadens, sondern die Aufrechterhaltung des Rechtsbestandes ... das Ziel des modernen Rechtsstaates ... "466. Wertersatz vermag daher von Verfassung wegen Freiheitseingriffe stets nur ausnahmsweise auszugleichen467 . Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn eine gesetzliche Verhaltensanforderung bei generalisierender Betrachtung zwar verhältnismäßig und damit zulässig ist, innerhalb ihres typischen Anwendungsbereichs aber ausnahmsweise gleichwohl die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet. Ermächtigt die fragliche Regelung, eine in der Vergangenheit rechtmäßig begründete positive Befugnis (Vertrauenstatbestand) aufzuheben, so gebietet und erlaubt der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Entschädigung nur, wenn der Eingriff geeignet, erforderlich und auch generell zurnutbar ist und dennoch im Einzelfall gemessen am berechtigten Vertrauen des Betroffenen ein Mißverhältnis bleibt, also auch eine typisierende (fallgruppenbezogene) Milderung der Eingriffsintensität durch Übergangsfristen den konkreten Sachverhalt verfehlt. 464 Auch nach Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 257 f., 264, konkretisiert das "Vertrauensschutzprinzip ... die Zumutbarkeit des Eingriffs in vermögensrechtliche Besitzstände", ohne an die Eigentumsgarantie gebunden zu sein. Anders dezidiert Friauf, WiVerw 1986, S. 87, 103 f., WiVerw 1989, S. 121, 137 f. Die legitimierende Rückbindung an den Eingriffszweck stellt aber in Wahrheit eine allgemeine und unspezifische Eingriffsbeschränkung dar, vgl. BVerfGE 8, 71 (80}, E 20, 351 (361). 465 Allerdings kann nicht jeder - auch entfernten - faktischen Belastung Eingriffscharakter zugesprochen werden. Für Art. 2 Abs. I GG folgt dies aus der Weite des Schutzbereichs der Persönlichkeitsentfaltung. Es sind verschärfte Kriterien angezeigt, denen grs. nur rechtliche und adressierte Maßnahmen gerecht werden, vgl. Pietzcker, Festschrift Bachof, S. 131, 146. Für Eingriffe in die Berufsfreiheit, bedarf es jedenfalls einer berufsregelnden Tendenz, vgl. BVerfGE 13, 181 (185 f.- objektiv); 16, 147 (162); 70, 191 (194, 214); Breuer, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 148, Rdnr. 31. 466 Fleiner, Festgabe Laband, Bd. II, S. I, 39. 467 Maurer, Allgemeines Verwa!tungsrecht, § 26, Rdnr. 8!, 84.

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II. Bestandsschutz nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz 1. Materielle Belreiberpflichten und Einzelfallermächtigung

Das Auseinanderklaffen von materieller und formeller Rechtslage bedeutet unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes, daß an sich tatbestandlieh Verbotenes unter rechtlichen Zusatzbedingungen (i. a. einer ausdrücklichen Genehmigung) als erlaubt gelten soll468 . Trotz§ 5 Abs. I Nr. I BlmSchG dürften also schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen, trotz § 5 Abs. I Nr. 2 (mit 7 Abs. I Nr. 2) BlmSchG allgemeingültige Vorsorgeanforderungen vernachlässigt werden; und diese Rechtspositionen könnten selbstverständlich, da die Behörde sie nicht eigenmächtig beseitigen kann, zwischen den Anlagenbetreibern übertragen und so in die Kompensationsmasse eingebracht werden. Die Differenz zwischen formellem und materiellem Verbot reduziert sich aber typischerweise mit wachsender Dynamik des Sachbereichs. So sah ursprünglich das Gewerbepolizeirecht in § 25 GewO vor, daß die Genehmigung einer Anlage, die erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für Nachbarschaft oder Allgemeinheit herbeiführen konnte, "solange in Kraft (bleibe), als keine Änderung in der Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstätte vorgenommen wird". Damit war die Gewerbepolizeibehörde an ihren Bescheid gebunden, der einesteils spätere privatrechtliche Einwendungen der Nachbarschaft in gewissem Umfang ausschloß (§§ 26, 17 Abs. 2 Satz 2 GewO) und gegenüber behördlichen Eingriffen, die dem Betrieb genehmigter Anlagen galten (vgl. § 15 Abs. 2 GewO), Sperrwirkung entfaltete. Eine inhaltliche Abänderung des Bescheids durch nachträgliche Auflage von Bedingungen oder auch sonstige nachträgliche Anordnungen, gar der Widerruf der Genehmigung standen der Behörde nicht zu Gebote. Ihre Befugnisse waren darauf beschränkt, in Extremfällen- "wegen überwiegender Nachtheile und Gefahren für das Gemeinwohl" - und nur gegen Entschädigung die Anlage stillzulegen (§51 Abs. I GewO). Die Position des Setreibers findet sich also geprägt nicht nur durch die im Genehmigungsbescheid konkret-individuell aktualisierte Pflichtenstellung gegenüber Nachbarn und Publikum(§ 16 GewO), welche die Grenze eines erlaubten Betriebs markiert. Das gesetzlich begründete Vertrauen bezieht zudem die Exklusivität hoheitlicher Eingriffsbefugnisse mit ein469 . "Denn das Erfor468 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann/Rohrner, UmweltR I,§ 3 BlmSchG, Rdnr. 15 a.E.; Sellner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 27 (m. Fn. 96, 97), 35,210,433. 469 Fleiner, Institutionen des Deutschen Yerwaltungsrechts, S. 200, 412 f. m. Fn. 30; SeydelSchecher, Gewerbepolizeirecht, S. 89; PIOVGE 5, 286 (288 f.); 10, 260 (263 f.); 23, 254 (257). Allerdings war§ 51 GewO, vgl. auch Feldhaus, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I,§ 21, Anm. 6, gesetzessystematisch entgegen den ursprungliehen Motiven nicht den genehmigungspflichtigen Anlagen zugeordnet, um in Fällen heranruckender Wohnbebauung etc. ein Gegengewicht zur Bestandskraft der Genehmigung zu bieten, mußte vielmehr auch auf das übrige berechtigt betriebene ste·

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derniß einer besonderen Genehmigung, deren Ertheilung nach voraufgegangener Prüfung in einem speziell geordneten Verfahren erfolgen soll, dient nicht blos zum Schutze der Besitzer und Bewohner der benachbarten Grundstücke, sowie des Publikums überhaupt, sondern bezweckt zugleich eine Sicherung des Unternehmers gegen künftige Anfechtungen" 470 . In den von der Innovationskraft moderner Technologien geprägten Bereichen des Sicherheits- und Technikrechts muß der Gesetzgeber zwangsläufig weitere Pflichten und großzügigere Ermächtigungen schaffen471 , wenn einerseits die staatliche Kontrolle mit den sich wandelnden Gefährdungspotentialen Schritt halten, andererseits jene Innovationskraft auch dem Rechtsgüterschutz zugute kommen soll. Die größere Flexibilität des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist zunächst dadurch gekennzeichnet, daß die Schutzpflicht des Betreibers nicht mehr auf die ursprünglich vorhersehbaren Gefährdungen begrenzt ist: § 5 Abs. 1 Nr. I BimSchG verpflichtet den Betreiber einer genehmigungspflichtigen Anlage, schädliche Umwelteinwirkungenjederzeit zu vermeiden, ist also in die Zukunft offen. Unter dem Aspekt der Vorsorge wird dann seine Verantwortlichkeit, dynamisiert über die Bezugsgröße eines progressiven Standes der Technik, auf das noch verbleibende Restrisiko ausgedehnt, § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings in der vielbeachteten Tunnelofenentscheidung aus Art I4 Abs. I GG einen "überwirkenden Bestandsschutz" hergeleitet, nach welchem eine Altanlage ungeachtet schärferer normativer Schutzstandards im bisherigen Umfang ersetzt (neu errichtet) werden darf, damit nicht der Gesamtbetrieb wesentliche Funktionseinbußen hinnehmen muß472. Wegen der "verfassungsrechtlich gebotene(n) 'Sicherung des durch Eigentumsausübung Geschaffenen"' setzt sich also der legal geschaffene Bestand "gegen das ihm mittlerweile etwa entgegenstehende Gesetzesrecht" durch473 , solange in der Eigentumsnutzung des Anlagenbelreibers eine abso-

hende Gewerbe Anwendung finden, so daß in diesem Zusammenhang der Terminus eines (ggf. die Ausgleichspflicht auslösenden) · Verlusts der "Gewerbebefugnis" unspezifisch gebraucht ist, PrOVGE 23, 254 (262 ff.), Fleiner, aaO, in Fn. 30. 470 PrOVGE 10, 260 (263 f.); vgl. Fleiner, aaO, S. 200, Preu, Die historische Genese der öffentlich-rechtlichen Bau und Gewerbenachbarklagen, S. 43. Aus heutiger Sicht BVerwGE 88, 286 (291); Schoch, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199,219, 236 ff. 471 Dagegen sind die Möglichkeiten nachträglicher Anordnungen gegenüber genehmigten Anlagen in mehr statischen Regelungsmaterien, etwa im Bauordnungsrecht, nach wie vor gesetzlich begrenzt. Sie dienen- so in §59 Abs. 9 LBO B.-W. -der Abwehr einesteils der Gefährdung besonders wichtiger Rechtsgüter (Leben und Gesundheit) anderenteils von zum Zeitpunkt der Genehmigung nicht voraussehbaren Gefahren oder erheblichen Nachteilen oder Belästigungen. 472 BVerwGE 50, 49 (55 ff.). 473 BVerwG, aaO, S. 57.

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lute Position des Verfassungsrechts gesehen wird. Den Nachbarn verbleibt von ihrer Rechtsposition gegebenenfalls nunnehr die Situationsbelastung. Der verfassungsrechtliche Anspruch des Betreibers, eine ursprünglich legale, materiell rechtswidrig gewordene474 "Belästigungsquelle" weiter zu betreiben, muß indessen nach allem, was bislang über die Grundlagen des Bestandsschutzes gesagt wurde, sehr viel bescheidener bemessen werden als noch in der Tunnelofenentscheidung judiziert. Der vom Bundesverwaltungsgericht heraufbeschworene Widerspruch löst sich nämlich auf, wenn man, wie es auch in der neueren Rechtsprechung des Gerichts geschieht, den Bestandsschutz stärker auf seinen gesetzlichen Rahmen zurückführt475 : Der Anlagenbelreiber hat nicht mehr an Rechten als ihm das verfassungsmäßige Gesetz einräumt. Für die Rechtsposition aus Art. 14 GG476 ergibt sich dies schon daraus, daß siebevor nicht die Institutsgarantie in Frage steht - mehr als den gerade gesetzlich bestimmten Inhalt des Eigentums nicht gewährleisten kann. Der Schutz von Altanlagen nach den §§ 4 ff., 17, 20, 21 BimSchG schließt aber einen Anspruch wider das (übrige) aktuell geltende materielle Recht grundsätzlich aus477 . Und die Parallele zur rechtlichen Stellung des Bauherrn478 gebietet eszunächst ungeachtet der Anforderungen des Verhältnismäßigkeilsgrundsatzes keineswegs, dieses Ergebnis verfassungskonform zu korrigieren479. Umgekehrt: Der gemeinhin aus Art. 14 GG hergeleitete baurechtliche Bestandsschutz, nach dem eine baurechtliche Abbruchverfügung (bzw. eine Nutzungsuntersagung) nur zulässig sein soll, wenn ein Vorhaben seit seiner Errichtung ununterbrochen gegen materielles Baurecht verstößt (und nicht durch eine Genehmigung gedeckt ist)480, findet - einschließlich der Konsequenzen für eine Aufhebung der Rechtsposition und prozessuale Begünstigung des Bauherrn 474 Nicht indessen formell, vgl. BVeiWG Beschl. v. II. I. 1991, NVwZ-RR 1991, S. 236. 475 BVeiWGE 84, 322 (334); vgl. noch E 85, 289 (294) zum Anspruch aus "eigentumskräftig verfestigter Anspruchsposition"; E 88, 191 (192 [LS.], 203). Aus der Literatur Hermes, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 187, 192; Schoch, Innovation und Flexibilität des VeiWaltungshandelns, S. 199, 236m. w. Nw. in Fn. 179; Send/er, WiVeiW. 1993, S. 235, 245 ff., insb. S. 253 ff., 277 ff.; Wahl, Festschrift Redeker, S. 245, 248 ff., 258, 261 ff.; zutreffend auch Classen, JZ 1993, S. 1042, 1043 f., 1046 f. 476 Vgl. BVeiWGE 50, 49 (57); 84, 322 (334). Zum ganzen Wahl aaO, S. 259, jedoch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit 477 Eine gewisse Ausnahme bilden die ausdrücklich geregelten Möglichkeiten der Überschreitung von Immissionswerten dar, § 67 a Abs. 2 BlmSchG; Nr. 2.2.1.1 lit. b, 2.2.1.2 lit. c, 2.2.3.2 Satz 3 mit 2.2.1.1 lit. b TA Luft. Sie stellen indessen einen actus contrarius der befugten normgebenden (bzw. -konkretisierenden) Instanz dar. 47 8 Insb. BVeiWGE 3, 351 (353 f.) und hierzu Schenke, NuR 1989, S. 8, 9 f. 479 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 20, Rdnr. 23. Tendeziell anders Schenke, aaO, S. I 5. 480 Vgl. außer BVeiWGE 3, 351 (353 f.) noch BVeiWG v. 22. I. 1971, NJW 1971, S. 1624, 1625; VGH B.-W. ES VGH 22, 30 (31 f.) und etwa noch Beschluß vom 17. 9. 1990, BauR 1991, S. 75; w. Nw. aus der Literatur bei Schenke, aaO, S. 9.

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in dieser Ausdehnung keinen Rückhalt im Gesetz. Zwar dient das Genehmigungserfordernis dem Zweck einer zeitlich vor die Freiheitsausübung gezogenen Kontrolle, die die Übereinstimmung des Vorhabens mit der materiellen Rechtslage erweisen sol1481 . Aber daraus kann nicht folgen, daß ein Vorhaben, soweit es für die Genehmigungserteilung zwangsläufig auf den Zeitpunkt der Errichtung ankommt, auch unabhängig vom Umstand seiner förmlichen Zulassung materiellrechtlich nur noch mit Rücksicht auf diesen Zeitpunkt oder auch einen sonstigen, abgeschlossen zurückliegenden Zeitraum des Einklangs mit dem Gesetz beurteilt werden dürfte. Denn das Genehmigungsverfahren verliert nicht dadurch seinen Sinn der präventiven Kontrolle genehmigungsbedürftiger Vorhaben482, daß rechtswidrig nicht genehmigte Anlagen gleich nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach der jeweiligen materiellen Rechtslage beurteilt werden: Das gesetzliche Genehmigungserfordernis schränkt die individuelle Freiheit im öffentlichen Interesse mit Blick auf künftiges, nicht vergangenes Verhalten ein. Schutzwirkung für die Vergangenheit kann es also nicht in abstrakt-genereller, sondern nur in individualisierter und konkretisierter Gestalt der Genehmigung zugunsten desjenigen entfalten, der sich dem Genehmigungsverfahren tatsächlich unterzogen und so seine Freiheit von Anfang an unter der sowohl begrenzenden wie bewahrenden Herrschaft der Genehmigung ausgeübt hat483 . Aber auch die anderen Grundrechte schützen nicht vor verhältnismäßigen Freiheitseinschränkungen. Und auf diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber den Schutz von Altanlagen, wie schon zuvor denjenigen von sog. "Uralt"-Anlagen zurückgeführt484: Die Durchsetzung neuer Anforderungen - gleichgültig ob auf der Ebene abstrakt-genereller Normierung oder im konkreten Einzelfall - hat danach, wo eine bestehende Genehmigung grundsätzlich erhalten bleibt, mit Blick auf den genehmigten Bestand angemessen zu erfolgen. Bereits die Ergänzung des§ 25 Gew0485 im Jahre 1959 um einen Absatz 3, durch den erstmals nachträgliche Anordnungen ermöglicht wurden, fand Grenzen im technisch Möglichen und wirtschaftlich Vertretbaren einerseits(§ 25 Abs. 3 Satz 3 GewO), in der Entschädigungspflichtigkeit der Untersagung nach §51 GewO andererseits. Ähnlich hat zwar das Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 15. 3. 1974486 eine deutliche materielle Verschärfung und namentlich Dynamisierung der Betreiberpflichten gebracht, gleichzeitig aber bestehende, nach der Gewer481 BVerwGE 3, 351 (354). 482 Entgegen BVerwGE 3, 351 (354). 4 83 PrOVGE 96, 196; 99, 212; 104,223.

484 Hierzu Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 39; Jarass, DVBI. 1986, S. 314,317 f.; Trute, Vorsorgestrukturen, mit Nachweisen S. 258 in Fn. 76. 485 Änderungsgesetz vom 22. 12. 1959, BGBI. I S. 781. 486 BGBI. I S. 721, ber. 1193.

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beordnung erteilte Genehmigungen unberührt gelassen (§ 67 Abs. I BlmSchG), und, soweit nicht die fonneUe Rechtslage unverändert erhalten bleiben sollte, lediglich Anzeigepflichten geschaffen (§ 67 Abs. 2 Satz I BlmSchG: "sofern .. .'' 487 ; neuerdings in § 67 a Abs. 1 BlmSchG). Auf alle derart fonnell umrissenen Rechtsverhältnisse sind nun im übrigen materiell-rechtlich die aktuellen Vorschriften nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips und d. h. auch unter Beachtung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes anzuwenden. Soweit aber nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz der fonnelle Rahmen des Anlagenbetriebs mit der gewissen Modifikation durch Anzeigepflichten fortbesteht und der gehobene Anforderungsstandard sich lediglich in Gestalt materieller Betreiberpflichten und dementsprechend ausgedehnter Eingriffs-Ennächtigungen der Verwaltung manifestiert, verbleibt es auch durchgängig bei den Differenzierungen im Maßstab der Verhältnismäßigkeit, denen Statuierung und zunehmend konkrete Durchsetzung der Gesetzesnonnen verpflichtet sind: Während der Umstand materiell rechtmäßiger Freiheitsausübung allein nur das rechtlich belanglose Vertrauen in tatsächliche Umstände freisetzt, dagegen zu einem besonderen Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der "Befugnis" nicht berechtigt und keine über die Gesetzmäßigkeit hinausreichende rechtliche Anerkennung verdient488, ist auf die ausdrückliche Gestattung bei jeder dem Betreiber nachteiligen Veränderung der Rechtsposition Rücksicht zu nehmen. Gerade weil und soweit aber dieser - dem individuell adressierten Rechtsakt der Genehmigung entsprechenden - Anforderung zwangsläufig in der Behandlung des Einzelfalls Rechnung getragen wird, können und müssen sich mit diesem Schutz grundsätzlich auch die nach altern Recht und unter anderen Voraussetzungen genehmigten Anlagen begnügen489.

487 § 67 Abs. 2 Satz 1 BimSchG unterscheidet im einzelnen die anzuzeigenden auf der einen von den bereits nach altem Recht genehmigungsbedürftigen, jedoch nicht genehmigten, d.h. (i.V.m. § 4 BlmSchG) fortdauernd genehmigungsbedürftigen und den bereits angezeigten Anlagen (i.V.m. § 16 Abs. 4 GewO a.F.) auf der anderen Seite, Jarass, BimSchG, § 67, Rdnr. 3, 13. 488 Vgl. aber oben in Fn. 469. Trotz des Wortlauts von§ 17 Abs. 5 ist nach Sinn und Zweck der Überleitungsvorschrift des§ 67a Abs. 1 BimSchG die Ermächtigung des§ 17 BlmSchG (in den Grenzen von § 67 a Abs. 2 BimSchG mit Nr. 4.1.2 TA Luft [analog]) auch hier anwendbar, vgl. Jarass, BimSchG, § 67a, Rdnr. 7, Laubinger, in: Ule!Laubinger, BimSchG, § 67a, C 27, C 36. An die Stelle der§§ 21, 20 Abs. 2 BimSchG (auch des§ 48 [L]VwVfG) kann nach wohl herrschender Auffassung - für erhebliche Gefahren- § 25 Abs. 2 BimSchG (analog) treten, Jarass, BlmSchG, § 67 Rdnr. 23, § 67a Rdnr. 7, § 21 Rdnr. 5, Martens, DVBI. 1981, S. 597,608. Es bleibt dann einerseits für Nachteile/Belästigungen, andererseits im Vorsorgebereich eine Regelungslücke. 489 Vgl. Jarass, BimSchG, § 67, Rdnr. 7; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 67, Rdnr. 4; Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 48; Kutscheidt, in: Landmann/ Rohmer, aaO, vor§ 4 BlmSchG, Rdnr. 22 f., 35 f., 37.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

2. Das Gebot verhältnismäßiger Durchsetzung der Grundpflichten gegenüber den Betreibern genehmigter Anlagen

Es kommt also für den Umfang des Bestandsschutzes über die gesetzliche (zukunftsorientierte) Definition der Rechtsstellung hinaus auf die Verfassungsmäßigkeit der nachgeordneten Ermächtigungen und der auf sie gestützten Eingriffe an490. Diese vervollständigen die Regelung über Errichtung und Betrieb der genehmigungsbedürftigen Anlagen (§§ 4, 5, 6 und 7 [mit 48] BlmSchG), d. h. die formelle und materielle Rechtsstellung des Betreibers, deren Durchsetzung sie dienen. Für die nachträgliche Anordnung nach § 17 BlmSchG liegt dieser Zusammenhang auf der Hand491 : Mit ihrer Hilfe wird die zuständige Behörde erst in den Stand gesetzt, die an sich genehmigte Tätigkeit ohne nominelle Änderung des Genehmigungsbescheids der materiellen Rechtslage anzupassen, den Betreiber also wie einen Polizeipflichtigen in die gesetzlichen Nichtstörungssehranken zu verweisen. Aber auch die Widerrufsbefugnis nach § 21 BlmSchG ist in die vom Gesetz getroffene Ausübungsregelung integriert: Nach dem Gesetz erfolgt der Widerruf (§ 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG), sofern dem Betreiber innerhalb seiner formellen und von § 17 Abs. 1 BlmSchG zunächst nicht tangierten Rechtsposition (genehmigungsintern) nicht mehr angesonnen werden kann, eine sachliche Erweiterung materiell- rechtlich begründeter Verhaltenspflichten hinzunehmen492 . Dadurch steht im Einzelfall die formelle Rechtsposition intern wie extern unter dem relativen Vorbehalt des materiellen Rechts. Wenn damit Altanlagen vom Gesetzgeber in§§ 17 (in V. m. § 7 Abs. 2), 21 BlmSchG ein begrenzter Bestandsschutz eingeräumt wird, so entspricht das dem (nach vorne gewandten) Schutzzweck des Gesetzes, dem ein schwächerer Schutz des Genehmigungsbestands korrespondieren muß. Im einzelnen ist freilich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Beschränkungen der Betreiberposition differenziert zu beantworten. Der Hinweis auf die zukunftsoffenen Grundpflichten (§§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 1, 48 BlmSchG), die über die§§ 17, 21 (Abs. 1 Nr. 3 - 5) BlmSchG gegenüber bereits genehmigten Anlagen zur Geltung gebracht werden können, insofern zu den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Eingriffsermächtigungen zählen, markiert einen wichtigen, wenn auch

490 Vgl. bereits oben 4. Kapitel I. und insb. Schoch, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199,237,240. 491 Vgl. BVerwGE 55, 118 (122). 492 § 20 Abs. 2 BlmSchG ist hier - wie dargelegt - nicht zu prüfen. Er bekräftigt und verschärft, indem er das Auswahlermessen der Behörde auf die Stillegung reduziert, das allgemeine Verbot der nicht genehmigten Betätigung, auf deren Fortbestand ein besonderes Vertrauen aus Gründen des Genehmigungserfordernisses sich gerade nicht rechtfertigt. Hier geht es nur um das ungeachtet der Genehmigung bestehende Vertrauen eines jeden auf das Gesetz.

Viertes Kapitel: "Wohlerworbene Emissionsrechte" des Anlagenbelreibers

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nicht den ausschließlichen Ansatzpunkt verfassungsrechtlicher Prüfung493 : Von hier aus ist die (Vor-) Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Grundpflichten sowie der gesetzlichen Ermächtigung zu ihrer abstrakt-generellen Konkretisierung aufzuwerfen. Und es versteht sich auch, daß eine wirksame Inpflichtnahme des Setreibers des weiteren vor allem die ihrerseits ordnungsmäßige Konkretisierung der Pflichtenstellung auf untergesetzlicher Ebene voraussetzt. Beiden Erfordernissen genügen, wie oben bereits klargelegt wurde, die Eingriffsgrundlagen in Bundes-Immissionsschutzgesetz und TA Luft. Die Grundpflichten gelten und rechtfertigen freilich ungeachtet einer insgesamt verfassungsmäßigen Konkretisierung für sich betrachtet doch immer nur ex nunc, sie setzen eine notwendige, nicht schon hinreichende Bedingung für die Anpassung der nach altem Recht genehmigten Bestände (§§ 16, 25 GewO, 67 Abs. 1 BlmSchG). Und über diesen Horizont reicht folgerichtig auch die Feststellung nicht hinaus, daß nachträgliche Anordnung und Widerruf ein geeignetes, gerade durch ihre Stufung nicht übermäßig eingreifendes Mittel der Durchsetzung jener verfassungsmäßigen Rechtspflichten verkörpern. Soweit die Verfassung eine durchweg verhältnismäßige Ordnung der Rechtsstellung des Bürgers vorschreibt, geht es weitergehend um eine bereits auf der Ebene des Gesetzes sowohl sachgerechte wie im engeren Sinne verhältnismäßige (angemessene) Durchsetzung des Gemeinwohlzwecks. D.h.: Nachträgliche Anordnung und Entzug der Rechtsposition müssen in beiden Hinsichten gerade mit der gesetzlich bezweckten, in einem Genehmigungserfordernis dokumentierten, im Rechtsakt der Genehmigung formalisierten und individuell konkretisierten Ausübungsregelung (der§§ 4, 6, 5 BlmSchG) harmonieren. Gerade die damit anerkannte relative Verselbständigung formeller Statuierung und Kontrolle positiver Verhaltensmaßgaben494, erlaubt es, über die Trennlinien historisch wie sachlich geschiedener materieller Normprogramme hinweg, allgemein rechtsverbindliche Aussagen zu treffen. 3. Die abstrakt-generelle Anhindung der Einzelfallermächtigungen an die Verfassung

Auch wenn also der Zweck, den die genannten Ermächtigungen verfolgen, die Durchsetzung der zukunftsoffenen Grundpflichten, als solcher verfassungskonform ist, die Ermächtigungen auch ein geeignetes und nicht übermäßig ein493 Diesen - materiellen - Aspekt betonen Feldhaus, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I, § 5 BlmSchG, Anm. 2; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 291. 494 Schoch, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199, 233; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 50 ff. ; vgl. auch Maurer, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rdnr. 85. 9 Enders

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

greifendes Mittel darstellen, muß das Gesetz, soweit die Regelung den Betrieb genelunigter Anlagen unter den latenten Vorbehalt des materiellen Rechts stellt, weitere Eingriffsbarrieren errichten. Das Gebot der Sachgerechtigkeit bestimmt dabei - gewissermaßen als Bindeglied zwischen Tatbestandsvoraussetzung und Rechtsfolgenbegrenzung - den Eingriff, indem es den vom Gesetzgeber proklamierten oder wenigstens vorausgesetzten Regelungszweck aus verfassungsrechtlichen Gründen auf die einzelne Norm zu transponieren vorschreibt und als Maßstab an diese an- und schließlich - gegebenenfalls als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung- in sie hineinlegt495 . Für die nachträgliche Anordnung gern. § 17 Abs. 1 BlmSchG bedeutet das nach allem, daß ihren normativen Bezugspunkt und Maßstab die von Gesetzes wegen nach Maßgabe der Verfassung aufrechterhaltene Genehmigung bildet. Wenn und soweit man also sagen kann, daß eine nachträgliche Anordnung bereits ihrem Begriff nach den Betrieb der Anlage nicht objektiv unmöglich machen dart496, so äußert sich darin bei näherem Hinsehen weniger ein in sich stehender Bedeutungsgehalt. Begriff und Funktion der Genehmigung beherrschen vielmehr auch die nachträgliche Anordnung i.S. eines nach dem Gesetz bestehenden, verfassungsrechtlich gebundenen Ergänzungsverhältnisses. Was § 17 Abs. 1 BlmSchG mehr voraussetzt als ausspricht, wird dann für den Widerruf nach § 21 Abs. 1 Nr. 3-5 BlmSchG in§ 21 Abs. 4 BlmSchG deutlicher zum Ausdruck gebracht: daß, weil die rechtmäßige Genehmigung nach dem Willen des Gesetzgebers einen rechtlich erheblichen Umstand darstellt, der Setreiber auf "den Bestand der Genehmigung" in gewissem Umfang rechtlich vertrauen können muß. Daraus resultiert zunächst der Gedanke eines Wandels der genehmigungserheblichen Umstände in § 21 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BlmSchG als tatbestandliehe Schranke der behördlichen Widerrufsbefugnis. Allerdings ist mit dem "öffentlichen Interesse" in § 21 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BlmSchG anders als in Nr. 5 (schwere Nachteile für das Gemeinwohl) in Wahrheit noch keine zusätzliche normative Voraussetzung angegeben. Vielmehr wird positiv auf allgemeine Bedingungen des gesetzlichen Freiheitseingriffs rekurriert. Da aber § 17 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG (Gefahrenanordnung) schädliche Umwelteinwirkungen i. S. des § 3 Abs. 1 BlmSchG bereits tatbestandlieh voraussetzt, und desgleichen die Widerrufspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 den Tatbestand des § 17 Abs. 1 und - negativ -des Abs. 2 Satz 1 BlmSchG, entspricht es in materiell-rechtlicher Sicht immer dem öffentlichen, spezialgesetzlich formulierten Interesse, die Genehmigung aufzuheben, um gesetzmäßige Zustände herzustellen497. Dasselbe gilt- mit noch zu erörternden Einschränkungen-, soweit dem 495 Dieser Gedanke auch bei Sach, aaO, S. 128 b. Fn. 210. 496 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 16. 497 Jarass, BlmSchG, § 21 Rdnr. 12; allgemein Gusy, Polizeirecht, Rdnr. 84. Enger ("konkrete Nachteile für die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit") Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr.42; worin diese "konkreten" Nachteile liegen sollen, wenn nicht

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Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen ist (§ 17 Abs. 1 Satz I BlmSchG- Vorsorgeanordnung), für die pflichtgemäße Erfüllung derjenigen Vorsorgeanforderungen also, die nach dem verfassungsgemäßen Gesetz im Gemeinwohlzweck liegen(§§ I, 5 Abs. I Nr. 2, 7, 48 BlmSchG). Jedoch muß die im Widerruf sich verkörpernde Relativität der Erlaubnis der durch das Genehmigungserfordernis formell bekräftigten Freiheitsausübungsregelung entsprechen und das Prinzip der Genehmigungspflicht im äußeren Bestand der Genehmigung konsequent fortsetzen, wenn sie vor der Verfassung Bestand haben soll. Denn mit dem Genehmigungserfordernis (§ 4 BlmSchG mit §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 BlmSchG) verbindet sich die berechtigte Erwartung einer gewissen Beständigkeit, vor der eine beliebig variables Rechte- und Pflichtenverhältnis (Verhaltenserwartung) sachwidrig erscheinen müßte. Die Berechtigung kann demzufolge, wenn der Freiheitsgebrauch nur unter materiellem Vorbehalt zugelassen werden soll, sachgerecht nur aufgehoben werden, soweit das Gesetz diesen Vorbehalt in hinlänglich bestimmter Weise zum Ausdruck bringt: Der Rahmen verhältnismäßiger (sachgerechter) Verhaltensanforderungen muß sich im Aufhebungstatbestand fortsetzen. Damit dieser nicht die positive Regelung konterkariert, der er zu dienen bestimmt ist, beschränkt sich die Widerruflichkeit der Genehmigung für den Regelfall auf neu hervorgetretene sachliche oder rechtliche Umstände, die in der Genehmigung schlechterdings nicht berücksichtigt werden konnten(§ 21 Abs. I Nr. 3 und 4 BlmSchG). Das bedeutet für die Betreiberposition: Sie folgt dem materiellen Recht und kann darum auch ohne weiteres der Rechtswirklichkeit angepaßt werden, bis ihre Grundlage entfallt (§ 17 Abs. I und 2 BlmSchG). Ihre gesetzmäßige Erlaubniswirkung reicht nur so weit, als Änderungen der Sach- oder Rechtslage (vgl. § 21 Abs. I Nr. 3 und 4 BlmSchG) nicht eintreten oder der Anlagenbetrieb diesen gesetzlichen Bedingungen angepaßt werden kann. Gerade der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, die zwar insgesamt ebenfalls auf der Tatbestandsseite der freiheitsrechtlich konstruierten Rechtsposition steht, jedoch den Eingriff negativ bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen verbietet(§ 17 Abs. 2 Satz I BlmSchG: "nicht ... , wenn"), trägt der Gesetzgeber dagegen häufig durch einen generalklauselartigen und letztlich deklaratorischen Hinweis auf den - wenn auch in einzelnen Elementen konkretisierten - Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Denn die in schädlichen Umwelteinwirkungen, ist nicht zu sehen. Das gilt - abgesehen von der allgemeinen Widerrufsproblematik, vgl. BVerwG v. 24. I. 1992, NVwZ 1992, S. 565 f., VGH Mannheim NVwZ-RR, 1994, S. 20 f. - zumindest, wenn und soweit die Anwendung des§ 21 Abs. I Nr. 3, 4 BlmSchG wegen § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG die tatbestandliehe Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung voraussetzt (die ja erst an der U nverhältnismäßigkeit des Mittels scheitert), damit einen hinlänglich konkretisierten (potentiellen) Nachteil, der schließlich die Einschreitenspflicht der Behörde auslöst. 9•

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

Grenzen der Rechtsfolgen, die hier gefragt sind, lassen sich, wenn die übrigen Eingriffsvoraussetzungen feststehen, immer nur mit Blick auf den Einzelfall ermitteln, und das heißt für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne: indem die Ausübungsregelung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit auf den Einzelfall projiziert wird. Nachträgliche Anordnungen sind darum - soweit die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen - nur zulässig, wenn im Einzelfall der Nachteil auf Belreiberseite nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht(§ 17 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG, vgl. bereits für den Emissionsbereich § 7 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG). Ähnlich löst§ 21 Abs. 4 BlmSchG die verfassungsrechtliche Forderung nach angemessenem (gesetzlichem) Bestandsschutz ein, die verlangt, die k:raft hoheitlicher Zulassung gesetzmäßig betätigte Freiheit (d. h. die mit der Genehmigung gegebene Vermutung schutzwürdigen Vertrauens) auch dann als Faktor der einzelnen Widerrufsentscheidung zu berücksichtigen, wenn das für alle gleiche allgemeine Gesetz den normativen Maßstab des Rechtsentzugs setzt. Daß sich diese Rücksicht im Falle enttäuschten Vertrauens in den Bestand der Genehmigung am Ende auf Wertersatz beschränken kann, erklärt sich leicht daraus, daß die vorab zu prüfenden Voraussetzungen des (Total-)Entzugs der Rechtsposition einen echten Bestandserhalt nicht mehr zulassen. Sonderregelungen für den Erhalt abgeschriebener Altbestände jedenfalls - etwa unter Anerkennung überwirkenden Bestandsschutzes - muß der Gesetzgeber nicht treffen498 . In welchem Umfang freilich das Vertrauen in den Bestand der Genehmigung schutzwürdig ist und einen Ausgleich fordert, regelt § 21 Abs. 4 BlmSchG ebensowenig wie § 17 Abs. 2 BlmSchG einen Abwägungsmaßstab deutlich erkennen läßt.

III. Nachträgliche Anordnung und Widerruf 1. Reichweite und Grenzen der nachträglichen Anordnung

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen als Eingriffsgrenzen

aa) Immissionsabwehr Gerne wird im Zusammenhang mit den Grenzen, die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nachträglichen Anordnungen zieht, auf § 17 Abs. 2 498 Zumal die Unternehmensrentabilität als solche jedenfalls seit Wegfall der Eingriffsschranke der "wirtschaftlichen Vertretbarkeit" nicht mehr garantiert ist und stattdessen die allgemeinen Verhältnismäßigkeilsanforderungen gelten, vgl. Classen, JZ 1993, S. 1042, 1047; Friauf, WiVerw 1989, S. 121 , 146m. Fn. 139; Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 109; Sendler, WiVerw 1993, S. 235, 279; Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I, § 17 BlmSchG, Anm. 5, 13 f.

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BimSchG hingewiesen499 . Aber das geschieht vorschnell. Die verfassungsrechtliche Garantie der Verhältnismäßigkeit liegt nämlich zuerst, wie nun deutlich geworden sein dürfte, in der schlichten Tatbestandsmäßigkeit des behördlichen Eingriffs, von der das Entschließungsermessen der Behörde umgrenzt wird. Nur wenn überhaupt von der genehmigten Anlage schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können, rechtfertigt sich eine nachträgliche Schutzanordnung. Und das bedeutet, daß dem Betreiber der betreffenden Anlage genau die Rechtsposition zugestanden ist, die den Schädlichkeitslevel des § 5 Abs. 1 Nr. I BimSchG nicht tangiert- ganz einerlei, ob es sich nun um eine Alt- oder eine Neuanlage handelt. Denn vor § 5 Abs. I BlmSchG sind alle schädigungsträchtigen Anlagen (§ 4 BimSchG) gleich. Das - aus seiner verfassungsmäßigen Freiheit resultierende - Recht des Betreibers geht dann dahin, bis zum Beweis der Schädlichkeit nicht zur Vermeidung von Umwelteinwirkungen gezwungen werden zu dürfen. Allerdings trifft den Betreiber, der sich gegen eine nachträgliche Anordnung unter Berufung auf die Unschädlichkeit der von seiner Anlage verursachten Immissionen zur Wehr setzen will, bereits wegen der Umkehrung der Schädlichkeitsvermutung in § 5 Abs. I Nr. I BimSchG eine vergleichsweise gesteigerte Substantiierungslast, die eine Beweiserhebung regelmäßig erübrigt, wenn und soweit - für typische Fälle Schädlichkeit und Methode ihrer Ermittlung abstrakt-generell in der Verwaltungsvorschrift der TA Luft (§ 48 Nr. 1 BimSchG) konkretisiert sind500. Hier läßt sich aufgrund der besonderen Kompetenz (§§ 48, 51 BimSchG) des Vorschriftengebers eine gesetzwidrige und dadurch zugleich unverhältnismäßige Konkretisierung des Schutzprinzips kaum je erfolgreich einwenden. Immerhin erscheint, wie im einzelnen bereits gezeigt wurde, die abstraktgenerelle Programmierung von unterschiedlicher, vor allem im Bereich der erheblichen Nachteile und Belästigungen geringerer Dichte (vgl. Nr. 2.2.I .2 lit. d TA Luft). Aber auch in diesen Konstellationen der Sonderfallprüfung ist dieangesichts des gesetzlichen Vorrangs schutzbedürftiger, materiell rechtmäßiger Nutzungen ohnehin nur eingeschränkt mögliche - Abwägung nicht durch § I7 Abs. 2 BlmSchG geboten501 , sondern durch die tatbestandlieh vorgesehene Feststellung "schädlicher Umwelteinwirkungen" (§ I7 Abs. 1 BimSchG; Nr. 2.2.1.3 Abs. 3 TA Luft). Erst wenn danach der Tatbestand der Eingriffsermächtigung erfüllt ist, "soll" die Behörde einschreiten (§ I7 Abs.l Satz 2 BimSchG) und kommt es auch darauf an, ob die von ihr angeordnete Maßnahme sich mit Blick auf den konkreten Vermeidungszweck als verhältnismäßig (geeignet, erforderlich, angemessen) erweist, § 17 Abs. 2 BimSchG. Un499 Etwa Se/lner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 448. SOO Vgl. im einzelnen oben 3. Kapitel. 501 So aber Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 448 vor Fn. 72; wohl auch Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 32.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

mäßige (Nach-)Forderungen der Behörde im Einzelfall verhindert damit regelmäßig zunächst§ 17 Abs. 1 BimSchG, der den allgemeinen Schutz der verhältnismäßigen gesetzlichen Freiheitsausübungsregelung in §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1, 48 Nr. 1 BlmSchG vermittelt. Das bedeutet: Im Gefolge einer behördlichen Maßnahme - ob Genehmigung oder nachträgliche Anordnung - gehen von der betroffenen Anlage gewöhnlich keine schädlichen Umwelteinwirkungen (mehr) aus und eine weitere hoheitliche Inanspruchnahme verbietet sich. Werden gleichwohl schädliche Umwelteinwirkungen festgestellt, war entweder die Maßnahme von Anfang an rechtswidrig; oder seit der letzten behördlichen Maßnahme (Genehmigung, nachträgliche Anordnung) ist eine Veränderung der Immissionslage eingetreten. Rechtswidrige Maßnahmen müssen für gewöhnlich unter Beachtung der Rücknahmeregeln aufgehoben werden. Hiervon macht das Gesetz in der Form, nicht in der Sache eine - unausgesprochene - Ausnahme: Indem es in § 17 Abs. I Satz 2 BimSchG verlangt, daß eine nachträgliche Anordnung dann ergehen soll, wenn eine Gefahr i. S. des Gesetzes "nach Erteilung der Genehmigung festgestellt ... " wird, bezieht es den rechtswidrig genehmigten Anlagenbetrieb ohne weiteres als Anordnungsgegenstand in den Regelungsbereich der Norm mit ein. Die Feststellung von bei Erteilung der Genehmigung vorliegenden potentiell schädlichen Umständen mag also nach diesem Zeitpunkt erfolgen, sei es daß ein bei der Anlagenzulassung nicht ausreichend berücksichtigter Schadstoff emittiert wird, sei es daß in der Immissionsprognose Ermittlungsfehler unterlaufen sind502 . Aus § 17 Abs. I BimSchG ergibt sich dann die Möglichkeit, diesseits der Schwelle zur Änderung der Sachlage eine objektiv an sich rechtswidrige Erlaubnis außerhalb von Form und Frist des § 48 Abs. 4 (L)VwVfG zu "heilen" 503 . Das ist konsequent, weil auf dieser Stufe seines Tatbestands das Gesetz ohne weitere Differenzierungen nur danach fragt, ob der Schädlichkeitsstandard überschritten ist, also nicht nur Alt- und Neuanlagen gleichbehandeln kann und muß, sondern auch den formellen Zulassungsakt nicht nach seiner Rechtmäßigkeit zu bewerten braucht. In der Folge greift allerdings nicht das für gesetzmäßig genehmigte Anlagen statuierte System einer in verhältnismäßiger Weise am formellen Gestattungsverhältnis sich orientierenden Eingriffsregelung. Nicht nur wird daher der Maßstab der Verhältnismäßigkeit neu zu bestimmen sein, auch tritt, wenn sich dann die (aufgrund der Feststellung angezeigte) nachträgliche Anordnung als unverhältnismäßig erweisen sollte, nicht automatisch die für rechtmäßig genehmigte Anlagen gegebene(§§ 17 Abs. 2 Satz 2, 21 BlmSchG, "soll") Pflicht zur Aufhebung der Ge502 Daß unerwartet ein - grs. als schädlich anerkannter - Stoff emittiert wird, vgl. Sel/ner, aaü, Rdnr. 423, stellt keine Änderung der Sachlage dar, vgl. Laubinger, in: Ule!Laubinger, BlmSchG, § 21, Rdnr. C 23 f. 503 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 8.

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nehmigung ein. Nach dem Gesetzeswortlaut steht die Aufbebung der Genehmigung im Ermessen der Behörde (§ 48 Abs. 1 (L)VwVfG oder § 21 Abs. 1 BimSchG analog504), die auch (wieder) an die Jahresfrist (des § 48 Abs. 4 VwVfG, § 21 Abs. 2 BlmSchG analog) gebunden ist, welche sonst im Falle der echten Tatsachen- (oder Rechts-)änderung wegen § 17 Abs. 2 Satz 2 BimSchG keine Geltung505 hat. Im Ergebnis wird es indessen dabei nicht bleiben können. Denn es ist schlechterdings nicht anzunehmen, daß umweltschädliches Verhalten entgegen der ausdrücklichen Wertung des Gesetzes aus seiner anfangliehen Rechtswidrigkeit Vorteile ziehen soll. Diese Begünstigungen entfallen mangels ausdrücklicher Regelung analog§ I7 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG506 . Abgesehen von diesen Besonderheiten erweist sich die Frage nach den örtlichen Immissionsverhältnissen im Rahmen von § 17 BlmSchG immer als Frage nach einer Veränderung der Sachlage507, die auf der eingriffseröffnenden Tatbestandsebene des Gesetzes eine Rolle spielt, nicht etwa erst bei der rechtsfolgenbegrenzenden Verhältnismäßigkeitsprüfung508. Denn nur wenn von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können, sind begrenzende Maßnahmen nach § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG zulässig und nach § I7 Abs. I Satz 2 BlmSchG auch geboten. Die Position des Setreibers bleibt freilich unsicher. Denn kraft seiner zukunftsoffenen Pflichtenstellung haftet er, wie dargelegt, für die Normgemäßheit seines Anlagenbetriebs auch in einer sich stetig wandelnden Umwelt. Das Gesetz hat diesen Befund mit der Umkehr des Erfolgsmaßstabs in der Möglichkeitsformel ("hervorgerufen werden können") gerade als Regelfall zugrunde gelegt und damit die Konsequenzen aus der potentiellen Gefährlichkeit der besonderen Freiheitsbetätigung ziehen wollen (§ 4 BimSchG). Ein rechtlicher Einwand etwa gegen einen Widerruf zugunsten heranrückender Wohnbebauung läßt sich aus jenem Umstand allein folglich nicht herleiten509. Der Umfang der tatbestandsmäßigen Setreiber-Haftung ist indessen nicht unumstritten. Bildet nicht die Situationsbezogenheil des Schutzgebots von vornherein eine immanente, auf der Tatbestandsebene angesiedelte Schran504 Für die analoge Anwendung des§ 21 BlmSchG Jarass, BlmSchG, § 21, Rdnr. 6; vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § II Rdnr. 19; dagegen Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr. 3. 505 Jarass, BlmSchG, § 21, Rdnr. 19. 506 Die Auslegung muß bei § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG ansetzen. Die analoge Anwendung von § 21 BlmSchG führt nicht zu weiterreichenden Ergebnissen, vgl. auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr. 3. 507 Zu neuen Erkenntnissen über die Gesundheitsschädlichkeit von Stoffen einerseits Jarass, BlmSchG, § 21, Rdnr. II, andererseits Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 21, Rdnr. C 22. 508 Im Ansatz auch Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 214 f., der freilich ganz ausschließlich auf die eingriffsermächtigende und -begrenzende Funktion des Standes der Teclmik abhebt, S. 220. Unzutreffend dagegen Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 81. 509 Vgl. auch C/assen, JZ 1993, S. 1042, 1044 f.

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ke nachträglicher Maßnahmen gegenüber genehmigten Anlagen, die diesen einen relativen Bestandsschutz vermittelt? Die wohl herrschende Meinung bemißt in der Tat, was an Immissionen erheblich beeinträchtigend wirkt und darum unzulässig ist, nach dem in der konkreten Situation Unzumutbaren 510 . Das Verbot erheblicher Immissionen dient danach, wenn es die Beeinträchtigungen auf das der Umgebung jeweils zurnotbare Maß limitiert, dem "Interessenausgleich innerhalb des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses", ist "Ausfluß des Gebotes zur gegenseitigen Rücksichtnahme"511. Folglich wird die Zumutbarkeit von der Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Umgebung, insbesondere auch von (schutzmindernden) faktischen oder plangegebenen Vorbelastungen geprägt512 und dem Bestandsschutz im Immissionsbereich weiterer Raum gewonnen 513 . Die nunmehr ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf welcher diese Auffassung fußt 514, entstammt in ihren wesentlichen Begründungselementen nicht der Tradition des Gefahrenabwehrrechts, sondern ist dem anders konzipierten planungsrechtlichen Ansatz verpflichtet. Staatliche raumbedeutsame Planung515, dient dem - gesetzlich vorgezeichneten - Ausgleich einer Vielzahl 510 Vgl. Feldhllus, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I, § 3 BlmSchG, Anm. 10, ders./Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 566; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 34, 39 ff.; Kutscheidt, Grundzüge des Umwe1trechts, S. 237,247 f.; Martens, DVBI. 1981, S. 597, 598; Sel/ner,lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 27 bei Fn. 97; Stich/Porger, BlmSchG, § 3 Anm. 12. Ablehnend Murswiek, S. 302 ff.: vom Gesetz verbotene, erhebliche Einwirkungen können nach dem Maßstab der Zumutbarkeit zulässig erscheinen; auch Classen, JZ 1993, S. 1042 ff; Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 3, Rdnr. 59, 61 und Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 69 ff., 82 wenden sich auf der Grundlage eines gebietsspezifischen Erheblichkeilsbegriffs gegen eine umfassende Abwägung. 511 Kutscheidt, aaO, S. 248; Sel/ner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 109; Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 285, 311. Taegen , Berliner Kommentar,§ 35, Rdnr. 43. Einschränkend konsequent Koch, aaO, Rdnr. 63, 70 und Petersen, aaO, S. 69 ff., 84 f., 86 f., nach denen - mit Differenzierungen im einzelnen- der genaue Umfang der individuellen Vermeidungspflicht sich aus einer Einzelfall-Abwägung auf dem Hintergrund der planensehen Festsetzung des gebietsadäquaten Belastungsniveaus ergibt. Die abwägende Feinsteuerung im einzelfall ist nach Koch, aaO, vom Rücksichtnahmegebot gefordert. 512 Zusammenfassend Bender/Sparwasser, aaO, Rdnr. 162 ff., 286 ff.; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 40 ff.; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 84; vgl auch Taegen, aaO. Die These von der plangegebenen Vorbelastung zeichnet sich durch eine Tendenz zur Zirkularität aus: Würde ein Bebauungsplan schon immer deswegen dem Abwägungsgebot entsprechen, weil ja die verschiedenen Nutzungen zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind, so könnten die unverträglichsten Nutzungen vereinbart werden und eine eigenständige planecisehe Abwägung erübrigte sich, BVerwGE 88, 143, LS I , S. 145. Für die tatsächliche Vorbelastung hat dies auch das BVerwG, Beseht. v. 18. 12. 1990, NVwZ 1990, S. 881, 882 gesehen. Vgl. Classen, JZ 1993, S. 1042, 1046. 513 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 44; Sellner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 207 ff. Ablehnend Classen, JZ 1993, S. 1042, 1047. 514 BVerwGE 50, 49 (54 f.)- Tunnelofen; BVerwGE 51, 15 (29 f.); BVerwG v. II. 2. 1977, DVBI. 1977, S. 770; vgl. ferner noch BVerwGE 71, !50 (155 ff.), BVerwGE 77, 285; 84, 31 (39 f.); BVerwG v. 14. 4. 1989, DVB!. 1989, S. 1050; BVerwG, Beschl. v. 4. 7. 1990, NVwZ 1990, S. 962 f.- Zur Entwicklung auch Classen, JZ 1993, S. 1042 f., 1046. 515 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16, Rdnr. 2 ff., 4 f.

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von öffentlichen und privaten Interessen, die zueinander und zur Nutzung eines Mediums ins Verhältnis zu setzen sind. Die ihr untrennbar zugehörige planerische Gestaltungsfreiheit macht eine gesetzliche Ausgangsentscheidung über Ziel und Gegenstand der Planung wie über grundsätzlich (gleich-)berechtigte Belange516 unabdingbar, die der planungstypischen Abwägung das Material und den Rahmen vorgibt517 (vgl. § 1 Abs. 6 BauGB, § 17 Abs. 1 Satz 3 FStrG). Sie liegt mehr oder weniger ausdrücklich bereits in der gesetzlichen Entscheidung zugunsten der Beplanung begrenzter Ressourcen. Diese verkörpert auch, soweit- besonders deutlich im Bereich der Bauleitpläne die "Baufreiheit" 518 grundrechtliche Freiheit im Spiel ist, den maßgeblichen Eingriff. Denn in der Folge wird Freiheit zu einem von vielen wägbaren Planungsbelangen. Hierauf haben sich freilich auch diejenigen Entscheidungen berufen, die es nicht unmittelbar mit Materien des Planungsrechts519 zu tun haben, sondern die Genehmigung einer Anlage nach §§ 5, 6 BimSchG betreffen: Bereits die bekannte Tunnelofen-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts520 macht ausdrücklich Anleihen bei der Dogmatik des Bodennutzungsrechts, wenn sie die Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen in die nachbarschaftlieh gegenseitige, abwägungsbestimmte Pflicht zur Rücksichtnahme 521 einbettet, die auch Duldungspflichten des Immissionsbetroffenen zu begründen vermag, die aus der je bestimmten Grundstückssituation resultieren. Ebenso wie sich ein Vorhaben nach § 34 BBauG (a.F.) ggf. in die vorhandene Bebauung einfüge, wenn mit Rücksicht auf die "konkrete Situation ... des Grundstücks im Grenzbereich verschiedener Nutzungen" eine "Art von 'Mittelwert'" gebildet wer516 Vgl. für das Ortsplanungsrecht § I Abs. 5 BauGB und hierzu im Zusammenhang mit der planensehen Ausweisung eines Gewerbegebiets neben einem Wohngebiet BVerwG, NVwZ 1991, S. 881, 882. 517 Vgl. BVerwGE 34, 301; 45, 309; 48, 56. Zum Fachplanungsrecht, jedoch insoweit übertragbar Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rdnr. 187 ff. ; Wahl, NVwZ 1990, S. 426, 427 f. Allgemein hierzu und zum folgenden auch BVerfGE 80, 137 (162 f.) 518 Zu ihr Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 318, 323 ff.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 14, Rdnr. 14; Classen, JZ 1993, S. 1042, 1045 f.; Wahl, Festschrift Redeker, S. 245, 261 f. 519 So aber BVerwGE 51, 15; BVerwGE 71, ISO; BVerwGE 77, 285; BVerwGE 84, 31; BVerwG NVwZ 1991, S.881. 520 BVerwGE 50, 49 (54 f., auch 55 f.); die über die Erheblichkeil von Lärmimmissionen zu befinden hatte. Unter Bezugnahme auf dieses Urteil sowie auf E 51, 15 dann BVerwG DVBI. 1977, S. 770. Hierher gehören letztlich auch die Fälle des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs gegen schlichthoheitliche (Lärm-/Licht-)lmmissionen, vgl. etwa BVerwGE 68, 62; 79, 254; 81, 197; 88, 143; 88, 210, die im übrigen durch eine besondere Problematik gekennzeichnet sind, die parallel zu derjenigen des enteignenden Eingriffs liegt. Das nämliche Problem aus der Perspektive des behördlichen Eingriffs behandelt BVerwGE 90, 163 (165 f.). 521 Vgl. BVerwGE 52, 122; BVerwGE 67, 334; BVerwG NVwZ 1987, 409; BVerwG NJW 1990, S. 1192, I 193: "Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das was beiden Seiten billigerweise zurnutbar oder unzumutbar ist, sind ... gegeneinander abzuwägen".

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de522 , sei auch sonst die örtliche Situation einer genehmigungsbedürftigen Anlage und d.h. die konkrete Schutzwürdigkeit ihrer Umgebung zu beachten. Sie könne zugunsten des Betreibers zu einer "die Tatsachen respektierenden Duldungspflicht derer (führen), die sich in der Nähe von - als solche legalen - Belästigungsquellen ansiedeln" 523 . Insbesondere die "Wechselwirkung" zwischen Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht - die lediglich für die allgemeine Situationsgebundenheit der immissionsschutzrechtlichen Sachverhalte steht ist so zu einem Kernstück des (nachbarschützenden) Sicherheitsrechts geworden524. Sie beschreibt die Herrschaft des Abwägungsgedankens525 über die Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen. Die durch den bestandsgeschützten Eigentumsgebrauch des Emittenten bewirkte "Situationsbelastung" der Nachbargrundstücke erweist sich lediglich als einseitige Steigerung jener Perspektive526_ Dem Bundes-Immissionsschutzgesetz geht es demgegenüber - jedenfalls was die hier allein interessierende Genehmigung von Anlagen nach den§§ 4 ff. BlmSchG betrifft - gerade weil der Gesetzgeber den Anlagenbetrieb einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterworfen hat, nicht um den planerischen Ausgleich prinzipiell gleichberechtigter Nutzungen, sondern um die Abwehr vom Gesetz als "schädlich" qualifizierter Folgen zulässigen Freiheitsgebrauchs. Weil die Luft nicht wirklich als geschütztes Rechtsgut, sondern als Medium erscheint, dessen sich ein potentiell gefährliches Verhalten bedient, indizieren Immissionswerte lediglich Gefahrdungen anderer Rechtsgüter (vor allem der menschlichen Gesundheit, des Eigentums, der Eigentumsnutzung). Und weil dementsprechend die Reinhaltung der Luft insofern als Mittel, (noch) nicht als Zweck fungiert (vgl. auch §§ 40 Abs. 1, 44 Abs. 1 BlmSchG), ist der Bewirtschaftungseffekt zwar notwendige Folge der Quantifizierung eines endlichen Raums normativer Zurechnung, nicht aber deren Ziel. Dem entspricht es, daß die Bestimmung der Schädlichkeitsgrenze zwar im Wege einer auch 522 So das in BVerwGE 50, 49 (54 f.) in Bezug genommene Urteil des BVerwG v. 16. 4. 1971, Buchholz 406.11 § 19 BBauG Nr. 26, S. 16, 23. Vgl. Jarass, BlmSchG, § 3 Rdnr. 44; Petersen, Schutz und Vorsorge,S. 78. 523 BVerwGE 50, 49 (55). 524 Noch über BVerwGE 68, 58 (60) und die dort konstatierte allgemeingültige Bestimmung des Zurnutbaren durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz hinausgehend BVerwGE 74,315 (326); BVerwG v. 14. 4. 1989, DVBI. 1989, S. 1050; BVerwG v. 24. 9. 1993, DÖV 1993, S. 253,255. 525 Vgl. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 143 ff., 279, 281 f. m. Fn. 178, 180. Koch, in: ders./Scheuing, GK-BlmSchG, § 3, Rdnr. 59 ff. unterscheidet le-

diglich den bebauungsrechtlich-planerischen (Abwägungs-) vom konkret-individuellen Rücksichtnahme-Aspekt wie sich auch Petersens Differenzierungen, Schutz und Vorsorge, S. 82 ff., in zwei Abwägungsvorgänge auflösen: die Bestimmung des örtlichen Schädlichkeilsstandards und die Feststellung der konkreten Zumutbarkeit flir den Belreiber der Altanlage. 526 BVerwGE 50, 49 (55 f.) ; vgl. auch Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 882, 883 f.; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 43.

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wertenden Festsetzung des "Erheblichen" zu erfolgen hat (§ 3 Abs. 1 BlmSChG). Wie aber das Gesetz die einseitige Vermutung zugunsten der Betreiberfreiheit aufrechterhält (§ 6 BlmSchG), hat es auch umgekehrt deren typische Folgeerscheinung, damit nur die eine Seite der aufeinandertreffenden "Nutzungen" als schädlich und insb. den Betrieb einer genehmigungspflichtigen Anlage als grundsätzlich schädigungsgeneigt qualifiziert (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG). Erfordert ist daher ein Schädlichkeitsurteil, nicht eine planerische Abwägung zwischen prinzipiell gleichberechtigten Belangen527 . Die Zumutbarkeit von Immissionen für Dritte definiert sich im Ansatz einseitig gemäß der Erheblichkeit, nicht umgekehrt. Anders mag sich die Lage darstellen - gleichgültig wie im einzelnen die Lehre von der materiellen Konzentrationswirkung einzuschätzen ist528 -, wenn ein immissionsschutzrechtlich relevantes Vorhaben in Verfolgung des Gemeinwohls staatlich geplant wird, wenn also - wie etwa bei der Straßenplanung - an sich schädliche Umwelteinwirkungen plötzlich einen im öffentlichen Interesse liegenden Nutzungsbelang verkörpern. Derselbe unbestimmte Rechtsbegriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" wird nun, unter das Regime eines anderen Gesetzes- und damit Verwaltungszwecks gestellt, bei zweckkonformer Auslegung anderes besagen529 : Denn zwischen den vom planungsleitenden Gesetz einander gleichgestellten Belangen kann es Ausgleich und Rücksichtnahme geben. § 41 BlmSchG relativiert folgerichtig den Schutzgrundsatz für Straßenplanungen durch den Standard des technisch Machbaren (Abs. 1) und wirtschaftlich Vertretbaren (Abs. 2). Dann- und nur dann -liegt es in der Tat nahe, daß allgemein die oben beschriebene "Schwelle der fachplanensehen Unzumutbarkeit"530 greift, die eine Berücksichtigung der Situationsgebundenheit (auch) zum Nachteil immissionsbetroffener Nutzungen bedeutet. 527 Zutreffend C/assen, JZ 1993, S. 1042, 1045 r. Sp. oben, 1046 I. Sp. und (insofern) Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 3, Rdnr. 67 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 6. 8. 1982, UPR 1983, S. 27 f. Die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 7/179, S. 29, vgl. insoweit auch Martens, DVBI. 1981, S. 597, 598 spricht im übrigen nur davon, daß die begriffliche Einschränkung der Schädlichkeitsdefinition durch das gesetzliche Erfordernis der Erheblichkeil das Ergebnis einer - wie zu ergänzen ist - vom Gesetzgeber vorgenommenen Abwägung darstellt, nach der bloße Belästigungen oder Nachteile nicht ausreichen, nicht aber davon, daß in jedem Einzelfall eine Abwägung eröffnet sein soll, ebenso Koch, aaO, Rdnr. 58; vgl. auch Classen, aaO, S. 1043 in Fn. 12, auch BVerwGE 85, 368 (379 f.). Entgegen Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 64 f., hat die andere Sichtweise des § 50 BlmSchG ("soweit wie möglich") einen ganz simplen Grund: Die Anlagen nach § 4 BlmSchG werden gerade nicht geplant. Die künftigen Immissionsverhältnisse können also vorab planefisch nur vage eingeschätzt werden. - Zum größeren Spielraum untergesetzlicher Regelung bei Nachteilen und Belästigungen s. sogleich im Text bei und in Fn. 149. 528 Hierzu Ronellenjitsch, VerwArch 80 (1989), S. 92, 95. BVerwGE 71, 163 (165). 529 Vgl. auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, §50 BlmSchG, Rdnr. 5, 47, 49 f. 530 Vgl. BVerwGE 51, 15 (29 ff.); BVerwGE 77,285 (286, 287 ff.).

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Aber dafür bedarf es, da die vom Bundesverwaltungsgericht eingenommene planungsrechtliche Perspektive mit ihrer gleichberechtigten Nebenordnung störungsträchtiger und immissionsempfindlicher Nutzungen nicht diejenige des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist, der besonderen gesetzlichen Anordnung (vgl. § 75 Abs. 1 VwVfG). Fehlt sie und ist ein genehmigungspflichtiger Sachverhalt531 nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zu beurteilen, das allgemein keinen Nutzungsausgleich, sondern Schadensabwehr betreibt, so scheidet auch jene Perspektive aus. Die danach zu konstatierende, zweckgebundene Eigenständigkeit des Immissionsschutzrechts vor allem gegenüber Maßgaben der örtlichen Bauleitplanung (vgl. §§ 6 Nr. 1, 5, 13 BimSchG, Nr. 2.2.1 TA Luft)532 bedeutet zwar keineswegs, daß nicht die Werte für Belästigungen und Nachteile gebietsspezifisch entsprechend einer baulichen Nutzungstypik verschieden ausfallen könnten. Insoweit hängt die Schutzwürdigkeit auch von der Art der betroffenen Nutzung, damit von normativen Festsetzungen ab5 33 . Weiter reicht indessen die immissionsschutzkonkretisierende Wirkung des Bebauungsrechts nicht, wenn es die planerische Ordnung und räumliche Trennung nach der Schutzwürdigkeit der Nutzungen steuert534. Denn der immissionsschutzrechtlich gewährte Schutz ist nach allem durchaus "andersartig" 535 und genießt insoweit sachlichen Vorrang536 : Sicherheitsstandard einerseits, Niveau der regelmäßig hinzunehmenden Schädlichkeit andererseits verkörpern zwei Seiten einer Entscheidung, die bereits die Situationsgebundenheit von Freiheitsbetätigung und betroffenen Schutzgütern berücksichtigt, so auch in der Festsetzung der Schädlichkeitswerte und im Verfahren ihrer Ermittlung. Kor531 Für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungspflichtige Anlagen stellt sich die (bestandsschutz-)rechtliche Situation anders dar, vgl. BVerwGE 80, 259 (261 f.); BVerwGE 91, 92 (97 f.). Classen, JZ 1993, S. 1042, 1044 f., 1047 f.

532 Vgl. BVerwGE 74, 315 (326). Das Gesetz verlangt im gesonderten Tatbestand des§ 6 Nr. I BlmSchG die Sicherstellung in sich stehender inunissionsschutzrechtlicher Pflichten aus §§ 5 und 7 BlmSchG. Dieser Vorrang wird von der Konzentrationsnorm des§ 13 BlmSchG unterstrichen. 533 So auch Classen, JZ 1993, S. 1042, 1043; Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 40 f.; Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 3, Rdnr. 61 f. Da im Hinblick auf Belästigungen und Nachteile die Schutzwürdigkeit auch von der Art der betroffenen Nutzung abhängt, können Gebietsfestsetzungen eines Bebauungsplans (§§ I Abs. 2, 2 ff. BauNVO) oder gebietstypische Nutzungen, somit auch das Rücksichtnahmegebot jeweils innerhalb des Gebiets durchaus beachtlich sein, vgl. Nr. 2.2.1 .3 Abs. 4 TA-Luft. Der Rahmen einer normativen Festsetzung des "Gleichartigen" - z. B. in Dorfgebieten nach § 1 Abs. 2 Nr. 5, § 5 BauNVO - kann dabei weiter gesteckt sein, vgl. VGH Mannheim v. 4. 2. 1992, VBIBW 1992, S. 261 f.; VGH München v. II. 7. 1994, BayVBI. 1995, S. 150, 151, v. 22. II. 1994, BayVBI. 1995, S. 344, 345, v. 3. I. 1995, S. 347. Zu weitgehend OVG Berlin, DÖV 1992, S. 710. 534 BVerwG v. 14. 4. 1989, DVBI. 1989, S. 1050; BVerwG v. 24. 9. 1992, DÖV 1993, S. 253, 255. 535 Anders BVerwGE 68, 58 (59); BVerwG, DÖV 1993, S. 253, 255. Ähnlich wie hier im Ansatz Classen, JZ 1993, S. 1042, 1045 ff. 536 Nur insoweit zutreffend die Erwägung in BVerwGE 68, 58 (60); vgl. auch VGH Mannheim v. 28. II. 1989, VBIBW 1990, S . 253, 255 f.

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rekturen zum Nachteil der Schutzwirkung sind nur in atypischen, von der generell-abstrakten Festsetzung nicht erfaßten Fällen erlaubt, zu denen das Auftreten immissionsempfindlicher Nutzungen gerade nicht zählt. Für Gesundheitsgefahren versteht sich das gewissermaßen von selbst (TA-Luft Nr. 2.2.1.3 Abs. 3 lit a). Ganz allgemein gilt aber der Vorrang immissionsempfindlicher, schutzbedürftiger Nutzungen (vgl. auch §50 BimSchG): Sind bauplanungsrechtlich getroffene Abgrenzungen nicht schematisch - d.h. unabhängig von den durch das konkrete Vorhaben hervorgerufenen Immissionen- anzuwenden (vgl. § 15 Abs. 3 BauNV0)537, so dürfen an sich schutzwürdige Nutzungen auch dort, wo entsprechende Immissionswerte fehlen sollten und eine Sonderfallprüfung (nach Nr. 2.2.1.3 TA-Luft) vorzunehmen ist, rechtlich nicht unter Berufung auf ihre Situationsgebundenheit (planerische/tatsächliche Vorbelastung) und die Pflicht zur Rücksichtnahme in ihrem Schutzanspruch beschnitten werden 538 ungeachtet der für die Bewertung von Geräuschimmissionen gebotenen andersartigen Erwägungen539 . Allenfalls könnten daher bauplanungsrechtliche Maßgaben, etwa durch dem vorsorgenden Immissionsschutz dienende Festsetzungen nach der Baunutzungsverordnung, objektiv-rechtliche Anforderungen an Errichtung und Betrieb emittierender Anlagen statuieren, die über das nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz im Einzelfall Gebotene hinausreichen540. Insoweit beantwortet sich auch die Frage nach dem Nachbarschutz anband baurechtlicher Kriterien, ist also von konkret nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans oder der Reichweite des Rücksichtnahmegebots abhän537 So BVerwG DÖV 1993, S. 253,254. 538 Das BlmSchG errichtet damit ein Argumentationsverbot zugunsten immissionsempfindlicher Nutzungen, die allein wegen der Pflicht zur Rücksichtnahme, die keine ausreichende Begründung etwa für die Zurückweisung eines Nachbarwiderspruchs (§ 73 Abs. 3 VwGO) oder einer entspr. Klage(§ 117 Abs. 2 VwGO) darstellt, keine Schmälerung ihrer Rechtsposition hinzunehmen brauchen. Nur in manchen Ergebnissen, nicht aber im argumentativen Ausgangspunkt trifft daher Kochs These vom gebietsspezifischen Erheblichkeilsbegriff und der durch ihn gebotenen Abwägung der konfligierenden Nutzungen (nur) innerhalb des bebauungsrechtlich zu ziehenden Belastungsrahmens zu, Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 3, Rdnr. 61, 67, 70. Für eine weitergehende Mittelwertbildung auch Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 44. 539 Diese verdienen eine Sonderbehandlung. weil neu hinzutretende Geräusche sich nicht einfach zu vorhandenen Schallpegeln addieren, sondern bis zu einem gewissen Grade in diese einfügen. Die TA Lärm v. 16. 7. 1968 setzt mit ihren Richtwerten für genehmigungsbedürftige Anlagen gebietsbezogen an (Nr. 2.32 TA Lärm), wobei diese Gebiete nicht zwingend identisch mit den normativen Festsetzungen eines Bebauungsplans sein müssen, Nr. 2.322, Abs. 2 TA Lärm; kritisch Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 41. Mit Blick auf solche Eigenarten kommt eine Mittelwertbildung in Betracht, vgl. auch BVerwG NVwZ 1990, S. 962 f. Gleichwohl dürfen nach richtiger Ansicht Fremdbelastungen entgegen Nr. 2.211 b TA Lärm nicht ausgeklammert werden und sind für die Zunahme der Belastung im Einzelfall auch Frequenz, Impuls, lnformationsgehalt, Zeit zu berücksichtigen, Jarass, BlmSchG, § 3 Rdnr. 36a, § 5, Rdnr. 27; vgl. auch Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 216 f. , 217 f. 540 BVerwG DVBI. 1989, S. 1050; BVerwG, Beseht. v. 18. 12. 1990, DVBI. 199 1, S. 442; BVerwG DÖV 1993, S. 253, 255; vgl. auch differenzierend zur Zulässigkeil der Festsetzung von Immissionswerten im Bebauungsplan BVerwG, Beseht. v. 10. 8. 1993, DVBI. 1993, S . 1098.

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gig541 , die dann umgekehrt durch das immissionsschutzrechtlich festgelegte Maß begrenzt werden mag542. Insgesamt gewährt also der Tatbestand des § 17 Abs. 1 BimSchG dem Anlagenbetreiber Schutz, nicht aber Bestandsschutz. Denn seine Pflichtigkeit aktualisiert sich nur, aber auch immer dann, wenn schädliche Umwelteinwirkungen von seiner Anlage ausgehen können. Wenn danach allerdings die ganz unabhängig von einem früheren Zustand der Umgebung, einem ursprünglich legalen Anlagenbestand zu konkretisierende Schutzpflicht Eingriffe in die Betreiberposition543 dem Grunde nach zuläßt, kommt im Einzelfall § 17 Abs. 2 BimSchG mit Blick auf die bestandsschützende Wirkung der Genehmigung zum Zug und ist zu entscheiden, ob die an sich gesetz- (insofern verhältnis-) mäßigen Anforderungen gerade dem Adressaten der nachträglichen Anordnung auferlegt werden dürfen oder aber im konkreten Fall (soweit geeignet und erforderlich) unzumutbar erscheinen. bb) Anlagenbezogene Vorsorge Im Bereich der anlagenbezogenen Vorsorge ist die tatbestandliehe Gewährleistungsfunktion der Eingriffsermächtigungen stärker ausgeprägt. Denn der hierzu nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 u. 2, 48 Nr. 2 BimSchG befugte untergesetzliche Normgeber hat die Vorsorgepflichten abschließend konkretisiert. Eine nur beschränkt mögliche Verhältnismäßigkeitsprüfung544 kann zwar die rechtsförmigen Konkretisierungen des Normgebers und damit die tatbestandliehen Eingriffsvoraussetzungen zu Fall bringen. Das bedeutet aber, daß die Behörde sozusagen immer recht hat, wenn sie den gültigen normativen Vorsorgestandard durchsetzt545 - ganz gleich ob gegenüber Alt- oder Neuanlagen und unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Genehmigung. Umgekehrt kommt dafür gerade im Vorsorgebereich die Bindung der Behörde, die in § 17 Abs. 3 BimSchG nur unvollkommen ausgedrückt ist, in Gestalt jener untergesetzlichen Vorsorgenormen bereits auf der Tatbestandsseite der Ermächtigung zur Geltung: Anlagenbezogene Vorsorge ist rechtsformgebundene Vorsorge. Diese Bindung entspringt nicht etwa jeweils im Einzelfall der Verhält541 Nach BVerwG DÖV 1993, S. 253, 255 entfalten zum Zweck des vorsorgenden Immissionsschutzes getroffene Gebietsfestsetzungen vorbehaltlich ausdrücklich nachbarschützender Regelungen keine drittschützende Wirkung außerhalb des Gebiets. 542 BVerwGE 68,58 (59); BVerwG DÖV 1993, S. 253, 254 f. 543 Vgl. BVerwGE 55, 118 (122).

544 Vgl. BVerwGE 69, 37. 545 Feldhaus, WiVerw 1986, S. 67, 84; Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 182; Jarass, BlmSchG, § 5 Rdnr. 54,§ 17, Rdnr. 31; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 447. BVerwG, Beschl. v. 10. I. 1995, DVBI. 1995, S. 516,517.

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nismäßigkeitsklausel des § 17 Abs. 2 BlmSchG546, sondern resultiert aus §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 48 Nr. 2, 17 Abs. 1 BlmSchG, d.h.: den Grundpflichten in ihren einzelnen Tatbestandselementen und verhindert, daß dem Betreiber außerhalb eines Vorsorgekonzepts Verpflichtungen anlagenbezogener Vorsorge auferlegt werden, die von§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG- mangels ausreichender Bestimmtheit - nicht mehr gedeckt wären547 . Fehlt eine untergesetzliche Konkretisierung de~> Vorsorgestandards, findet keine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 17 Abs. 2 BlmSchG statt. Denn die Eingriffsermächtigung ist mangels Tatbestandsmäßigkeit - § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG wäre für sich zu unbestimmt- bereits von vornherein nicht anwendbar. Ausgenommen von dieser besonderen Gewährleistungsfunktion untergesetzlicher Normierung bleibt ihrem Zweck entsprechend die kleinräumige Vorsorge, weil sie nicht einen anlagenbezogenen Vorsorgestandard realisiert, sondern sich im Vorfeld - ausnahmsweise - gegen von der Anlage ausgehende gefahrträchtige Einwirkungen wendet. Ihr Normbereich ist in der dargelegten Weise unmittelbar durch Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG zu gewinnen. Für beide Teilgehalte des Vorsorgegrundsatzes gilt aber uneingeschränkt die Differenzierung nach Tatbestand und (Begrenzung der) Rechtsfolgen. § 17 Abs. 2 BlmSchG mildert auch hier nur tatbestandsmäßige Verpflichtungen ab548 . b) Die Verhältnismäßigkeit als Rechtsfolgenbegrenzung

Gerade wegen der weitreichenden Konkretisierungsbefugnis des untergesetzlichen Vorschriftengebers liegt trotz allem der Schwerpunkt der Abwehrmöglichkeiten des Anlagenbetreibers auf der Rechtsfolgenbegrenzung im Einzelfall. Zu Schutzanordnungen ist die Behörde grundsätzlich verpflichtet (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG: "soll"), Vorsorgeanordnungen stehen in ihrem pflichtmäßigen Ermessen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG). Solange die Genehmigung den Maßstab bildet und von Verfassung wegen bilden muß, bleiben ergänzende Anforderungen auf ihren engeren (zeitlich begrenzten) Regelungsho546 Vgl. auch Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 31, 163 ff. Anders Feldhaus, aaO; Sellner, aaO, Rdnr. 59, 448. 547 Oben 2. und 3. Kapitel. 548 Die gebotene Differenzierung zwischen der Rechtfertigung der Vorsorgestandards als solcher und der ihrer nachträglichen Anwendung auf betriebene Anlagen, wird auch in BVerwG, Beschi. v. 10. l. 1995, DVBI. 1995, S. 516, 517 vernachlässigt. Im übrigen gilt entgegen Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 447; Salzwedel, 5. wiss. Fachtagung der GUR 1981, S. 33, 46, gilt für die kleinräumige Vorsorge nichts anderes. Es kommt also darauf an, den Vorsorgeanlaß ausreichend durch Interpretation der Vorsorgepflicht zu konkretisieren, (nur) insoweit zutreffend Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 881 in Fn. 61. Dieser versteht im übrigen, S. 881, Vorsorge im Einzelfall außerhalb eines Sanierungskonzepts an sich richtig als kleinräumige Vorsorge, hält aber unzutreffend hinsichtlich ihrer Voraussetzungen eine umfassende Verhältnismäßigkeilsprüfung für geboten und beruft sich dafür zu Unrecht auch auf§ 17 Abs. 2 BlmSchG.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

rizont beschränkt, den das Gesetz in § 17 Abs. 2 BimSchG im Verbot unverhältnismäßiger Anordnungen aufgreift. Was nun genau gemeint ist, wenn die Behörde bei der Anordnung nach § 17 BimSchG u. a. die Nutzungsdauer der betroffenen Anlage und damit auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigen muß, läßt sich anband der voraufgegangenen Überlegungen zum Bestands- als Vertrauensschutz klären. In seinem Kontext steht die Verhältnismäßigkeitsklausel des § 17 Abs. 2 BimSchG. Nach einer Äußerung der Bundesregierung zum Gesetz gewordenen § 17 Abs. 2 Satz 1 1. HS sind darum auch nach Wegfall des Kriteriums der wirtschaftlichen Vertretbarkeit "auf der Seite des Aufwands in die gebotene Abwägung .... der Grad der Abschreibung der Anlage und die verbleibende Restnutzung, auf die die anfallenden Kosten kalkulatorisch umgelegt werden müssen ... einzubeziehen"549 . Dies wurde so verstanden, daß zum einen, da die Möglichkeit einer angemessenen Gewinnerzielung nicht (mehr) geschützt sei, gewinnschmälernde, gegebenenfalls zur Betriebsaufgabe zwingende Folgewirkungen eine nachträgliche Anordnung nicht per se unverhältnismäßig machen 550. Zum anderen begrenze die Abschreibung der Anlage die Ausnutzung der Vermögensposition. DerBetreiber einer steuerlich abgeschriebenen Anlage, die in der Regel auch technisch oder wirtschaftlich keine große Restnutzungsdauer zu gewärtigen habe, müsse "im Interesse des Immissionsschutzes eine Begrenzung der Restnutzungsdauer" hinnehmen551. Diese Position ist anband der oben entwickelten Grundsätze eines verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes zu präzisieren. Bei der Frage, ob der Nachteil, der für den Anlagenbetreiber mit der nachträglichen Anordnung verbunden ist, zum angestrebten Ziel der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht, ist danach zu berücksichtigen, daß das Gesetz die potentiell störenden Anlagen in § 4 BimSchG nicht vollständig verbietet. Es will vielmehr die schädlichen Folgen eines Verhaltens abwehren, das es in einem Genehrnigungsanspruch zugleich ausdrücklich als erlaubt anerkennt. Diese Rechtsposition außer Betracht zu lassen, hieße über das vom Gesetzeszweck Verlangte hinauszugehen. Der Eingriff der nachträglichen Anordnung muß daher, vom positiven gesetzlichen Pflichtenstatus (auf den § 17 Abs. 1 Satz 1 BimSchG Bezug nimmt) ganz abgesehen, auch auf die abgeleitete Rechtsposition projiziert, auf den mit der Genehmigung beschriebenen Umfang zulässiger Freiheitsausübung bezogen werden, um die Substanzgrenze zu ermitteln, jen549 Gegenäußerung der Bundesregierung zum Vorschlag des Bundesrats, BT-Drs. 10/1862 (neu), S. II. Der später hinzugefügte 2. Halbsatz der Vorschrift stellt eine "1nterpretationshilfe" dar, BT-1nnenausschuß, BT-Drs. 10/3556, S. 13; vgl. auch Feldhaus, WiVerw 1986, S. 67, 83. 550 Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd I,§ 17 BlmSchG, Anm. 5. Anders für Vorsorgeanordnungen, die i. E. zur Stillegung führen Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 29. 551 Vallendar, aaü, Anm. 14, auch Anm. 5.

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seits derer der konkrete Genehmigungstatbestand seinen freiheitsermöglichenden Sinn einbüßt. Die nachträgliche Anordnung soll als das erscheinen, was sie von Gesetzes wegen zu bedeuten hat: ein zweck- und maßvolles Verbot ausdrücklich zugelassener Freiheitsbetätigung, hinter dem die positive Neubestimmung des gern. § 5 Abs. 1 BimSchG Erlaubten steht. Es muß also552 nicht nur - selbstverständlich - die Anordnung als geeignetes und erforderliches Mittel zur Durchsetzung der allgemeinen Pflichtenstellung im Einzelfall der Art und dem Ausmaß der abzuwehrenden schädlichen Umwelteinwirkungen entsprechen, daher auch einen gehörigen Zeitraum zur Umsetzung einräumen553 . Nach dem "genehmigungsinternen" Maßstab spielt vielmehr der Zeitfaktor eine erhebliche Rolle im Rahmen der Zumutbarkeitserwägungen - ohne daß bereits abgelaufene und noch verbleibende Nutzungsdauer in einen Gegensatz treten müßten 554 . Man wird den Grad der Abschreibung im steuerlichen Sinne als normativen Indikator der zumindest anzurechnenden, voraussichtlichen Restnutzungsdauer verstehen können, auf welche sich- zunächst - das Regime der Alt-Genehmigung (erlaubter Anlagenbetrieb) unabhängig von technischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten erstreckt555. Auf diesen normativ bestimmten Zeitraum muß der Betreiber die nachträglichen Kosten kalkulatorisch verrechnen können; zeitlich darüber hinausreichende Nutzungen sind möglich, jedoch nicht mehr vom rechtlich geschützten Vertrauen in die Genehmigung gedeckt. Erfordert also die nachträgliche Anordnung lediglich Investitionen, die sich bei normativ-typisierender Betrachtungsweise während der Restnutzungsdauer (bis zur endgültigen steuerlichen Abschreibung der Anlage) amortisieren, ist der Eingriff auch im engeren Sinne verhältnismäßig556. Mittelbar ergibt sich aus dieser Erwägung die vom Gesetz gezogene "Substanz"-Grenze. Sie verläuft rechtlich, wie § 17 Abs. 4 BimSchG (mit Nr. 2.2.3.1 Abs. 3 TA Luft) in Bestätigung unserer Erwägungen klarstellt, jenseits 552 Zum Ganzen Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 24 ff. 553 Vgl. Jarass, aaO, § 7, Rdnr. II ; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I. § 7 BimSchG, Rdnr. 39 e; Schröder, UPR 1986, S. 127, 132. 554 Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I, § 17 BlmSchG, Anm. 14 schließt aus der oben

zitierten Äußerung der Bundesregierung zu Recht, daß "der Begriff der Nutzungsdauer sowohl die Restnutzungsdauer wie auch den Grad der Abschreibung umfassen" solle. Ähnlich Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 27; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 127. Koch, in: ders./Scheuing, GKBimSchG, § 17, Rdnr. 144, findet diesen Gesichtspunkt grs. bereits in abstrakt-generellen Übergangsvorschriften hinreichend berücksichtigt und verfehlt so den zeitlich begrenzenden Aspekt des Verhältnismäßigkeitserfordemisses, aaO, Rdnr. 166, 171. 555 v. Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente des Umweltschutzes, S. 22, Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 267 m. Fn. 114; Salzwedel, 5. wiss. Fachtagung der GUR, S. 33, 58,

82, 85. 556 Vgl. auch BR-Drs. 349/85, S. 94. 10 Enders

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der Schwelle zur wesentlichen Änderung i. S. von § 15 BimSchG. Nicht letztere beschreibt das von der Genehmigung errichtete absolute (genehmigungsinterne) Verbot, das die Unverhältnismäßigkeit einer nachträglichen Anordnung begründet557 . Verlängert sich mit einer ins Gewicht fallenden (wesentlichen) Änderung nach steuerlichen Grundsätzen auch die Restnutzungsdauer, garantiert dies freilich nicht, daß sich die nachträglichen Kosten regelmäßig während des weiteren Anlagenbetriebs im hier gebrauchten Wortsinne "amortisieren". Denn das rechtlich geschützte Interesse des Setreibers an der Nutzung der genehmigten Gesamtanlage nimmt nicht automatisch mit dem erzwungenen Aufwand nachträglicher Kosten zu. Amortisationsgedanke und Grundsätze der steuerlichen Abschreibung, welche die Dauer der Anlagennutzung normativ bestimmen, fallen vielmehr in dieser Konstellation potentiell auseinander. Weil der hier als maßstäblich angenommene Begriff der Amortisation558 die in der Genehmigung rechtlich anerkannte Dauer der Anlagennutzung an der wirtschaftlichen (steuerlichen) Bedeutung der erstmaligen, freien Investitionsentscheidung für den Betreiber ausrichten soll, ist jede dem Betreiber aufgedrängte Verlängerung dieses Zeitraums ins Verhältnis zu setzen zur ursprünglich veranschlagten Nutzungsdauer. Dabei soll im folgenden angenommen werden, daß die nach den dargelegten normativen Kriterien bestimmte Restnutzungsdauer eine angemessene Amortisation nicht mehr ermöglicht, wenn sie sich durch Zwangsinvestitionen um mehr als das Doppelte verlängern würde. Erst wenn aus diesem Grund nachträgliche Kosten sich nicht mehr amortisieren sollten, ist die Substanzgrenze überschritten559 . Im übrigen haben nachträgliche Anordnungen als verhältnismäßig zu gelten. Weder schließt aber im übrigen ein geringer Abschreibungsgrad geeignete und erforderliche nachträgliche Anordnungen aus 560, noch kommt Wertersatz in Betracht, wenn eine nach den genannten Kriterien verhältnismäßige Anord557 Vgl. auch Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 42. 558 Vgl. insb. Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 266 f. und oben 4. Kapitel1.3. 559 Insoweit geht es nicht an, auf den Durchschnittsbetrieb abzustellen, so aber etwa Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 110, 114, Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 129 f. Allerdings sind nach § 17 Abs. 2 BlmSchG die Produktionsbedingungen nur im Sinne technischer Besonderheiten des bestimmten Anlagentyps zu berücksichtigen, die eine Nachbesserung objektiv unmöglich und damit unverhältnismäßig machen können, vgl. Koch, aaO; Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I, § 17 BlmSchG, Anm. 14, während technisch bedingte Veränderungen der Nutzungsdauer von diesem Tatbestandsmerkmal erfaßt werden. Zur Bedeutung der Ertragslage Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I, § 17 BlmSchG, Anm. 5, 14; differenzierend Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 29. 560 In diese Richtung aber Send/er, UPR 1990, S. 41, 42, ders., WiVerw 1993, S. 235, 280 und insb. Schröder, UPR 1986, S. 127, 131. Dem entspricht umgekehrt die Auffassung, eine nur kurzzeitige Nutzung verleihe dem vom Setreiber geforderten Aufwand besonderes Gewicht, vgl. Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, vor § 4 BlmSchG, Rdnr. 37; Maurer, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60, Rdnr. 84. und unten Fn. 565.

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nung aus sonstigen zufällig-betriebswirtschaftliehen Gründen nicht erfüllt werden kann und damit eine de facto die Restnutzungsdauer begrenzende Wirkung561 entfaltet562 : Der Anlagenbetreiber nutzt, obzwar im Rahmen der Genehmigung, lediglich die materielle Rechtslage aus. Weder auf eine unveränderliche Sachlage noch auf den Fortbestand der Rechtslage darf er indessen angesichts zukunftsoffener (dynamischer) und aufgrund einer (zeit-)bedingten Genehmigungswirkung nachträglich durchsetzbarer Setreiberpflichten unbegrenzt vertrauen563. Es gibt keinen Grund, den genehmigten Eigentumsgebrauch bezüglich solcher sachlicher oder rechtlicher Erweiterungen der konkreten rechtlichen Verpflichtungen, die die grundsätzliche Erlaubnis nicht aufheben, qualitativ anders zu stellen als die schlichte Eigentümernutzung564. Lassen sich dagegen - die Verhältnismäßigkeit der nachträglichen Anordnung im übrigen vorausgesetzt - die aufzuwendenden Investitionen nicht mehr auf den bei normativer Betrachtung zur Restnutzung verbleibenden Zeitraum kalkulatorisch umlegen, so ist deswegen die nachträgliche Anordnung nicht etwa "erst recht" zulässig565 . Eine solche Anordnung überschreitet die von der ursprünglichen Rechtsposition umschriebene "Substanzgrenze", die mit Hilfe des Amortisationsgedankens nachgezeichnet wird. Gebietet es das materielle 561 Rechtlich begrenzend wirken nur Untersagung (§ 20 Abs. 1) oder Stillegung (§ 20 Abs. 2), letztere auch in Verbindung mit§ 21 BimSchG. 562 Daß dieser Maßstab allerdings sehr viel schärfer ist als derjenige der wirtschaftlichen Vertretbarkeit (§ 17 Abs. 2 a.F.), kann bezweifelt werden, vgl. zur früheren Rechtslage Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 281. 563 Send/er, WiVerw 1993, S. 235,279 f. 564 Vgl. bereits oben 4. Kapitel, I. Ferner Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 410; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 267, 328; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 191 ff., 193; Städter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 28. Zum BimSchG: Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 102, § 17, Rdnr. 13 f.; Send/er, WiVerw 1993, S. 235, 278. Entsprechendes hat für die nach§§ 67 Abs. 2, 67a Abs. 1 BlmSchG anzeigepflichtigen Anlagen zu gelten. Anders Friauf, nach dessen - neuerdings präzisierter - Auffassung nicht die Genehmigung, wohl aber die der Genehmigung entsprechenden Emissionen bei emittierenden Anlagen ein Vermögenswertes Recht i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz I GG darstellen, WiVerw 1986, S. 87, 98 ff., 103, WiVerw 1989, S. 121, 132 ff., 136. Nunmehr soll zwar (anders noch WiVerw 1986, S. 107) eine entsprechende gesetzliche (Neu-)Regelung der Betreiberstellung immer als - ggf. unzulässige - Inhaltsund Schrankenbestimmung gelten, da "selbst ein völliger Entzug von bisher mit dem Eigentum verbundenen Befugnissen ... veifassungsmäßige Inhaltsbestimmung sein" könne, WiVerw 1989, S. 142. Das trifft aber insofern nicht, als es sich bei den genehmigten Emissionen nach Friaufs Definition nicht um mit dem (Grund-) Eigentum verbundene (Nutzungs-)Befugnisse (anders Ehlers, VVDStRL 51 [1992], S. 211,220 f., Schenke, NuR 1989, S. 8, 15), sondern um unmittelbar Art. 14 Abs. 1 Satz I GG unterfallende, selbständige vermögenswerte Emissionsrechte handelt, deren Entziehung - aufgrund der verschärften Neuregelung - dann eine Enteignung darstellt, wenn man mit Maurer, Festschrift Dürig, S. 293, 295 f., 305 und im Anschluß an ihn Burgi, NVwZ 1994, S. 527. 528 in Fn. 18 für diese keine funktional gebundene Übertragung der Rechtsposition, also keinen Wechsel in der Rechtszuständigkeit verlangt. Anders Lege, NJW 1993, S. 2565,2567. 565 So aber wohl Jarass, BimSchG, § 17, Rdnr. 27, 29; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 128; Schräder, UPR 1986, S. 127, 131; Vallendar, in: Feldbaus, BimSchR, Bd. 1, § 17 BimSchG, Anm. 14. 10*

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Recht über diese Grenze hinauszugehen, gelten die Autbebungsregeln (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 - 5 BimSchG; § 48 [L]VwVfG). Wenn nämlich die Voraussetzungen einer nachträglichen Anordnung (nach dem internen Maßstab der Genehmigung) nicht mehr gegeben sind, ist es, wie dargelegt, richtig, soweit jeweils die Voraussetzungen vorliegen, die Rechtsposition insgesamt aufzuheben und den Betreiber für den Verlust zu entschädigen(§ 21 Abs. 4 BimSchG; § 48 Abs. 3 [L]VwVfG). Im Regelfall der gesetzmäßigen Genehmigung wird hierbei die Widerrufspflicht nach §§ 17 Abs. 2 Satz 2 ("soll"), 21 BimSchG ausgelöst. Eine atypische Fallgestaltung566 ist insb. dann gegeben und von der Behörde zwingend zu beachten, wenn der Anlagenbetreiber - rechtskonstruktiv im Angebot des (milderen) Austauschmittels der nachträglichen Anordnung -geltend macht, daß er trotz Amortisation der Anlage die Nachbesserungsanforderungen ohne weiteres erfüllen kann und will. Denn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darf sich nicht gegen sein Schutzgut, den Freiheitsanspruch des Bürgers wenden. Bei alledem ist offenkundig, daß derartige Verhältnismäßigkeitserwägungen der anordnenden Behörde oder dem sie kontrollierenden Gericht überhaupt nur möglich sind, wenn ausreichende Informationen über die technischen und wirtschaftlichen Eckdaten des Anlagenbetriebs zur Verfügung stehen. Weithin wird darum mit Blick auf§ 17 Abs. 2 BimSchG eine Umkehr der (materiellen) Beweislast zum Nachteil des Betreibers behauptet567 , eine sicherlich naheliegende Konsequenz, wenn man § 17 Abs. 2 BimSchG die Funktion ausnahmsweiser und fallbezogener Korrektur unmittelbar des (ermächtigenden) immissionsschutzrechtlichen Eingriffstatbestands zuschreibt568 . Wie aber bereits diese Voraussetzung nicht zutrifft, weil§ 17 Abs. 2 BimSchG nicht den Verbotstatbestand reformuliert, sondern voraussetzt, so geht auch die Folgerung fehl: Indem § 17 Abs. 2 BimSchG den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke der Eingriffsbefugnis auf der Rechtsfolgenseite benennt, markiert er keine Ausnahme von der gesetzlichen, sondern allenfalls einer untergesetzlichen Regel. Diese spezifisch auf den Genehmigungstatbestand rekurrierende Schranke ist daher zwar nur, gleichwohl aber regelmäßig (kumulativ) bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in Anschlag zu bringen. Nicht mehr und nicht weniger besagt auch die Negativ-Formulierung in § 17 Abs. 2 Satz 1 BimSchG ("nicht ... wenn"). Sie stellt, nicht anders als die verwandten Formu566 Vgl. BVerwGE 84, 220 (233); BVerwGE 91, 92 (94). 567 Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 174 (zur Rechtslage vor der Zweiten Novelle); Feldhaus, WiVerw 1986, S. 67, 84; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 133 f.; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 449 a.E.; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. 1, § 17 BlmSchG, Anm. l6. 568 Vgl. Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 880; Feldhaus, aaO; Friauf, WiVerw 1989, S. 121, 182; Sellner, aaO, Rdnr. 447, 448; Sach, aaO; im inneren Widerspruch zu seinen eigenen Voraussetzungen auch Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 163 ff. (einerseits), 328 f. (andererseits).

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lierungen im allgemeinen Polizeirecht569, lediglich klar570, daß das Verhältnismäßigkeitsgebot nach Absatz 2 gar nicht ein den Schädlichkeitstatbestand (§§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 1, 48 BimSchG), sondern die Rechtsfolgen der persönlichen Pflichtigkeit ausschließendes (Tatbestands-) Merkmal verkörpert. Für genehmigte Anlagen ist es, wann immer jener Schädlichkeitstatbestand erfüllt sein sollte, mit Rücksicht auf die individuelle Genehmigung zu erörtern. Übergangsfristen, die stets nur verallgemeinernd Stellung beziehen, können eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht entbehrlich machen 571 . Den Anlagenbetreiber trifft infolgedessen wohl eine erhöhte Darlegungs- nicht aber die materielle Beweislast572.

c) Anordnungen gegenüber rechtswidrig genehmigten Anlagen Sollen nachträgliche Anordnungen gegen rechtswidrig genehmigte Anlagen erlassen werden, darf sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade nicht rückhaltlos an der Aussage der Genehmigung orientieren, die Erlaubnis werde grundsätzlich für die - freilich normativ sich bestimmende - Dauer der Anlagennutzung aufrechterhalten. Stattdessen kann sich der Anlagenbetreiber nur auf das trotz Rechtswidrigkeit der Genehmigung gesetzlich anzuerkennende und in § 48 (L)VwVfG anerkannte, berechtigt betätigte Vertrauen auf die allgemeine Gesetzmäßigkeit rechtsförmiger und individuell adressierter Eingriffsmaßnahmen berufen. In dieser insoweit gesetzesunmittelbaren Rechtsposition kommt der außerhalb der besonderen Ausübungsregelung einheitliche Maßstab verfassungsmäßiger Wahrung des gesetzlichen Zustands (Verbots) zum Ausdruck. Nach diesem Maßstab endet folglich die verhältnismäßige nachträgliche Anordnung dort, wo die ausgleichspflichtige Rücknahme beginnt (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 1 [L]VwVfG). Diese Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit ist nach dem Gesetz im Einzelfall zwar unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse (an der Rücknahme) zu treffen. Ihre Eckdaten sind aber durch den Ausschluß jeglichen Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 (L)VwVfG einerseits, die besondere vertrauensbildende Wirkung rechtmäßiger Genehmigungen andererseits, über welche das Vertrauen des Betreibers niemals hinausgehen kann, vorgegeben. In der Regel, wenn also der Betreiber nicht gerade auf die 569 Etwa§ 5 Abs. 2 PolG B.-W.; § 2 Abs. 2 MEPolG. 570 Anders Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 174; Feldlulus, WiVerw 1986, S. 67, 84; Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BimSchG, Anm. 16. 571 Vg1. Sel/ner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 448. Anders BVerwG, Beschl. v. 10. I. 1995, DVBI. 1995, S. 516, 517; Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 113, 126 ff., 144. 572 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 22.

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Erteilung einer rechtswidrigen Genehmigung hingewirkt oder eine solche vorwertbar ausgenutzt hat, ist ihm damit nach § 17 BlmSchG und ohne staatliche Ersatzleistung eben der Aufwand zuzumuten, der auch dem Betreiber einer ordnungsmäßig genehmigten Anlage im Gemeininteresse obliegt. Denn damit ist genau der Umfang des möglichen und mit Errichtung und Inbetriebnahme der Anlage auch betätigten Vertrauens umschrieben. Das heißt nicht, daß der Inhaber einer rechtswidrigen Genehmigung bevorzugt würde. Denn an den von der nachträglichen Anordnung abgedeckten Bereich wird sich wegen des einheitlichen Maßstabs derjenige der (ausgleichspflichtigen) Rücknahme nahtlos anschließen, ohne daß ein echter Bestandsschutztatbestand eingreift. Da § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG auf die Situation der rechtsfehlerhaften Genehmigung analog anzuwenden ist, reduziert sich das behördliche Ermessen nach § 48 (L)VwVfG auf die Rücknahmepflicht Entscheidend ist aber, daß die Rücknahme.- anders als der Widerspruch nach § 21 BlmSchG - nicht an zusätzliche Bedingungen eines besonderen Entstehungsgrunds des materiellen Rechtsverstoßes geknüpft ist. Auf Änderungen der Sach- oder Rechtslage kann es nicht ankommen, wenn nur das subjektive Vertrauen in die jeweilige Gesetzmäßigkeit des Verwaltungsrechtsverhältnisses geschützt ist und der Betreiber keine wirklich (objektiv) anerkannte Gewähr in Händen hält. Vor allem schützt den Betreiber im Falle der Rechtsänderung nicht vor der - allerdings in der Regel ausgleichspflichtigen - Rücknahme, daß er seine vermeintliche Rechtsposition bereits ausnutzt (vgl. dagegen § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG). Die Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen und die "Bestandskraft" der rechtswidrigen Genehmigung folgen so einheitlich dem materiellen Recht: Der eigentliche Betätigungsanspruch des Altanlagenbetreibers wird auf die materiellen Grundpflichten eingeschränkt. Der Vertrauensschutz erschöpft sich vollkommen im Wertersatz. 2. Differenzierungen im Bestandsschutz gegenüber Schutz- und Vorsorgeanforderungen beim Widerruf

a) Die Änderung der Sachlage und die Situationsgebundenheit des Anlagenbetriebs

Wie es auch das Gesetz vorsieht, ist zwischen Änderungen der Sach- und solchen der Rechtslage zu differenzieren. Unter dem Aspekt einer Änderung der Sachlage sind zwei mögliche Richtungen des Bestandsschutzes zu unterscheiden: Wie bereits dargelegt, steht die emittierende Anlage immmer in einer konkreten Situation. Veränderungen dieser Situation bedeuten veränderte Schutzanforderungen, die den Bestand des genehmigten Betriebes in Frage stellen. Aber auch neue Erkenntnisse über die Schädlichkeit bestimmter Immis-

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sionen mögen den Sicherheitsstandard anheben, der dann den Betreiber kraft der dynamischen gesetzlichen Regelung unmittelbar verpflichtet und von der Behörde durchgesetzt werden kann. Die erste Konstellation wirft die Frage nach der genauen rechtlichen Bedeutung einer situationsbezogenen Betreiberpflicht für den Umfang des Vertrauensschutzes auf. Die zweite läßt darüber hinaus vor allem fragen, inwieweit die nachträgliche bessere Erkenntnis wirklich jener Änderung der Sachlage ohne Einschränkung gleichgestellt werden kann. aa) Heranrücken schutzbedürftiger Nutzungen und Abwehrobliegenheit des Betreibers

Situative (Vor-)Prägungen im Einwirkungsbereich der Anlage stehen intern verhältnismäßigen Eingriffen in die Betreiberfreiheit zugunsten schutzbedürftiger, immissionsempfindlicher Nutzungen gesetzlich nicht im Wege. Wenn aber der Widerruf im Wege des actus contrarius den an den Betreiber adressierten und diesen begünstigenden Regelungsgehalt im ganzen beseitigt573 , weil sich die nachträgliche Anordnung als unverhältnismäßig erwiesen hat, so wird zwar eine allgemeine, abstrakt-generelle Begrenzung der Betätigungsfreiheit und Eigentumsnutzungsschranke realisiert und nicht etwa das Betreiberrecht enteignet574. Nur bleibt mit Blick auf die gesetzlich verbürgte Anerkennung zu erörtern, ob der völlige Entzug der ursprünglich rechtmäßigen Genehmigung, auf deren Bestand der Betreiber vertraut hat, auch im konkreten Einzelfall ihm zugemutet werden kann. An dieser Stelle wird bemerkbar, daß auch die durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG eröffnete Möglichkeit erweiterter Zurechnung ihre Grenzen hat: Eine ausschließlich auf die Nichtstörungsschranken der Freiheitsbetätigung (zugleich die objektiven Bedingungen des Vertrauendürfens) fi573 Ein nicht adressierter begünstigender Verwaltungsakt, etwa ein belastender Verwaltungsakt mit (nicht adressierter) begünstigender Drittwirkung, den das Gesetz in § 80a Abs. 2 VwGO erwähnt, begründet dagegen keinen seine Aufhebung beschränkenden besonderen Vertrauensschutz, so aber VG Frankfurt a. M., Beseht. vom 19. II. 1992, ZUR 1993, S. 79 f.; vgl. 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl .• Bd. I, S. 237. Das belegt, ganz abgesehen von Praktikabilitätserwägungen, die Vorschrift des §50 VwVfG, der für den Widerruf§ 21 Abs. 7 BlmSchG entspricht: Die Ausnahme von der Regel des Vertrauensschutzes, die für eine Aufhebung des Verwaltungsaktes während des Widerspruchs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens getroffen wird, paßt nur auf den adressierten begünstigenden, drittbelastenden Verwaltungsakt Sie bezieht sich auf den seinerseits adressierten Akt der Rücknahme oder des Widerrufs als actus contrarius der ursprünglichen adressierten Begünstigung. In diesem Sinne gegen überzogene Auswirkungen der Rechtsverhältnislehre wohl auch Schmidt-Aßmann, DVBI. 1989, S. 533, 540 (r. Sp.). 574 Vgl. bereits lpsen, Widerruf gültiger Verwaltungsakte, S. 173, der allerdings bei der Enteignungsfahigkeit subjektiver öffentlicher Rechte ansetzt. Aus heutiger Sicht BVerwGE 65, 3 13; Hansmann, in : Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr. 17. Anders PrOVGE 10,260 (271: "Zwangsenteignung im weiteren Sinne, nämlich ... Beschränkung in der Benutzung des Eigenthums"), 23, 254 (262).

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xierte Betrachtungsweise läßt außer acht, daß, wenn der Betreiber mit Errichtung und Betrieb der genehmigten Anlage die rechtmäßig erlangte Rechtsposition ausgenutzt hat, diese Vertrauensbetätigung nicht rückwirkend ungeschehen zu machen ist. Obwohl ihm also zuzumuten ist, sich stets auf den aktuellen Gebotsgehalt der Betreiberpflicht einzustellen, darf doch die als zulässig anerkannte Betätigung angesichts individuell weder vorherzusehender noch zu steuernder Entwicklungen der Umweltsituation nicht rückwirkend so behandelt werden, als sei sie schon immer verboten gewesen. Weil Übergangsfristen der (tatbestandlich vorausgesetzten, §§ 17 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG) Interessenlage nicht gerecht werden 575 , handelt es sich um einen der Ausnahmefälle, in welchen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) eine ausgleichende Entschädigung zuläßt, aber auch gebietet, soweit sich der Wegfall der Genehmigung mit bestimmten, quantifizierbaren Vermögensnachteilen verbindet: Dem Betreiber, der im Vertrauen auf die Genehmigung eine Anlage geplant oder· errichtet hat, sind im Zusammenhang hiermit Kosten entstanden, die sich nicht mehr amortisieren. Der Widerruf tangiert nur dort keinen Vertrauenstatbestand, wo Vertrauen sich nach dem Gehalt der Regelung von Anfang an nicht bilden konnte, wie das Gesetz dies für die Tatbestände des § 21 Abs. 1 Nr.l und 2 BlmSchG ausdrücklich klarsteHt (§ 21 Abs. 4 BlmSchG). Mit Blick auf nachträgliche Änderungen der Sachlage ist das Vertrauen des Anlagenbetreibers in den Fortbestand der ihm erteilten Genehmigung allerdings in besonderer Weise begrenzt: Zwar braucht er den einmal getätigten Kapitalaufwand nicht täglich zur Disposition zu steHen. lnfolge des ihm durch die dynamische Schutzpflicht abverlangten Vermeidungserfolgs trifft ihn aber als Vorkehrungspflicht die Obliegenheit, sich gegen heranrückende immissionsempfindliche Bebauung oder eine entsprechende vorgängige Planung auf der Grundlage des Bebauungsrechts rechtlich zur Wehr zu setzen576 . Insoweit verweist ihn also das Bundes-Immissionsschutzgesetz genau auf dasjenige Maß an Rücksichtnahme, das er im aBseitigen Wettbewerb um den Raum zur angemessenen Freiheitsentfaltung auch als Betreibereiner potentie11 schädlichen Anlage von seinen Mitkonkurrenten verlangen kann: Bauplanungsrechtlich ist er Nut575 Vgl. 4. 1 und 4.2 TA-Luft. Jede Frist würde sich zu dem durch§ 5 Abs. I Nr. I BlmSchG vornormierten Schädlichkeits-Urteil in Widerspruch setzen. Deshalq erfolgen Ausnahmen als Ausnahmen von dieser Definition. 576 Der Begriff der "Obliegenheit" auch bei Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 102; für den vorliegenden Fall aber zwiespältig ders., aaO, § 21 Rdnr. 31 f. Meist wird nur das Recht des Belreibers angesprochen: Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 84; Sellner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 425 (m. Nw. in Fn. 27, 28): rechtzeitige Abwehrmaßnahmen "können angebracht sein".- BVerwGE 91, 92 (98) beruft sich im entsprechenden Zusammenhang für nicht genehmigungspflichtige Anlagen auf den allgerneinen Rechtsgedanken der Verwirkung. Die gegenüber diesen Anlagen möglichen Maßnahmen sind allerdings weniger weitreichend, führen insb. nur im Falle erheblicher Gefahren nach§ 25 Abs. 2 BlmSchG zur Untersagung.

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zer unter Nutzern 577 (vgl. § 35 Abs. 3, 2. Spiegelstrich BauGB). Dringt er mit seinem Abwehrbegehren durch, so fällt die Beschwer fort. Bleibt er demgegenüber erfolglos und sieht sich später gleichwohl Schutzmaßnahmen zugunsten der Nachbarschaft ausgesetzt, so berührt das zwar, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, weder nachträgliche Anordnung noch Widerruf in ihrer Rechtmäßigkeit- so weit reicht die Zurechnung nach § 5 Abs. I Nr. 1 BlmSchG. Jedoch ist dann im Falle des Widerrufs der Anlagenbetreiber nach allgemeinen Grundsätzen für den Verlust der Genehmigung zu entschädigen, auf deren Bestand er vertraut hat und nach Wahrnehmung seiner Obliegenheit auch vertrauen durfte578 . Mit einem Verstoß des Betreibers gegen die Pflicht des § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG immer gleich die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens gänzlich ausschließen zu wollen, würde nämlich den Vertrauensschutztatbestand des § 2I Abs. 4 BlmSchG praktisch leerlaufen lassen579 und der gestuften Regelungsstruktur des Immissionsschutzrechts, die zwischen (Vertrauens-) Schutz innerhalb der Genehmigung und Schutz der Genehmigung selbst unterscheidet, nicht gerecht. Einer widerrufsbedingten Beendigung seiner Ausübungsbefugnis kann der Betreiber allerdings nicht entgegenhalten, sie verkürze seine tatsächlichen, durch technische und wirtschaftliche Nutzbarkeit der Anlage bestimmten Betätigungsmöglichkeiten. Das positive Vertrauen in die Gesetzeslage ist stets durch die mit dem Genehmigungstatbestand auch verfassungsnormativ als erlaubt anzuerkennende Nutzungsdauer, den Amortisationszeitraum begrenzt. Die aUgemeine Grenze der Schutzwürdigkeit des Vertrauens und damit der Entschädigungspflicht setzt daher auch hier der Gedanke der Amortisation

577 lnsb. BVeiWG, v. 16. 4. 1971, DVBI. 1971, S. 747, 748 f.; BVeiWGE 88, 210 (219 ff.) ; BVerwG, v. 14. I. 1993, DVBI. 1993, S. 652 f. (zu§ 34 Abs. I BauGB); BVeiWGE 91 , 92 (97 f.); BVerwG v. 16. 9.1993, NJW 1994, S. 1546 (zu§ 34 Abs. 2 BauGB, wo eine generell drittschützende Wirkung faktischer Baugebiete angenommen wird). Ferner OVG Münster, v. 21. 10. 1987, NVwZ 1988, S. 377,378 f.; VGH München, Beschl. v. 25. I. 1991, BayVBI. 1991, S. 694, 695.Vgl. Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 3m. Nw., § 21, Rdnr. 13; Petersen, aaO. Entgegen Classen, JZ 1993, S. I 042, I 046 ist also zu differenzieren: Nur baurechtlich fallt das Problem der heranruckenden Wohnbebauung nicht in die Risikosphäre des Anlagenbetreibers, weil das Bebauungsrecht (§ 35 Abs. 3, 2. Spiegelstrich BauGB) das Hervorrufen von Immissionen und das durch sie Betroffensein gleich bewertet; ähnlich§ 15 Abs. I Satz 2 Bau NVO. Deshalb kann auch von einer "multipolaren" Obliegenheit zur Rechtswahrung, so Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im VeiWaltungsrecht, S. 148 ff., 154, 258 ff. keine Rede sein. Die Obliegenheit des Anlagenbelreibers folgt aus dem einseitig verpflichtenden dynamischen Schutzgebot des § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG, die Rechtsschutzmöglichkeit dagegen aus dem Bebauungsrecht. 578 Jarass, aaO, § 21, Rdnr. 13, 32; Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 425. 579 Zutreffend Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 21 BlmSchG, Rdnr. 60, 61 gegen Jarass, aaO, § 5, Rdnr. 102, § 21 , Rdnr. 31 ; wie Jarass Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung, S. 24, 28 f. sowie im Anschluß an diese Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 159 b. Fn. 204.

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(Opfergrenze der Amortisation)580. Ist die Anlage bereits abgeschrieben, bleibt es beim ersatzlosen Entzug der Genehmigung, im übrigen wird nach Maßgabe des Abschreibungsgrades entschädigt, der das berechtigte Interesse am Bestand der Genehmigung begrenzt581 . Dem Umweltschutz entstehen hierdurch keine Nachteile: berechnet man den Amortisierungszeitraum großzügig, sind in weitem Umfang auch nachträgliche Anordnungen zulässig. Berechnet man ihn knapper, kann gegebenenfalls widerrufen werden, ohne daß die Entschädigungspflicht ausgelöst würde. Innerhalb des Anwendungsbereichs der nachträglichen Anordnung ist der eigentliche Bestandsschutz praktisch auf Irrelevanzklauseln reduziert; außerhalb dieses Bereichs beschränkt er sich auf Entschädigung der Restnutzung. Dergesetzlich gewährleistete Bestandsschutz einschließlich der letzten Stufe der Entschädigungspflicht hält sich damit exakt im verfassungsrechtlichen Rahmen, ohne das Verbot erheblicher Beeinträchtigungen zu überspielen. bb) Die Änderung der Sachlage durch nachträglichen Erkenntnisgewinn Die oben ausgesparte Fallgruppe der nachträglichen besseren (wissenschaftlichen) Erkenntnis über die Schädlichkeit von Immissionen ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen. Das steht nicht von vornherein fest: Immerhin handelt es sich nach allgemeiner Meinung bei der Bestimmung von Immissionswerten und den Verfahren zu ihrer Ermittlung um eine naturwissenschaftlich nicht voll determinierte, vielmehr auch politisch wertende Entscheidung582. Die - mit Blick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG - konkretisierende Neufestsetzung von Immissionswerten außerhalb des Gefahrenbereichs liegt daher auf der Scheidelinie zwischen Tatsachen- und Rechtsänderung. Wiederum weiß aber der Anlagenbetreiber bereits kraft seiner Grundpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG, daß er entspr. Belastungen von Allgemeinheit oder Nachbarschaft zu vermeiden hat. Die Umkehrung des Erfolgsmaßstabs relativiert die Basis der von der adressierten Genehmigung statuierten Rechtsstel580 Meist wird zwischen Zulässigkeil der nachträglichen Anordnung und Entschädigungspflichtigkeit des Widerrufs nicht ausdrücklich unterschieden, Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 266 f. , ähnlich wohl Trute, Vorsorgestrukturen, S. 249, 258 ff., 264; anders insb. Schröder, UPR 1986, S. 127, 131, nach dem die Amortisation der Gesamtanlage Voraussetzung jeglichen Eingriffs sein soll. 581 Zur Berechnung des Entschädigungsanspruchs allgemein Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdnr. 37. Ferner Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, § 21 BlmSchG, Rdnr. 65 ff., 67 f.; Jarass, BlmSchG, § 21 Rdnr. 34, 35. Stich/Porger, BlmSchG, § 21, Anm. 25 ff. Grundsätzlich besteht kein Vertrauensschaden, wenn sich die Anlage unter Anrechnung des Verwertungseriöses amortisiert hat. Jarass aaO, will außerdem beweisbare Alternativinvestitionen berücksichtigen. Künftige Gewinne werden aber grundsätzlich nicht ersetzt, Feldhaus, in: Feldhaus BlmSchR, Bd. I,§ 21 BlmSchG, Anm. 12 f.; anders Stich/Porger, aaO, Rdnr. 28. 582 Oben 2. Kapitel.

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Jung und stellt seine Rechtsposition unter Vorbehalt. Indem sie die im Rahmen des jeweils Vorhersehbaren bestmöglichen Sicherheitsvorkehrungen verlangt, schlägt sie neue Erkenntnisse der Wirkungsforschung oder Fortschritte der Technik im Sinne einer gesetzlichen Fiktion seinem Verantwortungsbereich zu583 . Der gegenüber nachträglichen Rechtsänderungen durchgreifende Einwand, er habe von seiner hiermit unwiderruflichen Genehmigung bereits Gebrauch gemacht (§ 2I Abs. I Nr. 4 BimSchG), ist dem Betreiber folglich verwehrt584. Die Garantiewirkung der formellen Genehmigung wird dadurch nicht vollständig beseitigt. Darin kommt eine Eigenart des präventiven Verbots im Immissionsschutzrecht zum Ausdruck: Die nachträgliche (verhältnismäßige) Anordnung ändert grundsätzlich (vgl. § I7 Abs. 4 BimSchG) nichts am formellen Genehmigungstatbestand; der Genehmigungsinhaber wird infolge der dynamischen Grundpflicht nach § 5 Abs. I Nr. I BimSchG behandelt wie der Adressat einer ohne weiteren Konkretisierungsakt vollziehbaren materiellen Gesetzesnorm, die durch den Verwaltungsakt nicht statuiert, sondern aktualisiert wird 585 . Der formelle Genehmigungstatbestand ist deswegen nicht unbeachtlich (vgl. § 17 Abs. 2, Abs. 4 BimSchG). Die durch ihn geschaffene subjektive Rechtsposition hat aber mehr die Qualität eines Rechtsscheintatbestandes. Er kommt gegenüber tatsächlichen Zweifelsfällen in der Weise zur Geltung, daß das (als ordnungsmäßige Berufsausübung) formell genehmigte Verhalten vor einer verbindlichen abweichenden Anordnung als erlaubt zu gelten hat. Es scheidet also nicht nur eine Stillegung nach§ 20 Abs. 2 BimSchG, sondern, da selbst untergesetzliche Vorschriften die Schutzpflicht nur dem Inhalt nach, nicht anlagenbezogen konkretisieren, d.h. nicht abschließend bestimmen können, auch eine Untersagung nach§ 20 Abs. I BimSchG ohne vorherige Anordnung aus586. Daraus folgt zugleich, daß das Vertrauen des Setreibers in den Bestand der Genehmigung, damit auf den Fortbestand der gesetzlich eingeräumten Rechtsposition bis zum behördlichen Einzelakt (nachträgliche Anordnung, bei Unverhältnismäßigkeit Widerruf) keinen geringeren als den allgemeinen Schutz verdient. Der Verlust der Genehmigung ist im übrigen auch hier 583 So auch Jarass, BlmSchG, § 21, Rdnr. 31. Allgemein zur Bildung von Rücklagen auch Send/er, UPR 1990, S. 41, 46. 584 So die wohl herrschende Meinung: BVerwG DVBI. 1988, S. 539, 540; Feldhaus, BlmSchR, Bd. I,§ 21 BlmSchG, Anm. 6; Jarass, BlmSchG, § 21, Rdnr. 11, 31; wohl auch Trute, Vorsorgestrukturen, S. 261 f. in Fn. 89. Anders Laubinger in: Ule!Laubinger, BlmSchG, § 21, Rdnr. C 22. 585 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. I f ., 102, § 17, Rdnr. 13 f. 586 Jarass, aaO, § 20, Rdnr. II; Send/er, UPR 1990, S. 41, 42 f .; ders., WiVerw 1993, S. 235, 278; Val/endar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I, § 20 BlmSchG, Anm. 4, 12. Eine Auflage begrenzt den Rechtsschein und demgemäß den Vertrauensschutz, § 20 Abs. I BlmSchG, vgl. § 21 Abs. I Nr. 2 BlmSchG.

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bis zur Amortisationsgrenze nach § 21 Abs. 4 BlmSchG zu entschädigen- allerdings nur dann, wenn die Neufestsetzung von (nachteils-/belästigungshindernden587) Schädlichkeitswerten zum Zeitpunkt der Investition des Setreibers nicht bereits abzusehen war588 .

b) Die Änderung der Rechtslage aa) Rechtsförmige Sanierungsmaßgaben im Vorsorgebereich und ihre Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit Anders für die emissionsbegrenzende und d.h. anlagenbezogene Vorsorge: Hier geht es um Festsetzungen im Bereich des dem einzelnen Anlagenbetreiber aus den dargelegten Gründen nicht zurechenbaren Restrisikos 589 . Konsequenz dieser Unbestimmtheit des Vorsorgegebots (§§ 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG) ist es, daß sein Vollzug nicht einer behördlichen Einzelfallentscheidung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 6, 17,21 BlmSchG) überlassen bleiben soll (§7 Abs. 1, §48 Nr. 2, § 17 Abs. 3 BlmSchG). Vielmehr bedarf es einer selbst normativen, verbindlichen Vermittlung durch dazu ermächtigte Instanzen, die rechtsetzend, nicht konkretisierend tätig werden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Verordnungsermächtigung des § 7 BlmSchG geschaffen und die auf dieser Basis ergangenen Anordnungen mit § 17 Abs. 3 BlmSchG als verbindliche Interpretationen des anlagenbezogenen Vorsorgegebots kenntlich gemacht. Auch Verwaltungsvorschritten nach § 48 BlmSchG müssen daher, was die Vorsorge durch anlagenbezogene Emissionsbegrenzungen anbetrifft, nach ihrer gesetzlichen Funktion und im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als rechtsverbindlich erachtet werden 590.

587 Zur adäquaten Behandlung des Schutzes vor erheblichen Gefahren sogleich im Text. 588 Vgl. HansT1UU!n, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 21 BlmSchG, Rdnr. 61; Jarass, BlmSchG, § 21, Rdnr. 31. 589 In erster Linie gehören· hierher Maßnahmen der Emissionsbegrenzung, § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG. Die Verbesserung der Ableitbedingungen kann, obwohl sie die TA Luft in diesen Zusammenhang stellt, Nr. 2.2.1.4, 2.4, nur bedingt als Vorsorgemaßnahme gelten, da dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen nur räumlich begrenzt entgegengewirkt wird, Jarass, aaO, § 5, Rdnr.49. Maßnahmen zur Emissionsminderung haben daher stets Vorrang, Nr. 4 Satz 2 TA-Luft; vgl. auch FeldluJus/Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 567. Anders noch Sellner, NJW 1980, S. 1255, 1259 f. 590 Vgl. BT-Drs. 10/3556, S. 12, 15. Dolde, NVwZ 1986, S. 873, 880 f.; Friauf; WiVerw 1989, S. 121, 182; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 80, 92, 114, 115; Send/er, UPR 1990, S. 41, 46; Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I, § 17, Anm. 17; dagegen Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 4.2 TA Luft, Rdnr. 16; Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 34. - Nr. 2.2.1.4 TA Luft stellt demgegenüber eine unselbständige Konkretisierung der raumbezogenen Komponente des Vorsorgegrundsatzes dar.

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Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit der Sanierungsermächtigung in § 7 Abs. 2, 48 Nr. 4 BimSchG die Möglichkeit von (Ausnahme-) Regelungen geschaffen, die gesetzmäßig verschärfte Vorsorgeanforderungen gegenüber genehmigten (Alt-) Anlagen umsetzen sollen. Diese Ausnahme von der normativen Regel muß, obzwar§ 17 Abs. 3 BimSchG hier keine Anwendung findet591 , die konkret-individuell anordnende Verwaltung im Sinne eines umfassenden Sanierungskonzepts strikt binden, wenn sie wirksam werden soll. Auch zu Verhältnismäßigkeitserwägungen im Einzelfall ist die vollziehende Verwaltung demgemäß nur eng begrenzt592 und allgemein nur für die atypischen Fälle ermächtigt, in denen das abstrakt-generelle Konzept den Verhältnismäßigkeitsanforderungen nicht genügt. Aber wo genau liegen nun diese Defizite des generellen Sanierungskonzepts? Im Tatbestandsbereich des anlagenbezogenen Vorsorgeprinzips ist grundsätzlich nicht die Verwaltung aufgerufen, von Fall zu Fall die Pflichten des betroffenen Bürgers festzulegen. So trifft der Normgeber auch gegenüber den bereits genehmigten Anlagen mit seinen Vorsorgebestimmungen gewissermaßen eine autoritative, nachträgliche Anordnung - unmittelbar anlagen-, nicht wirkungsbezogen, folglich nicht abhängig von der erst zu ermittelnden Immissionssituation593 und unmittelbar umzusetzen durch Untersagung (§ 20 Abs. 1 BimSchG)594. Denn gegenüber derartigen ausdrücklichen Änderungen der anlagenbezogenen und abschließend bestimmten Vorsorgepflicht als solcher (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 und 2, 48 Nr. 2 und 4 BimSchG) bietet der von der Genehmigung geschaffene Rechtsscheintatbestand nur noch in der Weise Schutz, daß ein unbegrenztes Totalverbot die förmliche Aufbebung voraussetzte (§§ 21, 20 Abs. 2 BlmSchG). Allerdings können abstrakt-generelle Übergangsfristen, die das Konzept als ganzes verhältnismäßig gestalten sollen595, und die hier, wo es nicht um den Schutz konkreter, namentlich der persönlichen Integrität zugeordneter Rechtsgüter, sondern die Verminderung des Restrisikos geht, auch am Platz sind, ungeachtet ihrer Bindungswirkung die maßgeblichen Daten nie abschließend aufnehmen. Diese gesetzlichen Schranken der normativen Anordnung unterscheiden sich nämlich gerade wegen der 591 Dessen "Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen" beziehen sich unmittelbar wohl nur auf die nach § 7 Abs. I BlmSchG festgesetzten Anforderungen, vgl. den Sprachgebrauch in § 7 Abs. 3 Satz I BlmSchG. 592 Etwa in Nr. 4.2.11 mit 2.1 .5 Abs. 2 lit. f), 4.2.4 TA Luft. 593 Jarass, BlmSchG, § 20, Rdnr. II : Die Grenzwerte der 13. BlmSchV seien abschließend bestimmt. Das muß nach der hier vertretenen Auffassung auch von den entsprechenden VorsorgeAnordnungen der TA Luft gelten, einschließlich der Übergangsbestimmungen für Altanlagen. 594 Der vom Verhältnismäßigkeilsgrundsatz beschränkt wird, so daß man § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG wird analog anwenden müssen. Die Behörde könnte auch hier bei Unverhältnismäßigkeil des Normbefehls nicht einfach darauf verzichten, den Gesetzeszweck durchzusetzen. 595 Friau.f, WiVerw 1989, S. 121, 146; Schröder, UPR 1986, S. 127, 129, 131, 132.

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unmittelbaren Auswirkungen des Normbefehls nicht von denen, die auch § 17 Abs. 2 BlmSchG für genehmigte Anlagen bestimmt und die sich aus dem Verhältnis von Aufwand und Erfolg, genauer: von abzuschreibendem Investitionsaufwand und insgesamt zur Amortisierung verbleibender Restnutzung ergeben (vgl. §§ 7 Abs. 2 Satz 2, 48 Nr. 4 BlmSchG)596 . Dieser Investitionsaufwand der einzelnen genehmigten Anlage, der maßgebliche Anknüpfungspunkt der Verhältnismäßigkeilsprüfung also, läßt sich schlechterdings nicht pauschal erfassen. Die Bezeichnung "Übergangsfrist" ist ins?fem, wie häufig verkannt wird, irreführend und vermittelt- im Zusammenhang mit Verhaltens- (d. i. Freiheitsausübungs-) Regelungen wie denen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ein rechtlich schiefes Bild des Vorgangs: Bezogen auf die konkrete Anlage entspringt lediglich die Umrüstungsfrist, die regelmäßig nur einen Teil der längeren Übergangsfrist ausmachen wird, dem Gebot möglichst schonender Anpassung; diese Frist benötigt der Anlagenbetreiber, um überhaupt seinen Pflichten nachkommen zu können 597 . Ob dagegen die jeweilige Anlage den gesetzlich vorgeschriebenen investiven Aufwand überhaupt noch lohnt, und ob also der Eingriff zulässig ist, ist eine Frage, die ohne Rücksicht auf Übergangsfristen beantwortet werden muß. Denn die Belastung für das rechtlich geschützte (erlaubte) Interesse, die bestimmte genehmigte Anlage zunächst zeitlich unbegrenzt zu betreiben, mindert sich als solche ja nicht durch den Ablauf der Übergangsirist Darum wird durch Übergangsfristen der von der Regelung betroffene Anlagenbestand allenfalls im Sinne einer Gesamtbetrachtung in den neuen Rechtszustand überführt. Die Übergangs-Fristen beziehen sich auf den Zeitraum des Übergangs von einem rechtlichen Regime zu einem anderen, während dessen - übergangsweise - an sich überholte rechtliche Anforderungen fortgelten; sie orientieren sich folglich in Nr. 4.2.1 ff. TA Luft auch weniger an den technischen Nachbesserungsbedingungen als am Sanierungsinteresse der Allgemeinheit, also dem Umweltbelastungspotentia!598 . Für die einzelne Altanlage handelt es sich dagegen nicht um ein Problem des Übergangs. Lohnt der erforderliche investive Aufwand nicht mehr, d.h: amortisiert sich die Investition normativ betrachtet nicht während der Restnutzung der Anlage, weil sie diesen Zeitraum um mehr als das Doppelte verlängern würde, so ändert an dieser Gegebenheit als solcher die Übergangsfrist nichts. Mit ihrem Ende ist die - zuneh596 Vallendar, in: Feldbaus, BimSchR, Bd. I,§ 17 BimSchG, Anm. 14 a.E. 597 Vgl. Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 7 BlmSchG, Rdnr. 39 e; Schröder, UPR 1986, S. 127, 132 faßt diesen Umstand unter den Gesichtspunkt "technischer Besonderheiten" i. S. v. §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 2 BlmSchG. 598 GaweVEwringmann, NuR 1994, S. 120, 123 f.; Huckestein, ZfU 1989, S. 1, 15. Schröder, UPR 1986, S. 127, 129, 132, konstatiert zu Recht einen Zusammenhang zwischen Umweltbelastungspotential und Sanierungsbedürftigkeit, d.h. AltertNutzungsdauer der Anlagen. Notwendig im Rechtssinne ist dieser Zusammenhang nicht.

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mend unrentable - Nachbesserung vorzunehmen, soll die sonst drohende Untersagung vermieden werden 599 . Über die Möglichkeit eines weiteren Betriebs nach Ablauf der Frist, den genehmigungs-internen Maßstab (der Verhältnismäßigkeit) ist darum durch Überleitungsregelungen eines Sanierungskonzepts nichts gesagt. Der Normgeber setzt mit sogenannten Übergangsfristen ausdrücklich nur einen externen Maßstab. Das (abstrakt-generelle) Mittel der "Übergangsfrist" bewirkt einen Aufschub für die Erfüllung der abschließend bestimmten, vollziehbaren Vorsorgepflicht, und bestimmt damit normativ den Zeitpunkt, ab welchem eine Durchsetzungsmaßnahme gegenüber der Anlage in Betracht kommt. Nicht zufällig darf die Behörde nur dann von einer nachträglichen Anordnung gänzlich absehen600, wenn derBetreiberseinerseits den vollständigen Verzicht auf eine Anlagennutzung erklärt, die die Höchstübergangsfrist von acht Jahren überschreitet (Nr. 4.2.9; vgl. 4.2.4 TA Luft). Die entsprechende Vereinbarung ersetzt einen befristeten Widerruf(§ 21 i.V.m. § 20 Abs. 2 BlmSchG, § 36 Abs. 2 Nr. 1 [L]VwVfG), nicht etwa eine nachträgliche Anordnung. Mit Übergangsfristen ist also die Situation der im Einzelfall unverhältnismäßigen nachträglichen Anordnung und des dann gebotenen Widerrufs in Wirklichkeit nicht erledigt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG); sie ersparen nicht die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall. Vielmehr umschreibt die Situation der unverhältnismäßigen nachträglichen Anordnung und mithin des Widerrufs die Gruppe der atypischen Fälle, die - neben den anfänglich rechtswidrigen Genehmigungen - aus dem Konzept des Normgebers herausfallen, weil dessen generalisierende und typisierende Regelung die Besonderheiten des Sachverhalts verfehlt. Muß man darum, soweit der Betreiber Einwände erhebt, die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen im Einzelfall überprüfen, so gilt: Der Regelfall der intern verhältnismäßigen Sanierungsverpflichtung im Vorsorgehereich liegt vor, wenn sich der erforderliche Investitionsaufwand während der Mindest-Restnutzungsdauer der betreffenden Anlage amortisiert. Als Beginn des Fristlaufs ist dabei nach allem nicht der tatsächliche oder vom Normgeber durch Vollzugsanweisung vorgesehene Zeitpunkt der nachträglichen Anordnung (so in TA Luft Nr. 4.2.2 ff.) zugrundezulegen, sondern der Zeitpunkt des Inkrafttretens der unmittelbar bindenden Norm selbst601 , der insoweit die Phase der Restnutzung rechtsmaßgeblich definiert. Denn der Zeit599 Gawei/Ewringmann, aaO, S. 123; Huckestein, aaO. Unzutreffend insoweit BVerwG, Beschi. v. 10. I. 1995, S. 516,517 und Koch,§ 17, Rdnr. 44, 144. 600 Was grundsätzlich im Bereich nicht erheblicher Überschreitung (Nr. 4.2.3, 4.2.4 TA Luft) in Frage kommt. 601 Vgl. auch § 67a Abs. 3 BlmSchG, der diese Auffassung bestätigt und hierzu Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 14.

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raum ab lokrafttreten der Neuregelung steht dem Betreiber bereits zur Verfügung, um erforderliche Nachhesserungen durchzuführen und ist auf den für die Abschreibung des Investitionsaufwands zu veranschlagenden Zeitraum anzurechnen602. Scheidet eine an der so bestimmten Restnutzungsdauer (nach den angegebenen Kriterien) normativ orientierte, angemessene Amortisierung aus, handelt es sich um einen atypischen Fall, in welchem ein bezogen auf die bestehende Genehmigung unverhältnismäßiger Aufwand verlangt wird und nun weitere Erwägungen durch die Behörde geboten sind, die - nach dem oben Gesagten- von Gesetzes wegen (§ I7 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG) auf den Widerruf nach § 2I Abs. I BlmSchG ausweichen muß603, weil nur so den Vorsorgeanforderungen in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist. Mit der Übergangsfrist ist freilich diesen Erwägungen eine strikte normative Grenze gezogen. Die Behörde muß zwar die bloß typisierenden Maßgaben des Vorsorgekonzepts von Fall zu Fall auf ihre Gesetz- und Verhältnismäßigkeil überprüfen, weil insoweit auch der Normgeber gebunden ist(§ 48 Nr. 4 i. V. m. § 7 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG). Verbleibt dann die Übergangsfrist unterhalb des Amortisationszeitraums, nach dem sich die normativ zustehende Restnutzung individuell bemißt, ist der nach Ablauf anstehende Widerruf nur gegen Entschädigung zulässig. Eine Entschädigungspflicht wird dagegen vermieden, wenn die generalisierenden Fristen den Amortisierungszeitraum der Anlage überschreiten. Unter keinen Umständen darf aber die Behörde abstrakt-generell vorgesehene Anpassungsfristen verkürzen, um sie etwa einem im Einzelfall geringeren normativen Restnutzungsanspruch anzupassen und bereits vor Fristablauf vorzugehen. Denn die normative Anforderung als solche kann hier nicht vom Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit getrennt werden. Gerade die Fristdauer konkretisiert, wie das Sanierungskonzept unter Abweichung vom allgemeinen Standard der §§ 5 Abs. I Nr. 2, 7 Abs. I BlmSchG umgesetzt wird. Wie er die Frist nutzt, bleibt Sache des Betreibers.

602 Abzüglich

wands.

des von den Modemisierungsmaßnahmen notwendig beanspruchten Zeitauf-

603 § 7 Abs. 2 BlmSchG ist als Rechtsetzungsermächtigung auf den Regelfall zugeschnitten und enthält keine dem § 17 Abs. 2 Satz 2 entsprechende Vorschrift. Abgesehen davon, daß dies bei Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen nur etwas an der Ermessensreduzierung ändern würde, gelten bei Versagen der untergesetzlichen Normierung ohnehin die allgemeinen Bestimmungen der §§ 17 Abs. 2, 21 BlmSchG, wobei der Ablauf der Übergangsfrist als spezialgesetzliche Eingriffsvoraussetzung wirkt. Eine Untersagung unmittelbar nach § 20 Abs. I BlmSchG kommt in diesen Fällen, da unverhältnismäßig, genausowenig in Betracht.

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bb) Gesetzliche Grenzen der Sanierung im Bereich anlagenbezogener Vorsorge Bleibt die Frage, worauf im Bereich anlagenbezogener Vorsorge die unter Umständen gebotenen Widerrufserwägungen hinauslaufen. Erweist sich die Vorsorge-Anordnung des Normgebers als unverhältnismäßig, so folgt daraus, anders als im Falle einer Änderung der Sachlage, wo der Widerruf nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 mit § 17 Abs. 2 BlmSchG den gesetzlichen Regelfall darstellt, nicht automatisch die Pflicht der Verwaltung, die Genehmigung zu widerrufen. Zwar zeigt am Maßstab der Genehmigung gemessen - nicht anders als dies oben für den Immissionsbereich dargelegt wurde - die Möglichkeit, nachträglich angeordnete Emissionsminderungsmaßnahmen im Verlauf des weiteren Anlagenbetriebs steuerlich abzuschreiben an, ob die Genehmigung das hält, was sie verspricht. Ist dies zu verneinen, erhebt sich die Frage nach dem Entzug der Rechtsposition durch Widerruf. Die verfassungsrechtlich gebotene Differenzierung zwischen dem genehmigungsinternen und dem gesetzlichen Maßstab fällt aber diesmal anders aus. Weil die politisch-normativen Festsetzungen im Vorsorgebereich (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BlmSchG) nur als rechtliche Regelungen sinnvoll und verfassungsmäßig sind, findet auf diese § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG Anwendung604. Wenn, wie die Dinge meist liegen werden, von der Genehmigung bereits Gebrauch gemacht, also wenigstens mit der Errichtung der Anlage begonnen wurde605 , ist daher auch im Falle der an sich gebotenen, jedoch unverhältnismäßigen nachträglichen Anordnung der Ausweg des Widerrufs verstellt. Ist darin nun eine einfachrechtliche Eingriffsbegrenzung und Billigkeitserwägung des Gesetzgebers zu sehen? Der Widerruf bei Änderung der Rechtslage wäre ja unter dem Aspekt des materiellen Verbots in dem Maße jederzeit gerechtfertigt, in dem sich die gesetzlich definierten Gemeinwohldaten ändern. Nicht so unter dem Aspekt der Kontrollerlaubnis und der an sie gekoppelten positiven Regelungsabsicht Diese darf, um sich vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen, nicht der Beliebigkeil tagespolitischer Entscheidungen anheimgegeben sein. Man mag dies aus dem verfassungsrechtlichen Verbot unzumutbarer Freiheitseingriffe ableiten. Es spricht mehr dafür, in § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG eine Mißbrauchsregelung nach Art des "venire 604 Für eine Änderung durch Verordnung wird dies überwiegend bejaht, vgl. Feldhaus, in Feldhaus, BlmSchR, Bd. I,§ 21 BlmSchG Anm. 7; Sellner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 516. Für eine Änderung der Rechtspflicht durch Verwaltungsvorschrift bejahend Feldhaus, aaO; Stiehl Porger, BlmSchG, § 21, Anm. 17; a. A. Jarass, BlmSchG, § 21, Rdnr. 14; HansfTUlnn, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, § 21 BlmSchG, Rdnr. 38. Die Trennlinie ist richtigerweise zwischen rechtssatzmäßigen Festlegungen (anlagenbezogener Vorsorgeanordnungen) und bloßen normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften zu ziehen. 605 Näher Jarass, aaO, § 21, Rdnr. 15. II Endcrs

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

contra factum proprium" zu sehen und diese dem Erfordernis objektiv sachgerechter Regelung zuzuordnen. Denn es geht nicht darum, dem Betroffenen eine besondere Belastung zu ersparen, die vom gesetzgebensehen Eingriffskonzept nicht hinreichend bedacht wäre. Vielmehr widerspräche es einer sachgerechten Verteilung der Verantwortung zwischen Individuum und Gemeinschaft, wenn durch Rechtsakt gerade diejenigen Bedingungen, welche dem ausgesprochenen Zweck dienen, individuelle Freiheit zu gemeinverträglichem Gebrauch zuzulassen, frei verändert und nach Belieben umgewertet werden könnten. Ist die Verschärfung der Anforderungen nicht in einer Änderung der tatsächlichen Umstände begründet, wie sie im allgemeinen, von jedermann selbst zu verantwortenden Lebensrisiko liegt, sondern geht sie auf eine neue Wertentscheidung des politischen Willensträgers zurück, so verbietet es die grundrechtliche Differenzierung zwischen Einzel- und Gemeinwohl, die individuelle, ausdrücklich zuerkannte Befugnis zur regelmäßigen Disposition dieser Willensmacht zu stellen und damit die Last demjenigen einzelnen aufzuerlegen, welcher dem Wort des Normgebers vertrauend sich nach rechtmäßiger Erlaubnis verhalten hat606. Wäre aber nicht die Aufhebung der Genehmigung unter Ersatz des Vernauensschadens auch hier die angemessene und gegebene Lösung? In der Tat kann Geldausgleich Freiheitseinschränkungen verhältnismäßig machen. Jedoch, wie wir gesehen hatten, nur im Ausnahmefall. Die originäre Neuregelung eines Sachverhalts durch die dazu berufene politische Instanz, deren Durchsetzung der Widerruf nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 BimSchG dient, ist als Ausdruck des allgemeinen Willens der politischen Körperschaft der typische Regel-, nicht ein Ausnahmefall. Soweit also die Genehmigung in ihrem konkreten Bestand eine sachliche Erweiterung der Rechtspflicht, die auf eine echte Rechtsänderung zurückgeht, nicht mehr zuläßt, weil sie substantiell entwertet würde, ist die an sich gegebene formelle Aufhebung insoweit schlicht unzulässig und nicht etwa durch Geldersatz auszugleichen. Es bleibt also auf den ersten Blick im Katalog der Sanierungsmaßnahmen nur noch die nachträgliche Anordnung, welche dem Anlagenbetreiber dann die eben noch verhältnismäßigen, wenn auch unterhalb des aktuellen Vorsorgestandards verbleibenden Nachhesserungen aufgibt (Teilkorrektur)607. Sie verlangt kein rechtswidriges Verhalten. Denn sie verstößt weder gegen (positive) Gesetz- und Verhältnismäßigkeit auf der einen, noch gegen den Gesetzeszweck auf der anderen Seite. Vielmehr schreibt sie gegenüber dem gesetzlich gebotenen Maß an Vorsorge ein minus, nicht aliud vor, das vom Setreiber wegen § 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG - gewissermaßen erst recht geschuldet wird und dient damit angesichts der Sperre des § 21 Abs. 1 Nr. 4 606 In diese Richtung auch Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, § 7 BlmSchG, Rdnr. 39 e. 607 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 35.

Viertes Kapitel: "Wohlerworbene Emissionsrechte" des Anlagenbelreibers

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BlmSchG dem Zweck des Umweltschutzes in optimaler Weise. Im Ergebnis wird der Verstoß des Betreibers gegen die materielle Rechtslage nicht vollständig behoben: Die materiellen Ermächtigungen der §§ 17 Abs. 2, 20 Abs. 1 BlmSchG (i.V.m. einer Vorsorgeregelung nach § 7 Abs. 1 od. § 48 Nr. 2 BlmSchG) fallen mangels Verhältnismäßigkeit aus, § 20 Abs. 2 BimSchG ist durch § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG blockiert. Übergangsfristen scheinen dann zwar auch hier sinnvoll, soweit sie dem Betreiber zusätzlichen Handlungsspielraum einräumen. Läßt sich aber im übrigen eine Vorsorge-Regelung im Einzelfall wegen Unverhältnismäßigkeit nicht in vollem Umfang durchsetzen, zeitigt der Ablauf der Übergangsfrist mit Rücksicht auf§ 21 Abs. 1 Nr. 4 BimSchG keine Rechtsfolgen. Vorsorgeanforderungen scheinen also, gerade soweit sie erhebliche Verbesserungen vorsehen und von alten, weitgehend abgeschriebenen Anlagen nicht erfüllt werden können, ins Leere zu gehen: Im Vorsorgebereich genießt der Betrieb einer genehmigten (Alt-) Anlage verstärkten Schutz, wenn Rechtsänderungen nach Inbetriebnahme der Anlage über die Schwelle des § 17 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG hinaus nicht mehr durchgesetzt werden können6os. c) Die Gemeinwohlklausel als Auffangtatbestand (§ 21 Abs. 1 Nr. 5 B1mSchG)

aa) Die Abwehr erheblicher Gefahren Daß aber auch in Fällen gewichtiger Gemeinwohlanliegen das Gesetz eine absolute Reformsperre im Interesse etablierter Freiheitsbestände vorsehen müsse, entspricht kaum rechtsstaatlicher Tradition. Ganz unzweifelhaft ist freilich die Gemeinwohlklausel des § 21 Abs. I Nr. 5 BlmSchG, nach der auch dann widerrufen werden kann, wenn die regelmäßigen Widerrufsvoraussetzungen nicht vorliegen, jedoch "schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten" sind, nur auf die klassischen Fälle der "erheblichen Gefahr" 609 anzuwenden. Schon früher hat man die Aufhebung der rechtmäßig erteilten Genehmigung zum Zwecke der Abwehr erheblicher, nachträglich eingetretener (Gesundheits-/Lebens-) Gefahren für entschädigungslos zulässig gehalten, weil es sich um Durchsetzung der allgemeinen Polizeipflichtigkeit610, nicht einen den Aufopferungstatbestand verwirklichenden Eingriff i. S. von § 75 Einl.ALR

608 Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr. 60 f.

609 Nach Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 122 sind das Gefahren für bedeutsame Rechtsgüter wie "Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, nicht unwesentliche Vermögenswerte". Vgl. auch§ 25 Abs. 2 BlmSchG. 610 Allgemein zu diesen Nicht-Störungsgrenzen oben im Zusammenhang mit der materiellen Polizeipflicht im 2. Kapitel. 11*

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

handelt611 . Die Problematik ist heute nicht wesentlich anders zu beurteilen612 , stellt sich jedoch, mit Rücksicht auf die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers unter dem Vorzeichen des Vertrauensschutzes und der Zumutbarkeit von Freiheitseingriffen. Wenn gesagt wird, "daß die Verursachung von Gefahren nicht zum Inhalt des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG" gehöre, jedenfalls aber das Eigentum unter diesem Aspekt von den Gefahrenabwehrschranken i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wirksam begrenzt werde613 , so trifft das nur im Ergebnis zu, auch in der entsprechenden Anwendung auf die Freiheitsrechte: Das Eigentum zeichnet sich allerdings durch den Inhalt aus, den es vom Gesetzgeber empfängt. Freiheit und Lebensgüter sind demgegenüber vorgegeben. Erst die Definition des Gesetzgebers macht sie aber zu umgrenzten und dadurch geschützten Rechts-Gütern. Dieses Verbot der Drittgefährdung bleibt ein rechtfertigungsbedürftiger Eingrift-6 14. Gleichwohl ist dieser- soweit geeignet und erforderlich- stets gerechtfertigt. Wenn schon allgemein das Vertrauen auf die Fortdauer tatsächlicher Umstände nur begrenzten Schutz beanspruchen kann, so darf auf die Möglichkeit ungehinderter Umweltnutzung insoweit nicht schutzwürdig vertraut werden, als von dieser Nutzung erhebliche Gefahren für Dritte oder die Allgemeinheit ausgehen können. Von diesem Grundsatz der all611 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 412. Dieser Grundsatz kann i. S. einer gesetzlichen Billigkeitsregelung durchbrochen werden, aaO, S. 412 f., vgl.bereits dens., in: Festgabe Laband, Bd. II, S. I, 33 f. Nach /psen, Widerruf gültiger Verwaltungsakte, S. 169, verlangt die polizeiliche Ermächtigung "eine konkrete Gefahrdung und setzt voraus, daß gerade der Widerruf ein nötiges Mittel zur Beseitigung der Polizeiwidrigkeit ist. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind ... bleibt der Verwaltung zum Schutz des öffentlichen Wohles nur der Weg des Widerrufs gegen Entschädigung" (aufgrund gesetzlicher Ermächtigung). Ebenso Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 43, 44 zu §51 GewO: "Wird die Fortführung des Betriebes wegen Gefahren für das Gerneinwohl untersagt, so handelt es sich lediglich um eine polizeiliche Maßregel. Ein Eingriff in subjektive Rechte liegt nicht vor. Fehlte § 51 GewO, so würde der betroffene Eigner des Gewerbebetriebs entschädigungslos ausgehen". Anders verhalte es sich mit den überwiegenden Nachteilen für das Gemeinwohl. So auch RGZ 19, 353 (360). Hiergegen PrOVGE 23, 254 (262 f.), anders auch noch Anschütz, VerwArch 5 (1897), S. 1, 120 f. -Entgegen Forsthojf, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 269 m. Fn. 5, S. 270, hat PrOVGE 29, 390 (393) zwar den Widerruf für zulässig gehalten, wenn - aufgrund besonderer Gefahren i. S. von § 10 Tit. 17 Th. 2 ALR- "das öffentliche Interesse eine Remedur unabweisbar erheischt"; es hat die Frage der Entschädigung jedoch erwähnt und ausdrücklich offen gelassen, aaO, S. 395, ebenso bereits E 2, 415 (422). Der Grund liegt darin, daß wohl eher eine Pflichtverletzung seitens der Behörde, vgl. auch PrOVGE 24, 344 (350), jedenfalls keine nachträgliche Änderung der Sachlage angenommen werden konnte, so auch lpsen, Widerruf gültiger Verwaltungsakte, S. 168. 612 S. ebenfalls oben 2. Kapitel zur (materiellen) Polizeipflicht und insb. Martens, in: Drews/ Wacke/Vogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 279m. Fn. 72. 613 Trute, Vorsorgestrulcturen, S. 250. 614 Auch nach Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 251 ff. bedarf der konkrete hoheitliche Befehl der Ermächtigung. Mit ähnlicher Begründung will Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 245 in Fn.42, S. 246 in Fn. 44, S. 248., das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip nur formell, nicht materiell od. der Sache nach aufrechterhalten, so daß das Bedürfnis inhaltlicher (verhältnismäßiger) Eingriffsrechtfertigung entfällt. Hierzu Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 195, 327.

Viertes Kapitel: "WohleiWorbene Ernissionsrechte" des Anlagenbetreibers

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gemeinen Rechtsordnung kann und will auch eine spezialgesetzliche Gestattung nach ihrem Sinn und Zweck nicht dispensieren615. Denn es geht nicht an, derartige Folgen, wenn sie objektiv nicht vorhersehbar sind, i. S. einer Vermutungsregel der Allgemeinheit aufzubürden. Sie zählen zum allgemeinen Lebens- (hier: Betriebs-)risiko, das im freiheitlichen Rechtsstaat der Verursacher zu verantworten hat616 . Jede andere Interpretation der Kontrollerlaubnis wäre rechtsmißbräuchlich. Wenn daher von einer genehmigt betriebenen Anlage eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit oder bedeutende Sachwerte ausgeht (vgl. § 25 Abs. 2 BlmSchG) und d.h. in Fällen der Änderung der Sachlage oder einer solchen Änderung der Rechtslage, die lediglich auf die neue Sachlage (einer nachträglich erkannten erheblichen Gefahr) reagiert617 , läßt sich- auch unabhängig von der Minderung des Vertrauensschutzes durch die dynamische Betreiberpflicht nach § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG- ein besonderes Vertrauen in den Umstand der Genehmigung von vornherein nicht rechtfertigen. Die Gemeinwohlklausel des§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG realisiert insoweit nur das materiell gerechtfertigte Verbot des "neminem laedere". DerBetreiber darf an seiner Verantwortung gegenüber der Rechtsgemeinschaft festgehalten und, soweit ein milderes Mittel nicht hilft, ohne weiteres auch im Wege des gesetzlich ermächtigten Widerrufs auf die elementaren Nichtstörungs-Schranken der allgemeinen Rechtsordnung verwiesen werden. Zum formellen Aspekt der Genehmigung schweigt hier die Verfassung. Weil daher der Eingriff auch im Einzelfall nie unzumutbar ist618, erwächst dem Betreiber hieraus aufgrund allgemeiner und heute grundrechtlich gesicherter Rechtsgrundsätze kein Anspruch auf finanziellen Ausgleich. Ein solcher könnte allenfalls- wie in §51 GewO aus Billigkeitserwä-

615 Vg1. PrOVGE 2, 415 (422): "Eine derartige Genehmigung schließt keinen Verzicht der PolizeiveiWaltung auf eine fernere Wahrung des öffentlichen, gesetzlich geschützten Interesses in sich. Nicht einmal rechtlich möglich ist der Verzicht ... "; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 412: "Der Einzelne besitzt in der Polizeierlaubnis kein Bollwerk gegen fernere obrigkeitliche Eingriffe. Er muß jede Aenderung der Gesetzgebung über sich ergehen lassen, auch wenn sie seine Pflichten über die in der Polizeierlaubnis vorgesehenen Auflagen hinaus steigert und eine Vermögensschädigung nach sich zieht ... (A)uch bei unveränderter Gesetzgebung ist der Inhaber der Polizeierlaubnis verpflichtet, seine Tätigkeit fortschreitend den wechselnden äußeren Umständen anzupassen ... " Das betrifft, wie dargelegt, die zulässige verhaltensbezogene sog. "unechte Rückwirkung" bei der Verteilung des Investitionsrisikos, nicht die Schadenshaftung, Hermes, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 187, 190, 193 ff., 204 ff.; vgl. auch Murswiek, aaO, S. 267; Salzwedel, 5. wissenschaftl. Fachtagung der GUR, S. 33, 58; 73, 85; Schriider, UPR 1986,S. 127, 130,131. 616 Vgl. Murswiek, aaO, S. 48; Wahl, UTR Bd. 14, S. 7, 24. 617 Jarass, BimSchG, § 21 , Rdnr. II, 14; Feldhaus, in: Feldbaus, BimSchR, § 21 BimSchG, Anm. 6; - so daß in diesen Fällen auch gleichgültig ist, ob von der Genehmigung bereits Gebrauch gemacht wurde. 618 Mur.rwiek, Die staatliche Verantwortung, S. 246.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

gungen619 - positivrechtlich angeordnet werden. Soweit also das Gesetz für Fälle der - nachträglich eintretenden oder aufgrund neuer Erkenntnisse sich erweisenden - Lebens-, Gesundheits- oder erheblichen Eigentumsgefährdung einen Widerruf zuläßt, versagt der Rechtsscheintatbestand der Genehmigung und ist das Vertrauen in ihren Bestand verfassungsrechtlich nicht geschützt. Es ist daher bei verfassungskonformer Interpretation auch nach § 2I Abs. 4 BlmSchG nicht schutzwürdig; der Rechtsverlust wird nicht entschädigt620. bb) Der Widerruf nach § 2I Abs. I Nr. 5 zum Zweck der Vorsorge Daraus könnte sich ein möglicher eigenständiger Anwendungsbereich eines Widerrufs aus Gründen des Gemeinwohls nach§ 2I Abs. I Nr. 5 BlmSchG621 ergeben. Die insoweit vorauszusetzenden "Nachteile für das Gemeinwohl" sind nach überwiegender Auffassung keineswegs durch den Begriff des Nachteils i. S. der Legaldefinition des§ 3 Abs. I BlmSchG abschließend definiert, sondern umfassen überhaupt schädliche Umwelteinwirkungen (§§ 1, 3 Abs. I, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG) sowie sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen (§§ 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG)622, wobei unterhalb der Schwelle erheblicher Gefahren angesichts der Rechtsscheinwirkung der Genehmigung, auf welche der Anlagenbetreiber bei Beachtung der verkehrsmäßi619 RGZ 19, 353 (360); vgl. Stödter, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 43. 620 Dementsprechend läßt die Bestimmung des § 56 Abs. 2 UGB-AT (E) über den Widerruf aus Gründen einer nachträglich eintretenden, erheblichen Gefährdung, eine Entschädigungspflicht zu Recht nicht entstehen: "Für die Aufhebung der Bewilligung gilt § 76 mit der Maßgabe, daß eine Entschädigung nicht gewährt wird, wenn der Widerruf wegen einer nachträglich eingetretenen, in der bewilligten Anlage oder Tätigkeit begründeten erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit, der Nachbarschaft oder der Beschäftigten ausgesprochen wurde", S. 62, vgl. Schmidt-Aßmann, in: Kloepfer!Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 278 f.; wobei in Analogie zur Regelung der §§ 49 Abs.S Satz 2, 48 Abs. 3 Satz 3 VwVfG besser bestimmt werden sollte, daß das Vertrauen des Begünstigten in diesem Falle nicht schutzwürdig ist. -Eine Übergangsregelung ist in solchen Fällen untunlich: Sie wäre nur sinnvoll, wenn sich der Belreiber auf veränderte Umstände einzustellen hätte. Es kann indessen einerseits auch unter der jetzigen Rechtslage nicht angenommen werden, daß der Genehmigungsinhaber seinen Anlagenbetrieb geradezu auf eine Umweltgefährdung habe ausrichten, diese mithin in sein berechtigtes Vertrauen auf den behördlichen Bescheid habe einbeziehen wollen. Andererseits bildet der zu streichende Entschädigungsanspruch selbst keinen möglichen Bestandteil des schutzwürdigen Vertrauens in die Genehmigung, da er ja verfassungsrechtlich nicht geboten ist, vgJ: o. in Fn. 228, 236. Aus den nämlichen Gründen stellte auch § 21 Abs. 4 BlmSchG entgegen Jarass, BlmSchG, § 67, Rdnr. 7 bereits keinen Eingriff in eine (durch§ SI GewO umschriebene) Verfassungsrechtsposition dar. Im übrigen ist fraglich, ob nach§ SI GewO mehr zu ersetzen war als der Vertrauensschaden. Für die Begrenzung auf letzteren jedenfalls RGZ 19, 353 (360); vgl. auch Anschiitz, VerwArch 5 (1897), S. I, 127. 621 Hansmann, in: L.andmann/Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr. 43. 622 Feldhaus, in: Feldbaus, BlmSchR, Bd. I, § 21 BlmSchG, Anm. 8; Hansmann, aaO, Rdnr. 44.

Viertes Kapitel: "Wohlerworbene Emissionsrechte" des Anlagenbelreibers

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gen Sorgfalt auch vertrauen darf, die Entschädigung diesmal nicht entfä!lt623 . In diesen Fällen einer wesentlichen Änderung der Sachlage bedürfte es freilich gar nicht des Auffangtatbestands des § 21 Abs. I Nr. 5 BlmSchG624: Bereits § 2I Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG bietet ja eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage, und der Vertrauensschutz ist ohnehin im Einzelfall nach § 2I Abs. 4 gesondert zu prüfen. Dagegen bedient sich die emissionsbezogene Vorsorge nach § 5 Abs. I Nr.

2 BlmSchG "echter" Rechtsänderungen, weil sie mit ihrer über den Einzelfall

hinausweisenden Einschätzung nicht individuell zurechenbarer Umweltverhältnisse einer vielschichtigen Abwägung und aufgrund dieses wertenden Charakters der positiven rechtlichen Festsetzung bedarf, aus der allein Abweichungen sich definieren: Der anlagenbezogene Stand der Technik, auch soweit er sich in Emissionsgrenzwerten niederschlägt, ist ausschließlich aus der Makroperspektive eines umfassenden Vorsorgekonzepts zu rechtfertigen. Ein "tatsächlicher" Verstoß gegen ein solches auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG gestütztes Vorsorgekonzept ist also nicht denkbar, weil dieses nur durch Rechtssetzung allgemeingültige Gestalt annimmt und daher eine rechtliche Regelung notwendig voraussetzt, gegen welche dann verstoßen wird625 . Hält daher das Gesetz mit§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG gerade für die Fälle gravierender Rechtsänderungen im Vorsorgebereich eine Widerrufsermächtigung bereit? Oder perpetuiert es mit § 21 Abs. I Nr. 4 BlmSchG den vorhandenen Genehmigungsbestand? Auch wenn man einräumt, daß die "Nachteile" des§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG schwerwiegend sein müssen, das Ausmaß einer Gefahr aber nicht zu erreichen brauchen626, erscheint ein einseitig am Schutzgebot orientierter Nachteilsbegrift627 noch zu eng. Bezogen wird er in § 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG schließlich auf "das Gemeinwohl", wie es der Gesetzge623 Diese Differenzierung trägt dem - durch den Bezug auf die Rechtsordnung auch im Gefahrenbereich- stark erweiterten, weniger rechtsgutorientierten SchädlichkeilSbegriff Rechnung. 624 Waren die gefahrbegründenden Tatsachen bereits zum Zeitpunkt der Genehmigung gegeben, handelt es sich um einen Rechtsanwendungsfehler, der unter§ 48 (L)VwVfG fällt. 625 Etwas anders Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 21 BlmSchG, Rdnr. 35 a.E.: bei grundlegender Gefährdung des Vorsorgekonzepts. 626 Das entspricht, wie der Blick auf § 51 GewO zeigt, der Tradition des anlagenbezogenen Umweltschutzes und gibt dem Eintreten der Entschädigungspflicht in all den Fällen gesetzlichen Ausdruck, die keine (erhebliche) Gefährdung der Nachbarschaft oder Allgemeinheit mit sich bringen, vgl. Stich/Porger, BlmSchG, § 21, Anm. 19. Enger: Jarass, BlmSchG, § 21 Rdnr. 17: nur bei Gefahren i. S. von § 25 Abs. 2 BlmSchG< ähnlich und in sich widersprüchlich Hansmann, aaO, Rdnr. 44, da die Begrenzung auf Gefahren den umfassenden Nachteils-Begriff konterkariert. 627 Hansmann, aaO, Rdnr. 17, 44. "Verhütung" von Nachteilen meint lediglich die präventive Abwehr konkret drohender (zurechenbarer) Nachteile, nicht Vorsorge nach § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG, aaO, Rdnr. 46; vgl. auch Feldhaus, in: Feldbaus, BlmSchR, Bd. I, § 21 BlmSchG, Anm. 8.

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Erster Teil: Der rechtliche Rahmen genehmigungsbedürftiger Umweltnutzung

ber des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ausgehend von § 1 auch i. S. einer Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen gern. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG näher bestimmt hat. Gehen mögliche Beeinträchtigungen der so vom Gesetz geschützten Rechtsgüter in nicht mehr individualisierbarer Weise auf die Auswirkung einer Vielzahl von Anlagen zurück, ist der richtige Ort der gebotenen Maßnahmen die abstrakt-generelle Ebene eines Vorsorgekonzepts, das sich nicht an (möglichen) Schäden orientiert, die sich von Fall zu Fall der einzelnen Anlage zurechnen lassen. Gerade dieses als rechtlich zu qualifizierende Gesamtkonzept, in dem sich die Vorsorge manifestiert und das, soweit es auf eine Sanierung von Altanlagen zielt, regelmäßig an der Hürde des § 21 Abs. 1 Nr. 4 BimSchG scheitern müßte, kann den Widerruf einer Genehmigung rechtfertigen, von der bereits Gebrauch gemacht wurde628 . Selbst wenn von der einzelnen Anlage keine i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 5 nachweisbaren nachteiligen Umwelteinwirkungen, sonstigen Gefahren, Nachteile oder Belästigungen verursacht werden, darf die ein umfassendes Vorsorgekonzept "störende" Anlagengenehmigung widerrufen werden, soweit diese Maßnahme das Gesamt(sanierungs)konzept fördert, und d.h. maßgeblich dazu beiträgt, das Eintreten von Umweltbeeinträchtigungen durch Vorsorge zu verhindern 629 . Denn im Ergebnis dürfen die politisch legitimierten Instanzen an der Durchsetzung eines vom Gemeinwohl erforderten Gesamtkonzepts nicht dauerhaft durch überkommene Besitzstände gehindert werden. Die Grenze der regelmäßigen Rechtsänderung zum gewichtigen Sonderfall, dessen (Neu-)Regelung auch vor der ausdrücklichen Erlaubnis nicht haltmacht, ist dennoch nicht einfach und vor allem nicht ohne Wertung zu ziehen. Sie dürfte aber erreicht sein, wenn die Emissionen einer Altanlage abstrakt-generell vorgesehene Grenzwerte beträchtlich überschreiten630 und dadurch das Kompensationskonzept des Normgebers gefährden. Das entspricht, mit der seinerzeit vom Bundesverwaltungsgericht gegebenen Begründung, jedenfalls dann der von der Verfassung i. S. konzeptgebundener Rechtfertigung gezogenen, den Widerruf zulassenden Eingriffsgrenze, wenn die Entschädigungspflicht aufrechterhalten wird. Denn es bleibt dabei, daß für das Gesamtkonzept nicht nach Art der polizeilichen Störerhaftung gerade der einzelne Anlagenbetreiber geradezustehen braucht. Dafür fehlt es an der Verursachung einer konkreten Gefahr, mithin an der notwendigen Zurechnungsbasis. Da es sich bei extremen Abweichungen wieder um Sonderfälle handelt, steht der gebotenen Geldentschädigung verfassungsrechtlich nichts im Wege.

628 Vgl. allgemein zu dieser Bedeutung der Gemeinwohlklausel bei Rechtsänderungen, Maurer, Allgerneines Verwaltungsrecht, § II, Rdnr. 44. 629 So auch Hansmann, in: Landrnann!Rohrner, UrnweltR I,§ 2 1 BlmSchG, Rdnr. 35, 46, 61, wo diese Konstellation freilich als Änderung der Sachlage verstanden wird. 630 Wie etwa nach Nr. 4.2.2 TA Luft, vgl. die Wertung in 4.2.9 TA Luft.

Zweiter Teil

Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz

Fünftes Kapitel

Der gesetzliche Tatbestand der Kompensation I. Der positive Begriff der Kompensation 1. Kompensationen in Erfüllung des Schutzgebots (lmmissionsbereich)

a) Die Einhaltung der Schädlichkeitsgrenzen durch Ausgleichsmaßnahmen und deren Sicherung

Schon mehrfach wurde darauf hingewiesen, daß, wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz ganz allgemein zwischen unmittelbar abwehrenden und auf Dauer vorbeugenden Maßnahmen gegen schädliche Umwelteinwirkungen, zwischen Schutz- und Vorsorgeprinzip unterscheidet(§ 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BlmSchG), so auch Kompensationsmaßnahmen dem einen oder dem anderen Teilzweck zu dienen vennögen. Der mit dem Begriff der Kompensation angesprochene Ausgleich zwischen zweckwidrigem und zweckverträglichem Verhalten kann dementsprechend, ohne daß allerdings die Unterscheidung derjenigen von Schutz- und Vorsorgeprinzip völlig parallel liefe (dazu unten § 7), Immissionen oder Emissionen zu seinem Gegenstand haben. Zum echten Instrument des Umweltschutzes ausgebaut hat der Gesetzgeber freilich nur die Kompensation im Emissionsbereich. Ihr hat er in Ennächtigungen, die sich an den untergesetzlichen Vorschriftengeber (§§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BlmSchG) wie die im Einzelfall agierende Verwaltung (§ 17 Abs. 3a BlmSchG) wenden, eine aUgemeingültige Fonn gegeben. Dagegen hat der Gedanke einer Kompensation im Immissionsbereich eine im Sonderfall des § 67a Abs. 2 BimSchG auf die neuen Bundesländer begrenzte, nicht aber durchgängige gesetzliche Anerkennung erfahren 1.

1 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 36, 47 ff.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

Der Grund liegt in der gleichfalls bereits dargelegten wesensmäßigen Differenz von Schutz- und Vorsorgeprinzip: Während das letztere die Verantwortung für die Minimierung eines Restrisikos, welches sich nicht exakt begrenzen oder konkret zurechnen läßt, notgedrungen an den Betrieb der je einzelnen Anlage und folglich die anlagenbezogen definierten Emissionen (§ 7 Abs. I Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 und 3 BimSchG) knüpft, nimmt ersteres zwar gleichfalls den Betreiber der Anlage als der potentiellen Schadensquelle (§ 4 BimSchG) in Anspruch. Der - kausal zurechenbare - zu vermeidende Schaden selbst wird aber einwirkungs-und damit umgebungsbezogen bestimmt(§§ 3 Abs. 1, mit 5 Abs. I Nr. I BimSchG). Die Gesamtheit aller Immissionen am fraglichen Punkt ergibt folglich den für den- Schadenstatbestand normativ maßgeblichen Befund2 . In der Konsequenz ist der normative Unterschied zwischen Alt- und Neuanlagen, zwischen Anlagen mit rechtmäßiger und rechtswidriger Genehmigung ein Stück weit nivelliert. Zu- und Abnahme der von verschiedenen Quellen stammenden Immissionen lassen sich - soweit Immissionswerte als Einheit gleicher Wirkung angegeben werden können - ohne weiteres einwirkungsbezogen miteinander verrechnen, um sodann das Resultat an der Norm des Gesetzes zu messen. Ausgleichsmaßnahmen stellen deshalb auch nicht etwa ein exklusives Instrument der Sanierung von (rechtmäßig genehmigten oder angezeigten) Altanlagen dar, sondern können - als jeweils milderes Mittel - gleichermaßen einen Rechtsmangel der Genehmigung beheben oder Neuanlagen genehmigungsfähig machen. Nur wären die Ergebnisse in der je gegebenen Weise: entweder durch Bedingungen zur Genehmigung bzw. Änderungsgenehmigung (§ 12 Abs. 1 BimSchG) und damit zeitgleich mit diesen 3 oder anderweit durch nachträgliche, bedingte Anordnung (vgl. Nr. 4.1.2 TA Luft) zu fixieren 4 . Eine aufschiebende Bedingung zur (Änderungs-) Genehmigung könnte die Wirksamkeit dieses anlagenbezogenen Verwaltungsakts von (genehmigten5) Maßnahmen an anderen Anlagen- auch Dritter- abhängig machen6, welche den rechtlich geforderten Sicherheitsstandard im Beurteilungsgebiet herstellen. Umgekehrt ließe eine auflösende Bedingung die Genehmigung entfallen, wenn die fraglichen Sanierungsmaßnahmen nicht innerhalb der gesetz2 Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 10, 36; Sellner, lnunissionsschutzrecht, Rdnr. 54. 3 Jarass, aaO, § 12, Rdnr. 11, § 15, Rdnr. 28. Schon daraus folgt, daß die Beteiligung einer vor Erteilung der Genehmigung nach § l5a Abs. 1a BlmSchG zugelassenen Anlage auf der PassivSeite der Kompensation ausscheidet. Denn in diesem Spezialfall erlaubt das Gesetz nur Auflagen zur Zulassungsentscheidung, nicht aber Bedingungen, § 15a Abs. 2 Satz 2 BlmSchG, Jarass, aaO, § 15a, Rdnr. 12. 4 Allgemein Jarass, aaO, § 5, Rdnr. 22. 5 Auch wo dies nicht ausrücklieh angeordnet würde, versteht sich von selbst, daß nur rechtmäßige, also ggf. auch genehmigte Maßnahmen in Betracht kommen, da die Behörde keine rechtswidrigen Nebenbestimmungen erlassen darf(§§ 4, 12 Abs. l BlmSchG). 6 Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 194; Feldhaus!Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 567 (r. Sp.); Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 28; ebenso Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. 1, § 12 BlmSchG, Anm. 7.

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ten Frist vorgenommen werden7 . Die Sicht der nachträglichen Anordnung, die ja einen bereits aufgenommenen Betrieb neu regelt, ist eine andere: Hier wird deshalb - wenn man nicht auf die Möglichkeit des § 80 Abs. 4 VwGO zurückgreifen und die Vollziehung aussetzen will - nur eine aufschiebende Bedingung (nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 [L]VwVfG, nicht § 12 BlmSchG) in Betracht kommen, die die Wirksamkeit der nachträglichen Anordnung an das Ausbleiben fristgemäßer Verbesserung, Stillegung oder Beseitigung anderer Anlagen knüpft. Die Soll-Bestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG steht im konkreten Fall nicht entgegen: Die Ersatz-Maßnahme an einer anderen Anlage belastet zwar den Betroffenen weniger, fördert dabei aber den Gesetzeszweck in gleichem Maße und rechtfertigt sich vor dem das Anordnungs-Ermessen der Behörde einschränkenden Schutzgebot durch die mit dem Kompensationsangebot gegebene atypische Situation8. Wird die aufschiebende Bedingung mit einer Anfangsfrist verbunden, die dem (fiktiven) Nachrüstungsaufwand des eigentlich pflichtigen Adressaten Rechnung trägt, so wird eine zeitliche Verzögerung vermieden und gerade durch die - rechtsförmig gesicherte - Kompensationsvereinbarung ein ausreichender Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen gewährleistet. Auf diesem Hintergrund scheint es daher auch denkbar, eine nachträgliche Anordnung -ohne Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG nur zum Teil unbedingt, zum Teil aber - im Rahmen einer Kompensation - bedingt zu erlassen. Der Betreiber der pflichtigen Anlage kann genauso eine (technisch mögliche, ihm günstiger erscheinende) nachträgliche (Teil-)Anordnung (Teilkorrektur) in Verbindung mit einer Kompensation anstelle der an sich verhältnismäßigen und materiell-rechtlich gebotenen nachträglichen Anordnung gern. § 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG anbieten. Wird der Erfolg der Maßnahmen hoheitlich sichergestellt, so ist dem Schutzzweck des Gesetzes und damit dem "Sollen" vollauf genüge getan. Dies alles war der Sache nach bereits Hintergrund der Voerde-Entschcidung des Bundesverwaltungsgerichts9 und begegnet, soweit der Schutzgrundsatz den 7 Hansmann, aaO.; Kutscheidt, NVwZ 1983, S. 581, 582; Vallendar, aaO; Feldhaus/Ludwig, aaO. 8 Vgl. Jarass, BimSchG, § 17, Rdnr. 37 f.; auch Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 174 f. 9 Vgl. BVerwGE 55, 250. Vgl. Jarass, aaO, § 5, Rdnr. 21; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 37 f. - Der ex-post-Perspektive der nachträglichen Anordnung, Nr. 4.2.1 TA Luft, kann es (deflnitionsgemäß) nicht auf die Vorbelastung, vielmehr nur den Beitrag der zu überwachenden Anlage zu der durch Messungen zu erhebenden Gesamtbelastung ankommen, Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.6.1 TA Luft, Rdnr. 16 ff. Der Unterschied zwischen der Kompensation zur Einhaltung der Schädlichkeitsgrenze und der zu Sanierungszwecken verliert sich infolgedessen. Er besteht im wesentlichen noch darin, daß letztere für die (Über-)Kompensation eines lediglich geringfügigen Immissionsbeitrags eine relativ großzügige Frist einräumt, während erstere sofortigen Ausgleich verlangt und lediglich den unbedingt erforderlichen Nachrüstungszeitraum anerkennt.

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feststehenden Entscheidungsrahmen liefert, keinen Bedenken. Allenfalls wäre in konsequenter Fortführung des Gedankens der Verweis auf die nachträgliche Anordnung (Nr. 4.1.2 TA Luft) um den Widerruf nach§ 21 BlmSchG als ein Mittel nachträglicher Realisierung des Schutzgebots zu ergänzen: Auch vom Widerruf - und das gilt entsprechend von der Rücknahme - darf die Behörde ausnahmsweise trotz der sie treffenden (§§ 17 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 2 Satz 2 [analog] BlmSchG) Durchsetzungspflicht absehen, soweit den Schutzanforderungen anderweit rechtswirksam Rechnung getragen ist. Der notwendige rechtliche Zusammenhang wäre auch hier durch eine (aufschiebende) Bedingung sicherzustellen 10. Nur wird tatsächlich diese Konstellation im Immissionsbereich kaum je auftreten. Nicht nur, weil die Unverhältnismäßigkeit der nachträglichen Anordnung für einen beträchtlichen, von anderen Anlagen meist nicht zu befriedigenden Ausgleichsbedarf spricht. Wann immer Verbesserungsmaßnahmen an einer anderen Anlage zur Erfüllung seiner Grundpflicht in Betracht kommen, wird der Betreiber der vom Widerruf bedrohten Anlage das mildere Austauschmittel der bedingten nachträglichen Anordnung anbieten, das die Behörde - bei gleicher Eignung - akzeptieren muß. Wird die Bedingung dann nicht erfüllt, kommt es nicht sofort zur Stillegung (§ 20 Abs. 2 BlmSchG 11 ), sondern muß erst noch die nachträgliche Anordnung vollstreckt, bzw. der Betrieb der Anlage (teilweise) untersagt werden (§ 20 Abs. 1 BlmSchG). Unabhängig vom angewandten Mittel kann aber ein bislang im Rahmen des Erlaubten sich haltender, dritter Anlagenbetreiber nicht gegen seinen Willen in die Kompensation, die eine Verschlechterung seiner Rechtsposition bedeutet, einbezogen werden. Auch wenn die Änderungsmaßnahmen dauerhaft rechtlich zu sichern sind, um den Erfolg der Kompensation zu gewährleisten 12, bleibt polizeipflichtig zunächst der (begünstigte) Störer, gegen dessen für sich betrachtet nicht genehmigungsfähige bzw. umgekehrt sanierungspflichtige Anlage sich der Rechtszwang vorrangig wendet. Die Sanierungsmaßnahmen selbst werden deshalb grundsätzlich nicht vollstreckbar angeordnet 13 . Ergreift näm10 Die Ausschlußfrist des § 21 Abs. 4 Satz 4 BlmSchG begrenzt den verfassungsmäßigen Anspruch auf Entschädigung in zulässiger Weise. Würde sie durch Mitteilung der Behörde bereits mit Wirksamwerden des bedingten Widerrufs und damit vor Eintritt der Rechtsfolgen in Gang gesetzt, so könnte der Anspruch bis zum Ablauf der Frist nicht sinnvoll berechnet werden. Ein entsprechender Antrag wäre verfrüht. Ein solcher - gegen den verfassungsmäßigen Anspruch des Belreibers auf verhältnismäßige Belastungen verstoßender - Rechtsfehler der Behörde wäre zugleich mit der Verpflichtungsklage gegen die spätere behördliche Weigerung geltend zu machen, den Entschädigungsanspruch nach§ 21 Abs. 4 Satz 3 BlmSchG festzusetzen(§ 44a VwGO). 11 Bei anzeigepflichtigen Anlagen für erhebliche Gefahren im Rahmen der Ermessensreduktion nach§ 25 Abs. 2 BlmSchG, ansonsten nach allgemeinem Polizeirecht 12 Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 22. l3 Vgl. Kutscheidt, NVwZ 1983, S. 581,582.

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lieh der Betreiber der Drittanlage nur nicht-genehmigungsbedürftige Maßnahmen, nimmt er etwa unwesentliche Änderungen vor oder legt er die Anlage still, reicht es aus, den Minderungserfolg durch zusätzliche Bedingungen (auflösende Bedingung zur Genehmigung, aufschiebende Bedingung zur nachträglichen Anordnung) gegenüber der begünstigten Anlage zu sichern. Erst wenn die Dauer der Stillegung die Frist des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG übersteigt oder die Maßnahmen an der Drittanlage auf deren- im übrigen auch baurechtlieh genehmigungsbedürftige - Beseitigung zielen, wird auch die Rechtsposition des aktiv beteiligten Anlagenbetreibers tangiert. Eine erneute Aufnahme des Anlagenbetriebs oder die Wiedererrichtung der Anlage wären ohne Genehmigung unzulässig. Wesentliche Änderungen an der Drittanlage bedürfen indessen schon von vorneherein einer Genehmigung, § 15 BimSchG 14. Diese wird zwar auf Antrag des Betreibers der Drittanlage und folglich nur mit dessen Willen erteilt. Dennoch konkretisiert sie die Schutzpflicht in rechtsverbindlicher Weise und sanktioniert damit eine Änderung der Sachlage (Zulassung der neuen Anlage), an die derBetreiberfortan gebunden ist. Auf seine rechtliche Ausgangsposition kann er nicht mehr zurückkehren. Der Immissions-Nutzungsraum ist neu verteilt. Darin äußert sich die nicht anlagen- sondern einwirkungsbezogene Perspektive des Gesetzes. b) Reduktionen des allgemeinen Schädlichkeitsstandards

Die TA Luft erlaubt zugunsten des Betreibers im Immissionsbereich ein Abweichen von dem im übrigen geltenden Schutzstandard unter anderem dann, wenn die von der Anlage verursachte Zusatzbelastung geringfügig ausfällt (Irrelevanzklauseln). Das gilt nicht nur für den Schutz vor Gesundheitsgefahren (Nr. 2.2.1.1 lit. b), sondern in noch weiterem Umfang für den Schutz vor erheblichen Nachteilen und Belästigungen (Nr. 2.2.1.2 Iit. a Abs. 2, Iit. b u. c). Diese Ausnahmeklauseln sind auch auf Änderungsgenehmigungen (Nr. 2.2.3.2 Satz 1) sowie nachträgliche Anordnungen (Nr. 4.1.2) entsprechend anzuwenden. Die Einschätzung ihres Ausnahmecharakters freilich differiert: Teils sieht man den rechtlichen Kern der Regelung gerade in der Bedingung der Geringfügigkeit eines in der Folge nicht nachweislich kausalen und damit auch nicht i.S. des Gesetzes als schädlich zurechenbaren Immissionsbeitrags 15. Da aus dieser 14 Vgl. auch BVerwGE 55,250 (266).

15 Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 17, 25, Nr. 2.2.1.2, Rdnr. 7; Kutscheidt, in: Landmann!Rohmer, aaO, § 7 BimSchG, Rdnr. 39i; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 132 f. (mit verschiedenen Begründungsansätzen); Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 38 f., freilich nicht eindeutig, vgl. in Fn. 15; Se/lner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 55; Va/lendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I, § 67a BlmSchG, Anm.4.

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Sicht Irrelevanzklauseln ihre Rechtfertigung in sich tragen, erscheint ihr Zusammenhang mit Sanierungsanforderungen wie er in Nr. 2.2.1.1 lit. b TA Luft hergestellt wird (und in Bezugnahme auf diese Vorschrift in Nr. 2.2.1.2 lit. b und 2.2.3.2 Satz 1 TA Luft), nicht notwendig 16. Nach anderer Auffassung konkretisieren solche Klauseln dagegen den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen und legen abstrakt-generell fest, was als "erheblich" zu gelten hat17, so etwa, wenn auf Zusatzbelastungswerte als besondere Grenze der Irrelevanz abgehoben und die als unerheblich eingestufte Belastung erlaubt werde (Nr. 2.2.1.2 mit Anhang A) 18. Als Konkretisierungen des Schädlichkeitsstandards lassen sich dann die fraglichen Ausnahmeregelungen, soweit sie nicht dem Freiheitsanspruch des Setreibers geschuldet sind, ohne weiteres mit Bedingungen verknüpfen, die sie in den weiteren normativen Kontext des Sanierungsgedankens einfügen 19. Je nachdem, welche Auffassung zutrifft, kommt auch Kompensationsmaßnahmen eine beliebige oder unverzichtbare Bedeutung zu. Betrachtet man, um die Streitfrage zu klären, zunächst die Funktion der isolierten Irrelevanzklauseln, die Nr. 2.2.1.2 TA Luft bei der Prüfung von erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen in Gestalt von Zusatzbelastungswerten einführt20, so gilt zwar auch hier grundsätzlich, daß der Anlagenbetrieb unzulässig ist, wenn die von der Anlage hervorgerufene Zusatzbelastung die erlaubte Gesamtbelastung überschreitet (Nr. 2.2.1.2 lit. a Abs. 1). Im übrigen aber zeichnen sich die zum Schutz vor Nachteilen und Belästigungen aufgestellten Immissionsbegrenzungen durch ihren Richtwertcharakter aus21 , nach welchem die Ausnahme von der Regel von vomherein relativ ausgedehnte Rücksicht erfordert. Den Grund hierfür reflektiert die Verwaltungsvorschrift in zwei verschiedenen Aspekten: Nachteile und Belästigungen erscheinen in ihrem abstrakt-generell zu bestimmenden Störungsgehalt zum einen weniger intensiv, gerade weil sie sich ihrem Charakter nach weniger scharf abgrenzen lassen, sondern stark situationsgeprägt und mehr von subjektiven Wertschätzungen abhängig sind. Der Schutz vor solchen Beeinträchtigungen fällt zwangsläufig ein Stück relativer aus als derjenige vor Gesundheitsgefahren. Auch wenn nach Ermittlung der Immissionskenngrößen feststeht, daß die zulässige Ge16 Insb. Hansmann, aaO, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 17, 25; Nr. 4.1, Rdnr. 6; ders., NVwZ 1991, s. 316, 317. 17 Feldhaus/Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 568 (r. Sp.); Kalmbach/Schmiilling, TA Luft, Rdnr. 15, S. 127, Rdnr. 17, S. 128. 18 Feldhaus/Ludwig, aaO. 19 Feldhaus/Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 567; Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 12, S. 125. 20 Zu der in der Praxis angezeigten Prüfungsreihenfolge Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, TA Luft Nr. 2.2.1 .2, Rdnr. 4. 21 Feldhaus/Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 566; Kalmbach/Schmiilling, TA Luft, Rdnr. 18, S. 128, Rdnr. 45, S. 161.

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samtbelastung durch den Immissionsbeitrag einer Anlage überschritten wird, bleibt darum die Behörde mit Blick auf mögliche besondere Umstände des Einzelfalls (der Art der kollidierenden Nutzungen, der natürlichen Umgebung, spezifischer Witterungsverhältnisse etc.) noch zu einer eigenständigen Sonderfallprüfung und -entscheidung befugt (Nr. 2.2.1.2 lit. d mit 2.2.1.3 Abs. 3 lit. b u. c) - was bei Beachtung der oben entwickelten Maßgaben nicht zu beanstanden ist. Diese für ein abstrakt-generelles Regelwerk nicht untypische Ausnahmevorschrift wird aber zum anderen durch ein System von Irrelevanzklauseln ergänzt. Sie legen, wenn die Vorbelastung die abstrakt-generell bestimmten Immissionswerte auf einer Beurteilungsfläche überschreitet, für die Zusatzbelastung verschieden ausgedehnte Toleranzzonen fest, je nachdem, ob die betreffenden Schadstoffe Nr. 2.5.1 (Schutz vor Gesundheitsgefahren) oder Nr. 2.5.2 (Schutz vor erheblichen Nachteilen und Belästigungen) zugeordnet sind22 . Diese Toleranzzone wird (durch Nr. 2.2.1.2 lit. c) für die zuletzt genannten Stoffe mit den Zusatzbelastungswerten des Anhangs A großzügiger bestimmt23 als für die potentiell gefährlicheren Schadstoffe nach Nr. 2.5.1 TA Luft. Für diese gilt nach Nr. 2.2.1.2lit. b TA Luft, auch soweit sie Nachteile und Belästigungen herbeiführen können, die - mit 1 % des IW1 strengere - Irrelevanzklausel der Nr. 2.2.1.1 lit. b aa) TA Luft zum Schutz vor Gesundheitsgefahren. Fragt man nun nach der Rechtfertigung solcher Ausnahmen, so fällt auf, daß sie in der Tat, wie Hansmann eingewendet hat, gar nicht ausdrücklich die Schädlichkeit als solche (abweichend) regeln, sondern die Zusatzbelastung zum Gegenstand haben und damit den konkreten Kausalbeitrag der einzelnen Anlage bewerten24. Insoweit wird also der Gesichtspunkt nur relativ "richtiger" Bestimmung und Ermittlung der Schädlichkeit von Immissionen zu Recht angeführt. Selbst im Bereich des Gesundheitsschutzes - und wohl erst recht, was die Abwehr von Nachteilen und Belästigungen angeht -, so lautet das Argument, ergebe die angezeigte wertende Betrachtung, daß nach§§ 5, 6 BimSchG "nicht jeder extrem kleine Immissionsbeitrag als zu beachtende Risikoerhöhung" (für die gesetzlichen Schutzgüter) angesehen werden könne. Sonst müssten angesichts der bestehenden Ungewißheiten einerseits, der Unvermeidbarkeil von Emissionen andererseits Errichtung und Betrieb von Anlagen im Wi22 Der Schutz besonders empfindlicher Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor den Schadstoffen

5.02 und F wird dadurch bewirkt, daß unabhängig von der Vor- und der Gesamtbelastung die

Uberschreitung der Zusatzbelastungswerte nach Anhang A zur Sonderfallprüfung nach Nr. 2.2.1.3 TA Luft führt, vgl. Feldhaus/Ludwig, aaO, S. 568. 23 Bis zu 3% des IW1 als zulässiger Zusatzbelastungswert, Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 17, S. 128. 24 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.2 TA Luft, Rdnr. 6.

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derspruch zur Entscheidung des Gesetzgebers grundsätzlich versagt werden25 . Ist das Irrelevanzniveau fehlerfrei festgesetzt26, läßt sich demnach unterhalb dieser Grenze objektiv nicht von kausal schädigenden Umwelteinwirkungen sprechen27 . § 5 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 BlmSchG begründet aber keine Haftung des Betreibers, sofern durch den Betrieb seiner Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen "hervorgerufen werden (können)". Nur erschöpft sich der rechtliche Gehalt der angesprochenen Bestimmungen nicht in der positiven Begrenzung der Verantwortlichkeit. Sie nehmen durch ihre Tatbestandsvoraussetzungen auch (einwirkungsbezogen) Stellung zur Immissionssituation im ganzen: Gerade indem sie von der Gesamtbelastung absehen, vielmehr davon ausgehen, daß die unzulässig überhöhte Vorbelastung, vermehrt durch den marginalen Beitrag der neu hinzutretenden Anlage, fortbesteht28, wird dieser eindeutig schädliche Zustand (Gesamtbelastung) in einem Akt der (Um-)Wertung unter bestimmten Bedingungen hingenommen. Darin liegt eine abstrakt-generelle Definition des allgemeinen Schädlichkeitsstandards, damit eine Ausgestaltung des gesetzlichen Schutzprinzips, die an § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG überprüft werden muß - selbst wenn Betreiber wie Nachbarschaft keine individuellen rechtlichen Nachteile erleiden sollten. Denn das Gesetz versteht Umweltschutz keineswegs zuletzt als Anliegen der Allgemeinheit29. Dieser Vorrang des Gesetzeszwecks auch in seinen objektiven (und nicht etwa subjektiv-rechtlich von der Verfassung geforderten) Gehalten führt zur Frage nach der genauen Regelungsintention des untergesetzlichen Vorschriftengebers und den gesetzlichen Schranken seiner Definitionsmacht

25 HansrtUU~n, aaO, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 18. 26 Näher ders., aaO, Rdnr. 19, Nr. 2.2.1.2 TA Luft, Rdnr. 7. 27 Ders., aaO, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 18 f., Nr. 2.2.1.2, Rdnr. 7. Insoweit zustimmend Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 39. Man kann deshalb auch sagen, die Immissionen seien umweltadäquat oder wirkten nicht - im polizeirechtlichen Sinne - unmittelbar gefahrdend, Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 132 f. In der Sache ändert sich dadurch nichts. 28 Daß dieses normative Absehen von den allgemeinen Belastungsverhältnissen eine definitorische Modifikation markiert, erkennen in der Sache auch an Laubinger, in: Ule!Laubinger, BimSchG, § 67a, Rdnr. D 8, der deshalb klarstellt, daß auch die erstmalige Überschreitung der zulässigen Gesamtbelastung durch die Zusatzbelastung die Genehmigung der Anlage nicht hindert; Hansmann, NVwZ 1991, S. 316, 317 f. - jeweils zu§ 67a Abs. 2 BlmSchG. 29 Vgl. BVerwG v. 22. 10. 1982, DVBI. 1983, S. 183 (r. Sp.).

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c) Sanierungsklauseln aa) Die Sanierungsklausel der Nr. 2.2.1.1 lit. b TA Luft Eine solche normative Reformulierung der Fragestellung ist allein schon deshalb geboten, weil sich bei näherer Betrachtung die Verknüpfung von Irrelevanz-Klauseln mit zusätzlichen (Sanierungs-) Bedingungen (im Rahmen der Prüfung von Gesundheitsgefahren, Nr. 2.2.1.1 lit. b TA Luft) nicht etwa nur als überflüssig 30, sondern konsequenterweise als schlicht rechtswidrig erweisen müßte, wollte man zur Erklärung der Irrelevanzklauseln ausschließlich auf die objektiv-naturwissenschaftliche Unmöglichkeit des Kausalitätsnachweises abstellen. Werden dem Betreiber nach Maßgabe der Irrelevanz der von ihm zu verantwortenden Immissionsbeiträge Vergünstigungen gewährt, gibt es diese schließlich nur um den Preis zusätzlichen Aufwands für umweltschutzfördernde Sanierungsmaßnahmen. Wären aber die für irrelevant erklärten, zusätzlichen Immissionen tatsächlich objektiv ungeeignet, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen, so erfolgte der Betrieb der Anlage völlig umweltneutral und wäre nach §§ 5 Abs. 1 Nr. I, 3 Abs. I BimSchG unbedenklich. Ihn gleichwohl an zusätzliche Bedingungen (künftiger Sanierung) knüpfen zu wollen, verletzte den gesetzlichen Anspruch des Betreibers (§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. I BimSchG)31 . Dieser Widerspruch wird vermieden, wenn man aus der Perspektive normativer Konkretisierung des Schutzprinzips die "Irrelevanz" von Immissionsbeiträgen als Fiktion qualifiziert32 , die negiert, daß sich selbst (normativ) irrelevante Beiträge rechnerisch zu relevanten Schäden addieren können. Schlägt also auch hier der Umstand zu Buche, daß die gesetzlichen Wertmaßstäbe nicht bruchlos die Wirklichkeit abbilden, sondern, wie dargelegt, das Schutzgut erst definieren, so wird man den zweiten Teil der - vom Vorschriftengeber in Gestalt einer kumulativ anzuwendenden Bedingung (Nr. 2.2.1.1 lit. b: "und") formulierten- Definition nicht einfach unterschlagen dürfen. Werden solche (logisch gleichrangigen) Bedingungen aufgestellt, läßt dies nur den einen Schluß zu, daß es dem Vorschriftengeber auf die Bewirkung eines bestimmten Effekts ankam und er die Regelung anders nicht getroffen hätte. Sämtliche Bedingungen haben als integraler und daher je für sich ernst zu nehmender Bestandteil einer einheitlichen, normativen Konkretisierungsentscheidung zu gelten: Nach 30 Vgl. Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 25; Nr. 4.1 , Rdnr. 6. 31 Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 186; problematisch daher die Schlußfolgerung von Hansmann, aaO, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 17. 32 Vgl. Feldhaus!Schmitt, WiVerw 1984, S. I, 19 f. ; Hansmann, aaO, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 18 f. 12 Enders

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ihr sind, was die Abwehr von Gesundheitsgefahren betrifft, Immissionsbeiträge in Belastungsgebieten nur dann als im Sinne des Gesetzes unschädlich zu beurteilen, wenn zur Irrelevanz der Sanierungserfolg hinzutritt. Daß mit der kombinierten Irrelevanz- und Sanierungsklausel der normativ maßgebliche, durch§§ 1, 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG umschriebene Konkretisierungsrahmen nicht überschritten ist, läßt sich aber wiederum auf zwei verschiedene Weisen erklären. Besonders plausibel erscheint auf den ersten Blick die Erwägung, daß die Bedingung der Irrelevanz der Ergänzung bedarf, weil und solange sie die Schädlichkeit des Immissionsbeitrags (mit 1 % Zusatzbelastung) nach naturwissenschaftlichen Maßstäben nicht wirklich ausschließt, sondern eine Risikoerhöhung zuläßt, die freilich "am Beginn der naturwissenschaftlichen Kausalität" angesiedelt ist33 . Bedenken wegen der deswegen verbleibenden Schmälerung des Schutzprinzips, scheint der Sanierungsgedanke auszuräumen, indem er eine - über die Zusatzbelastung hinausgehende - Minderung der schädlichen (Gesamt-) Immissionen auf der überlasteten Fläche vorsieht34 . Sollen nämlich auf der jeweiligen Beurteilungsfläche die Immissionen im Jahresmittel35 trotz der Zusatzbelastung reduziert werden, so wird das Minderungsgebot der Sanierungsklausel (Nr. 2.2.1.1 lit. b bb) auf die Gesamtbelastung ("die Immissionen auf dieser Beurteilungsfläche") bezogen, die zur bestehenden (Vor-)Belastung ins Verhältnis gesetzt wird: es sollen mehr Immissionen wegfallen als neue hinzukommen 36 . Versteht man aber die Sanierungsbedingung derart als - aus der Sicht des Gesetzes - zwingend gebotene Ergänzung der lrrelevanzklausel, die erst die konkrete Betreiberpflicht hervorbringt, so müßte beider Verknüpfung gerade den konstatierten Rechtsmangel beheben, daß auch geringfügige Immissionsbeiträge gegen den allgemeinen Schutzstandard verstoßen. Die Sanierungspflicht diente unmittelbar dem Ausgleich von Unzulänglichkeiten der IrrelevanzklauseL Nun ist angesichts dieses normativen Defizits einerseits klar, daß auch der normativ irrelevante Immissionsbeitrag in Wirklichkeit ein gewisses Schädlichkeitspotential birgt: Er trägt in Wirklichkeit kausal zur Belastung bei und ist daher verboten. Andererseits bewirkt die Zulassung der Anlage, wenn sie in der beschriebenen Weise mit Sanierungsmaßnahmen verbunden ist, kein 33 In diese Richtung Feldhaus/Schmitt, aaO, S. 1, 6 f., 19 f. (ZitatS. 20); zustimmend Vallen· dar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 67a BlmSchG, Anm. 4. 34 Feldhaus/Schmitt, aaO, S. 20. 35 Im Jahresmittel lassen sich Vorbelastung und Zusatzbelastung verläßlicher ermitteln, so Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 22; Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 12, S. 125. Kritisch Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 22, 25. 36 Hansmann, aaO, Rdnr. 27; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 39, spricht dagegen unzutreffend davon, daß der "Immissionsbeitrag der neuen Quelle durch gleichzeitige Emissionsminderungen ... erheblich, also mindestens um ein Drittel" abgesenkt werde.

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Anwachsen, sondern eine Minderung der Gesamtbelastung. Die Gesamtbelastung würde mit jeder weiteren entsprechend bedingten Genehmigung weiter sinken und schließlich in einen unschädlichen Zustand umschlagen. Dieses Konzept der schrittweisen, relativen Verbesserung sieht aber keine Aussage über das absolute Belastungsniveau vor. Die Minderung der Gesamtbelastung relativ zur tatsächlich bestehenden, als solcher nicht normativ eingegrenzten Vorbelastung sagt bewußt nichts darüber aus, ob die- tatbestandsmäßig überschrittenen - Immissionswerte wirklich bis auf die Schädlichkeitsschwelle gesenkt werden 37 . Das bedeutet: Die allgemeine Umweltsituation wird zwar verbessert, die - nach dieser Auffassung normativ vorauszusetzende - Schädlichkeit des konkreten Immissionsbeitrags der Neuanlage wird aber durch die Sanierungsmaßnahmen nicht mit der erforderlichen rechtlichen Notwendigkeit ausgeglichen und d.h. aufgehoben. Damit fehlt es dem hier erörterten Modell an einer überzeugenden Rechtfertigung der Sanierungspflicht vor dem Schutzprinzip. Gleichwohl geht dieses in seinen Konsequenzen abzulehnende Modell von zutreffenden Überlegungen aus: Sanierungsbestrebungen liegen im Interesse des Umweltschutzes, vermögen aber vor § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG den an sich unzulässigen Anlagenbetrieb in Belastungsgebieten nicht rechtmäßig zu machen, solange sie die allgemeine Belastung nicht bis zur Unschädlichkeit senken. Will man deshalb bei der Anlagenzulassung ohne Einbußen für den Rechtsgüterschutz von der Gesamtbelastung absehen, so muß man das nur relativ schädlichkeitsorientierte Kriterium des (kausal zurechenbaren) Sanierungserfolgs um ein absolut anlagenbezogenes Moment: die isolierte Bewertung des einzelnen Immissionsbeitrags ergänzen. Nur entsprechen diese absolute, anlagenbezogene Wertung der Irrelevanzklausel und die nur relativ einwirkungsbezogene Sanierungsbedingung einander rechtlich nicht von selbst, weil erstere allein auf den Kausalitätsnachweis zielt, während letztere den punktuell und kausal der Anlage zurechenbaren - relativen Rückgang des allgemeinen Belastungsniveaus bezweckt. Sie ergänzen sich gegenseitig erst dann, wenn die Irrelevanz als normative Festsetzung der gesetzlichen Störungsschwelle begriffen wird, deren Einhaltung einen Verstoß des Anlagenbetreibers gegen das Schutzprinzip ausschließen soll. Die Festsetzung muß freilich innerhalb eines gewissen Konkretisierungsspielraums verbleiben, der hier durch das - normativ aufzufassende - Kausalitätsprinzip bezeichnet wird. An dieser Stelle sind dann durchaus die Überlegungen zur Ursächlichkeit der Zusatzbelastung angezeigt, um - anstatt der sonst üblichen Addition der Kenngrö37 Hinzu kommt, daß die Verwaltungsvorschrift auch Minderungen als solche anerkennt, die sich ihrem Umfang nach nicht in einer günstigen Veränderung der durch die Immissionswerte der Nr. 2.5 in der Stellenanzahl festgelegten Kennzahl auswirken (Nr. 2.6.5.1. Abs. 2 TA Luft), Hansmann, aaO, Rdnr. 3, 27. 12*

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ßen für Vor- und Zusatzbelastung- einwirkungsbezogene Sichtweise des Gesetzes und konkreten Handlungsbeitrag (Verantwortlichkeit) des Setreibers zu vermitteln. Sie ergeben, daß es bei Immissionsbeiträgen in Höhe von bis zu 1 % lW 1 - auch wegen der Verdünnung und des chemischen Verfalls der Schadstoffe während der Transmission und bereits mit Rücksicht auf mögliche Wirkstoffsummationen und Kumulationen - "praktisch nie zu einer Immissionswertüberschreitung kommen (kann)" 38 . Sollen also wegen der schlechten Immissionslage an sich verbotene Anlagenzulassungen trotzdem ermöglicht werden und muß man vom Kriterium der Gesamtbelastung Abstand nehmen, so geschieht dies ohne Verstoß gegen den gesetzlichen Schutzgrundsatz nur, indem durch Irrelevanzklauseln eine von der einzelnen Anlage herrührende schädliche Zusatzbelastung wertend ausgeschlossen wird. Auf die insgesamt im Einwirkungsbereich vorhandene Grundbelastung kommt es dann nicht mehr an, selbst die tatbestandliehe Voraussetzung bestimmter Vorbelastungsverhältnisse tritt hinter die für sich hinreichende Bedingung der Irrelevanz der fraglichen Immissionsbeiträge zurück39 . Zutreffend wird deshalb auf den rechtfertigenden Charakter dieser Bedingung hingewiesen40. Wenn sie erfüllt ist, fällt der Kausalitätsnachweis negativ, d.h. zugunsten des Setreibers aus; dies rechtfertigt die Erlaubnis vor dem Schutzprinzip (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 BlmSchG) und erübrigt auch Maßnahmen der kleinräumigen Vorsorge.

Warum besteht aber überhaupt Anlaß, dieses offenkundig vom Gesetz eröffnete Konkretisierungsermessen zugunsten des Betreibers zu betätigen? Um den Sinn der Regelung zu begreifen, müssen Irrelevanz- und Sanierungsbedingung in einem normativen Zusammenhang gesehen werden. Denn zwischen der Rechtfertigung der untergesetzlichen Regelung und ihrem Zweck ist zu unterscheiden. Erweist sich die Fiktion des Null-Beitrags als -innerhalb des Konkretisierungsspielraums zulässige - Wertung des untergesetzlichen Vorschriftengebers, so ist sie dem Anlagenbelreiber nicht schon von Gesetzes wegen geschuldet; sie könnte innerhalb dieses Rahmens auch anders, nämlich für den Betreiber nachteiliger ausfallen. Infolgedessen kann der verbleibende Spielraum mit weiteren frei gesetzten Bedingungen, etwa der Verpflichtung zu Sanierungsmaßnahmen ausgefüllt werden. Diese geben den Blick auf die Motiva38 Diese - nach dem Obigen keineswegs zweifelsfreie - Aussage, soll hier und nachfolgend, da sie nur TUlturwissenschaftlich zu erhärten oder widerlegen ist, mit Hansmann, aaO, Rdnr. 19 als zutreffend unterstellt werden. Ablehnend Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BlmSchG, § 5, Rdnr. 302 ff., 315. Vgl. ferner unten 7. Kapitel, II. I. 39 Vgl. insb. Hansmann, NVwZ 1991 , S. 316, 317 f. zur Regelung in§ 67a Abs. 2 BlmSchG; auch Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 13. 40 Hansmann, in: Landmann/Rohrner, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 17, Nr. 2.2.1.2, Rdnr. 7.

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tion des Vorschriftengebers frei und bezeichnen den Zweck der Klausel. Sie sind mit Rücksicht auf die für sich hinreichende Bedingung der Irrelevanz des Immissionsbeitrags nicht als notwendiger Bestandteil des Schutzgedankens zu verstehen41 . Sie müssen als seine mögliche Ausformung jedoch einen inneren Konnex zum Gesetzeszweck aufweisen, um mit §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG vereinbar zu sein. Hinter dieser Forderung verbergen sich zwei Fragen: Zum einen, ob der Anlagenbetreiber, dessen Anlage i.S. der Irrelevanzklausel nur vernachlässigbare Immissionen hervorruft, überhaupt für die (vorgefundene) Überlastung im Einwirkungsbereich haftbar gemacht werden kann. Denn schädliche Umwelteinwirkungen i.S. des§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG sind, auch wenn die Allgemeinheit ein objektiv berechtigtes Interesse daran haben sollte, nicht als Gemeinlast und ungeachtet konkreter Verantwortungszusammenhänge, sondern (anlagenabhängig) nur dann dem einzelnen zuzurechnen, wenn sie durch den Betrieb der bestimmten Anlage kausal hervorgerufen werden42. Auch wenn man aber die Pflichtigkeit des Anlagenbetreibers grundsätzlich bejahen wollte, bleibt zum anderen offen, ob und inwiefern die Sanierungsbedingung, die nach allem den eigentlichen Grund der Ausnahmeregelung darstellt, seine Verantwortung gesetzeskonform widerspiegelt. Aus der gebotenen einwirkungsbezogenen Perspektive hat nun, was die erste Frage beantwortet, eine jede Anlage durch ihre - normativ irrelevanten, tatsächlich geringen - Beiträge teil an der allgemein bestehenden Gesamtbelastung. Ist die Schädlichkeitsschwelle überschritten, werden eben die auf eine bestimmte Fläche einwirkenden schädlichen Immissionen, nach Beiträgen differenziert, von allen beteiligten Anlagen hervorgerufen. Gerade aus diesem Grund sind insofern Zusatzbelastungen nach § 5 Abs. I Nr. I BimSchG grundsätzlich verboten43 . Leistet aber selbst der Betreiber, der die Irrelevanz-Bedingung einhält, in Belastungsgebieten einen (obzwar minimalen) Beitrag zur Umweltbelastung, so begründet dieser individuelle Beitrag seine (Mit-) Verantwortung für den unerwünschten Zustand. Anders formuliert: Die IrrelevanzKlausel verhindert demnach Kollisionen mit dem die Verwaltung bindenden Schutzgrundsatz nur, soweit dieser vorschreibt, naheliegende Beeinträchtigungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu vermeiden. Daß dem Betreiber zudem nach Nr. 2.2.1.1 Iit. b bb) TA Luft Sanierungsmaßnahmen aufgegeben werden, bevor die ihn begünstigende Ausnahme vom Schädlichkeitsstandard eintritt, weist aber in eine Richtung, die nicht (nur) dem aktuellen Nachbarschutz, sondern einer mittel- und längerfristigen Umweltentlastung im Ein41 Anders dezidiert Roßnagel, in: Koch!Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 316 f. 42 Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 17; verkürzend Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S . 28, 38. 43 Jarass, DVBI. 1985, S. 193, 198 f.; ders., BlmSchG, § 5 Rdnr. 21, § 15 Rdnr. 21 ; Roßnagel, in: Koch!Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 317 (nach Fn. 645).

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wirkungshereich verpflichtet ist. Wenn damit die Verantwortung des Betreibers über seinen konkreten Kausalbeitrag hinaus auf die Entwicklung der örtlichen Immissionssituation ausgedehnt wird, erscheint dies als Preis, der für die Bescheinigung der Unbedenklichkeit nicht völlig unschädlicher Zusatzbelastungen zu entrichten ist. Der zur Schutzpflicht entfaltete Gesetzeszweck trägt aber auch diese Ausgestaltung. Denn das Interesse, örtlich vorhandene (gesundheits-)schädliche Umwelteinwirkungen zu vermindern, um sie schließlich ganz zu beseitigen, folgt als legitimer Teilzweck aus dem umfassenden Zweck des Gesetzes, Allgemeinheit und Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen(§§ 1, 3 Abs. 1, 5 BimSchG)44. Die daraus resultierende Sanierungspflicht ist auch - trotz der an sich verschiedenen Gegenstände der Verantwortlichkeit- nicht bloße Gemeinlast Obwohl sie nicht nur den mit der Unzulänglichkeit der Irrelevanzklausel verbleibenden und vom untergesetzlichen Vorschriftengeber ihrerseits zu bewertenden Ungewißheiten Rechnung trägt, indem sie ergänzend der Summation und Kumulation der Immissionen entgegenwirkt45, hält sie den Betreiber an, einen schädlichen Zustand zu verbessern, an dem er willentlich partizipiert. Exakt deckungsgleich müssen rechtliche Begünstigung und Belastung des Betreibers nicht sein, solange sie innerhalb des Konkretisierungsspielraums angesiedelt sind. Erkennt man damit im Ergebnis den - zulässigen - Sanierungszweck als eigentlichen Grund der Ausnahme vom allgemeinen Schutzstandard, ist es richtig, von einer Sanierungsklausel zu sprechen46 . Es ist folglich kein Grund ersichtlich, den Konkretisierungswillen des Vorschriftengebers in bestimmten Konstellationen - etwa denen der nachträglichen Anordnung nach Nr. 4.1 (mit 4.1.2, 2.2.1) TA Luft- einfach außer Acht zu lassen47 . Auch hier ist das Sanierungsziel zu sichern, wenn von einer Anordnung abgesehen werden soll. bb) Die Sanierungsklausel der Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft Während die erörterte Sanierungsklausel insgesamt die höherrangigen Vorgaben wahrt, erscheint dies für die Vorschrift des Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft fraglich: Sie geht über das dargelegte Sanierungskonzept noch hinaus und ge44 Feldhaus/Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 567 (l.Sp.); Feldhaus/Schmitt, WiVerw 1984, S. I, 20; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BlmSchG, § 5, Rdnr. 317. 45 Feldhaus/Schmitt, aaO; auch diese Gefahr ist wohlgemerkt nach Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 19, durch die Irrelevanzklausel weitestgehend ausgeschlossen. Unzutreffend daher Koch, in : ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 3, Rdnr. 181 , nach dem die - insofern dann gesetzwidrige - Sanierungsbedingung gerade auf die Bekämpfung des Summationsrisikos abzielen soll. Gegen ihn Roßnagel, ebda, § 5, Rdnr. 317. 46 Im Ergebnis wie hier R(ißnagel, aaO, jedoch unter unmittelbarer Berufung auf den Schutzgedanken. 47 So aber Hansmann, aaO, Nr. 4.1, Rdnr. 6.

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währt, ohne hierbei zwischen den in Nr. 2.5 erfaßten Schadstoffen nach ihrer Gefährlichkeit zu differenzieren, einen Anspruch auf Änderungsgenehmigung48 auch dann, wenn die Vorbelastung auf einzelnen Beurteilungsflächen die Immissionswerte überschreitet, solange - rein anlagenbezogen - die Änderung nur "ausschließlich oder weit überwiegend der Verminderung der Immissionen dient". Die Sanierungswirkung ist damit nicht hoheitlich abgesichert und an eine wertmäßig festgelegte Verbesserung der Immissionssituation gekoppelt, sondern anlagenbezogen durch die Qualität der Maßnahmen zum Ausdruck gebracht. Daß der Sanierungserfolg unbestimmt bleibt, ist also keine zufällige Begleiterscheinung. Hierin realisiert sich vielmehr die rein anlagenbezogene Betrachtungsweise der Vorschrift49 . Gleichwohl wird das Ausmaß einer infolge der Änderungsgenehmigung neu hinzutretenden Schadstoffbelastung (Zusatzbelastung) auch nicht durch eine Irrelevanzklausel beschränkt, offenkundig in der Annahme, der Verwaltung stünde über die Konkretisierung der Schädlichkeitsschwelle (durch die Irrelevanzklausel) hinaus noch Entscheidungsspielraum zu. Es kommt darum alles darauf an, ob der Gesetzgeber der normkonkretisierenden und vollziehenden Verwaltung wirklich eine derart weitreichende Möglichkeit der Abweichung vom allgemeinen Schädlichkeitsund Schutzstandard einräumen wollte. Nun gilt für die Änderungsgenehmigung nach § 15 BimSchG grundsätzlich nichts anderes als für die erstmalige Genehmigung nach§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. l BlmSchG: Nach dem gesetzlichen Maßstab erhebliche Beeinträchtigungen - zurechenbare schädliche Umwelteinwirkungen - sind nicht erlaubt50, ebensowenig Kompensationen, die diesen Zustand nur möglicherweise und jedenfalls nur relativ verbessern, nicht aber beheben51 . Die letztere Frage könnte zwar auf dem Hintergrund des Schutzprinzips, wie wir gesehen hatten, sehr wohl offen bleiben; jedoch nur dann, wenn die Irrelevanz der zusätzlichen Immissionsbeiträge feststünde. Läßt sich eine weiterreichende Ausdehnung des Konkretisierungsspielraums bis hin zur Zulassung erheblicher Beeinträchtigungen aus der besonderen Situation von Altanlagen rechtfertigen? Soweit nämlich wesentliche Änderungen auch von der Behörde angeordnet werden können (§ 17 Abs. 4 BlmSchG), ist ihre Entscheidung nicht mehr strikt gebunden. Damit scheint sich der gesetzlich umgrenzte Handlungsspielraum in Richtung auf bloße Teilkorrekturen zu erweitern, die die fragliche Anlage dem allgemein zu fordern-

48 Bzw. auf Unterlassen von nachträglichen Anordnungen, Nr. 4.1.2, 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft. 49 Vgl. bereits Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 181 ff., 186 zu Nr. 2.2.1.3 TA Luft 1974. 50 Jarass, BlmSchG, § 15, Rdnr. I, 21. 51 Ders., aaO, § 5, Rdnr. 21; vgl. Rehbinder, Umweltzenifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 41.

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den Standard lediglich annähern 52 und die nun umgekehrt auch vom Betreiber in genehmigungsfähiger Weise angeboten werden können53 . Freilich bildet der Anspruch des Betreibcrs auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung den eigenständigen gesetzlichen Tatbestand einer gebundenen Entscheidung, der von dem, was die Behörde nach § 17 BlmSchG im Rahmen des Opportunitätsprinzips möglicherweise zu unterlassen ermächtigt ist, durchaus verschieden ist. Verwaltungsvorschriften sind nicht in der Lage diese Differenz zu nivellieren. Vor allem aber ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 17 BlmSchG nichts für eine (rechts)bindungsfreie Politik der Altanlagensanierung in Belastungsgebieten: § 17 Abs. 4 BlmSchG stellt lediglich klar, daß (dem Umfang nach) wesentliche Änderungen nach § 17 Abs. 1 BlmSchG angeordnet werden dürfen, daß aber gegebenenfalls die Änderung aus Gründen der Rechtsklarheit in einer förmlichen Änderungsgenehmigung zu dokumentieren ist. Daß durch sie die materiellen Grenzen nicht verschoben, d.h. die Wertungen des § 5 Abs. 1 BlmSchG nicht angetastet werden dürfen, ergibt sich ohne weiteres aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit; der Eingriffsmaßstab des § 17 Abs. 1 und 2 BlmSchG bleibt auch im übrigen unberührt54. Das bedeutet nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG, daß, wann immer von der Anlage im konkreten Fall schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können - anders mag es bei der Durchsetzung des Vorsorge-Gebots aussehen 55 -, die Behörde verpflichtet ist, einzuschreiten - wenn nicht ein atypischer Sonderfall vorliegt, wie er jedoch regelmäßig durch Nr. 4.1.2, 2.2.1.3 TA Luft abgedeckt sein wird 56 . Allfällige Zweifel gehen zu Lasten des Betreibers57 . Das gilt für erhebliche Nachteile und Belästigungen nicht weniger als für Gesundheitsgefahren, da sie allesamt unter den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen fallen 58. Sollte 52 Vgl. Hansmann, NVwZ 1991, S. 316, 317; Jarass, aaO, § 15, Rdnr. 21; Sel/ner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 426 a.E.; Va/lendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BlmSchG, Anm. 8 a.E., § 67a BimSchG, Anm. 5. 53 Insb. Hansmann, aaO. 54 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 42. Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I,§ 17 Anm. 8, § 67a Anm. 5 hebt zirkulär auf die Genehmigungsfähigkeit ab, was offen läßt, ob der Behörde bei nachträglichen Anordnungen im Vergleich zum Sicherheitslevel geringere Eingriffs-, insofern erweiterte Abweichungsmöglichkeiten zukommen, aus denen dann umgekehrt wieder dem Belreiber ein Genehmigungsanspruch erwachsen könnte. 55 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 35. 56 Sel/ner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 426, 429. Jarass, aaO, Rdnr. 37 f. Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 174 f. 57 Vgl. BVerwGE 84, 220 (233) zu§ 20 Abs. 2 BlmSchG und hierzu Send/er, WiVerw 1993, S. 235, 278 f. 58 Vgl. Feldhaus, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I, § 3 BimSchG, Anm. 6. Ein größerer Spielraum folgt entgegen Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 426, auch nicht aus der Formulierung des Gesetzes: "nicht ausreichend geschützt ist"; diese nimmt zum einen lediglich den Schutzgrundsatz begrifflich in Bezug, zum anderen spricht sie den Zeitpunkt nach Genehmigungserteilung an, verlangt also mehr als eine bloß rechnerische Ermittlung, vgl. Nr. 2.6.1.2 TA Luft, Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.6.1. TA Luft, Rdnr. 16 ff. Einen anderen, von dem des§ 5

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sich aber eine nachträgliche Anordnung als unverhältnismäßig verbieten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG), so ist die Genehmigung zu widerrufen (§ 17 Abs. 2 Satz 2, § 21 BlmSchG). Erhebliche Beeinträchtigungen will das Gesetz demnach auch bei Altanlagen unter keinen Umständen in Kauf nehmen. Eine Teilkorrektur kommt allenfalls dort in Betracht, wo sie von Ausgleichsmaßnahmen begleitet und ergänzt wird, die ihrerseits sachlich den Anforderungen des Schutzprinzips genügen59 und deren Erfolg hoheitlich sichergestellt ist. Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft ist deshalb nicht nur "zu weit geraten"60 . Sie ist rechtswidrig und nichtig61 und wäre allenfalls unter der einschränkenden Bedingung geringfügiger Zusatzbelastung sinngemäß anzuwenden. Die anlagenbezogene Fassung der Sanierungsklausel schließt dabei ein Nebeneinander der Bedingungen aus, schreibt vielmehr einen gleichfalls anlagenbezogenen Sanierungserfolg vor: Soll die Änderungsmaßnahme der Verminderung der Immissionen dienen, bezieht sich das unmittelbar auf die von der Anlage verursachten Immissionen. Man kann also Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft nur als Ausnahme von der Ausnahme in Einklang mit dem Gesetz bringen. Dem Betreiber, der durch Änderungen an der betreffenden Anlage die Irrelevanzschwelle von 1 % lW 1 einzuhalten vermag, blieben in dieser Lesart weitere Sanierungsmaßnahmen an Drittanlagen (nach Nr. 2.2.1.1 lit b bb) und damit Kompensationsmaßnahmen erspart. Im übrigen ist nicht zu sehen, wie die Bestimmung in gesetzeskonform reduzierter Fassung und Funktion neben den gesetzmäßigen Sanierungsklauseln einerseits, der Möglichkeit der Sonderfallprüfung (nach Nr. 2.2.1.1 lit. a Satz 2, 2. Halbsatz, Nr. 2.2.1.2 lit. d, jeweils mit Nr. 2.2.1.3 TA Luft) andererseits aufrechterhalten werden könnte62 . Für die Situation der nachträglichen Anordnung heißt das (4.1.2 TA Luft): Auch wenn derBetreibereine potentiell immissionsmindernde Änderung anbietet, darf die Behörde nicht auf Schutzanordnungen zur Einhaltung der Immissionswerte verzichten. Denn eine solche Änderung stellt kein zulässiges Austauschmittel dar - es sei denn der von der Anlage ausgehende Immissionsbeitrag würde durch die vorgeschlagenen Änderungen auf I % lW I reduziert.

Abs. I Nr. I und seiner Umkehrung des Erfolgsmaßstabs abweichenden Gefahrenmaßstab schafft sie nicht. Eine "etwas freiere Stellung" der Verwaltung konstatiert dagegen Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 42 bei der Abwehr von Nachteilen und Belästigungen. 59 Wenn die Teilkorrektur nicht die Irrelevanz der Zusatzbelastung gewährleistet, müssen Ausgleichsmaßnahmen den gesetzlichen Zustand herstellen. · 60 So aber Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 42; vgl. Jarass, BimSchG, § 15, Rdnr. 21. 61 Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 186 f. , 188. 62 Anderes konnte insoweit noch für die TA Luft 1974 angenommen werden, Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 188.

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cc) Die Sanierungsklauseln des§ 67a Abs. 2 BlmSchG § 67a Abs. 2 BlmSchG hat für das Gebiet der neuen Bundesländer eine Abwandlung und "Legalisierung" der soeben erörterten Gedanken gebracht63 . Diese Bestimmung erklärt unter näheren Bedingungen den Betrieb einer Anlage für zulässig, somit genehmigungsfähig, obwohl in deren Einwirkungsbereich die (durch die Vorbelastung) einzuhaltenden Immissionswerte (nach TA Luft) überschritten sind. Da sie dabei die Überschreitung der Vorbelastung nicht weiter begrenzt, kann die Behörde im Genehmigungsverfahren, wenn die speziellen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, auf Messungen der Vorbelastung zur Ermittlung der Kenngrö13en verzichten64 . Es kommt auch dieser Vorschrift nicht auf die (absolute) Gesamtbelastung an. Vor allem die hohe Schwelle der gesundheitsschützenden Werte (nach Nr. 2.5.1 mit Nr. 2.2.1.1 TA Luft)65 wird damit in der bekannten Weise abgesenkt- diesmal freilich auf Gesetzesebene und dadurch unabhängig von den Restriktionen des Schutzprinzips. Aber auch der Schutz vor Nachteilen und Belästigungen wird Einbußen erleiden, der regulär, wenn nicht die Voraussetzungen der Nr. 2.2.1.2 lit. b TA Luft (für Stoffe nach 2.5.1 TA Luft) oder der Nr. 2.2.1.2 lit. c TA Luft (für Stoffe nach 2.5.2 TA Luft) vorliegen, hinsichtlich bestimmter Arten von Stoffen und betroffenen (empfindlichen) Schutzgütern bereits bei Überschreitung der Zusatzbelastungswerte (Nr. 2.2.1.2 Iit. a Abs. 2) und ungeachtet der Einhaltung der Gesamtbelastung, ansonsten aber bei Überschreitung der Gesamtbelastung eine Sonderfallprüfung nach Nr. 2.2.1.3 TA Luft gebietet66_

63 Unter Übernahme von Art. 1 § 3 des URG (der DDR) vom 29. 6. 1990, GBI. I 649. 64 Die in der DDR-Volkskammer eingebrachten einschlägigen Gesetzentwürfe, Volkskammer der DDR, 10. Wahlperiode, Drs. Nr. 65 und 65 a, weisen keine Begründung auf; jedoch lag der nicht veröffentlichte- Gemeinsame Entwurf der Arbeitsgruppe "Umweltrecht und Verwaltungsorganisation" der Gemeinsamen Umweltkommission zum Umweltrahmengesetz, nebst Begründung dem DDR-Ministerrat vor und wurde von diesem gebilligt. Der Entwurf wurde in den hier maßgeblichen Teilen im wesentlichen unverändert verabschiedet, lediglich die Wörter "ab Genehmigung" in Buchst. a wurden eingefügt. Nach der Begründung zu Art. I § 3 dieses Entwurfs, UmdruckS. 70, sind in den "unter Buchstaben a und b genannten Fällen ... Ermittlungen der Vorbelastung nicht erforderlich"; ferner die Erläuterungen der Bundesregierung zu Kap. XII, Anl. I, Sachgebiet A des Einigungsvertrags, BT-Drs. 1ln817, S. 167 und insb. Hansmann, NVwZ 1991, S. 316, 317 f., sowie dens., in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 67a BimSchG, Rdnr. 3; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. 1, § 67a BimSchG, Anm. 3. Das ist gegenüber der Rechtslage nach Nr. 2.2.l.llit. b, 2.2.1.2lit. a Abs. 2, lit. b und c TA Luft rechtstechnisch nicht neu: Auch hier ist die bestehende, potentiell schädliche Belastungssituation als solche nicht genehrnigungserheblich, solange nur die Zusatzbelastung irrelevant und ggf. die Kompensation der Immissionszunahme durch Stillegungen, Verbesserungen etc. gesichert ist. Das ist eine Frage der Berechnung, vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, aaO, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 22 und 27, Nr. 2.2.1.2 TA Luft, Rdnr. 4, Nr. 6.2.1, Rdnr. 7 a.E.; ferner Laubinger, in: Ule/Laubinger, BimSchG, § 67a, Rdnr. D 8. 6 5 Hansmann, NVwZ 1991, S. 316 f. 66 Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.2 TA Luft, Rdnr. 4, 9 a.E.

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Die im einzelnen aufgestellten Bedingungen sind freilich für die beiden Teilregelungen der Bestimmung je gesondert zu beurteilen. § 67a Abs. 2 Nr. I BlmSchG macht hierbei die Geringfügigkeit der Zusatzbelastung zur Voraussetzung einer Genehmigung oder Änderungsgenehmigung67 und verlangt weiter, daß "mit einer deutlichen Verminderung der Immissionsbelastung im Einwirkungsbereich der Anlage innerhalb von fünf Jahren ab Genehmigung zu rechnen ist". Damit rekurriert er auf die künftige lmmissionslage. Abgesehen davon, daß insofern das Gesetz seine (authentische) Modifikation der Rechtsstellung des Anlagenbetreibers68 eher vage umreißt, macht es klar, daß die im Einwirkungsbereich der Anlage zu erwartende "deutliche" 69 Verminderung der Immissionsbelastung70 eine objektive Tatbestandsvoraussetzung, nicht eine Kausalbedingung des Anlagenbetriebs darstellt, keinen Zustand also, der durch ein bestimmtes Verhalten, die Kompensationsmaßnahmen des Antragstellers oder auch Dritter final herbeigeführt werden soll. Es handelt sich bei dieser Erwartung vielmehr um den Gegenstand einer (begrenzt überprüfbaren) Prognoseentscheidung der Behörde. Denn die objektive Wahrscheinlichkeit ist nicht etwa gegenüber dem Betreiber im Rechtssinne (hoheitlich) "sicherzustellen"71. § 67a Abs. 2 Nr. 1 BlmSchG verkörpert daher in erster Linie eine gesetzlich geregelte Irrelevanzklausel72 , die der Sache nach unmittelbar der Investitionsförderung, mittelbar der Modernisierung des Anlagenbestands dient73 .

67 Auf die Maßstäbe der TA Luft, insb. hinsichtlich der Irrelevanz des Immissionsbeitrags, kann sicherlich nur unter zusätzlichen Voraussetzungen, etwa einer ausdrücklichen Bezugnahme im Gesetzgebungsverfahren, zurückgegriffen werden, so denn auch Hansmann, NVwZ 1991, S. 316, 317 in Fn. 15, ders., in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 67a, Rdnr. 4; und unter Bezugnahme auf ihn Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. 1, § 67a, Anm. 4. Vgl. ferner Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 11; Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 12, S. 125. Anders: Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 67a Rdnr. D 12: 10 %. 68 Vgl. die vorstehenden Erläuterungen sowie Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 67a BlmSchG, Rdnr. 3; ders., NVwZ 1991, S. 316; Vallendar, aaO, Anm. 3. 69 Nach Hansmann, aaO, Rdnr. 4 ist diese Anforderung erfüllt, wenn "die Immissionsentlastung größer ist als I% des Immissionswertes lW 1". In NVwZ 1991, S. 316, 317 bei Fn. 18, verlangt er eine Verminderung der Kenngröße (für die Gesamtbelastung); im Anschluß hieran Jarass, BimSchG, § 67a, Rdnr. 11, Vallendar, aaO, Anm. 4 a.E. Anders konsequent Laubinger, in: Ule/ Laubinger, BimSchG, § 67a, Rdnr. D 14: Minderung um mindestens 10 % der Gesamtbelastung durch den jeweiligen Schadstoff. 70 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, aaO: mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Minderung; Jarass, aaO: "hoher Grad an Wahrscheinlichkeit"; Vallendar, aaO. 71 Anders als nach dem gesetzlichen Sprachgebrauch etwa in§ 6 Nr. 1, 12 Abs. I, 17 Abs. 3a Satz 5 BlmSchG, Nr. 2.2.1.1. lit. b bb) TA Luft; vgl. Hansmann, aaO; Vallendar, aaO. 72 Wie hier Vallendar, aaO, Anm. 4. 73 Vgl. wiederum die Begründung zum Gemeinsamen Entwurf der Arbeitsgruppe "Umweltrecht und Verwaltungsorganisation" der Gemeinsamen Umweltkommission zum Umweltrahmengesetz, Art. I§ 3, S. 69 f. und Hansmann, NVwZ 1991, S. 316 f.

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Demgegenüber ist die eigentliche Sanierungsklausel in § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG enthalten74, die sich sinngemäß auch auf die Änderung bestehender Anlagen erstreckt75. Auch sie ist weit gefaßt, weil sie wiederum nicht nur die Überschreitung der Vorbelastung nicht näher qualifiziert, sondern darüber hinaus ähnlich wie Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft auf die Geringfügigkeit der Zusatzbelastung als weitere Zulassungsvoraussetzung verzichtet. Sie erlaubt damit erhebliche und kausal zurechenbare - also nicht in der Vorbelastung aufgehende -Immissionen. Allerdings bestimmt sie im Gegensatz zu Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft wieder- wie in Nr. 2.2.l.llit. b bb) TA Luft- ein exaktes Sanierungsziel, das nicht unbedenkliche Immissionswerte, wohl aber eine verhältnismäßige Minderung der gegebenen Belastung im Jahresmittel um mindestens das Doppelte der Zusatzbelastung vorschreibt. Dies ist dann - einen solchen rechtlichen, nicht bloß zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang verlangt das Gesetz hier im Gegensatz zu Nr. 1 der Vorschrift- im Einzelfall sicherzustellen: Da anders als nach Nr. 2.2.1.1 lit. b bb) TA Luft bereits die Vorbelastung (Nr. 2.6.1.1 Abs. 2 TA Luft) zu reduzieren ist, kommt allein eine (Änderungs-)Genehmigung unter aufschiebender Bedingung in Betracht(§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1, 15, 12 Abs. 1 BimSchGf6 . Erst wenn die kompensatorischen Verbesserungen an Drittanlagen bzw. Stillegungen vorgenommen sind, darf die Anlage in Betrieb gehen. Auch der nach § 67 Abs. 2 Nr. 2 BimSchG für (Änderungs-) Genehmigungen gesetzlich erweiterte Sanierungsgedanke ist auf die Situation der nachträglichen Anordnung zu übertragen: Durch Nr. 4.1.2 TA Luft werden die Adressaten nachträglicher Anordnungen denjenigen, die eine (Änderungs-)Genehmigung begehren, gleichgestellt. Das entspricht dem nicht zuletzt aus Art. 3 Abs. 1 GG erwachsenden Gebot einer im System des Immissionsschutzrechtes gleichmäßigen Durchsetzung der Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 BlmSchG gegenüber sämtlichen Betreibern. Schon von Verfassung wegen ist daher eine analoge Anwendung der Nr. 4.1.2 TA Luft auf Anlagen, die den Tatbestandsvoraussetzungen des § 67a Abs. 2 BimSchG entsprechen, geboten77 . Ein Verzicht auf differenzierte Messungen der Immissionslage kommt aber angesichts der anderen Zielrichtung des Überwachungsverfahrens, das den Immissionsbei-

74 Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. 1, § 67a, Anm. 5. 75 Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 12; Laubinger, in: Ule!Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. D 18. 76 Jarass, aaO; Laubinger, aaO, Rdnr. D 19; anders Hansmann, NVwZ 1991, S. 316, 317 und ihm folgend Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 49 in Fn. 40. 77 Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I. § 67a BlmSchG, Rdnr.3; Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. 1, § 67a BlmSchG, Anm. 3 a.E.

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trag der einzelnen Anlage zu ermitteln hat, nicht in Frage78. Vor allem wird sich in dieser Interessenlage die - durch das Ausbleiben fristgerechter Sanierung oder Stillegong anderer Anlagen - aufschiebend bedingte nachträgliche Anordnung zeitlich an der der begünstigten Anlage potentiell einzuräumenden Nachrüstungsfrist orientieren müssen, nicht den Zeitaufwand der aktiv beteiligten Anlagen zum Maßstab nehmen dürfen. Zusammenfassend ist festzuhalten: Die einwirkungsbezogen ausgestalteten Sanierungsklauseln, die aufgrund dieser einwirkungsbezogenen Konstruktion für die Neu- oder Änderungsgenehmigung von Anlagen wie für nachträgliche Anordnungen gegenüber Altanlagen Geltung beanspruchen, nehmen, wenn sie von der absoluten Einhaltung an sich geltender Immissionswerte absehen, bestehende Immissionsbelastungen ein Stück weit in Kauf. Soweit sie auf die Irrelevanz des Immissionsbeitrags abheben (in § 67a Abs. 2 Nr. 1 BimSchG), findet dies möglicherweise auch hier in den Grenzen kausaler Zurechnung seine Rechtfertigung, wenn auch keineswegs eine abschließende Erklärung. Jedenfalls führt die "Sanierung" (auch nach § 67a Abs. 2 Nr. 2 BimSchG) lediglich zu einer relativen Verbesserung der bestehenden Immissionslage im Belastungsgebiet, ohne notwendig die abstrakt-generell vorgesehenen Werte herzustellen. Ob dies in der konkreten normativen Ausgestaltung zulässig ist, beurteilt sich nur für die untergesetzlichen Regelungen nach den Grenzen des Schutzgebots. § 67a Abs. 2 BimSchG ist von solchen Bindungen frei und muß, wenn er - mit Blick auf die Sondersituation der neuen Bundesländer79 - die Unschädlichkeit des Anlagenbetriebs unwiderleglich vermutet, damit den Gegenbeweis gesetzeskräftig ausschließt80, lediglich verfassungsrechtliche Kautelen beachten. 2. Kompensation und Überkompensation im Emissionsverbund

a) Minimierung des Restrisikos durch Überkompensation im Emissionsbereich (Ausgleichsmaßnahmen zur Vorsorge) Die Funktion, die Kompensationen im Immissionsbereich erfüllen, ist nach allem rechtstechnisch und dogmatisch so wenig selbständig, daß im Regelfall Verwaltungsvorschriften sie ausreichend definieren können. Wo nämlich Korn78 Bei nachträglichen Anordnungen werden regelmäßig Messungen- vgl. Nr. 2.6.1.2. TA Luft - erforderlich sein, um Übrschreitungen der Immissionswerte auf die Beiträge einzelner genehmigter und genehmigungsgemäß betriebener Anlagen zurückzuführen, § 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG, vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.6.1 TA Luft, Rdnr. 16, 17 und oben Fn. 56. 79 Hansmann, NVwZ 1991, S. 316; Vallendar, aaO, § 67a BlmSchG, Anm. 3. 80 Vallendar, aaO.

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pensationen nicht ohnehin auf die Einhaltung von Schädlichkeitswerten abzielen, führt die ihrer sich bedienende, wirkungsbezogene Sanierung von Alt-Anlagenbeständen jedenfalls zu einer Konkretisierung der Genehrnigungsvoraussetzungen. In dieser geht der Kompensationsgedanke auf. Solange die Kompensationsmöglichkeiten - wie es aktuell der Fall ist - im Interesse gradueller Verbesserungen der Umweltsituation den Betreiber begünstigen, stellt sich folglich unterhalb der Gesetzesebene regelmäßig nur die Frage nach dem Konkretisierungsspielraum der Verwaltung, damit der Reichweite des Gesetzesvorrangs. Erreicht die Neudefinition - wie in § 67a Abs. 2 (insb. Nr. 2) BimSchG - ein Ausmaß, das vom gesetzlich vorgesehenen Standard nicht mehr umfaßt ist, wird zwar eine gesetzliche Regelung notwendig, die dann ihrerseits auch verfassungsrechtlich zu überprüfen wäre. Aber auch darin liegt nicht mehr als eine Präzisierung des von der einzelnen Anlage zu beachtenden, ihre Erlaubnisfähigkeit definierenden Schädlichkeits- und Schutzstandards. Ganz anders verhält es sich mit der grundsätzlich anlagenbezogenen Minimierung des Restrisikos, welche das Vorsorgegebot bezweckt. Gerade weil das Vorsorgegebot aufgrund der bereits erörterten Nachweisschwierigkeiten die Emissionen der je einzelnen Anlage in den Blick nimmt und an einem Stand der Technik mißt (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 6, 7 Abs. 1 BlmSchG), der zugleich auch ein Stand der Wissenschaft ist, können Überschreitung und Unterschreitung von Emissionsgrenzwerten, will man an der spezifischen Vorsorgeperspektive festhalten, nicht auf einen anlagenunabhängigen (Umwelt-)Standard verrechnet werden. Sie stehen einander zunächst beziehungslos gegenüber. Die Anlage genügt als Anlage diesem Standard oder sie genügt ihm nicht. Der Gesetzgeber hat nun in den Kompensationsvorschriften des § 7 Abs. 3 und des § 17 Abs. 3a BlmSchG das per definitionem Unverbundene abstraktgenerell zum Emissionsverbund81 verknüpft und einen- nicht einwirkungsbezogenen - Austausch zwischen für sich stehenden "Emissionsberechtigungen"82 ermöglicht, indem er die Verbindlichkeit des anlagenbezogenen Vorsorgestandards für diesen Fall aufgehoben hat. Freilich nur unter einer wichtigen zusätzlichen Bedingung: Die Kompensation zwischen Über- und Unterschreitung muß jeweils mehr an Emissionsminderung bringen, als durch Zwangsmaßnahmen aufgrund der §§ 7 oder 17 BlmSchG gegenüber den am Emissionsverbund beteiligten Anlagen zu erreichen wäre83 . Damit hat der Gesetzge81 Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 74. 82 Vgl. Kloepfer, Unternehmung und ökologische Umwelt, S. 242, 248, 255; vgl. auch Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 75. 83 So bereits Nr. 4.2.10 Abs. I Satz I TA Luft. Anders Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 69: allein gegenüber der begünstigten Anlage.

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ber die von Bohne bereits 1981 i. S. allgemeiner verwaltungsrechtlicher Grundsätze des Verwaltungsrechts und als Anforderungen an informales Verwaltungshandeln analog § 56 Abs. I Satz 2 VwVfG herausgearbeiteten Rahmenbedingungen für Austauschabsprachen84 verrechtlicht Die Zusatzbedingung, unter die er Kompensationsvereinbarungen gestellt hat, verpflichtet diese auf den Dienst am Gemeinwohl, indem sie über das gesetzlich geschuldete Maß hinaus dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorbeugen, das Restrisiko mindern müssen(§§ I, 5 Abs. I Nr. 2 BimSchG)85 . Ganz unabhängig von der (zusätzlich) tatbestandlieh vorgeschriebenen "Förderung" des Gesetzeszwecks (§ 7 Abs. 3 Satz 2 a.E., § 17 Abs. 3a Satz I a.E. BimSchG) dient also der Verzicht auf Zwangsmaßnahmen (d.h. auf den gesetzlichen Pflichtenstatus) gegenüber der passiv beteiligten Anlage unmittelbar der Vorsorge und realisiert den Gesetzeszweck - gerade und nur in diesem sachlichen Zusammenhang erklärt ihn das Gesetz für zulässig86 . Aus demselben Zweck-Mittel-Verhältnis versteht sich auch - ungeachtet des aus Betreibersieht erforderlichen Einverständnisses in eine allfällige Rechtsminderung - die überobligationsmäßige Mehrleistung, die derBetreiberder aktiv beteiligten Anlage zu erbringen hat87 : Sie liegt grundsätzlich im gesetzlich definierten öffentlichen Interesse. Im Ergebnis haben wir es dadurch mit zwei verschiedenen Vorsorgestandards zu tun, dem allgemeinen, jedermann verpflichtenden und auf die einzelne Anlage bezogenen; dem ausnahmsweise geltenden und nur mit Zustimmung der Betroffenen durchgreifenden, insofern frei wählbaren Vorsorgestandard, der nicht einwirkungs-, wohl aber verbundbezogen konstruiert ist. Diese gesetzliche Definition ist - ungeachtet der noch zu erörternden verfassungsrechtlichen Bindungen88- von herausragender Bedeutung: Sie bestimmt den für Verwaltung wie Bürger verbindlichen Begriff einer Kompensation zu Zwecken der Vorsorge im Emissionsbereich. Ihr Kernstück und unmittelbarer Bestandteil des gesetzlichen Begriffs ist danach die allgemein so genannte "Überkompensation" 89 , die, bezogen auf die beteiligten Anlagen, überobligationsmäßige Minderung der Emissionen. Formell wird auf jener zweiten Vorsorgeebene durch den mit der Kompensationsvereinbarung (freiwillig) zustande kommenden Emissionsverbund im 84 Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 176 ff. 85 So bereits § 7 Abs. 3 Satz 2 BlmSchG in der Fassung der Zweiten Novelle zum BlmSchG vom 4. 10. 1985, BGBI. I S. 1950, nach der die Ausnahme vom gesetzlichen Standard "mit dem in

§ I genannten Zweck vereinbar" sein, insb. zur oben beschriebenen "weitergehenden Minderung" führen mußte. Vgl. ferner die Gesetzesbegründung zur Dritten Novelle, BT-Drs. 1114909, S. 16.

86 Vgl. Bohne, aaO, S. 177. 87 Vgl. dens., aaO, S. 177 f. 88 Ders., aaO, S. 224 ff. Dazu unten 7. und 8. Kapitel. 89 BT-Drs. 10, 3556, S. 15. Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 130.

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Gegensatz zur Kompensation im Immissionsbereich ein neues, und zwar auch marktorientiertes Instrument des vorsorgenden Immissionsschutzes geschaffen, das sich auf den Immissionsbereich nach ausdrücklicher Auskunft des Gesetzes (in § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 und insb. § 17 Abs. 3a Satz 2 letzter Halbsatz, Satz 4) nicht übertragen läßt90. Hinter der Forderung nach Überkompensation verbirgt sich aber auch ein materielles Konzept, das vor allem den zeitlichen Zielwert91 der mit der Kompensationsvereinbarung zu übertreffenden Emissionsminderung anband dessen bestimmt, was durch Zwangsmaßnahmen gegenüber den potentiell beteiligten Anlagen (sonst) erreicht werden könnte. Dieses Konzept soll im folgenden dargelegt werden. Dazu muß vorab geklärt werden, welche Anlagen sich überhaupt am Emissionsverbund beteiligen können.

b) Die Vorsorge-Kompensation als Sanierungsinstrumentabsolute Ausschlußgründe Traditionell dienen Ausgleichsmaßnahmen im Kontext des Bundes-Immissionsschutzgesetzes der Sanierung von Altanlagen-Beständen. Gegenstand der Regelung sind bereits genehmigte Anlagen, Neuanlagen sind ausgeschlossen. In diesem Sinne hat auch der Vorschriftengeber der TA Luft seine Ermächtigung nach§§ 48 Nr. 4, 7 Abs. 3 BimSchG in Nr. 4.2.10 TA Luft wahrgenommen. Hier interessieren nun zunächst weniger punktuelle zeitliche Bestimmungen des Begriffs der "Altanlage" 92, als vielmehr die abstrakt-generellen, für künftige Regelungen nach §§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BimSchG oder im Rahmen von § 17 Abs. 3a BimSchG zu beachtenden Determinanten möglicher Austauschverhältnisse. Die Neuregelung hat dabei gegenüber der durch Nr. 4.2.10 TA Luft konkretisierten Rechtslage Erweiterungen gebracht: Nach Nr. 4.2.10 Abs. 1 Satz 1 TA Luft darf nämlich - in Anlehnung an § 7 Abs. 3 Satz 1 BlmSchG a.F.93 - nur "in Hinblick auf betriebsbereite Anlagen" von ansonsten vorgesehenen Sanierungsanforderungen abgewichen werden. Welche Anlagen die Vorschrift hiermit meint, ob die an der Transaktion passiv beteiligten, begünstigten, ob (auch oder nur) die aktiv (durch Vornahme überobligationsmä90 Vgl. BT-Drs. 11/4909, S. 18; Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 67 a.E.; Koch, in: ders./ Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 159; Roßnagel, ebda, § 7, Rdnr. 139 f.; Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BlmSchG, Anm. 12 a. 91 Vgl. Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 61. 92 Wie nach Nr. 4.2.1 Abs. 4 TA Luft oder - in Verbindung mit dieser - § 67a Abs. 3 BlmSchG, vgl. unten 5. Kapitel III. 2. 93 Vgl. die Begründung des Bundesrats BR-Drs. 349/1/85, Nr. 88. - § 7 Abs. 3 Satz 1 BlmSchG lautete: "Soweit die Rechtsverordnung Anforderungen nach § 5 Abs. I Nr. 2 festgelegt hat, kann in ihr bestimmt werden, daß bei in Absatz 2 genannten betriebsbereiten Anlagen in näher bestimmten Gebieten für eine bestimmte Frist von den aufgrund der Absätze 1 und 2 festgelegten Anforderungen abgewichen werden darf'.

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ßiger Emissionsminderungen) beteiligten Anlagen, macht ihr Wortlaut allerdings nicht deutlich. Und die Bezugnahme auf die ursprüngliche Ermächtigung hilft - auch entstehungsgeschichtlich94 - insoweit nicht weiter, als diese von derselben Mehrdeutigkeit geprägt war. Der Systematik und der ratio beider Vorschriften entspricht es aber, das einschränkende Erfordernis der Betriebsbereitschaft im Rechtssinne nur auf die passiv beteiligten, begünstigten Anlagen anzuwenden. Denn es geht - systematisch - um das Abweichen von (Sanierungs-) Anforderungen, und d.h.: von technischen Anforderungen, insb. Emissionsbegrenzungen und Übergangsfristen95 , die dem Umweltschutz dienen, damit den Betreiber der fraglichen Anlage beschweren. Die Abweichung soll ihn besser stellen. Wollte man Abweichungen von diesen Standards zum Nachteil der betroffenen Altanlagen vorsehen, was demzufolge eine aktive Beteiligung der (überobligatorisch mindernden) Anlagen bedeutete, so bedürfte es zum einen einer anders ausgestalteten, besonders gerechtfertigten Eingriffsermächtigung. Zum anderen wäre die Zusatzbedingung der weitergehenden Verringerung in der vom Normtext vorgenommenen logischen Entgegensetzung nicht sinnvoll, wenn sie von einer Normabweichung zugunsten der Umwelt und zu Lasten des Betreibers ausginge. Der Text ist vielmehr so zu verstehen, daß (zugunsten eines Betreibers) nur dann ausnahmsweise vom allgemeinen Sanierungsstandard abweichende, geringere Vorsorgeanforderungen gestellt werden dürfen und sollen, wenn dem auf Betreiberseite entsprechende überobligationsmäßige Emissionsminderungen gegenüberstehen. Das stimmt auch mit Sinn und Zweck der Vorschrift zusammen: Unechte, nicht betriebsbereite Altanlagen sollen nicht, indem sie sich auf die Passivseite der Kompensationsvereinbarung flüchten, von den verschärften Anforderungen verschont bleiben. Da sie erst kürzlich genehmigt sind, und, so ist anzunehmen, dem Stand der Technik entsprechen, bedürfen sie einer solchen Ausnahme nicht, sondern können unmittelbar an den unterhalb der Gesetzesebene abstrakt-generell zu präzisierenden, durch Übergangsregelungen abzufedernden Vorsorgepflichten gemessen werden. Bei den passiv beteiligten, begünstigten Anlagen muß es sich danach stets um echte, betriebsbereite Altanlagen handeln 96. Die aktiv beteiligten Anlagen brauchen demgegenüber, sofern durch Genehmigung oder Vorbescheid berechtigt, nicht betriebsbereit zu sein, um dem Gesetzeszweck überobligationsmäßiger Emissionsminderung genüge zu tun - wenn und solange sie mit 94 Die Enstehungsgeschichte ist hier ohne Aussagekraft, vgl. BT-Drs. 10/3556, S. 12, 15; BRDrs. 349/85, aaO. 95 § 7 Abs. 3 BlmSchG alter wie neuer Fassung spricht von einer Abweichung "von den aufgrundder Absätze I und 2 festgelegten Anforderungen". Dementsprechend kann nach Nr. 4.2.10 TA Luft für die Kompensation von den Anforderungen nach 3 und den Fristen nach 4.2.2 ff.TA Luft abgewichen werden. 96 Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 53. 13 Enders

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Wirksamkeit der Kompensationsvereinbarung den vom Gesetz aufgestellten allgemeinen Vorsorgestandard (in hinreichendem Maße) übertreffen 97 . Die geschilderten Möglichkeiten wollte der Gesetzgeber mit der Dritten Novelle zum BlmSchG im Interesse eines flexibleren Umweltschutzes erweitern98. Er hat deshalb die Beschränkung auf "betriebsbereite Anlagen" aus der Verordnungsermächtigung des § 7 Abs. 3 BlmSchG gestrichen und den neuen § 17 Abs. 3a BlmSchG (Absehen von nachträglichen Anordnungen) ohne einen solchen Zusatz verabschiedet. Die Regelung ist in den beiden Vorschriften gleichwohl nicht ganz eindeutig, jedenfalls nicht einheitlich erfolgt, so daß in der Literatur Streit über ihre Auslegung herrscht. Klar ist nur, daß das Gesetz, indem es "technische Maßnahmen" verlangt, nach wie vor in keinem Fall entgegen dem ursprünglichen Änderungsentwurf99 - die Stillegung von Anlagen als aktiven Beitrag zur erforderlichen (überobligationsmäßigen) Emissionsminderung anerkennt 100. Denn der Betreiber könnte versucht sein, überalterte Anlagen mit überhöhten Emissionen "auf Vorrat" zu betreiben, um sich dann aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin anstehende, keinesfalls überobligationsmäßige Maßnahmen als Kompensationsbeitrag anrechnen zu lassen 101 . Im übrigen fragt sich, ob der Gesetzgeber "unechten" (nicht betriebsbereiten) Altanlagen neuerdings auf Passiv- wie Aktivseite Zugang zum Emissionsverbund verschaffen wollte und welcher Bedeutung hierbei der in § 17 Abs. 3a Satz 4 BlmSchG angefügten, in § 7 Abs. 3 BlmSchG indessen fehlenden Feststellung zukommt, daß die Kompensationsregelung "auch für nicht betriebsbereite Anlagen" gelte. Einigkeit besteht darüber, daß nunmehr nach beiden Vorschriften nicht betriebsbereite Anlagen sich am Emissionsverbund auch auf der Passiv-Seite beteiligen können 102. Die Rechtslage ist in Wahrheit einheitlich, die Formulierungen weichen lediglich aufgrund gewisser Zufälligkeiten der Entstehungsgeschichte voneinander ab: Maßgeblich ist, daß die ursprünglich in § 7 Abs. 3 Satz 1 BlmSchG a.F. vorgesehene Beschränkung der Kompensationsmöglichkeit auf "betriebsbereite Anlagen" 103, die gerade die Begünstigung

97 Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Imrnissionsschutzrecht, S. 129. 98 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 11/4909, S. 16. 99 Vgl. BT-Drs. 1114909, S. 5, 6, und die Begründung, aaO, S. 16 f. 100 Kloepfers abweichende Auffassung zu § 7 Abs. 3 a.F., Umweltrecht, Rdnr.

64, geht - für den Vorsorgebereich - bereits am Wortlaut der Norm vorbei; vgl. auch Jarass, BlmSchG, § 7, Rdnr. 14, § 17, Rdnr. 67; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 54; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 7, Rdnr. 165 ff. lOt Vgl. Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. II, 4909, S. 28 f. 102 Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Imrnissionsschutzrecht, S. 129, 136; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 62; auch Jarass, BlmSchG, § 7, Rdnr. 13, § 17, Rdnr. 65. 103 Vgl. oben Fn. 93.

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nicht betriebsbereiter Anlagen ausschloß, bewußt fallen gelassen wurde. Die Begründung hierfür ist zwar, abgesehen davon, daß sie das Tatbestandsmerkmal rechtlich (durch [Teil-]Genehmigung oder Vorbescheid) gesicherter Betreiberpositionen zur unverzichtbaren Voraussetzung jeder Kompensationsregelung erklärt, einigermaßen offen formuliert 104. Die spätere, auf Antrag des Bundesrates erfolgte Streichung des - dem § 17 Abs. 3a Satz 4 BlmSchG entsprechenden - ausdrücklichen Hinweises auf die Einbeziehung nicht betriebsbereiter Anlagen wurde aber zum einen - vom Bundesrat - eben damit begründet, daß jene Weglassung (der Beschränkung) die Änderung bereits ausreichend dokumentiere 105. Zum anderen diente die Streichung des ausdrücklichen Hinweises lediglich einer Klarstellung auf der Aktiv-Seite, zielte nicht auf die passiv beteiligten Anlagen: Über den Ausschluß von nicht betriebsbereiten, stillgelegten Anlagen aus dem Emissionsverbund sollten keinerlei Zweifel aufkommen106. Dieser Zweifelsanlaß, der mögliche Widerspruch zwischen der Beschränkung des aktiven Beitrags auf technische Maßnahmen und der Einbeziehung nicht betriebsbereiter Anlagen, wurde freilich aus § 17 Abs. 3a BlmSchG nicht eliminiert. Der Grund für diese äußerlich im Gegensatz zu § 7 Abs. 3 BlmSchG stehende Regelung dürfte letztlich darin zu sehen sein, daß der Bundesrat § 17 Abs. 3a BlmSchG gänzlich beseitigt wissen wollte, weil die Vorschrift neben § 7 Abs. 3 BimSchG überflüssig sei, ja sogar kontraproduktiv wirke 107. Ein Änderungsantrag wurde folglich nicht gestellt. Die Streichung wurde indessen abgelehnt und § 17 Abs. 3a Satz 4 blieb mangels Änderungsantrags aufgrund unzulänglicher Redaktion unverändert bestehen 108. Wenn danach entgegen der bisherigen Rechtslage auch nicht betriebsbereite Anlagen von Kompensationen begünstigt werden dürfen, so besteht kein vernünftiger Grund, im übrigen hinter die bislang gegebenen Möglichkeiten der Kompensation zurückzugehen und überobligationsmäßigen Minderungsleistungen nicht betriebsbereiter Anlagen die rechtliche Anerkennung zu versagen 109. Entscheidend ist - auch ausweislich der Gesetzesbegründung - zum 104 "Auch nicht betriebsbereite Anlagen können in die Kompensation insoweit einbezogen werden, als bei ihnen überobligationsmäßige Minderungen im Bereich der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen bewirkt werden sollen", BT-Drs. 11/4909, S. 16; vgl.auch aaO, S. 18 zu § 17 Abs. Ja BlmSchG. 105 AaO S 29 106 Aao: ~rwi~erung der Bundesregierung, S. 41 f. und Begründung der Beschlüsse des 21. Ausschusses, BT-Drs. 1116633, S. 44. 107 BT-Drs. 1114909, S. 30, nicht zuletzt unter Hinweis auf das vom Bundesverwaltungsgericht geforderte allgemein verbindliche Vorsorgekonzept, BVerwGE 69, 37. 108 Vgl. BT-Drs. 1114909, S. 42, BT-Drs. 11/6633, S. 44. Zugute halten mag man diesem Redaktionsfehler, daß es sich bei § 17 Abs. 3a BlmSchG um eine gänzlich neue Regelung handelt, die sich schlechter durch Weglassungen definieren läßt. 109 So auch Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Inunissionsschutzrecht, S. 129, 136; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 62. 13•

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einen, daß die an der Kompensation beteiligten Anlagen eine ausreichend gesicherte Rechtsposition erlangt haben 110, zum anderen aber, daß nicht betriebsbereite Anlagen (nur) insoweit nicht am Emissionsverbund teilnehmen dürfen, als der ihnen zuzurechnende Minderungsbeitrag aus einer Stillegung resultiert111: Die erstere Bedingung ist gewissermaßen in die Zukunft gerichtet und sichert einen äußersten Rahmen der für den Sanierungseffekt unverzichtbaren Gleichzeitigkeit von Unter- und Überschreitung des Vorsorgestandards. Emissionsminderungen fiktiver Anlagen in ferner Zukunft und auf der Basis eines unbekannten Standes der Technik können nicht gutgeschrieben werden 112. Da der passiv beteiligten Anlage die Vergünstigung erst mit der Sicherstellung des Sanierungsplans (Nr. 4.2.10 Abs. 2 TA Luft; § 17 Abs. 3a Satz 5 BlmSchG) zugute kommt, reicht es aber aus, wenn die aktiv beteiligte Anlage nach Inbetriebnahme ihre überobligationsmäßige Minderungsleistung erbringt. Der Zeitraum bis zur Inbetriebnahme der aktiv beteiligten Anlage ist freilich nicht nur anordnungsweise festzulegen, sondern auch zu Lasten des Begünstigten auf den insgesamt für die Kompensation zur Verfügung stehenden Zeitraum anzurechnen. Je später also die Inbetriebnahme der aktiven Anlage, desto höher ihre Minderungslast Der Ablauf von Übergangsfristen begrenzt dabei die Anfangsfrist für die Inbetriebnahme der aktiv beteiligten Anlage nach oben. Die zweite Bedingung des technischen Charakters der Verbesserungsmaßnahmen schützt dann den Emissionsverbund rückwärtsgewandt gegen in der Vergangenheit vorsorgewidrig "angesparte" Emissionsguthaben, deren Abbau nicht als überobligationsmäßig und damit zweckfördernd gelten kann. Alles was an aktiver Emissionsminderung zwischen diesen Eckdaten liegt, wird vom Gesetz als potentiell tauglicher Kompensationsbeitrag gewertet 113, es sei denn, sie wäre kraft besonderer Anordnung im Einzelfall ohnehin geschuldet. Diese Einschränkung bekräftigt § 17 Abs. 3a Satz 2 BlmSchG ausdrücklich. Sie wäre aber nach Sinn und Zweck der Kompensationsregelung und dem

110 BT-Drs. 1114909, S. 16, 18. Das kann von den gern.§ 15a Abs. Ia, Abs. 2 Satz I jederzeit widerruflich zugelassenen Anlagen auch nach Sinn und Zweck der Regelung nicht angenommen werden. 111 Jarass, BlmSchG, § 7, Rdnr. 13, § 17, Rdnr. 65 meint, die Einbeziehung nicht betriebsbereiter Anlagen in § 7 Abs. 3 BlmSchG sei allgemein im Hinblick auf belastete (aktive) Anlagen gestrichen worden und interpretiert derart einschränkend auch § 17 Abs. 3a Satz 4 BlmSchG. Bereits die erste Annahme findet aber über den Ausschluß von Stillegungen hinaus keine Stütze in der Entstehungsgeschichte, vgl. auch Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 136. 112 Vgl. bereits BR-Drs. 349/1/85, Nr. 91; BT-Drs. 11/4909, S. 30; auch Goßler, UPR 1990, S. 255, 257; Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 135; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 60 f.; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GKBimSchG, § 7, Rdnr. 184. 113 Anders Jarass, BlmSchG, § 7, Rdnr. 13, § 17, Rdnr. 65.

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Grundsatz der Überkompensation ohnehin zu beachten und gilt folglich notwendig auch für künftige Sanierungs- und Kompensationskonzepte 114. 3. Das gesetzliche Konzept der Vorsorgekompensation

a) Die materiellen gesetzlichen Anforderungen an eine Überkompensation aa) Die beiden Grundkonstellationen der verhältnismäßigen und der unverhältnismäßigen Vorsorge-Anforderung Der bislang nachgezeichnete Gesetzes-Rahmen zieht Kompensationsmöglichkeiten lediglich äußerste Grenzen. Zu klären bleibt, ob die gesetzliche Regelung zeitliche Beschränkungen enthält oder doch voraussetzt und wie diese zu bestimmen wären. Weder § 7 Abs. 3 noch § 17 Abs. 3a BlmSchG erwähnen noch eine für Kompensationen verbindliche "bestimmte Frist". Dennoch kann kein Zweifel bestehen, daß eine völlige Freigabe dem Gesetzeszweck widerspräche115. Während aber die Bezugnahme auf Emissionsjahresfrachten eher einen sinnvollen Berechnungsmodus darstellt 116, gibt der Gesetzeswortlaut einen über die aufgezeigten Grenzmarken hinausführenden Hinweis, wenn er verlangt, daß mit der Kompensation eine "weitergehende Minderung von Emissionen ... " bzw. von "Emissionsfrachten" erreicht wird als es auf der Basis zwangsweiser Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen möglich wäre: Damit sind verbindliche gesetzliche (Zeit- )Grenzen angesprochen; sie können aus dem gesamten- zwangsbewehrten- Vorsorgesystem des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gewonnen werden, wie es sich namentlich auch in untergesetzlichen Sanierungskonzepten, ansonsten in Einzelfallermächtigungen nieder114 Ein weiteres Defizit der Regelung läßt sich als Redaktionsfehler qualifizieren und bereinigen: § 7 Abs 3 Satz I BlmSchG, der "bei in Absatz 2 genannten Anlagen" Kompensationen zuläßt, stellt damit klar, daß hierfür nur Anlagen in Betracht kommen, an die- zum Zeitpunkt des Wirksamwerdensder neuen Rechtslage- "in einem Vorbescheid oder einer Genehmigung geringere Anforderungen gestellt worden sind" (Abs. 2). § 17 Abs. 3a Satz 4 BlmSchG geht seinem Wortlaut nach darüber hinaus und bezieht Teilgenehmigungen nach § 8 BlmSchG mit ein. Auch hier geht die (scheinbare) Bedeutungsverschiebung auf die Streichung der entsprechenden, als mißverständlich empfundenen, ausdrücklichen Einbeziehung nicht betriebsbereiter Anlagen in § 7 Abs. 3 BlmSchG zurück, vgl. zur Geschichte der Streichung BT-Drs. 1114909, S. 5, 16, 29,41 f. Der Gesetzgeber hat damit seinem Willen keinen adäquaten Ausdruck verliehen, so daß eine Kon·e ktur ohne weiteres zulässig ist, Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 172 f., 173, 176, 250. Künftige Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften dürfen Kompensationen auch bei Vorliegen bloßer Teilgenehmigungen zulassen. 115 Vgl. Goß/er, UPR 1990, S. 255, 257, sowie die kritische Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 11/4909, S. 30. 116 TA Luft Nr. 4.2.10 Abs. I Satz I; vgl. Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 69; Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Imrnissionsschutzrecht, S. 129, 135; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 61.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

schlägt 117. Denn in diesem System spielt die Zeit als Faktor des Bestandsschutzes eine erhebliche Rolle. Unter welchem zeitlichen Vorbehalt steht nun das gesetzliche Vorsorgegebot und damit zugleich jedes ihm verpflichtete Sanierungs-Konzept? Er folgt in der dargestellten Weise aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Die Regelfälle der typisierten "nachträglichen Anordnung" eines verschärften Vorsorgestandards (durch den Vorschriftengeber, vgl. § 7 Abs. 2 BlmSchG) erledigen sich danach ohne weiteres gemäß den abstrakt-generellen Vorgaben, weil und soweit die auferlegten Nachrüstungsinvestitionen sich während der Restnutzungsdauer der fraglichen Anlage amortisieren. Auch die Kompensationsregelung in Nr. 4.2.10 TA Luft- die hier zugleich als ein möglicher Bestandteil künftiger Sanierungskonzepte nach § 7 Abs. 3 BlmSchG steht - geht mit ihrer Ermächtigung, von den vorgesehenen Anforderungen abzuweichen, von der Regel der Verhältnismäßigkeit der abstr.akt-generellen Vorgaben aus ("soll[en]" in 4.2 TA Luft). Sie zieht mit der nicht disponiblen Acht-Jahresfrist nur eine allgemeine Kompensationsschranke für diesen Fall verhältnismäßiger Sanierungsanforderungen im Vorsorgebereich (Nr. 4.2.1 0 Abs. 1, 4.2.4 TA Luft 118). Ist die Anforderung dagegen (nach dem internen Maßstab der§§ 7 Abs. 2, Satz 2, 17 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG) ausnahmsweise unverhältnismäßig, so ist die Genehmigung im Einzelfall, ohne daß die Verwaltungsvorschrift hierzu eine Aussage träfe, unter Einhaltung der gesetzlichen Widerufsvoraussetzungen zu widerrufen. Das kann frühestens zu dem Zeitpunkt, an dem die neuen Anforderungen gelten, also nur befristet auf den Ablauf der sogenannten Übergangsfristen geschehen (§§ 17 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BlmSchG, 36 VwVfG). Erreicht oder übertrifft diese Frist die Restnutzungsdauer, ist der Entzug der Rechtsposition (nach externem Maßstab) auch ohne finanziellen Ausgleich verhältnismäßig(§ 21 Abs. 4 BlmSchG). Diese nach § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG zwangsläufige Widerrufssituation prägt nun, so sollte man meinen, das gesamte Vorsorge- und Sanierungsmodell des Gesetzes nicht weniger als der fiktive Regelfall der verhältnismäßigen Anordnung. Wirklich spricht § 7 Abs. 3 BlmSchG ganz unspezifisch von einer "Beachtung der ... Anforderungen", der selbstverständlich auch unter Einsatz des Widerrufs der Genehmigung Nachdruck verliehen werden kann und wegen § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG verliehen werden muß. § 17 Abs. 3a Satz 1 BlmSchG dagegen verkürzt seinem Wortlaut nach die Perspektive und erweckt den - auch in systematischer Betrachtungsweise nicht zu korrigierenden - Ein117 Insoweit entgegen Rehbinder, jew. aaO, der meint, daß auf "weitere zeitliche Anforderungen ... verzichtet werden sollte". Den Zusammenhang mit dem (verhältnismäßigen) Zwangsregime wiederum verkennt Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 166, 171. 118 D.h.: I. März 1994 für die alten, 30. Juni 1999 für die neuen Bundesländer.

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druck, als sollte die Behörde immer dann, wenn die Anordnung unverhältnismäßig ist, vor allem also, wenn das Sanierungskonzept die verfassungsrechtlichen Vorgaben (ausnahmsweise) verfehlt, aufhören, über eine Optimierung der Sanierungsabsicht nachzudenken. Denn die Rede ist nur von "Minderungen, die durch den Erlaß nachträglicher Anordnungen ... erreichbar wäre(n)". Andererseits spricht die Bestimmung ihrem Wortlaut nach nicht von den durch Rechtsverordnung festgelegten Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG, wie dies in § 17 Abs. 3 und insbesondere § 7 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz BlmSchG geschieht, erklärt vielmehr - wie § 17 Abs. 1 BlmSchG - allgemeiner die "sich aus ... den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten" zum Maßstab. Damit sind auch die von § 7 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz so genannten "Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen", d.h. Sanierungsverpflichtungen nach § 7 Abs. 2 BlmSchG gemeint. Bezieht sich danach § 17 Abs. 3a BlmSchG durchaus auf Anforderungen eines Sanierungskonzepts, so soll er nach dem expliziten subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers "im Hinblick auf die Sicherung der Altanlagensanierungnach der TA Luft 1986" 119 dort eingreifen, "wo untergesetzliches Recht die Kompensation (!)gar nicht, nur lückenhaft oder nicht den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls entsprechend regelt" 120; anders würde jeder planvolle Sanierungsansatz zunichte gemacht 121 . Ergänzt aber der neue § 17 Abs. 3a BlmSchG das Ensemble des gesetzlichen Sanierungsinstrumentariums unter anderem gerade insofern, als er, wo ein Sanierungskonzept lückenhaft Kompensationsmöglichkeiten außer acht läßt, angemessene Reaktionen erlaubt und den Sanierungserfolg optimiert, so kommt er im tatbestandliehen Anwendungsbereich abstrakt-genereller Festsetzungen eines solchen (bestehenden oder künftigen) Konzepts nur in dem Umfang zum Tragen, in dem aus dem typisierenden Charakter dieser Festsetzungen das Bedürfnis nach einer Ausnahmeregelung erwächst. Da die Möglichkeit einer (verhältnismäßigen) nachträglichen Anordnung nach § 17 Abs. I Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BlmSchG, von der § 17 Abs. 3a BlmSchG seinem Wortlaut nach ausgeht, mit einem Fehlschlagen des Sanierungskonzepts ausscheidet und § 17 Abs. 2 Satz 2 dann sogleich auf § 21 weiterverweist, könnte § 17 Abs. 3a BlmSchG neben einem auf verhältnismäßige Konstellationen beschränkten Kompensationskonzept nie Anwendung finden. Die Einzelfallermächtigung versagte gerade in der Situation, auf die sie nach dem Willen des Gesetzgebers und von der Logik des Sanierungsgedan119 So die Bundesregierung, BT-Drs. 11/4909, S. 42, in Etwiderung auf die Bedenken des Bundesrats, das Sanierungskonzept der TA Luft werde durch eine Einzelfallermächtigung überspielt, BT-Drs. 11/4909, S. 30 (Nr. 14 a.E.). 120 BT-Drs. 11/4909, S. 17. Die letzten beiden Fallgruppen sind in Wahrheit identisch; für beide fehlt es an einer (angemessenen) Regelung. 121 BT-Drs. 11/4909, S. 30. So auch Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BlmSchG, Anm. 12a.

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kens her zugeschnitten sein soll, um ein typisches Unvermögen der abstrakt-generellen, untergesetzlichen Regelung auszugleichen: die Vernachlässigung konkreter Fallumstände. Wir haben es insofern mit einer - gemessen am eigentlichen, nicht "zu Ende gedachten" Vorhaben des Gesetzgebers sowie an Sinn und Zweck des Gesetzes- planwidrigen Regelungslücke zu tun 122. Aus der Funktion der Bestimmung als einer Ergänzung des Sanierungskonzepts folgt dann, daß der Behörde in sinngemäß erweiternder Analogie erlaubt ist und sogar vorgeschrieben sein muß ("soll") 123 , vom an sich zulässigen Zwangsmittel Widerruf dort abzusehen, wo nach Maßgabe der §§ 7 Abs. 3 Satz 2, 17 Abs. 3a Satz 1 BlmSchG ein "Mehr" für den Umweltschutz in Gestalt der Vorsorge zu erreichen ist. Diese Erweiterung fügt sich in die Systematik der§§ 17, 21 BimSchG ein, weil sie das Gebot des§ 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG, bei Unverhältnismäßigkeit der nachträglichen Anordnung die Genehmigung im Regelfall zu widerrufen, durch den Ausnahmetatbestand der Kompensation außer Kraft setzt, soweit die Tatbestandsvoraussetzung der "weitergehenden Verringerung von Emissionsfrachten" erfüllt ist. Wenn sie darüber hinaus nicht einfach das Widerrufs-Ermessen nach § 21 Abs. 1 BlmSchG eröffnet, sondern formell eine Verpflichtung der Behörde statuiert, unter bestimmten Voraussetzungen vom Widerruf aus Gründen der Vorsorge abzusehen, so bezieht sie materiell die Widerrufsmöglichkeit in die "Kompensationsmasse" zu mindernder Emissionsfrachten (wieder) mit ein, weil der Widerruf einer Genehmigung (in Verbindung mit der dann gebotenen Stillegung) die Emissionen der betreffenden Anlage am nachhaltigsten mindert. Akzeptiert man diese zunächst auf die Hilfsfunktion des § 17 Abs. 3a BlmSchG zugeschnittene Erweiterung der Kompensationsmöglichkeiten, kann nichts grundsätzlich anderes gelten, wo - wie etwa mittlerweile in den alten Bundesländern wegen des Ablaufs der Fristen nach Nr. 4.2 TA Luft - ein Sanierungskonzept, in dessen Rahmen§ 7 Abs. 3 BlmSchG die Kompensation stellt, gänzlich fehlen sollte 124. Schließlich darf der nach § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG regelmäßig gebotene Widerruf als fester Bestandteil des gesetzlichen Zwangssystems der Bestandsbegrenzungen nicht negiert werden, wenn es darum geht, was in Erfüllung des Gesetzeszwecks gegenüber dem 122 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 372, 373. Über einen bloßen Redaktionsfehler geht dieser Regelungsmangel hinaus, vgl. Engisch, · Einführung in das juristische Denken, S. 172 f., 176, 177 f. 123 Nach der immanenten Teleologie des Gesetzes sind die Sachverhalte, in denen im Interesse des Umweltschutzes, hier: der Vorsorge auf Zwangsmittel verzichtet werden kann, einheitlich zu bewerten, vgl. Larenz, aaO, S. 374 f., 381 ff. 124 Nach BVerwGE 69, 37 (45) ist ein Vorsorgekonzept unverzichtbar. Wenn der angestrebte Standard hinlänglich definiert ist, können dagegen die Sanierungsanforderungen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hergeleitet werden, so daß im Falle des FehJens eines Sanierungskonzepts einer selbständigen Anwendung von § 17 Abs. Ja BlmschG nichts im Wege steht.

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einzelnen Belreiber durchgesetzt werden kann. Auch insoweit ist das Gesetz sinngemäß zu vervollständigen. Damit ist für die Berechnung zeitlicher Grenzen der Kompensationsvereinbarung zunächst zwischen der aktiv beteiligten Anlage und der passiven, begünstigten Anlage zu unterscheiden. Die erstere ist nach dem Standpunkt des Betreibers diejenige, die die geforderten Vorsorge-Werte nicht nur unproblematisch einhalten kann, sondern qualitativ übertreffen soll. Im Gegensatz hierzu bestehen bei der zweiten Anlage Schwierigkeiten, sie dem verschärften Vorsorgestandard anzupassen. Innerhalb der passiv beteiligten Anlagen sind dann zwei Hauptgruppen zu unterscheiden: Die eine wird gebildet durch die Fälle (möglicher) verhältnismäßiger nachträglicher Anordnungen, wie sie in Betracht kommen, wenn die erwähnten Schwierigkeiten nicht objektiv motiviert sind, sondern in subjektiven (etwa besonderen betriebswirtschaftlichen) Umständen ihren Grund haben. Da eine verhältnismäßige Anordnung die Rechtsstellung des Anlagenbetreibers als solche nicht berührt und dieser seine Anlage nach dem - verfassungsrechtlich fundierten - Rechtsgedanken der §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 1 Nr. 3, 4, 5 BlmSchG zeitlich unbegrenzt weiter betreiben darf, bis eine erneute tatsächliche oder erhebliche rechtliche Veränderung eintritt, kann auch die Kompensationsvereinbarung zeitlich nicht über die bereits angegebenen Ausschlußgründe hinaus begrenzt werden. Allenfalls mag der untergesetzliche Normgeber gewisse, auf ihre Gesetzmäßigkeit allerdings noch zu überprüfende Beschränkungen vornehmen, wie er es mit der Acht-Jahresfrist nach Nr. 4.2.10 Abs. 1 mit 4.2.4 TA Luft getan hat. Der Belreiber einer Anlage der zweiten Gruppe, deren Genehmigung mangels anderer verhältnismäßiger Anordnungsmittel an sich zu widerrufen ist, muß sich dagegen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Widerrufs gegeben sind, die Begrenzung des Anlagenbetriebs auf jenen (anhand steuerlicher Abschreibungsregeln ermittelten) Zeitraum entgegenhalten lassen, der vom Regime der Genehmigungspflicht zum Zwecke der Amortisation anfänglicher Investitionen eingeräumt ist und mit dessen Ablauf die subjektive Berechtigung ersatzlos erlischt. Versteht man diesen Zeitpunkt zugleich als rechtliche Grenze möglicher Kompensationsvereinbarungen nach §§ 17 Abs. 3a (analog), 21 Abs. I BlmSchG, so muß man sich freilich vor Augen halten, daß damit die tatsächliche Betriebsdauer der vorsorgewidrig betriebenen Anlage jedesmal dann verlängert wird, wenn die Dauer der zulässigen (Rest-)Nutzung allfällige Übergangsfristen überschreitet. Denn gegen Entschädigung(§ 21 Abs. 4 BlmSchG) könnte die Genehmigung, was im Interesse des Umweltschutzes liegt und nach der Wertung der§§ 17 Abs. 2 Satz 2, 21 BlmSchG der :Regel entspricht, jederzeit bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und d.h.: jedenfalls mit Ablauf von Übergangsfristen widerrufen werden. Das Eintreten der Ausgleichsptlicht nach § 21 Abs. 4 BlmSchG begründet aber in der Sprache des

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Gesetzes keinen atypischen Fall, der für sich schon ein Absehen vom Widerruf rechtfertigen könnte, sondern ist Rechtsfolge einer (vorausliegenden) Gütergewichtung, so daß fraglich scheint, ob durch die Kompensation wirklich Gewinne für den Umweltschutz erzielt werden. Andererseits bildet rechtlich der Entschädigungsanspruch - wie dargelegt - nur das Surrogat für die im Rahmen der Erlaubnis rechtlich geschützte Restnutzung. Aus der Sicht des Betreibers (der rechtswidrig gewordenen, an einer potentiellen Kompensation passiv beteiligten Anlage) wählt also der Gesetzgeber, wenn er neben dem entschädigungspflichtigen (sofortigen) Widerruf einen Widerruf zum Ablauf der von Rechts wegen gebotenen Amortisationsfrist vorsieht, lediglich zwischen zwei verhältnismäßigen Mitteln aus. Aus der Sicht des Gesetzeszwecks Umweltschutz tritt das Freiwilligkeilsverhältnis der Kompensationsvereinbarung und d.h. die (einer aktiv überobligationsmäßig mindernden Anlage zu verdankende) kompensatorische Emissionsminderung hinzu, die rechtlich insgesamt das (von beiden Anlagen) Geschuldete übertrifft, so daß der Umweltschutz vom fortdauernden Betrieb der fraglichen Altanlage profitiert. Tatsächlich könnte zwar der Widerruf, der gegen Entschädigung erfolgt, die Emissionen nachhaltiger mindern, da ja die potentiell aktiv beteiligte und auf dem Stand der Technik befindliche Anlage die neuen Vorgaben einhalten kann und muß, während die Emissionen der potentiell passiv beteiligten Anlage mit Widerruf und Stillegung gänzlich wegfallen. Ähnlich häufig wird aber in der Praxis aus Geldmangel auf einen Widerruf verzichtet werden. Angesichts dieser Sachlage ist der Gesetzgeber nicht gehindert, eine partielle Umwertung seiner in §§ 17 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 1 und 4 getroffenen Gewichtung der öffentlichen Belange vorzunehmen und einen längeren Betrieb der passiv beteiligten Anlage in Kauf zu nehmen, solange er damit nicht verfassungsrechtliche Grenzen überschreitet. Nichts anderes geschieht auch mit der Zulassung von Sanierungskonzepten, deren Übergangsfristen den rechtlich geschützten Amortisationszeitraum im Einzelfall übertreffen können. Die vom Emissionsverbund geschuldete Emissionsminderung 125 ist dannmodellhaft - für die beiden Grundkonstellationen wie folgt zu berechnen: Der Schadstoffausstoß der aktiv beteiligten Anlage A ist stets mit dem verschärften, aufgrund der Rechtsänderung geltenden Grenzwert in die Rechnung einzustellen, auch wenn sie - das ist ohnehin Voraussetzung jeder Kompensation - diesen Wert nicht nur zu übertreffen künftig in der Lage ist, sondern ihn bereits

125 Zum Fehlen von Frachtbegrenzungen: Huckestein, ZfV 1989, S. I, 20; Rehbinder, Umweltzertiflkate und Kompensationslösungen, S. 28, 56, 60 f.; ders./Sprenger, Möglichkeiten und Grenzen, S. 346; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BlmSchG, § 7, Rdnr. 173.

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zum Zeitpunkt der Kompensationsvereinbarung aktuell übertreffen sollte 126. Dieser - sinnvollerweise auf Jahresfrachten zu beziehende - Grenzwert 127 könnte im Wege der nachträglichen Anordnung durchgesetzt werden; er sei hier fiktiv mit 100 Verschmutzungseinheiten (VE) pro Jahr angegeben. Sodann ist zu ermitteln, in welchem Umfang der tatsächliche Schadstoffausstoß der passiv beteiligten Anlage B (hier mit 120 VE/J angenommen) den neuerdings zulässigen Grenzwert überschreitet (Differenz zwischen Ist- und Soll-Wert: 20 VE), wobei eine zusätzliche Erhöhung rechtlich dann nicht ausgeschlossen ist, wenn auf Seiten der Anlage B eine Obergrenze rechtswirksam festgelegt wird und auf Seiten der Anlage A ausreichend Minderungskapazitäten vorhanden sind. Die Differenz zwischen tatsächlichem und zulässigem Schadstoffausstoß muß dann in ihrem Ausmaß von Anlage A durch eine Unterschreitung des Grenzwertes übertroffen werden, damit von einem Ausgleich im Sinne der gesetzlichen Regelung, d.h. von einer Überkompensation gesprochen werden kann und die Behörde von hoheitlichen, zwangsweise durchzusetzenden Maßnahmen absehen darf. Der normative Effekt, der überhaupt erst den Umweltschutzzweck zur Geltung bringt, tritt nun dadurch ein, daß gerade in den (atypischen) Fällen der unverhältnismäßigen Anordnung, für die der Normgeber - anders als im Anwendungsbereich der TA Luft die Regel-Frist von acht Jahren nach Nr. 4.2.10 keine Fristen vorgesehen hat, Kompensationsvereinbarungen von Gesetzes wegen auf die Restnutzungsdauer der passiv beteiligten Anlage zu begrenzen sind. Während die Regelfall-Anlagen mit Ablauf einer allfälligen, abstrakt-generell festzusetzenden Kompensationsfrist schlichtweg die vorgeschriebenen Werte einzuhalten haben, ohne eine solche Frist aber unbegrenzt kompensieren können, verlieren die anderen Anlagen dem Modell nach mit Fristablauf ihre Genehmigung durch Widerruf und sind stillzulegen. Hätte also Anlage B eine Restnutzung von 10 Jahren zu gewärtigen, müßte Anlage A während dieses Zeitraums den zulässigen Ausstoß um mehr als I 0 x 20 =200 VE reduzieren, dürfte daher anstelle der an sich zulässigen 1 000 VE nur weniger als 800 VE emittieren. Dieser Maßgabe würde eine auf die Jahresfrachten bezogene Senkung des Schadstoffausstoßes auf unter 80 VE gerecht. Die Befristung eröffnet stattdessen auch die Möglichkeit, eine entsprechend höhere Reduktion auf einen Bruchteil des Kompensationszeitraums zu konzentrieren. Das wird freilich nur zulässig sein, wenn die gesetzlich erstrebte Überkompensation hin126 larass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 69 unter Hinweis auf§ I Abs. I Satz 3 der 4. BlmSchV; offengelassen von Rehbinder, Neuere Entwicklungen im lmmissionsschutzrecht, S. 129, 132; Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 56. 127 Ferner sind Kapazität und Betriebszeit der Anlage(n) innerhalb des bestimmten Zeitraums zu berücksichtigen, Huckestein, Zfl.J 1989, S. I, 20; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 56, 61.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

länglich sichergestellt ist. Soll etwa Anlage A ihre gesamte Minderungsleistung (von mehr als 200 VE) im Verlauf der letzten vier Jahre des zehnjährigen Kompensationszeitraums erbringen, mindert dann aber vereinbarungswidrig nicht, so kann zwar Anlage B nach Widerruf der Genehmigung stillgelegt werden. Anlage A dagegen wird über den allgemeinen Vorsorgestandard hinaus nicht zu Emissionsminderungen verpflichtet werden können, so daß in aller Regel die bis dahin vorschriftswidrig von B verursachten Emissionen nicht mehr ausgeglichen werden können 128. Trotz dieser Einwände ist hier der Ort einer maßvoll flexiblen Ermessenspraxis 129, die allerdings zu beachten hat, daß die Kompensation materiell erst mit dem Wirksamwerden des Anpassungszwangs, d.h. dem Ablauf allfälliger Übergangsfristen einsetzen kann; zuvor gelten die überkommenen Werte. Nur die nach Ablauf der Übergangsfrist bis zum Zeitpunkt der vollständigen Amortisation der Anlage 130 pflichtwidrig verursachten Emissionen sind zu kompensieren, gleichgültig ob fonnell die Kompensationsvereinbarung bereits früher in Kraft tritt. Der Ablauf der Übergangsfrist bezeichnet aber jedenfalls den spätestmöglichen Termin für den Kompensationsbeginn, damit zugleich für die Aufnahme des Betriebs durch die (anfänglich nicht betriebsbereite) Anlage A. Hat sich andererseits Anlage B mit Ablauf der Übergangsfrist bereits amortisiert, kommt nur noch der Widerruf in Betracht, eine Kompensationsvereinbarung darf nicht mehr getroffen werden. bb) Die Gleichbehandlung von geringfügigen Überschreitungen der Vorsorgeanforderungen (§§ I7 Abs. 3a i.V.m. 2I Abs. I Nr. 4 BlmSchG) Dieses materielle Konzept der Vorsorge nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Eingriffsmöglichkeiten bedarf noch differenzierender Korrekturen. Soeben wurde, um die Begrenzung möglicher Kompensationsvereinbarungen durch die Bedingtheit der Setreiberposition zu verdeutlichen, pauschal von der Widerruflichkeit der Genehmigung ausgegangen. Wir wissen aber bereits, daß nicht immer, wenn eine nachträgliche Anordnung an der Hürde der Verhältnismäßigkeit scheitert, das Gesetz einen Widerrufsauftrag erteilt. Dieser hängt vielmehr nach § I7 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. I Nr. 3 bis 5 BlmSchG ab. Für den gesamten Bereich der Vorsorge verbietet § 2I Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG den Widerruf der Genehmigung, wenn es sich lediglich um geringfügige Überschreitungen der Grenz-

128 Im einzelnen wird es auf Art und Inhalt der Absprachen ankommen. 129 Vgl. Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I.§ 17 BlmSchG, Anm. 12a. 130 Im Regelfall sonst bis zum Ende der Kompensationsfrist

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werte handelt 131 und von der Genehmigung bereits Gebrauch gemacht wurde. Nun sind die potentiell in den Genuß einer Kompensation kommenden Anlagen per definitionem immer Altanlagen, für die eine Genehmigung (ein Vorbescheid, eine Teilgenehmigung 132) existiert. Gerade im hier interessierenden Fall der passiv zu beteiligenden (Alt-) Anlage, die verschärften Vorsorgeanforderungen nicht mehr in zurnutbarer Weise angepaßt werden kann, wird von dieser Genehmigung in der Regel auch Gebrauch gemacht worden sein. Ein Widerruf nach§ 21 Abs. 1 Nr. 4 BimSchG scheidet also aus, damit auf den ersten Blick auch eine Kompensation. Möglicherweise sind der Behörde in dieser Situation die Hände dennoch nicht völlig gebunden: Dann nämlich, wenn sie, soweit die Vorsorgeanforderungen nicht im Wege des Widerrufs der Genehmigung nach§ 21 Abs. 1 Nr. 4 BimSchG durchgesetzt werden können, eine auf bloße Teilkorrektur abzielende nachträgliche (Vorsorge-) Anordnung erlassen darf133 , die dem Anlagenbetreiber lediglich solche Nachhesserungen aufgibt, die gerade noch im Rahmen des Verhältnismäßigen liegen. Im Falle der Gefahrenanordnung ist nun das Ermessen der Behörde auf die Regelverpflichtung zum Einschreiten reduziert (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BimSchG). Sie harmoniert mit Befugnis und Pflicht der Behörde, die Genehmigung aufgrund einer Änderung der Sachlage gern. §§ 17 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 1 Nr. 3 BimSchG zu widerrufen, wenn die nachträgliche Anordnung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz scheitert. Teilkorrekturen sind nur aber auch immer dann zulässig, wenn insgesamt durch (ergänzende, rechtsförmig abgesicherte) Kompensationsmaßnahmen der gesetzmäßige Schutzstandard eingehalten wird. Im Vorsorgebereich ist die Rechtslage indessen anders. Weil sich in diesem Bereich die Schädlichkeit anlagenbezogen definiert (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG), ist es richtig, das Ausmaß der Pflichtigkeit zunächst anlagenbezogen anhand der jeweiligen Eingriffsmöglichkeiten zu präzisieren und sodann die Zulässigkeit der Kompensation in einem zweiten Schritt zu beurteilen. Da nun der Behörde die uneingeschränkt sachdienliche Maßnahme absolut verboten ist(§§ 17 Abs. 2, 21 Abs. 1 Nr. 4 BimSchG), es aber andererseits nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG beim Ermessen bleibt und zwar gerade auch in den von einem Sanierungskonzept nicht erfaßten Ausnahmefällen ("soll"/"sollen" in Nr. 4.2 TA Luft) unverhältnismäßiger Anforderungen, darf die Behörde also aus der Perspektive des Gesetzes eine Anordnung erlassen, die den Vorsorgezweck, d.h. -Standard nicht in vollem Umfang durchsetzt, zu seiner Verwirklichung aber bestmöglich beiträgt(§§ 1, 5 Abs. 1 Nr. 2

131 Vgl. die Wertung des Normgebers in Nr. 4.2.9 Satz 2 TA Luft. 132 Auch auf diese ist§ 21 BlmSchG anwendbar, Jarass, B1mSchG, § 21, Rdnr. 5. 133 Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 35.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

BlmSchG) 134. Dem Anlagenbetreiber gegenüber stellt eine solche gesetzmäßige Teilkorrektur das mildeste geeignete Mittel dar. Denn er wird durch § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG nur vor einem im Vorsorgekonzept begründeten Entzug seiner Rechtsposition geschützt. Die Ermächtigung zur Teilkorrektur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips schafft nun wieder Kompensationsmasse, weil die Behörde nach § 17 Abs. 3a (unmittelbar) i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG von der Anordnung einer Teilkorrektur absehen kann. Als durch Emissionsminderungen auf der Aktivseite zu übertreffende Schadstoffbilanz gilt dann nicht die Differenz des tatsächlichen Ausstoßes der Anlage B zum allgemein zugelassenen, sondern zu dem relativ niedrigsten, konkret noch verhältnismäßig durchsetzbaren Höchstmaß der hervorgerufenen Emissionen. Mit dieser Einschränkung sind die Ausnahmefälle der unverhältnismäßigen Vorsorgeanforderung bei nur geringfügiger Überschreitung der vorgeschriebenen Grenzwerte dem Regelfall der verhältnismäßigen Anforderung ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. I GG gleichzustellen: Das Verbot des § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG verleiht dem Anlagenbetreiber eine gegenüber Vorsorgeanforderungen dauerhaft gesicherte Rechtsposition. Weil er, wenn man die Entwicklung der Sachlage außer Betracht läßt, die Anlage vorbehaltlich einschneidender Änderungen der Rechtslage (§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG) zeitlich unbegrenzt betreiben darf, gilt kraft dieser von § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG verhängten Anpassungsschrankelediglich der interne Verhältnismäßigkeitsmaßstab und sind einer Kompensationsvereinbarung keine, bzw. nur diejenigen Fristen vorgegeben, die der untergesetzliche Normgeber in zulässiger Weise als zeitliche Obergrenze festgesetzt hat.

cc) Die Gleichbehandlung sämtlicher Fälle der gravierenden Überschreitung von Vorsorgeanforderungen Angesichts der geschilderten Differenzierungen innerhalb des Kompensationsmodells wird jeder Anlagenbetreiber, dem Kompensationsmöglichkeiten zu Gebote stehen, die Verhältnismäßigkeit einer an ihn adressierten nachträglichen Anordnung behaupten, um sich so in den Vorteil der von Gesetzes wegen unbefristeten, untergesetzlich nur durch das zeitliche Höchstmaß begrenzten Kompensation 135 zu setzen und damit die Nutzungsdauer seiner an sich gesetzwidrigen Anlage weitestmöglich auszudehnen. Das tut dem Umweltschutz in Fällen geringfügiger Überschreitung von Vorsorgeanforderungen keinen 134 Bereits W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 289. 135 Stets vorbehaltlich abstrakt-genereller Fristen wie in 4.2.10 Abs. I, 4.2.4 TA Luft.

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Eintrag: Selbst dann, wenn die nachträgliche Anordnung in Wirklichkeit unverhältnismäßig sein sollte, verhindert hier § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG den Totalentzug der Rechtsposition. Eben das rechtfertigte es, im Bereich der geringfügigen Überschreitungen die Konstellationen der verhältnismäßigen und der unverhältnismäßigen Vorsorgeanforderungen rechtlich gleichzustellen. Anders verhält sich die Sache, wenn es um gravierende Überschreitungen geht, die das Sanierungskonzept gefährden und darum grundsätzlich unter § 21 Abs. l Nr. 5 BlmSchG fielen, soweit die Anforderungen des Sanierungskonzepts von den Anlagen nicht eingehalten werden könnten. Dann besteht die Gefahr, daß auf Seiten des öffentlichen Umweltschutzinteresses die Kompensationsmasse vorschnell geschmälert wird, daß also nicht etwa eine (durch den Amortisationszeitraum) befristete Kompensation mit anschließender Stillegung durchgeführt, sondern statt dessen der an sich stillzulegenden Anlage eine unbefristete bzw. nach Maßgabe untergesetzlicher Höchstfristen begrenzte Betriebsdauer im Kompensationsverbund eingeräumt wird. Damit würde die Verrechnung unterobligatorischer Minderungen ermöglicht, die Unterhaltung überalterter Anlagen gefördert, kurz: genau die Situation begünstigt, die nach dem gesetzlichen Zweck der Kompensation unter allen Umständen vermieden werden sollte. Gerade wenn man auf der vom Gesetz zum Maßstab erhobenen Ebene hoheitlicher Eingriffsmöglichkeiten bleibt, kann die Behörde, die eigentlich nur aufgrund der rechtlich gesicherten Erwartung überobligationsmäßiger Minderungen von hoheitlichen Maßnahmen absehen darf, das (fiktive) Betreiberangebot des milderen Austauschmittels der nachträglichen Anordnung nicht zurückweisen. Wird dieses in einem logisch weiteren Schritt - beide fallen tatsächlich zusammen - durch Kompensationsmaßnahmen ersetzt, ist aber die Geeignetheit des Mittels nicht länger gewährleistet. Denn eine Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Setreibers (der passiv beteiligten Anlage) als potentiellen Adressaten der nachträglichen Anordnung scheidet im Rahmen der Kompensationsvereinbarung aus: Es kommt nicht zur zwangsweisen Durchsetzung des gesetzlichen Vorsorgestandards, solange die Vereinbarung beachtet wird. Das "Sollen" der Behörde wird dadurch nahezu unbegrenzt ausgedehnt, zwischen dem gesetzlichen Vorrang der Kompensation ("soll") und der tatbestandlieh zwingenden Bedingung überobligationsmäßiger Emissionsminderungen besteht ein Wertungswiderspruch 136. In Anlehnung an das oben zur Möglichkeit von Teilkorrekturen und deren Bedeutung für die Kompensationen Ausgeführte (§ 17 Abs. 3a unmittelbar, 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG), ist freilich zunächst zu erwägen, ob nicht auch angesichtsbeträchtlicher Überschreitungen der Vorsorge-Werte noch einmal zu dif136 Vgl. Engisch, Einführung in die Rechtswissenschaft, S. 163 ff., 167; I.Arenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334 ff., 397 ff.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

ferenzieren und das mildere Mittel einer Teilkorrektur in Betracht zu ziehen wäre: Durch eine Teilkorrektur würden die (pflichtwidrigen) Emissionen verringert und würden jedenfalls manche Anlagen vom Regelungsbereich des § 21 Abs. l Nr. 5 BlmSchG in den des § 21 Abs. l Nr. 4 BlmSchG und damit in einen gesetzmäßigen Status überführt. Damit hätte der Betreiber einer solchen Anlage eine kompensationsfähige, durch§ 17 Abs. 3a BlmSchG (wiederum in unmittelbarer Anwendung) umschriebene Rechtsposition erlangt, die einer der obigen parallelen Wertung unterläge: die Fälle verhältnismäßiger und unverhältnismäßiger Anforderungen müßten unter den genannten Voraussetzungen gleich und zwar sämtlich im Sinne der Verhältnismäßigkeit behandelt werden137. Indessen Jassen sich aus verschiedenen Gründen die im Zusammenhang mit geringfügigen Überschreitungen des Vorsorgestandards auf§ 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG gestützten Überlegungen insoweit nicht übertragen. Die Behörde kann nach §§ 17, 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG nicht in gesetzmäßiger Weise auf den Widerruf nach § 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG verzichten, wenn dessen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind. Sie ist nicht nur allgemein gehalten, den Schutzzweck des Gesetzes, hier das anlagenbezogene Vorsorgegebot (§ 1, 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG) bestmöglich durchzusetzen. Ausdrücklich spricht auch § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG, wenn die Emissionen der Anlage das zulässige Ausmaß in gravierendem und ohne Aufhebung der Genehmigung nicht mehr hinlänglich reduzierbarem Umfang übersteigen, eine Verpflichtung zum Widerruf aus, die diesmal nicht aufgrund der Schutznorm des § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG leerläuft Wollte demnach die Behörde mit einer "verhältnismäßigen" Teilkorrektur reagieren, würde demBetreibereine bis zur weiteren Verschärfung der Vorsorgevorschriften unangreifbare Rechtsposition verliehen, auf die er keinen Anspruch hat. Denn die Teilkorrektur ist verglichen mit dem Widerruf sicher ein milderes, nicht aber ein gleich taugliches Mittel. Die Behörde kann daher, wenn eine gravierende Vorsorgepflichtverletzung mit einer verhältnismäßigen nachträglichen Anordnung nicht mehr zu beheben ist und es um die Beurteilung eines Kompensationsangebotes geht, zugunsten der Vorsorge die ungeschmälerte Kompensationsmasse des § 21 Abs. I Nr. 5 BlmSchG in die Waagschale des § 17 Abs. 3a (analog) werfen. Nur soweit im Emissionsverbund- weitergehende Emissionsminderungen zu erzielen sind, darf sie überhaupt auf den sofortigen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG), wenn auch entschädigungspflichtigen Widerruf verzichten. Dieses Erfordernis steht normativ betrachtet, wenn man den Surrogatcharakter der Entschädigung berücksichtigt, einem kompensatorischen Hinausschieben des Widerrufs auf den Zeitpunkt der vollständigen Amortisation der Anlage nicht entgegen. Es gilt aber zu verhindern, daß, weil es rechtlich an der Möglichkeit eines Gegenbe137 Es bliebe eine Restgruppe, die nicht durch Teilkorrektur dem Bereich des§ 21 Abs. I Nr. 4 BlmSchG zugeschlagen werden könnte.

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weises mangelt, das tatbestandlieh erklärte Ziel der Überkompensation verfehlt wird, indem die rechtlich feststehende Zeitgrenze der Amortisation durch die Schutzbehauptung der Verhältnismäßigkeit zweckwidrig überspielt wird. Dies kann eine an der Teleologie des Gesetzes orientierte Reduktion 138 dessen leisten, was unter der Tatbestandsvoraussetzung weitergehender Minderungen verstanden werden darf: Diese Voraussetzung erfüllen danach unabhängig von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten für den Fall gravierender GrenzwertÜberschreitungen überhaupt nur hoheitlich kontrollierbare Austauschverhältnisse und damit solche Emissions- und damit Kompensationsberechtigungen, die zeitlich auf die Restnutzungsdauer der betreffenden passiv beteiligten Anlage befristet sind. Der Grund der Verschiedenbehandlung dieser Fälle im Vergleich zu den übrigen, von verhältnismäßigen Vorsorgeanforderungen betroffenen Sachverhalten liegt im beträchtlichen Ausmaß der pflichtwidrigen Luftverunreinigungen. Der Rechtsrahmen der Kompensation wird dadurch allerdings enger gezogen, der gesetzliche Anspruch auf Kompensation reduziert. Im Ergebnis wird aber der Betreiber (der passiv beteiligten Anlage) lediglich an seiner rechtlich beachtlichen Behauptung festgehalten, die anstehende nachträgliche Anordnung sei verhältnismäßig und könne erfüllt werden. Weil er nach Ablauf der Kompensationsfrist seine Anlage unter Einhaltung der nachträglichen Anordnung weiter betreiben darf, wird er dadurch auf den allgemeinen gesetzlichen Status verwiesen und erleidet keinen Rechtsverlust 139 . Die Behörde darf also, wenn eine Anlage die vorgeschriebenen Vorsorgewerte beträchtlich überschreitet und der Betreiber einen entsprechenden Sanierungsplan unterbreitet, von hoheitlichen Maßnahmen absehen. Ist nach dem Vortrag des Betreibers von der Verhältnismäßigkeit der Anforderungen auszugehen, ergibt sich die Ermächtigung aus der untergesetzlichen Kompensationsregelung, falls eine solche fehlt aus § 17 Abs. 3a BlmSchG, der dann - auf die (verhältnismäßige) nachträgliche Anordnung - unmittelbare Anwendung findet. Für den Fall des Widerrufs ist die Ermächtigung § 17 Abs. 3a BlmSchG in analoger Anwendung zu entnehmen. Unabhängig von ihrer näheren Ausgestaltung und Sicherstellung ist aber die Kompensationsvereinbarung von Gesetzes wegen auf den Amortisationszeitraum der passiv beteiligten (die Grenzwerte beträchtlich überschreitenden) Anlage zu befristen. Eine mit Blick auf die Regelsituation der nachträglichen Anordnung für Kompensationsmaßnahmen untergesetzlich festgelegte zeitliche Obergrenze (vgl. Nr. 4.2.10 Abs. 1 [a.E.], Nr. 4.2.4 TA Luft) muß also gegebenenfalls unterschritten werden. 138 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 399; zu differierenden Bezeichnungen der im Geiste des Gesetzgebers am Gesetzesplan orientierten Auslegung Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 177 f. 139 Die nach Ablauf der Kompensationsfrist allerdings anfallenden und möglicherweise nicht mehr rentablen Nachbesserungskosten sind mit dem kompensationsbedingten Gewinn zu verrechnen und in eine umfassende wirtschaftliche Gesamtbilanz einzustellen. 14 Enden;

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b) Rechtswidrig genehmigte Anlagen

Für Anlagen, deren Genehmigung rechtswidrig erteilt wurde, richtet sich der Bestandsschutz im Umfang jeweils nach § 48 (L)VwVfG. Da die untergesetzlichen Sanierungsanforderungen und mit ihnen die Möglichkeiten der Kompensation sich nicht nach dem auf rechtmäßig genehmigte Anlagen zugeschnittenen Regelkonzept, sondern nur im Einzelfall aufgrund der nach § 48 (L)VwVfG vorgesehenen Abwägung beurteilen lassen, findet folglich immer nur § 17 Abs. 3a BlmSchG Anwendung. Dabei bewegen sich die Kompensationsmöglichkeiten von rechtswidrig genehmigten Anlagen von vomherein in einem engeren Rahmen als ihn eine rechtmäßige Genehmigung eröffnet. Das Problem, daß die austauschweise angebotene Kompensation eine Erfolgskontrolle nicht zuläßt, wenn von verhältnismäßigen (d.h. erfüllbaren) Anforderungen ausgegangen wird und eine Befristung (außerhalb eines Sanierungskonzepts) daher nicht in Betracht kommt, stellt sich zwar hier wie dort. Für eine an sich unbegrenzte bzw. nur durch die (normativ zu bestimmende) Lebensdauer der Anlage begrenzte Befugnis des Betreibers spricht aber allein die Vermutung der rechtmäßigen Genehmigung. Fehlt es an einer solchen Vermutung, schlägt der Einwand durch, daß sich gerade im Falle der vom Betreiber behaupteten verhältnismäßigen Vorsorgeanforderung die tatbestandlieh zwingend vorausgesetzte "weitergehende Minderung der Emissionsfrachten" hoheitlich nicht sicherstellen läßt. Das rechtfertigt es, rechtswidrig genehmigten Anlagen die Begünstigung einer Kompensation vor der Schwelle zur ausgleichspflichtigen Rücknahme durchweg zu versagen, und zwar, da § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG nicht greift, gleichgültig ob es sich um geringfügige oder beträchtliche Überschreitungen der Vorsorgewerte handelt: Verhältnismäßige nachträgliche Vorsorgeanordnungen sind ohne Ausnahme zu erfüllen. § 17 Abs. 3a BlmSchG gilt in diesem Bereich niemals unmittelbar, sondern allenfalls in entsprechender Anwendung auf die ausgleichspflichtige Rücknahme. In der Tat entfallen die Nachweisprobleme, wenn eine - nicht ausgleichspflichtige - nachträgliche Vorsorgeanordnung ausscheidet, weil sich der Betreiber auch nicht aus freien Stücken auf sie einläßt, und die Behörde die rechtswidrige Genehmigung "erst recht" analog § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG zurücknehmen muß, um den Inhaber der rechtswidrigen Genehmigung nicht besser zu stellen als den gesetzmäßig zur Freiheitsausübung zugelassenen 140: Aus § 17 Abs. 3a BlmSchG analog, § 48 (L)VwVfG entspringen von vomherein nur auf die Restnutzungsdauer der (passiv beteiligten) Anlage befristete Be140 Da Nachweisprobleme insofern nicht auftreten, kann auch eine aktive Beteiligung rechtswidrig genehmigter Anlagen an Kompensationsverhältnissen durch jede das gesetzlich ohnehin, d.h. ohne finanziellen Ausgleich geschuldete Maß übersteigende Emissionsminderung erfolgen, wobei Stillegungen von Gesetzes wegen nicht als Minderungsbeitrag anerkannt sind.

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fugnisse. Allerdings wird diese normative Größe angesichts der Rechtswidrigkeit der Genehmigung nicht mehr ohne weiteres durch den Amortisationszeitraum bestimmt. Vielmehr ist sie im Einzelfall in Relation zum gesetzlichen Schutz des Betreibers vor einer (ersatzlosen) Aufhebung der rechtmäßigen Genehmigung zu bemessen. Das bedeutet: Die an sich von der Behörde nach § 48 Abs. 3 Satz 4 (L)VwVfG aktuell zu bestimmende Ausgleichssumme ist hypothetisch ins Verhältnis zu der sonst im Falle des Widerrufs geschuldeten Ausgleichssumme zu setzen. Multipliziert mit dem Amortisationszeitraum ergibt der Quotient die anteilige Restnutzungsdauer der rechtswidrig genehmigten Anlage und damit die maßgebliche Kompensationsfrist II. Die hoheitliche Sicherstellung der Kompensationsvereinbarung durch "Anordnung" und die Freiwilligkeit der überobligationsmäßigen Emissionsminderung 1. Unspezifische und spezifische Möglichkeiten der Durchsetzung

Wie Kompensationen zur Erfüllung des Schutzgebots zu sichern sind, wurde oben bereits dargestellt. Diese Sicherungsmaßnahmen fügen sich ohne weiteres in das nach dem Schutzprinzip (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG) einwirkungsorientierte Instrumentarium der nachträglichen Anordnung und der (Änderungs-)Genehmigung ein und bedürfen keiner näheren Erläuterung. Mit dem zuvor dargelegten Vorsorgekompensations-Konzept zielt das Gesetz dagegen ausdrücklich über den allgemeinen Vorsorgestandard hinaus. Diesen eigenen Zweck einer jeden Kompensationsvereinbarung gilt es selbständig zu gewährleisten. Das informale Verwaltungshandeln 141 , in dessen Zusammenhang auch das zielorientierte Absehen von Eingriffen gehört, wird hierzu durch Definition besonderer Tatbestandsvoraussetzungen einerseits, durch Einschränkung des Ermessensspielraums andererseits in bestimmte formale Bahnen 142 gelenkt. Gleichzeitig darf aber die Grundlage der Kompensationsvereinbarung, die Freiwilligkeit der überobligatorischen Minderung (auf der Ebene des besonderen Vorsorgestandards) darüber nicht verloren gehen. Natürlich kommt als probates Sicherungsmittel freiwillig akzeptierten Zwanges stets die Rechtsform

141 Zu diesem neben Bohne, Der informale Rechtsstaat auch Jarass, DVBI. 1985, S. 193, 197 f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rdnr. 250 ff. 142 Kloepfer, JZ 1991, S. 737, 738 ff., 741, unterscheidet insoweit vom informellen oder informalen Verwaltungshandeln die ökonomischen Instrumente des Umweltschutzes, zu denen er auch Kompensationsmodelle rechnet; ebenso Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 74. 14•

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des öffentlich-rechtlichen Vertrages in Betracht 143, wobei sich der Anlagenbetreiber nach § 61 Abs. 1 VwVfG der sofortigen Vollstreckung zu unterwerfen hätte. Soweit es aber bei der Kompensation auf die Zweckbindung des Leistungsverhältnisses und die Angemessenheit der Gegenleistungen ankommt (§ 56 Abs. 1 VwVfG), hat der Gesetzgeber mit den §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BimSchG eine ausdrückliche Ermächtigung und spezifische Rechtsform geschaffen, in deren Rahmen die Behörde im nötigen und zulässigen Ausmaß vom Regelstandard abweichen darf. Ein Rückgriff auf§§ 56 ff. VwVfG scheint angesichts dieser problemkonform zugeschnittenen (Ver-)Handlungsbefugnis in jeder Hinsicht überflüssig 144, würde sogar die Flexibilisierungsfunktion der Ausnahmeregelung durch vertragliche Bindungen eher wieder in Frage stellen145. Nur ex ante verleiht nämlich die Vertragsform ein zusätzliches Ausmaß an Freiheit; ex post wirkt sich das Konsensprizip hemmend aus 146. Nicht anders als sonst verkörpert der Vertrag hier nur einen mehr oder weniger geeigneten Ersatz sonstiger hoheitlicher Maßnahmen. Eine andere, an die einseitige behördliche Anordnung anknüpfende Möglichkeit der Sicherung von Vorsorgevereinbarungen könnte man daher in einem -entsprechende (informale) Verhandlungen abschließenden- Rechtsmittelverzicht des Betreibers (oder: der Betreiber) sehen, welcher die Behörde jedenfalls gegenüber dem Betreiber in weitem Umfang rechtlich freistellt. Aber ganz abgesehen von rechtsstaatliehen Bedenken 147, bleibt hier die Zweckbindung vage und verhält sich auch das Instrument des Rechtsmittelverzichts zum dreipoligen Kompensations-Austauschverhältnis völlig indifferent, so daß es der Gesetzgeber eingedenk seines materiellen Konzepts nicht vorgesehen hat und zumindest ausdrücklich, also über den jeder Regelung entzogenen Bereich des Informalen hinaus, nicht hat vorsehen können. Vielmehr ist, während die Verordnungsermächtigung des § 7 Abs. 3 BimSchG zu diesem Punkt nichts sagt und in Nr. 4.2.10 Abs. 2 der TA Luft (1986) für alle Regelfälle von nachträglichen Anordnungen oder Nebenbestimmungen zum Genehmigungsbescheid die Rede ist, laut § 17 Abs. 3a Satz 5 143 Jarass, BlmSchG, § 7, Rdnr. 16. Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 177, hält einen solchen für zwingend geboten, um den Belreiber der aktiv beteiligten (Dritt-)Anlage einzubinden. 144 Und zwar auch in entsprechender Anwendung; anders Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 84. 145 Vgl. Kunig, DVBI. 1992, S. 1193, 1198 bei Fn. 57. 146 Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist insoweit auch nicht Ausprägung informalen Verwaltungshandelns, stellt vielmehr eine strikt bindende Rechtsform dar, vgl. Kloepjer, JZ 1991, S. 737, 738 m. Fn. II . 147 Die freilich eher verhalten geäußert werden, vgl. Kopp, VwGO, § 74, Rdnr. 21 f. Gewisse, nicht besonders präzise Grenzen zieht etwa BVerwGE 19, 159 (160 f.), wonach es unzulässig wäre, den Verzicht zu erzwingen.

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BlmSchG die "Durchführung der Maßnahmen des Plans durch Anordnung" sicherzustellen. Die Frage lautet also zunächst, wie diese "Anordnung" rechtstechnisch zu konstruieren wäre, daß sie die Pflichten und wechselseitigen Abhängigkeiten im gesetzlich vorgesehenen Emissionsverbund zutreffend widerspiegelt. 2. Die nachträgliche Anordnung als Sicherungsmittel

a) Die Verpflichtung der passiv beteiligten Anlage

Wenn das Gesetz in § 17 Abs. 3a Satz 5 BlmSchG von einer "Anordnung" spricht, die eine vereinbarungs- und damit gesetzmäßige Durchführung der Kompensation garantieren soll, so ist mit dieser "Kompensationsanordnung" 148 sicher keine besondere, noch nirgends geregelte Art der Anordnung gemeint. Die in der von § 17 Abs. 3a BlmSchG nicht anders als nach Nr. 4.2.10 TA Luft vorausgesetzten Situation anstatt einer regulären nachträglichen Anordnung gern. § 17 Abs. 1 BlmSchG zu erlassende Anordnung unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dieser. Sie steht lediglich unter zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, die das Entschließungsermessen der Behörde nach Absatz 1 durch ein Eingriffsverbot einschränken, und deren wichtigste, eben vermittels der Anordnung zu sichernde, mit dem Erfordernis der "Überkompensation" umschrieben ist. Was genau die Behörde im Einzelfall anzuordnen hat, ist gleichwohl undeutlich: Nach der wohl herrschenden Auffassung hat "die Kompensationsanordnung", wo sie zwei Anlagenbetreiber betrifft, auch zwei Adressaten, so daß es zweier verschiedener, die überobligationsmäßige Minderung seitens der aktiv beteiligten, die ausnahmsweise - befristet - zuzulassende Überschreitung seitens der passiv beteiligten Anlage regelnder Verfahren bedarf149. An deren Ende steht der Sache nach eine Anordnung gegenüber dem Betreiber der aktiv beteiligten, somit belasteten Anlage sowie gegenüber dem Betreiber der passiv beteiligten, begünstigten Anlage 150: Letzterer werde nur auf der Basis einer ge148 Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BimSchG, Anm. 12 a. 149 Jarass, BimSchG, § 17, Rdnr. 66, 75; Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 137; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 83; wohl auch- für die von ihm falschlieh so genannte- "Kompensationsgenehmigung" Roßnage I, in: Koch/ Scheuing, GK-BimSchG, § 7, Rdnr. 152. Koch, ebda, § 17, Rdnr. 177 f., hält gleichfalls zwei verschiedene Rechtsakte für erforderlich, sieht aber den Setreiber der passiv beteiligten Anlage als Anordnungsadressaten, den Belreiber der aktiv beteiligten Anlage als Partei eines öffentlich-rechtlichen Vetrages. 150 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 4.2 TA Luft, Rdnr. 46; Jarass, aaO. Auch Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, aaO, ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, aaO, geht wohl von zwei Verwaltungsakten aus: einer "Anordnung gegenüber der aktiv beteiligten Anlage" und einer "Zusage des Absehens".

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sicherten Rechtsposition die dem Setreiber der aktiv beteiligten Anlage (für die "Abtretung" der Emissionsberechtigung) geschuldete Ausgleichsleistung erbringen151 . Hiervon abweichend mag man in der Anordnung gegenüber der passiv beteiligten Anlage auch einen (begünstigenden) Verwaltungsakt zu Lasten eines Dritten, eben jenes Setreibers der aktiv beteiligten Anlage sehen, auf dessen Kosten der sanierungsbedürftigen Anlage das Überschreiten der Vorsorgeanforderungen ermöglicht wird. Dann wäre der Betreiber der potentiell belasteten Anlage nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG zu diesem Verwaltungsverfahren hinzuzuziehen I 52. Das vom Gesetz bezweckte, freiwillig begründete, jedoch im Hinblick auf seine materiellrechtlichen Grenzen hoheitlich zu sichemde Austausch- und Abhängigkeitsverhältnis mehrerer Anlagen bildet sich in keiner der vorgeschlagenen rechtstechnischen Umsetzungen zutreffend ab. Wird der Plan als Kompensationsvereinbarung zwischen Privaten 153 vom Gesetz vorausgesetzt, jedoch inhaltlich nicht näher geregelt, weil das Innenverhältnis zwischen den beteiligten Anlagen über seine äußerlich-funktionale Bedeutung hinaus öffentlichrechtlich nicht von Interesse ist, so kann für ein Fehlschlagen der Vereinbarung richtigerweise nicht der Setreiber der aktiv beteiligten Anlage zur Verantwortung gezogen werden, solange dieser sich gesetzmäßig verhält. Pflichtig kann recht verstanden nicht derjenige sein, der die Vorsorgeanforderungen über-erfüllt, pflichtig ist und bleibt grundsätzlich allein der, dessen Anlage dem allgemeinen Vorsorge-Standard nicht gerecht wird: der Setreiber der passiv beteiligten Anlage. Er bleibt es andererseits unmittelbar und aktuell nur insoweit, als der (Sanierungs-)"Plan" fehlschlägt, d.h. nicht zur erwünschten Überkompensation führt, so daß die Bedingung einer Befreiung von der Vorsorgeverpflichtung entfällt. Das ist der Fall, wenn entweder die aktiv beteiligte Anlage (A) während des vorgeschriebenen Kompensationszeitraums nicht die erforderlichen überobligationsmäßigen Minderungen erbringt oder die passiv beteiligte Anlage (B) nach Ablauf der Kompensationsfrist nicht den allgemeinen Anforderungen angepaßt wird. Es haftet aus dieser Sicht, sollte die gesetzliche Bedingung der Überkompensation mißachtet werden, der Setreiber der dann nach allgemeinen Maßstäben rechtswidrig emittierenden Anlage, auch dieser aber 151 Jarass, aaO. 152 Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BlmSchG, Anm. 12a. Entgegen Rehbinder, Neuere Entwicklungen im lmmissionsschutzrecht, S. 129, 137, und Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 83, darf man sich aber auf§ 13 Abs. 2 VwVfG nur dann berufen, wenn allein der Setreiber der begünstigten Anlage als Adressat der Anordnung betrachtet wird. Andernfalls ergibt sich die Beteiligteneigenschaft des Setreibers der belasteten Anlage bereits unmittelbar aus § 13 Abs. I Nr. 2 VwVfG; es handelt sich dann nicht um einen Verwaltungsakt "zu Lasten Dritter", sondern schlicht um einen belastenden Verwaltungsakt 153 Handelt es sich um mehrere Anlagen eines Betreibers, ist dies eine öffentlich-rechtlich gleichfalls belanglose Frage der pri vatwirtschaftlichen Betriebsorganisation.

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nur im Rahmen des gesetzlich Geschuldeten: Er hat lediglich die gesetzlichen Werte einzuhalten (§ 17 Abs. 3 BlmSchG). Für den begünstigten Betreiber bleibt so die überobligationsmäßige, durch Vereinbarung mit Dritten zu bewirkende Emissionsminderung stets eine freiwillige Leistung. Die Situation ist insoweit hinsichtlich des Verpflichtungsadressaten vergleichbar derjenigen der Kompensationen im Immissionsbereich 154: Die Behörde sieht, wenn ihr im Rahmen der Anhörung nach § 28 (L)VwVfG, ggf. auch im informellen Vorgespräch ein Sanierungsplan vorgelegt wurde 155 , entweder gemäß der Ermächtigung eines untergesetzlichen Sanierungs- und Kompensationskonzepts (vgl. Nr. 4.2.1 0 TA Luft) oder unmittelbar nach § 17 Abs. 3a BlmSchG von einer regulären nachträglichen Anordnung gegen die sanierungspflichtige Anlage B ab; der bislang tatsächlich eingehaltene Vorsorgestandard ist allerdings, falls die Genehmigung hierzu keine Angaben enthält, ebenso wie jede über diesen Standard noch hinausgehende Befugnis durch (unbedingte) nachträgliche Anordnung festzuschreiben 156. Im übrigen erläßt die Behörde gegenüber derselben Anlage B, im Falle die von ihr hervorgerufenen Immissionen die Vorsorgeanforderungen lediglich geringfügig überschreiten (vgl. Nr. 4.2.3, 4.2.4 TA Luft), eine nachträgliche Vorsorgeanordnung (§ 17 Abs. 1 BlmSchG). Diese wäre sowohl (mehrfach) unter aufschiebende Bedingung zu stellen, als auch zu befristen, § 36 Abs. 2 Nr. I u. 2 (L)VwVfG: Aufschiebend zu bedingen wäre diese nachträgliche Anordnung vor allem durch eine Überschreitung derjenigen Emissionsjahresfrachten seitens der aktiv beteiligten Anlage A, die nach der Berechnung der Behörde eine Überkompensation hinreichend sicher garantieren. Soweit§ 21 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 17 Abs. 3a (unmittelbar) BlmSchG auf Anlage B Anwendung findet, ist dabei für diese nicht der gesetzliche Standard, sondern der unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsmaßstabs durchsetzbare (geringste) Schadstoffausstoß als Grenzwert zu veranschlagen. Ferner wäre, sollte Anlage A noch nicht betriebsbereit sein, die nachträgliche Anordnung gegenüber Anlage B aufschiebend zu bedingen durch eine erst nach einem entsprechend festzusetzenden Zeitpunkt erfolgende (verspätete) Inbetriebnahme der aktiven Anlage A, da die geschuldete Emissionsminderung sonst unzulässig geschmälert würde. Schließlich wäre die nachträgliche Anordnung noch durch den Zeitpunkt des spätesten

154 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1. TA Luft, Rdnr. 28; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. 1, § 12 BlmSchG, Anm. 7. 155 Die "Vorlage-Frist" der Nr. 4.2.1 Abs. I lit. b TA Luft deckt sich mit der kürzesten der Anordnungsfristen, Nr. 4.2.2 TA Luft, vgl. unten in Fn. 204. 156 Ein Verstoß gegen diese nachträgliche Anordnung wäre mit den üblichen Mitteln zu ahnden, berührt aber grundsätzlich nicht die Kompensationsvereinbarung.

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Eintritts der angeordneten Rechtsfolge 157 zu befristen 158. Dieser den Ablauf der Kompensationsfrist markierende Zeitpunkt kann für sämtliche Fälle der verhältnismäßigen Anordnung autoritativ vom untergesetzlichen Normgeber festgelegt werden 159. Das Gesagte gilt ebenso, wenn die nachträgliche Anordnung wegen ihres Umfangs eine wesentliche Änderung der betroffenen Anlage erforderlich macht, § 17 Abs. 4 BlmSchG. Da in der hier zu unterstellenden Situation die Sanierung der passiv beteiligten Anlage erst bei Eintritt zusätzlicher Umstände zu erfolgen hat, bis dahin aber die die derzeitigen - notfalls anordnungsweise festzuschreibenden- Werte zu beachten sind, ist an sich die nachträgliche Anordnung die gegebene Handlungsform, die dem Sicherungszweck vollauf Genüge tut. Unter den genannten Voraussetzungen wäre aber an eine Änderungsgenehmigung gern.§§ 17 Abs. 4, 15 (Abs. 2 160) BlmSchG zu denken 161 , nach § 12 Abs. 1 BlmSchG aufschiebend bedingt durch ein zweckwidriges Abweichen der Anlage A von den vereinbarten Emissionswerten wie auch durch eine verspätete Inbetriebnahme von Anlage A. Diese Änderungsgenehmigung müßte freilich zugleich befristet, genauer: unter einer Anfangsfrist, bezeichnet durch Ablauf des für die Kompensation vorgesehenen Zeitraums, erteilt werden. Zwar wird wie § 12 BlmSchG im ganzen so auch § 12 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG zu Recht als abschließende Regelung verstanden 162 . Diese Regelung soll aber offenkundig nur verhindern, daß die Genehmigung ohne Antrag des Betreibers (vgl. § 12 Abs. 2 BlmSchG) für einen bestimmten Zeitraum, nicht daß sie, wie hier, ab einem bestimmten Zeitpunkt ausgesprochen wird, vorausgesetzt dies dient dem- durch § 17 Abs. 3a, Abs. 4 i.V.m. §§ 6 Nr. l, 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG präzisierten - Gesetzeszweck 163 . Dann kann auch, da § 12 157 Wirksam wird auch die bedingte nachträgliche Anordnung nach § 43 Abs. I VwVfG bereits mit Bekanntgabe an den Adressaten. 158 Insoweit wie hier HansmLlnn, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 4 .2 TA Luft, Rdnr. 46. 159 Die über § 67a Abs. 3 BimSchG (entsprechend) anwendbaren Nr. 4.2.10 Abs. I, 4.2.4, 4.2.1 Abs. 4 TA Luft terminieren insoweit für rechtmäßig errichtete, d.h. anzuzeigende Altanlagen in den neuen Bundesländern (Beginn der Fristen I. 7. 1990, Verlängerung um ein Jahr) den Fristablauf auf den 30. 6. 1999, vgl. HansmLlnn, aaO, § 67a BimSchG, Rdnr. 6., dens., Nr. 4.2 TA Luft, Rdnr. 46. I.E. auch Laubinger, in: Ule/Laubinger, BimSchG, § 67a, Rdnr. E 9 und im Anschluß an ihn Jarass, BimSchG, § 67a, Rdnr. 14, die die Definition der Altanlage unmittelbar§ 67a Abs. I BimSchG entnehmen wollen, der freilich einen anderen Regelungsgehalt hat. 160 Jarass, aaO, § 15, Rdnr. 13, 21. 161 Nebenbestimmungen zur Anfangsgenehmigung scheiden als Sicherungsmittel des Sanierungsplans in jedem Fall aus, da es sich um Altanlagen handelt und § 12 BimSchG Gleichzeitigkeit voraussetzt, BT-Drs. 7/179, S. 35; Jarass, aaO, § 12, Rdnr II . 162 Jarass, BimSchG, § 12, Rdnr. 14a, 17; Stich/Porger, BlmSchG, § 12, Anm. 4; Storost, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 12, Rdnr. B I; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I, § 12 BlmschG, Anm. 9. 163 Vallendar, aaO, Anm. 3.

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Abs. 2 Satz I BlmSchG hierzu keine Aussage macht, § 36 Abs. I, Abs. 2 Nr. I VwVfG angewendet werden. Wollte man dies anders sehen 164, würde man doch die Vorlage des Sanierungsplans durch den Anlagenbetreiber als Antrag i.S. des § 12 Abs. 2 Satz I BlmSchG deuten und aufgrunddieser im wesentlichen dem Schutz des Betreibers verpflichteten Vorschrift 165 erst recht ("a majore ad minus") eine Anfangsfrist zulassen müssen. Auch die dem Wortlaut von § 17 Abs. 3a Satz 5 BlmSchG scheinbar zu entnehmende Beschränkung auf das Mittel der nachträglichen Anordnung hindert nicht die Sicherung der Kompensationsvereinbarung durch eine Änderungsgenehmigung. Anders als in Nr. 4.2.10 Abs. 2 TA Luft ist allerdings diese Möglichkeit in § 17 Abs. 3a Satz 5 BlmSchG nicht ausdrücklich erwähnt. Indessen fällt auf, daß die gesetzliche Einzelfallermächtigung dem Wortlaut nach untechnisch nur von einer "Anordnung", nicht von einer nachträglichen Anordnung spricht, einen Sprachgebrauch, den das Gesetz pflegt, wenn es ihm nicht um die nachträgliche (in § 17 BlmSchG speziell geregelte) Anordnung i.e.s. 166 geht. Auch hier kommt es dem Gesetz nach Sinn und Zweck - zumal sich eine einheitliche materielle Wertung der vorliegenden Konstellation aus § 17 Abs. 4 BlmSchG ergibt - offenkundig zuvörderst auf den hoheitlichen Charakter des Sicherungsmittels an, damit der Geltungsanspruch des Gesetzes in letzter Instanz auch im Wege der Zwangsvollstreckung gegenüber dem Betreiber durchgesetzt werden kann. Insofern genügt die Änderungsgenehmigung - in teleologischer Extension - den Anforderungen des§ 17 Abs. 3a Satz 5 BimSchG. Bleibt noch der Sonderfall einer gravierenden Überschreitung der Vorsorgeanforderungen durch Anlage B zu beurteilen (vgl. Nr. 4.2.2 TA Luft), wobei der Betreiber vorträgt, er sei grundsätzlich in der Lage, seine Anlage auf den im Sinne einer angemessenen Vorsorge gebotenen Stand der Technik zu bringen, könne aber eine für ihn wirtschaftlichere Kompensation anbieten. Die Behörde muß dann zugunsten des Betreibers von der Konstellation der (milderen) nachträglichen Anordnung ausgehen (§ 17 Abs. I Satz I, Abs. 2 Satz 1), ist aber durch eine nach § 7 Abs. 3 BlmSchG erlassene Kompensationsregelung, andernfalls nach § 17 Abs. 3a Satz I BimSchG nur insoweit verpflichtet, von dieser nachträglichen Anordnung abzusehen ("soll"), als dadurch eine weitergehende Minderung der Emissionsfrachten erzielt werden kann. Das ist nach den dargelegten Grundsätzen bei normativer Betrachtung nur dann der Fall, wenn der Betreiber im Interesse des Gesetzeszwecks an seiner Behauptung der Verhältnismäßigkeit festgehalten und die Kompensationsfrist auf die Dauer der 164 So ders., aaO, Anm. 9. Wohl auch Stich/Porger, BlmSchG, § 12, Anm. 19; Storost, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 12, Rdnr. C 7. 165 Vgl. BT-Drs. Nr. 7/179, S. 35. 166 Vgl. zur Spezialität Jarass, BlmSchG, § 26, Rdnr. 5.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

Restnutzung der Anlage B begrenzt wird, soweit nicht eine untergesetzliche Kompensationsregelung eine kürzere Frist setzt. Wichtig ist dabei, daß der Betreiber auch hier zwangsweise nur auf den allgemeinen gesetzlichen Status verpflichtet wird und ihm kein vom Gesetzeszweck nicht erforderter Nachteil aus der Verschiedenbehandlung innerhalb der Gruppe verhältnismäßig Belasteter erwächst, die ihn mit den Betreibern anderer, die Vorsorgeanforderungen gravierend überschreitender, jedoch unter§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG fallender Anlagen gleichstellt: Grundsätzlich sind dadurch zwar die untergesetzlich aufgestellten Kompensationsregeln auf diejenigen Anlagen, die verhältnismäßige Anforderungen beträchtlich überschreiten, nur in dem für den Anlagenbelreiber schlechteren Fall anzuwenden, nämlich nur dann, wenn ihre Fristen innerhalb der Restnutzungsdauer liegen. Eine Abweichung nach unten ist demgegenüber im Gesetzesinteresse sehr wohl möglich; folgerichtig hat darum Nr. 4.2.10 TA Luft die Befristung der Kompensation nur als zeitliche Obergrenze der Ermächtigung formuliert. Zu rechtfertigen ist dies wie dargelegt aus dem Ausmaß des Schadstoffausstoßes und damit zusammenhängend dem aus§ 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG entnommenen gesetzlichen Maßstab der zwingend vorgeschriebenen überobligationsmäßigen Emissionsminderungen. Würde die Lebensdauer einer nach aktuellem Vorsorgestandard eigentlich stillzulegenden Anlage im Wege der Kompensation verlängert und sei es nur bis zum Ablauf der untergesetzlich normierten Kompensationsfrist, läge darin ein nicht mehr auszugleichender Verstoß gegen jenes Minderungsgebot der §§ 7 Abs. 3 Satz 2, 17 Abs. 3a Satz 1 BlmSchG. Der damit verbundenen Schlechterstellung sind gleichwohl eindeutige Grenzen gezogen: Zum einen fungiert als absolute zeitliche Untergrenze zulässiger Restnutzung der Anlage in jedem Fall die für die Anlage maßgebliche Übergangsfrist (vgl. Nr. 4.2.2 ff. TA Luft). Kürzer kann auch die Kompensationsfrist nicht ausfallen. Zum anderen und vor allem ist wird der Betreiber von Gesetzes wegen nicht aus der Widerrufssituation der §§ 17 Abs. 3a (analog), 21 Abs. 1 Nr. 5 BlmSchG zu beurteilen, sondern ist nach Ablauf der Kompensationsfrist nur mit einer bestandskräftigen nachträglichen Anordnung konfrontiert 167. Damit darf auch in diesem Sonderfall die an einer Kompensation passiv beteiligte Anlage sowohl bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung als auch nach Ablauf der Frist weiter betrieben werden: wenn sie die allgemeinen - in der Kompensationsanordnung konkretisierten - Vorsorgeanforderungen einhält. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann die Behörde entweder aus dem bestandskräftigen Verwaltungsakt vollstrecken oder, was näher liegt, im Falle der nachträglichen Anordnung den Betrieb bis zu deren Erfüllung nach

167 Vgl. oben bei und in Fn. 139.

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§ 20 Abs. 1 BlmSchG vorläufig untersagen 168, im Falle der nicht eingehaltenen (Änderungs-)Genehmigung die Anlage insoweit nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG stillegen 169. Fehler der Ausgangsverfügung kann der Anlagenbetreiber dann nicht mehr geltend machen.

b) Das Verhältnis der Anlagen(betreiber) im Emissionsverbundöffentlich-rechtlich gesehen Dem Gesetz ist das Verhältnis der am Emissionsverbund beteiligten Anlagen, daher auch ihrer ggf. voneinander verschiedenen Betreiber grundsätzlich gleichgültig. Dieses Kompensationsverhältnis erfüllt öffentlich-rechtlich allein den Zweck, trotz der anlagenbezogenen Struktur des Vorsorgegebots einem Betreiber die- insgesamt im öffentlichen Interesse liegende- Verrechnung der Emissionen seiner sanierungsbedürftigen Anlage mit den Emissionen bzw. Emissionsminderungen anderer Anlagen zu ermöglichen 170. Das ist dann zwar zugleich die Basis der privatrechtliehen Austauschverhältnisse auf dem Markt der Emissionsberechtigungen 171 . Die hoheitliche Kompensationsanordnung darf aber nach dem Willen des Gesetzes nur gegenüber dem Betreiber der passiv beteiligten Anlage erlassen und durchgesetzt werden, als demjenigen, der sich vom gesetzlichen Standard entfernt. Ein Fehlverhalten des Betreibers der aktiv beteiligten Anlage, das die Überkompensation verhindert oder planwidrig reduziert, wird damit öffentlich-rechtlich dem Betreiber der passiv beteiligten Anlage zugerechnet. Der mag sich bei seinem Vertragspartner nach Zivilrecht finanziell schadlos halten. Umgekehrt begründet deshalb eine "Zweckverfehlung" der von Betreiber A vereinbarungsgemäß erbrachten Minderungsleistung für diesen keinen rechtlichen Nachteil 172. Auch wenn die BehördeBetreiberB die ihm von Rechts wegen zustehende Vergünstigung vorzeitig wieder entziehen, auch wenn B das ihm zustehende Emissionskontingent unzulässig überschreiten sollte, bleibt ja der zivilrechtliche Leistungsanspruch zwischen A und B bestehen, und B zur Gegenleistung verpflichtet, solange nicht das Vertragsverhältnis aufgelöst und Betreiber A damit von seiner Pflicht zu Minderungsleistungen frei wird. Die Auseinandersetzung mit der Behörde ist jedenfalls eine Frage des B zukommenden Rechtsschutzes. 168 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 49, 76. Mit Ablauf der Frist nach§ 18 Abs. I Nr. 2 BlmSchG führt die Untersagung aber zum Erlöschen der Genehmigung, die Anlage kann demgemäß nach§ 20 Abs. 2 BlmSchG stillgelegt werden, vgl. Jarass, aaO, § 20, Rdnr. 12. 169 In der hier gegebenen, von§§ 17 Abs. 4, 15 Abs. 2 BlmSchG erfaßten Situation, handelt es sich immer um wesentliche Abweichungen. 170 Vgl. Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 74. 171 Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 7 BlmSchG, Rdnr.39r. 172 Das verkennt Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 84.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

Öffentlich-rechtlich - also ungeachtet zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche - ist der Betreiber der aktiv beteiligten Anlage, der nicht Adressat der Kompensationsanordnung ist, nie gehindert, von der Kompensationsvereinbarung abzuweichen und die Emissionen seiner Anlage bis auf das gesetzlich allgemein zulässige Ausmaß zu erhöhen. Genauso darf er nach Kündigung des Vertragsverhältnisses oder Ablauf der Kompensationsfrist auf die überobligationsmäßigen Minderungsleistungen jederzeit wieder verzichten. Denn an seiner mit der Genehmigung umschriebenen Rechtsstellung hat sich durch die Kompensation nichts geändert 173. Er wird durch seine Beteiligung am Emissionsverbund nicht hoheitlich belastet und erbringt seine Minderungsleistung dem Staat gegenüber freiwillig 114. Sollten also diese Minderungsleistungen von Anlage A nicht ohne Änderungsgenehmigung erbracht werden können (§ 15 BlmSchG) 175 , so ist dieses Verfahren- rechtlich- von der Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen getrennt zu halten 176. Dje Position des Betreibers von Anlage A wird dadurch gewahrt, daß die Behörde in der Genehmigung keine schärferen als die vom untergesetzlichen Nonngeber autoritativ vorgesehenen Anforderungen festsetzen darf, weil hierfür § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bietet(§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 2, 48 Nr. 4 BlmSchG i.V.m. § 17 Abs. 3 BlmSchG und Art. 20 Abs. 3 GG). Der Kompensationszweck macht sich somit allenfalls mittelbar über§ 15 Abs. 2 BlmSchG bemerkbar. Der Betreiber der potentiell belasteten Anlage ist nach all dem nicht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG im Rechtssinne beteiligt, wenn einer sanierungsbedürftigen Anlage das Überschreiten der Vorsorgeanforderungen ennöglicht werden soll. Er ist aber auch nicht etwa deshalb nach§ 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG zu diesem Verwaltungsverfahren hinzuzuziehen, weil es sich bei der Anordnung gegenüber der passiv beteiligten Anlage um einen Verwaltungsakt zu Lasten eines Dritten, eben des Betreibers der aktiv beteiligten Anlage han-

173 In sich widersprüchlich Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 54, 71 bei Fn. 87 einerseits, S. 80 andererseits. Diese Befugnis des Belreibers der aktiv beteiligten Anlage, sich auf seine rechtmäßige Genehmigung berufen zu dürfen, besteht entgegen Rehbinder, aaO, S. 80, zunächst ganz unabhängig vom Gleichheitsgrundsatz und von § 17 Abs. 3 BlmSchG nach Maßgabe des gesetzlichen Bestandsschutzes. Vor Anordnungen, die ihn nach Auslaufen der Kompensationsvereinbarung unter Verstoß gegen das Vorsorgekonzept auf eine Fortsetzung der überobligationsmäßigen Minderungen verpflichten wollten, schützt ihn allerdings § 17 Abs. 3 BlmSchG. 174 Anders Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 84. l75 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 68. 176 Anders Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 4.2 TA Luft, Rdnr. 46. Insoweit zutreffend Koch, in: ders./Scheuing, § 17, Rdnr. 177.

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deln würde 177. Allfällige belastende Wirkungen sind nicht öffentlichen Rechts und im Zweifel vom Vertragszweck des Zivilrechtsverhältnisses mit umfaßt. Einzig eine Einschränkung ist hierbei zu machen: Das Instrument der Kompensation steht und fällt mit der effektiven Kontrolle der jeweiligen Emissionsfrachten. Wenn also kontinuierliche Messungen der in die Ausgleichsmaßnahmen einbezogenen Schadstoffemissionen nicht ohnehin vorgeschrieben sind (vgl. Nr. 3.2.3 TA Luft), muß sie die Behörde nach§ 29 Abs. 1 BimSchG anordnen, auch gegenüber dem Betreiber der aktiv beteiligten Anlage. Hierin liegt ein Eingriff, der zudem für den Betreiber die Kostenlast gern. § 30 Satz 1 BimSchG und (als Nebenpflicht) die Auskunftspflicht gern. § 31 BimSchG nach sich zieht, so daß er als Beteiligter nach§ 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG auch dann rechtzeitig anzuhören wäre(§ 28 Abs. 1 VwVfG), wenn er sich gegenüber dem Betreiber der begünstigten Anlage, der als Antragsteller auftritt, vertraglich zur Duldung entsprechender Maßnahmen verpflichtet hätte 178 . Gegebenenfalls legt sich aber hier ein Rechtsmittelverzicht nahe. Ist die Kontrolle nicht hoheitlich sichergestellt, erlischt jedenfalls die Pflicht der Behörde, von einer nachträglichen Anordnung gegenüber der begünstigten Anlage abzusehen. 3. Die Sicherstellung durch Widerruf

Für die Widerrufssituation nach § 21 Abs. 1 Nr. 5 BimSchG, den Fall gravierender Überschreitungen der Vorsorgeanforderungen also, die durch eine verhältnismäßige nachträgliche Anordnung nicht behoben werden können, gilt nun nichts wesentlich anderes. Wenn es dem Gesetz maßgeblich auf eine zwangsweise vollstreckbare Sicherung des Vorsorgestandards ankommt, von dem nur abgesehen werden soll, wenn die Bedingung der Überkompensation vereinbarungsgemäß erfüllt wird, dann kann die hierfür erforderliche "Anordnung" auch im Wege des Widerrufs ergehen. Denn auch der Widerruf genügt diesem Erfordernis des zwangsweise durchsetzbaren Hoheitsakts. Tritt die Rechtsfolge des - dann regelmäßig bestandskräftigen - Widerrufs ein, kann und muß die passiv beteiligte Anlage nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG stillge177 So aber Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BlmSchG, Anm. 12a; und im Anschluß an diesen Rehbinder, Neuere Entwicklungen, S. 129, 137 sowie Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 83. 178 Der Grundsatz "volenti non fit iniuria" ändert hieran nichts: Auch durch eine Zustimmung des potentiellen Adressaten verliert der beabsichtigte Verwaltungsakt nicht seine eingreifende Wirkung i. S. des§ 28 Abs. I VwVfG. Denn die Zustimmung kann allenfalls im Laufe des Verfahrens manifest werden. Vgl. auch Vallendar, aaO. Bleibt die Frage, ob mit Blick auf BVerfGE 65, 1 (43, 44) die spezifische Auswertung ohnehin vorgesehener Messungen, also eine nachträglich erweiterte Zweckbestimmung der Datenerhebung einen gesonderten Eingriff darstellt und darum einer eigenen Grundlage und rechtsförmigen Anordnung bedarf. Sie ist zu verneinen. Die Ermächtigung des § 29 BlmSchG dient - u.a. - der Kontrolle der Emissionsverhältnisse. Das reicht.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

legt werden; für die noch nicht amortisierte Restnutzung ist der Betreiber zu entschädigen. Der Widerruf ist zu diesem Zweck entsprechend der Gestaltung der nachträglichen Anordnung wiederum mit der aufschiebenden Bedingung vereinbarungswidrig von Anlage A hervorgerufener Schadstoffemissionen sowie evtl. einer verspäteten Inbetriebnahme von Anlage A zu versehen und zugleich durch den Ablauf der Restnutzungsdauer von Anlage B zu befristen. Vom untergesetzlichen Normgeber vorgesehene Übergangsfristen können diese zeitliche Grenze hinausschieben. Die geringstmögliche zulässige Restnutzung wird in jedem Fall auch hier durch die einschlägige.Übergangsfrist bezeichnet. Sollen die Ausgleichsmaßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen in dieser Weise durch einen Widerruf unter Nebenbestimmungen gesichert werden, setzt dies nach allem einen bestimmten Antrag desjenigen voraus, der eine die Vorsorgeanforderungen gravierend überschreitende Anlage betreibt. Er müßte nicht nur einen Plan unterbreiten, nach dem durch eine Kompensationsvereinbarung insgesamt überobligationsmäßige Emissionsminderungen erzielt würden. Die jetzt vom Widerruf der Genehmigung bedrohte Anlage B könnte dann für die Dauer der ihr zustehenden Restnutzung von der allgemeinen Anhebung des Vorsorgestandards weiterhin verschont bleiben, wenn eine zweite Anlage (A) durch eine gesetzlich nicht geschuldete Reduzierung ihres Schadstoffausstoßes dieses "Mehr" durch ein "Weniger" an Emissionen überträfe und mit Ablauf der Frist Anlage B stillgelegt würde. Der Betreiber der Anlage B muß aber, wenn ihm die Behörde ihre Absicht mitteilt, gegenüber dieser Anlage eine nachträgliche (Vorsorge-)Anordnung zu erlassen, im Rahmen der Anhörung von vornherein einräumen, daß er der Anordnung nachzukommen nicht in der Lage sein werde. Fehlt es an einem solchen Vortrag, kommt allenfalls der dargestellte Verzicht auf die unbedingte zugunsten der bedingten und mit einer Anfangsfrist versehenen nachträglichen Anordnung in Frage179.

179 Der bedingte und stets befristete Verzicht auf den Widerruf ist dagegen im Immissionsbereich ausgeschlossen. Der Betreiber, dessen Altanlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft, wird nämlich, soweit eine Kompensation in Aussicht ist, das - hier zugleich mildere - Austauschmittel einer entsprechend bedingten nachträglichen Anordnung oder Genehmigung anbieten, das die Behörde nicht zurückweisen kann, soweit es die Immissionen ausreichend reduziert. Da es hier aber ausschließlich auf die (Verbesserung der) Immissionssituation, nicht den Vorsergestandard der einzelnen Anlage ankommt, bleibt die Regelung einwirkungsbezogen und darf nicht anlagenbezogen ausgestaltet, also auch nicht im Hinblick auf die verbleibende Restnutzung befristet werden. Denn die mögliche Widerruflichkeit der Genehmigung und damit die zeitlich begrenzende Restnutzungsdauer der Anlage spielt keine Rolle, solange die Immissionswerte im Einwirkungsbereich der Anlage eingehalten sind.

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111. Untergesetzliche Beschränkungen der Vorsorge-Kompensation 1. Die gesetzliche Erweiterung der Kompensationsmöglichkeiten mit der Dritten Novelle und ihre Grenzen

a) Die Grundtendenz: Erweiterung der Kompensationsmöglichkeiten Der Gesetzgeber hat in der Ermächtigung der §§ 7 Abs. 3 n.F., 48 Nr. 4 BlmSchG und entsprechend mit § 17 Abs. 3a BlmSchG für den Einzelfall einige der zuvor bestehenden Beschränkungen der gesetzlich eingeräumten Kompensationsmöglichkeit zurückgenommen. Regelungstechnik und damit auch Reichweite der Lockerung differieren. Das Gesetz hat nämlich die - nach der früheren Rechtslage - bestehenden und die Kompensationsbereitschaft der Betreiber schmälernden Hürden 180 teilweise fallengelassen, teilweise bewußt reduziert: Während die einschränkende Bedingung der Überkompensation als solche erhalten geblieben ist, sind zeitliche wie räumliche (die Ausgewogenheit der Luftreinhaltesituation gewährleistende) Beschränkungen des Emissionsverbunds aus dem Tatbestand gestrichen und folglich nicht mehr vorgeschrieben181. Dagegen läßt das Gesetz nach einer Wortlautänderung für die Verrechnung von Emissionen nunmehr ausdrücklich - im Gegensatz zur früher zumindest erforderlichen Wirkungsgleichheit- die Vergleichbarkeit der emittierten Stoffe ausreichen.

b) Gesetzliche Grenzen der Kompensation Diese Novellierung hat keine völlige Entgrenzung gebracht 182. Verbindliche Zulassungsbedingungen sind dem Kompensationsinteresse zunächst durch die Begriffsgrenzen der Tatbestandsmerkmale vorgezeichnet. Daß die Ausnahme vom allgemeinen Standard nicht mehr nur wie nach § 7 Abs. 3 BlmSchG a.F. "für eine bestimmte Frist" zuzulassen ist 183, beseitigt insbesondere nicht die aus dem Erfordernis überobligationsmäßiger Minderungen resultierende, mit dem Gesetzesbegriff der Kompensation verbundene zeitliche Schranke zulässiger (Rest-) Nutzung. Denn sie entspricht lediglich den allgemeinen (und verhältnismäßigen) Grenzen, die das Gesetz dem Anspruch auf Betrieb einer genehmigten Anlage zieht. Und ähnlich bleiben - wenn auch 180 BT-Drs. 1114909, S. 14, 16. Vgl. Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 53 f., 86. l8l Anders§ 7 Abs. 3 BlmSchG a.F.; vgl. heute noch Nr. 4.2.10 TA Luft. 182 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 55. 183 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 74; Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 135.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

deutlich relativierte - Einschränkungen, soweit Kompensationen zwischen Schadstoffen erlaubt sind, die in ihrer Wirkung auf die Umwelt nicht gleich, sondern nur vergleichbar sind. Zwar kommt es "nur noch darauf an, daß das Schädigungspotential bei vergleichender Bewertung im Ergebnis auf etwa dem gleichen Niveau liegt" 184. Dennoch wird eine vertretbare Gewichtung zumindest voraussetzen, daß das Schädigungspotential aller fraglichen Stoffe hinsichtlich der jeweils selben Schutzgüter hinlänglich genau bekannt ist. Nur dann läßt sich das Urteil der Gleichartigkeit rechtfertigen - was die erzielte Flexibilisierung ein Stück weit in Frage stelltl85. Für die mögliche räumliche Erstreckung des Emissionsverbunds ist das anders. Sie sollte mit Blick auf weiträumig transportierte, ubiquitär verbreitete Schadstoffe (etwa S02, NOx, C02) bewußt über den Nahbereich hinaus ausgedehnt werden (vgl. auch § 7 Abs. 3 Satz 3 BimSchG) 186. Das bringt in der Folge für die Umgebung der passiv beteiligten Anlage - bei zugleich kleinräumig relevanten Verschmutzungen etwa durch so2 und NOX 187 und schlechten Ableitbedingungen - die Gefahr überdurchschnittlicher Belastungen jedenfalls dann mit sich, wenn die Kompensationsvereinbarung eine Erhöhung des Schadstoffausstoßes (auf der Passivseite) zuläßt. Das Schutzprinzip steht natürlich, was der Hinweis auf den Vorrang von Schutzanordnungen in § 17 Abs. 3a Satz 2 a.E. 188 noch einmal verdeutlicht, als solches nicht zur Disposition; die zugehörigen Immissionswerte garantieren den allgemeinen Schädlichkeitsstandard ohne Ausnahme 189. Denn die gesetzlich geschaffene Kompensationsmöglichkeit darf nicht dazu führen, daß andere Prinzipien des Immissionsschutzes verletzt werden, insbesondere die Immissionslage im Einwirkungsbereich der passiv beteiligten Anlage vernachlässigt wird. Das verlangt der Schutzzweck des Gesetzes, dem auch das Instrument der Kompensation untergeordnet ist. Im übrigen läßt sich aber ein rechtswirksames Verbot von Verschlechterungen der Immissionssituation dem gesetzgeberischen, auf den Ferntransport bezogenen Motiv grundsätzlich nicht entnehmen 190. Unmittelbar auf Gesetzesebene und bindend für die normgebende oder außerhalb eines untergesetzlichen Konzepts handelnde Verwaltung könnte es allenfalls aus der

60.

184 Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BlmSchG, Anm. 12 a. 185 Vgl. Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 135. 186 BT-Drs. 11/6633; vgl. Rehbinder, aaO, S. 134 f . 187 Vgl. Rehbinder, aaO, S. 134; dens., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28,

!88 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 71. 189 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 57; Roßnagel, in: Koch/ Scheuing, GK-BimSchG, § 7, Rdnr. 139 f., 160. 190 Vgl. Koch, in: ders./Scheuing, aaO, § 17, Rdnr. 167. Anders Val/endar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I,§ 17 BlmSchG, Anm. 12a.

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zusätzlichen gesetzlichen Maßgabe folgen, daß durch Kompensationen "der in § 1 genannte Zweck gefördert" wird (§§ 7 Abs. 3 Satz 2, 17 Abs. 3a Satz I BimSchG) 191 . c) Die Förderung des Gesetzeszwecks

In der Tat signalisiert die Bezugnahme auf den Gesetzeszweck eine möglicherweise als Gegengewicht zur Deregulierungstendenz der Novellierung konzipierte Veränderung: Bislang genügte es dem Gesetz, wenn die (untergesetzlich zugelassene) Kompensation in jeder Hinsicht "mit dem in § 1 genannten Zweck vereinbar" erschien - eine rechtsstaatliche und verwaltungsrechtsdogmatische Selbstverständlichkeit. Jetzt stellen §§ 7 Abs. 3 Satz 2 und I7 Abs. 3a Satz I BlmSchG die über die Tatbestandsmerkmale i.e.S. auf den ersten Blick hinausweisende Forderung auf, daß durch die Kompensationsvereinbarung jeweils "der in§ I genannte Zweck gefördert wird". Was das im einzelnen gerade im Hinblick auf die Immissionslage im Einwirkungsbereich des Emissionsverbunds (insb. aber der passiv beteiligten Anlage) zu bedeuten hat, ist allerdings umstritten: Während Nr. 4.2.10 Abs. I Satz 2, 2. Halbsatz TA Luft ein absolutes Verschlechterungsverbot errichtet hat, an dem ein Teil der Literatur nach wie vor i. S. einer Mindestposition festhält 192 , wobei z. T. sogar eine Verbesserung der Immissionssituation gefordert wird 193 , sollen nach anderer Auffassung nur wesentliche Verschlechterungen dem gesetzlichen Förderungsauftrag zuwiderlaufen, der sich somit auf ein relatives Verschlechterungsverbot beschränkt 194. Beide Auffassungen verdienen keine uneingeschränkte Zustimmung. Was man sich unter der Förderung des Gesetzeszwecks vorzustellen hat, ist aus Textbefund und Systematik des Gesetzes zu entwickeln 195 . Dabei paßt die Vorstellung von der Förderung, d.h. von einer möglichst weitreichenden Realisierung des Zwecks, nicht zu einer strikt anzuwendenden Regel, sondern nur zu dem relativ (auf die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Realisierung) anordnenden Optimierungsgebot von Prinzipien 196. Das verträgt sich auf 191 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 70; vgl auch Goß/er, UPR 1990, S. 255, 257 f. ; Roßnagel, in: Koch!Scheuing, aaO, § 7, Rdnr. 161, 186. 192 Goß/er, aaO, S. 255, 256, 257; Huckestein, ZfU 1989, S. I, 21; Roßnage I, aaO, Rdnr. 160, 186; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I,§ 17, Anm. 12a. 193 Goß/er, aaO, S. 257 ohne nähere Begründung; Vallendar, aaO. 194 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 71 ; Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 132 f., ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 58. 195 Eine dezidierte subjektive Vorstellung von dieser Klausel hat der Gesetzgeber ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf nicht erkennen lassen, BT-Drs. 11/4909, S. 16, 18. 196 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f., 80, 87 f. 15 Enders

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

Anhieb nicht mit dem ordnungsrechtlichen Ansatz des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Immerhin wurde bereits oben bemerkt, daß das Vorsorgegebot eine derart vage Rechtspflicht statuiert, daß dem Gesetzgeber nichts anderes übrig blieb, als eine vom Verhältnismäßigkeilsgrundsatz nur wenig eingeschränkte Kompetenz zu konkretisierender Normsetzung zu delegieren, an deren Festsetzungen die Verwaltungsbehörden im Einzelfall gebunden sind. Das Vorsorgegebot verlangt als solches nämlich eine möglichst weitgehende Minderung von Emissionen; je weniger Schadstoffe emittiert werden, desto vollkommener ist dem Zweck der Vorsorge: der Minimierung des Restrisikos genüge getan. Nur trägt diesem Prinzipiencharakter des Vorsorgegebots bereits die zum Begriff der Kompensation erhobene Bedingung Rechnung, daß die Ausgleichsmaßnahmen zu einer - im Vergleich zum durchsetzbaren gesetzlichen Standard - weitergehenden Minderung von Emissionen bzw. Verringerung der Emissionsfrachten führen müssen. Auch hier gilt zwar: je mehr, desto besser. Gewisse Unsicherheiten in der Berechnung der Minderungsleistung werden daher zu Lasten des Betreibers gebucht werden dürfen; aber im übrigen erfüllt jedes "Mehr" an sich bereits die Bedingung der Überkompensation und aktualisiert die Pflicht der Behörde ("soll"), von hoheitlichen Maßnahmen abzusehen. Denn als atypische Situation läßt sich ohne weitere normative Anhaltspunkte der Umstand nur geringfügiger Überkompensation nicht bewerten. Die bestmögliche Vorsorge ist danach- für sich betrachtet- gerade nicht Gegenstand der Förderung des Gesetzeszwecks, wie sie die§§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG vorschreiben. Wie sich die Kompensationsvereinbarung auf die Immissionslage namentlich im Einwirkungsbereich der passiv beteiligten Anlage auswirkt, ihr Verhältnis zum Schutzprinzip also, ist dagegen mit diesen allein vorsorgebezogenen Tatbestandsmerkmalen nicht angesprochen. Hier scheint die Bezugnahme auf den Gesetzeszweck nach Art eines Optimierungsgebots, gerade weil kein bestimmter Minderungserfolg vorgeschrieben ist, ein möglichst günstiges Verhältnis von Emissionsminderung(ssaldo) und lokaler Immissionsentwicklung zu verlangen. Nur läßt sich die vom Schutzprinzip gemeinte Gefahrenabwehr, solange man - notgedrungen - von einer wenn auch fiktiven Gefahrenschwelle ausgeht, außerhalb einer sehr schmalen Irrelevanzzone gar nicht optimieren: Können von einer genehmigungspflichtigen Anlage keine Gefahren hervorgerufen werden, werden mit anderen Worten die schädlichkeitsrelevanten Immissionswerte nicht erreicht, hat insoweit der Betrieb der Anlage gesetzlich als unbedingt erlaubt zu gelten (vgl. § 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG). Da das Gesetz Differenzierungen nicht vorsieht 197 und eine normative Kategorie der geringeren oder möglichst geringen Gefährlichkeit nicht kennt, macht auch nur 197 Irrelevanz- und Sanierungsklauseln verschieben nur insgesamt die Gefahrenschwelle; die kleinräumige Vorsorge steht unter eigenen Bedingungen.

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eine Überschreitung dieser absoluten Schranke der Schädlichkeitswerte eine Kompensationsvereinbarung ohne weiteres unzulässig 198. Was indessen der Gesetzgeber der Zweiten Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes noch in der schlichten Maßgabe beherzigt hatte, die Abweichung von den generellen Anforderungen müsse "mit dem in § 1 genannten Zweck vereinbar" sein, hat der Gesetzgeber der Dritten Novelle außer acht gelassen, um der allgemeinen Abwägungseuphorie mit einem wohlfeilen Optimierungsgebot seine Referenz zu erweisen. Will man dieser dem System des Bundes-Immissionsschutzgesetzes fremden und an sich leerlaufenden Förderungsklausel noch einen einigermaßen vernünftigen Sinn abgewinnen, so bietet sich die folgende Erwägung an: Führen in einem konkreten Fall zwei dieselben Anlagen betreffende, hinsichtlich der Emissionsminderungen absolut gleichwertige Kompensationsangebote zu je verschiedenen Auswirkungen auf die Immissionslage, so ist das für die Immissionslage vorteilhaftere Angebot vorzuziehen. Da die Sanierungspläne vom Betreiber auszuarbeiten sind und von der Behörde allenfalls informell beeinflußt werden, dürfte diese Lage freilich selten eintreten und bleibt dann die Frage nach dem gesetzlichen Maßstab offen 199. Über die angeführten Gesichtspunkte hinaus sind aber Einschränkungen der behördlichen Pflicht, von hoheitlichen Maßnahmen abzusehen, damit des Kompensationsanspruchs des Anlagenbetreibers, nicht anzuerkennen. Die vom Gesetzgeber geschaffene Ungewißheit darf nicht auf dem Rücken des Betreibers ausgetragen werden. Sollte sich indessen etwa die Immissionslage durch Neugenehmigungen in einer nicht gern. Nr. 2.6.3.3 Abs. 1 TA Luft vorhersehbaren und auszugleichenden Weise verschlechtern, bleiben ihm nachträgliche Anordnungen nicht erspart. 2. Die Fortschreibung der TA Luft für die neuen Bundesländer

a) Die Geltungsanordnung des§ 67a Abs. 3 BlmSchG- Normative Befristung, räumliche und stoffliche Beschränkung von Kompensationen Wenn auch der Gesetzgeber die engen Bindungen von Kompensationsregelungen gelockert hat, so ist doch die TA Luft diesem Zug der Zeit nicht gefolgt. Sie befindet sich nach wie vor auf dem Stand der Rechtslage von 1986, 198 Vgl. Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 132. 199 Ohne einen solchen zu nennen hält es Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 129, 133, ders .• Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 58 für "sinnvoll, eine Optimierung entweder in Form einer Verbesserung der Immissionssituation bei bescheidener Reduzierung der Emissionsfrachten oder in Form einer weitergehenden Reduzierung der Emissionsfrachten ohne Verbesserung der Immissionssituation anzustreben"; ganz ähnlich Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 7, Rdnr. 181. 15*

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

so daß zu überlegen ist, ob man nicht mit einer erweiternden Interpretation dem veränderten Willen des (ermächtigenden) Gesetzgebers Anerkennung verschaffen sollte. Richtigerweise wird man zwischen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen unterscheiden müssen200 und hierbei die Auslegung der Ermächtigung in zwei Gedankenschritten vornehmen können: Zum einen kommt es selbstverständlich darauf an, ob auch die aktuelle Ermächtigung dem Wortlaut nach eingehalten ist; zum anderen auf die Frage, ob und inwieweit sich sonst ein positiver Wille des Gesetzgebers feststellen läßt, dem Wortlaut nach ermächtigungskonforme Regelungen der TA Luft in ihrer Reichweite einzuschränken. aa) Die Befristung in der TA Luft Was nun den bloßen Fortfall bislang bestehender ausdrücklicher Kompensationsschranken - der Befristung und des immissionsneutralen Ausgleichs zwischen benachbarten Anlagen - betrifft, so füllt die TA Luft, wenn sie an engeren Tatbestandsvoraussetzungen festhält, die Ermächtigung gleichwohl in zulässiger Weise aus. Es liegt gerade im Wesen von Normsetzungsermächtigungen, daß sie dem untergesetzlichen Normgeber lediglich den Rahmen der ihm obliegenden Konkretisierung vorgeben. Was diesen Rahmen nicht überschreitet und dem Zweck der Ermächtigung entspricht, hat vor ihr Bestand. Allenfalls kann man sagen, daß nach Sinn und Zweck der Ermächtigung der Vorschriftengeber, der ein Kompensationskonzept normiert, diesem ein subjektives-öffentliches Recht auf Kompensation zuzuordnen hat. Auch dann bleiben Ausgestaltung des Konzepts und damit die Grenzen des Anspruchs in sein Ermessen gestellt. So schafft die Ermächtigung des § 7 Abs. 3 BlmSchG in ihrer neuen Fassung die Möglichkeit einer erweiterten, ohne zeitliche Grenzen auskommenden untergesetzlichen Kompensationsregelung, statuiert indessen keine Pflicht zu einer solchen Regelung. Die von der TA Luft für Kompensationen vorgesehene zeitliche Obergrenze von acht Jahren (Nr. 4.2.10 Abs. 1, 4.2.4 TA Luft) bedarf freilich, nachdem für die alten Bundesländer mit dem 1. März 1994 sämtliche Fristen abgelaufen sind, der ausdrücklichen Anordnung. Diese Anordnung trifft - in Bestätigung unserer These - das Gesetz selbst in § 67a Abs. 3 BlmSchG: Dieser stellt klar, daß gerade das Sanierungskonzept der TA Luft, das für die alten Bundesländer mit Ablauf der Fristen seine Bedeutung verloren hat, auf Altanlagen (i.S. des § 67a Abs. 3 BlmSchG mit Nr. 4.2.1 Abs. 4 TA Luft, § 67a Abs. 1 BlmSchG201 ) in den neuen Bundesländern übertragen werden soll und zwar 200 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 74, allerdings ohne weitere Begründung. 201 Soweit nach§ 67a Abs. 3 BlmSchG die Sanierungsregelung der TA Luft gilt, bedeutet das für die Altanlagendefinition- entgegen Laubinger, in: Ule!Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. E 6

Fünftes Kapitel: Der gesetzliche Tatbestand der Kompensation

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bezogen auf das lokrafttreten der TA Luft in der ehemaligen DDR zum 1. Juli 1990, Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG (DDR) mit Anlage 1, Nr. 1 h) 202 . Nach dem Wortlaut unmittelbarerfaßt werden hiervon freilich nur die sog. Übergangsfristen ("Durchführung von Maßnahmen zur Sanierung von Altanlagen bis zu einem bestimmten Termin"). Für die anderen Fristen der Nr. 4.2 gilt§ 67a Abs. 3 BlmSchG nach allgemeiner und zutreffender Auffassung aber entsprechend203, da diese einen integralen Bestandteil des Sanierungskonzepts bilden. Das bedeutet, daß, wegen der konzeptionell vorgegebenen Gleichzeitigkeit von zwangsweise anzuordnenden und mitwirkungsbedürftigen Vorsorgemaßnahmen, der Sanierungsplan nach Nr. 4.2.1 Abs. 1 lit. b TA Luft spätestens bis zum 30. Juni 1992 vorzulegen204 und die Regel-Kompensation nach 4 .2.10 Abs. 1, 4.2.4 TA Luft längstenfalls-die Verlängerung um ein Jahr einberechnet - auf den 30. Juni 1999 zu befristen war. Weitere Kompensationen zwischen den tatbestandlieh erfaßten (Alt-) Anlagen wären dann nur noch nach § 17 Abs. 3a BlmSchG und im Rahmen seines Anwendungsbereichs möglich.

bb) Anforderungen an die örtlichen Immissionsverhältnisse Was für die Fristen des Sanierungskonzepts in Nr. 4.2 TA Luft gilt, muß nicht notwendig für die übrigen untergesetzlich konkretisierten Bedingungen der Kompensation gelten. Daß allerdings die TA Luft in Nr. 4.2.10 Abs. 1 Satz

-eine sinngemäße Anwendung: Nr. 4.2.1 Abs. 4 Nr. I und 2 TA Luft sind zusammen zu lesen. Diese bezeichnen die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sanierungsregelung rechtmäßig errichteten, betriebenen oder genehmigten genehmigungsbedürftigen Anlagen als Altanlagen. Im Gebiet der neuen Bundesländer sind das ausnahmslos, insofern zutreffend Jarass, aaO, § 67a, Rdnr. 14; Laubinger, aaO, die anzeigepflichtigen Anlagen nach§ 67a Abs. I BlmSchG. 202 Vom 29. Juni 1990, GBI. (DDR) I S. 649; vgl. Jarass, aaO, § 67a, Rdnr. I f., 14. 203 Auch für diejenigen nach Nr. 4.3, Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 67a BlmSchG, Rdnr. 6; Jarass, aaO, § 67a, Rdnr. 14. 204 Eine eindeutige Fristenregelung enthält § 67a Abs. 3 BlmSchG nur für Sanierungs- (Übergangs-)fristen: Verlängerung um ein Jahr bei Fristlauf ab dem I. 7. 1990. Wird er auf andere Fristen analog angewendet, Hansmann, aaO; zustimmend Jarass, aaO; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I,§ 67a BlmSchG, Anm. 6, so gilt etwa für die Verzichtserklärung nach Nr. 4.2.7 Abs. I TA Luft als Termin (Fristablauf) der 30. 6. 1992. Das entspricht der in Art. I § 4 Abs. 2 Satz 2, Art. 8 § 2 Abs. I URG-DDR getroffenen Übergangsregelung, welche die Fristverlängerung ausdrücklich auch auf abzugebende Erklärungen erstreckte. Nicht nur deswegen hatte aber die Vorlage des Sanierungsplans nach Nr. 4.2.1 Abs. llit b (erst) bis zum 30. 6. 1992 zu erfolgen. Vor allem muß auf die Systematik der Fristen des Sanierungskonzepts in Nr. 4.2 TA Luft Bedacht genommen werden: Danach soll offensichtlich der (früheste) Termin für die nachträgliche Anordnung gern. Nr. 4.2.2 TA Luft nicht vor Ablauf jener Überlegungsfristen liegen; andernfalls verlören solche Überlegungen über das Angebot eines Austauschmittels regelmäßig ihren Sinn. Auch nachträgliche (Vorsorge-)Anordnungen nach Nr. 4.2.2 TA Luft waren demgemäß erst bis zum 30. 6. 1992 zu erlassen, anders Jarass, aaO, Laubinger, in: Ule!Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. E 9, 10: 30. 6. 1991. Gefahrenanordnungen waren und sind dagegen "unverzüglich" zu treffen, vgl. Nr. 4.1.4 TA Luft, Art. I§ 4 Abs. 2 Satz 3 URG-DDR i.V.m. § 17 Abs. I Satz 2 BlmSchG.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

2, um eine Anhindung der örtlichen Immissionsverhältnisse an die Ernissionsentwicklung zu bewirken, die Anforderungen des Ermächtigungstatbestands um die räumliche Nähe-Beziehung zwischen den an der Kompensation beteiligten Anlagen ergänzt205 , begegnet angesichts der Ermächtigung in § 7 Abs. 3 Satz 1 BirnSchG keinen Bedenken. Das gilt gerade auch, soweit die TA Luft im selben Zusammenhang das (absolute) Verbot einer Verschlechterung der Immissionslage ausspricht. Auch wenn damit eine durch Abwägung nicht zu überwindende, also nicht weiter zu "optimierende" Schranke errichtet ist: Ohne Zweifel fördert die immissionsneutrale Durchführung der Kompensation den Gesetzeszweck, indem sie den rechtlichen Spielraum für Kornpensationsrnaßnahrnen, der durch die relative Größe der Emissionsminderung einerseits, das absolute Verbot schädlicher Umwelteinwirkungen andererseits definiert wird, in einer Weise eingrenzt, die einem vor der Gefahrenschwelle ansetzenden Nachbarschutz im Einwirkungsbereich der Anlage dient. In gewisser Weise steht diese Auffassung also der neuen·Ermächtigungsgrundlage näher als der alten, die es bei einer negativ begrenzenden "Vereinbarkeit" bewenden ließ. Es bleibt nur die Frage offen, ob der Gesetzgeber diese enge Fassung eines Kompensationskonzepts in seinen Willen aufgenommen oder doch eine Lockerung der Bedingungen gewollt hat. Die Antwort kann nicht wie zuvor ohne weiteres schon aus der Weiterschreibung der Fristen in § 67a Abs. 3 BirnSchG gefolgert werden; sie betrifft unmittelbar nur diesen Teilaspekt, nicht das gesamte Sanierungskonzept Jedoch galt die TA Luft ausnahmslos bereits kraft Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG (DDR) mit Anlage I, Nr. I h)206 seit dem I. Juli I990 in der DDR, sodann nach Art. 8 des Einigungsvertrags207 mit dem Wirksamwerden des Beitritts (gern. Art. I Abs. 1 EVertr) als Bestandteil des Bundesrechts. § 67a Abs. 3 BlmSchG setzt diese Geltung der TA Luft offenkundig ohne weitere Modifikationen voraus. cc) Das Erfordernis vergleichbarer Wirkung Noch einmal anders verhält es sich mit dem Erfordernis der (wenigstens) vergleichbaren Wirkung der emittierten und gegeneinander zu verrechnenden Stoffe. Der Gesetzgeber hat hier nicht einfach geschwiegen, sondern in § 7 Abs. 3 Satz 2 ein weiteres Tatbestandsmerkmal der. Kompensation benannt. Dennoch muß die - engere, auf dieselben oder wirkungsgleiche Stoffe be205 Die "mindestens eine Beurteilungsfläche gemeinsam haben oder deren Beurteilungsgebiete sich mindestens in der Größe einer Beurteilungsfläche überschneiden" müssen. 206 Vom 29. Juni 1990, GBI. (DDR) I S. 649. 207 Vom 31. August 1990, BGBI. ll S. 889 mit Zustimmungsgesetz vom 23. September 1990, BGBI. II S. 885.

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schränkte- Regelung der Nr. 4.2.10 Abs. 1 TA Luft nicht notwendig in Widerspruch zu ihrer gesetzlichen Grundlage in §§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BimSchG stehen. Denn man kann diese Bestimmungen wieder so verstehen, daß sie zwar den untergesetzlichen Normgeber zu Kompensationsregelungen ermächtigen, jedoch diese, ohne sie etwa zwingend vorzuschreiben, falls sie getroffen werden sollten, an die Beachtung bestimmter Mindest(!)voraussetzungen knüpfen (§ 7 Abs. 3 Satz 2: "Dies gilt nur, wenn ... "). Stoffe, die nicht wenigstens als in ihrer Wirkung auf die Umwelt vergleichbar gelten können, wäre also § 7 Abs. 3 Satz 2 BimSchG zu lesen, sollen von Kompensationen ausgeschlossen sein. Dieses Erfordernis erfüllen in jedem Fall auch die in ihrer Wirkung gleichen Stoffe, auf die Nr. 4.2.10 TA Luft abhebt, so daß sich diese Vorschrift in dem von § 7 Abs. 3 BlmSchG gezogenen Rahmen hielte. Indessen kommt es - in systematischer Hinsicht und auch mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG - darauf an, mögliche Konflikte mit der Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmSchG zu vermeiden. Nach dieser stünde nämlich dem Betreiber ein (weitergehender) gesetzesunmittelbarer Anspruch "auf Kompensation" auch dann zu, wenn nur in ihrer Wirkung vergleichbare Schadstoffe Gegenstand seines Kompensationsangebots wären. Weil es aber zu Konflikten zwischen den insoweit divergierenden Kompensationsregelungen nur kommen kann, soweit die Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmSchG neben der abstrakt-generellen Regelung der durch § 67a Abs. 3 BlmSchG fortgeschriebenen Nr. 4.2.10 TA Luft überhaupt anwendbar sein sollte, ist vorrangig das Verhältnis beider Bestimmungen zu klären. b) § 17 Abs. Ja B/mSchG und das Kompensationskonzept für die neuen Bundesländer

Daß sich die Frage einer Anwendung des § 17 Abs. 3a BlmSchG neben der Kompensationsregelung der Nr. 4.2.10 TA Luft, damit seines Verhältnisses zu möglichen Kompensationskonzepten überhaupt stellt, folgt bereits daraus, daß die Überlegungs-(Ausschluß-) fristder Nr. 4.2.1 Abs. 1 lit b TA Luft mit Art. 1 § 4 Abs. 2 Satz 2, Art. 8 § 2 Abs. 1 URG-DDR, § 67a Abs. 3 BlmSchG am 30. Juni 1992 endete, bei In krafttreten des § 17 Abs. 3a BlmSchG zum 1. September 1990208 also noch nicht abgelaufen war. Freilich ist das Verhältnis der beiden Vorschriften mit einer Besonderheit behaftet, die von der Fortschreibung des untergesetzlichen Sanierungs- und Kompensationskonzepts durch § 67a Abs. 3 BlmSchG herrührt: Diese Übergangsregelung in § 67a Abs. 3 BlmSchG begründet bei sinngemäßer Anwendung von Nr. 4.2.1 Abs. 4 TA Luft einen 208 BGBI. I S. 870, Neubekanntmachung vom 14. 5. 1990, BGBI. I S. 880; Art. I § 2 Abs. 2 URG-DDR.

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Altanlagenbegriff, der auf das Inkrafttreten der immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen am 1. Juli 1990 bezogen ist209 und genau die bis dahin (teilweise) errichteten und gern. § 67a Abs. 1 BlmSchG anzeigepflichtigen -nach § 4 BlmSchG i.V.m. der 4. BlmSchV sachlich genehmigungsbedürftigen- Anlagen umfaßt210. Die Regel-Kompensation nach Nr. 4.2.10 TA Luft können also ausschließlich diese übergeleiteten anzeigepflichtigen, jedoch nicht genehmigten Anlagen durchführen. Für den Erlaß von nachträglichen Anordnungen, auf den bei Vorliegen der in Nr. 4.2.10 TA Luft vorgesehenen Kompensationsvoraussetzungen verzichtet werden kann, ergeben sich dadurch zwar keine Abweichungen von den dargelegten Grundsätzen. Nicht nur gelten für die gern. § 67a Abs. 1 BlmSchG übergeleiteten Anlagen die Betreiberpflichten nach §§ 5, 7 BlmSchG; auch § 17 BlmSchG ist im hier interessierenden Umfang -analog § 17 Abs. 5 BlmschGauf diese anzuwenden 211 , obwohl es an der tatbestandlieh vorausgesetzten Genehmigung fehlt. Dagegen paßt § 21 BlmschG, der ja gerade und nur die Genehmigung zum Gegenstand hat, nicht. Der (ggf. ausgleichspflichtige) Widerruf einer nicht vorhandenen Genehmigung scheidet offenkundig aus212 . Möglicherweise richtet sich also auch in diesem Fall die Durchsetzung der Betreiberpflichten (hier: der Vorsorgepflicht), ähnlich dem oben für rechtswidrig genehmigte Anlagen ermittelten Befund nach einem einheitlichen Maßstab der Verhältnismäßigkeit Nur hätte dieser Umstand diesmal einen von der (zufälligen) Fehlerhaftigkeit der Genehmigung unabhängigen prinzipiellen Grund: Hat der Gesetzgeber durch § 67a Abs. 1 BlmSchG gern. § 4 BlmSchG genehmigungspflichtige Anlagen formal vom Genehmigungserfordernis freigestellt, so muß ihnen in der Folge ein Bestandsschutz verweigert bleiben, der über das allgemeine Vertrauen in die Zulässigkeit gesetzmäßigen, hier von den §§ 4 ff. BlmSchG definierten Verhaltens hinausgeht213 . Man könnte freilich eine bestandskräftige Position des Anlagenbetreibers postulieren, wenn etwa die eigentlich gebotenen Nachbesserungen an technischen Besonderheiten der Anlage (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG) scheitern sollten und gleichzeitig ein Verbot (Untersagung, Stillegung) ausscheidet, weil die Stillegungs-Ermächtigung des § 20 Abs. 2 BlmSchG sowenig wie die Er-

209 Art. I § 2 Abs. I Nr. I URG-DDR mit Anlage I. 210 Nicht unmittelbar aus§ 67a Abs. I BlmSchG folgt, anders Lllubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. E 6, zustimmend Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 14. 211 Jarass, aaO, § 67a, Rdnr. 7; § 67, Rdnr. 22 f.; Lllubinger, aaO, § 67a, Rdnr. C 27. 212 Vgl. Jarass, aaO, § 67, Rdnr. 23; § 21 Rdnr. 5. Das gilt auch für die Rücknahme nach§ 48 (L)VwVfG. 213 Vgl. Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 30; § 67, Rdnr. 23 a.E ..

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mächtigung zum Widerruf nach § 2I BlmSchG eine Handhabe gibt214. Dafür spricht, daß das Bundes-Immissionsschutzgesetz für Errichtung und Betrieb von genehmigungsbedürftigen Anlagen sicherlich ein grundsätzlich abgeschlossenes System von Verhaltens(durchsetzungs)regeln zur Verfügung stellt215 . Allein gerade soweit die Vorsorgepflicht gegenüber dem Betreiber einer materiell genehmigungsbedürftigen, formell nur anzeigepflichtigen Anlage zwar Geltung beansprucht, immissionsschutzrechtlich jedoch nicht mehr durchgesetzt werden kann, erweist sich die vorliegende Konstellation als Fall einer speziell (mit den §§ 67a Abs. 1, 4, 5 Abs. I Nr. 2, 7, 17 BlmSchG) nur lückenhaft ausgestalteten Verhaltensregelung216 . Ausnahmsweise tritt dann das allgemeine Polizeirecht in diese Lücke des anlagenbezogenen Regimes des Immissionsschutzrechts217 und erlaubt es, den Verstoß gegen die Vorsorgepflicht durch eine (Teil-)Untersagung auf Grundlage der polizeilichen Generalklausei218 zu beseitigen(§§ 3, I Po!G B.-W.). Denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die rechtsförmig konkretisierte Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG Bestandteil der öffentlichen Sicherheit und diese durch eine Pflichtverletzung (mit Ablauf der Übergangsfristen) gestört ist. Auch steht die Vorschrift des § 17 Abs. 2 BlmSchG nicht im Wege. Zwar sind "technische Besonderheiten" der Anlage zu berücksichtigen, aber das geschieht, indem dem Betreiber angemessene Nachbesserungsfristen eingeräumt werden. Kommt die (mildere) Nachbesserung dagegen nicht (mehr) in Betracht, so spricht alles dafür, daß das Gesetz nicht für absoluten Bestandsschutz plädiert, sondern auf die Eigenverantwortung des Betreibers verweist, der schließlich, solange eine Ge214 Ders., aaO, § 20, Rdnr. 20, § 67, Rdnr. 23; Martens, DVBI. 1981, S. 597,608. BVerwG v. 9. 12. 1983, DVBI. 1984, S. 474,475. 215 Martens, DVBI. 1981, S. 597, 604; zu den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen gleichsinnig aaO, S. 607 und eingeschränkt (§ 17 BlmSchG) für anzeigepflichtige Anlagen aaO, S. 609. Über nicht verhaltens-, d.i. nicht betriebsbezogene Maßnahmen ist damit jeweils nichts gesagt, vgl. dens., aaO, S. 605, 607, 609. Nur letztere stellen vor das Problem der Legalisierungswirkung, vgl. auch Hermes, Wandel der Handlungsformen im öffentlichen Recht, S. 187, 202 f. und näher oben 4. Kapitel, l.l.b). Anders BVerwGE 55, 118 (122). 21 6 Martens, DVBI. 1981, S. 597,608. 217 Allgemein für eine ergänzende Anwendung des Polizei- (Ordnungs-)Rechts nach Maßgabe der "Legalisierungswirkung" BVerwGE 55, 118 (120 ff., 124). Zustimmend äußern sich Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 20, Rdnr. 14; Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I , § 20 BlmSchG, Anm. 3; ablehnend Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 450; Jarass, BlmSchG, § 20, Rdnr. 2; Kutscheidt, Grundzüge des Umweltrechts, S. 237, 279; ders ., in: Landmann/Rohmer, aaO, § 7, Rdnr. 33; l..aubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 20, Rdnr. B 4; Martens, aaO, S. 604, 606 f., 608 f.; Sellner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 439, 490a. Von den Genannten differenziert nur Martens zwischen betriebs-(anlagen-)bezogenen Pflichten und Folgenverantwortung. 218 Die immissionsschutzrechtlich zuständige Behörde kann sich, soweit man die Lückenhaftigkeit der speziellen Regelung einräumt, auf die polizeiliche Generalklausel berufen, vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 432, 439; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, Rdnr. 172, 175, 179 f. anders wohl Friauf, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn., Rdnr. 38.

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nehmigung ihn nicht absichert, seine Freiheit unter den stets veränderlichen Bedingungen des Gesetzes ausübt. Gegen diese Erwägung wird freilich gerade auf die Sondersituation der anzeigepflichtigen Anlagen verwiesen, die - insoweit den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen vergleichbar - kein "Genehmigungsverfahren mit der ihm eigenen Prüfung durchlaufen" hätten219 . Dessenungeachtet bezweckt die formelle - Freistellung genehmigungspflichtiger Anlagen durch § 67a Abs. 1 BlmSchG sicher keine materielle Begünstigung, insbesondere keine Gleichbehandlung mit den nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen220. Denn jene anzeigepflichtigen Anlagen sind- anders als die Anlagen der§§ 22 ff. BlmSchG - im Sinne des § 4 BlmschG (materiell) besonders "geeignet ..., schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen". An§ 25 Abs. 2 BlmSchG mag man also anknüpfen 221 , um angesichts erheblicher Gefahren ("erst recht") eine Verpflichtung der Behörde zu begründen ("soll"). Hiermit der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers zuwider materiell genehmigungspflichtige Anlagen vom erhöhten Anforderungsniveau der§§ 4 ff. BlmSchG auszunehmen, sie den ordnungsgemäß genehmigten Anlagen vorzuziehen und gerade im Vorsorgebereich, wo die Eingriffsermächtigung des § 25 Abs. 2 BlmSchG versagt, absolut zu privilegieren, besteht kein Grund. Im Gegenteil: Das Fehlen präventiver Kontrolle legt nicht Nachsicht, sondern eine strengere Aufsicht nahe. Sollen die materiellen Betreiberpflichten in Kraft bleiben, muß dem materiellrechtlich die Palette hoheitlicher Reaktionsmöglichkeiten in einer dem gesteigerten Gefahrenpotential angemessenen Bandbreite entsprechen. Das bedeutet, daß die Behörde, wann immer der Betreiber der anzeigepflichtigen Anlage Unverhältnismäßigkeit einwenden sollte, eine Betriebsbeschränkung verfügen kann, die ungeachtet technischer Besonderheiten, ohne Rücksicht auf den sonst mit einer Genehmigung zugestandenen Mindestumfang des Betriebs und über die Grenze des wirtschaftlich Tragbaren hinaus222 die Einhaltung der Vorsorgewerte sicherstellt. Die Frage ist nur, inwieweit diesem materiell-rechtlich fundierten öffentlichen Interesse anderweitiger Bestandsschutz entgegensteht. Die Anzeige erzeugt eine Genehmigungswirkung nicht in jeder Hinsicht223 . Treffen den Betreiber einer anzeigepflichtigen Anlage wegen der nach wie vor gültigen Gefährlichkeitsvermutung in § 4 BlmSchG spezifische Rechtspflichten, deren 219 Martens, DVBI. 1981, S. 597,608. 220 So aber Martens, aaO.

221 Bereits Martens, aaO. Vg1. ferner Jarass, BlmSchG, § 67, Rdnr. 23. BVerwG v. 9. 12. 1983, DVBI. 1984, S. 474,475. 222 Vgl. Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 16. 223 Martens, DVBI. 1981, S. 597, 608.

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Einhaltung aber nicht in einem angemessenen Kontrollverfahren überprüft worden ist, so kann er sich nicht etwa auf den "Befreiungstatbestand" des § 67a Abs. 1 BimSchG berufen, sondern muß die Bedingungen gesetzesunmittelbarer Freiheitsausübung gegen sich gelten lassen. Maßstab seines Verhaltens ist nicht eine - fiktive - immissionsschutzrechtliche Genehmigung, sondern unmittelbar das Gesetz. Da also§ 21 (Abs. 1 Nr. 3- 5) BimSchG, der das Vertrauen in die ausdrückliche immissionsschutzrechtliche Gestattung honoriert, von vorneherein nicht für den Setreiber einer anzeigepflichtigen Anlage streitet, bleibt in der Regel der baurechtliche Bestandsschutz, welcher der von der Baugenehmigung auch im Hinblick auf das übrige öffentliche Recht festgestellten Unbedenklichkeit einer bestimmten Nutzung nachfolgt. Im Kern harmonieren freilich die §§ 22 ff. BimSchG materiell schon deshalb mit dem geltenden Bauordnungsrecht, weil dieses selbst den Bestandsschutz im Interesse gefahrenabwehrender Anforderungen (an das bauliche Vorhaben) einschränkt224• 225 . Aber auch was darüber hinaus die Nutzungsuntersagung226, zumal aus baurechtlich nicht relevanten Gründen der öffentlichen Sicherheit (§§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG) angeht, muß geiten: Jede - selbst weitgehende - Betriebs- und damit Nutzungsbeschränkung, die nicht die völlige Nutzungsuntersagung bedeutet, verträgt sich mit der Baugenehmigung, weil diese ein bestimmtes Ausmaß an Nutzung nicht garantiert227 . Was aber der Rechtslage nach dem Grundgesetz entspricht, findet auch Anwendung auf die- grundsätzlich aufrechterhaltenen228 Rechtspositionen, die unter einer anderen Rechtsordnung begründet wurden und schon deshalb einen minderen Vertrauensschutz genießen. Anderes besagt auch deren gesetzgebensehe Gestaltung im Zuge der deutschen Vereinigung

224 §59 Abs. 9 LBO B.-W. lautet: Auch nach Erteilung der Baugenehmigung können Anforderungen gestellt werden, um Gefahren für Leben oder Gesundheit oder bei der Genehmigung nicht voraussehbare Gefahren oder erhebliche Nachteile oder Belästigungen von der Allgemeinheit oder den Benutzern der baulichen Anlage abzuwenden. Bei Gefahr im Verzug kann bis zur Erfüllung dieser Anforderungen die Benutzung der baulichen Anlage eingeschränkt oder untersagt werden. 225 Vgl. BVerwG, Beseht. v. 9. 3. 1988, DVBI. 1988, S. 541 f. Martens, DVBI. 1981, S. 597, 607 f. erörtert das Problem nur hinsichtlich nicht betriebsbezogener Maßnahmen. 226 Von§ 59 Abs. 9 LBO B.-W. etwa wird sie ohnehin nicht erfaßt, Arg. §59 Abs. 9 Satz 2; § 64 Satz 2 LBO B.-W. 227 BVerwGE 91, 92 (100). 228 Davon ging ersichtlich § 84 Abs. I BauO (DDR) v. 20. Juli 1990, GBI. I Nr. 50 S. 929 i.V.m. Art. 9 Abs. I Satz I EVertr aus, dem die mittlerweile getroffenen Regelungen der neuen Bundesländer im wesentlichen entsprechen: § 86 Abs. I der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) v. I. 6. 1994 (GVBI. I S. 126, ber. S. 404; § 87 Abs. I der Landesbauordnung von Mecklenburg-Vorpommem (LBauO M.-V.) v. 26. 4. 1994 (GVOBI. S. 518, ber. S. 635); § 84 Abs. I der Sächsischen Bauordnung (Sächs.BauO) in der Fassung der Bekanntmachung v. 26. 7. 1994 (GVBI. S. 1401); § 88 Abs. I der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauOLSA) v. 23. 6. 1994 (GVBI. S. 723); § 84 Abs. I der Thüringischen Bauordnung (ThürBauO) in der Fassung der Neubekanntmachung v. 3. 6. 1994 (GVBI. S. 553).

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nicht229 . Durch die Überleitungsbestimmung in § 67a Abs. 1 BlmSchG ist also die systematische Differenzierung zwischen grundsätzlich mehr und grundsätzlich weniger gefährlichen Anlagen (§§ 4 ff., 22 ff. BlmSchG) im Ergebnis nicht aufgehoben. Die anzeigepflichtigen Anlagen brauchen das aufwendige Genehmigungsverfahren nur deshalb nicht zu absolvieren, weil das Gesetz davon ausgeht, daß die Grundpflichten auch ohne dieses einzuhalten sind. Wer mehr Investitionssicherheit will, mag die Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens verlangen 230. Im übrigen verbleibt das Investitionsrisiko beim Betreiber. Daraus folgt: Weil die Behörden Sanierungsanforderungen gegenüber anzeigepflichtigen Altanlagen ohne nennenswerte Einschränkung ihrer hoheitlichen Befugnis durchzusetzen vermögen, weil also die Fristen des Sanierungskonzepts in Nr. 4.2 TA Luft- soweit sich eine _über den erforderlichen Nachrüstungszeitraum hinausführende Verhältnismäßigkeitsgrenze nicht angeben läßt - als Gewährung auf ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung beruhen, haben sämtliche Sanierungsfälle als Regelfälle zu gelten. Außerhalb dieses Konzepts findet für Altanlagen in Ermangelung bestandsgeschützter, damit kompensationsfähiger Rechtspositionen eine Kompensation nicht statt. Die (Ausnahme-) Vorschrift des § 17 Abs. 3a BlmSchG greift neben und in Ergänzung zum Sanierungskonzept der Nr. 4.2, 4.2.10 TA Luft weder unmittelbar noch entsprechend Platz. Eine Ausnahme wird man machen können und müssen: Wäre dem Betreiber mit der nachträglichen Anordnung von der Behörde rechtsfehlerhaft eine zu großzügige Frist eingeräumt worden, so erwächst ihm gegenüber einer ihm un-

229 Nach dem insoweit einschlägigen § 84 Abs. 1 BauO (DDR) konnte verlangt werden, "daß bestehende oder nach genehmigten Bauvorlagen bereits begonnene bauliche Anlagen angepaßt werden, wenn dies wegen der Sicherheit oder Gesundheit erforderlich ist". Ungeachtet dessen, daß die öffentliche Sicherheit auch nach Baurecht ganz allgemein verbietet, daß Störungen von der Anlage ausgehen (vgl. zu der dem§ 3 Abs. I Satz 1 BauO insoweit entsprechenden Vorschrift des§ 3 Abs. I Satz I LBO B.-W. Schlez, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, § 3, Rdnr. 2 ff.), sollte der den nach altem, aufgehobenem Recht der DDR genehmigten baulichen Anlagen zukommende Bestandsschutz ohne Zweifel gegenüber dem künftig (gern. § 70 Abs. 9 BauO; und dementsprechend§ 74 Abs. 10 BbgBO; § 72 Abs. 9 LBauO M.-V.; § 70 Abs. 9 Sächs.BauO; § 74 Abs. 9 BauOLSA; § 70 Abs. 9 ThürBauO) zu gewährenden deutlich reduziert werden. Letzterer Gedanke muß zumindest für Nutzungsbeschränkungen auch die sinngemäße Interpretation der bedenklich verengenden Bestimmungen des § 84 Abs. I Thür.BauO und des § 86 Abs. I BbgBO (Maßnahmen gegenüber bestehenden Anlagen nur zur Abwehr erheblicher Gefahren für Leben und Gesundheit) anleiten. Ungeachtet dessen sollte der tautologisch sich an die alte Formulierung des § 84 Abs. I BauO (DDR) anschließende Satz: "Im übrigen gilt Bestandsschutz" schnellstmöglich aus § 87 Abs. I LBauO M.-V. gestrichen werden. 230 BVerwGE 55, 118 (125); Laubinger, in: Ule/Laubinger, BimSchG, § 67a, Rdnr. C 43; Jarass, BlmSchG, § 67, Rdnr. 24, § 67a, Rdnr. 7; Martens, DVBL 1981, S. 597,608 in Fn. 139.

Fünftes Kapitel: Der gesetzliche Tatbestand der Kompensation

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günstigen Änderung aus § 48 (L)VwVfG231 eine kompensationsfähige Rechtsposition. Das sonst mit der Genehmigung zu vermutende Vertrauen fehlt allerdings, der Anlagenbetrieb ist nicht im Umfang einer bestimmten Mindestdauer geschützt. Der mit der nachträglichen Anordnung geschaffene, engere Vertrauenstatbestand verlangt aber seinerseits erst noch eine Vertrauensbetätigung. Diese- atypische- Rechtsposition hält sich damit in engen Grenzen. Sie hängt im Einzelfall ab von besonderen Vermögensdispositionen, die das Ausmaß eines allfälligen Ausgleichs bestimmen. Weil dem so ist, muß auch die Entscheidung über die Kompensation ausnahmsweise im Ermessen der Behörde verbleiben, das freilich insgesamt weiter an den Rahmen des untergesetzlich festgelegten Sanierungskonzepts, insbesondere seiner Fristen gebunden ist. Wäre also dem Betreiber bislang eine Nachbesserung innerhalb der Frist nach Nr. 4.2.4 TA Luft (30. Juni 1999) aufgegeben gewesen, während richtigerweise Nr. 4.2.3 TA Luft anzuwenden ist (30. Juni 1996)232, so kann der Betreiber, so er ins Gewicht fallende Dispositionen getroffen hat, für den Zeitraum von drei Jahren, um den seine Befugnis verkürzt wird, ein Kompensationsangebot unterbreiten. Die Behörde kann dann die nachträgliche Anordnung ab dem 30. Juni 1996 (Anfangsfrist) lediglich bedingt aussprechen, soweit im übrigen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 3a BlmSchG vorliegen. Unbedingt gilt sie nach wie vor spätestens ab dem 30. Juni 1999. c) Vergleichbarkeit der Wirkung- Ermächtigender und zwingender Charakter der Rechtsgrundlage

Auf die gesetzesunmittelbare Regelung in § 17 Abs. 3a BlmSchG kann man sich also für die Auslegung von Nr. 4.2.10 TA Luft, was deren Anwendungsbereich nach § 67a BlmSchG betrifft, insoweit schlecht berufen, als die gesamte Konstruktion eines Kompensationskonzepts für anzeigepflichtige Altanlagen eine mit dem Rechtsgedanken der Überkompensation in §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG unverträgliche Rechtswohltat darstellt. Eine Rechtswohltat freilich, die nicht dem Normgeber der TA Luft zu verdanken ist, der hiermit gegen §§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BlmSchG verstieße, sondern dem parlamentarischen Vereinigungsgesetzgeber, der von den Vorgaben des Gesetzes abweichen darf. Das heißt andererseits nicht, daß die Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 3 BlmSchG damit obsolet sind; denn dem Vereinigungsgesetzgeber sind nur solche Abwei231 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdnr. 15. Es bedarf hierbei einer förmlichen Rücknahme der nachträglichen Anordnung. § 17 BimSchG ist gegenüber den Aufhebungsregeln nur insoweit speziell, als entweder eine (ggf. ausgleichsptlichtig aufzuhebende) Genehmigung die Anordnungen der Behörde einschränkt (Abs. I, 2) oder im übrigen rechtmäßige Maßnahmen getroffen werden (Abs. 5). 232 Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. E 9.

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chungen anzurechnen, die er auch bekundet hat. Im übrigen ist nach§ 67a Abs. 3 BlmSchG davon auszugehen, daß die TA Luft als ermächtigungsbedürftige untergesetzliche Rechtsvorschrift in ihrer aktuellen gesetzeskonformen Fassung fortgeschrieben werden sollte, und es bleibt anband von § 7 Abs. 3 BlmSchG die Frage zu beantworten, wie diese (nach lokrafttreten des neuen § 7 Abs. 3 BlmSchG233 ) fortgeschriebene Fassung aussieht. Kehren wir darum zum Verhältnis von ermächtigender und ermächtigter Norm zurück, so liegt ebensogut in der Struktur einer Ermächtigungsnorm die Möglichkeit, daß sie sich vorrangig auf das "Ob" der Ermächtigung bezieht. § 7 Abs. 3 BlmSchG besagte in diesem Fall, ·daß die Regelungsbefugnis des Normgebers nur und genau insoweit eröffnet sein soll, als auch in ihrer Wirkung vergleichbare Schadstoffe zum Gegenstand von Ausgleichsmaßnahmen gemacht werden können. Beim Kriterium der Vergleichbarkeit handelte es sich aus dieser Perspektive um ein zwingend vorgegebenes Tatbestandsmerkmal jeder (als solcher in des Ermessen des Normgebers gestellten) Kompensationsregelung. Für diese Deutung spricht zum einen, daß die Vergleichbarkeit nach ihrer grammatischen Stellung in § 7 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG das zentrale (unverzichtbare) Tatbestandsmerkmal der Überkompensation näher qualifiziert ("weitergehende Minderung von Emissionen derselben oder in ihrer Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen"). Darüber hinaus fällt ins Auge, daß der Gesetzgeber nicht einfach nur eine zuvor bestehende Schranke aufgehoben und damit die untergesetzliche Regelungsmacht undefiniert freigesetzt, sondern diese Schranke verschoben und dabei positiv benannt hat. Findet der ranghöhere, zeitlich nach der Normgebung der TA Luft geäußerte Wille des Gesetzgebers nicht nur in einem Schweigen, sondern einer positiven Formulierung seinen ganz präzisen Ausdruck, so darf dieser dezidierte Gestaltungswillen nicht unter Hinweis auf eine frühere untergesetzliche Konkretisierung negiert werden. Der Wortlaut der Nr. 4.2.10 TA Luft verbietet es allerdings, den Widerspruch zur Ermächtigung einfach im Wege einer (gesetzeskonformen) teleologischen Reduktion zu beheben. Gleichwohl kann hier ausnahmsweise - selbst wenn es sich bei Nr. 4.2.10 TA Luft um einen Rechtssatz handeln sollte234 der nichtige Teil des Normbefehls ohne weiteres außer Anwendung bleiben235 und durch das gesetzliche Tatbestandsmerkmal (Vergleichbarkeit der Stoffe) ersetzt werden. Nicht nur steht dem Art. 100 Abs. I GG nicht entgegen; vor allem kommt der maßgebliche Wille des Gesetzes in seiner gegenüber dem Redaktionsstand der TA Luft aktuelleren Formulierung eindeutig zum Ausdruck. Weil daher der Vorschriftengeber der TA Luft im Zuge einer allfälligen Novel233 Der im übrigen bereits kraft Art. I § 2 Abs. 2 URG-DDR in der ehern. DDR Geltung hatte. 234 Dazu unten 8. Kapitel. 235 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdnr. 47.

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lierung gehindert wäre, am Kriterium der Wirkungsgleichheit festzuhalten und es allein gegen dasjenige der Vergleichbarkeit austauschen dürfte, kann der Fehler analog der Situation des Redaktionsversehens ohne weiteres korrigiert werden. Auch im Gebiet der neuen Bundesländer genügte und genügt folglich die Vergleichbarkeit der in der Kompensation auszugleichenden Stoffe den Tatbestandsvoraussetzungen der Kompensationsregelung. Mit anderen Worten: Hätte ein Anlagenbetreiber eine Kompensation angeboten, die einen Ausgleich zwischen in ihrer Wirkung auf die Umwelt (lediglich) vergleichbaren Stoffen vorsieht, wäre die Behörde trotz der engeren Bestimmung in Nr. 4.2.10 TA Luft ohne weiteres verpflichtet gewesen, die Abweichung der passiv beteiligten Anlage vom Vorsorgestandard zuzulassen236. Welche Wirkungen vergleichbar sind, bleibt im übrigen eine Frage der Auslegung und ist von der Behörde im Einzelfall zu entscheiden. Dagegen sind die Behörden in den neuen Bundesländern nicht nur nach§ 67a Abs. 3 BlmSchG ausdrücklich an die Fristen der TA Luft gebunden. Für den Regelfall der Vorsorgekompensation hat die TA Luft 1986 darüber hinaus mit Nr. 4.2.10 verbindliche Maßstäbe gesetzt und verlangt, daß die an der Kompensation beteiligten Anlagen mindestens eine Beurteilungsfläche gemeinsam haben oder ihre Beurteilungsgebiete sich mindestens in der Größe einer Beurteilungsfläche überschneiden. Es dürfen daher, was angesichts der zum Teil hohen Belastungen sinnvoll und vom Gesetzgeber bezweckt ist, nur i. S. von Nr. 4.2.10 Abs. 1 Satz 2 TA Luft benachbarte Anlagen einem Emissionsverbund zugehören; eine großräumige, sonst gern. § 17 Abs. 3a BlmSchG zulässige Verrechnung scheidet aus237 . Zu dieser Tendenz paßt dann, daß auch das auf der Immissionsseite etablierte absolute Verschlechterungsverbot der TA Luft zu beachten ist238. 3. Das gesetzliche Verhältnis der Einzelfallermächtigung zu künftigen Kompensationskonzepten

a) Der tatbestandliehe Vorrang des Kompensationskonzepts

Grundsätzlich bezeichnen die soeben zur sachlichen Reichweite der Ermächtigung als solcher angestellten Erwägungen auch den Spielraum künftiger Kompensationskonzepte. Das bedeutet: Auch hier trägt der Unterschied von Regelungsbefugnis und zwingend vorgegebenen Regelungsinhalten, weshalb 236 Ebenso i.E. Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 74. 237 Ebda. Losgelöst von der Gesetzeslage des§ 67a Abs. 3 BlmSchG und stattdessen mit der Förderung des Gesetzeszwecks argumentiert Koch, in: ders./Scheuing, GK-BimSchG, § 17, Rdnr. 170. 238 Jarass, aaO. Roßnagel, in: Koch!Scheuing, aaO, § 7, Rdnr. 159 ff. will dagegen offenkundig die zuletzt genannten Einschränkungen als allgemein verbindlichen Grundsatz verstanden wissen.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

das tatbestandliehe Erfordernis der Vergleichbarkeit der stofflichen Wirkung untergesetzlich nicht verschärft werden darf. Wie aber stellt sich im übrigen das Verhältnis des auf§ 7 Abs. 3 BlmSchG gestützten, im Kompensationskonzept sich konkretisierenden Regelungsermessens des Vorschriftengebers zur unmittelbar verbindlichen Einzelfallregelung in § 17 Abs. 3a BlmSchG auf Tatbestandsebene dar, wenn eine ausdrückliche Geltungsanordnung wie die des § 67a Abs. 3 BlmSchG fehlt? Der allgemeine Gleichheitssatz programmiert die Antwort auf diese Frage nur sehr unzulänglich. Allerdings ist für die Zukunft von der gesetz- d.h. regelmäßigen Möglichkeit eines Nebeneinanders von abstrakt-generellen Sanierungskonzepten und Einzelfallanordnungen nach § 17 Abs. 3a BlmschG auszugehen, wie sie bereits den obigen Überlegungen zugrundegelegt wurde. Denn die für die neuen Bundesländer getroffene Regelung, die die Kompensation von Gesetzes wegen auf anzeigepflichtige (Alt-) Anlagen beschränkt, erklärt sich aus den singulären Umständen der deutschen Vereinigung. Aus § 17 Abs. 3a BlmSchG erwachsen der untergesetzlichen Ausgestaltung eines Kompensationskonzepts aber nur insoweit - in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG - verbindliche Richtlinien, als jene Norm selbst wie etwa mit dem Tatbestandsmerkmal der Wirkungsgleichheit (§ 17 Abs. 3a Satz 3 BlmSchG) - eine abschließende und verbindliche Regelung trifft. Ansonsten hilft auch Art. 3 Abs. 1 GG erst weiter, wenn das Verhältnis der Regelungen geklärt ist. Bereits die auch im Falle des § 17 Abs. 3a BlmSchG stets gebotene Förderung des Gesetzeszwecks (Satz 1 a. E.) zeigt nach Art einer Öffnungsklausel an, daß die Einzelfallermächtigung außerhalb der eindeutig abschließenden Tatbestandsmerkmale nicht isoliert betrachtet werden kann. Sind aber die konzeptionell konkretisierende untergesetzliche und die auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene gesetzliche Ermächtigung, von hoheitlichen Maßnahmen abzusehen, als funktional aufeinander bezogene, einander korrespondierende Elemente einer einheitlichen gesetzlichen Regelung zu verstehen, so sind denkbare Anwendungsfälle möglichst einheitlich zu behandeln und läßt dieses Leitmotiv am Ende nur den tatbestandliehen Vorrang des Sanierungs- und Kompensationskonzepts gelten. Aus § 17 Abs. 3 BlmSchG läßt sich zwar der Vorrang eines solchen Konzepts- ganz ungeachtet seines normativen Charakters - nicht unmittelbar herleiten. Diese Bestimmung erklärt nur die abschließend festgelegten Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG für strikt verbindlich. Das sind, wie bereits erörtert, die gern. § 7 Abs. 1 Nr. I und 2, § 48 Nr. 2 BlmSchG vorgesehenen Emissionsbegrenzungen (" ... die nach Absatz 1 zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen festgelegten Anforderungen", die nach Absatz 2 Satz 1 ggf. nur bedingt- "inwieweit"- und nach Ablauf bestimmter Fristen eingehalten werden müssen und dann in Absatz 3 Satz 1 ausdrücklich als "Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2" apostrophiert werden), nicht die von Absatz 2 und 3 zugelassenen und neben die ursprünglichen

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Anforderungen gestellten Ausnahmen. Der sachlich-tatbestandliehe Vorrang des Kompensationskonzepts ergibt sich vielmehr aus dem Willen des Gesetzgebers, nach dem im Vorsorgebereich primär der untergesetzliche Vorschriftengeber abstrakt-generell bestimmen soll, was den Gesetzeszweck fördert. Und es ergibt sich in der Folge aus dem möglichen Sinn einer Altanlagenregelung, die nicht von abweichenden Einzelfallentscheidungen der Verwaltung konterkariert werden darf. Diese Gefahr besteht nicht, wenn das - außerhalb enger räumlicher Bezüge zwingend gebotene - Vorsorgekonzept239 kein Sanierungsund Kompensationskonzept aufweist. Dann kommt allein § 17 Abs. 3a BlmSchG (für die Widerrufs- und Rücknahmesituation analog) zum Zug. Soweit dagegen ein Sanierungs- und Kompensationskonzept vorhanden ist, bindet es im Rahmen seiner Reichweite die Verwaltung auch im Einzelfall und der sonst anstelle der Kompensationsregelung anzuwendende § 17 Abs. 3a BlmSchG wird in zweifacher Weise zurückgedrängt: Zum einen darf im Regelfall (der verhältnismäßigen Anforderung) die Kompensation nicht auf § 17 Abs. 3a BlmSchG gestützt werden. Diese Vorschrift behält dagegen ihre Bedeutung, wenn das Kompensationskonzept in den von ihm tatbestandlieh erfaßten Fällen die Rechtsfolgen unverhältnismäßiger Vorsorgeanforderungen nicht regelt. Jedoch sind dann - zum anderen - in diesem Bereich tatbestandsmäßiger Anwendung eines Sanierungskonzepts auch einer nach § 17 Abs. 3a BlmSchG erfolgenden Kompensation die vom Vorschriftengeber in zulässiger Weise- innerhalb der Ermächtigungsgrenzen - konkretisierten (ggf. engeren) Tatbestandsvoraussetzungen zugrundezulegen. Wenn nämlich der untergesetzliche Vorschriftengeber primär bestimmt, was den Gesetzeszweck fördert, so ist § 17 Abs. 3a BlmSchG "konzeptkonform" auszulegen, damit das gesetzmäßig entwickelte Konzept keine Einbußen erleidet. Steht dieser (auch) tatbestandliehe Vorrang fest, verbietet es nicht zuletzt Art. 3 Abs. I GG, die für eine Kompensation im Betracht kommenden und insoweit nach dem Gesetzeszweck vergleichbaren Sachlagen rechtlich verschieden zu behandeln und den Betreiber einer nicht nachbesserungsfähigen Anlage besser zu stellen als andere Kompensationsinteressenten. Wenn die Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmSchG eine an sich nicht vergleichbare Ausnahme von der Regel des Sanierungskonzepts formuliert, so geschieht dies gerade nur im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen, also insbesondere auf den gesetzlich zwingend festgelegten zeitlichen Rahmen der Kompensation. Die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen müssen dagegen für sämtliche denkbaren Fälle der Kompensation in gleicher Weise gelten.

239 BVerwGE 69, 37. 16 Ende";

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

b) Kompensationen im Rahmen gebietsbezogener Vorsorge als Ausnahme vom Sanierungskonzept?

Mit der gebietsbezogenen Vorsorge 240, die nicht auf abstrakt-generell festgelegte Vorsorgewerte (vgl. §§ 44, 47 Abs. 1 Satz 3 BlmSchG) angewiesen ist, sondern auf die gesetzliche Vorsorgeermächtigung in Verbindung mit Nr. 2.2.1.4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 TA Luft gestützt werden kann, erschließt sich ein weiteres Feld möglicher Kompensationen. Für dieses müßte möglicherweise das Verhältnis der beiden Ermächtigungen in §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG noch einmal neu durchdacht und von der soeben entwickelten abstrakten Vorrangregel abweichend bestimmt werden -je nachdem welche selbständige Bedeutung den örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall beizumessen ist. Freilich stellt sich das Problem überhaupt nur dann, wenn diese Normen eine Kompensationsgrundlage auch für jene gebiets- insofern einwirkungsbezogenen, jedoch gezielt unterhalb der Gefahrenschwelle ansetzenden241 und insofern von § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG legitimierten Vorsorgemaßnahmen bieten wollen. Und hier zeigt sich sehr schnell, daß der in den Kompensationsregeln der §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG besonders ausgeformte Sanierungsgedanke sich nicht bruchlos auf gebietsbezogene Ausgleichsmaßnahmen übertragen läßt, sondern auf die großräumige, an den Emissionen der einzelnen Anlage ansetzende Vorsorge beschränkt bleiben muß. Zwar spricht § 17 Abs. 3a BlmSchG nicht ausdrücklich von Emissionsgrenzwerten. Sein erklärtes Ziel ist aber die durch technische Maßnahmen herbeigeführte242 überobligationsmäßige Minderung der Emissionsfrachten, deren Nachweis- und dem korrespondiert die Regelung in§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BlmSchG mit ihrem Verweis auf § 7 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG - zwangsläufig eine anlagenorientierte Messung und Berechnung des Schadstoffausstoßes voraussetzt243 . Dagegen wird zu den von einer Anlage verursachten Einwirkungen, wie sie für die gebietsbezogene Vorsorge maßgeblich sind und grundsätzlich durch beliebige technisch erprobte, konkret geeignete und auch im übrigen verhältnismäßige 240 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 41 a.E., 50 ff., 58 a.E. und oben 3. Kapitel, 111. 2. 241 Jarass, aaO, Rdnr. 50, 58 a.E.; § 44, Rdnr. 10, § 47, Rdnr. 5. 242 Dann darf die aktiv beteiligte Anlage lediglich technische Minderungsmaßnahmen durchführen, eine -der Stillegung entsprechende- geringere Anlagenauslastung (vgl. Nr. 2.2.1.4 Abs. 2 TA Luft) ist nicht anzuerkennen, Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 4.2 TA Luft, Rdnr. 40; Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 67; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. 1, § 17 BlmSchG, Anm. 12a; Rehbinder, Neuere Entwicklungen im Imrnissionsschutzrecht, S. 129, 130; ders., Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 54; Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 7, Rdnr. 169 f. 243 Anders Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 70: Kompensation für Altanlagen unabhängig von Emissionswerten; wohl auch Koch, in: ders./Scheuing, aaO, § 17, Rdnr. 168.

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Maßnahmen reduziert werden können, gerade nichts gesagt. Ihren Grund und ihre Rechtfertigung findet diese Entscheidung des Gesetzgebers bekanntlich darin, daß, wenn nicht sämtliche von einer Anlage tatsächlich hervorgerufenen Umwelteinwirkungen ihr normativ zugerechnet werden können, deren Schädlichkeit auch nicht allein in einwirkungsbezogenen Werten ausgedrückt werden darf. Die Verrechnung von wirkungsneutral erfaßten - im konkreten Fall wirkungsunabhängigen - Schadstoffeinheiten versteht sich nicht von selbst und entspricht nicht der ihnen zugrundeliegenden Logik ungewisser Wirkungen. Die Erfüllung des gesetzlichen Vorsorgezwecks wird im Emissionsverbund konsequent mit dem ebenso von Wirkungsfaktoren losgelösten, abstrakten Verlangen nach Überkompensation gesichert244. Auf die gezielte Abwehr potentiell schädlicher und zurechenbarer Umwelteinwirkungen dagegen, der das Anliegen gebietsbezogener Vorsorge bezeichnet, erstreckt sich die Perspektive der §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG nach dem normativen Gehalt und dem Zweck dieser Normen nicht. Wenn im Bereich der gebietsbezogenen Vorsorge gleichfalls Kompensationen zwischen mehreren Anlagen durchgeführt werden sollen, müssen sie sich vielmehr tatsächlich und rechtstechnisch am Modell der Immissionskompensation orientieren; sie dürfen deshalb Neuanlagen einbeziehen. Rechtlich müssen sie unmittelbar dem Maßstab des§ 5 Abs. 1 Nr. 2 (ggf. i.V.m. § 17 Abs. 1 und 2) BimSchG genügen. Ohne weiterreichende ausdrückliche Ermächtigung etwa in einer - hier ausreichenden - Verwaltungsvorschrift nach § 48 Nr. 1 BimschG oder auch einer Rechtsverordnung245 sind sie folglich nur zulässig, wenn sie die (gesetzmäßigen) Genehmigungs- und Betriebsvoraussetzungen herstellen246. Diese können sich im Einzelfall in (gebietsbezogenen) Vorsorgeanforderungen nach Nr. 2.2.1.4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 TA Luft äußern, wobei die behördlich verlangten und die im Austausch von Setreiberseite angebotenen Maßnahmen grundsätzlich geeignet sein müßten247, eine hinlänglich quantifizierbare (be- und verrechenbare) Minderung in der Schadstoffbelastung - dabei stets unterhalb der Schädlichkeitsschwelle - zu bewirken. Im Rahmen einer eigenständigen Zielvorgabe durch Immissionsleitwerte, wie sie etwa § 47 BlmSchG voraussetzt, ist das zwangsläufig der Fall248 . So wenig sich aber diese Bedingungen räumlich definierter, konkret schädlichkeitsahwehrender Vorsorge aus§§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BimSchG ableiten lassen, vermögen sie umgekehrt die anlagenbezogene Komponente des Vorsorgeprinzips (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, "insbesondere ... ",§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BimSchG) zu beeinflussen. 244 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 73. 245 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 47, Rdnr. 5. 246 Vgl. BVerwGE 55, 250- Voerde. 247 Im einzelnen Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 20, S. 132 ff. 248 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 47, Rdnr. 5, 7, 9. 16•

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

c) Die Sicherung des konzeptionellen Vorrangs untergesetzlicher Sanierungs- und Kompensationsvorschriften Der einzelne Betreiber ist vor behördlichen Nachbesserungsverlangen, die mit dem Vorsorgezweck begründet werden, im Sanierungskonzept jedoch keinen Rückhalt finden, ausreichend geschützt. Denn neue Vorsorgeanforderungen, wenn sie nicht gerade gebietsbezogen auf eine Verbesserung der Immissionslage abzielen oder eine vorausgegangene rechtswidrige Maßnahme korrigieren und dann eigenen Rechtmäßigkeitserfordernissen genügen müssen, können - rechtsförmig konzeptgebunden -ohnehin nur auf eine allgemeine Verschärfung der Emissionsgrenzwerte hin ergehen. Wie aber wahrt ein Sanierungs- und Kompensationskonzept seinen sachlichen Vorrang gegenüber (späteren) Einzelfallanordnungen der Behörde, die dem Betreiber einen - aus der Sicht des Konzepts - unerwünschten kompensatorischen Nachlaß gewähren wollen249 ? Das Gesetz gibt eine zweifache, nur teilweise ausdrückliche Antwort. Die ausdrückliche Folgerung aus dem Bedürfnis einer normativen Absicherung bereits konkretisierter Vorsorgeanforderungen, damit mittelbar auch eines untergesetzlichen Sanierungskonzepts hat § 17 Abs. 3a Satz 2 BimSchG gezogen: Individuell verbindlichen Verpflichtungen kann sich der Betreiber der Anlage nicht mehr durch Kompensation entziehen. Daß die Anordnung vollziehbar ist, kann zwar nach § 17 Abs. 3a BimSchG ein etwa mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach§ 80 Abs. 4 VwGO gekoppeltes Kompensationsangebot des Betreibers nicht ausschließen. Früher getroffene, bestandskräftige Kompensationsanordnungen, die keine eigenständige, sondern nur eine an zusätzliche Voraussetzungen gebundene Art der nachträglichen Anordnung darstellen, werden aber wie andere Anordnungen auch vor der Gefahr überholender Vereinbarungen geschützt. Und das gilt sinngemäß nicht anders für die übrigen hoheitlichen Sicherungsmittel der Änderungsgenehmigung und des Widerrufs (oder einer Rücknahme). Eine weitere Kompensationsmöglichkeit steht denselben passiv beteiligten Anlagen nicht zu. Die (aufschiebend bedingt) angeordneten Anforderungen sind nunmehr zu beachten, andernfalls der Betrieb dieser Anlagen zu untersagen und sie schließlich stillzulegen wären. Insofern ist der Vorrang eines Sanierungskonzepts auch dann noch gewährleistet, wenn, wie es für die TA Luft hinsichtlich ihrer Anwendung in den alten Bundesländern der Fall ist, Übergangs- und Kompensationsfristen abgelaufen sind. Das andere wichtige Sicherungsmittel ist ergänzend zur zeitlich verbindlichen Abstufung der Nachbesserungsanforderungen in der Befristung der Korn249 Vgl. die Bedenken des Bundesrats in BT-Drs. 1114909, S. 30.

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pensationslaufzeiten (durch Antrags-, d.i. Ausschluß-, ggf. Anfangs-250 und insb. Endfristen) zu sehen. Das Gesetz schreibt dieses Mittel nicht vor, der Wortlaut qualifiziert es durch sein Stillschweigen vielmehr als bloße - gesetzmäßige - Möglichkeit, Kompensationen verbindlich, auch mit Wirkung für die im Einzelfall nach § 17 Abs. 3a BlmSchG vorgehende Verwaltung zu befristen. Mit Blick auf das systematische Verhältnis von Normsetzungs- und Einzelfallermächtigung erscheint es jedoch nicht nur sinnvoll, auf neue, bislang nicht beachtete Schadstoffbelastungen mit einem Vorsorgekonzept zu reagieren, das dann seine Wirksamkeit gegenüber Altanlagen zweckmäßig durch Fristenregelungen absichern wird und in diese auch Kompensationslösungen mit einbeziehen kann. Dem Gesetzgeber schien die Koppelung von Sanierungs- und Kompensationsfristen sogar zwingend geboten: Trotz der beabsichtigten Flexibilisierung, so die Begründung zum Gesetzentwurf, müßten "zukünftige Verordnungen oder- in Verbindung mit § 48 Nr. 4- allgemeine Verwaltungsvorschriften auch vorschreiben ... , innerhalb welchen Zeitraums alle in eine Kompensation einbezogene Anlagen spätestens dem Stand der Technik entsprechen müssen" 251 .

Die Regelkompensation ist demgemäß ohne weiteres unter Einhaltung der vom untergesetzlichen Vorschriftengeber bestimmten Fristen abzuwickeln. Soweit sie auf§ 17 Abs. 3a i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG (Teilkorrektur bei unverhältnismäßiger Sanierungsanforderung und geringfügiger Überschreitung) gestützt wird, hat die passiv beteiligte (begünstigte) Anlage mit Ablauf der Kompensations(end)frist einen verhältnismäßig durchsetzbaren Vorsorgestandard einzuhalten. Vor allem aber sind außerhalb der Fristen Kompensationen ausgeschlossen und dürfen wegen der im Rahmen seines tatbe250 Bezüglich der Anfangsfristen bestehen, wie dargelegt, gewisse Spielräume. 251 BT-Drs. 11/4909, S. 17. Orientierungsmaßstab soll offenkundig der Verhältnismäßigkeilsgrundsatz sein, denn die Begründung erwähnt ohne nähere Präzisierung, aaO, "die übliche Nutzungsdauer bestehender Anlagen und die voraussichtlichen Kosten ihrer Nachrüstung" und knüpft damit an §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 2 BimSchG an. In sich stimmig ist das nicht. Denn dieser Maßstab, der doch auf abstrakt-genereller Ebene nur, wie oben ausgeflihrt, Mindestrestnutzungsfristen hervorbringt, liegt ja bereits den Übergangsregelungen nach §§ 7 Abs. 2, 48 Nr. 4 BimSchG zugrunde. Wie und warum nun der Kompensation, in deren Rahmen von diesen Fristen gerade abgewichen wird (§ 7 Abs. 3 BlmSchG), aus der Anziehung desselben Grundsatzes andere abstrakt-generelle zeitliche Zeitgrenzen erwachsen sollen, ist nicht recht ersichtlich. Daß ausschließlich angesichts unverhältnismäßiger Anforderungen zu kompensieren wäre, ist weder der bisherigen (untergesetzlichen) Regelung, noch dem Textbefund oder der oben im Text zitierten Begründung der Gesetzesänderung zu entnehmen, nach der die Anforderungen nach Ablauf der Kompensationsfrist regelmäßig auch von der passiv beteiligten Anlage beachtet werden müssen. Man wird darum solche Kompensationsfristen nicht aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern aus dem Sanierungszweck zu begreifen haben: Auch und gerade wenn nur verhältnismäßige Anforderungen gestellt werden, soll für noch nicht amortisierte Anlagen ein Anreiz zu überobligationsmäßigen Minderungsleistungen geschaffen, die bestehende Übergangsfrist deshalb verlängert werden. Andererseits steht und fallt ein Sanierungskonzept mit seinen Fristen, so daß eine unbegrenzte Verlängerungsmöglichkeit zweckwidrig wäre.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

standsmäßigen Anwendungsbereichs gegebenen Verbindlichkeit des Sanierungskonzepts auch nicht nach § 17 Abs. 3a BimSchG vorgenommen werden. Anderes gilt nur für die von diesem Konzept nicht erfaßten Konstellationen insbesondere der unverhältnismäßigen Anforderungen gegenüber Anlagen, die den neuen Standard beträchtlich überschreiten(§§ 17 Abs. 3a (analog), 21 Abs. I Nr. 5 BimSchG) -soweit sie nach Ablauf der Übergangsfrist überhaupt noch Restnutzung zu gewärtigen haben. In dieser Verschiedenbehandlung liegt kein Verstoß gegen das Konzept: Die Fristen sollen nur im Regelfall der verhältnismäßigen Anforderung, in welchem die Anlage grundsätzlich weiter betrieben werden darf, gewährleisten, daß die Sanierung insgesamt nicht hinausgeschoben wird. Ist die Anlage aber ohnehin spätestens nach Ablauf der Restnutzungsdauer stillzulegen, entsteht im Rechtssinne keine Verzögerung, wenn sie bis dahin unter Kompensationsbedingungen weiter betrieben werden darf und kommt folglich den Fristen- einschließlich einer "Antragsfrist" wie der in Nr. 4.2.I Abs. I lit. b TA Luft - keine Bedeutung zu. Existiert dagegen angesichts unbedenklicher Umweltverhältnisse kein Sanierungskonzept, so findet ohne Ausnahme § I7 Abs. 3a BlmSchG - auch auf die Fälle verhältnismäßiger Sanierungsanforderungen - Anwendung. Dann scheidet eine Befristung im Einzelfall aus, weil für sie § I7 Abs. 3a BimSchG über das vom Gesetz für gravierende Überschreitungen zwingend Gebotene hinaus keine hinreichende Grundlage darstellt.

Sechstes Kapitel

Rechtscharakter und verwaltungsdogmatische Strukturen der Kompensation I. Die Kompensation als Formalisierung informellen Verwaltungshandeins 1. Rechtszwang und Freiwilligkeit als Wesensmerkmale der Kompensationsregelung

Sicherlich kann man nicht ohne weiteres behaupten, daß das gesetzliche Kompensationsmodell lediglich eine inhaltliche Modifikation des gesetzlichen Genehmigungsverfahrens bedeute252 . Richtig an dieser Aussage ist, daß, wie wir bislang gesehen haben, die Kompensation ein zusätzliches Moment der Flexibilisierung in das Instrumentarium des Umweltschutzes trägt, ohne dessen ordnungsrechtlichen Charakter zu verändern253 . Die Rechtsform der Kompen252 So aber Kloepf'er, Unternehmung und ökonomische Umwelt, S. 241,251 und im Anschluß an ihn Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 83. 253 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 74 f.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und-strukturder Kompensation

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sation muß folglich in das gestufte Eingriffssystem des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eingefügt werden und insbesondere den gebundenen Genehmigungsanspruch des Betreibers (§§ 6 Nr. 1, 5 BimSchG) im Auge behalten. Der eingangs zitierte Hinweis auf das Genehmigungsverfahren beschreibt demgegenüber bereits den hoheitlichen Rahmen der Flexibilisierung unzulänglich: Als Bestandteil des Genehmigungs- oder Änderungsgenehmigungsverfahrens und damit auch des Betreiberanspruchs auf die gebundene Verwaltungsentscheidung kann die Kompensation nur im Immissionsbereich verstanden werden (Nr. 2.2.1.1 lit. b TA Luft und die hierauf bezogenen Vorschriften in Nr. 2.2.1.21it. b, 2.2.3.2 Satz 1 TA Luft). Daß sich die Kompensationsbedingungen als Zulassungsbedingungen zumeist gerade in Nebenbestimmungen zur (Änderungs-)Genehmigung niederschlagen, bezeichnet dabei einen mehr äußerlichen Umstand. Sie sind nämlich auch außerhalb eines Genehmigungsverfahrens auf sanierungsbedürftige Altanlagen anzuwenden und mit der nachträglichen Anordnung zu sichern (Nr. 4.1.2 TA Luft; § 36 Abs. 2 VwVfG). Von maßgeblicher Bedeutung aber ist ihr Rechtsgrund, das einwirkungsbezogene Schutzprinzip. In dessen Geltungsbereich gewährleistet die Kompensation, daß eine Anlage unmittelbar die allgemeinen (konkretisierten oder modifizierten) gesetzlichen Betriebs-Voraussetzungen erfüllt. Der einzelne macht folglich seinen "Kompensationsanspruch" in Ausübung gerade seines gesetzlichen Rechts auf Errichtung und Betrieb einer Anlage nach § 4 BimSchG geltend (§ 6 BimSchG). Besondere Regelungen berühren nicht diesen notwendigen und inneren Zusammenhang. Sie sind zudem nur geboten, wo der Normgeber Ausnahmen vom Schädlichkeits-Standard beabsichtigt und auf Gesetzesebene auch erst dann, wenn der Umfang der Ausnahme den gesetzlichen Status der Rechte und Pflichten berührt. Die geschilderten Wesensmerkmale vermögen demgegenüber die Kompensation im Bereich des anlagebezogenen Vorsorgegrundsatzes gerade nicht zutreffend zu charakterisieren. Daß sie sich nur ausnahmsweise (im Fall des § 17 Abs. 4 BimSchG) in Nebenbestimmungen zur Änderungsgenehmigung auswirkt, hängt freilich mit ihrer gesetzlichen Beschränkung auf Altanlagen zusammen. Darüber hinaus verkürzt aber die auf das Genehmigungsverfahren eingeengte Perspektive den Erklärungsansatz um einen zweifachen Aspekt: Das Genehmigungsverfahren ist im Kern, sieht man vom Sonderfall der kleinräumigen Vorsorge ab, nach§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 3 BimSchG anlagenbezogen und durch einen- dem Tatbestand, nicht der Motivation nachwirkungsneutralen, nicht folgenorientierten Technikstandard geprägt. Jede Anlage ist danach für sich zu betrachten. Eine Kompensation kann in dem so umschriebenen, von anlagenbezogenen Vorsorgestandards beherrschten Vorsorgehereich nur als Ausnahme von der Regel konstruiert werden, die zweierlei impliziert: Um Emissionsbeiträge mehrerer Anlagen im Emissionsverbund ver-

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

rechnen zu können, ist die angegebene, auf die einzelne Anlage zugeschnittene gesetzliche Definition partiell zu erweitern, und d.h. es sind, solange man nicht das Grundprinzip aufgeben will, Abweichungen zuzulassen. Insoweit muß das Verbot- in Gestalt der vom Gesetz vorausgesetzten Verbindlichkeit des Vorsorgestandards - aufgehoben werden. Der Gesetzgeber hat dies mit §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BimSchG getan und eine Ausnahme vom anlagenbezogenen Rechtszwang vorgesehen. Die Rechtsstellung des Betreibers ergibt sich demgemäß aus den zusätzlichen Bedingungen dieser Vorschriften und nicht aus §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG. Diese zusätzlichen Bedingungen wiederum spiegeln die Gründe des Umweltschutzes wider, die das gesetzgeberische Motiv für die Ausnahme bilden: Werden keine über die bereits gesetzlich geschuldeten (durchsetzbaren) Emissionsminderungen hinausreichenden Vorsorgeerfolge erzielt, besteht kein öffentliches Interesse an einer Einschränkung der individuell anlagenbezogenen Betrachtungsweise. Der Ausnahme vom Zwangsstatus auf Seiten des Gesetzes entspricht die ausnahmsweise Bereitschaft zu überobligationsmäßigen Minderungsleistungen auf Betreiberseite. Deshalb wurde oben von einem zweiten Vorsorgestandard gesprochen. Die mit der Vorsorgekompensation angestrebte Flexibilisierung und Förderung des Umweltschutzes trägt also der besonderen Interessenlage Rechnung, indem sie Entstehen und Fortdauer des Ausnahmezustands einer Abweichung vom gesetzlichen Status - insoweit informal - an die freie Entscheidung der betroffenen Anlagenbetreiber bindet (vgl. oben). In der Freiwilligkeit manifestiert und erhält sich zugleich die rechtliche Sondersituation. Sie steht und fällt mit dem Willen der Betreiber. Das bedeutet: Als invitatio ad offerendum, die nur gewisse Rahmenbedingungen vorgibt, verlangt die Kompensationsregelung ein detailliertes Angebot des Betreibers der passiv beteiligten Anlage, das mit der Vorlage eines Sanierungsplans erfolgt und nicht zuletzt, auch dies ist von der Behörde nicht oktroyierbar, einen leistungswilligen Kompensationspartner benennen muß. Kommt die Vereinbarung zustande, was aufgrund des für die Behörde bestehenden "Kontrahierungszwangs" bei Vorliegen der Ausnahmebedingungen stets der Fall ist ("soll"), wird sie aber privaterseits nicht eingehalten, so gelten lediglich wieder die allgemeinen Vorsorgeanforderungen. Die Genehmigung, d.h. die Befugnis, die Anlage ohne weiteren Erlaubnisakt ungeachtet des Verstoßes gegen die Ausnahmebedingungen weiter zu betreiben, wird hiervon in aller Regel gerade nicht berührt254 . Nur die darüber hinausreichende Vergünstigung fällt zugleich mit der Gegenleistung automatisch weg, und der Betreiber ist wieder mit den allgemeinen Nachteilen belastet. Es ist 254 Sofern nicht besondere Bedingungen, nämlich Unverhältnismäßigkeil der Anforderungen und beträchtliche Überschreitung hinzutreten, Widerruf nach §§ 17 Abs. 3a analog, 21 Abs. I Nr. 5 BlmSchG. Daher ist die Rede von der "Kompensationsgenehmigung" bei Roßnaxel, in: Koch/ Scheuing, GK-BimSchG, § 7, Rdnr. 152, irreführend und wenig hilfreich.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -struktur der Kompensation

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also nicht allein die Kompensationsvereinbarung mit Zwang nicht zu erreichen. Das könnte man ebensogut von der Anlagengenehmigung sagen. Auch die Einhaltung der Kompensationsvereinbarung als solcher läßt sich nicht unmittelbar erzwingen. Hierin liegt ein wesensmäßiger Unterschied zur Verpflichtungsstruktur des Genehmigungsverfahrens. 2. Die Kompensation(svereinbarung) als Zweck und Mittel gesetzlichen Umweltschutzes

Rechtszwang und Freiwilligkeit werden demnach vom Gesetz in einer Weise verknüpft, die uns die Kompensation sowohl als Zweck wie als Mittel darstellt. Zweck ist sie insofern, als sie erst durch informale Wirkungsmechanismen herbeigeführt werden muß. Die Möglichkeit der (ausnahmsweisen) Abweichung vom Zwangsstatus des Gesetzes ist demnach nicht nur rechtslogische Voraussetzung der Verrechnung von Emissionen zwischen mehreren Anlagen, sie schafft - als Mittel - für den Betreiber der passiv beteiligten Anlage den Anreiz, eine Kompensationsvereinbarung anzustreben, einen Handel einzugehen255. Erst die mit der Ausnahme vom Zwangsstatus ausdrücklich verbundene und von ihr bedingte Verrechnungsmöglichkeit macht freilich die Emissionen bzw. Emissionsberechtigungen verkehrsfähig und verleiht ihnen einen Marktwert, soweit innovationsbereite Betreiber für die angebotenen Minderungsmaßnahmen Gegenleistungen erwarten können. Bezogen auf die Ausnahme vom Verbot erscheint somit die Verrechnungsmöglichkeit ihrerseits als Zweck, bezogen auf die Kompensation ist sie gleichfalls nur Mittel. Zusammenfassend läßt sich der vom Gesetz zusätzlich - teils gegenüber dem Staat, teils zwischen den Betreibern - eröffnete Raum der Freiheitsbetätigung als Mittel zum (Gesetzes-)Zweck der Kompensation bezeichnen. Die Kompensation erweist sich auf der anderen Seite wiederum nicht als Selbst- oder Endzweck, sondern als Mittelzweck. Denn das eigentlich vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Ziel liegt in der sog. "Überkompensation", die sich aus der nicht-einwirkungsbezogenen Sicht des Gesetzes und der abstrakt definierten Gefährlichkeit der Emissionen rechtfertigt. Die Verordnungsermächtigung des § 7 BlmSchG läßt in der Stufenfolge ihrer Absätze die Zuordnung dieses Kompensationszwecks deutlich erkennen und auch § 17 Abs. 3a BlmSchG fügt sich - weniger deutlich - mit seinen Sätzen 2 und 4 wie bereits dargelegt in das Bild: Die Kompensation nach den §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG dient über die Bedingung überobligationsmäßiger Emissionsminderungen, dem (Teil-)Zweck der Kompensation, unmittelbar dem Zweck der Sa255 Vgl. BR-Drs. 34911/85, Nr. 87.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

nierung von Altanlagen im Vorsorgebereich256 . Insgesamt erweist sie sich aus der Sicht des Gesetzes als ein besonderes, auf den Gegenstandsbereich der Altanlagen beschränktes Mittel zur Verwirklichung des in § 1 BlmSchG postulierten, in § 5 Abs. 1 Nr. 2 mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 und insb. 2 BimSchG (anlagenbezogen) konkretisierten Zwecks der Vorsorge, "dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen". 3. Die Kompensation als speziell geregeltes Austauschmittel

Als Mittel zur Vorsorge hat demnach das Gesetz die Kompensation ausgestaltet. Mittel ist sie aber auch für den Bürger, nämlich für den Anlagenbetreiber, der in der Lage ist, einen Sanierungsplan vorzuschlagen. Ihm dient die gesetzlich vorgesehene Kompensationsmöglichkeit als speziell geregeltes Austauschmittez257, das er als gleich geeignet anbieten kann, um der zwangsweisen Durchsetzung des allgemeinen Vorsorgestandards zu entgehen. Wiederum bedarf es dabei einer Abgrenzung zur Rechtslage unter dem einwirkungsbezogenen Schutzprinzip nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG. Insoweit verlangt bereits die gesetzlich umschriebene Rechtsstellung des Betreibers, daß gegebenenfalls Immissionsminderungsbeiträge dritter Anlagen berücksichtigt werden258 . Besondere (Sanierungs)Zwecke erfordern zwar eine nähere abstrakt-generelle Regelung. Diese betrifft aber stets - gleichgültig ob in Ausübung untergesetzlicher Konkretisierungsbefugnis oder einer Modifikation des gesetzlichen Schädlichkeils und Schutzstandards - den ursprünglichen Genehmigungsanspruch in seinen allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen. Im Grundsatz gilt: Die Kompensation im Immissionsbereich stellt ein mit dem gesetzlichen Genehmigungsanspruch des Betreibers gegenüber der Behörde durchsetzbare Rechtsposition dar. Welche Verpflichtungen er privatrechtlich eingehen muß, ist zunächst gleichgültig. Für den betroffenen Betreiber bedeutet es jedenfalls einen geringeren (milderen) hoheitlichen Eingriff, wenn die (einwirkungsbezogenen) Voraussetzungen der Genehmigung seiner Anlage ganz oder zum Teil durch Maßnahmen an anderen Anlagen sichergestellt werden können. Dasselbe kann nun nach dem bislang Gesagten von der gesetzlichen Vorsorgekompensationnicht behauptet werden, da ihre Regelung in den §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BimSchG eine außerhalb des eigentlichen Genehmigungsanspruchs stehende Rechtsstellung des Betreibers begründet. Die freiwillig getroffene Kompensationsvereinbarung begünstigt zwar im Ergebnis den Betrei256 Eine völlig umweltneutrale Emissionsverrechnung brächte keine oder bestenfalls äußerst mittelbare Vorteile für den Umweltschutz. 257 Schröder, UPR 1986, S. 127, 129; vgl. auch Send/er. WiVerw 1993, S. 235,281. 258 BVerwGE 55, 250- Voerde.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -Struktur der Kompensation

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ber der passiv beteiligten Anlage von hoher Hand, erfüllt aber nicht als milderes Mittel unmittelbar die allgemeinen Genehmigungsvoraussetzungen, die vielmehr "eigentlich" unverändert fortbestehen. Ihre Einhaltung wird einesteils aufschiebend bedingt und damit hinausgeschoben. Andernteils wird an Stelle der gesetzlichen (auf die einzelne Anlage bezogenen) Genehmigungsvoraussetzungen ein über sie hinausreichender Zweck ("Überkompensation") statuiert. Diese besonderen Umstände hindem indessen nicht, die Vorsorgekompensation als Austauschmittel zu qualifizieren. Diese klassische Figur des Polizeirechts ist nämlich nicht einfach Derivat des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Stufe der Erforderlichkeit259. Vielmehr hebt sie auf die sachgerechte Aufgabenerfüllung ab, gibt aber im übrigen typischerweise subjektiv motivierten Prioritäten des Betroffenen Raum, der durchaus eine objektiv schärfer eingreifende Maßnahme als günstiger empfinden mag260 (vgl. § 41 Abs. 2 PrPVG; § 3 Abs 2 ME PolG). Das ist genau die Konstellation der erörterten Kompensationsregelung: Sie aktiviert, ohne insoweit zusätzlichen Zwang auszuüben, private Rentabilitätserwägungen, welche die an sich (objektiv) über das Niveau des Gesetzes hinausgehenden Belastungen vorzugswürdig erscheinen lassen. Nur reicht hier der "alte polizeirechtliche Grundsatz" 261 zur Rechtfertigung eines Austauschs der Mittel nicht aus. Vorsorgemaßnahmen anderer Anlagen stellen nämlich nach§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 3, 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BlmSchG zunächst kein gesetzlich anerkanntes, also auch kein geeignetes Mittel dar. Diese Anerkennung mußte der Gesetzgeber erst in der Ausnahmeregelung der §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG aussprechen. Zum vollwertigen Austauschmittel, auf das der Betreiber einen wirklichen Rechtsanspruch hat, was schließlich den Anreizcharakter der Kompensation ausmacht, wird dabei die Kompensation durch das "Sollen" der Behörde, Nr. 4.2.10 TA Luft,§ 17 Abs. 3a BlmSchG. Durch diese positive Festlegung des Gesetzgebers erübrigt sich zunächst auch die Frage, ob es sich bei der Kompensation, obwohl sie aus den erläuterten Gründen eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel statuiert. in einer weiteren Perspektive vielleicht doch um einen - wenn auch milderen Eingriff in die Freiheit des in der Kompensation begünstigten Betreibers han-

259 Zu diesem Aspekt bereits W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 88, 209 f., 228, 289 ff., 294 f.; ders., Verwaltungsrecht, S. 239 bei Fn. 8; ferner Forsthoff, Festschrift 45. DJT, S. 41, 53. 260 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 249; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 257. Vogel, in: Drews!Wacke/Vogei/Martens, Gefahrenabwehr, S. 426,428 f. Die Differenz der Erklärungsansätze reduziert sich, wenn man eingedenk der Unterscheidung nach Ziel und Mittel die Verpflichtung des Betroffenen zur Herbeiführung dnes bestimmten Erfolgs bei freier Wahl der Mittel für den eigentlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsakts erklärt, vgl. W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 228. 261 Forsthoff, Festschrift 45. DJT, S. 41, 53.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

delt262 , auf den er aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einen Anspruch hat. Ohne daß es auf diesen Umstand ankäme, darf die Behörde, wenn die Bedingungen des Tatbestands erfüllt sind, den mit Vorlage eines Sanierungsplans ausdrücklich oder konkludent vorgebrachten Antrag auf Kompensation im Regelfall nicht zurückweisen.

II. Der Anspruch "auf" Kompensation 1. Der Anspruch auf Kompensation als Genehmigungsanspruch im Geltungsbereich des Schutzprinzips

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Betreiber, ebenso wie er einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hat, wenn die Gesamtbelastung im Beurteilungs gebiet die Schädlichkeitswerte nicht Überschreitet, auch einen Anspruch auf Erteilung einer entsprechend (aufschiebend oder auflösend) bedingten (Änderungs-)Genehmigung geltend machen kann, wenn diese Bedingung die Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellt. Dieser Anspruch auf Erlaß des bedingten, jedoch gebundenen Verwaltungsaktes folgt, ungeachtet der Tatsache, daß den verfassungsrechtlichen Hintergrund der allgemeine gesetzliche Freiheitsstatus des Betreibers bildet, nicht mit anderen als gesetz- und verfassungsmäßigen Nachteilen belastet zu werden263, als subjektives öffentliches Recht unmittelbar aus§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. I Nr. 1, 12 Abs. 1 BlmSchG in Verbindung entweder mit der untergesetzlichen Konkretisierung oder aber - für die neuen Bundesländer - § 67a Abs. 2 BlmSchG. Indem damit untergesetzlich (konkretisierend) oder auf Gesetzesebene (modifizierend) die Genehmigungsvoraussetzungen definiert werden, werden auch jene (Sanierungs-)Bedingungen klargestellt, die die Anlage genehmigungsfähig machen: Im Falle der Nr. 2.2.1.1 lit. b bb) TA Luft die auflösende, im Falle des § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG die aufschiebende (Vorbelastung!) Bedingung rechtzeitiger und ausreichender Sanierungsmaßnahmen264. Auch gegenüber nachträglichen Anordnungen kann derBetreiberauf diese Weise dem schärferen Eingriff entgehen, wenn er, allerdings diesmal in Gestalt eines Abwehr-, d.i. Eingriffsunterlassungsanspruchs, eine Kompensation vorschlägt, die sich dann in einer lediglich aufschiebend bedingten nachträglichen Anordnung niederschlägt (Nr. 4.1.2 TA Luft, § 36 Abs. 2 VwVfG). Der materiell-rechtliche Umfang dieses Anspruchs deckt sich aber mit dem Anspruch auf Genehmigung.

262 So etwa Kloepfer, Unternehmung und ökonomische Umwelt, S. 241,248 f., 250. 263 BVerfGE 9, 83 (88); 19, 198 (215). 264 § 67a Abs. 2 Nr. I ermächtigt dagegen zu einer Prognoseentscheidung, die nicht durch Bedingung zu sichern ist.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -struktur der Kompensation

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2. Der Anspruch auf Kompensation als Abwehranspruch im Bereich anlagenbezogener Vorsorge

a) Der Gegenstand des Kompensationsanspruchs

Wie verhält es sich nun mit dem verschiedentlich so bezeichneten "Anspruch auf Kompensation"? Daß ein solcher Anspruch existiert, unterliegt keinem Zweifel. Denn die Pflicht der Behörde, Kompensationsmaßnahmen den Vorzug vor hoheitlichem Zwang einzuräumen, hat der Gesetzgeber sicherlich auch im Interesse des Anlagenbetreibers statuiert265 . Zugunsten des Betreibers soll von den allgemeinen Vorsorgeanforderungen ausnahmsweise abgewichen werden. Das besagt nicht nur der Wortlaut der gesetzlichen und untergesetzlichen Kompensationsregelung, es entspricht auch ihrem oben entwickelten Sinn und Zweck: Der geht gerade darauf, dem vorsorgepflichtigen Anlagenbetreiber -auch wenn dessen private wirtschaftliche Belange sich zum Zweck des Umweltschutzes lediglich als Mittel-Zweck verhalten- subjektiv einen Anreiz zu vermitteln, die für die Vorsorgesituation günstige, im öffentlichen Interesse liegende Vereinbarung zustande zu bringen. Zugleich kann damit dieser Anspruch nicht aus dem allgemeinen Status gesetzlichen und verhältnismäßigen Zwangs konstruiert werden. Er ist kraft der gesetzlichen Ausnahmeregelung in §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG außerhalb dieses Status, einerseits unter Befreiung von den Grenzen des gesetzlichen Zulassungsanspruchs und andererseits unter Einbeziehung gewisser Elemente der Freiwilligkeit verankert und als selbständiges subjektives öffentliches Recht aufzufassen. Dabei kann der Gegenstand dieses Rechts, "die Kompensation" nicht als einheitlicher Verwaltungsakt verstanden werden, etwa als eine Art Ausnahmeerlaubnis, die auf Antrag von der Behörde erteilt würde. Vielmehr zerfällt die Kompensation in verschiedene Elemente: ihre (teils unmittelbar begrifflichen, teils außerbegrifflichen) gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, das Absehen der Behörde von an sich zulässigen hoheitlichen Maßnahmen, die Sicherung der stattdessen getroffenen Kompensationsvereinbarung durch Verwaltungsakt Auf welches der Elemente bezieht sich nun der Anspruch des Betreibers? Die Tatbestandsvoraussetzungen sind lediglich als Voraussetzungen der behördlichen Entscheidung im Sanierungsplan darzulegen. Dieser verkörpert zwar einen Antrag; unmittelbar auf den Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts ist er indessen nicht gerichtet. Die Anordnung wiederum, die den Bestand der Kompensationsvereinbarung sichern soll, bleibt trotz allem eine belastende Maßnahme (nachträgliche Anordnung oder Widerruf). Es ist aber auch 265 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rdnr. 2, 8.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

keine darüber hinaus für sich bestehende Leistung der Behörde in Sicht, die dann Gegenstand eines allgerneinen Leistungsanspruchs würde. Die überobligationsmäßige Minderungsleistung, die der Betreiber der aktiv beteiligten Anlage zu erbringen sich bereit erklärt, ist jedenfalls nicht der Behörde zuzurechnen; sie steht in synallagrnatischer, privatrechtlicher Verbindung mit einer Gegenleistung des Betreibers der passiv beteiligten Anlage. Die Leistung der Behörde beschränkt sich demnach aus Sicht des Betreibers darauf, daß sie von hoheitlichen Zwangsmaßnahmen absieht. Erst dieses Element macht die Kompensation als Verknüpfung von (privatnützigen) Mittelzwecken mit dem gesetzlichen Endzweck der Vorsorge zu einem besonders geregelten AustauschmitteL Und hierauf richtet sich folglich der mit dem Sanierungsplan vorgebrachte Antrag: In ihm ist das Angebot des Austauschmittels zu sehen, aufgrund dessen die Behörde von hoheitlichen Vorsorgemaßnahmen Abstand zu nehmen gehalten ist. b) Der Kompensationsanspruch als Abwehranspruch Dem Inhalt nach wird also dem betroffenen Bürger ein subjektives öffentliches Recht gegenüber der Behörde gewährt, das von ihr "vorgeschlagene"266 Eingriffsmittel gegen ein anderes, gleich wirksames austauschen zu dürfen. Ob ein Mittel als gleich wirksam angesehen werden kann, ist außerhalb der unmittelbaren Geltung des Verhältnisrnäßigkeitsgrundsatzes eine Frage der gesetzlichen Definition und vorn Gesetzgeber für die Kompensation in §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BirnSchG grundsätzlich positiv entschieden. Der Charakter des Austauschanspruchs indessen wird von der besonderen gesetzlichen Definition nicht berührt: Der Betreiber soll - durch das Angebot geeigneter Maßnahmen an anderen Anlagen, ggf. auch Dritter - den nach den allgerneinen Bestimmungen zulässigen Eingriff abwenden können. Damit zielt der Anspruch als EiDgriffsabwehranspruch auschließlich auf Unterlassung. 3. Die Möglichkeit untergesetzlicher Ausgestaltung des Kompensationsanspruchs

a) Behördliches Ermessen und Anspruch auf Kompensation Der Anspruch "auf' Kompensation ist sowohl im Gesetz als auch untergesetzlich geregelt, gleichgültig, ob dies in Ausfüllung des Genehmigungsanspruchs oder neben diesem geschieht. Welcher Spielraum dabei dem unterge266 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 249.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -Struktur der Kompensation

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setzliehen Vorschriftengeber von Gesetzes wegen zur Verfügung steht, wurde für den Immissionsbereich bereits ausgeführt: Er deckt sich mit dem vom Gesetz im Begriff der schädlichen Uwelteinwirkungen umschriebenen Konkretisierungsrahmen. Im Vorsorgebereich stellt sich die Rechtslage komplizierter dar. Hier fragt sich, ob der untergesetzliche Normgeber aufgrund der Ermächtigung in § 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BlmSchG auch eine andere als die "soll"-Regelung treffen und einen Anspruch des Setreibers zugunsten behördlichen Ermessens ausschließen dürfte. Die Ermächtigung überläßt jedenfalls die Einführung einer untergesetzlichen Kompensationsregelung ganz dem Normgeber, zwingt ihn keinesfalls, sich dieses speziellen Vorsorge-Instruments zu bedienen. Da allgemein im Vorsorgebereich die Entscheidungsbefugnisse der Behörden vom Gesetz großzügiger bemessen sind (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BlmSchG), scheint es, als könne der Normgeber, wenn er eine untergesetzliche Kompensationsmöglichkeit vorsieht, über die Gewährung eines Kompensationsanspruchs frei befinden. Sinn und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung deuten in eine andere Richtung. Danach genügt eine Kompensationsregelung dem sie legitimierenden Zweck, freiwillige Vermeidungsleistungen zu fördern, nur dann in vollem Umfang, wenn sie für den potentiellen Adressaten einen hinreichend starken Anreiz verkörpert. Das ist, was schon bei der Abfassung von Nr. 4.2.1 0 TA Luft Jetztlieh den Ausschlag gab267 , nur der Fall, wenn dem Betreiber als Interessenten eine Rechtsposition in Aussicht gestellt wird, die den Vorrang der freiwilligen vor der behördlich auferlegten Leistung sichert. Angesichts der relativ strengen Rahmenbedingungen wird er sich sonst nicht der Mühe unterziehen, zusätzliche Anstrengungen auf sich zu nehmen, insb. auch - ggf. mit Dritten vorab einen Sanierungsplan auszuarbeiten. Auch künftige untergesetzliche Regelungen müßten also, dem gesetzlichen Auftrag entsprechend, ein subjektives öffentliches Recht auf Kompensation gewähren. Das gilt seit der Dritten Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht zuletzt mit Rücksicht auf § 17 Abs. 3a BlmSchG. Ein Grund, gerade den Ausnahmefällen insofern eine bevorzugte Behandlung zuteil werden zu Jassen und nur ihnen einen gesetzlichen Anspruch auf Kompensation einzuräumen, ist nicht ersichtlich. Der Betreiber hätte also, soweit eine untergesetzliche Norm die Möglichkeit der Kompensation überhaupt vorsieht, stets auch einen gesetzlichen, aus §§ 7 Abs. 3, 17 Abs.

267 BR-Drs. 349/l/85, Nr. 87.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

3a BlmSchG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden (Abwehr-)Anspruch auf Kompensation268 . b) Die Kompetenz der Verwaltung zur abstrakt-generellen Verkürzung des Kompensationsanspruchs

Damit ist nicht zugleich die Frage verneint, ob die Verwaltung auch abstrakt-generell mit Wirkung für alle Regelfälle verhältnismäßiger Anforderungen den Umfang des Kompensationsanspruchs durch eine Befristung verkürzen darf. Auf der Ebene der Begrenzung des Kompensationszeitraums kollidieren Mittel-Zweck der (Freiwilligkeit voraussetzenden) Kompensation und Endzweck der Vorsorge. Ein eindeutiger Vorrang ist nicht auszumachen. Einerseits gehört, wie wir gesehen haben, die Befristung zum Wesen eines jeden Sanierungskonzepts, auch soweit es Kompensationsregelungen einschließt. Die Befristung sichert nicht nur allgemein eine zügige Sanierung, sie verhindert mit Blick auf die Kompensation, daß die Lebensdauer von Altanlagen, auch wenn diese die verschärften Vorsorgeanforderungen nur geringfügig überschreiten, übermäßig verlängert und dadurch die erwünschte Überkompensation gefährdet wird. Gleichzeitig reduziert die Befristung den Umfang des Kompensationsanspruchs und damit das Interesse an der Kompensation, bis hin zu einem Punkt, an dem die Kompensationsregelung ihren Sinn verliert und gegen den gesetzlichen Auftrag verstößt, sie zweckentsprechend auszugestalten. Gleichwohl lassen sich nur vage Richtlinien formulieren. Sicherlich muß nach unten - die Kompensationsfrist über allfällige Übergangsfristen hinausreichen. Sie muß sich andererseits - nach oben - an der Restnutzungsdauer solcher Anlagen orientieren, die die erforderlichen Nachbesserungen (noch) erbringen können. Über sie sollte wegen der oben erläuterten, beim unbefristeten Aufschub einer verhältnismäßigen nachträglichen Anordnung stets auftretenden Beweisprobleme nicht hinausgegangen werden. Wo der Normgeber abstrakt-generell die Grenze ziehen will, bleibt trotzdem sehr weitgehend ihm überlassen. Die Acht-Jahresfrist der Nr. 4.2.1 0 TA Luft liegt jedenfalls innerhalb des Spektrums. Kann aber gegebenenfalls der Anlagenbetreiber einen unmittelbar gesetzlichen Anspruch auf ausreichende, also nicht zu knappe Bemessung der Kompensationsfrist gegen den Normgeber geltend machen? Das Gesetz verlangt vom Normgeber, wenn der sich zur Einführung einer Kompensationsmöglichkeit entschließt, daß er zum einen der unverzichtbaren Bedingung der Über268 Anders und unzutreffend Roßnage/, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 7, Rdnr. 151 : behördliches Ermessen.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -Struktur der Kompensation

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kompensation Rechnung trägt. Die Freiwilligkeit der Kompensationsvereinbarung - als Mittelzweck - gebietet darüber hinaus eine subjektiv-rechtliche Ausgestaltung, ohne welche die funktionale Ausrichtung auf den Gesetzeszweck leerliefe. Der objektiv-rechtlichen Regelung soll eine subjektiv-rechtliche Ausgestaltung entsprechen. Wie aber im einzelnen die objektiv-rechtliche Regelung aussieht, welchen genauen Umfang die Ausnahme vom gesetzlichen Standard aufweist, die dann die objektive Verpflichtung der Behörde und das korrespondierende subjektive Recht des Anlagenbetreibers bestimmt, ist dem Normgeber subjektiv-rechtlich unüberprüfbar anheimgestellt. Nur daß ihm überhaupt ein Recht eingeräumt wird, kann der Anlagenbetreiber verlangen, nicht dagegen einen bestimmten Umfang dieses Rechts. Gerade hier hilft ihm auch Art. 3 Abs. I GG nicht.

m.

Die Rechtsschutzmöglichkeiten des kompensationswilligen Anlagenbetreibers 1. Der Rechtsschutz des Belreibers in Belastungsgebieten

a) Der Anspruch auf Genehmigung Mit der allgemeinen und selbstverständlichen Erwägung, daß der Anlagenbetreiber ihn belastende behördliche Maßnahmen anfechten könne269 , ist es nicht getan. Vielmehr muß von den durchaus verschiedenen Situationen in den Regelungsbereichen des Schutz- und Vorsorgegebots ausgegangen werden. Derjenige, der in einem Belastungsgebiet die Genehmigung oder auch Änderungsgenehmigung einer Anlage erreichen möchte und eine Kompensation anbietet, kann die Genehmigung, wenn die Behörde sie nur unbedingt oder unter einer - aus der Sicht des Betreibers - nachteiligen Bedingung erteilen will, nicht anfechten 270. Denn es handelt sich insgesamt um einen begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. § 48 Abs. I Satz 2 VwVfG), der mit der Verpflichtungsklage zu erstreben ist(§ 42 Abs. 1 VwGO). DerBetreiber muß sich darum regelmäßig des prozessualen Mittels der Verpflichtungsklage bedienen. Anderes könnte allenfalls gelten, wenn die ausgesprochene Nebenbestimmung als zu weitreichend erscheint, weil sie Sanierungsmaßnahmen an Drittanlagen fordert, die über das zum Schutz der Nachbarschaft oder Allgemeinheit Gebotene hinausgehen. Eine isolierte Anfechtung solcher Nebenbestimmungen wird man indessen auch dann nur in Betracht ziehen können, wenn die fragliche Nebenbestimmung sich ihrerseits als teilbar erweist und folglich auch teilweise aufge269 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 83. 270 So allerdings Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I,§ 12 BlmSchG, Anm. 7. 17 Enders

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

hoben werden könnte271 . Eine völlige Beseitigung der Bedingung entspräche nämlich in der hier zugrundezulegenden Situation, in der die Kompensation Belastungswerte garantieren oder verbessern soll, um dem gesetzlichen Schutzgebot Rechnung zu tragen, weder dem Interesse des Betreibers noch dem der Allgemeinheit272 : Der Betreiber will in jedem Fall eine Genehmigung, auf die er bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch einen Anspruch hat. Mit einer Aufhebung der Nebenbestimmung, die das weitere Vorgehen der Behörde überläßt und damit möglicherweise zum Wegfall des Haupverwaltungsakts führt273, ist ihm nicht gedient. Umgekehrt darf die Behörde die Genehmigung nur erteilen, wenn sichergestellt ist, daß im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten können. Eine Genehmigung ohne die Bedingung entsprechender Sanierungsmaßnahmen an Drittanlagen wäre aber in Belastungsgebieten rechtswidrig (§§ 12 Abs. 1, 6, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG). Die Behörde wird darum tunliehst den Vollzug der Genehmigung an die Bestandskraft der gesamten Regelung, also des Hauptverwaltungsaktes einschließlich der Nebenbestimmungen knüpfen. Zerschlägt das Gericht diese Einheit, würde es nicht nur einen so nicht gewollten Hauptverwaltungsakt zur Vollgenehmigung verselbständigen. Die Behörde wäre darüber hinaus gezwungen, diese - rechtswidrige - Genehmigung aufzuheben, da sie infolge der insoweit abschließenden Regelung des § 12 BlmSchG nach Genehmigungsetteilung Nebenbestimmungen nicht mehr erlassen darf, eine nachträgliche Anordnung aber mangels Änderung der Sachlage (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG) ebenfalls auscheidet. Mit § 113 Abs. I VwGO ist dies alles nicht zu vereinbaren. Somit bleibt es in aller Regel bei der Verpflichtungsklage274. Mit ihr macht der Betreiber seinen gesetzlichen Anspruch auf die Genehmigung geltend, die zu verweigern unverhältnismäßig wäre, solange den einwirkungs- (nicht anlagen-)bezogen definierten Anforderungen des Schutzgebots (§§ 6, 5 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 2, 12 Abs. 1 BlmSchG) durch Nebenbestimmungen Rechnung getragen werden kann. b) Der Rechtsschutz gegenüber Gefahrenanordnungen

Anders, wenn die Behörde eine Gefahrenanordnung erlassen will: Hier muß der Betreiber, wenn er mit seinem Angebot des Austauschmittels der Kompensation kein Gehör findet und die Behörde eine entsprechende Bedingung verweigert, die nachträgliche Anordnung, nachdem er Widerspruch eingelegt hat, 271 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12, Rdnr. 25. 272 Allgemein anders ders., aaO, Rdnr. 27. 273 AaO. 274 1. E. auch Jarass, BlmSchG, § 12, Rdnr. 25.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -struktur der Kompensation

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anfechten (§ 42 Abs. 1 VwGO). Seinen rechtlichen Grund findet freilich auch dieser Anspruch im Recht des Betreibers, in seiner Freiheitsbetätigung nur durch gesetzlich definierte, verhältnismäßige Ausübungsbedingungen beschränkt zu werden. Denn die Definition dieser Ausübungsbedingungen in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG schlägt nicht nur auf die Genehmigungserteilung durch (§ 6 Nr. 1 BlmSchG), sondern bestimmt den Status des Betreibers auch während des weiteren Betriebs der genehmigten Anlage (§ 17 BlmSchG). Dieser auf dem verfassungsrechtlichen Gebot verhältnismäßiger Eingriffe fußende Status, verbietet auch, wo eine bedingte nachträgliche Anordnung ausreicht, die unbedingte nachträgliche Anordnung als unverhältnismäßiges Mittel. Er verleiht dem Betreiber einen mit der Anfechtungsklage geltend zu machenden Abwehr- oder Unterlassungsanspruch (§ 17 Abs. 2 BlmSchG): Sind die Kompensationsvoraussetzungen erfüllt, können die Schutzanforderungen folglich mithilfe von Maßnahmen an anderen Anlagen eingehalten werden, ist die unbedingte Anordnung aufzuheben und durch eine (aufschiebend) bedingte zu ersetzen275. 2. Der rechtliche Schutz des Kompensationsanspruchs im Bereich anlagenbezogener Vorsorge

Nach den bisherigen Darlegungen versteht sich die für die Durchsetzung des Kompensationsanspruchs im Bereich der anlagenbezogenen Vorsorge gegebene Rechtsschutzform von selbst: Als Eingriffsabwehranspruch ist er- nach erfolglosem Widerspruch - mit der Anfechtungsklage geltend zu machen. Denn das Begehren des Anlagenbelreibers richtet sich auch hier darauf, daß die Behörde die an sich vorgesehene, unbedingte Maßnahme, die nachträgliche Anordnung oder auch den Widerruf unterläßt und eine für den Betreiber weni275 Im Hinblick auf Kompensationsangebote des Setreibers kommt darüber hinaus die Aussetzung einer nach§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO besonders angeordneten sofortigen Vollziehung durch die Behörde (§ 80 Abs. 4 VwGO) oder die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht (§ 80 Abs. 5 VwGO) jedenfalls bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens und Prüfung des Kompensationsangebots in Betracht, bevor die nachträgliche Anordnung vollstreckt oder der Anlagenbetrieb teilweise untersagt (§ 20 Abs. 1 BlmSchG) werden kann. Für die Durchsetzung des nach allgemeinem Polizeirecht anerkannten Angebots des Austauschmittels hält Vogel, in: Drews/WackeNogeVMartens, Gefahrenabwehr, S. 430, im Falle der Weigerung der Behörde nur die Verpflichtungsklage für gegeben, zustimmend etwa VGH Mannheim, VBlBW 1995, S. 144, 147. Das kann jedenfalls bis zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht richtig sein. Die von Vogel, aaO, für seine Auffassung angeführte PrOVGE 85, 283 (284 f.) betrifft einen anderen Fall: die rechtliche Behandlung einer späteren Änderung der Sachlage, die heute im Anspruch auf Wiederaufgreifen (§§51, 48, 49 VwVfG) ihre Lösung findet. Wird dagegen das Angebot des Austauschmittels gesetzlich an den Ablauf der Klagefrist gebunden, ist das einesteils eine materiellrechtliche Regelung des für die rechtliche Entscheidung maßgebenden Zeitpunkts, die andererseits prozessuale Auswirkungen zeitigt. Nur im letzteren Sinne, nämlich als Frage des einheitlichen Anfechtungs(!)verfahrens, versteht die von Vogel, aaO, gleichfalls genannte PrOVGE 97, 131 (132 f.) hingegen diese Bindung an die Klagefrist. Vgl. im übrigen sogleich im Text. 17•

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

ger einschneidende bedingte Regelung des Einzelfalls trifft. Lehnt nun die Behörde den im Rahmen der Anhörung nach§ 28 VwVfG oder später im Verlauf des Widerspruchsverfahrens unterbreiteten Vorschlag des Betreibers ab und hält an der Maßnahme fest, so kann der Betreiber die unbedingte Ausgangsverfügung (in Gestalt des Widerspruchsbescheids) anfechten. Seine Anfechtungsklage hat Erfolg (§ 113 Abs. 1 VwGO), wenn die Verfügung in dieser unbedingten Form rechtswidrig ist, weil nach der Feststellung des Gerichts die (unter-)gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Kompensation erfüllt sind. Denn damit ist, von Ausnahmesituationen abgesehen ("soll"), immer zugleich der Unterlassungsanspruch aus §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BimSchG verletzt. Die Anlage kann dann - u.U. befristet- zu den bisherigen Konditionen weiter betrieben werden, was einen wirtschaftlichen Vorteil bedeutet, wenn die Einsparungen die (privatrechtliche) Leistungsverpflichtung gegenüber dem Betreiber der aktiv beteiligten Anlage aufwiegen. 3. Der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt

a) Der Anspruch auf (Änderungs- )Genehmigung in Belastungsgebieten

Wird ein Genehmigungsantrag unter Hinweis auf die Immissionsbelastung zurückgewiesen, sei es daß bereits die Vorbelastung die vorgeschriebenen Immissionswerte überschreitet, sei es daß diese jedenfalls unter Berücksichtigung der Zusatzbelastung überschritten werden, räumt ein Kompensationsangebot des Antragstellers dieses Hemmnis aufgrund der einwirkungsbezogenen Struktur des Schutzgebots aus dem Weg, soweit die Kompensationsmaßnahmen die immissionsschutzrechtlich gebotenen Verhältnisse herstellen. Verweigert die Behörde diesem Angebot gleichwohl die Anerkennung und weist den Genehmigungsantrag zurück, so kann zwar der Betreiber sein Begehren mit der Verpflichtungsklage verfolgen. Erhält er aber auch dann Recht, wenn er sein Angebot überhaupt erst während des Verwaltungsgerichtsprozesses vorbringt? Nach den allgemeinen Regeln ist in der Situation der Verpflichtungsklage die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung maßgeblich, soweit nicht das materielle Recht Abweichungen gebietet276 . Solche Abweichungen macht das Immissionsschutzrecht nicht erforderlich. Vielmehr hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung immer dann und nur dann, wenn sämtliche (formellen und materiellen) Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. Solange also die Genehmigung noch nicht bestandskräftig erteilt ist, muß er nachteilige Veränderungen ohne Rücksicht auf Bestandsschutzgesichtspunkte gegen sich gelten 276 Vgl. BVerwGE 78, 243 (244); 82,260 (261). Kopp, VwGO, § 113, Rdnr. 95.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -Struktur der Kompensation

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lassen (vgl. auch §§ 17, 21 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BlmSchG). Sind umgekehrt seine Rechtsmittel gegen die ablehnende Entscheidung der Behörde noch nicht endgültig gescheitert, kann er sich auf Veränderungen berufen, die zur Genehmigungsfähigkeit der Anlage führen 277 . Auch das Kompensationsangebot bezeichnet in diesem Sinne eine Änderung der Sachlage, die noch im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz geltend gemacht werden kann, weil sie die anspruchsbegründenden Genehmigungsvoraussetzungen herstellt. Das Gericht verpflichtet also die Behörde, die (bedingte) Genehmigung zu erteilen, bzw., wenn die Sache noch nicht spruchreif ist, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden(§ 113 Abs. 5 VwG0)278 .

b) Die Gefahrenanordnung Ob die Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts, hier der nachträglichen Anordnung, Erfolg hat, hängt zwar grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, im Zweifel des Widerspruchs ab279 . Maßgeblich ist freilich auch hier die materielle Rechtslage280. Treten nun nach Abschluß des Widerspruchsverfahrens durch ein Kompensationsangebot neue Umstände ein, die den Erlaß einer unbedingten nachträglichen Anordnung verbieten würden, so hilft die Überlegung, daß der Betreiber sie im Anfechtungsprozeß geltend machen könne, soweit ihm ein verfahrensrechtlicher Anspruch aus §51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zustehe281 , zunächst nur bedingt weiter. Denn diese Vorschrift bezieht sich auf unanfechtbare Verwaltungsakte, sagt also gerade nichts darüber, ob der Betreiber seine bereits erfolgte Anfechtung nachträglich auf neu aufgetretene Tatsachen stützen kann. Fest steht nur, daß die Behörde eine rechtswidrig gewordene nachträgliche Anordnung nach§ 49 Abs. 1 VwVfG aufheben muß282 . Diese objektiv-rechtliche Verpflichtung ergibt sich aus materiellem Recht: Der Betreiber hat einen verfassungsrechtlich fundierten Anspruch darauf, die Anlage dann und stets dann betreiben zu dürfen, wenn die in § 5 Abs. 1 BlmSchG gesetzmä277 Jarass, BimSchG, § 6, Rdnr. 33. 278 Die einstweilige Erteilung einer - möglicherweise rechtswidrigen - Genehmigung nach § 123 Abs. I Satz 2 VwGO scheidet regelmäßig aus, schon wegen des Verbots einer (teilweisen) Vorwegnahme der Hauptsache. 279 Vgl. etwa BVerwGE 78, 243 (244); 82, 260 (261); Kopp, VwGO, § 113, Rdnr. 23. Für das Immissionsschutzrechtlarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 50; Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. I, § 17 BimSchG, Anm. 21. 280 BVerwGE 78, 243 (244); BVerwG, Beschl. vom 23. II. 1990, GewArch 1991, S. 110, !II. 281 Jarass, BlmSchG, § 17, Rdnr. 50; Vallendar, in: Fe1dhaus, BimSehR Bd. I , § 17 BimSchG, Anm. 21. 282 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § II, Rdnr. 52.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

ßig umschriebenen Voraussetzungen gegeben sind. Darüber, d.h. über den gesetzlichen Schutzzweck hinausgehende Belastungen wären unnötig und braucht er sich nicht gefallen zu lassen283 . Sobald folglich die Verbotsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, lebt der Anspruch wieder auf. Im selben Umfang reduziert sich dann das Widerrufsermessen der Behörde zur Widerrufspflicht, § 49 Abs. I VwVfG. Ein entsprechendes subjektives öffentliches Recht des Betreibers kann man nun interpretativ aus der Norm des §51 Abs. I Nr. I VwVfG gewinnen, die dieses freilich zunächst ausdrücklich auf unanfechtbare Verwaltungsakte beschränkt. Ein bereits angefochtener Verwaltungsakt ist im strengen Sinne nicht unanfechtbar, weil Widerspruch und Klage den Eintritt der Unanfechtbarkeit gerade verhindern. Auch hier gilt aber, legt man den Zeitpunkt der Behördenentscheidung zugrunde, daß der Verwaltungsakt später (im Gerichtsverfahren) in einem sachlich weiterreichenden Umfang nicht (mehr) angefochten werden kann, die Anfechtung insoweit durch die Sach- und Rechtslage der letzten Behördenentscheidung beschränkt bleibt. Die verfassungsrechtlich gebotene weitere Auslegung ist aber nicht nur mit dem möglichen Wortsinn zu vereinbaren, sie geht auch mit dem Zweck der Vorschrift konform, die sicher den Adressaten des rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakts nicht auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit verweisen will, sondern ihm vor diesem Zeitpunkt erst recht einen Anspruch auf Wiederaufgreifen und Aufhebung einräumt (vgl. §51 Abs. 3 VwVfG). Ob man den Aufhebungsanspruch selbst hierbei unmittelbar aus dem materiellen Recht oder über eine Ermessensreduktion aus § 49 Abs. I VwVfG herleitet284 , ist im übrigen gleichgültig. Letzteren Weg muß gehen, wer§ 51 Abs. I Nr. I VwVfG wegen seines engeren Wortlauts für definitiv unanwendbar halten sollte. §51 Abs. 5 VwVfG verweist aber für diesen Fall auf§ 49 Abs. I VwVfG, und das Ergebnis bleibt dasselbe. Jedenfalls obliegt der Behörde die objektive Widerrufspflicht gerade für solche Fälle auch im verfassungsrechtlich bewehrten Interesse des Betreibers, das es gebietet, ihm einen Aufhebungsanspruch im einfachen Recht einzuräumen. Damit verlagert sich gleichwohl der für die Entscheidung maßgebliche Zeitpunkt im Falle der nachträglichen Anordnung nicht ohne weiteres auf die letzte gerichtliche Tatsacheninstanz. Aus dem materiellen Recht folgt lediglich der zum Vorgehen der Behörde gegenläufige Entscheidungs- und Aufhebungsanspruch des Betreibers, der an sich mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen wäre. Die Gesichtspunkte des effektiven Rechtsschutzes und der Prozeßökonomie gebieten es aber, der Anfechtungsklage - allerdings nur mit Wirkung ex nunc - stattzugeben, wenn der Betreiber eine ihm günstige Veränderung der 283 Vgl. BVerfGE 17, 306 (313 f.). 284 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § II, Rdnr. 61.

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -struktur der Kompensation

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Sach- und Rechtslage geltend macht, indem er ein Kompensationsangebot unterbreitet. Denn die Behörde muß auf ein solches Angebot eingehen und im Ergebnis die unbedingte nachträgliche Anordnung zugunsten einer bedingten (teilweise) aufheben285. Damit wird im Rahmen der gerichtlichen Tatsacheninstanz zeitlich versetzt diejenige Entscheidung getroffen, die die Behörde sonst zuvor bereits hätte treffen müssen, hätte ihr der Anlagenbetreiber das Austauschmittel angeboten, die Immissionen im vorgeschriebenen Umfang vermittels einer Kompensation zu reduzieren. Das bedeutet, daß etwa die vom Normgeber vorgesehene Sanierungs(höchst)frist der Nr. 2.2.1.1 lit. b bb) TA Luft schlichtweg von diesem späteren Zeitpunkt an zu laufen beginnt und in eine aufschiebende Bedingung zur Gefahrenanordnung eingeht. Einen Zeitgewinn erzielt der Betreiber aber nur, soweit angesichts geringfügiger Zusatzbelastung Widerspruch und Anfechtungsklage meist aufschiebende Wirkung entfalten werden. Für die Sondersituation des § 67 Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG hat der Gesetzgeber dagegen - in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG (und 4.1.2 TA Luft) - eine ersichtlich andere Wertung getroffen: Die Überschreitung der Immissionswerte in Belastungsgebieten ist hiernach, wie die Bezugnahme auf die "Vorbelastung" deutlich macht, erst zulässig, wenn - das bestimmt dann eine auflösende Bedingung - die Kompensationsmaßnahmen an den Drittanlagen durchgeführt wurden. Dem Anlagenbetreiber darf also nicht mehr als die gerade dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Nachrüstungsfrist eingeräumt werden. Daraus folgt auch, daß im Interesse des Antragstellers und Betreibers die zumeist anzuordnende sofortige Vollziehung darüber hinaus nur auszusetzen bzw. die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nur wiederherzustellen ist, wenn die Sanierungsmaßnahmen an anderen Anlagen eine vernachlässigbare zeitliche Verzögerung mit sich bringen und insoweit aus der sofortigen Vollziehung unverhältnismäßige Nachteile entstünden. Erfolgt dagegen das Sanierungsangebot überhaupt erst im Laufe des Anfechtungsprozesses, bleibt es im Zweifelsfall wegen der ex-nunc-Wirkung der stattgebenden Entscheidung bei der Vollstreckbarkeit der nunmehr auflösend bedingten nachträglichen Anordnung bzw. bei der auf sie gestützten teilweisen Untersagung (§ 20 Abs. 1 BimSchG).

285 BVerwGE 59, 5 (7 f.); Maurer, aaO, Rdnr. 52. Für das Immissionsschutzrecht Jarass, BlmSchG, § 6, Rdnr. 46, § 17, Rdnr. 50; Vallendar, in: Feldhaus, BimSehR Bd. 1, § 17 BlmSchG, Anm. 21.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

c) Vorsorgeanordnung und Widerruf Auch im Vorsorgebereich vermittelt, wenn auch außerhalb des ursprünglichen gesetzlichen Zulassungsanspruchs, die Kompensationsregelung ein subjektives öffentliches Abwehrrecht auf Unterlassung nachträglicher Anordnungen oder sonstiger belastender Hoheitsmaßnahmen, die der Durchsetzung der Vorsorgepflicht dienen. Der Anlagenbetreiber kann dieses Recht auch noch im Verlauf des Vorverfahrens geltend machen, indem er einen Sanierungsplan vorlegt. Jedoch ist hier gleichfalls zu überlegen, ob es beim Entscheidungszeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sein Bewenden hat oder ob der Betreiber auch noch während des Gerichtsverfahrens einen Sanierungsplan unterbreiten kann, der dann als Änderung der Sachlage - ex nunc - zum Erfolg der Klage führt. Freilich kann weder in unmittelbarer noch entsprechender Anwendung § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zugunsten des Anlagenbetreibers angezogen werden: Er stellt aus Sicht des Gesetzes keinen Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsaktes. Vielmehr sieht umgekehrt die Behörde aufgrund des Sanierungsplans vom Erlaß des belastenden Verwaltungsaktes ab, der als solcher nicht existent wird. Die bedingte Anordnung (oder den bedingten Widerruf) dagegen versteht das Gesetz als Sicherungsmittel, auf welches sich der "Antrag" des Betreibers ebensowenig bezieht. Und schließlich erweisen sich nachträgliche Anordnung oder Widerruf nicht als ursprünglich rechtswidrig, wenn der Betreiber doch noch einen Sanierungsplan präsentiert. Der Sanierungsplan verändert die Sachlage in einer Weise, daß sie den gesetzlichen Voraussetzungen des in §§ 7 Abs. 3 (in Verbindung mit der untergesetzlichen Normierung) und 17 Abs. 3a BimSchG speziell geregelten Austauschmittels der Kompensation genügt. Auch hier kommt demnach, so scheint es, obwohl an sich der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgeblich ist, eine lediglich zeitlich versetzte (teilweise) Aufhebung der bereits erlassenen, im Widerrufsbescheid bestätigten nachträglichen Anordnung durch das Verwaltungsgericht in Betracht. Indessen wäre damit die materielle Rechtslage, d.h. die normative Eigenart der vom Gesetzgeber im Interesse des Umweltschutzes geschaffenen Kompensationsmöglichkeit, nicht ausreichend berücksichtigt. Ergibt sich die Kompensationsmöglichkeit aus einem Sanierungskonzept, das auf der Ermächtigung in §§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BlmSchG beruht, so wird sie meist wie in Nr. 4.2.1 Abs. 1 lit. b TA Luft an bestimmte (Ausschluß-) Fristen gebunden sein. Diese dienen der BündeJung und zeitlichen Begrenzung der Sanierungsvorhaben und verhindern, daß unter dem Deckmantel von Kompensationserwägungen, die sich schließlich als fruchtlos erweisen, Emissionsberechtigungen entgegen dem Vorsorgegrundsatz aufrechterhalten werden. Zu diesem Zweck knüpfen sie sinnvollerweise das Kompensationsangebot zeitlich an den Termin der an sich vorgesehenen nachträglichen Anordnung (vgl. Nr. 4.2.1 Abs. 1 lit. b und 4.2.2 TA Luft), der eine

Sechstes Kapitel: Rechtscharakter und -Struktur der Kompensation

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Anhörung vorausgeht(§ 28 Abs. 1 VwVfG)286, in deren Zusammenhang auch Kompensationsmöglichkeiten zu erörtern sind. Ist eine Anhörung unterblieben oder mangelt es an einem (hinlänglich präzisen, den Anforderungen entsprechenden) Sanierungsplan, so gewährt zusätzlichen Spielraum ein sich anschließendes Widerspruchsverfahren, in dem der Verfahrensfehler geheilt werden (§ 45 Abs. I Nr. 3, Abs. 2 VwVfG) und derBetreibereinen Vorschlag unterbreiten oder seinen unzureichenden Vorschlag präzisieren kann. Die Gerichte sind aber im übrigen an die abstrakt-generell vorgegebenen Kompensationsfristen gebunden, weil und sofern sie unverzichtbarer Bestandteil des materiellrechtlichen Gesamtkonzepts sind (dazu näher unten). Handelt es sich dagegen nicht um einen Regel-, sondern einen vom Sanierungs- und Kompensationskonzept nicht erfaßten Ausnahmefall, gilt die Vorschrift des § 17 Abs. 3a BlmSchG. Diese schreibt aber ihrerseits materiellrechtlich und damit für den Entscheidungszeitpunkt maßgeblich vor, daß die Behörde nur aufgrundeines vom Betreiber "vorgelegten"(!) Plans von hoheitlichen Maßnahmen absehen soll. Über die Bindung der Behörde räumt damit das Gesetz dem Anlagenbetreiber, um den Vorsorgestandard durch freiwillige Beiträge anzuheben, zwar einen Anspruch ein ("soll"). Die Bindung der Behörde besteht aber von vornherein nur unter besonderen, sich mit obigen Erwägungen treffenden und den materiellen Anspruch beschränkenden Bedingungen: Keinesfalls sollen überfällige Vorsorgemaßnahmen hinausgezögert werden. Ist deshalb die unbedingte nachträgliche Vorsorgeanordnung (oder der Widerruf) bezogen auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu Recht ausgesprochen worden, weil ein Sanierungsplan fehlte, keine überobligationsmäßigen Minderungen versprach oder keine substantiierten Angaben enthielt - darüber zu befinden, obliegt dem Gericht -, so wäre eine Anfechtungsklage trotz veränderter Sachlage abzuweisen. Nur wenn das Sanierungskonzept - was nicht naheliegt - auf Fristen verzichten sollte, könnte man eine aufgrund eines neuen Sanierungsangebots stattgebende (aufhebende) Entscheidung des Gerichts zumindest für die Fälle in Betracht ziehen, in denen die Emissionsgrenzwerte nur geringfügig überschritten werden. Denn Kompensationsfristen sind dann nicht zu beachten, und dem Erfordernis einer Förderung des Gesetzeszwecks in § 17 Abs. 3a Satz I a.E. BlmSchG kommt kein eigenständiger rechtlicher Gehalt zu 287 . Das gilt aber nicht für die Fälle der gravierenden Überschreitung. Ein späterer Entscheidungszeitpunkt erfordert hier - gemessen an 286 Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 41. 287 Anders müssen dies zwangsläufig diejenigen sehen, die - wie etwa Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 57 f. - in der Förderungsklausel ein echtes "Optimierungsgebot" erkennen, das der Behörde eine gerichtlich nur begrenzt überprüfbare Abwägungsentscheidung überträgt. Dasselbe gilt auch, wenn eine atypische Situation gegeben und dadurch der Behörde Ermessen eröffnet ist. Dann entspricht die Rechtslage der in und im Text bei Fn. 36 beschriebenen.

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Zweiter Teil: Die Kompensation im Bereich der Luftreinhaltung

den materiell-rechtlichen Kriterien - eine neue, sachlich andere Einzelfallregelung, die der Bedeutung der sich stets verkürzenden Restnutzungsdauer in Gestalt einer Befristung Rechnung trägt. Diese hat die Behörde zu treffen; sie ist vom Gericht nur zu überprüfen288.

288 Es bleibt insoweit beim Antrag nach§ 51 Abs. 1 Nr. I VwVfG und einer sich nach erfolglosem Widerspruch anschließenden Verpflichtungsklage. Hat der ggf. bereits während des laufenden Anfechtungsverfahrens zu stellende Antrag (§ 51 Abs. 3 VwVfG) Erfolg, empfiehlt es sich, den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt zu erklären und das Verfahren (analog § 92 Abs. 2 VwGO) einzustellen. Die Kosten des Rechtsstreits hat dann immer der Anlagenbetreiber als Kläger zu tragen(§§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO).- Unabhängig hiervon liegt freilich im Vorsorgebereich, sollte die behördliche Maßnahme für sofort vollziehbar erklärt worden sein, bei Ankündigung eines Sanierungsplans die Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO) bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 80 Abs. 5 VwGO) bis zur Entscheidung über den Widerspruch nahe.

Dritter Teil

Die rechtliche Zulässigkeit von Kompensationsregelungen

Siebtes Kapitel

Der rechtliche Schutz von Drittinteressen I. Rechte Dritter als Grenze von Kompensationsregelungen 1. Zur verfassungsrechtlichen Basis des Drittschutzes im Immissionsschutzrecht

a) Schutznormtheorie und Schutzpflichtlehre

Ob Dritte sich gegen Kompensationsvereinbarungen rechtlich zur Wehr setzen können, hängt davon ab, wie weit allgemein die Möglichkeiten des Drittschutzes in diesem Bereich reichen. Diese Frage nach dem Drittschutz im Immissionsschutzrecht scheint inzwischen eindeutig beantwortet: Während das Schutzprinzip des§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG nachbarschützend wirkt1, kommt, was spätestens seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. 5. 1982 nahezu unumstritten feststeht, dem Vorsorgegrundsatz nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG kein nachbarschützender Gehalt zu2. Konkretisierungen des Schutzprinzips können also grundsätzlich im Rahmen von Abwehrmaßnahmen gegen störende Anlagen (inzident) überprüft werden, während die Normsetzung zu Zwecken der anlagenbezogenen Vorsorge im Emissionsbereich, einschließlich der auf diese zugeschnittenen Kompensationsregeln, für Dritte auch im Ergebnis keine Rechtsfolgen erzeugt. Diese Differenzierung folgt der oben beschriebenen Einsicht, daß der rechtlich mögliche Schutz umgrenzter Rechtsgüter vor zurechenbar verursachten Gefahren nach der Entscheidung des Gesetzes abschließend durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG geregelt ist. Allein die kleinräumige Vorsorge ist hiervon unter sehr engen Voraussetzungen ausgenommen. Dagegen stößt die anlagenbezogene Vorsorge ihrem Zweck nach in einen Bereich vor, in dem nicht konkreten Betroffenheiten individuelle RechtspositioI BVerwGE 55, 250; BVerwG v. 22. 10. 1982, NJW 1983, S. 1507 f.; Seltner, lmmissionsschutzrecht, Rdnr. 56 (m. Nw.) 2 BVerwGE 65, 313 (320). Vgl. statt vieler Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 98 f.; Kloepjer, Umweltrecht, § 7, Rdnr. 179; Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439; Seltner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 61.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

nen entsprechen, sondern das Allgemeininteresse an der Minderung des Restrisikos bestimmend ist. Und dieses Allgemeininteresse kann nicht von einzelnen Bürgern geltend gemacht werden. Eine mögliche Kritik dieses Standpunkts3 fließt heute in erster Linie aus der verfassungsrechtlichen Perspektive der Schutzpflicht4. Sie trifft seine rechtsdogmatische Grundlage, die Schutznormtheorie5, nach der anband und im Rahmen des (einfachen) Gesetzes durch Auslegung zu entwickeln ist, ob dem einzelnen ein subjektives öffentliches Recht zur Seite steht, das "die dem einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene Rechtsmacht (bezeichnet), vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten zu verlangen"6. Außerhalb des von der allgemeinen rechtsstaatliehen Freiheitsvermutung7 durch Art. 2 Abs. 1 mit Art. 1 Abs. 3 GG subjektiv-abwehrrechtlich unterfangenen Bereichs des Staat-Bürger-Verhältnisses sind dadurch individuelle Abwehransprüche in die Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers gestellt. Ist also nach dem Willen des Gesetzgebers, (d. h. nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck) dem Vorsorgeprinzip ein (nur) objektivrechtlicher Charakter verliehen, kann die Berufung auf Vorsorgeanforderungen nach der Schutznormtheorie eine Nachbarklage nicht tragen. Anders möglicherweise, wenn man den ausreichenden Schutz gerade auch vor Drittbeeinträchtigungen und alle hierzu gebotenen Vorkehrungen jedenfalls dem Grunde nach dem Gesetzgeber im Rahmen grundrechlieber Schutzpflichten und nach Maßgabe einer einzelfallbezogenen lnteressengewichtung8 durch die Verfassung auferlegt sieht9. Zwar Jassen sich deswegen die Luftverunreinigungen im Vorsorgebereich noch immer nicht als Immission konkreten Emittenten zuordnen, so daß ohne weiteres Abwehrmaßnahmen im hergebrachten Sinne Platz greifen könnten. Obwohl sich aber nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz als Gegenstand der Abwehr und damit eines möglichen Abwehranspruchs die schädlichen Umwelteinwirkungen (Immissionen) nahelegen (§ 3 Abs. 1 und 2 BlmSchG), während ja die rechtsgutsneutralen Emissionen nur von Anlagen "ausgehen" (§ 3 Abs. 3 BlmSchG), braucht man nun auf dem Hintergrund der staatlichen Schutzverpflichtung für die Frage nach rechtsrelevanten "Beein3 Vor allem Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 282 ff.; im einzelnen auch Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439 ff. 4 Zur Problemstellung Steinberg, NJW 1984, S. 457, 458; Ladeur, UPR 1992, S. 81, 84. 5 Hierzu in der Sache Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rdnr. 8 f. Für das Immissionsschutzrecht Nachweise bei Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 106, 354; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 349 in Fn. 56. 6 So Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rdnr. 2. 7 BVerfGE 17, 306 (313 f.) . 8 Näher Enders, AöR 115 (1990), S. 610,628 ff. 9 Zusammenfassend zur Schutzpflicht lsensee, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111; E. Klein, NJW 1989, S. 1633 ff.; H.H. Klein, DVBI. 1994, S. 489 ff. BVerfGE 88,203.

Siebtes Kapitel: Der rechtliche Schutz von Drittinteressen

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trächtigungen" und deren individueller Zumutbarkeit keineswegs mehr mit dieser gesetzlich definierten Unterscheidung Vorlieb zu nehmen. Denn die sachlich weit verstandene Schutzverpflichtung des Staates wird nicht allein durch offen zutage liegende Verletzungsvorgänge ausgelöst. Auch allfälligen Gefährdungen und Risiken muß der Staat optimal steuem 10. An den Grenzen der (vorbeugenden) Gefahrenabwehr darf er nicht halt machen, das insoweit verbleibende Restrisiko ist daher nicht das letzte Wort. Läßt das vorhandene positive Recht den gezielten Schutzeingriff nicht zu, weil eine Norm bislang überhaupt fehlt oder - wie § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG - nicht vollziehbar ist, so müssen die fehlenden Voraussetzungen geschaffen werden. Entsprechend dem an das Ausmaß des jeweiligen Risikos (als der grundrechtsverbotenen Beeinträchtigung) gebundenen, gesetzesunabhängigen Drittschutzauftrag könnte das gebotene Mittel nach dieser Auffassung gerade auch in angemessenen abstrakt-generellen Maßnahmen auf der Ebene unterhalb des Gesetzes, etwa in einer das Vorsorge-Niveau festsetzenden bzw. verschärfenden Normgebung im Emissionsbereich liegen. Ein individueller Anspruch auf Normgebung mag freilich angesichtsdes sachlich und räumlich weiten Regelungsbereichs von Vorsorgeanforderungen nach wie vor in Zweifel gezogen werden. Fest steht indessen, daß ein solcher Anspruch nicht unter strengeren Kautelen stehen dürfte als der Anspruch auf Gesetzgebung - und dieser scheint eingedenk des subjektivrechtlichen Gehalts der aus den Grundrechten fließenden Schutzverpflichtung mittlerweile anerkannt 11• Wie dann aber demjenigen, der aus seinem Grundrecht einen Anspruch auf (untergesetzliche) Schutznormen hat, dessen (subjektiv-rechtliche) Durchsetzung gegenüber bestimmten Anlagen verwehrt werden könnte, ist nicht zu sehen 12. 10 Vgl. BVerfGE 49, 89 (141 f.); 53, 30 (57 f.); 66, 39 (57 ff.) ; /sensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 38, 39 f., 51. Einschränkend Steinberg, NJW 1984, S. 457,459 f. 11 Anders noch Steinberg, NJW 1984, S. 457, 461. Vgl. jetzt Isensee, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § I 11, Rdnr. 84, 183 f. m. Nw. in Fn. 463; E. Klein, NJW 1989, S. 1633, 1638; H.H. Klein, DVBI. 1994, S. 489,492 f., 493; Wahl/Masing, JZ 1990, S. 553, 562 f. ; auch BVerfGE 77, 170 (214); 79, 174 (201 f.). Daß nach BVerfGE 88,203 (251); vgl. E 90, 145 (195) die Schutzpflicht nach Art einer generalklauselhaften Regelung ihren "Grund" in Art. I Abs. I GG hat, jedoch ihren "Gegenstand und -von ihm her- ihr Maß" von den einzelnen (Freiheits-) Grundrechten empfängt, ändert an diesem Befund nichts. 12 Sei es, daß das gänzliche Fehlen untergesetzlicher Normen nun doch Sperrwirkung gegenüber Drittbeeinträchtigungen entfaltet - denn der Gesetzgeber hätte dann seine Pflicht getan, nur der Verordnunggeber bliebe säumig; sei es, daß vorhandene Vorschriften nachbarschützend zu interpretieren wären. Das hierfür vorauszusetzende dienend-funktionale Verhältnis des inunissionsschutzrechtlichem Vorsorgegrundsatzes zur Schutzpflicht bejaht etwa Roßnagel, in: Koch! Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 437, auch 200. Der- grundrechtlich geforderte- Anspruch wäre zugleich Voraussetzung für eine allgemeine, über den engeren Bereich der Gefahrenabwehr hinausreichende, ggf. auch finanzielle Haftung des Staates auf verfassungsrechtlicher Grundlage, durch welche auch die Möglichkeit von Kompensationen (zulasten Dritter) beschränkt würde. Zum (Entschädigungs-) Anspruch der Eigentümer wegen immissionsbedingter Waldschäden Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 309; ders., NVwZ 1986, S. 61 I ff. Auch er besteht jedoch nur dann, wenn der Staat entweder unverhältnismäßig (ausgleichspflichtig!) eingreift oder sonst aus den

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

b) Verfassungsrechtlichfundierter Nachbarschutz als Abwehr staatlich auferlegter Duldungspjlichten Indessen genügt bei historischer Rekonstruktion der staatlichen Schutzpflicht - und mehr kann mangels spezifischen Textbefunds eine Lehre von den Schutzpflichten nicht bieten -dem Rechtsschutzzweck, d.h. der Wahrung der Individualrechtssphäre gegenüber Dritten, die zwischen Privaten geltende, grundsätzlich strafbewehrte Zivilrechtsordnung 13 . Dem Sicherheitszweck entsprechen dagegen aus Sicht des einzelnen vom Gesetzgeber erst zu konstituierende Rechte auf Teilhabe an dem im Gemejninteresse liegenden, öffentlichrechtlich bewirkten (namentlich präventiven) Schutz der Gesamtheit 14. Mit anderen Worten: Der Staat ist nicht gehalten, Privatinteressen gerade in Form subjektiver öffentlicher Rechte zu schützen. Die Zulassung (sei es Duldung oder Genehmigung) privaten, potentiell drittschädigenden Verhaltens stellt deshalb auch unter dem Grundgesetz keinen eigenständigen staatlichen Freiheitseingriff dar, solange der Friedens- oder Rechtszweck auf der einen und der Sicherheitszweck auf der anderen Seite zwei grundsätzlich voneinander geschiedene Kreise beschreiben und ersterer den Individualrechtsschutz garantiert15. Wie aber verhält es sich, wenn dem einzelnen gerade die Rechtsbewehrung des bürgerlichen Zustands zielgerichtet vorenthalten wird? Das geschieht etwa in § 14 BimSchG. Eine derartige - ihrerseits stets zivilrechtliche - Bestimmung16 hebt die Selbständigkeit von Rechtszweck und Sicherheitszweck nicht grundsätzlich auf. Sie überlagert, soweit sie nicht unmittelbar Inhalt und Schranken des Eigentums neu bestimmt- dann gelten die zu Art. 14 Abs. 1 GG entwickelten Grundsätze -, die privatrechtliche Regelung und entzieht zumindest teilweise dem Nachbarn das Abwehrmittel eines an sich potentiell gegebe-

Grundrechten verpflichtet ist, Schutz-Regelungen zu treffen, Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht II, Rdnr. 1019 f. 13 Näher zur allgemeinen eingriffsabwehrrechtlichen Relevanz des Zivilrechts vor allem Hellerrruum, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 204 ff., insb. S. 208 f., 244 f.; Enders, Der Staat 35 (1996). 14 Eingehend hierzu und zum folgenden Enders, aaO. Nach dem BVerfG kann dagegen die staatliche Schutz-Verpflichtung rechtliche Verhaltensanforderungen zum Schutze Dritter ebenso gebieten wie sonstige Maßnahmen, BVerfGE 88, 203 (252, 258 f.). 15 Heute ergeht etwa- wie in §59 Abs. 3 LBO B.- W. -die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter, Schlez, LBO für Baden-Württemberg, §59, Rdnr. 32 ff., !51; ferner die im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG erteilte Anlagengenehmigung (§ 19 Abs. 2 BlmSchG). Vgl. auch BVerwGE 28, 131 (134). 16 Zu ihrem zivilrechtliehen Charakter: BGHZ 102, 350 (352); Bassenge, in: Palandt, BGB, § 906, Rdnr. 37; Stich, Grundzüge des Umweltrechts, S. 289, 295. Ebenso für § 26 GewO, SeydelSchecher, Gewerbepolizeirecht, S. 91 in Fn. 25; BVerwGE 28, 131 (138).

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nen Zivilrechtsschutzes 17, erweitert gewissermaßen die rein öffentlich-rechtlichen (Feststellungs-, Gestattungs-, Konzentrations-) Wirkungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in den Bereich des Privatrechts hinein und verleiht ihr damit im Interesse der Verfahrenseffizienz (vgl. § 10 BlmSchG) und Rechtssicherheit besondere Gestaltungskraft Dadurch werden die Schutzmöglichkeiten reduziert und wird aus Gründen des öffentlichen Rechts dem Nachbarn ein über das regelmäßige zivilrechtliche Maß hinausgehendes Duldungsgebot auferlegt 18 . Das bedeutet in Anbetracht des allgemeinen Rechtestatus (damit auf dem Hintergrund des Friedens- oder Rechtsschutzzwecks) einen Grundrechtseingri.fl 9 : Denn die ursprüngliche gesetzliche Rechtsgewährung wird einer einseitig adressierten Ausübungsbeschränkung unterworfen, also nicht etwa abstrakt-generell aufgehoben, das wäre ein abwehrrechtlich im Ergebnis irrelevanter actus contrarius. Die Berechtigung bleibt dem Grunde nach aufrechterhalten, der Anspruch ist aber gleichzeitig in seiner Geltendmachung durch zusätzliche, an den besonderen Hoheitsakt der Genehmigung anknüpfende und sich aus Zwecken des öffentlichen Rechts erklärende (eingriffsbegründende) Anforderungen eingeschränkt20. Diese müssen sich folglich von Verfassung wegen an der gesetzlich organisierten, bürgerlichen Freiheit zur Rechtswahrung messen lassen (Art. 2 Abs. 1 GG).

17 Insb. nach§§ 862, 906, 1004, auch§ 823 BGB, vgl. Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 213; Stich, Grundzüge des Urnwe1trechts, S. 289,291 f. 18 Ähnlich bereits § 26 GewO, der im Zusammenhang mit dem Genehmigungserfordernis nach § 16, den Verfahrens- und Präklusionsvorschriften der §§ 17 ff. und der Bestandskraftregelung des§ 25 GewO gelesen werden muß, vgl. Seydel-Schecher, Gewerbepolizeirecht, S. 79 f. rn. Fn. 10 und BVerwGE 28, 131 (134 f.). Anders noch§ 31 PrGewO (vorn 17. 1. 1845, GS 41), dem kein dauerhafter Ausschluß zivilrechtlicher Einwendungen entsprach; hierzu Preu, Die historische Genese der öffentlichrechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen, S. 39 f., 42 f. 19 Die Belastung geht über die von Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 418 f. dargelegten allgemeinen Wirkungen der Duldungspflicht hinaus, soweit diese Ansprüche gegen erlaubtes Verhalten ausschließt und den Rechtsgenossen (gewaltsamen) Selbstschutz verbietet. Zu Art. 14 GG sogleich im Text. 20 Enders, VerwArch 83 (1992), S. 527, 544 ff., 553 ff. zum Beispiellogisch sekundärer, dadurch grundrechtsrelevanter Beschränkungen im Straßenrecht - Anders konstruiert Burgi, ZG 1994, S. 341, 359 ff., 363 f. die einfachgesetzliche Begründung unmittelbar verfassungslocierter Individualrechtspositionen. Gleichfalls aus einer grundsätzlich abwehrrechtlichen Perspektive, nicht jedoch im Gedanken der Selbstbindung übereinstimmend Erichsen, Handbuch des Staatsrechts, Band VI,§ 152, Rdnr. 63, 67.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeit von Kompensationsregelungen

c) Das System der Beschränkung von zivilrechtliehen Immissionsabwehransprüchen aa) Die logisch sekundäre Beschränkung der punktuellen (zivilrechtlichen) Immissionsabwehr (§ 14 BlmSchG) Die Eingriffswirkung des § 14 BlmSchG liegt zusammenfassend darin, daß der zivilrechtliche Anspruch auf Unterlassung von Beeinträchtigungen ausgesetzt wird, der - unter weiteren Voraussetzungen - grundsätzlich auch dann gegeben ist, wenn die gebotenen Schutzvorkehrungen technisch undurchführbar bzw. wirtschaftlich unvertretbar sein sollten. Damit ist diese Ausschlußwirkung näher eine doppelte: Sie betrifft - gemessen am zivilrechtlich gegebenen Schutzumfang - nicht nur Ansprüche, die nach ihren Tatbestandsvoraussetzungen oder Rechtsfolgen zugunsten des Nachbarn vom Schutzstandard des Bundes-Immissionsschutzgesetzes abweichen könnten21 . Auch solche Abwehrmöglichkeiten werden erfaßt, die an sich der Sache nach erhalten bleiben, jedoch - was zumindest für den Anspruch auf Einstellung des Anlagenbetriebs gilt - nun an die öffentlich-rechtliche Ausschlußfrist des § 10 Abs. 3 Satz 3 BlmSchG gebunden sind22 . Mit Blick auf den Eigentümer des einer Anlage benachbarten Grundstücks und seine Ansprüche aus §§ 906, 907, 1004 BGB, handelt es sich um eine Neubestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Aber auch der zivilrechtlich in den Grenzen von § 906 BGB gegebene Schutz des Besitzes (§ 862, 1004 BGB) sowie von Leben und Gesundheit (§§ 823, 1004 BGB)23 wird durch § 14 BlmSchG suspendiert24, ein gesetzlicher Eingriff, der der Verhältnismäßigkeitskontrolle unterliegt25 . Einheitlicher 21 Zur Rspr. nach der früheren Rechtslage, Wagner, NJW 1991, S. 3247 ff. (zu BGHZ !II, 63); auch Classen, JZ 1993, S. 1042, 1043. 22 Vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 906, Rdnr. 37. Gegen die Ausdehnung der beschränkten materiellen Präklusion auf sämtliche zivilrechtliehen Ansprüche allerdings Jarass, BimSchG, § 10 Rdnr. 82 (m. Nw.), § 14, Rdnr. I; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 213. 23 Vgl. Jarass, BimSchG, § 14, Rdnr. 10, Feldhaus, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I, § 14 BimSchG, Anm. 7; BVerwGE 28, 131 {138). Diese Ansprüche- zu ihnen Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs,§ 13 II 5. (S. 218 f.), § 14 I (S. 243 ff.)- fallen nicht unter die Eigentumsgarantie, vgl. Enders, Der Staat 35 ( 1996). 24 Zum ersteren Bassenge, in: Palandt, BGB, § 862, Rdnr. 2, § 906, Rdnr. I, 16, 21, 37; vgl. auch BT-Drs. I2n425, S. 85. Die Einschränkung des letzteren Anspruchs erfolgt über den Ausschluß der Rechtswidrigkeit i. S. von § 823 BGB, ders., aaO, § 906, Rdnr. 16, 21. § 14 BimSchG muß sich nach seinem Sinn und Zweck wie § 906 BGB auf sämtliche Abwehransprüche aus § I 004 BGB erstrecken. In sich widersprüchlich Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 204, 205 ff., 206, 208, 226 ff. zu § 823 BGB. 25 Folge der Verfassungswidrigkeit wäre nicht Aufhebung der Genehmigung, sondern die Möglichkeit der Zivilklage, d. h. eine begrenzte oder keine Gestaltungswirkung. Die verwaltungsrechtliche Genehmigung bzw. ein Urteil beruhen als solche daher inhaltlich nicht auf dem Verfassungsverstoß (vgl. Art. 100 GG). Richtiger Rechtsweg ist der Zivilrechtsweg, vgl. Sellner, Immissionsschutzrecht, Rdnr. 217, 220; Stich, Grundzüge des Umweltrechts, S. 289,295.

Siebtes Kapitel: Der rechtliche Schutz von Drittinteressen

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Maßstab der gesetzlich auferlegten Duldungspflicht ist Art. 2 Abs. I GG, weil Verhaltensmöglichkeiten, die teils unmittelbar in der ungestörten Eigentumsnutzung, teils in der Abwehr von Störungen zu sehen sind, eingeschränkt werden.

bb) Die (logisch primäre) Beschränkung punktueller Abwehransprüche im Zivilrecht auf das Schutzniveau des öffentlichen Rechts (§ 906 Abs. 1 BGB n.F.) Die vorangegangenen Überlegungen hätten sich freilich weithin erledigt, wenn die jetzt mit § 906 Abs. I Satz 2 und 3 BGB erfolgte Verweisung auf den öffentlich-rechtlichen, gerade auch untergesetzlich (in Verordnungen und qualifizierten Verwaltungsvorschriften wie der TA Luft) festgelegten Standard der Immissionsabwehr26 zu einer Nivellierung der an sich rechtlich geschiedenen Abwehrmöglichkeiten führte. Indessen wird wohl (quantitativ) eine logisch primäre Beschränkung bewirkt27 , nicht aber dem Grunde nach (qualitativ) eine völlige Angleichung der Zwecksetzung. Denn das öffentliche Recht definiert (gemäß dem Sicherheitszweck) im öffentlichen Sicherheits-Interesse der Allgemeinheit und Nachbarschaft einen räumlich-einwirkungsbezogenen Schädlichkeitsstandard, dessen Schutzwirkungen der einzelne unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen teilhaftig wird. Auch unter§ 906 Abs. 1 BGB n.F. bleibt demgegenüber in Verfolgung des Rechtsschutzzwecks dem Zivilrecht der (punktuelle) Schutz der privaten Rechtssphäre vor individuell zurechenbar verursachten Beeinträchtigungen vorbehalten, ohne daß unmittelbar das Regime des öffentlichen Rechts ausgedehnt werden so11 28. Wenn § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. öffentlich-rechtliche Grenz- und Richtwerte als Maßstab der Unwesentlichkeil anzieht, so bewirkt dies vielmehr nur eine Beweislastumkehr im 26 Art. 2 § 4 des Sachenrechtsänderungsgesetzes v. 21. 9. 1994, BGBI. I S. 2457. Zur Begründung dieser Änderung vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 1217425, S. 56, 85 ff. sowie des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BTDrs. 12/8345, S. I, 3 f. Zur Bezugnahme des§ 906 Abs. I Satz 2 BGB auf das öffentlich-rechtlich vorgesehene Verfahren der Ermittlung von Riebt- und Grenzwerten, BT-Drs. 1217668, S. 5, BTDrs. 1218204, Nr. 6 der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses, S. 3. Dabei soll der Verweis auf das öffentliche Recht Emissionswerte einschließen, BT-Drs. 1217425, S. 88. 27 Die allgemeine (logisch primäre) gesetzliche Verschiebung der Outdungsgrenzen zu Lasten der Immissionsbetroffenen bedeutet auch eine Beschränkung des Eigentümers in seiner Nutzungsmöglichkeit, damit nach dem Obigen einen Eingriff in dessen Rechtsposition aus Art. 2 Abs. I GG. Als unzumutbar würde dieser gelten müssen, soweit er zur Duldung ortsunüblicher Sachschäden verpflichten würde - was freilich bei verfassungskonformer Auslegung nicht angenommen werden kann. Ansonsten wird er mangels besonderen Vertrauensschutzes regelmäßig gerechtfertigt sein. 28 Vgl. Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 1217425, S. 87: "(§ 906 Abs. I Satz 2 u. 3 BGB n.F.) billigt dem öffentlichen Recht eben keinen privatrechtsgestaltenden Vorrang mit einem Totalausschluß zivilrechtlicher Abwehransprüche zu". 18 Enders

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeit von Kompensationsregelungen

nachbarlichen Einwirkungsverhältnis29 : Hatte bislang- bei Feststehen der Urheberschaft der streitgegenständlichen Immissionen30 - der Verursacher der Beeinträchtigung den Beweis für deren Unwesentlichkeil zu erbringen (im Falle des Mißlingens auch für ihre Ortsüblichkeil und die fehlende Möglichkeit einer Verhinderung31 ), so wird ihm diese Mühe durch den öffentlich-rechtlichen Vorschriftengeber "in der Regel" abgenommen, soweit er nur darlegen und beweisen kann, daß er die maßgeblichen Werte einhält. Weil es sich folglich um eine bloße Regelvermutung im konkreten Einwirkungsverhältnis handelt, erübrigt sich aber nicht etwa die zivilgerichtliche Beurteilung der Unwesentlichkeit im Einzelfall. Und das bedeutet: Dem Immissionsbetroffenen ist es nicht verwehrt, unter Darlegung insbesondere eines konkreten Gesundheits- oder Sachschadens den vollen Gegenbeweis anzutreten32. Entfalten folglich die Grenz- und Richtwerte des öffentlichen Rechts keine unmittelbare Rechtswirkung33 , sondern bilden einen (freilich regelmäßig verbindlichen) Anhaltspunkt der tatrichterlichen Bewertung- denn die Unwesentlichkeil bleibt Wertungs-, wird nicht bloße Subsumtionsfrage -, erscheint es darüber hinaus nicht ausgeschlossen, daß im konkreten Fall auch die "Regel" des § 906 Abs. 1 BGB unter Beweisantritt erschüttert und dadurch als solche entkräftet wird - selbst dort, wo sie auf eine (im öffentlichen Recht als Rechtssatz geltende) Rechtsverordnung rekurriert34. Ansonsten droht, nachdem eine echte privatrechtsgestaltende Lösung vom Gesetzgeber verworfen wurde35, ein norminterner Wertungs- und zwar Prinzipienwiderspruch36 . Die Gesetzwidrigkeit etwa der Verordnung kann ja der Immissionsbetroffene im Einwirkungsverhältnis des § 906 BGB nicht einwenden. Die öffentlich-rechtliche Norm gilt hier eben nurmehr nach der zivilrechtliehen Regel (der Tatsachengewichtung), nicht kraft öffentlichen Rechts. Soll damit nun jeglicher Einwand gegen die Regelanordnung selbst abgeschnitten sein? Dann erhielte die Regel in ihrer zivilrechtlichen Anwendung eine Unangreifbarkeit, die ihr gemäß ihrem öffentlich-rechtlichen Gehalt gar nicht zukommt. Es liegt vielmehr nahe, jedenfalls 29 Vgl. BT-Drs. 12n425, S. 88; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 906, Rdnr. 20. 30 Beweispflichtig insofern der lmmissionsbetroffene, Bassenge, aaO. 31 Bassenge, aaO, Rdnr. 30. 32 BT-Drs. 12n425, S. 87, 88. Bassenge, aaO, Rdnr. 17, 20, 22. 33 Genau das ist- soweit die Rechtswirkung reicht- im "angestammten", öffentlich-rechtlichen Geltungsbereich dieser Standards anders, BVerwG, Beschl. v. 8. 11. 1994, DVBI. 1995, s. 514. 34 Für Verwaltungsvorschriften versteht sich die eingeschränkte Bindungswirkung schon aus ihrer Stellung im Gefüge des öffentlichen Rechts, BT-Drs. 1217425, S. 89 f.; oben 3. Kapitel, II. 2. 35 Vgl. BT-Drs. 1211866, S. 3, 4 f.; BT-Drs. 12n425, S. 86 f. 36 Zwischen der Einzelfallgerechtigkeit bei der punktuellen Störungsabwehr im nachbarlichen Einwirkungsverhältnis und allgemeinen gesetzlichen Schutzstandards des öffentlichen Rechts; vgl. Engisch, Einführung in dasjuristische Denken, S. 163 ff., 167.

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für die Bewertung von Immissionen entsprechend dem in Bezug genommenen Wertungskriterium des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG ausnahmsweise Durchbrechungen der zivilrechtliehen Regelvermutung als solcher zuzulassen. Dazu müßte dem Immissionsbetroffenen - gestützt auf wissenschaftlichen Sachverstand -der Nachweis gelingen, daß die Unschädlichkeit bestimmter Schadstoffe oder Wirkungskonzentrationen (damit die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung) oder auch die Eignung der angewendeten Ermittlungsverfahren unter den konkreten Umständen des Einzelfalls keineswegs feststeht 37 . Die ursprüngliche Beweislastregel wäre dann wieder in Kraft und es wäre erneut am Verursacher der Beeinträchtigung, ihre Unwesentlichkeit unter Beweis zu stellen. So oder so bedeutet§ 14 BimSchG, soweit er die dargelegten Abwehrmöglichkeiten ausschließt, eine Schmälerung des allgemeinen Rechtestatus und rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff. cc) Anlagenbezogene Emissionsbegrenzungen als Domäne des öffentlichen Rechts Im Emissionsbereich muß der Nachbar dagegen keine Minderung seines Rechtestatus hinnehmen. Das Vorgehen gegen Emissionen - selbst wenn man der hier vertretenen Auffassung vom gesetzesakzessorischen Schutz des Art. 14 GG nicht folgen wollte - erleidet durch die Ausschlußwirkung des § 14 BimSchG subjektivrechtlich keine Einbußen. Dieser Bereich läßt sich freilich allein mit dem Begriff "Vorsorge" nicht trennscharf vom grundrechtsrelevanten Bereich des Schutzgebots abgrenzen. Fest steht lediglich, daß Gegenstand iustitiabler subjektiv-rechtlicher Abwehransprüche grundsätzlich nur meßbare Immissionen sein können, deren Herkunft kausal verifizierbar sein muß38 . Die Differenzierung nach Immissionen und Emissionen in § 3 Abs. 2 und 3 BimSchG stellt sich damit als denknotwendige Basis einer rechtlichen Regelung materieller Abwehranspüche dar. Mehr ergibt sich daraus nicht. Ein weiter Bereich ist der Gestaltung durch den Gesetzgeber überlassen, der im Gemeininteresse Freiheitseingriffe auch dort vornehmen mag, wo dem strengen Nachweiserfordernis, unter dem die Möglichkeit des (subjektivierten) Drittschutzes steht, nicht genügt ist und umgekehrt ganz außerhalb verfassungsrechtlicher Verpflichtung Abwehranspüche Dritter statuieren kann. Allgemein sind aber die Grenzen der Gestaltung nicht ohne jede Rücksicht auf den systematischen Zusammenhang des Gesetzes zu ziehen und daher vor allem durch dessen Rückbindung an seinen Zweck bestimmt. Hierher gehört die im folgenden näher zu erörternde Frage, inwieweit die Abwehrrechte Dritter zugunsten eines 37 Vgl. oben 3. Kapitel, II. 2. b). 38 Vgl. auch Murswiek, NVwZ 1986, S. 611,615 nach Fn. 43. 18•

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

öffentlich-rechtlichen Status und mittelbar auch des Betreibers (Rechtssicherheit) gehemmt werden dürfen. 2. Der (verfassungsrechtlich gebotene) Umfang des Drittschutzes gegen schädliche Umwelteinwirkungen

Der Gegenstand des Abwehranspruchs aus Art. 2 Abs. 1 GG bestimmt seinen Umfang. Geht er auf Unterlassung verfassungswidriger Eingriffe in die geschützte Freiheit, so richtet er sich in seinem Umfang nach dem Umfang des Freiheitseingriffs. Das Duldungsgebot des § 14 BlmSchG stellt - in Verbindung mit den formell- und materiellrechtlichen Anforderungen des Immissionsschutzrechts (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 6, 10 BimSchG)- die Möglichkeit der Immissionsabwehr aus dem vorausgesetzten und an sich fortbestehenden Rechtestatus des Bürgerlichen Rechts unter Vorbehalt. Damit statuiert es einen Eingriff in das Recht des nunmehr ausdrücklich duldungsverpflichteten Dritten, sich vorhandener Abwehrmittel zur Verteidigung seiner Freiheitssphäre, d.i. Rechtssphäre zu bedienen (Art. 2 Abs. I GG). Dieser seinerseits dem Zivilrecht zugehörige Eingriff erfolgt, wie man es aus dem öffentlichen Recht kennt, auf mehreren Stufen. Die gesetzliche Anordnung der Duldungspflicht selbst, § 14 BimSchG, rangiert auf einer Ebene mit den Verboten, die die Verwaltung zu gezielten Einzeleingriffen ermächtigen: Er tauscht den zivilrechtliehen Status und die diesem zugehörende Rechtsposition punktueller, gegen den einzelnen Verursacher gerichteter Störungsabwehr rechtswirksam gegen einen öffentlichrechtlichen Status aus, der einwirkungsbezogen konstruiert ist und die Basis für Schädlichkeitsstandards und kontrollierte Umweltnutzung (Luftbewirtschaftung) abgibt. Die Aktualisierung der untergesetzlich konkretisierten, abstraktgenerellen Eingriffsregelung liegt dann im Einzelakt der Genehmigung, die wie für den Betreiber, so auch für den Nachbarn den öffentlich-rechtlichen Schädlichkeitsstandard in Vollzug setzt und ihm die konkret auferlegte Immissionsbelastung zumißt Im Einzelfall kann man einen Eingriff in den zivilrechtliehen Status jedoch nur dort bejahen, wo ohne die Duldungspflicht wirklich ein Abwehranspruch dem Grunde nach gegeben wäre39, eine Rechtsverletzung nur insoweit, als die Duldungspflicht über das zur Zweckerreichung Unerläßliche hinausgeht. Einen exakten Maßstab der gesetzlichen Eingriffsregelung gibt damit der in sich veränderliche zivile Rechtsstatus nicht ab. Die Reichweite des Eingriffs, soweit er, wie dargestellt, die zivilrechtlich gegebene Möglichkeit aussetzt, die Unterlassung beeinträchtigender Immissionen bis hin zur Einstellung des störenden Anlagenbetriebs zu verlangen, ist mit den Begriffen der Gefahr (insb. 39 Jarass, BlmSchG, § 14, Rdnr. 13.

Siebtes Kapitel: Der rechtliche Schutz von Drittinteressen

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für die Gesundheit) einerseits, der erheblichen Nachteile oder Belästigungen andererseits hinreichend bestimmt umschrieben. Daraus resultieren zunächst zwei verschieden intensive Eingriffe und nach der Eingriffsintensität differenziert zu beurteilende Abwehransprüche. Wirklich gesundheitsschädliche Immissionen müssen stets als wesentlich und können selbst unter Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen - jedenfalls heute - nirgendwo als ortsüblich gelten. Denn § 906 BGB will nach seinem Sinn und Zweck nicht Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen rechtfertigen, sondern - mehr oder weniger gravierende - Belästigungen nach Maßgabe des sozial und örtlich Üblichen als rechtmäßigen Ausdruck der Eigentumsnutzung anerkennen und vor übertriebenen Empfindlichkeiten in Schutz nehmen40. Damit greifen - auf den ersten Blick - immissionsschutzrechtliche Vorschriften, die gezielt den Schutz vor Gesundheitsgefahren regeln, grundsätzlich in die zivilrechtliche Befugnis des Drittbetroffenen ein und müssen sich an der Verfassung messen lassen. Da sie nach dem Gesetzeszweck gerade auch dem Schutz der Nachbarschaft zu dienen haben(§§ I, 5 Abs. I Nr. I BlmSchG), vermag im Ergebnis selbst das berechtigte Interesse der Allgemeinheit (einschließlich der Betreiber) an einheitlichen normativen Umweltstandards, klaren Genehmigungsvoraussetzungen und einem präventiven Kontrollverfahren (§ 10 BlmSchG) Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht zu rechtfertigen. Umgekehrt findet vielmehr die mit der Konzentration des anlagenbezogenen Umweltschutzes im Immissionsschutzrecht (vgl. §§ 13, 6 BlmSchG) einhergehende Beschränkung der zivilrechtliehen Abwehrmöglichkeiten, nicht zuletzt die dem Betreiber günstige Befristung durch die materielle Präklusion nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BlmSchG41 , ihre Begründung und Rechtfertigung vor§ 1 BlmSchG gerade in einer qualitativen Hebung des Schutzniveaus42 . Dagegen gewährt das Zivilrecht gegenüber sonstigen Einwirkungen, also gerade gegenüber Belästigungen und Nachteilen i.S. des Bundes-Immissionsschutzgesetzes -das ist die Aussage des § 906 BGB - von vornherein nur einen relativen, insb. örtlich verschiedenen Schutz, der nur ganz zurückgenommene abstrakt-generelle Grenzen zieht. Zwar darf die Regelung im öffentlichen 40 Zu diesem Grundgedanken einer Begrenzung der Eigentümerbefugnis bereits 0 . Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 261. Zu§ 906 BGB: RGZ 64, 363 (365); Roth, in: Staudinger, BGB, § 906, Rdnr. 102; Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 206 bei Fn. 64; Schnur, DVBI. 1962, S. I, 5 (1. Sp.); Trute, Vorsorgestrukturen, S. 250 in Fn. 40. 41 Gegenüber einer Veijährungsfrist von 30 Jahren gern. § 195 BGB. Vor Ansprüchen nach §§ 17, 21 BlmSchG schützt freilich die Präklusion nicht, vgl. Jarass, BlmSchG, § 10, Rdnr. 73 ff., 81. 42 Vgl. die Begründung zu §I des Gesetzesentwurfs, BT-Drs. 7/179, S. 28. Ähnlich Murswiek, WiVerw 1986, S. 179, 195 ff., 197; nur daß bei der hier vorgeschlagenen abwehrrechtlichen Perspektive nicht von einem verfassungsrechtlich strikt vorgegebenen Ziel die Rede ist, vielmehr die Rückbindung an den Gesetzeszweck Maßstäbe setzt.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

Recht jeweils nicht zu einer unnötigen Verschlechterung örtlicher Immissionsverhältnisse führen. Hier hängt aber nahezu alles vom Einzelfall ab. Das gilt auch für Eigentumsstörungen, selbst wenn es sich nicht um lästige Nutzungsbeeinträchtigungen, sondern um echte Substanzverletzungen handeln sollte43 . So ist auch der Eigentumsschutz auf Seiten des öffentlichen Rechts nicht durch verletzungsindizierende eigene Immissionswerte gewährleistet (vgl. Nr. 2.5. TA Luft), sondern begrenzt lediglich als Sachgüterschutz die Zulässigkeil von Nachteilen im Rahmen der Sonder- und Einzelfallprüfung (Nr. 2.2.1.3 Abs. 3 TA Luft). Eine - vom bloßen Nachteil verschiedene- Substanzverletzung ist allein anband der unspezifischen Immissionswerte, die über den Gegenstand der schädlichen Umwelteinwirkung nichts besagen, nie auszumachen. Ließe sich aber die normative Relativität in abgeschwächter Form nicht auch von Gesundheitsbeeinträchtigungen behaupten 44? Der - untergesetzlich konkretisierte - Gesundheitsbegriff des. öffentlichen deckt sich, wie die Regeldefinition in § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nunmehr geradezu bestätigt, keineswegs zwangsläufig mit dem des Zivilrechts, die Überschreitung gesundheitsschützender Immissionswerte ist nicht zwingend identisch mit der Gesundheitsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB. Auch darin werden scheinbar Grundrechtseingriff und -Verletzung zum Problem des Einzelfalls. Gleichwohl besteht ein Unterschied: Die Differenzierung zwischen Substanzverletzung und bloßer Nutzungsbeschränkung des Eigentums ist angesichts der inhaltsbestimmenden Funktion der §§ 903 ff. BGB (-der Erste Titel des Dritten Abschnitts im Sachenrecht lautet: Inhalt des Eigentums) unmöglich. Wie § 903 BGB die Eigentumsnutzung zunächst zum Bestandteil des Eigentums erklärt, beschränkt § 906 BGB anschließend dessen Reichweite von innen heraus auch gegenüber wesentlichen Beeinträchtigungen auf einen ortsüblichen und angemessenen Gebrauch. (Zivil-) Rechtlich existent ist das Eigentum nur in diesem Umfang, mag auch der öffentlich-rechtliche Sachgüterschutz (gegenüber erheblichen Sachschäden und Nachteilen, § 3 Abs. 2 BimSchG, Nr. 2.2.1.2, 2.2.1.3 Abs. 3 TA Luft) darüber hinausgehen 45 . Die Gesundheit ist demgegenüber eine (auch) vorrechtliche Eigenschaft, ein Lebensgut, das nicht in der Inhaltsbestimmung des Gesetzgebers nach §§ 903 ff., 906 BGB aufgeht. Insoweit trägt das Bild einer vom vorrechtliehen Begriff vermittelten Substanzgrenze auch abstraktgenerelle Anforderungen. Darauf kommt es letztlich an: Um auf abstrakt-gene43 Vgl. BGH WM 1966, S. 33,34 f.; Der Betrieb 1964, S. 65. 44 So in der Tat Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 73 ff. 45 Die Differenzierung zwischen Rechts- und Sachgüterschutz, vgl. Jarass, BlmSchG, § 3, Rdnr. 13, wird freilich schwierig, denn als Rechtsgüter sind Sachen (auch außerhalb des Eigentums) gerade nur im Umfang der §§ 906 ff. BGB geschützt, über welchen Standard das Bundes-Immissionsschutzgesetz hinausgehen wollte. Da aber unabhängig von normativen Grenzen die Schwelle zum "Schaden" schwer zu bestimmen ist, läuft alles auf die Erheblichkeil der Beeinträchtigung hinaus; aaO, Rdnr. 12, 16.

Siebtes Kapitel: Der rechtliche Schutz von Drittinteressen

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reller Ebene einen Grundrechtseingriff zu konstatieren, reicht bei formalisierender Betrachtung der allgemeine (ausnahmslose) Ausschluß einer ansonsten grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, Substanzverletzungen der privaten Rechtssphäre nach §§ 823, 906, 1004 BGB auch dann zu unterbinden, wenn Schutzvorkehrungen untunlich sein sollten. 3. Die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs

Der verfassungsrechtliche Anspruch steht demjenigen zu, der an sich den zivilrechtliehen Anspruch geltend machen könnte. Das ist nicht nur der Eigentümer eines einwirkungsbetroffenen Grundstücks (§§ 906, 1004 BGB). Wegen des Gesundheits- und Besitzschutzes (§§ 823, 862 BGB) können sich auch lediglich obligatorisch Berechtigte- stets unter dem Vorbehalt einer Duldungsverpflichtung nach § 906 BGB -gegen Immissionen zur Wehr setzen. Nur ist diesen Berechtigten der verfassungsrechtliche Anspruch als solcher unmittelbar nur von begrenztem Nutzen: Denn dieser Anspruch setzt den Vortrag voraus, der Gesetzgeber habe einen an sich gegebenen zivilrechtliehen Abwehranspruch, mit dem der Kläger von den Zivilgerichten wegen § 14 BlmSchG abgewiesen werden muß, unzulässig eingeschränkt, weil das öffentliche Recht keinen hinreichenden Schutz biete. Dieser Natur des Anspruchs gemäß kann er mit der Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Zivilrechtsweges geltend gemacht werden. Das Bundesverfassungsgericht kann dann im Falle des Erfolgs der Urteilsverfassungsbeschwerde § 14 BlmSchG im Hinblick auf die bestimmte immissionsschutzrechtliche Fallkonstellation für teilnichtig (ohne Berührung des Wortlauts)46, oder aber für in bestimmter Hinsicht mit der Verfassung unvereinbar und unanwendbar erklären47 . Manches spricht für die zweite Variante. Zwar werden durch die Entscheidung die zivilrechtliehen Abwehrmöglichkeiten punktuell erweitert, genauer: wiederhergestellt, was dem Umstand entspricht, daß der punktuelle Schutz des Zivilrechts dort (wieder) beginnen muß, wo der öffentlich-rechtliche Standard (verfassungsmäßig) endet. Das Ausgangsverfahren ist - wie jedes andere in vergleichbarer Weise unter die fraglichen Normen fallende Verfahren - gegebenenfalls zugunsten des Klägers zu entscheiden. § 14 BlmSchG trifft aber infolge der Verweisung auf das öffentliche Recht ("Anlage ..., deren Genehmigung unanfechtbar ist") keine selbständige, auch keine selbständig verfassungswidrige Aussage. Der Gesetzgeber kann, anstatt die Duldungspflicht einzuschränken, die störenden Immissionen auch öffentlich-rechtlich verbieten; er kann den Mangel der zivilrechtliehen Immissionsabwehr, weil es für deren Verfassungswidrigkeit nicht auf eine 46 Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, Rdnr. 351. 47 Ders., aaO, Rdnr. 378.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

einzelne Norm, sondern ein dynamisches Verhältnis zweier sich ergänzender Normen, eine Normenrelation ankommt, durch eine (drittschützende) Veränderung des öffentlich-rechtlichen Status der genehmigungsbedürftigen Anlagen beheben. Das erinnert an die Situation des gesetzlichen Gleichheitsverstoßes, dem mit der Unvereinbarerklärung begegnet wird48 . Wegen des erheblichen Prozeßaufwands ist aber von größerem Interesse die mittelbare Bedeutung der verfassungsrechtlichen Dimension für die verfassungskonforme Auslegung. Ungeachtet der Aufspaltung des Nachbarrechtsverhältnisses in eine zivilrechtliche und eine öffentlich-rechtliche Seite, wird man die vom Gesetzgeber selbst mit § 14 BlmSchG hergestellte Wechselbeziehung nicht außer Acht lassen dürfen. Denn dieser wollte, wie bereits § I BlmSchG besagt, mit § 14 BlmSchG den Nachbarschutz nicht streichen, sondern ihm eine adäquate öffentlich-rechtliche Gestalt verleihen. Die zivilrechtliche Bestimmung des § 14 BlmSchG wird so zum Angelpunkt auch der Anwendung immissionsschutzrechtlicher Vorschriften, die hierbei von den Behörden und Verwaltungsgerichten in der Weise verfassungskonform auszulegen sind, daß die Einschränkung des zivilrechtliehen Nachbarschutzes mit Blick auf sein öffentlich-rechtliches Surrogat gerechtfertigt erscheint. Nur liegt der eigentliche Eingriff und daher gegebenenfalls der Verfassungsverstoß im Zivil-, nicht im öffentlichen Recht. II. Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit von Kompensationsregelungen unter dem Aspekt des Drittschutzes

1. Die allgemeine (untergesetzliche) Sanierungsklausel (Nr. 2.2.1.llit. b TA Luft) § 14 BlmSchG gibt damit der Rechtsanwendung und -auslegung teils (für den Bereich des Gesundheitsschutzes) strengere, teils (für die Abwehr erheblicher Nachteile und Belästigungen) weniger strenge Orientierungsmarken vor. Grundsätzlich erlaubt der Schutzanspruch der Nachbarschaft auf dem Hintergrund der einwirkungsbezogenen Betrachtungsweise des Immissionsschutzrechts49 jede Definition des öffentlich-rechtlichen Schutzstandards, die dem Schutzbedürfnis im Einwirkungsbereich trotz des Wegfalls zivilrechtlicher Abwehransprüche genügt. Irrelevanzklauseln (Nr. 2.2.1.1 lit. b aa), Nr. 2.2.1.2 lit. b und c TA Luft) stellen insofern teils notwendige Bedingungen des Drittschutzes, teils (Nr. 2.2.l.l lit. b TA Luft mit den hierauf verweisenden Vor4 8 Ders., aaO, Rdnr. 367 f. 49 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.6.1 TA Luft, Rdnr. 17.

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schriften) Maßnahmen eines umfassenderen Sanierungskonzepts dar. Sie sollen im ersteren Sinne nur garantieren, daß sich die der Anlage zurechenbaren Immissionsbeiträge in den Grenzen normativer Unbeachtlichkeit halten und somit keine unmittelbar schädlichen Einwirkungen zu befürchten sind. Gerade aus der Sicht des punktuellen zivilrechtliehen Abwehranspruchs genügt es aber auch von Verfassung wegen, wenn von der einzelnen Anlage keine Rechtsgutsbeeinträchtigungen ausgehen und - diese Möglichkeit ist rechtlich stets einzubeziehen50 - die insoweit erlaubten geringfügigen Zusatzbelastungen auch im Zusammenwirken praktisch (also mit hinreichender Sicherheit) nie die Schädlichkeitsschwelle überschreiten können 51 . Daß die Abwehr von Belästigungen und Nachteilen einem weniger strengen Maßstab unterliegt, d. h. deren "Irrelevanz" großzügiger definiert ist (vgl. insb. Nr. 2.2.1.2 lit. c TA Luft, mit Zusatzbelastungsweften in Anhang A), rechtfertigt sich daraus, daß auch zivilrechtlich nur der relative Standard des Ortsüblichen gilt und die Irrelevanzklausel eine ausreichende Stabilität der örtlichen Immissionsverhältnisse gewährleistet52 . Insgesamt bieten die geltenden Irrelevanzklauseln damit einen Schutz, der sachlich nicht hinter dem des Zivilrechts zurückbleibt und daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Soweit aber Irrelevanzklauseln nur als rechtfertigendes Element eines weiter gespannten Sanierungskonzepts erscheinen, verfolgt dieses auch den Zweck, auf längere Sicht die zum Zeitpunkt einer Anlagengenehmigung bereits vorhandene Gesamtbelastung zu vermindern. Es steht im Zeichen eines auf Verbesserung der Umweltbedingungen gerichteten Schutzes vor Schadstoffimmissionen (vgl. § 1 i.V.m. § 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG), der einem genuin öffentlichen Interesse dient. Einen Anspruch auf entsprechende Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse genehmigungsbedürftiger Anlagen im öffentlichen Recht räumt die Verfassung dem einzelnen Dritten nicht ein. Bleibt die Immissionssituation trotz Zulassung einer neuen Anlage unverändert, können schließlich auch die einschlägigen Abwehrmittel (§§ 17, 21 BlmSchG) ohne rechtliche Einbußen gegen die verschiedenen Immissionsverursacher geltend gemacht werden 53. Das heißt nicht, daß nicht der Gesetzgeber unter Beachtung der Verfassung, der untergesetzliche Vorschriftengeber im Rahmen seiner 50 Denn der Schadstoffausstoß sämtlicher Anlagen, deren Immissionsbeiträge die Zusatzbelastung nur geringfügig übersteigen, hielte sich nach diesem Modell unabhängig von der Vor-, damit der Gesamtbelastung im Bereich des Zulässigen und dürfte nicht als rechtlich relevante Änderung der Sachlage gewertet werden. 51 Hansmann. in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 19; andererseits Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 38, 40, auch S. 67 f. Zum Begriff der Sicherheit: Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 86 f. Vgl. oben 5. Kapitel, I. I . c) aa). 52 Vgl. Kutscheidt, NVwZ 1983, S. 581,582. 53 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Nr. 4.1 TA Luft, Rdnr. 13 f.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

Konkretisierungsermächtigung jenes Rechtsverhältnis in zulässiger Weise nachbarschützend gestalten könnte. Das geschieht, indem die Sanierungsbedingungen der Sache nach in das Schutzgebot integriert werden. 2. Die besonderen gesetzlichen Sanierungsklauseln, § 67a Abs. 2 BlmSchG

a) § 67a Abs. 2 Nr. 1 BlmSchG

Die Ausnahmevorschrift des § 67a Abs. 2 Nr. 1 BimSchG modifiziert die Genehmigungsvoraussetzungen des § 5 Abs. I Nr. 1 BimSchG, soweit an sich bereits die Vorbelastung eine Neu- oder Änderungsgenehmigung nicht zuließe54, im Umfang normativ geringfügiger Zusatzbelastung. Dabei kann die 1 %-Klausel der Nr. 2.2.1.1 lit. b aa) TA Luft als Maßstab der Geringfügigkeit fungieren, da sie der Gesetzgeber nach historischer Auslegung seinen Vorstellungen zugrundegelegt und in das Gesetz inkorporiert hat55 . Sie beugt- jedenfalls hinsichtlich der in Nr. 2.5.1 TA Luft genannten Stoffe - einer kausal schädlichen Verschlechterung der Immissionssituation durch den Betrieb der fraglichen Anlage ausreichend vor56. Daߧ 67a Abs. 2 Nr. 1 BimSchG im übrigen keine echte (relativ einwirkungsbezogene) Sanierungsklausel statuiert, sondern die Behörde zu einer (beschränkt überprüfbaren) Prognoseentscheidung ermächtigt, schadet von daher unter dem (verfassungsrechtlichen) Aspekt des Nachbarschutzes nicht. Ist ein konkreter Sanierungserfolg - insofern ähnlich wie in Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft- nicht vorgeschrieben und demgemäß

54 Bzw. soweit sie eine nachträgliche Anordnung nach § I7 Abs. I Satz 2 BlmSchG erforderte, Nr. 4.1.2 TA Luft. 55 Vgl. die Begründung zum Gemeinsamen Entwurf der Arbeitsgruppe "Umweltrecht und Verwaltungsorganisation" der Gemeinsamen Umweltkommission zum Umweitrahrnengesetz, Art. I § 3, S. 70, wonach "Buchstabe a ... hinsichtlich der Geringfügigkeit der Zusatzbelastung der genannten Regelung (sei!.: Nr. 2.2.1.1 b) der TA Luft (folgt)", hierzu insb. Hansmann, NVwZ I991, S. 3I6, 3I7; dens. in: Landmann!Rohrner, UmweltR I, § 67a, Rdnr. 4; ferner: Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 11; Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 12, S. 125; Vallendar, in: Feldbaus, BimSehR Bd. I, § 67a BlmSchG, Anm. 4. Anders: Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. D 12: 10% des Immissionswertes. Dessen Hinweis auf Nr. 2.6.1.1 Abs. 5 TA Luft verfängt indessen nicht: Zum einen bezieht sich diese Klausel auf Emissionen, nicht die imrnissionsseitige Zusatzbelastung; vor allem aber ist sie in Situationen hoher Vorbelastung- auf die § 67a Abs. 2 BlmSchG gerade zugeschnitten ist - ausdrücklich nicht anzuwenden. Zweifelnd auch Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 48. 56 Der von Laubinger, aaO, vorgeschlagene 10 %-Wert wäre dagegen ohne zusätzliche Sanierungsbedingung sicher unzulässig. Im übrigen spezifiziert § 67a BlmSchG die von ihm angesprochenen Immissionswerte nicht weiter. Entweder ist Abs. 2 Nr. I auch auf die Werte nach Nr. 2.5.2 TA Luft anzuwenden; das bedeutete wegen der zusätzlichen gesetzlichen (Sanierungs-)Anforderungen eine Verschärfung ftir den Betreiber. Oder es bleibt für Nachteile und Belästigungen bei Nr. 2.2.I.2 c) und d) TA Luft. Mit Blick auf Enstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift gilt letzteres, Hansmann, in: Landmann! Rohmer, aaO; zum Zweck auch Laubinger, aaO, Rdnr. D 4, 12.

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nicht durch Maßnahmen gegenüber der Anlage sicherzustellen57, wirft dies, sobald eine Irrelevanzklausel den Gesundheitsschutz sicherstellt, allenfalls aus Betreibersieht die Frage nach der Bestimmtheit dieser Entscheidungsbefugnis auf. Da der Gesetzgeber nicht selbst an seine Setzungen gebunden ist, bestehen im übrigen gegen diese auf die Gegebenheiten der neuen Bundesländer zugeschnittenen Ausnahme vom Schutzgrundsatz keine Bedenken. Anders möglicherweise nur dann, wenn wirklich ins Gewicht fallende Zusatzbelastungen erlaubt werden sollen. b) § 67aAbs. 2 Nr. 2 BlmSchG Genau das geschieht in§ 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG. Diese Vorschrift verfolgt zwar ein klares Sanierungsziel, wenn sie Genehmigungen in Belastungsgebieten an eine Verminderung der Vorbelastung knüpft, die mindestens das Doppelte der von der Neuanlage verursachten Zusatzbelastung betragen muß. Die Unschädlichkeit der Zusatzbelastung selbst ist freilich mangels Irrelevanzklausel nicht gesichert. Zumindest in der Situation der nachträglichen Anordnung spielt dies wegen der besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 67a BlmSchG keine Rolle: Sind die Beeinträchtigungen durch Luftverunreinigungen in Belastungsgebieten der neuen Bundesländer vorhandenen Altanlagen(teilen) anzulasten, müssen diese dementsprechend nachträglichen Anordnungen unterworfen werden(§§ 67a Abs. 1, 17 Abs. 5, Abs.l Satz 2 BlmSchG [analog] 58). Obwohl dann Nr. 4.1.2 TA Luft auf die Vergünstigung des § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG analog anzuwenden ist und auch nachträgliche Anordnungen durch Kompensationsangebote begrenzt werden, ist hier der Umfang der Zusatzbelastung mit Blick auf die Begründung des verfassungsrechtlich gebotenen Nachbarschutzes aus der Duldungspflicht nach § 14 BlmSchG nicht von Belang. Denn§ 14 BlmSchG gilt nicht für die nach§ 67a Abs. 1 BlmSchG anzeigepflichtigen Altanlagen59 . Gegen diese kann man, wenn nicht die Behörde durch Anordnung Abhilfe schafft und solange kein förmliches Genehmigungsverfahren durchgeführt worden ist60, uneingeschränkt zivilrechtlich vor57 Nach Hansmann, aaO, genügt eine "hohe Wahrscheinlichkeit"; nach Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. II , ein "hoher Grad an Wahrscheinlichkeit"; ebenso Laubinger, in: Ule!Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. D 15; nach Vallendar, in: Feldbaus, BlmSchR, Bd. I, § 67a, Anm. 4, muß die Verminderung "sehr wahrscheinlich" sein. Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 49, hebt auf die Konkretheil der Prognosegrundlagen ab, die eine über die "bloße Hoffnung" hinausreichende "Erwartung" rechtfertigen müsse. 58 Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 7, § 67, Rdnr. 22; Laubinger, in: Ule/Laubioger, § 67a Rdnr. C 27. 59 Jarass, aaO, § 67a, Rdnr. 7, § 67, Rdnr. 23, 5. 60 Vgl. Jarass, aaO, § 14, Rdnr. 5; § 67a, Rdnr. 7, § 67, Rdnr. 24 (m. Nw.); Laubinger, in: Ule/Laubinger, § 67a, Rdnr. C 43.

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gehen -auch wenn sie sich an einer Kompensation beteiligen sollten. Eine Einschränkung des zivilrechtliehen Status liegt nicht vor. Fragt man dagegen nach der Einschränkung der Rechtsmacht durch Neuund Änderungsgenehmigungen, so verletzte es allerdings das gesetzliche Schutzprinzip des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG, Immissionsabwehr lediglich durch eine relative Minderung der Gesamtimmissionen bewirken zu wollen, ein Ziel, das nur punktuell kausal auf den Betrieb der einzelnen Anlage rekurriert, ohne entweder den Kausalbeitrag oder das Resultat der Verbesserung als solche (d.h. absolut) einwirkungsbezogen zu bewerten. Während aber das Schutzprinzip nicht seinen Urheber bindet, gewährt das Zivilrecht seinerseits Abwehransprüche ausschließlich punktuell (nicht aber räumlich einwirkungsbezogen) gegenüber demjenigen, der die Beeinträchtigung kausal herbeiführt. Genehmigungen nach § 67 Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG veru_rsachen aber nicht zusätzliche Immissionen, sondern reduzieren die Gesamtbelastung (durch den bestimmten Schadstoff) auf der jeweiligen Beurteilungsfläche. Dies geschieht zudem nach dem Gesetzeswortlaut- anders als in Nr. 2.2.1 .1 lit. b bb) TA Luft- durch eine Reduktion der - in den neuen Bundesländern häufig vergleichsweise hohen Vorbelastung, die sich also (vermittels aufschiebender Bedingung) vor Inbetriebnahme der neuen oder geänderten, im übrigen dem Stand der Technik entsprechenden Anlage61 auswirkt (vgl. Nr. 2.6.3.3 TA Luft)62. Auf deren Genehmigung gehen dadurch von Anfang an gerade keine zusätzlichen schädlichen Einflüsse zurück. Indem Sanierungsanforderungen auf diese Weise punktuell verhindern, daß Anlagengenehmigungen in Belastungsgebieten zu einer Zunahme der Immissionsbelastung führen können, erweisen sie sich als eine außerhalb von Irrelevanzklauseln unverzichtbare Basis des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der Privatrechtssphäre63 . Entscheidend für diese Konstruktion des Rechtsgüterschutzes ist freilich, daß der An1agenbetreiber i.S. kausaler Zurechnung- die andere Seite der Störerverantwortlichkeit- für den Sanierungserfolg geradezustehen hat, daß dieser also anders als etwa in Nr. 2.2.3.2 Satz 3 TA Luft durch Bedingungen verwaltungsrechtlich vollstreckbar "sichergestellt" 61 Nach der Begründung zum Gemeinsamen Entwurf der Arbeitsgruppe "Umweltrecht und Verwaltungsorganisation" der Gemeinsamen Umweltkommission zum Umweltrahmengesetz, A. (Allgemeiner Teil), Il. l.a), S. 65, stellt die Regelung in § 3 des Artikles I sicher, "daß die Genehmigungsfahigkeit eines dem neuesten technischen Standard entsprechenden Neuvorhabens nicht an der vorhandenen Vorbelastung scheitert". Vgl. ferner zu Art. I § 3, S. 71 : "Selbstverständlich sind Vorsorgeanforderungen, insbesondere zur Emissionsbegrenzung nach dem Stand der Technik, vom Setreiber einzuhalten". 62 Vgl. Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 67a, Rdnr. D 19. Unzutreffend, da bereits mit dem Gesetzestext unvereinbar die Auffassung von Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 49 in Fn. 40. 63 A.A. Hansmann, in: Landmann!Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 17, 25.

Siebtes Kapitel: Der rechtliche Schutz von Drittinteressen

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wird. Fehlt eine entsprechende abstrakt-generelle Bindung der Anlagenzulassung in Belastungsgebieten, verlangt der Maßstab der Verfassung eine punktuelle Korrektur des einwirkungsbezogenen Schutzstandards, die dem Umstand entspricht, daß der punktuelle Schutz des Zivilrechts dort (wieder) beginnt, wo der öffentlich-rechtliche Standard (verfassungsmäßig) endet. In keinem Fall ist aber eine Bedingung nur relativer Immissionsreduzierung für sich hinreichend. Wo feststeht, daß gesundheitsschädliche Umwelteinwirkungen gerade und nur von einer Anlage ausgehen, scheidet eine Zulassung durch welche gesetzliche Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Status auch immer- aus64 . Das besagen nicht die Maßgaben des Gesetzes. Es folgt aus der Verfassung. 3. Schutz "durch Vorsorge" als Auslegungsproblem

Die verfassungsrechtliche Fundierung gerade und nur der Abwehr von (zurechenbaren) Einwirkungen bekräftigt, daß sich der immissionsbetroffene Dritte grundsätzlich allein auf das Schutzgebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG berufen kann. Dagegen entfaltet das anlagenbezogene Vorsorgegebot (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG) keine drittschützende Wirkung65 . Daran ist auch für den rechtlichen Rahmen der Kompensation festzuhalten 66. Nicht nur differenziert das Gesetz im Normtext und macht klar, daß es den Nachbarschutz als notwendigen Regelungsbestandteil allein im Zusammenhang des Schutzgebots verstanden wissen wi1167 . Die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung entspricht auch der Schutzrichtung des Vorsorgegrundsatzes: Die Vorsorge dient der Minderung des Restrisikos68 . Wenn nämlich der Einwirkungsbereich einer Anlage nach aktuellem Kenntnisstand und menschlichem Ermessen ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen geschützt erscheint, sind damit in Wirklichkeit nicht sämtliche Emissionen in ihrer spezifischen Schädlichkeit erlaßt. Wäre dem so, begründete das Vorsorgegebot eine überflüssige und 64 Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. 10; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 50 will weitergehend Kompensationen dann nicht zulassen, "wenn die verbleibenden Gesundheitsgefahren hoch sind", vgl. auch aaO, S. 69. 65 Vgl. etwa BVerwG v. 22. 10. 1982, NJW 1983, S. 1507 zum Schutzgebot; BVerwGE 65, 313 (320) zum Vorsorgegebot Breuer, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Abschn., Rdnr. 182, 187; Huber, AöR 114 (1989), S. 252, 286 ff., 287, 291 ; Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 107 f.; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 189 f., 344 ff. 66 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 85. 67 § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG: "und (!)die Nachbarschaft"; § 5 Abs. I Nr. 2 mit § 3 Abs. I BlmSchG: "oder die Nachbarschaft". 68 Vgl. BVerwGE 69, 37 (43); Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 448. Eine strikte Scheidung in die Kategorien der Gefahr (Gefahrenabwehr), des Risikos (Risikovorsorge) und des Restrisikos, Breuer, NVwZ 1990, S. 211, 213 f. ist nicht möglich, vgl. insb. auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 81 ff.; Reich, Gefahr-Risiko-Restrisiko, S. 2 ff., 4.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeit von Kompensationsregelungen

unzulässige Belastung des Anlagenbetreibers. Tatsächlich läßt sich aber die Schädlichkeit einer emittierenden Anlage, der Weg also von der Emission bis zur schädlichen Immission, keineswegs in lückenlosen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen festhalten. Soweit das Vorsorgegebot gerade dieses Defizit auffängt, hat seine objektiv-rechtliche Ausgestaltung ihre volle Berechtigung. Inzwischen wird freilich eine strikte Scheidung der beiden Prinzipien des Immissionsschutzrechts zunehmend in Zweifel gezogen69, weil schließlich häufig die der Vorsorge zuzurechnende Emissionsbegrenzung den gebotenen Rechtsgüterschutz bewirke (vgl. Nr. 2.2.1.5 mit 2.3, 2.4 TA Luft) und- gewissermaßen in Vertretung des leerlaufenden Schutzprinzips - bewirken müsse. Hieran schließt sich die Frage, ob der Gesetzgeber angesichts derart ineinander verfließender Regelungsgehalte wirklich die subjektiv-rechtliche Ausprägung dem Schutzgebot habe vorbehalten, das Vorsorgegebot dagegen auf eine bloß objektive Rechtswirkung habe beschränken wollen70. Indessen geht es bei näherem Hinsehen weniger um das abstrakte Prinzip in seiner Zielrichtung, als die Mittel, die zur Erreichung eines konkreten Zwecks zur Verfügung stehen. Das Gesetz besagt aber an keiner Stelle, daß nicht in konkreten Situationen die Mittel, deren sich typischerweise die Vorsorge bedient- insbesondere also die anlagenbezogene Emissionsbegrenzung - auch den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bewirken und umgekehrt, daß nicht Immissionswerte auch einen Vorsorgezweck erfüllen könnten. Das Gegenteil trifft zu: Ganz allgemein dient nach dem Gesetzeszweck, wie bereits ausgeführt wurde, die Vorsorge, die dem Entstehen von schädlichen Umwelteinwirkungen an der Quelle begegnet, immer auch dem Immissionsschutz im engeren Sinne (vgl. § 1 BimSchG). Was an Emissionen vermieden wird, kann sich nicht mehr in Immissionen niederschlagen. Dieser zwangsläufige Zusammenhang, nach dem ausreichende Vorsorge durch Emissionsbegrenzung zugleich den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen gewährleistet, kommt auch im Regelungsinstrumentarium der TA Luft zum Ausdruck. So stellt Nr. 4.1.3 TA Luft- gewissermaßen rückblickend, aus der Perspektive der nachträglichen (Gefahren-)Anordnung - klar, . daß die zum Zweck der Emissionsbegrenzungen in Nr. 3 aufgestellten Anforderungen zugleich auch den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bewirken sollen. Das belegt etwa auch die Abwehr von Geruchsbelästigungen mit den Mitteln der Vorsorge (Nr. 3.1.9, auch Nr. 3.3.7.1.1, 3.3.7.2.1 TA Luft), und schließlich regelt Nr. 2.3 TA Luft einen besonders hervorgehobenen Anwendungsfall dieser Funktion in Gestalt einer Begrenzung der Emissionen krebserzeugender Stoffe. 69 Huber, AöR 114 (1989), S. 252, 293 ff.; vgl. auch Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 450 ff. 70 Huber, aaO, S. 294, 295.

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Die Zuordnung der Mittel des Immissionsschutzes zu Schutz- oder Vorsorgeprinzip kann dennoch Schwierigkeiten bereiten. Das Verfassungsrecht hilft in dieser Frage nach einem abstrakt-generell vermittelten Nachbarschutz nur ganz bedingt weiter. Denn für die verfassungsrechtliche Beurteilung und folglich die verfassungskonforme Auslegung kommt es darauf an, ob es überhaupt um rechtliche Anforderungen geht, die, indem sie die Betreiberpflichten konkretisieren, die punktuelle zivilrechtliche Abwehrmöglichkeit beschränken. Soweit nicht der erörterte spezifische Schutz vor Gesundheitsgefahren in Rede steht, ist das eine Frage der konkreten örtlichen Verhältnisse im Einzelfall. Ansonsten bleibt es bei der jeweiligen Ausgestaltung im einfachen, gesetzlichen und untergesetzlichen Recht. Daß hierbei einerseits die Zuordnung zu entweder § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder aber Nr. 2 BlmSchG sich nicht von selbst versteht und vom bloßen Begriff des Schutz- und Vorsorgeprinzips jeweils nur unzulänglich angeleitet wird, daß andererseits diese Zuordnung über den Umfang des Nachbarschutzes ohnehin weniger aussagt als die vorgesehene Maßnahme in ihrer konkreten Ausgestaltung und Zielrichtung, belegt beispielhaft die Regelung von Geruchsbelästigungen in den Abstandsvorschriften der Nr. 3.3.7 und allgemein nach Nr. 3.1.9 TA Luft. Die Abstandsvorschriften qualifiziert ihr systematischer Standort in der TA Luft als besonders geregelte (anlagenbezogene) Emissionsbegrenzungen. Ihrem Inhalt nach beugen sie aber nicht etwa (begrenzend) dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vor, wie es dem gesetzlichen Bild der Vorsorge entspräche (vgl. § 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG). Sie verhindern, daß schutzbedürftige Dritte von - bereits hervorgerufenen Geruchsimmissionen betroffen werden. Damit setzen sie wohl das in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG niedergelegte Schutzgebot um, und damit scheint auch ihr drittschützender Charakter gesichert. Kann indessen allein die Zuordnung zum Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG den Ausschlag in der Frage des Nachbarschutzes geben? Wenn demgegenüber die allgemeine Vorschrift der Nr. 3.1.9 TA Luft über geruchsintensive Stoffe, weil olfaktometrische Meßmethoden keine Grenzwerte erlauben71 , stattdessen Emissionsbegrenzungen an der Quelle vorschreibt, um Geruchsbelästigungen vorzubeugen, so entspricht das der Ermächtigung in §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 48 Nr. 2 BlmSchG. Also müßte eine drittschützende Wirkung jener Vorschrift von vomherein ausscheiden. Der Normgeber wollte aber das Mittel der Emissionsbegrenzung gerade zum Schutz der Umgebung einsetzen: Die Festlegung der Anforderungen im Einzelfall muß maßgeblich neben Qualität und Umfang des Schadstoffausstoßes die örtlichen Ausbreitungsbedingungen und vor allem den "Abstand der Anlage zur nächsten vorhandenen oder geplanten Wohnbebauung" berücksichtigen (Nr. 3.1.9 Abs. 3 TA Luft). Dieses Gebot des Vorschriftengebers, den Schadstoffausstoß entsprechend dem Abstand von schutzbedürftiger baulicher Nutzung zu begrenzen, dient seinem Sinn und Zweck nach allein dem Schutz vor Geruchseinwirkun71 Kalmhach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 78, S. 187.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

gen, wirkt also drittschützend. Auf Nr. 3.1.9 TA Luft kann sich daher der Nachbar ebenso wie auf die Abstandsvorschriften kraft abstrakt-genereller (untergesetzlicher) Anordnung berufen72 . Die Möglichkeit Drittschutz - auch im Vorsorgebereich - zu gewähren, hängt also von gewissen tatsächlichen (Ursache-Wirkungs-) Zusammenhängen ab. Das Mittel (lmmissionswert oder Emissionsbegrenzung) stellt dabei regelmäßig nur ein Indiz jener Zusammenhänge dar, !;las Rückschlüsse auf den möglichen Zweck zuläßt. Aber auch die vom Mittel unabhängige ausdrückliche Zuordnung zum Schutzgrundsatz reicht umgekehrt für sich nicht schon aus, nachbarschützende Normwirkungen zu erzeugen. Denn es ist denkbar, daß sich eine Norm ihrem Wortlaut nach dem Schutzgrundsatz verschreibt (so etwa in § 49 BlmSchG), ohne daß ihre untergesetzliche Konkretisierung zwangsläufig in der Sache drittwirkende Rechtspositionen begründen muß73 . Der drittschützende Charakter rechtlicher Anforderungen ist alles in allem vorrangig eine Frage der KonkretheU des jeweiligen Regelungszwecks. Ist der durch Interpretation zu erhebende Zweck im Sinne des Drittschutzes bestimmt, können die Mittel auch anlagenbezogen und damit unspezifisch ausgestaltet werden. Wenn sich aber der konkrete Regelungszweck erst in der Auslegung einer untergesetzlichen Vorschrift erschließt, so steht damit im Zweifelsfall ihr drittschützender Charakter fest, nicht dagegen die sachliche (allein entscheidende) Zugehörigkeit zu Schutz- oder Vorsorgegebot. Denn ob gerade die Schwelle der erheblichen Beeinträchtigung eingehalten oder weiterreichender (vorsorgender) Schutz gewährt werden sollte, lassen Vorschriften wie die oben angeführten der TA Luft, die vor Geruchsimmissionen schützen, häufig nicht erkennen. Das führt zu der Frage, inwieweit es der untergesetzlichen Normgebung im Rahmen der geltenden Rechtslage überlassen bleiben kann, drittschützende Regelungen zu treffen und etwa individualschützende Vorsorgestandards74 zu schaffen75 , oder wo der Drittschutz von Gesetzes oder Verfassung wegen einsetzt. Inwieweit der Nachbarschutz, wenn es es um gezielte Gefahrenabwehr geht, vorrangig nach diesem Zweck und unabhängig vom konkret gewählten Mittel zu beurteilen ist, belegt die immissionsschutzrechtliche Abwehr der 72 Jarass, BlmSchG, § 5, Rdnr. 25a; vgl. andererseits dens., aaO, Rdnr. 50 ff., 52, wo die Abstandsvorschriften- entgegen auch der Wertung in Rdnr. 109- der raumbezogenen Vorsorge zugerechnet werden. 73 Jarass, aaO, § 49, Rdnr. I, 18. 74 Vgl. Breuer, Neuere Entwicklungen im lmmissionsschutzrecht, S. 158, 174; Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 283 f. 75 Nicht eindeutig insoweit Breuer, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 158, 175 f. , wenn er meint, daß solchen Standards drittschützender Charakter zuzuerkennen wäre. Bejahend wohl Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 454; Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 283 f.

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Krebsgefahr76 . Sie weist zugleich auf die Notwendigkeit eines bestimmten Zurechnungsralunens hin: Der Vorschriftengeber der TA Luft steuert den nachteiligen Wirkungen krebserzeugender Stoffe in Nr. 2.2.1.5, 2.3 nach Art der Vorsorge über Emissionsbegrenzungen. Das liegt nicht daran, daß die Schadstoffimmissionen dem jeweiligen Betreiber nicht mehr zurechenbar wären und in diesem Sinne in den Bereich des Restrisikos fielen 77 ; weder fehlt es am konkret begründeten, nach Teil III Ader MAK-Werte-Liste sogar eindeutig erwiesenen Schädlichkeitsverdacht78, noch können die Transportwege zwischen Anlage und Ort des Schadstoffniederschlags nicht nachvollzogen werden. Nur werden gerade der krebserregenden Wirkung eines Schadstoffes herkömmliche Immissionswerte nie gerecht, weil sich Schwellenwerte für unbedenkliche Einwirkungen aufgrund der spezifischen (im Hinblick auf den einzelnen stochastischen) Erscheinungsweise der Krebserkrankung nicht angeben lassen79 . Der Gesundheitsschutz muß angesichts dieser Sachlage - ohne daß dies im Hinblick auf seine Effizienz schon das letzte Wort wäre80 - zwangsläufig andere Wege gehen81, etwa wie in Nr. 2.3 TA Luft mit dem Mittel der Emissionsbegrenzung arbeiten. Er verliert darüber aber nicht seinen gefahrenabwehrenden Charakter82, und folgerichtig begrenzt die TA Luft den Ausstoß kanzerogener Stoffe "zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen" und gerade im Rahmen ihrer wirkungsbezogenen Bestimmungen (unter Nr. 2), ordnet sie mithin dem Schutzgrundsatz nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG zu. Bekundet dieser in Formulierung und systematischer Zuordnung zum Ausdruck gebrachte Bezug den nachbarschützenden Charakter der fraglichen Emissionsbegrenzungen83, so ist damit noch nicht geklärt, inwieweit er möglicherweise eine freibleibende Option des untergesetzlichen Vorschriftengebers darstellt. § 5 Abs. I Nr. 1 BlmSchG sieht schließlich eine Rechtsposition Dritter 76 Breuer, aaO, S. 174 nach Fn. 81. 77 Vgl. Breuer, aaO, S. 171. Für Cadmium existieren denn auch Immissionswerte in Nr. 2.5 TA Luft; die kanzerogene Wirkung hat sich in diesem Fall erst neuerdings erwiesen, Kalmbach/ Schmölling, TA Luft, Rdnr. 29, S. 141, Rdnr. 44a, 45a, S. 161, 163. 78 Vgl. Kalmbach/Schmölling, aaO, Rdnr. 29, S. 140 ff. 79 Dies., aaO, Rdnr. 27, 28, S. 139; Breuer, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 158, 165, 169; Feldhaus/Ludwig, DVBI. 1983, S. 565, 573; Feldhaus/Ludwig/Davids, DVBI. 1986, S. 641, 651 ; Hansmann, in: Landmann!Rohmer, Umwe1tR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 33; Rid/Hamann, UPR 1988, S. 44, 45 bei und in Fn. 2; Roßnagel, in: Koch!Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 188 f., 192. Allgemein auch Rehbinder, Festschrift Sendler, S. 269, 283 f. 80 Zu Neuansätzen Breuer, aaO, insb. S. 171 ff.; Roßnagel, aaO, Rdnr. 383 ff. 81 Bereits jetzt folgt also die TA Luft "dem Vorsorgegedanken, zieltjedoch auf die Erfüllung des Schutzgrundsatzes", wie Breuer, aaO, S. 174, die Eigenart indivualschützender Vorsergestandards umschreibt. 82 Anders Huber, AöR 114 (1989), S. 252, 295 f.; Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 349; wie hier dagegen Jarass, BimSchG, § 5, Rdnr. 109; Rid/Hamann, UPR 1988, S. 44,45 mit Fn. 2. 83 Jarass, aaO, Rdnr. 25a, 109. 19 Endcrs

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zunächst nur im Grundsatz vor, um (i.V.m. § 48 BimSchG) die weitere Konkretisierung dem Vorschriftengeber zu überlassen. Lassen sich aber die Wirkungen von Schadstoffen nicht sicher genug bestimmen, so präzisiert sich, vor allem wenn es wie hier um ein hohes Gesundheitsrisiko geht, die normative Aussage bereits weitgehend auf Gesetzesebene. Denn - um auf die polizeirechtlichen Kriterien zurückzukommen - wer die potentiell schädlichen Immissionen hervorgerufen hat und damit gegebenenfalls als "Störer" verantwortlich ist, steht fest. Die Schädlichkeit der von der Anlage zurechenbar hervorgerufenen Immissionen ist dann eine Frage vorbeugender Gefahrenabwehr und nach der bekannten Je-desto-Formel 84 zu ermitteln: Je gravierender der zu befürchtende Schaden (nach Zahl und/oder Gewicht der betroffenen Rechtsgüter), desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen. Wird die Nachbarschaft einer Anlage möglicherweise krebserzeugenden Immissionen ausgesetzt, so ist das hochrangige Rechtsgut Leben betroffen. Sobald nun ein konkreter Schädlichkeitsverdacht existiert, weil ein Wirkstoff als schädlich, etwa nach Teil III Ader MAK-Werte-Liste als eindeutig krebserzeugend ausgewiesen ist, kann im übrigen die genaue Wirkungsweise der einzelnen Immissionen auf den Menschen dahinstehen. Dies schon deshalb, weil der Schadenseintritt nach der Vermutungsregel des § 5 Abs. I Nr. I BimSchG hinreichend wahrscheinlich vermieden werden muß und Zweifel insofern zu Lasten des Betreibers gehen. Und dieses Resultat läßt sich angesichts der Parallele zu dem oben für geruchsintensive Stoffe erhobenen Befund verallgemeinern: Aus der Unsicherheit über die genaue (natunvissenschaftlich zu bestimmende, kausale) Wirkung von (zurechenbaren) Schadstoffimmissionen resultiert regelmäßig ein- nachbarschützendes-gesetzliches Verbot schädlicher Emissionen85 . Dabei wirkt sich eine präsumtiv größere Gefährlichkeit der Schadstoffe nicht auf den nachbarschützenden Charakter der Schutznormen, vielmehr auf den sachlichen Umfang des gewährten Schutzes aus. Wenn daher die Forderung, die Emissionen krebserzeugender Stoffe "so weit wie möglich zu begrenzen", von Nr. 2.3 Abs. 1 TA Luft unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit gestellt wird86, so scheint diese Einschränkung leerzulaufen: Das aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG folgende Verbot der Drittschädigung kann in Anbetracht eines hohen Gesundheitsrisikos ohne Verstoß gegen die Verfassung vorschrei84 Allgemein Martens, in: Drews/WackeNogeVMartens, Gefahrenabwehr, S. 224 f. Breuer, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 158, 171; Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 85 f., 149 ff.; BVerwGE 88, 348 (351 m. Nw.). 85 Anders Petersen, Schutz und Vorsorge, S. 234 f., 349. 86 Kalmbach/Schmölling, TA Luft, Rdnr. 28, S. 139: "scheinbar absolutes Minimierungsgebot". Vgl. zur Grenze der Verhältnismäßigkeit auch Breuer, Neuere Entwicklungen im lmmissionsschutzrecht, S. 158, 170, 174.

Siebtes Kapitel: Der rechtliche Schutz von Drittinteressen

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ben, Emissionen ggf. gänzlich zu unterlassen, wenn sich andernfalls mangels exakter Wirkungskenntnisse erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht hinreichend sicher ausschließen lassen. Daß gleichwohl im Ergebnis nicht die Null-Emission als letzte Konsequenz eines absoluten Minimierungsgebots vorgesehen ist, läßt sich deshalb sowohl im Hinblick auf die derzeit geltenden Emissionsbegrenzungen als auch auf künftige individualschützende Einwirkungsstandards lediglich damit erklären und gegenüber dem - insoweit verfassungsrechtlich fundierten - Schutzgebot allein dadurch rechtfertigen, daß bei Einhaltung bestimmter (Emissions- oder Immissions-) Werte nur irrelevante Immissionsbeiträge87 auftreten, die "vor der kritischen Grenze im sicheren Bereich" liegen 88. Auch wenn eine bestimmte Regelungstechnik hierbei nicht vorgeschrieben ist89, bedeutet das nicht, daß nicht die Irrelevanz potentiell krebserzeugender Immissionen auf fortschrittlichem Niveau möglichst exakt zu bestimmen und sodann durch angemessene Vorkehrungen zu gewährleisten wäre9°. Vor allem aber ist es, wenn ein exakter Schwellenwert (gesundheits-) schädlicher Wirkungen nicht bezeichnet werden kann, nicht ratsam, von individualschützenden Vorsorgestandards zu sprechen. Denn es ist nicht in das freie Ermessen der normkonkretisierenden Verwaltung gestellt, diese der Gefahrenabwehr dienende Grenze mit drittschützender Wirkung auszustatten. Diese Konstellationen, in denen sich der Vorschriftengeber mangels exakter Schwellenwerte schädlicher Umwelteinwirkungen der Mittel der Vorsorge bedient, um den Schutz immissionsbetroffener Dritter - etwa vor geruchsintensiven oder krebserzeugenden Stoffen- zu gewährleisten, sind § 5 Abs. 1 Nr. 1, nicht § 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG zuzurechnen. Mögliche Ausgleichsmaßnahmen fallen deshalb nicht unter die Ermächtigung der §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BimSchG, sondern sind an den Erfordernissen des Schutzgebots zu orientieren. Jedoch kommen sie von vornherein überhaupt nur in Betracht, wenn sich (einwirkungsbezogene) Bewertungs- und Vergleichsparameter finden lassen, die es erlauben, wirkungsgleiche Schadstoffmengen zu bestimmen91 . Eine Kompensation etwa in Ansehung kanzerogener Stoffe scheidet nach den derzeitigen Gegebenheiten aus92, was nicht zuletzt in der anlagenbezogenen Dynamisierungsklausel der Nr. 2.3 Abs. l TA Luft Ausdruck findet, die verlangt, die 87 Kalmbach/Schmölling, aaO, Rdnr. 23, S. 137; Breuer, aaO, S. 170. 88 Breuer, aaO, S. 174. 89 Breuer, aaO, S. 176; Roßnage I, in: Koch/Scheuing, GK-BimSchG, § 5, Rdnr. 391 f. 90 Auch Roßnagel, aaO, Rdnr. 383 ff., 390, plädiert in dieser Situation aus Praktikabilitätser-

wägungen für die Anwendung eines Konzepts "auf der Basis des Synthesemodells des Länderausschusses für Immissionsschutz", das derzeit den vergleichsweise intensivsten Schutz biete. 91 Vgl. Breuer, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 158, 175 in Fn. 87. 92 Ebenso Roßnagel, in: Koch/Scheuing, GK-BlmSchG, § 7, Rdnr. 140. Auch im Bereich der Geruchsbelästigungen stößt im übrigen eine Kompensation auf in der Natur der Sache begründete, tatsächliche Schwierigkeiten. !9•

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

Emissionen krebserzeugender Stoffe "so weit wie möglich zu begrenzen". Existieren freilich einwirkungsbezogene Parameter, greift der von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG im Interesse des Gesundheitsschutzes immissionsbetroffener Dritter geschaffene Abwehranspruch in einem untergesetzlich näher zu konkretisierenden Umfang Platz. Außerhalb solcher Grenzzonen der Schädlichkeit kann grundsätzlich eine drittschützende Konkretisierung eines weiter gefaßten Regelungszwecks dann erfolgen, wenn die Ursache-Wirkungs-Beziehungen eine exakte Mittelvorgabe erlauben. Immissionswerte lassen sich daher, davon war bereits die Rede, als Immissionsleitwerte in den Dienst der Vorsorge stellen, um den großräumig ausgelegten Vorsorgezweck gebietsbezogen zugunsten eines vorgelagerten Drittschutzes im Vorsorgebereich einzugrenzen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 3 BlmSchG). Jedoch ist das in dieser Form nur denkbar, soweit überhaupt Schwellenwerte angegeben werden können. Wenn dann Immissionsleitwerte in ihrem Aussage- und Wertgehalt ausdrücklich unterhalb der Erheblichkeitsschwelle hinlänglich bekannter Schadstoffwirkungen bleiben, statuieren sie nicht mehr ohne weiteres korrespondierende subjektive öffentliche Rechte Drittbetroffener. Sie können aber nachbarschützend formuliert werden93, weil und soweit sie in ihrer Regelungsstruktur einer einwirkungsbezogenen Sicht verpflichtet sind, ohne daß dem der Vorsorgezweck als immer schon hinreichende Bedingung einer strikt objektiv-rechtlichen Ausrichtung der Maßnahmen im Wege stünde. Unter diesen Voraussetzungen können Dritte auch gegen Kompensationen vorgehen, die, sobald sie mehr bezwecken als die Herstellung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. I Nr. 2 BlmSchG einer besonderen untergesetzlichen Ermächtigung bedürfen.

m.

Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarn

Soweit Ausgleichsmaßnahmen mit Blick auf die Wahrung des Schutzgebots vorgenommen werden, also zur Einhaltung von Schädlichkeitswerten oder nach Maßgabe der Sanierungsklauseln in § 67 Abs. 2 Nr. 2 BlrnSchG oder Nr. 2.2.1.1 lit. b TA Luft94 berühren sie grundsätzlich drittschützende Rechtspositionen. Der Rechtsschutz richtet sich dann in erster Linie gegen die (Änderungs-)Genehmigung der von der Kompensation begünstigten Anlage. Zwar muß sich auch der Betreiber der aktiv immissionsmindernden Anlage von betroffenen Dritten künftig an einer Genehmigung festhalten lassen, deren von 93 Breuer, Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, S. 158, 174. Kutscheidt, Festschrift Redeker, S. 439, 453, 454. 94 Bzw. der auf diese Vorschrift verweisenden Nr. 2.2.1.2 lit. b oder Nr. 2.2.3.2 Satz I TA Luft.

Siebtes Kapitel: Der rechtliche Schutz von Drittinteressen

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ihm zugesagte Sanierungsmaßnahmen gegebenenfalls bedürfen. Die Kompensation muß infolge des insgesamt begrenzten Belastungspotentials die Nutzungsbefugnisse neu ordnen und kann nicht völlig eingriffsneutral durchgeführt werden. Für die Nachbarn äußert sich dies in einem nach erfolglosem Widerspruch mit der Verpflichtungsklage geltend zu machenden Anspruch auf Einschreiten (vgl. § 20 Abs. 2 BlmSchG)95 . Den materiellen Maßstab der erforderlichen Anlagenänderungen und damit des Genehmigungsumfangs gibt aber die an den begünstigten Belreiber gerichtete bedingte Genehmigung ab. Das Recht immissionsbetroffener Dritter auf ausreichenden Schutz richtet sich darum primär mit Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diesen Hoheitsakt der Genehmigung, dem eine den Drittschutz ausreichend sichernde Bedingung beizufügen ist96 . Auch auf die Einhaltung der (aufschiebenden oder auflösenden) Bedingungen haben die Dritten einen Anspruch und können demgemäß nach § 20 Abs. 2 BlmSchG ein Einschreiten der Behörde verlangen und mit Widerspruch und Verpflichtungsklage verfolgen, wenn der begünstigte Belreiber seine Anlage vor Eintritt der aufschiebenden Bedingung (immissonsmindernder Sanierungsmaßnahmen an der aktiv beteiligten Anlage) in Betrieb nimmt oder weiter betreibt, obwohl die auflösende Bedingung (Verspätung der Sanierung) eingetreten ist97 . Dasselbe muß gelten, wenn die genehmigten Sanierungsmaßnahmen ihrem Umfang nach nicht der (aufschiebenden oder auflösenden) Bedingung entsprechen. Denn auch dann wird die begünstigte Anlage insoweit ohne Genehmigung betrieben. Die Situation der nachträglichen Anordnung (zur Durchsetzung der Schutzwerte oder von Sanierungsmaßnahmen gern. Nr. 4.1.2 TA Luft) stellt sich nicht anders dar. Auch auf Erlaß einer den Anforderungen des Nachbarschutzes genügenden (aufschiebend bedingten) nachträglichen Anordnung (hilfsweise auf den Widerruf der Genehmigung)98 und ebenso die vollstreckungsweise oder anderweitige (§ 20 Abs. 1, Abs. 2 BlmSchG) Durchsetzung solcher Schutzmaßnahmen besteht ein mit Widerspruch und Verpflichtungsklage zu realisierender Anspruch99 . Dagegen können sich Nachbarn - sieht man davon ab, daß raumbezogene Vorsorge ausnahmsweise örtliche Immissionsverhältnisse im Einzelfall zweckwidrig verschlechtern könnte - außerhalb des engeren Bereichs der Ausgleichsmaßnahmen, die in Erfüllung des Schutzgebots durchgeführt werden, gegen Kompensationen rechtlich nur zur Wehr setzen, soweit der untergesetzliche Normgeber im Rahmen raumbezogener Vorsorge die Möglichkeit des 95 Jarass, BlmSchG, § 20, Rdnr. 18, 30. 96 Jarass, aaO, § 6, Rdnr. 34 ff., § 12, Rdnr. 26. 97 Vgl. Jarass, aaO, § 20, Rdnr. 22, 30. 98 Vgl. Hansmann, in: Landmann-Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr. 79; Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 51 f.; § 21, Rdnr. 22. A.A. für§ 21 Stich/Porger, BlmSchG, § 21, Anm. 36. 99 Vgl. Jarass, aaO, § 17, Rdnr. 53.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

Drittschutzes gezielt eröffnet hat. Dieser Rechtsschutz wäre dann analog jenem im Immissionsbereich in allererster Linie gegen die begünstigte Anlage gerichtet. Dagegen kann die Rechtswidrigkeit von Maßnahmen der typischerweise an Emissionsgrenzwerte gebundenen großräumigen Vorsorge und ebenso der ihr zugehörigen Kompensation nach §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG von Dritten grundsätzlich nicht geltend gemacht werden. Hier hat es mit dem Schutzgebot und seinen untergesetzlichen Konkretisierungen sein Bewenden.

Achtes Kapitel

Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes I. Der Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes 1. Immissionsabwehr ~ § 67a Abs. 2 BlmSchG

Der überkommene verwaltungsrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit besagt im positiven Sinne, daß die Verwaltung nicht ohne ermächtigendes Gesetz (oder außerhalb eines solchen) in Freiheit und Eigentum der Bürger einzugreifen befugt ist 100. Die unter dem Grundgesetz neu hinzutretende Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung und die Grundrechte insbesondere (Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG) hat zu zwei Erweiterungen des Grundsatzes geführt: Die eine bekräftigt im Grunde nur einen bereits zuvor anerkannten Teilaspekt, nach dem eine Regelung von völliger Unbestimmtheit der Funktion der freiheitssichernden, gesetzlichen Eingriffsermächtigung nicht genügen kann 101 . Mit seinen Eingriffsemiächtigungen muß der Gesetzgeber Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs hinreichend bestimmt festlegen 102. Daß der Gesetzgeber das- vor allem für die Grundrechtsausübung- Wesentliche selbst zu regeln habe und nicht der Verwaltung überlassen dürfe, lautet heute die über den Eingriffsbereich noch hinausweisende Aussage der sog. Wesentlichkeitslehre103. Die andere und in ihrem normativen Gehalt wirklich neue 100 Anschütz, WRV, Vorbem. zum Zweiten Hauptteil, Anm. 5, S. 511, Art. 114, Anm. 2, S. S44; vgl. auch Biickenfiirde, Recht, Staat, Freiheit, S. 143, 149m. Fn. 26; 101 Vgl. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 140. 102 BVerfGE 8, 274 (32S f.); 9, 137 (146); 20, ISO (ISS ff.); vgl. auch BVerfGE 48, 210 (221 f.). Anders Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 81. 103 lnsb. BVerfGE 49, 89 (126 ff.); hierzu Biickenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 37S, 391 ff. Zum Zusammenhang mit dem Schutzpflichtgedanken Enders, Leistungsfähigkeit des Rechts, S. 1S7, 164 in Fn. 24 und AöR 115 (1990), S. 610, 630 ff. Selbst wenn man zu Unrechtwie etwa Wahl/Masing, JZ 1990, S. S53 ff.- Abwehrrichtung und Schutzfunktion der Grundrechte - der letztere Begriff bei Jarass, AöR II 0 (198S), S. 363, 369 - für kompatibel hielte, bedarf es des Parlamentsvorbehalts der Wesentlichkeilslehre um die staatsgerichtete Rechtsposition des Bürgers konstruktiv zu vervollständigen. Nur jener, nicht die Schutzpflicht gibt ex ante Auskunft über den

Achtes Kapitel: Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes

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Konsequenz der Grundrechtsbindung begegnet im Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit Aus dem Vorbehalt des Gesetzes wird der in den einzelnen Grundrechtsgewährleistungen wiederzufindende Vorbehalt des verhältnismäßigen (Eingriffs-)Gesetzes 104. a) § 67a Abs. 2 Nr. 1 BlmSchG

Die untergesetzlichen Kompensationsregelungen der TA Luft (Nr. 2.2.1.1 lit. b, 2.2.1.2 lit. b, 2.2.3.2 Satz 1, 4.1.2) enthalten aufgrund der Irrelevanzklausel sämtlich Konkretisierungen des Schutzgebots und nehmen an dessen Verfassungsmäßigkeit teil. Mit § 67a Abs. 2 BlmSchG hat der Gesetzgeber demgegenüber nicht die Zulassungsvoraussetzungen der§§ 6 Nr. 1, 5 Abs. I Nr. I BlmSchG konkretisiert. Er hat, räumlich beschränkt auf das Gebiet der neuen Bundesländer und mit Rücksicht auf die dort erhebliche Immissionsvorbelastung, neu bestimmt, welche Rechtsposition der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage(§ 4 BlmSchG) nach dem Schutzgebot von Gesetzes wegen inne hat. Hierbei wird zwar, damit Investitionstätigkeit und in der Folge Erneuerung des Anlagenbestands nicht wegen der strengen Anforderungen des Immissionsschutzrechts zum Erliegen kommen, die Schädlichkeitsgrenze zugunsten des Setreibers verschoben. Die Vorschrift eröffnet indessen im Gegensatz zu den Kompensationsregelungen des Emissionsbereichs keine Wahlmöglichkeit zwischen den zwingenden allgemeinen und freigestellten besonderen Voraussetzungen zulässigen Anlagenbetriebs. Sie geht vielmehr gerade von dessen Unzulässigkeit aus, hebt die bestehenden Freiheitsschranken auf und ersetzt das unbedingte allgemeine durch ein weiter relativiertes Verbot, stellt darum als Neudefinition der Rechtsstellung des Betreibers einen selbständigen Eingriff dar, der an den oben dargelegten Anforderungen zu messen ist. Was § 67a Abs. 2 Nr. I BlmSchG betrifft, müssen vor allem die rechtlichen Grenzen der dort der Behörde übertragenen Prognoseentscheidung hinreichend feststehen, soll die Vorschrift insgesamt vor dem Bestimmtheitsgrundsatz Bestand haben. In Anbetracht des Prognosezeitraums von fünf Jahren und der Vielfalt der - zumal in der Sondersituation der neuen Bundesländer - zu berücksichtigenden Umstände kann man das mit Fug und Recht bezweifeln: Die tatbestandliehe Bedingung bloß geringfügiger Zusatzbelastung läßt sich unter Zuhilfenahme der Entstehungsgeschichte im Sinne der Irrelevanz-Klausel der TA Luft deuten 105. Der vom Gesetzgeber vorgestellte Wahrscheinlichkeitszu begehrenden (verfassungswidrig unterlassenen) Akt öffentlicher Gewalt, damit den richtigen Verpflichtungsadressaten innerhalb des staatlichen Funktionenzusammenhangs. Der Eingriffsvorbehalt entfaltet seine Wirkung dagegen erst nach einem staatlichen Handlungsentschluß. 104 BVerfGE 7, 377 (403); Schlink, EuGRZ 1984, S. 457,459 f. 105 Vgl. oben 5. Kapitel, 7. Kapitel II. 2.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

grad 106 ist indessen kaum noch maßstäblich nachzuvollziehen, gibt also, auch wenn man konkrete Prognosegrundlagen fordert 107 eine weitestgehend ungebundene Einzelfall-Entscheidung frei 108. Jedenfalls läßt sich aber, wann mit einer "deutlichen" Verminderung der Immissionsbelastung zu rechnen ist, nicht mehr dem Gesetz entnehmen: Das Gesetz selbst definiert den Begriff der "deutlichen Verminderung" der Immissionsbelastung nicht, verwendet ihn auch an keiner anderen Stelle 109. Die TA Luft läßt in Nr. 2.2.1.1 lit. b bb) nach allgemeiner Auffassung gerade relative und geringfügige (nicht kennzahlrelevante) Verbesserungen der Immissionslage ausreichen. Die darüber bewußt hinausgehende Behauptung, die Verminderung der Immissionsbelastung müsse sich nach § 67a Abs. 2 Nr. I BimSchG in der Kennzahl der Gesamtbelastung auswirken, um das Prädikat "deutlich" zu verdienen 110, findet keinen Rückhalt im Gesetz 111 . Ob nun bereits eine geringere, aber merkliche Verbesserung genügt, oder es möglicherweise- in Anbetracht des Zeitraums von immerhin fünf Jahren - einer ganz erheblichen Reduzierung der Immissionsbelastung bedarf, um die Anlage oder ihre Änderung genehmigungsfähig zu machen: Das Gesetz schweigt und die Entstehungsgeschichte bringt es diesmal nicht zum Sprechen112, so daß im Falle einer Überschreitung der Schädlichkeitsgrenze die Genehmigungsentscheidung (oder nachträgliche Anordnung) gegenüber demjenigen, der keine Kompensation nach§ 67a Abs. 2 Nr. 2 BimSchG oder auch Nr. 2.2.I, 2.2.3.2 Satz I TA Luft (ggf. mit Nr. 4.1.2 TA Luft) anbieten kann, in un106 Nach Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, § 67a BlmSchG, Rdnr. 4, genügt eine "hohe Wahrscheinlichkeit"; nach Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I, § 67a, Anm. 4, muß die Verminderung "sehr wahrscheinlich" sein. 107 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 49. 108 Müggenborg, NVwZ 1991, S. 735,743. 109 Müggenborg, NVwZ 1991, S. 735, 743. Dessen Hinweis auf§§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG liegt freilich neben der Sache, da es dort um Emissionen, nicht die Immissionsbelastung geht. IIO Hansmann, NVwZ 1991, S . 316, 317 bei Fn. 17, 18; vgl. auch dens., in: Landmann/ Rohmer, UmweltR I, Nr. 2.2.1.1 TA Luft, Rdnr. 27 (anders ders., aaO, § 67a BlmSchG, Rdnr. 4: I% des IWI); Jarass, BlmSchG, § 67a, Rdnr. II; Vallendar, in: Feldhaus, BlmSchR, Bd. I.§ 67a, Anm. 4. Ähnlich Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 48. - Bei Nr. 2.2.1.1 lit. b TA Luft sind keine Kenngrößen zu bilden, eine Reduzierung der Immissionsbelastung ergibt sich, unter Voraussetzung der bestehenden Belastungssituation, rein rechnerisch aus der Differenz von wegfallenden und hinzukommenden Immissionen. Eine numerische Herabsetzung der Kenngröße des Langzeitimmissionswertes wäre kaum zu erreichen, da sich die Kenngröße nach Nr. 2.6.5. I Abs. 2 an der Stellenzahl des Immissionswertes gern. 2.5 zu' orientieren hat, die Verminderung folglich in einem für diese Stellenzahl relevanten Umfang erfolgen muß; vgl. BR-Drs. 528/82, - Beschluß, Nr. 6. III Anders denn auch Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 67 a, Rdnr. D 14, anknüpfend an seine andere Definition der "geringfügigen" Zusatzbelastung, aaO, Rdnr. D 12. 112 Auch die Begründung zum Gemeinsamen Entwurf der Arbeitsgruppe "Umweltrecht und Verwaltungsorganisation" der Gemeinsamen Umweltkommission zum Umweltrahmengesetz, Art. I § 3, S. 70, spricht ohne weitere Präzisierung lediglich von einer "Verbesserung der Immissionssituation im Einwirkungsbereich".

Achtes Kapitel: Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes

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zulässigem Umfang in die Hände der Verwaltung gegeben ist. Daß das Schutzprinzip (jedenfalls mittelbar) die "Bewirtschaftung" des Umweltmediums Luft nicht nur zuläßt, sondern sogar verlangt 113 , räumt dieses Bedenken keineswegs aus: Durch § 67a Abs. 2 Nr. l BlmSchG wird nicht etwa ein Auftrag zu untergesetzlicher Normgebung erteilt. Es wird unmittelbar die im Einzelfall zuständige Behörde ermächtigt, der aber die "Bewirtschaftsentscheidung", die mit der tatbestandlieh weitgehend ungebundenen Einschätzung der künftigen Immissionssituation einhergeht, gerade nicht zustehen kann 114. Ganz ungeachtet der - richtigerweise zu bejahenden - Frage also, ob man darin einen nicht hebbaren Normwiderspruch zur strikten Anspruchsregelung des § 6 Nr. l BlmSchG sehen will: § 67a Abs. 2 Nr. 1 BlmSchG ist wegen Unbestimmtheit (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig. Auf solche nach § 67a Abs. 2 Nr. 1 BlmSchG erteilten Genehmigungen ist § 48 (L)VwVfG anzuwenden. Sie sind von der Behörde (analog § 17 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG 115) zurückzunehmen, wenn die Nachbesserungsanforderungen, weil übermäßig belastend, nurmehr ausgleichspflichtig geltend gemacht werden können. Im übrigen eröffnen sich mit der Verfassungswidrigkeit des § 67a Abs. 2 Nr. 1 BlmSchG wieder Möglichkeiten einer Kompensation nach § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG (mit Nr. 4.1.2 TA Luft), an der sich die rechtswidrig genehmigten Anlagen auf Aktiv- wie Passivseite beteiligen können, ohne daß es - wegen der einwirkungsbezogen immer möglichen Erfolgskontrolle der Ausgleichsmaßnahmen - darauf ankäme, ob es sich um verhältnismäßige oder unverhältnismäßige Anforderungen handelt. Nur kann der Anlagenbelreiber auf Aktivseite nicht anbieten, was er ohnehin schuldet. b) § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG § 67a Abs. 2 Nr. 2 BlmSchG stellt dagegen sein Sanierungsziel-eine Verminderung der Vorbelastung, die die von der Neuanlage verursachte Zusatzbelastung um mindestens das Doppelte übertreffen muß - mit aller wünschenswerten Deutlichkeit heraus. Da die Verfassungsmäßigkeit des - schärferen Schutzgebots nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG keinerlei Zweifeln unterliegt, könnte man allenfalls fragen, ob die Sanierungsanforderung, die schließlich mittelbar vom Antragsteller zu erfüllen ist und folgerichtig als aufschiebende Bedingung zur Genehmigung seine Rechtsposition begrenzt, in diesem be113 Vgl. oben 2. Kapitel, III. I. Noch weitergehend Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 360 f. 114 So auch Murswiek, Die staatliche Verantwortung, S. 360. 115 Insofern ohne Rücksicht auf die Jahresfrist des§ 48 Abs. 4 (L)VwVfG, vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I,§ 21 BlmSchG, Rdnr. 3.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

trächtlichen Umfang gerechtfertigt ist. Anders als die in einem engen Spielraum befangene Konkretisierungsbefugnis der Verwaltung muß sich die originäre Rechtsetzungsmacht des parlamentarischen Gesetzgebers auch insofern unmittelbar vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen und an die eigene Zwecksetzung (§ I BimSchG) binden lassen. Daß das Sanierungsgebot geeignet ist, den Schutz der Allgemeinheit und Nachbarschaft zu bewirken, indem es die Immissionsbelastung im Einwirkungsbereich der Anlage senkt, liegt dabei ebenso auf der Hand wie die Erforderlichkeit dieses Mittels. Hätte sich der Gesetzgeber mit geringeren Immissionsminderungen begnügt oder hätte er auch nur eine Minderung erst der Gesamtbelastung anstelle der Vorbelastung ausreichen lassen, so wäre die Umgebung jeweils einer höheren Immissionsbelastung jedenfalls für einen vergleichsweise längeren Zeitraum ausgesetzt. Im Blick zu behalten bleibt freilich gerade bei Kompensationslösungen die grundrechtlich geschuldete Sachgerechtigkeit der Regelung 116: An irgendwelche Bedingungen darf die Freiheitsausübung, dürfen demgemäß auch Errichtung und Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen nicht geknüpft werden. Diese Bedingungen müssen vielmehr immer in einem sachlichen Bezug zum Gegenstandsbereich des geregelten Verhaltens stehen. Nun ist allerdings, abgesehen von seiner aUgemein berechtigten Inanspruchnahme im Interesse des Umweltschutzzwecks, der einzelne Anlagenbetreiber regelmäßig nicht für den vorgefundenen Zustand der Umwelt verantwortlich 117. Man braucht indessen nicht auf einen eigenständigen Sanierungszweck abzuheben 118, um klarzustellen, daß der gesetzliche Schutz von Allgemeinheit und Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen unabhängig von solchen Erwägungen zu gewährleisten ist. Die einwirkungsbezogene Konstruktion der Immissionsabwehr (§§ I, 3 Abs. 1 und 2 BimSchG) und der mit ihr verbundene Bewirtschaftungseffekt begründen eine Mitverantwortung sämtlicher Nutzungsinteressenten. Demzufolge bedeutet Sanierung nicht die allgemeine Verbesserung der Umweltbedingungen, sondern daß mit dem (einwirkungsbezogenen) Abbau der Immissionsbelastung genau diejenigen Umstände, die - zu Recht - einer Anlagenzulassung eigentlich entgegenstehen, zumindest ein Stück weit beseitigt werden 119. Das gilt dem Grunde nach, weil die Ursächlichkeit des bestimmten Immissionsbeitrags nicht durch eine Irrelevanzklausel ausgeschlossen ist und also schädliche, ansonsten (nach§§ 6, 5 Abs. 1 Nr. 1 BimSchG mit den Vorschriften der TA Luft) keinesfalls genehmigungsfähige und sogar verfas116 Vgl. BVerfGE 55, 159 (166); vgl. auch Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 177 f. ll7 Vgl. Lange, VerwArch 82 (1991), S. I, 18. 118 Vgl. Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28,39 f. 119 Undeutlich Lange, VerwArch 82 (1991), S. I, 18, 19.

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sungsrechtlich verbotene Zusatzbelastungen rechtlich zugelassen werden. Der konkrete (hier beträchtliche) Umfang der Sanierungsverpflichtung ist dem Gesetzgeber nicht vorgeschrieben. Er korrespondiert lediglich dem Ausmaß der Immissionsbelastung und steht in einer sachlichen Beziehung zum ausgeschlossenen Verbotsgrund und schließlich auch nicht außer Verhältnis zu dem Ziel, gesunde Umweltverhältnisse zu schaffen. § 67 Abs. 2 Nr. 2 BimSchG ist demnach auch im engeren Sinne verhältnismäßig und insgesamt mit der Verfassung vereinbar.

2. Die Minimierung des Restrisikos

a) Die Bestimmtheit der gesetzlichen Ennächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG Unabhängig davon, welche weiterreichenden Anforderungen die Wesentlichkeitslehre stellt, bedarf es eines bestimmten und verhältnismäßigen ermächtigenden Gesetzes jedenfalls dann, wenn der Staat Eingriffe in die Freiheitssphäredes Bürgers unternimmt (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG). Für den Immissionsbereich steht die Notwendigkeit einer derartigen Ermächtigung außer Zweifel, da hier die Kompensationsregelung unmittelbar die Genehmigungs-, d.i. Freiheitsausübungsvoraussetzungen berührt. Sie ist mit den §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. I Nr. 1, 67a Abs. 2 Nr. 2 BimSchG in verfassungsrechtlich ausreichendem Umfang gegeben (vgl. oben). Die Kompensation im Emissionsbereich hat nun der Gesetzgeber mit den §§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4, 17 Abs. 3a BimSchG neben dem allgemeinen Zulassungsanspruch, außerhalb des durch den staatlichen Eingriff definierten Rechtsverhältnisses also, geregelt und damit einen zweiten Vorsorgestandard vorgesehen. Gleichwohl ist zunächst die Verordnungsermächtigung des § 7 Abs. 3 BimSchG ganz ungeachtet ihrer EiDgriffsqualität an Art. 80 Abs. 1 GG zu messen. Dessen Ausprägung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit beschränkt das Ermächtigungserfordernis nicht ausdrücklich auf Freiheitseingriffe 120, sondern verlangt allgemein eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte Regelung. Im Falle der Kompensation nach § 7 Abs. 3 BimSchG ist diese inhaltlich auf denjenigen Bereich des Immissionsschutzes zugeschnitten, der sich, wie der Verweis auf die Absätze 1 und 2 der Bestimmung zeigt, des spezifischen Mittels der Emissionsbegrenzung bedient, um dem Stand der Technik entsprechende Anforderungen nach § 5 Abs.1 Nr. 2 zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen festzulegen. Soweit die Ermächtigung des Absatzes 3 derart an die Ermächtigung der Absätze 1 und 2 anschließt und diese notwendig voraussetzt, bezieht sie daraus 120 BVerfGE 49, 89 (127). Vgl. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 375, 395 f. mit Fn. 64.

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ganz wesentlich ihre Bestimmtheit. Denn eine Kompensation kommt nur unter der Voraussetzung abstrakt-generell vorgeschriebener Emissionsgrenzwerte in Betracht. Die Ermächtigung nach § 48 Nr. 4 BlmSchG läßt gleichfalls Ausnahmen von einem normativen Konzept zu, und ist daher keinen anderen als jenen Rechtssetzungsanforderungen unterworfen. Wenn aber oben § 48 Nr. 2 BlmSchG ausreichende Bestimmtheit bescheinigt wurde, dann gilt das erst recht für die Ermächtigung des § 48 Nr. 4 BlmSchG. Denn § 48 Nr. 4 BlmSchG verweist in vollem Umfang auf§ 7 Abs. 2 und 3 BlmSchG. Offen bleibt, ob die von Betreiberseite zu erbringende überobligationsmäßige Minderungsleistung von Gesetzes wegen einen bestimmten Umfang aufweisen muß (§§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4, 17 Abs. 3a BlmSchG) und welche zeitlichen Grenzen der Kompensation im Regelfall zu ziehen sind, damit den Erwartungen des Gesetzes genügt wird (§§ 7 Abs .. 3, 48 Nr. 4 BlrnSchG). Offen bleibt folglich der Umfang des- weiter oben konstatierten- Kompensationsanspruchs des Betreibers. Daraus ergibt sich kein Einwand gegen die Bestimmtheit der Ermächtigung. Teils läßt sich der Mangel eines hinreichend bestimmten Ausmaßes der Ermächtigung durch Bezugnahme auf ihren Zweck beheben121. Denn die aus dem Gesamtzusammenhang der Ermächtigungen in § 7 BlmSchG ersichtliche Präzisierung des Gesetzeszwecks führt noch über die Einsicht hinaus, daß Kompensationen nach § 7 Abs. 3 BlmSchG der Minderung von Emissionen und des von ihnen ausgehenden Restrisikos dienen sollen, also der anlagenbezogenen, nicht einer raumbezogenen Vorsorge. § 7 Abs. 3 BlmSchG verweist nicht nur auf Emissionsbegrenzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG. Er begreift die Kompensation als Teil eines umfassenderen Sanierungsmodells, mit dem ein Altanlagenbestand an zeitgemäße Vorsorgeanforderungen herangeführt werden soll. Darum beschränkt sich § 7 Abs. 3 BlmSchG auf die in Abs. 2 der Bestimmung angesprochenen Altanlagen und ermächtigt nicht allein zur Abweichung von den nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 allgemeingültig festgelegten Grenzwerten, sondern auch zur Abweichung von den nach Abs. 2 getroffenen Übergangsregelungen. Daraus läßt sich zugleich hinlänglich bestimmt ersehen, daß die Ermächtigung (relative) zeitliche Begrenzungen impliziert: Der Vorsorgezweck gebietet um des Kompensationsanreizes willen gewisse Mindestfristen, ohne die das vom Gesetzgeber instrumentalisierte wirtschaftliche (Privat-)Interesse keine Befriedigung fände. Der Sanierungszweck (vgl. § 7 Abs. 2, Abs. 3 BlmSchG) nimmt auf allfällige Übergangsregelungen Bezug und begrenzt die Kompensationsfrist nach oben, damit sich der angestrebte Zustand eines gleichmäßigen Vorsorgestandards nicht unnötig lange hinauszögert. Die nähere Festlegung muß aber dem untergesetzlichen Normgeber überlassen bleiben, der das Sanierungskonzept mit Blick auf die Sachgege121 Vgl. auch Böckenförde, aaO, S. 393.

Achtes Kapitel: Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes

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benheiten und gemäß den Erfordernissen eines effizienten Umweltschutzes zu entwickeln hat. Gerade aus diesem Grund ist die Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmschG diesen Vorgaben des Sanierungskonzepts zu- und nachgeordnet. Demgegenüber läßt sich der Umfang der vom Betreiber geschuldeten Minderungsleistung nicht in vergleichbarer Weise aus der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG entwickeln. Aber darin ist kein Bestimmtheitsproblem zu sehen. Vermittelt der allgemeine Hinweis auf den Gesetzeszweck, zu dem sich der Gesetzgeber veranlaßt sah (§ 7 Abs. 3 Satz 2, § 17 Abs. 3a Satz 1 a.E. BlmSchG), der Interpretation keine weiteren Anhaltspunkte, hat es mit dem Wortlaut sein Bewenden, der jede- rechnerisch gesicherte - überobligationsmäßige Leistung genügen läßt. Damit ist eine sowohl notwendige wie hinreichende Bedingung beschrieben. b) Kompensation im Emissionsbereich als Eingriff in die Freiheit des Begünstigten (Überkompensation)? Darüber hinaus fragt sich aber nicht zuletzt mit Blick auf die Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmSchG, ob der Gesetzgeber zu derart ausführlichen Regelungen von Verfassung wegen schon deshalb verpflichtet war, weil die Kompensationsregelung in Rechte des Betreibers eingreift, bzw. solche Eingriffe vorsieht. In der Tat wird behauptet, daß im Gesetzesgebot überobligationsmäßiger Emissionsminderungen ein - über die allgemeinen Genehmigungsvoraussetzungen hinausreichender - Freiheitseingriff zu sehen sei, der einer eigenen Ermächtigung bedürfe 122. Dieser Eingriff könnte sich nach allem allein gegen den Betreiber der passiv an der Kompensation beteiligten (begünstigten) Anlage richten. Denn ausschließlich an ihn ist das Gebot adressiert. Auch wenn er es nur unter Inanspruchnahme weiterer Anlagen zu erfüllen vermag und darum sich privatrechtlich zu Gegenleistungen wird verpflichten müssen, wird der Gesetzesbefehl öffentlich-rechtlich doch nur ihm gegenüber gesichert123. Die mit Blick auf die in Aussicht gestellten Ausgleichsmaßnahmen ihm ausnahmsweise zugestandene Berechtigung entfallt darum mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung (verspäteter, unzulänglicher Minderungsleistung der aktiv beteiligten Anlage). Aber greift dieser Entzug wirklich in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition des begünstigten Betreibers ein? Die Antwort auf diese Frage wurde im wesentlichen schon oben gegeben: Nicht nur der Betreiber der aktiv-emissionsmindernden Anlage, auch der begünstigte Betrei122 Kloepfer, Unternehmung und ökologische Umwelt, S. 241, 248 f.

123 Wie dargelegt bildet ggf. die Anordnung kontinuierlicher Messungen nach§ 29 BlmSchG eine Ausnahme von der ansonsten ausschließlichen Verantwortlichkeit des begünstigten Betreibers.

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ber beteiligt sich grundsätzlich freiwillig am Emissionsverbund. Es steht ihm frei, stattdessen die gesetzmäßigen Vorsorgeanforderungen - nach Ablauf aUfälliger Übergangsfristen - einzuhalten. Vor allem aber löst das Fehlschlagen der Kompensationsvereinbarung keine Sanktionen aus, sondern führt zum Wegfa11 der Vergünstigung und zur Reaktivierung des aUgemeinen gesetzlichen Status. Entzogen wird nur, was zuvor als Privilegierung gewährt wurde, weil die gesetzlichen Voraussetzungen der Privilegierung nicht mehr gegeben sind. Darin ist kein Freiheitseingriff zu sehen 124. Wird durch die Kompensationsregelung . kein förmlicher Eingriffszwang ausgeübt, haben wir es aber außerdem nicht mit einer für Sonderstatusverhältnisse typischen, grundrechtsrelevanten Verzahnung von Leistungs- und Eingriffselementen zu tun 125, sondern mit freiverantwortlich-ungebundenem Verhalten in der Gesellschaft, so bleibt noch die Überlegung, daß von ökonomischen Anreizinstrumenten mittelbar-faktisch ein derart nachhaltiger Zwang ausgehen kann, daß sie wie Eingriffe zu behandeln sind 126. Besteht diese Möglichkeit, wäre schon ihretwegen eine gesetzliche Eingriffsermächtigung zu fordern127. Ungeachtet der Kritik an einer übermäßigen Ausdehnung des klassischen Eingriffsverständnisses mag nun im Einzelfa11 und unter besonderen Voraussetzungen eine tatsächliche Zwangslage derart herbeigeführt oder ausgenutzt worden sein, daß ihr nur die Figur des staatlich verantworteten Eingriffs gerecht wird 128. Aber dieser Gedanke trägt als Konstruktionsprinzip immer dann nicht, wenn die freiwillige Leistung des Bürgers, wie hier, planmäßig in das gesetzliche Zwangssystem eingebettet erscheint und somit die für sich ermächtigungsbedürftige Regelung (der §§ 4, 6, 5 BlmSchG) ergänzt. In diesem FaU ist sie zugleich mit dieser Eingriffsregelung an der Verfassung zu überprüfen und macht entweder diese verfassungswidrig oder ist eben unbedenklich. Die andere Sichtweise schriebe jedem Gesetzesbefehl stets eine doppelte Eingriffswirkung zu: Das Verbot untersagte also nicht nur ein gemeinwohlschädliches Verhalten, sondern seine Befolgung, die nach Georg Jellineks rechtsstaatlicher Fiktion rechtlich irrelevante Handlung des Subjizierten 129, müßte zugleich als Folge gebietenden Zwangs gewertet und einer weiteren verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Daß indessen diese Prüfung 124 Kohle, ZRP 1985, S. 145, 148; insofern wie hier auch Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 84. 125 Vgl. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 375, 383. 126 Kloepfer, Unternehmung und ökologische Umwelt, S. 241, 250 und im Anschluß an ihn Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 84. 127 Kloep.fer und Rehbinder, jew. aaO, behandeln die Problematik unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes. 128 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht ll, Rdnr. 257 ff. 129 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 46, 104 f.

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zu einem anderen Ergebnis führen könnte, ist nicht ersichtlich. Die emissionsorientierte Kompensationsregelung bedarf also auch unter diesem Aspekt keiner am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messenden, gesetzlichen Ermächtigung. c) Verfassungsrechtliche Bindungen von Austauschverhältnissen (-das Koppelungsverbot)

Die in §56 VwVfG für Austauschverträge niedergelegten, im Zusammenhang informaler Absprachen vor allem von Bohne fruchtbar gemachten Rechtsgedanken 130 erschließen dagegen neue Gesichtspunkte. Über eine allgemeine Zweckbindung hinaus dürfen danach vor allem keine unangemessenen oder sachfremden Gegenleistungen vom Bürger gefordert werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) 131 . Allerdings ist in Rechnung zu stellen, daß die Kompensation zwar gewisse Austauschabsprachen voraussetzt, daß diese aber gerade im Rahmen der Vorsorge durch die§§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG mittlerweile eine weitgehende Verrechtlichung erfahren haben. Der damit vom Gesetzgeber vorgenommenen Formalisierung erwächst aus § 56 VwVfG unmittelbar sicher kein Maßstab, auch nicht aus einem Rechtsgrundsatz desselben Inhalts. Denn der Gesetzgeber wäre nicht gehindert, mit seinen auf bestimmte Bereiche zugeschnittenen Spezialregelungen von Grundsätzen abzuweichen, denen kein Verfassungsrang zukommt. Umgekehrt ist also zu fragen, inwiefern die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG trotzFreiwilligkeitder Gegenleistung des Bürgers verfassungsrechtlichen Forderungen Ausdruck verleiht, die dann auf die Konstellation der Kompensation übertragen werden können und müssen. Solange nun ein Vereinbarung, etwa die Kompensationsvereinbarung mit all ihren (teils auch belastenden) Umständen vom Anlagenbetreiber gewollt ist, kann von einem ermächtigungsbedürftigen Eingriff nicht die Rede sein. Denn die freie Einwilligung in eine Belastung schließt nach dem Grundsatz "volenti non fit iniuria" einen rechtserhebliche Schmälerung der Freiheitssphäre aus 132. Sie ist vielmehr gerade Ausdruck selbstbestimmter, autonomer Entscheidung. Eines Gesetzes bedarf es also - im öffentlichen nicht anders als im Zivilrecht - nur, um den einzelnen an seiner ursprünglich selbstbestimmten Willensäußerung schließlich

130 Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 137 f., 176 ff.; zur entspr. Anwendung vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdnr. 3. 131 Vgl. insb. BVerwGE 42, 331 (338 ff.) 132 Sachs, VerwArch 76 (1985), S. 398, 418, 422; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 98 ff. Vgl. auch BVerwGE 42, 331 (335).

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auch festhalten zu können 133 : In letzter Instanz muß die Vereinbarung gegen den, der seine Meinung geändert hat, zwangsweise durchgesetzt, d.h. vonstreckt werden können. Diese Einsicht führt zunächst nur bedingt weiter. Zum einen ist an eine Vonstreckung der Kompensationvereinbarung gerade nicht gedacht; im Moment des Scheiteros tritt die aUgemeine gesetzliche Regelung wieder an ihre Stelle. Zum anderen lassen sich auch sonst aus demformalen Gesichtspunkt einer Sicherung der Vertragsabrede die inhaltlichen Forderungen nach einer an den Gesetzeszweck gebundenen, konkret angemessenen und sachbezogenen Gegenleistung des Bürgers gerade nicht erklären. Warum sollte dieser- aus der Perspektive der grundrechtliehen Gewährleistung freier Selbstbestimmung nicht auch in ganz willkürliche Forderungen der Behörde einwilligen und also in freier Selbstbestimmung und zu beliebigen Zwecken auf seine Freiheit verzichten dürfen? Die Antwort auf diese Frage findet sich offenkundig nicht im Rechtsverhältnis zwischen Begünstigtem und Behörde. Aber auch der Gleichheitssatz, der zwar kein Gesetz, wohl aber dessen gerechte Ausgestaltung vorschreiben kann, verbietet in Wahrheit weder die Vereinbarung unangemessener, noch die sachfremder Gegenleistungen 134. Allerdings läßt sich durchaus vorstellen, daß zahlreiche Interessenten von staatlichen Leistungen ausgeschlossen wären, wenn solche Leistungen mit zwar freiwilligen, jedoch unangemessen hohen oder sachfremden Gegenleistungen gekoppelt würden. Die Zahl der Begünstigten würde dadurch auf diejenigen beschränkt, die in der Lage wären die erforderlichen Erfüllungsmittel aufzubringen. Der Gleichheitssatz jedoch sagt hierzu nichts, solange eine solche Regelung alle potentiellen Adressaten rechtlich gleich behandelt, indem sie einen jeden unter denselben tatbestandliehen Bedingungen begünstigt. So isoliert zwar das Bundes-Immissionsschutzgesetz von der GesamtMenge der Rechtsunterworfenen die Gruppe derjenigen, die (potentiell) schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen (§§ 1, 3 Abs. 1 BlmSchG) und differenziert innerhalb dieser Gruppe noch einmal nach dem Gesichtspunkt besonderer (abstrakter) Schädlichkeitsneigung der eingesetzten Anlagen (§ 4 BlmSchG). Solange sämtlichen Betreibern genehmigungsbedürftiger Anlagen unter den jeweils gleichen Rechtsbedingungen die Möglichkeit der Kompensation eingeräumt wird, ist darin eine weitere rechtliche Verschiedenbehandlung einzelner nicht zu sehen. Die rechtlich gleichförmige Eröffnung von Chancen stellt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar, mögen auch die tatsächlichen Mittel ihrer Wahrnehmung ungleich und sozial ungerecht verteilt sein. 133 Vgl. Schwabe, aaO, S. 102, 106; etwas anders Sachs, aaO, S. 423: Selbstbindung ihrerseits als Teil der Autonomie des Individuums . 134 Anders Lange, VerwArch 82 (1991), S. I, 17 ff., 19.

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In anderer Weise ist dagegen durchaus auf den gesamten Adressatenkreis der Begünstigungsklausel Rücksicht zu nehmen, gerade auch auf diejenigen, die im Ergebnis diese Möglichkeit nicht nutzen wollen oder können. Die an einen freien Willensakt der Rechtsunterworfenen gebundene Entscheidung über den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen stellt nämlich, typischerweise im Falle des subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrags (vgl. §54 Satz 2 VwVfG) und jedenfalls was die Kompensation im Emissionsbereich nach den §§ 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BimSchG betrifft, eine Ausnahme vom allgemeinen Status der Rechte und Pflichten dar. Während unter näher geregelten, der Sache nach auch belastenden Bedingungen die günstigen Rechtsfolgen eintreten, wird der Begünstigte von den allgemeinen (belastenden) gesetzlichen Rechtsfolgenanordnungen gerade befreit. Dieses Privilegium kann nicht isoliert von der sonst geltenden Eingriffsregelung gesehen werden, in deren Zusammenhang es durch seine Eigenschaft als Ausnahme vom Gesetzgeber gestellt wurde. Man mag zwar das Freiwilligkeitsverhältnis nur als einen besonderen Aspekt des ohnehin bereits spezialgesetzlich geregelten Freiheitseingriffs verstehen, so daß sich seine detaillierte gesetzesförmige Ausgestaltung (insoweit) erübrigt 135 . In jedem Fall aber istjene Ausnahme (vom allgemeinen Status), die das Austauschverhältnis rechtlich definiert, sofern sie einen notwendigen Bestandteil der staatlichen Leistung ausmacht, inhaltlich - auf der Rechtsfolgenseite - in die Überprüfung der Regel an ihrem Eingriffszweck einzustellen! Prägt sie nämlich die Gesamtregelung als eine Option des vom Gesetzgeber für die Verwirklichung seiner Ziele vorgesehenen Instrumentariums, so muß sie auch im Rahmen der eingriffsbegründenden Zweck-Mittel-Relation der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden. Das bedeutet: Läßt der Gesetzgeber vor dem Gesamtzweck ungerechtfertigte Ausnahmen zu, verliert auch die Regel selbst ihren legitimen Sinn. Die gesetzliche Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 17, 21 BimSchG) etwa ließe sich vor der Freiheit sämtlicher Betreiber kaum mehr als ein aus Gründen des Umweltschutzes erforderlicher Eingriff rechtfertigen, könnte dieser Eingriff- unter für alle gleichen Bedingungen ! - durch schlichte Geldzahlung abgewendet werden. Die Freiheit der nicht Begünstigten macht also, wenn der Gesetzgeber positiv umschriebene Befreiungen vom allgemeinen Pflichtenverhältnis an freiwillige Leistungen knüpfen will, von Verfassung wegen eine zweckkonforme Ausnahmeregelung notwendig. Die Forderung nach Sachgerechtigkeit gilt im allgemeinen, im Bezug auf den Gesetzeszweck (vgl. §56 Abs. I Satz 1 VwVfG), aber auch in der besonderen Hinsicht auf das jeweilige Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung (vgl. § 56 Abs. l Satz 2 VwVfG). Und sie verlangt nicht nur im 135 Vgl. BVerwGE 42, 331 (335). Auch Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 137 f., 143, 176 ff., hat das Koppelungsverbot letztlich i. S. eines allgemeinen, wenn auch im VwVfG positiv geregelten Rechtsgrundsatzes auf Austauschabsprachen angewendet. 20 Enders

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

Einzelfall Beachtung (§ 17 Abs. 3a BlmSchG), sondern präzisiert mittelbar über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch die- dem Wortlaut nach -eingriffsneutralen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG (analog). Fragt man nach der Verfassungsmäßigkeit der Kompensationsvorschriften, so dienen sie mit dem Erfordernis der Überkompensation der Emissionsvermeidung, damit dem in § 1 BlmSchG geregelten, in §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 BlmSchG weiter entfalteten Vorsorgezweck. Das Mittel der Überkompensation und die gesetzliche Ausnahme stehen aber auch in engerem sachlichem Zusammenhang: Der Vorsorge geht es um eine anlagenbezogene Minderung des Restrisikos, weil das Schädlichkeitspotential über den engeren Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG hinaus nur diffus zurechenbar ist. Der auch bei Einhaltung des Schutzgebots regelmäßig verbleibenden, derart diffusen Schädlichkeit von Emissionen wird im Austauschverhältnis sachgerecht begegnet, indem der gesetzliche Vorteil dem Grunde nach an die Bedingung überobligationsmäßiger Emissionsminderungen geknüpft wird und der Ausgleich nicht im Verhältnis 1:1 stattfindet. Unterhalb gewisser Mindestanforderungen an die Überkompensation schließt man dadurch zugleich negative Mitnahmeeffekte aus, die aus mangelnder Zurechnung resultieren, sichert also einerseits die Umweltneutralität der Transaktion, ohne auf komplizierte Kontrollverfahren zweifelhafter Effizienz zurückgreifen zu müssen 136, und hält andererseits die Möglichkeit weiterer (freilich unbestimmter) Sanierungserfolge offen. Die absolute Begrenzung des Kompensationszeitraums durch die Lebensdauer der Anlagen für den Fall unverhältnismäßiger Anforderungen (§ 17 Abs. 3a BlmSchG) wiederum rechtfertigt sich aus dem öffentlichen Interesse an dieser Überkompensation und damit aus der Sicherung des Vorsorgezwecks. Dem Umfang der Leistungsverpflichtung des kompensationswilligen Anlagenbetreibers, damit dem Sanierungsaspekt im engeren Sinne, kommt dagegen keinerlei allgemeine Eingriffsrelevanz zu. Die regelmäßigen Befristungen der Kompensation sind Ausfluß des jeweiligen Sanierungskonzepts 137 und können für sich betrachtet - d.h. bei im übrigen sachgerechter Regelung - nicht die Rechtsposition der Gesamtheit der Pflichtenadressaten beeinflussen. Selbst zugunsten des Setreibers großzügig befristete Kompensationsverhältnisse führen bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich zur gebotenen Emissionsminderung, sind also nach verfassungsrechtlichem Maßstab sachgerecht, wie bereits die unmittelbare Anwendung des § 17 Abs. 3a BlmSchG bei Fehlen eines Kompensationskonzepts ergibt. Ähnlich tut dieser Maßstab unangemessen hohen, jedoch sachgerechten Leistungsverlangen der öffentlichen Hand gegenüber dem kompensationswilligen Anlagenbetreiber

15.

136 Vgl. Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 72. 137 Vgl. auch GaweVEwringmann, NuR 1994, S. 120, 121, 123 f.; Huckestein, Zfl.J 1989, S. I,

Achtes Kapitel: Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes

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keinen Abbruch: Solange Leistungen rein freiwillig und außerhalb zwingender Genehmigungsvoraussetzungen zu erbringen sind, führen erhöhte Anforderungen (kurze Kompensationsfrist, umfängliche Emissionsminderungen) lediglich dazu, daß eine solche Option nicht wahrgenommen wird 138. Insoweit besagt verfassungsrechtlich allenfalls der Vorrang, nicht der Vorbehalt des Gesetzes etwas. ll. Der Vorrang des Gesetzes und die Wesentlichkeitslehre 1. Der Umfang der Ausnahme

Alle weiteren Fragen der Bindung an die vorhandenen gesetzlichen Voraussetzungen der Kompensation berühren nicht den Vorbehalt, sondern den Vorrang des Gesetzes 139 (Art. 20 Abs. 3 GG), der mitgedacht ist, wenn gesagt wird, die Verwaltung dürfe nicht außerhalb oder nur innerhalb eines vorgegebenen Gesetzes handeln 140. Der Verweis der Verfassung auf das einfache Gesetz eröffnet zwar materiell keinen genuin verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab141, sondern schützt die legitime Autorität der Legislative. Immerhin stellt der Vorrang des Gesetzes ein Gebot von Verfassungsrang dar, das eine Verpflichtung der exekutiven und judikativen Gewalt zum Ausdruck bringt. Daraus folgt - relativ - etwas für die Abweichung von förmlichen Gesetzesanordnungen: Ausnahmen vom Gesetz bedürfen ihrerseits der Gesetzesform, müssen also auf Gesetzesebene statuiert werden 142, sonst verstoßen sie, gleich138 Insofern versteht sich die "Angemessenheit" in §56 Abs. I VwVfG als einfachrechtliche Schutzanordnung. Nur im Rahmen allgemeiner zwingender Genehmigungsvoraussetzungen stellt sich also die von Rehbinder, in: Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuchallgemeiner Teil, Erl. zu§ 87 UGB-AT(E), S. 365, aufgeworfene Frage nach der Verhältnismäßigkeil. 139 Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 84 bezeichnet die Einhaltung des gegebenen Rechtsrahmens irrtümlich als Frage des Vorbehalts. 140 Anschütz, WRV, Vorbem. zum Zweiten Hauptteil, Anm. 5, S. 511, Art. 114, Anm. 2, s. 544. 141 Der Vorrang des Gesetzes kann, da das Bundesverfassungsgericht Verstöße gegen einfaches Recht lediglich im Umfang des Willkürverbots prüft, auch im Eingriffsbereich nur begrenzt unmittelbar verfassungsrechtlich geltend gemacht werden, vgl. Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, Rdnr. 290 f. 142 Derselbe Gedanke findet sich in BVerfGE 2, 307 (313), dort jedoch zu Unrecht aus dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes hergeleitet. Aus dem Vorrang des Gesetzes folgt für die Verwaltung ein bedingtes Handlungsverbot Der Vorbehalt des Gesetzes statuiert dagegen aus höherrangigen staatstheoretisch-rechtsstaatlichen, unter dem Grundgesetz verfassungsrechtlich festgeschriebenen Erwägungen das positive Erfordernis eines Gesetzes und damit, gerade wenn man die heutige Auflösung einer strikten Entgegensetzung von Exekutive und Gesetzgebung in Betracht zieht, (auch) eine relative, einen allgemeinen HandlungsentscWuß voraussetzende Verhaltenspflicht des Staates als Gesetzgebers, wie sie allein aus dem (zufälligen) Umstand gesetzesförmiger Äußerung des Parlaments nicht hervorgeht. 20*

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeit von Kompensationsregelungen

gültig ob als abstrakt-generelle oder Einzelanordnung gegen die gesetzliche Regel, was für die Ausgestaltung gesetzlicher Ansprüche auch subjektiv-rechtlich von Interesse ist. Nach diesem Maßstab lassen sich notwendige und frei gestaltende (Ausnahme-) Regelungen unterscheiden. Seine außerhalb von Eingriffsverhältnissen wirksamen Forderungen befriedigen zugleich das Anliegen der Wesentlicheitslehre. Im Immissionsbereich ist allerdings eine besondere gesetzliche Kompensationsvorschrift für den Regelfall verzichtbar, weil und solange untergesetzliche Konkretisierungen die Begriffsgrenzen der - ihrerseits verhältnismäßigen Eingriffsregelung des Schutzgebots beachten (§§ 5 Abs. 1 Nr. I, 7 Abs. I, 48 Nr. 1 BimSchG). Eine weitreichende Ausnahme, wie sie § 67a Abs. 2 Nr. 2 BimSchG vorsieht, verstieße dagegen bei ausschließlich untergesetzlicher Bestimmung nicht allein gegen die gesetzlich positivierte Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 (mit § 6 Nr. 1) BlmSchG. Als Veränderung der Genehmigungsund d. h. Freiheitsausübungsvoraussetzungen erklärt sie sich zugleich - auch mit Blick auf Rechte der Nachbarn- aus dem Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes. Ähnlich findet eine Reihe der Anforderungen, die an Ausgleichsmaßnahmen im Emissionsbereich zu stellen sind und die über eine pauschale Ermächtigung nach Art der§§ 7 Abs. 1, 48 Nr. 1 und 2 BimSchG hinausgehen, ihre Begründung in der dargestellten Eingriffsrelevanz der Kompensationsregelung. Nur umfaßt diese nicht sämtliche Punkte des Austauschverhä1tnisses. Namentlich die Belastung des Betreibers der aktiv beteiligten Anlage (volenti non fit iniuria), die Frage nach dem Adressatenkreis der Ausnahme (Betreiber von Alt- oder auch von Neuanlagen) wie nach dem zulässigen Sanierungsmittel (technische Maßnahme oder auch Stillegung), schließlich die nach dem Umfang der freiwillig anzubietenden oder umgekehrt der sodann im Gegenzug staatlicherseits geschuldeten Leistung erscheinen eingriffsrechtlich irrelevant. Auch insoweit ist indessen mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG die Einführung oder Ausgestaltung von Kompensationsregelungen nicht in das freie Belieben der Verwaltung gestellt: Das Gesetz verbindet mit dem Begriff der Vorsorge zwar keine ausschließlich anlagenbezogene Verwirklichung des Umweltschutzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG: "insbesondere ... "). Trotzdem versteht sich die Emissionsgrenzwertbildung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG (bzw. § 48 Nr. 2 BimSchG), da sie die von der einzelnen Anlage ausgehenden Emissionen begrenzt (§ 3 Abs. 3 BimSchG), als anlagenbezogene Ausformung des Vorsorgegebots. Eben diese liegt dem gesetzlichen Sanierungs- und Kompensationsgedanken nach § 7 Abs. 2 und 3, § 48 Nr. 4 BimSchG zugrunde. § 17 Abs. 3a Satz 1 BimSchG folgt demselben Modell, wenn er auf Emissionsfrachten Bezug nimmt, die nach abstrakt-generellem Maßstab zu bewerten sind. Als notwendig gesetzesförmige Anordnung ist darum nicht nur die dem Betreiber günstige, im Gesamtzusammenhang aber abwehrrechtlich bedeutsame,

Achtes Kapitel: Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes

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punktuelle (sachgerecht zu formulierende) Ausnahme der passiv beteiligten Anlage von der Vorsorgepflicht zu verstehen. Denn eine solche untergesetzliche Regelung, die anlagenbezogene Abweichungen von Emissionsgrenzwerten und Übergangsfristen zuließe, wäre bereits durch § 7 Abs. 1 und 2 BlmSchG gedeckt und über § 17 Abs. 1, 2 und 3 BlmSchG im Einzelfall umzusetzen, solange auch eine etwa vorgesehene Gegenleistung diesen Rahmen beachtete. Dagegen bedarf die Ausnahme vom anlagenbezogenen Teilgehalt des gesetzlichen Vorsorgegebots, wie sie im Austauschverhältnis des Emissionsverbunds begegnet, wegen des Gesetzesvorrangs (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 und 2 BlmSchG) und unabhängig von ihrer Stellung im System gesetzlicher Eingriffe der ausdrücklichen gesetzlichen Formulierung. Für den Regelfall findet sich die Ausnahmevorschrift in § 7 Abs. 3 BlmSchG; weist das Sanierungskonzept nach § 7 Abs 2 BlmSchG Regelungslücken auf oder fehlt ein solches Konzept völlig, erlaubt § 17 Abs. 3a BlmSchG die Ausnahme vom anlagenbezogenen Vorsorgegebot Das Erfordernis der Überkompensation bedeutet zwar der Form nach eine wichtige gesetzliche Klarstellung, die eine - mit Blick auf die Gesamt-EingriffsregeJung - sachgerechte Einzelfallösung hinreichend bestimmt programmiert, erweist sich dagegen nicht als Ausnahme, sondern nur seinem positiven Inhalt nach als notwendige Ausgestaltung des Vorsorgegedankens. An sich gibt § 1 BlmSchG der Auslegung und Anwendung des Gesetzes eine Richtung vor, zu der der Austausch von "Emissionsberechtigungen", sieht man von der rein anlagenbezogenen Perspektive der §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG ab, nicht im Widerspruch steht. Nur zeitigt ein solcher, auch wenn er umweltneutral erfolgen sollte, Vorteile zunächst für den Betreiber, nicht die vom Gesetz geschützte Umwelt. Daß innerhalb des gesetzlichen Instrumentariums die Kompensation eine qualitative Ausnahme macht, kündet von einem gewissermaßen "überschießenden" (obzwar unbestimmten) positiven Umweltsanierungs-Interesse, das die Kompensation dem Gesetzeszweck in besonderer Weise ein- und unterordnet und diesen in einer nur dem Gesetzgeber gestatteten Weise konkretisiert. Was im Gebot der Förderung des Gesetzeszwecks einen zu allgemeinen Ausdruck fände, wird - als zweiter Vorsorgestandard - in Gestalt der Bedingung überobligationsmäßiger Emissionsminderungen auf ein spezifisches Zweck-Mittel-Verhältnis festgelegt, aus dem dann absolute zeitliche Begrenzungen resultieren. Die Entscheidung über einen Anspruch des Begünstigten könnte demgegenüber dem Grunde wie dem Umfang nach auf der Ebene des Gesetzes offen bleiben und dadurch in den Bereich untergesetzlichen Ermessens verwiesen werden. Der gesetzliche Mittel-Zweck der Überkompensation legt wegen des insofern von einem Kompensationsanspruch ausgehenden Anreizes eine subjektiv-rechtliche Deutung der objektiv-rechtlich der Verwaltung eingeräumten

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

Befugnis nahe, die sich mit Rücksicht auf die geltende Rechtslage wegen der Anspruchsnorm des § 17 Abs. 3a Satz 1 BlmSchG (i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) ohnehin gebietet. Abgesehen davon betreffen subjektiv-rechtlicher Charakter der Ausnahme und die in ihr begründete Ausgestaltung und (zeitliche) Einschränkung des Sanierungszwecks aber nur das Rechtsverhältnis der einzelnen Anlage und könnten grundsätzlich ohne eigene gesetzliche Kompensationsermächtigung auch untergesetzlich geregelt werden(§ 7 Abs. 1 u. 2 BlmSchG). Ähnlich verhält es sich mit dem Adressatenkreis der Begünstigung, soweit innerhalb der Gruppe der Anlagenbetreiber noch weiter differenziert werden soll und den vom Gesetz zugelassenen Mitteln der Emissionsminderung. Sind nach der positiven Regelung in § 7 Abs. 3 BlmSchG die Emissionsminderungen ausschließlich durch Maßnahmen an Altanlagen (aktiv) zu bewirken, so erschiene diese Einschränkung nur plausibel, wenn die einzelne Anlage statt abstrakt-genereller Emissionsgrenzwerte. ein unbegrenztes Emissionsminimierungsgebot zu erfüllen hätte. Andernfalls ist nicht einzusehen, warum sich nicht eine Neuanlage an einer Transaktion aktiv beteiligen und überobligationsmäßige Minderungsleistungen erbringen sollte - solange der erforderliche zeitliche Zusammenhang gewahrt bleibt 143 . Schon deshalb handelt es sich insofern um eine durch nichts präjudizierte Entscheidung des Gesetzgebers. Daß andererseits derzeit nach § 7 Abs. 3, 17 Abs. 3a BlmSchG nur die Betreiber von Altanlagen (auf der Passivseite des Austauschverhältnisses) begünstigt werden, entspricht jedenfalls dem insoweit eben selbständigen Zweck der Sanierung 144, dem es zuwider liefe, innovationsfähige Neuanlagen von den allgemeinen Vorsorgeanforderungen - und sei es unter der Bedingung der Überkompensation freizustellen. Eine Beteiligung von Neuanlagen geht nur dann mit dem Sanierungszweck konform, wenn sie im Emissionsverbund die aktive Rolle spielen145. Aber dieser Zweck statuiert keine qualitativ neue Kategorie, sondern verbleibt durchaus in dem von § 7 Abs. 1 BlmSchG gesteckten Rahmen, den er lediglich quantitativ nach dem Umfang (nicht nach der Art) der Anforderungen modifiziert. Das kann völlig analog auch von den Mitteln der Emissionsminderung gesagt werden: § 7 Abs. I BlmSchG geht es mit der Bezugnahme auf Emissionsgrenzwerte um den Erfolg, nicht das Mittel, und der Verordnunggeber hat folglich keine notwendige, sondern eine gestalterische Entscheidung ge-

143 Mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz I BlmSchG wäre dies bei einschränkender Interpretation des Abweichens i.S. lediglich einer Begünstigung (des Belreibers der passiv beteiligten Anlage) wohl schon jetzt zu vereinbaren. Der Wille des Gesetzgebers und die Regelung in § 17 Abs. 3a Satz 4 BlmSchG stehen dem indessen entgegen. 144 Vgl. auch Gawel/Ewringmann, NuR 1994, S. 120, 121, 123 f.; Huckestein, ZfiJ 1989, S. I, 15. 145 Vgl. Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 89 ff.

Achtes Kapitel: Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes

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troffen, wenn er die aus Stillegungen resultierenden Emissionsminderungen nicht als Kompensationsbeitrag anerkennt. 2. Die gesetzliche Erweiterung der Kompensationsmöglichkeiten

Darüber hinausgreifende gesetzliche Erweiterungen des Kompensationsrahmens 146 begegnen daher nicht rechtlichen, sondern vornehmlich rechtspolitischen Bedenken: Wollte man Neuanlagen zum Zwecke vorsorgeorientierter Kompensation auf der Passivseite an einem Emissionsverbund beteiligen, würde dieser Zulassungsgrund wenn nicht unmittelbar in die gebundene Entscheidung der Behörde(§ 6 BimSchG), so doch der Sache nach (im Wege einer Regelung in § 7 BlmschG) in den Genehmigungsanspruch integriert. Denn die Genehmigung dürfte bei Vorliegen der gesetzlichen Kompensationsvoraussetzungen regelmäßig nicht versagt werden ("soll"). Zu Fragen der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit147 führt das solange nicht, wie der Anlagenbelreiberanders als etwa nach § 67a Abs. 2 BlmSchG- weiterhin frei zwischen den allgemeinen gesetzlichen und den nur ausnahmsweise einschlägigen Zulassungsvoraussetzungen wählen könnte. Man muß sich indessen klarmachen, daß damit nicht nur die Beschränkung der Kompensation auf den Sanierungszweck aufgegeben würde. Da am Erfordernis der Überkompensation vorbehaltlich anderer Effektivierungsmöglichkeiten festzuhalten wäre, entstünde eine eigene Kategorie der (auflösend) bedingten und für den Fall der erheblichen Überschreitung der Grenzwerte durch die passiv beteiligte Neuanlage auf deren Lebensdauer zu befristenden Genehmigungen 148. Das erweist sich für die bedingten, unbefristeten Genehmigungen als problematisch, weil eine echte ergebnisorientierte Erfolgskontrolle außerhalb einwirkungsbezogener Schutzstandards nicht stattfindet und mit der Ausdehung der zeitlich unbegrenzten Kompensationsberechtigung auf Neuanlagen die Ungewißheit zu Lasten der Allgemeinheit erheblich zunähme. Das nominell nach oben offene Gebot der Überkompensation ist nämlich nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut wie dargelegt auf die geringstmögliche meßbare Differenz zu reduzieren. Was andererseits die (bedingten und) befristeten Genehmigungen anbelangt, wäre offenkundig der Gedanke des § 12 Abs. 2 BlmSchG aufgegeben. Ein Normwiderspruch ist darin schon wegen der stets gewährleisteten Beachtung des Antragserfordernisses und erst recht bei ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu sehen- wohl aber ein Wechsel von der Ausnahme zur Regel. 146 Huckestein, ZtU 1989, S. I, 16 f. 147 Vgl. oben im Text zu§ 67a Abs. 2; ferner Rehbinder, in: Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch- allgemeiner Teil, Erl. zu § 87 UGB-AT(E), S. 365. 148 Ergänzend wäre eine durch das Auseinanderbrechen des Emissionsverbunds aufschiebend bedingte, unbefristete Genehmigung zu erteilen

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

An sich steht auch einer künftigen Einbeziehung von Stillegungen - auch rechtswidrig genehmigter, jedoch bestandsgeschützter Anlagen - in das Maßnahmenensemble der anlagenbezogenen Vorsorge-Kompensation rechtlich nichts entgegen, solange die Bewertung des Minderungspotentials gesichert ist. Für die Aktivseite entzieht sich aber wie für die Passivseite alles, was jenseits der Amortisationsgrenze liegt, aufgrund der anlagenbezogenen Betrachtungsweise einer sachgerechten rechtlichen Bewertung. Ohne zusätzliches Kriterium kann zunächst die rein anlagenbezogene, in Emissionen gemessene Minderungsleistung der aktiv beteiligten (stillzulegenden) Anlage nicht beurteilt werden. Um die Behauptung des Anlagenbetreibers normativ einzugrenzen, diese Anlage hätte eine lange Restnutzung zu gewärtigen gehabt und dementsprechend umfangreich Schadstoffe emittiert, ist darum der durch die Stillegung erbrachte Emissionsminderungsbeitrag auf die Restnutzungsdauer der aktiv beteiligten Anlage hochzurechnen. Da es für die Passivseite des Ausgleichsverhältnisses bei den dargelegten Grundsätzen bleibt, gilt: Strebt der Setreiber der passiv beteiligten Anlage eine nur geringfügige Befreiung vom Vorsorgestandard an, darf er das durch die Stillegung geschaffene Potential zeitlich unbegrenzt nach Bedarf aufbrauchen. Begehrt er dagegen eine umfängliche Befreiung, spielt nach wie vor auch die Restnutzungsdauer seiner (passiv beteiligten) Anlage eine Rolle: Die irreguläre Emissionsbefugnis ist auf den Zeitraum der Restnutzung beschränkt 149.

m.

Bindung und Bindungswirkung untergesetzlicher Normierung 1. Unterschiede zwischen Immissions- und Emissionsbereich

Wiederum ist im Gegenstandsbereich des Schutzgebots ein vergleichsweise einfacher Befund zu erheben: Der Auftrag, gesetzlich vorgegebene Schutzstandards abstrakt-generell zu konkretisieren (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 48 Nr. 1, 51 BlmSchG), spricht mit der Befugnis auch ihre Grenzen an. Sie werden vom Gesetzesbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. I BlmSchG) bezeichnet. In diesem Sinne erhebliche Beeinträchtigungen müssen nicht hingenommen und dürfen folglich verboten werden. Eine weiterreichende Pflicht braucht umgekehrt der verantwortliche Anlagenbetreiber nicht gegen sich gel149 Vgl. auch Huckestein, ZfU 1989, S. I, 17, 21. In der erörterten Situation kann die (stillgelegte) aktiv beteiligte Anlage anders als sonst nicht mehr ohne weiteres auf ihren rechtlichen Ausgangspunkt zurückkehren. Theoretisch bleibt der Genehmigungsanspruch nach dem Vorsorgeprinzip innerhalb der Frist des§ 18 Abs. I Nr. 2 BlmSchG bis zur Neuregelung von Emissionsgrenzwerten uneingeschränkt erhalten. Es kann aber geschehen, daß sich die Immissionslage verschlechtert, so daß die - zeitweise stillgelegte - Anlage A mit nachträglichen Anordnungen zu rechnen hat bzw. nicht mehr genehmigt wird. Dieses Risiko verbleibt auf der Belreiberseite und ist in die Kompensationserwägungen einzustellen.

Achtes Kapitel: Anforderungen aus Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes

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ten zu lassen. Sie läge jenseits des Konkretisierungsrahmens und verstieße ohne anderweitige Ermächtigung gegen das Schutzgebot Infolge der hinreichend strikten Grenzziehung unmittelbar durch das Gesetz bleibt es beim lediglich normkonkretisierenden Charakter untergesetzlicher Vorschriften und einer nur eingeschränkten Bindungs- (d.h. Außen-)wirkung. Die Kompensationsregelungen der TA Luft machen insoweit keine Ausnahme. Die relativ unbestimmte, anlagenbezogene Ausgestaltung des Vorsorgegrundsatzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 insb. Nr. 2 BlmSchG) sieht demgegenüber eine Rechtsetzungsermächtigung vor, die dem untergesetzlichen Normgeber in Reaktion auf die Unmöglichkeit einer lückenlosen Zurechnung von Immissionen einen weiteren Regelungsspielraum eröffnet. Die danach normierten Emissionsbegrenzungen stellen grundsätzlich außenwirksame Rechtssätze dar, sie binden als solche wie die Verwaltung im Außenverhältnis so auch die Gerichte, sie berechtigen und verpflichten den Bürger. Auf die Ermächtigung zum Erlaß solcher Normen ist der Maßstab des Art. 80 Abs. 1 GG (ggf. analog) anzuwenden. Danach bleiben mit Blick auf untergesetzliche Regelungen der Kompensation zur Erfüllung von Vorsorgeanforderungen zwei Problemfelder zu erörtern: Zum einen ist nach der genauen Reichweite der aus dem Vorrang des Gesetzes folgenden Bindung des Normgebers zu fragen. Zum anderen und vor allem muß geklärt werden, inwieweit der untergesetzliche Normgeber seinerseits ermächtigt ist, die Kompensation im Emissionsbereich unmittelbar bindend rechtlich zu regeln. 2. Die Bindung an das Gesetz

Auch unabhängig von ihrem Rechtscharakter ist untergesetzliche Normierung an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Soweit das Gesetz außerhalb allfälliger Eingriffsregelungen subjektiv-rechtliche Positionen einräumt, entfaltet es somit Schutzwirkung zugunsten des einzelnen. Nachdem das Gesetz einen Anspruch "auf Kompensation" jedenfalls dem Grunde nach statuiert hat, kommt es für den kompensationswilligen Anlagenbelreiber maßgeblich auf eine möglichst exakte Bestimmung der Reichweite dieses Anspruchs an. Er bindet auch die normgebende Verwaltung. Ansonsten stellt die gesetzwidrige untergesetzliche Anordnung einen bloß objektiv-rechtlichen Verstoß gegen die gesetzliche Regel dar. Für die derzeit in den neuen Bundesländern geltende besondere Rechtslage

(§ 67a BlmSchG) ist das Verhältnis von Normsetzungs- und Einzelfallermäch-

tigung, das wesentlich über die Reichweite des Kompensationsanspruchs im Einzelfall entscheidet und folglich behördlichen Maßnahmen den Maßstab vor-

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeil von Kompensationsregelungen

gibt, bereits oben entwickelt worden. Auch künftige abstrakt-generelle, untergesetzliche Regelungen genießen innerhalb der Ermächtigung nach Sinn und Zweck Vorrang vor einer nur ergänzenden Einzelfallermächtigung. Während also die Erweiterung der Kompensationsmöglichkeit auf in ihrer Wirkung "vergleichbare" Schadstoffe allgemeine Verbindlichkeit beansprucht, wird der Vorschriftengeber, obwohl der Aspekt des § 67a Abs. 3 BimSchG (i.V.m. Art. 8, Art. 1 Abs. l EVertr 150) nicht mehr zum Tragen kommt, mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung räumliche und zeitliche Beschränkungen vorsehen dürfen. Vor allem zeitliche, auf den Regelfall bezogene Beschränkungen der Kompensation verstehen sich, wie gezeigt, als notwendige Ergänzung und integraler Bestandteil eines Sanierungskonzepts. Sie nehmen an dessen Vorrang teil und werden von der Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlrnSchG, die Ausnahme- nicht Regelfälle im Blick hat, nicht berührt. Damit stellt sich die Frage nach dem Anspruchsumfang ausschließlich in Ansehung der Normsetzungsermächtigung. Diese aber überläßt im Zielkonflikt von Anreiz-Politik und öffentlichem Sanierungsinteresse die Entscheidung über die "Förderung des Gesetzeszwecks" weithin dem Normgeber. Zulässig ist die sinnvolle Ausgestaltung des Kompensationsinstruments - etwa die Berücksichtigung der Immissionssituation -, absolut verboten erscheint vor allem eine gegen Null strebende Verkürzung der Kompensationsfrist Ihr gegenüber könnte sich der Anlagenbetreiber dann unmittelbar auf §§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BimSchG berufen. Jenseits dieser fiktiven Grenze geht es auch hier nur um möglichst sinnvolle - d.h. an den Übergangsfristen ausgerichtete - Regelungen bis hin zu einer gleichfalls fiktiven, vom gesetzlichen Sanierungsgedanken (§ 7 Abs. 2 und 3 BimSchG) rein objektiv-rechtlich und darum von niemandem einklagbar gebotenen zeitlichen Obergrenze. Eine engere Bindung des Normgebers an die Ermächtigung kann aber vom Gesetzgeber angesichts vielfältiger Gestaltungen der Sachverhalte schlechterdings nicht erwartet werden (Art. 80 Abs. 1 GG). 3. Die Bindungswirkung der untergesetzlichen Kompensationsregelung Welcher Art ist nun die Bindungswirkung der- im Rahmen des Zulässigen sich haltenden - untergesetzlichen Kompensationsregelung und insb. ihrer konstitutiven zeitlichen Maßgaben? Stehen sie auf einer Stufe mit den unmittelbar im Außenverhältnis verbindlichen Emissionsbegrenzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG, weil die Kompensation der rechtlichen Regelung bedarf?

150 Vom 31. August 1990, BGBI. II S. 889 mit Zustimmungsgesetz vom 23. September 1990, BGBI. II S. 885.

Neuntes Kapitel: Schluß

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Der Hinweis auf die mangelnde Bestimmtheit des Vorsorgegrundsatzes, die eine unmittelbar rechtliche Umsetzung erfordert, zieht diesmal nicht. Denn die Kompensationsmöglichkeit greift isoliert betrachtet nicht in Betreiberrechte ein, hebt stattdessen auf Freiwilligkeit ab und verkörpert so keinen unabdingbaren Teil des gesetzlichen (Zwangs-) Systems des Umweltschutzes. Der Gedanke der Entsprechung von Regel und Ausnahme, des actus contrarius also, kann indessen auch hier fruchtbar gemacht werden 151 . Nur folgt er, wo die Regel untergesetzlich angeordnet ist, nicht aus dem Vorrang des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG, sondern aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen 152. Danach statuiert ein Sanierungskonzept nach §§ 7 Abs. 2, 48 Nr. 4 BlmSchG- etwa die Vorschrift der Nr. 4.2 TA Luft- regelmäßig Ausnahmen von den allgemeinrechtssatzmäßig - geltenden Vorsorgestandards. Von diesen Ausnahmen aber läßt die untergesetzliche Kompensationsregelung gern. §§ 7 Abs. 3, 48 Nr. 4 BlmSchG- Nr. 4.2.10 TA Luft- ihrerseits Ausnahmen zu, wo sie nicht- was denkbar wäre, aber nicht der geltenden Gesetzeslage entspricht - unmittelbar die "Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2" BlmSchG derogiert. Ausnahmen von Gesetzesbefehlen sind nun immer nur in Gesetzesform zulässig und verbindlich. Auch die nähere gesetzeskonforme Umschreibung und vor allem Befristung des (untergesetzlichen) Kompensationsanspruchs steht daher im Rang einer untergesetzlichen Rechtsnorm und entfaltet eine unmittelbare, vom Anlagenbetreiber durchsetzbare, freilich in keiner Weise drittschützende Außenwirkung, die erst an den Grenzen der Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmSchG endet.

Neuntes Kapitel

Schluß

Bevor man Kompensationskonzepte und -Vereinbarungen im internationalen oder globalen Rahmen ins Auge faßt, müssen, was hier versucht wurde, die verbindlichen Eckdaten des deutschen Umweltrechts systematisch klargelegt werden. Umweltnutzung und Umweltverschmutzung - beide beschreiben zunächst einen tatsächlichen, nicht rechtlichen Vorgang. Einen Rechtsanspruch dieses Inhalts mögen andere Rechtsordnungen vorsehen und mag man sich in Analogie zum zivilrechtliehen Leistungsanspruch idealtypisch konstruieren. Das deutsche öffentliche Recht kennt ihn so nicht 153. Stattdessen sieht es, was 151 Vgl. zum regelmäßigen Erfordernis eines "Gegenakt(s) der Normsetzung" BVerwGE 75, 142 (144) im Zusammenhang mit Bebauungsplänen. 152 Vgl. Schmidt-Aßrrumn, Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 24, Rdnr. 37 f., 41. 153 Selbst als bloße Gewährung konstituiert ein Gemeingebrauchsregime doch eigentlich kein Leistungsgewährungsverhältnis, Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 74 in Fn. 2.

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeit von Kompensationsregelungen

das umweltrelevante Verhalten der einzelnen anbelangt, Unterlassungsansprüche vor, die dem Staat verfassungs- und gesetzwidrige Einschränkungen solchen Verhaltens verbieten oder umgekehrt: jede Einschränkung an einen rechtfertigenden Schädlichkeitszusammenhang binden. Weil diese Ansprüche freiheitsrechtlich und damit in ihrem grundsätzlichen Vorrang - freilich nicht in jeder Ausprägung - verfassungsänderungsfest konstruiert sind (Art. 1 Abs. 3, 79 Abs. 3 GG), wird auch die europäische Integration über sie nicht hinweggehen können. Erlegt aber das Bundes-Immissionsschutzgesetz den Betreibern genehmigungsbedürftiger Anlagen inhaltlich verschiedene Verhaltenspflichten auf, so unterscheiden sich trotz jenes einheitlichen Hintergrunds durchaus die Befugnisse, in deren Rechtsraum gewissermaßen der Ausgleich von Umweltbelastungen stattfinden kann. Sie sind freilich ganz im obigen Sinne durchweg dem Individuum, der Rechtsperson zugeordnet. Das Schutzprinzip bewertet jedoch die- nach Art des klassischen Gefahrenabwehrrechts-individuell (anlagenbezogen) zurechenbaren Immissionsbeiträge über einen einwirkungsorientierten Schutzmaßstab und schafft dadurch eine örtliche Schädlichkeitsschwelle. Nicht nur ein gewisser Bewirtschaftungseffekt ist die Folge, der dann mittelbar dem subjektiven öffentlichen Betreiberrecht doch wenigstens den Effekt einer Nutzungsbefugnis verleiht. Die an sich isolierten Rechte werden über ihre quantitative Umsetzung aufeinander bezogen. Örtlich relevante Emissionsminderungen eines Betreibers kommen stets und automatisch benachbarten Interessenten zugute. Diese Austauschmöglichkeit erscheint so als immanenter Bestandteil des gesetzlich geregelten, auch geschützten Betreiberanspruchs und setzt lediglich voraus, daß die mehreren Ansprüche, d.h. insbesondere Genehmigungen in einer hier nicht mehr zu erläuternden Weise verwaltungstechnisch gekoppelt werden. Sie kann schließlich auch der Sanierung von Belastungsgebieten dienen. Dazu müssen nur, wenn ein Betreiber den ihm von Gesetzes wegen zustehenden Betätigungsrahmen überschreiten möchte, entsprechende Sanierungsbedingungen mit der Austauschmöglichkeit verknüpft werden, die selbstverständlich die Schranken der Verfassung zu beachten haben. Sobald und solange aber einwirkungsbezogene Schwellenwerte der Schädlichkeit existieren, wirft im übrigen der hoheitlich kontrollierte Ausgleich von Umweltbelastungen unter aktiver und passiver Beteiligung einer Mehrzahl von Betreibern (bzw. Emissionsquellen) keine Probleme auf. Die weiträumig konzipierte Vorsorge (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG), die darauf aus ist, das ungeachtet des Schutzgrundsatzes verbleibende und nicht mehr individuell zurechenbare Restrisiko im Interesse der Allgemeinheit zu mindern, setzt dagegen zwangsläufig bei der einzelnen Anlage (Emissionsquelle) an. Und sie weist mangels eines endgültigen Ziels (Schädlichkeitsschwelle) über sich hinaus, tendiert zur Null-Emission, wegen ihrer

Neuntes Kapitel: Schluß

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großen Unbestimmtheit auf konzeptionelle, rechtsförmige Ausgestaltung angewiesen, vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz indessen wenig eingegrenzt. Will man nun angesichts dieses gewissermaßen selbstgenügsamen Prinzips Kompensationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen, rechtlich unverbundenen Anlagen eröffnen, so kann nur das besondere Motiv hierzu den Anlaß geben, über das allgemeine Vorsorgeniveau noch hinauszuzielen, was sich dann in der - mit Blick auf die übrigen Betreiber auf ihre Systemkonformität zu überprüfenden - Bedingung der "Überkompensation" niederschlägt. Typischerweise und auch nach der Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind damit an sich bestandsgeschützte Altanlagen angesprochen. Da die vom Vorsorgekonzept vorgegebenen und für einen Ausgleich maßgeblichen Emissionsbegrenzungen aber gerade unbedingt und nicht etwa in Abhängigkeit von in der Vergangenheit getätigten Investitionen und darin begründeten Rentabilitätserwägungen gelten, könnten freilich auch Neuanlagen zur Kompensation zugelassen werden, wenn es gelingt, die Beförderung der Vorsorge sicherzustellen. Drei besondere Umstände kennzeichnen aber in jedem Fall notwendig die Kompensation im Bereich der anlagebezogenen Vorsorge: Vom verbindlich definierten Vorsorgestandard muß sie im Hinblick auf die an der "Transaktion" beteiligten Anlagen abweichen, was nicht nur eine echte Ausnahme im Interesse der begünstigten (passiven) Anlage bedeutet, sondern auch den Grundsatz des strikten Anlagenbezugs im neuen Emissionsverbund aufbricht. Damit wird - zweitens - ein weiterer Vorsorgestandard etabliert, der sich dadurch auszeichnet, daß er außerhalb des allgemeinen gesetzlichen Status angesiedelt, also nicht in das (zwangsbewehrte) Rechte- und Pflichtenverhältnis des - untergesetzlich konkretisierten - Vorsorgeprinzips integriert ist, sondern allein auf der Basis freier Entscheidung der Betreiber zum Tragen kommt. Schließlich bedarf die vorsorgefördernde Bedingung der Überkompensation eines Maßstabs, der verläßlich widerspiegelt, was von jeder einzelnen der beteiligten Anlagen von Gesetzes wegen eigentlich an Vorsorge zu erwarten wäre. Für diejenige (aktiv beteiligte) Anlage, welche die Emissionsgrenzwerte unterbietet, bleibt es gleichwohl beim allgemeinverbindlichen gesetzlichen Standard als Grenze der Leistungspflicht, wie auch dem Betreiber der (passiv beteiligten) begünstigten Anlage mehr an Emissionsbegrenzung nicht abverlangt werden kann. Darüber hinaus kann ein solcher Maßstab zeitlich gewonnen werden, wenn man die absolut befugnisbegrenzende Möglichkeit des Widerrufs in das Ausnahmeregime einbezieht. Sie, die vom Gesetzgeber bei Formulierung der Kompensationstatbestände offenkundig außer Acht gelassen wurde (§ 17 Abs. 3a BimSchG), besagt, wie lange eine Anlage im äußersten Fall hätte betrieben werden dürfen und begrenzt dadurch - in analoger Anwendung des § 17 Abs. 3a BimSchG auch die absolute Gesamtmenge des auszugleichenden Schadstoffausstoßes. Zugleich werden mögliche untergesetzliche Kompensationskonzepte, die ge-

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Dritter Teil: Die rechtliche Zulässigkeit von Kompensationsregelungen

radeden Widerrufsfall (§§ 17 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BlmSchG) als Fall unverhältnismäßiger Anforderungen im allgemeinen nicht berücksichtigen werden und letztlich abstrakt-generell auch gar nicht berücksichtigen können, mit der - ansonsten hier zur Bedeutungslosigkeit verurteilten - Einzelfallermächtigung des § 17 Abs. 3a BlmSchG in Einklang gebracht. Entsprechend angewendet erlaubt § 17 Abs. 3a BlmSchG der Behörde das wohl eher selten praktische, gleichwohl in seiner Maßstabsfunktion unverzichtbare Absehen vom (ausgleichspflichtigen) Widerruf. Danach zieht das Gesetz - vorbehaltlich verbindlicher untergesetzlicher Fristen- der Kompensationsvereinbarung über die aus der Differenz zum Vorsorgestandard resultierende relative Minderungsrate (Schadstoffausstoß pro Zeiteinheit) hinaus immer dann keine strikte Grenze, wenn ein Widerruf ausscheidet, also entweder die (verhältnismäßigen) Anforderungen unproblematisch erfüllt werden können oder wegen Geringfügigkeit des Verstoßes die Sperrwirkung des § 21 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG greift. Weil aber die erstere Behauptung, solange die Vorsorgeanforderungen mit Rücksicht auf die Kompensationsvereinbarung nicht durchgesetzt werden, schlechterdings nicht verifiziert werden kann, muß für beträchtliche Überschreitungen des Vorsorgestandards, um Schäden für das Gemeinwohl zu vermeiden, der Widerrufs-Maßstab in Anschlag gebracht werden und d.h.: die Kompensation, wie dies auch im Falle unverhältnismäßiger Anforderungen geschehen müßte, auf die Dauer der Restnutzung der betreffenden (passiv beteiligten) Anlage begrenzt werden. Erst damit erhält man das gesetzeskonforme Modell der Vorsorgekompensation, dessen Chancen - auch zum Nutzen der Umwelt - die potentiellen Adressaten umso eher ergreifen werden, je exakter sich seine Konturen darstellen. Indem es auf Freiwilligkeit abhebt, verlangt es freilich weitreichende Vorleistungen der Betreiber, die sämtliche erforderlichen Daten selbst erheben und der Behörde im Sanierungsplan fristgerecht mitteilen müssen. Das setzt eine Vernetzung unter den einzelnen Betreibern voraus, die in der Wirklichkeit gerade auf dem Hintergrund weiträumiger Kompensationsbeziehungen nicht zu finden ist oder im allgemeinen doch mit einem organisatorischen Aufwand hergestellt werden müßte, der die potentiellen wirtschaftlichen Vorteile wieder in Frage stellte. Hinzu kommt, daß die - freilich zentrale - Bedingung der Überkompensation, nimmt man sie im strengen Sinne des Gesetzes, nicht nur die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen kompliziert, sondern auch die Möglichkeiten gewinnbringender Kompensationen erheblich einschränkt.

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Tatsächlich wurden bislang kaum Kompensationsvereinbarungen getroffen 154. Auch wenn sich die hierfür mitursächlichen Rechtsunsicherheiten bei präziser Auslegung vermeiden lassen, spricht doch manches dafür, die im Interesse des Drittschutzes unverzichtbaren Schutznormen um Abgabenlösungen, letztlich eine umfassende Regelung des Gemeingebrauchs an Umweltgütern zu ergänzen.

154 Huckestein, Zfl.J 1989, S. I f., 15; insb. Gawei/Ewringmann, NuR 1994, S. 120, 121; Rehbinder, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 28, 63 f.

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