Kommunikation wissenschaftlich denken: Perspektiven einer kontextuellen Theorie gesellschaftlicher Verständigung 9783205793182, 9783205781943

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Kommunikation wissenschaftlich denken: Perspektiven einer kontextuellen Theorie gesellschaftlicher Verständigung
 9783205793182, 9783205781943

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Thomas A. Bauer

Kommunikation wissenschaftlich denken Perspektiven einer kontextuellen Theorie gesellschaftlicher Verständigung

2014

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A–1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Laura Gozzer, Wien Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Balto print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-78194-3

Inhalt

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort Anspruch und Zumutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikationssinn  : der Ort von Wahrheit . . . . . . . Medialität als kulturelle Qualität von Gesellschaft . . . . Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kommunikation wissen. Ein theoretisches Szenario zur Konzeption von Kommunikationswissen . . . . . . . . . . . . . Drei-Ebenen-Modell zur Erfassung von Kommunikationswissen . . . Das Konzept zur Erschließung von Wirklichkeit.. . . . . . . . . . . Aus dem Leben begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation im Modell von Beobachten und Handeln. . . . . . . Kontextualität von Beobachten und Handeln . . . . . . . . . . . . . Wissenschaft als kommunikativ vermittelte Beobachtung . . . . . . . Beobachtung im Fadenkreuz von Zeichenwelt und Zeichenlogik . . . Wissen und/oder Handeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorie-theoretischer Rahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Standards der Kommunikationswissenschaft. . . . . . . . . . . Kommunikationswissenschaft zwischen Sinn und Erfahrung . . . . . Diskursive Epistemologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektivierung und subjektiver Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . Mythos Kommunikationsgesellschaft und offene Desiderate . . . . . . Wissenschaft zwischen den Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Signaturen der Wissenschaft und sozialer Wissenschaftsgebrauch . . . Suchsystem Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft. Ein theoretisches Programm von und für Medienbildung . Wandel der Theorieprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umstellung von Einstellungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft im Modell des Verstehens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die soziative Vernunft und der mediative Charakter des Verstehens.. . .

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Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Medientypische Differenzierung der sozialen Verständigung.. Verständigungswert Gesellschaftlchkeit . . . . . . . . . . . . . Media Literacy  : Die Medien verstehen. . . . . . . . . . . . . Medienpädagogik  : Die Gesellschaft verstehen . . . . . . . . . Medienbildung  : Die Welt verstehen.. . . . . . . . . . . . . . Kompetenzbildung oder Habitusbildung  ? . . . . . . . . . . .

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Anthropologischer Interpretationszusammenhang . . . . . . Psychologischer Interpretationszusammenhang.. . . . . . . Pädagogischer Interpretationszusammenhang.. . . . . . . . Gesellschaftstheoretischer Interpretationszusammenhang..

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Bildung als generative Kategorie des gesellschaftlichen Wandels. . . . . . Die Hypothese der generativen Aneignung . Das Autopoiesis-Axiom.. . . . . . . . . . . . Das Kompetenz-Theorem . . . . . . . . . . . Das Habitus-Konzept. . . . . . . . . . . . . . Das Intelligenz- Theorem . . . . . . . . . . . Diskurslogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Alte Theorien – neue Welten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versionen der Mediengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftlichkeit und Medialität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Welt im Gebrauch von Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturgut Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meritorisches Gut Medienkompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenz-Konzepte  : das eigene und das andere Selbst . . . . . . . . . . Die Systemfalle  : Erfolg und Erfolgstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . Inszenierung und Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrheit im Spiegel des Täuschungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenz als Programm von Authentizität. . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenz als Programm von Emanzipation . . . . . . . . . . . . . . . Mediumskompetenz und Medienkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . Mediales Verstehen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medienmodell Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medienkultur als Kompetenzprogramm für eine Gesellschaft im Wandel . Medienwandel – kulturtheoretisch eingeordnet. . . . . . . . . . . . . . . Kompetenz als gesellschaftlicher Habitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gesellschaftsmodell von Kommunikation  : die Kultur der sozialen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Literaturverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 –  6 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit. Anmerkungen zur Kommunikationslogik des sozialen Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsschwache Allgemeinplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation theoretisch verstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die 2 Stufen-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorien mit semantischer Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontextuelle Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wandel im Kontext kommunikativer Logik. . . . . . . . . . . . . . . . . Epistemologische Annäherung  : Kybernetik der Beobachtung . . . . . . . Der Stand der soziologischen Konzepte des sozialen Wandels . . . . . . . Theorien der Modernisierung . . . . . . . . Theorien des gesellschaftlichen Lernens . . Theorien der Ökonomisierung.. . . . . . . Theorien der Differenzierung . . . . . . . . Theorien des kulturellen Wandels. . . . . .

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Die philosophische Einordnung des Konzepts des Wandels.. . . . . . . . Krise und Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitorganisation und Zeitintuition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Sozialer Wandel als Kampf der Kulturen  : Identität und Individualität . Sozialer Wandel im Kontext der Mediengesellschaft  : Medialität und Technologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturgesamtverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Das theoretische Universum des Kulturbegriffs ist so weit und so offen wie das des Kommunikationsbegriffes und ähnlich diesem eine nimmermüde Baustelle aus Interpretation, Analogie und Metaphorik. Und immer, wenn sich Logiken einmischen und daran machen dieses Universum zu strukturieren, um es in den Griff zu bekommen oder es innerhalb eines Modells endlich gültig zu rahmen, entstehen bestenfalls sprachlich gelungene, inspirative Architekturen, die am Ende doch nichts anderes sind als mögliche Bauwerke, die wenn sie besonders auffällig sein wollen, erst recht die Landschaft, von der sie reden, verstellen. Die Schwierigkeit für die Wissenschaft, die es gewohnt ist, sich über ein durch die logische Organisation des Denkens verfolgtes Protokoll als solche auszuweisen, ist, dass sie in den Begrifflichkeiten von Kultur, Kommunikation, Gesellschaft und ähnlichen anderen Konstrukten gefordert ist, sich über ein offenes, dissipatives und diskursives Protokoll als gültige Ressource von Wissenswertem zu Kultur, Kommunikation und Gesellschaft glaubwürdig zu machen. Der Vertrauensmechanismus ist hier nicht durch Beweis einzulösen, sondern durch Überzeugung, durch Prophetie im Sinne der historisch verschwiegenen Übersetzung als Hervorsagen, nicht als Vorhersagen. In dieser Auffassung von Wissenschaft erfüllt sich die Leistung des Wissen schaffenden Verstehens als kriteriengeleitete Beobachtung von und in wechselseitiger Bezüglichkeit zwischen Realität, Idealität und Normativität. Das wissenschaftliche Protokoll von Kultur, Kommunikation und Gesellschaft ist nicht primär logisch, sondern kulturell, kommunikativ und sozial ausgelegt. Es kann nicht auf objektive oder definierte außerbegriffliche Gegebenheiten oder Größen zurückgreifen, sondern nur auf sich selbst. Es ist sich selbst überlassen und stimmt nur in Bezug auf sich und als Reflexion seiner selbst. Jede theoretische Konzeption von Kultur oder Kommunikation verfängt sich in der Frage nach der Kultur und nach der Kommunizierbarkeit der Konzeptionen und in den in die Objektbeschreibung eingemischten Deutungstheorien, in denen die Rede von Kultur oder von Kommunikation ist  : die Deutung von Theorien endet in der Frage nach der Theorie der Deutung (vgl. Schmidt 2004  : 17).

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Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Anspruch und Zumutung Es geht um Zeichenmuster zu Deutungen und um Deutungen von Zeichenmustern. Wenn Kulturen alltäglich gesetzte Zeichen- und Symbolstrukturen für und aus Deutungen von Wirklichkeit sind, dann sind Medienkulturen in Handlungs- und Beobachtungsmustern sedierte Bezeichnungskulturen von und für alltäglich gebrauchte und adressierte Wirklichkeitsauffassungen im spezifischen Modus und in der spezifischen Ästhetik der Medialität der Verständigung über Wirklichkeit, in welcher Position auch immer. Die zunehmende mediale Überformung des alltäglichen Lebens macht auf weiten Strecken den Alltag zum Medienalltag, die Alltagskultur zur Medienkultur. Darin eingebunden sind allerdings auch Begründungsaussagen über den Menschen, der wohl wissen kann, dass er ist, aber offensichtlich nicht weiß, warum er ist, wie er ist und was es bedeutet, dass er ist, wie er ist. Dies in Erfahrung zu bringen ist nicht Leistung des Wissens, sondern des Verstehens je-individueller Bezüge zur natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen (medialen) Umwelt. Wissen ist Verstehen, dass etwas ist, wie es ist. Verstehen ist Wissen, warum etwas ist, wie es ist und was es bedeutet, dass es ist, wie es ist. Wissen, das sich auf Verstehen beruft, ist durch Logiken begründetes Wissen, während Verstehen, das aus Wissen kommt, durch Interpretation ist, was es ist  : eine Bezugnahme zu unterstelltem Sinn. In diesem Sinne sind kulturtheoretisch orientierte Sozialwissenschaften der Versuch zu beobachten, wie und in welchen sozialen Mustern Beobachtungs- und Handlungszusammenhänge im Hinblick auf deren Bezugnahmen auf Sinn (Kulturprogramme – vgl. Schmidt 2004, 2006  : 23f ) operieren, wie ebenso herauszufinden, wie mögliche Sinnkonstrukte soziale Muster von Beobachtung und Handlung generieren, kontrollieren und auf Dauer halten (Kommunikationsprogramme). Eben dies zu wissen, warum etwas ist, wie es ist und was es bedeutet, dass es ist, wie es ist, ist nicht erschließbar aus dem Objekt, das man beobachtet, sondern aus dem Kontext, in dem das Objekt als solches wahrnehmbar wird. Wenn also Medien für diverse beobachtbare Objekte (Politik, Wirtschaft, Bildung, Alltag etc.) diesen Kontext darstellen, aus dem die wirklichkeitsstiftenden Deutungen des Objekts erschlossen werden können, dann ist dieser Umstand von höchster Relevanz für die wissenschaftlich begründete Deutung eben dieser Objekte (wie Politik, Wirtschaft, Bildung Alltag etc.). Der Aussagewert einer so sich verstehenden Wissenschaft liegt demnach nicht in der analytischen Beschreibung von Strukturen der sozialen Praxis, sondern in der Ausleuchtung und Auslegung der in diversen, mitunter symbolisch verschlüsselten Verständigungsmustern einander zugespielten und zugemuteten –  10 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Deutungen und Bedeutungen über den möglichen Sinn der gelebten, gedachten und vorgestellten Wirklichkeit. Kulturen sind, bevor sie sich als Handlungsmuster verselbständigen, Habitate der Beobachtung. Sie verwirklichen, verzeitlichen und verfestigen sich als solche im Muster von Kommunikation und symbolisch etablierter Interaktion. Das gilt für das Medienmodell von Kommunikation wie es auch für das Kommunikationsmodell von Medien gilt. Kulturen sind nie medienfrei wie Medien immer auch Agenturen von Kultur sind. Wer über Medien nachdenkt, denkt über Kommunikation nach oder richtiger  : denkt über kulturelle Biotope der Konstruktion von Wirklichkeit (Berger/Luckmann 1972) nach. Wer über Kommunikation nachdenkt, denkt über die Soziabilität von Sinn und Erfahrung, über die Gesellschaftlichkeit des Lebens und über die Lebenskultur der Gesellschaft nach. Dieses Horizontes wegen mischen sich in eine auch noch so empirisch distanziert gemeinte Analyse immer inspirative, normative, kritische und pragmatische Interessen ein. In der Beobachtung von Kulturen wird die Kultur der Beobachtung (Verstehensmodelle) zum Gegenstand der Beobachtung (Schmidt 2004  : 17), was es möglich und notwendig macht, einer kulturtheoretisch versierten Kommunikationswissenschaft abzuverlangen, dass sie ihr theoretisches Universum in den Verstehensmodellen der alltäglichen Spiegelung von Kultur und Kommunikation wahrnimmt. Das ruft nach einer hermeneutischen Wendung der Wissenschaft von Kommunikation. Was man sich von ihr versprechen könnte, wäre eine reflexiv-kritisch gemeinte Unterbrechung der Wiederholung praktischer Theorien (Routinen und Geschichten des Erfolgs) von Kommunikation und/oder Medien im Kontext von Wissenschaft, die eine solche ja erst wird, wo und wenn sie Wissen (wie anders verstehen) zu Wissen (was schon verstanden) schafft. In diesem Sinne ist (wäre) Kommunikationswissenschaft Interventionswissenschaft und ein theoretisches Biotop der Konzeption von sozialem Wandel. Soll sich an der oder an dieser Gesellschaft etwas ändern, dann ist dies nur möglich durch bewusste Unterbrechung (Verstörung) der Routinen von Beobachten und Handeln (vgl. Schmidt 2003  : 94) aufgrund bewusst bedachter teleologischer Referenz der Beobachtung auf eben solche Einmischungen  : Wozu ist es, wie es ist und wozu macht es Sinn es zu beobachten, wie man es beobachtet  ? Solche Referenzen auszumachen, zu benennen und in Szenarien vorzulegen ist eine berechtigte Erwartung an die theoretische Wissenschaft von Kommunikation für eine jenseits aller Praktikabilität kreativ-bewusst weiter zu bildende Gesellschaft. Themen dazu gibt es genug  : Sinn-Kultur, Diversität, Differenz, Dissipativität, Kontingenz, Intrinsität, Kompetenz, Habitus, Autonomie, Emanzipation, Soziabilität, Medialität – kulturdefinierte Begriffe, –  11 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

die den möglichen, weil notwendigen und wo immer auch fälligen paradigmentheoretischen Wandel in der Reflexion von Kommunikation indizieren (vgl. Bourdieu 1982, Bourdieu/Passeron 1977, Foucault 1974, 1978, Bauer 2011a, Bauer 2011b). Im Spiegel der breiten kommunikations- und medienwissenschaftlichen Beobachtung und Analyse standen für lange Zeit deren strukturelle Signaturen im Vordergrund, in überwiegendem Maße übrigens im Interesse der Fragestellung, welche Struktur- und Funktionsmerkmale Mediensysteme oder generell gesellschaftliche Kommunikationssysteme auszuprägen in der Lage sind oder sein sollten, um im Blick auf ökonomische, politische und alltagsstrukturierende Ordnungsmodelle demokratisch verfasster und (vielleicht) aufgeklärter Gesellschaften zwischen Stabilität und Entwicklung sowie zwischen Bestand und Wandel vernünftig zu vermitteln. Nicht nur, aber auch aufgrund des technologisch akzelerierten und zunehmend dissipativen wie globalisierten gesellschaftlichen Wandels gewinnt die kulturtheoretische Perspektive der wissenschaftlichen Medienbeobachtung an Terrain. Mit ihr meldet sich der kritische Anspruch einer normentheoretischen Perspektive in der Medien- und Kommunikationswissenschaft wieder – ebenso gewandelt und theoretisch grundsätzlicher aufgearbeitet – zurück (vgl. Karmasin/Rath/Thomaß 2013). Die theoretischen Ambitionen im Umfeld der Frankfurter Schule und des Projekts der Cultural Studies einerseits (vgl. Winter 2011) sowie die diversen Perspektiven der konstruktivistischen Erkenntnistheorie andererseits sind nicht nur historische Impulsgeber, sondern auch nach wie vor tragende Säulen und luzide Horizonte weiter geführter und weiter zu führender Differenzierungen in der kritischen Beschreibung von Medien als die kultürliche, nicht (nur) natürlichstrukturelle Umwelt der Praxis von alltäglicher Gesellschaftlichkeit. Im Unterschied zur strukturtheoretischen Beobachtung, die „die Medien“ als eine in sich und für sich eigentliche Funktionseinheit in einer der Gesellschaft und deren Basisinstituten (Demokratie, Wirtschaft, Bildung, Alltag etc.) gegenüber gelagerten Position eher analytisch, sach- und systemlogisch und möglichst bewiesen durch Fakten, Daten und Gegebenheiten versteht, versucht sich die kulturtheoretische Perspektive in der Interpretation von Bedeutungen, die dem Gebrauch von Medien in je verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten zugeordnet und unterstellt werden, oder – wenn es um die Perspektive der möglichen Veränderung geht – zugemutet und unterstellt werden könnten (vgl. Bauer 2003). Im Kontext des Alltags ist Medienkultur der individuelle, der institutionelle oder insgesamt der gesellschaftliche Habitus des „Mediengebrauchs“ in je unterschiedlichen Rollen, Positionen oder Funktionen. Kriterien der Qualität, –  12 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

der Interessenszusammenhänge der ästhetischen wie ethischen Implikationen spielen dabei eine kulturproduktive Rolle (vgl. Winter 2010). Im Kontext der wissenschaftlichen Beobachtung ist Medienkultur aber mehr, nämlich ein kulturtheoretisch begründetes Konzept der Beobachtung und der Beschreibung der in den Alltag des Mediengebrauchs eingemischten Analogien von Sinn (Nutzen, Ästhetik und Ethik – Edmaier 1968  : 163) zur Bestimmung von Wirklichkeit. Sie ist die in „Geschichten und Diskursen“ (Schmidt 2003) generierte und geteilte Deutung der sozialen Praxis, der Möglichkeiten und Zumutungen des Lebens in Gesellschaft im Modus der Symbolik, der Ästhetik und der Ethik medial kontextualisierter Interaktion. In diesem Sinne (weil jeweils Habitus und kulturelles Kapital) sind Medienkultur und Medienbildung zueinander komplementär begründet. Das eine lässt sich ohne das andere nicht machen, weder praktisch noch theoretisch. Ein gesellschaftlich relevantes Programm von Medienbildung ist ein Programm für Medienkultur. Beide Konzepte verstehen sich als in wechselseitiger theoretischer Stützung reflektierte Kompetenzmotive einer an Selbstbewusstheit, Autonomie, Zivilisation und Emanzipation interessierten Gesellschaft. Kommunikationssinn  : der Ort von Wahrheit In eben diesem Interesse kann es sich die Kommunikations- und Medienwissenschaft, wenn sie ihre Interventionskompetenz (Zuständigkeit, Potenzial, Verantwortung) ernst nimmt, nicht (länger) leisten die Bildungsperspektive in eine zweite oder hintere Reihe ihrer Konzeptarbeit zu stellen. Ein theoretisch begründetes Konzept von Medienbildung ist die unabdingbare Erschließungsperspektive zur theoretischen Reflexion der medienkulturellen Praxis und der Rahmenbedingungen für eine emanzipatorisch gemeinte Entwicklung. Das verlangt aber auch ein sozial- und gesellschaftstheoretisch tiefer begründetes Verständnis von Kommunikation als industrie- und mechanik-logische Modelle, die für den Alltagsgebrauch reichen mögen, theoretisch hergeben. Und es verlangt, das philosophisch-anthropologisch objektivierbare Vorstellungsmodell (Noema) von Kommunikation als Gesellschaftsmodell und Gesellschaft als Kommunikationsmodell in kritischer Kontrastierung zu deren interessensgeleitetem Gebrauch (Macht, Einfluss, Wirkung, Einheit, Einstimmigkeit etc.) zu thematisieren, ohne sich dabei der („leider“) nicht umgehbaren ethischen Implikation am Ende nur als Fußnote verschämt anzunehmen. Wenn es um Wirklichkeit geht, dann geht es eben auch um Wahrheit, weil es im Hinblick auf Wahrheit kein anderes Protokoll gibt als das der (dialogischen/ dialektischen  : durch das Wort) Qualität der Konstruktion von Wirklichkeit. –  13 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Beide Konstrukte (Kommunikation und Wahrheit) finden im Konzept und in der Praxis symbolischer Interaktion ihre ihnen analoge Konfiguration. Kommunikation und Wahrheit sind Konzepte, die im Hinblick auf die Normen, Ziele und Erwartungen der Konstruktion von Wirklichkeit einander bedingen und brauchen  : Was wahr ist oder wahr sein soll, lässt sich nur über Kommunikation erschließen, die ihrerseits solche Erwartungen nur erfüllt, wenn sie selbst wahr ist. Es wird vor allem im Rahmen der Textpassagen zum Thema Beobachten und Verstehen zu zeigen sein, dass der Kommunikationscharakter von Wahrheit und der Wahrheitscharakter von Kommunikation sich zueinander spiegelverkehrt konstruiert verhalten, wobei das Wahrheitsgeschehen (Kommunikation) aufgrund der Bedingungen der Beobachtung die Grundlage für die Wahrheitsmaterie (Verstehen) ist. In diesem Sinne ist Wahrheit tatsächlich im Modell eines Kontinuums, nicht in dem eines Status begrifflich zu machen und in dieser Unterscheidung zuerst eine kommunikationsmoralische, zumindest kommunikologische Kategorie (Transparenz, Kompetenz, Verantwortung), bevor sie inhaltlich (Wissen, Glauben) als solche beansprucht werden kann (vgl. Schmidt 2003  : 77). Wenn nicht das (inhaltliche) Wissen, sondern der Gebrauch dessen (Kommunikation) der wahrheitsbestimmende Faktor im Verstehen von Wirklichkeit ist, dann ist Wahrheit eine Kategorie von Bildung, verstanden als Habitus. Wahrheit im Kontext von Wissen (wie vermutlich sonst auch) ist eine durch Kommunikation konstituierte Größe von Verlässlichkeit und Verbindlichkeit von Wirklichkeitskonstruktionen, nicht eine, die der Realität existent vorläge und die aus dieser nur zu entdecken wäre durch eine entsprechende Technik von Beobachtung und Einsichtnahme. Die Wahrheit ist kein logisches Gebilde, sondern ein kommunikologisch zu interpretierendes Werte-Modell von und für Wissen. Sie ist das teleologische Programm einer auf Einsicht (Verstehen) setzenden sozial geteilten Beobachtung, eine Instanz von Kommunikationssinn, durch die die Realität, die man verhandelt mit der in Rechnung zu stellenden Kontingenz (nicht notwendig, aber auch nicht unmöglich anders) ausgeglichen wird. Wahrheit ist ein Verstehensmodell der Stimmigkeit von Wissen wie eben auch ein Wissensmodell der Stimmigkeit von Verstehen, das zugleich als Wertemodell die Qualität von Kommunikation bestimmt. Wahrheit versteht sich, in diesem Kontext gedacht, als die Instanz, die die Kompatibilität von Wissen und Bildung sicherstellt. Erklärt sich eine Gesellschaft über ein solches Wertemodell, dann setzt sie auf die Nachhaltigkeit des Wissens durch Bildung (und Lernen) und kann sich (getrost) Bildungsgesellschaft nennen. So wäre dann eine Metapher zu einer Chiffre geworden. In diesem Verständnis ist Bildung ein ethisch begründetes ästhetisches Programm einer –  14 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

sich (durch Wissenschaft, Medien, Kunst, Kultur) selbst beobachtenden Gesellschaft, weil es um die Form geht, die sie sich gibt  : Sie wird nicht konstituiert durch Normen und Regeln, die ein Eigenleben führen, sondern sie konstituiert sich im Wege der Entwicklung und findet so die Regeln ihres Daseins. Der gesellschaftliche Vollzug ist in diesem Sinne die Praxis der Emanzipation aus der Stupidität von für sich selbst stehenden Prinzipien, die nicht länger einer Reflexion der Ethik und schon gar nicht mehr einer Ethik der Reflexion folgen. Erst in der Verschränkung von Ethik der Reflexion und Reflexion der Ethik entsteht eine inspirative Konstellation, die sicherstellt, dass die Verhältnisse, in denen die Gesellschaft (sich) lebt, auf der Kohärenz von Haltung und Verhalten aufbauen. Das fordert die Wissenschaft auf, über die Möglichkeiten der Beschreibung eines Wahrheits- oder Eigentlichkeitsmodells von Kommunikation nachzudenken, weil – so weit bis jetzt einsichtig – ein solches nicht anders erschlossen werden kann denn wieder über (das Verstehen von) Kommunikation. In diesem hermeneutischen Zirkel kann die Wissenschaft nur durch Unterbrechung der theoretischen Routinen eine relevante Geste der kritischen Deutung setzen  : Die Wissenschaft der Kommunikation kann nur glaubwürdige Aussagen machen, wenn sie sich der allgemeinen Zumutung, sagen zu können (zu müssen), was die materielle Konsistenz von Kommunikation ist oder zu sein hätte, zu widersetzen weiß. Um nicht in der Wiederholungsschleife das Alltagswissens verloren zu gehen oder im Gestus des vielleicht (nur) besser begründeten Hausverstandes unglaubwürdig zu werden, kann sie nur im Wege der theorie-theoretischen Unterbrechung der alltagstheoretischen Routinen der Bestimmung des Wirklichkeitsmodells von Kommunikation sich im Spiegelverfahren zum Kommunikationsmodell von Wirklichkeit (Wissen) begründen, bekennen und beweisen  : beobachten, wie die Alltagstheorie über Kommunikation denkt, warum und wie und in Referenz zu welchen Noemata und Paradigmata sie die soziale Praxis als die Wirklichkeit von Kommunikation versteht, wenn sie meint zu wissen, aufgrund welcher Bedingungen die Kommunikation (Konstruktion) von Wirklichkeit ihr mögliches Ziel (Verstehen) erreicht. In diesem Sinne ist Kommunikationswissen zu schaffen ein teleologisches Unterfangen. Der Modus der teleologischen Beschreibung von Kommunikation ist daher der der Beobachtung von Beobachtung (Schmidt 2003  : 94), nicht der der Beobachtung (Vermessung) von definierten Objekten oder Merkmalen. Beobachtung ist der teleologische Modus jedweder Konstruktion von Wirklichkeit, also von Wahrnehmung und Kommunikation. Sie ist, in philosophischer Anthropologie gedeutet (vgl. Schmid 2000  : 145, Schmidt 2003  : 38ff ), –  15 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

ausgerichtet auf die Bestimmung des Unbestimmten und so der – kulturell wohl unterschiedlich ausgeprägte – Habitus der Behauptung von Welt. Zur Sicherstellung der Stimmigkeit dessen, was man beobachtet, gibt es nur das Protokoll, wie man beobachtet. Wie man etwas beobachtet, stellt wieder die Frage nach dem Warum und dem Wozu der Beobachtung. Grund und Ziel – man beobachte schon hier die topografische Metaphorik – beschreiben den Standort, aus dem man beobachtet. Schon hier sagt die Metaphorik, dass es zum einen wohl eines räumlich, zeitlich, sozial, sachlich und ideell vermessenen Standortes bedarf, um etwas oder auch sich beobachten zu können und diese Beobachtung dann auch als wahr zu behaupten, zum anderen aber sagt sie auch, dass jedweder Standort so vermessen werden könne, oder anders  : dass, um das Eine als das Eine zu bestimmen, jedweder Standort angenommen werden kann. Es kann also jede Beobachtung von sich behaupten die Beobachtung des Einen zu sein, was am Ende jede Behauptung des Einen gegen ein Anderes zulässt. So ist jede für sich genommene Beobachtung wie jede für sich, für die Situation und für den Moment gemachte, gedachte oder vorgestellte Kommunikation per se fehlerhaft  : es fehlt ihr per definitionem die Möglichkeit der Alles-in-Einem-Bestimmung. Genau dieser Umstand ist aber auch die logische Garantie für die Freiheit der Konstruktion von Welt. Alles, was die Welt ist, ist sie im Augenblick der Kommunikation. Wenn diese an Relevanz, Glaubwürdigkeit oder Energie verliert, ist die Welt schon wieder eine andere. Medialität als kulturelle Qualität von Gesellschaft Die Welt, so von ihr gesprochen, ist zunehmend eine im Modell medialisierter und mediatisierter Kommunikation konstruierte (vgl. Krotz 2008, Hepp 2008). Mit bloßem Auge ist erkennbar  : Die Präsenz von Medien im Zuge der Erledigung des Alltags, ob als klassische Medien oder als social media, nimmt zu und entwickelt zunehmend Merkmale dominanter Formatierung und Flächendeckung. Alltagsagenden werden, in welchem Kontext auch immer, zunehmend zu Medienagenden, Alltagsdiskurse zu Mediendiskursen, Alltagsbeobachtungen zu Medienbeobachtungen. In allen Sektoren des gesellschaftlichen Lebens, ob privat oder öffentlich, werden wir zunehmend darauf aufmerksam, dass alles Geschehen, das wir für relevant halten, deshalb Realität gewinnt, weil es Mediengeschehen ist und als solches jederzeit für jeden in jedwedem Kontext jedwede Relevanz haben könnte  : Jedweder Andere könnte wissen, was man meint selbst wissen zu müssen, um sich seiner Umwelt vergewissern zu können. Medien sind und waren schon immer –  16 –

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Umwelten und Erfahrungsquellen. Nun aber scheinen sie zunehmend andere Umwelten und Erfahrungsquellen zu überformen  : Politik mutiert zu Medienpolitik, Wissen zu Medienwissen, Religion zu Medienreligion, Peers zu Medienfreunden usf. In welchen Bereichen auch immer  : Die Optionen werden mehr, wenn nicht sogar zu viele. Das stresst die Aufmerksamkeit für Geschehnisse jenseits der unmittelbaren Wahrnehmung. Medialität und Realität finden sich als Komplizen im Interesse von Aufmerksamkeit und Beobachtung. Medialitätsmodelle mischen sich in das Wissensmodell von Realität wie sich Realitätsmodelle in das Beobachtungsmuster von Medialität mischen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, weil am Ende alles, was wir dann meinen zu wissen, dem Gebrauch von Medien zu verdanken ist. Diese Beobachtung ruft das Thema Kompetenz auf den Plan  : Wissen die Menschen, was sie wollen, wenn sie sich in fast allem, was sie beschäftigt, „den Medien“ anvertrauen  ? Was wir wissen, wissen wir ja nicht wirklich „von den Massenmedien“ (Luhmann 2004), sondern aus der Beobachtung von Mediendiskursen und der gelegentlichen Einmischung in diese. Die gesellschaftliche Realität ist Kommunikationsrealität und, weil gesellschaftliche Zusammenhänge gar nicht anders gedacht werden können denn als in Strukturen ihrer Medialität manifestierte Zusammenhänge von Beobachtung und Handlung, in einem grundsätzlicheigentlichen Sinne („nur“) Medienrealität. Die zunehmende Präsenz von Medien ist demnach im Kontext wissenschaftlicher Reflexion des Phänomens weniger relevant als Einmischung „der Medien“ in den gesellschaftlichen Alltag, sondern als die im Rahmen des sozial-kulturellen Wandels deutlicher werdende (mehr Wahrnehmung und Deutung fordernde) paradigmatische Charakteristik der Medialität des gesellschaftlichen Alltags. Der Alltag ereignet sich im Format der Medialität von dem, was er ist  : die soziale Praxis aus Interaktion und Kommunikation. Gesellschaft war in diesem Sinne immer schon ein Medienphänomen, weil ein in Mustern sozialer Ordnung (Vermittlung) vollzogenes Kommunikationsund Interaktionsgeschehen. Oder anders  : Alles, was gesellschaftlich ist, ist und entsteht in der Grammatik ihrer Medialität. Wenn denn die Rede von „Medien“ ist, müsste man, im Unterschied zur alltäglichen Diskurspraxis, im Kontext kulturwissenschaftlicher Reflexion mitbedenken und mitunterstellen, dass nicht von Einzelmedien die Rede sein kann, sondern vom strukturellen Phänomen der Medialität der Gesellschaft und im Hinblick auf die gegenwärtige Medienhype-Kultur von Gesellschaften, die sich zunehmend selbst und wechselseitig im Modus von Medien wahrnehmen. In diesem Sinne ist sozialer Wandel gar nicht anders denkbar denn als Wandel der Medialität von Gesellschaft. –  17 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

In dieser gesellschaftstheoretischen Vergrundsätzlichung des Medienbegriffs nimmt sich das Reden über „die Medien“ als eine begriffliche Verkürzung aus, die vor allem in ihren Genetivanwendungen zu kurzschlüssigen Theorien und Konzepten für die Praxis führt. Neben Medienpolitik und Medienpsychologie kann vor allem „die Medienpädagogik“, wenn sie ihre Entwicklung kritisch nachverfolgt (vgl. Bauer 2008a, 2008b), ein Lied davon singen. Die Reduktion der theoretischen Komplexität der Medialität gesellschaftlichen Lebens auf „die Medien“, „die Mediensozialisation“ oder „den Medienkonsum“, die daraus folgende irreführende Gegenüberstellung von Medien und Gesellschaft oder Individuum sowie die aus dieser Gegenüberstellung abgeleitete Rollendefinition von Medien im Bildungsgeschehen als Instrumente der Perfektion oder Destruktion von Bildungsprozessen und – last but not least – die Zuspitzung der medienpädagogischen Zielsetzung auf ein individualisiertes Konzept von Kompetenz haben im Kontext der pädagogischen Praxis genau den gegenteiligen, nämlich affirmativen Effekt  : die Fixierung auf „das Medium“ und auf die Einzelmedienlogik als Schlüssel zu allem, was die Welt ausmacht. Die Deutung des Verhältnisses von Medien und Gesellschaft braucht generell, aber insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Wahrnehmung von Bildungswerten für die Zukunft der Gesellschaft, eine vertiefte Reflexion auf der Ebene des Begriffsverstehens  : Eben eine hermeneutische. Beide Begriffe, Medien und Gesellschaft, beschreiben Realzusammenhänge, die in der Bildung von individuellen Lebenswerten im Kontext gesellschaftlich kommunizierter Lebenskonzepte einen bestimmenden Rahmen darstellen, der genau deshalb eine gesellschaftstheoretisch engagiertere Deutung braucht, als sich dies in den organisations-, ökonomie- und industrie-affinen Abstraktionen (Produktionsprozessmodelle, Input- Output-Modelle etc.) machen lässt. Intention Die Intention des Buches ist so konkret wie abstrakt  : Es soll, wie der Verleger mich bei Gelegenheit gebeten hat, darlegen, „wie der Bauer denkt“. Konkret ist die Intention im Sinne des Bemühens, theoretisch weit ausholende und sich von der Alltagspraxis des Denkens weit entfernende Ambitionen zur Klärung des Zusammenhangs von Kommunikation und Gesellschaft in theoretisch benannten Dispositiven begrifflich einzuordnen  ; abstrakt ist sie im Sinne des Versuches, die Vorstellungen über den Zusammenhang von Medien und Wirklichkeit von den in alltäglichen Routinen der sozialen Praxis verfestigten Selbstverständlichkeiten (Macht, Einfluss, Wirkung, Durchsetzung) freizuspie–  18 –

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len. Dabei werden Konzepte wie Kultur und Bildung, Realität und Medialität, Verstehen und Beobachten, Sprechen und Handeln, Wahrheit und Wirklichkeit in einem konstruktivistischen Framing der sozialtheoretischen Reflexion hermeneutisch verähnlicht und – weil im theoretischen Programm von Kommunikation inkludiert –begrifflich zueinander versöhnt. Das geht nur, wenn man in der Beschreibung eines Realzusammenhangs zugleich unterstellt, dass dessen Irrealität genauso in Rechnung zu stellen ist wie die mögliche Realität eines als irreal vermuteten Zusammenhangs (vgl. Gadamer 1972, Kurt 2004  : 44). Sprachbilder und Sprachspiele, konnotierte und annotatierte Klammeraussagen, die dabei entstehen, sind nicht herbeigeholt, aber auch nicht zufällig, sondern der dialektischen Dramaturgie des Denkens gewidmet. In dieser Konstellation ist das Buch nicht als Lehrbuch, sondern als Textbuch gedacht. Es verfolgt nicht das Interesse des schnellen und leichten Merkens wie es auch die Unebenheiten des umständlichen Lesens nicht vermeidet. Der Reflexion und Dialektik zuliebe bleiben Gedankengänge mitunter in der Schleife hängen, finden keine linear vor- oder rückwärts zu verfolgende Linie. Die Texte verfolgen nicht unbedingt einen systematischen Aufbau, sondern widmen sich eher den Möglichkeiten einer fundamentaltheoretischen Auslegung. In diesem Sinne sind sie, zusammen genommen, ein epistemologisches Plädoyer für eine konsequent hermeneutische Wissenschaft von Kommunikation als Verstehensprogramm von Kultur – aus gutem Grund  : Soziabilität, Gesellschaftlichkeit und deren kultureller Wandel spiegeln sich in den sich ändernden Ordnungsmodellen von Kommunikation. Das Anliegen mündet darin, ein wissenschaftstheoretisch begründetes und fachtheoretisch überlegtes Programm zur Praxis der Medienbildung zu beschreiben. Dabei sollte der Begriff von Medienbildung bewusst Abstand gewinnen von der Konnotation einer pädagogisch gemeinten Unterrichtung (Medienpädagogik) und vorzugsweise konnotiert werden mit Bildung als kulturellem Habitus von Individuen und als emanzipatorisches Zivilisationsprogramm (Kompetenzmotiv) einer sich im Spiegel ihrer Bildungsbemühungen reflektierenden Gesellschaft. Wenn Kommunikation gesellschaftswissenschaftlich zu denken ist, dann kann dies theoretisch ja nur Sinn machen, wenn man unterstellt, dass die Gesellschaft ist, was ihre Kommunikation ausmacht oder umgekehrt  : dass Kommunikation das ist, was eine Gesellschaft ausmacht (vgl. Luhmann 2004). In dieser Konstellation ist jede gesellschaftliche Analyse zugleich eine solche ihrer Kommunikation und jede Kommunikations- oder auch Diskursanalyse von sich aus eine Gesellschaftsanalyse. Dass Kommunikation vergesellschaftet, ist ein alter theoretischer Hut. Dass aber Gesellschaft sich im Modus der Kommunikation – und nun im Hinblick auf das sich ausdifferenzierende Programm der –  19 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Medialität von gesellschaftlicher Kommunikation – im Modus der Medialität (Bauer 2008a, 2008b, 2008c, Bauer 2011b  : 486ff und 500ff ) (organisationstheoretisch auch  : im Modus der Medien) konstituiert und nur so (von) sich selbst erfährt (Bauer 2011b  : 468ff ), ist eine weitere Verdichtung der Interpretation, die methodologisch noch nicht ganz durchgedacht ist. Sie verlangt eine weitere Abstraktion der Theoretisierung der Logik des Mediums, die nicht an der strukturtheoretischen Objektivierung von Medien interessiert ist, sondern an der kulturtheoretischen Interpretation von Medialität (vgl. Hepp 2011, Krotz 2007  : 13ff ). In dieser Konzeption stellen Medien das Programm zur Verfügung, in dem die Gesellschaft sich selbstverwirklicht – auf je kulturell unterschiedliche Weise – da mehr als Informations- oder dort mehr als Konversationsgesellschaft. Es liegt also nicht ›an den Medien‹, sondern am Mediengebrauch, wie sich die Gesellschaft macht und was die Gesellschaft aus sich macht. Im Zuge des Schreibens, Forschens und Denkens hat sich diese Ausrichtung etwas erweitert  : Herausgekommen ist eine im verbindlichen Sinne gemeinte und, wie ich hoffe, hinreichend begründete Streitschrift für eine mutigere Theoretisierung des Zusammenhangs von Kommunikation, Kultur und Gesellschaft im Interesse der Chancen, die sich aus einem emanzipatorischen Verständnis von Wissenschaft und Gesellschaft ergeben  : im methodischen Kontext theoretischen Wissens gedanklich zu üben, was man alltagstheoretisch noch nicht weiß. Konkret und bezogen auf die Problematik von Medienkultur heißt dies  : ein offenes, diskursives Verständnis von Theorie einerseits und ein offenes, weil im Prinzip des Wandels realisiertes Verständnis von Gesellschaft andererseits. Offene Theorien wären Erklärungs- und Argumentationszusammenhänge, die sich zunächst nicht in formalen oder auch informellen Grenzen der Disziplin selbstbeschränken, sondern ganz bewusst, aber auch nachvollziehbar mit transversalen Theoremen und mit SchnittmengenBegriffen arbeiten, deren Deutung schillert und die durchaus die Farbe der Umgebung, des Kontextes annehmen, in die/den sie gestellt werden – eben weil es sich um durch Begriffe ausgeleuchtete Realitäten und nicht um durch Realitäten definierte Begriffe handelt. Davon lebt die Sprache der Interpretation, dass sie die Tiefe des semantischen Raumes durchmisst, anstatt in den Kategorien von definitorischen Grenzen stets bemessen zu sein. Tiefenthemen der Betrachtung von Kommunikation – wie z. B. Sinn, Wahrheit, Wirklichkeit, Verstehen, Vertrauen, Bewusstsein, Selbst – haben keine strukturellen Merkmale. Sie geben sich als kulturelle Modelle des Wissens nur in Metaphern des Bewusstsein zu erkennen.

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Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Dank Die Texte sind zwar nicht zwischen Tür und Angel, aber doch meist unterwegs von Tür zu Tür und in den dazwischen eingelegten Stationen akademischer Engagements quer über Kontinente und verstreute Zeiträume entstanden. Dem entsprechend inkonsistent gebaut und gestuft geschnitten sind sie ausgefallen. Sie glänzen nicht durch Eindeutigkeit und Prägnanz, sondern flimmern in beweglicher Figuration. Bewusst, zumindest nicht ungewollt, weil es nicht um Fakten und nicht um Rechtsmaterien, sondern um Denkmaterien geht und um Konstruktionen des Wissens, dessen Konturen erst klar werden, wenn sich im Lesen die Provokation der Nachfrage und Nachdeutung einstellt  : Erst im Lesen und Gegenlesen wird meine Aufschrift zum Buch. Meinen Teil habe ich eingebracht, immer – dankbar – geortet und gestützt durch Propheten ihrer Eingebungen, vor allem durch Ludwig Wittgenstein, Alfred Schütz, Siegfried J. Schmidt, Josef Mitterer, Niklas Luhmann, Thomas Luckmann, Jürgen Habermas, Hans Georg Gadamer, Michel Foucault, Vilém Flusser, Paul Feyerabend und – last not least – durch die Konzepte der Cultural Studies, vor allem in der Interpretation und Forschungslogik des Bremer Duo, Andreas Hepp und Friedrich Krotz. Ich habe es wirklich guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Freundinnen und Freunden und nicht zuletzt einer über die Jahre der akademischen Lehre und Forschung im Kontext verschiedener Kulturen bereicherten Debatte mit Studierenden, mit Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, dass aus oft aus dem Stand gedachten Konstruktionen nun im Zuge immer wieder hinterfragter theoretischer Betriebsanleitungen und methodologischer Baupläne dann doch ein konturiertes Konzept entstanden ist, das beansprucht ein Gebäude zu sein, das sich im Ensemble mit anderen Baugebilden in der Landschaft der Kommunikations- und Medienwissenschaft als ergänzender Entwurf ausnehmen lässt. In diesem Sinne danke ich auch sehr herzlich Michael-Bernhard Zita für die umfangreiche und engagierte Assistenz und für ordnende Eingriffe ins Literaturverzeichnis sowie ihm, Christian Meidl und Josef Christian Ladenhauf für klärende Gespräche und für das das kritische Lesen der Texte.

Literaturverzeichnis Bauer, Thomas A. (2003)  : Vom Strukturblick zum Kulturblick. Entwürfe zu einem Blended Theory-Modell. In  : Karmasin, Matthias/Winter, Carsten (Hg.) Kulturwissenschaft als Kommunikationswissenschaft. Projekte, Probleme und Perspektiven. Westdeutscher Verlag Wiesbaden  : 127–167. –  21 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

Bauer, Thomas A. (2008a)  : Bildung als soziale Praxis. Zum kulturellen Wandel von Wissen und Bildung im Kontext zunehmend medialisierter Gesellschaften. In  : Bauer, Thomas A./Ortner, Gerhard E. (Hg.) Bildung für Europa. Politische Ansprüche und Anregungen für die Praxis. B+B Medienhaus Paderborn  : 14–35. Bauer, Thomas A. (2008b)  : Land der Berge. Die medienpädagogische Bildungslandschaft in Österreich. Eine Bildbeschreibung. In  : Blaschitz, Edith/Seibt, Martin (Hg.) Medienbildung in Österreich. Historische und aktuelle Entwicklungen, theoretische Positionen und Medienpraxis. Lit-Verlag Wien  : 105–117. Bauer, Thomas A. (2008c)  : Signaturen der Mediengesellschaft. Stil-Bildung und Ästhetik des Lebens im Fluidum von Medialität. In  : Bauer, Thomas A./Ortner, Gerhard E. (Hg.) Bildung für Europa. Politische Ansprüche und Anregungen für die Praxis. B+B Medienhaus Paderborn  : 122–145. Bauer, Thomas A. (2011a)  : Globalisierung aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht. In  : Dvorák, Johann/Mückler, Hermann (Hg.) Staat – Globalisierung – Migration. Facultas.WUV Wien  : 133–158. Bauer, Thomas A. (2011b)  : In Zukunft mehr Kommunikation. Gesellschaft im Spiegel des Medienwandels. In  : Koschnick, Wolfgang J. (Hg.) Schwerpunkt  : Die Zukunft der klassischen elektronischen Medien. focus-Jahrbuch 2011. focus-Magazin-Verlag München  : 465–547. Berger, Peter L./Luckmann, Thomas (1972)  : Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main. Bourdieu, Pierre (1982)  : Der Sozialraum und seine Transformationen. In  : Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp Frankfurt am Main  : 171–174. Bourdieu, Pierre/Passeron, Jean-Claude (1977)  : Reproduction in education, society and culture. Sage London. Edmaier, Alois (1968)  : Horizonte der Hoffnung. Eine philosophische Studie. Pustet Regensburg. Foucault, Michel (1974)  : Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Suhrkamp Frankfurt am Main. Foucault, Michel (1978)  : Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Merve-Verlag Berlin. Gadamer, Hans-Georg (1972)  : Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Mohr Tübingen. Hepp, Andreas (2008)  : Netzwerke der Medien - Netzwerke des Alltags. Medienalltag in der Netzwerkgesellschaft. In  : Thomas, Tanja (Hg.) Medienkultur und soziales Handeln. VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden  : 63–89. –  22 –

Medienkultur – Das Schlüsselwort im Vorwort

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Kommunikation wissen Ein theoretisches Szenario zur Konzeption von Kommunikationswissen

Kommunikation ist, was wir über sie wissenund was wir über sie denken. Sie ist ein Zusammenhang, der sich durch Beobachtung erschließt und sich im Rahmen dieser mit entsprechenden Deutungen aus dem Reservoir kultureller Programme zu bestätigen sucht. Sie ist immer referiert dadurch, was man über sie schon zu wissen glaubt oder zu wissen unterstellt. In dieser Rahmung der Konstruktion von Wissen (Beobachtung, Handlung) ist Kommunikationswissen zunächst eine Einheit kulturellen Wissens, eine „Diskursfiktion“ (Schmidt 2003  : 42, 2006  :24), die nie „als solche“, sondern immer nur in ihrer Anwendung im Rahmen spezifischer Setzungen als solche beobachtbar wird, was so viel heißt wie  : Kommunikation ist ein aus bestimmten Beobachtungen verallgemeinertes Sinn-Konstrukt, ein Deutungsmodell aus kulturell programmierten Werten des Beobachtens von sozial gemeintem Handeln. Bevor Kommunikation also ein Handlungsbegriff ist (Handlung beschreibt), ist sie ein Beobachtungsbegriff  : Er beschreibt die Beobachtung eines Handlungszusammenhangs als Kommunikation. Solch diskursive Konstrukte, in denen sich Sinnbestimmungen und Deutungsprogramme kulturell manifestieren – Kommunikation, Kultur, Gemeinschaft, Gesellschaft – sind nicht nur Resultate aus kulturellen Programmen, sondern zugleich deren generatives Prinzip. Kommunikation, Kultur, Gemeinschaft und/oder Gesellschaft sind einander interpretierende Konfigurationen ihrer Wahrnehmung, Beobachtung und Bestimmung. Man kann über Kommunikation nicht reden, ohne nicht zugleich über Kultur, Gemeinschaft und Gesellschaft Aussagen zu machen, wie man nicht über Kultur oder über Gesellschaft reden kann, ohne nicht zugleich Aussagen über Kommunikation zu machen. Die Begriffe erfassen und erschließen sich jeweils wechselseitig. Sie konstruieren und konzipieren einander wie sie sich auch wechselseitig als wirklich konstituieren. Gesellschaft ist das Programm ihrer Kommunikation wie Kommunikation das Programm ihrer Vergesellschaftung ist. Kultur ist das Programm ihrer Kommunikation wie Kommunikation das Programm von Kultur ist. Kommunikation verlangt eine kulturelle Interpretation (Wissen), weil sie sich sozial versteht. Sie verlangt eine soziale Interpretation, weil sie sich kulturell versteht. So weit reicht in jedem Fall die alltagstheoretische Interpretation von Kommunikation. So weit ist auch das in –  24 –

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sie durch Beobachtung und Handeln investierte ethische Programm kulturell gesichert. Es ist die Erkenntnis jedweder kulturellen sowie sozialen Konstellation, dass es ein Programm von Wahrheit und Wirklichkeit (zu erarbeiten und zu gestalten) gibt, das im Begriff von Kommunikation wissend gebunden ist. Drei-Ebenen-Modell zur Erfassung von Kommunikationswissen Eine darüber hinausgehende wissenschaftlich konstruierte theoretische Konzeption von Kommunikation, die eine substantielle Interpretation von eben dieser zu fassen beanspruchen will, verlangt eine auf mindestens drei Ebenen der Beobachtung elaborierte methodologische Architektur des Wissens. Auf allen drei Ebenen ist Theorie im Spiel, also eine in der Absicht von Erkenntnis, Erklärung, Ordnung, Klassifikation und Problemidentifikation (vgl. Seiffert 1971  : 146ff, Stegmüller 1983  : 113ff, Schmidt 2005  : 35) interpretativ angelegte Konstellation von Beobachtung, Vermutung und Behauptung. Für die relativ ungerichtete und undifferenzierte Alltagserfahrung (erste Ebene) ist Kommunikation ein schnell so oder anders ausgemachtes und in einfachen Kategorien der Unterscheidung auszumachendes Phänomen, das dort wahrgenommen wird, wo und wenn Menschen mit oder ohne aufwändige Zwischenschaltungen sich in der Vorstellung sozialer Beziehungen zueinander in räumlicher und/oder zeitlicher, aktueller oder potenzieller Reichweite (Schütz/Luckmann 2003  : 71–80) wahrnehmen, sich ihrer erinnern oder sich in Erinnerung und Vorstellung rufen. In diesem Rahmen begnügt sich die Alltagsbeobachtung meist mit der Ob- und Dass-Feststellung (Status-Interpretation) des Geschehens. Um für Überraschungen gerüstet zu sein, werden die Muster der Beobachtung zu Objekten der Beobachtung vergegenständlicht  : Man beobachtet nicht im Modell von Kommunikation, sondern beobachtet das Modell der Kommunikation (vgl. Mitterer 2011  : 27). So verfügt man über „operative Fiktionen“ (Schmidt 2003  : 18), mit denen situative Wahrnehmungen mit dem Erfahrungswissen assimiliert und als sich selbst beweisende Operationen vergegenständlicht werden („die Kommunikation“, „die Medien“) (vgl. Bauer 2011a  : 146). Im Interesse der Entlastung verdrängen Beweismodelle (Knowhow-Theorien, Strukturwissen) Wissensmodelle (Know-Why-Theorien, Kulturwissen) vor allem dort, wo das Interesse mehr dem Organisationspotenzial von Kommunikation gilt als dem Kommunikationspotenzial von Organisationen. Wo aber, oder in welchen Gesellschaften ist dies nicht der Fall  ? Alle Gesellschaften, die sich als Rahmen beweisen wollen, innerhalb dessen individuelle Interessen sich in gesellschaftlich geregelten Erwartensmustern zu synergetischen Kompetenzmustern entwickeln, konzentrieren ihre Leistung genau auf den Beweis dieser Ordnung. –  25 –

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Im Falle, dass Ob- und Dass-Status, in einfachen Mustern der Unterscheidung und der Reduktion der Komplexität von Sinn-Feststellung gestrickt, aus irgendwelchen Gründen strittig sind und das Bedürfnis aufgerufen wird, den Streit (die Unterschiede) selbst und die Gründe des Streits (der Unterscheidung) zu erörtern, schaltet die Beobachtung auf einen höheres, komplexeres, allerdings (nur) auf Kausalzusammenhänge der Beobachtung schließendes Theorienmodell von Kommunikation  : die zweite Ebene der Beobachtung versichert sich ihres Wissens (von Kommunikation) über den – wieder im Modus von Kommunikation auszuverhandelnden – Weg der Beobachtung von Beobachtung (vgl. Mitterer 2001  : 28, Schmidt 2003  : 27, Bauer 2011b  : 475). Zur sozialen und kulturell-habituellen Perspektive gesellt sich auf dieser zweiten Ebene (strukturiert als Metakommunikation – vgl. Watzlawick/Bavelas/Jackson 1974  : 41ff ) eine moralische, die das habitus-immanente Wenn-Dann-Modell der Beobachtung im Hinblick auf die Ausschöpfung von kommunikativer Kompetenz (Fähigkeit, Fertigkeit, Verantwortung – vgl. Groeben 2002  : 160ff ) expliziert. Auf dieser Ebene versichert sich die Beobachtung der Achtung der intrinsischen Logik der Werte, Gründe und Resultate des kommunikativen Handelns im Wege der Beschreibung des Wie (Knowhow-Theorie) und dessen kontingenter Alternativen (Kompetenz-Theorie). In dem Bemühen wissen zu wollen, was es ist, das wir Kommunikation nennen, oder in der Not wissen zu müssen, was man beachten oder tun sollte, um soziale bzw. symbolische Interaktionen zu jenem Punkt der ihnen zugemuteten Idee der Verständigung zu bringen, ab dem wir solche Interaktionen Kommunikation nennen, erkennt man, dass eine nur Tatsachen feststellende Objekttheorie (1. Ebene) oder eine nur das Handeln nach Mustern der Logik ordnende modelltheoretische Konzeption (2. Ebene) von Kommunikation nicht hinreichen, um deren Komplexität zu fassen. Die Komplexität der Kommunikation ist im wissenschaftstheoretischen Kontext die Komplexität der Beschreibung der im Alltag relevanten Beobachtung von Kommunikation. Kommunikation ist (auf einer dritten, wissenschaftstheoretischen Ebene der Beobachtung gefasst) ein begriffliches Konstrukt aus der Deutung der Beobachtung von Deutungskulturen  : Nicht das Objekt, sondern die Deutung bzw. gesellschaftlich arrangierte Bedeutung einer als Kommunikation objektivierten Erfahrung ist der Inhalt der sozialwissenschaftlich relevanten Beobachtung von Kommunikation. Der Schritt von einer Beobachtungsebene zur nächsten ist kybernetisch (vgl. Foerster 2003) zu denken, also als ein im Kreismodell zunehmend aus abgenutzten Routinen des Erkennens sich freispielende Ziehung von Schlüssen für eine nächste und auf nächster (dritter) Ebene operierende Runde der –  26 –

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Beobachtung. Eine in diesem Sinne theoriebildende Beobachtung ist zugleich ein methodisches Modell einer generativen Theorie, weil sie das aus Beobachtung gewonnene theoretische Modell im Modus ausgreifender Kontextualisierung mit Kontingenzmodellen [„nicht notwendigen, aber auch nicht unmöglichen“ (Luhmann 1987  : 152) Denkmodellen] anreichert. Der Grad der Elaboration der Beobachtungsperspektive in Weite und Tiefe entspricht dem Grad der Komplexität dessen, was sie erkennen, erklären, ordnen, klassifizieren und identifizieren will. Er steigt von einer zur nächsten Beobachtungsebene aufgrund der Tatsache, dass die jeweils nächste Ebene der Beobachtung nicht einfach nur eine neuerlich (z. B. einfach nur systematischer) angelegte, instrumentell ausgeweitete eigenständige Operation wäre, also einfach nur ein neuer, aber besser angelegter Versuch, sondern dass sie mit dem Wissen (Theorie) der ersten Beobachtungsebene ein Generierungspotenzial zur Verfügung hat, mit dem sie unter Einbindung weiterer Denkumgebungen obsolete Routinen ausschließen („unterbrechen“ – vgl. Schmidt 2003  : 133) und den Kreis der Beobachtung auf einer neuen, einer zweiten bzw. dritten Ebene mit zunehmender Kontextualisierung der Beobachtung beobachten kann, was sie warum wie beobachtet. Eine wissenschaftlich redliche Konzeption von Kommunikation muss einen Weg finden, wie sie das, was man schon von Kommunikation weiß, im Hinblick auf den generellen individuellen wie kollektiven Wunsch nach einem geglückten individuellen wie sozialen Leben zu verstehen geben kann. Dieser Weg (Methode), Wissen zu schaffen, kann nur ein hermeneutischer sein, weil er nicht anders gangbar ist, denn als Deutung von (kulturellen) Deutungsprogrammen zu Wohl und Wehe des (individuellen wie sozialen) Lebens unter den Bedingungen von dessen gesellschaftlicher Organisation und Ordnung. Dass das Gelingen in unseren und anderen kulturellen Breiten als Erfolg (meist unreflektiert als Sieg) und das Misslingen (meist unreflektiert) als Niederlage interpretiert werden, verlangt nicht nur nach einer kulturanthropologisch oder gesellschaftspsychologisch gefassten Interpretation, sondern indiziert generell die Notwendigkeit einer methodisch verfolgten, selbstreflexiv und dialektisch erarbeiteten Vereinbarung eines Programms der Betrachtung (Beobachtung), in der die kulturprogrammatische Diversität der Deutungen zu explizitem theoretisch gefasstem Wissen wird. Dieser Forderung nach wissenstheoretisch geprüfter Qualität (Kompetenz) kommen phänomenologische und kulturtheoretisch begründete Konzepte von Kommunikation (und in Folge  : von Medien) eindeutig seriöser nach als objekttheoretische, weil sie Kommunikation nicht als sich selbst erklärendes Objekt in Abgrenzung zu dessen Umwelt identifizieren, sondern das Ge–  27 –

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schehen aus dessen realer und transzendentaler Umgebung interpretieren  : Erfahrung und Sinn, Handeln und Beobachtung, Beobachtung und Deutung sind die Größen, mit denen der Begriff der Kommunikation theoretisch viel umfassender, weil kontextuell, interpretiert wird. Eine Phänomenologie der Kommunikation beschreibt nicht einfach mögliche Erscheinungsformen von Handlungszusammenhängen, die wir als Kommunikation werten, sondern versteht sich als „reflexive Untersuchung der Verstehensstrukturen“ (Zahavi 2007  : 13) mit Blick auf „kommunikationstypische“ Handlungszusammenhänge. Da es aber – existenzphilosophisch argumentiert – kein voraussetzungsloses Verstehen gibt (Heidegger 1977  : 151), sondern jedes Verstehen der „Sorge“ um die Bestimmung der eigenen Existenz und des eigenen Selbsts gilt, ist jeder Verstehensvorgang ein – mehr oder minder gelungener – Akt der Umschreibung von Identität und Subjektivität. So wie Identität nicht ohne Bezug zur natürlichen, sozialen, kulturellen oder symbolischen Umwelt (das generalisierte Andere) bestimmt werden kann, so kann auch umgekehrt nichts aus dieser Umwelt ohne den Verweis auf Identität und Subjektivität bestimmt (verstanden) werden (vgl. Taylor 2009  : 23). Der phänomenologische Zugang (vgl. Srubar 2007) kann im Vergleich zu der langen Tradition einer auf Strukturmerkmale konzentrierten und objekttheoretisch begründeten Beschreibung von Gesellschaft als wissenschaftstheoretischer Fortschritt in der Sozialbeschreibung von Kommunikation gelten, vor allem in der Version der Verstehenden Soziologie, wie sie unter anderen (z. B. Edmund Husserl) vor allem von Alfred Schütz entwickelt und erklärt wurde (vgl. Schütz/Luckmann 2003). Bei Schütz findet die philosophische Lebensweltbetrachtung (aus Bergson 1991, Heidegger 1959, 1977, Zahavi 2009) eine soziologisch interpretierte Ergänzung, allerdings in Form einer deskriptiv-interpretativen (und eben nicht normativen) Fassung. In diesen Kontext gestellt ist Kommunikation theoretisch nicht als ein in Merkmalen objektivierbarer Prozess zu beschreiben, sondern als ein hermeneutisches Konzept der Beobachtung von Konstitution und Genese von Lebenswelt und Alltagsrealität. Dieser phänomenologische und verstehende Zugang macht die Wissenschaft von Kommunikation um den Grad umständlicher, um den sie im Vergleich zur (gewohnten) objektiven und analytischen Wissenschaft auf Systematik verzichtet. Die Phänomenologie sucht nicht die Gesetzmäßigkeit dessen, was sie beobachtet, sondern versucht die Sinnhaftigkeit in dessen Erscheinung (wie macht sich Kommunikation als Kommunikation bemerkbar  ?) zu verdeutlichen. Das ist ein um deutliche Grade subjektiverer bzw. kulturspezifischerer ausgelegter Weg, als es der einer Objektanalyse sein möchte. Umso wichtiger ist es, die Intentionalität der Beobachtung als den eigentli–  28 –

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chen Gegenstand der Beobachtung zu begründen und zu objektivieren  : Man beobachtet, wie man beobachtet, dass und was man beobachtet. Mehr aber auch nicht weniger ist über Kommunikation nicht zu sagen, weil sie nicht ein Gegenstand ist, der sich selbst genügend aussagt oder beschreibt, sondern eben (nur) das ist, wie wir über sie reden – in welcher Weise und in welcher Interpretation auch immer. Was man also als Wissen über Kommunikation schaffen könnte, wäre die Kontextualisierung der kulturell unterschiedlich gelagerten Intentionen der Beobachtung, die das (Wieder-)Erkennen und (Wieder-) Erinnern von Kommunikation beanspruchen, behaupten und problematisieren. Verstünde man – vor aller möglichen und organisationslogisch auch notwendigen Funktionalisierung, Professionalisierung und Pragmatisierung – Kommunikation als das Kompetenzmotiv des Menschen und der Gesellschaft, jeweils über sich hinauswachsen zu können und sich anders zu entwerfen, als man sich vorfindet oder bemerkt, dass man vorgefunden wird, dann wäre es einer wissenschaftlichen Theorie von Kommunikation zugedacht und zugemutet, das Noema (das Kommunikationswahrnehmungsmodell) oder die kulturprogrammatisch vermutlich unterschiedlich ausgelegten Noemata von Kommunikation auszumachen und Kommunikation selbst als das begriffliche Dispositiv des sozialen und kulturellen Wandels von Weltwahrnehmung zu beschreiben und zugänglich zu machen. Die Chance und die Herausforderung einer in diesem Sinne kontextuellen Kommunikationstheorie lägen in der Intermediation zwischen Vorstellungsmodellen der Beobachtung und der Praxis der gesellschaftlichen Verständigung. Erst die Kontextualisierung (die methodische Beobachtung der Beobachtungsbezüge) von Kommunikation mit der Alltagswelt bzw. den Alltagswelten macht eine theoretisch hinreichende Problematisierung der Beobachtung von Kommunikation möglich und sinnvoll. Im Sinne einer um emanzipatorische Erkenntnis bemühten Wissenschaft (vgl. Habermas 1974) kann sich eine nächste Ebene der (wissenschaftlichen) Beobachtung von (alltagstheoretisch gefasster) Beobachtung von Kommunikation nicht dem Verlangen oder der Neigung der Reduktion von Komplexität und Problematik hingeben. Das mag das Zugeständnis an Praxis und Pragmatik sein. Die wissenschaftliche Theorie verdient ihr Vertrauen aber nicht aufgrund der Problemreduktion, sondern aufgrund der Kompetenz der Problemproduktion (vgl. Popper 1996  : 109). Sie beobachtet nicht im Interesse der Reduktion von Komplexität, sondern legitimiert sich im Sinne der kritischen Erwartung als Zumutung von Komplexität, indem sie ihre Beobachtung nicht einfach auf den Gegenstand konzentriert (Objekttheorie), sondern darauf, wie die Alltagsvernunft ihre Beobachtung von Kommunikation deutet und eben diese Deutung vergegenständlicht. Die wissenschaftliche Beobachtung von –  29 –

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Kommunikation kann sich nicht mit der Beschreibung eines Gegenstandes begnügen, sondern muss sich um eine nachvollziehbare Interpretation von Alltagsdeutung und Alltagsvergegenständlichung bemühen  : Wodurch begründet sich, dass wir Kommunikation verstehen, wie wir sie verstehen, z. B. als Austausch von Positionen der Erfahrung zwischen Partnern mit dem Ziel der Vereinbarung auf eine mögliche gemeinsame Position von Sinn. Was ist das hinter dieser Deutung liegende Problem  ? Die Notwendigkeit der Einheit  ? Oder die Möglichkeit der Vielfalt  ? Was es daher – wenn man Kommunikation als Beschreibungsmetapher der sozialen Praxis von Deutungskulturen (Konstruktion von Wirklichkeit zwischen Sinn und Erfahrung) konzeptualisiert – braucht, ist eine Theorie, die die Praxis der metaphorischen und interpretativen Beschreibung auf allen (drei) Ebenen unterstellt und somit klar macht  : Auch die wissenschaftliche (wissenschaftstheoretische) Fassung von Kommunikation ist nichts anderes als eine unter den Bedingungen von Gesellschaft und im Kontext von gesellschaftlicher Organisation von Wissen (Wissenschaft) gelenkte Praxis von Deutungskultur. Keine Beobachtung ist lupenrein, am wenigsten die von Kommunikation, weil sie nicht beobachtet werden kann jenseits oder außerhalb von Kommunikation (sozialen Deutungskulturen). Sie ist kein Gegenstand (Objekt), der theoretisch gefasst wird, indem man ihn (wie Naturobjekte) isoliert, um ihn dann „als solches“ zu betrachten. Kommunikation ist ein durch Beobachtung vermischtes Handlungsprogramm im Kontext der sozialen Vermittlung von Deutungsoptionen, wie es in eben diesem Kontext ein von Handlungen vermischtes Beobachtungsprogramm ist. Jedwede soziale Konfiguration von Kommunikation generiert zugleich die Perspektive ihrer Selbstbeobachtung im Hinblick auf ihr Deutungspotenzial bzw. ihre Deutungskompetenz. Sie verweist auf sich und ist auf sich verwiesen. Über Kommunikation kann man nur über Kommunikation reden. Diese Selbstreferentialität verlangt die normative Unterstellung der Selbstreflexivität des Verstehens als methodische Implikation. Im Sinne der kybernetisch gedachten Drei-Ebenen-Architektur der Konzeptualisierung von Kommunikation bedarf es vor allem für die Beschreibung der (dritten) wissenschaftlichen Ebene der theoretischen Abstraktion einer Besinnung auf die Erkenntnislogik des Verhältnisses von Beobachtungsgeschehen und Beobachtungsgegenstand. Diese Logik dementiert die in der traditionellen Kommunikations- und Medienwissenschaft weithin unüberlegt implizierte Behauptung, dass Kommunikation (quasi aus gegebener Distanz und sogar wertfrei) wie eine sich selbst gegenständlich und natürlich abgrenzende (kausal definierte) soziale Figur analysiert werden könne. Sie verlangt, nicht einen vermuteten Gegenstand zu beobachten, sondern Vorstel–  30 –

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lung und Beobachtung vermutbar zu machen, sie also interpretationsbegrifflich und begriffsrealistisch zu vergegenständlichen. (vgl. Schmidt 2003  : 27). Die Kommunikationswissenschaft ist keine Patentwissenschaft. Das Rad ist erfunden. Die Frage ist, wie und wozu man es fährt. Die Theoriekompetenz der Kommunikationswissenschaft beweist sich nicht im Erfinden von Kommunikationswissen. Sie arbeitet mit einer der Existenzroutine des Menschen bereits geläufigen Vernunftgöße  : Kommunikation ist keine unbekannte, wohl aber eine missverstandene und in der Routine des Alltags missdeutete Größe der existentiellen wie der sozialen (auch gesellschaftlichen) Vernunft. Die Theoriekompetenz der Kommunikationswissenschaft beweist sich vielmehr in ihren erkenntnistheoretisch begründeten Methoden der Problematisierung, der Analyse, der Interpretation und der Reflexion des Verhältnisses von Idee und Wirklichkeit im Hinblick auf die möglichen Vermessungen von Ethik, Ästhetik und Pragmetik. Was sie kann und was man von ihr erwarten kann, ist, dass sie explizit macht, in welcher Kulturlogik das Vernunftmodell von individueller und sozialer Existenz gebraucht wird, wie es sich im Gebrauch (Routine) entwickelt und was es bedeutet, dass dies so geschieht, wie es geschieht. Im Rahmen dieser Erwartung ist das wissenschaftliche Verstehen von Kommunikation als ein hermeneutisches Programm zu deuten, als methodische Strategie der Deutung des möglichen Verstehens durch das Verstehen möglicher Deutungen des ersten Blicks (Alltag) durch einen zweiten (Theorie) und des zweiten Blicks durch einen dritten (Theorientheorie). Was man auf den ersten – alltagstheoretischen – Blick von Kommunikation begreift, ist, dass ohne sie nichts geht, gar nichts, oder anders gesagt  : Immer, wenn es um alles (oder nichts) geht, geht es um Kommunikation. Sie ist das Grundmodell aller sozialen Praxis. Alles, was gelingt oder missglückt, hängt am Gelingen oder Misslingen der Kommunikation. Sich in welcher Lage auch immer zurechtzufinden begreift man generell als Frage der Möglichkeiten, Chancen und Fähigkeiten zu verstehen und verstanden zu werden. Sich und seine Umwelt zu begreifen ist der Inbegriff von Kommunikation. Er spiegelt das Wissen, das Bewusstsein und die Weisheit, sich mit sich selbst und allem, was einen umgibt – Natur, Kultur, Gesellschaft, Zeichenwelt – auf etwas mögliches Gemeinsames zu vereinbaren. Die Vereinbarung bezieht sich auf die Bezeichnung (Kennzeichnung) und ist daher gewissermaßen das Mediativ der Vergemeinschaftung von Deutung und Sinn. In dieser Deutung ist der Begriff von Kommunikation ein Konzentrat aller dem Sinn und der Praxis des Lebens unterstellten Werte, Desiderate, Möglichkeiten, Chancen und Risiken der Aneignung von Welt. Alles, was nur irgendwie Sinn machen soll, ist in das Muster von Kommunikation eingeschrieben. Ohne diesen auf die Vergemein–  31 –

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schaftung von Verstehen ausgelegten Bezug auf Anderes oder den Anderen kann man die Welt nicht verstehen. In eben diesem Sinne ist der Begriff von Kommunikation aber auch als Expansiv gedacht, als Desiderat der Ausdehnung, der Transzendenz, der Möglichkeiten, Notwendigkeiten und Zumutungen der Überschreitung von Grenzen oder Begrenzungen des Sehens, der Wahrnehmung, der Beobachtung und des Zugriffs auf alles, was außerhalb und jenseits von Eben-Jetzt, Eben-Hier und Eben-Dies ist. Im Blick auf alles, was möglich ist, auch wenn es nicht immer (so) notwendig ist (Kontingenz – vgl. Luhmann 1987  : 52), versteht sich der Mensch in einer gesicherten Position der Aneignung (Deutung) von Welt jenseits der Signaturen des Realen (vgl. Benkel 2007). Was immer der Fall sein kann, es hat mit Kommunikation zu tun. Mit dem Begriff der Kommunikation expandiert man die Welt vom Fall des Realen zum Fall des Möglichen. Wenn das Mögliche real werden kann, dann ist auch das Reale nichts anderes als eine Version des Möglichen und somit hinterfragbar, auswechselbar, ersetzbar. Was die Welt schlussendlich ist, ist ein (vgl. Weber 1996  : 39ff ) aus Kommunikation konzentrierte und zugleich expansive Vorstellung ihrer Möglichkeiten. Das Expansionsmoment der Kommunikation kann alles in Frage stellen und außer Kraft setzen, was das Konzentrationsmoment der Kommunikation als ein möglich Gemeinsames assimiliert hat. Was also ein erster Blick aufdeckt, ist, dass es nichts Reales gibt, wo Kommunikation nicht im Spiel wäre, dass man aber überall dort, wo Kommunikation ins Spiel kommt, selbst ein Teil des Spiels (der Realität) ist oder wird. Was ein zweiter, nächster, das Alltagswissen hinterfragender und Wissen schaffender Blick darüber hinaus zu erkennen gibt, ist, dass Kommunikation nicht einfach, wie die gebräuchlichen Metaphern es nahelegen, ein durch sich selbst definierter, in geschlossenen Linien oder aufschließenden Reihen zwischen Partnern hin oder her, oder hin und her verlaufender Vorgang von Tauschgeschäften ist, der sich zu einem Strom bündelt, den man nach Belieben handhaben (Manipulation) oder in den man von außen und nach Belieben eingreifen könne, um den Stromverlauf zu beeinflussen. Kommunikation ist nicht das Geschehen, sondern das Konzept zum Geschehen, das kulturelle Script, mit dem das Geschehen zur Geschichte und Geschichte zum Geschehen, die Erfahrung zum Ereignis und das Ereignis zur Erfahrung wird, ob als Frage, als Behauptung, als Feststellung oder als Deutung. Sie bringt die Welt des Geschehens, das sich selbst nicht beschreibt und alles oder nichts bedeuten könnte, auf die Reihe. In diesem Sinne ist sie das Ordnungsmodell von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung gegenüber aller existenziellen Aporie. In dieser umfassenden Perspektive der Interpretation von Kommunikation als kulturelle Reminiszenz der Deutung des Augenblicks und der generellen Or–  32 –

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tung der Existenz lässt sich verstehen, dass Kommunikation nicht ein Geschehen ist, das man – sich quasi einem Objekt gegenüber sehend – von außen und ohne Selbstbeteiligung beobachten würde. Jede Beobachtung von Kommunikation ist selbst Kommunikation von Beobachtung und in diesem Sinne eine konstruktive Einmischung in die Bestimmung von Sinn (Vernunft) (vgl. Schmidt 2003  : 27, 2004  : 59ff ) mitsamt all den dabei mitproduzierten Fehlerquellen  : Autologie, Tautologie, Paradoxie (vgl. Weber 1996  : 187ff ). Aus eben diesem Grund, weil Wahrnehmung und Beobachtung auch im wissenschaftlichen Kontext nicht unbeschriebene, sondern mit Interessen aufgeladene Vorgänge sind, braucht es den dritten kontrollierenden Blick, den erkenntnistheoretischen, der noch einmal hinterfragt, mit welchen Interessen (Einmischungen) welche Grundmuster von Kommunikation als eben solche definiert, analysiert oder interpretiert werden. Weil Beobachtung Sinn-Benennung und Sinn-Bestimmung ist (vgl. Piaget 1973  : 22ff ), stellt sich die Frage nach den Kriterien und Bezugsmustern von Benennung und Bestimmung – überdies bei Begriffen (wie Kommunikation, Gesellschaft, Gemeinschaft etc.), bei denen so viel und so Grundsätzliches an Beobachtungswerten eingemahnt wird. Daher geht die erkenntnistheoretische Analyse an sachtheoretische Konzepte mit der Frage, ob und inwieweit in die theoretischen Konzepte Interessen des Realen und/oder solche des Möglichen, eingemischt sind, ob sie sich als normative, pragmatische, kritische oder (nur) empirische Modelle-von oder als Modelle-für verstehen. Wie Bobachtung eine Leistung des Verstehens ist, ist (wissenschaftlich objektiviertes) Verstehen eine Leistung der (kritischen) Beobachtung. Erst dieser Ausweis attestiert „der“ Sozialwissenschaft jene Glaubwürdigkeit, die sie braucht, um deren Wirklichkeitsdeutungen für stimmig und verlässlich werten zu können. Das Konzept zur Erschließung von Wirklichkeit In diesem Sinne der Deutung (kulturelles Wissen) ist Kommunikation jene Konstruktion von Sinn, von der man – wieder verdichtet auf ein alltagstheoretisches Diktum – behaupten kann, dass mit ihr alles anfängt und mit ihr alles aufhört, dass man ohne sie das Leben nicht im Griff hat, oder noch dichter  : dass sie jene Lebensformel ist, auf die sich alle Kulturen verständigen können. Alles, was man ein Leben nennt, hängt am Faden der Kommunikation, weil in ihrem Rahmen die Deutungen entstehen, durch die das Eine von Anderen unterschieden wird  : Anfang vom Ende, Leben von Tod, Gesundheit von Krankheit, Wahrheit von Lüge etc. In diesem Umfeld betrachtet ist Kommunikation – quer durch alle Einzelkulturen – der Kit für die kognitive, morali–  33 –

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sche, kulturelle und soziale Kompetenz des Menschen zur Erschließung seiner Realität. Und sie macht sich dingfest als Wahrnehmung von Verweis und Beziehung durch Denken, Vorstellen, Beobachten und Handeln. Die Dingfestmachung ist nichts anderes als die deutende Festlegung (Festsetzung) von Erfahrung auf Sinn und von Sinn auf Erfahrung, jeweils unter der Bedingung der Verhandlung (Absicherung) mit der – wie weit immer auch vermittelten und erfahrbaren – sozialen Umgebung. Die Unterstellung, dass Erfahrung Sinn impliziert (macht) – oder ohne einen solchen besser nicht gemacht worden wäre – und Sinn sich im Bedürfnis nach Erfahrung zu Wort (Leben) meldet – oder ohne diese das Leben als sinnlos gewertet würde – macht deutlich, dass die Entdeckung (Bestimmung) des Verhältnisses von Sinn und Erfahrung den Kern des alltäglichen Kommunikationsbegriffs ausmacht, weil dieses darauf baut, dass Unbestimmtes im Rahmen sozial geteilter Konstruktion bestimmt und schon Bestimmtes wieder in Frage gestellt (dekonstruiert) werden kann (vgl. Reich/Sehnbruch/Wild 2005  : 21). In dieser wechselseitigen Konstitution von Sinn und Erfahrung (Erfahrung entwirft sich als Sinn-Konstrukt, Sinn behauptet sich als Erfahrungskonstrukt) sind Beobachten und Handeln jene energetischen Pole, die das Kommunikationsverfahren als Versuch von Deutung und Suche nach Bestimmung in Lauf bringen und am Laufen halten (vgl. Weber 1996  : 39ff ). Anfang und Ende bestimmen sich durch diese Auffassung von Kommunikation. Sie ist die soziale, zeitliche und inhaltliche Klammer all dessen, was auf seine Bestimmung wartet oder (schon) bestimmt ist. Die Praxis des Lebens beginnt mit Kommunikation und weiß sich symbolisch vollendet und moralisch begründet in Kommunikation. In diesem Sinne ist Kommunikation das Wissensmodell des Lebens, grundsätzlich ein Lebenskonzept. Will man also theoretisch wissen, was man praktisch von Kommunikation weiß, muss man die Praxis des Lebens im Blick auf ihre mögliche Konzeption beobachten, was heißt  : man muss von ganz vorne anfangen. Vor jeder Formgebung durch Darstellung, Technik, Organisation oder Berechnung (Ökonomie) steht die Frage nach der Notwendigkeit (zugleich der Möglichkeit) von Sein und Leben. Diese Frage lässt sich nicht anders ausrichten denn als die kommunikative Wahrnehmung der sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt. So ist jede Deutung (der Notwendigkeit) des Seins eine Standortbestimmung der Existenzmöglichkeiten unter den Bedingung einer kommunikativen Einlassung und der Bezugnahme auf eine (als) wahr genommene Umwelt  : Realität. In diesem Sinne ist Kommunikation eine logische (die Beobachtung der sozialen Praxis nach bestimmten Parametern ordnende) Konstruktion, kein ontisches Gebilde. Ohne dinglich feststellen zu können, was diese ist, weiß –  34 –

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man aber, dass sie jenes mentale und soziale Ambiente ausmacht, in dem die Regungen und Bewegungen des Lebens gedeutet und so real und relevant werden. Als gedachte, vorgestellte, beobachtete und in konkreten Zeichen bzw. Gesten ausverhandelte Verbindung zwischen Menschen ist sie das soziale und kulturelle Ambiente, in dem Menschen sich fähig wissen, ihr Verhältnis zur natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt zu beschreiben. Darin ordnet sich die Vorstellung des Verhältnisses von Individuum und Gemeinschaft bzw. Gesellschaft. Die Richtung der Unterscheidung ist grundsätzlich ambivalent. Man kann die Gemeinschaft aus der Perspektive der voraussetzenden Vorstellung von Individuen beschreiben. Man kann aber auch das Individuum aus der Perspektive der voraussetzenden Vorstellung der Gemeinschaft beschreiben. Die Erfahrung von Individualität sucht und braucht eine Referenz-Instanz für Sinn (Ortung, Zuordnung, Verantwortung)  : Gemeinschaft bzw. Gesellschaft. Die Erfahrung von Sozialität sucht und braucht ebenfalls eine Referenz-Instanz für Sinn (Herkunft, Zuordnung, Verantwortung)  : Individualität. Der Unterschied von Individuum und Gemeinschaft bzw. Gesellschaft mag natürlich gegeben sein, relevant aber für die Konstruktion der allen als verbindlich unterstellten und uns so vorgegebenen Wirklichkeit ist, dass wir sie als Unterschied und im Verhältnis ihrer Unterschiedlichkeit für wahr, notwendig, richtig und wichtig nehmen und im Rahmen eines vergemeinschaftenden bzw. vergesellschaftenden Settings im Sinne des Wortes  : tat-sächlich unterscheiden. Wirklichkeit ist die Tat-Sache von Kommunikation, die ihrerseits jenes kulturelle wie soziale Setting ausmacht, in dem Menschen (Kulturen) sich der Vernünftigkeit (Nutzen, Sicherheit, Einordnung) bzw. des möglichen Sinns (Wahrheit, Notwendigkeit, Richtigkeit und Wichtigkeit) ihrer Erfahrung vergewissern. Diese kulturelle Einmischung in die Wahrnehmung von Natur stellt zum einen das Grundmodell von Lernen (Kulturgedächtnis, Funktionsgedächtnis, Wissensarchiv) dar, zum anderen generiert es ein System von Objektivationen, die – in Zeichensystemen reproduziert – selbst nicht sind, was sie bezeichnen, obwohl sie (tat-sächlich) be-wirken (oder  : man mit ihnen bewirken und ver-wirklichen kann), was sie bezeichnen. In diesem Sinne ist Kommunikation das soziale und kulturelle Ambiente der Konstruktion von Wirklichkeit bzw. die soziale Praxis der Reproduktion und Rekonstruktion von Unterscheidung. Im Hinblick auf die zuvor erwähnte und für das Verständnis von Kommunikation grundsätzliche Unterscheidung und Verhältnisbestimmung zwischen Individualität und Sozietät ist Kommunikation (als ordnende Beobachtung und als direktives Handeln) auch grundsätzlich ambivalent zu denken, näm–  35 –

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lich als Konstruktion im Wege der Assimilation (Konsensmodell) bzw. als solche im Wege der Dissipation (Differenzmodell). Im ersteren Fall (Gesellschaft aus der Perspektive des Individuums) wäre Kommunikation dann das mentale, moralische und kulturelle Konzept von Verähnlichung, Gleichung, Zusammenlegung und Verbindung, so wie es eben im Konsens-Modell von Verständigung (Konsensmodell, Assimilationsmodell) beschrieben und (z. B. politisch) gehandhabt wird. Das Assimilationsmodell entspricht eher der Ordnungslogik von gesellschaftlicher Organisation der Beobachtung und folgt einem assoziativen Paradigma. Es konzentriert die Selektivität von Beobachten und Handeln auf produktive Prozesse. Im zweiten Fall (das Individuum aus der Perspektive der Gesellschaft) wäre Kommunikation das mentale, kulturelle und moralische Konzept von Unterscheidung, Diversifizierung und Differenzierung (Differenzmodell, Dissimilationsmodell) – eben jene Konzeption, mit der sich eine auf die Einheit von Wahrheit eingeschworene, die Gleichordnung affirmierende und auf Gleichförmigkeit hin organisierte Verständigungskultur schwertut. Das Differenzmodell rechnet mit dem Gewinn und der Generierung von Erkenntnis aus der Wahrnehmung der Unterschiedlichkeit (Dissipativität) von Deutungen. Diese theoretisch grundsätzlich ambivalente Ausrichtung der Konzeption von Kommunikation ist, wie man weiß, kulturhistorisch und kultur-praktisch weithin zugunsten des Konsensmodells ausgefallen, mit und trotz all seiner Problemimplikationen. In Konsensgesellschaften werden Andersdenkende strukturell zwangsläufig zu Minderheiten. In Anbetracht der Tatsache aber, dass die Gegenwartsgesellschaft, weil sie sich durch Mediatisierung, Migration und Globalisierung gefordert sieht, langsam lernt Diversität nicht als Problem, sondern als das Lösungsmodell einer transkulturellen Gesellschaft zu begreifen, wäre eine theoretische Wende des Kommunikationssinnbegriffs vom Unitätspostulat (Konsens-Vereinbarung) zum Diversitätspostulat (Differenz-Vermehrbarung) längst fällig, um auf die Alltagsbeobachtung anders rückzuwirken als nur durch stumpfe und platte Affirmation der problemvermeidenden Praxis. Um diese Wende etwas polemisch einzufordern, sollte man feststellen  : Möglicherweise denken wir das Demokratiemodell mit der falschen Kommunikationslogik. Während sich das Konsenspostulat (Einheitsvereinbarung) im Kern aus einer hierarchischenmonokratischen Gesellschaftsvorstellung von Kommunikation begründet, entspricht erst das Differenzpostulat (Diversitätswert von gesellschaftlicher Wirklichkeit) einer demokratisch-hetearchischen Kommunikationsvorstellung von Gesellschaft. Erst in der Perspektive einer heterarchischen Kommunikationsogik von Gesellschaft sind (wären) Minderheiten nicht mehr Minderheiten, sondern eben (nur, aber eigentlich) Andersheiten (Alternativen), deren –  36 –

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gesellschaftlicher Wert (dann) nicht durch Zählung gewichtet, sondern durch Erzählung erschlossen wird. Wie sonst sollte die (im Wege der Kommunikation konstruierte) Wirklichkeit bereichert werden als dadurch, dass sie der Möglichkeit gewahr wird, dass sie nicht die eine, sondern eine unter möglichen ist. Als logisches Konzept der Beobachtung und des Handelns mit Blick auf die konstruktive Erschließung von Realität ist und schreibt Kommunikation ihr eigenes Protokoll. Um sie zu beschreiben, ist man (wieder) auf sie verwiesen. Sie entwickelt sich aus sich selbst wie sie sich aus sich selbst umbringt. Nichts ist für Kommunikation gefährlicher als Kommunikation wie nichts mehr Kommunikation generiert als eben Kommunikation. Wie dieser Zirkel deutlich macht, handelt es sich hier um  : –– Ein axiomatisches Paradigma der Unterbrechung einer als end- und ausweglos empfundenen Komplexität, –– Ein inklusives (Erfahrung, Deutung und Sinn einschließendes) und selbstreflexives Konzept des Menschen über sich und sein durch Wahrnehmung bestimmtes Verhältnis zu sich  ; um eine glückstheoretische Kompensation menschlicher Hilf- und Ratlosigkeit in der Deutung der Wahrnehmung seiner Existenz bzw. seines Lebens, –– Eine Alles-Formel, ein integratives Wissensmodell, mit dem der Mensch sein Verhältnis zu seiner Umwelt beschreibt, weil er sich nicht anders wahrnehmen kann denn in Verhältnissen, die sich aus der Wahrnehmung (Denken, Vorstellen, Beobachten, (Ver-)Handeln) der natürlichen, kulturellen, sozialen und symbolischen Umwelt so darstellen, –– Ein ästhetisches Konzept sozial geteilter Wahrnehmung von Wirklichkeit im Blick auf die Erfahrung von Not und Chance (Notwendigkeit und Möglichkeit) der Deutung von (natürlicher, sozialer, kultureller, symbolischer) Umwelt, die sich eben nicht aus sich und nicht für sich als real erklärt, sondern, um als real-gültig bestimmt zu sein, auf die jeweils wechselseitig mit anderen zu teilende Unterstellung angewiesen ist, –– Ein ethisches Konzept von Wahrheit zur sozial verbindlichen Verhandlung der Wendung der subjektiven und individuellen Wahrnehmung von (natürlichem) Unterschied zur (kultürlichen) Unterscheidung, die nicht weiter in Frage gestellt werden will und deshalb als wahr zu gelten beansprucht (vgl. Schmidt 2003  : 128ff, 2005  : 71f, vgl. auch Luhmann 1987). Realität lässt sich nicht anders denken, vorstellen, beobachten oder verhandeln denn als Bezugnahme des Denkens, der Vorstellung, der Beobachtung –  37 –

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oder der Handlung auf Wahrnehmung und Erfahrung. Der Grund, warum Kommunikation so selbstverständlich und so unbedingt mit Wahrheit der (Konstruktion der) Wirklichkeit bzw. Wahrhaftigkeit in Bezug auf die (Konstruktion von) Wirklichkeit verbunden wird, ist, dass es kein anderes (soziales) Protokoll für den Ausschluss weiterer Unterscheidung und keinen anderen Konstitutionszusammenhang für die Unterstellung möglicher Gemeinsamkeit (Unterschiedslosigkeit) von Wahrnehmung gibt als die im Alles-Konzept von Kommunikation verhandelte und kodifizierte Annahme der letztgültigen Bestimmung von Realität. Das Protokoll von Realität ist Kommunikation. Alles, was man als Realität oder Wirklichkeit deutet, ist dies auf Basis der kommunikativen Übereinkunft. Diese materialisiert sich in symbolischen Gesten und Codes, die als Spiegel sozialer und kultureller Ordnung dafür sorgen, dass Wirklichkeit nicht beliebig ausfällt (Mead 1973, Blumer 2004  : 29f, Brumlik 1973  : 22f ). Gesten, Zeichen und Codes unterliegen einem sozialen Protokoll, das Sprachen, Gestik-Kulturen, Zeichensysteme und (in weiterem Sinne) Medien zu Referenz-Archiven gesellschaftlicher Mechanismen zur Sicherstellung des Vertrauens jenseits von situativen Aspirationen oder Ambitionen macht (vgl. Anders 1980  : 153ff, Luhmann 1987). Was wahr ist oder wirklich sein soll, kann sich nur unter Anwendung solcher Referenzsysteme so behaupten, wobei nicht der Zeicheninhalt als wahr oder wirklich behauptet werden kann, sondern lediglich der Anspruch ihres Gebrauchs mit Blick auf einen für gültig erachteten Inhalt. In diesem Sinne ist Wahrheit – kommunikationstheoretisch interpretiert – die Durchsetzung der Geltung und Gültigkeit von Wirklichkeit unter Bezugnahme auf das dem theoretischen wie praktischen Konzept der Konstruktion von Wirklichkeit immanenten ethischen Postulat, das Vertrauensmoment nicht zu desavouieren (vgl. Schmidt 2003  : 128), nichts weiter als ein zunächst moralisch gesicherter Sinngehalt im sozialen und kulturellen Kontext der Konstruktion von Wirklichkeit. Eben diese Bedingung ruft Kritik an positivistischen und essentialistischen Erkenntnistheorien zum einen (vgl. die Aufarbeitung bei Meidl 2009  : 129ff ), an den sozialen Mechanismen der Durchsetzung von Diskursen zum anderen (vgl. Meidl 2009  : 99ff, Foucault 1997) auf den Plan. Aus dem Leben begriffen In allem, was im Rahmen der bisherigen Annäherung an den Kommunikationsbegriff zu sagen war, ging es letzten Endes um die Vernünftigkeit von Existenz und Leben und darum, dass Existenz und Leben nicht für sich selbst sprechen, sondern sich nur erklären, indem über sie gesprochen wird. Das Le–  38 –

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ben braucht Erzählung, Konversation und Kommunikation. Im sozialen und kulturellen Ambiente von Kommunikation und Konversation wird es zum Ereignis von Bedeutsamkeit und Sinn. Die Vernünftigkeit des Lebens erschließt sich mitten im Leben als Instanz der geteilten Beobachtung von Erfahrung und im Interesse der Konversation (Vergemeinschaftung bzw. Vergesellschaftung) von Sinn  : Nutzen, Ästhetik und Ethik (Edmaier 1968  : 61f ) des Leben erklären sich so über die Randmarkierung des Geschehens aus der Mitte des Geschehens. Im Kontext der ohnedies unumgänglichen und immer präsenten Frage nach der Deutbarkeit oder der möglichen Bedeutung des Lebens stellt sich heraus, dass, um von Kommunikation theoretisch sinnvoll zu reden, man sich auf die Reflexion und Interpretation des menschlichen Lebens durch seine soziale und kulturelle Praxis einlassen muss. Diese Interpretation braucht eine auf die Konstitution von Sinn ausgerichtete (im theoretischen Sinn  : logische bzw. vernünftige) Bezugnahme. Diese ist, wenn man wirklich von vorne anfangen will, nur die (mögliche) Logik bzw. Vernunft des Menschseins. Und eben diese ist in jedem Falle und nirgendwo sonst begründet denn in Kommunikation. Es gibt kein Protokoll des Menschlichen, das nicht aus diesem selbst generiert worden wäre. Und selbst wenn es die Vorstellung wäre, dass es eines externen oder übergeordneten Täters braucht, der „dies alles“ möglich macht, dann wäre auch diese Voraussetzung allen Seins und Denkens eine Setzung durch Kommunikation (vgl. Mitterer 2001), mit der eine symbolisch generierte, kosmisch ausgelegte Umwelt in Betracht gezogen werden würde, die jede weitere Sinnverhandlung im Hinblick auf ihre mögliche Grundsätzlichkeit durch einen vorgesetzten Deutungsbezug besetzen, wenn auch zugleich sozial entlasten würde. Denn alle, die sich diesem Framing unterziehen (vgl. Dahinden 2006), gehören dann irgendwie zusammen und unterstellen einander, sich darin grundsätzlich eins und einig zu sein. Das Leben braucht ein Biotop, einen Ort, an dem es das wird, was es vorhat zu sein. Dieser Ort ist sozial und kann nur sozial sein, weil nur in einer solchen Konstruktion das Leben des Einen mit dem eines Anderen verglichen oder in Verbindung gebracht werden kann. In diesem Sinn ist die Praxis des Lebens grundsätzlich sozial und generativ. Das generative Potenzial, die Bausubstanz all dessen, was dem Menschen eine Ortsbestimmung seiner selbst ermöglicht, ist Kommunikation. Baut man so die Architektur des Wissens zu Kommunikation, dann ist die philosophische Anthropologie die logische hermeneutische Umgebung, in der das Bemühen, Kommunikationswissen zu schaffen, zur Topologie des Menschlichen wird  : Alles, was der Mensch ist, erklärt sich durch Kommunikation und alles, was menschlich ist, legitimiert sich durch sie. Sie bestimmt den sozialen, kulturellen, moralischen und sym–  39 –

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bolischen Ort des Menschen, was er ist, wie er ist, wofür er ist, was er ist und warum er ist, wie er ist. Es gibt kein anderes Protokoll, um das zu wissen oder in Erfahrung zu bringen, als das der Kommunikation. In diesem Sinne ist sie der Prototyp jedweder Form und jedweder Gültigkeit des Lebens. In wenig andere Begriffe der symbolischen Beschreibung des Alltagvollzugs ist so viel Sinn investiert und in wenig anderen zugleich so viel Erfahrung gesammelt worden, wie in dem der Kommunikation. Er ist ein alltagstheoretisches Biotop der normativen, der kritischen, der empirischen wie der pragmatischen Beobachtung des Lebens und all dessen Aufstellungen und Konstellationen, in denen dieses sich behauptet und in Frage gestellt sieht. In ihm hält sich ein kulturell programmiertes, wohl kosmologisch ausgelegtes Wissensmodell entlang aller und zugleich quer zu allen Erfahrungen aufrecht  : Der Mensch kann über sich nur in Relation zu seiner (sozialen) Umwelt sprechen, wie er über seine Umwelt nur in Relation zu sich und in Wahrnehmung seiner selbst sprechen kann. Jede ihm mögliche Aussage über sich und über anderes ist grundsätzlich wechselseitig bezüglich. In allem, was er ist und tut, ist und tut er dies in und aus und für und wegen dieser axiomatischen Prämisse jener Bezüglichkeit, die letztlich das praktische Paradigma von Gesellschaftlichkeit (Soziabilität) und das moralische Paradigma der „Möglich-Notwendigkeit“ der Vergemeinschaftung (Kommunikabilität) seiner Existenz ausmacht. Die Existenz des einzelnen Menschen spricht, weil sie für sich selbst unbestimmt ist, nicht für sich selbst. Sie erklärt sich nur über die Brücke der Konstruktion. Die Existenz des Menschen ist über deren Menschlichkeit versinnlicht. Die Menschlichkeit der Existenz ist aber ein offenes Buch und braucht daher die Interpretation bzw. die Bestimmung aus dem Vergleich und aus der Unterstellung der Gleichstellung des Einen mit jedwedem möglichen Anderen. Diese Interpretation kann, wenn sie für den Einen wie für den Anderen stimmen oder bestimmt sein soll, nicht beliebig aus der Existenz des Einen oder des Anderen, sondern nur aus der Unterstellung eines korrelationalen und deshalb in und als Kommunikation konstruierten Deutungsprinzips jedweder individueller Existenz gezogen werden. Diese gedankliche Rahmung ist gedacht als bewusste Vertiefung und „Entschleunigung“ der oft sehr funktional und mit der Praxis kompatibel ausgelegten wissenschaftlichen Routinen in der Objektbeschreibung von Kommunikation (und Medien), die vor allem im publizistikwissenschaftlichen Gebrauch nicht selten in (recht) praktischen („die Realität bestätigenden“) Theorien enden (vgl. die Darstellungen bei Burkart 2002  : 20ff & 166ff, Pürer 1978 und Pürer 2003). Sie umreißt einen weiten Horizont und macht klar, dass mit der symbolischen Beschreibung des Lebens im kulturellen Rückgriff auf dessen –  40 –

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alltagstheoretische Beobachtung im Begriff von Kommunikation Kommunikation nicht als Mittel oder Instrument gemeint sein kann – und wenn schon, dann eigentlich nur im Interesse pragmatischer Erkenntnis. Eine aber vor jeder Pragmatik in normativem, empirischem und kritischem Interesse angestrengte Beobachtung (der als möglich unterstellten Sinnordnung) des sozialen Lebens investiert gedanklich in das Konzept von Kommunikation, die der Erfahrung von Unbestimmtheit und Kontingenz entgegengesetzte moralisch und intrinsisch motivierte Suche nach einem nicht hintergehbaren Prinzip der Bestimmung (Wahrheit, Stimmigkeit und Freiheit), nach einem letztmöglichen Prinzip der Teilbarkeit von Sein und Haben (Glück und Gerechtigkeit) und nach Schutz vor Ausgeliefertheit oder Verwirrung (Gemeinschaft und Ordnung). In diesem Sinn ist Kommunikation das begrifflich gefasste Kompetenzmodell (der Zuständigkeit und Fähigkeit) zur Konstruierbarkeit von Wirklichkeit und der Wirklichkeit (Tatsächlichkeit) der Konstruktion von Sinn (vgl. Berger/Luckmann 1972, Schütz/Luckmann 2003, Flusser 1998). So weit gekommen lässt sich vor jeder einzeltheoretischen Aussage zu Kommunikation grundsätzlich sagen, dass eine in Summe genommene Kommunikationstheorie als Topologie des Menschlichen bzw. der Menschlichkeit von Existenz den Hintergrund jeder Einzeltheorie ausmacht, wenn sie eine Theorie zu Kommunikation sein will. Wo ein solcher Hintergrund nicht (mehr) durchschimmert, besteht zu Recht der Verdacht trivialer Vordergründigkeit und theoretisch dekorierter Oberflächengestaltung. Wenn man sich daran macht, einen so universellen Begriff wie Kommunikation theoretisch hinreichend fassen zu wollen, dann ist man auf den Deutungsreichtum der Sprache so angewiesen, wie man zugleich mit deren Armut und Grenzen konfrontiert ist. Man steht momentgleich am Anfang wie am Ende der Sprache. Der Begriff ist so universell, dass er alles einschließt, was uns als Menschen am Ende über uns selbst und unsere Erfahrungen zu sagen bleibt. Im selben Moment ist er so prinzipiell und spezifisch, dass er mit jeder Erfahrung, zu deren Interpretation wir den Begriff bemühen, genau deshalb einen Horizont aufmacht, den wir uns sprachlich (der Aussage- und Mitteilungsfähigkeit wegen) immer erst erarbeiten müssen. Weil der Begriff andererseits aber auch schon sagt, was er meint, macht sich jede weitere wissenschaftlich aufgefächerte Versprachlichung verdächtig, das Rad noch einmal erfinden zu wollen. Weil aber, was der Begriff meint, wieder ins Leben (in Erfahrung gebracht) zurück übersetzt werden muss, braucht es Zeichen und symbolische Codes, die in der Lage sind, den spezifisch kommunikativen Sinn von Erfahrungszusammenhängen erkennbar und benennbar zu machen. Das fordert eine generative Sprache. Eine, die weiß, dass sie überall dort, wo sie ei–  41 –

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nen Gedanken begrifflich fertigt, erst an ihrem Anfang steht und die nur dann neue bzw. bereichernde Perspektiven freigibt, wenn sie die Routinen der alltäglichen Hermeneutik – eben wegen der in sie eingemischten Interessen des Selbst (bzw. des Selbstverständnisses einer Kultur oder Gesellschaft) – bricht. So fordernd dieser Anspruch ist, so klar ist doch, dass eine (nur) reproduktive Sprache die größere Zumutung wäre. Um also von Kommunikation sinnvoll reden zu können, muss man von ganz vorne anfangen und sich daher auf die Interpretation des menschlichen Lebens einlassen, immer einrechnend, dass ein solches nur in gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten erfahrbar und deutbar ist. Wenn man sich der Tradition der philosophischen Anthropologie anschließt, zum Beispiel Helmuth Plessners Theorie der exzentrischen Positionalität (Plessner 1981, vgl. auch Asiáin 2006), Arnold Gehlens Konzept des Mängelwesens Mensch (Gehlen 1993), Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen (Cassirer 2010) und Henri Bergsons lebensphilosophischem Konzept (Bergson 1991), dann kann man – so alle Theoreme in eine umfassende anthropologische Konfiguration bringend – den Schluss ziehen, dass das was man das Leben nennt, der individuelle (und kollektive) Versuch ist, der Gewissheit der radikalen Unbestimmtheit des menschlichen Lebens eine exemplarische Bestimmung zu geben. Jedes (individuelle) Leben ist exemplarisch, ist ein Beispiel des Wandels und – als eine je beispielhafte und beispielgebende Auslegung (konstruktive Bestimmung) der Kultur des Lebens – ein Statement von Sinn und ein Statement zur Logik der Differenz von Sinn (vgl. Deleuze 1992, auch Robinson 2009). Das Leben bestimmt und behauptet Bedeutung im Wege des Lebens und erklärt sich selbst als iteratives und dynamisches Prinzip intrinsisch begründeter Veränderung, die gar nicht anders enden kann als in radikaler Andersheit, die dann eben nicht mehr Leben heißt, sondern Tod. Die Tatsache vom Ende und das Wissen um diese Tatsache begründen den Sinn von Veränderung und von Geschichte als Prinzipien des Lebens. Die Aussicht auf (eine natürliche) Ewigkeit würde nicht nur den (natürlichen) Unterschied zwischen Tod und Leben negieren, sondern auch die (kultürlich bestimmte) Unterscheidung zwischen Tod und Leben obsolet machen. Wie man sieht  : ohne die Möglichkeit dieser Unterscheidung würde weder das Leben noch der Tod Sinn machen. Kommunikation im Modell von Beobachten und Handeln Weil es diesen Unterschied gibt und der Unterschied die kultürliche Unterscheidung (Deutung) verlangt, braucht es eine Einheit, die die Realisierung –  42 –

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der Unterscheidung im Alltag möglich macht  : Kommunikation als Programm und im Modell von Beobachtung und Handlung und über diesen Weg als die Konstruktion von Sinn. Beobachten und Handeln begründen Kommunikation als Vergemeinschaftung von Differenz (Vereinbarung auf Wahrheit und Verbindlichkeit, Gleichgewichtung von Spruch und dessen Widerspruch zwischen Konsens und Streit und Ausgleich von unterschiedlichem Unterscheidungswissen). Um das eine Leben als Beispiel zum anderen und alle Leben als mögliche Optionen und Beispiele des kollektiven Lebens wahr zu nehmen, geschieht dies alles im Wege der symbolischen Verteilung von Gesellschaftlichkeit  : Im Kontext von Kommunikation ist kein Leben ein Schicksal für sich, sondern ein Beispiel des Lebens zum Leben oder anders herum  : Das Leben des Einzelnen macht erst einen Sinn, wenn es sich (gegen die Idee eines Schicksals und gegen die Vorgabe der Unbestimmtheit) durch das kommunikative Programm von Beobachtung und Handlung behauptet werden kann. Wo ein Unterschied (für) wahr genommen wird, ist nicht mehr alles gleich gültig. Die Beobachtung interveniert durch Differenzierung und programmiert so das (kulturell unterschiedliche) Handeln. Dass man dem Leben gegenüber anders handelt als dem Tod, ist nicht eine Notwendigkeit der Natur, sondern eine Möglichkeit der Kultur sich der Alles-Gleich-Gültigkeit der Natur durch Deutung zu stellen. Das ist der Grund für die Notwendigkeit der Unterschiedlichkeit von Kultur. Gäbe es nur eine Kultur oder sollte es ausschließlich eine Kultur geben, auch wenn sie nur so etwas wie eine Leitkultur wäre, dann verlöre sie das Merkmal des Unterschieds zu Natur. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass jene Kulturen, die für sich Erst-, Leit-, Herrschafts- oder gar Alleinvertretungsanspruch erhoben haben oder erheben, nicht nur sehr autoritär auftreten, sondern auch ihre Kultur mit der Autorität (Urheberschaft) der Natur begründen und ihre Lebensstile sehr natur-affin ausrichten (Körperkultur, Leben in und mit der Natur, naturnahe Kunst etc.). So kann man oft als Begründung für die Ablehnung fremder Lebensstile den Satz hören  : „Das ist ja nicht mehr natürlich“. Abgesehen von dessen logischer Regressivität und dessen argumentativer Aggressivität, stimmt der Satz auf ungewollte Weise  : Kultur fängt an, wo man der Natur Sinn abverlangt und Deutung gibt. Und das geht nur durch ein auf Beobachtung gegründetes Programm des Handelns. Der Unterschied (von Leben und Tod) ist natürlich (gegeben), die Unterscheidung ist jedoch kultürlich (gemacht). Ausgehend von diesem nicht weiter hinterfragbaren Unterschied (natürliche Gegebenheit) und von der daher radikal notwendigen Unterscheidung (kultürliche Auslegung) hat der Mensch ein Handlungs- und Beobachtungsprogramm entwickelt, mit dem er sich in der natürlichen Welt durch soziale, kulturelle und symbolische Beispielwelten –  43 –

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orten, binden, lösen, begründen und behaupten kann. Dieses Programm heißt Kommunikation. Es ist das zentrale und paradigmatische Kulturprogramm, dem gegenüber sich alle anderen Programme (Gesellschaft, Kultur, Religion, Sprache, Technik, Kunst, Wissen etc.) gewissermaßen als dessen Derivate begreifen. Kommunikation ist die soziale, kulturelle und symbolische Behauptung des Lebens im Blick auf dessen natürlich erwartbares Ende (vgl. Flusser 1998  : 11). Sie materialisiert (vergegenständlicht) sich als Figur der Beobachtung wie als eine des Handelns in deren Derivaten  : Kommunikation ist die Substanz von Gesellschaft, Kultur, Sprache, Technik, Kunst, Wissen. Alle diese Komplexe sind in diesem Sinne auf der Basis von Beobachten und Handeln Dispositive der Unterscheidung und Agenturen der Konstruktion von Sinn. Was wiederum verdeutlicht  : Kausalität, die sich selbst in Frage stellte, wäre nicht mehr jenes Modell von Kausalität, von der man – allerdings nur – logisch begründet annimmt, dass sie eine dem beobachteten Zusammenhang immanente Gesetzlichkeit ausmache. Verabschiedet man sich von dieser Vorstellung, dann sind bzw. wären Phänomene, die man so beobachtet, nicht mehr berechenbar. Dieses Eingeständnis macht gegenüber der Objektwelt schwach und wird deshalb in einer Wissenschaft, die sich selbst gerne mit Macht ausstattet (Wissen ist Macht) weitgehend ausgeblendet. Kontextualität von Beobachten und Handeln Das Leben aber, wenn man es kulturell betrachtet, vollzieht sich kontextuell. Und zwar auf mindestens diesen zwei benannten Pfaden. Zum einen als Kontextualisierung des Handelns (Lebensvollzug, Exekution) und zum anderen, weil Handeln Sinnzuordnungen verlangt bzw. sich auf sie bezieht und sie schafft, als Kontextualisierung der Beobachtung (Sinngenerierung, Konzeption), wobei eben der Pfad der Beobachtung offenbar ein theoretisches Script generiert, das schlussendlich beschreibt (vielleicht normiert), was man (s)ein Leben nennt oder nennen möchte. Handeln und Beobachten sind zueinander interkurrente und interferente Instanzen der Bestimmung von ungerichteter Bedeutung (Unbestimmtheit) zu gerichteten (bestimmten, exemplifizierten) Deutungen des Lebens. So verstanden ist Kommunikation nicht nur das logische Dispositiv, sondern auch das intrinsische Konzept des Lebens – eine Zumutung, die den Subtext der an sich weitsichtigen Interpretation Vilém Flussers (1998  : 13), der Kommunikation als Kunstgriff, um die Endlichkeit des Lebens vergessen zu machen, versteht, als etwas zynische Konnotation offenbart. Mehr noch aber ist eine solche Einordnung der Theoretisierung von Kommunikation (gedacht als) eine kritische Herausforderung der landläufig –  44 –

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wissenschaftlich gebrauchten Konzepte, die Positionen, Prozesse, Strukturen, Funktionen und Wirkungen in Modellen sich selbst verpflichteter Kausalität plausibilisieren wollen (vgl. pro toto  : Burkart 2002) und so die Wirklichkeit der Kommunikation wie ein Beweisstück abhandeln, dessen Anfang und Ende, Hinten und Vorne, Oben und Unten, Innen und Außen, Links und Rechts, Wahr und Falsch für jedwede Beobachtung aus jeder Position gleich zu messen wäre. Ist diese Bestimmung von Interrelationalität und Interferenz von Handeln und Beobachten schlüssig, dann ist sie das nur, wenn man zugleich unterstellt, dass Beobachtung nicht (nur) ein empirisches Verfahren der Assimilation von Erfahrung ist, sondern eine mit expliziten oder impliziten Absichten abgestimmte Aufmerksamkeitshaltung (Akkommodation) (Piaget 1966, Wirklichkeitsaneignung  : Certeau 1988), eine mit woher auch immer begründbaren und wofür auch immer begründeten Interessen vermischte und auf Interessen bezogene Perspektive der Wahrnehmung, die, weil sie so ist, nie das, was sie beobachtet, abbildet, sondern das, was sie sich einbildet, durch Beobachtung originalisiert und vergegenständlicht (objektiviert). Mehr noch  : Der Gegenstand der Beobachtung ist nicht ein gegenüberliegender Gegen-Stand (ich beobachte mein Leben), sondern repräsentiert und verkörpert die Wahrnehmung als Akt des ver-stehenden und bezugnehmenden Blicks auf eine als Gegenstand oder Gegenlage vermutete (andere) Lage zu einer schon innen gelagerten, bevorrateten und in der Wahrnehmung der gegenständlichen Umwelt erinnerten und aufgerufenen Voraussetzung (ich lebe meine Beobachtung). Wahrnehmung ist im Sinne eines mit dem Handlungsmoment der Beobachtung geformten Konzepts ein aktiver, intentionaler, bisweilen strategischer und Sinn generierender Vorgang des Verstehens, in dem sich die Logik des Platzwechsels (Standpunktwechsel  : ver-stehen) konzeptionell durchsetzt. Das besagt, dass das Verhältnis von Handeln und Beobachten transaktional, wechselseitig interpretativ und ambivalent ist  : sowohl Voraussetzung (Unterscheidung, Bedingung) für Setzungen (Entscheidungen, Folgen) wie auch Setzung (Entscheidung, These) im Hinblick auf folgend zu generierende Voraussetzungen (Prämissen, Bedingungen) (Mitterer 2001  : 17, Schmidt 2005  : 29f ). Was im Hinblick auf das Konzept des Lebens zu sagen ist, gilt, weil es sich im Modus der Kommunikation vollzieht, auch für das Konzept von Kommunikation selbst. Kommunikation ist Handeln im Wissen um dessen Beobachtbarkeit und Beobachtung im Wissen um deren Verhandelbarkeit. Diese Verhältnisbestimmung von Handeln und Beobachten ergibt sich aus der (anthropologisch selbstverständlichen) Konfiguration von Kommunikation und Leben. Sie ist, wie für den kulturellen Begriff des Lebens, bestim–  45 –

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mend für eine kulturelle (und wissenschaftlich  : kulturtheoretische) Konzeption von Kommunikation. Das hat aber weit reichende Konsequenzen für den wissenschaftlichen Gebrauch des Kommunikationsbegriffes – und in weiterer Folge für die wissenschaftlich legitimierte Analyse der gesellschaftlichen Kommunikationspraxis. Sie verlangt einen Paradigmenwechsel in der Annäherung von einer mehr oder minder auf der Linearität des Handelns gebauten Vorstellung (Kommunikation als Aneignung von Wirklichkeit) zu einer sich auf die Ambiguität der Beobachtung einlassenden Zuschreibung (Kommunikation im Modell der Beobachtung der Konstruktion von Wirklichkeit). In einem so gedachten Umfeld hermeneutisch offener und zueinander verweisender Begrifflichkeit zwischen Beobachten und Handeln ist Kommunikation eine Beobachtungsgröße gegenüber möglichen kommunikationsgemeinten Handlungsgrößen. Unter dieser Voraussetzung ist Kommunikationswissenschaft die Handlungsebene der an Modellen interessierten, also gerichteten Beobachtung (Theorie) zur eher ungerichteten Alltagsbeobachtung des Handelns, eine theoretisch gemeinte Konzeption zu den intuitiv gebrauchten theoretischen Konstrukten des Alltags. Dabei müsste die Wissenschaft allerdings interessieren, welche Muster (des Lebens, der Lebenskultur oder des Lebensglücks) die alltagstheoretische Beobachtung lenken. Es ist nicht der Gegenstand (das Handeln), der (das) die Beobachtung lenkt, sondern es ist die Beobachtung, die den Gegenstand (das Handeln) beschreibt, richtiger  : durch Beschriftung kennzeichnet und symbolisch kontextualisiert. Soziale, politische und kulturelle Umgebungen des alltäglichen Lebens, ob organisiert oder zufällig, sind dem Individuum stets gegenwärtig als symbolisch geladene Kontexte des Handelns und der Beobachtung. In diesem Verständnis und dieser kommunikativen Konstellation wegen sind sie als komplexe semiotische bzw. symbolische Texturen aufzufassen, als mittelbare Horizonte (Umgebungen), über die sich Individuen und Kollektive zueinander verständigen, also Ähnlichkeit bzw. Differenz feststellen, indem sie sich die intuitive Kenntnis solcher Horizonte wechselseitig unterstellen. Sie stellen so gewissermaßen die Kommunikationsgrenze dar, innerhalb derer Sinn (Nutzen, Ästhetik, Ethik) verbindlich konstruiert werden kann. Jede, wenn auch als Interaktion gemeinte Aktion jenseits dieser Grenze würde nicht mehr als ernst zu nehmende Verhandlung oder als Kommunikation aufzufassen sein, weder sozial noch moralisch. Diese Grenze der kommunikativen Verständigung ist kulturell verhandelt und, weil sie den Rahmen der Konstruktion von Sinn-Wahrheit bezeichnet, mit moralischen Kontrollen besetzt. Jenseits von ihr gibt es nur noch Verstellung. In diesem Sinne ist Kommunikation die soziale Umgebung der Kultur von Wahrheit und Wahrheit das –  46 –

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moralische Modell für die Legitimität der Bezugnahmen (Anleihen aus der symbolischen Umgebung) bzw. für die kommunikative Verlässlichkeit von in den Verständigungsprozess eingemischten Deutungen und Bedeutungen. Wissenschaft als kommunikativ vermittelte Beobachtung Diese symbolischen Umwelten sind, weil sie überindividuelle, Zeit- und Themenunterschiede überdauernde Kontexte des kommunikativen Handelns darstellen, kulturelle Biotope der Generierung von Bedeutung. Jede soziale Verständigung, ob auf Einheit oder auf Differenz, ob auf Verbindung oder auf Trennung ausgerichtet, nützt sie als Referenz der Legitimation von Deutungen und Deutungspositionen. In jedem Versuch, sich über die Unterschiede solcher Positionen (dennoch) auf ein Gemeinsames zu vereinbaren, dienen sie als ethisch-moralische Instanz der Soziabilität von Kultur und als sozial verbindliches Modell der Kulturabilität der Gesellschaft. Mit Blick auf solche Metahorizonte der sozialen Praxis (der Verständigung) ist Kultur ein Modell von und für Gesellschaft, Gesellschaft ein Modell von und für Kultur und Kommunikation ein Modell der wechselseitigen Ermöglichung und Auslegung von Kultur und Gesellschaft. Diese wechselseitige Verwiesenheit von Kultur, Gesellschaft und Kommunikation hat kein natürliches und in diesem Sinne notwendig so zu nehmendes Protokoll. Sie ergibt sich so als auf Beobachtung und Interpretation angewiesenes und daher kultürliches Protokoll des Wissens um die Konstruktion der Objekte auf der Ebene von Begriffen. Als Begriffe sind sie metaphorische und axiomatische (meta-normative) Konstrukte (Sprach­ skulpturen) von und zu Erfahrungskomplexen und Instanzen aufeinander verweisender und wechselseitig verwiesener Beobachtung  : Mit dem Begriff der Kommunikation beobachtet sich die Gesellschaft im Hinblick auf den kulturellen Sinn der sozialen Praxis und zugleich als soziale Praxis von Kultur. Mit dem Begriff der Kultur beobachtet sie sich als soziale Instanz der Generierung von Bedeutung und Sinn. Mit dem Begriff der Gesellschaft beobachtet sie ihre eigene Konstellation als Ordnungsmodell der sozialen Beziehungen und für die Qualität von sozialen Beziehungen und regelt so die Gesellschaftlichkeit (Soziabilität) von Kultur und Kommunikation. Daran zu erinnern ist im Kontext einer kulturtheoretisch gefassten Auslegung von Kommunikation wichtig, weil erst unter der Voraussetzung dieser Erinnerung (Prämisse) eine für die gesellschaftliche Praxis und deren Veränderung relevante Substitutionstheorie zum Verhältnis von Kultur, Kommunikation und Gesellschaft nachvollziehbar wird. Sie macht deutlich, dass es sich nicht um eine Substitution (Absetzung, Ersatz) auf der Ebene von Objekten, –  47 –

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sondern um eine Umsetzung (Übersetzung) auf der Ebene der Beobachtungspositionen handelt. Sie macht auch deutlich, dass das Alltagswissen von Kommunikation ein sozial vermittelter und kulturell gefasster Beobachtungszusammenhang ist, der kulturelle Habitate und moralische Postulate einschließt, die darüber entscheiden, dass (und warum) Kommunikation mit Werten des Erfolgs (Identität, Unterscheidung, Durchsetzung etc.) verknüpft wird und welche Effekte, Wirkungen und Ergebnisse dann und warum als Kommunikationserfolg oder Kommunikationsmisserfolg (sozial, kulturell, moralisch, sachlich) gewertet werden. Dies ist die Prämisse, auf der eine kulturtheoretisch ausgelegte Wissenschaft der Kommunikation gebaut werden kann  : Wissenschaft ist ein Kulturmodell für transversale Geltung und ein in diesem Sinne spezifisch organisiertes Kommunikationsmodell. Sie ist wegen der mit ihr verbundenen Erwartungen als Referenzgröße der Stimmigkeit quer zu subjektiven und individuellen Positionen ein spezifisch geordnetes Diskursmodell, das sich als solches allererst legitimiert durch die Denomination und Deklaration der Beobachtungsinteressen. Ihre Aufgabe ist es nicht, besseres Alltagswissen zu produzieren oder das Alltagswissen (Inhalte als Gegenstände) zu verbessern. Als Sozial- und/oder Kulturwissenschaft muss sie nichts erfinden, aber sie muss entdecken, aufdecken und aufklären. Ihre Aufgabe ist es, Positionen der Beobachtung auszumachen, aus denen sie (kulturelle, soziale, moralische und sachlich-technische) Einschlüsse der Alltagsbeobachtung im Hinblick auf jeweils gegebene Problemstellungen und Problemkonstellationen identifiziert, analysiert, thematisiert, reflektiert und dekonstruiert. In diesem Sinne ist Kommunikationswissenschaft eine unter den Bedingungen der Kommunikation ermittelte und im Diskurs verhandelte Instanz der Beobachtung von Beobachtung der Kommunikation (Schmidt 2004  : 59f ). Diese auf zweiter Ebene (als zweite Ordnung) der Beobachtung angelegte Auslegung von Kommunikation braucht (daher) eine sprachliche Gestalt, die sich von der Begrifflichkeit der ersten (Alltags-) Beobachtung durch einen weiter reichenden Abstraktionsgrad unterscheidet. In diesem methodischen Sinne ist Wissenschaft wörtlich genommen immer überheblich, was sie klarerweise nicht dazu berechtigt, diese Übung der Überhebung und Übersetzung der Beobachtung als Überheblichkeit in das soziale Spiel der Kräfte zu bringen. Beobachtung im Fadenkreuz von Zeichenwelt und Zeichenlogik Im Wege der Beobachtung konstruiert man Bezüge zwischen (sich als) Beobachter und dem, was man beobachtet. Beobachtung ist eine Bezugnahme –  48 –

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der Aufmerksamkeit von einem Ort der Erfahrung zu einem anderen, die, wie der Begriff „Bezug“ auch schon nahe legt, eine Beziehung konstituiert, die durch (die) Bezeichnung intendiert wird. Oder anders  : mit dem Akt der Bezeichnung eignet sich der Beobachter das Beobachtete an (Certeau 1988) und demonstriert so seine Beziehung. Aus Beobachtungspositionen kann man zu dem, was man beobachtet, eine Beziehung aufnehmen, die, wenn man andere darauf aufmerksam machen möchte, durch Zeigen bezeugt wird. Das individuelle oder situative Zeigen objektiviert sich im Zeichen und wird so wiederholbar und mitteilbar. Und um zu identifizieren, was man beobachtet, um es als eben solches auch wieder zu erkennen, verschlüsselt man den Inhalt (nicht nur den Gegenstand) der Beobachtung mit (besser  : in) Zeichen, die in der Vorstellung dessen, der die Zeichen entschlüsselt, bewirken, was sie bezeichnen, ohne selbst zu sein, was sie bezeichnen. Zum Inhalt der Beobachtung zählen neben dem Gegenstand (und was immer man zu diesem macht) auch die Umstände (Interessen, Blickweisen und Blickwinkel, Aufmerksamkeitswerte, und Beobachtungsregeln). Wenn also Zeichen Beobachtungsinhalte repräsentieren, dann vergegenständlichen (objektivieren) sie eigentlich nicht (nur) die sachlichen Inhalte als Objekte, vielmehr vergegenwärtigen und bezeichnen sie Position und Aktion (Interesse, Aufmerksamkeitshaltung, Blickwinkel etc.) des Beobachters. Zeichen repräsentieren nicht das Beobachtete, sondern die Beobachtung des Beobachteten, sie identifizieren nicht einfach das Beobachtete, sondern den Beobachtungsinhalt mit der Beobachtung. Zeichen sind Spiegelungen der Beobachtung des Beobachteten, wie in der Regel der Spiegel nicht wiedergibt, was er einfängt, sondern wiedergibt, wie jemand etwas einfängt. Wenn man sich im Spiegel betrachtet, sieht man nicht (einfach) sich (als gegenüber oder als Gegenstand), sondern man sieht, wie man sich beobachtet, man beobachtet, wie man sich sieht, man beobachtet, wie man sich beobachtet. In diesem Sinne sind Zeichen Modelle der Wiederholung und Wiederholbarkeit, Deutungsmodelle der nächstmöglichen Wirklichkeit und Wirklichkeitsmodelle der (nächstmöglichen) Deutung. Zeichensysteme sind im Rahmen von kulturellen Programmen entwickelte Repräsentationskomplexe von und für Deutungsabsichten. Sie dienen kommunikationswilligen Subjekten und Individuen oder, im Falle der Notwendigkeit der Kommunikation, vor allem wenn sie unter der Bedingung unterschiedlicher Herkunft in einem Objekt geteilten oder gegensätzlichen Interesses eine Verständigung begründen wollen, als Bezugsreferenzen der Objektivierbarkeit (gesellschaftlicher Ordnung) von Deutungsräumen und Deutungsgrenzen. Sprachen und Zeichensysteme sind nachhaltig angelegte, sozial organisierte und in diesem Sinne auch kontrollierte Modelle der Re–  49 –

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präsentation kultureller Ordnung und Absicht. Sprachen eröffnen und schließen, verbinden und grenzen ab. Sie begründen Territorien der Auslegung, sie definieren die Horizonte der Aneignung von Wirklichkeit. Sie repräsentieren nicht eine dem Objekt bzw. dem Inhalt, den sie bezeichnen, anhaftende Bedeutung, vielmehr haften sie (oder haftet man durch ihren Gebrauch) für die Verlässlichkeit von Deutungszuordnungen. Sprachen verschlüsseln und entschlüsseln das Spektrum des kulturell verträglichen Gebrauchs von Deutungen. In diesem Sinne ist jede Verständigung zwischen Menschen ein Wettbewerb um die mögliche Breite, Weite und Tiefe, also um den Geltungsanspruch von Deutungen, eine Interaktion, die über (den Gebrauch der) Symbole so (eindeutig) oder so (mehrdeutig) entschieden wird. Interaktionen, die über Symbole ausgetragen werden, bleiben nicht ohne Wirkung auf die Symbole  : Sprachen, Symbolsysteme, Zeichensysteme ändern sich im Spiegel ihres Gebrauchs und stehen so für den Wandel der Wirklichkeit. In diesem Zusammenhang muss man die Aussage Ludwig Wittgensteins, nach der die „Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt“ wären (Wittgenstein 1963  : 89), mehrdeutig auslegen. Das kann so gesagt werden, wenn man voraussetzt, Sprachen bildeten die wie auch immer im Sein begriffene Welt ab, die im Vergleich zu dem, „was der Fall ist“ (Wittgenstein 1963  : 11) immer anderes, mitunter sogar weniger ausmacht. So denkt oder empfindet man, wenn etwas im Raum steht, das man nicht bezeichnen oder versprachlichen kann, obwohl man fühlt, dass es (etwas) virulent ist. In diesem Fall versagt die Sprache nicht als Beobachtungs-, wohl aber als Handlungsinstanz, als Repräsentation einer Vereinbarung. Die Wahrnehmung (das Gefühl) bezeichnet, was sie nicht repräsentieren kann oder mag. Nimmt man aber an, dass Sprachen im weitesten Sinne, also auch Zeichenkulturen Beobachtungsinstanzen sind, durch deren Gebrauch wirklich wird (sie bewirken), was sie beobachten, dann sind Sprachen und Zeichenkulturen Handlungsinstanzen, die die Welt, die sie eben ist, repräsentieren  : die Welt der Zeichen ist in diesem Sinne dann immer auch die Welt in Zeichen oder die Welt als Zeichen. Als solche übergibt sie sich total der Verfügung durch nachvollziehbare und nachvollzogene Kommunikation, entsteht und repräsentiert sich durch Kommunikation bzw. als Kommunikation. Erst durch die Dimension des Handelns werden Sprach- und Zeichenkulturen zu einem Ort der Vereinbarung von Welt. Aber warum Ver-ein-barung  ? Warum nicht Ver-mehr-barung oder Ver-anders-barung  ? Was ist an dem Modell von Einheit und Identität so zwingend, dass wir nur dann denken, das Wahre bestimmt zu haben, wenn das Eine mit dem Anderen am Ende das Selbe ausmacht  ? Warum ist nicht gerade das Eine –  50 –

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(im Vergleich) zum Anderen und das Andere (im Vergleich) zum Einen wahr, so dass am Ende die Verschiedenheit des Einen zum Anderen wahr ist, also nicht das Objekt wahr oder falsch ist, sondern dessen Beobachtung und dessen Behandlung  ? Wenn es aber Kommunikation braucht, um etwas als wahr oder falsch zu bestimmen (zu vereinbaren oder zu vermehrbaren), dann ist Wahrheit nicht eine Eigenschaft des Objekts, sondern eine (kulturelle) Qualität der Kommunikation (vgl. Schmidt 2005  : 30) bzw. eine (moralische) Qualität der Entscheidung im Umgang mit Setzung und Voraussetzung (vgl. Mitterer 2001). Diese Unterscheidung aber ist grundsätzlich offen. Es gibt kein Protokoll, es sei denn das der Kommunikation, das bestimmen könnte, welche Voraussetzung welche Setzung möglich oder notwendig macht. Mit dieser Frage nach dem Sinn der Vereinbarung stößt man vermutlich auf das kulturell-strukturelle Paradox von Kommunikation  : obwohl es das genuine kulturelle Potenzial von Kommunikation ist, Kontingenz und Polysemie, Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit und Mehrdeutigkeit in die Welt (als Welt) zu setzen, setzen wir statt auf Inklusion auf Exklusion. Psychologisch lässt sich das natürlich erklären, aber auch die Psychologie wiederholt lediglich die kulturell eingespielten Muster, oft sogar als wären sie unumgehbare Gesetzmäßigkeiten. Eine tiefer liegende Erklärung muss sich auf die Kulturprogrammatik selbst einlassen, die mit der Frage von Unbestimmtheit und den Möglichkeiten der Bestimmung von Unbestimmten zu tun haben. Eine kulturphilosophische Betrachtung würde die Vermutung nahelegen, dass die Denkmodelle von Einheit und Identität einander stützen (vgl. Habermas 1973  : 202ff & 229f ) und mit der Vorstellung göttlicher Größe zu tun haben, die man sich nur als das große und gesamte Eine und alles Einigende (Wahre) denken mochte. Und wenn das, was für Gott gehalten wird, die letztgültige Referenz für die Bestimmung von Unbestimmtheit im Hinblick auf Wahrheit (als Flucht zur Wahrheit) ist und alle Welt sich von dort und unter Bezugnahme darauf rechtfertigt, dann ist die Unität von Wahrheit ein philosophisches Muss gegenüber einer Realität der Diversität, eine elitäre Deutung (Kennzeichnung) gegenüber den egalitären (und schlussendlich nichtssagenden) Merkmalen einer diversen Welt. Wenn, wie im Konzept der Cultural Studies (Marchart 2008  : 34) klar herausgearbeitet, Kultur immer auch Kampf um Macht ist, dann ist die kulturelle Gleichschaltung von Unität, Identität und Wahrheit (ein Gott), die ausschließt, dass ein Anderes (ein anderer nicht-identer Gott) auch wahr sein kann, ein Ergebnis aus dem repressiven und dogmatisch-dominanten Gebrauch von Autorität. In einer solchen Umgebung werden emanzipatorische Ansätze als Häresie („freie Wahl“) negativ sanktioniert. Die drei großen und unseren Kul–  51 –

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turkreis über Jahrtausende dominierenden Ein-Gott-Religionen haben durch Rituale, religiöse Praktiken von Einschluss und Ausschluss (Auserwählung, Gnade, Ruf ), von Belohnung und Bestrafung, durch die Bestimmung von Heil (in der Gemeinschaft) und Sünde (Absonderung, außerhalb der Gemeinschaft), ein Identitätsmodell durchgesetzt, in dem nur das Eine (Reine) das Eigentliche ausmacht, das sich aus dem Geräusch (der Verschmutzung, der Unreinheit) als die eigentliche Stimme, das eigentlich Stimmige, das eigentliche Wahre und das wahre Eigentliche heraus purifiziert und so (für Gnade, Würde und Ruf ) wählbar macht. Ein elitäres Modell von Identität und Unität, das überdies eine ziemlich repressive Vorstellung von Identität (vgl. Habermas 1973  : 229) aufzwingt  : Personen, Staaten, Nationen und Kulturen werden so in einen Vergleich bzw. in einen Wettbewerb gezogen, in dem sie sich offenbar nur durch Grenzziehungen zurecht (zu sich) finden. Es ist nicht der Unterschied, der sie vergemeinschaftet, sondern es ist die Gemein-Schaft als EinSchaft, durch die sie sich, zueinander abgegrenzt, selbst verbinden. Insofern nun Kommunikation der soziale und moralische Ort der Bestimmung von Wahrheit ist, stellt man sie unter das Postulat von Ordnungsmustern, die durch Einheit und Identität, Klarheit und Eindeutigkeit, Reinheit und Unverwechselbarkeit bestimmt sind. In diesem Modell geht es um Gleichheit (Gleichklang) und Angleichung, also Kulturmuster, die darauf drängen, nur Eines als wahr und unverwechselbar unter Vielem zu bestimmen. In dessen Folge sind kausale Logik, Technik, Mechanik und Mathematik Formensprachen, die dieses Modell von Einheit/Identität objektivieren und plausibilisieren. Wie soll es dann wundern, dass jene theoretischen Modelle von Kommunikation als die plausibleren Konzepte angenommen werden, die Kommunikation im Modell von Technik, Mechanik und (mathematischer) Kausalität beschreiben  ? Die Vermutung wurde schon öfter angestellt, dass möglicherweise gerade diese Vorgabe technisch herstellbarer Einheit Kommunikation, wenn man sie kritisch theoretisiert, als das soziale Modell des Täuschungsvertrages (vgl. Bauer 2011b  : 495) auslegen lässt  : Möglicherweise ist es die Kultur von Einheit und Eindeutigkeit, von Gleichheit und Angleichung, die darauf drängt, nur Eines als wahr unter Vielem zu bestimmen und daher Verständigung als Vereinbarung (nicht als Vermehrbarung der Standorte) festlegt. Dann liegt nahe, dass man sich auf Bezeichnungen einigt, deren Mehrdeutigkeit (Option der Häresie) nicht weiter zum Thema gemacht wird. In jedem Fall aber ist die Wahrheit das kulturelle Modell kommunikativ (v)ermittelter Wahrnehmung und möglicherweise gerade deshalb das moralische Modell von Vielheit und Differenz, wo immer sie zur Disposition steht. –  52 –

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Was hier zur Diskussion gestellt werden soll, ist der Versuch mit einer kulturologischen Konzeption von Kommunikation den bisher dominierenden technologischen Fassungen, die – eben weil sie technisch interpretierter Plausibilität folgen – auf Einheit, Kongruenz und Standardisierung ausgerichtet sind, eine Alternative gegenüber zu stellen, die sich wissenschaftsmethodisch weniger analytisch, sondern eher hermeneutisch legitimiert und – eben weil sie mit einem kulturellen Paradigma arbeitet – die implizite Qualität und den intrinsischen Wert von Vielheit, Unterschiedlichkeit und Diversität von Kultur und Kommunikation für eine sich selbst im Wandel begreifende Gesellschaft theoretisch erschließt. Mit Recht erwartet man von der Kommunikationswissenschaft, dass sie orientierungsfähige Aussagen macht über die Rolle der Kommunikation in Aufbau und Entwicklung der Gesellschaft als jenem sozialen Rahmen, in dem das Individuum ein Leben in innerer und äußerer Würde vollziehen kann. So sehr man gewohnt ist, diese Frage nach Selbstachtung und Achtung durch die soziale Umwelt mit wirtschaftlichen Bedingungen und Erfolgen, letztendlich mit (dem ökonomischen Medium) Geld als Modell des gesellschaftlichen Tausches in Verbindung zu bringen, so sehr wird man im Hinblick auf eine zunehmend durch Kommunikationsmedien strukturierte Welt lernen und mehr darauf achten müssen, dass es neben dem Geld auch andere, eben soziale Medien gibt, die mit den Chancen auf ein Leben in politischer, sozialer, kultureller und moralischer Würde korrelieren. Natürlich stellt sich auch hier – wie bei den ökonomischen Medien – die Frage nach den individuellen wie gesellschaftlichen Bedingungen des kompetenten Gebrauchs. In dieses Umfeld gestellt nimmt sich die Möglichkeit der wissenschaftlichen Beobachtung von Kommunikation auch als Forderung aus, zur eher techniklogischen Interpretation von Kommunikation eine kulturlogische Interpretation zu entfalten, die Kommunikation integrativ und kontextuell fasst und sie als eine in Technikrepertoires (Sprache, Kunst, Medien) verfügte und in sozialem Austausch gefasste Bezugnahme auf Deutungsreservoirs erklärt, durch die das Verhältnis von Individualität und Sozialität sowohl generell als auch situativ mit kulturellem Sinn gesättigt wird. Das verlangt, die wissenschaftliche Interpretation von Kommunikation selbst als ein kulturelles (deutungsrelevantes) Geschehen (der Konstruktion) zu fassen, das sich über die Qualität der Transparenz ihrer Bezugnahmen ideologisch legitimiert, anstatt eben nur als über eine den Weg der Konstruktion sich erschließende (theoretische) Wirklichkeit der Kommunikation. Durch kulturprogrammatisch generierte und verteilte Wissensmodelle (Regeln, Ablaufmuster, Ethik) wird jener Mechanismus des Vertrauens sichergestellt, der für die soziale Gültigkeit der Referenz von Wissenschaft notwendig ist. –  53 –

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Wissen und/oder Handeln Solche Interpretationen stellen das Handlungsmodell, mit dem man gewohnt ist Kommunikation zu erklären und zu vergegenständlichen, in den Schatten der Betrachtung und rücken das Wissensmodell in den Vordergrund. Im selben Zug der Betrachtung verliert das Funktionsparadigma (das sich immer dem Mythos des Vorsprungs und den gesellschaftskulturell bedingten Vorstellungen von Erfolg unterwirft) seine Erklärungskraft. Die gelegentlich monierte Kompetenzschwäche der Kommunikationswissenschaft (vgl. Weber 1997) liegt nicht in erster Linie im Modus der Theorie, sondern in der Wahl der Problematisierungs- und Theoretisierungsperspektive, welche – wenn man die Komplexität der Praxis fassen möchte – nicht weit genug reicht, wenn sie sich auf die Beschreibung von Funktionen und Phänomenen konzentriert. Kommunikationswissenschaft mag interessant sein als Beschreibung von Phänomenen, sie ist aber um vieles interessanter als Phänomen der Beschreibung, weil in eben dieser Beschreibung die Herausforderung liegt, Wissen über Wissen zu schaffen. Dort liegt auch die eigentliche Differenzierungslinie zwischen empirisch-analytischer (soziologisch verfasster) und interpretativer (sozial- und kulturtheoretisch gefasster) Kommunikationswissenschaft. In den Kontext von Kultur- und Sozialtheorie gestellt, ist Kommunikationswissenschaft nicht die Wissenschaft eines Gegenstandes, sondern die Vergegenständlichung von Wissen. Sie arbeitet nicht wie Objektwissenschaften, die ihre Gegenstände aus der Praxis zu kennen meinen, die sie definieren, systematisieren, analysieren und im Hinblick auf die Praxis problematisieren. Die kulturwissenschaftlich orientierte Kommunikationswissenschaft theoretisiert, reflektiert und interpretiert jenes Wissen (Sinn und Erfahrung), auf das sich die alltagstheoretische Verwendung des Begriffes Kommunikation bezieht. Sie problematisiert Kommunikation nicht als einen instrumentell verstandenen Gegenstand, sondern vielmehr den Gebrauch des Begriffes als alltagstheoretisches Konzept zur Beschreibung von gesellschaftlichen Deutungszusammenhängen. Sie ist jene Instanz der kreativ-bewussten Unterbrechung der Routinen des Alltagswissens, die die Alltags- und Medienspiegelungen der Konstruktion von Wirklichkeit dreht, wendet und noch einmal überdenkt und über diesen Modus kritisch gemeinte Kommunikationsbilder vergegenständlicht, in denen sich die Gesellschaft vor die Szenarien ihrer eigenen Praxis gestellt sieht und sich so der Werte ihres Wandels erinnert. Da Kommunikation kein Gegenstand ist, der sich gleich bliebe, von wem und unter welchen Voraussetzungen auch immer betrachtet, sondern ein kulturell programmiertes Wissens- und Betrachtungsmodell, das entsteht und auf das man sich bezieht und (individuell) einmischt, indem man es sich vorstellt, –  54 –

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denkt, tut oder beschreibt, kann auch die wissenschaftliche Betrachtung von Kommunikation keine (wenn auch noch so merkmalsgenaue und differenziert definierte) Gegenstandsbeschreibung sein, sondern bestenfalls die Beschreibung einer solchen kulturellen Programmatik der Vorstellung, des Denkens, des Tuns oder der Beschreibung. Kommunikation entsteht als das sozial arrangierte Bild der Deutung von Situationen, indem man in sie alle Bezugnahmen einmischt, durch die man zugleich weiß, dass man in einem Verfahren steht, in dem man tut, was man weiß oder fühlt und in dem man rationalisiert, was man tut. Das kann man theoretisch als Assimilation erklären, also als Vorgang der Verähnlichung, der sich zwischen Simulation und Repräsentation abspielt. Demnach könnte man – ähnlich wie dies das Simulations- und das Repräsentationskonzept der Entwicklungspsychologie tun (vgl. Koch 2003, Vielmetter 1998  : 83, Lenzen 2005) – erklären, wie Menschen ihnen zunächst fremde Verhaltensweisen zu verstehen (ist gleich intentional beobachten) versuchen und das Verhältnis von Beobachten und Handeln im Kontext von Kommunikation als Simulation oder als Repräsentation umsetzen. Beobachten und Handeln repräsentieren und simulieren einander wechselseitig und erreichen so eine rationalisierbare Assimilation. Demnach wäre das kommunikative Handeln als Simulation und Repräsentation des Wissensvorrates wie die kommunikative Beobachtung als Simulation bzw. Repräsentation des (möglichen, unterstellten bzw. realisierten) Handelns zu erklären. Repräsentation ist die Arbeit des Zerlegens von Wahrnehmung und Erfahrung in abstrakte Modelle, mit denen dann Beobachtungen entschieden und rationalisiert werden können. Simulation ist die Arbeit des Korrelierens von Voraussetzungen und Folgen, auf dessen Basis Handlungen als konkretes Experiment ausfallen. Das Handeln assimiliert (konkretisiert) das implizite Wissen, wie das Wissen das Handeln assimiliert (simuliert). In diesem Sinn sind Erlebens- und Erfahrungszusammenhänge über kulturell vermittelte und standardisierte Repräsentations- und Simulationsmerkmale (als Kommunikation) vergleichbar. Auch wenn alle diese Vorgänge bei einem universellen Kulturprogramm Anleihen nehmen, wodurch sie eben vergleichbar bzw. verähnlichbar werden, ist keine Kommunikation einer anderen gleich. Jede Kommunikation ist ein eigenes Deutungsprojekt derer, die in sie durch Beobachten und Handeln eingebunden sind. Das Programm, aus dem Kommunikationen schöpfen, ist nicht einfach nur ein Lager gleichbleibender Vorräte, aus dem man sich bedient, solange der Vorrat reicht. Der Kulturvorrat, in welchen Bezügen auch immer er auszumachen ist, ist nicht kumuliertes, sondern potenzialisiertes Vermögen und in diesem Sinne ein Programm von Deutungen, das durch den Gebrauch von Deutungen neue Deutungen generiert. –  55 –

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Kultur programmiert sich durch Selbstbereicherung. Das Kulturprogramm ist von jeher angelegt wie eine virtuelle Bank, die ihr Vermögen durch die Anleihen mehrt, die sie vergibt. Es generiert sich und es schreibt sich fort bei jeder dieser Anleihen. Indem man Anleihen nimmt, legt man ein. Mit zunehmendem Gebrauch überschreibt es sein bestehendes Vermögen mit weiteren Gewinnoptionen, die in das Programm reinvestiert werden. Da Kommunikation Kultur auf diese Weise programmiert und Kultur Kommunikation ebenso potenzialisiert, ist Kommunikationskultur das Modell des sich selbst programmierenden und sich selbst legitimierenden Wandels. Bei begründeter Ausweitung dieses Gedankens kann man damit auch erklären, wie und warum Medien (eigentlich  : der Mediengebrauch) der Ort sind, an dem der gesellschaftliche Wandel zu verhandeln ist. Dies ist an anderer Stelle noch zu vertiefen. Der praktische Vollzug von Kommunikation (das so genannte kommunikative Handeln) ist immer ein vereinzelter Entwurf von kulturell verallgemeinertem Wissen (Kulturprogramm) im Hinblick und unter Bedachtnahme auf situative Besonderheiten, und in diesem Sinne ist er die situative Repräsentation eines kulturellen Universums, das mit jeder dieser individuellen Akte dem intrinsischen Profil von Kultur, dem der Variabilität, ähnlicher wird. Kommunikation geht kulturell nie fremd, sie meint sich immer selbst als Versuch der einen einer anderen Deutung gegenüber. Die andere ist ihr eigen wie die eigene immer eine andere sein könnte. Es gibt kein normatives Protokoll, wie Kommunikation kulturell auszufallen hätte. Das kulturelle Protokoll von Kommunikation schreibt sich über Kommunikation. Sie findet sich daher in jeder Kultur zurecht, weil sie es ist, die der Kultur das Recht, zu sein wie sie ist, zuweist. In diesem Sinne ist das Potenzial von Kommunikation zugleich dessen anfälligste Stelle. Totalitäre Systeme, die ihre Mission in Kommunikationsstrategien entwerfen, sind der beste und zugleich erschreckende Beweis für diese Ambivalenz. Theorie-theoretischer Rahmen Theorien sind Ordnungsmodelle, Konzeptionen der Beschreibung, die dem, was sie beobachten, erklären, klassifizieren, bewerten und aus dem sie prognostizieren (vgl. Seiffert 1971  : 146), einen Zusammenhang unterstellen, der sich nicht aus sich selbst erklärt, sondern aus dessen Beobachtung und der nicht dem Beobachteten anhaftet, sondern der Beobachtung. Ordnung ist immer eine kulturelle Intervention, ein bewusst oder unbewusst eingemischtes Modell zur Generalisierung der Gültigkeit von Kompetenzverteilung und der –  56 –

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Verlässlichkeit von Erwartungsmustern im Sinne dieser auf Macht basierten Verteilung (vgl. Foucault 1997). Essentialisten unter den Theoretikern sagen dann gerne, dass „die“ Kommunikation aber doch von sich aus so funktioniere, wie sie es tut. Beweise gebe es genug, die Werbung zum Beispiel  : Die Menschen lassen sich manipulieren, indem sie am Ende (trotzdem) kaufen, obwohl sie wissen, dass sie ihr Wissen zu einem Produkt einer strategisch in Gang gesetzten Kommunikation, der Werbung, verdanken. Wenn bestimmte Zusammenhänge unter unterschiedlichsten Kontexten immer wieder die gleichen sind und so die Gesetzmäßigkeit eines Vorgangs ausmachen, dann lassen sie sich doch auch von der Beobachtung (vermittels der Abstraktion) in Handeln umsetzen, um so die einst beobachteten Gesetzmäßigkeiten zu Regeln des Handlungserfolgs zu machen. Diese Argumentation übersieht, dass die Referenz der Wiederholung von Beobachtung (Analyse) und der Wiederholung von Handeln (Technik) nicht das Gesetz des Beobachteten, sondern das der Beobachtung ist. Die Werbung „funktioniert“, wie wir sie beobachten, und nur so beobachten wir (sie), wie sie funktioniert. Da eben diese (Alltags-) Beobachtung kulturell vermittelt ist und so als Mechanismus der sozialen Wahrnehmung gegenseitig und als Mechanismus der kulturellen Verlässlichkeit wechselseitig unterstellt werden kann, „funktioniert“ (z. B.) die Werbung, wie sie eben auf weite Strecken funktioniert  : nicht als Leistung der Werbung, sondern als wirtschaftskulturelles Charakteristikum der in die Beobachtung von Werbung eingemischten wechselseitig unterstellbaren und unterstellten sozialen Kontrolle. Die empirische Bobachtung folgt unter Bezugnahme auf kritische, normative, analytische oder interpretative Wissensmodelle kulturell programmierten Pfaden der Verifizierung von Erfahrung, die eben wegen dieser kulturellen Programmierung den Status von theoretischen Standards haben, wenn auch (zunächst) in Form von Alltagstheorien. Jede wissenschaftlich-methodische Theoretisierung, die ebenfalls analysieren, interpretieren oder reflektieren will, kann unter dieser Voraussetzung, dass Kommunikation nicht das Beobachtete, sondern die Beobachtung (das Beobachtungsmodell) ist, nichts anderes sein als eine auf neuer Ebene organisierte Beobachtung, eine Wahrnehmung im Modell der Theorientheorie. Insofern die wissenschaftlich-theoretische Konzeption von Kommunikation eine Konzeption zur (gesellschaftlichen) Beobachtung von Kommunikation ist und nicht eine Konzeption des vermutet Beobachteten, kann eine Konzeption, die Kommunikation als Objekt zu fassen sucht (vergegenständlicht) und dieses dann auch noch in objektiv-realen Merkmalen bewiesen zu sehen meint (Sender, Empfänger, Medien, Wirkungen etc.), dieser epistemischen Logik folgend gar nicht den Status einer wis–  57 –

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senschaftlichen Theorie für sich beanspruchen, sondern bestenfalls den Status einer nach bestimmten Logiken geordneten und in diesem Sinne intelligenten Alltagstheorie. Eine wissenschaftliche Theorie von Kommunikation aber ist mehr und muss mehr sein als eine der Plausibilität der Alltagspraxis (Alltagslogik) genügende Bestimmung von Zusammenhängen. Da Kommunikation nicht als Gegenstand, sondern als Theorie begriffen wird, ist die theoretische Kommunikationswissenschaft nicht Gegenstandswissenschaft (Objekt-Theorie), sondern Beobachtungs- und Wahrnehmungswissenschaft (Theorientheorie). Diese wissenschaftstheoretische Positionierung der Kommunikationstheorie als Theorientheorie verlangt nicht nur eine kritische Analyse all jener wissenschaftlich-theoretischen Konzepte, die behaupten erklären (ordnen, klassifizieren, prognostizieren) zu können (oder zu wollen), „was Kommunikation ist“, sondern auch eine grundsätzlichere und durch die Kompetenz der philosophischen Hermeneutik begründete Epistemologie, um aufzudecken, dass eine Kommunikationswissenschaft, die nur systematischer oder analytischer wiederholt (erklärt, ordnet), was die Alltagstheorie auch (schon) weiß, eine wettbewerbliche Attitüde ist, die sich im Kreis der Besserwisserei um sich selbst dreht. Die Kompetenzschwäche der Kommunikationswissenschaft liegt nicht darin, dass sie Probleme hat sich als eigenständige Disziplin auszuweisen, sondern darin, dass sie sich grundlos so sehr darum bemüht, eine solche zu werden oder zu sein. Denn diese Ambition verleitet sie, Hardware-Strukturen (auf theoretisch-methodischer Ebene  : Definitionen, Gesetzmäßigkeiten, konstante Merkmale, auf institutioneller Ebene  : Fachkanon, Institute, Fachbereiche) für einen Softwarekomplex zu entwickeln, nur um ein Territorium eigener Provenienz auszuweisen. Ein solcher Anspruch bringt die Kommunikationswissenschaft in den Stress der Ausdifferenzierung von theoretischen, methodischen und institutionellen Alleinstellungsmerkmalen, die sie dann aber nicht aufbringen kann, weil Kommunikation als Modus des (individuellen und sozialen) Lebens und als Modell für die Beobachtung desselben eine General-Logik darstellt, die nicht eine Einzeldisziplin begründen kann. Um den epistemologischen Grundgedanken dazu noch einmal zu strapazieren  : Geht man davon aus, dass Kommunikation ein metaphorisch-begriffliches, also kultürliches Konzept ist, in dem und mit dem die Erfahrung des Menschen mit der Möglichkeit, Notwendigkeit und Herausforderung der Bestimmung dessen, was für ihn unbestimmt ist, konfrontiert zu sein, nennbar, teilbar und tauschbar wird, kann ein solches Konzept nur entweder als erste alles bestimmende Ansatzgröße oder als letzte alles ummantelnde Überzugsgröße (pull-over) verstanden werden. Das Plädoyer gilt hier einer in jedem –  58 –

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Falle relevanten letzten Referenzgröße, mit der Einzeltheorien zu Mensch und Gesellschaft, aus welch diszipliniertem und kanonisiertem Logik-System sie auch immer stammen mögen, mit der Generalerkenntnis geschlossen und markiert werden, dass keine der Einzelwissenschaften sich ohne den Faktor Kommunikation erklären kann. Das begründet die Anschlussnotwendigkeit und sichert die theoretische und methodische Anschlussfähigkeit (Transdisziplinarität) der Einzelwissenschaften zu Mensch und Gesellschaft. In diesem Sinne wäre Kommunikationswissenschaft eben nicht eine Disziplin, sondern der Pool, in dem Disziplinen ihre Verortung finden. Dies ist einer Wissenschaftskonzeption, die sich eigenständig behaupten möchte, entweder zu wenig oder zu viel. Zu wenig, weil das Argument eingebracht werden würde, dass in einer Pool-and-pull-over-Konzeption gegenüber den Einzelwissenschaften (Psychologie, Anthropologie, Soziologie, Philosophie, Ökonomie, Politikwissenschaft, Bildungswissenschaften etc.) das Phänomen Kommunikation nicht hinreichend theoretisch vergegenständlicht werden könnte. Zu viel, weil das Argument eingebracht werden würde, dass im Kontext der Einzelwissenschaft mit dem Konzept der Kommunikation nicht alles erklärt werden könne, was zu erklären sei. In diesem Dilemma zwischen funktionalem Identitätsanspruch und struktureller Identifikation des Faches hat sich vor allem die empirisch-analytische Kommunikationswissenschaft für eine beweisbare Darstellung entschieden  : im Kontext von Theorie für Kausalitätsmodelle, im Kontext von Methoden für kausalitätsaffine Rechenarten. So gedacht kommt man zu Fakten und zu Aussagen über das, was man für faktisch hält. Fakten beweisen sich durch ihre als objektiv angenommene Existenz und in weiterer Folge durch ihre Rechenbarkeit. Rechnet man Phänomene als Folgen von dazu kausal bestimmten Gründen, dann erscheinen die Phänomene nicht nur faktisch, sondern auch praktisch logisch existent. Eine Wissenschaft dieses Formats ist faktisch und praktisch verwertbar. Die solcher Nützlichkeit und letztlich der Eitelkeit geschuldete Union der Kräfte der Kommunikationswissenschaft, die versucht sich als durch eigene objektivierte Theorien und Methoden begründete Disziplin mit erkenntnismethodischem Territorialanspruch zu gerieren, geht (vor allem bei der empirisch-analytischen Kommunikationswissenschaft) zu Lasten theoretischer Gelassenheit und methodischer Experimentalität, reduziert das Spektrum theoretischer Werte der wissenschaftlichen Methode wie Diversität, Varietät, Offenheit, Vorläufigkeit, Exemplarität und beschneidet den möglichen Reichtum der Erkenntnis, der sich ergeben kann aus Querschnittqualität und Transdisziplinarität. Die Mechanismen, mit denen innere, wohl auch schon fachintern wahrgenommene Schwachstellen kompensiert werden, wurden in der internen –  59 –

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Auseinandersetzung um die Identität und Funktion des Faches schon ausgiebig diskutiert. Im Hinblick auf die eigentliche Schwachstelle, die der Epistemologie, hat Stefan Weber (Weber 1996, 1997  : 34ff ) schon vor Jahren eine einleuchtende Analyse geliefert  : Die Ausrichtung der Theoretisierung auf Strukturen und deren (als für die Wissenschaftlichkeit offenbar für notwendig gehaltenen) objektive Definitions- und Analysestrategien, hinter denen der Glaube an die kausale Plausibilität von Technizität, Quantität, Mathematizät und Mechanizität steht, über die man meint Kommunikation objektivieren und normieren zu können. Mathematik, Technik und Mechanik sind allerdings keine Realitäten, sondern Formalsprachen zu Realitäten, Zeichenordnungen, die den Ordnungswillen im Hinblick auf Abläufe, Konstellationen und Merkmale aktualisieren (Technik, Mechanik) bzw. darstellen (Informatik) und kontrollieren (Mathematik). Sie vergegenständlichen zunächst an sich nichtgegenständliche, „ajektive“ (Weber 1995  : 59ff ) Lagen zu technisch (natürlich) logischen Konstellationen, von denen man behauptet, dass sie nur so (als jenseits der individuellen Wahrnehmung schon bestehende Merkmale) zu beobachten wären. Was aber die Kommunikationswissenschaft beobachtet, analysiert und reflektiert, ist nicht (der Gegenstand der) Kommunikation, sondern die gesellschaftlich verteilten, die kulturellen Wissensmodelle von Kommunikation. Was sie, wenn sie es denn so will, vergegenständlichen kann, ist nicht „die Kommunikation“, sondern bestenfalls das Sinn- und Erfahrungswissen, das unter dem Begriff von Kommunikation subsumiert wird. In diesem Sinne ist Kommunikationswissenschaft der ordnende Eingriff und der Versuch der Interpretation (Erklärung, Ordnung und Klassifikation) dazu, wie die Gesellschaft (der Mensch) denkt, welche kulturellen Muster sie bemüht und was sie dabei ein- und ausschließt, wenn sie sich im Spiegel ihrer Kommunikation betrachtet, interpretiert oder kontrolliert. Sie ist nicht die im Gegensatz zur gesellschaftlichen Alltagsbeobachtung bessere oder richtigere Beobachtung (Analyse) von Kommunikation, sondern die Reflexion (Spiegelung) der in die Beobachtung eingemischten kulturellen Modelle und der Hinweis auf darauf folgende mögliche Konsequenzen. Die theoretische Fassung (Konzeptualisierung) von Kommunikation ist methodisch gewissermaßen ein theorientheoretisches Projekt, dessen Arbeit es ist, Alltagstheorien (theoretische Intuition  : wie beobachten, erklären, bewerten wir Kommunikation  ?) über ein explizit theoretisch und rational angelegtes System zu erschließen. Der Begriff der Theorientheorie, der hier verwendet wird, ist nur bedingt verwandt mit dem Konzept der Theorie-Theorie (vgl. van Riel 2008) obwohl das Modell von dort übernommen ist. Die Theorie-Theorie ist eine von insgesamt drei Konzepten (Theorie-Theorie, Simulationstheorie, Rationalitäts–  60 –

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konzept) (vgl. van Riel 2008) aus der Entwicklungspsychologie, die mithilfe dieser Konzepte zu erklären versucht, wie Menschen das Verhalten anderer Menschen verstehen (können). Die Grundannahme ist, dass Menschen im Laufe ihrer frühen Entwicklung durch das Repräsentieren von Erfahrung und das Experimentieren mit Erfahrung Theorien entwickeln, mit denen sie den gemeinten Sinn des Verhaltens anderer Menschen identifizieren. In diesem Sinne kann man die systematisch-analytische Kommunikationswissenschaft als jene theoretisch-methodische Umgebung ausmachen, in der die kognitiven (normativen, empirischen, kritischen, pragmatischen) und emotiven (ästhetischen, ethischen, evaluativen) Einschlüsse von Denkmodellen, mit deren Hilfe das Alltagswissen Kommunikation theoretisch fasst, einer weiteren Reflexion auf nächster Ebene unterzogen werden. Diese Reflexion auf nächster Ebene folgt einer methodisch relativ weit reichend regulierten (im wissenschaftlichen Diskurs ausverhandelten) Standardisierung der theoretischen wie der methodischen Ordnung. Sie soll das Vertrauen begründen, dass methodisch entwickelte Theorien einen größeren Radius der abstrakten Gültigkeit trotz konkreter Variabilität abdecken und dass sie durch logisch verankerte Begründungen eine Versäulung der Denkgebäude erreichen, die der Diversität der Realität standhalten. In diesem Sinne ist Wissenschaft ein diskursiv-kommunikatives System, das (wie Alltagstheorien auch, wenngleich im Kontext metatheoretischer Ordnung) Wirklichkeit konstruiert, das ihre Konstruktionen aber offen legt, was nur geht, wenn und weil sie zur Disposition steht. Theorientheorien stellen aber nicht nur sich selbst, sondern auch die Theorien, die sie theoretisieren, zur Disposition. Sie verstehen sich als Suchmaschinen der Erkenntnis und der Modelle, mit denen Primärerfahrungen repräsentiert werden. Es braucht also eine Methodologie der Theorie, die erst entsteht, wenn mindestens folgende drei Säulen einer theorietheoretischen Architektur sicher gestellt sind (vgl. Strübing 2004  : 18ff )  : –– Codierung  : Erfahrenes, Gedachtes, Vorgestelltes muss in sprachliche Codes gegossen werden, die es möglich machen es mitzuteilen. –– Sampling  : Nicht die akkumulierte Summe von Erfahrungen ergibt ein Abstraktionsmodell, sondern die Wahrnehmung der nächsten mit dem Wissen (Modell) der davor liegenden. Denn das Wissen davor lenkt die Wahrnehmung von Erfahrungen danach. –– Vergleich  : Zwischen Phänomen und Kontext gibt es ein Verhältnis der Unterscheidung auf Basis der Ähnlichkeit. Es handelt sich um einen Unterschied, der nur durch den Vergleich eruiert werden kann. –  61 –

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Das Konzept der „Grounded Theory“ (Glaser/Strauss 1979, 1998) fängt diesen Vorgang der gegenstandsverankerten Beobachtung von Erfahrung begrifflich ein und gibt ihm den Status eines theoretisch legitimierten Paradigmas der qualifizierenden Beobachtung. Es bekennt sich explizit dazu, dass Kultur-, und Sozialwissenschaften ihre Denkmodelle nicht aus heiterem Himmel ziehen, sondern dass sie gar nicht anders können, als sie im methodischen Anschluss an naive (oder naiv versprachlichte) Theorien der Alltagspraxis so zu entwickeln, dass daraus elaborierte Theoriesysteme zur Alltagspraxis der Beobachtung werden – dann aber mit mehr Reichweite und Tiefe. Die auf diese Weise organisierten Theoriesysteme sind im Modell von Beschreibungsmetaphern kodierte Komplexe, die sich einerseits auf Erfahrungen berufen und diese andererseits in Szenarien logisch (ab-)bilden. Im Sinne der Erwartung von Verlässlichkeit, Gültigkeit und Richtigkeit (Zutreffendheit) bilden solche Theoriesysteme nichts anderes ab als den aus deren logisch geordneter Beobachtung zu ziehenden möglichen Sinn, den sie in den bekannten vier Funktionen wiederzugeben suchen  : Erklärung, Ordnung, Klassifikation und Prognose. In Wahrnehmung dieser Funktionen enden (empirisch, analytische) Theorien auf einem Level der methodischen Standardisierung, die nicht nur im Hinblick auf Erkenntnisinteressen, sondern auch auf Erkenntniswege und erkenntnisdefinierte Schlüsse homogene Konstrukte liefern, die so weder faktisch noch logisch bestehen können  : die Öffentlichkeit, der Rezipient, der Prozess, die Medien, die Wirkung etc. Solche Konzepte versäulen begrifflich die hinter den Begriffsmodellen liegenden Ordnungsmuster und suggerieren ihre faktische (daher auch berechenbare) Realität. Dieser Vorgang der Theoretisierung von Erkenntnis gründet aber seinerseits auf der Leistung der Koorientierung von Modellen, die, wenn man sie zueinander verknüpft, einen theoretischen Komplex ergeben, mit dem die Praxis musterhaft geordnet werden kann. Solche Modelle finden sich in den von der systematischen Wissenschaftstheorie (vgl. Seiffert 1971  : 146ff ) gerne vorgeschobenen vier Funktionen von Theorien, durch die sie sich als wissenschaftlich brauchbar erweisen  : –– Erklären  : Das Warum und Wie von Phänomen wird im Wege von Analogien (Assimilationen) erschlossen, –– Ordnen  : Phänomene werden in Referenz zu dem Kontext, in dem sie sich ereignen bzw. erfahren und beobachtet werden, in Merkmalsmodelle der allgemeinen oder spezifisch ausgewiesenen Logik eingebettet, durch die sie auf Plausibilität geprüft werden können, –– Klassifizieren  : Nichts entgeht dem Willen zur Deutung und Wertung, denn –  62 –

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erst in diesem Kontext erhalten Phänomene soziale und soziable Gegenständlichkeit, –– Prognosen  : Die in Ordnungen und Klassifikationen ausgewiesenen Erklärungen ergeben die Möglichkeit Entwicklungen und Zustände in Problembzw. Lösungsszenarien zu beschreiben. Es mag aufschlussreich sein, darüber nachzudenken, mit welchen Modellen und Denkoperationen solche bzw. diese vier Funktionen begründet werden. Schließlich ist mit freiem Auge erkennbar, dass systemisch oder gar vielleicht systematisch organisierten Theorien ein Grad an Vertrauen entgegengebracht wird, den intuitive Theorien nicht genießen. Da aber beide Theorie-Ebenen ja nicht anders entstehen als durch kommunikative Konstruktion, muss der Unterschied der Wertung durch den Modus der Kommunikation begründet sein. Hinter den vier Funktionen lassen sich folgende vier Modelle operativer Kommunikation ausmachen  : Assimilationsmodelle erklären, was Kommunikation (aus)macht  : Wiederkehrende Merkmale der Beobachtung sowie deren innere Bezüglichkeit, Strukturalität und Funktionalität werden in Musterbegriffen metaphorisiert und durch Analogien mit schon verstandenen und geklärten Erfahrungswerten verähnlicht  : der Prozess, die Verbindung, die Verständigung, die Übertragung, der Fluss, der Pfad etc. Assimilationsmodelle arbeiten demnach mit Analogien oder Analogieschlüssen, durch die entweder Interpretationsmuster oder Strukturoder Funktionsmerkmale von einem zum nächsten Event verähnlicht werden. So werden zum Beispiel alle Konstellationen als Kommunikation betrachtet, bei denen erkennbar ist, dass (mindestens zwei) Menschen in ein Austauschverfahren eingebunden sind, in dessen Rahmen sie Einsichten, Ansichten, Deutungen und Unterscheidungen so koordinieren, dass Koorientierungen möglich werden. Mit diesem Grundmuster kann man alle Konstellationen und Events als Kommunikation betrachten, die sich so und so ähnlich darstellen. Mit diesem Grundmuster ist man aber auch gebunden und blendet damit aus, dass auch das als Kommunikation gewertet werden könnte, was nicht so offensichtlich nach diesem Muster abläuft. Ein Gedanke, auf den man stößt, weil die Wahrnehmung der Umwelt oder der Situation einen darauf bringt, könnte ebenso als Akt der Kommunikation betrachtet werden, auch wenn die Referenz, der Ausgangspunkt und/oder der Zielpunkt der gedanklichen Tat nicht eruierbar sind. Das für die Konstruktion von Theorien offenbar notwendige Verfahren der Assimilation birgt in sich, dass Theorien nicht Abbilder von Realitäten sind oder sein können, – und daher gar nichts mit richtig –  63 –

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oder falsch tun haben – sondern (bestenfalls) Spiegelbilder der Konstruktion, mit der (neue) Beobachtungszusammenhänge an Unterscheidungsmodellen gemessen (assimiliert) und so erklärt (man beobachte die meteorologische Metapher!) werden sollen, wie sie anderes schon klar gemacht (plausibilisiert) haben. Ordnungsmodelle rationalisieren so assimilierte Momente der Beobachtung in zwei unterscheidbaren Richtungen  : Analytische Ordnungsmodelle konstruieren logische Konstellationen, hermeneutische Ordnungsmodelle konstruieren Optionen des Verstehens auf der Basis methodisch objektivierter Interpretation. Analytische Ordnungen orientieren sich an Relationen, Reihen und Hierarchien und konstruieren so Muster der strukturellen Plausibilität. Aus diesem Grunde halten sie sich so streng wie möglich an formale Logiken, vor allem an die des Ausschlusses von Widerspruch  : Ein Strukturmerkmal kann nicht zugleich ein anderes sein oder bedeuten. Hermeneutische Ordnungen sind im Vergleich zu den aspektiven analytischen Ordnungen perspektivischer, sie orientieren sich an kulturellen Umgebungen des Gegenstandes, den sie betrachten/beobachten. Sie sind angewiesen auf die Umgebungen des Gegenstandes, denn erst aus diesen lässt sich ein Gegenstand (verstehend und unterscheidend) ausmachen. Sie sind daher chaos-freundlicher und werden durch Widersprüche (der Deutung) nicht desavouiert, sondern möglicherweise sogar eher bereichert. Es ist klar, dass verstehende Ordnungsmodelle, weil sie Folgen von Deutungen modellieren, in sich den Faktor der Variabilität von Beobachtung und Deutung einschließen, während analytische Ordnungsmodelle objektive Bedeutungen suchen, solche, die mit dem Objekt selbst, egal in welcher Umgebung es aufgegriffen wird, als eindeutig koordiniert vermutet werden. Wie überall sonst schaffen Strukturen auch hier Übersicht, indem sie Komplexitätsabstriche machen. Strukturen entstehen aufgrund der an Merkmalen (und deren Häufung oder Auffälligkeit) orientierten Beobachtung, allerdings auf Kosten differenzierender Optionen, wobei vor allem die analytische Beobachtung Grundmodelle einbringt (einmischt), die im Blick auf die assimilierten (analogisierten) Beobachtungsbeispiele (Gegenstände) „bewiesen“ werden (sollen). Der erste und eigentliche Ordnungsrahmen wird durch Kommunikation geschaffen. Im Sinne der Idee von Michel Foucault, dass Diskurse soziale Ordnungen nicht nur abbilden, sondern auch generieren, kann man schließen, dass wissenschaftliches Wissen, weil kommunikativ konstruiert, nicht nur den Gegenstand darstellt, sondern auch soziale Konstellationen konstruiert, die ihrerseits –  64 –

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den Gegenstand mitbewerten. Unterscheidet man Kommunikation von Sprache und bedenkt man, dass Sprache ein Ordnungsschema ist, in dem Kommunikation sozial und kulturell eingefangen wird, dann muss man Sprache als ein zweites, der Kommunikation übergeordnetes Ordnungsmuster der Schematisierung, also der (zu-)ordnenden Beobachtung von Erfahrung verstehen. Sprachen sind Systeme, sie de-subjektivieren, weil sie Subjektives soziabel machen und sie folgen der bzw. verfolgen die Logik der Technik (Standardisierung, Schematisierung, Funktionalisierung, Wiederholbarkeit). Bedenkt man nun, dass Wissenschaft in der Regel nicht nur als Kommunikation (face to face) und nicht nur als offene Sprache, sondern als verschriftlichte Sprache darzustellen ist, dann muss man neben bzw. nach der gedanklichen Schematisierung, die die Sprache verlangt, mit einer weiteren Schematisierung rechnen, die der Entbindung der Kommunikation von Zeitgleichheit und Raumgrenze geschuldet ist. Im Hinblick auf die analytischen Ordnungsmodelle ist allerdings anzumerken, dass sie von einer Qualität der Essentialität ausgehen, die so nicht unbedingt gegeben ist. Die konstruktivistische Auslegung von Beobachtung geht, anders als die essentialistische, davon aus, dass sich die Beobachtung nicht nach den Gegenständen richtet, sondern dass die Gegenstände durch die Grundmodelle (Paradigmata) der Beobachtung gerichtet werden. Solche Grundmodelle beinhalten bereits hypothetische Ordnungen und sie bedienen sich in der Regel logisch geschlossener Argumentationsketten (z. B. Mengenverhältnisse, technische Kausalität, Größenvergleich) und nützen dafür Formensprachen, die dies auch garantieren, so z. B. Mathematik als logische Sprache für Wenn-Dann-Relationen, Ursache-Wirkungs-Modelle, Anfangund-Folgen-Reihen, oder Relationen von Mehrheit und Minderheit. Klassifikationsmodelle ermöglichen es Kommunikationen zu werten und im Hinblick auf Struktur-, Funktions- oder Qualitätskriterien zu typologisieren  : Die eingemischten Unterscheidungsgrößen stellen kulturelle Konstruktionen dar, mit denen implizite Wertungen standardisiert werden. So erklärt sich, wie man Massenkommunikation von interpersoneller Kommunikation, Journalismus oder Werbung von Public Relations oder Information von Unterhaltung unterscheidet. Die Fehlerfalle der Klassifikationsmodelle ist, dass sie im Gebrauch von Konstrukten zu Objekten mutieren, denen eine von der Beobachtung unabhängige Realgültigkeit unterstellt wird, die dann durch wissenschaftliche Diskursordnungen und Kompetenzgrenzziehungen für weitere Theorieentwicklungen auf Dauer affirmiert werden. Hier macht sich eine organisatorische Logik bemerkbar, die so den pragmatischen Theorien in die Hände spielt. Am –  65 –

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Ende ist die in die Beobachtung eingemischte Perspektive der Unterscheidung das Objekt der Bestimmung. So erklärt sich, wie Journalismus-Theorie, Werbetheorie, PR-Theorie oder Wirkungstheorie, Nachrichtentheorie, Medientheorie etc., die ja zunächst nur Beobachtungszusammenhänge darstellen, zu Territorien des Realen vergegenständlicht werden. Faktorenmodelle ermöglichen Aussagen (Prognosen) darüber, welche Konstellationen von Faktoren (Bedingungen, Voraussetzungen und Begleiterscheinungen) unter der Annahme von Kausalbeziehungen zwischen verschiedenen konstanten bzw. variablen Merkmalen zu welchen Folgen, Wirkungen oder Ergebnissen führen, welche Problemlagen aus welchen Konstellationen erwartbar oder sogar prognostizierbar wären und welche Entwicklungen daraus abzuleiten wären  : Insbesondere dieses Modell, hier verstanden als methodische Größe in der Konstruktion von Theorien, durch die Beobachtungszusammenhänge erklärt, geordnet und klassifiziert werden, hat eine hohe Affinität zu empirisch-analytischen Theorien. Denn diese sind ja Abstraktionen jener Konstellationen, durch die bestimmte Effekte und Ergebnisse eben nicht nur erklärt, sondern auch im Umkehrverfahren vorausgesagt werden sollen. Empirisch-analytische Theorien arbeiten in der Logik formaler Sprachen (Mathematik, Technik, Mechanik) und aus der Annahme der Eigengesetzlichkeit der beobachteten Phänomene mit Modellen einer Kausalität, die sich selbst nicht in Frage stellt. Im Vergleich zu Modellen in technischer Umgebung sind Modelle in hermeneutischer Umgebung viel offener, daher vieldeutiger und eben deshalb weniger geeignet für Wahrscheinlichkeitsprognosen, auf die man aber in einer organisierten und auf Organisation ausgerichteten Welt angewiesen ist. Soweit man Kommunikation als Tool dieser gesellschaftlichen Organisation betrachtet, soweit wird man sich von Theorien im (sozial-)technischen Paradigma besser (sicherer) bedient wissen. Dass allerdings Kommunikation nur von einem Kommunikationsmodell aus der Theorie hinreichend interpretiert werden kann, hängt schon damit zusammen, dass es zur Erklärung von Kommunikation kein anderes Protokoll gibt als eben das der Kommunikation. Wenn es Referenzmodelle der Kommunikation gibt, unter Bezug auf diese man Kommunikation gewissermaßen (dann doch) „von außen“ beschreiben kann, dann sind dies die Modellkonstrukte von Kultur und Gesellschaft. Sie sind die Beobachtungsorte der Kommunikation, wie Kommunikation der Beobachtungsort von Kultur und Gesellschaft ist. Dennoch braucht es für in diesem Sinne offenen theoretischen Konzepte Bezugspunkte der Unterscheidung. Diese liegen allerdings nicht im Objekt der Betrachtung, sondern in der Betrachtung(slogik) des Objekts. Es –  66 –

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(kontextuelle Theorien)

 

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Theorienkomplexität und Komplexität der Beobachtung

gilt einen an der Methode verankerten Vertrauensmechanismus zu definieren, der es möglich macht, Interpretation von Spekulation und Befund von Erfindung zu unterscheiden. Das verlangt eine sprach-, diskurs- und wissenschaftstheoretische Abklärung, die sich irgendwo zwischen Apels Diskursethik (1988), Poppers Objektivitätsbegriffs (1996, vgl. auch Meidl 2009  : 121ff ) und Feyerabends Anything-goes-Postulat (1976) wird positionieren müssen. Diese Debatte kann auch hier nur im weiteren Verlauf mitgedacht werden, ohne dass sie explizit aufgegriffen oder analysiert wird. Festgelegt werden kann jedoch, dass Kommunikation, wie schon gesagt  : –– durch Objekttheorien nicht nur nicht hinreichend erklärt, sondern anthropologisch entstellt wird, –– durch Modelltheorien wohl erklärt, aber stark trivialisiert wird, –– durch Universaltheorien, die die Strukturzusammenhänge aus der Interpretation der Kulturzusammenhänge (Kontexte) beschreibt, in ein offenes theoretisches, hermeneutisches Umfeld gestellt wird, das sich selbstreflexiv und metatheoretisch legitimiert. Erst in einer so universal-kulturell und kontextuell konzipierten Wissenschaft von Kommunikation, die zwischen Technik, Ästhetik und Ethik eine Klammer schafft, ist sicherzustellen, dass sie nicht ausblendet oder sonst irgendwie sonderstellt, was die kommunikative Praxis aus tausend und einem Grunde umgeht  : die ethische und sozial-kulturelle Umständlichkeit von Kommuni–  67 –

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kation. Aber eben dort beginnt ja erst die (zumindest moralische) Energie und Kompetenz von Kommunikation  : dort, wo es umständlich ist oder wird, weil der Partner einen emotional, kognitiv oder motivational provoziert und mehr einfordert als man ohne Umstände zu geben bereit wäre. Bis zu diesem Punkt bleibt Kommunikation extrinsische Routine, die unterschiedlich elaboriert werden kann. Ab diesem Punkt wird sie zur intrinsischen Kunst, die ein Täuschungsmanöver auch als solches entlarven würde. Um eben auch und gerade diese (moralische) Dimension von Kommunikation und deren Hintergehbarkeit als ein theoretisches Faktum aufzumachen und sie nicht als ein Aperçu der Theorie zu betrachten – angewendet auf eine Welt, von der wir wissen, dass sie nicht nur technisch überleben möchte, sondern moralisch überleben muss –, braucht es ein komplexeres Theoriegebäude als ein nur an einer Dimension (Technologie/Technik) festgemachtes. Der höhere Grad der Komplexität einer kulturintegrativen Theorie entspricht nicht nur der Komplexität der Realität, auf die sie sich bezieht, sondern auch deren Applikation. Solche Theorien sind nicht leicht anzuwenden, sie entziehen sich dem logischen Zwang. Das wiederum stellt den Wert der Kommunikabilität, Diskursivität und Verhandelbarkeit der Wissenschaft wieder in den Vordergrund. Es ist klar, dass man auf dieser Ebene der Betrachtung nur mit Modellen (Ferré 1972  : 65ff ) arbeiten kann, aber es macht einen Unterschied, ob man von Modellen der Kommunikation oder von solchen für Kommunikation spricht. Modelle der Kommunikation sind Abziehbilder von Abstraktionen zur gesellschaftlichen Praxis. Modelle für Kommunikation sind Abschriften von Beobachtungen und der in diese eingemischten Fragen und Interpretationen von Sinn, die ebenfalls wieder nur über Kommunikationsvorgänge zugänglich sind. In der Regel geht man Kommunikation handlungstheoretisch an (Habermas 1973), was voraussetzt, dass man sie als jenen sozialen Zusammenhang versteht, in dem und durch den Menschen den mit Handlungen verbundenen Sinn mehr oder minder bewusst ihrer Umwelt vermitteln wollen (Luhmann 1974). Es ist die Vorstellung der Handlung als der eigentlich Kommunikation schaffende Faktor, der nicht nur bedingt, dass man das Geschehen der Kommunikation an ihren Effekten und Wirkungen zu messen sucht, sondern auch, dass man eine Umsetzungsposition benennen muss, das Medium (die Medien), dessen Sinn dann auch nur erfasst werden kann über die Frage nach seiner Funktionalität und Effektivität. Diese Vorstellung ist so plausibel, weil sie zunächst nichts anderes tut, als den Verlauf der alltäglichen Praxis abzubilden, was nichts anderes aussagt, als dass die konventionalisierte Praxis die Theorie bestätigt. Aber ist das eine der möglichen Komplexität der Kommunikation –  68 –

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gerecht werdende Theorie, wenn man diese Vorstellung, abgeschaut am praktischen Modell und nachgebildet als eine auf den praktischen Erfolg ausgerichtete Handlungsfolge, ausdifferenziert und systematisiert, ohne sie auf mögliche Gegenmodelle für ein Kommunikationsverständnis einzurichten  ? Um eine Theorie von Kommunikation zu fassen, die auch wirklich als Partitur der Vielstimmigkeit des möglichen und denkbaren Programms der sozialen und gesellschaftlichen Praxis angenommen und durchgespielt werden kann, reicht es nicht, nur die Praxis nachzuschreiben oder nachzustellen.. Eine theoretische Konzeption von Kommunikation kann nicht einfach ein abstrakter Nachbau von einem als Kommunikation vergegenständlichten Zusammenhang sein, nicht einfach eine abstrahierende Plastik von einem Vorgang oder einem Prozess, von dem man annimmt, dass er zwischen Menschen mehr oder minder vermittelt durch organisierte Strukturen (Medien) abläuft. Was da abläuft, ist Gegenstand der Annahme, die ihrerseits nur in Strukturen kultureller Muster kommuniziert werden kann. Weil es sich um Annahmen bzw. um interpretative Bilder handelt, die sprachlich an Metaphern gebunden werden, sind es eben die Annahmen, die zum Gegenstand der Theoretisierung werden, wenn der Gegenstand der Annahmen theoretisiert (erklärt, geordnet, klassifiziert, problematisiert) werden soll. Es geht darum verständlich zu machen, wie man (wir) Kommunikation versteht (verstehen), also zu erklären, zu ordnen und zu klassifizieren, wie man in alltäglichen Interaktionszusammenhängen Kommunikation problematisiert. Da mischt sich Kultur ein. Das ist allemal eine methodische Kontextualisierung von Kulturen und von Kommunikation, insofern man eine verlässliche (Wissen schaffende) Deutung, die ja nur über Kommunikation so verifiziert werden kann, zu alltäglich gebrauchten Bedeutungen sucht, die ebenfalls nur als Kommunikation verifiziert werden kann. Eben diese methodologisch so erfasste Bedingung der Möglichkeit der Theoretisierung von Kommunikation ist es, welche die Wissenschaft von Kommunikation zwingt, sich methodologisch als hermeneutische Wissenschaft zu verstehen. In diesem Sinne erklärt sich Kommunikation nicht von selbst. Sie braucht die Erklärung, warum sie erklärt wird, wie sie erklärt wird. Das funktionale Selbstverständnis der Kommunikationswissenschaft wird es sein müssen, als verlässliche Agentur von Interdisziplinarität und Kontextualität zur Verfügung zu stehen, um so allen relevanten Bezugstexten und Handlungskontexten der Kommunikation aus Theorie und Praxis einen Raum wechselseitiger Bezugnahme zu geben. Allenthalben wir die Kontextualität der Systeme, der Bereiche und Areale deutlich. Es gibt so gut wie kein gesellschaftlich relevantes Phänomen, das nicht mit der Frage der Kommunikation –  69 –

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zu problematisieren oder zu lösen wäre. Bestand und Entwicklung, Zustand und Zukunft gesellschaftlicher Institute und Institutionen erklären sich aus deren kommunikativem Potenzial. Daher setzt und baut man auch – vor allem, wenn es um die Nachhaltigkeit von Institutionen und um die Zukunft der Gesellschaft geht – auf Kommunikation. Sie gilt als die den Kern gesellschaftlicher Vorgänge erschließende Perspektive. Schlüsselperspektiven aber werden oft funktionalisiert  : Wenn es Probleme gibt, dann sind es Probleme der Kommunikation. Wenn etwas zu lösen ist, dann ist es lösbar durch Kommunikation. So plausibel diese Rechnung ist, so trivial ist sie auch. Sie arbeitet mit einer funktional-kausalen und in gewisser Weise maschinellen Konzeption von Kommunikation, so als wäre sie ein immer und überall gleiches Instrument, das man da wie dort gebraucht, um die jeweils gewünschten Effekte zu erzielen. Einer solchen Verkürzung und Trivialisierung muss die künftige Kommunikationswissenschaft deutlich entgegenarbeiten und dabei auch ihre eigene Theorie- und Gebrauchsgeschichte aufarbeiten, die auf weite Strecken nichts anderes war als eine analytisch begründete Affirmation der theoretischen Reduktion des kommunikativen Komplexes auf Leistungs- und Erfolgsfunktionalität. Eine solche Perspektive favorisiert fast zwangsläufig ein pragmatisches Erkenntnisinteresse, das seinerseits wieder die üblichen sozial-kulturellen Umständlichkeiten der praktischen Kommunikation als Störmomente und Erfolgskiller ausblendet. Die bezeichnenderweise so genannte Kommunikatorforschung hat sich zu einem guten Teil mit diesem Ansatz Resonanz in der Medienbranche verschafft. Sie hat aber die Medienwissenschaft nicht als Kommunikationswissenschaft etablieren können. Kommunikation bewusst in Wissen zu fassen, ist eine intellektuelle Anstrengung in eine andere, nämlich dialektisch aufgeladene Richtung  : Wenn schon Erfolg ein Kriterium ist, dann ist kommunikativer Erfolg nie der des einen gegen einen anderen oder gegen ein anderes, sondern der des Gewinns eines dritten Moments aus der Positivdifferenz (in bewusstem Unterschied zur Minusdifferenz) des einen zum anderen, die nur erschlossen werden kann durch wechselseitig vereinbarte Gleichstellung der Gegenüberstellung. Das bringt die Faktoren Kultur und Sozietät/Soziabilität in das Spiel der Gedanken und relativiert den Faktor Technik/Technizität. So kann bzw. muss der Erfolg von Kommunikation, wo er denn wirklich interessiert, auf der Ebene der Konstruktion von Sinn gesucht werden, was die Kommunikationswissenschaft um vieles komplexer macht bzw. von ihr mehr theoretische und methodologische Komplexität verlangt als es eine in Kausalrechnungen und NutzenKostenvergleichen ausgelegte Analyse leisten kann. –  70 –

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Die Zukunftsperspektive der Kommunikationswissenschaft wirft viele Themen auf  : Selbstverständnis und Identität des Faches, Entwicklung als Disziplin, Ausrichtung der Forschung, Leistungsfähigkeit unter den Bedingungen wachsender Komplexität, der komplexen Transformation der Mediensysteme, der Konvergenz der Strukturen, der zunehmenden Transversalität der Medienberufe, der neuen, zugleich offenen Berufsbilder, gar nicht zu reden von den laufend sich ändernden Forderungen des Marktes. Im Augenblick scheint es so zu sein, dass an allen Ecken und Enden des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebens sich die Hoffnungen auf die generative, die klärende, heilende und lösende Kraft der Kommunikation bzw. des Wissens von Kommunikation richteten. Das schon überstrapazierte Diktum, dass Medienkompetenz (auch Media Literacy  ; vgl. Kirsch 1999  : 532) und kommunikative Kompetenz die entscheidenden Schlüsselkompetenzen dieser im Umbruch befindlichen Gesellschaft seien, macht die Hoffnung auf theoretisch noch unverfügte Potenziale deutlich. Von ihnen erwartet man im Hinblick auf die persönliche Qualifikation, wie auch im Hinblick auf die Qualität von Arbeitsvorgängen und Arbeitsergebnissen, dass Menschen, Organisationen oder Unternehmungen über den technischen Erfolg hinaus mehr und eben anderes erreichen als nur fachlich eingeschulte Personen in der Lage sind, technisierte, organisierte, standardisierte und formalisierte Systeme zu erbringen. Diese Unterstellung des qualifizierten Unterschieds durch (persönliche) kommunikative Kompetenz macht ja deutlich, dass man neben den Ressourcen der Organisation und der Technik auch noch mit einer anderen Ressource zu rechnen gelernt hat, einer, die noch nicht ausgeschöpft, noch nicht programmiert, noch nicht vorberechnet ist. Diese Ressource ist per se relativ chaotisch und produziert zunächst vor aller gesellschaftlichen (Ver-)Ordnung auch chaotische Energie, sie heißt  : Kommunikation. Kommunikation ist die einzige Ressource für Überraschungen in einer sonst durchstrukturierten und durch Berechnungen geordneten Welt. Neue Standards der Kommunikationswissenschaft Die Zukunft der Kommunikationswissenschaft wird einerseits bestimmt sein von den Entwicklungen und Veränderungen in Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft, Technologie etc., andererseits von geänderten und aus dem zunehmend interdependenten Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft generierten Standards wissenschaftlichen Denkens und Wissen schaffender Kommunikation. Die Kommunikationswissenschaft der Zukunft wird sich auf einen offenen und selbstreflexiven Kommunikationsbegriff einlassen müssen. –  71 –

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In sich (wenn auch logisch) geschlossene Definitionen von Kommunikation sind (nicht mehr) in der Lage, das konstruktive Modell von Zeit, Gesellschaft, Diskursen und Geschichte methodisch aufzunehmen oder theoretisch wiederzugeben. Die Standards der Kommunikationswissenschaft (also jene von Wissenschaft und von Wissen zu Kommunikation) werden sich ändern, sie werden sich nicht mehr damit begnügen Strukturen zu referieren (und so zu affirmieren), sondern sie werden sich auf Kulturen beziehen und selbst ein Kulturmoment darstellen, also Deutungsmuster von (gesellschaftlich akkreditierten) Bedeutungen. Sie sind offene Interpretamente eines in sich offenen Begriffs von Kommunikation. Solche Standards sind nicht zufällig, sondern entstehen aus dem normativen Diskurs der Wissenschaft und bekommen (nur) dann eine für die Entwicklung der Wissenschaft verbindliche Position, wenn sie – wie Leitbilder – inhaltlich für alle Betroffenen und Beteiligten zugänglich sind, wenn sie den allgemeinen Willensbildungsprozess einer Wissenschaft auszudrücken in der Lage sind und wenn sie für den Willensbildungsprozess der Praxis von Bedeutung sind. Sie geben Entscheidungsrichtungen vor und setzen auch Entscheidungen frei. Um solche Bausteine eines Leitbildes für die Kommunikationswissenschaft zu formulieren, muss man bisweilen verallgemeinern, was in Wahrheit oft sehr differenziert anzugehen wäre. So ist natürlich von Anfang an daran zu denken, dass sich der gesamte kommunikationswissenschaftliche Diskurs quer über und durch unterschiedliche nationale, institutionelle und organisatorische Komplexe der Wissenschaft erstreckt. So kann man nur begrenzt, aber doch z. B. von einer „deutschen“ oder einer „französischen“ oder einer „akademischen“ Kommunikationswissenschaft sprechen. Trotzdem kann man annehmen, dass aus ausreichender Distanz so etwas wie ein gemeinsamer, Standards setzender Horizont der möglichen Verallgemeinerung des unter spezifischen Bedingungen generierten Kommunikationswissens erkennbar ist, innerhalb dessen man ein Ganzes der Kommunikationswissenschaft zu sehen bekommt. Die Kritik an den Theorieschwächen, an der inneren Inkonsistenz und an der Kleinteilung der (deutschsprachigen) Kommunikationswissenschaft wurde da und dort schon laut (vgl. Wersig 1997), müsste aber noch viel provokanter vorgebracht und argumentiert werden, um die Not der Wende sichtbarer zu machen. Vor allem mangelt es an einer solchen, zuvor schon angesprochenen, integrierten Perspektive des mit Medien und Kommunikation befassten Wissenschaftskomplexes. Eine solche integrierte Perspektive kann im Grunde nur über den Weg des intensiven Nachdenkens darüber deutlich –  72 –

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werden, wie man wissenschaftlich über Kommunikation redet und reden kann (vgl. dazu Görke/Kohring 1997). Denkt man drüber nach, dann wird man – gestützt durch epistemologische Offenheit, durch die Konstruktivismusperspektive und (nicht zuletzt auch) durch die Erinnerung an die kontextuelle Qualität von Kommunikation als einer sozialen Ressource zwischen Kultur und Technik und gedrängt von der akzelerierten Transformation des Medien- und Gesellschaftssystems (vgl. Hoffmann-Riem 2002) – gar nicht anders können, als jene Postulate (Standards, Leitbilder) namhaft zu machen, durch welche die Ausrichtung des Denkens die kommunikationswissenschaftliche Analyse der Gesellschaft legitimiert wird. Neue Standards der Kommunikationswissenschaft können also nicht einfach entlang gesellschaftlich verallgemeinerter Ideologien oder sich abzeichnender Trends formuliert werden, sondern müssen, um akzeptiert zu werden, mindesten zwei normative Kriterien erfüllen  : das epistemologische Gerüst und die Intention der Spiegelung der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Standards der Zukunft müssen als Instanzen (als zweite oder jeweils nächstfolgende Ordnung) des erkenntnistheoretischen Bemühens erkennbar sein und sich als Wissen zu Wissen, als Beobachtung von Beobachtung, als Diskurs zu Diskursen verstehen. Ein bloß intellektuell argumentiertes und sprachlich aufgemotztes Alltagswissen („Jeder weiß, was Kommunikation ist, weil jeder mit ihr zu tun hat“) kann wissenschaftlich nicht hinreichend sein, weil es eben auch nicht substantielles Wissen schafft (kreiert, generiert), sondern lediglich Wissen rhetorisch simuliert. Das zweite Kriterium verlangt nach der bewussten Ausrichtung auf die Vorstellungen von Gesellschaft und ihrer Entwicklung. Wissen ist in einem erkenntnistheoretischen Sinne nicht nur Wissen wovon, sondern immer auch Wissen wofür. Die Wovon-Kategorie reicht möglicherweise für die Bestimmung von Information, aber nicht für die von Wissen, weil Wissen (in nächster Stufe) eine Auswertung (Reflexion) von Information ist, durch die in sich ungebundene Phänomene der Lebensumwelt durch Wahrnehmung in eine zusammenhängende – und so sich erklärende und mitteilungsfähige – Formation gebracht werden. Informationen verdichten sich und überleben soziale Konstellationen in Zeichenstrukturen, in Bezug auf die Menschen, die im Rahmen bestimmter sozialer Settings Deutungen austauschen und so Wissen generieren. Wissen ist eine Größe der Kommunikation (Generierung von Bedeutung) wie Kommunikation ein Faktor von Wissen ist (generalisierte Argumentation von Information und gesellschaftlich verteilte Bedeutung für den individuellen bzw. kollektiven Lebensvollzug). –  73 –

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Die Wofür-Kategorie rekurriert auf das anthropologisch unverzichtbare und nicht hintergehbare Desiderat von Sinn (Luhmann 1974  : 31ff ). Wenn und weil Wissen im Modus der Kommunikation entsteht, ist es, das Wissen, ein Modus der Konstruktion von Sinn. Wenn und weil Kommunikation, insbesondere dort wo sie Verlässlichkeit, Sicherheit und Kontrolle sucht, auf Wissen baut, ist es das Wissen, das den Sinn der Konstruktion stützt. Wenn also Kommunikationswissenschaft jene Wissenschaft sein will, die das kommunikative Handeln in all seinen kulturellen und strukturellen Ausprägungen kommunikativ gültig erklären, analysieren und interpretieren will, dann ist sie nur glaubwürdig, wenn sie mindestens so chaoswillig wie ordnungswillig, mindestens so häresiewillig wie dogmenwillig und ebenso sinnwillig wie regelwillig ist. In diesem Kräftefeld der Intentionen outet sich die Kommunikationswissenschaft der Zukunft als strukturell unfertig, als Annäherung auf halbem Wege, notwendig zufällig, bewusst selektiv, absichtlich in der Beobachtung, nicht unbedingt wählerisch in der Methode, emanzipatorisch im Umgang mit (ewiger) Wahrheit, exemplarisch in der Interpretation von Wahrnehmung, dogmatisch im Umgang mit Häresien, häretisch im Gebrauch von Dogmen und so immer schlüssig durch die Dialektik der Kommunikation. Kommunikationswissenschaft zwischen Sinn und Erfahrung Solche neuen Standards der Kommunikationswissenschaft lassen sich in diesem Feld durchaus orten und identifizieren, wenn man sich das Kräftefeld durch zwei sich ergänzende, weil verschieden ausgerichtete Dimensionen vorstellt  : eine vertikale Dimension, die sich auf einem Kontinuum zwischen Sinn (Urbild, Vorstellung, Idee) und Realität erstreckt und das Universum von Kommunikation auszumessen versucht, und eine horizontale Dimension, die sich auf einem Kontinuum, das die Wissenschaft zwischen Theorie und Praxis ausmacht, erstreckt. Es gibt im wissenschaftlichen Diskurs über Kommunikation eine vertikale Denklinie, welche die beiden Pole einer kulturprogrammatisch entwickelten „Idee“ von Kommunikation und einer sozialpraktisch etablierten „Realität“ von Kommunikation in ein Spannungsverhältnis zueinander bringt. Ob und wie mögliche Ideen von Kommunikation sich in der gesellschaftlichen Realität widerspiegeln oder ob und wie die realen Verhältnisse gesellschaftlicher Kommunikation die Qualität von Ideen aufnehmen – und in welchem Thematisierungshorizont man diese Interrelation von Idee und Realität problematisieren kann –, entscheidet eine horizontale Betrachtungslinie, in der das Verhältnis von Theorie und Praxis bestimmt wird. –  74 –

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Abbildung 2: Wissen schaffen zwischen Sinn und Erfahrung

Die vertikale Achse spiegelt die Vorstellung wider, dass Ideale immer oben und in hoch liegenden Horizonten zu finden sind, während einen die Realität an den Boden, also nach unten bindet. Die horizontale Achse folgt der Vorstellung, dass die beobachtende Wahrnehmung zwischen Theorie und Praxis ein Vorgang der wechselseitigen Vermittlung auf gleicher (eben horizontaler) Ebene ist, der allerdings auf der vertikalen Achse weiter nach oben (ideennäher) oder weiter nach unten (realitätsnäher) angesetzt werden kann. Auch muss man sich die horizontale Dimension nicht unbedingt waagrecht vorstellen, sie kann auch einer schiefen Ebene gleichkommen, je nach unterschiedlicher Gewichtung und Wertung von Theorie oder von Praxis als die beiden wegen ihres Unterschieds zueinander gebundenen Faktoren von Wissenschaft. Die Theorie als das Vernunftkonzept von Praxis entsteht aus der abstrahierenden und auf (mögliche ideenrelevante und realitätsrelevante) Merkmale sich konzentrierende Beobachtung, die mit diesem Mittel die Praxis zu erklären, zu ordnen und zu klassifizieren versucht, um daraus Prognosen, Problementwicklungen oder Problemlösungen abzuleiten (vgl. Seiffert 1971  : 146). Bei aller praktischen Unnützlichkeit aber kann man von Theorien erwarten, dass sie theoretisch nützlich sind. Die Praxis als das jeweils unterschiedlich ausfallende Organisationsmodell kommunikativer Rationalität ist deshalb ein wissensrelevanter Faktor, weil sie im Grunde die regelbildende Beobachtung (erster Ordnung) darstellt, die mit ihren Postulaten der Plausibilität die Nütz–  75 –

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lichkeit des praktischen Handelns begründet. Bei aller möglichen theoretischen Widersinnigkeit aber erwartet man von der Praxis (als intuitive Beobachtung), dass sie die Nützlichkeit von Regeln (z. B. durch Erfolg) beweist. In diesem Verhältnis ist die Kommunikationswissen schaffende Theorie die (methodische) Praxis der Beobachtung von meist unmethodisch entwickelten Alltagstheorien (bestenfalls plausibilisierende Erklärungen) von Kommunikation. Eine solche Beobachtung zweiter Ordnung kann nur eine absichtsvolle sein und – weil es sich im Fall von Kommunikation um Optionen gesellschaftlicher Selbstentwürfe handelt – eine, die bewusst und begründet interveniert. Auf der vertikalen Achse sind Idee und Realität, auf der horizontalen Theorie und Praxis zueinander in einem dialektischen Verhältnis zu verstehen. Idee und Realität, Theorie und Praxis widersprechen einander in dem Maße als sie zueinander wechselseitig verwiesen sind. In dem Maße, in welchem Idee und Realität bzw. Theorie und Praxis einander widersprechen, in dem Maße brauchen sie einander zur Bestimmung ihrer Qualität. Ideen machen Sinn, wenn deren (theoretische oder praktische) Gestaltung auf die Gestalt von Realität Einfluss nimmt und wenn sie Realität im Sinn haben. Ideen sind immer im Widerspruch zur Realität, obwohl die Idee nur Sinn macht, wenn und weil sie in der Realität eine Rolle spielt  ; und die Realität kann dann als vernünftig eingeschätzt werden, wenn sie sich an Ideen orientiert. Wenn die Idee der Realität gleich wäre, wäre sie zu fürchten, wo immer  : in Religion, Kommunikation, Demokratie, Gesellschaft, Wirtschaft. Wenn die Realität der Idee gleich wäre, hätten wir himmlische Verhältnisse, die teuflischer nicht sein könnten. Theorien sind die Vernunft der Praxis und deshalb notwendigerweise zu ihr in der Position des widersprüchlichen Unterschieds. Wo die („beste“) Praxis der Theorie gleichgesetzt wird, herrscht das Diktat des Pragmatismus, wo die („beste“) Theorie mit der Praxis assimiliert wird, macht sich schnell der „gesunde“ Hausverstand zum Maß aller Dinge, was bewirkt, dass man im Kreis rennt. Theorien sind hochkompetent, wenn sie die Praxis im Sinn haben, wie die Praxis an Kompetenz gewinnt, je mehr sie die reflexive Umsetzung von Theorien im Sinn hat. In diesem Sinne ist, wie man ja leider schon viel zu oft vereinfachend sagt, nichts praktischer als eine gute Theorie (Lewin/Cartwright 1951). Denn der Wert der Theorie (als Beobachtung von Beobachtung und als Reflexion der eigenen Beobachtungslogik) ist, dass sie ein denkmethodisches Setting entwickelt, das die Routinen des Hausverstandes durchbricht (Schmidt 2003  : 94) und so die Plausibilitätsfalle umgeht. Erst in einem solcher Art epistemologisch fundierten Theoriemuster ist es möglich, gängige und bislang im Gebrauch befindliche Theoreme der Kommunikationswissenschaft –  76 –

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nach ihrem Hintergrundmuster (Paradigma) zu befragen und deren Plausibilitätsmodelle aufzudecken. Technik, Mechanik und eingespielte Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie bieten solche Plausibilitätsmodelle, weil sie in kausalen Funktionen und Funktionsbezügen gedacht werden oder so in Apparaturen und Systeme gebracht wurden, dass sich daran auch nichts mehr ändert. Weil „es“ dann auf diese Weise immer gleich funktioniert, weil auf einen je bestimmten Stimulus immer ein dazu bestimmter Response folgt und jeder andere Response als eine Irritation oder als ein Hinweis auf eine Fehlfunktion der Apparatur gewertet würde, entsteht eine durch Vertrauen gestützte Plausibilität (im Sinne der Richtigkeit des Funktionierens), die dann auf andere Zusammenhänge analog angewandt wird, auch weil man möchte, dass so offene Vorgänge wie Kommunikation, auf deren Überraschungsschläge man immer gefasst sein müsste, so kontrolliert funktionieren, wie technische Apparaturen dies in der Regel tun. Damit nistet sich ein technizistisches, pragmatisches, funktionales Paradigma in die Beobachtung ein, durch die offene Beziehungen und unbestimmte Verhältnisse zu funktional einander verpflichteten Zusammenhängen („logisch“) geschlossen werden. Ein solches mind-setting, oft in symbiotischer Verbindung mit Zahlenlogik, weil auch diese wieder einen logischeren Rahmen gegen Kontrollverlust (Seligman 1979, Luttenberger 2008) darstellt, mündet dann mitunter in der Konstruktion von Suchbildern (Motiven), durch die die Wirklichkeit in der Art festgestellt und festgeschrieben werden kann, in der man mit ihr kontrollsicher genug zurechtkommt. So mag es dann durchaus möglich sein, dass die Ideenbilder von Kommunikation auch im Rahmen von Theorienbildungen zu Kommunikation auf solche plausible „Suchbilder“ der Kommunikation reduziert werden. Eben weil mit solchen hinter den Methoden entschiedenen Reduktionen der theoretischen Komplexität zu rechnen ist, braucht es für eine zukunftsfähige Kommunikationswissenschaft die ganz bewusste Entscheidung, ihre Theorien durch eine selbstreflexive Methodik diskursfähig zu halten. Im Rahmenfeld der Positionen (Ideenmodell – Realität der Verständigungskultur/Theorie-Praxis) ergeben sich analytische Räume der Beobachtung, die man dem formalen Modell folgend in vier Frames einteilen kann. Jedes Frame steht für einen besonderen Beobachtungsfokus, ohne dass jeweils nur ein Fokus das kommunikative/mediale Geschehen hinreichend beschreiben könnte. Das Frame der normativen Hermeneutik entsteht aus der Schnittmenge von Ideenmodell und Theorie. Es bildet den Why-to-do-Fokus. Es beobachtet die soziale Praxis der Gesellschaft anhand idealtypischer Abstraktionen und deutet auf dieser Ebene vor allem die ethische Ausrichtung des Verhältnisses von Kommunikation, Individuum und Gesellschaft. –  77 –

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Das Frame der kritischen Reflexion ergibt sich aus der Schnittmenge von Ideenmodell und Praxis und deutet das Verhältnis von Kommunikation und Gesellschaft über Kriterien (qualitätsunterscheidende Maßstäbe und Wertpositionen) und bildet den What-for-to-do-Fokus. Das Frame der empirischen Analytik ergibt sich aus der Schnittmenge merkmalsbildender Theorien und der systematischen Beobachtung von Erfahrung, die aber durchaus auch interpretative (qualitative/verstehende) Methoden einsetzen kann. Es bildet den What-to-do-Fokus. Das Frame der pragmatischen Analyse verbindet die Praxis mit deren Realisierbarkeit und die Realität mit ihrer praktischen Ausgestaltung, sucht also nach Regeln der Praktikabilität und mündet oft in der simplen Affirmation der realen Verhältnisse. Es bildet den How-to-do-Fokus. So sehr sich in der wissenschaftlichen Praxis diese Frames mischen und ergänzen, so sehr macht diese Aufschlüsselung doch klar, dass es Alternativen gibt und dass der jeweilig vorherrschende Fokus sich assimiliert mit den generellen und vorherrschenden Wertausrichtungen der Gesellschaft. Nach einer Phase der simplen Praxistheorien, in der gewissermaßen industrielle Konzepte der gesellschaftlichen Kommunikation den Ton angegeben haben (How-to-do-Theorien vor allem in der Berufsfeldforschung) und am Ende einer sich wandelnden Phase der empirischen Analyse (von der Strukturbeobachtung zur Kulturbeobachtung vor allem in der Rezipientenforschung) (vgl. Bachmann-Medick 2006) und in kritischer Ergänzung zu den vielen im wissenschaftlich-analytischen Gebrauch vorfindbaren normativen Konzepten (Öffentliche Meinung, Öffentlichkeit, Verständigung, Journalismus, Nachrichtenkommunikation etc.) scheint sich nun der Fokus kritischer Reflexion breiter und ganzheitlicher zu etablieren als dies schon der Fall war (Kritische Theorie, Frankfurter Schule). In diesem Frame haben sich die Cultural Studies etabliert. Hier lässt sich das wissenschaftsmethodische Konzept von der Beobachtung der Beobachtung am ehesten einordnen. Vor allem, wenn man im Sinne des Wortes der Reflexion die dynamische Variante hervorhebt  : Wissen schaffende Reflexion ist nicht (nur) die Beobachtung dessen, was und dass man beobachtet, sondern vor allem, wie man beobachtet. In diesem Zusammenhang sei noch einmal erinnert an das schon eingangs erwähnte Theorem der Dynamik der Spiegel-Selbstbeobachtung  : Was man sieht, ist, wie man es sieht. Diese Verknüpfung von Perspektive und Inhalt begründet ein kontextuelles, ganzheitliches, zugleich selbstreflexives Konzept von Kommunikation, das klar macht, dass Kommunikationswissen das ist, wie wir das betrachten, was wir für Kommunikation halten. Das Verhältnis von Merkmal und Blick verändert sich. Während lange die Annahme galt, dass das Merkmal erst den –  78 –

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Blick ermöglicht, so ist nun – im Frame der kritisch-reflexiven Beobachtung die Annahme, dass der Blick das Merkmal ermöglicht – und zwar in doppeltem Sinne  : der Blick konstruiert Merkmale, wie er sie auch zu dekonstruieren in der Lage ist. Nimmt man diese (konstruktivistisch argumentierte) Umkehrung zum Ausgangspunkt, dann ergeben sich nicht nur neue Themen für die Kommunikationswissenschaft der Zukunft, sondern auch neue (transdisziplinäre) Konstellationen und neue ambientale Bedingungen für das Selbstverständnis des Faches. Diskursive Epistemologie Der Kommunikationswissenschaft geht es um Erkenntnisse und Alltagseinsichten, die über ein System von Metabeziehungen (vgl. Bateson 1999) Sinn und Erfahrung von dem, was wir Kommunikation zu nennen geneigt sind, austauschbar und mitteilbar machen. Der dahinter verlaufende Theoretisierungsprozess über Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis klärt das Verhältnis von Reflexion und Forschung. Eben dieser Vorgang (Epistemologie) ist in Bezug auf das Bewusstsein von Kommunikation und unter den Bedingungen des Sprechens über Kommunikation selbstreflexiv und autopoietisch zu sehen. Insofern verändert das (wissenschaftliche) Sprechen von Kommunikation die Kommunikation, wie diese das (wissenschaftliche) Sprechen über sie verändert. Das macht die Epistemologie der Kommunikationswissenschaft dynamisch, aber auch gewissermaßen ortlos. Eben weil es keine an feste Orte des Erkennens gebundene Wissenschaft von Kommunikation gibt oder geben kann, muss es ihr Ausweis sein, sich unter den Bedingungen einer diskursiven Erkenntnistheorie von Begriff zu Begriff selbst fortzuschreiben und sich so als relationale Wissenschaft zu erkennen zu geben. Sie schafft im Rahmen von Beziehungen und Bezügen Wissen, das wieder Beziehungen und Bezüge generiert. Kommunikationswissen entsteht im Rahmen und unter den Bedingungen einer Wissenschaft, die sich selbst über den Begriff der Kommunikation beschreibt. Es wird daher ein Kennzeichen der Kommunikationswissenschaft der Zukunft sein (müssen), sich im Rahmen einer dynamischen Epistemologie dadurch selbst weiterzuschreiben, dass Begriffe, Theoreme, Methoden und Hypothesen im Hinblick auf offene Erkenntnisvoraussetzungen dadurch Erklärungswert haben, dass sie in Bezug auf mögliche Fortschreibungen immer vorläufig, also offen bleiben. Die erste Entscheidung auf dem Weg zu einem konsentierbaren Leitbild der Kommunikationswissenschaft muss vermutlich die sein (vgl. Hartmann 2000  : 297ff ), das Selbstverständnis der Kommunikationswissenschaft („Wie –  79 –

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kann man über Kommunikation sprechen und Wissen schaffen  ?“) mit dem (epistemologisch) möglichen Verständnis von Kommunikation übereinzustimmen. Einer Wissenschaft von Kommunikation muss man abnehmen können, wovon sie redet. Die Art, wie sie über Kommunikation redet, definiert Kommunikation. Die Kriterien, über die sie Kommunikation definiert, bestimmt die Art, wie sie über sie redet. Daher muss man fragen, wie Wissenschaften strukturiert und verfasst sind bzw. sein müssen, um aus sich und quasi endogen legitimiert nachvollziehbare Aussagen über (soziale) Kommunikation machen zu können. Ist an der Kommunikationswissenschaft erkennbar und ablesbar, dass sie über Kommunikation redet  ? Ist ein Erkenntniszusammenhang über Kommunikation denn anders möglich als über Kommunikation  ? Die Fragen wären überflüssig, wenn die Wissenschaft, die ja auch ein Kommunikationssystem ist, das nichts anderes realisiert als eine nach Regeln formalisierte Konstruktion des Verständnisses von Kommunikation, in ihrer theoretischen Performance dadurch glaubwürdiger wäre, dass sie mehr Wert auf substanzielle Erkenntnis statt auf formales Wissen legt. Ob aber dieses Sinnsystem Wissenschaft dem offenen, fließenden und mehrseitigen Austausch zur gesellschaftlichen Konstitution von Kommunikationssinn gewachsen ist, hängt nicht zuletzt von ihrer Selbstdarstellung ab. Die Zukunft der Kommunikationswissenschaft ist nicht nur eine Frage der Funktion oder des Nutzens, sondern auch eine Frage der zugeordneten Identität, des Images und der theoretischen (wissenschaftlichen) Erkennbarkeit. Diese entsteht und wird klar, wenn sie entscheidet ein lebendiges System zu sein, indem sie sich nicht durch Definition abgrenzt oder (wen immer) aus dem Prozess der Selbstdefinition ausgrenzt, sondern sich durch Offenheit und im Wege generativer Zirkulation des Wissens (vgl. Flusser 1995) mit und zwischen allen relevanten Text-Kontext-Interaktionen darauf einlässt und damit rechnet, inhaltlich und funktional durch dauernde Veränderung nicht eine feste, sondern eine prozessuale Gestalt auszumachen. Objektivierung und subjektiver Faktor Der Rohstoff des alltäglichen Geschäfts heißt Kommunikation. Die Hoffnungen, die die Wettbewerbsgesellschaft mit dieser Erkenntnis und dieser Einschätzung des „Faktors Kommunikation“ an die Kommunikationswissenschaft richtet, spitzen sich für gewöhnlich auf eine Nutzenberechnung zu. Zugleich unterstellt man, dass man durch eine professionelle Instrumentalisierung dieses humanen Potenzials für sich (als Mensch oder als Organisation) Wettbewerbsvorteile und Alleinstellungsmerkmale produzieren könne. In einer –  80 –

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Gesellschaft, in der durch Wissensverteilung, Regelwerke, Organisation und Technik Produktwelten zunehmend standardisiert und Lebenswelten zunehmend systemisiert werden – und daher die Produkte zunehmend gleichwertig und die Lebensbedingungen verhältnismäßig gleich gültig werden –, gibt es offenbar nur noch eine Differenzierungsressource  : die Subjektivität des Menschen. Gerade weil die Zumutung der Wettbewerbsgesellschaft (aber nicht erst seit dieser) an eine pragmatische Erkenntnisproduktion der Kommunikationswissenschaft so groß ist und weil Themen und Ergebnisse der Kommunikationswissenschaft zunehmend dem Marktkalkül unterstellt werden, scheint es besonders wichtig und notwendig zu sein, die Grenzen der Objektivierbarkeit (Behauptung) und Regulierbarkeit von Erkenntnissen über Kommunikation aufzuzeigen. Dem folgt klarerweise, dass die Kommunikationswissenschaft sich bewusst und methodisch den Freispielraum offen halten muss, sich selbst zum Gegenstand der Kritik zu machen (vgl. Feyerabend 1976), um die historisch relative und prozessuale Relevanz des formulierten Wissens einbekennen zu können. Dieser Ausstieg aus der pragmatischen Logik und dieser kreativ-bewusste Akt der Transzendierung logischer Bedingungen wissenschaftlicher Dogmatik (vgl. Habermas 1973) muss mitkommuniziert werden, wenn die Kommunikationswissenschaft ihre Materie nicht nur fachkundig, sondern auch glaubwürdig vertreten möchte. „Gäbe es für die menschliche Kommunikation eine funktionsfähige Kausaltechnik, wäre es leicht, auf dieser Basis nicht nur eine einheitliche human-kommunikative Ordnung, sondern auch eine theoretisch konsolidierte, die Praxis anleitende Kommunikationswissenschaft auszubauen“, sagt Rühl schon 1985 in seinen Betrachtungen zur Identität des Faches, um dann weiter zu begründen  : „Denn das Spezifische ihrer über Problemstellungen laufenden Fachkonstituierung verweist auf das Prinzip Reflexivität, hier verstanden als gesellschafts- und problemorientierte Selbstbestimmung und Selbstkritik.“ (Rühl 1985  : 242) In diesem Prinzip liegt das eigentlich interessante Potenzial der Kommunikationswissenschaft  : dort mit Brüchen (z. B. Erwartungslücken) und Deregulierungseffekten zu intervenieren, wo Sozial- und Humanwissenschaften einen Grad an Formalisierung und Systemtreue erreicht haben, der sie gegen Überraschungen (Kritik) immun machen könnte. Denn entscheidend ist die Erkenntnis  : Kommunikation ist das kulturelle Konzept, das beobachtend beschreibt und mit dieser Beschriftung erklärt, was warum wie und wofür zueinander in Beziehung gesetzt wird. Nur so ist sie eine Ressource der Erkenntnis, der Unterscheidung und der Entscheidung. Kommunikation ist das kulturelle Konzept im Hinblick auf mögliche Beziehungen von und zwischen Menschen, –  81 –

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Themen, Ereignissen, Umwelten und als solches ist sie die soziale Ordnungsenergie einer chaosfähigen Umwelt. Sie ist dank des subjektiven Faktors das emanzipatorische Potenzial der Gesellschaft, in dem sich Chaos und Ordnung dialektisch treffen. Dies ist der Charakter von sozialen Biotopen. Kommunikation ist ein soziales Biotop und als solches genuin auf Differenz ausgerichtet. Der Unterschied (Widerspruch, Krise, Konflikt) ist das soziale Argument von und das kulturelle Argument für Kommunikation. Sie generiert Verständigungssinn durch Nähe genauso wie durch Distanz, durch Übereinstimmung genauso wie durch Unterscheidung. Homogenisierungspotenziale (Übereinstimmung, Identität) sind der Kommunikation genauso eigen wie Differenzierungspotenziale (Widerspruch, Konflikt, Fremdheit). Stellt man dies in Rechnung, so muss man akzeptieren, dass man über Kommunikation nie ausgeredet hat, dass die Kommunikationswissenschaft eigentlich nicht über Kommunikation reden muss, sondern bestenfalls darüber, wie man über Kommunikation reden kann. Kommunikationswissenschaft leistet nicht die Objektivierung der Kommunikation, sie leistet die wissenschaftliche Vergegenständlichung (Beobachtung) der Alltagsbeobachtung und die wissenschaftliche Fantasie zum Alltagswissen, das bestimmte Sorten der sozialen Praxis mit dem Begriff von Kommunikation belegt. In dem Begriff sind Kriterien und Merkmale impliziert, die die Wissenschaft empirisch, normativ und pragmatisch ausdeutet. Dabei kommen zwei Konzepte zum Zug  : ein Handlungskonzept und ein Verstehenskonzept. Das Handlungskonzept interpretiert Kommunikation als soziale Praxis, die durch veräußerte Handlung zustande kommt  : Kommunikation im Wege des Handelns und als Ergebnis des Handelns entsteht, –– weil der Mensch bestimmte Handlungen setzt, die er als Kommunikation deutet (empirische Deutung), –– wenn der Mensch entsprechende Handlungen setzt, um das zu erreichen, was er als Kommunikation identifizieren möchte (normative Deutung), –– weil der Mensch weiß, wie er zu handeln hat, um zu verstehen und um verstanden zu werden (pragmatische Deutung). Das Verstehenskonzept interpretiert Kommunikation als innere Bewegung der Positionen zwischen Verstehen und Verstanden-werden (sich verständlich machen) und als wechselseitige Wahrnehmung des inneren Dialogs  : Kommunikation im Weg des Verstehens und des Sich-verständlich-machens und als Ergebnis von Verständigung, als Verständnis auf der Inhaltsebene und als Einverständnis auf der Beziehungsebene (vgl. Watzlawick/Bavelas/Jackson –  82 –

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1974). In diesen Rahmen lässt sich die empirische, normative und pragmatische Aussage machen, –– dass es Kommunikation ist, wenn man die Erfahrung macht, dass man versteht, wie man versteht, was man versteht, oder  : verständlich macht, wie man versteht, was man versteht (empirische Deutung), –– dass man erst versteht, wenn man versteht, wie man versteht, was man versteht, oder  : dass man nur verständlich machen kann, wenn man offenbart, wie man versteht, was man versteht (normative Deutung), –– dass man weiß, was es bedeutet, dass man versteht, wie man versteht, was man versteht, oder  : was es bedeutet, wenn man sich verständlich macht, wie man versteht, was man versteht (pragmatische Deutung). Wenn – und da wo – die Kommunikationswissenschaft sich als verlässliche Interpretation von Kommunikation behauptet, ist sie, auch wenn sie es gerne anders beansprucht, um keinen Schritt der möglichen Wahrheit (über Kommunikation) näher als jede andere schlichte, simple und alltägliche Behauptung über Kommunikation. Die Wissenschaft ist nicht wahrheitsfähiger als das Alltagswissen. Sie ist genauso vorläufig und um nichts stimmiger, weil auch sie nichts anderes leistet als die Konstruktion von Wirklichkeit. Ihre Wahrheitsposition ist die Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit (Kommunikationsregeln) der Konstruktionslogik. Sie kann keine stimmigere Aussage über Kommunikation machen als die Alltagsbeobachtung. Aber sie kann die Stimmigkeit der Alltagsbeobachtung (Kriterien, Kategorien, Deutungen) prüfen (Logik, Methodik, Kohärenz der Kriterien). Deshalb haben im umgekehrten Sinne Menschen recht, wenn sie mitunter unterstellen, dass die Kommunikationswissenschaft gar nicht mehr sei als nur die sprachmaskierte Anmaßung von intellektueller Herrschaft und die wissenschaftliche Dekoration von Selbstverständlichkeiten – wenn auch nur zum Teil, denn die Position der Beobachtung von Beobachtung (Logik, Methodik, Definition, Nachvollziehbarkeit) lässt sich nur mit einem anderen, diesen Kriterien folgenden Sprachmuster darstellen. Die Wissenschaft weiß nicht besser, aber anders. Die Sprache ist nicht besser oder richtiger, sondern im Vergleich zur Intuition des Alltags bewusster auf Konsequenz ausgerichtet. Die Wissensorganisation der Kommunikationswissenschaft sollte sich daher im Hinblick auf die Anforderungen der Zukunft an jene Horizonte erinnern, die ihr möglich sind, aus denen sie sich einerseits weniger überfordert, andererseits selbst mehr Forderungen an die gesellschaftliche Realisation von Kommunikation richten kann. Sie sollte sich viel bewusster darauf konzentrieren, viele und naturgemäß unterschiedli–  83 –

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che Positionen und Aussichtspunkte der Betrachtung dessen zu schaffen, was Menschen – als Personen, in Organisationen oder Unternehmungen – tun oder tun können, um über ihr eigenes soziales Handeln kritisch zu reflektieren bzw. reflektieren zu wollen. In diesem Sinne könnte die Kommunikationswissenschaft ihr Problematisierungs- und ihr Problemlösungspotenzial viel bewusster als ein Suchsystem (ein von Kriterien definierter Wegweiser der reflexiven Fragestellung) für die zukünftigen Wege der Gesellschaft und für potenzielle Modelle gesellschaftlicher Auseinandersetzungen einbringen. Das aber verlangt mit offenen und interpretativen Theoriekonzepten (Anthropologie, Kultursemiotik) zu arbeiten und sich viel näher an den Menschen (und dessen alltägliche Lebensinterpretation) heran zu wagen (vgl. Flusser 1998, Faßler 2001, Schütz/Luckmann 2003, Foucault 1981, Derrida 1972, Morin 2011, Bauer 2000, Hepp 2002, Krotz 1999). Mythos Kommunikationsgesellschaft und offene Desiderate Kommunikation ist der Rohstoff der Gesellschaft. Alles, was Gesellschaft ist und wie man sich diese vorstellt, beruft und bezieht sich auf Kommunikation als das kulturelle Konzept sozialer Beziehungen. Dieses Wissen über die Verfügbarkeit des Faktors Kommunikation in Gesellschaft, Politik, Kultur, Wirtschaft und Alltag ist nicht neu. Neu ist die strategisch ausgerichtete Konstruktion der Verhältnisse bzw. die Wahrnehmung derselben in Gesellschaft, Politik, Kultur und Alltag über die Perspektive der Kommunikation. In dieser (strategischen) Wahrnehmung setzen sich mehr oder minder diffuse gesellschaftliche Desiderate, aber auch partikulare Interessen durch. Daraus rechtfertigt sich ein meist durch unbedachte Übung (vgl. Schmolke 1999) geheiligtes Ritual, bei der Analyse der Zukunft der Kommunikationswissenschaft mit der Beschwörung der längst gegenwärtigen Zukunft der Kommunikation und damit der Wissens- und Kommunikationsgesellschaft zu beginnen. Obwohl diese immer wieder als Mythos (vgl. Latzer 1997, Höflich 1999) entlarvt bzw. analysiert wird, soll doch auch ein solcher Mythos ein Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Zukunft der Kommunikationswissenschaft sein dürfen. Warum  ? Weil auch Mythen Realität haben. Sie sind soziale Formate der Konversation über Wunsch oder Angstbilder, über das, was Menschen – nicht nur in diesem Fall – im Hinblick auf die Zukunft beschäftigt. Dahinter und darin mögen sich Strategien und Interessen verbergen, in jedem Falle aber sind Mythen als Entwürfe zu achten, deren Realitätswert argumentativ ist. Man kann sie nicht umgehen, man muss auf sie eingehen. Weil sie den Erwartungsrahmen abstecken, sind sie ein Argument für Veränderung, ein Motor für die –  84 –

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Suche nach geänderten Verhältnissen, ein Impulsgeber für Entwicklungen. Sie definieren den Verständigungsrahmen über mögliche Potenziale einer auf die Zukunft projizierten Ideenwelt. Zu diesen Mythen, welche die Medienentwicklung in der Realität ja kaum oder nur schwer einholt, zählen aber immerhin Wunschinhalte  : mehr Eigenkontrolle in der Lebensführung, mehr Individualität, mehr Mobilität, mehr Demokratisierung, mehr Selbstbestimmung in der kommunikativen bzw. medienbasierten Lebensgestaltung, Entgrenzung von inhaltlichen, sozialen, räumlichen und zeitlichen Restriktionen, Entzerrungen z. B. von sozialer, objektiver und subjektiver Zeit und so fort (vgl. Ruhrmann 1999). Selbst wenn eine auch noch so hoch entwickelte Medientechnik solche Wunschbilder nicht eins zu eins einlösen kann, selbst wenn solche Wunschbilder in gewissem Maße ökonomisch gestiftete Postulate sind (vgl. Krotz 1999  : 350), so besteht doch die Vorstellung, dass die Realisierung dieser Ideen und Wünsche zunehmend technisch organisierten Systemen anvertraut werden kann. Der Mensch lernt mit der Technik, seinen Wunschbildern immer näher zu kommen oder selbst ihnen immer ähnlicher zu werden. Jeder Steigerungsgrad in diese Richtung ermöglicht ihm auch die Steigerung der technischen Potenziale und diese wieder die Steigerung der inhaltlichen Potenziale. Fehler, die dabei möglicherweise gemacht werden, sind nicht Systemabstürze, sondern Hinweise auf einkalkulierbare Systemgrenzen. In eben diesem Sinne haben die realen Kommunikationswelten eine für die moderne Gesellschaft typische Entwicklung (vgl. Giddens 1990  : Introduction) genommen, die ihresgleichen in der Geschichte vermutlich nicht mehr findet. Tempo, Ausdehnung und Intensität sind von einer Dynamik, die bisherige Epochen nicht kennen. Dementsprechend sind die aus der bisherigen Tradition (und in der Regel auf Interessen der Systematik, Ordnung, Festigung und Bewahrung eingerichteten und) gewachsenen wissenschaftlichen Zugänge und Denkzusammenhänge zur Analyse der kommunikativen bzw. medialen Welten auch schlicht überfordert. Solange die Kommunikationswissenschaft sich nicht selbst als einen Teil dieser gesamtsozialen (Veränderung der Technik durch Kommunikation und Veränderung der Kommunikation durch Technik) Entwicklung begreift, solange sie nicht intendiert, als ein inhärenter kultureller Faktor dieser Entwicklung Authentizität und Glaubwürdigkeit zu erreichen, indem sie sich selbst aus dieser laufenden Änderung erklärt, solange wird sie hinter den Ereignissen bleiben und wegen dieser Abkoppelung auch nicht glaubwürdig über die Zukunft der Kommunikation reden können (vgl. Ludes/Schütte 1997). –  85 –

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Aber das ist es, was man von ihr im Hinblick auf die zunehmende Komplexität dieser Welt, die in erster Line eine kommunikative ist, mit Recht erwarten kann  : Präsenz, Ansprechbarkeit, Glaubwürdigkeit, Diskursivität und Perspektivität. Diese Werte sind aber nicht durch Abgrenzung gegenüber, sondern nur durch Einbindung in die gesellschaftliche Praxis der Kommunikation/Medienkommunikation erreichbar. Eine in diesem Sinne mit kommunikativer Intention agierende und lebendige Kommunikationswissenschaft kann sich nicht begnügen mit der Funktion eines Lagerhauses, in dem Wissen wie Bestände geordnet aufbewahrt, gestapelt, geschichtet, im Sinne bürokratischer Rationalität aus dem Verkehr gezogen oder in diesen eingebracht wird und gegen Scheine oder Bescheinigung übernommen werden kann. Kommunikationswissenschaft ist ein offener Handel mit der sozialen Praxis der Gesellschaft(en), eine Tauschorganisation nach dem Prinzip, dass die Ware umso mehr wert ist, je mehr sie gebraucht wird. Im laufenden Wechsel von Hand zu Kopf und von Kopf zu Hand wird sie (funktional) stimmiger, nützlicher und wertvoller. Kommunikationswissen ist nicht Objektwissen, nicht Wissen als Ausweis für Besitz oder Macht, sondern Wissen durch Tausch und Verteilung (Flusser 1998  : 33 & 45). Kommunikationswissen schafft und generiert sich durch Dialog. Kommunikationswissen ist das dissipative Konstrukt von Wirklichkeitsannahmen aus der Reflexion der Interrelationalität der Orte menschlichen Handelns in der Spannung zwischen Sinnkonstitution (Ethik) und Erfahrung (Strategie). Kommunikationswissen thematisiert immer auch einen utopischen Horizont, wodurch es sich auch als der hypothetische Ort der Bestimmung des Menschen und als Topologie des Menschlichen ausweist. Zugleich steht sie als ein Part im Kontext gesellschaftlich organisierten Handelns. Die – natürlich auch die Kommunikationswissenschaft einschließenden – Entwicklungen und Änderungen der Gesellschaft und ihrer Selbstwahrnehmung in Technik, Organisation, Systementwicklung, Kultur, Bildung etc. können in der Definition des Selbstverständnisses der Kommunikationswissenschaft nicht weit genug, nicht grundsätzlich (radikal) genug und nicht dynamisch genug aufgefasst werden. Sie betreffen nicht nur (einfach) die Inhalte, die Strategien oder die Methoden der Wissensbeschaffung – wiewohl diese natürlich auch. Sie betreffen aber vor allem die Rationalität wissenschaftlicher Reflexion, den philosophischen und den epistemologischen Konstruktionszusammenhang (Giddens 1990  : Introduction, Flusser 1998  : 44) der Kommunikationswissenschaft.

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Wissenschaft zwischen den Systemen Es wird nicht verwundern, wenn man in der Suche nach einem Wissenschaftsbild für die Kommunikationswissenschaft der Zukunft mit kritischen Anmerkungen zum status quo ante operiert. Das Bedürfnis, die Zukunft anders zu gestalten, kommt ja aus der Erfahrung von der relativen Unzureichendheit des Bestehenden. Es wird klar sein, dass damit nicht das persönliche Bemühen oder die persönliche Position einzelner Wissenschaftler diskreditiert wird, sondern dass es um den Versuch geht, Positionen zu formulieren, die selbst wieder nur als Trittfläche für neue Aussichten bzw. für nächste Trittflächen auf neuen Ebenen dienen können. Die ja immer wieder angesprochenen Problemlösungsschwächen der Kommunikationswissenschaft kommen nicht von ungefähr. Sie sind die Spiegelung der Problematisierungsschwächen einer Wissenschaft, die sich wegen ihrer Objekt- und Medienorientierung, wegen ihrer lange gültigen ontologischen Objektdefinition (z. B. „Kern der Kommunikationswissenschaft sind die Massenmedien“), wegen ihrer fast naturwissenschaftlichen Berechnungsarbeit (Kausalitätsmodell) und wegen der Vermutung, die Realität müsse in Modellen abgebildet werden, in einer Fülle von Konzepten („Ansätzen“) verläuft, mit denen die Tiefendimension von Kommunikationsproblemen niemals ausreichend erfasst werden kann. Von den Naturwissenschaften ist man gewohnt und erwartet man, dass sie mit ihren Analysen Kausalzusammenhänge entdecken, durch deren experimentelle Anwendung sie in weiterer technischer Abfolge der Erkenntnisverarbeitung in natürliche Verhältnisse, Abläufe und Zusammenhänge so eingreifen kann, dass sie in ihnen und mit ihnen etwas verändert und Effekte in der Art und zu dem Zeitpunkt erzielt, wie und wann man meint sie zu brauchen – meist, wie man meint, zu Gunsten des Menschen und mit dem Ziel, sich ein Stückchen mehr als Herr der Lage wähnen zu können, in Risikovorgänge präventiv eingreifen zu können, natürliche Abläufe dem subjektiven Zeitrhythmus und den situativen Interessen des Menschen anzupassen und alles in allem in der Sicherung von Lebensbequemlichkeit Fortschritte zu machen. Das gibt den Naturwissenschaften eine bevorzugte Position in systemgeordneten Gesellschaften, in Bildungssystemen, Forschungsprogrammen und in der öffentlichen Einschätzung. Selbst der Begriff von Wissenschaft (science) ist davon betroffen. Science ist ein Terminus, der im angloamerikanischen Sprachgebrauch selbstverständlich die Naturwissenschaften meint, weswegen die mitunter in Übersetzungen von „Kommunikationswissenschaft“ gebrauchte Verbindung wie „communication science“ auch immer wieder mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen wird. –  87 –

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Sie charakterisiert nämlich nicht den sozialwissenschaftlichen Zugang, den man nun doch allgemein unterstellen möchte, sondern beschreibt die Beschaffung von Kommunikationswissen als naturwissenschaftliche Annäherung mit dem Ziel, Regelmodelle zu formulieren, durch deren Applikation auf beliebige, möglicherweise als Kommunikation erfassbare Zusammenhänge man extrinsische Zwecke und Effekte erreichen zu können meint. Abgesehen davon, dass es sich bei einer solchen Umschreibung um einen zirkulären Irrtum handelt, offenbart sich durch eben diesen das disziplinäre Dilemma der Kommunikationswissenschaft. Die Zirkulation des Irrtums beginnt zunächst damit, dass man sich mit der Bezeichnung als „Wissenschaft“ („science“) nun doch ganz gerne als Disziplin präsentieren und auch als solche anerkannt werden möchte. Und das sich im Englischen als Alternative zu science anbietende studies wird verdächtigt, nicht grenzfest genug zu sein, um einen kommunikationswissenschaftlichen Analysezusammenhang auch als Disziplin argumentieren zu können. Abgesehen davon, dass im internationalen Kontext daraus ein regelrechter Kommunikationsirrtum erwächst, ist auch die Attribution etwas stereotyp  : science bezeichnet die harte und studies mehr die weiche Methodik der Wissenschaft. Denn natürlich versteht sich die (deutschsprachige) Kommunikationswissenschaft in erster Linie und gemäß den implizit vielmals formulierten Leitbildern als Sozialwissenschaft, die in ihren Bemühungen aber um die Nähe zum Objekt, um die Affirmation systemischer Rationalität, um inner- und außerakademische Anerkennung wie ebenso um öffentliche Achtungserfolge durch herzeigbare Entdeckungen (Objektivation von Regeln) sich immer wieder der öffentlichen Zumutung unterwirft, (erst) dadurch als Wissenschaft und als eine „brauchbare“ Disziplin anerkannt wird, wenn und indem sie (durch Themenstellungen, Begriffe, Theoriemodelle, Regelwerke, Methoden, nachweisbare Ergebnisse) vorgeben kann, über ein analytisch objektiviertes Wissen zu verfügen und in diesem Sinne auch zu wissen, wovon sie redet. Im Licht dieser Erwartung ist eine theoretisch und methodisch kulturwissenschaftlich ansetzende Kommunikationswissenschaft mitunter dazu verurteilt, im Schatten der fachpolitischen Wahrnehmung zu liegen. Solange in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein technologisch orientiertes Wissenschaftsbild vorherrscht, solange verleitet dies dazu, das hermeneutische Potenzial der Kommunikationswissenschaft gegenüber dem analytischen als die schwächere Position zu betrachten und es verleitet, das, wovon man spricht, als Faktum der Erkenntnis und der Effizienz der Erkenntnisanwendung darzustellen, eben als „moderne“ Wissenschaft, die sich mit Vorliebe über ihre Objekte definiert. Was im Endeffekt nichts anderes heißt, als dass –  88 –

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eine solche Kommunikationswissenschaft nicht vorhat, über die von ihr formulierten Erkenntnisse hinauszuwachsen. Signaturen der Wissenschaft und sozialer Wissenschaftsgebrauch Wissenschaft ist ein Kommunikationssystem, das wie jedwedes andere System (Politik, Wirtschaft, Recht, Religion, Medien etc.) ein strukturelles Setting entwickelt, mit dem und in dem Deutungen zur Erfahrungswirklichkeit in sozialem Tauschverfahren so ausverhandelt werden, dass sie als (kommunikativ kontrollierte) Wirklichkeit zur (willkürlich individuellen) Wirklichkeit, wenn man so will, als durch Kommunikation autorisierte Wirklichkeitsschemata gegenüber individuell disperser Interpretation von Erfahrung vergemeinschaftet (gemeinschaftsverpflichtet) werden können. Nur in sozialem Verfahren (Regel, Ritual, Macht, Diskurs, Dialog etc.) autorisierte Schemata von Wirklichkeit sind kulturell verbindlich und vergemeinschaftungsfähig. Das strukturelle Setting repräsentiert also den Vertrauensmechanismus, der je nach System mehr oder minder geregelt, ritualisiert oder kontrolliert verläuft. Deutungen werden erst offenkundig in Aussagen, die ihrerseits nur in (als) Zeichensysteme(n) verstanden, erinnert und wieder abgerufen oder angerufen werden. Also richtet sich die Autorisierung (der Deutung) in erster Linie auf die Zeichensysteme. Die Zeichensysteme sind in diesem Sinne die Signaturen der Sozialsysteme, und nur durch diese sind Systeme anschlussfähig. Wer also seine Aussagen als Wissenschaft verstanden haben will, muss diese Signaturen beherrschen oder selbst ein Repräsentant solcher Signaturen (Autorität) werden, was generell im Wege kontrollierter (professionalisierter) Sozialisation abgesichert (System) und funktional gelernt (Individuum) wird. Was daraus entsteht, ist sozialisierter Wissenschaftsgebrauch, der in sich die Tendenz hat, systemangepasst und systemaffirmativ zu operieren. Es gilt also für die Wissenschaft wie auch für andere Systeme, dass die autopoietische Eigenversorgung für den Bestand und für die Entwicklung der Wissenschaft unverzichtbar ist, dass sie aber auch die heteropoietische, die von außen zugesiedelten Stakeholdern zugespielte Intervention braucht, um sich nicht in Selbstgefälligkeit oder Selbstgenügsamkeit zu verlieren. Gerade die Kommunikationswissenschaft muss Wissenschaft auf Augenhöhe und Wissenschaft im Dialog mit denen sein, von denen sie redet. Die Kommunikationswissenschaft kann auf Dauer nur glaubwürdig von denen reden, mit denen sie redet. Das verlangt ein kommunikatives (als Diskurs und Dialog konzipiertes) Verständnis von Wissenschaft (in Beobachtung, Methode, Theorie, Interpretation etc.). In diesem Sinne muss sie –  89 –

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geoutet sein als kommunizierende Wissenschaft, wodurch sie möglicherweise als Figur einer Minderheitenposition in einer mehrheitlich straighten und notengetreuen Wissenschaftsumwelt stigmatisiert werden könnte. Die Kommunikationswissenschaft kann sich nicht notengetreu an eine systemisch präparierte Partitur halten, wenn und weil ihr Prinzip die dialektische Unterbrechung ist. Ihre Legitimation des Vertrauens ist nicht (muss nicht sein), dass sie sich an Regeln hält, sondern dass sie eine kommunikative Umwelt für Regeln schafft. Ihre Signatur ist, weil sie im sozialen Gebrauch von Wissen entsteht, plastisch. Sie schreibt nicht drüber, sie schreibt sich ein und modelliert so ein Gebilde des verbindlichen Diskurses. Sozialer und sozialisierter Wissenschaftsgebrauch unterscheiden sich im Charakter der Signaturen. Kommunizierende Wissenschaften setzen auf offene und plastische Signaturen, schöpfen Bestand, Entwicklung und Veränderung aus der Subjekt-Subjekt-Begegnung, sie sind verlässlich durch Gestaltung. Demgegenüber verstehen sich kommunizierte Wissenschaften als schon aus dem System autorisierte Erklärungssysteme (Subjekte gegenüber Objekten), an denen sich, wenn und während sie gebraucht (verwertet) werden, theoretisch und inhaltlich nichts ändert. Beobachtungen am Objekt machen weitere mit gleicher Methode beobachtete Phänomene zu einem vergleichbaren Objekt. Sie sind („wissenschaftlich“) verlässlich als gleich bleibende Gestalt. Der Unterschied zwischen einer kommunizierenden und einer kommunizierten (signierten) Wissenschaft besteht in dem unterschiedlichen sozialen Gebrauch von Wissenschaft. Eine kommunizierende Wissenschaft ist offen für den nicht-institutionalisierten, für den sozialen und in diesem Sinne emanzipatorischen Gebrauch von Wissenschaft (vgl. Enzensberger 1997), ist offen für den Anspruch der Situation, für Momente der Informalität, Spontaneität und Beliebigkeit, arbeitet hin auf Erkenntnis durch Offenheit für Widerspruch, Krise und Aporie und rechnet mit entsprechenden die Selbstwahrnehmung verändernden Rückwirkungen. Kommunizierte Wissenschaften sind Reflexionskomplexe, die sich durch deren sozialisierten und so gewissermaßen institutionalisierten Gebrauch („Wissen ist Macht“) nicht wesentlich verändern, bestenfalls sich durch Wiederholung verbrauchen. Solche Wissenschaften ziehen es vor, ein Teil des funktionierenden und herrschenden Systems (und in diesem Sinne systemkonform „kommunizierte Wissenschaft“) zu sein. Kommunizierte Wissenschaften sind Denk- und Reflexionssysteme, die als Subsystem sich den Sinngrenzen und der Rationalität der (als solche angenommenen) gesamtgesellschaftlichen Systeme einordnen und aus dieser Attitüde nicht vorhaben oder auch (moralisch, strategisch und methodisch) gar nicht (mehr) in der –  90 –

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Lage sind, mehr oder anderes als nur ein Teil der systemischen Konversation der Gesellschaft zu sein. Kommunizierende Wissenschaften hingegen sind solche, die bewusst-kreativ in Rechnung stellen, dass sie durch die (auf Auffassungsdifferenzen hinarbeitende) Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und mit deren Anmutungen an die Systemnützlichkeit der (Kommunikations-)Wissenschaften, wie auch durch den Kompetenzanspruch auf die Irritation der Gesellschaft, sich eben als solche Wissenschaften in Frage gestellt merken und sich durch die auf diesem Weg produzierte Krise des differenten Blicks an aporetische Grenzen der Systemzustände gebracht sehen und daher zum kreativ-qualitativen (system-transzendierenden) Handeln motiviert wissen. Sie verstehen sich aus dieser Herausforderung und aus dem Zweifel bis hin zu aporetischen Grenzen und beziehen genau aus diesem (kommunizierbaren) Risiko an Sicherheit den Anspruch auf Glaubwürdigkeit. So entsteht über eine kommunizierende Wissenschaft ein zirkulärer Prozess der Reflexion, der Änderung und der Reflexion der Änderung, in dem die Gesellschaft (Wirtschaft, Bildungssystem, Medien etc.) wie die Wissenschaft gleichermaßen Betroffene wie Beteiligte sind in der nie zu Ende gebrachten Frage  : Was ist Kommunikation  ? Oder – vorsichtiger – in eine andere Frage gebracht  : Welche Voraussetzungen können geschaffen werden, um in der gesellschaftlichen Praxis zunehmend jener Vorstellung näher zu kommen, in der Menschen den Sättigungszustand ihrer persönlichen und sozialen Hoffnungen auf gesellschaftliches Verstehen vermuten und den sie als „Kommunikation“ konstruieren  ? Damit ist über die Anspruchsziele der Kommunikationswissenschaft eigentlich schon so viel gesagt wie über deren Anspruchsgrenzen. Als wissenschaftliche Reflexion über die gesellschaftlichen Konstrukte der Auseinandersetzung der Gesellschaft mit sich selbst ist sie nicht mehr als eben wieder eine solche Konstruktion, allerdings mit den Besonderungsmerkmalen der kritischen transsystemischen Position (Bewusstsein) und des methodischen Potenzials (Wissen), die konkrete Praxis (Erfahrung) danach zu befragen, ob und inwieweit durch sie in den realen sozialen Verhältnissen (Realität) die ideellen Größen (Sinn) gesellschaftlicher Verständigung gespiegelt werden. Daraus wird klar, dass eine Kommunikationswissenschaft, die sich mit einer quasi physiologischen Analyse (vgl. Flusser 1998) realer Verhältnisse zufrieden gibt oder dies als ausreichende Objektivation von Wissen in den theoretischen bzw. praktischen Diskurs einbringt, unter einer qualifizierten Anspruchsgrenze bleibt und die potenziellen Anwender von Wissen sogar dazu verleitet, sich mit dem Besitz solchen Wissens vergleichsweise mächtig zu fühlen. Ein Werbewissenschafter, der –  91 –

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dem Werbepraktiker nachweist oder meint, ihm verraten zu können, mit welchen Tricks er sich Einfluss und Wirkung bei Konsumenten verschafft, fühlt sich auf der Skala der Mächtigkeit, wenn auch ohne praktische Wirkung, um einige Grade höher eingereiht und genießt möglicherweise diese Reihung als Faktor für seinen vermeintlich privilegierten Status. Der Deal wird möglicherweise mit falscher, zumindest nicht zureichend wertgesicherter Münze gemacht. Angesichts der zunehmenden realen (technischen, organisatorischen, sozialen) Komplexität der Medienkommunikation wurde schon deutlich gemacht, dass die bisher in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Gebrauch befindlichen theoretischen Modelle (Perspektiven) nicht mehr hinreichen, um Verhältnisse zu erklären, sie zu ordnen, sie zu klassifizieren und gar verlässliche Prognosen zu ermöglichen. Die publizistikwissenschaftliche Analyse gesellschaftlicher Kommunikation ist längst an ihre Systemgrenzen gekommen. In einer solchen aporetischen Situation bedarf es eines qualitativen Bruchs und eines Neuentwurfs der Perspektiven, der einen größeren Sprung bedeutet als nur die Ausweitung bisherigen Modelle des Denkens auf sich ausweitende Zusammenhangs-Vermutungen gesellschaftlicher Kommunikation. Es bedarf der eindeutigen Hinwendung zur wissenschaftlichen Analyse der Kommunikation als ein gesellschaftliches Konstrukt, von dem die Kommunikationswissenschaft selbst ein Teil ist. Nichts anderes will das Projekt der Cultural Studies mit der Klärung der dreifachen Kontextualität (vgl. dazu Jäckel/Peter 1997  : 62) der Kommunikationsanalyse in den Raum stellen  : Kommunikationsanalyse ist die Analyse von kontextuell vermittelten Kommunikationen, generiert und aufgenommen im Kontext von Kulturen, analysiert von Wissenschaftern, die – kulturell vermittelt – im Kontext zu dem stehen, was sie untersuchen. Kommunikationsanalyse ist so gesehen die wissenschaftlich kritische Teilnahme im kulturellen Diskurs, wobei nicht in erster Linie szientistische Ziele verfolgt werden, sondern vielmehr exemplarische Kritik. Wenn man die Komplexität und Multiplität der gesellschaftlichen (medialen) Kommunikation und deren Analyse ernst nimmt, dann darf man die Problematik ganz einfach nicht mehr auf die Abbildung der unterstellten Realität in linear-kausalen Modellen verkürzen oder sie künstlich einteilen (z. B. die theoretische und analytische Trennung von medialer und interpersonaler Kommunikation oder die Trennung zwischen Information und Meinung etc.). Kausalität, Berechenbarkeit, Mathematizität, Technizität (vgl. Weber 1997) sowie naive Ontologie und triviale Modellbildung sind Strategeme einer Wissenschaft, die keine Erwartungslücken produzieren möchte, die sich gefällt oder gefallen möchte in der Praktikabilität („Stimmigkeit“) ihrer Erkenntnisse für –  92 –

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ebenso selbstgefällige und selbstverliebte Systeme (wie Medien, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft). Suchsystem Kommunikationswissenschaft Sosehr das Diktum, man könne über Kommunikation nichts behaupten, sondern bestenfalls (subjektiv) erzählen, verkürzt, sosehr stimmt aber, dass jede wissenschaftlich auch noch so gut abgesicherte Behauptung über Kommunikation nicht mehr ist als nur ein weiterer Versuch Kommunikationssinn zu konstituieren, ohne dabei über unbestrittene Kriterien zu verfügen. Dies zuzugestehen ist die erste und entscheidende Erwartungslücke, welche die Kommunikationswissenschaft in den Diskurs über Kommunikation einzubringen hat. Ein solches Zugeständnis wäre nicht nur ein Akt der Redlichkeit oder Bescheidenheit, sondern eine Rekonstruktion der kommunikativen Qualität von Wissenschaft, ein Akt der Befreiung für einen substantiellen Austausch und mehr strategische Kooperation mit der Praxis in der Entwicklung von Theorien und in der Interpretation von kommunikativer Ethik. Das Know-How der Praktiker ist in manchen dieser Arbeitsfelder weiter als das der Wissenschafter. Das Know-What der Wissenschafter ist in manchen dieser Arbeitsfelder möglicherweise umfassender als das der Praktiker. Auch die Praxis ist nicht nur ein Feld reproduktiver Erfahrung, sie generiert auch Sinn. Wie umgekehrt die Wissenschaft nicht nur Sinn produziert, sie kann auch mit der Erfahrung lernen. Erwartungslücken mobilisieren aber auch Eigenpotenzial. Dort, wo die Wissenschaft an aporetische Grenzen kommt und die Erwartung nicht erfüllt Antworten geben zu können, mobilisiert sie die Kommunikation und Reflexion der Praxis. In dieser Bereitschaft zur Enttäuschung realisiert die Wissenschaft ihre eigene Kommunikationspartnerstellung und ihre mäeutische Funktion. Diese Bereitschaft, Fähigkeit und Verantwortungshaltung der Kommunikationswissenschaft, durch potenzielle Enttäuschung die Achtsamkeit (Sinnhaltung) der Praxis für sich selbst zu animieren, ist zum einen die Achtung des Subsidiaritätsprinzips, zum anderen aber nicht nur eine realistische Einschätzung der Grenzen, sondern geradezu eine kommunikative Kompetenz. Sie besteht in der Selbstdefinition der Wissenschaft als Diskurs bzw. Dialogpartner (z. B. der Praxis) nicht mehr und nicht weniger zu sein als ein Teil des Problems, über das man verhandelt, wie sie auch ein Teil der Lösung ist bzw. nur sein kann. Kommuniziert sich die Kommunikationswissenschaft deutlicher in diese Richtung, dann haben Erwartungslücken, die zwischen Wissenschaft –  93 –

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und Praxis entstehen, nicht mehr den negativen Anstrich, sondern sind als Positionen der Herausforderung für Wissenschaft und Praxis sogar als positiver Faktor der Entwicklung zu werten. Die Kernkompetenz der Kommunikationswissenschaft liegt nicht darin, ein exklusives Wissen über Kommunikation zu archivieren und akademisch zu verwalten, ihre Kompetenz liegt im Aufbau von Verbindungs- und Anschlusspositionen zu wissenschaftlichen Klärungszusammenhängen über Kommunikation aus anderen Fachbereichen und in der Entfaltung von offenen Enden, um von anderen Disziplinen auch als ein clearing house identifiziert und angenommen zu werden. Im Interesse der Orientierung für die Kommunikationspraxis und für andere Wissenschaftsbereiche wird die Kommunikationswissenschaft für die Zukunft lernen, sich als Agentur zu verstehen, die jenes Know-How der Aufbereitung, der Verknüpfung, der Besetzung mit Aufmerksamkeit und der Mediation entwickelt, durch das sie medien- und kommunikationsrelevantes Wissen zugänglich und für verschiedenste Problematisierungskomplexe abrufbar macht. In diesem Sinne wird die Kommunikationswissenschaft für die Zukunft wohl noch heftiger einfordern dürfen, das zu sein und das zu tun, worüber sie reflektiert  : Ein Suchvorgang, der sich selbst nicht durch die Anmaßung des Verfügens über objektiviertes Wissen abschließt, wo die Zusammenhänge immer anders ausfallen (scheitern) können, als man sie gerade fixiert. Natürlich kann und wird ein solcher Suchvorgang strukturiert werden. Er bildet ein System aus, in dem Begriffe, Theorien, Konzepte, Perspektiven und Methoden einen sinnvollen und funktionalen Denk- und Handlungszusammenhang ergeben, mit dem gesellschaftliche Vorgänge als Kommunikation beschreibbar sind. Dieses System kann aber nicht die Beschreibung von Kommunikation selbst sein, sondern bestenfalls die Beschreibung des Weges, wie man Kommunikation wissenschaftlich denken kann. Denn diese gesellschaftlich strukturierten, organisierten oder systematisierten Zusammenhänge (Prozesse) selbst sind nicht das wissenschaftlich mögliche Erkenntnisobjekt Kommunikation, sondern eigentlich (nur) die kulturelle Vergegenständlichung von kommunikativen Versuchen. Eine Kommunikationswissenschaft, die diese Vorläufigkeit ihrer Erkenntnis einbekennt, wird sich als Suchsystem, als seismografisches Instrument verstehen, das in der Analyse von objektivierbaren Handlungszusammenhängen für mögliche subjektive Kommunikationswelten sensibilisiert. Das impliziert das mögliche Scheitern gegenüber Vorstellungen oder Anmaßungen einer (oder an eine) Wissenschaft, die (oder von der man) gewohnt ist, Recht zu haben oder Recht zu geben. Das Scheitern von Verständigung ist ein implizites Merkmal der –  94 –

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Kommunikation und hat Funktion. Es begründet nicht nur neue Kommunikationsvorgänge, sondern ist auch die logische Prämisse für die Freiheit und für die Verschiedenheit von Kommunikation. Eine Wissenschaft, die sich auf diese Einschätzung einlässt, operiert nicht mit Antworten, sondern mit Fragen und organisiert sich als ein Suchsystem, dessen Kompetenz darin besteht, aus dem, was es beobachtet, das bisher Nicht-Beobachtete von dem Schon-Beobachteten zu filtern, um Wissen dazu zu nutzen, das Nichtwissen benennbar zu machen. Kommunikation ist ein weites Feld, in dem jede als Wissen (Theorie, Erkenntnis, Ergebnisse) vermutete Größe die Dimension dessen, was man als nicht zu wissen vermuten muss, um ein Vielfaches multipliziert. Um dieser Herausforderung begegnen zu können, braucht es offene und interaktive Formate der Wissenschaft in Theorieentwicklung, Forschung und Ausbildung. Mit dem Gedanken an in diesem Sinne neue Formate der Wissenschaft verbindet sich die Erwartung, die Kommunikationsleistung der Kommunikationswissenschaft zu mobilisieren bzw. das Engagement in der Realisierung ihrer Vermittlungskompetenz zu akzentuieren. Gemeint ist hier ein System des kommunikationswissenschaftlichen Diskurses, der sich in Forschung, Lehre, Ausbildung und Beratung deutlicher als bisher auf die differenzierten Erwartungen einer Gesellschaft einlässt, die sich zunehmend den Forderungen von Kommunikation und Wissen in Wirtschaft, Kultur, Bildung, Politik und Alltag gegenübersieht. Selbstverständlich tangiert eine solche Formatierung nicht nur die Mediatisierungsleistung, sondern auch die Entscheidungszusammenhänge in den Sach- und Fachfragen der Wissenschaft. So gesehen braucht die Kommunikationswissenschaft mehr philosophische und epistemologische Kompetenz (vgl. Meidl 2009), sie braucht Theorien, die fähig sind, utopische Horizonte zu erreichen und durch herausfordernde Perspektiven zu intelligenten Regelbrüchen in Theorie und Praxis anstiftet. Sie braucht zugleich Theorien, die zwischen utopischen Idealen und konkreter Praxis vermitteln und Konzepte, durch die Kommunikationsideen (z. B. kommunikative Qualität, kommunikative Ethik) nachhaltig (schrittweise) in der Praxis etabliert werden können, um so die realen Verhältnisse zu entwickeln. Daher braucht sie weniger Verdinglichung, aber großzügigere und großflächigere, mehr als Prozess verlaufende und auch auf das Ende ihrer Brauchbarkeit eingestellte Theoreme zur Bindung von hypothetischen oder praktischen Zusammenhängen. Sie braucht weniger Modelle oder Ansätze, welche die Kommunikationsanalyse zur Kleinkramarbeit machen, dafür mehr Protokolle, die den Gang über oder durch Diskursflächen beschreiben.

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Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft Ein theoretisches Programm von und für Medienbildung

Lebenszusammenhänge werden zum größten Teil dadurch bestimmt, mit wem man in welchen Beziehungen, Vorstellungen, Beobachtungen und Handlungen welche Geschichten und Diskurse (Schmidt 2003) teilt. Lebenskompetenz wird dadurch bestimmt, in welchem Maße von Einsicht und Umsicht man es versteht, im Rahmen dieser Zusammenhänge die Balance von SelbstSein und Mit-den-Anderen-Sein so zu gestalten, dass man einerseits Souverän seiner Vorstellungen und Pläne wird oder bleibt, dass man andererseits eben diese mit den Vorstellungen und Erwartungen – durch welche Beziehungen auch immer relevanter – Anderer so verbunden oder zu verbinden weiß, dass sie eine produktive (dialektische) Komponente der Eigengestaltung von Wirklichkeit darstellen. Das gilt natürlich auch vice versa  : das eigene Leben zu leben versteht, wer sich in der Lage weiß, die Lebensbedingungen derer, denen man sich verbunden weiß, als Erwartungen, Chance oder Zumutung so wahrzunehmen, dass eben diese wissen, dass man sich selbst auch auf ihrer Seite weiß und Teil ihrer Lage ist, obwohl man das ihnen gegenüber nur sein kann, wenn man das eigene Selbst bleibt. Generell gründet Vertrauen – wie die Wortverwandtschaft schon zum Ausdruck bringt – auf der Unterstellung, dass der, dies und das, dem und der man traut, sich treu bleibt. So richtet man sich Verhältnisse ein, um auf diese eingestellt bleiben zu können, weil neue oder gar überraschende Verhältnisse neue Beobachtungsanstrengungen abverlangen würden. Distanz und Nähe sind die Größen, mit denen man das Verhältnis zu sich und zu anderen bemisst. Die Fähigkeit, in kritischer Distanz zu sich selbst und in kritischer Nähe zu eben den Anderen zu sein, ist vermutlich die Balance, die den intelligenten Umgang mit sich gegenüber Anderen und mit Anderen gegenüber sich selbst ermöglicht (vgl. Piaget 1973). Die Prinzipien dahinter, aufgearbeitet im Kontext konstruktivistischer Kommunikationsforschung (vgl. hier Watzlawick/Bavelas/Jackson 1974), heißen Empathie auf der Beziehungsebene und Dialektik auf der Argumentationsebene. Sie besagen nichts anderes als die Kompetenz (das heißt  : Fähigkeit, Bereitschaft, Zuständigkeit und Verantwortung) und die Übung, sich in die Lage Anderer zu versetzen, um sich in deren Mühe, Lust oder Leidenschaft einzufühlen (in pathos) und –  102 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

diese Wahrnehmung als notwendige Ergänzung zur eigenen Beobachtung zu erfahren. Dabei lässt sich erkennen, dass die eigene Sicht aus eigener Lage erst durch die Einmischung der anderen Sicht aus anderer (möglicherweise widersprüchlicher) Lage die mögliche ganze, zumindest notwendig ergänzte Konstruktion von Wirklichkeit ausmacht. Der potentielle Gegensatz der Positionen erweist sich im Klima der Empathie als der eigentliche Gewinn. Unterschiedliche Lebenszusammenhänge (Familie, Organisation, Gruppe) bilden und verlassen sich auf je verschiedene Empathiemuster, jeweils auch verbunden mit den entsprechenden Chancen, Belastungen und Dramen (vgl. z. B. Miller 1983, Taylor 2002  : 78ff ). Beziehungen leben immer in Geschichten und Geschichten entwickeln sich bzw. werden wahrgenommen im Modus der Zuordnung von Relevanz (vgl. Schütz 1971, Schütz/Luckmann 2003). Es braucht daher nicht viel Argumentation, um dieses soziologische Konzept der Beobachtung von Lebenszusammenhängen als metatheoretischen Horizont zu nutzen für die Beschreibung des individuellen wie gesellschaftlichen Lebens im Kontext von Medien bzw. Mediengebrauch. Die Annahme bleibt – mutatis mutandis – die gleiche  : Der Alltag ist als solcher dramatisiert und typisiert durch Zuordnung und Erwartung von Relevanz. Was aus sich im Grunde keine Einheit ist (Einzelelemente einer als Kette von Ereignissen wahrgenommene Zusammenhänge) wird eine solche (ein spezifischer Lebenszusammenhang) durch die relevanzerwartete Beobachtung. Medienwelten sind in diesem Sinne mit spezifischer (medientypischer) Relevanzerwartung thematisierte und im Hinblick darauf dramatisierte Lebenswelten. Sie werden durch die Zuordnung von Relevanz (Relevanzerwartungen) als solche typisiert. Der alltägliche Mediengebrauch ist im Hinblick auf die im Umgang mit Medien typisierten Relevanzerwartungen dann das eigentliche Mediengeschehen und in diesem Sinne „das Medium“. Alltagstheoretisch gefasst ist „das Medium“ durch sein Geschehen im Gebrauchszusammenhang als solches (eben  : als Medium) merkmalstypisch gekennzeichnet. Medientypische Lebenszusammenhänge sind dann als Ereignisketten erkennbar, die so nicht sind, weil sie nicht anders verlaufen könnten, sondern so sind, weil sie so im Hinblick auf bestimmte Relevanzen (Thema, Motivation, Auslegung – vgl. Schütz 1971  : 107) den Verlauf des Zusammenhangs von Beobachten, Verstehen und Handeln bestimmen. Es ist die Konstruktion von Relevanz, merkmalig gemacht durch den subjektiven und dennoch in soziale und kulturelle Kollektive eingeordneten Gebrauch apparativer oder programmlicher Systeme, die „dem Medium“ die Bedeutung zuordnet, die es hat. In diesem Sinne ist der Gebrauch (jeweils bestimmt durch das interdependente Geschehen zwischen Bobachten, Verstehen und Handeln) das Geschehen, welches „das Medium“ –  103 –

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zu einem Medium macht. Die Unterstellung, die Vorstellung, die Beobachtung und die konkrete Ausfertigung des Lesens der Zeitung, des Hörens und Sehens der elektronischen Medienprogramme etc. machen die Zeitung, das Radio, das Fernsehen etc. zu dem, was sie bzw. was es ist. Ein so in einen alltags- und handlungstheoretischen Kontext gesetzter Medienbegriff (vgl. Bauer 2011) eröffnet (nun wieder rückgebunden zum Thema der Medienbildung) ganz andere Perspektiven der Kennzeichnung und der Problematisierung von Mediengesellschaft, Medienwelt, Medienalltag und Medienkultur, nämlich nicht solche von Strukturen und ihrer Organisation, sondern von Kulturen (Systemen der Relevanz) und deren Bildung. Es sind die Systeme der Relevanz – Thematisierung, Motivation, Auslegung – (vgl. Schütz 1971  : 87ff ) und deren Interdependenz, die den medientypisch verhandelten Stoff im Modus von „Geschichten & Diskursen“ (Schmidt 2003) ausmachen, aus dem sich die Gesellschaft eben als solche (Mediengesellschaft) versteht, historisch und strukturell jeweils eigens, unterschiedlich oder auch gemischt thematisiert, fokussiert und dramatisiert  : politisch, sozial, kulturell. Aus dieser Kontext-Setzung ergibt es sich, das Konzept von Lebenskompetenz als metatheoretischen Horizont und für die theoretische Konzeption von Medienbildung zu nutzen  : Bildungshabitus und Habitusbildung als pädagogik-theoretische Konzeption für die Beschreibung von „Medienkompetenz“ als kulturelle Signatur im (auch individuellen) Umgang mit den Chancen, den Herausforderungen und den Zumutungen der im Modus von Medien (Medialität) konstruierten Gesellschaft und den unter diesen Bedingungen sich kennzeichnenden subjektiven Lebenszusammenhängen. Es ist der Habitus (die „Lebenshaltung“) der Mediengesellschaft, die sich – so gebildet – politisch, sozial, kulturell und ethisch in täglicher Übung von Einstellung und Umstellung von Einstellungen nachhaltig auf zivile, soziale und kulturelle Dauer einzurichten weiß. Es bleibt die Frage  : aber wie  ? Wandel der Theorieprogramme Medienpädagogik oder Medienbildung  ? Die Debatte, die zwischendurch darüber geführt wurde, ist abgeebbt, wenn auch nicht wirklich ausgestanden (vgl. dazu Spanhel 2002, Hüther/Schorb 2005). Unter dem Sammelbegriff Medienpädagogik haben sich zu viele zueinander disparate Konzepte eingenistet – solche der Medienerziehung, der Medienkunde, der Mediendidaktik oder gar der Unterrichtstechnologie (vgl. Bauer 2008b, Hüther/Schorb 2005), was kein Wunder ist. Denn trotz unterschiedlicher Begründungsprogramme und trotz der unterschiedlichsten Anleihen aus Theorien zu Konzepten wie Sozia­ –  104 –

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lisation, Individuation, Partizipation, Emanzipation, Kommunikation, Kompetenz, Zivilgesellschaft, Medienwirkung, Medienfunktionen, Medienemanzipation, Mediensystemwelten, Lebenswelt und Lebenskulturen und – nicht zuletzt – zu Kulturwandel und Medienwandel ist den Konzepten erstens die Konzentration auf „das Medium“ als der Schlüssel für den Problem-Lösungszusammenhang und zweitens die Unterstellung der Funktionalität der Betriebe (Medien und Pädagogik) gemeinsam  : Der Medienbetrieb versteht sich aus seiner Funktion als kommunikative Drehscheibe von und für Gesellschaften und deren Teilsysteme, der Pädagogikbetrieb versteht (verstand) sich als (mitunter kritische und/aber systemisch notwenige) Irritation des Medienbetriebs mithilfe der pädagogischen Intervention des subjektiven Gebrauchs von Medien. Selbst wenn sich die Verwendung des Bildungsbegriffs in der Wortkombination mit Medien vor allem wegen der zunehmenden Einbindung des Konzepts des Medienwandels deutlicher für ein kultur- bzw. lebenswelt- und weniger ein funktionstheoretisches Verständnis der Theorie und Praxis der Medienpädagogik ausspricht (vgl. dazu Maurer u. a. 2013), müssten noch bestehende Symptome der Theorieschwäche (Gerüstschwäche) zugeordnet und diagnostiziert werden. Betroffen davon sind eigentlich alle Baustellen einer theoretisch begründeten Kultur- bzw. Sozialwissenschaft, hier  : die Reflexion der den Theorien impliziten Paradigmata (im Sinne von Kuhn 1976) und die Theoretisierung der der Bildungspraxis impliziten Konzepte (Kompetenz, Verstehen, Wissen, Analyse, Kritik, Beobachtung, Mediengebrauch, Medienwandel etc.) in der Beschreibung des Verhältnisses von Medien- und Bildungswelt. Gerade wegen der zunehmenden Referenz der theoretischen wie praktischen Medienbildung auf solche Universalkategorien wie „sozialer Wandel“ oder „Kompetenz“ ist eine reflexionstheoretische Aufarbeitung der Vorstellungen vom Verhältnis von Gegenstand und Gegenstandsbeschreibung angesagt. Dabei kann die non-dualistische Philosophie (vgl. Mitterer 2001, Weber 2005, Riegler/Weber 2010) durchaus das Mittel der Wahl sein. Denn sie ist es, die das Verhältnis von Bewusstsein und Gegenstand als Komplementärverhältnis (Schmidt 2003  : 84) zu verstehen gibt  : Der Unterschied liegt dann zwischen Objekt und Konzept. Dieser beobachtungstheoretische Unterschied kann theorie-methodologisch auf mindestens drei Abstraktionsstufen graduell nachgezeichnet werden (Carrier 2006  : 56ff )  : Versteht man solche Universalkategorien als Objekt, dann versteht man die eigene Position als Beobachter ihnen als mit Eigen-Sein ausgestatteten und so wahrnehmbaren Einheiten gegenüber und sucht (analysiert) deren Strukturmerkmale, um die so gewonnen strukturellen Abstraktionen in der Realität dann (vielleicht sogar zählbar) als existent nachzuweisen – ein eindeutig objekttheoretisches und ziemlich na–  105 –

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turwissenschaftlich anmutendes Verfahren gegenüber einer kulturellen Konfiguration. Verbunden mit dieser Annäherung ist dann im Umkehrverfahren die Vorstellung, dass, wenn man die Strukturen reproduziert (z. B. Wissen, Bildung, Verhalten, Organisation, Technik), man auch das Objekt verwirklicht bzw. es als solches reproduziert hätte. Meint man die Strukturen und Faktoren von als natürlich definierten Objekten zu kennen (und dafür beobachtet und analysiert man sie), dann sind sie so auch wiederholbar, standardisierbar, möglicherweise mechanisierbar. Soweit Medien ein infrastruktureller Komplex sind, ist das auch denkbar. So kann man sehr wohl den technischen bzw. organisatorischen Aufbau, auch deren Programme wiederholen, standardisieren, mechanisieren, nicht aber deren individuelle und/oder gesellschaftliche Bedeutung(en). Diese sind eine kulturelle Annotation, die als solche keine materielle oder organisatorische Struktur hat und sich in dem Moment selbst verliert, in dem sie entsteht. Wird mit dem Mediengebrauch (dem produktiven wie dem rezeptiven) die Kultur des Gebrauchs (die dem Gebrauch annotierte Deutung) gemeint oder die Funktion („Wirkung“),die man dem Gebrauch zuschreibt, und macht man eben diese Kultur zum Gegenstand der wissenschaftlichen Beobachtung, dann kann es nicht mehr das vernünftige Interesse von Wissenschaft oder wissenschaftlich fundierten Bildungsprogrammen sein, Deutungen (als Wirkungen oder Funktionen) im Modus der objektivierenden Beobachtung so zu wiederholen, dass sie auch praktisch wiederholbar werden. So macht man es aber in vielen Bereichen  : Wie macht man Journalismus, Werbung, Public Relations etc. kommunikationswirksam  ? Hier unterstellt man, dass, wenn man Handlungsstrukturen durch standardisierende Beobachtung wiederholt, man auch deren Funktionen (Wirkungen, Bedeutungen) wiederholen oder gar mechanisieren könnte. Das sind die theorie-theoretisch unkontrollierten Auswüchse einer Wissenschaft, die ihre Theorienarbeit an empirisch erfassten strukturellen Merkmalen festmachen und – ohne die Konstruktion der Empirie zu hinterfragen – als abstrahierende Beweise einer als objektiv verstandenen und so beobachten Realität darstellen. Dieser in der Kommunikations- und Medienwissenschaft lange vorherrschende Funktionalismus, der sich in Bildungsprogrammen (z. B. Studienplänen) oft als simple Praxeologie (wenn nicht gar Pragmatik) von und für Kommunikations- und Medienberufe niedergeschlagen hat, war denn auch der Referenzahmen für das theoretische und praktische Bauprogramm der Medienpädagogik (vgl. Bauer 1980, 2008b)  : Der, wenn auch pädagogisch motivierte (also an Normen ausgerichtete) kritische Blick auf Strukturen und Funktionen von Medien könnte es ermöglichen, Funktionen (von Kommunikations- und Medienstrukturen) zu erkennen, am besten solche, die die –  106 –

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interessensgeleitete Medienpraxis meist ausblendet (ethische, kulturelle, gesellschaftliche), sodass sie dann in kognitiven Strukturen verfestigt (Wissen und Bewusstsein) als solche durch Verhalten produzierbar und wenn möglich (Einsicht, Vernunft, Kontrolle) auf Dauer reproduzierbar und standardisierbar werden können. In dieser theoretisch-methodischen Programmatik war und ist „die Pädagogik“ genauso funktionalistisch ausgerichtet wie die Medien- und Kommunikationsforschung. Es ist eben diese erkenntnistheoretische Ausrichtung der wissenschaftlichen Beobachtung – erkennen zu wollen, welche Strukturen welche Funktionen ermöglichen oder welche Strukturen es braucht, um bestimmte erwünschte oder wünschbare Funktionen (vgl. Sturm 1984, 1991) sicherzustellen und unerwünschte zu desavouieren, die zugleich von den Disziplinen selbst wieder als der ihnen von der Gesellschaft zugemutete Funktionsnachweis ausgelegt wurde –, die deren theoretische und edukative Programme zu Farmen der Reproduktion von kanonisiertem Wissen und (damit kompetenz-kompatibilisiertem, gesellschaftlich bzw. beruflich wünschbarem) Verhalten. Ein solcher Ansatz ist typisch und möglicherweise vernünftig für Gesellschaften und Organisationen im Aufbau (vertikale Versäulung, Verankerung), aber ohne sozial-kulturelle Konsolidierung (horizontale Vernetzung) nicht nachhaltig. Es ist die „Logik der Sorge“ (vgl. Stiegler 2008), die daran interessiert ist, ob auch stimmt, was man weiß oder wie man stimmig machen kann, was man zu wissen oder wissen zu müssen meint. Sorge und Probe sind die Pole von Technologie (vgl. Bauer 2011  : 523ff ), im Kontext von unsicheren oder verunsicherten Rahmenbedingungen der Existenz aber scheint sich das Programm der Sorge nach vorne zu schreiben. Das technizistisch-pragmatische Erkenntnisinteresse (vgl. Habermas 1973a) mischt sich mit dem Gedanken und mit dem Wunsch der Perfektion in die Beobachtung von Zusammenhängen und macht sie so zur Kontrolle von Gegebenheiten, die, um sie auch diskursiv und differenzlogisch abzusichern, in objektivierten und damit für immer gemachten (perfekt, Perfekt) und so wiederholbaren Definitionen verankert werden. Das affirmiert bestehende Verhältnisse und deren möglicherweise gewünschte Deutung, macht sie aber im Sinne von Nachhaltigkeit unter den Bedingungen sich ändernder Umwelten nicht beständig. Das nachhaltige Interesse von Pädagogik ist Bildung – und nicht Pädagogik. In dieser Aufschlüsselung ist die Nachhaltigkeit von Medienpädagogik ein noch zu leistendes Programm der Medienbildung. Nachhaltigkeit ist eine Beschreibungsmetapher für die Vorstellung, dass gedachte, ausverhandelte, gefertigte oder organisierte Zusammenhänge Ressourcen sind, die über die Grenzen ihres unmittelbaren Gebrauchs hinausreichen, jenseits der Grenzen von Zeit, von Generationen, von Kulturen oder Gesellschaften. Die Metapher –  107 –

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ist normativ und im Sinne der Norm des sorgsamen Umgangs und des womöglich reproduktiven Gebrauchs von und mit allem, was sich als Ressource des Lebens deutet, vernünftig  : Sicherung der gerechten Verfügung und Verteilung von Ressourcen, sowohl historisch-vertikal wie sozial-horizontal. Um bei der Metapher zu bleiben  : In diesem Sinne sind Theorieprogramme oder Bildungsprogramme nachhaltig, wenn sie so tief reichen (gründen), dass sie nicht schon in der Nutzung ihrer Oberflächen (Begriffsstrukturen) verbraucht sind bzw. wenn sie so kontextualisiert sind, dass sie durch eine vielseitige Verankerung (Versäulung) ein horizontalisiertes Netz von Relevanz anzugeben in der Lage sind. Wenn dann z. B. erkennbar wird, dass Medienbildung eben nicht nur ein Programm der institutionellen Pädagogik ist, sondern auch eine theoretisch begründete Implikation der Qualität diverser Praxisfelder wie Demokratiepolitik, Gesellschaftspolitik, Wirtschaftsmanagement etc., dann kann man von horizontaler Nachhaltigkeit eines Medienbildungsprogrammes sprechen. Um Kulturkonstrukte wie Kommunikation, Kultur, Gesellschaft und ähnliche andere Beobachtungs- und Handlungszusammenhänge theoretisch zu verstehen bzw. verstehbar zu machen, ist man wissenschaftsmethodisch aber nicht nur auf Objekttheorien der eben beschrieben Art angewiesen. Die Kulturprogramme der Alltagswahrnehmung machen deutlich, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, vermutete Zusammenhänge so zu theoretisieren, dass sie das können, was man von Theorien erwartet (vgl. Seiffert 1971  : 146ff )  : erklären, ordnen, klassifizieren, problematisieren und womöglich prognostizieren. Die Alltagstheorie arbeitet mit sprachlich gebildeten Metaphern (Analogien), um ihren Beobachtungen eine Deutung zu geben bzw. um beobachten zu können, wovon sie vermutet, dass es Bedeutung hat. Im Umfeld des Kommunikationsbegriffes ist es der Kommunikationsbegriff selbst, der durch die semantische Aufladung (gemeinsam machen, vergemeinschaften) eine Beobachtungsperspektive aufmacht, die einen Zusammenhang sowohl empirisch, wie auch normativ, kritisch und pragmatisch deuten lässt. Alles, was wir als Kommunikation (mit eben dieser semantischen Aufladung) wahrnehmen, nehmen wir wahr anhand von Merkmalen (empirisches Interesse), bewerten es (normatives Interesse), suchen selektiv die Merkmale der Bestätigung oder Verletzung (kritisches Interesse) und beobachten, wie man es tut oder wie das Geschehen verläuft, damit es das ist, was wir wahrnehmen (pragmatisches Interesse). Ähnliches gilt für viele andere Begriffe, die im Alltag auch als Konzepte der Beobachtung verwendet werden  : Verstehen, Meinen, Macht, Herrschaft, Einfluss etc. –  108 –

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In der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Theorienbildung ist der Gebrauch von Universalbeschreibungen (Universalprogramme  : Kommunikation, Gesellschaft, Kultur, Bildung) nicht nur möglich, sondern auch üblich und somit oft notwendig. Auch hier dominieren semantisch aufgeladene Konzepte (Carrier 2006  : 64)  : Prozess, Vermittlung, Transport, Übertragung, Partnerschaft, Netz, Bildung etc. (vgl. Hepp 2008  : 66), mit denen man die Beobachtung von Handeln und die Handlung der Beobachtung empirisch, normativ, kritisch und pragmatisch beschreibt und deutet. Versteht und nutzt man solche Universalkategorien aber als semantisch aufladbare oder aufgeladene Metaphern (Carrier 2006  : 64) für Phänomene, die sich selbst nicht erklären, dann setzt man sie unter bezeichnenden Bezug und versteht sich in der Position der Beobachtung von Zusammenhängen, die, zueinander verbunden, offensichtlich Ähnliches meinen – ein Theoretisierungsverfahren (Phänomenologie, Interpretation), in dem sich schon ankündigt, dass die Bedeutung von Phänomenen nicht ein Charakterzug der beobachteten Objekte selbst ist, sondern die kulturelle Einmischung (Interpretation) der Beobachtung, also schon relativ deutlich eher eine konzept-, denn eine objekttheoretische Abstraktion. In dieser Version der Theoretisierung wird die Verstehens- und Verständigungsleistung von Wissenschaft (hier der Kommunikationswissenschaft) anders interpretiert als in der Version der Theoretisierung von Objekten. Die konzepttheoretische Leistung von Kommunikationswissenschaft ist es nicht und muss es nicht sein, selbst Objekte zu entwerfen, zu entdecken oder zu (re-)produzieren (vgl. Burkart 2002a  : 35ff, 2002b), sondern die theoretischen Entwürfe aus der Alltagsbeobachtung empirisch (was ist es  ?), normativ (wozu ist es, wie es ist  ?), kritisch (warum ist es, wie es ist  ?) und pragmatisch (wie macht man es, dass es wird, wie es ist oder sein könnte) auf nächster methodologisch begründeter Ebene nachzubetrachten  : Beobachtung von Beobachtung (vgl. Mitterer 2001  : 28, Schmidt 2003  : 27). So gesehen ist Kommunikationswissenschaft die Beobachtungsinstanz von Alltagsbeobachtung, weil sie – als Wissenschaft – über Kommunikation auch nicht mehr sagen könnte, als es die Alltagsbeobachtung tut. Was sie allerdings kann, ist  : Sie kann es anders sagen, als Deutungen (Semantiken) nachdeuten, ausdeuten, umdeuten. Eine dritte Version der Theorienentwicklung für Kulturkonstrukte (nach den Modellen von Objekttheorie und Konzepttheorie) ist die der Kontexttheorie, wie sie vor allem im Umfeld der Cultural Studies Profil gewonnen hat (vgl. Williams 1958, Grossberg 1997, Hall 1980). Kommunikation, Kultur, Gesellschaft, Bildung (die hier relevanten Begriffe) verstehen sich kontexttheoretisch als abstrahierte Fügungen (Kontextualisierung) von unterschiedlichen Erfahrungsund Sinnbestimmungszusammenhängen, die sich so sowohl in das Kultur- wie –  109 –

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auch in das Funktionsgedächtnis von Gesellschaft einschreiben  : Wie deutet man und wie funktioniert die Gesellschaft  ? In beiden Sphären der sozialen und gesellschaftlichen Gedächtnisbildung finden sich Sinnkonstellationen, die im Zuge der kulturprogrammierten Unterscheidung das eine mit dem anderen verbinden. So weiß man, dass Kommunikation mit Wahrheit, Glaubwürdigkeit, Durchsetzung, Macht, Gemeinschaft etc. zu tun hat und daher sowohl den Zugang zu diesen Werten erschließt wie umgekehrt (erst) diese Werte das sicherstellen, was Kommunikation zu dem macht, was sie sein kann. Und man weiß, dass Kommunikation zu tun hat mit Organisation, Politik, Öffentlichkeit, Medien, Familie, Wirtschaft, Bildung, Religion etc., also eine strukturelle Qualität gesellschaftlicher Institute darstellt, die ohne diese Ressource nicht das sein können, was sie sind oder zu sein vorgeben. Versteht man solche Universalprogramme (wie Kommunikation, Kultur, Gesellschaft, Bildung) als Wissensmodelle (Modelle für die Generierung von Wissen) auf der Basis der Kontextualisierung und Assimilierung von deutungsverwandten Beobachtungen zu einem Sinnmodell von Beobachtung (Modell für bewusstes Beobachten), dann ist die theoretische Abstraktion am Ende ein Konzept der Kontextualisierung, d.h. ein Beschreibungsmuster der möglichen Vergegenwärtigung und Vergegenständlichung des Bewusstseins des Einen durch das Andere  : So beschreibt die Theorie der Gesellschaft das Verhältnis von Kultur und Kommunikation, wie die Theorie von Kommunikation das Verhältnis von Kultur und Gesellschaft, oder die Kulturtheorie jenes von Kommunikation und Gesellschaft beschreibt. Kategorien wie der „soziale Wandel“ oder „Kompetenz“ sind dann nicht imponderable Bedingungen, die dummerweise eine Umstellung von Medien- und Bildungswelt verlangen, damit auch da wieder Ordnung geschaffen wird, sondern sind Vernunftkonzepte einer Gesellschaft, die sich des generativen Potenzials der Medialität ihrer Bildung bewusst ist und sich daher die Bildung ihrer Medialität bewusst zum Programm macht. Eben dafür braucht es reflexive Impulse  : Epistemologie  : Worauf fokussiert das Erkenntnisinteresse von Medienbildung  ? Auf Probleme, die Medien machen oder auf Probleme, die die Gesellschaft mit ihrer strukturellen Medialität hat  ? Und was ist ihre Interventionsabsicht  : Medienschäden im Weg der Verarbeitung oder Immunisierung durch Bildung (Kompetenz) auszubügeln, individuelle Wünsche, Erwartungen und Strategien der Aneignung von Wirklichkeit auf die Mechanismen der Medienwelt ein- und abzustimmen oder den Wert der Gesellschaftlichkeit sozialer Kommunikation mit den Problemen erklären, deren man sich bewusst sein muss, wenn man will, dass „die Gesellschaft“ sich ihrer selbst annimmt (soziale Kompetenz, Autonomie)  ? Wie denkt man Bildung im Kontext von Gesell–  110 –

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schaft und Gesellschaft im Hinblick auf ihre Bildung (vgl. Bauer/Hamberger 2002)  ? Was gilt es dabei wie zu verwissenschaftlichen  : Bildung als Dispositiv eines vernünftigen Mediengebrauchs oder der kompetente Mediengebrauch als Dispositiv gesellschaftlicher Bildung  ? Welche paradigmentheoretischen Entscheidungen sind zu treffen und wie reflektiert und deklariert man sie  ? Methodologie  : Mit welchen Mustern im Kopf entwickelt man welche Hypothesen (vgl. Carrier 2006  : 98ff, Meidl 2009)  ? Mit welchen theoretischen Annäherungen kann man die Problemmaterie glaubwürdig interpretieren  : mit struktur- oder mit kulturtheoretischen Konzepten  ? Ist die Problemmaterie eine strukturtypische oder eine kulturtypische  ? Und wenn kulturtypisch, wie kann man dann das Verhältnis von Gegenstand (Medienkultur) und Gegenstandsbeobachtung (Medienbildung) beschreiben  ? Kann man einen im Modus einer kulturellen Konfiguration (Konstruktion) explizierten Gegenstand von dessen Beschreibung (Metaphorisierung) unterscheiden oder analytisch trennen  ? Macht es theoretisch legitimierten Sinn, das Personenmodell von Kommunikation, meist als „Partnerschaft“ klischiert, idealisiert, ideologisiert, als Originalmodell von Kommunikation für die Idealbeschreibung (Normenbeschreibung) von Medienkommunikation zu verwerten  ? Was ist der angemessene Erkenntniszugang  : Geht es um die Beobachtung von Gegenständen (Analyse), von Wahrnehmungen (Phänomenologie) oder von Alltagswissen (Interpretation, Hermeneutik, Beobachtung von Beobachtung)  ? Kommunikationstheorie  : Was ist das Originalmodell von Kommunikation  ? Ist es wirklich das der so genannten „interpersonalen Kommunikation“  ? Mit welchem Personenbegriff arbeitet ein solches Theorienmodell  ? Welche theoretische Position hat der Kommunikationsbegriff gegenüber dem Personenbegriff und welche im Verhältnis zum Medienbegriff  ? Machen Personen mit(hilfe von) Medien Kommunikation oder macht die Kommunikation der Gesellschaft Personen und Medien zu dem, wie wir sie meinen  ? Wie, wenn das Konzept von Kommunikation nicht technologisch, sondern existenzlogisch ausgelegt wäre  ? Wie würde man dann das Konzept von Kompetenz auslegen (müssen)  ? Und abgesehen davon und überhaupt  : auf welches paradigmentheoretische Konzept von Kommunikation konzentriert sich die theoretische Medienbildung  : auf ein handlungs- oder auf ein beobachtungstheoretisches Modell  ? Was ist der Anspruch oder die Zumutung von Kommunikation, wenn sie als Handlung (Kompetenz) begriffen wird, im bildungstheoretischen Kontext  ? Und was wäre der Anspruch, was die Zumutung, wenn sie als Beobachtungsbegriff (Reflexion, Aufmerksamkeit) konzipiert werden würde  ? –  111 –

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Medientheorie  : Auf welches Verständnis von Medien muss/kann/soll sich die theoretische Konzeption von Medienbildung einlassen  : auf ein strukturtheoretisches Modell, in dem Medien wie eigenständige Operationen der Gesellschaft gegenüber verstanden werden  ; oder auf ein beobachtungintegriertes Modell, in dem Gesellschaft als Modell ihrer Medialität und Medialität als der Modus von Gesellschaftlichkeit verstanden werden  ? Ist ein theoretisches Konzept, das nicht weiter reicht, als die gesellschaftliche Praxis uns vorgibt – die industrietypische Kompetenzaufteilung zwischen Produktion und Konsumation – ein hinreichendes und nachhaltiges Konzept der wissenschaftlichen Analyse von Medienkommunikation, um daraus Szenarien der Medienbildung zu fabrizieren  ? Gesellschaftstheorie  : Was ist hier relevant bzw. was die eigentliche Problematisierungsperspektive  : das Kulturverständnis von Gesellschaft oder das Gesellschaftsverständnis von Kultur  ? Was ist das Vernunftmodell einer aufgeklärten Gesellschaft  ? Wenn es Verständigung ist (vgl. Habermas 1981), müsste dann nicht ein kommunikationstheoretisches (verständigungstheoretisches) Modell von Gesellschaft die Basis für ein gesellschaftstheoretisches (nicht individualtheoretisch aufgesetztes) Modell von Medienbildung sein  ? Würde ein verständigungstheoretisches Modell von Medienbildung nicht viel weiter ausholen und grundsätzlicher argumentieren können als eine (im Sinne der Einzelontologie von Medien) gebaute Medientheorie (vgl. Leschke 2007)  ? Und ginge es dann überhaupt noch um Medien oder Medienkompetenz  ? Bildungstheorie  : Was kann die pädagogische Theorie, was die Bildungstheorie nicht schon längst könnte  ? Was ist das Vernunftmodell von Pädagogik (schon) gegenüber dem anthropologischen Originalmodell von Bildung  ? Ist der auf das Individuum konzentrierte Ansatz der theoretischen wie der praktischen Pädagogik (Sozialisation, auch hier wie bei Medien die Personeneinzelontologie) dem gesellschaftlichen Problemkomplex von Medienkultur und Medienbildung theoretisch gewachsen  ? Geht es wirklich (nur) um Literacy oder – noch enger  : um Media Literacy, ein der Organisation von Gesellschaft und der mit dieser spezifisch geformten Zivilisation und Lebenskultur geschuldetes Konzept  ? Könnte es, weiter und grundsätzlicher ausgreifend, nicht doch und eigentlich um die Kultur der sozialen Verständigung, um das Verstehen unter den Bedingungen der Medialität (und in diesem Sinne um Medienverstehen – Understanding Media) gehen  ? Um ein Konzept, mit dem man beschreibt, dass jene Gesellschaft sich selbst zu verstehen in der Lage ist, die die strukturellen Bedingungen und die kulturellen Werte ihrer Konstitution (Kommunikation im Typus von Medien und Gesellschaft im Modus ihrer –  112 –

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Medialität) bewusst (gebildet) ins Auge fasst, um im Kontext von Bildungsprogrammen Menschen (Individuen, Personen) dabei zu unterstützen, ihr im Zeichen des Mediengebrauchs konstruiertes Verhältnis (Wahrnehmung, Verständnis) zu ihren (ihrer) Umwelten zu reflektieren und zu balancieren (vgl. Piaget 1966)  : Natur, Gesellschaft, Gemeinschaft, Kultur, Politik, Ökonomie  ? Es sind zu viele und zu grundsätzliche Baustellen, als dass es bei der Frage Medienpädagogik oder Medienbildung nur um Einzelbegriffe gehen kann. Es geht hier nicht um Begriffe, sondern um den Umstand (Bestand) der Begrifflichkeit von Wissensmodellen (hier  : Kommunikation, Kultur, Person, Gesellschaft, Bildung), die sich nur als Begriffe und nicht als Objekte von Begriffen ausweisen oder nachweisen lassen. Noch dominieren pädagogische Leitbegriffe – Medienkompetenz, Medienkritik, Media Literacy – den mittlerweile zunehmend bildungstheoretisch aufgesetzten Diskurs. Davon dass Medienbildung (einmal alles in eins genommen  : Medienkompetenz, Medienkritik, Media Literacy) nicht ein wie immer (vielleicht nur moralisch) begründeter kosmetischer oder kosmologischer Nachsatz zur Praxis und Theorie des vernünftigen Mediengebrauchs sein müsste, sondern dass Medienbildung ein der Kommunikationswissenschaft inhärentes Vernunftkriterium sein könnte, war bisher nur selten die Rede (vgl. Bauer 2002), obwohl es sich eigentlich aufdrängt – allerdings eben nur dann, wenn man unterstellt, dass die Beschreibung des Gegenstands eigentlich Gegenstand der Beschreibung ist. Wenn man als Vorstellung beobachtete Zusammenhänge wie Kommunikation, Kultur, Gesellschaft (wissenschaftlich) beschreibt, beschreibt man, wie man Kommunikation, Kultur oder Gesellschaft beschreibt. Deshalb müsste – wissenschaftstheoretisch schon immer gefordert – in die wissenschaftliche Beschreibung von Medien (Medialität als strukturelles und kulturelles Merkmal ihrer Selbstorganisation) als die soziale und kulturelle Umgebung von Kommunikation und in diesem Sinn als der Stoff, aus dem sich Gesellschaften bilden (verstehen), das Moment der Bildung (Verstehen) als kritisches Moment immer schon eingebunden sein. Umstellung von Einstellungen Die folgende Auseinandersetzung mit den möglichen Positionen und Optionen von Medienpädagogik bzw. Medienbildung versucht, um genau dies näher zu begründen, die Theoreme der traditionellen, klassischen Medienpädagogik aus den Engführungen objekttheoretischer und teilweise objektiv-ontologisch gefasster Konzepte („die Medien“, „das Publikum“, „der Rezipient“, „der Produzent“, „die Aussage“, „die Botschaft“, „die Nachricht“, „die Unterhaltung“, „die –  113 –

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Wirkung“, „ die Sozialisation“) freizuspielen und sie – was die Gesellschaftlichkeit von Kommunikation und Medien betrifft – kulturtheoretisch und – was deren Erkenntnisperspektive betrifft – unter konstruktivistisch erweitertem Horizont in einem integrierten theoretischen Konzept von Medienbildung neu, großflächiger und zugleich vertiefter aufzurollen. Die Problemmaterie des – wie immer geforderten – vernünftigen Mediengebrauchs ist zu komplex und sowohl theoretisch wie praktisch mit zu weit reichenden Sphären des Erkennens, Beobachtens und Handelns vernetzt, als dass sie auf ein simples funktionslogisch gedachtes Dreiergespann von Medien, Individuen und Pädagogik reduziert werden könnte. Alles, was als Problemgeschehen identifiziert und analysiert wird, ist ein solches der Betrachtung und der Interessen (inter-esse  : ein integrierter Teil dessen sein, was man betrachtet, dynamisch gedeutet  : sich einmischen), aus deren Blickwinkel sich Elemente als Merkmale der Erkenntnis in Erinnerung rufen (vgl. Piaget 1973  : 22). Die Zusammenhänge, die man zu erkennen meint, bilden sich so ab, weil der Kontext, in dem man sie wahrnimmt, auf ein Szenario der Bedrohung, Infragestellung oder Verletzung eines Gestalt-bildenden Deutungsbündels aus Sinn, Desideraten und Aporien, emotional und kognitiv aufgeladen mit Erwartungen, Angst und/oder Hoffnung, referiert. Es gibt keine Aneignung von Welt ohne Bezug, erst recht nicht wenn man bewusst wahrnehmen möchte, was man beobachtet oder bewusst beobachtet, was man wahrnimmt. „Welt“ ist ein Alles- bzw. ein Alles-ist-möglich-Begriff und als solcher ein Deutungsbegriff, der keinen Gegenstand beschreibt, sondern die Gegenständlichkeit von Erfahrung insinuiert. Weltdeutung ist nicht die Abbildung oder die sprachlich gefasste Kopie einer „der Welt“ eigenen Bedeutung, sondern die Beschreibung dessen, in Bezug worauf (Sinn) und wie (in welchen Mustern, Matrizen, Frames) man sieht, was man sieht. Individuell und subjektiv mögliche Deutungen werden unter Bezug auf Soziabilitätsforderungen kulturell assimiliert und zu Be-deutungen konfiguriert, die ihrerseits wieder in kulturellen Strukturen (Sprache, Rituale, Protokolle, Alltagslogiken, Kulturprogramme etc.) archiviert (verzeitigt, wenn nicht gar verewigt) werden. Am Ende werden solche Weltdeutungen, weil sie als – wie immer  : logische – Begründung der alltäglichen Praxis unterstellt werden, selbst so weit objektiviert, dass eine Infragestellung schlicht als „weltfremd“ gewertet wird. Im Hinblick auf die „Welt der Medien“ wird durch den Begriff schon deutlich, dass es sich um eine spezifische Deutungswelt handelt mit Bezügen zu anderen Deutungswelten wie Kommunikation, Organisation, Technologie, Industrie, Ökonomie, Politik, Kultur, Bildung etc. Ob aber diese Welt wirklich die wahre, richtige und wichtige, weil notwendige und nicht anders mögliche Welt „der Medien“ ist, ist eine Frage der hinreichenden Reflexion der Beob–  114 –

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achtung. So z. B. muss man diese Welt „der Medien“ nicht verstehen im Modell der Aufteilung in industrietypischen Rollen (Produzenten, Konsumenten), in Kompetenzen (Journalismus, Politik, Publikum etc.), gemäß ihrer Technologie (Print-Medien, elektronische Medien etc.) oder entsprechend ihren diskursiven Figuren (Nachricht, Meinung etc.). Aber Wenn (und indem) man es tut, rekurriert man ohne weitere Reflexion auf ein Ordnungsmodell von (Medien-)Welt, das die bestehende Praxis einer in Kompetenzmustern organisierten Gesellschaft (Verteilung von Gesellschaftlichkeit) zum Bezugsrahmen der Problembeschreibung und dessen Infragestellung durch nicht oder noch nicht angepasste bzw. durch sich ändernde oder grundsätzlich andere Gebrauchsmuster (Medienwandel) zum diskussionswürdigen Problemgeschehen erklärt. Soweit „die Medienpädagogik“ sich über diesen Rahmen nicht hinausgewagt hat, ist sie schlicht Systempädagogik geblieben. Im Umfeld der gesellschaftlichen Umbrüche, die immer Umbrüche der Kommunikationsmuster sind, reicht das schon lange nicht mehr. Die Arena der Medienpädagogik ist weiter zu fassen als der Raum der Beobachtung des Spiels von Medien und Pädagogik auf dem Rücken von Individuen. Sie braucht den Raum der reflexiven Beobachtung des Verhältnisses der Gesellschaft zu sich selbst unter den Bedingungen ihrer Medialität. Nichts anderes heißt Medienbildung. Der konzeptuelle Rahmen von und für Medienbildung braucht ein anderes Begründungsprogramm, als die Medienpädagogik bisher genutzt hat  : Medien sind funktional ambivalent, brauchen daher im Falle ihrer Nutzung ein kritisches Korrektiv, das in der Kompetenz des Nutzers verankert sein sollte, allerdings von Grund auf – paradigmentheoretisch, medientheoretisch, kompetenztheoretisch – neu aufgesetzt werden und philosophischer und hermeneutischer versäult werden muss, wenn es nachhaltig sein will. Die hier nun skizzierte Aufstellung strapaziert ganz gewiss die eingeübten theorielogischen Schemata der Betrachtung wie der Begrifflichkeit, nicht zuletzt auch die konzeptuelle Materie der davon betroffenen Areale der Wissenschaft zu Kommunikation, Medien, Pädagogik, Bildung und Gesellschaft. Nach all den methodologischen und theoretischen Erkenntnissen aus der kulturkontext-theoretischen Forschung, namentlich der Cultural Studies (vgl. Bromley/Göttlich/Winter 1999, Hepp/Krotz/Thomas 2009) und nach den epistemologischen Positionen des kulturalistischen Konstruktivismus, der Kybernetik sowie der non-dualistischen Erkenntnistheorie (die „Dritte Philosophie“) (vgl. Schmidt 2003, 2005, 2007, Krippendorf 2009, Foerster 1993, 2003, Glasersfeld 1997, Mitterer 2001, 2011, Riegler/Weber 2010, Weber 1997, 2005), kann man die „Welt der Medien“ nicht mehr in wünschbare oder nicht wünschbare Effekte und Qualitäten einteilen. Medien sind (so) wie wir sie denken, ob gut oder böse oder gut und böse. Ihre –  115 –

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gesellschaftliche, kulturelle, politische oder sonst wie zugeordnete Qualität ist nicht deren Merkmal, sondern das Merkmal (Wegzeichen) unserer Betrachtung. Zwischen Medien und Gesellschaft gibt es kein Und und kein Einandergegenüber. In Referenz auf das beiden Begriffen zugeordnete Paradigma von Kommunikation ist das Eine die Betrachtungs- bzw. das Beobachtungsmuster des Anderen. Wenn Gesellschaft das ist, was ihre Kommunikation ausmacht, dann ist Kommunikation das Muster ihrer Aufstellung und das, in dem sie sich reflektiert und versteht. Ebenso wenig gibt es ein Und zwischen Medien und Kommunikation oder zwischen Kommunikation und Bildung. Auch hier gilt  : Das Eine ist jeweils die Betrachtung des Anderen. Gesellschafft ist immer und überall Mediengesellschaft, weil wir sie nur so denken können, wie auch Medien immer Medien der Gesellschaftlichkeit (Kommunikation) sind. Allerdings holpert diese Behauptung schon mit der verdinglichten Verwendung der Begriffe („Medien“, „Gesellschaft“), weil sie durch die Substantivverwendung wie Objekte jenseits (verschieden zu) ihrer möglichen Beschreibung vergegenständlicht (verdinglicht) werden. Zugänglicher wird die Argumentation schon, wenn man von Medialität und Gesellschaftlichkeit spricht. Das wird noch aufzuarbeiten sein. Wenn es also die Beschreibung (Beobachtung, Betrachtung, Nutzung) ist, die – wie in diesem Fall – die Welt der Medien vergegenständlicht, dann ist sie selbst kein eigener von der Beschreibung unterschiedlicher („beschreibungsverschiedener“ – vgl. Mitterer 2011) Gegenstand und, wenn dann der Gegenstand untersucht oder zum Gegenstand der Wissenschaft werden soll, dann ist es die Beschreibung (Wahrnehmung, Beobachtung, Betrachtung, Nutzung), die zu hinterfragen ist. Damit ist der Gegenstand der Kommunikationswissenschaft nicht einfach Kommunikation, sondern die Beschreibung von Kommunikation (ihre kulturelle Deutung)  ; der Gegenstand der Medienwissenschaft nicht einfach „die Medien“, sondern die alltagshabituelle Beschreibung von Medien  ; und dann ist der Gegenstand der theoretischen Medienbildung die Zusammenhangsvermutung von Medien, Kommunikation, Bildung und Gesellschaft. Damit ist Medienbildung klar umrissen  : Sie thematisiert, reflektiert und problematisiert Bildung (Bildungswege, Bildungswerte etc.) als Referenzperspektive zu den Problemen der Beschreibung (Beobachtung) von Gesellschaft als Mediengesellschaft wie zu den Problemen in der Beschreibung (Beobachtung, Nutzung) von Medien als solche der Gesellschaft, die wir meinen bzw. mit der wir uns oder andere meinen. Die Positionsumstellungen, die es dabei zu bewältigen gibt, sind folgende  : Von der Medienstruktur-Logik zur Medienkultur-Logik der Medientheorie als der konstitutiven Komponente der Theorie des sozialen Wandels (vgl. Bauer –  116 –

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2003). Nicht die Apparatur, nicht die Struktur, nicht das Organisationsmuster machen Medien zum „sozialen Medium“, sondern der ihnen unterstellbare bzw. der vorgestelte oder tatsächlich vollzogene Gebrauch (vgl. Hepp 2011). Der Mediengebrauch ist die Chance und die Herausforderung der Selbstbestimmung und Selbstreflexion der Gesellschaft. Der soziale (nicht der sozialisierte) Mediengebrauch ist das Dispositiv sozialer, politischer und kultureller Veränderungen der Gesellschaft, mit der man lebt. Wenn und wo es das Motiv gesellschaftlich nachhaltiger Veränderung gibt, ist der Mediengebrauch auf Nachhaltigkeit auszurichten. Wenn also Medienbildung, dann Mediengebrauchsbildung als Reflexion der Möglichkeiten, Chancen, Herausforderungen und Zumutungen einer Gesellschaft, die sich der Würde und Werte ihrer Kommunikation bewusst ist. Die Medien sind in diesem Kontext organisationslogische Codes der gesellschaftlich medialisierten und/oder mediatisierten (vgl. Krotz 2001, 2007, 2008) Transaktionsmuster. Bildung (hier im Sinne wissenschaftlich gestützter Medienbildung) ist in diesem Code (Mediencode) keine idealtheoretische Nach-, sondern eine paradigmatische normativ-kritische und kritisch-reflexive Unterstellung. Vom Handlungsbegriff zum Beobachtungsbegriff von Kommunikation als einem kulturvernünftigen Grundmuster, in dem die konstruktionstheoretische Paradigmatik von Kommunikation (Bestimmung von Sinn) und das sozialkonstruktive Potenzial des Mediengebrauchs (soziale Aufmerksamkeit, social awareness) eine deutliche sozial- und kulturlogische Alternative zu Einfluss-, Macht- und Wirkungsvorstellungen des Handlungsbegriffs abbildet. Es sieht so aus, als wäre das Handlungsparadigma in der theoretischen Beschreibung von Kommunikation, Medien und Pädagogik im Hinblick auf deren jeweils unterschiedlich gewertete gesellschaftliche Relevanz das eigentlich wissenschaftstheoretische Problem der traditionellen Medienpädagogik  : Medien und Pädagogik im Wettbewerb um Einflusssphären in Theorie und Praxis (vgl. Paus-Hasebrink/Lampert/Süss 2002). Die Beobachtungsbegrifflichkeit von Kommunikation (Medien, Kultur, Gesellschaft etc.) würde aus diesem Dilemma führen. Wir verstehen einander, indem und weil wir einander beobachten, ob (und wie) wir uns verstehen. Und wir verstehen, was wir beobachten, wie wir es beobachten. Nicht der (in der Begrifflichkeit des Handelns beschrieben) Vorgang des Austausches von Botschaften oder Bedeutungen oder die Nutzung von Zeichen zur Deutung einer Botschaft ist das Geschehen, das Wirklichkeit und Sinn konstruiert, sondern die Beobachtung dessen, wie man welche Zeichen oder Gesten nutzt, um sich selbst der tatsächlichen, vorgestellten oder vermuteten sozialen Umwelt gegenüber zu deuten. Dieses Ge–  117 –

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schehen des Beobachtens, wie man beobachtet, dass man beobachtet und wie man beobachtet, dass und wie man beobachtet wird, hat eine teleologische Struktur  : Ees will Unbestimmtes bestimmen und es als wirklich, wahr und sinnig begreifen. In diesem Sinne ist Kommunikation das begriffliche Konzentrat aus Momenten der Beobachtung und selbst wieder Habitus der Beobachtung. Das Handeln, das beobachtet wird, ist nicht der Vorgang, der das Verstehen begründet, sondern dessen Mediativ (Medialität). Das Handlungskonzept von Kommunikation legt nahe, Kommunikation (und erst recht dann Medien) in Kategorien der Technik (Produktion, Einfluss, Sinn, Wirkung, Resultat) zu denken. Das Beobachtungskonzept von Kommunikation legt nahe, diese in Kategorien von Kultur (Aufmerksamkeit, Deutung, Vertrauen, Einsicht, Kritik und Kontrolle, ins Auge-Fassen, Sinn-Verstehen, Meinungs- und Urteilsbildung) zu fassen. Der Begriff von Kommunikation als Habitus der Beobachtung macht auf ein Potenzial aufmerksam, das der Kompetenz des Menschen eingeschrieben zu sein scheint  : die Reflexion der Umwelt auf der Folie der Abstraktion bzw. des Verstehens (vgl. Piaget 1973  : 26). Eben diese Implikation, dass sich in der Beobachtung der Beobachter seines eigenen Standpunktes vergewissern muss, um aus der Beobachtung Erkenntnis ziehen zu können, macht deutlich, dass Beobachten und Erkennen aktive und kulturbezügliche Leistungen von (kommunikativer) Kompetenz (Fertigkeit, Fähigkeit, Zuständigkeit, Verantwortung) sind (vgl. Baacke 1997, Bauer 2008b, 2011  : 473)  : Am Ende ist und bleibt es der Beobachter, der für das, was er beobachtet, selbst zuständig und verantwortlich ist. Letzten Endes geht es um Verstehen als Sinngestaltung der Beobachtung und um Beobachtung als Sinnleistung des Verstehens. Damit wird das Konzept von Kommunikation, verstanden als Habitus von Beobachtung, zum Rahmenkonzept von Bildung. Ein so konzipierter Kommunikationsbegriff ist bildungsimplizit, macht Bildung zu einem Fall von Kommunikation und Kommunikation zu einem Paradigma von Bildung. Von der „Einzelmedienontologie“ (Leschke 2007) zum Konzept der Medialität als das kultur-qualitative Dispositiv (Vernunftmodell) von Gesellschaft. Die Konzentration auf Einzelmedien entspricht einem naturwissenschaftlichen Beobachtungskonzept und ergibt sich vermutlich auch aus der Werkzeug-Betrachtung von Medien und Kommunikation (Handlungsparadigma)  : Medien als Instrumente der Kommunikation und diese als Instrument der Durchsetzung von Herrschaft, Macht, Einfluss oder Interessen. In dieser Linie wäre Kompetenz (Medienkompetenz) nichts anderes als das Muster der Sicherstellung von Vorsprung und Vorteil durch Kumulierung von Kompetenz (Wissen, Fertigkeit, Fähigkeit, Skills). Auf ein solches Kompetenzverständnis verpflichtet, –  118 –

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würden die Gesellschaften sich bestenfalls im Kreis drehen, aber nicht wandeln. Wenn jedoch kultureller Wandel (sich jeweils Neu-Deutungen aussetzen, weil keine Deutung die letztgültige sein kann) das generative Konzept ist (sein soll), mit dem Gesellschaften ihren Lebenszyklus beschreiben, dann können sie ihre Sozialaufstellung nur optimieren, indem sie ihre intrinsischen Vernunftmodelle – wie Medialität eines ist – laufend reflektieren. Und wenn es das ist, was Medienbildung kann, dann kann sie sich nicht begnügen mit der Kompetenzbildung mit Blick auf einzelne Medien, wie das die Medienpädagogik mit Filmpädagogik, Fernsehpädagogik oder Internetpädagogik etc. versucht hat. Die Zentrierung auf das Medium oder die Medien als Schlüssel zur Kompetenz ist die eigentliche Schwäche der Medienpädagogik. Diese Perspektive hat sich in allen medienpädagogischen Konzepten (Bewahrungspädagogik, Handlungstheoretischer Ansatz, Kritisch-reflexiver Ansatz) durchgesetzt, mit Blick auf eine nachhaltige Bildungskultur aber als systemaffirmativ, funktional und instrumentalistisch diskreditiert. Medialität als der Kommunikationsmodus der Gesellschaft, wie wir sie meinen (Autonomie, Identität, Solidarität, Kohäsion, Emanzipation, Diversity, Demokratie, Sozialorganisation, Zivilkultur, Bildungskultur etc.), ist nicht eine Frage gut eingeübter Medienmechanismen, sondern eine des kulturellen Habitus („Medienhabitus“) in dem der Einzelne seine Chance in den Potenzialen der Gesellschaft und die Gesellschaft ihre Chancen in der Kompetenz (Fähigkeit, Fertigkeit, Zuständigkeit, Verantwortung) des Einzelnen wahrnimmt. Vom Konzept der Medienkompetenz zum Habitus-Konzept. Wie schon versucht zu sagen, ist das kompetenztheoretische Konzept durchsetzt von einer funktionalistischen Dramaturgie der Kumulation von Wissen (Sachwissen, Handlungswissen, instrumentelles Wissen, kritisches Wissen etc.). Typisch und zugleich verräterisch ist dafür die Verwendung von Steigerungs- und Maximierungsbegriffen wie „Kompetenzgewinn“, „Kompetenzsteigerung“ etc. Diktionen dieser Art affirmieren die Vorstellung von Wissen als Besitz oder gar als Macht. Solche Werte sind genau nicht die Werte eines theoretisch legitimierten Verständigungsmodells von Gesellschaft (vgl. Habermas 1981), sondern die ideologische Matrize für Hierarchie-, Privilegien-, Elitismus- oder sozialdarwinistische Vorteilsgesellschaften. Das Habitus-Konzept, das hier im Kontext von Medienbildung mit dem Kompetenz-Konzept von Medienpädagogik assimiliert werden soll, bezieht sich auf dessen gesamten begriffsgeschichtlich entwickelten Inhalt, vor allem aber auf die Interpretation von Pierre Bourdieu (1982  : 378). In dessen Auslegung und Erweiterung des ursprünglich soziologisch gebrauchten Begriffs (Elias 1987) versteht sich Ha–  119 –

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bitus als kompetenzgeneratives Konzept (vgl. Chomsky 1980, Bourdieu 1982). Es beschreibt die im Kommunikationsverhalten eingeschriebenen Werte und Perspektiven, die durch Anpassung und Gewöhnung zu einem Typus von Verhalten führen, der mit der sozialen Umgebung vergewissert und abgeglichen ist. Diese gesellschaftliche Kontextualisierung des Habitus-Begriffs macht ihn theoretisch deutlich nachhaltiger als das kompetenzkumulierende Konzept der traditionellen Medienpädagogik. Er wird als bildungs-, weil gesellschaftstheoretisch reflektiertes Konzept zur Konstitution eines transpersonalen Mechanismus gesellschaftlichen Vertrauens verstanden. Als kritische und reflexive Beobachtung der Alltagsbeobachtung von Gesellschaft muss eine auf Verständigungskompetenz ausgerichtete Medienbildung emanzipatorische und transtopische Muster von Gesellschaftlichkeit zur Diskussion stellen. Ansonsten wäre sie nicht Bildung, sondern bliebe Instruktion. Kumulierung (von Wissen oder Kompetenz) ist kein emanzipatorisches Muster, sondern das schlichte Drama von Sammlung und Wiederholung. Mehr Wissen macht nicht frei. Was frei macht ist, Wissen zu verantworten oder mit dem, was man weiß, zu wissen, dass es erst zu solchem wird, indem man es verantwortet. Wissen ist nicht allein der (kumulierbare) Stoff, sondern der Umgang mit diesem unter den Bedingungen der Verantwortung der gesellschaftlichen Vertrauensstellung. Die Kontingenz von Welt lässt diese immer nur vorläufig real bestimmen, wobei das als real angenommen wird, was als relevant verstanden und auch geteilt wird. In diesem Sinne ist Wissen (weil nur im Muster von Kommunikation in diese Vertrauensposition gehoben) immer gesellschaftliches, nie individuelles Gut. Diese Zuordnung als gesellschaftliches Habitat von Unterscheidung, Entscheidung und Verantwortung macht Kompetenz (als Chiffre für Wissen) zu einem „sozialen Kapital“ (vgl. Bourdieu 1983, 1992), dessen generative Kraft man nicht dem individuellen Besitz (von Wissen oder Kompetenz) zumuten oder anlasten kann. Das generative Potenzial von Kompetenz liegt in der gesellschaftlichen Konzeption von Bildung (ein Vernunftmodell von Gesellschaft wie Medialität), es führt sich ad absurdum unter der Bedingung von dessen Individualisierung. Von der Individuenperspektive der Pädagogik zur Gesellschaftsperspektive von Bildung. Alle bisher eingebrachten Argumente für Medialität und Bildung als gesellschaftliche Vernunftmodelle sprechen dafür, die für „die Pädagogik“ typische Konzentration ihrer theoretischen und methodischen Bemühungen auf das Individuum konsequent in Frage zu stellen, methodologisch wie ideologisch. So gut theoretisch und so fürsorglich die diversen Konzepte der Medienpädagogik gemeint gewesen sein mögen (Bewahrungspädagogik, Hand–  120 –

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lungsorientierter Ansatz, Kritisch-reflexiver Ansatz, Medienkultur-Ansatz etc.), so deutlich aber müssen sie zur Diskussion gestellt werden. Sie blieben und bleiben instruktive Intervention in ein Geschehen, das man Sozialisation nennt, mit dem man aber – schon des institutionellen Arrangements wegen – Assimilation meint  : Einübung in die Funktionszusammenhänge der Gesellschaft mit dem Ziel, sich deren instrumentelle und kulturelle Ressourcen so anzueignen, dass man sich darin „zurecht“ [sic!] findet. In dieser Mission sind sie einem kommunikations- und medienlogischen Bildungsbegriff genau so wenig gerecht geworden wie einem bildungslogischen Kommunikations- und Medienbegriff. Die Konzepte der Medienpädagogik fokussieren auf die Einzelverwendung von Medien bzw. auf das Einzelwissen (Individualwissen) von Kommunikation mit einem kompensatorischen Kompetenzbegriff (Nachteilsausgleich durch Wissen). Was aber nicht in den Blick genommen wird, ist die Gesellschaft der Kommunikation. Im Umfeld der medienpädagogisch motivierten Analysen von Social-Media-Nutzungsmuster wird dieses Manko besonders deutlich. Das (vermutete) Fehlen von kommunikationsethischen Werten, die hier sinnigerweise besonders gerne zur Debatte gestellt werden (z. B. Cyber-Bullying, Cyber-Mobbing, Self-Outing etc.), können auch durch noch so bewusstes Wissen (Kompetenz) nicht kompensiert werden. Die Grundsatzvermutung, dass Kommunikation (oder man mit Kommunikation) die Gesellschaft mache, ist nur im Kontext der Funktionalität von Gesellschaft logisch, kulturkritisch betrachtet korrumpiert sie aber in dieser Aufstellung die kulturlogischen Vernunftmuster von Kommunikation und Gesellschaft – Medialität und Bildung – zu einer funktionslogischen Komplizenschaft der Verteilung von Interessen, Einfluss, Herrschaft und Macht  : Mit Medien macht man Kommunikation. Das klammert die Möglichkeit der Umkehrung des Verhältnisses von Kommunikation und Medien aus  : Mit Kommunikation macht man Medien – eine Version, aus der theoretisch deutlich werden kann, dass Medien gesellschaftliche Arrangements (Vernunftmodelle) gesellschaftlicher Kommunikation sind und Medienbildung dann das Vernunftmotiv. Gesellschaft im Modell des Verstehens Gesellschaften sind nicht Zufallsergebnisse der sozialen Praxis, sondern durch Ordnungen gekennzeichnete und so auch identifizierte und auf relative Dauer gestellte Zusammenschlüsse mit dem Ziel der Vergemeinschaftung von Chancen, Herausforderungen und Zumutungen des Lebens. Sie konstituieren und konstruieren sich durch Programme von Kommunikation und Interaktion. Durch eben solche aber werden sie auch laufend in Frage gestellt, in Krisen –  121 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

lungsorientierter Ansatz, Kritisch-reflexiver Ansatz, Medienkultur-Ansatz etc.), so deutlich aber müssen sie zur Diskussion gestellt werden. Sie blieben und bleiben instruktive Intervention in ein Geschehen, das man Sozialisation nennt, mit dem man aber – schon des institutionellen Arrangements wegen – Assimilation meint  : Einübung in die Funktionszusammenhänge der Gesellschaft mit dem Ziel, sich deren instrumentelle und kulturelle Ressourcen so anzueignen, dass man sich darin „zurecht“ [sic!] findet. In dieser Mission sind sie einem kommunikations- und medienlogischen Bildungsbegriff genau so wenig gerecht geworden wie einem bildungslogischen Kommunikations- und Medienbegriff. Die Konzepte der Medienpädagogik fokussieren auf die Einzelverwendung von Medien bzw. auf das Einzelwissen (Individualwissen) von Kommunikation mit einem kompensatorischen Kompetenzbegriff (Nachteilsausgleich durch Wissen). Was aber nicht in den Blick genommen wird, ist die Gesellschaft der Kommunikation. Im Umfeld der medienpädagogisch motivierten Analysen von Social-Media-Nutzungsmuster wird dieses Manko besonders deutlich. Das (vermutete) Fehlen von kommunikationsethischen Werten, die hier sinnigerweise besonders gerne zur Debatte gestellt werden (z. B. Cyber-Bullying, Cyber-Mobbing, Self-Outing etc.), können auch durch noch so bewusstes Wissen (Kompetenz) nicht kompensiert werden. Die Grundsatzvermutung, dass Kommunikation (oder man mit Kommunikation) die Gesellschaft mache, ist nur im Kontext der Funktionalität von Gesellschaft logisch, kulturkritisch betrachtet korrumpiert sie aber in dieser Aufstellung die kulturlogischen Vernunftmuster von Kommunikation und Gesellschaft – Medialität und Bildung – zu einer funktionslogischen Komplizenschaft der Verteilung von Interessen, Einfluss, Herrschaft und Macht  : Mit Medien macht man Kommunikation. Das klammert die Möglichkeit der Umkehrung des Verhältnisses von Kommunikation und Medien aus  : Mit Kommunikation macht man Medien – eine Version, aus der theoretisch deutlich werden kann, dass Medien gesellschaftliche Arrangements (Vernunftmodelle) gesellschaftlicher Kommunikation sind und Medienbildung dann das Vernunftmotiv. Gesellschaft im Modell des Verstehens Gesellschaften sind nicht Zufallsergebnisse der sozialen Praxis, sondern durch Ordnungen gekennzeichnete und so auch identifizierte und auf relative Dauer gestellte Zusammenschlüsse mit dem Ziel der Vergemeinschaftung von Chancen, Herausforderungen und Zumutungen des Lebens. Sie konstituieren und konstruieren sich durch Programme von Kommunikation und Interaktion. Durch eben solche aber werden sie auch laufend in Frage gestellt, in Krisen –  121 –

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gestürzt oder in Umbrüche gedrängt. Sie sind so stabil oder so fragil, so offen oder so geschlossen, so konsistent oder so zufällig, so kohärent oder so dissipativ, so dynamisch oder so statisch, so produktiv oder so regressiv, wie ihre Kommunikationsordnungen der sozialen Praxis und der darin eingemischten generativen Kultur des Wandels Raum geben. Die Vorstellung, dass die Gesellschaft (nicht mehr) ist als das, was ihre Kommunikation ausmacht (Gesellschaft der Kommunikation), und erst in dieser Logik Kommunikation das ist, was die Gesellschaft daraus macht (Kommunikation der Gesellschaft), verunsichert die Konsistenzvorstellung von Gesellschaft, weil die relative Unberechenbarkeit von Kommunikation das Potenzial von Rationalität schwer irritiert. Die Angst der Organisation (der nach dem Prinzip von Rationalität in Rollen, Positionen und fragmentierten Kompetenzen organisierten Gesellschaft) vor Beliebigkeit (der nach den Prinzipien von Spontaneität und Situativität sich findenden und wieder auflösenden Koalitionen) fixiert sich eigentlich auf das Potenzial kommunikationstypischer Werte der gesellschaftlichen Verständigung  : Differenz, Dissipativität, Dispersität, Diversität, Offenheit, Autonomie, Überraschung, Horizontalität, Heterarchie (vgl. Horkheimer/Adorno 1969b, Foucault 1978, Deleuze 1992, Derrida 2003). Das organisationstypische Potenzial der gesellschaftlichen Verständigung baut ihre Gesellschaftsvorstellung auf Werte wie Konsens, Identität, Einheit, Geschlossenheit, Verlässlichkeit, Sorge (vgl. Heidegger 1994  : 433, Stiegler 2008) und Berechnung. Die so im Sinne der Cultural Studies (Grossberg 1997) auf die (kulturlogische) Reihe gebrachte Vorstellung des Verhältnisses von Kommunikation und Gesellschaft als Konzept der Autokonstitution (vgl. Schmidt 2003), der wechselseitigen Verweisung des einen auf das andere, der jeweils einander meinenden Explikation eines impliziten Geschehens (Kommunikation geschieht als Gesellschaft wie Gesellschaft als Kommunikation geschieht), eröffnet einen neuen Horizont für die Urgenz von Medienbildung  : die Kultur der gesellschaftlichen Verständigung als die soziale, kulturelle und symbolische Umwelt für den individuellen und gesellschaftlichen Selbstentwurf unter den Bedingungen des (sozialen, kulturellen, symbolischen) Wandels. Die kulturtheoretische Beobachtung der sozialen Praxis der im Modell von Medien operierenden Gesellschaft verlangt mehr als das Bohren theoretisch dünner Bretter, um auf den Grund zu kommen. Der allseits konstatierte Medienwandel signalisiert mehr als nur die Umstellung eines instrumentellen Stellgliedes in einer gesellschaftlich organisierten Prozesskette und bewirkt mehr als nur die Erweiterung von Optionen und den höheren Grad an Beliebigkeit für involvierte Akteure. Er signalisiert die Umordnung der Ontologie der in und auf Rollen und Positionen verfangenen Gesellschaft der organisierten Kommunikation, den kulturellen Umbruch des gesellschaftlichen –  122 –

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Verständigungsgeschehens und thematisiert die in Systemen als lästige Imponderabilien in Sonderzonen abgeordneten Verständigungswerte. Zivilisatorische und emanzipatorische Potenziale rufen so die in Organisationsumwelten gerne vergessenen und verdrängten, weil nicht berechenbaren Kulturmomente auf den Plan  : Intuition, Spontaneität, Umstellung, Option, Emotion, Überraschung. Um zu verstehen, was der mit dem Kürzel „Medienwandel“ bezeichnete Umbruch der Kommunikationskultur mit dem pragmatischen Verständnis von Gesellschaft (Wie macht man Gesellschaft nachhaltig  ?) zu tun hat, braucht es sehr wohl substantielle Anleihen bei Erkenntnistheorien, Wahrheitstheorien, Wirklichkeitstheorien, Wissenstheorien oder Bildungstheorien, weil erst durch sie eine Terminologie möglich wird, die den wechselseitig konstitutiven Zusammenhang von Kommunikation (Medien) und Bildung sowohl kulturtheoretisch als auch anthropologisch sichtbar macht  : Es geht um die gesellschaftliche Kultur des Verstehens und in diesem Sinne um einen Verstehensbegriff, in dem das Verhältnis von Gesellschaft, Individuum und Bildung kommunikations- und medienlogisch gedeutet wird. Gesellschaften sind dadurch programmiert, wie sie sich verstehen. Was sie beschäftigt, ist, sich darüber zu verständigen, dass und wie sich Menschen in Referenz auf sie als Modelle sozialer Praxis zueinander verbunden wissen können, sollen, wollen oder müssen. Das Desiderat heißt Identität, ausgelegt auf ein Programm der Bestimmung von Abgrenzung, Eigenheit und Einmaligkeit. Die Chance, das Bedürfnis, der Wunsch oder die Notwendigkeit von Gemeinsamkeit stellt vor allem wegen der Notwendigkeit der Organisation von Gesellschaft und der damit begründeten Rationalität des Systems (Knappheit der sachlichen, sozialen oder symbolischen Ressourcen – vgl. Luhmann 1974  : 292ff ) die eigentlich und ursprünglich pro-konstruktive Frage nach Identität (Optionen der Selbstwahrnehmung) als Frage nach der Rekonstruktion von Selbstabgrenzung und damit verbunden als Entscheidung über Vorteil oder Nachteil, über Recht oder Pflicht, über Stolz oder Scham, über Einschluss oder Ausschluss. Dergleichen Selbst- und Andersverweise werden wie Einheits- und Unterschiedsmerkmale ebenso als Bedürfnis, als Wunsch oder als Notwendigkeit systemrelevant. Sinn, Identität oder Identitätssinn sind ja keine Entitäten, die irgendwo vorlägen und deshalb ontologisiert oder objektiviert werden könnten, sondern es handelt sich bei diesen Konzepten um Konstrukte, um Wissensmodelle, deren Relevanz sich im Rahmen der sozialen bzw. kulturellen Praxis herausstellt, die man betreibt (Luhmann 1974, Fuchs 2004), ohne dass man aus ihnen Beweismodelle ableiten könnte. Identität, um die es hier geht, kann nicht bewiesen werden, aber sie wird für indiziert erachtet auf der Basis von Merkmalen, die der Deutung entsprechen. –  123 –

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Obwohl alles, was dann als gesellschaftlich relevant wahrgenommen wird, einen Unterschied machen kann, sind es weniger die strukturellen Unterschiedsmerkmale(der Ethnie, der Religion, der Sprache, Herkunft, der Geschichte etc.) selbst, sondern viel mehr die mit der Wahrnehmung der Merkmale begründeten Unterscheidungen, die kulturell eingeübten Habitate, die die Beobachtung von Selbst oder Anders, von Einheit oder Verschiedenheit mit bezüglichen Werten aufladen und auf kurze Sicht halten. Je mehr die Gegenwartsgesellschaften mit dem Phänomen der internen Vielfalt struktureller Merkmale konfrontiert sind, desto deutlicher wird, dass das kulturelle Bestimmungsprogramm von gesellschaftlicher Identität an seine kulturprogrammatische Grenze gekommen ist, dass Identität nicht eine Vorgabe, sondern eine Aufgabe, nicht die Lösung sozialer Probleme auf Basis der Reduktion auf Einheit und Gleichheit, sondern eine solche im Interesse der Produktion von Optionen der Vielheit und der Verschiedenheit ist. Das alles verändert den Kanon der Verstehenstheorie (als das Maß von Gleichheit und Übereinstimmung) und das Paradigma der kulturtheoretischen Interpretation von gesellschaftlicher Verständigung von dem in allen Sektoren der sozialen Praxis zur Routine oder gar zum Protokoll geschlossenen Konsensmodell zur sozialen und offenen Übung im Modell von Differenz und Dialektik  : „Du bist für mich ein interessanter Gesprächspartner, weil Du anders denkst“. Die lange eingeübte Praxis der Assimilierung diente einem Einheitsund Geschlossenheitsmodell von Gesellschaft, braucht nun aber, da man mit Formationen der sozialen und kulturellen Dissipativität konfrontiert ist, einen Paradigmenwechsel im Kommunikationsverständnis von Gesellschaft wie auch im Gesellschaftsverständnis der Kommunikation. Wenigstens auf der theoretischen Ebene der Beobachtung sollte man die Reihe der sich selbst erfüllenden Prophezeiung aus der Praxis des Alltags unterbrechen. Das verlangt und setzt voraus, dass man Kommunikationswissenschaft in all ihren Versionen als Interventionswissenschaft versteht, als Wissenschaft, die mit denkbaren (nicht nur mit machbaren) Optionen die Routine der „praktischen Theorien“ unterbricht. Das Problem der Theorie kann nicht das (selbe) der Praxis sein, sondern das Problem der Theorie ist die Problematisierung der Perspektive der Praxis, die hier heißt  : Mit welcher Begründung verstehen wir Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung als Probleme der Sicherstellung von Einheit und Gleichheit und nicht als Möglichkeitsstellungen von Vielheit und Verschiedenheit  ? Versteht man Kommunikation als die genuine Option von Intervention, als die einzige Chance, Unwahrscheinliches wahrscheinlich zu machen und Gedachtes real zu Verstandenem zu machen (vgl. Fuchs 1999  : 86), dann muss man annehmen, dass Diversität nicht nur eine Kann-Kategorie, sondern auch –  124 –

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eine Muss-Kategorie der Konstruktion von Wirklichkeit ist. Eine andere basale Chance der Emanzipation aus Verstrickungen, in welchen Formen oder Mustern sie auch immer entstehen und sich verfestigen mögen, kann man sich nicht denken. Diversität heißt der theoretische wie auch praktische Optimierungskompromiss, durch den sich die Perspektive der Unterscheidung verschiebt  : Das Problem der Diversitätsperspektive ist nicht, wie Einheit durch Vielheit oder Gleichheit durch Andersheit in Frage gestellt werden, sondern wie Wirklichkeit durch Möglichkeit konstruiert wird. Ein solches Denkmodell braucht die Kategorie der Differenz als paradigmatischen Faktor. Erst dann ist es nahe genug an den Quellen der Inspiration der Theorie der Kommunikation als Konstruktion von Wirklichkeit (vgl. Berger/Luckmann 1972, Schütz/ Luckmann 2003  : 54ff, Schmidt 2003). Es ist die Kommunikation, die Bedeutungen von und zu Erfahrungen ins Spiel bringt. Sinn und Bedeutung von Erfahrung sind nicht dem Inhalt (der Materie) der Erfahrung inhärente Größen, sondern Qualitäten, die aus der Zuordnung und Bezugssetzung konstruiert werden. Zuordnungen und Bezugssetzungen sind kulturelle Programme, die Individuen lernen und nützen, um vor jeder weiteren möglichen Differenzierung Erfahrungen zunächst danach einzuordnen (bewerten), ob und wie sie mit der sozialen Umwelt Gemeinsamkeit (Gemeinschaft) stiften oder ob und wie sie Unterscheidungen möglich oder notwendig machen. Es interessiert das Verhältnis der eigenen Weltwahrnehmung zu der von sozialer Umwelt  : assoziiert sie oder dissoziiert sie, bedeutet sie Nähe oder Distanz, Annahme oder Ablehnung, Aufmerksamkeit oder Missachtung, Herrschaft oder Unterwerfung etc.? In diesem Sinne ist jede Wahrnehmung von Erfahrung ein Kulturakt unter Bezug auf schon geleistete Kulturakte (Bildung), der die Kompetenz (Zuständigkeit, Bildung, Verantwortlichkeit) des Individuums strapaziert und fordert – zugunsten oder zulasten der sozialen Einordnung. Die Welt, in der wir leben, ist die, die wir in Gedanken, Vorstellungen, Beobachtungen, Beschreibungen und Handlungen einander zuspielen. Der Vorgang des Zuspielens passiert aber nicht, wie sich das eine naive Medienwissenschaft denkt, im Transportieren über Medien, sondern in der Bezugnahme auf gesellschaftlich strukturierte und kultivierte Medienhabitate. Medienhabituelle Handlungszusammenhänge (z. B. Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit, Anschluss etc.) sind sozial gemeinte (vergemeinschaftende), die Möglichkeiten, Chancen und Schwierigkeiten der soziativen (vergesellschaftenden) Verständigung sondierende und der Wechselseitigkeit unterstellte Programme der Beobachtungshaltung gegenüber natürlicher, sozialer, kultureller und symbolischer Umwelt. In diesem Sinne sind sie, die Medien jenseits und vor –  125 –

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ihrer technisch organisierten Modifikation, gesellschaftliche Institute, Konstituenten sozialer und soziativer Verständigung auf strukturelle, habituelle und kulturelle Programme der Vergemeinschaftung der Unterschiedlichkeit von Welt und der Verteilung von Gesellschaftlichkeit. Diese kulturtheoretisch konzipierte Charakterisierung von Medien stellt nicht die strukturelle, sondern die kulturelle Charakteristik in den Vordergrund der kommunikationswissenschaftlichen Beobachtung und begründet am Ende der hier durchzuarbeitenden Argumentation Medienbildung als meritorisches Gut einer offenen Gesellschaft, als Lernprogramm für eine sich zivil meinende Gesellschaft, als kreativ-bewusstes Programm des individuellen Anschlusses an und der Intervention in gesellschaftliche Diskurse und als Kompetenz-Habitus für eine sich im Modus der Medialität (im Modell von Medien) laufend sich strukturell und kulturell reproduzierende Gesellschaft (Medienwandel). So eingeordnet ist Medienbildung auch das bildungstheoretische wie das pädagogisch-praktische Programm im Hinblick auf die mediativen und medialen Bedingungen, Möglichkeiten, Notwendigkeiten, Zumutungen, Schwierigkeiten und Herausforderungen gesellschaftlich gemeinter Verständigung. Die soziative Vernunft und der mediative Charakter des Verstehens Verstehen wird mit „ich verstehe“ gerne als Affirmation subjektiver Autonomie und als sozialer Hinweis auf eine individuelle Leistung verstanden. Im Grunde aber ist Verstehen ein Ereignis im Horizont von Gesellschaftlichkeit  : Verstehen ist gesellschaftlich bedingt und im Grunde gemeinschaftlich gemeint wie Gesellschaft durch Einander-Verstehen bedingt und gemeinschaftlich gemeint ist. Will eine Gesellschaft sich als eben solche wahrnehmen oder so wahrgenommen werden, dann ist sie diese, soweit sie sich versteht bzw. soweit sie in der Lage ist, soweit sie bereit ist, soweit sie sich der Verständigung wegen zueinander verantwortlich weiß und soweit sie sich auch im Interesse so gemeinter Verständigung verhandelt. Verständigung ist die innere Vernunft (eines der Vernunftmodelle) von Gesellschaft bzw. aller Gesellschaften, die aber, wenn und weil sie genau darin überfordert sind, dem intrinsischen Vernunftmotiv entlastende, zugleich domestizierende Symbole der Gemeinschaftsgarantie auf der Basis von Einheit und Assimilation als extrinsische Motive (Außenmuster) vorsetzen  : eine Nation, ein Territorium, eine Sprache, womöglich eine Religion, eine Körperschaft durch physische Grenzen, repräsentative Regimes und hypostasierte Historie (vgl. Charalambis 2001  : 87). Eine verstehenstheoretische Konzeption von Gesellschaft ist umgekehrt eine gesellschaftstheoretisch begründete Konzeption von Verstehen. Gesellschaften sind im Fokus –  126 –

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ihrer technisch organisierten Modifikation, gesellschaftliche Institute, Konstituenten sozialer und soziativer Verständigung auf strukturelle, habituelle und kulturelle Programme der Vergemeinschaftung der Unterschiedlichkeit von Welt und der Verteilung von Gesellschaftlichkeit. Diese kulturtheoretisch konzipierte Charakterisierung von Medien stellt nicht die strukturelle, sondern die kulturelle Charakteristik in den Vordergrund der kommunikationswissenschaftlichen Beobachtung und begründet am Ende der hier durchzuarbeitenden Argumentation Medienbildung als meritorisches Gut einer offenen Gesellschaft, als Lernprogramm für eine sich zivil meinende Gesellschaft, als kreativ-bewusstes Programm des individuellen Anschlusses an und der Intervention in gesellschaftliche Diskurse und als Kompetenz-Habitus für eine sich im Modus der Medialität (im Modell von Medien) laufend sich strukturell und kulturell reproduzierende Gesellschaft (Medienwandel). So eingeordnet ist Medienbildung auch das bildungstheoretische wie das pädagogisch-praktische Programm im Hinblick auf die mediativen und medialen Bedingungen, Möglichkeiten, Notwendigkeiten, Zumutungen, Schwierigkeiten und Herausforderungen gesellschaftlich gemeinter Verständigung. Die soziative Vernunft und der mediative Charakter des Verstehens Verstehen wird mit „ich verstehe“ gerne als Affirmation subjektiver Autonomie und als sozialer Hinweis auf eine individuelle Leistung verstanden. Im Grunde aber ist Verstehen ein Ereignis im Horizont von Gesellschaftlichkeit  : Verstehen ist gesellschaftlich bedingt und im Grunde gemeinschaftlich gemeint wie Gesellschaft durch Einander-Verstehen bedingt und gemeinschaftlich gemeint ist. Will eine Gesellschaft sich als eben solche wahrnehmen oder so wahrgenommen werden, dann ist sie diese, soweit sie sich versteht bzw. soweit sie in der Lage ist, soweit sie bereit ist, soweit sie sich der Verständigung wegen zueinander verantwortlich weiß und soweit sie sich auch im Interesse so gemeinter Verständigung verhandelt. Verständigung ist die innere Vernunft (eines der Vernunftmodelle) von Gesellschaft bzw. aller Gesellschaften, die aber, wenn und weil sie genau darin überfordert sind, dem intrinsischen Vernunftmotiv entlastende, zugleich domestizierende Symbole der Gemeinschaftsgarantie auf der Basis von Einheit und Assimilation als extrinsische Motive (Außenmuster) vorsetzen  : eine Nation, ein Territorium, eine Sprache, womöglich eine Religion, eine Körperschaft durch physische Grenzen, repräsentative Regimes und hypostasierte Historie (vgl. Charalambis 2001  : 87). Eine verstehenstheoretische Konzeption von Gesellschaft ist umgekehrt eine gesellschaftstheoretisch begründete Konzeption von Verstehen. Gesellschaften sind im Fokus –  126 –

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dieser Betrachtung Formationen ihrer Kommunikation, wie immer sie auch strukturiert und mediatisiert sein mögen. Die mediative Qualität (das Mediativ) solcher Formationen ist so konstitutiv wie die soziative (das Soziativ)  : Sie (es) ist nicht zufällig und auch nicht erst so, seit es „die Medien gibt“. Nichts, was gesellschaftlich ist, ist mediumsfrei, wenngleich es Lebenszusammenhänge gibt, die wir gerne medienfrei wissen wollen. Die Unterscheidung von Medium und Medien geschieht zunächst lediglich auf linguistischer Ebene, ist analytisch-theoretisch (vgl. Krotz 2008  : 47ff ) aber doch relevant im Hinblick auf die vertiefende Argumentation von Medienbildung gegenüber den Argumenten von und für Medienpädagogik oder Media Literacy. Der Unterschied zwischen Medium und Medien ist paradigmatisch zu begründen. Es macht einen Unterschied, ob man Kommunikation und Medium im Paradigma des Handelns theoretisiert (Kommunikation ist, wie man sie tut) oder ob man die Begriffe im Paradigma der Beobachtung konzeptualisiert. Kommunikation ist das Konzept, mit dem man das eigene Verhältnis zur Umwelt betrachtet, wertet und verhandelt (vgl. Schmidt 2003). Das Paradigma des Handelns und die Vorstellung der Machbarkeit haben die Konturen des originären Modells (Weltaneignung als Beobachtung) in den Schatten von Machbarkeitsinteressen gestellt. Die praktische Vernunft macht, weil sie sich auf Handlungsfolgen und Handlungserfolg konzentriert, aus einem – kulturanthropologisch verstanden – autokonstitutiven Beobachtungszusammenhang von Medien und Kommunikation (das eine ist die Beobachtungsgröße bzw. die Vernunftgröße des anderen) einen einfluss- und machtlogisch aufgesetzten Prozess (das eine begründet, ermöglicht, fördert, behindert etc. das andere). Das Henne-Ei-Schema, so (Ei) oder anders (Henne) argumentiert, ist das theoretische Dilemma, das aus der Kausallogik des Handelns stammt  : Setzungen, die durch Voraussetzungen begründet werden. Das in der Publizistikwissenschaft so gerne und so selbstverständlich gebrauchte Prozessmodell spiegelt genau diese Paradigmenauffassung  : Das Eine nach dem Anderen und Jedes für sich selbst und doch in einer Reihe. Generationen von Publizistikwissenschaftern haben dieses Schema nachzubeten gelernt und es nicht in Frage gestellt, weil in einer auf Erfolg (schon hier das Ökonomie-Motiv, das sich auch wieder, wenn auch anders im Vergleich zum Wirkungsmodell, im sogenannten Kosten-Nutzen-Ansatz findet (vgl. Atkin 1985, Blumler/Katz 1974, Burkart 2002a  : 221ff, Pürer 2003) ausgerichteten Logik schon der Kausalitätswert verankert ist, dass nur Handeln wiederum Handeln ermöglicht und es für alles, was man setzt, eine Voraussetzung braucht. Diese Alltagsplausibilität ist aber – übersetzt in den Rahmen der theorie-theoretischen Beobachtung – genau das Problem zu eben der Lösung, die sie zu begründen meint. Wenn Erfolg das Lösungs–  127 –

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modell ist, für das man Kommunikation als Aufwand problematisiert, dann ist genau der Aufwand an Kommunikation das Handlungsmodell, das den Erfolg problematisiert  : er kostet. Es braucht daher handlungserleichterndes oder gar handlungsentlastendes Werkzeug  : Medien in allen möglichen metaphorischen Beschreibungen der Mechanik  : als Verstärker, Träger, Transportriemen, Hebel, Brücken, Lautsprecher, Relais, Kanal, Fernseher, Prothesen etc. im Prozess zwischen (ohnedies schon so auffällig markttypisch verdächtig bezeichneten) Kommunikatoren und Rezipienten. Dementsprechend heißt das Praxismodell der Mediengesellschaft  : Medien sind die mittelbaren Systeme, durch die soziale Kommunikation (die Gesellschaft) strukturell und kulturell geformt wird. Deshalb konzentriert sich auf sie (und mit ihnen auf die Akteure der Medien) die Erwartung nach Qualität, Moral und Professionalität. Dass, wenn man schon von Akteuren spricht, doch auch die Rezipienten Akteure der Medien, wenn nicht sogar die eigentlichen Akteure der Medialität der gesellschaftlichen Kommunikation sein könnten, oder eben gerade das Publikum es ist, das Öffentlichkeit begründet („herstellt“) und nicht der Prozessinitiator (Journalist etc.), würde der Plausibilität der auf eine Reihe gebrachten Ordnung zuwiderlaufen und ist daher bei einem linearen Prozessmodell auch schlecht denkbar. Das Originalmodell der gesellschaftlichen Kommunikation heißt aber nicht  : Medien machen Kommunikation, sondern  : Kommunikation, das Konzentrat der sozialen Selbstwahrnehmung des Menschen, ist das Beobachtungsmodell der Vergesellschaftung in der Qualität ihrer Medien. Das Vernunftmodell von Gesellschaft heißt nicht  : Medien verbinden, sondern  : Das Motiv der Verbindung (Vergesellschaftung, Vergemeinschaftung) sucht und wählt sich die mediaten Konfigurationen, in denen sie sich versteht und verständlich machen kann. Soziale Formationen sind gar nicht anders denkbar, denn als sozial gemeinte und begründete Systeme der wechselseitigen Aufmerksamkeit und Beobachtung vermittels generalisierter (allen gehöriger und allen zugänglicher) mediativer Referenzen, also wechselseitig unterstellter Bezüge auf ein Gemeinsames und Teilbares. Im Verhältnis von Kommunikation und Medien gibt es kein Zuerst oder Danach, also auch kein Henne-Ei-Problem. Medien beobachten Kommunikation, wie Kommunikation Medien beobachtet. „Die Medien“ sind nichts anderes als die strukturelle Ausdifferenzierung dieser konstitutiven Qualität. Wenn denn von Mediengesellschaft die Rede ist, dann dient eine solche Metapher zwar der Beschreibung von Zustand und Wandel, aber nicht der Begründung des medialen Charakters der Kommunikationsprobleme der globalen Gegenwartsgesellschaft (vgl. Latzer 1997, Krotz 2007). Ob Gesellschaften können, was sie sein wollen oder meinen, werden zu sollen, hängt ursächlich damit zusammen, wie sie sich verstehen, in der Diktion –  128 –

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doppelter Bedeutung  : wie sie sich in sich und untereinander verständigen und wie sie sich selbst verstehen und verständlich machen. Je virulenter der Wandel ist, in dem sie sich befinden, und je mehr er sich in Phänomenen der Krise zeigt, umso wichtiger wird, dass Gesellschaften auf ein politisches, kulturelles, wirtschaftliches, ethnisches, religiöses, soziales und nicht zuletzt mediales Verständigungsprogramm zurückgreifen können, das für alle den Wert von Zivilisation und Bildung repräsentiert. Was das mediale Verständigungsprogramm betrifft  : Im Status von Gesellschaften, die zunehmend von multipler Diversität, von zunehmender Nebeneinander-Stellung der Individuen, die fokussiert auf das sind, wovon sie meinen, es stünde ihnen zu, von zunehmend medial vernetzten, in diesem Sinne von strukturell zunehmend vertieften und kulturell zugleich veroberflächlichten und verflachenden Diskursen gezeichnet sind, ist es mehr denn je das Mittel der Wahl, die sozial-genuinen Kompetenzressourcen auszumachen und in Bildungsprogrammen zur Wirkung zu bringen. Im Kontext von Medien bzw. in den von im Modus von Medien organisierten Gesellschaften sind Kommunikationsprogramme Bildungsprogramme und Bildungsprogramme Verständigungsprogramme auf die Möglichkeiten und Zumutungen von Vernunft als normative und diskursive Referenz in und für Krisen gesellschaftlicher Selbstverwirklichung, die ihrerseits aber hat kein anderes Protokoll (Meta-Modell) als das der Selbstbeobachtung hat. In diesem Sinne ist Lernen der logische Duktus von Beobachtung, die lernende Gesellschaft das Modell einer Gesellschaft im Bewusstsein des Wandels. Dieses wiederum realisiert sich (nur) im Modus von Kommunikation – und zwar in beiden Versionen der teleologischen Vernunft von Kommunikation (Bauer 1980  : 138ff, Bauer 2011  : 471ff )  : auszuhandeln, worin man übereinstimmt und übereinstimmen möchte (Konsenswert der Kommunikation), und zu bestimmen, wo, worin, wie und warum man sich voneinander unterscheiden möchte (Differenzwert der Kommunikation). Medien sind zu allem fähig, weil sie ja nicht einfach im Mix von Technik, Ökonomie, Organisation und Institution funktionierende Tools sind, sondern Systeme darstellen, in denen einerseits individuelle und intuitive Lebenswelten und Lebensweisen zu einem sozial-generativen Mechanismus für jeweils andere erkennbar und nachvollziehbar geformt werden (z. B. Vertrauen auf Basis der Unterschiedlichkeit), in denen sich andererseits aber Mechanismen der Strukturierung und Regelung entwickeln können, die individuellen und intuitiven Lebensräumen hinreichend Platz machen (z. B. Freiheit der Meinungsäußerung, Öffentlichkeit). Konsens und Differenz, Übereinstimmung und Widerspruchsowie Konkordanz und Kontrast sind die Pole, in denen sich das gesellschaftliche Kommunikations- und Verständigungsprogramm ereignet. Für das eine wie für das andere braucht –  129 –

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es ein Kompetenzprogramm, ein generatives Protokoll, das sich ereignet und umsetzt, indem man sich auf es beruft. Ein solches Protokoll ist Bildung (vgl. Bauer 2008a  : 15ff ). Auch im Kontext von Bildung ist festzustellen, dass das Originalmodell, zugleich das Modell der intrinsischen Vernunft von Bildung, vom Praxismodell der Bildung verdrängt wurde. Der Pragmatismus denkt Bildung im Modus der individuellen Aneignung (Kumulation von Besitz) und verbindet sie mit Position, Status und Prestige (Rollenaufwertung). Das Rollenmodell von Bildung aber ist nicht das Originalmodell von Bildung, sondern das der bürgerlichen Praxis. Folgt man den Überlegungen Georg Simmels, dann kann man Gesellschaften als Spiele mit teleologischer Struktur verstehen, in denen Individuen ihren Platz erhalten und „ihre soziale Stelle“ zu finden hätten (Simmel 1992  : 60ff ). Die Metapher ist irreführend, weil Simmel hier konkret eine bürgerliche Vorstellung idealisiert (Gebauer/Wulf 1998  : 282). In einem generellen und vertiefenden Ansatz, in dem nicht die Rolle gemeint ist, sondern die subjektive Haltung als das Habitat der Reflexion des Verhältnisses des Subjekts zur natürlichen, sozialen, kulturellen wie symbolischen Umwelt (Bauer 2008a  : 20), kann die Vorstellung aber hilfreich sein  : In Gesellschaft ist man durch die Wahl von Standpunkten und durch die Verortung, die man – gelernt oder intuitiv – im Umgang mit anderen vornimmt. Gesellschaften sind allerdings komplexer, als man sie in einem Terminus denken oder gar definieren könnte. Ohnedies wäre es epistemologisch nicht redlich sich zufrieden zu geben mit einem Ansatz, in dem man davon ausgeht, mit eben diesem Terminus hätte man ein Objekt indiziert und vor sich oder sich gegenüber, das dann so wäre wie man es analysiert. Wenn Sozialwissenschaften „die“ Gesellschaft analysieren oder interpretieren, dann analysieren oder interpretieren sie, wie wir (oder sie – jeweils im Kontext ihrer Gesellschaftskultur) alltagstheoretisch (über) Gesellschaft denken. Die sprachliche Intention reicht um vieles weiter als die Sprechpraxis. „Gesellschaft“ ist wie viele andere Begriffe der Sozialwissenschaft (Kultur, Medium, Kommunikation etc.) ein Zeigewort im Heidegger’schen Sinne („Zeigen heißt sehen lassen, zum Vorschein bringen“ – Heidegger 1985  : 210), es macht Nicht-Anwesendes gegenwärtig und beobachtbar. Die Beschreibungen von Gesellschaft, gefasst im alltäglich und fachwissenschaftlich gebrauchten Terminus von Gesellschaft, sind immer nur performative Skizzen der Beobachtungszusammenhänge, sie erreichen bestenfalls die Qualität von Beschreibungsmetaphern (Hepp 2008  : 66) zu Imaginationen und Intentionen, in die aber nicht nur empirische Momente, sondern ebenso normative, kritische und pragmatische Analogien eingemischt sind. Nichts, was wir in Gesellschaft und mit dem Begriff (Konzept) –  130 –

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von Gesellschaft („wie Menschen miteinander umgehen“) beobachten, ist frei von ethischen, ästhetischen oder pragmatischen Konnotationen oder vielleicht noch richtiger  : Frames (Beobachtungs- und Verstehensmodelle). Gesellschaft ist ein Konstrukt wechselseitiger Beobachtung unter Individuen (Simmel 1992  : 60), dessen teleologische Struktur sich in kulturellen Schemata des Verstehens organisiert. Verstehen ist das Soziativ von Kommunikation  : Gesellschaft ist, wie man sich versteht. Dem Verstehen dienen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Beobachtung als jene nur intrinsisch bedingten Anstrengungen (Herausforderungen) des Menschen, mit denen er sich gegenüber allen (möglichen) Unsicherheiten die Kompetenzposition von Selbstortung, Selbstverantwortung, Vorhersagbarkeit und Kontrolle sichert  : Bestimmung, Benennung, Bezeichnung, Beurteilung (vgl. Seligman 1979, Flusser 1998  : 10). In dieses Schema des Verstehens (Objektbestimmung und Referenzentscheidung) fällt aber auch die Strategie des Ausschlusses von Unwägbarkeiten, soweit verursacht durch Kontingenz, Überraschung, Diversität und Differenz  : die Verifizierung des Einen, verleitet durch die Praxis der kausalen Logik bzw. die praktische Vernunft  : die eine Wahrheit, das einzig Richtige, das unbedingt Stimmige, das einzig Mögliche. Das vernünftige Verstehen, im Kontext einer Vernunft-organisierten Gesellschaft (bereits) als „Verstand“ plastisch gemacht, genügt sich in der Schlussfolgerung aus Beobachtung und Erfahrung auf der Basis von Regeln, Prinzipien und Gesetzen, also der Unterstellung, die Welt – die materielle wie auch die immaterielle – sei ein Konstrukt der RegelLogik von Ursache und Wirkung. Dies müsste die Grundlage dafür sein, dass jeder, der vernünftig denkt, die Dinge so sieht, wie sie nur einer sieht bzw. sehen kann. Der Eine ist in dieser Position gesichert und geschützt durch Autorität auf der Basis von Wissen, Funktion oder Macht. So eingebettet ist „der Verstand“ nicht mehr als die mentale bzw. kognitive Reflexion hierarchisch gedachter Verstehenszusammenhänge von praktischer Vernunft. Wenn Gesellschaft das ist, wie sie sich versteht, dann ist sie mehr als die Routine ihres in Systemen denkenden und gedachten Verstands, nämlich  : das Soziativ ihrer denkbaren Verstehenszusammenhänge, also jener Positionen, für die es tatsächlich die Bewegungen des Verstehens (Transposition, Translation, Ortswechsel und Seitenwechsel) braucht. Erst aus dieser Position ist Gesellschaft auch als emanzipatorisches Soziativ sozialer Verständigung (z. B. Zivilgesellschaft) denkbar, begründbar und redlich machbar  : verständigungsorientiertes Handeln in normativ-kritischer Diktion als der Vernunftmodus und der eigentliche Originalmodus von Gesellschaft (vgl. Habermas 1981). Die Praxis sieht, wie man weiß, anders aus. Das Paradigma der (kritischen) Vernunft differenziert nach unterschiedlichen Kriterien, ist im Wortsinn intel–  131 –

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lektuell, einsichtig, und daher nicht das Paradigma der Praxis, sondern der Reflexion von Praxis. Das Paradigma der kritischen Vernunft ist im Kontext der Praxis dem der Macht nicht gewachsen, vor allem dort nicht, wo die Praxis zur Routine wird. Auch die Praxis ist vernunftfähig, aber sie folgt nicht einem dialektischen Vernunftbegriff, sondern dem Modell einer linearen Erfolgsvernunft (Nützlichkeitskriterium). Im Kontext von praktischer Logik (Kausalität), Nutzen- und Ergebnisausrichtung und der Berechnung des Einsatzes für die Sicherstellung von schon vordefinierten (nützlichen) Ergebnissen zählt ökonomische und technologische Vernunft. Die Praxis ist nicht vernünftig im Sinne dialektischer Verständigung, sie ist bestenfalls konsequent im Sinne ihrer Erfolgslogik und daher im Sinne des Ausschlusses von implizitem Widerspruch, impliziten Häresien und impliziten Fehlerfaktoren. Die Krisenphänomene der Gesellschaft in Politik, Wirtschaft oder ziviler Lebensgestaltung sind aber, jenseits aller praktischen Ursachen oder sachpolitischen Zusammenhänge, jeweils ein Hinweis auf die Verschleppung des originären, dialektischen Modus der Verständigung und eine Folge der affirmativen Routinisierung von Macht. Vernünftig ist es daher, der Praxis Theorien gegenüberzustellen, die ohnedies wieder nur aus der (kritischen) Betrachtung der Praxis gewonnen werden, um so das ihr originär inhärente Potenzial von Dialektik freizulegen. Theorien können, was die Praxis nicht kann  : Sie werden dadurch schlüssig, dass sie auf sich selbst angewandt werden können. Eben dies ist die Chance, die Herausforderung und die Zumutung, durch die die gesellschaftliche Praxis in die Lage kommt, die Verhältnisse zu ändern, weil die kritische Reflexion auf einer nächsten Ebene das Verhältnis von Setzung und Voraussetzung anders betrachtet, es aus der Enge der Sach- und Machtlogik (Regelpragmatismus) freispielt und anders (in den Logiken von Kontingenz, Dialektik, Häresie) zu deuten (konstruieren) weiß (Schmidt 2003  : 29, Schmidt 2005  : 43, Mitterer 2001  : 82ff ). In diesem Sinne ist die Praxis kritischer Theorie die Chance und die theorie-theoretische Herausforderung des intelligenten Regelbruchs (des Denkens) gegen die Zumutungen der auf Modelle von Einheit und Übereinstimmung ausgerichteten affirmativen Wahrheitstheorien. Kohärenz, Konsens und Korrespondenz sind affirmative Theoreme, durch die sich Wahrheitstheorien als Übereinstimmungstheorien argumentieren (Mitterer 2001  : 82ff ). Erst die Mechanismen der Unterbrechung – theoretische Intervention (Schmidt 2003  : 94) – ermöglichen die Emanzipation der Praxis. Das emanzipatorische Konzept von sozialer Verständigung bzw. der emanzipatorische Gebrauch von (sozialem) Verstand beruft sich ausdrücklich auf die Möglichkeit (Vernünftigkeit) der Unterbrechung von Routinen (vgl. Enzensberger 1997) und der damit gewonnen Verfügbarkeit von Bewegungsspielräumen. Die Beobachtungen –  132 –

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(direktes Verstehensschema) und die Beobachtungsstandpunkte (indirektes Verstehensschema) ändern sich im Wege des bewusst-kreativen Verstehens (Vertreten neuer Positionen) und der „Überschreitung“. Transgression ist eine Perspektive, die vermutlich in der Konzeption von Kommunikation, Kultur und Gesellschaft als Zusammenhänge der Beobachtung offenkundiger und „möglicher“ wird als in deren handlungstheoretischer Konzeption. Die Perspektive (das Paradigma) des Handelns unterliegt der Erfahrung individueller Endlichkeit, die als der eigentliche Grund von Unsicherheit und Ratlosigkeit zu deuten ist, weil sie die existenzielle Unbestimmtheit zur Regel des Lebens macht (vgl. Schmid 2000  : 145, Schmidt 2003  : 38ff ). Dieser anthropologische Befund ist das theoretische Argument für das transgressive Potenzial, das einem Beobachtungsbegriff von Kommunikation zugedacht werden kann  : Die Wahrheit kommuniziert, wer die Kontingenzseite der Realität mitbeobachtet, also jene Momente des Seins, die wahr sind, ohne dass sie berechenbar wären, die daher wahrzunehmen „nicht notwendig, aber auch nicht unmöglich“ ist (vgl. Luhmann 1987  : 152). Gesellschaften sind organisierte und in Institutionen etablierte soziale Verständigung, strukturelle und kulturelle Analogien des Verstehens. Sie sind gedachte, vorgestellte, beobachtete und durch Interaktion ausverhandelte Ordnungsmuster von einander unterstellter, zugedachter, ermöglichter, zugemuteter oder erzwungener Aufmerksamkeit zwischen Menschen mit Positionen (Standorten) der Erwartung, figuriert in Mustern der Beziehung, die erst aus der Dynamik der je -situativen, aktuellen oder wiederholten Bezugnahme im Rahmen der sozialen Praxis die Deutung von Realität (Wahrheitsbestimmung) erhalten  : Stehen und Standhalten, Sehen, Gesehen werden und Sich-sehen-Lassen, Wahr-nehmen und Für-wahr-Halten sind in dieser Konstruktion Analogien des Vertrauens und der Verlässlichkeit der Bestimmung (Verstehen). Gesellschaften generieren, erfinden und wandeln sich im Wege der wechselseitigen Wahrnehmung (Aufmerksamkeit), in wechselseitigen Bezugnahmen, in diesem Sinne im Modell des wechselseitig erwarteten, ermöglichten und zugemuteten Verstehens. Einander zu verstehen, so kann man unterstellen, ist ein intrinsisches Motiv der sozialen Wahrnehmung und ein Desidarat in der anthropologischen Konstruktion von Identität zwischen den Optionen, Chancen und Zumutungen von Soziabilität und Individualität, von Ähnlichkeit und Verschiedenheit, von Übereinstimmung oder Divergenz. Verstehen ist ein kontextueller Vorgang der Einschätzung von Unterscheidungsoptionen, der Abschätzung von Mechanismen, Abläufen und Zusammenhängen und deren möglichen Folgen sowie der Entscheidung für einen gegenüber einem anderen Standort der Selbstdarstellung, den man nur besteht, indem –  133 –

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man ihn (mit sich) selbst vertritt. In diesem Muster der sozialen Praxis geschieht die Bestimmung des Unbestimmten unter impliziter Bezugnahme auf zwei Vertrauensgrundsätze  : Standort-Treue, die das Vertrauen (auch hier  : der Transpositionsaspekt des Verstehens) rechtfertigt, und Selbst-Treue (Authentizität), die es rechtfertigt, Aussagen für wahr zu halten. Verstehen ordnet im Falle wechselseitiger Wahrnehmung nicht nur die Entscheidung für oder gegen eine Vergemeinschaftung von zunächst individuellen Bezügen (soziale Komponente), sondern konfiguriert auch die Vergesellschaftung von lebensbezüglichen Strukturen (soziative Komponente), weil Individuen sich als solche jeweils selbst ja nur im Kontext ihrer Umwelt- und Lebensbezüge selbstverstehen bzw. darstellen (standörtlich verständlich machen) können. Ohne diese Attribution von Soziabilität und Assoziation und ohne die Unterstellung der Möglichkeit, der Zuständigkeit (Kompetenz) und der Notwendigkeit (Bedürfnis) zu verstehen, sich verständlich zu machen und verstanden zu werden, wäre das Individuum nur auf sich gestellt und hätte keine Chance und keinen Anspruch auf eine (eigene, authentische und autochthone) Standortbestimmung – aus dem schlichten Grund, da es weder aktiv (verstehen) noch passiv (verstanden werden) eine Möglichkeit der Unterscheidung oder Kontrastierung gegenüber möglichen anderen Standorten und deren Wahrnehmungsbedingungen hätte. Die Konstruktion von Wirklichkeit (Kommunikation – vgl. Watzlawick/Bavelas/Jackson 1974, Berger/Luckmann 1972) ereignet sich im Verstehen, der Metapher des Wortsinns von Ver-Stehen folgend, als Transposition (Standortwechsel, sich in die Lage einer anderen Perspektive oder Wertung versetzen) wie auch als Translation (Seitenwechsel und Zeichenwechsel, das selbe Objekt anders bezeichnen, es in eine oder aus einer anderen Seite übertragen) und versucht sich als Bestimmung des Standortes gegenüber dem Objekt der Wahrnehmung im Unterschied zu möglichen anderen Wahrnehmungsperspektiven. Allerdings ist hier eine vertiefende Unterscheidung in der Version des Verstehens anzumerken, die gesellschaftskulturell relevant ist und im Hinblick auf medienvermittelte soziale Wahrnehmung noch einmal eine neue Wendung erfährt. Unter ausdrücklicher Referenz auf Paul Watzlawicks Axiomatik – Beziehungs- und Sachaspekt der Kommunikation (Watzlawick/ Bavelas/Jackson 1974  : 63) – und in Anlehnung an Tomasellos Unterscheidung zwischen der „direkten“ und der „referentiellen“ Bedeutung (Tomasello 2009  : 74) ist auch das Konzept des Verstehens zweidimensional zu deuten  : In der Version des Dich-Verstehens (soziales Verstehen), den anderen verstehen und von anderen verstanden werden, zeichnet sich Verstehen als empathische Einmischung aus, als sich Einfinden in die Lagebestimmungen eines anderen, ohne dabei den eigenen Standort zu verlieren oder zu verleugnen, –  134 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

In der Version des Es-Verstehens (kognitives Verstehen  : Bedeutungskonstrukte erfassen), die Sicht einer anderen Position verstehen, das Zeigen wahrnehmen (intentionales Verstehen  : Gezeichnetes und Bezeichnetes, Intentionen erkennen), zeichnet sich Verstehen aus als die Wahrnehmung der sozialen oder semantischen Intention einer zeigenden Geste auf ein gemeintes Objekt (vgl. Wiesing 2013  : 112). Will man im Kontext von theoretischer Medienbildung generell nicht nur (die) Mediengebrauchskulturen, sondern Kulturen der gesellschaftlichen Verständigung zum Thema machen, dann braucht es die Dekonstruktion der Metaphern und die Aufschlüsselung der Beobachtungstheoreme in diesen. Dann begegnet man auch hier der basalen Logik von Dein und Mein, von Eigen und Fremd, obwohl man schon weiß, dass das Eine ohne das Andere weder real noch wahr ist. „Ich bin, weil Du bist“ ist nicht nur ein sozialpolitisch treffend formulierter Slogan („ubuntu“, Zulu, Afrika), sondern beschreibt das kommunikative Prinzip der Wahrnehmung. Erst im Wege der auf Besonderung ausgerichteten Unterscheidung ist das Eine vom Anderen als je Eigenes zu trennen. Das Eigene aber ist nur unter den Bedingungen der Möglichkeit der Unterstellung des Anderen benennbar. Der eigene Standort wiederum gibt erst die Möglichkeit (andere als anders) zu verstehen, also – um die Metapher beim Wort zu nehmen – die Bewegung von einem (eigenen) zu einem anderen Standort (Ort des Stehens, des Sehens, der Wahrnehmung und Beobachtung – und so wahrgenommen werden) zu realisieren. Diese innere, gedankliche, aber im Medium (z. B. Sprache) bezeichnete Bewegung des Standortwechsels beschreibt das Ereignis des Verstehens bzw., wenn und weil in Interaktion ausgetauscht und verhandelt  : das der Verständigung. Medientypische Differenzierung der sozialen Verständigung Verstehen und Verständigung sind Metaphern, durch die die Notwendigkeit und das Bedürfnis der Zuordnung und Einordnung von Wahrnehmung und Erfahrung im Hinblck auf die Gültigkeit und die Geltungsansprüche von Kommunikaten (Botschaften) beschrieben wird (vgl. Habermas 1981). Diese Metaphern beziehen sich (nur) mittelbar auf den Inhalt von Botschaften, weil auf die mögliche oder notwendige An-, Ein- und Übersicht im Blick auf das Gesagte oder Gemeinte. Verstehen ist – so gewendet – eine Qualität von Medialität, spreachakt-theoretisch noch richtiger (vgl. Wittgenstein)  : eine Qualität des struktur-, institutions- oder situationstypisch ritualisierten Gebrauchs von Sprache, Gestik und Symbolik. Das Medium ist nichts anderes als das durch strukturelle, institutionelle oder situative Gesten und Symbole –  135 –

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In der Version des Es-Verstehens (kognitives Verstehen  : Bedeutungskonstrukte erfassen), die Sicht einer anderen Position verstehen, das Zeigen wahrnehmen (intentionales Verstehen  : Gezeichnetes und Bezeichnetes, Intentionen erkennen), zeichnet sich Verstehen aus als die Wahrnehmung der sozialen oder semantischen Intention einer zeigenden Geste auf ein gemeintes Objekt (vgl. Wiesing 2013  : 112). Will man im Kontext von theoretischer Medienbildung generell nicht nur (die) Mediengebrauchskulturen, sondern Kulturen der gesellschaftlichen Verständigung zum Thema machen, dann braucht es die Dekonstruktion der Metaphern und die Aufschlüsselung der Beobachtungstheoreme in diesen. Dann begegnet man auch hier der basalen Logik von Dein und Mein, von Eigen und Fremd, obwohl man schon weiß, dass das Eine ohne das Andere weder real noch wahr ist. „Ich bin, weil Du bist“ ist nicht nur ein sozialpolitisch treffend formulierter Slogan („ubuntu“, Zulu, Afrika), sondern beschreibt das kommunikative Prinzip der Wahrnehmung. Erst im Wege der auf Besonderung ausgerichteten Unterscheidung ist das Eine vom Anderen als je Eigenes zu trennen. Das Eigene aber ist nur unter den Bedingungen der Möglichkeit der Unterstellung des Anderen benennbar. Der eigene Standort wiederum gibt erst die Möglichkeit (andere als anders) zu verstehen, also – um die Metapher beim Wort zu nehmen – die Bewegung von einem (eigenen) zu einem anderen Standort (Ort des Stehens, des Sehens, der Wahrnehmung und Beobachtung – und so wahrgenommen werden) zu realisieren. Diese innere, gedankliche, aber im Medium (z. B. Sprache) bezeichnete Bewegung des Standortwechsels beschreibt das Ereignis des Verstehens bzw., wenn und weil in Interaktion ausgetauscht und verhandelt  : das der Verständigung. Medientypische Differenzierung der sozialen Verständigung Verstehen und Verständigung sind Metaphern, durch die die Notwendigkeit und das Bedürfnis der Zuordnung und Einordnung von Wahrnehmung und Erfahrung im Hinblck auf die Gültigkeit und die Geltungsansprüche von Kommunikaten (Botschaften) beschrieben wird (vgl. Habermas 1981). Diese Metaphern beziehen sich (nur) mittelbar auf den Inhalt von Botschaften, weil auf die mögliche oder notwendige An-, Ein- und Übersicht im Blick auf das Gesagte oder Gemeinte. Verstehen ist – so gewendet – eine Qualität von Medialität, spreachakt-theoretisch noch richtiger (vgl. Wittgenstein)  : eine Qualität des struktur-, institutions- oder situationstypisch ritualisierten Gebrauchs von Sprache, Gestik und Symbolik. Das Medium ist nichts anderes als das durch strukturelle, institutionelle oder situative Gesten und Symbole –  135 –

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geordnete soziale Ambiente, auf das sich die in ein Kommunikationsgeschehen Eingebundenen beziehen, um sich der Deutung ihrer Wahrnehmung sicher (kontrolliert) zu sein. Verstehen ereignet sich in Gesten des Austausches von Bestimmung und Zustimmung. Sie sind die eigentlich mediale Referenz (das Medium) der inhaltlichen Zuordnung und der sozialen Einordnung von kommunikationsimpliziten Ansprüchen, sie beschreiben und bezeichnen das Arrangement des wechselseitig eingegangen Commitments bzw. der Verpflichtung auf die Verlässlichkeit der semantischen und pragmatischen Abgrenzungen (Reduktion sozialer Komplexität) des Kommunikationsgeschehens. So versteht man Nachrichten aufgrund des gestischen (medial ritualisierten) Ambientes eben als Nachrichten, selbst wenn man dessen Werbecharakter – wofür auch immer – mit-wahrnehmen würde. Medien sind gestisch strukturierte Hinweise auf den möglichen Deutungs- und Verständigungszusammenhang eines Geschehens. In disem Sinne ist alles ein Medium, was ansonsten richtungslose Inhalte, Behauptungen oder Botschaften mit Referenzen der Deutung und Geltung zusammenschließt  : Städte, Familien, Versammlungen, Personen, Institutionen, Organisationen, Ereignisse. Und  : in dieser Abstraktion wird deutlich, dass nicht die Strukturen das Medium (aus)machen, sondern dass es der Habitus der Wahrnehumung (der kognitiv habitualisierte Gebrauch) ist, der die Strukturen (Apparaturen, Situationen etc.) gestisch aufladet. Wenn also „das Medium“ in der Verständigung eine entscheidende Rolle spielt, dann ist sie nicht das Ergebnis der „Wirkung“ einer strukturellen Zwischenschaltung, sondern die (in der Regel impizite) Entscheidung der Beteiligten auf der Basis der wechselseitig zugespielten Unterstellung der Verlässlichkeit habitueller Medialität. Das Medium (hier  : der Medienhabitus) ist – wenn man es einmal nicht technologisch, sondern kulturologisch bzw. gebrauchstheoretisch betrachtet – ein kulturelles, weil ästhetisches, pragmatisches und ethisches Programm sozialer Habitualität. Im Blick auf die sozial-gesellschaftlichen Bedingungen der Selbstprogrammierung von Individuen und Gesellschaften sind Medium, Verstehen und Verständigung einander erläuternde Beschreibungsmetaphern, gezogen aus der Metapher der Örtlichkeit und der Möglichkeit, Zumutung und Notwendigkeit der Verortung von Aussagen über sich selbst, den Anderen und das Andere, was möglich macht, den Vorgang des Verstehens als Ortsbestimmung, den der Verständigung als Austausch von Ortsbestimmungen und den der OrtBezeichnung als mediale Programmierung (Vergesellschaftung, Verteilung von Gesellschaftlichkeit) zu interpretieren. Da über diesen hermeneutischen Weg der Beschreibung der Inhärenz von Gesellschaft Verstehen, Verständi–  136 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

gung und Medium so zueinander vermittelt werden, dass das Eine das Andere braucht, um sich zu erklären, bietet es sich an, Gesellschaft als das Programm ihrer eigenen Medialität, als Konfiguration für individuelle wie kollektive Ortsbestimmungen (des Selbst wie des Anderen) zu deuten, was darauf verweist, dass man es als das originäre Kulturprogramm von Gesellschaft(en) betrachten kann (muss), sich in je-typischen Gesten (Symbolstrukturen) ihrer Identität und Identifizierbarkeit wegen zu objektivieren. Weil in eben diesem Sinne Gesellschaft das ist, was ihre Kommunikation ausmacht, muss man ihr zumuten, das Modell generativer Medialität zu sein, ein Bezugsrahmen (Kulturhintergrund), aus und in Bezug auf den trotz und vielleicht wegen aller damit verbundenen Freuden und Mühen der Bewegung Verstehen und Verständigung kommunikativen Sinn (Einigung und Differenz) beanspruchen können. Eine solche Interpretation von Medien-Verstehen kommt ohne die Unterstellung von Kompetenz nicht aus. Sie begründet letztendlich die theoretische Möglichkeit, Medienbildung als Kompetenzprogramm einer sich selbst bewussten Gesellschaft zu entwerfen und so die konzeptionelle Engführung der „Medienpädagogik“ hinter sich zu lassen. Zu gleich verlangt das aber auch, die theoretischen Engführungen des Verstehens aufzumachen  : die traditionelle Verstehenstheorie arbeitet und denkt sehr strukturalistisch, versteht die Materialisierungen von Denken, Vorstellen und Beobachten im Modell von Sprache, einem Ausdrucksordnungssystem zwischen Kunst und Technik auf den Ebenen der theoretischen Semiotik (vgl. Saussure 1967, Albrecht 2000). Auch Zeichen, Symbole, Bilder und Gesten werden diesem Interpretationsparadigma – die Sprache als Regelsystem – untergeordnet, so als könnte (dürfte) sich nur das äußern, was sich einer Ordnung unterzieht. Immerhin aber macht diese Konstruktion einer Konjunktion von Wahrnehmung und Ordnung deutlich, dass die Dinge (Zusammenhänge, Objekte, Lagen) erst Realität werden, indem sie benannt werden, dass sie daher die Ordnung (Wertung) nicht (objektiv) an sich und aus sich selbst haben, sondern dass diese ihnen zugeordnet und zugedacht wird durch deren Benennung, die in der Regel (im situativen Falle des Gebrauchs) kulturell schon ausverhandelt (bestimmt) vorliegt (vgl. Mead 1973, Brumlik 1973, Luhmann 1974  : 42ff ). Man interagiert also auf der Basis der Deutung des Mediums, man versteht das Zeichen für das Gezeigte, die Gestik für das Gemeinte, die Sprache für das Gesprochene. Man versteht sich in der wechselseitigen Unterstellung der Einhaltung kultureller Ordnungsmuster, man versteht sich im Modell von Medialität. Denn dieses steht für die Möglichkeit der Unterstellbarkeit der Verständigungsansprüche im Kontext kommunikativen Handelns (Habermas 1981  : 147ff )  : Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Richtigkeit. Wenn –  137 –

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das also das Ergebnis der bisherigen Ableitung ist, dass das Medium nicht eine Struktur ist, die die Realität bezeichnet, sondern ein Ordnungsmuster, das die Zeichenverfügbarkeit disponiert und die Zeichenverwendung klassifiziert (realisiert), dann kann sich Medientheorie nicht als Struktur- oder Funktionstheorie genügen, sondern muss sich auf die gesellschaftlichen Kontexte der Medienverwendung einlassen. Erst dann kann sie klar machen, von welchen Optionen, Chancen, Zumutungen und Herausforderungen die Rede ist, warum das Verstehen von Welt genau mit der Kompetenz der Medienverwendung zusammenhängt (vgl. Foucault 1981). In diesem Sinne ist jede in diese Richtung anspruchsvolle Theorie zu den Konstrukten von Kommunikation und Medien ohnedies schon eine Analyse des Medialitätscharakters der Gesellschaft und Medienbildung die Erschließungsperspektive der Optionen, Chancen und Zumutungen gesellschaftlicher Verständigung. In diesem Sinne sind Medienbildungsprogramme nichts anderes als diskursive Programme der Medienkultur. Medienkultur – kurz und abstrakt beschrieben als die im Rahmen der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse strukturell immer unterschiedlich bedingten, unterschiedlich wahrgenommenen und gebrauchten, aber immer politisch, ästhetisch und ethisch gedeuteten, individuellen wie sozialen Habitate gesellschaftlicher Verständigung im Modus von Medien und Medialität – war und ist in allen gesellschaftspolitischen Systemen immer auch schon Gegenstand politischer, öffentlicher und institutioneller Aufsicht, ob als Strategie der Verhinderung, der Steuerung oder der Förderung gesellschaftlicher Verständigungsdiskurse (vgl. Habermas 1971, 1981). In solche Kontrollmechanismen mischten sich, vor allem im Kontext der Entstehung der klassischen und industriell strukturierten Massenmedien wie Zeitung, Film, Fernsehen, diverse Trägermedien und Web-Medien, auch bildungspolitische Institutionen mit pädagogisch gemeinten Programmen. Medienpädagogik verstand sich in ihren verstreuten Anfängen deshalb in diesem weithin ideologisch und ideologiepolitisch besetzten Zusammenhang als ein von Eliten geführter bzw. zu führender Problemdiskurs, gestützt von naiv kausal konzipierten Konzepten aus Sozialisationspädagogik und Medienpsychologie. Die Idee war dabei, die Medienhabitate von (in eben solchen Rollen gedachten) Rezipienten möglichst mit den normativen Konzepten und Interessen der je gegebenen Medienordnung zu kompatiblisieren (Affirmationspädagogik) und durch adaptive Qualifikationen gesellschaftskulturell abzusichern. Von Medienkultur als dem Zusammenhang der gesellschaftlichen Praxis, in dem emanzipatorische Deutungsmuster der Soziabilität des Menschen im Modell einer offenen Gesellschaft (vgl. Popper 1992) eine Rolle spielen, war zunächst nicht die Rede, –  138 –

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nicht von intellektueller, kognitiver oder kultureller Autonomie, nicht von selbstverantworteter Freiheit, vom Reichtum der Diversität und den möglichen Vorteilen von Verschiedenheit (vgl. Brecht 2005, Enzensberger 1997, Laberenz 2003) etc. Zunächst ging es um die Affirmation bestehender Rollenverteilungen in hierarchisch zugemuteten Ordnungsschemata und den darin institutionell eingebetteten Kulturbildern – selbst noch im Umfeld der kritisch-theoretisch aufgesetzten Medienpädagogik (vgl. Horkheimer/Adorno 1969a, Bauer 1980  : 83ff –Band II). Erst durch die Impulse der Cultural Studies zeichnete sich ein Paradigmenwechsel ab (vgl. Marchart 2008), sowohl epistemologisch wie objekttheoretisch  : Das Erkenntnisinteresse der Cultural Studies ist es, Zusammenhänge (Realitätskonstrukte gleich Deutungskonstrukte) aufzudecken, sie kontextuell zu verstehen und wo möglich zu dekonstruieren. Ihr Theorieverständnis ist orientiert an den Möglichkeiten und Herausforderungen der Investigation und Intervention. Wenn es stimmt, dass soziale Zusammenhänge so sind (werden), wie man sie beobachtet und versteht, dann könnte man vor allem ideologiebesetzte Realitäten (ideologisch begründete und verfestigte Deutungskonstrukte) dadurch verändern, dass man versucht, die ideologischen Einmischungen in die Systeme von Beobachtung und Handlung aufzudecken und lernt sie so anders zu deuten und zu verstehen  : Theorie im Modus kritischer Intervention. Kultur ist im Kontext dieser Betrachtung auch eine politische Kategorie (Macht), weil eben ein Deutungshorizont, vor dem Identitätsbestimmungen artikuliert und postuliert werden. Daher sind Identitätsbehauptungen wie auch Identitätszuschreibungen stets im Deutungshorizont von Machtverhältnissen zu analysieren. In Anwendung dieser Erkenntnis wird deutlich  : Medienstrukturelle Rollen (der Journalist, der Rezipient etc.) sind Rollen, die man systemadaptiv aufnehmen und systemaffirmativ lernen kann, die man aber auch ablegen, verweigern oder verändern kann. Das Mediensystem muss also nicht ein im Interesse der Industrie geteiltes Kommunikationsverfahren zwischen Produzentenrollen und Rezipientenrollen sein, vor allem muss man es so nicht auch noch theoretisch verfestigen (wissenschaftlich affirmieren), was aber alle Theorien tun, die das Medium/die Medien als Tool der Verteilung von Interessen zwischen diesen beiden Rollen wahrhaben wollen. Die kulturtheoretische Annäherung an Medienwelten interessiert nicht das Aktions-Reaktions- oder Reiz-Reaktionsverfahren zwischen so durch und von Medien distanten Partnerschaften (Lasswell 1971, Maletzke 1984), sondern der Umgang mit Macht (Zeichenmächtigkeit) und das Machtgefälle in der Konstruktion von Bedeutung, Sinn und Wirklichkeit zwischen in Rol–  139 –

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len (ideologisch) verfestigten Nutzern von Zeichen (vgl. Hall 1989). Die symbolische Interaktion (vgl. Blumer 2004) gilt als das Grundlagenmodell sozialer Praxis, in deren Verlauf Menschen einander verstehen und sich miteinander verständigen auf Basis der Annahme, dass die Deutung der Zeichen, die man verwendet, kulturell vergemeinschaftet und deshalb konsensuell, konsonant und konkordant encodiert wie decodiert wird bzw. werden kann. Es ist also eine Frage des Vertrauens in Kompetenz  : nicht nur der Fähigkeit und Fertigkeit, sondern auch der Unterstellung von Zuständigkeit, Bereitschaft und Verantwortung mit der Nutzung (Produktion und Konsumption, Encodierung und Decodierung) der Zeichen und Symbole auch das deuten zu können und zu wollen, wofür die Zeichen stehen. Denn sie vertreten (bezeichnen) nur Wirklichkeitsdeutungen, ohne diese Wirklichkeit zugleich selbst und materiell zu sein, obwohl sie bewirken, was sie bezeichnen. Diese Interpretation, entstanden im wissenschaftlichen Kontext von Theoriesystemen wie Symbolischer Interaktionismus (vgl. Mead 1973), konstruktivistische Erkenntnistheorie (vgl. Mitterer 2001, Foerster 2003, Schmidt 2003) und Cultural Studies (vgl. Hall 1989, Bromley/Göttlich/Winter 1999, Hepp/Krotz/Thomas 2009), hilft zu verstehen, dass die gesellschaftliche Verständigung nicht „durch die Medien“ entsteht, sondern im Gebrauch der Medien. Denn dieser ist kulturell konnotiert, stellt also die eigentlich mediate Referenz des Geschehens dar, die theoretisch einzufangen wäre. In diesem Sinne ist – kulturtheoretisch eingeordnet – das Medium bzw. sind die Medien als differentieller Faktor in der kommunikativen Praxis der Gesellschaft repräsentiert durch den Gebrauch von Zeichensystemen und Deutungsmustern, unabhängig davon, ob sie nun (nur) infrastrukturiert, apparatisiert, instrumentiert oder organisiert sind. Wenn nun die Gebrauchsbeobachtung und das Gebrauchshandeln, kulturtheoretisch eingeordnet, eigentlich den theorierelevanten Topos eines Mediums ausmachen, dann folgt daraus eine notwendige Paradigmenumstellung  : Ein im Modell des Gebrauchs (in Beobachtung und Handlung) gedachter Terminus (Metapher) macht es möglich, vielleicht sogar notwendig, das Medium theoretisch nicht als Objekt der Beobachtung, sondern als Konzept von Beobachten und Handeln gerade wegen der in ihr geschlossenen Unterstellung – ob nun Vermittlung, Verbindung oder Bezeichnung – zu analysieren. Ein Konzeptbegriff von Medium macht es nicht weiter notwendig oder verlangt vielleicht sogar, terminologische Gewohnheiten umzustellen – zumindest im Kontext theoretischer Analyse – nicht weiter von „den Medien“ zu reden, so als wäre die ihnen unterstellte Charakteristik – wie immer auch – ontologisch objektivierbar. Eine mediumstheoretische Konzeption würde in –  140 –

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vielen Fragestellungen, vor allem auch im Zusammenhang mit einer sozialtheoretisch konstruierten Phänomenologie neuer Mediengebrauchsmuster („social media“) – im Vergleich zu den gängigen medientheoretischen Programmen von Medienpädagogik und/oder Media Literacy – den theoretischen Programmen von Medienbildung neue Problematisierungsperspektiven erschließen (vgl. Krotz 2008  : 47). Wenn und weil Medienkultur nicht nur das Beschreibungskonzept für den alltäglichen Gebrauch von Medien darstellt, sondern auch den Beobachtungszusammenhang (Wahrnehmung, Deutung, Wertung, Kontrolle), in welchen Medienumgebungen Menschen welch sozialer Zuordnung welche Rechte und Chancen der Selbst- und Andersverständigung wahrnehmen (können) oder welche Risiken der Selbst- und/oder Fremdbestimmung sie einzugehen bereit oder gezwungen sind, ist Medienkultur das theoretische Konzept, mit dem die Zusammenhänge der Kultursphären von Gesellschaft, Bildung und sozialer Verständigung kritisch reflektiert werden können. Verständigungswert Gesellschaftlchkeit Wenn es um die Werte gesellschaftlicher Verständigung im Modus von Medien geht, dann geht es um Werte, in denen sich die Gesellschaft als Konstruktion ihrer Kommunikation spiegelt, wissend, dass sie in der Steigerung ihrer sozialen und kulturellen Qualität nur so weit kommen kann, wie ihre Kommunikation reicht  : Glaubwürdigkeit, Freiheit, Autonomie, Zugänglichkeit, Transparenz, Partizipation, Diversität, Pluralität, Solidarität – um vor allem jene Werte anzusprechen, die, bevor sie eine kommunikations- und medienethische Kategorie darstellen, eine der Gesellschaft inhärente intrinsische Qualitätskategorie bedeuten. Als solche stellen sie theoretisch sicher, dass gesellschaftliche Kommunikation medienpraktisch das wird, was sie sozial-kulturell sein will  : die Vergemeinschaftung von Unterschied und die Verteilung von Gesellschaftlichkeit (Bauer 2011  : 488). Das Konzept einer bewusst als gesellschaftlich ausgewiesenen Verständigung („Gesellschaftliche Verständigung“) umfasst nicht einfach die mögliche Summe individueller, irgendwelcher und zufälliger Verständigungsvorgänge, sondern urgiert die Beobachtung von ordnungstypischen Charakteristiken der sozial-gesellschaftlichen Organisation von Verständigungsgemeinschaften im Wege der Dauerstellung von Diskursen  : Strukturen, Ziele, relevante Inhalte, Qualitätsstandards, Mechanismen von Vertrauen und Kontrolle, Mechanismen der Verteilung von Kompetenz, von Zeichenmächtigkeit und – Im Falle der Verfehlung – von Reparaturmechanismen und meta-kommunikativen –  141 –

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vielen Fragestellungen, vor allem auch im Zusammenhang mit einer sozialtheoretisch konstruierten Phänomenologie neuer Mediengebrauchsmuster („social media“) – im Vergleich zu den gängigen medientheoretischen Programmen von Medienpädagogik und/oder Media Literacy – den theoretischen Programmen von Medienbildung neue Problematisierungsperspektiven erschließen (vgl. Krotz 2008  : 47). Wenn und weil Medienkultur nicht nur das Beschreibungskonzept für den alltäglichen Gebrauch von Medien darstellt, sondern auch den Beobachtungszusammenhang (Wahrnehmung, Deutung, Wertung, Kontrolle), in welchen Medienumgebungen Menschen welch sozialer Zuordnung welche Rechte und Chancen der Selbst- und Andersverständigung wahrnehmen (können) oder welche Risiken der Selbst- und/oder Fremdbestimmung sie einzugehen bereit oder gezwungen sind, ist Medienkultur das theoretische Konzept, mit dem die Zusammenhänge der Kultursphären von Gesellschaft, Bildung und sozialer Verständigung kritisch reflektiert werden können. Verständigungswert Gesellschaftlchkeit Wenn es um die Werte gesellschaftlicher Verständigung im Modus von Medien geht, dann geht es um Werte, in denen sich die Gesellschaft als Konstruktion ihrer Kommunikation spiegelt, wissend, dass sie in der Steigerung ihrer sozialen und kulturellen Qualität nur so weit kommen kann, wie ihre Kommunikation reicht  : Glaubwürdigkeit, Freiheit, Autonomie, Zugänglichkeit, Transparenz, Partizipation, Diversität, Pluralität, Solidarität – um vor allem jene Werte anzusprechen, die, bevor sie eine kommunikations- und medienethische Kategorie darstellen, eine der Gesellschaft inhärente intrinsische Qualitätskategorie bedeuten. Als solche stellen sie theoretisch sicher, dass gesellschaftliche Kommunikation medienpraktisch das wird, was sie sozial-kulturell sein will  : die Vergemeinschaftung von Unterschied und die Verteilung von Gesellschaftlichkeit (Bauer 2011  : 488). Das Konzept einer bewusst als gesellschaftlich ausgewiesenen Verständigung („Gesellschaftliche Verständigung“) umfasst nicht einfach die mögliche Summe individueller, irgendwelcher und zufälliger Verständigungsvorgänge, sondern urgiert die Beobachtung von ordnungstypischen Charakteristiken der sozial-gesellschaftlichen Organisation von Verständigungsgemeinschaften im Wege der Dauerstellung von Diskursen  : Strukturen, Ziele, relevante Inhalte, Qualitätsstandards, Mechanismen von Vertrauen und Kontrolle, Mechanismen der Verteilung von Kompetenz, von Zeichenmächtigkeit und – Im Falle der Verfehlung – von Reparaturmechanismen und meta-kommunikativen –  141 –

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Maßnahmen der Reflexion. Die gesellschaftliche Organisation von Verständigung kann nicht dem Zufall oder der Zufallsmotivation überlassen werden, sie braucht auf Dauerbetrieb gestellte Medien, die in ihrer Systemik auf eben diese Charakteristiken abgestimmt und eingerichtet sind. Von gesellschaftlich eingerichteten Medien und Medieninstitutionen ist in diesem Kontext zu erwarten, dass sie sich als Organisationsgrößen und als Bezugsgrößen der Kultur der Gesellschaftlichkeit (Wie gehen wir miteinander um  ?) verstehen. Unter diesen theoretischen Bedingungungen lässt sich das Konzept der gesellschfatlichen Verständigung beschreiben –– als Beobachtung der durch Darstellung und Interpretation zueinander verständigten Ansprüche auf Gesellschaftlichkeit (soziale Relevanz) von jeindividuell relevanten Themen, Ereignissen, Erfahrungen sowie ihrer dazu generierten Geschichten und Diskurse (Schmidt 2003), –– als sozial und medial verteilte Beobachtung von natürlicher, sozialer, politischer und kultureller Umwelt und ihrem Wandel, –– als Modell, in dem Menschen sich nicht nur zufällig, sondern bewusst, wissend um die möglichen Belastungen und Zumutungen (Wissen verpflichtet) und daher auch in organisierter Vernetzung zueinander, austauschen, –– als das Kulturmodell einer in mediaten Strukturen disponierten sozialen Praxis, –– als das Qualitätsmodell einer im Muster von sozialer Aufmerksamkeit gedachten und in individuellen wie kollektiven Reflexen ausgerichteten Wahrnehmung des je-eigenen und je- anderen Selbst. Wenn nun Medienkultur generell (kommunikationstheoretisch eingeordnet) als der sozial verhandelbare Habitus von gesellschaftlicher Verständigung beschrieben wird, in dem Menschen ihr Verhältnis zu natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen Umgebungen ausverhandeln und durch den Gebrauch von Gesten, Zeichen und Symbolen (Dispositiven – vgl. Foucault 1974) darstellen, dann ist die differentielle Verständigung das kulturelle Kriterium, auf das hin Individuen und Kollektive ihre soziale Praxis ausrichten (Beziehungen unterstellen, denken, sich vorstellen, aushandeln), dann ist Medienkultur selbst der sinnstiftende Referenzrahmen von Gesellschaftlichkeit, dann ist sie die Matrize der Nützlichkeit von Gesellschaftlichkeit, dann ist sie die Materie gesellschaftlicher Ästhetik, dann ist die ethische Kennzeichnung der Qualität von Gesellschaftlichkeit an dem zu messen, was ihre Verständigung ermöglicht oder verunmöglicht, fördert oder verhindert. Dann muss man ihr unterstellen können, dass sie aufgrund ihrer sozial-habituellen Materialität das –  142 –

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Referenzmodell ist, in Bezug auf das sich pädagogisch motivierte und ambitionierte Programme der Medienbildung bemühen, um am Ende nicht einfach nur die Anzahl „medienmündiger“ (werkzeugfähiger) Individuen zu erhöhen, sondern die Zunahme der kulturellen (nutzenrelevanten, ästhetischen, ethischen) Qualität der wechselseitigen Verständlichkeitshaltung als gesellschaftlichen Habitus zu verdichten. Von dieser gesellschaftsrelevanten Horizontbestimmung des Zusammenhangs von Medien, Kultur und Bildung ausgehend, gibt es eine Reihe von Gründen, sich in der pädagogischen Reflexion und Analyse des alltäglichen Mediengebrauchs von Konzepten und von der Begrifflichkeit „der Medienpädagogik“ endgültig zu distanzieren. Denn ebendiese sind auf weite Strecken in wissenschaftshistorischen Umgebungen entstanden, in denen die Paradigmata der praktischen Konstruktion von Gesellschaft nicht offene Programme von Beobachtung und Reflexion, sondern den geschlossenen Aufbau von Institutionen strategischen Handelns begründen, in denen der Kompetenzbegriff – um den es ja auch meistens geht – nicht als intrinsisches Motiv der Konstruktion von Gesellschaftlichkeit, nicht als gesellschaftlicher Habitus, sondern als instrumentelle und steigerbare (quantifizierbare) Anstrengung des Individuums gegenüber einer dominanten Gesellschaft beschrieben wird. Konzeptionen dieser Ausrichtung sind ein Sammelbecken für problematische Auffassungen von Autorität, Hierarchie, Sozialisation und Individualisierung. Sie operieren mit gerne als alltagsvernünftig gefassten Kategorien wie z. B. auf Macht und Herrschaft begründete Autorität, auf Einfluss und Wirkung begründete Sozialisationsarbeit im Sinne der Zurichtung des Individuums auf die Erwartenspositionen „der Gesellschaft“ mit auf normative Konkordanz bedachten Kommunikationskonzepten (hierarchische Diskursstruktur, Diktate) und in diesem Sinne auch mit bedrohlich aufgeladenen Interpretation von Alltagskategorien wie Öffentlichkeit, Ordnung, Regel, Gemeinschaft und Gesellschaft (vgl. Böhnisch 1996  : 12). Dabei wird nicht das Chancenpotenzial der Beteiligung an Öffentlichkeit, Ordnung, Regel, Gemeinschaft und Gesellschaft adressiert, sondern das Risikopotenzial des Ausschlusses. Es erhebt sich dabei der Verdacht, dass die Konzepte von Individualität und persönlicher Freiheit mit diffuser Angst genau davor aufgeladen sind und dementsprechend mit moralischen Vorbehalten besetzt vermittelt werden. Die theoretische Qualität der Wissenschaft von Erkenntnis, Kommunikation, Medien, Bildung, Bildungspolitik und Bildungspraxis hat sich nicht nur methodologisch, sondern auch phänomenologisch – geschuldet der kritischen und reflexiven Beobachtung des Medienwandels – grundlegend geändert  : Gesellschaft, Kultur, Kommunikation, Medien, sozialer Wandel, Pädagogik, Bildung –  143 –

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etc. werden paradigmentheoretisch nicht als Modelle des Handelns, sondern als solche der Beobachtung analysiert und werden sachtheoretisch nicht als Objekte der Beobachtung, sondern als Konzepte der Beobachtung reflektiert. Für lange Zeit waren es theoretisch ziemlich einfach und zugleich suggestiv gestrickte Rechnungen, mit denen die Medienpädagogik ihre Ansprüche argumentierte und legitimierte  : verstanden als Maßnahme mit pädagogischer Ambition, als Sozialisationshilfe, als Reparatur- oder als Präventionsinstanz gegenüber einem strukturell und universell dominanten Medienkomplex und mit besorgtem Blick auf die weithin unkundige und auf mögliche Fallen nicht vorbereitete Mediennutzung (vgl. Bauer 2008b  : 110). Da das gesellschaftliche Universum von dessen Dialogen, Diskursen und Konversationen konstituiert wird, diese aber erst im Kontext des Mediengebrauchs und daher immer medientypisch in Szene gesetzt werden, ist alles gesellschaftlich generierte wie verteilte Wissen (Erfahrung, Beobachtung, Deutung, Interpretation) medial kontextualisiertes Wissen  : die Welt, was sie ist und was sie bedeutet, im Framing von Medien (vgl. Dahinden 2006). Der dieser These zugrundeliegende Medienbegriff referiert aber nicht auf die klassischen Einzelmedienmuster (wie so oft genannt  : Presse, Rundfunk, Fernsehen, Internet), sondern baut auf einem abstrahierten und verallgemeinerten Verständnis von Medialität als dem Grundmuster jedweder gesellschaftlich habitualisierter, durch symbolische Interaktion generierter Verständigung über Wissen, zu Wissen und um zu wissen. Die wenigsten, zumindest nicht die gängigen medienpädagogischen Konzepte lassen sich aus praktischen Gründen und auch weil sie auf (pädagogische) Effekte aus sind, auf dieses Abstraktionsniveau ein. Das dürfte die Crux der Medienpädagogik generell sein  : Die Praxis rechtfertigt sich (erst) durch den Erfolg, der ohne suggestiven Druck nur schwer zu erreichen ist, was aber einem aufgeklärten Pädagogik-Konzept widerspräche. Das moralische Dilemma der Pädagogik macht sich im Falle von Medienpädagogik theoretisch besonders bemerkbar. Andererseits lässt sich auf dem Abstraktionsniveau von Medialität, das Einzelmedientheorien oder Mediennutzungstheorien obsolet macht, nur schwer eine auf beweisbare Effekte ausgerichtete medienpädagogische Praxis aufsetzen. In diesem Falle muss man vermutlich auch deutlich machen  : die Praxis von Medienpädagogik ist nicht einfach die (so oft und so naiv geforderte) Eins-zu-eins-Umsetzung von Theorie. Denn Theorien werden erstens aus der (analytischen, interpretativen, kritischen, normativen) Beobachtung der Praxis gewonnen, sie sind nicht die besseren Ideen der Praxis, wie die Praxis nicht einfach das Spielfeld der Theorien ist. Theorien sind die Praxis des Denkens und der Beobachtung und in diesem Sinne schon auch Praxis genug. Die Forderung, Theorien der Medienpädagogik in eine effektive –  144 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

Praxis zu übersetzen, beruht auf dem Missverständnis, Theorien seien ToolBoxes für eine dann nicht mehr in Frage zu stellende, weil gerechtfertigte und problembefreite Praxis. Um eben dieser Perfektionsvorstellung schon vom Begriff her entgegen zu wirken, scheint es ratsam, den so stark sozialtechnologisch besetzten Pädagogikbegriff durch den kulturell und theoretisch offeneren Begriff der Bildung zu ersetzen. In dieser eher flächigen und feldtheoretischen Konstruktion von Medienbildung wird der Komponente Bildung die eigentlich Bedeutung gebende Rolle zugeordnet  : Bildung als durch Reflexion begründete Beobachtungshaltung sich selbst und dem inneren und in Verhalten ausgedrücktem Verhältnis gegenüber, das man zu seiner natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt herzustellen in der Lage ist, bereit ist und zu verantworten weiß. Damit ist auch schon der Kompetenzbegriff anders umschrieben, nämlich als generativer Habitus, der sich darin realisiert, weitere und wo auch immer fällige Bildung (wieder) durch Bildung zu begründen (vgl. Chomsky 1980, Bourdieu 1982, 1997b). Mit dem Bildungsbegriff wird stärker als mit dem Begriff der Pädagogik die sozial und kulturell elaborierte Praxis des Mediengebrauchs als Qualitätsmerkmal einer gesellschaftlich bewussten Haltung (diskursgenerierende Haltung  : Habitus) angesprochen. Medienbildung ist im Kontext einer durch Mediendiskurse zunehmend horizontalisierten Gesellschaft nicht die besserwisserische, in der Position des Produzenten (Journalist) vorgetragene Rolle, sondern die der Souveränität von Individuum und Gesellschaft geschuldete Wahrnehmung von Verantwortung. Medienbildung ist zum einen die aktiv suchende Geste gesellschaftlichen Lernens, konkret die Erarbeitung von Medienwissen und die Einarbeitung in Medienanalyse und Mediengestaltung (vgl. Baacke 1997, 1999  : 31ff, 2004). Zum anderen ist sie die gesellschaftliche Haltung (der kulturelle Habitus), mit und aus eben dieser Reflexion jeweils weiter führende Programme der gesellschaftlichen Medienarbeit zu entwickeln. Verbunden mit dem Paradigmenwechsel von (Medien-)Pädagogik zu (Medien-)Bildung sind aber auch die theoretische Vertiefung des Medienbegriffs sowie die kultur- und lebenswelttheoretische Öffnung des Pädagogikbegriffs  : vom technologisch dominierten Mediumsbegriff zum kommunikologisch begründeten und sozial-theoretisch vertieften Konzept von Medialität einerseits, zum Verständnis von Medienwelten als Lebenswelten (Dictum D. Baacke) andererseits. Das Konzept der sozialen Medialität der Gesellschaft –– verlangt und impliziert die Umstellung von einem strukturellen und summativen Gesellschaftskonzept (Gesellschaft als Summe von Individuen, –  145 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

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durch Strukturen sozial organisiert) zu einem kulturellen und performativen Konzept von Gesellschaft  : Gesellschaft als kommunikativ geformte Referenz der sozialen Deutung individuellen Lebens verwendet den Medienbegriff nicht im Hinblick auf einen wie auch immer organisierten Strukturzusammenhang, sondern im Hinblick auf den unterstellbaren Mediengebrauch. Das entdinglicht den theoretischen Medienbegriff und macht „das Medium“ zu einem Handlungs- und Beobachtungsbegriff, denkt allerdings nicht im Modell einer Subjekt-Objekt-Beziehung zwischen Mediennutzer als Subjekt und Medium als Objekt, sondern im Modell einer kybernetisch verfassten Theorie kontextueller Beobachtung, in der das eine analytisch eruierbare Element (Medium) jeweils zur Perspektive eines anderen (Gesellschaft) und dieses wieder eines dritten (Bildung) macht, interpretiert den Mediengebrauch nicht als Nutzung einer Infrastruktur im Interesse eines Subjekts, sondern als konzeptuellen Akt der individuellen Beobachtung von Gesellschaftlichkeit im Wissen, dass man sich dadurch selbst als Objekt der gesellschaftlichen Beobachtung positioniert, und widersetzt sich einer Zwei-Welten-Theorie, die einen strukturellen Unterscheid zwischen Medienwelt und Realwelt konstruiert. Media Literacy  : Die Medien verstehen

Gesellschaften erzählen sich immer schon über symbolisch generierte Medien-Umwelten, also über kommunikativ ausverhandelte und so generalisierte Signaturen von und für Realerfahrung. Zu beachten dabei ist, dass alles, was geschieht, nur wahrgenommen werden kann, indem man ihm eine Deutung gibt oder ihm die Bedeutung zumisst, die schon medialisiert ist, also als Generalisierung bzw. Standardisierung (Gestalt, Symbol, Gestus, Definition, Terminus, Bild, Image, Ritual etc.) vorliegt. Die Tatsache, dass nichts, was wir wahrnehmen, eine Ordnung aus sich hat, ist die eigentliche Verunsicherung von Welt, die der Mensch durch Zu-Ordnungen (In-Bezug-Setzungen) zu bewältigen („be-weltigen“) gelernt hat. Die Konstruktion von Wirklichkeit (Welt) ist in diesem Sinne die in medialen Mustern und Ordnungen (Mediumsmustern und Mediumsordnungen) sozial ausgetauschte Unterstellung von schon ausverhandelter Interpretation und Logik von Erfahrung. Dort, wo diese Unterstellung nicht mehr reflektiert wird oder werden kann, weil die in Mediensymbolik und Medienästhetik generalisierte Deutungsvorgabe eine weitere (vielleicht häretische und nicht uniformierte) Verarbeitung von Kom–  146 –

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durch Strukturen sozial organisiert) zu einem kulturellen und performativen Konzept von Gesellschaft  : Gesellschaft als kommunikativ geformte Referenz der sozialen Deutung individuellen Lebens verwendet den Medienbegriff nicht im Hinblick auf einen wie auch immer organisierten Strukturzusammenhang, sondern im Hinblick auf den unterstellbaren Mediengebrauch. Das entdinglicht den theoretischen Medienbegriff und macht „das Medium“ zu einem Handlungs- und Beobachtungsbegriff, denkt allerdings nicht im Modell einer Subjekt-Objekt-Beziehung zwischen Mediennutzer als Subjekt und Medium als Objekt, sondern im Modell einer kybernetisch verfassten Theorie kontextueller Beobachtung, in der das eine analytisch eruierbare Element (Medium) jeweils zur Perspektive eines anderen (Gesellschaft) und dieses wieder eines dritten (Bildung) macht, interpretiert den Mediengebrauch nicht als Nutzung einer Infrastruktur im Interesse eines Subjekts, sondern als konzeptuellen Akt der individuellen Beobachtung von Gesellschaftlichkeit im Wissen, dass man sich dadurch selbst als Objekt der gesellschaftlichen Beobachtung positioniert, und widersetzt sich einer Zwei-Welten-Theorie, die einen strukturellen Unterscheid zwischen Medienwelt und Realwelt konstruiert. Media Literacy  : Die Medien verstehen

Gesellschaften erzählen sich immer schon über symbolisch generierte Medien-Umwelten, also über kommunikativ ausverhandelte und so generalisierte Signaturen von und für Realerfahrung. Zu beachten dabei ist, dass alles, was geschieht, nur wahrgenommen werden kann, indem man ihm eine Deutung gibt oder ihm die Bedeutung zumisst, die schon medialisiert ist, also als Generalisierung bzw. Standardisierung (Gestalt, Symbol, Gestus, Definition, Terminus, Bild, Image, Ritual etc.) vorliegt. Die Tatsache, dass nichts, was wir wahrnehmen, eine Ordnung aus sich hat, ist die eigentliche Verunsicherung von Welt, die der Mensch durch Zu-Ordnungen (In-Bezug-Setzungen) zu bewältigen („be-weltigen“) gelernt hat. Die Konstruktion von Wirklichkeit (Welt) ist in diesem Sinne die in medialen Mustern und Ordnungen (Mediumsmustern und Mediumsordnungen) sozial ausgetauschte Unterstellung von schon ausverhandelter Interpretation und Logik von Erfahrung. Dort, wo diese Unterstellung nicht mehr reflektiert wird oder werden kann, weil die in Mediensymbolik und Medienästhetik generalisierte Deutungsvorgabe eine weitere (vielleicht häretische und nicht uniformierte) Verarbeitung von Kom–  146 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

plexität verzichtbar macht, dort ist tatsächlich dann das Medium – notabene  : nicht die Medien – die Botschaft (McLuhan) bzw. die Signatur von Welt (vgl. Buckingham 2003). Weil so betrachtet nichts in und an dieser Gesellschaft medienfrei ist und allem, was in dieser Gesellschaft von diskursiver Bedeutung ist, eben das jeweilige Deutungsmodell aufgrund der mittelbaren oder unmittelbaren Medienreferenz unterstellt werden muss, heißt, die Welt zu verstehen, die Medien zu verstehen (Luhmann 2004). Sollte es nun das allgemeine Anliegen von Bildung (um bewusst „die Pädagogik“ als Sozialtechnologie aus dem Spiel zu nehmen) sein, die Welt zu verstehen, dann muss man unter „Verstehen“ mehr verstehen als nur die deutungsfähige Rezeption von Wissen. Verstehen, verstanden als kommunikativer Habitus von Weltaneignung, erschöpft sich nicht darin, sich ein den Kriterien der Vernunft geschuldetes Bild zu dem zu machen, was man wie und warum erfährt und beobachtet (kritisch-rezeptives Verstehen), sondern unterstellt das intrinsische Interesse (Kompetenz  : Zuständigkeit), sich durch die pro-aktiv engagierte, weil durch eine dem Konzept und der Würde des Selbst geschuldete Wahrnehmung von Vernunftverweisen im Modus reflektierter Beobachtung sich in selbst gemachten Bildern (Bildung) selbst zu probieren (emanzipatorisch-generatives Verstehen). Beide Formate des Verstehens sind konstruktive Leistungen, durch die Wirklichkeit, die sich ja selbst nicht aussagen kann, mediale Repräsentation erhält. Es macht aber einen Unterschied, ob die Wirklichkeiten subjektiver Lebenszusammenhänge sowie deren Deutungen aus einem adaptiven Habitus (Dependenzmuster) geschöpft sind oder ob sie sich einem kreativen Habitus (Interdependenzmuster) verdanken. Da „die Welt“, die es zu verstehen gilt, gar nicht anders denn in der Performanz ihrer Medialität konstruiert werden kann, sind es die Medienmuster, die sich als die eigentlichen Dispositive und damit als deren Ordnungsmuster (vgl. Foucault 1974, 1978) von Wirklichkeit („Welt“) in den Vordergrund von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit schieben. Soweit lässt sich das Konzept von Media Literacy kommunikations- und medientheoretisch begründen. Es beschreibt generell (vgl. Meyrowitz 1990a, Ong 1995, Burkart 2002a) eine der Rolle des Rezipienten zuzumutende strukturkritische (in Bezug auf die Medien) sowie eine selbstkritische (in Bezug auf den eigenen Mediengebrauch) Haltung, die es möglich macht, die jeweils von beiden Rollen eingemischten Interessen (vgl. Voß 1998) so zu druchschauen, dass man am Ende als Nutzer, Rezipient und/oder Konsument die Souveränität der Konstruktion der Botschaft behält oder – wo strukturell schon verloren – wieder gewinnt. Dieser Mix aus Wissen, Einstellung, Haltung und –  147 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

Verhalten wird verstanden als unabdingbare Prämisse kompetenter gesellschaftlicher, speziell politischer Partizipation, repräsentiert und realisiert also in diesem Sinne einen demokratischen bzw. demokratie-kompatiblen Habitus. Drei kritische Punkte sind dabei anzumerken. Sie betreffen die im Konzept von Media Literacy involvierten Begriffe  : Gesellschaft, Pädagogik, Technologie, Ethik und Medien. Das Media Literacy Konzept, wiewohl es auf ein mit einer noch diffusen Idee von Emanzipation vertrautes Konzept „von Technik und Technikgebrauch“ (vgl. Voß 1998, Bleckmann 2012) ausgerichtet ist, verbirgt es aber auch nicht den funktionalistischen Reflex eines zum eigenen Schutz gut organisierten Individuums in einer durchorganisierten Gesellschaft. Das Media Literacy Konzept setzt auf das Individuum, das sich (technisch, moralisch und kognitiv) so rüsten (bilden) kann oder muss, dass es nicht Opfer gesellschaftlicher, technologischer oder markttypischer Mechanismen wird. Man könnte doch auch an ein gesellschaftliches bzw. gesellschaftstheoretisch angelegtes Konzept von Media Literacy denken. In den überkommenen Media Literacy Konzepten aber hat nicht die Gesellschaft den Bildungsnachweis zu erbringen, sondern das Individuum gegenüber einer Gesellschaft, von der man denkt, dass sich ihre Schwächen im Ordnungsmodell durch Stärken des Lebens- und Lebensleistungsmodells von Individuen kompensieren lassen. Ein drittes kritisches Argument gegenüber dem Media Literacy Konzept betrifft das ihm zugrunde gelegte Medienverständnis (vgl. Meyrowitz 1990a). Es zählen hier noch sehr stark Einzelmedienmodelle, die als das verstanden werden, was sie infrastrukturell darstellen  : technologisch geformte Apparaturen der Diffusion von in ökonomischen Frames produzierter publizistisch potenziell relevanter Kommunikationsware (in den Mustern von Information, Konversation, Persuasion), die eine bestimmte Produktionslogik wie auch eine entsprechende Rezeptionsfertigkeit beanspruchen. Beide Rollenmuster, die von Produktion und Konsumtion, werden als solche, der (technologischen, ökonomischen und ästhetischen) Medienlogik wegen, als Habitate mit spezifischer Ausstattung der „Medienbeherrschung“ betrachtet – aus einem simplen Grund  : der Medienzentriertheit bzw. Medienfixierung des Media Literacy Konzepts, ganz abgesehen von der ohnedies problematischen Medienverdinglichung  : wenn es das Ding ist, das die oder in funktionaler Abhängigkeit dessen man die Kommunikation macht, dann kann es nur mehr noch ein Beherrschungskonzept sein, mit dem der Mensch sich die Position von Autonomie und Souveränität zu sichern glauben macht. Das Media Literacy Konzept konzentriert sich stark auf die Frage, wie man die Medien nutzt, stützt sich auf und endet dabei vor allem bei medientheoretisch eher kleinteiligen und vordergründig kulturkritischen Lamentationen (vgl. Postman 1996, –  148 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

1999). Es reflektiert zu wenig die Frage, warum man Medien so nutzt wie man sie nützt. Die Frage des Warum stellt sich vermutlich erst, wenn man die Vorstellung zum Verhältnis von Lebenswelt und Medienwelt wendet. Sieht man die Lebenswelt und die in ihr thematisierten Bedürfnisse und Optionen als Zusammenhang, in dem Menschen sich für mögliche Medien und deren soziale wie individuelle Nutzung entscheiden, dann sind es nicht die Medien, die Lebenswelten beeinflussen oder gestalten, sondern dann sind es die Lebenszusammenhänge, die Mediengebrauchsmuster (und erst diese sind medienkulturtheoretisch interpretiert Medien) kreieren und generieren. Mit den hier kritisch aufgezeigten Schwächen des Media Literacy Konzepts soll – neben der noch folgenden kontexttheoretischen Bildungstheorie (Medienbildung) – begründet werden, dass und warum dieses weithin, vor allem im englischen Sprachraum favorisierte medienpädagogische Konzept, so plausibel und fungibel es sich auch darzustellen vermag, eben nicht eine hinreichende theoretische Fläche für eine nachhaltige Vorstellung von einer im Modus von kommunikativer Medialität konstituierten und sich selbst realisierenden zivilen Gesellschaft sein kann. Ihre theoretischen Argumente sind genau aus diesem Grund der möglichen, wenn auch praktisch nicht unbedingt bequemen Unterscheidung zwischen Flächenbeschreibung und Tiefenbeschreibung der Beobachtung ebenso richtig wie sie falsch sind. Denkt man in den Kategorien theoretisch begründeter Praxis, dann ist das Media Literacy Konzept ein unzureichender Entwurf. Denkt man in den Kategorien praktisch begründeter Theorie, die auf das praktisch Leistbare Rücksicht nimmt, dann mag es als ein medienpädagogisch viables Programm erachtet werden. Medienpädagogik  : Die Gesellschaft verstehen Das zentrale Anliegen der Medienpädagogik, soweit man überhaupt die verschiedenen Ansätze und Zugänge so generell fassen kann, war es immer, zwischen Medien und Gesellschaft zu vermitteln – und zwar so, dass vor allem Heranwachsenden im Zusammenhang der Nutzung von Medien die Chance gegeben wird, sich als Teil der Gesellschaft und deren Diskurse sowohl erfahren wie auch positionieren zu können. Unter dem Begriff „Medienpädagogik“ firmieren alle theoretischen, didaktischen und praktischen Bemühungen, das Wissen der wissenschaftlichen und praktischen Pädagogik im Hinblick auf eine gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch gewünschte oder wünschbare Nutzung von Medien nutzbar zu machen. Das mag, so allgemein gesagt, nach wie vor so sein, allerdings nur, wenn man diese Ambition selbst sowie alle Komponenten ihres Selbstverständnisses theoretisch neu dimensioniert  : –  149 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

1999). Es reflektiert zu wenig die Frage, warum man Medien so nutzt wie man sie nützt. Die Frage des Warum stellt sich vermutlich erst, wenn man die Vorstellung zum Verhältnis von Lebenswelt und Medienwelt wendet. Sieht man die Lebenswelt und die in ihr thematisierten Bedürfnisse und Optionen als Zusammenhang, in dem Menschen sich für mögliche Medien und deren soziale wie individuelle Nutzung entscheiden, dann sind es nicht die Medien, die Lebenswelten beeinflussen oder gestalten, sondern dann sind es die Lebenszusammenhänge, die Mediengebrauchsmuster (und erst diese sind medienkulturtheoretisch interpretiert Medien) kreieren und generieren. Mit den hier kritisch aufgezeigten Schwächen des Media Literacy Konzepts soll – neben der noch folgenden kontexttheoretischen Bildungstheorie (Medienbildung) – begründet werden, dass und warum dieses weithin, vor allem im englischen Sprachraum favorisierte medienpädagogische Konzept, so plausibel und fungibel es sich auch darzustellen vermag, eben nicht eine hinreichende theoretische Fläche für eine nachhaltige Vorstellung von einer im Modus von kommunikativer Medialität konstituierten und sich selbst realisierenden zivilen Gesellschaft sein kann. Ihre theoretischen Argumente sind genau aus diesem Grund der möglichen, wenn auch praktisch nicht unbedingt bequemen Unterscheidung zwischen Flächenbeschreibung und Tiefenbeschreibung der Beobachtung ebenso richtig wie sie falsch sind. Denkt man in den Kategorien theoretisch begründeter Praxis, dann ist das Media Literacy Konzept ein unzureichender Entwurf. Denkt man in den Kategorien praktisch begründeter Theorie, die auf das praktisch Leistbare Rücksicht nimmt, dann mag es als ein medienpädagogisch viables Programm erachtet werden. Medienpädagogik  : Die Gesellschaft verstehen Das zentrale Anliegen der Medienpädagogik, soweit man überhaupt die verschiedenen Ansätze und Zugänge so generell fassen kann, war es immer, zwischen Medien und Gesellschaft zu vermitteln – und zwar so, dass vor allem Heranwachsenden im Zusammenhang der Nutzung von Medien die Chance gegeben wird, sich als Teil der Gesellschaft und deren Diskurse sowohl erfahren wie auch positionieren zu können. Unter dem Begriff „Medienpädagogik“ firmieren alle theoretischen, didaktischen und praktischen Bemühungen, das Wissen der wissenschaftlichen und praktischen Pädagogik im Hinblick auf eine gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch gewünschte oder wünschbare Nutzung von Medien nutzbar zu machen. Das mag, so allgemein gesagt, nach wie vor so sein, allerdings nur, wenn man diese Ambition selbst sowie alle Komponenten ihres Selbstverständnisses theoretisch neu dimensioniert  : –  149 –

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Nutzer von Medien sind, wenn man schon Rollenbegriffe dafür braucht, nicht nur Rezipienten oder Konsumenten, sondern ebenso Kommunikatoren wie Produzenten. Wenn Medienpädagogik dem Vorwurf entgehen möchte, für Rezipienten ein pädagogisch ausgelegtes Bewusstseinsprogramm zu entwerfen, das lediglich die Domestizierung des Rezipienten im Auge hätte, dann kann sie sich nicht damit begnügen, theoretische Konzepte für einen – wie auch immer näher begründeten – vernünftigen Mediengebrauch zu liefern, dann kann sich diese Ambition doch nicht nur auf das Kompetenzmotiv von Rezipienten oder Konsumenten beziehen, sondern muss auch das von Kommunikatoren und Produzenten mit ins Auge fassen, oder – um das Motiv der Emanzipation konsequent aufzugreifen, überhaupt zur Entgrenzung der Vorstellung des Kommunikationsgeschehens zwischen Produktion und Konsumation dekonstruieren und Kompetenz, jenseits aller Rollenzuschreibungen oder Rollenerwartungen, als ein wechselseitig unterstellbares Vertrauensmotiv beschreiben, das der Qualität der Medien (noch richtiger  : der Medialität sozialer Kommunikation) zuzuschreiben ist und nicht der Kenntnis oder Moralität von Nutzern. Wenn und weil es dabei um Kommunikation geht, kann diese nicht in zueinander komplementären Rollen und diesen entsprechenden Kompetenzen aufgeteilt werden. Wenn man Medienkommunikation als Kommunikation (Vergmeinschaftung der Möglichkeiten der Verständigung) verstehen möchte, dann ist „die“ kommunikative Kompetenz nicht Sache der einen (Rezipient) gegenüber einer anderen Rolle (Produzent), sondern gemeinsame Sache der wechselseitigen Zumutung medienethischer und medienästhetischer Habitualität. Medienpädagogik, wie auch immer theoretisch verortet, kann nicht ein Programm sein, das es dem Rezipienten nahe legt eine gesellschaftskompatible Medienhaltung zu entwickeln ohne dies nicht zugleich der Professionalität der Rolle des Produzenten abzuverlangen (vgl. Hesse 1984  : 53ff ). Medien sind, alltagssprachlich und alltagspraktisch so gebraucht, gesellschaftliche Apparaturen, spiegeln also die Diskursordnung der Gesellschaft (vgl. Foucault 1981), deren Strukturen und deren Kultur sowie deren institutionelle Konfigurationen wider. Noch mehr  : Gesellschaft konstituiert sich im Kommunikationsmodus der Medien, auf die sie sich bezieht, um sich ihres Eigenbewusstseins zu versichern. Nimmt man diese gesellschaftliche Dimension nicht nur als sekundäres Attribut, sondern als konstitutives Merkmal der Medienwelt (weil ihr ein kommunikatives Motiv unterstellt wird), dann muss man es gerade im Blick auf die gesellschaftliche Legitimation der Kommunikationswissenschaft als unlauteren Verzicht auf eine Wissen schaffende Ambition werten, wenn diese „Medienwelt“ (Publizistik eben verstanden als die Summe der medialen Strukturen und Bezüge zu Politik, Wirtschaft, Kul–  150 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

tur, Gesellschaft) theoretisch nicht weiter hinterfragt wird als ihre strukturelle Oberfläche auf den ersten Blick darstellt. Publizistik als Wissenschaft ist auf den ersten Blick in der Regel ein institutionell gemeinter Handlungszusammenhang, der im Kontext von Wissenschaft und Praxis seine gesellschaftliche Kompetenz zu legitimieren gefordert ist (vgl. Pürer 2003). Bedenkt man aber auch hier die gesellschaftslogische Dimension von Medienkommunikation (Gesellschaft ist, was ihre Kommunikation ausmacht), dann reichen so manche Konzepte hergebrachter Publizistikwissenschaft theoretisch nicht mehr hin. Der kritische Reflex, der hier erkennbar werden soll, bezieht sich vor allem auf die Beobachtung, dass die für die (Medien-)Praxis typisch herrschende, industrielle und „instrumentelle Vernunft“ (Horkheimer 1985), auf weiten Strecken im selben Muster einfach in den Kontext der wissenschaftlichen bzw. theoretischen Beschreibung von Kommunikation und Medien als „herrschende Vernunft“ kopiert wurde. Dabei sind neben vielen anderen vor allem zwei Interessensmomente problematisch  : Selbsterhaltung und Wiederholung (vgl. Hesse 1984  : 117). Die praktischen Muster der Rationalität der Organisation von gesellschaftlicher Kommunikation werden als Dispositive des Pragmatismus wissenschaftlich akkreditiert  : Institutionalität, Professionalität, Erwartensmuster, Rollenbilder, Ablaufmechanismen, Kompetenzzuteilungen, Zusammenhänge und was sonst noch für praktisch gehalten werden mag, um das System zu sichern, erhält den Status von Funktionalität, Rationalität, Plausibilität, Praxeologie. Aus dieser Logik ergibt sich, dass dem Wunsch nach Selbsterhaltung durch kognitive Selbstbeherrschung und dem Wunsch nach Erhaltung von Institution und Ordnungsstruktur durch (auch) theoretisierte und wissenschaftlich akkreditierte Wissensbeherrschung entsprochen wird. Das Konzept der Mediengesellschaft reicht (muss) aber weiter (reichen) als die pragmatische Vernunft es nahelegt. Mediengesellschaft kann nicht die Gesellschaft zunehmend medienrationalisierter Kommunikation sein und sie ist (muss) mehr (sein) als eine sich in diesem Sinne unter den Bedingungen der öffentlichen Kommunikation organisierte Selbstbehauptung von Interessenszusammenschlüssen. Schon die Unterscheidung von „öffentlich“ und „privat“ ist ein theoretisch-analytisches Modell von Selbstbeherrschung und Selbstbehauptung. So wird der „Mythos vom Immergleichen“ (Hesse 1984  : 117) sowohl gesetzt (Wiederholung) wie vorausgesetzt (Wahrnehmung und Beobachtung). Im Blick auf den Netz- und Community-Charakter der Social Media wird ohnedies die Unterscheidung von „öffentlich“ und „privat“ als theoretische und praktische Kategorie der analytischen Unterscheidung von Sozialordnungsmustern (Diskursmustern) zunehmend obsolet, zumindest irreführend  : Es geht weniger um Öffentlich–  151 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

keiten oder gar – was konzepttheoretisch erst recht abstrus anmutet – um „Teilöffentlichkeiten“ (so als wäre, wenn schon „Öffentlichkeit“, also ein Qualitätsmerkmal, diese ein Quantenmodell), sondern vielmehr um diskursive Aggregationen von – aus welchen Gründen auch immer – Betroffenen, die für bestimmte und abgrenzbare Themen, für einen begrenzten Zeitraum, aber über die Grenzen üblicher Lokalisierung hinaus sich zueinander – wieder begrenzt – verpflichtet wissen. Die Gesellschaft der Social Media ist eine Passus-Gesellschaft, vorübergehend und im Vorbeigehen, keine konventionelle Opus-Gesellschaft, die ihre Werke auf Dauer stellt. Sie stellt in Rechnung, dass man sich zufällig und wegen bestimmter Konditionen ebenso in den Blick nimmt wie man sich wieder aus den Augen verliert. Öffentlichkeit ist eine bürgerliche, überdies normative und stark politikbesetzte Kategorie (Habermas 1996) für eine bürger-bewusste und -wache Gesellschaft, die sich freizuspielen versuchte von einer repräsentativen und autoritären Vertrauensordnung, in der das „Herstellen von Öffentlichkeit“ einen Akt von Macht und Herrschaft darstellte. Nicht, dass heutige Gesellschaften diese von Habermas herausgearbeitete normative Abstraktion der Bewegung vom Paradigma der Macht zu dem der Vernunft hinreichend und umfassend genug erreicht hätte, sie wird aber noch vor ihrer ruhmreichen Selbsterfüllung oder aber auch begleitet von Enttäuschung über ihre schwache historische Performance (Stichwort  : Politikmüdigkeit) und noch vor Erledigung des Aktes überlagert von einer Formation, die sich „Mediengesellschaft“ nennt, und die nichts anderes beschreibt als die generelle Erfahrung, dass Gesellschaften sich ihres Modus der Medialität bewusster werden und sich mit diesem und in diesem zunehmend – und möglicherweise zunehmend zufriedener mit sich selbst – arrangieren  : Vorstellen und Zuschauen, sich kenntlich machen in den Kategorien von Event und Show, Aufschauen im Vorübergehen, Aufmerken als Rationalität des Wettbewerbs. Das Moment der Partizipation – ehedem ein normatives Qualitätsmerkmal von politischer, vor allem demokratischer Öffentlichkeit – zerstreut sich in Konventionen des Dabeiseins („ist alles“)  : Gesellschaft im Modus der Medien ist, was ihre Konversation und ihre Diskurskultur ausmacht (vgl. Descharmes/Heuser/Loy 2011, Strosetzki 2013). Die mobile, immer instante und sich immer selbst überholende Technologie der Medien ist der Stichwortgeber für eine solche im Wandel befindliche Gesellschaft. Die Mediengesellschaft ist keine Bürgergesellschaft, keine Öffentlichkeitsgesellschaft ehemals normativer Prägung, sondern eine Aufmerksamkeits-, eine Alles-Gesellschaft, also eine im Modus der Konversation alles, was ein Ereignis sein kann oder sich als solches darzustellen in der Lage ist, einbindende Next-to-Next-Gesellschaft (vgl. Taylor 2002), in der der Nächste eben der Nächste neben ei–  152 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

nem und nach einem Nächsten ist in einer Reihe gleicher Aufstellung und gleicher Ausrichtung  : Nachbarschaft jenseits von Raumabgrenzungen und Sozialabgrenzungen wie Status, Prestige, Position oder Rolle. Jeder und jede hat das Recht, sich die Chance und die Herausforderung zum Event zu machen. Es gibt keine institutionelle Bevorzugung, lediglich den Vorteil der medialen Handhabung von Selbstoffenbarung und Anderswahrnehmung. Nicht „die Öffentlichkeit“ ist das Kriterium von Relevanz, sondern die Eventisierung von Themen, Personen und Zuständen. Das Kausalverhältnis von Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit scheint sich umzukehren. War man ehedem eher aufmerksam für das, was als öffentlich (vor allem weil institutionell) galt, wird nun öffentlich, was die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versteht  : Aufmerksamkeit als Ressource von Öffentlichkeit anstatt Öffentlichkeit als Ressource von Aufmerksamkeit (vgl. Franck 1998). Medienbildung  : Die Welt verstehen Um eine im Sinne der theoretisch möglichen bzw. gesellschaftlich notwendigen oder geforderten Erkenntnisinteressen eine möglichst gültige und nachhaltige Konzeption für die gesellschaftliche Praxis von Medienbildung zuwege zu bringen, muss man, zumindest was den Medienbegriff betrifft, zurück an den Start der Begriffsentwicklung. Die Reaktion „der Pädagogik“ auf „die Medien“ – und damit waren immer die klassischen im Wege der one-to-many-Verteilung operierenden Massenmedien – Presse, Film, elektronische Medien – gemeint, war von Anfang an in doppeltem Sinne zu eng auf Objekte ausgelegt  : auf „die Medien“ und auf „das Individuum“. Diese auf Objekte eingestellte Perspektive hat aus beiden relevanten Disziplinen, Medienwissenschaft und Bildungswissenschaft (an sich schon zu eng  : Pädagogik) Theorien favorisiert, die den Komplex des Motivs der Sorge um Kommunikation, Kultur und Gesellschaft zu lange nicht hinterfragt hat. So wurden aus der Medienwissenschaft vor allem Wirkungstheorien und aus „der Pädagogik“ vor allem Sozialisations- und Rollentheorien als Legitimation von im Grunde nicht hinreichend kritisch hinterfragten affirmativen Interessen und Logiken gestresst, so zum Beispiel  : die Hierarchisierung und Institutionalisierung des Verantwortungskomplexes, die Sicherstellung der medienlogisch und medienrituell eingespielten Kommunikationsordnung und der darin eingeräumten Verteilung von Gesellschaftlichkeit, Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit, Relevanz und Vertrauen. Wenn alltagssprachlich von „den Medien“ die Rede ist, sollte die Medienwissenschaft mit dieser Begrifflichkeit differenzierter umgehen, um nicht unreflektierte Analogien, Sprachbilder der intuitiven Wahrnehmung zu Mustern –  153 –

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nem und nach einem Nächsten ist in einer Reihe gleicher Aufstellung und gleicher Ausrichtung  : Nachbarschaft jenseits von Raumabgrenzungen und Sozialabgrenzungen wie Status, Prestige, Position oder Rolle. Jeder und jede hat das Recht, sich die Chance und die Herausforderung zum Event zu machen. Es gibt keine institutionelle Bevorzugung, lediglich den Vorteil der medialen Handhabung von Selbstoffenbarung und Anderswahrnehmung. Nicht „die Öffentlichkeit“ ist das Kriterium von Relevanz, sondern die Eventisierung von Themen, Personen und Zuständen. Das Kausalverhältnis von Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit scheint sich umzukehren. War man ehedem eher aufmerksam für das, was als öffentlich (vor allem weil institutionell) galt, wird nun öffentlich, was die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versteht  : Aufmerksamkeit als Ressource von Öffentlichkeit anstatt Öffentlichkeit als Ressource von Aufmerksamkeit (vgl. Franck 1998). Medienbildung  : Die Welt verstehen Um eine im Sinne der theoretisch möglichen bzw. gesellschaftlich notwendigen oder geforderten Erkenntnisinteressen eine möglichst gültige und nachhaltige Konzeption für die gesellschaftliche Praxis von Medienbildung zuwege zu bringen, muss man, zumindest was den Medienbegriff betrifft, zurück an den Start der Begriffsentwicklung. Die Reaktion „der Pädagogik“ auf „die Medien“ – und damit waren immer die klassischen im Wege der one-to-many-Verteilung operierenden Massenmedien – Presse, Film, elektronische Medien – gemeint, war von Anfang an in doppeltem Sinne zu eng auf Objekte ausgelegt  : auf „die Medien“ und auf „das Individuum“. Diese auf Objekte eingestellte Perspektive hat aus beiden relevanten Disziplinen, Medienwissenschaft und Bildungswissenschaft (an sich schon zu eng  : Pädagogik) Theorien favorisiert, die den Komplex des Motivs der Sorge um Kommunikation, Kultur und Gesellschaft zu lange nicht hinterfragt hat. So wurden aus der Medienwissenschaft vor allem Wirkungstheorien und aus „der Pädagogik“ vor allem Sozialisations- und Rollentheorien als Legitimation von im Grunde nicht hinreichend kritisch hinterfragten affirmativen Interessen und Logiken gestresst, so zum Beispiel  : die Hierarchisierung und Institutionalisierung des Verantwortungskomplexes, die Sicherstellung der medienlogisch und medienrituell eingespielten Kommunikationsordnung und der darin eingeräumten Verteilung von Gesellschaftlichkeit, Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit, Relevanz und Vertrauen. Wenn alltagssprachlich von „den Medien“ die Rede ist, sollte die Medienwissenschaft mit dieser Begrifflichkeit differenzierter umgehen, um nicht unreflektierte Analogien, Sprachbilder der intuitiven Wahrnehmung zu Mustern –  153 –

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der analytischen Beobachtung bzw. der kritischen Reflexion zu machen. Genau das aber tut die Medienwissenschaft, wenn sie einfach „die Medien“ oder „den Mediengebrauch“ zum Gegenstand der Beobachtung macht. Mit einer tieferen Schürfung, etwa jener wie sie in „Mediumstheorien“ formuliert ist (vgl. Meyrowitz 1990a), erreicht man grundlegendere und zum Teil noch wenig reflektierte semantische Strukturen der kulturellen Deutung der gesellschaftlich möglichen Praxis von Kommunikation, nämlich die ihrer Medienmuster („Mediate“ wie Dialog, Diskurs, Konversation) und die ihrer sozialen Medienordnung („Mediative“ wie z. B. im Kontext von Technologie, Ökonomie, Industrie oder aber auch, wenn auch wieder anders, im Kontext der Social Media). Auf dieser Ebene und in dieser Begrifflichkeit wird deutlich, dass eine Mediengesellschaft nicht erst ein Phänomen „der Medien“ ist, sondern dass Gesellschaft immer schon Mediumsgesellschaft war, weil eine Gesellschaft, die das ist, was ihre Kommunikation ausmacht, gar nicht anders vorstellbar ist denn im Modus ihrer eigenen Medialität. Wenn man bedenkt, dass die Gesellschaft, um sich selbst auszusagen bzw. um sich selbst zum Gegenstand der Beobachtung zu machen, weitgehend auf Analogien und Metaphern der Beschreibung (vgl. Hepp 2008) angewiesen ist, dann müssten Kommunikations- und Medienwissenschaft genau diesen Umstand zum Gegenstand ihrer theoretischen Beobachtung machen  : Warum redet die Gesellschaft über sich, wie sie redet  ? Gesellschaft ist ein Beobachtungszusammenhang, der sich selektiv und jeweils individuell wechselseitig auf sozial relevante Handlungen bezieht  : wechselseitige Beobachtung und wechselseitig gemeinte Handlung sind kulturell und sozial zueinander verwiesene und sich eben wechselseitig bedingende Darstellungsgrößen („Dispositive“) dessen, was schlussendlich und in Summe als gesellschaftlich organisierter Struktur- und Funktionszusammenhang wahrgenommen wird und so auch im kollektiven Gedächtnis präsent bleibt. Nimmt man Beobachtung und Handlung als Größen der sozialen und kulturellen Darstellung von Gesellschaft, dann wird deutlich  : Gesellschaft ist nicht einfach nur die Summe von Individuen, sondern das kommunikations- und organisationslogische Modell von deren wechselseitig sozialer Verwiesenheit (intrinsische Soziabilität, implizite Relationalität), wobei allerdings im Blick zu bleiben hat, dass Organisation und Kommunikation, so sehr sie einander bedingende Größen sind, unterschiedliche Grundmuster von Relationalität darstellen. Während Organisation das Modell für Gerichtetheit und Ausrichtung von Beobachtung und Handlung (strategisch kalkulierte Selektivität, Entsprechung von Ursache und Wirkung) darstellt, folgt die Logik der Kommunikation nicht dem Kalkül der Entsprechung, sondern dem der Überraschung –  154 –

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(Differenz und Kontingenz als Motiv der Verständigung). Von dieser Dialektik (Kommunikation und Organisation brauchen einander, weil sie unterschiedlich sind) lebt jede, vor allem die – auf welcher Ebene auch immer – demokratisch gemeinte Organisation von Gesellschaft  : Konsensvorgaben werden durch Dissenspositionen ebenso irritiert wie Konkordanzerwartungen durch Divergenzerfahrungen enttäuscht werden. Diese prinzipielle Unterstellung des im Kommunikationsgeschehen eingebauten Widerspruchs (Überraschung) ist einerseits eine immanente Qualität der Konstruktionsperspektive – weil eine solche nur Sinn macht unter der Annahme, dass nur eine oder nur gleiche Beobachterposition(en) noch keine Konstruktion ausmachen – und ist andererseits eher dem Paradigma der Beobachtung (Kommunikation als Modell sozialer Beobachtung), denn dem des Handelns (Kommunikation als Modell sinnstiftenden Handelns) eigen. Sowieso ist das eine (Beobachtung) nicht vom anderen (Handeln) zu trennen. Beides sind Größen der sozialen Praxis, in der die unbedingten konzentrischen und assoziativen Desidarate von Miteinander, Füreinander, Zueinander, Aufeinander kulturell bedingt und zivilisatorisch verhandelt werden, während alle unbedingt zentrifugalen und dissoziativen Attitüden – zumindest organisationslogisch – als gesellschaftlicher Abweg bedingt werden, auf Kosten der Qualität des Konstruktionscharakters von Wirklichkeit. Wenn eine Gesellschaft leidet, dann immer an sich selbst und an der Schwäche ihres Auto-Immunsystems, das sich aus dem Verhältnis von Kommunikation und Organisation komponiert  : aus der Kommunikation ihrer Organisation wie der Organisation ihrer Kommunikation. Die Pathologie der Gesellschaft ist immer die Pathologie ihrer Kommunikation – sowohl als Beobachtung – wie als Handlungsprogramm (vgl. Bateson 1999, Dreitzel 1980, Krappmann 2000, Mitscherlich 1970). Und diese leidet ihrerseits unter deren organisationslogischer Funktionalisierung und Instrumentalisierung, dem überzogenen Druck von Organisation oder unter dem unbegründeten Verzicht auf eine solche (als Handeln und Gestaltung). Das Therapiewissen, teils psychoanalytisch, teils im Denkstil des normativen Humanismus, teils im Umfeld der Kritischen Theorie entwickelt (Gronemeyer zit. nach Fuhr/Gremmler-Fuhr 1988  : 236, Enzensberger 1997, Fromm/Funk 2011, Habermas 1973b, Frankl 2002), konzentriert sich im Kontext dieser der Gestalttheorie entlehnten (vgl. Perls 1981, Portele 1985) Analyse auf die Merkmale des generativen Lernens wie des transformativen Erinnerns als den autopoietischen Moden der Realitätskonstruktion (Fuhr/Gremmler-Fuhr 1988  : 212). Der Gedanke der autopoietischen Kompetenz setzt auf das dialektische Wechselspiel von Erfahrung und Selbstreflexion – nicht nur im Kontext der individuellen Le–  155 –

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bensgestaltung, sondern auch in dem der Gesellschaft  : Gesellschaften gehören sich selbst, sind sich selbst verantwortlich, für sich selbst zuständig und werden nur das, was sie aus sich machen. Als Kontexte (sozialsationsrelevante Lebenszusammenhänge) der Konstruktion von Welt sind sie die Grundlage dafür, ob und dass zwischen Erfahrung und Selbstreflexion (z. B. über deren Diskurse in diversen Milieus und Medien) Sphären eines kollektiv verhandelten Bewusstseins (Diskurse) entstehen können, in denen die Konfrontation (von und mit Überraschung bzw. ungewohnten Positionen, Diversität und Vielfalt) nicht dissoziative, sondern konstruktive, also gestaltbildende Dynamiken auslösen. Therapielogisch betrachtet führen Konfrontationen nicht unbedingt zu einem Konsens, zumindest aber und irgendwie unausweichlich zu einem Kontaktprozess zwischen einer und einer anderen Position oder Interpretation, der dann in Verständigung mündet, wenn der Prozess so behutsam, also so vorsichtlich, absichtlich und abgestuft entsprechend deklarierten Bereitschaften verläuft, dass die Grenzen zwischen den einen und den anderen eben nicht als Trennung der Unterschiede wegen, sondern als Verbindung der Unterschiede wegen wahrgenommen werden können. In einem solchen Prozess entsteht nicht Konsensdruck (Aufgabe von Eigenart, Eigensinn und Andersheit), sondern Konsenschance auf der Basis der Vielfalt von Realtitätsentwürfen. Kommunikationslogisch betrachtet, kann ein Verständigungsprozess erst ein solcher sein, wenn das Wissen (die Erfahrung oder die Unterstellung) der Vergemeinschaftung der Beobachtungshaltung (die Annahme eines gemeinsamen oder kollektiven Erwartensmusters  : eines Mediativs) es ermöglicht, die Unterschiedlichkeit der Beobachtung wechselseitig als Gewinn (in Perspektive, Wahrnehmung, Wissen, Position) zu werten. Verständigung, so interpretiert, ist dann nicht Gleichschaltung, nicht Konsens als Ergebnis (Konkordanz), sondern Differenzhaltung, also Konsens als sozialer und generativer Habitus gegenüber den Sinn-Chancen jeglicher Andersheit und gegenüber der Realität von natürlichem Unterschied und kultürlicher Unterscheidung. In diesem Spannungsfeld von Sinn und Erfahrung konstituiert sich das Selbst als Quelle der Erfahrung wie als Referenz von Sinn (vgl. Frankl 2002). Das Motiv der Gesellschaft ist das kulturelle Wissen um den Primat der Soziabilität jedweder Bestimmung humaner Existenz, die sich in sozialen Mustern der Aufnahme, Bestätigung und Infragestellung von Beziehung (als konstitutives Muster von Kommunikation – Selbst-Verständigung) so selbst metaphorisch beschreibt. Um aber Beobachtungs- bzw. Handlungszusammenhänge als gesellschaftlich relevant zu deuten, braucht es Konzepte, von denen sich die gängigsten und kulturell so eingespielten zwischen Ähnlichkeit (mit kulturellem und sozialem Blick auf Identität) und Unterschied (mit kultu–  156 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

rellem und sozialem Blick auf Differenz) befinden. Die kulturellen Muster und Vermittlungsgrößen („soziale“) der Konstitution von Gesellschaft – Kommunikation – haben sich allerdings – nicht zuletzt dank der Reduktion von sozialer Komplexität durch zunehmende gesellschaftliche Systementwicklung (Organisation) – darauf konzentriert, Verständigung als soziale Konstruktion von Ähnlichkeit (wenn möglich sogar durch die Dogmatisierung von Gleichheit, Einheit) zu favorisieren und Unterschied (Differenz, Diversität) als Last von Andersheit und Kontingenz (wenn möglich auch als Häresie  : unerwünschte Wahlmöglichkeit, Abweichung oder Widerspruch) zu vermeiden oder auch auszublenden. Aus diesem Dilemma hilft ein dritter Weg  : das Konzept der Veränderung und des Wandels, der inneren Dynamik des Seins. Es ist gewissermaßen die Verlagerung des Vergleichs von Gleichheit und Unterschied in den Kontext der Vorstellung von Zeit  : Gleich bleibt sich, was sich verändert, oder die Chance der Beständigkeit liegt in der Herausforderung nach Veränderung. Angewandt auf Gesellschaft heißt dies  : das Konzept des gesellschaftlichen Wandels nicht als (objektives) Phänomen zu verstehen, das sich so jedweder Beobachtung gleich stellte, sondern als Konzept der kulturellen Kompetenz, in dessen Möglichkeit, Fähigkeit, Zuständigkeit und Verantwortung es liegt, der Beobachtung des jetzt Gegebenen die Zukunftsforderung des Handelns, dem gegenwärtigen Handeln die Zukunftsforderung der Beobachtung abzuverlangen. Dann wäre Gesellschaft theoretisch, was sie sein könnte, weil man wüsste, was sie sein sollte  : das Spiegelbild der Dynamik ihrer Kommunikation. Dynamik ist die intrinsische Energie eines Zusammenhangs, der sich selbst nie zu Ende bringt wie ein Strom, der keine Mündung kennt – und eben deshalb nur im Modell der Veränderung (Entwicklung) existent, das heißt  : als solches erkennbar bleibt. Kommunikation, Kultur und Gesellschaft sind solche Zusammenhänge, die von ihrer laufenden Veränderung (der Beobachtung und des Handelns) leben, weil ihnen keine natürliche Mündung (Endung) vorliegt. Das theoretische Konzept des gesellschaftlichen Wandels beschreibt den Zustand von Gesellschaft als Transitionsmodell ihrer selbst und den darin unterstellten Faktor der Dynamik der sozialen Beziehung als iteratives Umdenken der Ontologie ihrer Kommunikation. Gemeint sind damit die Muster, die Ordnungen, die Rituale, die Formate, die Mediative (Mediumsordnungen) und Mediate (Mediumsmuster) symbolisch generierter Codes zur sozial verbindlichen Beschreibung (Beobachten und Verhandeln) von Wirklichkeit (vgl. dazu Schmidt 2005). Das ontologische Merkmal von Kommunikation schlechthin ist deren Medialität  : die Bedingung des als Medium gedachten Prinzips als Referenzvereinbarung für die Vergemeinschaftung von Unter–  157 –

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schieden von Wahrnehmung, Beobachtung, Erfahrung und Deutung, für die Bestimmung von Unbestimmtem (Schmid 2000  : 145) und für die Verteilung von Gesellschaftlichkeit. Kommunikation als die genuin soziale Praxis ist nicht anders vorzustellen denn als Verständigung über Innen- und Außenwelten der Wahrnehmung im Modus von Mediumsordnungen (Mediativen) für kommunikative Geltungsansprüche und in Mediumsmustern (Mediaten), wie denen des Dialogs, des Diskurses und/oder der Konversation. Autorität und Hierarchie sind Mediative einer Gesellschaft, die in der Verteilung von kommunikativer Kompetenz und in der sozialen Konstruktion von Vertrauen nicht auf Diversität, sondern auf Professionalität und Institutionalität setzen. Alle Mediative stellen Modelle sozialer Ordnung dar bzw. sind Dispositive der sozialen Ordnung zwischen diversen vorstellbaren Polen wie zwischen Hierarchie und Heterarchie, zwischen Herrschaft und Unterwerfung sowie zwischen Distanz und Nähe. Demgegenüber haben Mediate eine andere Charakteristik  : Mediate sind zuerst und zuinnerst einander unterstellte und im Interesse der Verständigung kulturell geprüfte Haltungen der Soziabilität (Habitate) des Beobachtens und des Handelns, soziale Metaphern wechselseitiger Erwartung, bevor sie in Zeichen- und Symbolsystemen kodifiziert oder als „Medien“ (Apparaturen, Systeme, Programme) organisiert werden. Der soziale Wandel kann als das intrinsische Modell des gesellschaftlichen Wandels gelten, der seinerseits im Sinne der Transition der Medialitätsstrukturen immer (schon/ auch Mediums- bzw.) Medienwandel war/ist  : ein iterativer Zirkel sich selbst ersetzender, kommentierender und interpretierender Mediative und Mediate in der nie zu Ende gebrachten Bestimmung des Verhältnisses des Menschen zu seiner natürlichen, sozialen, kulturellen, inspirativen und symbolischen Umwelt. Stellt man die analytische Beobachtung des gegenwärtigen Medienwandels in diesen kulturtheoretisch ausgelegten Rahmen, dann erkennt man, dass es bei dem derzeit beobachtbaren Medienwandel nur vordergründig um einen technischen bzw. technologisch ermöglichten sozialen Fortschritt und nicht nur eine Systemumstellung (von Distribution auf Netz) geht, sondern um eine im Kontext von Globalisierung, Organisierung, Hierarchisierung, Institutionalisierung und in diffuser Reflexion auf deren Effekte manifest gewordene Krisenstimmung des sozialen Vertrauens  : die gesellschaftlichen Mediate – die sozialen Haltungen als Referenzen der Interdependenz in der Konstruktion von Wirklichkeit – ordnen sich neu und richten sich ein auf die Möglichkeit und Verträglichkeit von Enttäuschung  : Die gesellschaftliche Kommunikation im Medienmodell der Vernetzung scheint offener, beliebiger, zufälliger, dissipativer zu sein, gibt sich weniger verbindlich und verständigt sich implizit –  158 –

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über die Grenzen von Geltungsansprüchen der Dauer, des Inhalts, der Qualität und der Gültigkeit, im Grunde also über die Grenzen von Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Dem Habermas‘schen Theorem der Universalnormen von Kommunikation stellt die Entwicklung ein kritisch-reflexives Theorem gegenüber  : Kommunikation als Täuschungsvertrag (Bauer 2011  : 495). Der Begriff mag pejorativer klingen als er gemeint ist. Er bezieht sich im Unterschied zu Habermas‘ normativer Universalpragmatik schlicht und einfach auf die situative Realpragmatik von Wahrheit und Wahrhaftigkeit und richtet sich ein auf die Möglichkeit, dass nicht wahr sein muss, was sich wahr gibt und nicht glaubwürdig sein muss, was sich wahrhaftig gibt. Und trotzdem oder vielleicht gerade wegen dieser offenen Mediate ist dies Kommunikation im Sinne der Vereinbarung über Wirklichkeiten. Kompetenzbildung oder Habitusbildung  ? Medienkompetenz ist zu dem Schlüsselwort der Medienpädagogik geworden. Der Begriff arbeitet mit der Zielvorstellung, dass Menschen, im pädagogischen Kontext meist als Heranwachsende wiewohl in Lerngruppen aber doch individuell adressiert, in einen kompetenten, individuell und lebensweltlich vernünftigen Mediengebrauch „eingeschult“ oder „nachgerüstet“ werden können. Mit im Paket ist dabei seit Baacke‘s theoretischer Konzeption (vgl. Baacke 1980) meist auch eine Art von Kommunikationsschulung (Kommunikationstraining), weil man erstens davon ausgeht, dass Medien eben solche der Kommunikation sind und sein sollen und Medienbildung daher Kommunikationsbildung (Kommunikative Kompetenzbildung) sein müsste, und weil man zweitens unterstellt, dass mit der kompetenten Mediennutzung tragfähige Brücken zur (öffentlichen Kommunikation der) Gesellschaft, ihren Diskursen und ihrem Geschehen gebaut werden, mehr noch  : dass heranwachsende Menschen durch Medienkompetenz – im Baacke‘schen Modell als Baukasten aus Medienwissen, Medienanalyse, Medienkritik und Mediengestaltung (vgl. Baacke 1999  : 31ff ) gekennzeichnet und so auch fast alle Flächen der Medienschulung (Medienpädagogik) deckend übernommen – ihre Rolle und ihre Position partizipatorisch und das demokratische Geschehen damit dynamisierend einlösen können (vgl. Pelinka 1974, Willke 1995). Im Grunde ein schöner und kulturwerter Gedanke, der aber einige Prämissen enthält, die so nicht stehen bleiben können, nicht nach all den Erkenntnissen aus den Entwicklungen der Kommunikations- (und Medien)wissenschaft der letzten Generation (Cultural Studies, Konstruktivismus, Alltagstheorien) (vgl. Hepp 2011, Schmidt 2003, Schütz/Luckmann 2003). Um die Argumentation auf sichere –  159 –

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über die Grenzen von Geltungsansprüchen der Dauer, des Inhalts, der Qualität und der Gültigkeit, im Grunde also über die Grenzen von Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Dem Habermas‘schen Theorem der Universalnormen von Kommunikation stellt die Entwicklung ein kritisch-reflexives Theorem gegenüber  : Kommunikation als Täuschungsvertrag (Bauer 2011  : 495). Der Begriff mag pejorativer klingen als er gemeint ist. Er bezieht sich im Unterschied zu Habermas‘ normativer Universalpragmatik schlicht und einfach auf die situative Realpragmatik von Wahrheit und Wahrhaftigkeit und richtet sich ein auf die Möglichkeit, dass nicht wahr sein muss, was sich wahr gibt und nicht glaubwürdig sein muss, was sich wahrhaftig gibt. Und trotzdem oder vielleicht gerade wegen dieser offenen Mediate ist dies Kommunikation im Sinne der Vereinbarung über Wirklichkeiten. Kompetenzbildung oder Habitusbildung  ? Medienkompetenz ist zu dem Schlüsselwort der Medienpädagogik geworden. Der Begriff arbeitet mit der Zielvorstellung, dass Menschen, im pädagogischen Kontext meist als Heranwachsende wiewohl in Lerngruppen aber doch individuell adressiert, in einen kompetenten, individuell und lebensweltlich vernünftigen Mediengebrauch „eingeschult“ oder „nachgerüstet“ werden können. Mit im Paket ist dabei seit Baacke‘s theoretischer Konzeption (vgl. Baacke 1980) meist auch eine Art von Kommunikationsschulung (Kommunikationstraining), weil man erstens davon ausgeht, dass Medien eben solche der Kommunikation sind und sein sollen und Medienbildung daher Kommunikationsbildung (Kommunikative Kompetenzbildung) sein müsste, und weil man zweitens unterstellt, dass mit der kompetenten Mediennutzung tragfähige Brücken zur (öffentlichen Kommunikation der) Gesellschaft, ihren Diskursen und ihrem Geschehen gebaut werden, mehr noch  : dass heranwachsende Menschen durch Medienkompetenz – im Baacke‘schen Modell als Baukasten aus Medienwissen, Medienanalyse, Medienkritik und Mediengestaltung (vgl. Baacke 1999  : 31ff ) gekennzeichnet und so auch fast alle Flächen der Medienschulung (Medienpädagogik) deckend übernommen – ihre Rolle und ihre Position partizipatorisch und das demokratische Geschehen damit dynamisierend einlösen können (vgl. Pelinka 1974, Willke 1995). Im Grunde ein schöner und kulturwerter Gedanke, der aber einige Prämissen enthält, die so nicht stehen bleiben können, nicht nach all den Erkenntnissen aus den Entwicklungen der Kommunikations- (und Medien)wissenschaft der letzten Generation (Cultural Studies, Konstruktivismus, Alltagstheorien) (vgl. Hepp 2011, Schmidt 2003, Schütz/Luckmann 2003). Um die Argumentation auf sichere –  159 –

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Beine zu stellen, sei zuvor noch kurz der gedankliche Zusammenhang der im Kontext der Medienpädagogik gebräuchlichen Kompetenztheorie umrissen. Das Denkmodell der Kompetenz hat viele Wurzeln  : solche der philosophischen Anthropologie, der Psychologie, der Pädagogik, der Organisationstheorie, nicht zuletzt der Berufsbildpraxeologie. In hoch organisierten Gesellschaften, deren Entwicklungsressource Bildung ist, gibt es zwei Kriterien der Bewertung des Status bzw. der Beschreibung der Rolle, die den Status begründet  : Qualifikation und Kompetenz. Während der Begriff der Qualifikation den formalen Bildungsweg und die darin erworbenen sachlichen und fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nach diversen Ausbildungsprogrammen geordnet beschreibt, umreißt der Kompetenzbegriff die eher persönlichkeitsgebildete Komponente  : Fähigkeit, Zuständigkeit, Darstellung, Einsatz, Energie, Motivation, Haltung und Verantwortung. Im Kompetenzbegriff konzentrieren sich gesellschaftliche, in spezifischen Organisationen dann auch spezifizierte Erwartungen, die weniger mit den Möglichkeiten von Beweis oder Nachweis von Kenntnissen zusammenhängen als mehr mit den (nicht anders möglichen) Einschätzungen der persönlichen Dispositionen des Verhaltens von Menschen im Verhältnis zu sich selbst (Selbsteinschätzung, Selbstdarstellung), im Verhältnis zur sozialen Umwelt (Kommunikationsverhalten, Krisenverhalten, Teamverhalten, Sozialwerte) und im Umgang mit der ihnen zugedachten Rolle bzw. Position im Falle von notwendiger Unterscheidung und Entscheidung (Zuständigkeit, Standpunkt, Verantwortung). Der Kompetenzbegriff beschreibt die mit den Unterstellungen des Vertrauens verbundene Erwartung (der Gesellschaft oder von Organisationen) an Menschen und deren „soft skills“, dass man mit ihnen (wo immer auch eingesetzt) kein Risiko eingeht und von ihnen nicht enttäuscht wird. So eingeordnet wird schon die Ambivalenz des Kompetenzbegriffes zwischen philosophischer Deutung und organisationstheoretischer Kennzeichnung von Merkmalen deutlich  : Einerseits umschreibt er Vermutungen, Anmutungen und Zumutungen, also Beobachtung von Wahrnehmungen, von denen man weiß, dass sie von subjektiver Einschätzung (Reflexen, Attributionen) abhängig sind, andererseits aber dient er als Kalkül der Rationalisierung und Ökonomisierung von Handlung. Diese Zwitterstellung ist allerdings typisch für das Pädagogik-Verständnis von Bildung  : Sie ist einerseits das Deutungsbild für ein anthropogenetisches, evolutionäres Grundmuster von (humaner als sozialer) Entwicklung (Selbstwerdung), andererseits ist sie das Deutungsbild für die Notwendigkeit der gesellschaftlichen Ordnung, verstanden als vertikale Aufschlüsselung von Über- und Unter-Ordnung (Hierarchie) oder horizontaler Zu-Ordnung von Kompetenz (hier  : Fertigkeit, Fähigkeit, Zuständigkeit bzw. Wissen und Kennt–  160 –

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nis). Im Kontext mit Kommunikation und Medien sind es vier Areale der Interpretation, die für die konzeptuelle Fassung von Kompetenz für relevant erachtet werden können  : Anthropologie, Psychologie und Pädagogik. Ein gesellschaftstheoretischer Interpretationszusammenhang müsste letzten Endes diese Positionen evaluieren und wo möglich neu kontextualisieren. Anthropologischer Interpretationszusammenhang

Die Grundvermutung ist, dass der Mensch qua Mensch gar nicht anders kann, denn ein solcher sein bzw. werden zu wollen. Die Vorstellung, dass man ein solcher werden kann oder erst werden muss, stammt aus der Erfahrung, dass alles Leben Entwicklung (Veränderung) ist und dass das Leben sich dort am stärksten gleicht, wo es sich am deutlichsten ändert. Wo es bleibt, wie es ist, hat es sich (schon) verloren. Die Erfahrung sagt aber auch, dass Leben, wenn es Entwicklung sein will, Grundlagen braucht, Nährstoffe, die „aus dem Boden“, dort, wo man wurzelt, kommen. Das deutet zum einen auf die Notwendigkeit einer (natürlichen, sozialen, strukturellen, kulturellen und symbolischen) Umwelt (Herkunft, Lebenszusammenhänge, Gesellschaft), zum anderen auf die (kognitive, psychische, inspirative) Innenwelt (Person, Wissen, Bewusstsein, Erinnerung, Einstellung, Haltung). Der Kompetenzbegriff stellt eine anthropologische Interpretation der Risiken und Chancen des Überlebens mit Mitteln, die man als nur dem Menschheit gegeben vermutet, dar  : Entscheidungen eines für frei geglaubten Willens mittels Beobachtung und Reflexion zu treffen und dafür Intelligenz, Erkenntnis, Vorstellung, Kognition und Bewusstsein einzusetzen. Innerhalb dieser Tradition ist Kompetenz eine Dimension menschlicher Erfüllung des Lebens, welches, wenn man es nicht selbst „in die Hand nimmt“, jedes andere sein könnte (vgl. Piaget 1973  : 23). In diesem Rahmen wertet der Kompetenzbegriff vor allem das Privileg (vgl. dazu Cassirer 2010) des Menschen sich für sich selbst zuständig zu wissen und sich für sich selbst verantwortlich machen zu können. Psychologischer Interpretationszusammenhang

Das theoretische Anliegen der Psychologie konzentriert sich im Kontext einer Klärung des Kompetenzbegriffs vor allem auf Konzepte von Persönlichkeit und deren soziale wie kulturelle Umweltbedingungen. Die Bedingungen der Gestaltung des persönlichen Lebens (Individuation) hängen zu einem gewissen Maß an verschiedenen Sozialisationsvoraussetzungen  : Familienstruktur, Persönlichkeitsstruktur, Beziehungskultur. Medienkompetenz ist nicht eine –  161 –

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spezielle Kompetenz, sondern vielmehr die Reflexion der Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen, die eigene persönliche Lebensführung unter gegebenen sozio-kulturellen Rahmenbedingungen zu realisieren. Werte von Kompetenz sind innerhalb einer psychologischen Interpretation  : Authentizität, Offenheit, Unterscheidungsfähigkeit, Reflexivität, kritische Distanz sich selbst gegenüber und kritische Nähe zu anderen (vgl. Asendorpf 2004). Die Entwicklung von psychologisch verstandener Kompetenz folgt individuellen, aber auch sozialen Dimensionen, erfordert in jedem Fall ein eigenbzw. umwelthygienisches Klima. Insgesamt erfährt der Kompetenzbegriff im Unterschied zu seiner philosophisch-anthropologischen Auslegung im theoretischen Umfeld der Psychologie eine stärkere Betonung von Leistung und Lernen (Leistungsfähigkeit und Lernfähigkeit), konzentriert sich also auf die sozialvergleichend (persönlichkeitsvergleichend) graduelle Unterscheidbarkeit von entwickelter (elaborierter) und/oder wenig entwickelter (restringierter) Kompetenz und stellt sich damit eindeutig den Vermessungsinteressen einer Gesellschaft, die sich in der Einschätzung der Unabdingbarkeit der pragmatischen Logik ihrer eigenen Organisation nicht beirren lässt. Das trifft vor allem zu auf Universalkategorien wie Identität, Persönlichkeit, Norm, Kommunikation, Kultur und – natürlich – Kompetenz selbst. Die Infragestellung solcher Konzepte rüttelt an den methodologischen und epistemologischen Grundfragen des wissenschaftlichen Denkens. Versteht man aber, wie schon mehrfach betont, sozialwissenschaftliche Theorienbildung nicht als Theorie zum Objekt, sondern als Theorie zur Theorie, als (kritisch-reflexive) Beobachtung der Alltagsbeobachtung, dann wird tatsächlich die Kultur der Beobachtung (das Wie und Warum, die Deutungen der Alltagsbeobachtung) zum Gegenstand der Wissenschaftsbeobachtung. In dieser Konstellation ist die Infragestellung von Universalkategorien nicht nur nicht häretisch, sondern wissensproduktiv. Pädagogischer Interpretationszusammenhang

Man muss vorausstellen, dass, wenn man von „der Pädagogik“ spricht, zumeist und immer etwas diffus der institutionelle Zusammenhang von Aufwachsen, Lernen und Ausbildung gemeint ist  : Wissenschaft, Ausbildung, Schulung und Lernen. Die wissenschaftliche Pädagogik hat sich von diesem Bild längst freigesielt und versteht sich denn auch viel umfassender und grundsätzlicher als Bildungswissenschaft. Dennoch ist ihr Erkenntnisinteresse ein normatives geblieben, wiewohl ihre Theorien nicht mehr nur geisteswissenschaftlich, sondern sehr wohl der Reihe nach oder (nun auch wieder) vermischt empirisch-analytischer, kritischer oder auch konstruktivistischer Grundauffas–  162 –

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sung (Paradigma) folgen (vgl. dazu  : Meixner/Müller 2001). In diesem Umfeld ist und bleibt „Kompetenz“ auch ein normatives Konzept, das besagt, dass Kompetenz eine anreicherbare Kategorie sei, eine die sich steigern, entwickeln oder unter gegebenen Umständen auch „gewinnen“ ließe. Eine solche Auffassung unterstellt so etwas wie eine mögliche, anthropologisch begründet datierte Grundausstattung, die – Konditionen des jeweiligen individuellen Lebenszusammenhangs mit in Rechnung gestellt – durch Erfahrungen des Lernens und Übens verfestigt, gestärkt, weiter entwickelt, „up-gegradet“ oder auch transgredierend auf verschiedene (andere) Bereiche übertragen angewandt werden könne. Die Vorstellung ist plausibel im Kontext von Besitzmustern  : Geld, Wissen, Macht, also im Kontext von Kategorien der gesellschaftsorganisatorischen Unterscheidung von Bereichsbesitz (Status), Bereichszuständigkeit (Position) und Bereichsverantwortung (Rolle). Gesellschaftstheoretischer Interpretationszusammenhang

Es sollte kein ideologisches Problem darstellen, dass eine Gesellschaft, die sich im Rahmen ihrer Organisationsmöglichkeiten selbst verwirklichen möchte, sich der Ressourcen bedient, die das zu erreichen versprechen  : Bildung, Ausbildung, Qualifikation, Kompetenz. Ideologisch problematisch dabei ist aber die fast axiomatische Anwendung der Wirtschaftsgesetzlichkeit (Ökonomie  : geringster Einsatz für maximalen Erfolg) einerseits und die Anwendung dieser Gesetzlichkeit auf die Wertberechnung des Lebens des Individuums gegenüber dessen Gesellschaft andererseits. Diese kritische Anmerkung nimmt insbesondere jene Positionen ins Blickfeld, die das Konzept von Kompetenz im Kontext von Medienpädagogik oder Medienbildung funktionalistisch deuten, als Durchsetzungsfähigkeit auf Basis gekonnter Werkzeugverwendung. Denn so betrachtet, verliert der Begriff der Kompetenz die ihm philosophisch-anthropologisch unterstellte emanzipatorische Daseinsqualität zugunsten einer lediglich kompensatorischen Qualität des Nachrüstens von Wissen, um mit eben dieser nun einmal komplizierter gewordenen Welt fertig zu werden. Denn das heißt immer  : den anderen mit der Aufbesserung seiner eigenen Mittel zu schlagen. Das wäre lediglich ein affirmativer, wenn nicht überhaupt ein regressiver und repressiver Schritt. Die Diskussion, wie und ob eine so universal gedachte Kategorie überhaupt „Gegenstand“ des Unterrichts sein könnte, ob und wie Medienkompetenz als Kategorie des Lernens zwischen Eltern, Schülern, Schule und Medien zu einem Lernfeld gemacht werden kann, müsste ebenso aus einem nur kompensatorischen Unterrichtsverständnis herausgelöst und viel grundsätzlicher als Frage neu zu entwickelnder Mo–  163 –

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delle der Bildungskooperation der involvierten Institutionen und Stakeholder erörtert werden. Die kritische Unterstellung hier ist, dass eine kompensatorisch gedachte Medienpädagogik/Medienbildung letzten Endes nur an einem Modell des sozialisierten Mediengebrauchs bzw. der Medienkompetenz (Medien dazu nützen, wozu sie systemisch gemeint sind) interessiert ist und dementsprechend system-affirmative Curricula entwickelt (z. B. „handlungsorientierte Medienpädagogik“  : Schülerinnen und Schüler lernen, wie man eine Zeitung macht, wie Journalisten arbeiten etc.), während ein emanzipatorisch ansetzendes Konzept von Medienbildung weniger an der Organisation, dafür mehr an der Improvisation des in Medienumwelten erprobten kommunikativen Handelns („sozialer Mediengebrauch“) interessiert wäre. Wenn man Kompetenz als generative Kategorie des Verhaltens (kreative Verwendung von Wissen auf das Basis grundgelegter Haltungen) versteht, dann müsste es der Medienbildung (so man sie als pädagogische Disziplin betrachtet) daran gelegen sein, zuerst das gesellschaftliche Potenzial zur Generierung von Selbstimprovisation gegen die Routinen der Selbstorganisation freizulegen, um es dann und so oder zumindest in wechselseitigem Verfahren Individuen als viables Szenario ihrer eigenen zukünftigen Lebensbeschreibung zur Disposition zu geben. Wenn Gesellschaft der soziale und kulturelle Rahmen ist, in dem Individuen sich selbst verwirklichen können – und das muss man annehmen, wenn es die Gesellschaft ist, die Bildungsprogramme institutionalisiert und evaluiert – dann muss es die Gesellschaft sein, die Optionen anbietet und ermöglicht, durch die Individuen sich als diskursiver Spiegel des gesellschaftlichen Wandels verstehen und verhalten. In dieser Wendung der pädagogischen Strategie (Gesellschaft statt Individuum, Diskurs statt Medien, gesellschaftlicher Wandel statt gesellschaftlicher Organisation) kündigt sich die theoretische bzw. konzeptionelle Option an, im theoretischen Weiterbau von Medienbildung den Kompetenzbegriff mit dem Habitusbegriff zu ersetzen oder zumindest, wie bei Baacke ja schon angekündigt (vgl. Baacke 1999  : 31ff ), den habitus-theoretischen Ansatz, soweit er sich im Kompetenzbegriff wiederfindet, bewusster zur Diskussion zu stellen. Die ursprüngliche Version des Habitusbegriffs ist persönlich und körperlich ausgelegt (Elias 1987  : 244) und umfasst die Möglichkeiten und Gegebenheiten der Abgleichung des körperlichen Ausdruck eines Menschen mit seiner Umwelt  : Haltungen und Verhaltensweisen bilden die Verhältnisse, in denen Menschen sich (zueinander durch Unterscheidung voneinander) zurechtfinden. In diesem Sinne sind Habitate persönlich geprägte Muster des Gehabes eines Menschen unter Nutzung der möglichen Zeichensetzungen der Gesellschaft (Gestik, Mimik, Ausdruck etc.), aber seiner Gesellschaft ge–  164 –

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genüber. Bourdieu (1982), der sich auf diese Begriffsversion zunächst bezieht, weitet das Vorstellungsmodell allerdings aus und vertieft es sozialtheoretisch durch die Abstrahierung des Körperbegriffs. Als Körper, die ja in sozialen Situationen immer anwesend sind, sind nicht nur die physischen Körper, sondern auch die überindividuellen Selbstzuschreibungen durch Figurationen des Ausdrucks zu verstehen, die ein Individuum auf der einen Seite als Persönlichkeit unverwechselbar machen, auf der anderen Seite aber eben die mimetische Ausgabe jener Anpassungs- und Gewöhnungsprozesse sind, durch die Menschen sich mit ihrer sozialen und gesellschaftlichen Umwelt in Einstellungen und Haltungen arrangieren. Der Fokus liegt auf den in Haltungen und Verhaltensweisen eingeschriebenen Perspektiven des Unbewussten, dem „Passungsmodell“ (Bourdieu 1982  : 378), mit dem Menschen den Lebensstil der sozialen Gruppe verkörpern (sic!). Die Verkörperung ist als das Potenzial zu sehen, das das Verhalten (den eigentlichen Habitus) generiert. Damit schließt Bourdieu sein Habitus-Konzept an das der „generativen Grammatik“ von Noam Chomsky an (vgl. Chomsky 1980), das besagt, dass der Mensch auf der Basis des Verstehens von Grundstrukturen in der Lage ist, sich jeweils anders als schon gewohnt durch Handlung und Ausdruck in die sozialen Praxen der Gesellschaft einbinden kann. Der Körper, konstruktivistisch verstanden als Verkörperung der Beziehungen zur sozialen Umwelt, ist nicht mehr nur Instrument für Gestik und Mimik, sondern die Figuration von sozialen Beziehungen, Hierarchien, Nähe- und/oder Distanzbeziehungen, also ein sozialer bzw. sozial legitimierter Bedeutungsträger. Angewandt auf die mögliche Beschreibung von habituellem Medienverhalten wäre „Medienhabitus“ die gesellschaftlich verhandelte Verkörperung von unter den Bedingungen des Mediengebrauchs verhandelten und verhandelbaren Beziehungsmustern. In der bildungstheoretischen Anwendung des Habitus-Konzepts (vgl. Bourdieu 1974) auf Medienumgebungen und Mediengebrauch geht es daher um mehr als nur um Ein-, Zusatz- oder Nachschulung von Wissen und Bewusstsein (Kompetenznachrüstung) für eine komplexer gewordene Welt, in der Rechnen, Schreiben und Lesen als Kulturtechniken eben nicht mehr ausreichen. Es geht nicht um die Alphabetisierung der nächsten Generation für eine nächste der Medienlogik geschuldete Formation der Gesellschaft, sondern es geht um den Paradigmenwechsel von Schulung (als Organisations-, Professions-, Rollen- und Funktionsmodell der auf Individuen abgestellten Pädagogik) zu Bildung [als Generierungsmodell von Kultur-, Gesellschafts- und Persönlichkeitswerten einer mit dem gesellschaftlichen Wandel (Medienwandel)] kontextualisierten Mobilisierung von Wissens- und Bewusstseinshaltungen. –  165 –

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Eine solche Konzeption von Bildung müsste (aber) auch – vor allem im Hinblick auf das kulturelle Verständnis von Kommunikation (und Medien im erweiterten Sinn) – theoretisch neu aufgesetzt werden und sich der Perspektive des kognitiven wie sozialen Konstruktivismus (vgl. Piaget 1973  : 23, Vygotsky 1986) entschiedener zugeordnet wissen, weil erst eine solche Perspektive über eine eindimensionale, kausale Beschreibung von Aneignung, Besitz (Talent), Eigenschaft oder Vererbung [z. B. Sprache oder Wissen (vgl. Piaget 1973  : 93) hinausreicht und sich bewusst von elite- und/oder hierarchie-definierten Rollenmythen (Vorbild, Persönlichkeit, Autorität, Oben-Position] entfernt und versucht, Bildung als gesellschaftliches wie gesellschaftlich generiertes Gut, als Kompetenzmotiv der Lebensführung der Gesellschaft zu verstehen und in diesem Sinne als ein in der Würde des Menschen intrinsisch begründetes und im Rahmen demokratischer Gesellschaftsauffassung von Partizipation generell entsprechendes Recht auf Chance, Möglichkeit und Herausforderung der Sinn-Deutung des Lebens wie des jeweils gewählten oder durch Umstände zugedachten Lebensvollzugs – immer im Hinblick auf und unter Einrechnung der jeweils gegebenen Umweltlichkeit, in welcher Lage er immer auch lebt und in welchem Zusammenhang auch immer er mit sich und seiner Umwelt zurecht zu kommen versucht. Dieser Zugang fordert die gesellschaftspolitische Dimension des Bildungsbegriffs ein, rechnet damit, dass sich im Bildungsprofil der Gesellschaft deren Kommunikationskultur (Medienkultur) wiederspiegelt und setzt darauf, dass individuelle Bildungslücken nicht dem Individuum (Schicksal oder Verschuldung) angelastet, sondern den Kommunikationslücken und den Strukturfallen der Gesellschaft zugeordnet werden. Nur so lässt sich, zumindest einmal theoretisch, die – insbesondere im Kontext von zunehmend über Medienmodelle vernetzten, gesellschaftlichen Partizipation – bestehende Kluft zwischen Bildungsarmut und Bildungsreichtum schließen. Bildung als generative Kategorie des gesellschaftlichen Wandels Die Analyse, der entsprechend die sozialen Bedingungen dafür zu verantworten sind, dass die Bildungskluft, in der „schon Gebildete“ die besseren Bedingungen vorfinden, um ihr Bildungsguthaben zu erweitern, während bildungsvernachlässigte Schichten zunehmend Bildungsverluste hinnehmen müssen, weiterhin zunimmt, ist etwas fatalistisch und zugleich blauäugig. Es sind nicht die sozialen Bedingungen an sich, sondern die in dieser Gesellschaft nach den Logiken von Wirtschaft und Durchsetzung von wirtschaftlichem Erfolg getrimmten sozialen Strukturen, in denen Solidarität, Inklusion, Minderheiten–  166 –

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Eine solche Konzeption von Bildung müsste (aber) auch – vor allem im Hinblick auf das kulturelle Verständnis von Kommunikation (und Medien im erweiterten Sinn) – theoretisch neu aufgesetzt werden und sich der Perspektive des kognitiven wie sozialen Konstruktivismus (vgl. Piaget 1973  : 23, Vygotsky 1986) entschiedener zugeordnet wissen, weil erst eine solche Perspektive über eine eindimensionale, kausale Beschreibung von Aneignung, Besitz (Talent), Eigenschaft oder Vererbung [z. B. Sprache oder Wissen (vgl. Piaget 1973  : 93) hinausreicht und sich bewusst von elite- und/oder hierarchie-definierten Rollenmythen (Vorbild, Persönlichkeit, Autorität, Oben-Position] entfernt und versucht, Bildung als gesellschaftliches wie gesellschaftlich generiertes Gut, als Kompetenzmotiv der Lebensführung der Gesellschaft zu verstehen und in diesem Sinne als ein in der Würde des Menschen intrinsisch begründetes und im Rahmen demokratischer Gesellschaftsauffassung von Partizipation generell entsprechendes Recht auf Chance, Möglichkeit und Herausforderung der Sinn-Deutung des Lebens wie des jeweils gewählten oder durch Umstände zugedachten Lebensvollzugs – immer im Hinblick auf und unter Einrechnung der jeweils gegebenen Umweltlichkeit, in welcher Lage er immer auch lebt und in welchem Zusammenhang auch immer er mit sich und seiner Umwelt zurecht zu kommen versucht. Dieser Zugang fordert die gesellschaftspolitische Dimension des Bildungsbegriffs ein, rechnet damit, dass sich im Bildungsprofil der Gesellschaft deren Kommunikationskultur (Medienkultur) wiederspiegelt und setzt darauf, dass individuelle Bildungslücken nicht dem Individuum (Schicksal oder Verschuldung) angelastet, sondern den Kommunikationslücken und den Strukturfallen der Gesellschaft zugeordnet werden. Nur so lässt sich, zumindest einmal theoretisch, die – insbesondere im Kontext von zunehmend über Medienmodelle vernetzten, gesellschaftlichen Partizipation – bestehende Kluft zwischen Bildungsarmut und Bildungsreichtum schließen. Bildung als generative Kategorie des gesellschaftlichen Wandels Die Analyse, der entsprechend die sozialen Bedingungen dafür zu verantworten sind, dass die Bildungskluft, in der „schon Gebildete“ die besseren Bedingungen vorfinden, um ihr Bildungsguthaben zu erweitern, während bildungsvernachlässigte Schichten zunehmend Bildungsverluste hinnehmen müssen, weiterhin zunimmt, ist etwas fatalistisch und zugleich blauäugig. Es sind nicht die sozialen Bedingungen an sich, sondern die in dieser Gesellschaft nach den Logiken von Wirtschaft und Durchsetzung von wirtschaftlichem Erfolg getrimmten sozialen Strukturen, in denen Solidarität, Inklusion, Minderheiten–  166 –

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würdigung und generell soziale Aufmerksamkeit zu Kategorien nachgereihter und ausgeklammerter Ethik werden. Das genau ist auch die Schwierigkeit der praktischen Durchsetzung eines theoretisch relativ leicht zu formulierenden integrativen Bildungsmodells, in das Aufnehmen irgendwelchen Wissens gar nicht denkbar ist ohne dessen intrinsische Ethikdimension mitaufzunehmen. Zunehmend aber bilden sich neue Bereiche kulturellen und zivilen Wissens (Wissenswelten) heraus, die mehr als nur fachliche, sondern eben auch allgemein soziale Intelligenz einfordern. Das zwingt herkömmliche, so vor allem die sozialwissenschaftlichen Disziplinen, ihre Wissensarchitekturen zu überdenken, um die Gräben zwischen dem professionellen Stand von Wissenschaft und dem alltäglichen Bildungswissen zu überbrücken  : Kommunikation wurde zur wichtigsten Ressource bei der Entwicklung, Etablierung und Organisation jeglicher Unternehmungen in jedwedem gesellschaftlich relevanten Bereich. In einer komplex organisierten und medienvermittelten Gesellschaft ist Kommunikationskompetenz eine Qualifikation, die gelernt werden kann, die aber auch verhaltensintellektuell verstanden werden muss. Persönliche Intuition muss durch die rationale Organisation von Kommunikationsfertigkeiten vervollständigt werden. Alle Produktionsprozesse, intellektuelle miteingeschlossen, haben materielle Körperlichkeit und eine performative Bedeutung. Kommunikation ist der Prozess, der den Wissensgütern Signifikanz und Relevanz gibt. Die Beobachtung, dass die Probleme und Lösungen der Lebensorganisation einerseits vom sozialen Wandel abhängen, andererseits von dem Wissen, das man dafür zur Verfügung hat, um dessen Mobilisierung zu steuern, hat Bildung zunehemend zum sozial relevanten Austragungsort von Wissenskommunikation gemacht. Dieser Faktor (Bildung als Verbindungskategorie zwischen Wissen und Kommunikation) bestimmt den Horizont und den Rahmen der gesellschaftlichen Selbstverwirklichung, muss also in diesem Sinne als generatives Motiv einer Gesellschaft interpretiert werden, die sich selbst zu erzählen weiß. Dabei sind die beiden Gesellschaftsmythen, Wissens- und Kommunikationsgesellschaft, stilgebende Referenzen für die Zukunftsszenarien der Zivilgesellschaft. In diesem Sinne wäre der Mythos von der Bildungsgesellschaft produktiv  : Eine solche verstünde sich konkret als sozialer Lebenszusammenhang, der sich im Modus von Bildung und deren Partizipation und Verteilung konstituiert und organisiert, indem dem jeweils individuellen Lebensvollzug ein soziales, kulturelles und symbolisches Ambiente wechselseitigen Vertrauens vorgelegt würde, das sich dem Individuum gegenüber als die jeweils eigene Sinnkombination von Nutzen, Ästhetik und Ethik (vgl. Edmaier 1968  : 61) rechtfertigen würde. So ausgelegt und gesellschaftlich eingebunden wäre Bildung als die Ressource der Gesellschaft auch das intrinsische Motiv –  167 –

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individueller Selbstverwirklichung im Wissen um die gesellschaftlichen Bedingungen der Konstitution und Konstruktion von Individualität. Ein in diesem Sinne gesellschaftstheoretisch ausgedeuteter Bildungsbegriff baut auf folgenden Schlüsselkonzepten  : Die Hypothese der generativen Aneignung

Wirklichkeit ist, so argumentieren Konstruktivisten – ob radikal oder gemäßigt (vgl. Watzlawick/Bavelas/Jackson 1974, Berger/Luckmann 1972, Foerster/ Glasersfeld 2007, Schmidt 2003) – alles, was wir durch Kommunikation konstruieren und über ihre Zeichenstruktur repräsentieren oder repräsentiert erfahren können. Materialisierung und Vergegenständlichung von Wirklichkeit geschehen im Modell der Aneignung durch Bild, Gesten und Sprache. Jede Aneignung aber ist nicht einfach eine neuerliche, wenn auch wiederholte Materialisierung des Gleichen, sondern eine im Wege der Wiederholung geleistete Nachahmung (Mimesis – vgl. Gebauer/Wulf 1998) und in diesem Sinne nicht einfach eine wiederholte Abbildung, sondern eine neue Version der Konstruktion auf der Basis der Einfühlung in eine Struktur und in das durch sie im Gebrauch durch andere schon Gemeinte wie auch zugleich eine Individualisierung eines möglich Verallgemeinerten. Der Gebrauch von Zeichen ist zum einen soziale Praxis, zum andern eine generative Aneignung. Wenn man, wie Ethnologen dies tun (vgl. Lévi-Strauss 1968), Sprache als Ausdruck und Kompetenzmodell von Kultur versteht, dann ist Bildung, weil gebunden an Sprache, das Entwicklungsmodell von Kultur. Versteht man Sprache aber nicht nur strukturalistisch, sondern kulturalistisch, dann ist sie nicht nur ein Mittel (technisches Medium) zur Kommunikation, sondern selbst ein kulturelles Modell von Kommunikation. In diesem Sinne ist Sprache, weil Medienwelten Lebenswelten sind (Baacke), immer zugleich der soziale Ort der eigenen Lebensbeschreibung. Das unterstreicht die Ausrichtung der theoretischen Konzeption von Bildung als Kompetenzmodell von Kommunikation im Sinne der Fähigkeit, Bereitschaft und Zuständigkeit der Herstellung und Pflege eines kritisch ausbalancierten Verhältnisses, gekennzeichnet durch Aufmerksamkeit und Sorgfalt, zur natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt. Im Rahmen seiner Untersuchungen zur linguistischen Kompetenz entwickelt Noam Chomsky (1980) das hypothetische Konzept der „generativen Grammatik“. Es besagt, dass Menschen, die die Grammatik einer Sprache beherrschen, zum einen in der Lage sind, daraus weitere grammatische Zusammenhänge zu generieren und zu generalisieren und zum anderen, weil sie so ihr Sprachvermögen erweitern, auch die Horizonte ihrer Weltaneignung –  168 –

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erweitern (vgl. Certeau 1988). Baacke (1980) nimmt den Gedanken auf und erweitert ihn mit Blick auf die noch weiter ausgreifende Beschreibung von kommunikativer Kompetenz als Medienkompetenz, die er im schulpädagogischen Kontext als jenes „zentrale Operationsfeld von Projekten“ betrachtet, in dem das routinisierte Ordnen von Wissen bewusst zugunsten eines Lernprozesses auf überindividueller gesellschaftlicher Ebene durchbrochen werden kann (Baacke 1999  : 31ff ). Das Autopoiesis-Axiom

Zunächst war es die Erkenntnis der systemisch denkenden Biologie (vgl. Maturana/Varela 1984), dass die Entwicklung des Lebens einem Prinzip der Reproduktion folge, die man als selbstreferentielle Energie (Autopoiesis) verstehen müsste. Das Konzept der Autopoiese wurde von der sozialwissenschaftlichen Systemtheorie mit dem Argument übernommen, dass sich soziale Systeme wie lebende Systeme aus psychischen Systemkonstellationen reproduzieren, was im Fall von sozialen Systemen heißt, dass Gesellschaft, Organisationen und Interaktionen sich im Modus von Kommunikation reproduzieren (Luhmann 1986  : 174) und über diesen Weg zwischen Einheit (als System) und Unterschiedlichkeit (zur Umwelt) entscheiden. Systeme produzieren ihren eigenen Rahmen, ihre Teile und ihre Strukturen, um so den Unterschied zwischen System und Umwelt in den relevanten, zugleich einander stützenden Dimensionen von Zeit-, Sozial- und Funktionsbezug darzustellen. In Bezug auf das Kommunikationskonzept macht das Autopoiesis-Axiom klar, dass nicht Personen kommunizieren, sondern Kommunikationen kommunizieren, nicht Individuen, sondern Gesellschaften. In diesem Sinne produziert Kommunikation Kommunikation, Kompetenz Kompetenz, Gesellschaft Gesellschaft wie Kultur Kultur (Luhmann 1997  : 190). Oder anders herum  : Kommunikation hat kein anderes Protokoll (Beschreibungsmodell) als das der Kommunikation und Gesellschaft kein anderes als das der Gesellschaft, Kompetenz kein anderes als das der Kompetenz wie Kultur kein anderes als das von Kultur. Will man über Kommunikation, Kompetenz, Gesellschaft oder Kultur eine Aussage machen, dann braucht man ein Aussagemodell von Kompetenz, ein Beschreibungsmodell von Kommunikation, von Gesellschaft oder von Kultur. Genau darin reproduzieren (generierten) sich die so angesprochenen Zusammenhänge. Das Autopoiesis-Motiv, so ausgelegt, profiliert einmal mehr das Bildungsprogramm einer Gesellschaft oder eines Menschen als nachhaltiges Programm kultureller Selbststeuerung, wenn (und weil) es prinzipiell gesellschaftlich, das heißt selbstreflexiv und kommunikativ angelegt ist. –  169 –

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Das Kompetenz-Theorem

Das Kompetenz- Thema spielt in der philosophischen, anthropologischen, psychologischen und pädagogischen Beschreibung des Menschen, wie zuvor schon beschrieben, immer schon eine zentrale Rolle. Der Begriff ist im Grunde normativ besetzt, er drückt einen Sollens- bzw. Wollens-Status aus und unterstellt, dass der Mensch und dessen Existenz gar nicht anders zu verstehen sei, denn im Hinblick auf die Unterstellung, dass er sich selbst verantwortlich, für sich selbst zuständig und in diesem Sinne aus sich selbst fähig sei, dem (seinem) Leben Sinn zu geben durch das, was er tut und wie der deutet, was er beobachtet und tut. Das Kompetenz-Konzept versteht sich als Theorem der Entwicklung, die ja nicht einfach als Prozess ins Ungewisse aufgefasst wird, sondern als Vorgang einer laufenden Entfaltung intrinsischer Ressourcen im Interesse konsequenter Realisierung eines teleologisch gemeinten oder so ausgelegten Selbst. Im Fokus des Kompetenz-Konzepts treffen sich unterschiedliche Disziplinen an einem gemeinsamen Punkt der Ratlosigkeit, an dem sie aufgerufen sind ihre eigenen Kompetenzanspruch wechselseitig zur Disposition zu stellen. Bildung ist im Hinblick darauf das Programm sich dieser Forderung laufend zu stellen und damit umzugehen zu lernen, dass jedwede Interpretation des Lebens erst dann Wissenswert hat, wenn sie durch eine mögliche andere hinreichend kritisch gefordert wurde. Das Habitus-Konzept

Die kritische Überlegung, dass Bildung mehr ist als vermeintlicher kognitiver Besitz, mehr als die simple Akkumulation oder Addition von Wissen und in jedem Falle etwas anderes als nur ein Status-Merkmal, setzt sich in Verbindung mit dem intensivierten sozialen Wandel, der moralischen Krise der Hierarchien und Eliten und mit der Zunahme der Mediatisierung von Wissensaustausch und der Wissensvernetzung durch. Die unverbrüchliche Verbindung zwischen Wissen und Lebenshaltung wird zunehmend eingefordert, nicht nur bei Personen, sondern auch bei Unternehmungen, Institutionen und Organisationen. Diese alltagsethische Erkenntnis ruft auf der wissenschaftlichen Ebene auch zunehmend die kritische Reflexion der Kultursoziologie auf den Plan. Geisteswissenschaftliche und anthropologische Gedankenmodelle brauchen die Ergänzung aus der kritischen Sozialbeobachtung, um eine bahnbrechende Richtung im Bildungsdiskurs einzuschlagen  : Bildung ist kein privates Privileg von und für Eliten, sondern ein gesellschaftliches Gut, das sich unter den Bedingungen gesellschaftlicher Verteilung und Beteiligung zu dem entwi–  170 –

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ckelt, was es ist  : die kulturelle Ressource der Konstitution von Gesellschaft. Ihr gesellschaftlich-performatives Profil ist das des Habitus (Bourdieu 1974), verstanden als ein Setting von kulturell programmierten, der persönlich-identen Lebenshaltung zugeordneten Grundmustern von Haltungen (Einstellungen, Ausrichtungen, Aspirationen), die über sozial assimilierte und einander zugespielte Vergewisserungen ein gesellschaftlich archiviertes Verhaltensrepertoire (kulturelles Gedächtnis) ermöglichen, durch das sozial programmierte Verhältnisse der kulturellen Ausrichtung wie kulturell programmierte Verhältnisse der Aufmerksamkeit entstehen, die die Chancen der sachlich, kulturell und sozial zunehmend vernünftigen, daher gültigen und verbindlichen Bestimmungen einer im Grunde unbestimmten Welt (Konstruktion von Wirklichkeit) erhöhen und erweitern und so den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse durch reflexionsgestützte Haltungen und gesellschaftlich gestützte persönlich-idente Verhaltensweisen mobilisieren. Die Struktur eines solchen Settings kann man sich vorstellen wie das grammatikalische Setting von Sprache (vgl. Bernstein 1964) als Baukastenordnung, mittels derer, wenn man sie zu nutzen versteht und gelernt hat, man sich die Möglichkeit eröffnet, die Sprachperformanz (in diesem Fall  : kulturelle Performanz der alltäglichen Lebensgestaltung) um weitere „grammatikalisch richtige“ und dennoch inhaltlich neue Sätze der Sprache bzw. neue Setzungen des kulturellen Verhaltens zur Bewältigung bisher nicht gestellter Situationen auszuformen und zu entwickeln. Habitus ist also – im relativen Unterschied zum Kompetenzmodell – ein generatives Modell von Bildung, das, stärker als das Kompetenzmodell, die gesellschaftliche Kontextualität von Bildung einmahnt  : sowohl im Sinne ihrer Bedingung wie auch im Sinne ihre Verwertung (gesellschaftliches Szenario), wogegen das Kompetenzmodell stärker an den Möglichkeiten des Individuums für dessen Überleben unter den Bedingungen einer sich wandelnden Gesellschaft (individuelles Szenario) interessiert ist. Die Kompetenz zu einem habituellen Setting zwischen Einsicht, sozialer Vernunft, individueller Performanz und Selbstrealisierung der Gesellschaft als Kategorie der persönlich-identen Lebensgestaltung, so versteht es das Konzept Bourdieus, sei jedem unterstellbar, der Grad der Elaboriertheit (Variationenreichtum) der kulturellen Performanz aber hänge ab von dem „Bildungskapital“, das einem aufgrund von Herkunft, Schichtzugehörigkeit und Lernprozessen zugeteilt, ermöglicht oder zugemutet würde (vgl. Bernstein 1964, Baacke 1980). Die theoretische und inspirative Nähe des Habitus-Konzepts zu weiteren Beschreibungskonzepten Bourdieus, wie „soziales“ bzw. „kulturelles Kapital“, die in Verbindung mit seiner „Feldtheorie“ und seiner „Akteurstheorie“ entstanden sind, ist selbstverständlich und muss in diesem Rahmen nicht weiter erörtert werden (vgl. Bourdieu 1992, 1997a). –  171 –

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Das Intelligenz- Theorem

Die kognitionspsychologische und eindimensionale Bestimmung von Intelligenz (angeboren und unter spezifischen Bedingungen der Sozialisation weiterentwickelt oder verkümmert) ist längst obsolet, auch wenn Einstellungstests für Bildungsprogramme oder für berufliche Positionen immer noch darauf abstellen. Auch die Nebeneinanderstellung von kognitiver, sozialer und/oder emotionaler Intelligenz ist für sich selbst nicht herausragend intelligent. Da es sich bei Intelligenz ja wie bei all den anderen Konzepten, die schon beigesteuert wurden, nicht um die Feststellung einer objektiven und für alle gleich wahrzunehmenden Eigenschaft handelt, sondern vielmehr um ein Konzept der Beobachtung, ein Wissensmodell, kein Beweismodell, das – gesellschaftlich verhandelt und wissenschaftlich eingeordnet – wie ein Code gebraucht wird, um sich über Wertungen und Deutungen zu den Lebenschancen und Lebensherausforderungen begrifflich einigen zu können, macht es Sinn, das Wissen um die Kontextualität der Beobachtung (des Beobachters, der Beobachtung wie des Beobachteten) in Rechnung zu stellen und dem folgend Intelligenz als integrative Merkmalsbeschreibung von Individuen, Organismen oder Organisationen zu verstehen, also als Merkmal für den Zusammenschluss von Wissen, Einstellung, Wahrnehmung und Haltung, entwickelt (gelernt, geübt) und variabel gebraucht in jeweils spezifischen Lebensweltzusammenhängen. Es ist, ähnlich dem Kompetenz-Theorem, ein Konzept, das dem Menschen die Chance zuschreibt Souverän seiner Situation zu sein. Es arbeitet mit der Analogie, dass man in aufrechtem Stehen (der aufrechte Gang als hominine Grundhaltung) mehr versteht, besser versteht, mehr Übersicht, weiter reichende Aussicht und bessere Einsicht und am Ende mehr Chance auf Beute hat. Zu dieser anthropologisch-evolutionstheoretisch gelagerten Metaphorik gesellt sich aber auch ein kulturtheoretisch gedachtes Programm, das annimmt, dass die individuelle Lebensgestaltung und Lebenshaltung zunehmend gesellschaftlich eingebunden wurde bzw. werden musste und der Vergesellschaftungsprozess selbst mit der zunehmenden Herausforderung der Unterscheidung (Differenzierung) von Welt zu tun hat (vgl. Luhmann 1987). Alles, was wahrnehmbare Welt ist, ist durch Konstruktion gestützte Deutung und als so verinnerlichte (erinnerte, insinuierte) Welt zugleich Umwelt  : als Natur, als Kultur, als Gesellschaft (Gemeinschaft) oder als Symbolik. In diesem Szenario der konstru­ierten (konstruktiven) Gegenüberstellung von Mensch (Individuum) und Umwelt (gedachter, beobachteter und ausverhandelter Lebensraum) drängt es sich auf Kategorien zu benennen, die die Vermutung (Unterstellung) eines Verhältnisses zwischen Individuum und Umwelt qualitativ beschreiben –  172 –

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können  : Kommunikation, Bildung, Kultur und hinter diesen  : Sprache, Kompetenz, Habitus, Intelligenz sind neben möglichen anderen Konzepte, die die Vorstellung solcher Beziehungen umschreiben. In eben diesem Sinne ist auch Intelligenz eine Verhältnisbeschreibung, sie beschreibt die Beziehung von Menschen zu (ihrer) Umwelt (zugleich Innenwelt) als Leistung habitueller Aufmerksamkeit, zugleich ist sie ein wissenschaftliches Konzept, das Reichweiten der (moralischen) Intelligenz angibt (vgl. Piaget 1973). Auf der Basis seiner Studien zur Entwicklung der Intelligenz beim Kinde (Piaget 1973), im Einklang mit der Perspektive des kognitiven Konstruktivismus und im Zusammenhang mit dem von ihm vorgeschlagenen Stufenmodell der kognitiven Entwicklung im Kindesalter konstruiert Jean Piaget ein dialektisches Intelligenzmodell (Piaget/Inhelder 1969), das mit dem Kompetenzmodell weitgehend kompatibel ist, weil es weniger an Sprache oder (Erziehungs-)Einfluss gebunden ist, sondern sich vielmehr auf Kompetenzkomponenten wie Beobachtung und Aufmerksamkeit konzentriert. Am Ende ist Intelligenz die im Laufe des frühen Lebens auf der Basis der Verwertung von Erfahrung entwickelte Balance zweier unterschiedlich gerichteter Anpassungsprozesse in der Deutung des Verhältnisses einer Person seiner Umwelt gegenüber. Zu den Schlüsselkonzepten in Piagets Intelligenz-Theorie, die allesamt ein sozial- und an der Umwelt ausgerichtetes Intelligenzmodell intendieren, gehören Anpassung als Haltung aktiver und in die Umwelt (Innenwelt) eingreifender Beobachtung (Akkommodation) sowie Anpassung als kognitiv-passive Haltung, die sich an die Gegebenheiten bzw. die Dominanz der (natürlich, sozial, kulturell, symbolisch erlebten) Umwelt angleicht (Assimilation). In diesem Spannungsfeld wäre Intelligenz die kognitive, habituelle und moralische Fähigkeit, die Balance zwischen Akkommodation und Assimilation zu schaffen, was im Grunde heißt  : den Bewegungsspielraum (Lebensraum) zwischen Affirmation (Conservation) und Veränderung (Decentration) flexibel auszuschöpfen. Diskurslogik

Alles, was einen gesellschaftlichen und thematisch zentrierten Zusammenhang ausmacht, kann man, weil es sich ja immer um Gesprächszusammenhänge oder im Gespräch dargestellte, konstituierte und konstruierte Zusammenhänge handelt, Diskurs nennen. Greift man zurück auf das schon besprochene Aneignungsmodell (im Sinne von Mimetik), dann macht dieses noch einmal deutlich, dass jede Gesprächsbeteiligung nicht einfach nur über den Weg der Nutzung von sprachlichen Strukturen (Syntaktik, Semantik, Pragmatik – vgl. Saussure 1974) geschieht, sondern immer als soziale Praxis, –  173 –

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also als (affirmativ oder emanzipatorisch) eingefühlte Nachahmung und Individualisierung der sozial-kontextuellen Gestik. Die „Ordnung der Diskurse“ (Foucault 1974) entspricht also den sozial-strukturellen Gegebenheiten, die Foucault als in der Regel hierarchisch geordnet beschreibt. Diskurse sind in dieser Interpretation Gesprächszusammenhänge, die quer über die diversen Gelegenheiten von Ort, Zeit, Medien und gewollter, gesollter oder zufälliger Beteiligung zu einem abgrenzbaren Themenkomplex stattfinden und, weil es ihnen ja um die Bestimmung und Rationalisierung von Wahrheit und darin um Geltungsansprüche geht (Habermas 1981), an Strukturen sozialer Ordnung (Macht) gebunden sind (Foucault 1974), daher auch in der Regel der Begründung und Verteidigung von Chancen (Jäger 2004) dienen, daher um Legitimation und Recht mithilfe rhetorischer Strategiemuster (Wodak 1989) wetteifern und sich in diversen sozialen Ritualen verstricken, in denen es weniger um die Entdeckung als mehr um die Durchsetzung (Wiederholung und Verbreitung) von Erkenntnis (Flusser 1998  : 13) geht. Jedem Diskurs liegt also eine gewisse (soziale, rationale, kognitive, pragmatische) Rationalität zugrunde, wie der mehr oder minder ausgeprägten Komplexität eines Thema und dessen Differenzpotenzial auf möglichst breiter Ebene der Beteiligung beizukommen wäre. Das Rationalitätsmotiv verlangt in der Praxis eine sozial kontextualisierte Geste zur Unterstützung und Durchsetzung von Aussagen, Meinungen oder Deutungen (Macht, Position auf der Basis von Funktion, Autorität oder Wissen), um beteiligte Probleme wie z. B. Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Verlässlichkeit zu bewerkstelligen. Die Logik des Diskurses, folgt man Flusser (1998  : 13) ist nicht dialektisch, sondern assoziativ und affirmativ  : Wissen in möglichst gleicher Verteilung auf möglichst alle Betroffenen, um sie so als Beteiligte sowohl dem Wissensinhalt gegenüber wie als am Wissen Beteiligte zueinander zu verpflichten und zu verantworten. Während die Kategorie des Dialogs die soziale Perspektive der Vergemeinschaftung von Unterschied, die Momente von Differenzierung und Überraschung als Kommunikationswert betont, stellt die Kategorie des Diskurses stärker die soziative Perspektive von Kommunikation in den Vordergrund  : die Momente von Ordnung und Reihung als Kommunikationswerte der Organisation von Gesellschaft. Das führt – je nach Interesse oder Anspruch von Autorität und Durchsetzung – zu verschieden ausgestalteten bzw. ausgestaltbaren Sozialformen des Diskurses (vgl. Flusser 1998  : 14ff ), die aber allesamt der Durchsetzung von Ordnung gegenüber bzw. im Umgang mit Beliebigkeit, Situativität, Spontaneität, Überraschung und Widerspruch geschuldet sind. Es liegt daher nahe, das in einer organisierten Gesellschaft da und dort eingeübte und ritualisierte Konsensmodell (z. B. in der Demo–  174 –

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kratie als Mehrheitsmodell) der Logik des Diskurses zuzuschreiben. Ähnliches gilt für die gesellschaftliche Bildungsorganisation, vor allem dort, wo sie als Unterricht (Schule, Schulung) aufgestellt ist. In dem hier versuchten Blick auf Bildung als generative Kategorie des gesellschaftlichen Wandels und im Rückblick auf das Habitus-Konzept von Bildung als integratives Modell der wechselseitigen Mobilisierung von Wissen und Bewusstsein stellt sich die Frage nach dem dialogisch-dialektischen Spielraum in institutionell gestalteten Bildungszusammenhängen. Wenn, was ja schon laufend betont wurde, Medienbildung ihres unmittelbaren Bezuges zu Kommunikation, Kultur und Gesellschaft wegen als das Musterbeispiel offenen Lernens für eine offene Gesellschaft und als das Motiv für das reale Szenario einer zivilen Gesellschaft (vgl. Bauer 2012) gelten möchte, dann bleibt da noch einiges zu tun in Theorie und Praxis gesellschaftlicher Bildung. Die Rationalität des Diskurses ist gesellschaftspolitisch, demokratiepolitisch und bildungspolitisch begründbar (Chancengleichheit), die Vernünftigkeit des Dialogs ist gerade wegen dessen Umständlichkeit (mehr Zeit, mehr Optionen, mehr Aporie) die notwendige Unterbrechung von Routinen der Durchsetzung diskursiver Ordnung. Alte Theorien – neue Welten Man fragt sich zu Recht, warum, wenn denn die Welt ohne „die Medien gar nicht mehr vorstellbar“ wäre, es der Medienpädagogik bis heute nicht gelungen ist, sich wissenschaftlich wie bildungspraktisch besser aufzustellen. Jetzt, da die für den medienpädagogischen Argumentationszusammenhang relevanten Theorien (Kommunikation, Medien, Kultur, Gesellschaft, Bildung) sowohl wissenschaftstheoretisch wie sachtheoretisch viel offener, iterativer, kontextueller und auch vorläufiger (viel interpretativer) angelegt sind als zu Zeiten des Aufkommens der klassischen Massenmedien und jetzt, da sich die Medienwelt vielfältiger, komplexer, vernetzter und über ihre eigenen Strukturen hinausweisend darstellt, ist es klarer denn je, dass „die Medienpädagogik“ (eben als  : Medien-Pädagogik bzw. als Pädagogik mit einer (so) funktional gedachten ObjektReferenz) von Anfang an unter ihrer strukturellen Theorieschwäche gelitten hat, vor allem aber darunter, dass die Theoriekomplexe, mit deren Logik sie sich zu legitimieren versuchte, sich aus den ihnen (der Pädagogik und den Medien) unterstellten ordnungskulturellen Leistungserwartungen argumentieren und nur zentriert auf das Mediensystem bzw. Pädagogikinstitutionen ausgelegt waren, so als ginge es um die Affirmation der Medien und ihr Funktionsprofil im Kontext von Pädagogik bzw. um die Affirmation der Pädagogik und ihr Kompetenzprofil im Kontext von Medienkommunikation, überdies jeweils für –  175 –

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kratie als Mehrheitsmodell) der Logik des Diskurses zuzuschreiben. Ähnliches gilt für die gesellschaftliche Bildungsorganisation, vor allem dort, wo sie als Unterricht (Schule, Schulung) aufgestellt ist. In dem hier versuchten Blick auf Bildung als generative Kategorie des gesellschaftlichen Wandels und im Rückblick auf das Habitus-Konzept von Bildung als integratives Modell der wechselseitigen Mobilisierung von Wissen und Bewusstsein stellt sich die Frage nach dem dialogisch-dialektischen Spielraum in institutionell gestalteten Bildungszusammenhängen. Wenn, was ja schon laufend betont wurde, Medienbildung ihres unmittelbaren Bezuges zu Kommunikation, Kultur und Gesellschaft wegen als das Musterbeispiel offenen Lernens für eine offene Gesellschaft und als das Motiv für das reale Szenario einer zivilen Gesellschaft (vgl. Bauer 2012) gelten möchte, dann bleibt da noch einiges zu tun in Theorie und Praxis gesellschaftlicher Bildung. Die Rationalität des Diskurses ist gesellschaftspolitisch, demokratiepolitisch und bildungspolitisch begründbar (Chancengleichheit), die Vernünftigkeit des Dialogs ist gerade wegen dessen Umständlichkeit (mehr Zeit, mehr Optionen, mehr Aporie) die notwendige Unterbrechung von Routinen der Durchsetzung diskursiver Ordnung. Alte Theorien – neue Welten Man fragt sich zu Recht, warum, wenn denn die Welt ohne „die Medien gar nicht mehr vorstellbar“ wäre, es der Medienpädagogik bis heute nicht gelungen ist, sich wissenschaftlich wie bildungspraktisch besser aufzustellen. Jetzt, da die für den medienpädagogischen Argumentationszusammenhang relevanten Theorien (Kommunikation, Medien, Kultur, Gesellschaft, Bildung) sowohl wissenschaftstheoretisch wie sachtheoretisch viel offener, iterativer, kontextueller und auch vorläufiger (viel interpretativer) angelegt sind als zu Zeiten des Aufkommens der klassischen Massenmedien und jetzt, da sich die Medienwelt vielfältiger, komplexer, vernetzter und über ihre eigenen Strukturen hinausweisend darstellt, ist es klarer denn je, dass „die Medienpädagogik“ (eben als  : Medien-Pädagogik bzw. als Pädagogik mit einer (so) funktional gedachten ObjektReferenz) von Anfang an unter ihrer strukturellen Theorieschwäche gelitten hat, vor allem aber darunter, dass die Theoriekomplexe, mit deren Logik sie sich zu legitimieren versuchte, sich aus den ihnen (der Pädagogik und den Medien) unterstellten ordnungskulturellen Leistungserwartungen argumentieren und nur zentriert auf das Mediensystem bzw. Pädagogikinstitutionen ausgelegt waren, so als ginge es um die Affirmation der Medien und ihr Funktionsprofil im Kontext von Pädagogik bzw. um die Affirmation der Pädagogik und ihr Kompetenzprofil im Kontext von Medienkommunikation, überdies jeweils für –  175 –

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sich und füreinander in Einzeleinheiten mit einer ihnen je eigenen Ontologie gedacht. Was im Falle von Medienökonomie (auch nur) vielleicht noch geht – die Funktionskompetenz der Ökonomie im Kontext von Medien und das Funktionsprofil von Medien im Kontext von Ökonomie – muss in einem nicht (so) rechenbaren Ambiente der Verhältnisbestimmung in Enttäuschung enden. Jetzt langsam wird erkennbar, dass Medien und Pädagogik, nun doch besser und deutlicher als Medialität und Bildung, mehr gemeinsam haben als sie trennt oder sie gar zu Rivalen machen müsste. Die Verhältnisbestimmung von Medien und Pädagogik verlief sich in absurden Kompetenz-Trennmustern (z. B. Bewahrungspädagogik), vor allem (auch) wegen der jeweils in beiden Bereichen funktionstheoretischen, wenn nicht überhaupt funktionalistischen Selbstbegründung. Das musste in jeweils wechselseitig getauschten beleidigenden Klischees enden (vgl. Postman 1996, 1999). Wenn man wahrnimmt, dass beide Welten, die der Bildung und die der Medien sich aus kulturellen Programmen erklären, dann kann die Verhältnisbestimmung von Medien und Pädagogik, besser von Medialität und Bildung, nur in Konzepten der kulturellen Deutung bzw. im Kontext der wissenschaftlichen Analyse  : der kulturtheoretischen Interpretation des sozialen Wandels (und zwar als Wille, nicht als Schicksal) vorgenommen werden. Das geht eben nur, wenn man voraussetzt, dass sowohl Medien wie Pädagogik bzw. Medialität und Bildung selbst keine in sich geschlossenen Funktionsgrößen sind, sondern jeweils nur Schablonen der Beschreibung von Ordnungsbildern für an sich ordnungsbeliebige Zusammenhänge der Beobachtung und des Handelns, deren gesellschaftliche Deutung sich – überdies – auf eine ihnen gemeinsame translogische Sinnmatrize beruft  : Kommunikation. Versteht man Kommunikation als strukturelle wie kulturelle Kompetenzressource von Individuation und Sozialisation, dann versteht man, warum Medien und Pädagogik zwei (systemisch organisierte) Seiten ein und derselben Medaille sind, was aber erst recht verdeutlicht, wie theoretisch unsinnig eine funktionale (selbst wenn komplementär gedachte) Konkurrenz der ihnen zugedachten Funktionalitätsprofile ist. Eingebettet in ein kulturelles Programm sind Medien (hier generell gedacht als Quellen von Erfahrung und Wissen) immer schon Agenturen des sozialen wie individuellen Lernens wie Pädagogik (hier generell als gesellschaftliche Institution der intentionalen Vermittlung von Erfahrung und Wissen) immer schon ein Dispositiv der gesellschaftlichen Vernetzung von Wissensdiskursen samt der ihnen zugedachten sozialen (hierarchischen) Ordnung (vgl. Foucault 1974) ist. Erst im Rahmen einer, wie oben schon beschrieben, kulturalistisch und medientheoretisch fundamental (Medium, Medialität) ausgelegten kommunikationstheoretischen Fassung des Verhältnisses von Medien und Pädagogik –  176 –

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wurde deutlich, dass es theoretisch schlichtweg unzureichend ist, „die Medien“ und „das Individuum“ als die Problematisierungsgegenstände der „Medienpädagogik“ zu identifizieren. Es geht nicht um Medien, sondern um den Medialitätsmodus der Lebenswelten, es geht auch nicht um Pädagogik, sondern um mehr  : um die Bildungsperspektive einer im Modus von Medialität sich organisierenden Gesellschaft. In diesem Sinne hat Medienbildung keinen abgegrenzten oder abgrenzbaren Problemgegenstand („die Medien“), sondern arbeitet mit Problemperspektiven. Diese sind die Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen für eine Gesellschaft, die sich des intrinsischen Motivs ihrer kommunikativen Kompetenz bewusst ist und ein entsprechendes Medialitätsprogramm verfolgt  : gesellschaftliche Kompetenzbildung im Hinblick auf Medienmuster und Medienordnung ihrer Kommunikation bzw. im Wissen um die Risiken für sich selbst, wenn dieses konstitutive Motiv außer Acht liegt oder außer Acht gerät. Die diskursiven Ordnungsmuster der öffentlich-institutionell wie privatwirtschaftlich organisierten gesellschaftlichen Kommunikation im Struktur- und Kulturkontext der klassischen distributiven Massenmediensysteme werden im Zuge des umfassenden Medienwandels von einer industrielogisch, institutionenlogisch und technologisch gestützten klientelistischen Hierarchie zu sozialen, horizontalen, heterarchischen, temporär-assoziativen, flexiblen und mobilen Netzwerken des vergleichsweise viel mehr individual-dialogisch, zugleich aber auch merklich konversationell ausgerichteten Austausches von Erfahrung, Beobachtung und Zuordnung nicht nur strukturell, sondern vor allem kulturell in Frage gestellt. Die Grenzen der Leistung sind erreicht und werden sichtbar  : quantitativ und qualitativ. Mitbetroffen sind Trabanten wie Politik, Wirtschaft, Bildung und die diversen institutionellen Konventionen des Alltagslebens  : Religion, Familie, Gemeinschaften. Die Gesellschaft entdeckt sich in neuen Kommunikationsübungen – ein Projekt, das das kulturelle Profil der Soziabilität betrifft. Nach der Industriegesellschaft (vgl. Bell 1976) ist es vor allem die oft mystifizierte Mediengesellschaft, nach der Leistungsgesellschaft ist es vor allem die dem Mythos zugewandte Erlebnisgesellschaft (vgl. Schulze 2005), nach der Institutionengesellschaft ist es die mit politischem Mythos aufgeladene Zivilgesellschaft und nach der Gesellschaft der Moderne ist es die als Mythos selbst inszenierte Gesellschaft der Postmoderne (vgl. Sandbothe 2003  : 258), die alle jeweils auf eine ihnen typische Weise das autopoietische und energetische Potenzial der Kommunikation nutzen, um sich durch sie als jeweils neue Gesellschaft zu profilieren. Der Medienwandel ist, in die Tiefe betrachtet, ein zutiefst gesellschaftliches Phänomen, insofern sich darin die Umstellung des Selbstverständnisses der Gesellschaft abzeichnet, die ja nichts anderes ist als –  177 –

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das Universalprogramm einer im Modus von Medialität realisierten sozialen Praxis. Ändert sich die Sinnmatrize von Soziabilität (Unter welchen Bedingungen macht es Sinn eine Gesellschaft zu sein  ?), dann ändert sich ihr Medialitätscharakter und umgekehrt. Das eine kommt nicht nach dem anderen, sondern das eine interpretiert das andere. In diesem Ambiente des kommunikativen und medialen Wandels entdeckt man im Kontext wissenschaftlicher und bildungspolitischer Diskurse, wenn auch langsam, so doch zunehmend bewusster, dass, weil das Spiel der Gesellschaft im Spiegel ihrer Kommunikation entschieden wird, die Gesellschaft erst dort den Mythos in reale Selbsterzählung zu wandeln in der Lage ist, wo die Kompetenz (Fähigkeit, Zuständigkeit, Verantwortung) der Kommunikation allen Spielern – und nicht nur einigen durch Vorsprung privilegierten Rollenträgern – zugemutet, zugetraut und unterstellt wird. Wenn man versteht, dass die Gesellschaft nichts anderes ist als die strukturelle Darstellung ihrer Kommunikationskultur, dann ist sie auch als das soziale Ordnungsmuster ihrer Vertrauenskultur zu verstehen, die sich ihrerseits allerdings auf nichts anders verlassen kann als auf die unabdingbare wechselseitige Unterstellung von Kompetenz. Dieses Kompetenzmotiv hat die industriell und institutionell gefertigte Ordnung der Massenmedienkommunikation einseitig für den Produktionsmechanismus beansprucht. Das nun aufbrechende, wenn auch noch weithin offene Ordnungsmodell der Medien-Massenkommunikation verlangt nicht nur die Deinstitutionalisierung des Kompetenzbegriffs (z. B. Auflösung und Umstellung der Rollenmodelle zwischen Journalismus und Publikum), sondern natürlich auch die Umstellung der mit den Ordnungsmodellen und deren Kompetenzverteilungsmechanismen jeweils verbundenen Charakteristiken von Ästhetik und Ethik. Nicht erst im Rahmen dieser Wandlungsprozesse – obgleich diese den Umdenkprozess beschleunigen – sondern generell mit Blick auf das Medialitätsmotiv als das kommunikative Muster gesellschaftlicher Selbstorganisation – sollte deutlich geworden sein  : Eine Gesellschaft, die sich selbst vertraut, versteht sich im Modell symbolisch verteilter und generierter Partizipation und verteilt daher den Kompetenzkomplex der Krisenanfälligkeit wegen im Modell einer balancierten Kooperation auf alle Spieler, sodass Betroffene beteiligt und Beteiligte betroffen werden. Ein stärkeres Argument für ein längst notwendiges und überfälliges Engagement der Bildungspolitik für Medienbildung gibt es nicht. Dabei geht es nicht (mehr nur) um eine Nachreichung von medienpädagogisch aufbereitetem Wissen oder Bewusstsein im auf Massenmedienkommunikation ausgelegten Kompetenzlernmodell von Dieter Baacke (1999)  : Medienkunde, Medienanalyse, Medienkritik, Mediengestaltung (vgl. Baacke 1997, 2004, Bauer 1980). Vielmehr geht –  178 –

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es mittlerweile um den längst fälligen Nachvollzug der Transformation der Medien, der Umstellung der Mediate und generell der Transition der Mediengesellschaft im Kontext des theoretischen und praktischen Bildungsdiskurses von der Medienpädagogik zu einem Bildungsmodell für eine sich im Muster der Medialität verständigenden offenen Gesellschaft. Die Forderung, mit einer Theorie und Praxis des sozialen (emanzipatorischen) Mediengebrauchs die affirmative Theorie und Praxis des sozialisierten Mediengebrauchs (vgl. Band I Bauer 1980  : 132ff ) still zu legen, gibt es schon lange und sie gilt nicht erst seit dem Entstehen des social media movements. Sie wurde allerdings von der realen Entwicklung des Mediengebrauchs eingeholt. Bis dato konnte die Medienpädagogik in den wissenschaftlichen Institutionen von Pädagogik und Kommunikationswissenschaft nur marginal Fuß fassen. Die Dominanz der auf die Professionalisierung der Produktionspositionen gerichteten Studienprogramme entspricht der Rationalität der Verhältnisse der gegebenen Medienordnung, in der Kommunikation als Vertrauensleistung der Medien und deren Akteure, nicht aber als Partizipationsleistung des Publikums verstanden wird. Demzufolge wird immer noch viel mehr über journalistische Qualität debattiert als über die Verstehenskompetenz des Publikums. Die Konzepte zu Medienqualität sind zu produktions- bzw. produzentenlastig, erfassen nicht das Phänomen der sozialen Praxis der Medienkommunikation und sind überdies im Hinblick auf Kulturbegriffe wie Kommunikation und Medien oder Sozialbegriffe wie Gesellschaft und Gemeinschaft theorie-theoretisch weder ausgereift noch ausbalanciert (vgl. Bauer 2012). Das akademische Schicksal der Medienpädagogik war und ist aufgrund dieser generellen Ausrichtung der Medienwissenschaft auf die Produktionsstrukturen und -funktionen strukturell vorprogrammiert  : Sie bleibt sowohl medientheoretisch wie pädagogischpraktisch schwach, sie fasst weder da noch dort richtig Fuß. Die theoretische Schwäche der Medienpädagogik ist sowohl wissenschaftstheoretisch wie sachtheoretisch hausgemacht. Wissenschaftstheoretisch, weil sie im Duktus und im Gestus einer Objektwissenschaft meinte sich Gehör verschaffen zu müssen (vgl. Weber 1997). „Der Medienwirkung“ müsse man etwas in den Weg stellen, am besten eine starke, in sich ruhende und mit sich selbst im Reinen befindliche Persönlichkeit, die „die Medien“ am besten gar nicht braucht, sondern eben nur nützt, wenn sie nützlich sind  : Kompetenz, das ideologisch anfällige Zauberwort. In diesem terminologischen Umfeld passiert Theorie als sich selbst nicht reflektierende Affirmation der Gegenüberstellung von Realwelt und Medienwelt, als Gegenüberstellung von Individuum und Gesellschaft, als Affirmation bestehender Sozialisationskonzepte, als Affirmation bestehender Medienordnung (Produktions-Konsumtions-Schema) und nicht –  179 –

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zuletzt als Affirmation bestehender Sozialordnung, in der es das Individuum ist, das sich der Gesellschaft gegenüber moralisch zu verantworten hat. Erkenntnistheoretisch gedacht ist Kommunikation die soziale Praxis und die kulturelle Instanz der Konstruktion von Realität im Sinne ihrer Deutung, (ethno-)methodologisch gedacht ist sie die Instanz der Kontextualisierung von Beobachten und Handeln, sowie das Modell der Interferenz von Kultur, Organisation, Gesellschaft und Gemeinschaft  : Für eben diese Horizonte des Denkens stehen Konstruktivismus (hier vor allem  : Schmidt 2003, 2004, 2007) und Cultural Studies (hier vor allem  : Hall 1989, 1997, Krotz 2008, Hepp 2011). Es ist diesen beiden wissenschaftstheoretisch bzw. methodologisch einschneidenden Wendungen des Denkens in den Human-, Kultur- und Sozialwissenschaften ganz allgemein (vgl. hier vor allem  : Bohnsack 1999, Carrier 2006, Kuhn 1976), in den Kommunikations- und Medienwissenschaften aber insbesondere (vgl. hier vor allem  : Meidl 2009) zu verdanken, dass sich für die Vertiefungen der wissenschaftlichen Konzeption von Medienbildung ein theoretischer Horizont auftut, in dem sich der Zusammenhang von Kommunikation, Kultur, Medien und Bildung als kontextuelles Habitat der gesellschaftlichen Vernunft erklären und als in diesem Sinne unverzichtbares Projekt für eine lernende Gesellschaft argumentieren lässt. Damit lässt „die Medienbildung“ zwei für „die Medienpädagogik“ typische Zentrierungen hinter sich  : die auf Medien und die auf das Individuum. Ähnlich den Journalismus-, Public Relations- und Marketing-Theorien der industriegesellschaftlichen und modernen Generationen war auch die Medienpädagogik nichts anderes als eine mit affirmativen Theoremen aus allen nur möglichen Wissenschaftssystemen gestützte Praxeologie, fokussiert auf kausale Modelle von Einfluss und Wirkung, fixiert auf Erfolg beweisende Analysen, ausgerichtet auf pragmatische Erkenntnisinteressen, viel mehr interessiert am Know-How einer erfolgsaffirmativen Praxis (Sozial­technologie, Unterrichtstechnologie  : Wie macht man Heran­wach­sende „medienkompetent“  ?) als an der Entwicklung reflexiver, emanzipatorischer Theorien. Selbst jene Konzepte, die im Schlepptau der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule auf die problematischen Interessen der „Bewusstseinsindustrie“ (Horkheimer/Adorno 1969a, Postman 1996) aufmerksam machen wollten, konnten sich trotz des kritischen Vokabulars nicht frei machen von der Konzentration der Analyse der Problematik einer von Medieninteressen dominierten Gesellschaft auf Medienmaschinerien, von einer allzu trivialen, eindimensionalen Konzeption von Medien und Medienökonomie, von Medienwirkung und gesellschaftlich generierter Medienkultur als Ausdruck niederwertiger Populärkultur. In diesem theoretischen Diskurs hat sich die Frankfurter Schule elitä–  180 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

rer gegeben als sie es – z. B. im gesellschaftspolitischen Diskurskontext – sein wollte, sie hat Medien struktur- und nicht kulturtheoretisch, schon gar nicht kontextuell theoretisiert. Der Forderung nach emanzipatorischem Mediengebrauch (Enzensberger 1997) hat sie kein kultur- oder sozialwissenschaftlich relevantes medientheoretisches Konzept vor- oder nachgestellt. Erst die Cultural Studies, allen voran das Centre for Contemporary Cultural Studies an der Universität Birmingham, haben nach und nach dieses Manko eingelöst und kontextuelle Schablonen der kritischen Analyse entwickelt, geformt aus der Wahrnehmung der Interferenz von Alltagskultur, Gesellschaftspolitik, Literatur, Medien, Kunst und Macht. Erst im Zusammenhang der postmodernen Vorstellung von der Möglichkeit und der Notwendigkeit der „Dekonstruktion“ (vgl. Norris 1982, Bourdieu 2005, Derrida 2003, Deleuze/Foucault 1977) von als in sich jeweils geschlossene Handlungen gedachten kulturellen Praktiken (vgl. Hall 1989, 1997) wurde es denkbar, in der theoretischen Konzeption von Medienpädagogik nicht die Medien (Strukturen), sondern den Mediengebrauch (Gebrauchskultur) in den Fokus von Theoretisierung und Analyse zu rücken (Sandbothe 2003  : 258). Mit diesem kulturtheoretischen Turn wurde und wird es auch möglich und notwendig die Komponente der Pädagogik im Begriffskontext von Medienpädagogik zu dekonstruieren (hier  : de-institutionalisieren), sie frei zu machen von deren Wirkungsperspektive und impliziten Einflussinteressen und sie im Hinblick auf ein weiter gefasstes, zugleich human- und gesellschaftstheoretisch tiefer verankertes Konzept von Kompetenz einem bildungstheoretisch ambitionierten Diskurs anzuvertrauen. Um das Motiv der selbstreferentiellen und ebenso emanzipatorisch gemeinten Reflexion der Gesellschaft im Rahmen einer sozial- und kulturtheoretischen Konzeption von Medienbildung für eine gesellschaftlich nachhaltige Praxis „der Medienpädagogik“ deutlich und glaubwürdig zu machen, muss die tendenziell affirmative Mentalität der traditionellen, technologischen Konzeption von Lernen als Akkumulation von Wissen oder Erweiterung der Funktionsspielräume einer wissenstheoretisch begründeten Rekonstruktion von Entwicklung als Modellfall von Autopoiesis Platz machen  : Wenn Gesellschaft das ist, was und wie sie über sich denkt, dann ist, erstens, eben dieser Denkvorgang zugleich das Mediativ des gesellschaftlichen Wandels, dessen Motive, zweitens, durch Meta-Reflexionen selbst Teil des gesellschaftlichen Wandels werden. Die theoretischen Traditionen der herkömmlichen Medienpädagogik referieren Positionen, die in einer Medienumwelt, die gekennzeichnet ist von Globalisierung, umfassender Mediatisierung, offener sozialer Vernetzung, niederschwelliger Technologie, kultureller Diversität und ubiquitärer Mobilität, nichts erklären und daher auch nicht ordnen helfen. Um nicht nur Ordnung –  181 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

in das soziale Leben, sondern um Leben in die Ordnung zu bringen, braucht es offene Theorien, die die Selbstverständlichkeit von Ordnung und Anordnungen in Frage stellen. Die offene Ordnung als Kommunikationsmodell einer offenen Gesellschaft bezieht ihre Paradigmata aus der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Interaktion als Display des sozialen und kulturellen Wandels. Das verlangt im Hinblick auf das bisher so geordnete Verhältnis von Pädagogik und Medien nach einem Sollbruch  : –– Die Aufgabe der Vorstellung von Medien als Apparaturen und Institutionen mit Einflusskompetenz zugunsten des Konzepts eines in den Kompetenzmotiven einer Zivilgesellschaft verankerten Programmes von Medienkommunikation und Medienbildung als intrinsisches Motiv der Konstruktion einer zivilen und sich selbst verantwortlichen Gesellschaft. –– Die Aufgabe der Ausrichtung der theoretischen wie praktischen Pädagogikkonzepte auf den individuellen Lernprozess („kritischer Medienkonsum“) zugunsten der Aufnahme eines Programmes des gesellschaftlichen Lernprozesses, der das energetische und dynamische Moment des sozialen Wandels als Konzept nützt, um damit von vorneherein ein emanzipatorisches Verständnis von Lernen und Bildung zu begründen. –– Die Aufgabe der struktur- und funktionstheoretischen Vorstellung von Medien als gesellschaftliche Apparatur zwischen Produktions- und Konsumtionsrollen, auf deren industrielle Logik (Rollenverteilung) hin sich Medienlernprozesse (Rollenübernahme) auszurichten hätten, zugunsten der Aufnahme einer kultur- und sozialtheoretisch verankerten Mediumstheorie, die den gesellschaftlichen Mediengebrauch als kulturelles Statement ihrer selbst versteht (vgl. Meyrowitz 1990b, Thomas/Krotz 2008  : 21). –– Die Umstellung von systemdienlich eingespielten Vorstellungen über Kausalverhältnisse und der ihnen folgenden Fragestellungen  : –– Die Frage ist nicht, was die Medien mit den Menschen, sondern was die Menschen mit Medien machen. –– Die Frage ist nicht, was die Medien der Gesellschaft schulden oder schuldig bleiben, sondern was sich die Gesellschaft aufgrund der ihr inhärenten Medialität selbst schuldig ist. –– Die Frage ist nicht, ob die Medien strukturell und moralisch in der Lage sind die Welt richtig, wirklich und wahr abzubilden, sondern ob die Menschen die im Kontext ihrer sozialen Praxis etablierten medialen Signaturen des Realen als Repräsentation ihrer Welt kognitiv, kulturell und moralisch wahrhaben möchten. –– Die Frage ist nicht, welche Bildungseffekte die Pädagogik erreichen kann, –  182 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

sondern was die Menschen im Vertrauen auf ihre Bildung (Kompetenz) zu erreichen sich im Stande sehen. –– Die Frage ist nicht, wie heranwachsende Individuen über einen ihnen zugemuteten Lernprozess eines, wie auch immer, vernünftigen oder kritischen Medienkonsums einen politisch, sozial, kulturell und moralisch vertretbaren Zugang zu Gesellschaft erhalten, sondern wie die Gesellschaft unter Bedacht auf ihre vertikale und horizontale Diversität sich als Kommunikationszusammenhang im Modus ihrer Medialität (Medienmuster, Medienordnungen) verständigt. Es geht um mehr als um eine rollentheoretisch begründete und so nicht in Frage gestellte Anpassung an eine Medienumwelt, die – überdies nicht selten auch als „eigengesetzlich“ respektiert – wie ein Übersystem oder ein der Gesellschaft gegenüberstehendes System analysiert wird. Was es braucht und was in der folgenden Abhandlung dargelegt werden soll, ist eine kommunikations- und medientheoretisch begründete Perspektive von Bildung als das Kompetenz-Motiv (Fähigkeit, Zuständigkeit, Verantwortung) der individuellen wie der gesellschaftlichen Balance des Verhältnisses von Eigenwelt und Umwelt. Es geht um eine Konzeption, die Bildung als Fall von Kommunikation und als Forderung von Medialität ausweist wie auch umgekehrt die Medialität von Kommunikation als unverzichtbare Instanz von Bildung im Kontext der Mediengesellschaft. Versionen der Mediengesellschaft Für unsere Gesellschaft, die sich – zugegeben  : mit gewisser Neigung zur Mythisierung – gerne als Mediengesellschaft versteht (vgl. Latzer 1997, Thomas/Krotz 2008  : 25ff ), ist typisch, dass die für ihre kulturelle Konstitution entscheidenden sozialen Interaktionen sich im Strukturkontext von Medien und Medienmustern ereignen. Das ist im Grunde nicht neu, denn alles, was eine Gesellschaft sein oder werden wollte, konstituiert sich als soziale Praxis, als in Zeichen gesetzte Verständigung, Verhandlung und Vereinbarung, über sozial strukturierte und kulturell kontrollierte Modelle der Organisation von Ressourcen, Lasten und Chancen von Interaktion und Partizipation, was gar nicht anders möglich ist als durch symbolisch designierte, kulturell konnotierte und sozial verbindliche Codes. Gesellschaften waren also immer schon medienaffin, jedenfalls nicht medienfrei, konstituierten sich immer schon in den Spuren e­ ines inhärenten Medialitätsprogramms, verstanden als kommunikativ generiertes und symbolisch kodifiziertes Kulturmuster der sozialen –  183 –

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sondern was die Menschen im Vertrauen auf ihre Bildung (Kompetenz) zu erreichen sich im Stande sehen. –– Die Frage ist nicht, wie heranwachsende Individuen über einen ihnen zugemuteten Lernprozess eines, wie auch immer, vernünftigen oder kritischen Medienkonsums einen politisch, sozial, kulturell und moralisch vertretbaren Zugang zu Gesellschaft erhalten, sondern wie die Gesellschaft unter Bedacht auf ihre vertikale und horizontale Diversität sich als Kommunikationszusammenhang im Modus ihrer Medialität (Medienmuster, Medienordnungen) verständigt. Es geht um mehr als um eine rollentheoretisch begründete und so nicht in Frage gestellte Anpassung an eine Medienumwelt, die – überdies nicht selten auch als „eigengesetzlich“ respektiert – wie ein Übersystem oder ein der Gesellschaft gegenüberstehendes System analysiert wird. Was es braucht und was in der folgenden Abhandlung dargelegt werden soll, ist eine kommunikations- und medientheoretisch begründete Perspektive von Bildung als das Kompetenz-Motiv (Fähigkeit, Zuständigkeit, Verantwortung) der individuellen wie der gesellschaftlichen Balance des Verhältnisses von Eigenwelt und Umwelt. Es geht um eine Konzeption, die Bildung als Fall von Kommunikation und als Forderung von Medialität ausweist wie auch umgekehrt die Medialität von Kommunikation als unverzichtbare Instanz von Bildung im Kontext der Mediengesellschaft. Versionen der Mediengesellschaft Für unsere Gesellschaft, die sich – zugegeben  : mit gewisser Neigung zur Mythisierung – gerne als Mediengesellschaft versteht (vgl. Latzer 1997, Thomas/Krotz 2008  : 25ff ), ist typisch, dass die für ihre kulturelle Konstitution entscheidenden sozialen Interaktionen sich im Strukturkontext von Medien und Medienmustern ereignen. Das ist im Grunde nicht neu, denn alles, was eine Gesellschaft sein oder werden wollte, konstituiert sich als soziale Praxis, als in Zeichen gesetzte Verständigung, Verhandlung und Vereinbarung, über sozial strukturierte und kulturell kontrollierte Modelle der Organisation von Ressourcen, Lasten und Chancen von Interaktion und Partizipation, was gar nicht anders möglich ist als durch symbolisch designierte, kulturell konnotierte und sozial verbindliche Codes. Gesellschaften waren also immer schon medienaffin, jedenfalls nicht medienfrei, konstituierten sich immer schon in den Spuren e­ ines inhärenten Medialitätsprogramms, verstanden als kommunikativ generiertes und symbolisch kodifiziertes Kulturmuster der sozialen –  183 –

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Praxis. Die diversen Mediensystemcharakteristiken – die der distributiven, in Produktions- und Rezeptions- bzw. noch in Professionalitätsrollen organisierten (klassischen) und ziemlich haptischen Medien und nun die vor allem dank der Digitalisierungstechnologie ubiquitären und im Netzmodell organisierten Mediensysteme und Medienprogramme sind im Grunde technologische, natürlich auch kultürliche Versionen desselben Grundmusters der sozialen Praxis, wenn auch in den avancierten Gegenwartsgesellschaften mit viel mehr Expressivität und Externalisierung aufgeladen. Vermutlich macht es Sinn, hier eher von Medienmustern (richtiger vielleicht, aber doch etwas zu weit sophistiziert  : Medialitätsmuster) zu sprechen, von denen es mindestens zwei zu unterscheiden gibt  : autochthone und immigrierte. Von den inhärenten bzw. intrinsischen Medienmustern, solchen also, die das kulturell kodifizierte soziale Setting autochthon generierter und autark gemeinter sozialer Handlungszusammenhänge ausmachen, kann man die extrinsischen, externalisierten Medienmuster unterscheiden, solche also, die in einen in sich relational (durch Beziehungen und wegen der Beziehungen) geschlossenen Handlungszusammenhang gewissermaßen von außen immigrieren (intervenieren) oder immigriert (assimiliert) werden, deren Intervention ihrer Ordnungen (z. B. Technologie, Professionalisierung, System-Schema, Ästhetik und Design) wegen entweder gesucht, gebraucht oder geduldet wird. Es lässt sich vermuten, dass je organisierter sich Gesellschaften und deren Institute managen, indem sie sich jeweils mehr Komplexität zu verarbeiten zumuten – was immer auch heißt, Brücken zwischen diversen Komplexitätsarenen zu schlagen und mehr Fremdheit zuzulassen und Andersheit zu assimilieren –, desto eher sehen sie sich gefordert, die interne Komplexität des autarken sozialen Settings bzw. der inneren Referenzialität (Wie gehen wir miteinander um  ?) zu externalisieren, das Referenz-Thema (Woran sollen wir uns orientieren  ?) einem außen liegenden Modem anzuvertrauen (zu delegieren) oder es von außen zu immigrieren (importieren). So können nun die gesellschaftlichen Basisinstitutionen wie Politik, Wirtschaft, Religion, Wissenschaft etc. nicht (mehr und, wie es scheint, immer weniger) ihre je spezifische Kommunikationskomplexität ohne äußere (immigrierte, intervenierende Medienmuster) verarbeiten. Die Folge ist, dass diese Medienmuster ihre symbolischen, ästhetischen und ethischen Standards zunehmend durchsetzen. Das immigrierte Medienmuster wird zum assimilierten Kommunikationsmuster, es wird oder beansprucht das selbst (zu) verkörpern, was und wozu es referiert  : Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion etc. Aber nicht nur organisationsintensive Institutionen, sondern auch eher lebensweltliche und intuitionsgesättigte soziale Organismen – Familie, Freundeskreise, Interessensgemeinschaften, Netzwerke etc. – unterstellen sich zunehmend –  184 –

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der standardisierten Plausibilität (Ikonisierung, Fiktionalisierung, Simulierung, Inszenierung) immigrierter Medienmuster und assimilieren ihre Welten (Konstrukte, Deutungen, Interpretationen, Optionen) der Soziabilität (Beziehung, Freundschaft, Vernetzung) mit der standardisierten Ästhetik dieser Medienmuster, mit der Zeichen- und Bilderwelt der ganz bewusst und strategisch (ökonomisch) nur als Medienwelten für dieses und für jenes und überhaupt für alles etablierten Konfigurationen. So werden Facebook und andere Netzwerke zu medialen Arenen von Freundschaft, Wikipedia zur Open-Source-Akademie von Wissen und Bildung und die Internet-Umwelt generell zum mediat und mediativ assimilierten Repräsentanten von allem, was in dieser Welt eine Rolle spielen will oder soll. Diese Medienmuster sind, wie einschlägige kulturanthropologische Studien aufzeigen (vgl. Baitello, Jr. 2007), gefräßig  : Die Welt der möglichen Konstruktionen, Visionen und Deutungen verliert sich in der Gefräßigkeit („Ikonophagie“) der medialen Bilder und Fiktionen. Die Mediengesellschaft sucht nicht (mehr) das weithin undefinierte und deutungsoffene Original, sondern die Einordnung des Originals (der Bilder, der Freundschaft, des Wissens, des Glaubens etc.) in die ästhetischen Frames der medialen Sozial- und Kulturmuster, schlüssig und vergleichbar gemacht, weil standardisiert durch multiplizierbare, wiederholbare, kopierbare, jederzeit und für jeden Fall gebrauchsfertige und in ihren Variationen überschaubare Figurationen der Ikonisierung, der Simulierung, der Inszenierung, Anbiederung zum Verbrauch (Vernichtung) von Kultur. Das ist die eine, die kulturkritische Version der Deutung von Mediengesellschaft (vgl. Flusser 1998  : 314ff, Postman 1996). Eine andere, dem Konzept des sozio-kulturellen Wandels anvertraute Interpretation setzt bei dem oben schon formulierten konstruktionstheoretischen Modell von Kommunikation bzw. Medien an (vgl. Bauer 2003, Göttlich 2006)  : Wenn man unterstellen kann, dass Medien mit Kommunikation so viel zu tun haben, wie man annimmt, dass Medialität ein dem sozialen Modell von Kommunikation inhärentes und intrinsisches Kulturmuster ist, das es auch bleibt, selbst wenn es sich mit expressiven, immigrierten Mustern der Medialität assimiliert, dann kann man auch annehmen, dass die expressiven (ikonisierten, simulierten, inszenierten) medial plausibilisierten Deutungen von Institutionen (Politik, Wissen, Wirtschaft, Religion etc.) wie auch die durch mediale Ästhetik neuen, anderen, vielleicht einfacheren, weil dem Wunsch nach Wiederholbarkeit, Vergleichbarkeit, Kopie oder Gebrauchsfertigkeit geschuldeten Medienmuster, standardisierte und so habitualisierte Sinnmatrizen für gesellschaftlich konstituierte Formen des sozialen Lebens sind. Es handelt sich also um konzeptuelle Versionen des sozialen Wandels (zugleich indiziert –  185 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

als kultureller Wandel und als Medienwandel) in der (ohnedies immer nur kommunikativ möglichen) Konstruktion von Welt, von Wirklichkeit und von Sinn. Wenn Kommunikation, anthropologisch rationalisiert, das Kulturmuster ist, in dem die Gesellschaft wie das Individuum den sinn-offenen und für sich und aus sich selbst ordnungsfreien Erfahrungen (z. B. von Soziabilität, Identität, sozialer Aufmerksamkeit, Zugehörigkeit, etc.) einen Ordnungsrahmen (zeichengeladene Bestimmungen) zuweist, dann sind die medial plausibilisierten Muster (von Freundschaft, Familie, Politik, Wissen, Religion etc.) eben neue Versionen aus dem Gestus und aus der Kompetenz der Konstruktion von der Wirklichkeit der Freundschaft, der Familie, der Politik, des Wissens, der Religion etc. In diesem Sinne sind solche neue Versionen viable Muster der Wirklichkeit, die den Menschen und seine Gesellschaft vor nicht geringere und nicht größere (strukturelle, kulturelle, ästhetische und ethische) Probleme stellen als die bisher und bislang gültigen Versionen. Denn es gilt nicht, ob sie wahr oder falsch sind, sondern warum die einen für wahrer als die anderen gehalten werden. Dasselbe gilt für die implizierten Werte  : Sie sind nicht absolut gut oder schlecht, sondern immer nur in Relation zur Konstruktion von Sinnmustern förderlich oder hinderlich. Die alten Kategorien und Modelle sind nicht besser, sondern nur gewohnter in Bezug auf kulturell kodifizierte Sinn-Habitate, die neuen sind nicht schlechter, sondern konfrontieren einfach nur auf neue und die Routinen der Sinn-Arbeit unterbrechende Weise mit der Tatsache der Konstruktivität und Relationalität der gesellschaftlichen Diskurse und ihrer (z. B. hierarchischen) Ordnung(en) (vgl. Foucault 1974) und in diesem Sinne mit der sozialen Problematik der gesellschaftlichen Verteilung von kommunikativer Kompetenz im Muster von Medialität. Was nun für die Mediengesellschaft so selbstverständlich geworden ist, sollte daher gar nicht mehr extra gesagt werden müssen und schon gar nicht so  : dass man sich nämlich eine (unsere) Gesellschaft ohne Medien gar nicht mehr vorstellen kann. Das ist so platt gedacht wie falsch formuliert. Denn so gesagt reduziert man das innere wie äußere Medialitätsprogramm (wieder) auf Einzelmedien (die Presse, das Radio, das Fernsehen, das Internet) und „die Gesellschaft“ auf einen Handlungszusammenhang, als wäre er nicht von sich aus schon ein Medialitätsprogramm – und so in beiden Kategorien verkürzt gesagt kann man sich eine „Gesellschaft ohne Medien“ sehr wohl vorstellen. Medien sind kein nachhaltiges Aufbesserungsprogramm einer notdürftigen Gesellschaft, sondern in Handlungs- und Beobachtungsprogrammen kodifizierte und geordnete Referenzen der kommunikativen Konstruktivität von Gesellschaft. Was daher nicht denkbar ist, ist eine gesellschaftliche Welt jenseits ihrer Medialitätsmuster. Die Medialitätslogik der Gesellschaft ist der –  186 –

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viel weiter und tiefer rationalisierte Beobachtungszusammenhang der sozialen Praxis und ist daher auch nicht gleich zu setzen mit der Mediensystemlogik, sie würde den Beschreibungsrahmen der Einzelmedienontologie (vgl. Leschke 2007  : 73ff ) bei weitem sprengen. Was für unsere Gegenwartsgesellschaft im Vergleich zu anders definierten Epochen (Agrargesellschaft, Industriegesellschaft, Informationsgesellschaft – vgl. Bell 1976) typisch sein mag, ist die Dominanz eines expliziten, expressiven und immigrierten Mediencodes der diversen Programme der gesellschaftlichen Interaktion und der sozialen Praxis  : Gegenwartsgesellschaften und deren Institutionen beobachten, erfahren, organisieren und entwerfen sich, ihre Selbstdarstellung und ihre Projekte ausdrücklicher denn je und mit zunehmender Kompetitivität immer mehr im Blick auf, im Gebrauch von und im strategischen Vertrauen auf externalisierte/n und assimilierte/n (nicht in den aus dem der eigentlichen Aktion inhärentem Muster generierte/n) Medienpraktiken. Innere und gesellschaftsinhärente Medienprogramme (autochthone Medienmuster) verstehen sich als symbolisch generierte Codes der Komplexität (interne Referenzialität) einer in sich geschlossenen und sich selbst meinenden sozialen Praxis, verstehen sich als intrinsische Referenzgrößen der Handlung bzw. der Beobachtung selbst. Äußere Medienprogramme (immigrierte Medienmuster) folgen einer anderen, nämlich einer sich selbst als Transfermodem meinenden Systemkomplexität, sie „müssen“ sich daher im Muster der Vermittlung (Medium als Tauschinstanz) gerieren, weil sie ja ein Moment der Intervention (Zusatzkomplexität) darstellen, wenn und weil sie in ein Sozial- bzw. Konstruktionsprogramm eingreifen bzw. für die komplexitätsreduzierte Abwicklung eines solchen eingestellt und eingesetzt werden (externe Referentialität). Habermas (vgl. 1981/Band II) nennt dieses Phänomen die systemische Kolonisierung von Lebenswelt. Die externen Medialitätsprogramme standardisieren vor allem die soziale Praxis der Institutionen gemäß ihrer Verfahrens- und Erfolgslogik. Dies betrifft nicht nur die Interaktionen im Kontext von Basisinstitutionen wie Demokratie, Markt, Religion, Wissenschaft, Bildung etc., sondern auch jene im Kontext von Alltagsgestaltung und persönlichen Lebenszusammenhängen. Das heißt  : Anlässe, Abläufe, Kontexte, Dynamiken, Formen, Strukturen, Inhalte, Ziele, Absichten, Bewertungen, Erwartungen und Folgen von sozialen Verbindungen werden mit zunehmender Komplexität der gesellschaftlichen Organisation durch extrinsische Medienrelationen (schon bereit gestellte Systeme) symbolisiert und vergegenständlicht. Die gesellschaftliche Verständigung – das Grundmuster der Konstitution von Gesellschaft – folgt zunehmend einem Programm von Symbolisierung und Vergegenständlichung, das von der Logik, der Technik, –  187 –

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der Ästhetik und der Moral des Mediengebrauchs bestimmt wird – in eben dieser Reihenfolge  : Vorsprung, Machbarkeit, Aufmerksamkeit, Erfolg. Die Signatur der Konstruktion der sozialen Realität ist die der Medialität. Was die Gesellschaft erhält und zusammenhält, ist nicht mehr die Besetzung und Bewirtschaftung des Bodens (Agrargesellschaft), nicht mehr das Leistungsprofil von Technik, Automatisierung und Modernisierung (Industriegesellschaft), sondern das Kompetenzprofil medialer Kommunikationskultur. Der soziale Wandel spiegelt und beobachtet sich im Medienwandel nicht nur technologisch (z. B. Medienkonvergenz, Social-Media-Movement – vgl. Latzer 1997, Krotz 2008), sondern vor allem kulturell  : als ein sich selbst laufend überholendes und sich selbst beschleunigendes, zunehmend konversationelles Format der Selbsterzählung der Gesellschaft. Um auf eine schon verbraucht geglaubte Formel von Henk Prakke (1968) zurückzugreifen  : Vermutlich „spiegeln und prägen“ sich Strukturwandel (Medienwandel) und Kulturwandel (Medialitätswandel) wechselseitig. In diesem Zusammenhang fällt vor allem auf, dass die Muster der sozialen Ordnung der gesellschaftlichen Diskurse (vor allem hierarchisch gedeutete Beziehungen, Verhältnisse, Dynamiken) und deren Merkmale und Faktoren (Identität, Individualität, Soziabilität) eine kulturelle Umdeutung erfahren, die mit traditionellen Kulturprogrammen der Vergesellschaftung (Konzepte der gesellschaftlichen Kohäsion  : Was hält die Gesellschaft zusammen  ?) nicht (mehr so einfach) kompatibel zu sein scheinen. Der Umbruch geht tiefer, weil er nicht nur strukturelle, sondern weil er kulturelle Dimensionen hat  : Es geht um Deutung und Bedeutung von Gesellschaft zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit, zwischen Bestand und Entwurf, zwischen Wiederholen, Lernen und Experimentieren – und dies im Modus von Kommunikation und der Ausschöpfung deren medialer Ressourcen  : Gesellschaft ist, was ihre Kommunikation ausmacht und Kommunikation ist, was die Gesellschaft aus ihr macht. Gesellschaftlichkeit und Medialität Je expliziter Gesellschaften und Gemeinschaften ihre Kulturwelt zum Territorium ihrer Identität stilisieren, desto stärker betonen sie ihre nationalen, sprachlichen, historischen, institutionellen und zum Teil auch religiösen Grenzziehungen, setzen sich mit ihren Zeichenwelten gleich und machen Symbole, Rituale und Institutionen zu dominanten Referenzen für die Bestimmung der individuellen Identität ihrer Mitglieder. Im Kontext von Massenmedialität mischt sich in dieses Regelwerk eine neue Dynamik  : sie stellt gewohnte und bewährte Kulturreferenzen in Frage, dekonstruiert die im –  188 –

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der Ästhetik und der Moral des Mediengebrauchs bestimmt wird – in eben dieser Reihenfolge  : Vorsprung, Machbarkeit, Aufmerksamkeit, Erfolg. Die Signatur der Konstruktion der sozialen Realität ist die der Medialität. Was die Gesellschaft erhält und zusammenhält, ist nicht mehr die Besetzung und Bewirtschaftung des Bodens (Agrargesellschaft), nicht mehr das Leistungsprofil von Technik, Automatisierung und Modernisierung (Industriegesellschaft), sondern das Kompetenzprofil medialer Kommunikationskultur. Der soziale Wandel spiegelt und beobachtet sich im Medienwandel nicht nur technologisch (z. B. Medienkonvergenz, Social-Media-Movement – vgl. Latzer 1997, Krotz 2008), sondern vor allem kulturell  : als ein sich selbst laufend überholendes und sich selbst beschleunigendes, zunehmend konversationelles Format der Selbsterzählung der Gesellschaft. Um auf eine schon verbraucht geglaubte Formel von Henk Prakke (1968) zurückzugreifen  : Vermutlich „spiegeln und prägen“ sich Strukturwandel (Medienwandel) und Kulturwandel (Medialitätswandel) wechselseitig. In diesem Zusammenhang fällt vor allem auf, dass die Muster der sozialen Ordnung der gesellschaftlichen Diskurse (vor allem hierarchisch gedeutete Beziehungen, Verhältnisse, Dynamiken) und deren Merkmale und Faktoren (Identität, Individualität, Soziabilität) eine kulturelle Umdeutung erfahren, die mit traditionellen Kulturprogrammen der Vergesellschaftung (Konzepte der gesellschaftlichen Kohäsion  : Was hält die Gesellschaft zusammen  ?) nicht (mehr so einfach) kompatibel zu sein scheinen. Der Umbruch geht tiefer, weil er nicht nur strukturelle, sondern weil er kulturelle Dimensionen hat  : Es geht um Deutung und Bedeutung von Gesellschaft zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit, zwischen Bestand und Entwurf, zwischen Wiederholen, Lernen und Experimentieren – und dies im Modus von Kommunikation und der Ausschöpfung deren medialer Ressourcen  : Gesellschaft ist, was ihre Kommunikation ausmacht und Kommunikation ist, was die Gesellschaft aus ihr macht. Gesellschaftlichkeit und Medialität Je expliziter Gesellschaften und Gemeinschaften ihre Kulturwelt zum Territorium ihrer Identität stilisieren, desto stärker betonen sie ihre nationalen, sprachlichen, historischen, institutionellen und zum Teil auch religiösen Grenzziehungen, setzen sich mit ihren Zeichenwelten gleich und machen Symbole, Rituale und Institutionen zu dominanten Referenzen für die Bestimmung der individuellen Identität ihrer Mitglieder. Im Kontext von Massenmedialität mischt sich in dieses Regelwerk eine neue Dynamik  : sie stellt gewohnte und bewährte Kulturreferenzen in Frage, dekonstruiert die im –  188 –

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Muster des beliebigen Gebrauchs eingeübten und normierten Rituale und entwirft – möglicherweise mehr zufällig als gewollt – neue Konstellationen (Weltbilder) zum vorübergehenden (dissipativen) Gebrauch (ist gleich  : Verbrauch, Konsum). Gesellschaftskultur wird medienkulturell dominiert, oder anders  : Medienkultur wird zunehmend das Muster, in dem die Gesellschaft sich als Beobachtungs-, Handlungs- und Wissenszusammenhang reflektiert. Die medienlogischen (medienästhetischen) Muster werden zum Muster der Gesellschaft und ihrer Institutionen  : dafür stehen (z.T. kulturkritisch gemeinte) Begriffe wie Industrialisierung Standardisierung, Schematisierung, Entgrenzung (Globalisierung), Wiederholbarkeit, Dissipativität, Trivialität, Verbrauch und Konsum, Zuschauen und Vergessen. Die Gesellschaft deutet (spiegelt) sich gewollt-ungewollt zunehmend im Modell von medialen Versatzstücken und findet sich so technologisch und ökonomisch getrieben oft schneller und grundsätzlicher, als sie psychologisch verarbeiten kann in medialen Spieglungen, in denen sie sich fremd, bisweilen sogar missbraucht vorkommt. Immer neue Medienmodelle (New Media) konfrontieren die Gesellschaft mit den Proben und Experimenten ihrer eigenen medialen Abstraktion, vom Foto bis zu Facebook (vgl. Flusser 1998  : 171–231), was sogar dazu führt, dass der medialen Repräsentation ein Wirklichkeitsstatus zukommt, demgegenüber die Sach- und Realrealität Mühe hat sich zu rechtfertigen. Wenn Gesellschaft das ist, was ihre Kommunikation ausmacht (wie ihre Kommunikation ist), und wenn als gesellschaftliche Kommunikation jene soziale Praxis beschrieben ist, durch die Menschen unterschiedliche Perspektiven von Wahrnehmung, Beobachtung und Erfahrung zu verbindlichen Konstrukten vergemeinschaften und auf diese Weise im Modus der Medialität symbolisch generierte Gesellschaftlichkeit zueinander verteilen (erfahrbar machen) und sich so mit differenten Deutungspotenzialen (vgl. Schmidt 2005  : 42ff ) der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit, gegenseitig versorgen, dann ist der soziale Wandel nicht ein akzidentielles Phänomen einer der Kommunikation gegenübergestellten Wirklichkeit, sondern ein konzeptuelles Moment von gesellschaftlich generierter Wirklichkeitskonstruktion und Wirklichkeitsbeobachtung, im Kontext von Mediengesellschaft also eine Signatur des medialen Gebrauchs von Gesellschaft. Wenn Wandel im Sinne dieser Argumentation das Paradigma von Wirklichkeit (als Beobachtungszusammenhang) ist, dann ist Kommunikation nur dort (konstruktiv) wirklich (wirksam), wo sich etwas verändert, oder anders gesagt  : wo die Beobachtung umgestellt wird oder werden muss. Dafür braucht es nicht eine auf Einfluss (Veränderung) ausgerichtete Kommunikation, sondern eine, die den Wert der Differenz sozial relevant extemporiert. –  189 –

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In diesem Kontext lassen sich die mit dem sozialen Wandel verbundenen Schwierigkeiten als zunehmende Wirklichkeitsforderung (das heißt vor allem komplexere und differenziertere Konstrukte aller Wirklichkeitssphären) und dementsprechend als Herausforderung zunehmend komplexerer Kompetenzprogramme der gesellschaftlichen Kommunikation beschreiben  : Dies trifft nicht nur den Mediengebrauch, bei dem die Gebrauchskompetenzen bisher in Form wechselseitig unterstellter Erwartungen an Ordnung und Professionalität viel zu simpel nach einem einfachen industrie-ökonomischen Muster (Produktion – Konsumption) und gegen die Logik kommunikativer Rationalität verteilt werden, sondern auch gemischt institutionalisierte (zum Teil mediatisierte) öffentliche Kommunikationsmuster in Politik, Religion, Bildung etc. Die Komplexität des sozialen (medialen, kulturellen) Wandels fordert vor allem ein gesellschaftliches Programm der Veränderung auf der Basis einer Neuaufstellung der gesellschaftlichen Verteilung von Kompetenz (Zuständigkeit und Verantwortung) und Vertrauen und eine weitere Wendung von kommunikativer Rationalität (Recht und Pflicht, Chance und Forderung). Der Kreislauf von Problem und Lösung ist mehrfach vorprogrammiert  : je mehr Unsicherheit, desto mehr Wissen ist gefordert, je mehr Wissen, desto mehr Komplexität (Unsicherheit) wird produziert, je mehr Komplexität, desto mehr Wissen ist gefordert, je differenzierter die Wirklichkeitsperspektive, desto mehr in dem Sinne, dass sie lernt –weil in Geschichten, Diskursen und Dialogen konstruiert – sich in ihrer Widersprüchlichkeit, Differenz und Diversität als (die mögliche und wenn auch irritierte, so dadurch doch bereicherte) Welt der Gesellschaft zu begreifen. Medien, die Agenturen und Passagen der sozialen Praxis, konfrontieren die Praxis der Gesellschaft mit der Gesellschaftlichkeit der Praxis, was nichts anderes heißt als  : Die Welt der Gesellschaft ist mehr, als ihre Praxis vorgibt, das Spektrum der Entwürfe der gesellschaftlichen Praxis ist nicht erschöpft und nicht erschöpfbar, darin begründet sich grundsätzlich ihre Veränderbarkeit, aber auch ihre Freiheit  : Sie ist (weil autokonstitutiv mit Kommunikation und Kultur) nur denkbar als eine in autopoietischer Dynamik und generativer Programmatik sich laufend überholende Reflexion von sich selbst. Wenn man Gesellschaft im Modell von Kommunikation beschreibt, dann kann man sie nur beschreiben als dynamisches und in Verständigungsabläufen gespiegeltes und gedeutetes soziales Geschehen, das dem Menschen, der der eigentliche Faktor des Konstrukts ist, nicht als (von außen oder jeher schon definiertes) Objekt gegenübersteht, sondern als kommunikativ konstruiertes und im Diskurs gedeutetes, daher differentes Dialogbild der Selbstvorstellung, als situativ-kontextuell realisierte und in Verhaltenskulturen explizierte und erinnerte symbolische Umgebung, die mit all jenen kommunikativ geteilt –  190 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

wird, die sich in dieser Umgebung (oder  : diesen sich ändernden Umgebungen) als zusammengehörig verstehen. Diese Umgebungen (sozial getauschte Dialogbilder des Selbst) nehmen im Zuge der Medienentwicklung (bzw. des Medienwandels) zunehmend medialen Charakter an. Objekt-strukturelle Referenzmuster (z. B. nationale Grenzen, historisch verankerte Institutionen wie Familie, Staat etc.) für die Bestimmung des sozialen Seins (Identität) werden zunehmend ersetzt durch deren mediale (was auch heißt  : zum Gebrauch produzierte) Repräsentationen. Diese sind beweglicher (vgl. Hipfl 2001) und begründen die Obsoleszenz von eingeübten Territorien (vgl. Hepp 2006  : „Deterritorialisierung“). Die Perspektive von Mediatisierung und Medialisierung der Kommunikation der Gesellschaft erweitert die These, dass die Gesellschaft ist, was ihre Kommunikation ist, in  : die Gesellschaft ist, was ihre Medien sind. Daraus folgt, dass der Alltag, Alltagsrituale, Alltagswahrnehmung, Alltagswissen, Alltagsdeutungen und Alltagsbeziehungen eine medientypische, medienlogische und mediamorphe Charakteristik annehmen  : Die Signatur der Medien ist immer und überall präsent, die Medienperspektive schreibt sich in Lagen und Ereignisse so prominent ein, dass so gut wie nichts mehr, was in dieser Gesellschaft Bedeutung hat oder sucht, medienfrei ist. Die Medienperspektive aber ist – weil sie ja der Markt ist, in dessen Logik Medien funktionieren – die Perspektive ihrer Nutzer, gespiegelt in und geprägt (Prakke 1968) von der Organisations- und Arbeitslogik der Medienmaschinerie (Technologie, Professionalität, organisatorische und ökonomische Selbstreferentialität, soziale Anschlussprofile). Die Vorstellung einer von Medien ausgehenden oder von ihnen verursachten Wirkung, wie sie die publizistikwissenschaftliche Kommunikationsforschung über Jahrzehnte verfolgt hat, wäre aber ein irreführender Ansatz, um das zu beschreiben, was am Ende Mediatisierung genannt wird (vgl. Krotz 2008). Denn Mediatisierung ist nicht eine Wirkung, die von Medien verursacht wäre (wie das die linguistische Version nahelegt). sondern ist die gesellschaftlich ausverhandelte und einander unterstellte Logik und Rationalität der individuellen Lebensführung im Kontext einer im Programm der Medialität konstituierten Gesellschaft. Wenn es eine Kausalität gibt, dann ist sie nicht linear oder gebündelt von einer in eine andere Richtung, sondern zirkulär, dynamisch-transaktional (Früh/Schönbach 1982) und vor allem dissipativ. Während mit dem Terminus Mediatisierung (zunächst ungeachtet der mittlerweile schon weithin differenzierten Forschung – vgl. Krotz 2001, 2007, 2008) hier die Tatsache begrifflich eingefangen werden soll, dass in dieser Gesellschaft zunehmend so gut wie jede soziale und kommunikative Konstellation über Medien bewerkstelligt und in Medienformationen ermöglicht –  191 –

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wird, meint der Terminus der Medialisierung die Tatsache der zunehmenden Kennzeichnung der kulturellen Substanz der in diesen Interaktionen relevanten Konfigurationen von Wahrnehmung, Einstellung, Wissen, Ästhetik und Ethik. Während der Begriff der Mediatisierung den diskursiven Modus der Selbstorganisation von Gesellschaft und Individuum beschreibt und vor allem die Formen (Formate) der Verteilung von Gesellschaftlichkeit im Auge hat, kennzeichnet das Konzept der Medialisierung die in Medienumgebungen sich ändernde Programmatik von Kommunikation als Fluidum von Identität und Soziabilität. Mediatisierung und Medialisierung, so nun sowohl als Modus wie als Programm der Mediengesellschaft (des Medienmodells von Gesellschaft) beschrieben, begründen eine neue Perspektive in der Analyse und in der Konzeption von sozialem Wandel  : die Perspektive von Medialität. Die Welt im Gebrauch von Medien Weil es in einer so beschriebenen Welt keine Zone gibt, die medienfrei wäre, kann man die These aufstellen  : Die Welt kann nur verstehen, wer die Medien versteht. Diese These (Luhmann 2004) könnte allerdings missverstanden werden, nämlich so, dass die Welt (nur) dort sei, wo die Medien sind oder dass es Sache der Medien sei, die Welt darzustellen und abzubilden. Man muss zunächst „die Welt“ von dem, was man „Medienwelt“ nennt, unterscheiden. Versteht man „die Welt“ als das, was weltweit passiert und als die reale Welt, die in konkreten Bezügen von Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft etc. sich ereignet und unter Voraussetzung gewisser Rahmenbedingungen für das Leben von Individuen eine Rolle spielt, dann kann man wohl annehmen, dass es eine das Spektrum der Medien übergreifende Welt gibt, dass deren Relevanz für die individuelle Lebensgestaltung aber – in einer über Medien organisierten Gesellschaft – uns über Medieninformation und Medienkonversation vermittelt wird. In diesem Sinne wird diese mediatisierte Welt zu einem allgemeinen und öffentlichen Gut. Sie ist in ihrer Qualität, wie sie gebraucht wird  : medialisiert. Typisch für die mediale Signatur der (Konstruktion von) Wirklichkeit ist, dass sie öffentlich, nicht spezifisch, sondern allgemein adressiert und daher wechselseitig (so standardisiert) als von jedem gewusst unterstellt werden kann. Ist die Welt (nun so profiliert) ein öffentliches Gut, dann ist sie dies als Komplex des Wissens und der Erfahrung und des Austausches von Wissen und Erfahrung, jeweils in individuellen Lebenswelten erworben, mit dem Ziel darin einen Korpus gemeinsamer, allgemeiner und teilbarer Relevanz auszumachen. Die Welt ist in diesem Sinne dann ein öffentliches Wissensgut, ein Komplex genereller Relevanz, an dem kein Leben einfach vorbei ziehen oder –  192 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

wird, meint der Terminus der Medialisierung die Tatsache der zunehmenden Kennzeichnung der kulturellen Substanz der in diesen Interaktionen relevanten Konfigurationen von Wahrnehmung, Einstellung, Wissen, Ästhetik und Ethik. Während der Begriff der Mediatisierung den diskursiven Modus der Selbstorganisation von Gesellschaft und Individuum beschreibt und vor allem die Formen (Formate) der Verteilung von Gesellschaftlichkeit im Auge hat, kennzeichnet das Konzept der Medialisierung die in Medienumgebungen sich ändernde Programmatik von Kommunikation als Fluidum von Identität und Soziabilität. Mediatisierung und Medialisierung, so nun sowohl als Modus wie als Programm der Mediengesellschaft (des Medienmodells von Gesellschaft) beschrieben, begründen eine neue Perspektive in der Analyse und in der Konzeption von sozialem Wandel  : die Perspektive von Medialität. Die Welt im Gebrauch von Medien Weil es in einer so beschriebenen Welt keine Zone gibt, die medienfrei wäre, kann man die These aufstellen  : Die Welt kann nur verstehen, wer die Medien versteht. Diese These (Luhmann 2004) könnte allerdings missverstanden werden, nämlich so, dass die Welt (nur) dort sei, wo die Medien sind oder dass es Sache der Medien sei, die Welt darzustellen und abzubilden. Man muss zunächst „die Welt“ von dem, was man „Medienwelt“ nennt, unterscheiden. Versteht man „die Welt“ als das, was weltweit passiert und als die reale Welt, die in konkreten Bezügen von Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft etc. sich ereignet und unter Voraussetzung gewisser Rahmenbedingungen für das Leben von Individuen eine Rolle spielt, dann kann man wohl annehmen, dass es eine das Spektrum der Medien übergreifende Welt gibt, dass deren Relevanz für die individuelle Lebensgestaltung aber – in einer über Medien organisierten Gesellschaft – uns über Medieninformation und Medienkonversation vermittelt wird. In diesem Sinne wird diese mediatisierte Welt zu einem allgemeinen und öffentlichen Gut. Sie ist in ihrer Qualität, wie sie gebraucht wird  : medialisiert. Typisch für die mediale Signatur der (Konstruktion von) Wirklichkeit ist, dass sie öffentlich, nicht spezifisch, sondern allgemein adressiert und daher wechselseitig (so standardisiert) als von jedem gewusst unterstellt werden kann. Ist die Welt (nun so profiliert) ein öffentliches Gut, dann ist sie dies als Komplex des Wissens und der Erfahrung und des Austausches von Wissen und Erfahrung, jeweils in individuellen Lebenswelten erworben, mit dem Ziel darin einen Korpus gemeinsamer, allgemeiner und teilbarer Relevanz auszumachen. Die Welt ist in diesem Sinne dann ein öffentliches Wissensgut, ein Komplex genereller Relevanz, an dem kein Leben einfach vorbei ziehen oder –  192 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

vorbei gezogen werden kann ohne an Kompetenz zu verlieren. Ob Menschen und Gesellschaften sich selbst finden und sich so entwickeln, wie sie sich selbst verstehen (möchten), hängt in höchstem Maße von ihrem Kompetenzprogramm ab, mit dem sie ihr Medialitätskonzept explizit machen – und das auf mindestens folgenden Ebenen  : –– auf der Sinn-Ebene (ethische Dimension)  : Kommunikation ist ethisch relevantes Handeln. Weil und wenn sie sich auf Werte und Wissensmodelle des Menschen bezieht, strapaziert sie die moralische Kompetenz und kann in eben diesem Sinne gelingen oder misslingen. –– auf der Wahrnehmungsebene (ästhetische Dimension)  : Kommunikation vollzieht sich in ästhetischen Strukturen. Sie realisiert sich in Wahrnehmungsvorgängen (Beobachtungsgeschehen), die, weil sie wahr oder falsch sein können, gelingen oder misslingen können. –– auf der Handlungsebene (soziale Dimension)  : Kommunikation braucht Zeichen und Zeichenverwendungsmodelle, die, weil durch sie Intentionen verfolgt und verallgemeinert werden, subjektiv als gelungen betrachtet werden können, auch wenn sie objektiv misslingen. Das Kompetenzprogramm einer Gesellschaft ist immer das Kompetenzprogramm ihrer Kommunikation bzw. ihrer Medialität. Was dann allerdings der Charakter von Kommunikation bzw. Medialität ist, muss ebenso kritisch reflektiert werden. Kulturgut Kompetenz Ein öffentliches Gut ist nicht einfach nur ein Besitzgut, das endlos teilbar wäre. Öffentliche Güter sind Potenziale und Ressourcen, über die man zum Nutzen der Gemeinschaft individuell verfügen kann. Es ist ein Modell der Vergesellschaftung von Vorteil auf der Basis von Recht und Pflicht. Zum Kriterium der Verfügung (Nutzung) kommt auch das Kriterium der Befugnis (Nutzungsberechtigung). Öffentliche Straßen nützt man unter der Bedingung der gegenseitigen und allseitig wechselseitigen Unterstellung, dass alle, die die Straße nützen, sich an ein Regelwerk halten, durch das der Ablauf, das Verhalten und die dieses begründende Moral geteilt werden. Solche Regelwerke sind also Agenturen des sozialen Vertrauens unter Menschen, die dieses weder persönlich noch individuell begründen und nicht persönlich oder individuell verhandeln. Im Falle der Nutzung der Verkehrswege unterstellen sie einander berechtigte, subjektive Interessen des Fortkommens wie auch das Wissen um –  193 –

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vorbei gezogen werden kann ohne an Kompetenz zu verlieren. Ob Menschen und Gesellschaften sich selbst finden und sich so entwickeln, wie sie sich selbst verstehen (möchten), hängt in höchstem Maße von ihrem Kompetenzprogramm ab, mit dem sie ihr Medialitätskonzept explizit machen – und das auf mindestens folgenden Ebenen  : –– auf der Sinn-Ebene (ethische Dimension)  : Kommunikation ist ethisch relevantes Handeln. Weil und wenn sie sich auf Werte und Wissensmodelle des Menschen bezieht, strapaziert sie die moralische Kompetenz und kann in eben diesem Sinne gelingen oder misslingen. –– auf der Wahrnehmungsebene (ästhetische Dimension)  : Kommunikation vollzieht sich in ästhetischen Strukturen. Sie realisiert sich in Wahrnehmungsvorgängen (Beobachtungsgeschehen), die, weil sie wahr oder falsch sein können, gelingen oder misslingen können. –– auf der Handlungsebene (soziale Dimension)  : Kommunikation braucht Zeichen und Zeichenverwendungsmodelle, die, weil durch sie Intentionen verfolgt und verallgemeinert werden, subjektiv als gelungen betrachtet werden können, auch wenn sie objektiv misslingen. Das Kompetenzprogramm einer Gesellschaft ist immer das Kompetenzprogramm ihrer Kommunikation bzw. ihrer Medialität. Was dann allerdings der Charakter von Kommunikation bzw. Medialität ist, muss ebenso kritisch reflektiert werden. Kulturgut Kompetenz Ein öffentliches Gut ist nicht einfach nur ein Besitzgut, das endlos teilbar wäre. Öffentliche Güter sind Potenziale und Ressourcen, über die man zum Nutzen der Gemeinschaft individuell verfügen kann. Es ist ein Modell der Vergesellschaftung von Vorteil auf der Basis von Recht und Pflicht. Zum Kriterium der Verfügung (Nutzung) kommt auch das Kriterium der Befugnis (Nutzungsberechtigung). Öffentliche Straßen nützt man unter der Bedingung der gegenseitigen und allseitig wechselseitigen Unterstellung, dass alle, die die Straße nützen, sich an ein Regelwerk halten, durch das der Ablauf, das Verhalten und die dieses begründende Moral geteilt werden. Solche Regelwerke sind also Agenturen des sozialen Vertrauens unter Menschen, die dieses weder persönlich noch individuell begründen und nicht persönlich oder individuell verhandeln. Im Falle der Nutzung der Verkehrswege unterstellen sie einander berechtigte, subjektive Interessen des Fortkommens wie auch das Wissen um –  193 –

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das Risiko von Leben und Tod. Für öffentliche Güter gilt also zum einen, dass sie nicht Besitzgüter, sondern Gebrauchsgüter sind, zum zweiten, dass dieser Gebrauch auf der Basis der wechselseitigen Unterstellung (Vertrauen) individueller Kompetenz (Fähigkeit, Befähigung, Zuständigkeit/Befugnis, Verantwortung) von statten geht. Nur so kann dessen Nachhaltigkeit sichergestellt werden. Öffentliche Güter sind also immer wirtschaftliche Güter im umfassenden Sinne des Wortes  : Sie schaffen Werte, die jenseits des individuellen Gebrauchs für Jedweden Gebrauch möglichen Nutzen schaffen. Sie implizieren auch, dass die für ihren Gebrauch unverzichtbare Qualität der wechselseitigen Zusicherung und Zumutung des Vertrauens (Kompetenz) selbst ein Kulturgut ist und nicht nur eine zufällige individuelle Beigabe. Diese Gedankenkonstellation hat weit reichende Bedeutung für die nähere Bestimmung von Kompetenz im Hinblick auf andere öffentliche Güter wie zum Beispiel Medienkommunikation. Soziale Kommunikation ist im Kontext ihrer Mediatisierung und Medialisierung ein Kulturgut öffentlichen Gebrauchs und daher gebunden an einen sozialen Mechanismus des gesellschaftlichen Vertrauens (vgl. Luhmann 1968), der gerade in diesem Bereich die wechselseitige Unterstellung (Zusicherung und Zumutung) von Kompetenz einschließt. Letztendlich ist es eine Durchschnittskonfiguration der individuellen Gebrauchsmuster (Intention, Interessen, Selektion, Lebenskontexte, Nutzungskontexte, Habitus), die das kollektive Qualitätsbild von (gesellschaftlich unterschiedlich kontextualisierter) Medienkultur ausmacht. Hans Magnus Enzensbergers Unterscheidung von einem repressiven bzw. emanzipatorischen Mediengebrauch (vgl. Enzensberger 1997) spielt in diesem Zusammenhang wohl eine erkenntnisleitende Rolle, aber nur zum Teil. Seine Unterscheidung ist grundlegend gesellschaftstheoretisch und gesellschaftspolitisch ausgelegt und ist in diesem Sinne ein nachhaltig gesetzter Meilenstein in der Entwicklung einer kritisch-theoretischen Konzeption des Zusammenhangs von Medien- und Gesellschaftsentwicklung. Dennoch ist der darin angesprochene Kompetenzbegriff individual-moralisch und kompensatorisch ausgelegt  : der Mediengebrauch als individuell entschiedene und auf Medienbildung (individuelles Wissen gegen gesellschaftliche Bewusstlosigkeit) gebaute Haltung gegen Manipulation und sozial nicht legitimierten (oder  : nur durch Technologie- und Organisationsvorsprung gesicherten) Herrschaftsanspruch. Wenn es aber nicht nur der Frankfurter Schule (vgl. Horkheimer/Adorno 1969a), sondern nach wie vor und erst recht einer kulturtheoretisch ausgelegten Konzeption von gesellschaftlicher Kommunikation (die ja immer zugleich eine gesellschaftstheoretisch ausgelegte Konzeption von Kommunikationskultur ist – vgl. Cultural Studies) um Aufklärung und Emanzipation geht, weil durch sie die –  194 –

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Gesellschaft – und nicht nur das Individuum gegen eine irgendwie bornierte Gesellschaft – zu sich selbst findet, dann müssen diese Postulate grundsätzlich als intrinsische Bauelemente einer humanistischen Gesellschaftskonzeption aufgefasst werden und nicht (nur) als moralische Geste des Individuums gegenüber einer verirrten oder verwirrten Gesellschaft. Generell muss vermutlich in diesem Zusammenhang auch daran erinnert werden, dass sich in einer kulturtheoretischen Konzeption von Gesellschaft (und daher auch  : Kommunikation) der Unterschied von Individuum und Gesellschaft nur analytisch rechnet, nicht aber substanziell. In ihrer theoretischen Substanz sind Individuum und Gesellschaft (nur) terminologische Platzhalter für die Tatsache, dass das Eine für das Andere stehend nur aus wechselnder Perspektive der Beobachtung unterschieden wird und werden kann. Eben dieses autokonstitutive Verhältnis (vgl. Sandbothe Vorwort in Schmidt 2003) ist es, das nicht dazu berechtigt, das Eine gegen das Andere theoretisch oder praktisch auszuspielen. Die Vernunft (Rationalität) der Kommunikation, um die es in diesem Zusammenhang von Aufklärung und Emanzipation geht, ist nicht eine Vernunft des Individuums, sondern ist die intrinsische Rationalität der Gesellschaft, die ja als solche nur real wird als und durch ihre Kommunikation – auch wenn und weil diese in spezifischer Weise durch (technische, systemische) Medienkonstellationen organisiert ist. Wenn einer solchen Vernünftigkeit eine balancierende Rolle in der Entwicklung der Gesellschaft zugedacht wird, dann ist – im Rahmen einer kulturtheoretisch angelegten Konzeption von Mediengesellschaft und Medienkompetenz – der Sitz dieser Vernünftigkeit analytisch im Leben der Gesellschaft und so im gesellschaftlichen Lebenszusammenhang des Individuum zu suchen. Kommunikative Rationalität ist im Sinne bisheriger Argumentation als ein gesellschaftliches, als ein dem sozialen Vertrauensmechanismus inhärentes und in diesem Sinne als öffentlich verfügtes und verfügbares Gut zu werten, an dem sich individuelle Kommunikationshabitate ausrichten können. Es ist die gesellschaftliche Dimension von kommunikativer Rationalität, die die normative Entsprechung von Gebrauchsrecht und Gebrauchspflicht der Kommunikation begründet. So gesellschaftlich vernünftig es ist, grundsätzlich das Recht auf gesellschaftlich gelungene Kommunikation einzuräumen, so gesellschaftlich vernünftig ist es, grundsätzlich die Pflicht gesellschaftlich gelungener Kommunikation zu unterstellen. Wäre kommunikative Rationalität als ein privates oder zuerst privates Gut (Recht) zu verstehen, dann wäre das die theoretisch affirmierte Grundlage für ein Besitzmodell (anstelle des Gebrauchsmodells) von Kommunikation und kommunikativer Kompetenz und in diesem Sinne die theoretische Legitimation für beliebig und daher auch ungerecht verteilte Kommunikationschancen. Das hieße aber den Vertrauensmechanismus (die –  195 –

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wechselseitige Unterstellung von Zusicherung und Zumutung des vernünftigen Kommunikations- bzw. Mediengebrauchs) abhängig zu machen von persönlich beliebiger Moral (Pflichtauffassung). Meritorisches Gut Medienkompetenz Die normative Konzeption von Kompetenz als paradigmatisches Wissensmodell der kritischen Beobachtung von individuellem und sozialem Lebensvollzug sowie deren Einordnung in die Analyse der Entwicklungsperspektiven von Individuen und Gesellschaften (immer als Modell ihrer Interferenz betrachtet) sind die Grundlagen für die Konzeption, die theoretisch vorläufig unter dem Begriff von Medienkompetenz firmiert. Auch wenn – und vor allem – weil man, wie in der individualtheoretisch begründeten Pädagogik üblich, am Ende den Souveränitätsvorteil des Individuums im Umgang mit Massenmedien im Auge haben mag („Medienmündigkeit“ – vgl. Schludermann 2002  : 52), muss man, um die gesellschaftliche Relevanz intrinsisch begründen zu können, den Begriff von „Medienkompetenz“ zunächst und vorläufig als Rezept aus der Küche der praktischen Theorie von Medienpädagogik (Baacke 2004) zur Kenntnis nehmen, um es im Wege der Prüfung von dessen Kompatibilität mit einer phänomenologisch gezeichneten gesellschaftstheoretischen Umgebung von einem Rezept zu einem Konzept aufzubessern. Das ist schlicht und einfach eine Frage der Ausschöpfung der Kompetenz (Kapazität, Zuständigkeit) einer Theorie, die (wie im ersten Kapitel erörtert) aus einem universaltheoretischen, integrativen Theorieansatz deshalb ungleich ergiebiger ausfällt, weil die Multiplizierung der Perspektiven ein ungleich weiteres Spektrum von Differenzierungen ermöglicht. Das verlangt die Umstellung der durch lange Praxis auf die Durchsetzung und Plausibilität der Praxis eingestellten Denkmodelle und setzt voraus  : –– das Denkmodell einer Gegenüberstellung von Medien und Gesellschaft mit einem der Ineinanderstellung von Gesellschaft im Modell von Medien und Medien im Modell von Gesellschaft zu ersetzen. Medien und Gesellschaft sind nicht einander gegenüber liegende eigenstrukturelle Objekt-Ordnungen, sondern wechselseitige Zuordnungen (Adjekte, Attributionen) in den Strukturen der sozialen Praxis (kommunikatives Handeln)  : die Medien der Gesellschaft begründen sich aus der Gesellschaftlichkeit der Medien. Die (je nach gesellschaftlichem Kontext differenzierten) Systemmodelle, so wie die Modelle der positionalen und funktionalen Relevanz, der kulturellen Wirkung wie auch die von Qualität, Ästhetik, und Ethik sind im Typus von –  196 –

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wechselseitige Unterstellung von Zusicherung und Zumutung des vernünftigen Kommunikations- bzw. Mediengebrauchs) abhängig zu machen von persönlich beliebiger Moral (Pflichtauffassung). Meritorisches Gut Medienkompetenz Die normative Konzeption von Kompetenz als paradigmatisches Wissensmodell der kritischen Beobachtung von individuellem und sozialem Lebensvollzug sowie deren Einordnung in die Analyse der Entwicklungsperspektiven von Individuen und Gesellschaften (immer als Modell ihrer Interferenz betrachtet) sind die Grundlagen für die Konzeption, die theoretisch vorläufig unter dem Begriff von Medienkompetenz firmiert. Auch wenn – und vor allem – weil man, wie in der individualtheoretisch begründeten Pädagogik üblich, am Ende den Souveränitätsvorteil des Individuums im Umgang mit Massenmedien im Auge haben mag („Medienmündigkeit“ – vgl. Schludermann 2002  : 52), muss man, um die gesellschaftliche Relevanz intrinsisch begründen zu können, den Begriff von „Medienkompetenz“ zunächst und vorläufig als Rezept aus der Küche der praktischen Theorie von Medienpädagogik (Baacke 2004) zur Kenntnis nehmen, um es im Wege der Prüfung von dessen Kompatibilität mit einer phänomenologisch gezeichneten gesellschaftstheoretischen Umgebung von einem Rezept zu einem Konzept aufzubessern. Das ist schlicht und einfach eine Frage der Ausschöpfung der Kompetenz (Kapazität, Zuständigkeit) einer Theorie, die (wie im ersten Kapitel erörtert) aus einem universaltheoretischen, integrativen Theorieansatz deshalb ungleich ergiebiger ausfällt, weil die Multiplizierung der Perspektiven ein ungleich weiteres Spektrum von Differenzierungen ermöglicht. Das verlangt die Umstellung der durch lange Praxis auf die Durchsetzung und Plausibilität der Praxis eingestellten Denkmodelle und setzt voraus  : –– das Denkmodell einer Gegenüberstellung von Medien und Gesellschaft mit einem der Ineinanderstellung von Gesellschaft im Modell von Medien und Medien im Modell von Gesellschaft zu ersetzen. Medien und Gesellschaft sind nicht einander gegenüber liegende eigenstrukturelle Objekt-Ordnungen, sondern wechselseitige Zuordnungen (Adjekte, Attributionen) in den Strukturen der sozialen Praxis (kommunikatives Handeln)  : die Medien der Gesellschaft begründen sich aus der Gesellschaftlichkeit der Medien. Die (je nach gesellschaftlichem Kontext differenzierten) Systemmodelle, so wie die Modelle der positionalen und funktionalen Relevanz, der kulturellen Wirkung wie auch die von Qualität, Ästhetik, und Ethik sind im Typus von –  196 –

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Medien gespiegelte Rezepte und Konzepte der Verteilung von Gesellschaftlichkeit. –– das Denkmodell einer Gegenüberstellung von Individuum und Gesellschaft mit einem der wechselseitigen konstitutiven Bezugnahme der Beobachtung zu ersetzen  : Das Individuum beobachtet sich unter Bezug auf dessen Soziabilität, wie die Gesellschaft sich beobachtet (spiegelt) unter Bezugnahme auf den Faktor der Individualität. Gesellschaft und Individuum sind nicht eigenstrukturelle und getrennte Objekte, sondern Größen der Beobachtung des sozialen Lebens. So ist der Kompetenzrahmen (Fähigkeit, Zuständigkeit und Verantwortung für sich selbst) des Individuums immer gesellschaftlich bedingt, wie die Kompetenz-Reichweite einer Gesellschaft bedingt ist durch die soziale Identifikation des Individuums mit dessen gesellschaftlicher (struktureller, kultureller, symbolischer) Umwelt. –– das Denkmodell einer instrumentellen Objektstellung von Medien, in dem Medien als Technik und Werkzeug und so als objektive und apparativ in sich geschlossene Struktur mit transstruktureller Funktion (Sender, Empfänger) bestimmt werden, durch eines zu ersetzen, in dem Medien – wenn auch technologisch unterschiedlich apparatisiert – als ein im Zuge der Kommunikation ausverhandeltes und kommunikationsintrinsisch ermitteltes und geteiltes Referenzmodell (Medium) theoretisch rückgebunden wird auf den medialen (medienkonstitutiven) Charakter jedweder Kommunikation. Damit rückt anstelle der Struktur der Medien das kulturelle Programm der Medialität von gesellschaftlicher Kommunikation in den Vordergrund. Medienkompetenz wird in dieser theoretischen Umgebung zu Mediumskompetenz bzw. Medialitätskompetenz und besagt nicht die Fähigkeit des Mediengebrauchs für (ein gesellschaftlich wünschbares Modell von) Kommunikation, sondern die Fähigkeit des Kommunikationsgebrauchs für ein wünschbares Modell von Medialität als Modus von Gesellschaft. –– das Denkmodell, in dem Kompetenz als Indikator für den subjektiven Besitz (wettbewerbsfähiges Vermögen) von Wissen und Bewusstsein und daher auch als Grundlage für die Durchsetzung von Vorteil (Erfolg) konzipiert wird, zu ersetzen durch eines, in dem Kompetenz als Reservoir gesellschaftlichen Vertrauens konzipiert wird und in diesem Sinne als Strategie der Vergesellschaftung von Vorteil, durch die die Verteilung von Gesellschaftlichkeit und sozialem Kapital von einem Wettbewerbsmodell auf ein Kooperationsmodell umgestellt wird. Ein so entworfenes Kompetenzmodell setzt auf die Horizontalisierung von Gesellschaft (sozial ausgeglichene und sozial ausgleichende Verteilung von sozialem bzw. symbolischem Kapital) und defavorisiert bewusst und gewollt die im Typus des wirtschaftlichen –  197 –

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Kapitalismus eingeübte Vertikalisierung (und damit verbundene Hierarchisierung) von Gesellschaft. Stellt man den Begriff von Medienkompetenz in diesen breiten gesellschaftstheoretischen Kontext, dann merkt man die Kompatibilitätsschwäche des Rezepts mit Entwürfen der kritischen Rationalität  : Aufklärung, Emanzipation, Souveränität. Der kritischen Analyse offenbart sich die Affinität des Begriffs zu gesellschaftskapitalistischen Positionen (Vertikalität, Hierarchie, Wettbewerb, Erfolg, Individualbesitz), vor allem dort, wo er mit der praktischen Theorie des praktischen Erfolgs legitimiert wird (Rezept). Umso bewusster muss man von Medialitätskompetenz sprechen als von einem Referenzmodell der kritischen Beobachtung der kommunikativen Mechanismen der Balancierung und Horizontalisierung von Vertrauen zwischen Individuen und Institutionen der Gesellschaften bzw. im Kontext von Globalisierung  : der Weltgesellschaft. Darin geht es um ein meritorisches Gut der Mediengesellschaft. Eben deshalb muss es in (medienpädagogische) Bildungsprogramme eingebracht werden, die ausgerichtet sind auf die Optimierung von Kommunikationskulturen im Sinne der Minimierung des Täuschungspotenzials. Das macht nur Sinn, wenn solche Programme sich an alle im gesellschaftlichen Kommunikations- und Mediengeschehen (Diskurs und Konversation) eingebundenen Personen, Institutionen und Organisationen richten, nicht nur, wie in der traditionellen Medienpädagogik, an Heranwachsende. Im Mit Blick auf die gesellschaftliche Notwendigkeit von Potenzialen der Fähigkeit, der Befugnis und der Verantwortung für die souveräne Gestaltung der sozialen und individuellen Lebenszusammenhänge stellt sich heraus, dass die Konzeption von Medienkompetenz einfach zu eng und irreführend ausgelegt ist, wenn man mit ihr nur die subjektive und individuelle Fähigkeit verbände, sich in dieser Medienwelt zurecht zu finden und von ihr nicht – in umfassendem Sinne – unsittlich gefangen zu werden. Frühe und grundlegende medienpädagogische Konzeptionen von Medienkompetenz haben aber über diese Grenze zunächst nicht hinausgefunden (Baacke 1980, 1997). So sehr es Dieter Baackes Verdienst war, „die Medienpädagogik“ aus dem Eck der moralischen und in naiver Psychologie verhafteten Argumentation geisteswissenschaftlich begründeter Medienerziehung (vgl. Zöchbauer 1974) herauszuführen, den Kompetenzbegriff in den Vordergrund medienpädagogischer Zielsetzungen zu stellen (vgl. Baacke 2004, Bauer 2008a) und das gesellschaftliche Projekt der Medienbildung (damals noch unter Medienerziehung firmierend) grundsätzlich in einer kommunikationstheoretischen Umgebung zu positionieren (vgl. Bauer 2002), so sehr ist sein Stufenmodell des Kompetenz–  198 –

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begriffs (linguistische Kompetenz, kommunikative Kompetenz, Medienkompetenz – vgl. Baacke 1973) zum einen eher kompensationstheoretisch denn emanzipationstheoretisch angelegt und zum zweiten mit einem theoretischen Sozialisationskonzept verknüpft, das, wie wenn es selbstverständlich wäre, mit einem hierarchischen und in Rollen und Positionen definierten Gesellschaftsmodell arbeitet. So sehr das hierarchische Modell die gängige Praxis sein mag, in einer theoretischen Konzeption dürfte dies nicht als theoretisches Faktum hingenommen werden. Auch der Sozialisationsbegriff ist eine Konstruktion, in die kulturell begründete Glücksmodelle von Gesellschaft (z. B. Herrschaftsordnungen) eingemischt sind, die in der theoretischen Betrachtung thematisiert und reflektiert werden müssen. Es geht aber um mehr  : Es geht nicht nur um die Spieglung des individuellen Lebens in der Gesellschaft, sondern auch und theoretisch zuerst um die Reflexion der Gesellschaft im Leben des Individuums, nicht nur um die Lebenschancen des Individuums in gesellschaftlicher Umgebung, sondern auch um die Lebenschancen der Gesellschaft (und ihres Wissens) im jeweils individuellen Lebensvollzug. Daher ist alles, was als individuelles Gut erkannt wird, zuerst und zunächst gesellschaftliches Gut. Das gilt auch und vor allem für Kommunikation. Wenn es also um kommunikative Kompetenz und in dieser theoretischen Umgebung dann auch um Medienkompetenz geht, dann ist dieses als kulturelles (öffentliches) Gut zu verstehen, das meritorischen Charakter hat  : Es ist ein Werteguthaben, das eine im Modell von Medien funktionierende Gesellschaft braucht (vgl. Karmasin 1996, Kiefer 2003). Medienkompetenz ist nicht individueller Besitz, sondern ein Gut des sozialen Gebrauchs von Medien, ein Kulturgut einer medial avancierten Gesellschaft und daher Gegenstand des öffentlichen Vertrauens in die Spiegelung des gesellschaftlichen Projekts im Leben des Individuums, dargestellt durch dessen Möglichkeit, Fähigkeit und Willigkeit, sich in diesem konstitutiven Mechanismus gesellschaftlicher Selbstorganisation durch Teilnahme und Teilhabe einbringen und einmischen zu können. Ein Gut dieser Art des gesellschaftlichen Vertrauens wird Medienkompetenz aber erst, wenn sie als ein gesellschaftspolitisch gewolltes Programm der Gestaltung des sozialen und kulturellen Lebenszusammenhangs in institutionellen Modellen darstellbar ist  : als ein in sich schlüssiges Programm des wechselseitigen Verweises von Medienbildung, Medienpolitik und Medienkultur. Erst wenn der gesellschaftliche bzw. politische Wille sich in institutionellen Strukturen abbildet und somit auch referenzfähig, partizipationsfähig, einspruchsfähig und einforderbar wird, kann man den Willen einer Gesellschaft erkennen, ihre demokratische und kommunikative Verfassung als Kulturpro–  199 –

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gramm ihres Mediengebrauchs (Medialitätskonzept) zu begreifen. Erst in dieser reflexiven und dialogischen Konzeption der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung kann man von einer offenen Gesellschaft sprechen (vgl. Popper 1992). Kompetenz-Konzepte  : das eigene und das andere Selbst Diese gesellschaftstheoretische Auslegung von Kompetenz wurde und wird in der traditionellen pädagogischen Konzeption von Medienbildung (bis dato eben  : Medienpädagogik) allerdings bisher kaum in Betracht gezogen. Die internen Ausdifferenzierungen der Medienpädagogik – Medienkunde, Medienerziehung, Mediendidaktik – machen klar, dass Kompetenz (hier  : Wissen, Haltung, Lernen), soweit sie denn ein Ziel der Medienpädagogik war, als ein Steigerungskonzept von und für Persönlichkeit durch kognitiv, moralisch und habituell begründete Aufbesserung gedacht wurde. Dementsprechend holprig ist auch der Sprachgebrauch, wenn dann von Kompetenzsteigerung oder gar von Kompetenzbesitz gesprochen wird. Die autoritative Konzentration auf das Individuum hat christlich-abendländische Tradition, ist aber vor allem seit Rousseau (vgl. Ruhloff 1998) charakteristisch für die institutionelle und systematische Pädagogik. Diese Perspektive der affirmativen und institutionellen Einflussnahme auf das Individuum im Interesse einer weithin mit sich selbst einverstandenen Gesellschaft wird aber nun angesichts des Perspektivenwechsels in der theoretischen (kontextuellen) Beobachtung der Lebenspraktiken (und Lebensproblematiken) des Individuums unter den Bedingungen wachsenden Wissens zur gesellschaftlichen (kontextuellen) Verfassung der Lebenszusammenhänge (Identität, Persönlichkeit, Lebensführung) als zu eng und zu technisch ausgelegt wahrgenommen (vgl. Cultural Studies). Der pädagogische Kompetenzbegriff im theoretischen und praktischen Umfeld von Medienpädagogik ist wegen der Personenzentrierung der Pädagogik (wie der traditionellen Psychologie) primär psychologisch-analytisch begründet. Psychologie und Pädagogik finden sich aber nicht nur in ihrer gemeinsamen Fokussierung auf die individuelle Persönlichkeit, sondern auch in einem auf weite Strecken technisch und instrumentell ausgelegten Begriffsmodell wieder, in dem Kompetenz (hier  : Wissen, Technik, Können) dann auch als Ergebnis technisch-methodisch angelegter Übung („vollständiges Lernen“  : Aufnehmen, Einarbeiten, Wiederholen, Erinnern – vgl. Ortner 2002) gesehen wird, als Einübung in eine von der Erwachsenengesellschaft präskribierten Rolle samt den dazu moralisch begründeten Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensmustern (vgl. Bauer 1980/Band I). Neben der Personenzentrierung ist die Medienzentrierung ein weiteres typisches Merkmal für das funktionale und auf Wirkungen bedachte Päda–  200 –

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gramm ihres Mediengebrauchs (Medialitätskonzept) zu begreifen. Erst in dieser reflexiven und dialogischen Konzeption der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung kann man von einer offenen Gesellschaft sprechen (vgl. Popper 1992). Kompetenz-Konzepte  : das eigene und das andere Selbst Diese gesellschaftstheoretische Auslegung von Kompetenz wurde und wird in der traditionellen pädagogischen Konzeption von Medienbildung (bis dato eben  : Medienpädagogik) allerdings bisher kaum in Betracht gezogen. Die internen Ausdifferenzierungen der Medienpädagogik – Medienkunde, Medienerziehung, Mediendidaktik – machen klar, dass Kompetenz (hier  : Wissen, Haltung, Lernen), soweit sie denn ein Ziel der Medienpädagogik war, als ein Steigerungskonzept von und für Persönlichkeit durch kognitiv, moralisch und habituell begründete Aufbesserung gedacht wurde. Dementsprechend holprig ist auch der Sprachgebrauch, wenn dann von Kompetenzsteigerung oder gar von Kompetenzbesitz gesprochen wird. Die autoritative Konzentration auf das Individuum hat christlich-abendländische Tradition, ist aber vor allem seit Rousseau (vgl. Ruhloff 1998) charakteristisch für die institutionelle und systematische Pädagogik. Diese Perspektive der affirmativen und institutionellen Einflussnahme auf das Individuum im Interesse einer weithin mit sich selbst einverstandenen Gesellschaft wird aber nun angesichts des Perspektivenwechsels in der theoretischen (kontextuellen) Beobachtung der Lebenspraktiken (und Lebensproblematiken) des Individuums unter den Bedingungen wachsenden Wissens zur gesellschaftlichen (kontextuellen) Verfassung der Lebenszusammenhänge (Identität, Persönlichkeit, Lebensführung) als zu eng und zu technisch ausgelegt wahrgenommen (vgl. Cultural Studies). Der pädagogische Kompetenzbegriff im theoretischen und praktischen Umfeld von Medienpädagogik ist wegen der Personenzentrierung der Pädagogik (wie der traditionellen Psychologie) primär psychologisch-analytisch begründet. Psychologie und Pädagogik finden sich aber nicht nur in ihrer gemeinsamen Fokussierung auf die individuelle Persönlichkeit, sondern auch in einem auf weite Strecken technisch und instrumentell ausgelegten Begriffsmodell wieder, in dem Kompetenz (hier  : Wissen, Technik, Können) dann auch als Ergebnis technisch-methodisch angelegter Übung („vollständiges Lernen“  : Aufnehmen, Einarbeiten, Wiederholen, Erinnern – vgl. Ortner 2002) gesehen wird, als Einübung in eine von der Erwachsenengesellschaft präskribierten Rolle samt den dazu moralisch begründeten Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensmustern (vgl. Bauer 1980/Band I). Neben der Personenzentrierung ist die Medienzentrierung ein weiteres typisches Merkmal für das funktionale und auf Wirkungen bedachte Päda–  200 –

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gogikverständnis einer auf weite Strecken auf Gegen-(Medien-)Einfluss und Gegen-Einwirkung ausgerichteten Konzeption von Medienpädagogik. Der theoretischen Aufladung von Medien (Technik, Technologie und Design) mit Wirkungsvorstellungen entspricht die Aufladung der theoretischen wie praktischen Pädagogik mit Technik, Technologie und Design  : Konzepte aus Sozialtechnologie, Unterrichts- und Medien-Didaktik und nicht zuletzt aus Bildungstechnologie durchziehen nicht nur, aber vor allem die elektronisch formatierten Lernumgebungen. Medienkompetenz in diesem Umfeld versteht sich als Statusnachweis (Qualifikation) avancierten Mediengebrauchs, als Performance der Medienindustrie, der Bildungsmedien selbst, der Lehrer wie der Lerner. Das Ende eines in der industriellen Logik (Fragmentierung der Kompetenz entsprechend den spezialisierten Qualifikationen) konzipierten Kompetenzbegriffs zeichnet sich ab. Er ist eben wegen seiner funktionalistischen Aufladung nicht hinreichend nachhaltig. Eine Alternative macht sich im Umfeld der pädagogischen Anthropologie bemerkbar. Der Kompetenzbegriff aus der pädagogischen Anthropologie bzw. Psychologie (vgl. z. B. Piaget 1966, auch Kohlberg 1997) setzt auf die Fähigkeit des Menschen, sich mit und in seiner Umwelt intelligent und vernünftig zurecht zu finden und zwar so, dass er sich durch ein zunehmend bewusst reflektiertes Verhältnis selbst entdeckt und wieder erkennt (Identität). Mit seiner Fähigkeit dies in Balance von Akkommodation und Assimilation, Anpassung und Angleichung zu bewerkstelligen, begründet und entwickelt er zugleich auch seine Moral (persönliche Verpflichtung und Verantwortung). Wer unter wechselnden Bedingungen der sozialen, kulturellen und symbolischen Kontexte der persönlichen Lebensgestaltung sich selbst und seiner intrinsischen (Individualität und Identität stiftenden) Bestimmung in dem Sinne treu bleibt, dass er umsetzt, was er ist (realisiert, was er meint) und dies im Wissen um die und in Reflexion der an ihn gerichteten Umwelterwartungen bewerkstelligt, leistet dies mit einer Energie, die sich aus der Quelle dieser Kompetenz (hier  : für sich selbst zuständig) speist. Das Kompetenzkonzept ist als kulturtheoretische, anthropologische, später psychologisierte und pädagogisierte und so auf Individuen und ihre gesellschaftliche Performanz konzentrierte Universalkategorie zu verstehen. Es gründet auf der Vorstellung der intrinsischen Würde des menschlichen Lebens aus sich selbst. Kompetenz ist in diesem Sinne kein Besitz, schon gar kein Privileg, das irgendjemandem vorbehalten werden könnte, sondern eine anthropologische Unterstellung, abseits derer es keine Chance gäbe das Leben sinnvoll (meaningful) und absichtsvoll (mindful) zu vollziehen. Die Kon–  201 –

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zepte von Meaningfulness und Mindfulness stammen zwar aus einem anderen Zusammenhang (vgl. Weinberg 1999, Schmidt 2005  : 10 & 18ff ), sind aber auch als Modelle zur Klassifikation der Bewusstheit (Kompetenz als Wissen um Zuständigkeit) der Lebenspläne und als habituelles Programm der Realisierung intrinsischer Zuständigkeit für den subjektiven Lebensvollzug anwendbar. Die Unterstellung von Kompetenz folgt einem philosophisch-anthropologisch begründeten Axiom, das heißt  : Der Mensch gehört sich selbst. Jenseits möglicher evolutionstheoretischer, zugleich religiös kontextualisierter und theologisch konzeptualisierter Daseinsableitungen oder Daseinsbegründungen (z. B. Teilhard de Chardin 1955, 1963  : 243ff, Rahner 1955  : 251ff ) muss man – existenzphilosophisch vorläufig und vor jeder religiös motivierten Verschriftlichung (vgl. Bergson 1991, Heidegger 1994) – davon ausgehen, dass das Protokoll für eine menschliche (menschengleiche, menschenwürdige) Existenz nirgendwo sonst zu finden ist als in der intrinsisch programmierten Erinnerungsarbeit, der Suche des Menschen nach sich selbst in sich selbst (vgl. Frankl 2002). Das ist allemal Selbstfindung im Modell von Kommunikation (Schütz/Luckmann 2003  : 166). Im Wege dieser aus dem Alltag stammenden Kommunikation von Reflexion und Reflexion von Kommunikation entsteht ein multiperspektivisch ausgelegtes, polykulturell offenes Memorandum zur Sinnlage des Menschen, ein basales iteratives Gedächtnis, das im Laufe der konkreten Geschichte selektiv (religiös und an religiöse Gemeinschaften gebunden – in Zeichensystemen kanonisiert, kodifiziert) historisch ausdifferenziert wurde. Das universelle ethische Gedächtnis (kulturelle Kompetenz) nimmt unter den Bedingungen konkreter sozialer (gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher) Bezüge Formen an (kulturelle Performanz) und etabliert sich – nun gesellschaftlich unterschiedlich verteilt – als spezifisch kulturelles Gedächtnis (vgl. Anders 1980b, Assmann 1988). In diesem gerinnen grundsätzlich offene Bezüge zu Werten und Deutungen durch soziale (kulturelle) Kontrolle und durch gesellschaftliche Erwartungen zu Normen, zu Bindungen und Verpflichtungen, die nicht (mehr) nur ihrer intrinsischen Sinnlage (Ästhetik), sondern, zunehmend überlagert, ihrer extrinsischen Sinnlage (Nutzen, Verantwortungsethik) wegen programmatischen Status erhalten (vgl. Edmaier 1968  : 63ff ). Im Vorlauf aller kulturspezifisch und extrinsisch ausgelegten (auch religiös kodifizierten) Kommunikaten zur Daseinsdeutung muss man also annehmen, dass das Basisprotokoll zur Programmierung des kulturkompetenten Lebens in der Kommunikation des intrinsischen Kompetenzprogramms (und nicht in den Kommunikaten) begründet ist. Es ist der kommunikative Wandel, der den Ursprungssatz in Gelegenheitssätze verwandelt. Der Ursprungssatz lautet  : Der Mensch ist –  202 –

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sich selbst verantwortlich, wie und weil er – zumindest philosophisch vorläufig – sich selbst überlassen ist. Unter der Bedingung des Vergessens dieser Voraussetzung haben Kulturen (weil sie macht-affin sind – vgl. Cultural Studies) Folgesätze gebildet, die nicht selten dem Ursprungssatz Gewalt antun. In ihrem Kontext werden die intrinsischen und emanzipatorischen Programme der Evolution des wahren, weil offenen Selbst (Selbstkompetenz) nicht selten zu Kulturen von Repression und Herrschaft bzw. regressiver und dependenter Anpassung. Identität ist dann nicht mehr die intrinsisch gemeinte Annäherung an das wahre Selbst (Identitätskonzept), sondern die Erfüllung zugemuteter Rollen (Identifikationskonzept – vgl. dazu Habermas 1971, 1973c). In diesem Sinne ist kommunikatives Handeln der einzig mögliche, zugleich der existentiell notwendige, allerdings sozial ermittelte und nur so ermittelbare Ort der Behauptung von Selbst, in dem sich Selbstvorstellung (intrinsisches Identitätskonzept) und Fremdvorstellung (extrinsisches Identifikationskonzept) treffen und im Wege der symbolischen Verteilung von Gesellschaftlichkeit kulturell ausverhandelt werden. Die so unter gesellschaftlichen Bedingungen geforderte Behauptung des Selbst (Selbstkompetenz) kann nur im Wege kommunikativer Performanz (Selbstdarstellung in Rollen, Positionen, Funktionen) realisiert werden. Dabei spielen Fähigkeit, Fertigkeit, Bereitschaft, Zuständigkeit und Verantwortung im Gebrauch von Symbol- und Zeichensystemen eine entscheidende Rolle. Das authentische (wahre) Selbst hat zwei Aspekte, das eigene und das (für) andere Selbst. Das eigene Selbst hat und braucht eine Darstellungsseite (das andere Selbst). Diese neigt allerdings dazu, sich als Geste und in der Technik der Geste zu genügen und die soziale Aufmerksamkeit auf sich anstatt auf das durch sie repräsentierte Selbst zu lenken. Die Ästhetik der Technik ist in diesem Sinn immer lauter und vordergründiger als die Aussage, für die sie steht, zugleich aber stützt sie die Aussage und macht sie verhandelbar. Kommunikative Kompetenz (im Sinne von Selbstkompetenz) lässt sich also nur im Gespann mit einem Performanzkonzept (Selbstdarstellung) denken, das im Kontext einer Mediengesellschaft immer ein Medialitätskonzept ist (sein muss). Die Systemfalle  : Erfolg und Erfolgstechnik Der alltägliche gesellschaftliche Gebrauch des Kompetenzmotivs sieht etwas anders aus als die zuvor skizzierte philosophisch-anthropologische Annäherung an das Konzept als Motiv der Eigenzuständigkeit und als Grundlage der individuellen Würde. Unter den Bedingungen der konkreten gesellschaftlichen Praxis, in der der soziale, sachliche und zeitliche Vorsprung den –  203 –

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sich selbst verantwortlich, wie und weil er – zumindest philosophisch vorläufig – sich selbst überlassen ist. Unter der Bedingung des Vergessens dieser Voraussetzung haben Kulturen (weil sie macht-affin sind – vgl. Cultural Studies) Folgesätze gebildet, die nicht selten dem Ursprungssatz Gewalt antun. In ihrem Kontext werden die intrinsischen und emanzipatorischen Programme der Evolution des wahren, weil offenen Selbst (Selbstkompetenz) nicht selten zu Kulturen von Repression und Herrschaft bzw. regressiver und dependenter Anpassung. Identität ist dann nicht mehr die intrinsisch gemeinte Annäherung an das wahre Selbst (Identitätskonzept), sondern die Erfüllung zugemuteter Rollen (Identifikationskonzept – vgl. dazu Habermas 1971, 1973c). In diesem Sinne ist kommunikatives Handeln der einzig mögliche, zugleich der existentiell notwendige, allerdings sozial ermittelte und nur so ermittelbare Ort der Behauptung von Selbst, in dem sich Selbstvorstellung (intrinsisches Identitätskonzept) und Fremdvorstellung (extrinsisches Identifikationskonzept) treffen und im Wege der symbolischen Verteilung von Gesellschaftlichkeit kulturell ausverhandelt werden. Die so unter gesellschaftlichen Bedingungen geforderte Behauptung des Selbst (Selbstkompetenz) kann nur im Wege kommunikativer Performanz (Selbstdarstellung in Rollen, Positionen, Funktionen) realisiert werden. Dabei spielen Fähigkeit, Fertigkeit, Bereitschaft, Zuständigkeit und Verantwortung im Gebrauch von Symbol- und Zeichensystemen eine entscheidende Rolle. Das authentische (wahre) Selbst hat zwei Aspekte, das eigene und das (für) andere Selbst. Das eigene Selbst hat und braucht eine Darstellungsseite (das andere Selbst). Diese neigt allerdings dazu, sich als Geste und in der Technik der Geste zu genügen und die soziale Aufmerksamkeit auf sich anstatt auf das durch sie repräsentierte Selbst zu lenken. Die Ästhetik der Technik ist in diesem Sinn immer lauter und vordergründiger als die Aussage, für die sie steht, zugleich aber stützt sie die Aussage und macht sie verhandelbar. Kommunikative Kompetenz (im Sinne von Selbstkompetenz) lässt sich also nur im Gespann mit einem Performanzkonzept (Selbstdarstellung) denken, das im Kontext einer Mediengesellschaft immer ein Medialitätskonzept ist (sein muss). Die Systemfalle  : Erfolg und Erfolgstechnik Der alltägliche gesellschaftliche Gebrauch des Kompetenzmotivs sieht etwas anders aus als die zuvor skizzierte philosophisch-anthropologische Annäherung an das Konzept als Motiv der Eigenzuständigkeit und als Grundlage der individuellen Würde. Unter den Bedingungen der konkreten gesellschaftlichen Praxis, in der der soziale, sachliche und zeitliche Vorsprung den –  203 –

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­ nterschied von einem zum anderen ausmacht, begründet das Motiv den U Mechanismus sozialer Ordnung  : Kompetenz wird zum Vorsprungs- und Erfolgsmotiv und in diesem Sinne auch das Motiv für soziale Distinktion, für Herrschaft und Unterwerfung (vgl. Foucault 1974)  : Wer sich in den diversen gesellschaftlichen Diskursen zurecht finden und in ihnen in dem Sinne eigenerfolgreich sein will, nämlich so, dass er dabei Rollen, Positionen und Funktionen behaupten oder sogar maximieren kann (Einfluss und Geltung von Rolle, Position und Funktion), investiert in (lernt) den Umgang mit Gesten, Symbolen und Medien der Kommunikation. Der Wert des sozialen Erfolgs (Achtung, Aufmerksamkeit, Einfluss, aber auch  : Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung), erreicht und errungen durch „kommunikativ kompetentes Handeln“ ist im Hinblick auf die ethische Nachhaltigkeit allerdings ambivalent. Der soziale bzw. gesellschaftliche Erfolg ist eine Kategorie, durch die alle Menschen sich zueinander in Wettbewerb gebracht sehen, was dazu führt, dass Erfolg versprechende Methoden der Kommunikation technisch standardisiert und die erfolgsarmen vergessen werden, was genau dem intrinsischen Kompetenzmotiv bzw. dem emanzipatorischen Sinnmoment von Kommunikation widerspricht. Unterscheidung wird mithilfe gleicher Mittel inszeniert und simuliert. Das spricht gegen jede gesellschaftlich vernünftige Beziehungsökologie, die Beziehungen ja nicht als Gebrauchsprodukt einer Erfolgsgesellschaft verstehen kann, sondern als offenes Biotop der sozialen Kultur einer Gesellschaft. Die um die Inszenierung des Erfolgs bemühte Sozialkultur suggeriert die Machbarkeit der sozialen Distinktion (Identität/Identifikation) mit der Gleichsetzung von kommunikativer Technik. Es bleibt zu fürchten, dass unter so gegebenen Bedingungen sich die soziale Kultur des Selbst überall dort schnell verbraucht, wo die Balance zwischen intrinsischem und extrinsischem Selbst nicht gegeben ist. Um dieser erfolgsaffirmativen Alltagspraxis ein kritisch-theoretisches Modell von Kompetenzpädagogik gegenüberstellen zu können, ist es notwendig, das pädagogisch-theoretische Kompetenzverständnis analytisch zu differenzieren und zwischen einem emanzipatorischen und einem kompensatorischen Konzept von Kompetenz zu unterscheiden. Emanzipatorische Konzepte argumentieren mit Wertekonzepten des „wahren Selbst“ (intrinsisches Selbst) (vgl. Beierwaltes 2001) und der Selbstverwirklichung (Autonomie, Souveränität, Individualität, Identität, Diversität, Würde, Gerechtigkeit) (vgl. die Autoren im Umfeld der Frankfurter Schule  : Horkheimer/Adorno 1969a, Habermas 1973a, 1974). Kompensatorische Konzepte argumentieren mit Wertekonzepten der erfolgreichen Sozialisation und der Affirmation des sozialen Drucks (Kommunikationsfertigkeit oder Medienbildung als Faktoren von Vorsprung, Prestige, Erfolgsaussichten). –  204 –

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Während die neueren Konzepte der analytischen bzw. kritischen Bildungstheorie (vgl. Heydorn 2004, Meder 2007, Sünker 1992, Swertz 2000) sehr wohl ein grundsätzlich emanzipatorisches Verständnis von Bildung und dem folgend auch von Medienbildung haben, in dem Bildung den Habitus darstellt, sich auf Basis wachsenden Wissens in seinem Verhältnis zur Umwelt kritisch zu reflektieren und die Fähigkeit dieser Reflexion laufend zu vertiefen, verfolgt die allgemeine pädagogische Praxis im Themenfeld von Kommunikation und Medien (noch) weithin und zunächst Konzepte im Sinne kompensatorischer Kompetenz (Ausgleich von Performanzschwächen) (vgl. Blaschitz/ Seibt 2008). Kompetenz wird darin meist mit Erfolg (oder Erfolgsgrundlage) gleichgesetzt. Erfolg ist aber kein originäres, intrinsisches Zielmodell von Kompetenz, sondern eine systemische Messgröße des sozialen Vergleichs, eine Funktion, ohne die das soziale System (Verteilung von Rollen, Positionen, Funktionen) nicht verlässlich funktionieren würde – und in diesem Sinne eben eine Falle des Systems  : Wer erfolgreich ist bzw. sein will, affirmiert gewolltungewollt die an Herrschaftsinteressen gebundenen Mechanismen der Verteilung von sozialer Aufmerksamkeit. Erfolgsbegehren und Misserfolgsängste sind internalisierte und auf die Bewertung der Persönlichkeit übertragene Positionen der Systemidee, die des sozialen Wettbewerbs (um Aufmerksamkeit) im Modell von Systemordnungen  : zuerst oder zuletzt, vorne oder hinten, unten oder oben, mehr oder weniger, wichtig oder unwichtig, mächtig oder ohnmächtig. Die Inszenierung des Selbst (soziale Performanz), oft missverstanden als das Um und Auf kommunikativer Kompetenz, ist nicht mehr als eine auf der Ebene des Verhaltens einspielbare oder eingespielte Technik der Selbstdarstellung, die unabhängig von der authentischen Haltung (Selbst) Haltungsbilder performiert, die wegen der gemeinsam vorgegebenen und kulturell kontrollierten Bezugnahme auf die sozialen Mechanismen der Gesellschaft (Wettbewerb und soziale Kontrolle) als vorteilsfähig erachtet werden. Konzepte dieser Art, die in pädagogischem Gestus als Programme für Kommunikations- und Kompetenzentwicklung angeboten werden und sich nicht selten mit sehr pragmatisch ausgelegten und angewandten Theoriemodellen legitimieren (so z. B. Schulz von Thun 2010, Berne 2005), sind oft nur praktisch gemeinte Konzepte der Behübschung von sozialer Performanz, Regiepläne für das alltägliche Schauspiel (Goffman 2003, 2011) und in diesem Sinne eine pädagogische Falle der repressiven Auslegung von Identität (sei, was die Gesellschaft von dir erwartet). Die genuine Qualität von Emanzipation (sei, was du bist), die im Kontext von Kommunikation eigentlich nur dialogisch und dialektisch – als Freispielen durch Vereinbarung auf Widersprüche – ausgelegt werden kann, –  205 –

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wird in solchen Lern-Designs zum Programm der (kulturellen) Befreiung durch (soziale) Entlastung abgewertet, indem Verhaltenstechniken so eingeübt werden, dass man sich mit seinen eigenen Inspirationen nicht mehr weiter irritiert. Unter der Bedingung der gegenseitig zugespielten Vereinbarung dieser Absicherung und Bequemlichkeit können Zufall, Einfall und Überraschung (die genuinen Ressourcen von Kommunikation) nichts anrichten und nichts anstellen. Das Ziel ist durch seinen Weg programmiert, der Weg durch sein Ziel definiert. Eben dies ist aber die praktische Logik des Technischen  : Durch die Definition von Effekten, die Ökonomisierung von Effizienz, die Standardisierung von Abläufen, Bezügen und Folgen (was immer eine Festsetzung auf niedrigstem Niveau der Differenzierung bedeutet) werden Gleichschaltungen (gleich gerichtete Schaltungen) etabliert, um so unliebsame und unerwartete Interventionen oder Einfälle präventiv auszuschließen. Soziale Technik ist im Kontext von Kommunikation dann ein Setting von Verhaltensmustern, durch das wechselseitig zugemutete Haltungen (Kompetenzen) auf ein Standardniveau gesetzt (gedrückt) werden, das die Einrechenbarkeit der Entwicklung und die Prognostizierbarkeit von Effekten garantiert. In diesem Sinne ist Technik (immer) perfekt  : Sie macht alles perfekt, heißt  : schon gemacht, schon durchgespielt, schon gewusst wie. Inszenierung und Verständigung Folgt Kommunikation aus dem so beschriebenen Motiv dieser technischen Logik, dann kann man nicht davon ausgehen, dass das Verhalten Verhältnisse konstruiert, die ihnen spiegelgleich entsprechende Haltungen reflektieren. Vielmehr muss man in Rechnung stellen, dass durch Techniken des Verhaltens Verhältnisse inszeniert werden (sollen), die die authentischen Haltungen (vor allem, wo sie sich dem Risiko des Konflikts oder der Ablehnung aussetzen), entspiegeln, also verdunkeln und verdecken. Bedenkt man nun, dass in einer organisierten Gesellschaft die Mehrzahl der Interaktionen funktionalisiert ist (Verständigung auf der Basis von Rollen, Positionen und Funktionen im Klima von kultureller Kontrolle und Wettbewerb um Aufmerksamkeit) und durch in jedem Fall wenigstens technisch problemfreie Kommunikationsabläufe bewerkstelligt werden will, dann soll es nicht weiter wundern, dass in Summe die Kommunikationskultur des Alltags (die Diskurse auf allen Ebenen  : Alltag, Milieu, Medien) zunehmend inszeniert ausfällt. Die Inszenierungslogik und deren wechselseitige Unterstellung im Kontext symbolischer Interaktion ist die Grundlage für eine Kommunikation im Modell der gegenseitigen entspiegelten Begegnung, der Ablenkung (Verdunkelung) von sich selbst, der –  206 –

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wird in solchen Lern-Designs zum Programm der (kulturellen) Befreiung durch (soziale) Entlastung abgewertet, indem Verhaltenstechniken so eingeübt werden, dass man sich mit seinen eigenen Inspirationen nicht mehr weiter irritiert. Unter der Bedingung der gegenseitig zugespielten Vereinbarung dieser Absicherung und Bequemlichkeit können Zufall, Einfall und Überraschung (die genuinen Ressourcen von Kommunikation) nichts anrichten und nichts anstellen. Das Ziel ist durch seinen Weg programmiert, der Weg durch sein Ziel definiert. Eben dies ist aber die praktische Logik des Technischen  : Durch die Definition von Effekten, die Ökonomisierung von Effizienz, die Standardisierung von Abläufen, Bezügen und Folgen (was immer eine Festsetzung auf niedrigstem Niveau der Differenzierung bedeutet) werden Gleichschaltungen (gleich gerichtete Schaltungen) etabliert, um so unliebsame und unerwartete Interventionen oder Einfälle präventiv auszuschließen. Soziale Technik ist im Kontext von Kommunikation dann ein Setting von Verhaltensmustern, durch das wechselseitig zugemutete Haltungen (Kompetenzen) auf ein Standardniveau gesetzt (gedrückt) werden, das die Einrechenbarkeit der Entwicklung und die Prognostizierbarkeit von Effekten garantiert. In diesem Sinne ist Technik (immer) perfekt  : Sie macht alles perfekt, heißt  : schon gemacht, schon durchgespielt, schon gewusst wie. Inszenierung und Verständigung Folgt Kommunikation aus dem so beschriebenen Motiv dieser technischen Logik, dann kann man nicht davon ausgehen, dass das Verhalten Verhältnisse konstruiert, die ihnen spiegelgleich entsprechende Haltungen reflektieren. Vielmehr muss man in Rechnung stellen, dass durch Techniken des Verhaltens Verhältnisse inszeniert werden (sollen), die die authentischen Haltungen (vor allem, wo sie sich dem Risiko des Konflikts oder der Ablehnung aussetzen), entspiegeln, also verdunkeln und verdecken. Bedenkt man nun, dass in einer organisierten Gesellschaft die Mehrzahl der Interaktionen funktionalisiert ist (Verständigung auf der Basis von Rollen, Positionen und Funktionen im Klima von kultureller Kontrolle und Wettbewerb um Aufmerksamkeit) und durch in jedem Fall wenigstens technisch problemfreie Kommunikationsabläufe bewerkstelligt werden will, dann soll es nicht weiter wundern, dass in Summe die Kommunikationskultur des Alltags (die Diskurse auf allen Ebenen  : Alltag, Milieu, Medien) zunehmend inszeniert ausfällt. Die Inszenierungslogik und deren wechselseitige Unterstellung im Kontext symbolischer Interaktion ist die Grundlage für eine Kommunikation im Modell der gegenseitigen entspiegelten Begegnung, der Ablenkung (Verdunkelung) von sich selbst, der –  206 –

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wechselseitigen Vorstellung von Erfolg, des einander zugesicherten Verzichts auf Überraschung und – so – der wechselseitig akzeptierten und gegenseitig unterstellten Täuschung  : Kommunikation als Kulturmodell der gesellschaftlichen Verständigung im Modell des Täuschungsvertrags. Man sollte nicht in Nostalgie verfallen und Zeiten der vornehmlich persönlichen Kommunikationskultur gegen solche der Medienkultur (moralisch) ausspielen  : „Früher war alles besser“. Die Theorie der Kommunikation im Modell des Täuschungsvertrags ist keine Erfindung aus der Beobachtung der zunehmend durch den Mediengebrauch gekennzeichneten Kultur der sozialen Interaktion. Sie ist auch gar nicht moralisch gemeint und will keine moralische Bewertung miteinschließen, sondern sagt nur  : im Umfeld der theoretischen Konzeption von kommunikativer Kompetenz (Medienkompetenz) schärft die kritische Beobachtung der sozialen Kommunikationskultur durch das Prisma ihrer zunehmenden Medialisierung und Mediatisierung den kritischen Blick auf das Geschehen (bzw. deren Beobachtung und Interpretation) und macht den normativen Einschluss in der Theoretisierung von Kommunikation offenkundig, durch den Kommunikation nicht anders möglich (sinnvoll) wäre, denn als Vereinbarung auf Verständigung. Sie kann genauso gut als Verständigung auf Vereinbarung ausfallen – und das tut sie vor allem dort, wo die soziale Umwelt mit institutionalisierten Kontrollen besetzt ist  : Politik, Wirtschaft, Bildung, Medien, Recht, Religionen, Organisationen, Institutionen. Dass solche Bereiche das kommunikative Handeln (und Verhalten) bis zum Grade ihrer Unkenntlichkeit oder Umkehrung funktionalisieren (was es vorstellbar macht, dass ein Politiker, der nicht Fakten zu biegen versteht, eben nicht mehr das Image der Politik erfüllt), macht es denkbar, dass die Verständigung auf eine schon vorgegebene Vereinbarung (und in diesem Sinne auf ein Konstrukt der Täuschung) für viabler gehalten wird als die Vereinbarung auf eine (selbstverständlich  : ergebnisoffene) Verständigung. Kommunikation ist eben nicht nur ein Austauschvorgang einer Handlungssequenz (Aktion), die in sich als abgeschlossene Kommunikationsleistung zu verstehen wäre, wenn eine Ursache eine Wirkung erzielt hat. Diese Konzeption ist lediglich die technisch-typische und technisch-logische Beobachtung von sozialer Praxis und der strukturtheoretischen Auslegung des unserem Verständnis von Kommunikation hinterlegten Handlungsparadigma. Kommunikation ist mehr als der Gebrauch oder die Setzung von Aktion, Interaktion oder Transaktion zur Definition von Situationen. Kommunikation ist ein in Handlungs-, Deutungs- und Erlebniszusammenhängen exemplifizierter Kulturzusammenhang und – theoretisch interpretiert – ein begriffliches Modell der –  207 –

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Beobachtung der sozialen Praxis der Konstruktion von Zusammenhängen und Konstellationen, das den kulturellen Komplex der Verständigung auf die Unterschiedlichkeit der Wirklichkeitsbilder in ein Suchbild bringt, das aber selbst nicht an vorgegebene Grenzen (frames) von Zeit, Raum oder wechselseitig zugespielter Bezüge gebunden ist, sondern solche für sich erst generiert und thematisiert als soziale Bezugnahme auf (Anschluss an) Themen, Menschen, Umwelten, Ereignisse und Ereignisdeutungen im Wege der geteilten Nutzung eines wechselseitig zugestandenen oder unterstellten Zeichensystems (Mediums). Die Wirklichkeitsbilder, auf die man sich in solchen Kulturprozessen vereinbart, sind als Konstruktionen oder Konstrukte so wahr, wie sie falsch sein können und so falsch, wie sie wahr sein können. Eben diese konstruktionstheoretische Einordnung ermöglicht die kritisch-theoretische Konzeption von Kommunikation als kulturell ausverhandelter Übereinkunft auf die Möglichkeit der Verstellung (Täuschungsvertrag), ohne damit eine moralische Position schon vorzugeben. Der Begriff der Täuschung umschreibt in diesem Modell lediglich die Annahme, dass das vereinbarte Wirklichkeitsbild eine kommunikativ ausverhandelte Wahrheit und in diesem Sinne eine praktische Theorie darstellt, die nicht notwendig mit einer objektiven (kommunikationsunabhängigen) Wahrheit übereinstimmen muss und in der daher das Eine durchaus das Andere sein kann oder als das Andere genommen werden kann. Das mit diesem Merkmal der Inszenierung (Täuschung) in ein sozial-kulturelles Modell der sozialen Praxis gestellte und aus der Beobachtung der Einmal-Handlung entbundene Verständnis von Kommunikation hat eine hohe Affinität zum Begriff der Konversation. Konversation ist ein kulturelles (oft als südländisch stereotypisiertes) Muster des Austausches von Erfahrung, in dem Subjektivität, Emotionalität, die Inszenierung von Gestik und Sprache, Beziehungsarbeit und Bezugnahmen, eine gewisse Beliebigkeit von Zielen und Ergebnissen und weniger strenge Auflagen der Unterscheidung zwischen Wissen und Meinung, zwischen Fakten und deren Interpretation, Witz und Einfall eine für das Gesamtbild der Empfindung wichtige Rolle spielen. Ein in diesem Sinne konversationstheoretisch ausgelegtes Modell von Kommunikation legt das Täuschungsmodell als Fähigkeit der Inszenierung des Gesprächs, als Spiel von Sprache und Gegensprache und als kulturelle Passage der wechselseitigen Versicherung der Zusammengehörigkeit nahe. Es ist klar, dass ein so ausgelegter Kommunikationsbegriff die schönen und analytisch funktionalisierten und homogenisierten Ordnungen von Kommunikation, Manipulation, Persuasion, Information und in dessen Folge die gewohnten Abgrenzungen zwischen Information und Unterhaltung, sowie zwischen Journalismus, Public Relations und Werbung und ziemlich die –  208 –

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normativ ausfallende Unterscheidung zwischen Qualitätsmedien und Boulevardmedien – zumindest vorläufig – über den Haufen wirft. Für die De-Elitisierung des Kommunikationsbegriffs in Theorie und (gesellschaftlicher) Praxis, vor allem im Kontext des hier angestellten Versuchs über kommunikative und mediale Kompetenz, angewandt im Zusammenhang mit der praktischen Kommunikations- und Medienbildung, ist diese theoretische Zumutung aber kathartisch  : Sie dekonstruiert die normtheoretisch angenommene und praktisch so eingeforderte Komplementarität von Kommunikation, Wahrheit, Identität, Autorität, Wissen, Moral, Macht, Einfluss und vieler weiterer in diesem Umfeld angesiedelter Kommunikationskulturwerte. Wahrheit im Spiegel des Täuschungsmodells Ein inszenierungstheoretisches Modell von Kommunikation (vgl. dazu Goff­ man 2011), in dem der Begriff der Täuschung als Modell, auf das man sich gesellschaftlich vereinbart, funktioniert, entsteht aus der zuvor schon formulierten Beobachtung, dass das Kompetenzkonzept, mit dem die medienpädagogische Theorie arbeitet, ein Konstrukt ist, das sich seinerseits aus der Beobachtung des komplexen Verhältnisses von Selbst (Kompetenz-frame, intrinsische Selbstwahrnehmung) und Anders (Performanz-frame, extrinsische Selbstwahrnehmung), etwas flach als Verhältnis von Individuum und Gesellschaft formuliert, ergibt. In gewissem Sinne ist das Täuschungsmotiv ein theoretisches Motiv (Suchbild) der sozial-kulturtheoretischen Betrachtung von Kommunikation. Es will keine Aussage zur Substanz der Kommunikation machen, ist also kein theoretisches Modell, das erklärt, was Kommunikation ist, sondern ist ein Motiv zur Fokussierung auf die Qualität der Kommunikation im Blick auf den theoretischen Horizont von Kompetenz- und Wahrheitserwartung, ist also ein Bestimmungsversuch zur Frage, wie das Modell von Kommunikation als Ort der Selbstbestimmung beobachtet werden kann. Es geht, theorie-theoretisch eingeordnet, hier weniger um eine Erklärung (Analyse-Motiv) als vielmehr – weil im Kontext der Kompetenzfrage erörtert – um ein Klassifikationsmotiv der erkenntnistheoretischen und ethiktheoretischen Einordnung. Eine systematische und diskursive Vertiefung wäre natürlich notwendig, um die theoretische Güte und Gültigkeit des Modells auch für den Gebrauch der Analyse auszuloten. In diesem Zusammenhang aber reicht es zunächst, es als Klassifikationsmotiv und als theoretisches Suchbild zur kritischen Beobachtung der sozialen Praxis der Kommunikation auszuweisen. Setzt man sich nun mit der ethisch-moralischen Seite eines so formulierten Kommunikationskonzepts auseinander, was für die wissenschaftliche ist gleich –  209 –

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normativ ausfallende Unterscheidung zwischen Qualitätsmedien und Boulevardmedien – zumindest vorläufig – über den Haufen wirft. Für die De-Elitisierung des Kommunikationsbegriffs in Theorie und (gesellschaftlicher) Praxis, vor allem im Kontext des hier angestellten Versuchs über kommunikative und mediale Kompetenz, angewandt im Zusammenhang mit der praktischen Kommunikations- und Medienbildung, ist diese theoretische Zumutung aber kathartisch  : Sie dekonstruiert die normtheoretisch angenommene und praktisch so eingeforderte Komplementarität von Kommunikation, Wahrheit, Identität, Autorität, Wissen, Moral, Macht, Einfluss und vieler weiterer in diesem Umfeld angesiedelter Kommunikationskulturwerte. Wahrheit im Spiegel des Täuschungsmodells Ein inszenierungstheoretisches Modell von Kommunikation (vgl. dazu Goff­ man 2011), in dem der Begriff der Täuschung als Modell, auf das man sich gesellschaftlich vereinbart, funktioniert, entsteht aus der zuvor schon formulierten Beobachtung, dass das Kompetenzkonzept, mit dem die medienpädagogische Theorie arbeitet, ein Konstrukt ist, das sich seinerseits aus der Beobachtung des komplexen Verhältnisses von Selbst (Kompetenz-frame, intrinsische Selbstwahrnehmung) und Anders (Performanz-frame, extrinsische Selbstwahrnehmung), etwas flach als Verhältnis von Individuum und Gesellschaft formuliert, ergibt. In gewissem Sinne ist das Täuschungsmotiv ein theoretisches Motiv (Suchbild) der sozial-kulturtheoretischen Betrachtung von Kommunikation. Es will keine Aussage zur Substanz der Kommunikation machen, ist also kein theoretisches Modell, das erklärt, was Kommunikation ist, sondern ist ein Motiv zur Fokussierung auf die Qualität der Kommunikation im Blick auf den theoretischen Horizont von Kompetenz- und Wahrheitserwartung, ist also ein Bestimmungsversuch zur Frage, wie das Modell von Kommunikation als Ort der Selbstbestimmung beobachtet werden kann. Es geht, theorie-theoretisch eingeordnet, hier weniger um eine Erklärung (Analyse-Motiv) als vielmehr – weil im Kontext der Kompetenzfrage erörtert – um ein Klassifikationsmotiv der erkenntnistheoretischen und ethiktheoretischen Einordnung. Eine systematische und diskursive Vertiefung wäre natürlich notwendig, um die theoretische Güte und Gültigkeit des Modells auch für den Gebrauch der Analyse auszuloten. In diesem Zusammenhang aber reicht es zunächst, es als Klassifikationsmotiv und als theoretisches Suchbild zur kritischen Beobachtung der sozialen Praxis der Kommunikation auszuweisen. Setzt man sich nun mit der ethisch-moralischen Seite eines so formulierten Kommunikationskonzepts auseinander, was für die wissenschaftliche ist gleich –  209 –

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gesellschaftliche Legitimation der theoretischen Konstruktion – vor allem im Kontext des Versuchs über Kompetenz – unverzichtbar ist, dann stößt man der alltäglichen Semantik folgend auf Unterscheidungen in Form von Begriffspaaren wie Wahrheit und Lüge, Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, Vertrauen und Enttäuschung. Diese Begriffe sind im traditionellen kommunikationstheoretischen Umfeld ungewohnt. Sie repräsentieren nicht die Hardware der Kommunikationstheorie, sondern stammen aus dem theoretischen Softwareprogramm, das erstens begrifflich viel offener, weil hermeneutisch einzuordnen ist  ; das zweitens so nahe an der Alltagssemantik liegt, dass man die gewohnte Trennschärfe zwischen Alltagssprache und wissenschaftlicher Begrifflichkeit möglicherweise vermisst. Es gehört aber auch zum Programm der De-Elitisierung von Kommunikation (und kommunikativer Kompetenz) in Theorie und Praxis, diese Unterscheidung mit Absicht zu unterlaufen und sichtbar zu machen, dass die Hermeneutik des Alltags die Grundlage für eine wissenschaftlich mögliche Hermeneutik ist, wie die wissenschaftliche Hermeneutik der praktischen Hermeneutik von Kommunikation dann Anstöße zur Differenzierung geben kann, denen die Praxis ausweicht. Die Komplexität der Welt liegt darin, dass sie verschiedensten Sinn-Richtungen gegenüber offen ist. Die Identifizierung von Welt ist zugleich deren Sinnbestimmung, geleistet im Wege der Kommunikation (Beobachtung). Kommunikation kann man, wie schon systemtheoretisch dargelegt (vgl. Luhmann 1974), verstehen als Sinnbehauptung gegen die Unbestimmtheit von Erfahrung. Denn die Welt wird erfahren als eine Fülle von Sinn-Möglichkeiten, die ja nur in ihr selbst liegen können bzw. in deren Wahrnehmung konstruiert werden. Sinn ist die Identität begründende Selektion aus einer Fülle von Möglichkeiten. Unter dieser Voraussetzung ist sie – gerade weil sie mit der Möglichkeit der Täuschung arbeitet – als Ort der Wahrheit und des Vertrauens ein moralisch gleichermaßen anfälliges wie kompetentes Sozialmuster. Wenn Selbstbehauptung und Selbstbestimmung im Wege von Bestimmung und Behauptung der Aussage durchgesetzt werden (müssen), dann werden das Selbst und die Aussage im Hinblick auf die gesellschaftlich erwartete Wahrheit und Wahrhaftigkeit gleichgestellt und eine sachlich unrichtige Aussage als Selbstverleugnung wie eine sachlich richtige Aussage als Selbstbestätigung genommen. Diese Kongruenz kann durch Kommunikation (zur Wirklichkeitsbestimmung) ebenso unterlaufen werden, wie sie konstruiert werden kann, was dann heißt  : wahr (wirklich) kann auch das mögliche Falsche sein, wenn man sich auf dieses geeinigt hat. Kommunikation ist wohl ein Werkzeug der Logik, aber selbst kein logisches Programm. Die Ja/Nein-Logik ist wegen –  210 –

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ihrer Vernünftigkeit (logische Rationalität) noch lange nicht moralisch vernünftig (moralische Rationalität). Sie schließt vor allem das Kontingenz- und das Diversitätsthema aus, dementsprechend man Realität als eine Selektion aus der Kontingenz der Welt durch und im Wege der Beobachtung wertet  ; und diese wieder einem kulturell fortgeschriebenen und kontrollierten Beobachtungsprogramm folgt. In diesem konstruktivistischen Kontext nimmt sich die Gleichung  : was logisch richtig ist, ist auch moralisch richtig, als voreingenommen aus. Es gibt keine (logische) Natur der Wahrheit, wie es keine solche der Lüge gibt. Man kann also annehmen, dass es in diesem Spiel einen kulturhistorischen Moment (Prozess) der „feindlichen Übernahme“ gegeben haben muss  : eine moralische Überfremdung der Logik. Weil und wenn etwas logisch ist, ist es deshalb noch lange nicht moralisch. Denn beides sind einander weder ausschließende noch notwendig einander einschließende, wohl aber in der Bewertung von Wirklichkeit sich ergänzende Perspektiven der Beobachtung und der Bestimmung von Realität (Unbestimmtheit). Auch die logische Konzeption von Welt ist (nur) eine auf ihre Weise kommunikativ programmierte Vereinbarung, wie dies die moralische Konzeption von Welt auf ihre Weise ist. Die Moralisierung der Ja/Nein-Logik kann man in diesem konstruktivistischen Kontext nur verstehen als die Hierarchisierung und Verherrschaftung des logisch konstruierten Unitätsmodells, als strategische Übertragung der Einheitslogik in die (moralische) Begründung von Sozialdynamik. Gerade aber wegen der moralischen Frage nach Wahrheit, um die es, wie man immer meint (vgl. Habermas 1981) bei Kommunikation ginge – die so nebenbei bemerkt im Kontext von dialogischer Kommunikation ja gar nicht mit dem Inhalt der Kommunikation, sondern mit deren sozialem Verfahren zu tun hat (Schmidt 2003  : 128ff ) – stellt sich die Frage nach der Wahrheit der Moral  : Da sie ein kulturelles Programm ist, also sowohl kulturell entwickelt wie auch in kulturellem Gebrauch ist, hat auch sie einen Status der Konstruktion von Sinn unter der Bedingung des Wissens, dass Unbestimmtheit nur durch kommunikative Bestimmung sozial relevant und vertrauenssicher verarbeitet werden kann. Also geht es nicht um Wahrheit/Unwahrheit als logische Größen und nicht um Lüge als moralisch verachtete unlogische Größe, sondern um Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit als moralische Kategorien des sozialen Vertrauens und um Lüge als deren mögliches Gegenprogramm. Ehrlichkeit muss nicht logisch sein. Als moralische Kategorie hat sie aber gute Chancen der Akzeptanz, wenn Wissen (logisch) bewiesen werden kann. Aber nicht jeder Beweis ist, wie man weiß, nur wenn und weil er logisch sein mag, zugleich ehrlich. Lüge kann logisch sein und oft gerade dort punkten, wo Ehrlichkeit sich nicht auf Logik berufen kann. Es gibt also keine logische Mat–  211 –

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rix in den Verbindungen von Wahrheit, Lüge, Logik, Moral, es sei denn eine kommunikativ konstruierte. Das logische Protokoll von Wahrheit und Lüge ist, wie das moralische, ein Protokoll sozialer Übereinkunft, das selbst wieder nur durch Kommunikation bestätigt oder verändert werden kann. Kompetenz als Programm von Authentizität Weil Kommunikation in diesem Sinne kein logisches Programm ist, sondern eine kulturell-konstruktive Spiegelung der Situation, in der sie stattfindet und auf die sie sich bezieht, ist auch ihr ethisches Programm nicht bedingungslos (nur bedingt) logisch, ethisch also nicht eindeutig und nicht frei von Bedingungen der moralischen Differenz. Das verlangt nach einem elastischen Motiv und einem dehnbaren Modul, um die wechselnde und von Situation zu Situation unterschiedliche Distanz zwischen dem Postulat der Selbstbehauptung, den Postulaten von Stimmigkeit und der Absicherung von Vertrauen zu überbrücken, die nirgendwo sonst aufgehängt werden kann als in der Annahme des von ethischer Haltung und Kompetenz (auch  : moralischer Zuständigkeit) geprägten Verhaltens („soft skills“) von Individuen, weil eben nur dort bedingt beobachtbar. Diese Brücke heißt kompetenztheoretisch Authentizität oder im Kontext der moralischen Bewertung der kommunikativen Performanz  : Ehrlichkeit. Authentizität kann als Programm (Software) des Kompetenzkonzepts von Menschen verstanden werden, das dann ohne Störung läuft, wenn die Kontexte (Selbst, Gesellschaft, Umwelt, Situation, Geschichte, Scripts etc.) störungsfrei sind. Ehrlichkeit ist ein ethisches Konstrukt im Hinblick auf das Kompetenzpostulat Authentizität, mit dem sichergestellt sein soll, dass eine Aussage (Äußerung) der inneren Wahrnehmung (Erinnerung) des Menschen entspricht, der sie tut. Die Idee dahinter, die ja auch sprachlich abgebildet ist, ist, dass jemand, der sich treu bleibt, Vertrauen verdient, ohne dabei Empathie und Verständnis schuldig zu bleiben. Der Wunsch nach Ehrlichkeit hat zu tun mit der Not der menschlichen Kommunikation der Konstruktion von Wirklichkeit zwischen Wahrheit und Täuschung  : Er möchte Unsicherheit ausschließen oder minimieren und er kann dies nur durch Kommunikation, die zugleich, weil sie sich auf kein natürlich vorgegebenes Protokoll beziehen kann, das fehleranfälligste soziale Muster ist. Die Fehlerfälligkeit der Kommunikation ist strukturell  : Sie ist der Grund für die Täuschung als Wirklichkeitsprogramm und gerade deshalb auch die axiomatische Grundlage für die Freiheit zur Wahrheit von Kommunikation. Nicht die Wahrheit nimmt die Kommunikation in die Pflicht, sondern die Kommunikation die Wahrheit. –  212 –

Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

rix in den Verbindungen von Wahrheit, Lüge, Logik, Moral, es sei denn eine kommunikativ konstruierte. Das logische Protokoll von Wahrheit und Lüge ist, wie das moralische, ein Protokoll sozialer Übereinkunft, das selbst wieder nur durch Kommunikation bestätigt oder verändert werden kann. Kompetenz als Programm von Authentizität Weil Kommunikation in diesem Sinne kein logisches Programm ist, sondern eine kulturell-konstruktive Spiegelung der Situation, in der sie stattfindet und auf die sie sich bezieht, ist auch ihr ethisches Programm nicht bedingungslos (nur bedingt) logisch, ethisch also nicht eindeutig und nicht frei von Bedingungen der moralischen Differenz. Das verlangt nach einem elastischen Motiv und einem dehnbaren Modul, um die wechselnde und von Situation zu Situation unterschiedliche Distanz zwischen dem Postulat der Selbstbehauptung, den Postulaten von Stimmigkeit und der Absicherung von Vertrauen zu überbrücken, die nirgendwo sonst aufgehängt werden kann als in der Annahme des von ethischer Haltung und Kompetenz (auch  : moralischer Zuständigkeit) geprägten Verhaltens („soft skills“) von Individuen, weil eben nur dort bedingt beobachtbar. Diese Brücke heißt kompetenztheoretisch Authentizität oder im Kontext der moralischen Bewertung der kommunikativen Performanz  : Ehrlichkeit. Authentizität kann als Programm (Software) des Kompetenzkonzepts von Menschen verstanden werden, das dann ohne Störung läuft, wenn die Kontexte (Selbst, Gesellschaft, Umwelt, Situation, Geschichte, Scripts etc.) störungsfrei sind. Ehrlichkeit ist ein ethisches Konstrukt im Hinblick auf das Kompetenzpostulat Authentizität, mit dem sichergestellt sein soll, dass eine Aussage (Äußerung) der inneren Wahrnehmung (Erinnerung) des Menschen entspricht, der sie tut. Die Idee dahinter, die ja auch sprachlich abgebildet ist, ist, dass jemand, der sich treu bleibt, Vertrauen verdient, ohne dabei Empathie und Verständnis schuldig zu bleiben. Der Wunsch nach Ehrlichkeit hat zu tun mit der Not der menschlichen Kommunikation der Konstruktion von Wirklichkeit zwischen Wahrheit und Täuschung  : Er möchte Unsicherheit ausschließen oder minimieren und er kann dies nur durch Kommunikation, die zugleich, weil sie sich auf kein natürlich vorgegebenes Protokoll beziehen kann, das fehleranfälligste soziale Muster ist. Die Fehlerfälligkeit der Kommunikation ist strukturell  : Sie ist der Grund für die Täuschung als Wirklichkeitsprogramm und gerade deshalb auch die axiomatische Grundlage für die Freiheit zur Wahrheit von Kommunikation. Nicht die Wahrheit nimmt die Kommunikation in die Pflicht, sondern die Kommunikation die Wahrheit. –  212 –

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In diesem Umfeld ist Ehrlichkeit eine moralische Größe und ein kulturelles Gut gesellschaftlicher Vertrauensvereinbarung, jenseits der es keine weitere Möglichkeit gibt die Verlässlichkeit einer Aussage zu prüfen, es sei denn ihren logischen Status. Auch jede weitere Auseinandersetzung über eine Aussage, ob sie nun ehrlich gewesen sei oder nicht, bleibt (nur) Kommunikation und somit ein Teil des Problems der Verlässlichkeit. Ehrlichkeit ist die subjektive und individuelle Seite von einem Wahrheitskonzept, von dem wir auch gerne hätten, dass es Objektivität, Umfassendheit und Unabhängigkeit logisch in sich schlösse. Sie ist es nicht, weil Wahrheit nicht (nur) inhaltlich (als richtig) zu beschreiben ist, sondern deren Feststellung immer auch durch die (unlogische) Beziehung der Menschen, die miteinander im Gespräch sind, bedingt ist. In diesem Sinne, auch wenn es den Wunsch nach einer nicht von Menschen bedingten und abhängigen Ehrlichkeit (Wahrheit) gibt, gibt es keine bedingungslose Ehrlichkeit. Ehrlichkeit ist immer kontextuell und gerade deshalb ein elastisches Motiv. Unter den vielen möglichen Bedingungen (Angst, Furcht, Hoffnung, Erwartung, Strategie, Täuschung etc.), die man möglicherweise ausklammern kann, bleibt die eine Bedingung immer bestehen  : Wahrnehmung. Nichts, was wir für richtig oder wahr halten, und alles, wovon wir nicht wissen, ob oder dass es wahr ist, lässt sich außerhalb unserer Wahrnehmung für wahr oder unwahr bestimmen. Was wir für wahr oder unwahr bestimmen, bestimmen wir. Wahrnehmung ist kein passives Geschehen. Die Wirklichkeit passiert uns nicht, wir tun sie durch die Absicht (in) unserer Wahrnehmung. Weil also keine Wahrnehmung absichtsfrei ist, ist auch Ehrlichkeit nicht absichtsfrei. Bei der Lüge unterstellt man in der Regel Absichten. Bei Ehrlichkeit ist die Unterstellung von Absicht genauso notwendig wie möglich. Diese Argumentation ist klarerweise so nur dann logisch, wenn man sie im Kontext konstruktivistischer Erkenntnistheorie anstellt, in deren Perspektive die Dinge sind, wie wir sie wahrnehmen, weil wir sie wahrnehmen, wie wir sie wahrnehmen (Glasersfeld 1997, Schmidt 2003). Sie repräsentieren (vergegenständlichen) das kulturelle Programm von Beobachtung und Deutung. Wahrnehmung ist habitualisierte Beobachtung, die ihrerseits immer als Fokussierung über ein Motiv passiert, ähnlich der Schärfeneinstellung und Rahmendefinition in der fotografischen Wahrnehmung. Weil so die Welt gebildet und in diesen Bildern sozial kommuniziert wird, sind es Beobachtung, Wahrnehmung und Kommunikation, die den Dingen die Ordnung geben, die sie haben oder darstellen und in denen sie (wieder) kommuniziert werden (können). Diese Ordnungen sind weitgehend kulturell (semantisch) geregelt. Die Ausnahme (von „der Regel“) ist die Wahrnehmung der Differenz und –  213 –

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sie bestätigt deshalb, dass es so ist. Auch das ethische Konzept von Ehrlichkeit hat Grenzen der Allgemeingültigkeit, bedingt durch Ausnahmen  : die der Kompetenz des Einzelnen, sich selbst und seine Umwelt in jedweder Lage aus hinreichend kritischer Distanz wahrzunehmen. Ehrlichkeit ist nicht in erster Linie eine Bewertung des Inhalts, sondern eine Bewertung der Beziehung der Person zur (sachlichen) Stimmigkeit des Inhalts, vor allem, wenn diese Konsequenzen nach sich zieht, die man lieber vermeiden möchte. Das ist nicht nur, aber wenn man es psychologisch betrachtet, meist eine Frage der Persönlichkeitsbildung. Die letzte Bedingung der Ehrlichkeit ist die Persönlichkeit. Das macht die Summe möglich  : Der Mut zur Ehrlichkeit ist der Mut zur Persönlichkeit. Genau deshalb ist die Diktion „Mut zur Ehrlichkeit“ etwas verfänglich. Denn der Mut zur Ehrlichkeit ist (einmal nicht moralisch betrachtet) genauso wie „der Mut zur Lüge“ ein Experiment mit den Erwartungen der Gesellschaft oder des Gesprächspartners. Dass wir den einen Mut moralisch aufwerten und den anderen moralisch abwerten, hängt mit dem Kulturprogramm unserer Gesellschaft zusammen und mit der moralisch besetzten Beziehung zur Kategorie der Verantwortung. Ehrlichkeit wird moralisch vorschnell als Haltung der Verantwortung identifiziert, während Lüge moralisch vorschnell als Haltung der Verantwortungslosigkeit geziehen wird. Es gibt nicht „die“ Lüge als das Gegenteil von „der“ Wahrheit. Im Hinblick auf Ehrlichkeit, Authentizität und Selbstkompetenz sind beides, Lüge und Wahrheit, Herausforderungen der persönlichen Kompetenz. Die Lüge ist nicht das einfachere Modell und Wahrheit nicht das schwierigere. Das theoretische Modell des Täuschungsvertrages provoziert zu Recht die Frage  : Kann Kommunikation, die einzig auf Wahrheit und Ehrlichkeit ausgerichtet ist, sozial funktionieren  ? Wahrheit ist kein kommunikationsabhängiges, ethisches Gut, das heißt auch ganz schlicht  : außerhalb von Kommunikation gibt es keinen Existenzraum für das, was wir Wahrheit nennen. Aber alles, was als wahr (schon) kommuniziert und dargestellt ist, ist erinnerbar. In diesem Sinne steht jede Kommunikation vor der Entscheidung für den Anschluss an (schon kommunizierter und so gewusster) Wahrheit. Wenn also Kommunikation (die soziale Praxis unserer zwischenmenschlichen Verständigung auf das, was uns beschäftigt und wodurch wir zueinander in Beziehung geraten) die Bedingung für die Ehrlichkeit des Anschlusses an Wahrheit ist, dann ist es nicht so, dass Kommunikation auf Wahrheit oder Ehrlichkeit basieren, sondern vielmehr ist es umgekehrt  : Wahrheit und Ehrlichkeit basieren auf Kommunikation. Nicht Wahrheit und Ehrlichkeit sind die Bedingungen für Kommunikation, sondern Kommunikation ist die Bedingung für Wahrheit und Ehrlichkeit. Das ist eine aus der Theorie der Kommunikation abzuleitende –  214 –

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Umkehrung von Figur und Grund, die im Hinblick auf die abendländische (philosophische, moralische) Tradition der axiomatischen Position von (der einen) Wahrheit vermutlich sehr schwer nachzuvollziehen ist (vgl. Schmidt 2007). Wahrheit ist kein Beweismodell, sie lässt sich (als solche) nie nachweisen, sie lässt sich nur wissen, was einen Unterschied macht  : Sie ist ein (logisches und/oder ethisches) Wissensmodell. Mit diesem Modell „wissen“ wir und sind uns in diesem Sinne dessen bewusst, dass wir im Rahmen der sozialen Verständigung darauf angewiesen sind, unserer Kommunikation (Spruch und Widerspruch) um der Sicherheit willen, dass wir einander gültig und wirklich (Wirklichkeit vereinbarend) verstehen, eine Grenze setzen, hinter der zu gehen ein unmoralischer, weil der Wirklichkeits- und Wahrheitserwartung zuwider laufender Akt wäre. Wenn man sich Wahrheit als einen Wirklichkeitskomplex vorstellt, der auch außerhalb von Kommunikation eine Existenz hat und Kommunikation als nichts anderes versteht als das Mittel zum Zweck der Wahrheit, dann hat es den Anschein, als wäre die Lüge im Vergleich zu Wahrheit und Ehrlichkeit nichts anderes als ein kommunikationstechnisches Verfahren und deshalb unmoralisch, weil es die (natürlich-kultürlichen) Regeln der Kommunikation missbraucht. Denkt man so, dann würde man das Wirklichkeitspotenzial der „Lüge“ (als Wirklichkeit konstruierende) Kommunikation bei weitem unterschätzen, wie man in demselben Modell das Wirklichkeitspotenzial von Wahrheit überschätzt. Täuschung und Lüge sind keine kommunikationstechnischen Erfindungen, sondern, wie Wahrheit bzw. Wahrhaftigkeit, moral-relevante Kategorien, mit denen man den Vertrauenswert von Kommunikation beschreibt bzw. bewertet. Wenn Kommunikation eine Technik braucht, um eine Aussage zu positionieren, dann ist der technische Aufwand für die Produktion von Wahrheit nicht anders als der für die Produktion von Lüge. Die Unterscheidung ist (lediglich) beziehungsrelevant. Lüge kann wahr sein, so wie man mit „der“ Wahrheit schon oft genug gelogen hat. Beides sind keine eindeutigen und unbedingten Größen, sondern eben mehrdeutig und bedingt, in diesem Sinne also relationale Größen. Kinder, die, wenn sie unerwartet zur Rede gestellt werden, oft „aus der Not“ lügen, sagen gesamtsprachlich sehr wohl und sehr klar, dass sie es für die einzig mögliche Form der Wahrheit halten, zu lügen, weil sie wissen, dass ihre Vorstellungsbilder nicht kompatibel sind mit den Zielbildern und Erwartungen derer, die sie zur Rede „stellen“. Wie sehr hat man umgekehrt mit Wahrheiten Menschen schon belogen, indem man das faktisch Richtige an- (oder aus-)spricht, aber die Gemeinsamkeit der Deutung vermeidet oder hintergeht oder überhaupt das falsche (verlogene) soziale Setting für die inhaltlich richtige Aussage hält. Kommunikation –  215 –

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ist immer in dem Maße, in dem sie ein Wirklichkeits- (Wahrheits-)vertrag ist, auch ein Täuschungsvertrag im Hinblick auf andere, situativ ausgeblendete oder vermiedene, weil nicht für notwendig erachtete, wenn auch nicht unmögliche, konnotative Auslegungen des Kontingenzpotenzials von wirklichen (weil eben so ausverhandelten) Situationen, Themen, Ereignissen und deren Deutung. Wirklichkeit (auch Wahrheit) ist, solange sie nicht moralisch verbindlich ausverhandelt ist oder die Referenz auf eine solche Verbindlichkeit nicht beansprucht wird, ein offenes Projekt der Vereinbarung zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit und in diesem Sinne grundsätzlich tauschbar und täuschungsanfällig. Täuschung ist eine den Handlungstypen (vgl. Habermas 1981) implizite kommunikationsbeteiligte Kategorie, nicht nur eine des strategischen Handelns – ob nun unbewusst verzerrt oder bewusst manipuliert – sondern auch des (so differenziert bezeichneten) „kommunikativen“ Handelns, insofern Kommunikation immer ein strategisches (teleologisch interpretierbares) Geschehen ist, das es dadurch ist, dass es als solches von allen Beteiligten gemeint wird (sein muss). In diesem Sinne sind Täuschung und Lüge nicht Techniken gegen „die Wahrheit“, sondern eine unmoralische (so nicht einlösbare und nicht verantwortete bzw. nicht verantwortbare) Behauptung von Kontingenz gegenüber einer erwartbaren Unterstellung – in der Sache nicht unmöglich, nicht notwendig, aber im Hinblick auf die notwendige Vertrauensvereinbarung unvereinbar. Lüge bzw. die verlogene Abweichung ist in jeder Wahrheit als logisches anderes oder zweites Motiv miteingeschlossen, wie in jeder Lüge „die“ Wahrheit als logisches zweites Motiv miteingeschlossen ist. Beides, Wahrheit und Lüge, sind abstrahierte Konstrukte zu der notwendigerweise immer un-ein-deutigen (notwendiger- und möglicherweise immer mehr-deutbaren) Kommunikation, die wir der moralischen Absicherung wegen und zur Abschätzung der Verlässlichkeit von Wirklichkeitsvereinbarungen einsetzen. Täuschung (Maskierung) wird wechselseitig kommunikativ eingerechnet. Sie wird ethisch explizit dann fragwürdig, wenn sie im kommunikativen Verfahren als Motiv (Fokussierung und Rahmendefinition) der Steuerung der wechselseitigen Beobachtung und der symbolischen Interaktion unter Einrechnung oder Absicht der Einschränkung der Bedingungen der Wahrnehmung bzw. des Wahrheitsverlusts des jeweils anderen eingesetzt oder unterstellt wird. Dass dies so geschieht, hat mit der (oft fehlgeleiteten) Einschätzung der Rahmenbedingungen zu tun, in denen die Wirklichkeit verhandelt wird. Solche Rahmenbedingungen müssen nicht real-objektiv sein, sie sind (für den Einzelnen) real, wenn sie dessen Vorstellung und Beobachtung besetzen. –  216 –

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Kompetenz als Programm von Emanzipation Der Konzeption von sozialen Beziehungen im Modell von Rollen, Positionen und Funktionen ist eigen, dass Kompetenz in erster Linie als technische Fähigkeit und als inhaltliche Zuständigkeit von Rolle, Position oder Funktion beschrieben wird. Angewandt auf die Frage nach der Zuständigkeit und Verantwortung von Wahrheit stellt sich das Thema der Kompetenz dann als Wettbewerb um Recht auf Geltung, als Besetzung von Status oder als Kampf um Prestige, als Thema von Herrschaft und Hierarchie. Wo die soziale Distinktion mit Status, Prestige und Vorsprung verbunden wird – und das ist der konkrete Regelfall – arbeitet sie mit dem vertikalen Modell von Unten und Oben, (Hierarchievorstellung) und nicht – was der Kultur der Diversität dienen würde – mit einem horizontalen Modell der einen und eben anderer Optionen (Heterarchievorstellung) im Ausverhandeln von Wirklichkeit. Während das Hierarchiemodell sich im Vergleich der Wirklichkeitsoptionen durchsetzt, setzt das Heterarchiemodell den Vergleich der Wirklichkeitsoptionen durch. Im Hinblick auf das Kriterium der Optionalität von Wirklichkeiten (Verwirklichung) ist das Hierarchiemodell affirmativ und tendenziell repressiv, das Heterarchiemodell offen, dialogisch und tendenziell emanzipatorisch. Stellt man nun in Rechnung, wie schon ausgearbeitet, dass Wahrheit als Wirklichkeitsmotiv eine intrinsische Dimension von Kommunikation ist, dann kann man folgern, dass es Hierarchiemodelle von Wahrheit (Dogmen) und Heterarchiemodelle von Wahrheit (Häresien) gibt. Angewandt auf den kommunikationstheoretischen Kompetenzbegriff heißt dies  : Es gibt repressive Muster der (kommunikativen) Kompetenz und emanzipatorische Muster der Kompetenz. Gegenüber dogmatischen (im Hierarchiemodell definierten) Wahrheitsmodellen sind häretische Wahrheitsmodelle emanzipatorische Suchbilder (Motive) der Aneignung von Wirklichkeit. Es bedarf keiner langen Argumentation um festzustellen, dass heterarchisch entwickelte Wirklichkeitsbilder (Häresien) eine dogmatisch kommunizierende Gesellschaft (oder gar dogmatisch verfasste Gemeinschaft – vgl. Bauer 1982) ziemlich provozieren, dass ein solches Kompetenzprofil einer demokratischen Auffassung von Gesellschaft eher entspricht, oder noch mehr  : dass eine demokratisch verfasste und offene Gesellschaft die Kompetenz von und für Häresien verlangt. Erst dann kann man (idealerweise) von einer emanzipatorischen Kompetenzkultur sprechen. Man muss allerdings in Rechnung stellen, dass ein idealtypisches Modell dieses normativ-theoretischen Zuschnitts so gut wie keine realtypische Entsprechung finden wird. Das ist ja auch gar nicht das Verlangen einer norma–  217 –

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tiven Abstraktion. Sie weiß durchaus kritisch einzuschätzen, dass der gesellschaftliche Kontext immer ein Kontext des Wettbewerbs um Anerkennung und des Kampfes um Aufmerksamkeit ist. Was sie aber will, ist – gegen die Plausibilität der Pragmatik, dass erfolgreich ist, was praktisch ist – eine Perspektive der Transzendierung der Praxis und deren Erfolgsmuster aufzumachen, die die Bestimmung des Nachhaltigkeitswertes des praktischen Handelns an dessen intrinsische Paradigmata bindet und die Plausibilität des Erfolgs dort in Frage stellt, wo das Handeln sich in Vordergründigkeit selbst genügt. Selbstverständlich aber folgt dieses hier argumentierte kommunikationstheoretische Konzept von Kompetenz einem emanzipationstypischen Motiv. Wenn man auf Kompetenz als konstitutive Bedingung von Kommunikation, Kultur und Gesellschaft setzt, dann macht sie ja nur Sinn, wenn sie emanzipatorisch ausgelegt wird, also als Konzept der kommunikativen Selbstverwirklichung von Individuum und Gesellschaft aus der bewussten und verantworteten freien Wahl von Wahrheitsbildern. Eine restriktive Auslegung von Kompetenz (zuständig für sich selbst und für das, was man tut, mit dem Motiv, den Rahmen der Wahrheitsbilder nicht weiter zu spannen als hierarchisierte und autorisierte Vorgaben ihn auslegen) hat immer den Geschmack der Anpassung an sich. Genau das ist nicht das Kompetenzprofil, das eine offene Gesellschaft braucht. Dass die intrinsische Vorstellung von Kompetenz unter extrinsischen Bedingungen und daher in der individuellen Realisierung unterschiedlich ausfällt, beschreibt eigentlich nicht das Kompetenzmodell, sondern das der Performanz. Dieses darf mit dem eigentlichen theoretischen Kompetenzbegriff nicht verwechselt werden (vgl. Habermas 1974). Während Kompetenz den konstitutiven Grund und ein intrinsisches Wissensmodell des Lebens meint, meint Performanz so etwas wie die äußere und extrinsisch bedingte Seite dieser anthropologischen Unterstellung. Das Gelingen von Performanz kann nicht generell unterstellt werden, es ist abhängig von diversen Variablen aus Persönlichkeit, sozialer Umwelt und Situation (Thema). Das Kompetenzkonzept gründet auf der konstitutiven Unterstellung, dass der Mensch, weil ihm das Leben vorgegeben ist, auch des Lebens fähig und, weil fähig, auch für dessen Vollzug zuständig und verantwortlich ist. Das Performanzkonzept stellt in Rechnung, dass der individuelle Lebensvollzug in unterschiedlichem kulturellen, sozialen und symbolischen Kontext auch unterschiedlich ausfällt und in diesem Sinne die gesellschaftlichen Erwartungen auch unterschiedlich erfüllt. Die soziale, kulturelle, symbolische und kognitive Umwelt ist der Grund für das mögliche Gefälle und für mögliche Graduierungen der Performanz von Kompetenz. –  218 –

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Mediumskompetenz und Medienkompetenz Das Konzept der „kommunikativen Kompetenz“ als Grundlage für die Konzeption einer „Medienkompetenz“ heranzuziehen (vgl. Baacke 1973) macht selbstverständlich nur Sinn, wenn man annimmt, dass Medien auch mit Kommunikation zu tun haben. So selbstverständlich ist das nicht. Oft genug wird vor allem im medienpädagogischen Kontext darüber geklagt, dass mit der zunehmenden Mediatisierung und Medialisierung der gesellschaftlichen Kommunikation die Gesellschaft unwiederbringliche Kommunikations(kultur)verluste erleidet (Postman 1996). Wenn es so ist oder so wäre – immer vorausgesetzt, dass man noch darüber reden muss, was man als Medium und was als Kommunikation beschreibt und auf welche Kriterien man sich dabei bezieht –, dann muss oder müsste man auch umgekehrt den Medien(kultur)verlust der gesellschaftlichen Kommunikation beklagen. Geht man davon aus, dass beide Begriffe, Kommunikation und Medien, Konstrukte sind, mit denen die soziale Praxis des Menschen begrifflich gefasst und kulturell gedeutet werden, dann kann man annehmen, dass es gar nicht darum geht zu definieren, was Kommunikation ist oder was Medien sind, sondern darum festzuhalten, welche Implikationen und Qualtäten der gesellschaftlichen Praxis wir kulturell vereinbaren als Kommunikation verstehen zu wollen und warum wir in diesem Zusammenhang begrifflich und konzeptuell darin übereinkommen, dass diese nicht jenseits von technisch- bzw. sozial-strukturellen Arrangements zu bewerkstelligen sind, die wir Medium/Medien nennen. Nicht unbedingt die Medientheorie(n), aber die Mediumstheorie kann dazu schlüssige Antworten geben (vgl. Meyrowitz 1990a)  : Medien- und Kommunikationskonzepte verbinden sich aufgrund der jeweils wechselseitig von ihnen in Anspruch genommenen Analogien und Metaphern, mit denen kulturelle Deutungen von Erfahrungen sowohl ausgetauscht wie auch wechselseitig zugesichert werden können. Sich zu verständigen braucht eine Vereinbarung auf einen symbolischen Ort der gemeinsamen Standpunktbezugnahme, der möglicherweise gar nicht vor der Verständigung schon feststeht, sondern im Sinne einer in der Interaktion symbolisch konnotierten und so vereinbarten Bezugnahme auf ein gemeinsames Referenzmoment (z. B. die Medialität von Nachrichten) ein Teil des Verständigungsprogrammes ist (sein kann)  : Nicht das Medium ermöglicht die Kommunikation (das Konzept wäre  : Kommunikation als Wirkung von Medien), sondern die Kommunikation ermöglicht das Medium (das Konzept ist  : Kommunikation als Bewirkung von Medialität) im Wege der Vereinbarung des Verständi–  219 –

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gungswillens oder der Verständigungsmöglichkeit über die Bezugnahme auf Zeichensysteme und deren analoge und metaphorische Deutung als Verbindung, Vernetzung oder als Tauschverfahren. In diesem Sinne sind Medien symbolisch konstruierte Orte und Passagen der sozialen, heißt  : kommunikativen Praxis (vgl. Göttlich 2006), jeweils repräsentiert durch technische und organisatorische Strukturkomplexe. Medienkompetenz wäre, wenn man den mediumstheoretischen Überlegungen folgt (Meyrowitz 1990a, Ong 1995, Thomas/Krotz 2008), dann vermutlich besser als Mediumskompetenz gefasst, nämlich als Zuständigkeit, Bewusstsein und Wissen um die Wahl des Mediums zur Einlösung kommunikativer Zielvorstellungen. Die Wahl des Mediums und des Verständigungsortes ist eine dem Kommunikationsgeschehen inhärente Entscheidung im Sinne der den Kommunikationsabsichten adäquaten Bezugnahme auf Zeichen- und Bezeichnungssysteme, die erst durch die medienstrukturelle Überlagerung (Technologie, Professionalität, funktionale Spezifikation) zu einer Frage der medienalphabetischen Performanz (Medienkompetenz als Medienbeherrschung) wird. Das ist ähnlich der Konzeption der generativen Grammatik (vgl. Chomsky 1980), die im schulischen Kontext sich verliert und zu einem Objekt der Wiederholung (Alphabetisierung, performative Grammatik) gemacht wird. Die Unterscheidung von Mediumskompetenz und Medienkompetenz hat in diesem Sinne einen konzeptionellen Hintergrund. Sieht man, dass die kompetente Verständigung die Vereinbarung auf ein Medium (Aneignung eines Medienmodells) impliziert, dann begründet man damit ein Konzept der generativen Kompetenz (Mediumskompetenz). Die traditionelle medientheoretische Auffassung, die Verständigung als Vermittlung durch ein Medium, das als drittes eigenaktives Strukturelement vorgestellt wird, beschreibt, versteht Medienkompetenz als Gebrauch eines Medienmodells und in diesem Sinne als performative Kompetenz. Was also im Kontext psychologischer bzw. pädagogischer Auslegung oftmals Kompetenz genannt wird, ist eigentlich, um begrifflich sauber zu arbeiten, deren Performanz. Als Performanz kann man die individuelle und situative Darstellung des (theoretisch zugemuteten und zugesicherten) Kompetenzmodells bezeichnen, also die individuelle Antwort auf die gesellschaftliche Erwartung. An ihr (in diesem Fall am sozialisierten Mediengebrauch) kann die Gesellschaft dann den individuellen Gebrauch von Rechten, Pflichten, Zuständigkeit und Verantwortung als individuelle Interpretation und Spiegelung von Zumutung und Zusicherung ablesen und dann, wo als notwendig erkannt, kompensatorisch eingreifen. Kompetenz als öffentliche und konstitutive Unterstellung impliziert Rechte und Pflichten und die –  220 –

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wechselseitig unterstellte Annahme, dass jeder seine Rechte wie seine Pflichten unter Wahrung seiner Verantwortung beansprucht. Denn nur so konstituiert sich die Welt der Medien, durch die man dann darauf vertrauen kann, die „Welt“ zu verstehen, dass jeder an der Verteilung der Gesellschaftlichkeit dieser Welt in dem Maße teilnimmt und teilhat, in dem es ihm möglich ist und möglich gemacht wird, seine Rechte und Pflichten, diese Welt zu verstehen, wahrzunehmen. Dieser Argumentation folgend ist Medienkompetenz ein Aspekt einer generellen Mediumskompetenz und – sprachlich zwar etwas gespreizter, aber theoretisch zutreffender – als Medialitätskompetenz zu begreifen. Im Hinblick auf die gesellschaftskulturelle und gesellschaftspolitische Relevanz von Kompetenz (Gesellschaftskultur als Medienkultur) beschreibt der Begriff der Medialitätskompetenz ein kulturelles Konzept für den medialen Habitus einer Gesellschaft sich selbst gegenüber. Eine Gesellschaft, die das, was sie über sich denkt und weiß, im Mediendiskurs (in Ordnungsmustern und Klassifikationsstrategien von Medien bzw. der Medialität) generiert, erörtert und verteilt, kann dies nur sozial vernünftig und im Sinne sozialer Ökologie nachhaltig (ohne Schaden für Nachkommendes) gewährleisten, wenn nicht nur die praktische Medialität, sondern auch deren kritische Reflexion als ein integriertes Moment ihrer Selbstwahrnehmung und Selbsterinnerung kulturell habitualisiert ist, was heißt  : als kulturtechnisches Potenzial zum gewohnten Kompetenzprofil des gesellschaftlichen Lebensvollzugs gehört (vgl. Bourdieu 1997b). In diesem Sinne ist Medialitätskompetenz ein Konzept politischer Kultur einer (sich ihrer selbst) bewussten Gesellschaft, ein Bildungsprogramm von Wissen und Bewusstsein im Blick auf die medialen Konstitutionsbedingungen von Demokratie- und Gesellschaftskultur und ein kultur- und bildungspolitisches Konzept zur Dynamisierung und Diversifizierung jener Diskurse, in denen sich die Gesellschaft mit öffentlichen und privaten Themen reflektiert, damit diese Reflexionen nicht in der kommerziellen oder technologischen Logik und Ästhetik einfrieren. Eine Gesellschaft in medialer Umgebung ist so viel und so weit, wie sie über sich Bescheid weiß und Bescheid gibt. Bescheid zu wissen oder Bescheid zu geben aber impliziert immer die Offenlegung der Gesichtspunkte der Unterscheidung und der Kriterien der Entscheidung, um den Bescheid einspruchsfähig und widerspruchsfähig darzustellen. Das Recht auf Einspruch und Widerspruch ist ein Prinzip von Partizipation und lebt, wo man dieses mit dessen Pflicht argumentiert. Es gehört, daraus folgernd, zum demokratiepolitischen Verständnis von Medienkompetenz, das Recht auf mediale Partizipation mit dem Wissen um die Verantwortung und um die Pflicht der medialen Partizi–  221 –

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pation aufzuwiegen und die Wahrnehmung von Recht und Pflicht im Wege von Zuspruch, Einspruch und Widerspruch durch die Verteilung von Gesellschaftlichkeit zu ermöglichen. Die Fähigkeit und Möglichkeit dazu entsteht im Kontext von Medienbildung. In diesem Sinne ist Medienkompetenz ein unverzichtbares kulturelles Konzept einer Bildungsgesellschaft und die kulturelle Garantie einer bildungsbasierten Institutionalisierung der Dauerreflexion der Gesellschaft (vgl. Schelsky 1957). Mediales Verstehen Ob man die Medien versteht, hängt davon ab, wie man sie versteht. Wie man aber Medien versteht, hängt zu einem guten Teil davon ab, wie und wozu man sie gebraucht. Verstehen selbst ist ein Gebrauchs- und Aneignungsmotiv (Certeau 1988), ein Suchbild und eine (kulturdefinierte, deutende) Rahmung der Beobachtung von Erfahrung im Bemühen um die (begriffliche) Erfassung von Wirklichkeit und die Definition von deren Sinn. Das impliziert die Suche nach Plausibilität, Vernünftigkeit, Nutzen, Ästhetik und Ethik. Wenn der Gebrauch es ist, der das Verstehen bestimmt, dann ist Verstehen eine funktionale Komponente des Gebrauchs, also eine kognitive, technische, ästhetische und moralische Leistung (Wissen, Haltung, Kompetenz), die die kontextuell-intentionale, ästhetische und ethische (Aus-) Richtung des Gebrauchs bestimmt, aber auch eine kulturelle Leistung (Deutungskompetenz), die mit dem Gebrauch wächst – technisch, ästhetisch und ethisch. Verstehen dynamisiert sich selbst und generiert durch sich weiteres Verstehen. Verstehen erweitert die Motive und Rahmungen der Beobachtung und bereichert die Perspektiven auf die Wirklichkeit  : Ausdehnung (Enlargement) und Differenzierung (Enrichment) von Wissenszusammenhängen sind in diesem Sinne Zielkonzepte von Verstehenskompetenz, weil diese ihrerseits wieder Wahrnehmung und Beobachtung erweitern und differenzieren. Dieser Gedanke schließt an dem anthropologisch und evolutionshistorisch gesicherten Wissen der Pädagogik an, das besagt, dass der Mensch mit der Verwendung seiner Werkzeuge wächst (Teilhard de Chardin 1955, Piaget 1973  : 50ff, 1966). Mediales Verstehen ist im Kontext dieser Argumentation von Kompetenz ein begrifflicher Hinweis auf die Gegebenheit (Möglichkeit und Notwendigkeit) des Gebrauchs und der Aneignung von Welt-Wirklichkeit im Modell von Medialität. Im Mediengebrauch von Welt lernt der Mensch die Wirklichkeit als mediale Formation (In-Formation) und als Konfiguration von medialen Zeichen. In der theoretischen und begrifflichen Umgebung der –  222 –

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pation aufzuwiegen und die Wahrnehmung von Recht und Pflicht im Wege von Zuspruch, Einspruch und Widerspruch durch die Verteilung von Gesellschaftlichkeit zu ermöglichen. Die Fähigkeit und Möglichkeit dazu entsteht im Kontext von Medienbildung. In diesem Sinne ist Medienkompetenz ein unverzichtbares kulturelles Konzept einer Bildungsgesellschaft und die kulturelle Garantie einer bildungsbasierten Institutionalisierung der Dauerreflexion der Gesellschaft (vgl. Schelsky 1957). Mediales Verstehen Ob man die Medien versteht, hängt davon ab, wie man sie versteht. Wie man aber Medien versteht, hängt zu einem guten Teil davon ab, wie und wozu man sie gebraucht. Verstehen selbst ist ein Gebrauchs- und Aneignungsmotiv (Certeau 1988), ein Suchbild und eine (kulturdefinierte, deutende) Rahmung der Beobachtung von Erfahrung im Bemühen um die (begriffliche) Erfassung von Wirklichkeit und die Definition von deren Sinn. Das impliziert die Suche nach Plausibilität, Vernünftigkeit, Nutzen, Ästhetik und Ethik. Wenn der Gebrauch es ist, der das Verstehen bestimmt, dann ist Verstehen eine funktionale Komponente des Gebrauchs, also eine kognitive, technische, ästhetische und moralische Leistung (Wissen, Haltung, Kompetenz), die die kontextuell-intentionale, ästhetische und ethische (Aus-) Richtung des Gebrauchs bestimmt, aber auch eine kulturelle Leistung (Deutungskompetenz), die mit dem Gebrauch wächst – technisch, ästhetisch und ethisch. Verstehen dynamisiert sich selbst und generiert durch sich weiteres Verstehen. Verstehen erweitert die Motive und Rahmungen der Beobachtung und bereichert die Perspektiven auf die Wirklichkeit  : Ausdehnung (Enlargement) und Differenzierung (Enrichment) von Wissenszusammenhängen sind in diesem Sinne Zielkonzepte von Verstehenskompetenz, weil diese ihrerseits wieder Wahrnehmung und Beobachtung erweitern und differenzieren. Dieser Gedanke schließt an dem anthropologisch und evolutionshistorisch gesicherten Wissen der Pädagogik an, das besagt, dass der Mensch mit der Verwendung seiner Werkzeuge wächst (Teilhard de Chardin 1955, Piaget 1973  : 50ff, 1966). Mediales Verstehen ist im Kontext dieser Argumentation von Kompetenz ein begrifflicher Hinweis auf die Gegebenheit (Möglichkeit und Notwendigkeit) des Gebrauchs und der Aneignung von Welt-Wirklichkeit im Modell von Medialität. Im Mediengebrauch von Welt lernt der Mensch die Wirklichkeit als mediale Formation (In-Formation) und als Konfiguration von medialen Zeichen. In der theoretischen und begrifflichen Umgebung der –  222 –

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Cultural Studies bzw. des Symbolischen Interaktionismus (vgl. Mead 1973, Blumer 2013, Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen 1973, Hall 1997) nimmt sich der Verstehensbegriff dann so aus  : Verstehen ist die in den Gebrauch (Verschlüsseln und Entschlüsseln) von medientypischen Gesten, Zeichen, Symbolen und Codes eingemischte Absicht und die mit dem Gebrauch als Aneignung und Bestimmung gemeinte Auslegung der kontextuell-situativen (also  : pragmatischen) Deutung von Zeichenkomplexen unter transparenter Bezugnahme auf die in syntaktischen Strukturen standardisierten und in semantischen Komplexen gesellschaftlich vereinbarten und daher unterstellbaren Schemata von Bezeichnung und Bedeutung. Wenn man annimmt, dass Menschen auf der Basis von Zeichensystemen interagieren und sich in diesem Verfahren verständlich machen und verständigen, wie dies das Konzept des Symbolischen Interaktionismus plausibel macht, dann muss man auch berücksichtigen, dass diese Zeichensysteme nicht nur technische Referenzen für die Wirklichkeit von Welt sind, sondern selbst komplexe Konfigurationen von Wirklichkeit, die sich auf verschiedenen Ebenen darstellen (Morris 1988). Diese Ebenen sind  : eine technisch-strukturelle (Syntaktik), eine des gesellschaftlichen Agreements (Konvention) von Bedeutungen von bestimmten Zeichen (Semantik) und eine der subjektiv intendierten Auslegung durch den situativen und kontextuellen Gebrauch von Zeichen (Pragmatik). Verstehen ist also nicht nur ein technischer Vorgang (Entschlüsselung oder Verschlüsselung auf syntaktischer Zeichenebene), sondern immer auch ein kreativer Akt von Ästhetik (Entschlüsselung und Verschlüsselung von Deutung auf semantischer Zeichenebene) und Moral (Entschlüsselung und Verschlüsselung auf der Ebene der kommunikativen Ethik und sozialer Geltung – Pragmatik). In diesem Umfeld der Argumentation der Medialität des Verstehens macht der normative Begriff von Media Literacy theoretischen Sinn  : Media Literacy ist das Konzept, mit dem die Kompetenz des avancierten Mediengebrauchs beschrieben werden kann als das durch die „kulturelle Buchstabierfähigkeit“ von Medien („medialer Alphabetismus“) erreichbare kritische Verständnis von (Medien-)Welt (vgl. Buckingham 2003). Das Konzept konzentriert seine kritische Hoffnung auf die Macht von Wissen und Bewusstsein, dass Medien Systeme sind, die Zeichen in je spezifischer technischer Syntaktik technisch kombinieren und strukturieren, damit verbunden spezifische Ästhetiken bevorzugen und konventionalisieren, die man im subjektiven Gebrauch kritisch auflösen muss, was einen persönlichen wie gesellschaftlichen Habitus (Medialitätshabitus) verlangt, der sicherstellt, dass man sich der medialen Bedingungen des eigenen Gebrauchskontexts (Interessen, –  223 –

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Neigungen, Fallen etc.) bewusst ist. Die Interpretation des Lesekonzepts der Cultural Studies (vgl. Hall 1999), das sich nicht nur auf schriftlich oder sonst wie medial strukturierte Textsorten, sondern im Sinne eines umfassenden und integrativen Textbegriffs auch auf gesellschaftlich verfasste KontextStrukturen (z. B. Rituale, Kunst, Performance) als Texte der sozialen Praxis der Konstitution von Bedeutung bezieht, nimmt diese mediale Interpretation von Verstehen auf  : Verstehenskompetenz, begrifflich exemplifiziert als Lesekompetenz, ist die Fähigkeit der Entscheidung für eine kulturell elaborierte und selbstkompetente Version des Lesens, indem man sich gegebenenfalls gegenüber macht-affinen Konnotationen einer hegemonial bevorzugten Leseart (preferred reading) entzieht und sich auch jenseits der aushandelbaren Flexionen (negotiated reading) für eine oppositionelle Kodierung (oppositional reading) entscheidet. Auch in dieser Konzeption wird das auf dem Handlungsparadigma von Kommunikation beruhende Stimulus-Response-Modell theoretisch desavouiert  : Lesen (mediales Verstehen) ist im Kontext einer emanzipatorischen Kompetenztheorie nicht als Übernahme (Wiederholung) von Zeichen und zeichenimpliziten Codes zu verstehen, sondern als Aneignung von Gesellschaftlichkeit im Motiv (Suchbild) der subjektiv relevanten Konstruktion von Sinn. Das emanzipatorische Kompetenzpostulat von Media Literacy oder Medienbildung betrifft also nicht die Handlungsfähigkeit von oder mit Medien (was durch eine theoretisch schlampige Nutzung des Begriffs Medienkompetenz nahelegt wird), sondern die Verhandlungsfähigkeit von Sinn und Wirklichkeit gegenüber den Medien als den strukturellen und gesellschaftlich funktionalisierten Apparaturen der Medialität von Soziabilität (Gesellschaftlichkeit) und daraus sich ergebenden Kontexten der Mediatisierung der sozialen und der Medialisierung der kulturellen Wirklichkeit. Diese Version schließt nun wieder den Kreis der Argumentation, durch die die Kommunikabilität der Medien zunächst in Frage gestellt wurde  : Medien haben ein kommunikationsbildendes Potenzial, allerdings nicht in dem Sinne, dass sie Kommunikation produzieren, sondern in dem Sinne, dass sie die gesellschaftliche Praxis der Kommunikation performieren. Möglicherweise ist diese Wendung durch das (leider ziemlich ins Abseits der gängigen Sozialwissenschaft geratene, weil weitgehend hermeneutisch ausgelegte) Mimesis-Konzept besser repräsentiert als durch das (wegen seiner technischen Plausiblität bevorzugte) Semiotik-Konzept. Mimetik und Semiotik sind zwei unterschiedliche, wenn auch sich ergänzende Konzepte zur Interpretation von Welt  : Die Welt als Zeichen (semiosis) ausgelegt macht Verstehen zu einem technisch-analytischen Vorgang (vgl. Saussure 1967), der in allen Ana–  224 –

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lysemethoden, z. B. Inhaltsanalyse, Diskursanalyse, Filmanalyse (vgl. Mikos 2003  : 40ff, Jäger 2004), auch so zum Zuge kommt  : Es geht um die vermutete Wirklichkeit hinter ihrer technischen Zeichnung. Zeichen und Bezeichnung sind technische Figuren für und Modelle von einer (womöglich schon vor und jenseits ihrer Kennzeichnung als bestehend) angenommenen Wirklichkeit. Mit der Nutzung des Zeichens bzw. der Bezeichnung (Entschlüsseln und Verschlüsseln) entdeckt man die Wirklichkeit, für die Zeichen und Bezeichnung stehen, ohne selbst zu sein, was sie bezeichnen oder kennzeichnen. Während sich die Welt, im Zeichen und im Konzept von Zeichen ausgelegt (Semiotik), eher als ein Objekt der (analytischen) indirekten Rede (von Wirklichkeit) zu verstehen gibt, will die Welt als Nachahmung (mimesis) und im Konzept der verdichteten Nachahmung ausgelegt, eher die direkte Rede (die Wirklichkeit) in Betracht ziehen. Die direkte Rede gleicht sich (die Wirklichkeitsvorstellung nachahmend) der Wirklichkeit an, sie ist durch diese Aneignung und Wiederholung die Wirklichkeit selbst. Das heißt  : die Rede ist nicht die Summe von Begriffen zur Wirklichkeit, sondern ist der Zugriff auf Wirklichkeit, sie verwirklicht, was sie wirklich ist. Im Konzept der Wiederholung (Nachahmung) ist das Motiv der Bewegung impliziert (vgl. Gebauer/Wulf 1998  : 89). Wiederholung ist im Sinne von Nachahmung nicht die Verdoppelung des Grundmusters zum Gleichen, sondern die Veränderung des Gleichen unter neuen Bedingungen (Diversität), also eine Gleichung als Wahl der möglichen Veränderung (Häresie). Nachahmungstheoretisch ausgelegt wäre Verstehen, interpretiert als mimetische Operation, weil ein Prozess der Verähnlichung und Gleichung, nicht einfach eine Konstruktion von Sinn (rekonstruiert über Zeichen), sondern die Sinnmatrix zur Konstruktion selbst (dekonstruiert durch Wiederholung). In dieser Auslegung wird das gewohnte und alltägliche Verständnis von Verstehen, das sagt, man versteht, wenn man versteht, was andere schon wissen oder so verstanden haben, kritisch zu werten sein. Es macht offenkundig, dass es ein dogmatisches (angepasstes), ein technisches (neutrales) und ein emanzipatorisches (häretisches) Verstehen von Wirklichkeit (und Wahrheit) gibt. Im Hinblick auf das Kompetenzthema muss die Definition, wie oben schon angesprochen, lauten  : Verstehenskompetenz ist die habituelle Matrix von Diversität und das Möglichkeitsmodell für die Wirklichkeit (und Wahrheit) von Häresie (Wahlfreiheit).

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Medienmodell Gesellschaft Die Beobachtung von Welt kann nicht, wie schon mehrmals festgestellt, geschehen ohne ein Modell von Welt (Suchbild, Motiv) „im Kopf “. Diese Modelle sind im Falle ihres Gebrauchs als Motiv (Suchbild) nicht frei erfunden, sondern kulturell bedingt gewählter Fokus und aktualisiert als Intuition aus kontextuellen Bedingungen, eine Definition (Deutungsabgrenzung) der Situation zur Abgrenzung (Ausgrenzung) von Kontingenz, eine Rahmung (framing) zur Ausrichtung von Wahrnehmung (Kognition, Emotion, Aktion) und zur Kontrolle von Überraschung – dies alles referiert durch Gesten, Zeichen, Sprachen, Symbole, Rituale, die im Rahmen kultureller Vorgaben (Kulturprogramme, Wissensmodelle, kulturelles Gedächtnis – vgl. Schmidt 2003, Assmann 1999) zur Disposition stehen. Über solche Modelle/Motive ist zunächst einmal nachzudenken – und zwar im Sinne der kritischen Analyse jener Konnotationen, die implizit im Gebrauch sind, wenn man soziale Praktiken oder Konstellationen als Kommunikation klassifiziert. Im Sinne wissenschaftlicher Analyse ist es, diese kulturellen Implikationen und Paradigmata zu identifizieren und zu rationalisieren, um damit zu ermöglichen, solche Konstellationen und Praktiken wo möglich zu programmieren. In diesem Sinne ist Wissenschaft generell ein Kompetenzprogramm, Medienwissenschaft speziell eine Erschließungsperspektive der Medialität von Gesellschaft und ein Argumentationsrahmen für die Konzeption von Medialitätskompetenzprogrammen. Wenn eine Gesellschaft – auch und vor allem unter den Bedingungen medial ermittelter Verständigungspotenziale – darauf Wert legt sich offen, frei und selbstbestimmt zu entwickeln, dann muss sie, weil es sich um Werte der Kommunikation handelt, über ein Kommunikationskonzept verfügen, das sie, genau dieser Werte wegen, zur Disposition stellt. Weil im Rahmen organisierter Gesellschaften – unter den Bedingungen der Globalisierung ohnedies nicht zu umgehen – die gesellschaftliche Kommunikation medialen Charakter hat und sich solche Gesellschaften zunehmend im Modell von Medien entwickeln, muss dieses Konzept ein Konzept ihrer Medialität sein. Eine Gesellschaft im Modell von Medien entspricht der Wahrnehmung eines sozial verbindlichen Zusammenhangs, der durch medialisierte und mediatisierte Kommunikation institutionelles und organisatorisches Format annimmt und so als Referenzrahmen für Entscheidungen und Bewertungen des individuellen Lebensvollzugs wechselseitig zugemutet und zugetraut (Unterstellung) wird. Das Medienmodell ist so gesellschaftlich wie das Gesellschaftsmodell medial ist. Schwächen und Fehlstellen der Medienkultur (z. B. im Hinblick auf ästhetische oder ethische Standards des Me–  226 –

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diengebrauchs, nicht nur, aber vor allem im politischen Kontext) sind daher Schwächen oder Fehlstellen der Gesellschaft, nicht der Medien, aber durch sie gespiegelt. Wenn man, wie schon ausgeführt, Gesellschaft als Konstrukt (nicht als Ergebnis, sondern als Vorgang) aus der Spiegelung und Beobachtung ihrer Kommunikation versteht, dann sind ihre institutionellen Formate Beobachtungsmotive ihrer Kommunikation und ihre Kommunikation das Modell, in dem sie sich selbst erkennt und sicherstellt (kontrolliert). Im Kontext von Medialität heißt dies  : Als Gesellschaft wird wahrgenommen, was und wie Medien (vor allem) ihre institutionellen Formate spiegeln und beobachten, weil ihre Medien die Instanz sind, in denen sie sich selbst erkennt und kontrolliert. Daher kann man die Gleichung aufstellen  : Die Medien sind im Modell ihrer Gesellschaftlichkeit, was die Gesellschaft im Modell ihrer Medialität ist. Wo es an Medialität fehlt, fehlt es an Gesellschaftlichkeit. Wo es an Gesellschaftlichkeit fehlt, fehlt es an Medialität. Aus dieser Gleichung ergibt sich, dass gesellschaftliche Kompetenz sich in Medien(kultur)kompetenz spiegelt und Medienkompetenz eine Instanz gesellschaftlicher Selbstkompetenz ist. Gesellschaften, die Wert legen auf die Souveränität ihrer Kommunikation, auf die Intrinsität ihrer Identität und auf die Dauerhaftigkeit ihrer Reflexion, investieren in bewusst kreative Medienbildung, weil sie damit das Niveau ihrer Soziabilität inspirieren und programmieren  : Medienkompetenz ist in diesem theoretischen Umfeld als ein zivilisatorisches Motivationsprogramm für die Fähigkeit, Fertigkeit, für Wissen und Verantwortung im Hinblick auf ein Klima intersubjektiver Aufmerksamkeit und im Hinblick auf eine intrinsisch motivierte Teilnahme an der Verteilung von Gesellschaftlichkeit zu verstehen. Hinter der Fähigkeit des kulturellen und sozialen Mediengebrauchs (Media Literacy) gibt es eine Vorstellung von zivilisatorisch-kultureller Kompetenz, die den ethischen Hintergrund und den intrinsischen Sinn von Medienkompetenz ausmacht. Wenn und weil in einer demokratisch verfassten Gesellschaft – und eine solche kann nur eine offene sein – die Medien das Instrument sind, über das sie selbst verfügen und mit dem sie über sich selbst verfügen, ist der kulturkompetente Gebrauch von Medien zugleich die moralische Grundlage für die kulturelle, soziale und zivilisatorische Umgangsweise der Gesellschaft mit sich selbst. Medien und Gesellschaft stehen nicht einander gegenüber, sondern „vertreten“ einander. Spricht man nicht von der materialisierten und organisierten Struktur der Medien, sondern davon, wofür diese steht und was sie bedeutet, dann stößt man auf das den gesellschaftlichen Interaktionen und Beziehungsbildern inhärente Konzept von Medialität, das gewissermaßen als kultureller Code für die politische und soziale Verständigung von Gesellschaften gilt, sofern sich –  227 –

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diese auch (durch entsprechende Strukturen, Symbolsysteme, durch die Gemeinsamkeit von „Geschichten & Diskursen“ (vgl. Schmidt 2003) von Konversationsthemen) auch als eine in sich verbundene Community versteht. Solche Codes spiegeln die Sozialkultur, die im Hinblick auf bestimmte Themen und durch kollektiv geteiltes Wissen entwickelte kollektive Mentalität und das kulturelle Gedächtnis (vgl. Assmann 1988) einer (von anderen differenzierbaren) Gesellschaft. Sie können daher, in Anlehnung an Basil Bernsteins Sprachcode-Theorie (vgl. Bernstein 1964) auch im Hinblick auf ihren workload ein elaboriertes oder restringiertes Medialitätskonzept repräsentieren. Medialitätskonzepte sind zunächst implizite (latente) Codes, die mit zunehmender Selbstthematisierung einer Gesellschaft in entsprechenden Ordnungsmustern (z. B. Medienordnungssysteme, strukturelle Medienpädagogik) explizit, transparent und manifest werden. Gesellschaften sind Konstrukte, die sich durch mediale Kommunikation (Medialität) ihrer selbst vergewissern, sich anderen gegenüber als eigene darstellen und mit dieser Imaginierung ein Modell ihrer Identität kommunizieren. In diesem Verfahren dient die jeweilige Ausprägung von Medienkommunikation als Referenzmodell für die soziale Kohäsion (wozu auch Vertrauensmechanismen und eventuelle Täuschungsverträge gehören). Das innere (moralische, kulturelle, ethische) Gerüst der Medienkommunikation ist das Medialitätskonzept. Es ist ein den (strukturell unterscheidbaren) Gesellschaften jeweils spezifisch unterstellbares Modell der systemischen Balance von Distanz und Nähe, das zivilisatorische Script einer Gesellschaft, das erklärt, wie sie warum (oder warum nicht) funktioniert. Die Medialität der Beziehungen – der Menschen zueinander, der Menschen mit Themen, der Themen zu Themen, der Menschen zu Ereignissen, der Ereignisse zu Ereignissen – ist das Charakteristikum von Gesellschaften wie auch von Individuen, die sich selbst nicht genügen und die wissen, dass sie sich selbst nicht genug sind. Sie investieren in die Erweiterung (nicht Vertiefung) von Bezügen und Beziehungen und entdecken sich zunehmend mehr in interdependenten Vernetzungen, die nun ihrerseits Genügen einfordern. Die Achsen, an denen sie ihre Identität und ihr Selbstbewusstsein ausrichten (Bestimmung suchen), liegen immer weniger innen – sind immer weniger selbstbestimmt) sondern finden sich zunehmend außerhalb ihrer selbst – sind in wachsendem Maße anders bestimmt. In die Bestimmung von Identität mischen sich Faktoren wie Vergleich, Wettbewerb und Erwartung von Erwartungen. Das war schon immer so, neu ist der Faktor der Mittelbarkeit (Medialität), der in diesem Vorgang eine eigene Logik einbringt  : die der Medien. Ihre Logik ist die der laufenden Substitution durch sich selbst, technologisch, strukturell und kulturell. Das vermehrt und multipliziert die Optionen von –  228 –

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Bezug und Beziehungen auf allen Ebenen der Quantität  : Zeit, Menge und Inhalte. Von allem gibt es am Ende mehr, als man gesellschaftlich und individuell (im Hinblick auf die Bestimmung seiner selbst – also qualitativ) verarbeiten kann. Medienkultur als Kompetenzprogramm für eine Gesellschaft im Wandel Das Medienmodell von Gesellschaften (und Individuen) macht sichtbar, dass Gesellschaften und Individuen Gefahr laufen, sich in der Bestimmung ihrer selbst, was ja heißt  : ihres Lernprozesses, in der Menge zu verlieren. Andererseits macht dieses Modell aber auch Chancen sichtbar. Denn in der laufenden Substitution durch sich selbst formuliert sich ja auch das Lernkonzept der Selbstbestimmung durch Wandel. Gesellschaften sind, weil soziale Konstrukte im Modell von Medien bzw. im Modus der Medialität, Kontexte des sozialen Wandels, den sie zwischen Intuition und Organisation mehr oder minder bewusst verifizieren. Ihr innerer Bestand (Zustand) und ihr Wandel repräsentieren sich im Niveau ihres Medialitätskonzepts. Gesellschaften, die sich um ein explizites und elaboriertes Konzept von Medialität in Politik, Medien, Wirtschaft, Bildung, Sozialstruktur etc. bemühen, erreichen einen Grad an Offenheit, der sie fähig macht, sich in vielen, auch widersprüchlichen Szenarien zurecht zu finden, sich zu ändern und dabei in Kontakt zu sich selbst (Tradition Gegenwartskrisen, Zukunftsoptionen) zu bleiben. Der Vertrauensmechanismus in offenen Gesellschaften balanciert sich über ein elaboriertes Medialitätskonzept, mit dem immer die normative Unterstellung verbunden ist, dass solche Gesellschaften ihre Soziabilität im Modus des Diskurses erweitern (social enlargement), aber dies auch im Modus des Dialogs (Flusser 1998  : 13 Flusser 1998  : 13) vertiefen (social enrichment). Konkret heißt dies  : Ambitionierte Gesellschaften organisieren ihre innere Entwicklung über avancierte und rational organisierte Modelle von Medienpolitik, Medienkultur und Medienbildung. Gesellschaften, die sich mit einem restringierten Niveau ihres Medialitätskonzepts (aus Not oder aus Bequemlichkeit) zufrieden geben oder nicht die mentalen und strukturellen Ressourcen aufbringen und bündeln können, um sich eine avancierte und ambitionierte Charta ihrer Selbstvorstellung zu geben, werden vermutlich die Entwicklung und Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Beziehungen jenen Kräften überlassen, die den Zugang zu den Ressourcen (Wissen, Macht, Meinungsklima, Tradition, Geld, Technologie etc.) mit vergleichsweise minimaler Differenzierung kontrollieren. In solchen Gesellschaften irritiert der offene Diskurs die sozialen Mechanismen von Autorität und –  229 –

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Bezug und Beziehungen auf allen Ebenen der Quantität  : Zeit, Menge und Inhalte. Von allem gibt es am Ende mehr, als man gesellschaftlich und individuell (im Hinblick auf die Bestimmung seiner selbst – also qualitativ) verarbeiten kann. Medienkultur als Kompetenzprogramm für eine Gesellschaft im Wandel Das Medienmodell von Gesellschaften (und Individuen) macht sichtbar, dass Gesellschaften und Individuen Gefahr laufen, sich in der Bestimmung ihrer selbst, was ja heißt  : ihres Lernprozesses, in der Menge zu verlieren. Andererseits macht dieses Modell aber auch Chancen sichtbar. Denn in der laufenden Substitution durch sich selbst formuliert sich ja auch das Lernkonzept der Selbstbestimmung durch Wandel. Gesellschaften sind, weil soziale Konstrukte im Modell von Medien bzw. im Modus der Medialität, Kontexte des sozialen Wandels, den sie zwischen Intuition und Organisation mehr oder minder bewusst verifizieren. Ihr innerer Bestand (Zustand) und ihr Wandel repräsentieren sich im Niveau ihres Medialitätskonzepts. Gesellschaften, die sich um ein explizites und elaboriertes Konzept von Medialität in Politik, Medien, Wirtschaft, Bildung, Sozialstruktur etc. bemühen, erreichen einen Grad an Offenheit, der sie fähig macht, sich in vielen, auch widersprüchlichen Szenarien zurecht zu finden, sich zu ändern und dabei in Kontakt zu sich selbst (Tradition Gegenwartskrisen, Zukunftsoptionen) zu bleiben. Der Vertrauensmechanismus in offenen Gesellschaften balanciert sich über ein elaboriertes Medialitätskonzept, mit dem immer die normative Unterstellung verbunden ist, dass solche Gesellschaften ihre Soziabilität im Modus des Diskurses erweitern (social enlargement), aber dies auch im Modus des Dialogs (Flusser 1998  : 13 Flusser 1998  : 13) vertiefen (social enrichment). Konkret heißt dies  : Ambitionierte Gesellschaften organisieren ihre innere Entwicklung über avancierte und rational organisierte Modelle von Medienpolitik, Medienkultur und Medienbildung. Gesellschaften, die sich mit einem restringierten Niveau ihres Medialitätskonzepts (aus Not oder aus Bequemlichkeit) zufrieden geben oder nicht die mentalen und strukturellen Ressourcen aufbringen und bündeln können, um sich eine avancierte und ambitionierte Charta ihrer Selbstvorstellung zu geben, werden vermutlich die Entwicklung und Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Beziehungen jenen Kräften überlassen, die den Zugang zu den Ressourcen (Wissen, Macht, Meinungsklima, Tradition, Geld, Technologie etc.) mit vergleichsweise minimaler Differenzierung kontrollieren. In solchen Gesellschaften irritiert der offene Diskurs die sozialen Mechanismen von Autorität und –  229 –

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Kontrolle. Anstatt diskursiver Vertrauensmechanismen bestimmen triviale und autoritätsbetonte Freund-Feind-Schemata und hierarchische Kommunikationsmuster die gesellschaftliche Interaktion, die mit gewissem Zwang und mit Mitteln sozial-emotionaler Repression Themen und Menschen ihren Stereotypen folgend inkludieren, wie sie mit demselben Gestus andere exkludieren (Rokeach 1970). Wenn man die generative Energie bedenkt, die sich aus dem Medialitätskonzept einer Gesellschaft für diese (sowohl als enlargement wie als enrichment) ergibt, dann wird klar, warum geschlossene Gesellschaften mit dem Faktor der Medialität (Medienmodell Gesellschaft) bzw. mit der realen Medienentwicklung nicht zurecht kommen. Ein explizites Medialitätskonzept sprengt die herkömmlichen Ordnungsmodelle und das darin enthaltene Paradigma des Richtig-Falsch-Dualismus und maximiert den Faktor Kontingenz. Gesellschaft ist ein Konstrukt, das sich auf kein vor ihr liegendes So-istes-richtig-Protokoll (eine Art Natur der Gesellschaft) berufen kann. Sie entsteht und besteht als ein im Wege des wechselseitig unterstellten kollektiven Wissens gewachsenes Wirklichkeitsmodell ihrer selbst, was Schmidt (2005) eine „operative Fiktion“ nennt. Die Ordnung von Gesellschaften wird in diesem Sinne durch die Gemeinsamkeit von Wirklichkeitsmodellen gewährleistet, woraus folgt, dass das Ordnungsbild einer Gesellschaft dem Kommunikationsbild (bzw. Medialitätskonzept) einer Gesellschaft entspricht. Diesem Schema folgend ist das, was die Gesellschaft meint von sich selbst zu wissen, immer relativiert durch das Wissen um mögliche andere Fiktionen, noch nicht realisierte, nicht notwendige, aber auch nicht unmögliche Entwürfe ihrer selbst. Auf dieser theoretischen Ebene der Beschreibung von Gesellschaft wird deutlich, dass es von und für Gesellschaften keinen endgültigen oder letztendlich zu erreichenden Zustand geben kann. Gesellschaft ist ein Projekt mit offenem Ausgang. Die Konzeption einer in diesem Sinne „offenen Gesellschaft“ begründet, dass Veränderung (sozialer Wandel) das Prinzip ihrer Existenz ist und dass sie ist, was sie lernt zu sein. Es ist evident, dass Offenheit oder Geschlossenheit einer Gesellschaft nicht durch Hardware-Strukturen etabliert werden, sondern mit einem gesellschaftspsychologischen Software-Progamm zu tun haben, das zwischen „Open and Closed Mind“ (Rokeach 1970, Adorno/Becker 1970) operiert. Wenn Kommunikation der Modus ist, in dem Gesellschaften fungieren, sich konstituieren, organisieren und darstellen, dann sind ihre Statute und Institute strukturelle Spiegelungen ihrer kommunikativen (bzw. medialen) Qualität. Open-minded Gesellschaften tolerieren nicht nur, sondern akzeptieren den sozialen (kulturellen) Wandel als Modus ihrer Entwicklung, während closed–  230 –

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minded Gesellschaften die Grundlagen ihrer kulturellen Verfassung dogmatisch betrachten, sie mit orthodoxen Statuten kanonisieren, Änderungen ihres Zustands als häretisch im Sinne von Irreführung werten und ihn daher mit autoritären Ritualen, Strukturen und Instituten absichern und mit negativen Sanktionen belegen (vgl. Adorno 1950). Typisch für offene Systeme und Gesellschaften ist, dass sie auf allen (drei) Ebenen der gesellschaftlichen Interaktion (Medien, Milieu, Alltag) zueinander durchlässige und einander stimulierende Diskursmodelle etablieren, die den Kontingenzspielraum der sozialen Praxis kontinuierlich erweitern  : Der institutionelle Charakter von Familien, Beziehungen, Öffentlichkeit, Medien, Politik, Bildung, Wirtschaft etc. versteht sich diskursiv, multioptional und inklusiv, bewusst emanzipatorisch, nicht regulativ, eindimensional oder exklusiv, er steht für Aufklärung und im Diskurs ausverhandelte Beliebigkeit, in jedem Fall gegen jede Form von Repression. Ein solches Programm braucht, damit es zum geteilten und teilbaren Nutzen von Individuum und Gesellschaft nachhaltig funktioniert, nicht nur ein irgendwie schon funktionierendes Kommunikationskonzept, sondern ein Konzept der bewussten und kritischen Reflexion ihrer Kommunikations- und Medienkultur – was nichts anderes ist als ein kulturell integriertes Medialitätskonzept. Seit Sir Karl Raimund Popper (1992) auf der Suche nach einer besseren Welt die Feinde der offenen Gesellschaft beschrieben und analysiert hat, hat Gesellschaft eine neue und an politischen Idealen orientierte sozialphilosophische Interpretation erfahren. Zugleich wurde der Begriff aber auch ein Träger für einen Mythos, nämlich den einer freien, sich selbst verantwortlichen Gesellschaft, die dem Individuum und dessen freier Entfaltung Raum gibt. Die Idee richtet sich gegen jedwede Form der totalitären Herrschaft, gegen Dogmatismus, Autoritarismus, Nationalismus und Kommunismus. Das theoretisch-rationale (nicht nur ideologische) Konzept der Offenheit von Gesellschaft und Welt rechnet mit dem Kontingenzpotential, das keine Entwicklung für notwendig, aber jede für möglich hält. Wie sie sich entwickelt, hängt davon ab, ob und wie sie sich beobachten lässt. Das Konzept umschreibt daher in erster Linie die Rationalität der Freiheit der Entwicklung, was immer auch impliziert  : die Freiheit (Offenheit) der Beobachtung, der entsprechend Annahmen zur Möglichkeit erst dann widerlegt sind, wenn sie falsifiziert werden konnten, wobei auch hier eine Rolle spielt, ob die Widerlegung einer praktischen oder kritischen Vernunft folgt (vgl. Popper 1992, auch Meidl 2009  : 103–126). Daher kann eine offene Gesellschaft nicht in Dogmen umrissen werden und sie kann nicht Gegenstand der Definition im Sinne von Wahrheit sein, sondern – auch im Hinblick auf die Beobachtbarkeit ihre eigenen Entwicklung – nur eine Projektion von Soziabilität im Sinne von Vorläu–  231 –

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figkeit und Möglichkeit. Eine offene Gesellschaft ist per se ein Projekt mit offenem Ausgang. Die Gesellschaft ist, was sie über sich denkt, wenn sie denkt. Und wenn sie denkt, denkt sie nicht homogen, sondern heterogen, weil im Wege von Kommunikation. Eine kommunikationstheoretische Beschreibung von Kompetenz setzt eine solche von Gesellschaft voraus. Im Sinne der logischen Rationalität der Offenheit von Kommunikation muss sich auch das Denkmodell von Gesellschaft auf die Rationalität der Offenheit einlassen, weil Offenheit die logische Garantie von Kommunikation ist. Das Konzept stellt in Rechnung, dass Gesellschaft eine begriffliche Realität darstellt und nur in diesem Sinne vergegenständlicht werden kann. Als Größe aus der Beobachtung und für die Beobachtung ist sie eine Metapher von Soziabilität, eine kulturelle Matrix ihrer eigenen Kommunikation, die notwendig ist aus der Lage ihrer Unbestimmtheit und möglich wird aus der freien Verfügbarkeit von Sinn. Sie ist die kommunikative Wahrnehmung der möglichen Beziehungen, die selbst wieder diese Wahrnehmung steuern. Sie kreist aber nicht in sich selbst, sondern changiert zwischen Realität und Wahrnehmung von Realität. Die Wahrnehmung aber verändert die Realität und die Realität wieder die Wahrnehmung – dies alles in einer kulturellen Klammer. Dass die Gesellschaft heute nicht weiß, wie sie morgen aussehen wird, ist zugleich ihre Chance wie ihr Risiko. Um das Chancenpotenzial zu heben, ist sie auf die Kompetenz der Reflexion, auf kritische Rationalität angewiesen. Sie braucht neben einer spontanen, situativen und intuitiven Kommunikation einen Raum der diskursiven (sich selbst kontrollierenden) Auseinandersetzung über sich selbst, um sich so ein Richtungsbild ihrer Entwicklung vorzugeben und vorzunehmen. Instanzen einer solchen Reflexion sind neben Wissenschaft, Kunst und Bildung vor allem die Medien, richtiger gesagt  : das Faktum der Medialität der kommunikativgesellschaftlichen Beziehungen. Ein solches Denkmodell einer offenen Gesellschaft drängt Institutionen wie den Staat zurück, weil er die Tendenz in sich hat, sich als absoluten Ort von Macht, Herrschaft und Einfluss zu verstehen, favorisiert aber die Idee einer selbstverantwortlichen Bürgergesellschaft. Daher erhalten das Argument, das Wort, die Kommunikation, die Medien in einer solchen Vision eine gesellschaftliche und gesellschaftsbildende Schlüsselposition – in Praxis und in Theorie. Medien sind der (kommunikative) Ort des Austausches der Gesellschaft über sich selbst  : Sie sind die gesellschaftliche Agentur, in der sich jener Prozess der sozialen Praxis spiegelt, durch den eine Gesellschaft sich kulturell konstituiert. In diesem Sinne sind Inhalte und Programme von Medien ebenso relevant wie Besitzverhältnisse, Ausbildungs- und Bildungsstand von Medien–  232 –

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arbeitern, wie auch der Stand der Medienkompetenz des Publikums. In und durch Medien werden Gesellschaften zu Strömen des kulturellen Wandels, vertikal durch ihre historische Entwicklung und horizontal durch ihre soziale Diversität. Medienwandel – kulturtheoretisch eingeordnet Um den Medienwandel nicht nur technologisch, sondern auch kulturell zu verstehen und kulturtheoretisch verstehbar zu machen, empfiehlt es sich, sich zunächst an bestehenden Konzepten und Kategorien der Analyse des sozialen Wandels zu orientieren, wiewohl natürlich auch gleich dazu zu sagen ist, dass das, was man als das Phänomen „sozialer Wandel“ beschreibt, nicht ein in sich geschlossenes und in den Strukturen von Zeit und Geschichte aus sich bekundetes Objekt ist, sondern ein phänomenologisches Konzept, eine im Modell der Geschichte ausgelegte Beobachtung, die zu eng geführt wäre, würde man sie nur entlang der technologisch gedeuteten Entwicklung von Medien ausmachen. Die Entwicklung der Technik ist ja – vor allem nicht im Hinblick auf die Medialität der Gesellschaft – nicht der Faktor der Geschichte und schon gar nicht der Souverän, um den sich der Rest der Geschichte dreht. Den Medienwandel technologisch oder ökonomisch zu beschreiben ist lediglich eine Entscheidung für einen Fokus der Beobachtung, mit dem man dann ideologisch kundtut, welches Modell man für plausibel hält. Plausibilität aber ist in der Regel ein Statut von pragmatischen Erkenntnisinteressen. Die epistemologische Perspektive einer konstruktivistisch begründeten kulturtheoretischen Auslegung (vgl. Schmidt 2003, 2004) von sozialem Wandel macht klar, dass der Souverän der Geschichte nicht (irgend-) ein Strukturmerkmal sein kann, dessen (erfolgreiche) Veränderung oder Entwicklung andere Veränderungen (im Sinne von Wirkungen) nach sich zöge, sondern erst deren deutende Beobachtung und die in diese Deutung eingemischten ordnungslogischen Beweismodelle (z. B. von Ursache und Wirkung, von Anfang und Ende, von so und anders, von zuerst und danach etc.). In diesem Sinne ist das vor allen Beweislogiken liegende und diese erst legitimierende Kultur- und Wissensmodell, das die Existenz des Menschen als ein in sich durch Bezugnahmen gebundenes und verdichtetes und gedichtetes Geschehen (Geschichte, Wanderung, Nomadie, Veränderung, Bewegung) (vgl. Fischer 2011) deutet, das eigentliche Souveränitätsmodell des Menschen im Hinblick auf die Notwendigkeit der Bestimmung des Unbestimmten (des vorläufig unbestimmten Sinns) seiner Existenz. Die Bezugnahmen in diesem Verdichtungs(ist gleich) Erzählmodell sind nicht individuell, sondern nur in sozialer Praxis –  233 –

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arbeitern, wie auch der Stand der Medienkompetenz des Publikums. In und durch Medien werden Gesellschaften zu Strömen des kulturellen Wandels, vertikal durch ihre historische Entwicklung und horizontal durch ihre soziale Diversität. Medienwandel – kulturtheoretisch eingeordnet Um den Medienwandel nicht nur technologisch, sondern auch kulturell zu verstehen und kulturtheoretisch verstehbar zu machen, empfiehlt es sich, sich zunächst an bestehenden Konzepten und Kategorien der Analyse des sozialen Wandels zu orientieren, wiewohl natürlich auch gleich dazu zu sagen ist, dass das, was man als das Phänomen „sozialer Wandel“ beschreibt, nicht ein in sich geschlossenes und in den Strukturen von Zeit und Geschichte aus sich bekundetes Objekt ist, sondern ein phänomenologisches Konzept, eine im Modell der Geschichte ausgelegte Beobachtung, die zu eng geführt wäre, würde man sie nur entlang der technologisch gedeuteten Entwicklung von Medien ausmachen. Die Entwicklung der Technik ist ja – vor allem nicht im Hinblick auf die Medialität der Gesellschaft – nicht der Faktor der Geschichte und schon gar nicht der Souverän, um den sich der Rest der Geschichte dreht. Den Medienwandel technologisch oder ökonomisch zu beschreiben ist lediglich eine Entscheidung für einen Fokus der Beobachtung, mit dem man dann ideologisch kundtut, welches Modell man für plausibel hält. Plausibilität aber ist in der Regel ein Statut von pragmatischen Erkenntnisinteressen. Die epistemologische Perspektive einer konstruktivistisch begründeten kulturtheoretischen Auslegung (vgl. Schmidt 2003, 2004) von sozialem Wandel macht klar, dass der Souverän der Geschichte nicht (irgend-) ein Strukturmerkmal sein kann, dessen (erfolgreiche) Veränderung oder Entwicklung andere Veränderungen (im Sinne von Wirkungen) nach sich zöge, sondern erst deren deutende Beobachtung und die in diese Deutung eingemischten ordnungslogischen Beweismodelle (z. B. von Ursache und Wirkung, von Anfang und Ende, von so und anders, von zuerst und danach etc.). In diesem Sinne ist das vor allen Beweislogiken liegende und diese erst legitimierende Kultur- und Wissensmodell, das die Existenz des Menschen als ein in sich durch Bezugnahmen gebundenes und verdichtetes und gedichtetes Geschehen (Geschichte, Wanderung, Nomadie, Veränderung, Bewegung) (vgl. Fischer 2011) deutet, das eigentliche Souveränitätsmodell des Menschen im Hinblick auf die Notwendigkeit der Bestimmung des Unbestimmten (des vorläufig unbestimmten Sinns) seiner Existenz. Die Bezugnahmen in diesem Verdichtungs(ist gleich) Erzählmodell sind nicht individuell, sondern nur in sozialer Praxis –  233 –

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(also  : Kommunikation) möglich und sinnvoll. Und auch sie wechseln. Sie referieren aber in der Regel jene Instanzen, die im Prozess sozialer Verhandlungsprozesse für das Potenzial des (biologischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen) Überlebens (Herr über das Leben, Autorität) als bedeutsam bekundet werden. Solche Deutungsträger sind Menschen, Themen oder Ereignisse, denen man wegen ihrer Position, Funktion oder Wirkung den Bezug zu Macht, Gewalt, Weisheit, Wissen oder Schicksal unterstellt. Unter der Voraussetzung dieser wissenschaftskritischen Einordnung macht es Sinn, den Begriff des Medienwandels ebenso als phänomenologisches Konzept zu nützen und mit dem des sozialen Wandels zu assimilieren. Man hat in der Soziologie diesen Wandel theoretisch unterschiedlich erklärt  : –– als Modernisierungstheorie, die sich auf die Hypothese stützt, dass der soziale Wandel seinen Ursprung im technischen Fortschritt habe. –– als Innovationstheorie, die besagt, dass sich der soziale Wandel aufgrund von gesellschaftlichen und organisatorischen Innovationen und auf der Basis des Wandels der Werte und Normen vollzieht. –– als Balancetheorie, die annimmt, dass die Gesellschaft als stabiles Handlungssystem mit einer gemeinsamen Wertestruktur zu verstehen sei, die durch Einwirkungen der Umwelt (Perturbationen) in ihrem Gleichgewicht bedroht wird. Der soziale Wandel (Werte, Beziehungen, Anschauungen) wird in diesem Konzept als ein Faktor des Ausgleichs und der Balancierung betrachtet. Das System inhaliert, integriert und verarbeitet Umweltstörungen so, dass es sich mit seiner Umwelt in produktiver Haltung ko-orientiert. Ob sich der Medienwandel (als Konzept seiner Geschichte) besser über die Modernisierungstheorie, die Innovationstheorie oder die Balancetheorie erklären lässt, hängt sehr wohl von der oben schon angesprochenen wissenschaftstheoretischen bzw. ideologischen Positionierung ab. Als Geschichte der Macht und des Potenzials des Überlebens durch Technik bietet sich die Modernisierungstheorie an. In ihrem Kontext erklärt sich der Medienwandel als laufende (natürlich an die Wahrnehmung von sozialen und individuellen Bedürfnissen gebundene) Ausdifferenzierung des Werkzeugprinzips medialer Kommunikation und der damit möglicherweise verbundenen Probleme der (sozialen, kulturellen, ethischen) Verträglichkeit. Als Geschichte des Wertewandels bietet sich die Innovationstheorie an. In ihrem Kontext erklärt sich der Medienwandel als Geschichte der sich ändernden kulturellen und habituellen Kontexte. Wenn man in diesem Konzept Werte nicht verabsolutiert, sondern als Relationen (Bezugnahmen auf Deutungsmodelle) auffasst, die aus –  234 –

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der Abstraktion von Lebenszusammenhängen gewonnen werden, dann kann man dieses Konzept durchaus mit dem des Medienwandels (Medialitätswandels) assimilieren. In kulturtheoretischem Kontext scheint aber die Balancetheorie ein Konzept mit vergleichsweise größter Reichweite zu sein  : weil sie sich auf die Relation Mensch – Umwelt bezieht, assimiliert sie die schon mehrmals dargelegte Konzeption der kommunikativen Existenz des Menschen als sozialer Modus der Selbstbestimmung im Modell von Wiederholung und Erinnerung seiner kulturellen Spiegelung, sedimentiert in dem, was man das gesellschaftliche Gedächtnis nennt. Wie und wohin eine Gesellschaft sich entwickelt und aus welchen Ressourcen (Wissen, Innovation, Technik) sich diese Entwicklung speist, ist nicht zuletzt eine Frage des funktionalen und rationalen Gebrauchs des gesellschaftlichen Gedächtnisses, das man sowohl als Speichergedächtnis des kulturellen Bewusstseins, als auch als Funktionsgedächtnis der Rationalität einer Gesellschaft analysieren kann (vgl. Assmann 1999). Drei Zonen des gesellschaftlichen Gedächtnisses sind dabei auszumachen  : Als kulturelles Gedächtnis ist es ein Reservoir der horizontalen Erinnerbarkeit des Programms von Unterscheidungen (Deutungen), angelegt in Medien wie Sprachen, Symbole, Institutionen, wodurch ein gesellschaftlicher Zusammenhang horizontal begründet und so auch als Wir-Territorium („bei uns“) kontrolliert wird (vgl. Assmann 1999). Das kulturelle Gedächtnis ruft sich mehr als Wir-Wissen denn als Wir-Gefühl in Erinnerung, es dient zur Rationalisierung von Inklusion oder Exklusion. Als soziales Gedächtnis ist es das Reservoir der Erinnerbarkeit der im Wechsel der Generationen assimilierten und tradierten Erinnerungsprofile, womit ein gesellschaftlicher Zusammenhang vertikal begründet und so auch als Wir-Tradition („mit uns“) kontrolliert wird. Das soziale Gedächtnis ruft sich mehr als Wir-Gefühl denn als Wir-Wissen in Erinnerung, es dient vor allem der Emotionalisierung von Zusammenhalt bzw. von Ausschluss- und Einschlussthemen (vgl. Gries/Satjukow 2004, Gries 2006  : 11). Als kollektives Gedächtnis ist es das Reservoir der Erinnerbarkeit von situativen Zusammenschlüssen von durch Ereignisse oder Perioden gemeinsam Betroffenen, oft in Erinnerung gehalten durch Gedenktage, wodurch der gesellschaftliche Zusammenhang thematisch begründet und mitunter ideologisch kontrolliert wird. Das kollektive Gedächtnis ruft sich daher gerne als Wir-Empathie (Wir-Passion) in Erinnerung. Beispiele dazu liefern vor allem Großmedienereignisse. Das kollektive Fieber, das z. B. die öffentlichen Trauerrituale anlässlich des Todes von Lady Di begleitet hat, wurde zu einem Gutteil durch Medien inszeniert. –  235 –

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In allen Zonen des gesellschaftlichen Gedächtnisses spielen Medien die Rolle von Erinnerungsagenturen  : entweder autorisiert durch den politischen Auftrag (z. B. öffentlich-rechtlich organisierte Medien) oder aus eigener Strategie, um sich im Kontext der Definition von Wir- Territorium, Wir-Tradition oder Wir-Passion dabei auch selbst in Erinnerung zu rufen. Man kann also davon ausgehen, dass Medien einerseits massiv in die Strukturierung und Entwicklung des sozialen Gedächtnisses eingreifen und dass sie eine starke Rolle als Agenturen des kulturellen Gedächtnisses innehaben. Ebenso muss man aber andererseits wahrnehmen, dass Medien auch über weite Strecken das Funktionsgedächtnis (vgl. Strauss 1996) einer Gesellschaft steuern, indem sie jenes Wissen aufbereiten, verteilen und generieren, das die Gesellschaft braucht, um zu funktionieren. Das Funktionsgedächtnis einer Gesellschaft ist das kumulierte, aus Wissenschaft und Praxis gewonnene Wissen, über das eine Gesellschaft verfügt und dem entsprechend sie vernünftig funktioniert oder von sich meint, sich nach vernünftigen Regeln zu entwickeln. Das kulturelle Gedächtnis und das Funktionsgedächtnis zusammen ergeben sozusagen das Gesamtgedächtnis einer Gesellschaft, in dessen Entwicklung und Erweiterung allerdings auch Medien vehement eingreifen. Man muss von einer wechselseitigen Kausalität von Medienentwicklung und sozialem Wandel ausgehen. Beide Bereiche bedingen sich gegenseitig. Medien waren immer schon (angefangen bei Sprache und Schrift) die Schrittmacher der zunehmenden Zivilisation, sie sind es in einer Mediengesellschaft umso mehr. Sie stehen immer im Dienste des sozialen Handelns, sie mediatisieren das kommunikative (ist gleich gesellschaftliche) Handeln. Mediatisierung (oder auch Medialisierung) beschreibt also den Wandel der sozialen Beziehungen in organisierten Gesellschaften, sie ist der mit dem sozialen Wandel eng verbundene Vorgang, in dem Menschen immer häufiger und immer differenzierter ihr soziales und kommunikatives Handeln auf immer mehr ausdifferenzierte Medien beziehen. Der kommunikative Austausch wird zunehmend zeitlich, räumlich und sozial entgrenzt, was natürlich einen Wandel der zwischenmenschlichen Beziehungen (sowohl abbildet wie auch) bewirkt. Die Veränderungen, die innerhalb von Gesellschaften über einen längeren Zeitraum hin beobachtet werden können, sind Veränderungen der sozialen Struktur, der sozialen Organisation, der sozialen Beziehungen und der darin ausgetauschten Werte und Einstellungen (vgl. Krotz 2001). Mediatisierung ist der Vorgang des sozialen Wandels im Kontext der Mediengesellschaft, in dem nicht nur Politik und Öffentlichkeit, sondern auch Wirtschaft, Arbeit, Freizeit, Unterhaltung, im Grunde alle Lebenswirklichkei–  236 –

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ten sich mit der Medienwirklichkeit vermischen und so auch global vernetzen. Daraus folgt, dass alle Lebensbereiche immer mehr über die Interpretation der Medien (Medienrealität) wahrgenommen werden, sodass man mitunter in die Situation kommt, die reale Wirklichkeit an der Qualität der Medienwirklichkeit kritisch zu messen, weil man die über Medien vermittelten Bilder für die reale Wirklichkeit hält (vgl. Anders 1980a). Es sind also die Vermittlungskulturen, die über die Akzeptanz von Realität entscheiden. Im Kontext der Mediengesellschaft nimmt der soziale Wandel mediatisierten Charakter an (vgl. Schulz 2004). Er geht so weit zu behaupten, dass es in über Medien organisierten (also modernen) Gesellschaften keinen medienfreien Zustand mehr gibt – weder zu Themen, noch zu Ereignissen, noch zu sozialen Beziehungen. Die gesamte soziale, kulturelle und symbolische Lebenswelt ereignet sich in modernen Gesellschaften im Kontext von differenzierten Medien. Kompetenz als gesellschaftlicher Habitus Das Kultur- und Kompetenzprofil von Medienlandschaften ist nicht nur geprägt vom rationalen Mediengebrauch auf der Seite von Rezipienten bzw. Konsumenten, soweit eine solche Unterscheidung noch zutrifft, sondern ebenso auf Seiten von Kommunikatoren und Produzenten. Das theoretische Programm wäre unvollständig gefasst, würde es nicht auch einen kritischen Blick auf die unter den Bedingungen der für die Massenmedien typischen arbeitsteiligen Organisation von Kommunikation professionell profilierten Handlungszusammenhänge werfen. Dabei gäbe es viele Theoreme und Konzepte, die einzubringen bzw. aufzuarbeiten wären, so zum Beispiel  : alternative Medienarbeit, partizipatorische Medienarbeitsmodelle, alternative Konzepte von Öffentlichkeit, zivilgesellschaftliche Modelle von öffentlich-rechtlicher Medienorganisation u.ä. Im Sinne der Grundsätzlichkeit der Thematik macht es Sinn, Konzepte aufzugreifen und in das hier skizzierte theoretische Programm von Medialitätskompetenz einzumischen, die mit den zuvor schon erörterten Problemstellungen (Unbestimmtheit, Täuschungsvertrag, Wahrheitsvereinbarung) ein plausibles Verhältnis begründen  : Transparenz, Öffentlichkeit, Verantwortung. In Gesellschaften oder Gemeinschaften, in denen Vertrauen Kultur wäre, müsste man Verantwortung nicht zur expliziten Norm machen, weil sie der Stoff ist, aus dem Vertrauen entsteht und lebt. In solchen Gesellschaften und Gemeinschaften wäre Verantwortung nicht die Last (Belastung) des Einzelnen, sondern gemeinsames Kulturgut, das Klima und das Fluidum gesellschaftlicher bzw. gemeinschaftlicher Kommunikation. In solchen Umständen –  237 –

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ten sich mit der Medienwirklichkeit vermischen und so auch global vernetzen. Daraus folgt, dass alle Lebensbereiche immer mehr über die Interpretation der Medien (Medienrealität) wahrgenommen werden, sodass man mitunter in die Situation kommt, die reale Wirklichkeit an der Qualität der Medienwirklichkeit kritisch zu messen, weil man die über Medien vermittelten Bilder für die reale Wirklichkeit hält (vgl. Anders 1980a). Es sind also die Vermittlungskulturen, die über die Akzeptanz von Realität entscheiden. Im Kontext der Mediengesellschaft nimmt der soziale Wandel mediatisierten Charakter an (vgl. Schulz 2004). Er geht so weit zu behaupten, dass es in über Medien organisierten (also modernen) Gesellschaften keinen medienfreien Zustand mehr gibt – weder zu Themen, noch zu Ereignissen, noch zu sozialen Beziehungen. Die gesamte soziale, kulturelle und symbolische Lebenswelt ereignet sich in modernen Gesellschaften im Kontext von differenzierten Medien. Kompetenz als gesellschaftlicher Habitus Das Kultur- und Kompetenzprofil von Medienlandschaften ist nicht nur geprägt vom rationalen Mediengebrauch auf der Seite von Rezipienten bzw. Konsumenten, soweit eine solche Unterscheidung noch zutrifft, sondern ebenso auf Seiten von Kommunikatoren und Produzenten. Das theoretische Programm wäre unvollständig gefasst, würde es nicht auch einen kritischen Blick auf die unter den Bedingungen der für die Massenmedien typischen arbeitsteiligen Organisation von Kommunikation professionell profilierten Handlungszusammenhänge werfen. Dabei gäbe es viele Theoreme und Konzepte, die einzubringen bzw. aufzuarbeiten wären, so zum Beispiel  : alternative Medienarbeit, partizipatorische Medienarbeitsmodelle, alternative Konzepte von Öffentlichkeit, zivilgesellschaftliche Modelle von öffentlich-rechtlicher Medienorganisation u.ä. Im Sinne der Grundsätzlichkeit der Thematik macht es Sinn, Konzepte aufzugreifen und in das hier skizzierte theoretische Programm von Medialitätskompetenz einzumischen, die mit den zuvor schon erörterten Problemstellungen (Unbestimmtheit, Täuschungsvertrag, Wahrheitsvereinbarung) ein plausibles Verhältnis begründen  : Transparenz, Öffentlichkeit, Verantwortung. In Gesellschaften oder Gemeinschaften, in denen Vertrauen Kultur wäre, müsste man Verantwortung nicht zur expliziten Norm machen, weil sie der Stoff ist, aus dem Vertrauen entsteht und lebt. In solchen Gesellschaften und Gemeinschaften wäre Verantwortung nicht die Last (Belastung) des Einzelnen, sondern gemeinsames Kulturgut, das Klima und das Fluidum gesellschaftlicher bzw. gemeinschaftlicher Kommunikation. In solchen Umständen –  237 –

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aber leben wir nicht, auch wenn wir in der Lage sind, uns ihrer immer wieder zu erinnern. Die von Max Weber eingebrachte Unterscheidung in Verantwortungsethik (Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Folgen des Handelns) und Gesinnungsethik (Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Motive des Handelns, vgl. Weber 1992) hilft da, obwohl immer wieder beschworen, möglicherweise so viel nicht weiter. Denn sie setzt eine objektive Hierarchie der Werte voraus, die es so nicht gibt. Vermutlich geht es dem gesellschaftlichen Konstrukt Verantwortung weniger um die Balance des Handelns zwischen Motiv und Folgen, als vielmehr um die Balance zwischen Innenwissen und Außenwissen, zwischen Bewusstsein und Wissen. Dann ist Verantwortung das, wofür man Rede und Antwort steht, wenn in Frage steht oder in Frage kommt, was einem anvertraut, zugemutet oder zugetraut wird. Dann ist sie schlicht die Haltung, dass man zu dem steht (dem treu bleibt), was man sich zutraut oder sich zutrauen lässt, oder sich (nur) das zutraut, wozu man zu stehen bereit ist. Verantwortung – die Rede ist hier von Institutionen, nicht von Personen – hat also (theoretisch wie auch praktisch) mit dem Vertrauensgrundsatz der Gesellschaft zu tun und ist wissenschaftlich nur vertrauenstheoretisch zu argumentieren (vgl. Luhmann 2000)  : Die Verantwortung von Medien ist die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Zumutung an Medienorganisationen, das Vertrauen, das man ihnen entgegenbringt in Glaubwürdigkeit zu übersetzen, was, wie in vielen Bereichen, in erster Linie durch ausgewiesene Professionalität, Transparenz der Interessen und Arbeitsmethoden und Zugänglichkeit für Kritik sichergestellt wird. Wie man sieht, ist Verantwortung ein Fall von Kommunikation, also ein Merkmal von Anerkennung und einer Haltung, durch die man sich kenntlich und belangbar macht. Sie ist ein Statement der Glaubwürdigkeit, für die natürlich Zeichen zu setzen sind  : Thematisches Engagement, Kontinuität, Qualität und – nicht zuletzt – Nachhaltigkeit als Kriterium der Entscheidung zwischen ökonomischen und publizistischen Interessen. Öffentlichkeit Öffentlichkeit ist ein Organisationskonzept der Gesellschaft zur Sicherstellung des Vertrauenspotenzials gesellschaftlich relevanter Verständigungsprozesse, zugleich ist sie ein Kommunikationskonzept ihrer politischen Selbstorganisation. Da diese ohne Macht nicht wäre, was sie ist, ist Öffentlichkeit das Netz, das die Diskurse zueinander verbindet, das Dispositiv von Macht (vgl. Foucault 1978). Sie ordnet und hierarchisiert die Diskurse und gibt den Ereignissen, Themen und Menschen jene Deutung, an der man sich dann in wech–  238 –

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aber leben wir nicht, auch wenn wir in der Lage sind, uns ihrer immer wieder zu erinnern. Die von Max Weber eingebrachte Unterscheidung in Verantwortungsethik (Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Folgen des Handelns) und Gesinnungsethik (Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Motive des Handelns, vgl. Weber 1992) hilft da, obwohl immer wieder beschworen, möglicherweise so viel nicht weiter. Denn sie setzt eine objektive Hierarchie der Werte voraus, die es so nicht gibt. Vermutlich geht es dem gesellschaftlichen Konstrukt Verantwortung weniger um die Balance des Handelns zwischen Motiv und Folgen, als vielmehr um die Balance zwischen Innenwissen und Außenwissen, zwischen Bewusstsein und Wissen. Dann ist Verantwortung das, wofür man Rede und Antwort steht, wenn in Frage steht oder in Frage kommt, was einem anvertraut, zugemutet oder zugetraut wird. Dann ist sie schlicht die Haltung, dass man zu dem steht (dem treu bleibt), was man sich zutraut oder sich zutrauen lässt, oder sich (nur) das zutraut, wozu man zu stehen bereit ist. Verantwortung – die Rede ist hier von Institutionen, nicht von Personen – hat also (theoretisch wie auch praktisch) mit dem Vertrauensgrundsatz der Gesellschaft zu tun und ist wissenschaftlich nur vertrauenstheoretisch zu argumentieren (vgl. Luhmann 2000)  : Die Verantwortung von Medien ist die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Zumutung an Medienorganisationen, das Vertrauen, das man ihnen entgegenbringt in Glaubwürdigkeit zu übersetzen, was, wie in vielen Bereichen, in erster Linie durch ausgewiesene Professionalität, Transparenz der Interessen und Arbeitsmethoden und Zugänglichkeit für Kritik sichergestellt wird. Wie man sieht, ist Verantwortung ein Fall von Kommunikation, also ein Merkmal von Anerkennung und einer Haltung, durch die man sich kenntlich und belangbar macht. Sie ist ein Statement der Glaubwürdigkeit, für die natürlich Zeichen zu setzen sind  : Thematisches Engagement, Kontinuität, Qualität und – nicht zuletzt – Nachhaltigkeit als Kriterium der Entscheidung zwischen ökonomischen und publizistischen Interessen. Öffentlichkeit Öffentlichkeit ist ein Organisationskonzept der Gesellschaft zur Sicherstellung des Vertrauenspotenzials gesellschaftlich relevanter Verständigungsprozesse, zugleich ist sie ein Kommunikationskonzept ihrer politischen Selbstorganisation. Da diese ohne Macht nicht wäre, was sie ist, ist Öffentlichkeit das Netz, das die Diskurse zueinander verbindet, das Dispositiv von Macht (vgl. Foucault 1978). Sie ordnet und hierarchisiert die Diskurse und gibt den Ereignissen, Themen und Menschen jene Deutung, an der man sich dann in wech–  238 –

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selseitiger Unterstellung der Unmöglichkeit des Nichtwissens – und dadurch kontrolliert – orientiert (Öffentlichkeit als Vertrauen – vgl. Luhmann 2000). Öffentlichkeit ist nicht, wie der abstrakte Begriff nahelegen möchte, ein in sich geschlossener und homogener Strukturzusammenhang, sondern ein im Wege der gesellschaftlichen Erfahrung entwickeltes Wissensmodell vom (ethischen, ästhetischen und nützlichen) Sinn der unterschiedlichen Deutung von Wahrheit und von der Notwendigkeit des Prinzips des Zugangs zu Differenz. In diesem Sinne nützen offene Gesellschaften sie als Vernunft-Matrize ihrer demokratischen Verfassung. Diesen Status musste sich der Mensch im kulturellen Umgang und in intelligenter Rechnung mit (bzw. gegen) sich selbst mühsam erarbeiten. Die europäische Kommunikationsgeschichte ist und war über lange Strecken mit diesem Thema konfrontiert (vgl. Habermas 1971). Sie ist ein in schweren Geburten generiertes Modell der sozialen (gleich kulturellen) Emanzipation und immer noch das Hauptstück von Humanismus, Aufklärung und ziviler Selbstverwirklichung. Auch hier gilt das schon einmal verwendete Argument der wechselseitigen Konstitution  : Wenn man Gesellschaft gesellschaftlich (sozial) versteht, dann kann nichts gesellschaftlich (sozial) sein, was nicht (zugleich) öffentlich ist. Was gesellschaftlich (relevant) ist, kann nicht zugleich privat sein. Es wäre, wie der Begriff sagt, dem öffentlichen Interesse entrissen. Gesellschaft ist, was allen gehört. Weil sie allen gehört, ist sie eine Dimension der Selbstbestimmung des Individuums, die niemandem vorenthalten und niemandem versagt werden kann. In dieser Rückbindung ist Öffentlichkeit ein soziales, ein gesellschaftliches Dialogmodell, das sicherstellt, dass Wahrheit keine Pflicht zur Eindeutigkeit und Eindeutigkeit kein Recht auf Wahrheit hat. Wo Wahrheit mit Eindeutigkeit auftritt, setzt sie den Sinn der Freiheit der Kommunikation außer Kraft. Öffentlichkeit ist die politische Matrize der sozialen Vernünftigkeit des Unterschieds von Meinungen. Der kommunikative Wert von Öffentlichkeit liegt also in der Multi-Optionalität (Vielfalt) von Deutung und Bedeutung und in der Differenzierung (Kritik) all dessen, was sich als eindeutig (in nur einer Deutung als) wahr gibt. Öffentlichkeit ist das sozial konstruierte Einheitsmodell für die mögliche Unterscheidung von Wahrheit und Bedeutung. Durch sie (erst) werden Dogmatismus, Orthodoxismus, Autoritarismus und totalitäre Hierarchien diskreditiert. Öffentlichkeit ist das soziale bzw. gesellschaftliche Referenzmodell von (individueller) Freiheit, in welchem individuelle Lebenszusammenhänge sozial relevant und soziale Zusammenhänge subjektiv relevant (gemacht) werden können. Öffentlichkeit ist das Medialitätskriterium einer Gesellschaft, die –  239 –

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sich des Kommunikations- und Kulturwertes von Gesellschaftlichkeit bewusst ist. Wo Öffentlichkeit ausgeblendet, be- oder verhindert wird, erstickt das Motiv der sozialen Aufmerksamkeit oder verliert sich in Ritualen der Privatheit. Jede Wahrnehmung von Ereignissen, Themen und Phänomenen vollzieht sich im Wege ihrer Deutungen. Deutungen aber sind Zuschnitte, Einordnungen und Zuordnungen. Wenn etwas Be-Deutung bekommt oder hat, dann ist dieses schon einem nachvollziehbaren Deutungsdiskurs zuordenbar und wird eben als solches wieder erkannt wie es – gesellschaftlich arrangiert – gedeutet wurde. Dürften oder könnten Ereignisse, Gedanken, Ideen, Themen und auch Wissen nur eindeutig (in einer Deutung) ausgelegt werden, bräuchte es nicht den Aufwand der Öffentlichkeit, im speziellen nicht den Aufwand an Demokratie. Demokratie und Öffentlichkeit stellen aber sicher, dass in jedem Falle jede Position nicht nur das Recht, sondern auch die Verantwortung (Pflicht) hat, sich in die gesellschaftliche Deutungsverhandlung von Themen einzubringen, die mehr als nur ein Individuum betreffen, weil erst dann das Prinzip von Öffentlichkeit kommunikativ greift, wenn in gegenseitigem und wechselseitigem Vertrauen sichergestellt bzw. unterstellt wird, dass sich nichts und niemand aus dieser sozialen Rechnung stiehlt. Jede Privatisierung (sich heraus halten – sic!) wäre schon ein Klau am potentiellen Deutungskapital. So interpretiert ist Öffentlichkeit ein im Wege der kulturellen Evolution entwickeltes Wissensmodell vom (ethischen, ästhetischen und nützlichen) Sinn der unterschiedlichen Deutung von Wahrheit. Das Gesellschaftsmodell von Kommunikation  : die Kultur der sozialen Praxis Leider kursieren im Kontext von Medienpublizistik und Medienpädagogik immer noch und immer wieder Definitionen von Kommunikation, die ziemlich trivial, im Modell eines technischen Ablaufes zu einer mechanischen Apparatur verdinglicht und in ein Modell einer sich selbst bestätigenden Kausalitätskette von Handlung und Handlungserfolg oftmals zu einer ziemlich stupenden Rechnung gepresst werden. Um Anspruch auf Gültigkeit anzumelden, muss man das Erkenntnisinteresse solcher Definitionen klar machen oder klar stellen. Eine im technischen Paradigma verfasste Konzeption von Kommunikation sucht ein Ergebnis (Wirkung) und definiert den dazu vermuteten notwendigen Vorgang aus oder im Hinblick auf ein/em Ergebnis. Diese Perspektive favorisiert eine technische Interpretation des Vorgangs als eine Kette von Handlungen, die, wenn man sie „richtig“ setzt, den „Erfolg“ sichert. Ein auf einen solchen Kommunikationsbegriff ausgerichtetes Kompetenzprogramm verleitet dazu, die Strukturen zu perfektionieren (damit sie nicht enttäuschen). Ein solches Modell fordert –  240 –

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sich des Kommunikations- und Kulturwertes von Gesellschaftlichkeit bewusst ist. Wo Öffentlichkeit ausgeblendet, be- oder verhindert wird, erstickt das Motiv der sozialen Aufmerksamkeit oder verliert sich in Ritualen der Privatheit. Jede Wahrnehmung von Ereignissen, Themen und Phänomenen vollzieht sich im Wege ihrer Deutungen. Deutungen aber sind Zuschnitte, Einordnungen und Zuordnungen. Wenn etwas Be-Deutung bekommt oder hat, dann ist dieses schon einem nachvollziehbaren Deutungsdiskurs zuordenbar und wird eben als solches wieder erkannt wie es – gesellschaftlich arrangiert – gedeutet wurde. Dürften oder könnten Ereignisse, Gedanken, Ideen, Themen und auch Wissen nur eindeutig (in einer Deutung) ausgelegt werden, bräuchte es nicht den Aufwand der Öffentlichkeit, im speziellen nicht den Aufwand an Demokratie. Demokratie und Öffentlichkeit stellen aber sicher, dass in jedem Falle jede Position nicht nur das Recht, sondern auch die Verantwortung (Pflicht) hat, sich in die gesellschaftliche Deutungsverhandlung von Themen einzubringen, die mehr als nur ein Individuum betreffen, weil erst dann das Prinzip von Öffentlichkeit kommunikativ greift, wenn in gegenseitigem und wechselseitigem Vertrauen sichergestellt bzw. unterstellt wird, dass sich nichts und niemand aus dieser sozialen Rechnung stiehlt. Jede Privatisierung (sich heraus halten – sic!) wäre schon ein Klau am potentiellen Deutungskapital. So interpretiert ist Öffentlichkeit ein im Wege der kulturellen Evolution entwickeltes Wissensmodell vom (ethischen, ästhetischen und nützlichen) Sinn der unterschiedlichen Deutung von Wahrheit. Das Gesellschaftsmodell von Kommunikation  : die Kultur der sozialen Praxis Leider kursieren im Kontext von Medienpublizistik und Medienpädagogik immer noch und immer wieder Definitionen von Kommunikation, die ziemlich trivial, im Modell eines technischen Ablaufes zu einer mechanischen Apparatur verdinglicht und in ein Modell einer sich selbst bestätigenden Kausalitätskette von Handlung und Handlungserfolg oftmals zu einer ziemlich stupenden Rechnung gepresst werden. Um Anspruch auf Gültigkeit anzumelden, muss man das Erkenntnisinteresse solcher Definitionen klar machen oder klar stellen. Eine im technischen Paradigma verfasste Konzeption von Kommunikation sucht ein Ergebnis (Wirkung) und definiert den dazu vermuteten notwendigen Vorgang aus oder im Hinblick auf ein/em Ergebnis. Diese Perspektive favorisiert eine technische Interpretation des Vorgangs als eine Kette von Handlungen, die, wenn man sie „richtig“ setzt, den „Erfolg“ sichert. Ein auf einen solchen Kommunikationsbegriff ausgerichtetes Kompetenzprogramm verleitet dazu, die Strukturen zu perfektionieren (damit sie nicht enttäuschen). Ein solches Modell fordert –  240 –

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nicht die ganze Kompetenz (Ethik, Kultur, Verantwortung), sondern lediglich die technisch-funktionalen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Kommunikation ist nicht, wie so oft vereinfachend beschrieben, ein Prozess, der zwischen Menschen, vermittelt oder unvermittelt, abläuft. Das ist eine viel zu technisch und kausal angelegte und die technische Kette der Organisation des Handelns isolierende Beschreibung. Kommunikation ist ein elaboriertes Kulturmodell, ein kontextuelles Modell der sozialen Beobachtung, ein begriffliches Suchbild, das beschreibt, wie Menschen – organisiert oder unorganisiert – die sozialen, kulturellen und strukturellen Bezüge ihres Lebensvollzuges in ein Sinnmodell ihrer Existenz bringen. Dieses begriffliche Suchbild kann grundsätzlich mit verschiedenen Prämissen arbeiten, die auf einem Kontinuum zwischen heterologischen und homologischen Glücks- bzw. Erfolgsvorstellungen zu positionieren sind  : –– Kommunikation als Verständigungsarbeit im Modell von Konsens (Verständigung als homologische Bestimmung von Wirklichkeit)  : Verstehen und Verständigung entstehen im Finden der Übereinstimmung von Sichtweisen  ; –– Kommunikation als Verständigungsarbeit im Modell von Differenz (Verständigung als heterologische Bestimmung von Wirklichkeit)  : Verstehen und Verständigung entstehen im Finden der Differenz von Sichtweisen. Wenn man, wie zuvor versucht, Kommunikation als soziales Beobachtungsmodell – noch richtiger  : als soziales Beobachtungsprogramm – zu beschreiben, dann lässt sich unschwer vermuten, dass ein Beobachtungsmodell im Interesse der Übereinstimmung von Sichtweisen (homologisches Modell) eine Affinität zu hierarchisch strukturierten bzw. kontrollierten Gesellschaften hat. Wird ein so orientiertes Beobachtungsmodell (Alltagswissen Kommunikation) in die wissenschaftliche Analyse übernommen (Wissenschaftswissen Kommunikation), dann liegt der Verdacht nahe, dass ein mehr oder minder intuitiv genutztes homologischen Beobachtungsmodell (Wahrheiten müssen sich gleichen) im Kontext wissenschaftlicher und theoretischer Analyse zu einem logischen Modell abstrahiert wird, in dem Gleichheit und Entsprechung (konsensuelle Verständigung) als Merkmale von Kommunikation definiert werden. Die in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft oftmals so genutzten und vielen Einzelanalysen zu Grunde gelegten Vorstellungsmodelle von Kommunikation – zumindest jene vor der Integration kulturwissenschaftlicher Interpretationen – machen sich in diese Richtung verdächtig. Die Kritik am Realismus und an der essentialistischen Logik (Methodologie) der Kommunikationswissenschaft hat mittlerweile auch schon ihre ei–  241 –

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gene Tradition, die durchschlagende Revision ist aber erst dort gelungen, wo die Zugänge kontextuell, universalistisch und im Sinne konstruktivistischer Erkenntnistheorie (vgl. Meidl 2009  : 250ff, Krippendorf 2009) ausgelegt sind. Die gängigen inhärenten Paradigmata (Kausalität, Mathematizität, Technizität, Objektivität, Normativität) (vgl. Weber 1997  : 37ff ) outen sich selbstredend als Perspektiven der Beobachtung (Analyse) im Interesse der Verdinglichung und Homogenisierung von Zustand und Betrachtung und der Assimilierung der Beobachtung zweiter Ordnung (Wissen schaffen) mit der Beobachtung erster Ordnung (Erfahrung interpretieren). Plausibilität, Trivialität und Praktizität bzw. Praktikabilität dienen hier als Stützen der kognitiven Ordnung. Während in homologischen Beobachtungsprogrammen das Suchbild der Wahrheit als Einheit und Gleichheit (der Inhalte) im Unterschied zur Verschiedenheit formuliert ist, sucht man in heterologischen und am Erkennen von Differenz interessierten Programmen Wahrheit als die Einheit der Verschiedenheit, als kommunikative Spur im Spiel von Spruch und Widerspruch (Gleichausrichtung des Erkenntnisgrundes – „Beobachtungsmanagement“  ; vgl. Schmidt 2007) und entdeckt, dass, um diese (für) wahr nehmen zu können, jene Perspektive notwendig ist, die zur jeweils anderen eine Differenzposition aufmacht (Schmidt 2003  : 77). Wahrheit ist eine Größe, die mehr mit der Vereinbarung auf kommunikative und soziale Operationen bzw. mit kommunikativen Interpunktionen zu tun hat, als mit logischen Operationen (Erkennen der Bestimmtheit von Inhalten), also mit Identität/Erkennbarkeit, Authentizität/Glaubwürdigkeit und Standpunkttreue/Vertrauen. Heterologische Modelle der Kommunikation verstehen den Vorgang der Verständigung auf Wahrheit als Vereinbarung auf Unterschiede der Perspektiven und der Wahrnehmung zwischen Verhandlungspartnern und als Bereicherung von Erkenntnis. Der Wert der Kommunikation in diesem Modell liegt in der Verständigung auf Diversität. Darauf Bezug nehmend ist Kommunikation Vergemeinschaftung von Unterschieden und die Verteilung von Gesellschaftlichkeit. Unter der Referenz auf Gemeinschaft macht Unterschied Sinn. Der semantische Unterschied (des Inhalts) macht es sinnvoll, notwendig und nützlich einen sozialen Raum gegenseitiger Wahrnehmung zu schaffen, in dem die Vieldeutigkeit des Inhalts einen Wirklichkeitswert erhält – und nicht umgekehrt, wie in homologischen Modellen, wo die Einheit des Inhalts (nur eine Wahrheit) die Unterschiedlichkeit (in Wissen, Moral, Kompetenz) der handelnden Personen aufdeckt. Bedenkt man, dass Kommunikation ein Programm ist, das man als solches wieder nur über Kommunikation erfassen und interpretieren kann, dann wird deutlich, dass es ein natürliches (aus sich selbst geborenes) und für sich selbst –  242 –

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stimmiges gesellschaftliches Format von Kommunikation nicht geben kann, dass die kultürliche (aus der Beobachtung gewonnene) Rationalität von Kommunikation nicht auf die (eine) Einstimmigkeit von Wahrheits- oder Wirklichkeitsbestimmung ausgerichtet sein kann und dass die teleologische Vernünftigkeit (Rationalität) von Kommunikation (Beobachtung) daher auch nicht darin liegen kann, mit dem ident zu werden, was vermeintlich schon vor ihr existiert, sondern darin liegen muss, das zu identifizieren (realisieren), was vor ihr noch keinen Bestand und keine Wirklichkeitsrelevanz hatte. In diesem Sinne ist Kommunikation das sozial-kulturelle Programm zur Feststellung (Festhaltung) von Differenz und Überraschung als Moment der Wahrheit. In einer multi-optionalen und pluralen Umwelt ist ein solcher Kommunikationsbegriff vermutlich das theoretisch kompatiblere Programm der Selbstbeobachtung einer Gesellschaft, aus dem sich übrigens Muster der Bewältigung von Konflikt und Krise ableiten lassen, die den Wert und die Nützlichkeit von Krisen für die Umstellung von Einstellungen und Beobachtungspositionen verdeutlichen. Die differenzlogische Version des Kommunikationsbegriffs hat der konsenslogischen Version voraus, dass sie als kommunikationstheoretisches Programm einer offenen Gesellschaft gelten kann, während die konsenslogische Version als theoretisches Programm einer (als Nation, Ethnie, Gruppe etc. sich selbst genügende, sich in sich schließende oder in sich) geschlossenen Gesellschaft gewertet werden muss. Die Gesellschaft lebt und entwickelt sich in Form des sich ausdifferenzierenden Wissens über sich selbst. Je mehr sie über sich weiß oder wissen will, desto mehr lernt sie (muss sie lernen), das Programm der Unterschiedsbeobachtung auf sich selbst anzuwenden, ganz im Sinne des Konzepts der „doppelten Differenz“ von Gregory Bateson (Bateson 1999)  : Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht. Unterschiede mögen objektgegeben sein, Unterscheidungen aber sind durch Beobachtung (und deren Deutung) eingebrachte Größen. Offene Gesellschaften bilden in sich Strukturen, durch die sie in der Lage sind, den Blick von außen innen wahrzunehmen und zu verarbeiten. Das verlangt ein dialogisches und selbstreflexives Konzept der Selbstbeobachtung, das aufgrund der Medialisierung dieser Selbstbeobachtung ein Medialitätskonzept sein muss. Dieses stellt für die Praxis von Medienpolitik, Gesellschaftspolitik, Kulturpolitik und Bildungspolitik einen normativ-kritischen Hintergrund dar. Offene Gesellschaften brauchen und begründen freie Medienlandschaften. Die Freiheit der Medienlandschaft entwickelt sich zu einem intrinsischen und in politischen Strukturen verankerten Gut der Gesellschaft unter den Bedingungen einer dialogischen Kommunikationskultur, in der die von gesellschaftlichen Vorgängen wie auch immer Betroffenen an diesen in–  243 –

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tellektuell und praktisch beteiligt werden und die (meist professionell) Beteiligten wissen, dass sie von allen Vorgängen und Änderungen, auch wenn sie andere adressieren, selbst wieder betroffen sind. Das würde den Austausch von Gefälligkeiten (Täuschungsvertrag  : Zahlen für Quoten) kulturell desavouieren. Noch folgt das Medialitätskonzept in allen Gesellschaften – vor allem medienpolitisch – nicht dieser Logik, sondern der des Marktes. So schnell wird sich daran in der Praxis auch nichts ändern, auch wenn die Wissenschaft und andere Instanzen kritischer Rationalität Alternativen aufzeigen.

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Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

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Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

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Verstehen und Verständigung in der Mediengesellschaft

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit Anmerkungen zur Kommunikationslogik des sozialen Wandels*

Begriffsschwache Allgemeinplätze Die Wirklichkeit der Gesellschaft erschließt sich nicht darüber, dass man sie beobachtet, sondern darüber, wie man diese Beobachtungen kommuniziert, in welchen Kontexten, mit welchen Bezügen, Interessen und aus welchen Perspektiven, wie man je-eigene Beobachtungen in den Gesamtzusammenhang gesellschaftlicher Beobachtung einmischt bzw. aus dem Gesamt der zugänglichen Beobachtung je-eigene Deutungen ableitet und entwickelt. Wirklichkeit ist das Konstrukt aus Geschichten und Diskursen (Schmidt 2003), in die wir durch Beobachtung eingebunden sind. Vor diesem Horizont sind Wirklichkeit, Gesellschaft und Kommunikation weit und generell gefasste Begriffe, die im Kontext der Alltagsbeobachtung (kybernetisch verstanden als erste Ordnungsebene  : Beobachtung des Objekts) als aufeinander verweisend und verwiesen verstanden werden. Im Zuge der Übernahme dieser zunächst alltagstheoretischen Begriffe in das Ordnungssystem wissenschaftlicher Beobachtung (kybernetisch verstanden als zweite Ordnungsebene  : Beobachtung der Beobachtung) geht es dann nicht mehr (nur) um das Begreifen der als Objekte beobachteten Zusammenhänge, sondern um das Verstehen der Objektivierung im Modus von Begriffen, um die analytische und/oder exegetische Interpretation der begrifflich in Beschreibungsmetaphern gefassten Konzeption alltäglicher Beobachtung (vgl. Hepp 2008  : 66, Krippendorf 1994, Schmidt 2003). Gerade weil die (dann) wissenschaftlich gebildeten Begriffe keine Objekte beschreiben, sondern als Konzepte der Beschreibung von alltagstheoretischer Beschriftung firmieren, aber sprachlich mit den Alltagsbegriffen ident bleiben (z. B. Gesellschaft, Kommunikation, Wirklichkeit u.v.m.) werden Alltags- und Wissenschaftsgebrauch vermischt, was sie dazu disponiert stets allgemein und verallgemeinernd gebraucht zu werden. Sollten sie dadurch allgemeinplätzig werden, haben sie ihre Erklärungstiefe aber auch * Dieser Text stellt eine erhebliche Erweiterung eines Buchbeitrages dar, der unter dem Titel „Globalisierung aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive“ (Bauer 2011a) erschienen ist.

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

schon verloren. Allgemeinplätze markieren die Armutsgrenze der Reflexion, sie sind Dispositive des Verzichts auf Komplexität und Kontingenz (vgl. Luhmann 1987  : 152). Sie sind nachlässig im Zugriff, werden meist nur standardisiert gebraucht, weil sie die Differenziertheit dessen, was sie beobachten, nicht wertschätzen und weil sie alles, was jenseits der Oberfläche wahrzunehmen wäre, für umständliche und nicht notwendige Grundbohrung halten. Sie reduzieren den Reichtum der möglichen Bezüge auf ein kausales Setting der praktischen Logik (Hausverstand)  : Wirklich ist, was wahr ist, weil nur wahr sein kann, was wirklich ist. Will man aber verstehen, warum und wie zwei Begriffe – so wie hier z. B. wahr und wirklich – nicht zueinander und füreinander, sondern auch gegeneinander und einander ausschließend verwendet werden – und das soll vorkommen – dann muss man der Sache, das heißt hier  : der Begriffsverwendung auf den Grund gehen. Begriffsverwendungen spiegeln nicht nur die soziale Praxis, sie legitimieren und affirmieren sie auch (vgl. Foucault 2001). Diese Routine der „praktischen“ und sich oft in Allgemeinplätzen genügenden Theorie, die sich im Kontext des Themas „Wandel“ (Strukturwandel, Kulturwandel, Wertewandel, Medienwandel, sozialer Wandel) nicht selten findet, kann und muss die sozialwissenschaftliche Theorie empirisch, kritisch, normativ-ethisch und auch pragmatisch zugunsten der möglichen Diversität von Wirklichkeit unterbrechen (vgl. Schmidt 2003  : 94). Die wissenschaftliche Beobachtung der sozialen Praxis schafft erst dann Wissen, wenn sie im Wege der kritischen Selbstreflexion sich immer wieder freispielt von der affirmativen Wiederholung dessen, was man schon weiß („man weiß, wie das geht“) und die Aufmerksamkeit der Beobachtung darauf lenkt, was man nicht weiß oder auch nicht wissen möchte. In diesem Sinne ist die diskursive Intervention, die bedachte Störung eingeübter und mitunter herrschaftlich dominierter und so abgesicherter Ordnungen der Beobachtung das entscheidende Kompetenzmotiv für eine Wissenschaft im Interesse einer offenen und emanzipierten Gesellschaft. Was die Sozialwissenschaften „soziale Praxis“nennen, ist ein in sich mehr oder minder verschlüsselter Komplex von einander in Deutungen vermittelten Beobachtungen und Handlungen, die, weil sie sich selbst nicht definieren, in Kommentaren und Metaphern notdürftig mit semantischen Aufladungen umrissen werden, um ihre Grundsätzlichkeit einerseits wie ihre fluide Phänomenologie und dissipative Morphologie andererseits begrifflich in Einklang zu bringen. Was sind Begriffe wie Kommunikation, Gesellschaft oder Gemeinschaft denn anderes als hilflose Konzepte mutwilliger Sinnerinnerung von Erfahrungen des Selbst in einer Umgebung, die zwischen totaler Unbestimmtheit von Wirklichkeit (alles könnte alles sein) und der Notwendigkeit der –  259 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Bestimmung (eines kann nicht alles sein) changiert. Eine so in Umrissen begriffene Realität wird immer mitbestimmt von der Möglichkeit zu Andersheit und Multivalenz, richtiger  : zur multivalenten Andersbeobachtung  : Realität ist kein Zustand aus sich oder für sich selbst, sondern ein Deutungskonstrukt, skizziert aus Bezugnahmen und aus den individuell, kulturell und sozial durchaus unterschiedlichen Ressourcen (Kompetenzen, Kapazitäten, Habitate) der Beobachtung  : Zuständigkeiten, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Bewusstsein und Verantwortung, Position, Motivation und Identifikationen entscheiden in der Wahrnehmung und dann erst recht in der Bestimmung (Benennung, Definition) von Realität über Struktur, Richtung, Ein- und Ausschließlichkeit. Was dann Realität ist, ist ein Summenspiel der eben beschriebenen sozialen Praxis als Konstruktion von Sinn (vgl. Berger/Luckmann 1972, Deleuze 1992, Flusser 1998, Canguilhem/Foucault 1988, 2001, 1974). Sinn ist die eigentliche Matrize der Beobachtung, die Kategorie, die Erfahrungen in Bezug zu Nützlichkeit, Möglichkeit, Ästhetik und Ethik (vgl. Edmaier 1968  : 61) setzt, die Erfahrungen als solche verständlich macht und ihnen die Relevanz von Realität zuordnet. Sinnpostulate sind der Schlüssel zur Erfahrung, das Pendel, das im Muster der Bewegung eine Figur zwischen Polen entwirft, zwischen Es-muss-sein und Es-kann-sein, zwischen Ratlosigkeit und Sehnsucht, zwischen Schicksal und Utopie, nicht zuletzt zwischen Wissen und Glauben. Womit also real zu rechnen ist, ist die Möglichkeit. Möglichkeit ist die Begründung für Wirklichkeit wie auch für deren jeweils inhärente Andersheit  : weil etwas möglich ist, ist es wirklich, weil es wirklich ist, ist es auch anders möglich. Alles, was auch anders möglich ist, ist wirklich möglich und möglich wirklich. Wirklichkeit ist nicht nur heterogen in dem Sinne, dass sie sich aus unterschiedlichen Quellen der Beobachtung speist, sondern sie ist auch heteronom in dem Sinne, dass sie unter jeweils denselben Rahmenbedingungen (Zeit, Ort, Sache) also zur selben Zeit, am selben Ort und in derselben Sache jeweils anders ausfallen kann, als man annimmt, dass sie tut. Das ist keine bemerkenswert revolutionäre Einsicht, in dieser Aufschlüsselung ruft sie aber unter Bedacht auf die gesellschaftliche Relevanz des Wirklichkeitsbegriffs in Erinnerung, dass das, was man gemeinhin gesellschaftliche (praktische) Wirklichkeit nennt, eine Konfiguration der Verteilung bzw. der Vergemeinschaftung von Beobachtung darstellt. Verteilung und/oder Vergemeinschaftung richten sich aber nach kulturell programmierten Haltungen und ökonomisch oder soziale definierten Verhältnissen von Beziehungen. Ein in diesem kurzen Aufriss skizziertes kommunikationslogisches Modell von Wirklichkeit muss sich klarerweise auch bekennen zu dem theoretischen Konzept von Kommunikation, von dem es Gebrauch macht. Ohne nun im Ein–  260 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

zelnen sich auf Axiome oder Einsichten konstruktivistischer Positionen (vgl. in diesem Sinne vor allem  : Mitterer 2001, Schmidt 2003) oder kulturtheoretisch entworfener Zusammenhänge (vgl. in diesem Sinne vor allem  : Bromley/Göttlich/Winter 1999, Pias u. a. 1999) einzulassen, sei nun doch vorweg gesagt, dass der im Folgenden vorgelegte Entwurf zur Klärung der gesellschaftlichen Chancen, die sich mit dem Begriff des sozialen Wandels verbinden, erst dort Realität werden (können), wo das begriffliche Konzept von Wirklichkeit mit denen von Kommunikation und Gesellschaft theoretisch kontextualisiert wird. Das beinhaltet die Entscheidung von Kommunikation nur unter der Vorgabe methodisch-theoretischer Einbeziehung der Begriffe von Gesellschaft und Kultur zu sprechen wie auch die theoretische Konzeption des Kommunikationsbegriffs im Modell der Beobachtung zu fassen (vgl. Bauer 2011b  : 475ff ). Kommunikation ist nicht das Konsentieren von Wirklichkeit oder auf ein Wirklichkeitsmodell durch das, was man tut und wie man es tut (Tausch-Geschäft im Modell des Handelns), sondern die Verteilung der Gesellschaftlichkeit von Wirklichkeit auf der Basis der Vergemeinschaftung der Beobachtung von Differenz  : Weil wir unterschiedlich wahrnehmen, brauchen wir einander (Dialogik), je unterschiedlicher wir wahrnehmen und beobachten, desto mehr sind wir aufeinander angewiesen (Dialektik). Die Sicht des Einen macht erst Sinn auf Basis der Einrechnung der Gegensicht des Anderen (Differenz). Was darzulegen ist, ist die Annahme, dass die Differenz der Beobachtung (das Verstehensmodell von Realität) die praktische Grundlage bzw. die theoretische Begründung für die Ontologie des (gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen, medialen) Wandels ist. In diesem Sinne ist der Wandel kein eigentliches Zeitphänomen (gedeutet im Konzept von Zeit), sondern die Zeit (im Ausdruck von Geschehen und Wandel) das phänomenologische Konzept von Differenz und in diesem Sinne die Krücke zur Bewältigung von Kontingenz. Denn die Beobachtung von Realität ist erst dann eine solche, wenn sie deren ihr unterstellbare Irgendwie-Andersheit miteinschließt  : Kontingenzbeobachtung – die Vermutung, dass „die“ Realität nicht notwendigerweise so gedeutet sein muss wie sie ist, sondern, weil „nicht unmöglich“ (Luhmann 1987  : 152), auch anders. Im Hinblick auf Kontingenzwerte sind (sinn-aktive) Beobachtungen niemals Abbildungen von manifesten Gegenständen, sondern jeweils sozial gemeinte oder als sozial relevant interpretierte und situativen Interpretationen gegenüber aufgeschlossene Einmischungen von subjektivem Sinn, gesetzt im Hinblick auf und unter Einrechnung von Voraussetzungen, die, wenn sie einmal gesetzt sind, selbst Voraussetzungen für neue Setzungen darstellen (vgl. Mitterer 2001). Will man sie jenseits und außerhalb ihrer originären (zeitlichen, sozialen, kulturellen, situativen oder thematischen) Bezüge –  261 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

verstehen, gelingt dies nur im Wege der rekonstruktiven Erinnerung der bedingenden Kontexte. Diese sind im Setting sozialtheoretischer Methodologie (z. B. als Beobachtung) dann aber nicht die Wiederholung der Beobachtung, sondern die Beobachtung der Wiederholung. In Summe macht dieser methodologische Schritt von einer strukturalistischen und objektivistischen zu einer kulturalistischen und kontextuellen Beobachtung (cultural turn) klar, dass es im Verhältnis von Gesellschaft und Kommunikation (Medien) keinen natürlichen Sachverhalt zu beobachten gibt, sondern eine in Kulturen der Beobachtung (Soziabilität, Kommunikation, Medialität) verankerte wechselseitig vermittelte und gegenseitig aktivierende Einmischung (Interesse)  : Das eine mischt sich in das andere wie das andere in das eine, wobei selbst die Wahrnehmung dieses Verhältnisses in der Absicht eben dieses Interesses (wieder als Einmischung) geschieht. Man muss also im Sinne der hier anzustellenden Beobachtung der Verhältnisstellung von Gesellschaft, Kommunikation und Wirklichkeit von der Hybridisierung mindestens dreier unterscheidbarer, allerdings durch Beobachtung verähnlichter Dispositive der Qualitätsbestimmung des (sozialen wie individuellen) Lebens ausgehen  : In dieser kulturellen Hybridisierung (vgl. Welsch 1994) thematisieren sich Lebensnützlichkeit, Lebenssinnlichkeit und (Er-)Lebenswerte als Qualitäten der Kommunikation und – interpretiert im Kontext der Mediengesellschaft – vor allem als Qualitäten des Mediengebrauchs, das heißt als sinnaktive Einmischung von Interessen wie Mediennützlichkeit, Mediensinnlichkeit und Medienwertigkeit. Um herauszuarbeiten, was der theoretische Wert des Begriffes „Sozialer Wandel“ im Kontext der Gesellschaftsbeobachtung von Kommunikation ist und wie der Begriff methodisch einzusetzen ist, damit Phänomene des Wandels über die der Kommunikationsbeobachtung (Medienbeobachtung) von Gesellschaft erklärt, geordnet und klassifiziert werden können, muss man zunächst entscheiden, auf welcher Ebene der Theoretisierung die Einordnung des Phänomens geschehen soll. Im sozialwissenschaftlichen Kontext sind Theorien nicht Ergebnisse aus der Beobachtung am Objekt, sondern konzeptuell gefasste Objektivationen der Beobachtung, bewusst explizite und manifestierte Erschließungsmodelle von und zu impliziten, alltagstheoretisch erschlossenen Modellen des Verstehens von Wirklichkeit. In diesem Sinne sind sozialwissenschaftliche Theorien Konzepte einer der rationalen Logik (Stringenz und Konkludenz des Verfahrens) verpflichteten Beobachtung von Alltagsbeobachtung (vgl. Schmidt 2003  : 27, Bauer 2011b  : 475), Theorien zu Theorien, denen Leistungen abverlangt werden, welche die Alltagstheorien („Hausverstand“) mitunter auch, aber nicht systematisch erbringen können. –  262 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Wissenschaftsbasierte Theorien dienen als Referenzen der Erklärung, der Ordnung, der Klassifikation und der Problemidentifikation von Beobachtung und Erfahrung. Erst in Erfüllung dieser Funktionen können sie sich als Instanzen objektivierter Debatten und Diskurse einmahnen. Kommunikation theoretisch verstehen Für die theoretisch intendierte Konzeption von sozial gemeinten oder so interpretierten Phänomenen (Kommunikation, Kultur, Gesellschaft etc.) kennt die Sozialwissenschaft im Grunde drei Muster der Theoriebildung (vgl. Carrier 2006  : 56ff ), die allerdings nicht im Sinne eines bloßen Ratings als gleich gültig gehandelt werden können. Sie sind, bezogen auf Stringenz und Konkludenz, durch ein Ranking unterschiedlich graduiert zu werten  : Die 2 Stufen-Theorie

ist eine im Grunde naturwissenschaftlich empirische Annäherung an Ereignisse, Zusammenhänge und Phänomene. Diese werden im ersten Schritt auf ihre charakteristischen Merkmale hin beobachtet und im theoretischen Setting durch Definition oder strukturanalytische Beschreibung ausgewiesen. Auf einer zweiten Stufe sucht man nach den empirischen Belegen (interstrukturelle Beziehungen, Verhaltensvariablen etc.) der beobachteten Zusammenhänge. Im Falle der theoretischen Beschreibung von Kommunikation würden diese Merkmale z. B. rollentheoretisch als Sender, als Empfänger bzw. als die durch das Medium und dessen Leistungen vermittelte Sender-EmpfängerBeziehung identifiziert werden. Die empirischen Belege für Leistungserwartungen und Leistungserfüllungen finden sich in analytischen Kategorien wie Information, Unterhaltung, Kritik und Kontrolle, Öffentlichkeit, Professionalität etc. Theorien mit semantischer Aufladung

sind eher hermeneutisch ansetzende Abstraktionen zur konkreten Beobachtung. Den Beobachtungen werden Beschreibungen zugeordnet, die dazu beitragen, das zu theoretisierende Phänomen in einem größeren Deutungszusammenhang zwischen Desideraten und Aporien oder im Zusammenhang mit den großen Erzählungen der Menschheit zu verstehen. So wird Kommunikation einerseits mit Desideraten wie Gemeinschaft, Zusammenkunft oder Wirklichkeitsvereinbarung, andererseits mit den Aporien des Wissens, der Be–  263 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

stimmung von Wirklichkeit oder der ewigen Frage nach dem Sinn in Verbindung gebracht. Theorien dieser Ausrichtung sind eher interpretativ denn analytisch, sind anthropologisch, philosophisch oder kulturtheoretisch angelegt. Kontextuelle Theorien

sind konzentrative und zugleich expansive Architekturen der Konstruktion von begrifflich umrissenen Deutungslandschaften, in der ein zentraler Begriff, z. B. Kommunikation, als paradigmatische Referenz für andere zueinander verwiesene Erfahrungen, Werte oder Phänomene kontextualisert wird. So erklärt sich Kommunikation als das Habitat, das Wahrheit, Freiheit, Identität mit Authentizität, Glaubwürdigkeit, Transparenz etc. kontextualisiert. In diesem theoretischen Konstruktionsmuster wird Kommunikation zu einem Alles-Begriff, sowohl ein Konzentrat als auch ein Expansiv  : In kaum einem der Begriffe, die der Mensch gebraucht, um seine Existenz zu deuten, versammeln (konzentrieren) sich so viele Interpretamente wie in dem der Kommunikation. Am Ende landet die Überlegung der Erklärung, der Ordnung, der Klassifikation wie der Problemidentifikation oder der Problemlösung bei der Frage nach der Kommunikation – egal um welchen konkreten Zusammenhang es geht, ob um Gesellschaft, um Familie, um Politik, um Bildung, um Krieg oder Frieden – Gelingen und Misslingen dieser Lebens- und Handlungsfelder sind strukturell und kulturell mit dem Gelingen oder Misslingen von Kommunikation verbunden. Andererseits wird der Begriff der Kommunikation sehr expansiv und extensiv gebraucht, mitunter fast zu gemeinplätzig. Will man erklären, was Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Bildung, Kultur, Religion, Organisation, Management etc. jeweils in ihrem Kern sind, dann wird man über kurz oder lang bei der Beschreibung der Qualität von Kommunikation anlangen. Das birgt die Gefahr, dass der Begriff inhaltsleer wird und nur mehr noch als Hülse gebraucht wird. Die eben gemachte Darstellung ist fast etwas suggestiv gemeint  : Wenn es um das kommunikationslogische Verstehen eines komplexen Konzepts wie das des „sozialen Wandels“ geht, dann kann man ein solches nur kontextuell (Beobachtung, Gesellschaft, Wirklichkeit) aufarbeiten, auch wenn man dies gar nicht tun kann ohne zugleich auch dessen semantische Aufladung zu interpretieren. Dabei kann und muss die wissenschaftliche Analyse – hier bei Begriffen wie Gesellschaft, Kommunikation, Wirklichkeit z. B. die Verstehende Soziologie (vgl. Richter 2002) – auf die alltagstheoretische Metaphorik zurückgreifen (Wie reden wir über Gesellschaft  ?) und aus dem Rahmen ihrer Selbstverständlichkeit den Denkinhalt (Noema) herausfiltern, um das, was die –  264 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Alltagstheorie begreiflich zu machen beabsichtigt (Paradigma), zu verstehen. Das ist möglich im Wege der Hermeneutik (Kurt 2004). Deren methodisches Vermögen ist es, der Vieldeutigkeit von Begriffen Lesearten, das heißt kontingenzbewusst und methodisch kontrolliert selektierte Deutungen zuzuordnen, die mit dem Denkinhalt kompatibel sind. Die theoretische Methodologie der verstehenden Soziologie (doch besser  : Sozialtheorie) ließe auch gar nichts anderes zu. Um Phänomene zu verstehen, bemüht sich die Verstehende (Interpretative) Sozialwissenschaft um das Sinn-Verstehen, indem sie ihr Interesse auf die alltägliche Lebenswelt von Individuen konzentriert, in deren Rahmen sie Handlungen (hier  : Beobachtungen) setzen (vgl. Bohnsack 2008). Dabei unterstellt sie, dass Handeln (und Beobachten) mit Sinn versehen und in diesem Sinne die soziale Welt eben sinn-haft aufgebaut ist  : Die Welt ist, was sie (einem) bedeutet. Im Kontext der hier angestellten Bemühung zu verstehen, wie das Konzept das sozialen Wandels mit denen von Gesellschaft, Kultur, Kommunikation und Wirklichkeit gebraucht wird und gebraucht werden kann, stellt sich also die Aufgabe, jene Sinn-Horizonte (objektivierbare Sinnstrukturen) zu erschließen, die das Konzept auch wissenschaftlich relevant machen. Das lässt sich nur machen durch die immer wieder wiederholte Reflexion der Reflexion (Soeffner 2005  : 167), der „Beobachtung von Beobachtung“ (Schmidt 2003  : 77, 2004  : 21), „verstehendes Verstehen von Verstehen“ (Hitzler/Honer 1997) oder methodisch kontrolliertes Fremdverstehen (Bohnsack 2008  : 21). Wandel im Kontext kommunikativer Logik Im Grunde bezieht sich das Konzept des Wandels als ein sozialtheoretisches Konzept auf alle Merkmale der Soziabilität des individuellen Lebens  : Nichts vom Eigenen (Denken, Vorstellung, Handeln) lässt sich verstehen, deuten oder erklären ohne die Bezugnahme auf den Anderen und das Andere aus der sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt. In allem handelt es sich um Vorgänge des sozialen ist gleich durch Kommunikation bewerkstelligten Lebens, in dem Bedürfnisse, Werte, Beziehungen, Institutionen und die Formen der alltäglichen, sozialen und symbolischen Interaktion nur als solche wahrgenommen werden, weil sie sich von Bezugnahme zu Bezugnahme ändern. Alle diese Merkmale der Soziabilität des individuellen Lebens folgen bestimmten und in der kulturellen Programmatik verankerten Basismodellen (Paradigmen) der sinnsuchenden Interpretation der Lebensführung. Weil Individuen sich durch diese Basismodelle zueinander grundsätzlich verständigt wissen, gilt diese Kulturprogrammatik zugleich als Grundsatzprotokoll des sozialen Vertrauens. Da –  265 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

aber eben diese kulturellen Modelle des möglichen Lebens nicht frei schweben, sondern sozial verankert sind, sind sie die eigentliche Materie der gesellschaftlichen Verhandlung. Soziale Lohn-Strafe-Mechanismen sichern deren Gültigkeit als kulturelle Institute des Denkens (Mind), der Haltung (Habitus), der Einstellung (Attitudes), des Verhaltens (Behaviour) und der Formen sozialen Umgangs (Patterns). Sie ändern sich bedingt durch und mit dem – wieder in Kommunikation einander vermittelten – Spiel von Erwartung und Erwartungserwartung. Der gesellschaftliche Sanktionsmechanismus und dessen Einschätzung der Folgen für Akzeptanz oder Ablehnung, für Distanz oder Nähe, für Inklusion oder Exklusion, für Herrschaft oder Unterwerfung, für Chancen oder Risiken variieret ja nach kulturhistorischer Verankerung in unterschiedlich sichtbar und fühlbar gemachten Strukturen und Instituten, vor allem der Familie, der gesellschaftlichen Verteilung von Wissen, Bildung (Erziehung), Arbeit (Beruf ) und Besitz (Wirtschaft) und nicht zuletzt der öffentlichen Regelung von Herrschaft (Politik). Da diese sozialen Institute als die ersten und ursprünglichen Erfahrungsquellen des Lebens fungieren und zwischen Eigenwelt und Sozialwelt, zwischen der Individualität und der Soziabilität des Lebens vermitteln, haben sie eigentlich eine Medienfunktion. Sie sind (wie andere Medien, z. B. Massenmedien) soziale Settings (Medien) der Vermittlung von Erfahrung, Wissen, Meinung und Einstellung, soziale Agenturen der kulturellen Praxis und als solche auch laufend der Prüfung ihrer Verlässlichkeit (Kontrolle, Herrschaft) oder Durchlässigkeit (Regelbrüche, Tabubrüche) ausgesetzt. Für all diese Zusammenhänge gibt es ein Grundmodell, nämlich das der Kommunikation. Versuche, das Phänomen der Kommunikation irgendwelchen Logiken zu unterstellen (Ursache – Wirkung, Anfang – Ende, Objekt – Subjekt, Sender – Empfänger u.ä.), haben nicht Kommunikation erklärt, sondern nur erklärt, wie man versucht Kommunikation zu erklären. Kommunikation lässt sich nur über Kommunikation und im Wege der Kommunikation beschreiben, aber die Logik der Kommunikation ist bestenfalls die Kommunikation von Logik im Sinne einer Verständigung über eine mögliche Logik. Die Kommunikation selbst ist kein Paradigma von oder für Logik, sie ist einfach kein gutes Beispiel für diese. Wenn es denn eine Logik der Kommunikation gibt (was nur eine Verständigung auf eine solche wäre), dann ist diese sicher nicht so kausal-logisch, wie man sie sich logisch wünscht, sondern dissipativ  : Sie verneint sich im Bejahen, sie verliert sich im Entstehen, sie entsteht dort, wo man sie verloren glaubt. Ihre Logik ist, dass sie keine jenseits oder nach der Kommunikationsgrenze zu vermutende logische Ordnung hat, sondern dass sie sich, wenn überhaupt, einer Logik der sozialen Ordnung (der kulturellen Konstruktion) unterwirft, die sie zugleich auch unterbricht. Keine –  266 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

andere Ressource der Gestaltung des sozialen Lebens hat diese Kraft, Unbestimmtes zu bestimmen und Bestimmtes durch Unterbrechung (Reflexion) wieder zu verwerfen. Das macht sie einerseits unbeherrschbar, andererseits aber auch zur Ressource von Herrschaft (und von Gegenherrschaft). Sie ist nicht berechnungsfähig, nicht verlässlich im Sinne kausaler Konzeption, sondern bestimmt dadurch, dass sie sich einer solchen Logik entzieht (Bauer 2006a  : 250). Jede kommunikationslogische (kommunikologische) Annäherung an das Phänomen des sozialen Wandels muss sich dieser Ausgangslage bewusst sein (vgl. Flusser 2009)  : Sie startet von einem Basiskonzept von Kommunikation, das zunächst (nur) die eine Bezugnahme von einer anderen zu unterscheiden weiß (bzw. lernt) und das konstatiert, dass Kommunikation eine kulturelle Leistung der kognitiven Autonomie des Menschen bzw. von Gesellschaften und Gemeinschaften ist, obwohl zugleich auch deren Bestandsgrundlage (vgl. Schmidt 1994). In diesem Sinne ist Kommunikation ein Alles-Konzept ohne aber ein Konzept für alles zu sein oder sein zu können. Aber alles, was sozial oder gesellschaftlich ist, geschieht zwischen Interaktion und Kultur und kann über die Perspektive von Kommunikation interpretiert werden. Wenn man sich für eine Kultur- bzw. Kommunikationstheorie des sozialen Wandels entscheidet, dann entscheidet man sich für eine (bestimmte) Kultur der Theorie. Und wenn man sich in diesem bestimmten Sinne für eine offene und lernfähige (unterbrechungsfähige, unterbrechungswillige) Theorie entscheidet, dann müsste es möglich sein ein offenes und lernfähiges Konzept der Kultur des sozialen Wandels zu entwerfen. Unterbrechung ist das Prinzip des Lernens. Diese Unterbrechung könnte gegenüber der Praxis der Kultur die Theorie der Kultur leisten, allerdings nur, wenn sie selbstreflexiv konzipiert ist, indem sie sich selbst für Unterbrechungen offen hält (Schmidt 2004  : 59). In solch einem theoretischen Modell ist Kultur kein definierter und kein definierbarer Gegenstand, sondern ein Open-Source-Konzept, eines der offenen (weil in sozialer Praxis erschlossenen) Quellen zur Bestimmung von Bedeutungen. Es lernt von Bezugnahme zu Bezugnahme zu werden, was es zu sein denkt, durch die reflexive Anwendung des Konzepts der Kommunikation (ist gleich die soziale Bestimmung des Unbestimmten) auf sich selbst  : Offenheit ohne soziale Beliebigkeit, Unterscheidung als Modus der Deutung und Entscheidung als Statement kognitiver Autonomie. Das ist, um es gleich zu sagen, ein normatives, allerdings emanzipatorisches Kulturkonzept, das sich der sonst üblichen latenten repressiven Konnotation von Kultur bewusst verwehrt (vgl. Enzensberger 16.05.1988). Diese reflexive Unterbrechung ist irgendwie eine dynamisch-rekursive Position der Beobachtung und gerade deshalb ein Faktor des kulturellen Wandels. In einem solch theoretisch-methodischen Kontext –  267 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

ist der Begriff des sozialen Wandels immer mit der Vorstellung des kulturellen Wandels verbunden, weil er vor allem anderen den Wandel der Kultur als soziale Kultur des Wandels konzipiert. Das genau ist das Prinzip der methodischen Unterbrechung durch sich selbst. Die Vorstellung zum Verhältnis von sozialem und kulturellem Wandel beschreibt die Korrelation in beiden Richtungen  : Sozialer Wandel ist das Konzept, in dessen Rahmen der kulturelle Wandel begriffen werden kann wie kultureller Wandel das Konzept ist, in dem der soziale Wandel beschrieben werden kann. Eine theoretische Beobachtung des Wandels der Kulturen macht nur Sinn aus der Bedingung, dass die Beobachtung des Wandels selbst eine kulturelle Leistung ist. In diesem Sinne heißt Beobachtung methodische Unterbrechung. Die Beobachtung mischt sich ein in das, was sie beobachtet, sie beobachtet mit Ab-Sicht, nicht aus Zufall, sie mischt sich ein mit Beobachtungsgrößen (Kriterien) und wird so zur kritischen Reflexion. Kultur kann man dann verstehen als die Informationsebene des Wandels und Wandel als die Formationsebene von Kultur. Es ist die Kultur der Beobachtung, die zum Gegenstand der Beobachtung von Kulturen wird (Schmidt 2004  : 7). Epistemologische Annäherung  : Kybernetik der Beobachtung Das ist der wissenschaftstheoretische Grund, warum die Analyse des Phänomens des sozialen Wandels zunächst auf die begriffliche Verfassung des Phänomens hinweisen musste, damit sie nun das im Begriff enthaltene intuitive Konzept im Kontext des kulturellen Wandels als ein Phänomen des kommunikativen Wandels darstellen und erklären kann. Die Methodik, die damit beschritten wird, ist einfach  : Sie ist die auf reflektorischer Ebene (theoretische Modelle) zu leistende Beobachtung der zunächst intuitiven Beschreibung (Allgemeinplatz), also Beobachtung von Beobachtung (Schmidt 2003  : 59f ). Diese Methode findet und zieht ihre Schlüsse nicht gegen den oder gegenüber dem Gegenstand, sondern über die Beobachtung der Vergegenständlichung, die ihrerseits wieder in ein Sprachmodell (Theorie, Definition, Begriff ) mündet, das der Kultur der Beobachtung entspricht. Denn über den sozialen Wandel und über Globalisierung nachzudenken hat zu tun mit der Zukunftsfähigkeit von Gesellschaft(n) und mit der Frage, welche Rolle das Konzept des sozialen Wandels (wenn kommunikationstheoretisch konzipiert) gegenüber dem realen Prozess der Globalisierung zu spielen hat. Am Ende ist dies eine Frage der sozialen Praxis von Theorie. Wenn es am Ende dann so aussieht als sei es die Art (Methode) der Beobachtung, die darüber entscheidet, wie der Gegenstand der Beobachtung aus–  268 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

sieht – was nicht überrascht – dann macht es nicht nur epistemologischen, sondern auch (wissenschafts-)ethischen Sinn, die Analyse von jenem Punkt aus zu starten, an dem das Verhältnis von Beobachtung und Gegenstand in beide Richtungen denkbar ist  : Was ist das kulturelle oder kognitive Modell der Beobachtung von sozialem Wandel  ? Wie wirkt sich der soziale Wandel auf die (Kultur der und die Kognition von) Beobachtung aus  ? Was ist dabei das Erkenntnisinteresse  ? Ist es der als sich fortsetzende Linie gedachte soziale Mechanismus oder ist es die Suche nach dem kulturellen Sinn einer solchen Vorstellung  ? Sobald nämlich klar wird, dass ein lineares Theorienmodell von sozialem Wandel (Wandel als lineare Abfolge von kausal aufeinander bezogenen Ereignissen, in der das eine das andere zu verursachen und das andere die Wirkung des einen zu sein scheint) nicht genügend Erklärungskraft und Begründungspotenzial hat gegenüber der methodischen Unterbrechung (der möglichen Umstellung der Kausalrichtung  : das andere ist die Ursache das einen und das eine die Wirkung des anderen), kann es als unzureichend und kompetenzschwach abgelegt werden. Es wird dann klar, dass die fast mathematische (oder die von der physikalischen Mechanik übernommene und durch sie plausibilisierte) Ordnung der Zusammenhänge kein den sozialen Zusammenhängen inhärentes Moment ist, sondern eines der Ordnungsabsichten der (intuitiven, nicht unterbrochenen) Beobachtung. Die Frage nach einer Alternative drängt sich auf. Sie findet sich nicht in einem neuen, alternativen Objektmodell (z. B. als transaktional zirkulär gedachtes Modell des Objekts,) sondern in einem selbstreflexiven und sich selbst unterbrechenden (und in diesem Sinne zirkulären) Modell der Beobachtung des Objekts. Eine solche Methode ist so theoretisch wie die Theorie methodisch ist, eben kybernetisch (vgl. Krippendorf 1994) in dem Sinne, dass die eine Beobachtung durch eine andere unterbrochen wird, wobei die andere den Zirkel der einen, allerdings auf neuer Ebene (Beobachtung der zweiten oder der nächsten Ordnung) fortsetzt. Der Kreis (Zirkel) als Bewegung endet nicht bei sich selbst (circulus vitiosus), sondern – als Beobachtung von sich selbst – gegen sich selbst  : ein Modell, in dem die Dialektik das Prinzip der Generierung von Erkenntnis ausmacht. Weil die Kybernetik sich als Modell der Erkenntniskonstruktion versteht (Foerster 1993  : 53), beschreibt sie nicht Modelle von etwas (z. B. sozialer Wandel als Theorie der Veränderung der Gesellschaft), sondern Modelle für etwas (also  : sozialer Wandel als Modell für die Veränderung von Gesellschaft). Was in diesem Zusammenhang für das Verständnis von sozialem Wandel und Globalisierung als kennzeichnendem Partizip des sozialen Wandels relevant ist, ist, dass in kybernetischem Sinne Erkenntnis der Weg (nicht das –  269 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Resultat, nicht das Ziel) der Konstruktion zur Konstruktion für (weitere) Konstruktionen ist. Erkenntnis ist, weil ein Faktor der Beobachtung, ein aktives Partizip, kein passives Perfekt (participium perfectum  : „erkannt“), sondern ein Gegenwartspartizip (participium praesens  : „erkennend“). Erkenntnis ist kein Produkt, sondern eine (partizipative) Bezugnahme der Beobachtung zu Wissensmodellen, durch die neue Horizonte des Wissens erschlossen werden, die wieder neue Bezugnahmen ermöglichen und/oder verlangen. Erkenntnis ist dynamisch, also nicht eine Station in der Bewegung, sondern die Bewegung der Station. Diese Erkenntnis (zum Verständnis von Erkenntnis) ist von nicht geringer Bedeutung für die gesellschaftspolitisch relevante Auslegung des Konzepts vom sozialen Wandel, weil damit klargestellt wird, dass die Beobachtung der gesellschaftlichen Veränderungen im Begriff des sozialen Wandels nicht ohne Bezugnahmen gemacht werden kann. Sie schließt in die Interpretation sowohl die Bezugnahme auf (ein Verständnis von) Gegenwart als auch die Bezugnahme auf (ein Verständnis von) Zukunft ein. Es geht im Begriff des sozialen Wandels letztendlich um die Konstruktion von Zukunft (zukunftsfähige Erkenntnis  : futurability). Im Fall von sozialem Wandel nimmt das Konzept Bezug auf das (kulturelle) Wissensmodell von Zeit (vgl. Bauer 2006b  : 27), mit dem wir Entwicklungen und Veränderungen unterscheidbar, messbar und berechenbar machen. Wissensmodelle ermöglichen die kognitive Autonomie gegenüber ungerichteten Erfahrungen. Diese Annäherung und die Auswertung des sich selbst unterbrechenden Denkens machen es möglich, in und aus den Modellen der Gegenwartsanalyse Studienmodelle für die Zukunft (vgl. Godet 1994, 2001, Bell 1997) zu machen – und zwar solche, die sozialwissenschaftlich-kybernetisch entwickelt werden und nicht solche, die lediglich im Sinne naturwissenschaftlicher, kausal-linearer Plausibilität aus der Analyse von (als solche vermuteten) Ursachen wieder (nur) Resultate (Wirkungen in der Zukunft) vermuten. Kybernetisch formuliert ist Zukunft ja nicht ein Zeitraum, den es abzuwarten gilt, weil er (in Konsequenz des Gegenwärtigen) kommt, sondern ein Zeitmodell der Beobachtung, mit dem man Horizonte des (Fort- und Zu-)Kommens als Partizipative des Erkennens erschließt. Partizipative Einschlüsse (Bezugnahmen) sind im methodischen Konzept der kybernetischen Theorie der Realität als Bezugsmodell der Beobachtung mitgedachte Unterbecher der Eindimensionalität, der Linearität, der Naivität, der selbstgenügsamen Plausibilität und der Routinen der reduktiven Verarbeitung von Erfahrung. Solche kybernetisch modellierte Verfahren nehmen Bezug auf die Vorstellung eines transaktional entwickelten Kreisgeschehens der sozialen Dynamik zwischen Ereignis und Ereignisbeobachtung (Krippendorf 1994) im Wege einer theoretischen Un–  270 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

terbrechung auf einer nächsten (nächstwertigen) Beobachtungsebene. Die Reflexion (unterbrechende Beobachtung) (Schmidt 2003  : 133) releviert das Ereignis auf einer neuen Ebene der Beobachtung als Ereignis der Beobachtung, die ihrerseits wieder den Standard für eine nächstwertige Beobachtung verstärkt. Dabei unterbricht jeweils die nächste Ebene die eine und vermeidet dadurch, dass Ereignis und Erfahrung (immer als „die Realität“ beobachtet) sich in unveränderlichen Routinen verlieren, oder dass die Reflexion (immer beobachtet als Realitätsmodell zur Realität) sich in kognitiver Saturierung und intellektueller Selbstgefälligkeit vergisst (Mitterer 2001  : 28, Schmidt 2003  : 27). Wandel ist im Rahmen dieser Konzeption das kognitive Modell für die (notwendige oder mögliche) Anderswahrnehmung der Realität, verifiziert im Kontext ihrer zeitlichen Verfassung. Es sind die Grenzen von Status, Situation, Raum- und Zeit-Umgebung, deren sich Wahrnehmung und Beobachtung aus dem Motiv der Sinnbestimmung dessen, was ist, zu entledigen suchen. Es ist das Motiv der Sinnbestimmung, das die Möglichkeit, die Hoffnung, die Erwartung oder die Furcht von und vor Andersheit (Änderung) eröffnet. Da dieses Motiv immer ein der Beobachtung inthärentes Prinzip ist, ist alles möglich anders oder änderbar. Zeit ist dabei nichts anderes als das Maß-Modell der Veränderung, oder – im Modell des kybernetischen Zirkels formuliert  : Zeit ist die Größe der Bezugnahme der Beobachtung auf die Möglichkeit des Andersseins (des Wandels), während der Wandel (die Feststellung von Veränderung) die Größe der Beobachtung von Zeit ist. Sozialer Wandel ist das Konzept, in dem Zeit und Ereignis als zueinander dialogisch (komplementär) und in transaktional-zirkulärem Verhältnis vermittelte Größen vorgestellt werden. Das kybernetische Modell hat eine kulturelle und eine kognitive Ambition gegenüber dem Wandel als ein dialektisches Modell der Entwicklung (als Geschehen zwischen Ereignisbeobachtung und Beobachtungsreflexion) und in diesem Sinn steht es für die Intention von Wandel als Theorie und Praxis, in Theorie durch die Praxis und in der Praxis durch die Theorie. Wenn es denn möglich ist, das Konzept des sozialen Wandels als kommunikative Praxis der Gesellschaftlichkeit und als soziale Praxis der Verständigungsarbeit und der Verhandelbarkeit von Welt zu verstehen, dann kann sozialer Wandel konzipiert werden als dynamisches Moment der gesellschaftlichen Diskurse und der durch sie bestimmten Ordnungsmodelle der Gesellschaft. So formuliert macht es denn auch Sinn, die Rolle der Medien im Sinne ihres (diskursiven) Gebrauchs und in ihrer Rolle als Agenturen der sozialen Praxis (vgl. Bromley/ Göttlich/Winter 1999, auch Göttlich 1997  : 11) in die folgende Analyse miteinzubeziehen.

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Der Stand der soziologischen Konzepte des sozialen Wandels Sozialer Wandel ist ein Schlüsselthema in den Sozialwissenschaften, das, nachdem es in der Mitte des 20. Jahrhunderts wegen Konzeptlosigkeit und Theorieschwäche etwas in Vergessenheit geraten war, seit den 1990er Jahren wieder eine Rolle spielt, vor allem als Thema in der Debatte zwischen den Theoretikern der Moderne (Modernisierung) (Giddens 1990, Hill 2001), des Neo-Marxismus und der Cultural Studies (vgl. Schelkle 2000, Schäfers 2002, Scheuch 2003). Hinter all diesen Konzepten konzentriert sich das Interesse der Theorie und der empirischen Studien auf die Vorhersagbarkeit des Wandels. Das Konzept der Beobachtung markiert ein technologisches und ein modernes Verständnis von Wissenschaft  : Wissenschaft als die Beobachtung von Erfahrung in pragmatischem und technizistischem Erkenntnisinteresse. Es geht um Positionen der Steuerung, Gelegenheiten der Lenkung und um die Verankerung von Herrschaft gegenüber (unerwarteten) Ereignissen. Es scheint als gäbe es eine Vorstellung nicht nur von einer besseren, sondern von der besten Welt als eine in allem perfekte Welt, von einer bestens strukturierten und organisierten Gesellschaft, von der niemand weiß, wie sie aussieht, von der aber alle hoffen, dass man sie durch (technische wie soziale) Technologie im Griff hat (vgl. Veith 2001). Das Interesse an dem, was man unter sozialem Wandel versteht, ist, ob und wie dieser die Kontrollsicherheit beeinträchtigen kann und wie man sich durch bewusstes und organisiertes Setzen von Marken des sozialen Wandels (also durch Entwicklung) Vorteilspositionen verschaffen kann. Die gegenwärtige, globale, politisch besetzte Bildungsdebatte ist ein typisches Beispiel dafür. Weil alle Regionen, Institutionen und Organisationen auf die Ressource Bildung (nach Landbesitz, Industrie, Informationstechnologie – vgl. Bell 1976) setzen, wird sie zum Faktor des Wettbewerbs um wirtschaftliche Vorteilspositionen und zum Faktor des sozialen Wandels und das, weil alle Regionen, Institutionen und Organisationen durch wirtschaftliche Interdependenz zueinander vernetzt sind, global. Die Globalisierung des Wettbewerbs macht diesen natürlich viel komplizierter, aufwendiger und anfälliger, wie die derzeit sich wirtschaftlich und politisch in Szene setzende Finanzsystemkrise deutlich macht. In dieser den sozialen Wandel vergegenständlichenden Form kann man vier Typen der theoretischen Annäherung erkennen (Hradil 2001  : 643ff ). Ein fünfter Typus, der sich aber methodischtheoretisch und wegen der konsequenten kommunikationswissenschaftlichen Auslegung von den ersten vier unterscheidet, soll im Laufe dieser Abhandlung entwickelt werden.

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Theorien der Modernisierung

Modernisierungstheorien verstehen die Trends der Entwicklung, soweit sie als solche festgestellt werden, als den vergegenständlichten Ausdruck zweckrationaler Absicherung gegen Unsicherheit (uncertainty), die durch die Zunahme von sozialer, kognitiver oder auch emotionaler Komplexität durch ungerichteten (beliebigen) sozialen Wandel entstehen könnte (vgl. Giddens 1997, Münch 2004  : 475ff ). Im Rahmen des Modernisierungskonzepts haben sich konkrete und innerhalb der Debatte um den sozialen Wandel hoch geschätzte Modelle etabliert, um einige zu nennen  : die fragmentierte Gesellschaft, die Single-Gesellschaft, die Erlebnisgesellschaft, die telematische Gesellschaft, die Wissensgesellschaft, nicht zuletzt  : die Mediengesellschaft (Bauer 2006c  : 51ff ). Abgesehen von den jeweils unterschiedlichen Bezügen der Beobachtung (Technologie, Verhalten, Institutionen) sind solche Modelle immer auch Beschreibungsmetaphern, in die sich neben der Beobachtung von Ereignissen und Entwicklungen auch Deutungsmuster und Mythologien einmischen (vgl. Höflich 1999). Alle diese Metaphern konservieren den Mythos der Moderne und dienen dem ideologischen Willen mithilfe des modernen Geistes zu überleben. Sie zeigen, dass Mythen große Narrationen des sozialen wie des kulturellen Wandels sind. Sie kündigen an und begleiten die sich laufend selbst überholende kulturelle Programmatik. Theorien des gesellschaftlichen Lernens 

Lerntheorien wurden meist im Rahmen einer allgemeinen postmodernen Perspektive entwickelt, aber auch in kognitiver Verbindung zu interpretativen philosophischen Konzepten und zu konstruktivistischen Erkenntnis- und Wissenstheorien (vgl. Schmidt 1994). Sie thematisieren weniger den technischen Wandel, schon gar nicht die Technik des Wandels, sondern dessen kulturelle Implikation  : Wandel ist eine mit Bezugnahme auf Veränderungswerte dessen, was ist (Konstruktion von Realität), in eigener Absicht bzw. Achtsamkeit (mindfulness) und in eigenem Deutungsinteresse (meaningfulness) (vgl. Langer 1991) in Gang gesetzte und gehaltene Beobachtung. Sie ist immer nur als soziales und kommunikatives Partizip möglich, weil Beobachtung die Wahrnehmung der kommunikativen Bezüge dessen, was man beobachtet, sowie die Mobilisierung der eigenen kommunikativen Haltung miteinschließt. Wandel ist, weil er nicht etwas ist, das passiert, sondern etwas, das man tut, indem man aus dem, was man beobachtet, lernt, also post modo verändert. Beobachtung ist das Grundwerkzeug des Menschen, der – wie die Anthropo–  273 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

logie weiß – mit der Verwendung seiner Werkzeuge lernt, was immer auch heißt  : die Verantwortung der Verwertung für das zu übernehmen, was man dann weiß. So begründen sich Kompetenzbasierte Lernkulturen (Weinberg 1999). Sie sind per definitionem Kulturen der aufmerksamen Beobachtung, der bewussten Geisteshaltung, des bewussten Denkens oder des reflektierten Habitus (Bourdieu 1982, Krais/Gebauer 2002), also Haltungen, die sich im Verhalten niederschlagen und so sozial geordnete Verhältnisse schaffen, die schon in nuce aus dem Stoff der möglichen Veränderung konzipiert sind. Die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit – symptomatischerweise in den 1970er Jahren erstmals öffentlich in Gang gebracht durch Non-Profit-Organisationen –, zuerst für die natürliche, dann auch die soziale, die kulturelle und symbolische Umwelt in Politik, Technologie, Wissenschaft und Wirtschaft, steht für solch einen kollektiven Lernprozess, der ein postmodernes Konzept des sozialen Wandels charakterisiert. Gesellschaftliches Lernen ist – nicht erst – in einer medial organisierten Gesellschaft ein komplexes kommunikatives Geschehen, dessen Veränderungspotenzial – im Kontext der gesellschaftlichen Mediatisierung betrachtet – in hohem Maße davon abhängt, ob eine Gesellschaft über ein explizites Medialitätskonzept verfügt (Bauer 2008  : 137). Ein solches Medialitätskonzept ist Teil des Funktionsgedächtnisses einer Gesellschaft, allerdings bewusst verankert in dessen kulturellem Gedächtnis (Assmann 1999), orientiert es die soziale Praxis des Mediengebrauchs  : Medienkultur und Medienordnung im Hinblick auf Demokratiekultur, Bildungskultur, Sozialkultur. Das Funktionsgedächtnis und das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft verbinden sich im Kontext der Medialität zum öffentlichen Gedächtnis (public mind), eine in und durch Öffentlichkeit partizipativ vermittelte Aufmerksamkeitshaltung, die sich medial verwirklicht und darstellt und als Medium die Referenzgröße für das darstellt, was gesellschaftlich gilt. Public mind ist in diesem Sinne eine soziale Agentur der kritischen (selbstreflexiven) Beobachtung und deshalb nicht ein Modell von, sondern ein Modell für den sozialen Wandel. Es sorgt sich weniger darum, was vor sich geht, sondern wie etwas vor sich geht und was es bedeutet, dass dieses und nicht anderes geschieht (Ebrecht 2002). Solch eine Position wird – verglichen zur Position der Moderne – oft als weich und langsam eingeschätzt, besonders wenn man die harten Fakten des sozialen Wandels ins Auge fasst  : Migration, die alternde Gesellschaft, Globalisierung als der Rahmen der Diversifikation der Formen des Lebens, der Arbeit, der wachsenden Wissens- und Sozialkluft, das Verschwinden der normativen Kulturen, die Transformation der Institutionen, die zunehmende Individualisierung sowie die sich neu formierenden Modelle sozialer Konnektivität. –  274 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Theorien der Ökonomisierung

Ökonomische Konzepte beziehen die Analyse des sozialen Wandels auf die Formen der Verhandlung wirtschaftlicher Interessen, die immer zugleich auch Herrschaftsinteressen implizieren. Sie werden meist mit Bezug auf neomarxistische Ideologien argumentiert, die den sozialen Wandel für ein Resultat des privaten und neoliberalen Systems halten, weil ökonomische Aktionen für die weit reichenden Konsequenzen für die Verteilung von Macht und von Lebenschancen verantwortlich sind. Im Kontext der Globalisierung konzentrieren sich diese Prozesse und schaffen so weltweite Landschaften absoluter oder relativer Armut gegenüber konzentrierten Zellen des individualisierten Reichtums. Möglicherweise kann man die Krisenlösungen und die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft auf die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise auch als kollektiven Schwenk in ein neomarxistisches Szenario verstehen  : Der Staat gewinnt wieder Kontrollmacht gegenüber der Wirtschaft, die lange genug das eigentliche politische Moment der Entscheidungen an den Rand gedrängt hat. Theorien der Differenzierung

Differenzierungstheorien konzentrieren sich im Hinblick auf das Konzept des sozialen Wandels auf die Konsequenzen der Geschichte und der Institutionen in Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft. Von diesem Punkt aus versucht diese Sozialtheorie die Unterschiede der Entwicklung zu erklären und zu problematisieren. Theorien des kulturellen Wandels

Umfassende Theorien des sozialen Wandels subsumieren die Debatte zum sozialen Wandel Schritt für Schritt, insbesondere da, wo sie sich auf konstruktivistische Perspektiven einlässt, als kulturellen Fortschritt. Aber wirklich kohärente und konsistente Konzepte fehlen noch, selbst wenn sich die Debatte nun entwickelt, weil sie sich mit dem Globalisierungsdiskurs (Verhältnis der Kulturen) mischt. Die Trends, die dabei in Diskussion sind, sind zum einen Verbindungslösungen (das Gemeinsame von Kulturen, in Bezug auf das man das Unterschiedliche verstehen und akzeptieren kann), zum anderen Fragmentierungs- und Individualisierungslösungen (Giddens 1990, Krotz 2001). Neben diesen Trends gewinnt in der Sozialtheorie – symptomatischerweise zusammen mit der Debatte zur Medienglobalisierung – die Grundsatzauffassung an Terrain, dass die Sozialstrukturen erst verstanden werden, wenn sie –  275 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

im Hinblick auf ihre kulturelle Bedeutung analysiert werden. Was aber trotzdem noch fehlt, ist eine klare Ausrichtung der Analyse des sozialen Wandels als Theorie der kulturellen Programmierung – etwa im Gefolge des sozialund kommunikationstheoretisch ausgelegten Konstruktivismus (vgl. Schmidt 2003) –, die den sozialen Wandel als kulturlogisches Modell der sozialen Entwicklung erklären würde. In einem solchen theoretischen Kontext wäre die gegenwärtige Krise im Hinblick auf ihr Wandlungspotenzial aus zwei Richtungen zu sehen. Die neue Komplexität dieser Krise ist, dass die Weltgesellschaft mit einer Krise des sozialen Wandels konfrontiert ist und zugleich mit dem sozialen Wandel der Krise. Dieser Umstand macht es notwendig, das bisher zeitverschieden gedachte Modell von sozialen Entwicklungen (Wirkung folgt der Ursache) nun als zeitgleiches zu denken, in dem Krise und Wandel in einem autokonstitutivem Verhältnis stehen  : Der soziale Wandel ist das Modell der Krise wie die Krise das Modell des sozialen Wandels ist. Die philosophische Einordnung des Konzepts des Wandels Die Vorstellung des Wandels ist zunächst keine soziologische, sondern eine philosophische. Sie kann aber in der hermeneutischen Auslegung von für die Beobachtung der Soziabilität von Prozessen relevanten Konstrukten, die den Wandel interpretieren, sozialtheoretisch konzipiert werden. Daher soll hier methodisch ganz bewusst an Denktraditionen und an schon gedachten Zusammenhängen angeschlossen werden, die nicht analytisch, sondern interpretativ sind. Sie werden aber gewählt, um ihre Interpretationsleistung zu analysieren, damit sie so weiteren Interpretationen Platz machen. Dies ist ein einfaches kybernetisches Verfahren im Modell der sich selbst unterbrechenden Zirkulation zwischen einander unterscheidbaren (An-)Ordnungen, nämlich Wahrnehmung (interpretativ) und Beobachtung (analytisch). Die Annäherung an das Phänomen über philosophische Konstrukte ist die interpretative Wahrnehmung von Denkmodellen, die die (bisherige soziologische) Analyse bewusst unterbrechen und Deutungen offenlegen, um so weitere Analysen auf einer neu qualifizierten Ebene zu provozieren. Dies lässt sich in drei Schritten machen  : Krise und Wandel, Zeitwissen und Zeitbeobachtung, Kommunikation und Medien. Krise und Wandel

Eine kulturlogische Konzeption von Wandel muss sich auf Begrifflichkeiten einlassen, mit denen Veränderungen sprachlich festgehalten werden. Immer –  276 –

Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

wieder kann man feststellen, dass die Sprache die Dialektik von Sein und Bewusstsein aufzufangen in der Lage ist. So auch bei der Bestimmung des Verhältnisses von Krise und Wandel, die zueinander gepolt sind und einander konstituieren. Solch ein auto-konstitutives Modell des Verhältnisses von Wandel und Krise ist als empirisches Phänomen keine große Überraschung. Man weiß, dass Krisen Wandel auslösen und dass Wandel auch Krisen schaffen kann. Diese Auslegung ist plausibel, weil man die beiden Größen zueinander im Verhältnis von Ursache und Wirkung denkt. Denkt man aber das Verhältnis von Wandel und Krise anders, dann ist Wandel die soziale Konstruktion (nicht Ursache oder Reaktion) von Krise und Krise die kulturelle Konstruktion (nicht Ursache oder Wirkung) von Wandel. Was die beiden Momente in ein Verhältnis bringt, ist das konstruktive Konstitutionspotenzial. Das Verhältnis von Wandel und Krise ist eines, das die Kompetenz begründet, sich der Krise zu stellen oder sie herbeizuführen, wo die Beobachtung sich auf (notwendige oder gewünschte) soziale Veränderungen bezieht, und sich auf den Wandel einzulassen oder ihn herbeizuführen, indem (nicht  : weil oder wenn) die Beobachtung sich auf Krisen bezieht. Im konstruktivistischen Denkmodell, in dem Realität ist, wie (nicht  : was) man beobachtet (Schmidt 2003  : 92f ), sind Krise und Wandel nicht objektive Bewegungen aus sich selbst und für sich selbst, sondern generalisierende und standardisierende Deutungen der Erfahrung. Sie sind ein Wissensmodell, logisierende und systemisierende Figuren im Plausibilitätsmodell von Ursache und Wirkung oder Grund und Ergebnis, gewonnen durch die Beobachtung von Zusammenhängen, die solche sind, weil sie den Zusammenhang der Beobachtung ausmachen. Nimmt man den Faktor Zeit (zwischen Ursache und Wirkung) aus der Beobachtung, dann verändern sich die Bedingungen der Plausibilität. Versucht man sich in der Hermeneutik des sozialen Wandels, dann ist, was in einem ersten Schritt auffällt  : die Metaphorik. Die Komplexität des Phänomens lässt sich als Ganzes nicht sachlich objektivieren. Sie braucht ein metasprachliches Modell für das, was sich gegenstandssprachlich nicht einfangen lässt, sie braucht Beschreibungsmetaphern (Hepp 2008  : 66). Unter anderen Metaphern (Bewegung, Entwicklung, Schicksal, Wandel) nimmt das Konstrukt „Zeit“ eine entscheidende Position ein. Es ist ein Wissensmodell der Zuordnung und daher praktisch. Zeit ist, so denkt man, der treibende Faktor oder das die Prozesse im Fluss haltende Bett. Zeit ist kein mechanischer Faktor der Wirklichkeit, aber einer, mit dem wir uns Veränderungen als den Fluss der Wirklichkeit vorstellen können.

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Zeitorganisation und Zeitintuition

Wenn man sich in einem zweiten Schritt die linguistische Konstruktion des Modells verdeutlicht, das man als das eigentliche und grundlegende Kulturund Wissensmodell im Zusammenhang von sozialem Wandel in Rechnung stellen muss – nämlich Zeit – dann entdeckt man Mehrfaches. Erstens ist Zeit das Modell von Einteilung und Verortung und somit eine soziale Referenz von Wissen, zum anderen ist sie als das Modell für die generelle und alles Geschehen umgebende und zugleich überdauernde Umwelt zu deuten. Eine weitere, kulturrelevante Perspektive entdeckt man im mythologischen (magischen) Zeitmodell  : die aus der griechischen Mythologie stammende Differenzierung von Zeit (vgl. Onians 1988). Zeit als Chronos repräsentiert den laufenden und geregelten Zeitfluss, das orthodoxe Ordnungswissen, den Kosmos (die Norm) der Regularität und das kognitive System der Berechenbarkeit. Zeit im Modus von Kairós repräsentiert den topologischen Moment, das häretische Unterbrecherwissen, das Irregularität, Plötzlichkeit, Nichtberechenbarkeit, Andersheit und Überraschung nicht als Momente der Zerstörung, sondern als Chaosenergie der Realität betrachtet, die konnotiert, dass das Ordnungsmodell von Zeit nur stimmt, wenn das Chaosmodell in diese Rechnung mit einbezogen wird. Das Zeitmodell (Ordnungsmoment) hat seinen eigenen Unterbrecher (Überraschungsmoment), ist also ein das Prinzip der Dialektik (Dialogik) der Konstruktion von Realität versprachlichendes Modell von Theorie und Praxis  : die Theorie zur Praxis und die Praxis zur Theorie. In diesen beiden Modi ist Zeit ein Modell der Ahnung (kairos) wie auch eines des Wissens (chronos), das (weil und wenn verherrschaftet) als Modell des Beweises für die Richtigkeit des Tuns (orthos) genutzt wird. Die Systemtheorie erklärt diesen Sachverhalt mit den Begriffen der Systembildung, der Kontingenz und der eingebauten Störung. Sie macht mit dem Konzept der Reduktion von Komplexität auch aufmerksam auf den als psychologisch auszulegenden Hintergrund (vgl. Luhmann 1968)  : Die Erfahrung von Unsicherheit, Komplexität und Kontingenz überfordert und stresst die tägliche Beobachtung. Realisiert man sie im Wege von Ordnung, von Ordnungsmustern und Regeln, dann gibt das Kontrollsicherheit. Dadurch systematisiert und schematisiert man die Beobachtung und macht sie auf diesem Wege zur (von dem, was sie beobachtet, gelösten und) selbständigen Methode des Beweises. Auf diesem Wege (Zeit als Beweismodell) kann (nun objektiv) bestätigt werden, was ist, ohne sich als Teil dessen zu verstehen, wovon man beobachtet, dass es ist. So macht der Mensch als Beobachter seiner selbst und seiner Umwelt sich mit dem Wissensmodell der Zeit eine chrono-logische Vorstel–  278 –

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lung über sich selbst und sein Verhältnisses zu eben dieser Umwelt, von der er wie von sich selbst weiß, dass Zustände sich ändern oder überhaupt enden. Die Zeit (chronos) beweist die Veränderung und macht sie zum Faktum bzw. zum Datum. Die Dinge aber haben auch ihre (eigene) Zeit (kairos), die den chronologischen Zeitfluss beschleunigen oder verlangsamen kann. Auch sie ist erkennbar, allerdings nicht mit zeitgeregelter Beobachtung, sondern mit (zeitwidriger) Wahrnehmung und Intuition. Die Chronifizierung der Beobachtung von Geschehen und Handeln bringt die Gefahr mit sich, sich in dieser Ordnung zu verlieren und eben jenen Moment (kairos) zu versäumen (nicht wahrzunehmen oder aus der Beobachtung zu verlieren), der gegen jede Zeitrechnung erscheint und die Wende fordert. Die Chronos-logische Auslegung von Veränderung ist organisationslogisch und entspricht dem Systemwissen, die Kairos-logische Auslegung von Zeit ist intuitiv und entspricht dem Lebensweltwissen (Habermas 1973  : 108, Schütz 1971). Das Verhältnis der beiden Wissenswelten kann man sich kybernetisch vorstellen und so erklären, dass und wie die Zeitorganisation (Beobachtung) die Zeitintuition (Wahrnehmung) qualifiziert und die Zeitintuition (Wahrnehmung) der Zeitorganisation (Berechnung) eine Qualität gibt, die diese nicht aus sich hat. Beide Wissenswelten, Zeitorganisation und Zeitintuition, stehen zueinander im Verhältnis gegenseitiger Beobachtung, wobei sie wechselweise zueinander jeweils die nächste Ordnung ausmachen. In diesem Modell ist Wandel weder ein Schicksal, noch ein reines Datum. Er ist das Faktum (das Gemachte) der Beobachtung von Wahrnehmung und der Wahrnehmung von Beobachtung. Kommunikation und Medien

In einem dritten Schritt kann diese philosophische und epistemologische Vorarbeit zu einer kulturtheoretischen Konzeption von sozialem Wandel verbunden werden mit einem kulturanthropologischen Verständnis von Kommunikation und – in dessen Folge – von Medien, etwa in der Art wie Vilém Flusser dies geleistet hat (Flusser 1998). Er beschreibt nicht, er definiert nicht, er interpretiert Kommunikation als jenen Kunstgriff, durch den der Mensch die Unausweichlichkeit des Todes und das Wissen um das Ende von allem, was lebt, zu vergessen versucht (Flusser 1998  : 11). Daraus lässt sich weiter folgern  : Kommunikation, weil sie konstruiert, verändert, worüber sie sich verständigt und enthebt der Abhängigkeit. Veränderung (durch Kommunikation) gibt dem Ende Sinn. Oder sogar anders  : Der Sinn in dem was lebt, findet sich in dessen bzw. am Ende. So macht Veränderung, vom Ende (der Zeit  : kairos) her gedacht und in Bezugnahme auf Veränderung, Sinn  : Kommunikation als –  279 –

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die soziale Matrize der Veränderung ist so die Sinnressource des individuellen Lebens. Diesen zum Konstrukt der Kommunikation möglichen Deutungszusammenhang übernimmt Flusser auch in seiner Interpretation von Medien als Plattformen und Praxen der sozialen Kommunikation, wobei er selbst im Kontext der Medienentwicklung zu seiner Zeit mediumstheoretisch, nicht medientheoretisch argumentiert. Es geht ihm nicht um eine bestimmte Medientechnologie, sondern um das technologische (vielleicht besser  : technokulturelle) Prinzip des Medienmodells generell, weswegen seine Interpretation durchaus auch auf Medienarrangements angewandt werden kann, die zu seiner Zeit noch nicht in dem Maße entwickelt waren wie sie es heute sind (Internet-Technologie). Im Verständnis Flussers ist Kommunikation keine natürliche Bewegung, sondern, weil sie eine Arrogation gegenüber der Materialität als der Natur des körperlichen (und vergänglichen) Seins und eine Enthebung der Natur mit einschließt, eine kultürliche Leistung des Verbleibens und des Haltens (Archivierens). Technik im Sinne von techné, oder sogar Technologie im Sinne der Logik von techné bezeichnet dann die methodische Kunstanwendung (vgl. Capurro 1991  : 10) durch die der Mensch sich freispielt von den Mühen dessen, was ihn beschäftigt, oder von der Langeweile darüber, wie ihn beschäftigt, was ihn beschäftigt  : die Vergänglichkeit. In seiner philosophischen Interpretation der technischen Bilder (Flusser 1997, 2009) analysiert Flusser die Foto-Technologie als Perfektion des Verewigens. Die Bildertechnik imaginiert, was die Realität nicht abbildet. In Konsequenz der Interpretation von Kommunikation als Technik des Vergessens und in Konsequenz seiner so nicht formulierten, ihm aber unterstellbaren Interpretation von Technik, den Passus-Charakter des Seins zum Opus zu machen und das Gewesene zum Verbleiben auf enthobener Ebene zu zwingen, was erst recht die Vergänglichkeit (Dissipativität) des Seins auf der Ebene des Mediums rethematisiert, mag es nicht verwundern, dass sich daraus ein Szenario des Vergessens und der Auflösung entwickelt, in dem der Mensch letztlich sich selbst vergisst, bzw. weil er in diesem Sinne sich selbst mediatisierend aus sich auswandert, vergessen macht, wo sein Ort ist. Er verliert den Ort des Seins, indem er ihn verbildert. Eben diese Überziehung der Verbilderbarkeit (Bildbarkeit) der Welt, mit der der Mensch lebt, zwingt ihn, wie Flusser am Ende etwas pessimistisch konstatiert, zu einer neuerlichen Wanderschaft, die – kulturhistorisch interpretiert – ein Ruf zurück (Rückfall  ?) an den Start bedeutet. Die Gefangenschaft in diesem Dilemma repräsentiert (eben) nicht nur den Wandel (Medienwandel), sondern auch die Krise (Medienkrise) der technischen Zivilisation, was Flusser in seiner methodisch bisweilen bewusst anti–  280 –

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zyklischen und weit gestreuten (hergeholten) Medientheorie (noch namenlos) die „dritte Katastrophe“ nennt. Er teilt die Geschichte des Menschen in „drei große Krisen“  : nach der Humanisierung und der Zivilisation ist der Mensch nun dabei in die dritte Krise einzutreten, die irgendwie den Weg zurück zum Nomadismus bedeutet. Medien sind (trotz oder vielleicht wegen ihrer Technik) nicht Werke (opus), sondern Orte des Übergangs (passus) (vgl. Hepp 2008  : 81), Passagen der sozialen Praxis (vgl. Göttlich 1997  : 11) und technisch ausverhandelte Arrangements der sozialen Beziehung (Bauer 2008  : 130). Dies alles betont den dissipativen Charakter des Mediums bzw. der Medien, der offenbar auch das ausmacht, was den Menschen an ihnen fasziniert und ihn dazu provoziert, in deren tendenzieller Immaterialität den Ort seiner Selbstbeobachtung zu wählen. Am Ende kommt das einer „negativen Eskalation der Abstraktion“ der Materialität gleich (Baitello, Jr. 2007)  : Der Gebrauch der technischen Bilder entspricht nicht mehr dem Hunger nach sinnstiftender Selbstverortung durch das Medium (Mediatisierung) (Krotz 2008  : 53), sondern wächst sich aus zur Völlerei („Ikonophagia“ – Bilderfraß). Die Pervertierung durch die Technik ist perfekt (für immer getan)  : Es ist nicht mehr der Hunger, der gierig macht, sondern die Gier, die hungrig macht. Sozialer Wandel als Kampf der Kulturen  : Identität und Individualität Der cultural turn in der Kommunikationswissenschaft (Thomas/Krotz 2008  : 25f ) hat einiges in Bewegung gebracht, vor allem die Bestimmung von Kultur als way of life (Bromley/Göttlich/Winter 1999, Lutter/Reisenleitner 2008, Williams 1958). Das ist ein revolutionäres Mind-Setting und sozialer Wandel in und über Wissenschaft im Vergleich zu den bis dato gebrauchten elitären Kulturbestimmugen. Die neue Umschreibung von Kultur bezieht sich auf die Erfahrung, dass der alltägliche Vollzug des Lebens kontextualisiert ist mit der sozialen Umwelt und daher eine Frage der Wahl der Werte und der laufenden Bezugnahme auf sozial arrangierte Deutungszusammenhänge in jeder sozial relevanten individuellen Entscheidung. In diesem Sinne ist Kultur das Rahmenmodell für Identitätsbildung, für die Selbstwerdung von Personen, Gruppen, Gemeinschaften und sonstigen sozialen Gebilden im Hinblick auf die soziale Umwelt und wegen des Unterschieds zu anderen. Weil Kulturen – das soziale Rahmenmodell für Werte und Bedeutungen – sozial gebaut sind auf Beziehung und Beziehungen, besteht der eigentliche Charakter des sozialen Wandels im Wandel der sozialen Beziehungen und generell im Faktum der sozialen Bezüglichkeit des individuellen Lebens. Solch ein Wandel hat nicht nur zu tun mit dem Überleben der Tradition oder der Werte, er hat zu tun mit –  281 –

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dem Überleben der sozialen Entitäten als sich selbst identische und für andere so identifizierbare soziale Gebilde. Bedenkt man den Mangel an Ressourcen und die Grenzen der sozialen Aufmerksamkeit (Franck 1998), dann stellt sich heraus, dass das Bemühen um kulturelle und soziale Identität letztlich ein Kampf um sozial relevante Ressourcen (Sozialkapital – vgl. Bourdieu 1982) für die Selbstanerkennung ist. Das deutlichste Beispiel dafür ist der Wandel der Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Dies ist wohl einer der deutlichsten und bedeutendsten Orte des sozialen Wandels. Nirgendwo wird es sichtbarer denn hier, dass der Wandel der sozialen Beziehungen den sozialen Wandel in der Art markiert, dass er vor sich geht als Kampf um Rechte, für Unabhängigkeit, Autonomie und Selbstbestimmung. Dennoch vollzieht sich dieser Kampf im Kontext abgrenzbarer und voneinander gut unterscheidbarer Kulturen der Soziabilität. Nach langen Perioden des kulturellen Kampfes, in denen das paradigmatische Konzept immer die Hierarchie war (in Familie, Gemeinschaft, Gesellschaft, Institutionen und Organisation) und in diesem Sinne immer nur ein Repräsentant der Macht und die Autorität über andere innehatte oder übertragen bekam, gewinnen langsam politisch wie kulturell Konzepte der Diversität und der sozialen Verteilung an Akzeptanz. Es entsteht ein verteiltes Wissen darüber, dass Autorität nicht an Personen, sondern an kommunikativ und eben so gemeinte Handlungen gebunden ist  ; dass Kommunikation die soziale, nicht die personalautoritäre Konstruktion von dem, was wirklich zählt, ist und – nicht zuletzt im Kontext der Ausdifferenzierung von Wissen, von Arbeit, von Kompetenz und von Organisation – setzt sich die Einsicht durch, dass nichts nur eindeutig, sondern je nach Perspektive vieldeutig ist, sogar so sein muss, wenn Entscheidungen halten sollen. Verantwortung wird mehr und mehr als Frage der möglichen und zugestandenen Partizipation gewertet, Diversität gewinnt an sozialer Verlässlichkeit, ja wird sogar zum Prinzip der Kontrolle  : Öffentlichkeit, Vielheit und Pluralität als Prinzipien der Partizipation in der Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Management setzen sich als Beteiligungsmuster ab gegenüber Verteilungsmustern in Institutionen mit monarchischer Attitüde und setzen diese auch unter Veränderungsdruck. Diese Entwicklung markiert nicht nur den Wandel der bzw. in Beziehungen, sie markiert auch den generellen Wandel der kulturellen Konzepte von sozialer Beziehung (vgl. Taylor 2002), der sich in Familiengesellschaften (embracing society), in Freund-Feind-Gesellschaften und in den nun nach westlichen Mustern und nach Marktwirtschaftsmustern ausgerichteten Nebeneinander Gesellschaften (next-to-next society) jeweils unterschiedlich auswirkt. Familiengesellschaften sind ihr eigenes Medium (Erfahrungsquelle) und bin–  282 –

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den durch starke und sozial sehr wirksame Einschluss-Ausschluss-Kriterien die Verwertung von Erfahrung an ihre kulturellen Vorgaben. Individuelle Identität ist in diesen Gesellschaften in erster Linie eine Frage der sozialen (familialen, familiären) Zugehörigkeit. Dies ist in den so genannten FreundFeind-Gesellschaften, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die guten bzw. schlechten Beziehungen die erste Rolle spielen (typisch für Gesellschaften mit totalitärem Regime oder solchen, die in permanentem Kriegszustand sind), anders. Der gesellschaftliche Wandel entwickelt sich entlang den Freund- bzw. Feind-Beziehungen. Chancen ergeben sich nur durch das Bekenntnis zu gemeinsamen Freunden oder zu gemeinsamen Feinden. Gesellschaften, die lange (genug) in totalitären Systemen, noch dazu oft mit familiärer Bindung der Machtstrukturen, gelebt haben, haben gelernt, nach diesen Trennlinien zu entscheiden und viele, vor allem wesentliche Fragen ihrer Lebensplanung danach auszurichten. Der soziale Wandel im dritten Taylor’schen Typus, den Gesellschaften mit hohem Individualisierungsfaktor, entwickelt sich entlang der Linie der Trennung (Freiheitsspielraum) zwischen den Individuen. Sie werden auch Nebeneinander-Gesellschaften (Next-to-Next-Societies) genannt, weil unter der Bedingung der gleichen Verteilung von sozialen Chancen jeder für sich jeweils neben dem nächsten seine Lebensziele verfolgt, wissend, dass der nächste eben dieselben Absichten hat. Was zum einen dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit geschuldet ist, wird zum anderen aber zur Konkurrenz um gleiche Chancen, die nur so friktionsfrei zu realisieren sind, indem die Freiheitsspielräume klar geregelt werden. Gesellschaften mit vermeintlich hohem Freiheitsfaktor (was eigentlich ein Individualisierungsfaktor ist – was für „westliche“ Gesellschaften typisch ist) brauchen daher ein Vielfaches mehr an Regelungen (für Einzelheiten) als dies Gesellschaften mit hohem Familien- oder Freund-Feind-Faktor für nötig halten. Da gelten mehr die (oft nicht einmal dezidiert verschriftlichten) Grundsätze. Sozialer Wandel im Kontext der Mediengesellschaft  : Medialität und Technologie Im Falle der technischen Massenmedien aber ändert sich etwas. Diese sind nicht (mehr) den ursprünglichen sozialen Instituten (Familie, Bildung) und wechselweise intensiv den anderen Instituten (Wirtschaft, Politik) verbunden oder diesen unmittelbar verantwortlich. Die (technischen) Medien gehören allen, sind öffentlich, sie sind gewissermaßen die Medien zu den sozialen Medien, Erfahrungsquellen zu Erfahrungsquellen – und eben dies gibt ihnen den Status, die gesellschaftlich zugedachte und zugemutete Position der Intervention auszufüllen, aus der ein Gutteil (nachdem sie auch selbst von –  283 –

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Veränderung betroffen sind  : Medienwandel) der Energie und des Potenzials für die Veränderung und für den Wandel von Werten, von Beziehungen, von Alltagskulturen, des täglichen Lebenswandels und auch der gesellschaftlichen Basismodelle (Paradigmen) für das Verständnis von Identität, Diversität, Individualität und Soziabilität entsteht. Der nun so verstandene und interpretierte Mechanismus der wechselseitig erwarteten und kulturell ausverhandelten Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit von Paradigmen, Werten, Beziehungen und Diskursordnungen wird allerdings zunehmend überlagert und durchmischt von über diese Institute der ursprünglichen Beobachtungs-, Erfahrungs- und Erwartungsquellen des sozialen Lebens hinausreichenden und sie übergreifenden technischen Instituten der Soziabilität des individuellen Lebens  : den Medien, deren theoretische Konzeption hier aber nochmals kommentiert werden muss. Zunehmend lernt die Kommunikationswissenschaft Medien weniger als technisches Instrumentarium zu begreifen, die dann Kommunikation (nicht nur technisch) ermöglichen, sondern (sozialtheoretisch geordnet) als den Ort der Vereinbarung und des nachhaltigen Vertrages im Hinblick auf wechselseitig unterstellbare (generalisierte) Erwartungen und die Erfüllung von Erwartungen. Versteht man in diesem Sinne Medien als technisch organisierte Darstellung eines gesellschaftlichen Vertrages auf gegenseitige und wechselseitige Verständigung über sich, mögliche andere und mögliches anderes, dann kann diese in zwei Richtungen ausfallen  : als Vertrauensvertrag (normativ ausgelegt  : Authentizität) oder als Täuschungsvertrag (kritisch ausgelegt  : Rollenspiel) (vgl. Bauer 2008  : 124ff ). Ein sozialtheoretisch beschriebener Medienbegriff fokussiert seine Beobachtung nicht auf die Struktur oder auf Strukturmerkmale, sondern auf die kulturelle Relevanz und auf kulturelle Indikationen. Im Kontext eines so ausgelegten Medienverständnisses macht es dann einen (ganz) anderen Sinn von Medienwandel zu sprechen. Da geht es dann nicht mehr um Technologie und Technik und ihre Auswirkungen auf das Sozialgefüge, sondern um die Frage, ob und wie Medientechnologien und Medienorganisationen das soziale Ritual darstellen oder verfälschen. Was man sozialtheoretisch sinnvoll den „Medienwandel“ nennt (vgl. Langenbucher/Latzer 2006) ist eben nicht nur der (strukturelle) Wandel der Medien (in Technologie, Organisation, Programm, Marktwirtschaftlichkeit, Produktions- und Nutzungsweisen), sondern auch – und vor allem – der Wandel im kulturellen Paradigma (z. B. von der persönlichen Adressierung zur dispersen und distanten Adressierung) der Vermittlung von Kommunikationsmustern und Kommunikationschancen im Hinblick auf die gesellschaftliche Partizipation an Prozessen des sozialen Wandels von Werten, Diskursen und Beziehungen. Es geht hier also –  284 –

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nicht um den Wandel „der Medien“, sondern um den Wandel der Formen und der Zumutungen der gesellschaftlichen Interaktion und um die zunehmend technisch-mediale Charakteristik von Soziabilität, um Medialität (Bauer 2008  : 130f ) bzw. Mediatisierung (vgl. Krotz 2008  : 52f ). Die historische Entwicklung der Umstellungen des Erzählens auf Schrift, dann auf Druck, auf Distribution von Sprache und Bild, auf Multimedialität, Digitalisierung und von Einwegtechnologien der Kommunikation auf Netztechnologien kann als die vertikale Linie des Medienwandels gesehen werden. Die andere Linie ist die horizontale  : der Wandel als Umstellungsprozess des Profils der sozialen Interaktion. Hier äußert sich der Wandel als Umstellung der Semiotik, der Ästhetik und der Ethik der Kommunikation. Die medienhistorischen, mediensoziologischen, medientechnologischen und medienepistemologischen Zugänge, die großteils schon durchformuliert sind, werden nun zunehmend auch kulturtheoretisch analysiert und interpretiert (vgl. Hepp 2008  : 69ff ). In dieser theoretischen Kontextualisierung erscheint der Wandel der Medienkommunikation vor allem in den Signaturen der Globalisierung im Problemkontext der sich zunehmend durchsetzenden Transzendierungsprozesse  : Transkulturalität, Translokalität und Transterritorialität (vgl. Hepp 2008  : 103–190). Um mit hinreichend theoretischer Differenzierung die implizite Komplexität und das sozial-relationale Potenzial der kulturellen bzw. sozialen Praxis ausmachen zu können, bedarf es der (im einzelnen epistemologisch zu begründenden) Umstellung der theoretischen Konzeption von einer soziologischen Systematik zu sozialtheoretischer Begrifflichkeit. Der Unterschied zwischen den beiden Regimen liegt im paradigmatischen Zugang. Der soziologische Zugang beobachtet Kultur, Kommunikation und Gesellschaft als einen in Zeichen, Symbolen, Gesten und Strukturen vergegenständlichten und so auch nachweisbaren Prozess des Handelns. Dem folgend wird im soziologischen Zugang auch der soziale Zusammenhang des Wandels von Gesellschaft, Kultur und Kommunikation (Medien) als Effekt (Wirkung) von Handlungszusammenhängen verstanden. Aus dieser kausalen Logik folgt, dass, wenn man bestimmte Effekte vermeiden oder forcieren möchte, man ursächliche Strukturen der Zielvorstellung entsprechend zu beeinflussen oder zu verändern versucht. Diese Perspektive begründet eine instrumentelle Auffassung von Kommunikation im Verhältnis zu Kultur und Gesellschaft, wie auch umgekehrt  : von Gesellschaft (als Organisation) gegenüber Kultur und Kommunikation. Im Unterschied dazu versteht der sozialtheoretische Zugang Kommunikation, Kultur und Gesellschaft als Konzepte des Verstehens und der Beobachtung (der verstehenden Beobachtung) von allem, was sich umweltlich (Natur, Kultur, Gesellschaft, Symbolik) tut. Die Deutungen und Ordnun–  285 –

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gen, die man Kommunikation, Kultur oder Gesellschaft, in je unterschiedlicher Konstellation gesetzt, zuordnet, sind demnach nicht Eigenschaften eines Objekts, sondern Eigenschaften der Beobachtung, geschuldet dem Interesse an und dem Bedürfnis nach sinntypischer Bestimmung und Bestimmtheit dessen, was man erfährt. Dieser Zugang macht es nun möglich, wenn nicht sogar notwendig, Kultur nicht als für sich und durch sich selbst definierten Zusammenhang oder gar als territorialisierte Domäne zu verstehen, sondern als Modell von und für die Generierung von Bedeutung dessen, was man ist, was man tut und was man erfährt. Dementsprechend können Kulturen nicht geografisch, nationalstaatlich oder gruppentypisch zueinander und voneinander abgegrenzt werden. Vielmehr versteht man sie als in gesellschaftlichen Konfigurationen konstruierte Signaturen der sozialen Praxis. In diesem Sinne ist das Verhältnis von Kulturen (Beobachtungshabitaten, zueinander vermittelt in Gesten, Zeichen, Ritualen, Haltungen) nicht ein Verhältnis des Unterschieds, sondern der Unterscheidung von einer zur anderen  : des Übertrags an Beobachtungsinteressen von einer zur anderen, also nicht interkulturell, sondern transkulturell (vgl. Hepp 2006, Krotz 2007  : 113). In transkultureller Perspektive verlieren Kulturen ihre für fest umgrenzt gehaltenen Territorien (Sprache, gemeinsame Geschichte, gemeinsame Helden, territoriale Grenzen etc.) und finden sich zunehmend als soziale Deutungsgemeinschaften (nur) im Vergleich zu anderen. Aus interaktiven Profilen werden im Zuge des sozialen Wandels und im Kontext der Mediatisierung zunehmend transaktionale Profile der sozialen Kommunikation. Eben diese Beschreibung ermöglicht es auch, das theoretische Postulat einzubringen, den sozialen Wandel, anstatt ihn als Prozess zu definieren, der der Gesellschaft aufgrund ihres Handelns (Medienhandeln) passiert, selbst als ein kulturelles Konzept zu verstehen, in dessen Blickfeld Gesellschaft ein Dispositiv des Wandels und Wandel das Charakteristikum von Gesellschaft ist (vgl. Schmidt 2000  : 41). Im Kontext der Argumentation des sozialen Wandels, vor allem des Medienwandels, spielt Technologie eine herausragende Rolle, meist in dem Sinne, dass sie der Grund oder der Auslöser des Wandels sei. Die Technologie (und ihr eigener Wandel) ist dabei aber selbst eine relevante Beobachtungs- und Bestimmungsgröße. Technologie ist die Methode der Auslagerung des Wissens über kausale Relationen zwischen Ursachen und Wirkungen auf apparatisierte und automatisierte Prozesse, die von sich aus „wissen“, wie sie funktionieren. Der logische Zweck ist die Absicherung von Wiederholbarkeit und die Sicherstellung der Wiederholung gleicher Vorgänge zwischen gleichen Ursachen und gleichen Wirkungen, um so eine Kalkulierbarkeit der Effekte nachhaltig und ohne Prüfung im einzelnen Fall (generalisierter und standardisierter –  286 –

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Vertrauensmechanismus) zu ermöglichen. Das heißt  : Technologie ist die Konzeption von Wirkung über ein kybernetisches Verfahren, weil sie immer ein Teil dessen ist, was sie ermöglicht, um wieder zu ermöglichen, wovon sie ein Teil ist. Die ökonomische Dimension der Technik (Technik hat wirtschaftliche Absichten und Wirtschaft hat technische Absichten) sichert die intellektuelle und soziale Energie für diese Organisation der laufenden Selbstüberholung. So macht sich Technologie zur kultur-unabhängigen, weil von überall gebrauchten und angefragten Größe. Mehr noch  : sie wird zum Intermediatisierungsfaktor zwischen Kulturen und (des Wirtschaftsfaktors wegen) zwischen Märkten, auch quer zu den kulturell und sozial reklamierten Territorien, weil sie da wie dort gebraucht wird  : wo Wirtschaftswerte bestehen, damit sie sich nachhaltig entwickeln  ; wo Wirtschaftswerte fehlen, damit sie entwickelt werden. So betrachtet kommt nun die kulturelle Bedeutung des Medienwandels noch klarer zum Ausdruck. Die zunehmende Mediatisierung/Medialisierung der gesellschaftlichen Beziehungen, Diskurse und Konversationen kennzeichnet den Wandel der institutionellen Profile und der Mechanismen des sozialen Vertrauens von einer sozial direkten zu einer sozial indirekten (technisch, ästhetisch und ethisch ausgelagerten) Funktionalität. Hier erinnert man sich vermutlich wieder der Flusser’schen Interpretation der Eskalation der negativer Abstraktion und Immaterialisierung. Beschreibt man nun die Situation, wie eben versucht, dann wird die Medialisierung/Mediatisierung des gesellschaftlichen Lebens deutlich (Krotz 2001, 2007, Bauer 2008), vor allem, wenn man sich daran durch die Reflexionen im Kontext der Cultural Studies erinnert, dass nicht die technischen Strukturen das Medium ausmachen, sondern deren Gebrauch. Der soziale Gebrauch der Technologie intendiert eigentlich den Prozess der Inter- bzw. richtiger  : der Transmediation und macht Medienstrukturen zu sozialen Agenturen für Mobilität, Transkonnektivität und soziale Flexibilität. Medientechnologien des neuesten Typs (Mobilkommunikation) arbeiten genau nach diesem Muster  : Sie werden gebraucht als Dispositive der vorgestellten, gedachten und realisierten Inter- und Transkonnektivität. Bezieht man sich auf Interessen der Zukunftsfähigkeit als eine der Schlüsselinteressen des Konzepts vom sozialen Wandel und rekurriert man nochmals auf die Feststellung, dass unter den gegebenen Bedingungen die Kultur der Gesellschaft mit deren Medienkultur konform geht, also ein soziales Modell von Transkulturalität, Transrelationalität und Diversität verlangt, dann kann die im Sinne der Verwertbarkeit dieses Wissens für den gesellschaftlichen Fortschritt zu formulierende Konklusion nur sein  : der Nachzug des Wandels auf den Ebenen der sozialen Kompetenz ist längst überfällig. Die Lücken im Bildungsmodell von Mediengesellschaf–  287 –

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ten sind in erster Linie die Ausfälle an kommunikativer, sozialer und medialer Kompetenz (Media Literacy), die Rückfälle des Bildungsmanagements in auf Kumulation (statt auf soziale Suchmodelle) aufgebauten Wissensarchitekturen verbunden mit der, weil medientechnologisch nahegelegt, Organisation von individualisierten Lernumgebungen. Was Gesellschaften im Kontext des sozialen Wandels, der, um dies noch einmal zu strapazieren, im Grunde der Medienkulturwandel der Gesellschaften ist, vor allem brauchen, ist ein Medienkonzept, das nicht nur technologisch ausgelegt wird (e-learning, e-governance, e-economy), sondern ein Medialitätskonzept, das kultur- und bildungspolitisch ausgelegt ist. Solche Gesellschaften werden in Zukunft eine signifikante Rolle als Trendsetter des sozialen Wandels spielen.

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

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Die Wirklichkeit der Beobachtung und die Beobachtung von Wirklichkeit

Schäfers, Bernhard (2002)  : Sozialstruktur und sozialer Wandel in Deutschland. Lucius & Lucius Stuttgart. Schelkle, Waltraud (Hg.) (2000)  : Paradigms of Social Change. Modernisation, development, transformation, evolution. Campus Frankfurt am Main. Scheuch, Erwin K. (2003)  : Sozialer Wandel 2. Gegenwartsgesellschaften im Prozess des Wandels. Westdeutscher Verlag Wiesbaden. Schmidt, Siegfried J. (1994)  : Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur. Suhrkamp Frankfurt am Main. Schmidt, Siegfried J. (2000)  : Kalte Faszination. Medien, Kultur, Wissenschaft in der Mediengesellschaft. Velbrück Wissenschaft Weilerswist. Schmidt, Siegfried J. (2003)  : Geschichten & Diskurse. Abschied vom Konstruktivismus. Rowohlt Reinbek bei Hamburg. Schmidt, Siegfried J. (2004)  : Unternehmenskultur. Die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Velbrück Wissenschaft Weilerswist. Schütz, Alfred (1971)  : Gesammelte Aufsätze 1. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Nijhoff Den Haag. Soeffner, Hans Georg (2005)  : Sozialwissenschaftliche Hermeneutik. In  : Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.) Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Rowohlt Reinbek bei Hamburg  : 164–174. Taylor, Charles (2002)  : Die Formen des Religiösen in der Gegenwart. Suhrkamp Frankfurt am Main. Thomas, Tanja/Krotz, Friedrich (2008)  : Medienkultur und soziales Handeln. Begriffsarbeiten zur Theorieentwicklung. In  : Thomas, Tanja (Hg.) Medienkultur und soziales Handeln. VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden  : 17–42. Veith, Hermann (2001)  : Das Selbstverständnis des modernen Menschen. Theorien des vergesellschafteten Individuums im 20. Jahrhundert. Campus Frankfurt am Main. Weinberg, Johannes (1999)  : Lernkultur. Begriff, Geschichte, Perspektiven. In  : Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management (Hg.) Kompetenzentwicklung ‚99. Aspekte einer neuen Lernkultur – Argumente, Erfahrungen, Konsequenzen. Waxmann Münster  : 81–143. Welsch, Wolfgang (Hg.) (1994)  : Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Akademie Verlag Berlin. Williams, Raymond (1958)  : Culture and Society. 1780–1950. Chatto & Windus London.

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Glossar

Im Glossar finden sich jene Begriffe, die für die Partitur der Texte, für die theoretische Konzeption und für die Analogie der Gesamtaussage des Buches kennzeichnend sein sollen. Es versucht vor allem die oft hermeneutisch und analog gesetzten Akzente der in den Textstücken gebrauchten Begriffe und Theoreme noch einmal zu vertiefen. Die zu einzelnen hier ausgewählten Termini nachgereichten Kommentare stellen daher bewusst nicht die dem alltäglich-praktischen Verständnis entsprechenden („richtigen“) Deutungen, schon gar nicht deren Definitionen oder objektiv und allgemein gültige Auslegungen dar, sondern skizzieren – so weit wie nötig und doch so komprimiert wie möglich – die theoretischen Kontexte, in denen die Begriffe Sinn machen. Das Glossarium erfüllt in diesem Sinne nicht die Funktion eines Lexikons (es beinhaltet nicht allgemein ausverhandelte Definitionen), sondern bestenfalls die eines Materialienlagers  : Rüstzeug und Bausteine der möglichen Gesamtaussage und Abstraktionen zur ethischen und ästhetischen Kennzeichnung einer theoretisch und hermeneutisch offenen Architektur wissenschaftlich gedachter Kommunikation. Alltag/Alltagswissen Die moderne bzw. mittlerweile traditionelle Alltagssoziologie versteht Alltag als die Summe der Routinen und der in absehbaren Zeitpassagen verlaufenden Wiederholungsmuster von Erfahrung, Beobachtung und Handlung, die im Leben eines Menschen, insbesondere in Bezug auf die Auslegungen von wechselseitig unterstellten Erwartungen und die Etablierung von sozialen Strukturen Relevanz gewinnen und so gewissermaßen den Status eines pragmatischen Programms erhalten. In diesem strukturtheoretischen Sinne ist Alltag eine Beschreibungsmetapher für die in Handlungsabläufen geformte Wahrnehmung natürlicher, zeitlicher, räumlicher und sozialer Umgebung (vgl. Kurt Lewins Feldtheorie – Lewin 2012). Eine dem theoretischen Konzept von Kommunikation nähere, aber immer noch soziologische Interpretation findet sich im Konzept des Symbolischen Interaktionismus (vgl. Bielefelder Soziologen 1971). Dort rückt der Begriff des Alltags schon deutlicher in die Nähe einer medialen (durch symbolische Interaktion gekennzeichneten) Umwelt  : Alltag ist, was uns symbolisch (in Zeichen, Gesten, Verhaltensmustern, Ritualen etc. gekennzeichnet und auf Dauer gestellt) umgibt. Eine kulturthe–  293 –

Glossar

oretisch-konstruktivistische und in eben diesem Sinne kommunikationsgesellschaftlich relevante Interpretation findet sich vor allem bei Alfred Schütz (Schütz/Luckmann 2003)  : Alltag ist das durch die Medialität der Konstruktion von Wirklichkeit gekennzeichnete Wissen (Alltagswissen) des Menschen über sich und sein Verhältnis zur natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt. Hier ist also Alltag nicht ein beobachtetes Objekt, sondern der Mix aus Positionen, Haltungen, Einstellungen, Attitüden und Zuschreibungen („Wissen“), mit dem der Mensch die ihm gegenwärtige Wirklichkeit konstruiert. Der Alltag ist im mediengesellschaftlichen Kontext auf weite Strecken Medienalltag. In diesem Kontext sind Medienangebote nicht als Abbilder von Wirklichkeit zu sehen, sondern als Angebote an kognitive und kommunikative Systeme, die jeweils im Rahmen der systemtypischen Bedingungen in bestehende Alltagsdiskurse eingemischt werden und so Wirklichkeitskonstrukte mitbilden, stützen oder verändern. In eben diesem Sinne stellt der Alltag nicht eine primäre Lebenswelt dar, sondern ist, weil subjektiv und individuell wahrgenommen, als Ergebnis von Prozessen der Wirklichkeitskonstruktion zu sehen, an der verschiedenste Sozialsysteme mit ihren Deutungsmustern Anteil haben  : Familie, Peers, Politik, Rechtslagen, Wissenschaft, Religion, Kunst, Bildung, Medien etc. In diesem Umfeld ist auch das theoretische Konzept von Sozialisation anzusiedeln, verstanden als produktive Aneignung und konstruktive Verarbeitung von Realität bzw. – auf lange Frist gesehen  : die Verstetigung, Habitualisierung und/oder Institutionalisierung von Lebensweisen und Lebenskonzepten (vgl. Berger/Luckmann 1972, Hurrelmann 2006). Klarerweise sind hier Vorurteile, Stereotypen, Klischees oder Fehleinschätzungen genauso enthalten, wie Intuition, Gewissheit oder Bewusstheit. Relevant ist diese dritte Version der Interpretation von Alltag als „Alltagswissen“ im Hinblick auf die Epistemologie einer interpretativen und kontextuellen und kybernetisch-methodologisch ansetzenden Kommunikationswissenschaft als einer auf nächster Beobachtungsebene formalisierter Theorie (Beobachtung von Beobachtung) zur im Verhältnis zur Alltagstheorie metatheoretisch gewonnenen Konzeption von Kommunikationswissen. Beobachtung/Beobachtung von Beobachtung Die Rede ist hier vom gedanklich verhandelten Umgang mit kulturellen Komplexen (möglicherweise diskreten, sprachlich so paraphrasierten Einheiten) zu nicht als Objekten (Gegenständen) materialisierten Erfahrungen und Wahrnehmungen, solchen, von denen man weiß, ohne sie gegenständlich be–  294 –

Glossar

weisen zu können. Werden sie durch Beobachtung objektiviert (sprachlich vergegenständlicht), dann werden nicht aus- oder außengelagerte Objekte, sondern dem kulturellen Gedächtnis ein- und innengelagerte, der (überdies sozial vermittelten und kulturell bedingten) Wahrnehmung inhärente Bilder – evolutionsbiologisch in semantischer Analogie zu „Gene“ „Meme“ genannt – vgl. Dawkins 1976) – gezielt begrifflich gefasst  : Das inhärente und intrinsische Wissen wird in Begriffen erklärend umschrieben. Die im Paradigma des Handelns geordneten Begriffe (Kommunikation, Gesellschaft, Organisation, Institution, Politik, Unternehmen etc.) sind in diesem Sinne Paraphrasen der Beobachtung, Niederschriften des gezielten und in Mustern der (Ein-) Ordnung analogisierten Wahrnehmens  : Beobachtungsbegriffe. Beobachtung ist nicht Zufall, sondern Zugriff, nicht Einfall, sondern Eingriff. In der Gesamtaussage der Texte ist von insgesamt drei Ebenen der Beobachtung die Rede  : 1. Das Alltagshandeln vollzieht sich unter den strukturellen und kulturellen Bedingungen eben dieser Beobachtung. Alltagsbegriffe (z. B. Kommunikation, Gesellschaft, Kultur etc.) sind kulturelle, weil sinnzielbetonte (und so morphologisch und kosmologisch wiederholte und generationenhistorisch weitergegebene) Eingriffe (Interventionen) in das offene und disparate Universum der Menge und der möglichen Beziehungen der Merkmale der Wahrnehmung. Alltagsbeobachtung ist in diesem Sinne kulturell gebunden, sie generiert Alltagswissen im Muster von alltagspragmatisch konstruierten Sinn-Komplexen (Nutzen, Ästhetik, Ethik von Beobachtung und Handeln). In diesem Sinne sind Begriffe wie Kommunikation und Gesellschaft, Kultur etc. zunächst und eigentlich Beobachtungsbegriffe, allerdings in Handlungsbegriffen praktisch und theoretisch (wissenschaftlich) verfügbar gemacht. 2. Die wissenschaftliche Beobachtung versteht sich als die im Rahmen institutionalisierter Regeln um methodisch transparente Nachbetrachtung (Nachdenken  : erklären, ordnen, klassifizieren, problematisieren – Theoretisierung) bemühte Morphologie der alltagstheoretischen Paraphrase. Sie beobachtet (Grund und Hintergrund der alltagstheoretischen) Beobachtung (Beobachtung 2. Ebene). 3. stellt sich die Frage, aus welchem Erkenntnisinteresse die Wissenschaft das Alltagswissen (kritische Selbstreflexion als dritte Ebene der Beobachtung) betrachtet. Das begründet eine dritte (meta-theoretische) Ebene der Beobachtung. Gesellschaft kommunikationswissenschaftlich zu beobachten, heißt die realen Zusammenhänge sozial-wechselseitiger Beobachtung (medialisiert/ mediatisiert in Strukturen) ihrer Kommunikation und Organisation so zu ergründen, dass man deren intrinsische Kulturprogramme und deren inhärente Ordnungsmodelle im theoretischen Prisma des Kulturverständnisses von –  295 –

Glossar

Kommunikation verstehen, deuten und, wo möglich und notwendig, problematisieren und orientieren kann. Dabei muss man aber auch bedenken, dass „die Gesellschaft“ zunächst kein Gegenstand ist, der sich durch die Kontexte des Handelns selbst beschreibt und von jedem so gleich wieder zu beschreiben wäre (Objektiver Gegenstand), sondern eine durch Erfahrung und im Modell von Wissen (konstituiert durch Alltagstheorie, Beobachtungsfokus und Begriffsperspektive) vergegenständlichte Vorstellung (Beobachtung) sozial gemeinter und gedeuteter Zusammenhänge, eine Konfiguration des Wissens in Referenz zur realen sozialen Praxis (Beobachten und Handeln), die getan, gedacht, vorgestellt und unterstellt werden kann und die im Tun, im Denken, im Beobachten und in der Vorstellung sich auf dieses (technisch, sozial, kulturell, symbolisch, ästhetisch und ethisch programmierte) Wissen bezieht. Gesellschaft ist in diesem Sinne die begriffliche, konzeptionelle Konfiguration von kulturell programmiertem Sozialwissen (Ordnungsmodelle) und die metaphorische Auszeichnung dieses Wissens über sich selbst in Gesten von Soziabilität, Relationalität, Rationalität und Moralität (vgl. Schütz 1971). Wenn und indem sie so über sich übereinkommt, ist Gesellschaft das, wie sie sich beobachtet und versteht (vgl. Schmidt 2003 und 2004). In diesem Sinne ist Beobachtung (erster Ordnung) nicht einfach ein alltagsmethodisches Verfahren, sondern ein Alltagshabitus der begrifflichen Fassung (des Begreifens, der Konstruktion) von sozialer Realität. Dies gilt vor allem für begriffliche Basisinstitute (so z. B. Kommunikation, Organisation, Unternehmung, Politik, Religion etc.). Sie sind, bevor sie selbst Gegenstand der methodologisch definierten Beobachtung sind, selbst alltagstheoretisch definierte Konstrukte der Beobachtung. Aufbauend auf diesem kulturtheoretischen Verständnis von sozialen Strukturzusammenhängen, die als Deutungszusammenhänge zu verstehen sind, ist die wissenschaftliche Beobachtung nicht eine mit der Alltagsbeobachtung konkurrierende (irgendwie aber verbesserte) Objektbestimmung, sondern die auf nächster Ebene methodologisch konstruierte Beobachtung dessen, was das Beobachtungsmodell des Alltags ausmacht, also Beobachtung von Beobachtung (Schmidt 2003)  : Was beobachtet man mit Alltagsbegriffen mit welchen Interessen des Erkennens, mit welchen Denkmustern und warum so, wie es die in Alltagsbegriffen kulturell archivierten Vorstellungsmuster (Wissensmodelle) tun  ? Was sind ihre hermeneutischen, analogen und metaphorischen Referenzen  ? Davon abzuleiten ist eine Wendung im Verständnis der gesellschaftlichen Relevanz von Medien- und/oder Kommunikationswissenschaft  : von einer Objektwissenschaft zur Konzeptwissenschaft. Die Kommunikationswissen–  296 –

Glossar

schaft muss nicht (noch einmal, wenn auch möglicherweise systematischer und begründeter oder besser wissend) objektivieren, was Kommunikation ist oder wie sie entsprechend ihren inneren Qualitätskriterien zu praktizieren sei. Aber sie kann die Problemzonen, die Dilemmata und die Pathologien der gesellschaftlich-kommunikativen Praxis, in der sich die Vorstellung von Kommunikation deutet, ausmachen, indem sie die Denk- und Beobachtungsmuster der Begriffsmodelle offenlegt (analysiert, interpretiert), mit denen sich die Gesellschaft selbst durch die Kultur ihrer Praxis interpretiert und versorgt. Wenn man Kommunikation verwissenschaftlichen will, dann verwissenschaftlicht man nicht ein Objekt, nicht einen Gegenstand, sondern eine so in Analogien vergegenständlichte Beobachtung (Alltagswissensmodell von Kommunikation) wieder im Modell von Beobachtung. Wenn man wissen will, was man weiß, muss man eben diese Beobachtungen mit möglichen anderen, unterschiedlichen Beobachtungen assimilieren (bzw. kontextualisieren), was immer heißt  : die Möglichkeiten und Zumutungen der Vergemeinschaftung aufgrund und auf der Basis von Unterschied und Unterscheidung zu unterstellen. Das Wissen von Kommunikation hat kein anderes Protokoll als das der alltäglich verhandelten Kommunikation. Das Protokoll von Kommunikation ist wieder – wenn auch Meta – Kommunikation. Das stellt die Frage nach der spezifischen Kompetenz (der Zuständigkeit, der Kapazität des Klärens und Verstehens wie der Verantwortung der Deutung) der Kommunikationswissenschaft. Diese kann nur ausgemacht werden im Hinblick auf die Kompetenzkriterien (Qualitätsstandards) ihrer Aufstellung als Kunst (Horizont, Kreativität, Heuristik, Hermeneutik) und Technik (Methodologie, Methode, Regeltransparenz) der Beobachtung von Beobachtung  : von Wissen schaffender Beobachtung. Beobachtungsmodell Beobachten und Handeln sind soziative (aus dem Prinzip von Bindung und Beziehung gemeinte und gekennzeichnete) Dispositive der Konstitution von gedachter, vorgestellter und verhandelter Realität. Der einzelne Beobachtungsvorgang mag eine individuelle Prozedur darstellen, ist aber immer nur möglich in Referenz und mit Blick auf kollektiv-kulturelle Dispositive (Deutungsmodelle) der Wahrnehmung von Umwelt und in diesem Sinn eine sozial gemeinte Erschließung von Umwelt. Handeln mag eine individuelle Prozedur darstellen, ist aber immer gerichtet auf die natürliche, soziale, kulturelle oder symbolische Umwelt und ist in diesem Sinne eine individuell gemeinte, aber auf Basis von sozio-kulturellen Parametern ermöglichte Erschließung von Sinn. Handeln ist aber auch eine Kategorie der praktischen Logik, ist das –  297 –

Glossar

Merkmal für das Schaffen von Fakten, für die Bestimmung von Sinn über Operationen des Eingreifens und Zugreifens. Es setzt auf den Eigensinn des Tuns, auf Wirkung, Einfluss, Macht und Bemächtigung. Beobachten hingegen ist eine Kategorie des Interesses, das Merkmal für Begreifen über Wahrnehmung und über gedankliche und begriffliche Einmischung (Interesse, Kontrolle). Es setzt auf das Verstehen des aus anderen Zusammenhängen konstruierten Sinns von Geschehen. Beobachtung setzt sich mit dem, was sie beobachtet, auseinander und signalisiert so Sinn für Dialektik. Beobachtung ist interessiert an Andersheit. Handeln verfolgt sich selbst und signalisiert so das Recht auf Eigensein. Handeln ist interessiert an Selbstbestätigung, zur Not unter der Bedingung der Veränderung des Anderen nach dem Muster des Eigenen. Auf der wissenschaftstheoretischen Ebene macht das den Unterschied zwischen analytischer und interpretativer Sozialwissenschaft aus (vgl. Schütz/Luckmann 2003), auf der paradigmentheoretischen Ebene macht es den Unterschied zwischen affirmativer Theorie (Handeln) und emanzipatorischen Theoriekonzepten (Beobachten) aus. Beobachtungsmodelle sind in diesem Sinne begrifflich gefasste Vorstellungsbilder, welche die mögliche Haltung von Beobachtung (Wahrnehmung, Einmischung) analogisieren  : Kommunikation ist ein solches Modell, in dem Beobachten und Handeln zwar die Komposition von Kommunikation im Alltag ausmachen, auf der wissenschaftlich-theoretischen Ebene aber wäre, um Wissen dort zu schaffen, wo es noch nicht ist, ein emanzipatorischer Zugang der Königsweg der Modellbildung. Modelle sind aber keine Theorien. Sie sind lediglich erste, im Grunde intuitive Fassungen von komplexen Merkmalen in Form von eindimensionalen Rang- oder Reihenfolgen. (z. B.: Kommunikation als Verlauf einer Aussage von Produzenten über ein Medium an Rezipienten). Sie sind unvollständige Einschätzungen, verbergen möglicherweise sogar das Kernmerkmal dessen, was sie beobachten, aber sie geben Aufschluss über die analogen Ordnungsstrukturen der Beobachtung. All das sind Gründe, warum Modelle, so sie wissenschaftlich geordnet und verwertet werden sollen, die durch Kontextualisierung wissenschaftstheoretisch gestützte Interpretation brauchen. Theorien wiederum sind Rationalisierungen sowohl der Modelle wie auch der Kontexte, in die sie gestellt oder in denen sie beobachtet werden. Während in der Theoretisierung des Kommunikationswissens vor allem im Kontext von Strukturtheorien die Handlungsperspektive stets im Vordergrund stand, gewinnt die Beobachtungsperspektive – und dies vor allem im Kontext kulturtheoretischer Konzepte (Cultural Studies) – nur langsam an Terrain. Die im Handlungsmodell konstruierten Kommunikations- und Medientheorien (Perspektiven  : Macht, Einfluss Einheitsordnung etc.) verlieren im Vergleich zu komplexeren, –  298 –

Glossar

sozialpolitisch sensibleren (auch  : interventionsbewusst emanzipatorischen), weil beobachtungstheoretisch differenzierten Konzepten der gesellschaftlichen Kommunikation (Wahrnehmung, Interesse, Unterschiedsordnungen) an ideentheoretischer Legitimität und an modelltheoretischer Plausibilität. Bildung Das kulturtheoretische Konzept von Bildung beschreibt empirisch und normativ die Vorstellung des Vorteils der Verfügbarkeit von Habitaten, von eingeübten und eingewohnten Grundhaltungen, die als generatives Potenzial und als kreative Ressource für die kompetente Bewältigung von Chancen, Anforderungen und Zumutungen des individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Lebens gedacht sind. In diesem Verständnis ist Bildung nicht ein Besitz, den man sich durch Lernen aneignet, nicht die Akkumulation von Wissen oder Erfahrung, sondern die Möglichkeit der Berufung auf Haltungen, auf ein Selbstkonzept, das nicht Eigenschaften intellektueller Dekoration beschreibt, sondern einen in der Persönlichkeit verankerten Habitus – im Sinne Bourdieus (1997)  : eine produktive Grundhaltung, mit der der Mensch sich in der Lage (fähig, zuständig, verantwortlich) weiß, sein Verhältnis zu all dem, was um ihn herum geschieht, so zu bestimmen, dass er zwischen kritischer Beobachtung und empathischer Annäherung jeweils die Position der Souveränität nicht nur halten, sondern stärken kann. Als Habitus begründet Bildung soziales und kulturelles Kapital (vgl. Bourdieu 1997). In dieser Konzeption ist Bildung ein Fall (eine Deklination) von Kommunikation, ein sozial-integratives, kommunikatives Modell von Kompetenz und Souveränität. Souverän ist nicht der, der sich absondert, sondern der, der sich auch in neuen Situationen (sozialen, kulturellen und symbolischen Umgebungen) intellektuell, kognitiv, emotional und habituell so einordnet, dass er sich gerade wegen des achtsamen Bezugs zu seiner sozialen Umwelt sich seiner selbst vergewissert weiß und es nicht nötig hat sich unter- oder überzuordnen. Die Bildungskomponenten  : Wissen, Reflexion, Kritik und Analyse sowie Einstellung und Haltung geben genug Position, sich gesellschaftlich zur Disposition stellen zu können, das heißt  : sich differenzierte Meinungen zu bilden, sich anderen mit Interesse zu stellen und sich so in Diskurse einzubringen, wo und wozu immer sie sich ergeben (vgl. Bauer 2014a  : 29 ff ). Cultural Studies Zunächst ist das Anliegen der Cultural Studies sehr pragmatisch  : Sie erforschen, besser  : beforschen die Kultur des Alltags – hier eben verstanden als –  299 –

Glossar

kontexttheoretisches Konzept der Beobachtung der Signaturen des realen Lebens. Ihr methodologisches Paradigma ist aber nicht szientistisch-analytisch, sondern interpretativ (verstehend), nicht deduktiv-logisch, sondern induktivexemplarisch, nicht definitorisch, sondern hermeneutisch. Cultural Studies repräsentieren ein weites, kontextuelles, investigatives, kritisches und methodologisch involventes (beteiligtes und beteiligendes) Beobachtungskonzept, das seine Aufmerksamkeit nicht der Umfassendheit, sondern der Exemplarität (ein Beispiel für und von), nicht der Affirmation, sondern der Emanzipation, nicht der Rekonstruktion, sondern der Dekonstruktion und nicht der Forderung der Stimmigkeit von Realkontexten, sondern dem Kontingenzpotenzial durch Dekontextualisierung schenkt. In dieser theoretisch-methodologischen Ausrichtung verstehen die Cultural Studies Kultur nicht als Besitz, nicht als Territorium, sondern als Bemühungen („Kampf “) um Bedeutung und Deutungshoheit. Ihrem Verständnis ist es eigen, Gesellschaft (real) als das zu verstehen (zu interpretieren), was ihre Kommunikation ausmacht bzw. wie die Kommunikationskultur sozial strukturiert ist. Deshalb begründen sie auch neue Sichtweisen von und für Alltagskultur, für Populärkultur, für die landläufige Unterscheidung von Hoch- und Niederkulturen, für den Wert von Originärkulturen und für das transkulturelle Verständnis des Verhältnisses zwischen Kulturen, in dem die Unterscheidungslinien nicht Grenzen, sondern Differenzierungen im Spektrum der Diversität von Kultur („Way of Life“) repräsentieren (vgl. Hepp 2008). Differenz/Konsens Die sozialen Muster von gesellschaftlicher Kommunikation und Verständigung orientieren sich zu einem guten Teil an den gesellschaftlich eingeübten bzw. institutionalisierten Vorgaben, Regeln und Ritualen der Verteilung von Deutungsmächtigkeit (vgl. Foucault 1974). Das ermöglicht bzw. provoziert die kritisch gemeinte Unterstellung, dass dort, wo das Konzept von gesellschaftlicher Kommunikation – auch auf theoretischer Ebene – als Konsenskommunikation (und nur als solche) interpretiert wird, ein affirmatives Erkenntnisinteresse am Zug ist. Eine solche Vorstellung ist auch nur möglich im Framing einer strukturtheoretisch gebauten Vorstellung von Kommunikation als Austausch und/oder Verteilung von Deutungen des Realen zwischen an Rollen und/ oder Positionen gebundenen Menschen. Jenseits dieser Auslegung aber interpretiert dieses Konsensmodell von Kommunikation, vor allem dort, wo es normativ zwingend wird, ein nostalgisches Dogma von Gesellschaft als einer an und gemäß sozialer Ordnung ausgerichteten und am Prinzip der inneren –  300 –

Glossar

Einheit orientierten Konfiguration von sozialer Praxis. Eine an der Vergrößerung, zunehmender Verankerung und Vermehrung von Einheit (des Staates, der Nation, der Kultur, der Sprache, der Religion, der Institution etc.) interessiertes Verständnis von Kommunikation, folgt erstens einer am Modell von abgrenzbarem Territorium und Besitz orientierten Vorstellung von Nation, Kultur, Institution, Religion, Sprache, Medien etc. und versteht zweitens Kommunikation als Relais und Regelungsmechanismus für eben diese Vorstellung, weswegen man denkt, sie hätte ihr eigentliches Ziel dann erreicht, wenn sie möglichst differenzexklusiv angelegt (bzw. ausgelegt) wäre. Versteht man (aber) Kommunikation als Konstruktion von Wirklichkeit und Sinn, als wechselseitig unterstellte und in Dialog und Diskurs (vgl. Flusser 1998) ausverhandelte Beobachtung von Deutungen zu sich selbst nicht deutenden und dem existenziellen Risiko der Unbestimmtheit ausgesetzten Erfahrungen, Ereignissen und Vorstellungen, dann muss es im logischen Interesse von Kommunikation sein, die Welt auch anders (unterschiedlich, vielseitig und so kontingent wie möglich – auch wenn nicht nötig) in Erfahrung zu bringen, als sie sich dem ersten Blick erschließt, sich (auch) über die Differenz von Deutungen zu verständigen und durch die Überraschung der unerwarteten, und unangepassten bzw. vielleicht sogar verstörenden Erkenntnis den Gewinn von Kommunikation zu lukrieren. In diesem Sinne wäre Kommunikation die soziale Praxis der Vergemeinschaftung von Unterschied und die Verteilung von (Chancen, Risiken, Zumutungen der) Gesellschaftlichkeit. Eine im Modell von Differenz verständigte Konzeption von Kommunikation würde in jedem Falle Themen wie Minderheit, Andersheit, Konflikt oder Meinungsverschiedenheit anders auslegen, als es das auf Konsens konzentrierte Konzept tut, nämlich sie nicht als Problemkomplexe, sondern als Lösungskomplexe zu verstehen  : Wo Einheit das Problem ist, kann Vielheit die Lösung sein, auch wenn diese wieder Probleme macht. Wo Mehrheit ein Problem macht, kann Minderheit die Lösung sein, auch wenn diese wieder (andere, produktive) Probleme schafft. Diskurs/Dialog Alles, was einen gesellschaftlichen Zusammenhang ausmacht, kann man, weil es sich ja immer um Gesprächszusammenhänge oder im Gespräch dargestellte und konstituierte und konstruierte Zusammenhänge handelt, Diskurs nennen. Greift man zurück auf das schon besprochene Aneignungsmodell (im Sinne von Mimetik/Mimesis – vgl. Gebauer/Wulf 1998), dann macht dieses noch einmal deutlich, dass jede Gesprächsbeteiligung nicht einfach nur –  301 –

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über den Weg der Nutzung von sprachlichen Strukturen (Syntaktik, Semantik, Pragmatik – vgl.: de Saussure 1974) geschieht, sondern immer als soziale Praxis, also als (affirmativ oder emanzipatorisch) eingefühlte Nachahmung und Individualisierung (Aneignung) der sozial-kontextuellen Gestik. Die „Ordnung des Diskurses“ (Foucault 1974) entspricht also den sozial-strukturellen Gegebenheiten, die Foucault in der Regel als hierarchisch geordnet beschreibt. Diskurse sind in dieser Interpretation Gesprächszusammenhänge, die quer über die diversen Gelegenheiten von Ort, Zeit, Medien und gewollter, gesollter oder zufälliger Beteiligung zu einem abgrenzbaren Themenkomplex stattfinden und, weil es ihnen ja um die Bestimmung und Rationalisierung von Wahrheit und darin um Geltungsansprüche geht (Habermas 1981), an Strukturen sozialer Ordnung (Macht) gebunden sind (Foucault 1974), daher auch in der Regel der Begründung und Verteidigung von Chancen (Jäger 2004) dienen, daher um Legitimation und Recht mithilfe rhetorischer Strategiemuster (vgl. Wodak 1989) wetteifern und sich in diversen sozialen Ritualen verstricken, in denen es weniger um die Entdeckung als mehr um die Durchsetzung (Wiederholung und Verbreitung) von Erkenntnis (Flusser 1998) geht. Jedem Diskurs liegt also eine gewisse (soziale, rationale, kognitive, pragmatische) Rationalität zugrunde, wie der mehr oder minder ausgeprägten Komplexität eines Thema und dessen Differenzpotenzial auf möglichst breiter Ebene der Beteiligung beizukommen wäre. Emanzipation/Dialektik Alle emanzipatorisch gedachten Kommunikationsbeschreibungen beruhen auf dem Prinzip der philosophisch-hermeneutisch einzuordnenden Methode der Grenzüberschreitung. Sie sind Denkprogramme in der Logik von Kontingenz (des Nicht-Notwendigen, aber auch nicht Unmöglichen), von Emanzipation (Freispiel einer nächsten Problematisierungszone), bewusst nicht in der Logik der Sorge (Technisierung, Plausibilisierung, Organisierung, Praktikabilisierung) und in diesem Sinne eingerichtet und eingestellt auf das generative Potenzial von Problemqualitäten von Vielheit, Variabilität und Wahlmöglichkeit. Emanzipatorische Denkmethoden verstehen sich als Gegenmodell zu eher diskurstypischen (weil Erkenntnisse nur verteilenden) Mustern der Verständigung von Deutung und Wissen. Dialogisch-dialektische Muster sind interessiert am Moment der Differenz und nehmen dieses sogar als Begründung für den Sinn (Nutzen, Ästhetik, Ethik) ihrer Anstrengung. Der Dialog lebt hermeneutisch von der Dialektik der Beschreibung von Beobachtung. Er ist aus eben diesem Grund das energetische Reservoir für die Generierung von –  302 –

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Erkenntnis durch die jeweils unerwartete, überraschende Neu-Kennzeichnung von Gehalten. Das dialogische Muster von Kommunikation bzw. das dialektische Muster von deren Verwissenschaftlichung beschreibt ein anderes Wahrheitsgeschehen als es der Diskurs tut. Das Wahrheitsgeschehen des Diskurses ist ausgerichtet auf die Einheit der Wahrheitsmaterie. Das des Dialogs bzw. der Dialektik unterstellt die Diversität, wenn nicht sogar die Disparität und Widersprüchlichkeit der Wahrheitsmaterie und verständigt sich auf Widerspruchsmomente als Motive der Umstellung von Einstellung, kennzeichenbar durch die Variation (Diversität) von Beschreibung. Dialektisches Verstehen unterstellt die Variabilität der Aussage, von Benennung, Bewortung und Beschriftung und weiß sich des vergemeinschaftbaren Gehaltes einer Benennung erst sicher, wenn mögliche Widerspruchspole so weit ausgetestet sind, dass der eigentliche Widerspruchspunkt als der kleinste oder größte gemeinsame Nenner das Motiv für die Dauerstellung des Gespräches darstellt, eben weil im Rahmen dieser Vergemeinschaftung Differenz, Diversität und Überraschung Sinn machen (vgl. Bauer 1980/I, 2006a, 2014b). Häresie Wahrheit braucht und verträgt keine Dogmen. Dort, wo diese geschaffen werden, wird nicht Wahrheit, sondern Herrschaft über Wahrheitsprogramme institutionalisiert. Typisch für Dogmatik ist, dass sie zur Monopolbehauptung der Deutung kognitiver Konstrukte das moralische Postulat der Anerkennung von Inhalten und Regeln mit jurisdiktioneller Sanktion (Inklusion/Exklusion) verbindet (vgl. Bauer 1980). Wissenschaft verpflichtet sich zur Wahrheit, wohl aber nicht im Sinne eines Absolutheitsanspruchs, sondern des methodologischen Transparenzanspruchs. Im Sinne des Transparenzpostulats sind (die sonst antidogmatischen) Häresien unverzichtbare Stressprogramme für in sich selbst ruhende, gesättigte, selbstbezogene und in diesem Sinne selbstgefällig-dogmatische Systemdiskurse. Im Dictum „Anything goes“ (Feyerabend 1986) findet dieses Transparenzprinzip wissenschaftlichen Denkens unmissverständlichen Ausdruck. Häresien der Theorie sind im intrinsischen Interesse von Aufklärung und im Wissen um die zeitliche, sachliche, soziale und kulturelle Kontextualität von diskursivem Wissen, logische Übungen des praktisch Unlogischen, des paralogischen, dialogischen und dialektischen Verstehens von Zusammenhängen der Beobachtung, ob alltags- oder wissenschaftstheoretisch. Entwickelt man Kommunikationswissen im Kontext Verstehender Theorien, dann erschließt sich dieses als ein weites Feld der Interpretation, als Open-Source-Programm des Deutens von exemplarischen Modellen der –  303 –

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sozialen Praxis mithilfe von theoretischer Kontextualisierung bzw. Dekontextualisierung/Dekonstruktion. Offene Theorien sind nicht an fest verhandelte und quasi dogmatisierte Kategorien, schon gar nicht an Objektivität beanspruchende Definitionen gebunden, sondern halten sich offen für Deutungsspektren. Durchaus im Interesse oppositioneller Dechiffrierung/Decodierung (vgl. Hall 1999) von Weltdeutung wählen sie nicht zufällig, aber durchaus willkürlich nicht-gängige und nicht-privilegierte Interpretationen und sind in eben diesem Sinne (wortwörtlich) häretisch bzw. häresiewillig  : Sie unterbrechen bewusst und in kreativer Absicht die affirmativen Routinen des (theoretischen und praktischen) Denkens (des Mainstreams, wie z. B. die Bestimmung der Praktikabilität von Kommunikation auf Basis von Kategorien wie Kausalität, Prozessualität, Linearität, Kontinuität oder Konsensualität) und setzen im Sinne der Qualitätsbestimmung von Theorien als gedankliche Gefäße der Produktion (der theoretischen Probe) von Komplexität die Signaturen des Realen zusätzlicher Kontingenzbelastung aus. Ihr Programm ist es, mit Gesten der Emanzipation die in Ordnungen eingeübten und sich selbst versorgenden Konzepte (Theorien) zu stressen. Dieses Programm der methodisch bewussten Verstörung gilt vor allem der theoretischen und methodologischen Selbstversorgung der empirischen, funktionalistischen und auf Quantifizierung und Messung, eher soziologisch denn sozialtheoretisch ausgerichteten Kommunikationswissenschaft. Hermeneutik/Kunst und Technik der Wissenschaft Wissenschaft generell, hier aber vor allem die Wissenschaft von Medien und Kommunikation (im Sinne von Communication and Media Studies), eingebettet in eine sozial-interpretative und kultur-hermeneutische Wissenschaftslandschaft, hat zwei Arenen, in denen sie die von ihr einzufordernde Kompetenz (Autorität als Kategorie des Vertrauens und Prophetie als Kategorie des Hervorsagens) beweisen kann  : als Technik des logischen Entwerfens und als Kunst des analogen Deutens. Die Technik der (hier  : Sozial-) Wissenschaft ist die Inbetriebnahme ihrer analytischen Ressource, der logisch-methodischen Infrastruktur, mit deren Hilfe Wissensmodelle (analoge Formationen) zu Beweismodellen (logisch-rationalen Figuren) geordnet werden können (vgl. Bauer 2003, Schmidt 2003). Die Technik der Wissenschaft ist die Komponente, mit der die Prüf- und Beweisfähigkeit von Wissenschaft im Sinne der Wendung und Anwendung von konsistenten und kohärenten Schritten des Denkens, des Beobachtens und des Benennens ausgetestet werden. Die Technik der Wissenschaft ist ihre Partitur  : die Niederschrift von Aufbau und Abfolge –  304 –

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des Duktus des Denkens, die laufende Kontextualisierung des Leitthemas mit relevanten, anders gelagerten und doch logisch zuordenbaren Stimmen und die Orchestrierung der Entwicklung der Gesamtaussage mit kompatibler (analytischer oder interpretativer) Instrumentierung. Sie ist dort gefragt, wo das Rad entweder neu erfunden werden muss (z. B. um weiterführende Hypothesen zu rationalisieren oder Konstellationen zu prüfen) oder wo bestehende Instrumente (Begriffe, Definitionen, Methoden, Messinstrumente) überholt werden müssen. Die Kunst der Wissenschaft (nicht  : als Wissenschaft) ist es, durch die Originalität ihrer Thesen, Annahmen und Verweise, durch das Arrangement ihrer Begrifflichkeit und durch den Aufbau ihrer Argumentation Deutungsräume so zu erschließen und Verstehenshorizonte so auszuleuchten, dass überraschende Einsichten, ungewohnte Konstruktionen und unbekannte (auch  : unbeliebte oder ungefällige) Problemperspektiven zur weiteren Reflexion einladen, provozieren und verpflichten. Die Kunst der Wissenshaft ist ihre diskursive Ästhetik  : die generelle Anmaßung, im Gestus des Diskurses einerseits und des Dialogs mit für relevant gehaltenen Stimmen andererseits, Aussagefiguren zu entwerfen, die den Betrachter in die Konstruktion der Schlussfolgerung und in die damit verbundene individuelle wie gesellschaftliche Verantwortung für die Deutung von Welt einzubinden versprechen. Die Kunst der Wissenschaft ist dort besonders gefragt, wo die Technik der Wissenschaft nichts (mehr) zu sagen hat oder dort, wo sie nur mehr (noch) schon gesättigte Erkenntnis reproduziert. Die Kompetenz der Kunst ist es, Fragen aufzuwerfen und an die Grenzen der Ratlosigkeit der Praxis zu stoßen (Kontingenzannäherung), die der Technik ist es, Antworten so zu ermöglichen, dass weitere Fragen Sinn machen. Die Prüfung und Entscheidung, ob, wo, wie und warum dafür eine Neuerfindung des Rades ratsam oder notwendig wäre, ergibt sich aus dem Wissen um die konstruktive Charakteristik des Wissens, speziell im Hinblick auf Kommunikationswissen  : Wissen ist ein Komplex vorläufiger Interpretation, die dadurch Relevanz gewinnt, dass sie die rationale Voraussetzung dafür ist, neuer Interpretation hinreichend Platz zu machen. (Bauer 2012  : 53). Versteht man Kommunikationswissenschaft nicht als Analyse von logisch geordneten Zusammenhängen, sondern als Verständigungsmodell über den möglichen Sinn von Gesellschaft, also als Lebensbeschreibung der Gesellschaft, dann braucht es für ein nur in Deutungen erfassbares Wissen hermeneutisch gewonnene Schlüsselbegriffe, um ein interpretationsfähiges Modell der Verwissenschaftlichung von Kommunikation zu gewinnen. Kommunikation aber ist andererseits ein so universelles Konzept der Beobachtung des Lebens, dass sie nicht in einer nur auf das Objekt zentrierten Logik hin–  305 –

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reichend verständigt werden kann. In diesem Sinne hat die Kommunikationswissenschaft kein ihr eigenes Objekt, sondern kann sich wissenschaftstheoretisch nur deklarieren als theoretisches System, durch das die schon in anderen Kontexten des Denkens formierten Konzepte im Interesse der möglichen Dialektik einander gegenübergestellt und so zueinander in einen Zusammenhang gebracht werden, dass einerseits deren theoretische Aporien und Grenzen sichtbar werden und dass andererseits der ihnen allen gemeinsame Widerspruchspunkt als das Substrat einer auf ein universell integriertes hermeneutisches Verständigungskonzept konzentrierten Wissenschaftslogik entsteht. Diese ergibt ihrerseits ein methodologisch identifizierbares Interpretations- und Beobachtungskonzept, aus dem die Beobachtungs- und Handlungszusammenhänge, in denen das Alltagswissen Kommunikation subsummiert, wissenschaftlich-theoretisch gerahmt werden können. Was man von Kommunikation weiß, ist denn auch nur eine deutende Beschreibung von Zusammenhängen aus Beobachtung und Handeln, gerahmt in Metaphern und Analogien und wieder nur über das soziale Modell von Kommunikation referiert. Weil es kein jenseits oder außerhalb von Kommunikation liegendes Protokoll von Kommunikation gibt und weil sie nur das ist, wie sie sich beobachtet, ist sie auch theoretisch nicht als ein in sich geschlossener Gegenstand (oder vergegenständlichter Prozess) zu fassen, der im Fall des Falles zu einem gültigen Ende (Ergebnis, Resultat, Wirkung) definiert werden könnte. Theoretisch gibt es (den Begriff von) Kommunikation nur als (Modell der) Beobachtung bzw. als Vorstellung zu Optionen der Beobachtung des Handelns. Wenn man sie nun theoretisch als Konzept von Beobachtung (und nicht von Handeln) beschreibt, dann wird die Vorstellung eines wissenschaftlich eruierbaren Modells der Perfektion von Kommunikation theoretisch und – praktisch ohnedies – obsolet. Die Perfektion von Kommunikation gibt es nicht, weder als Realität noch als Vorstellung. Der Erkenntnis folgend, dass es für das Verständnis von Kommunikation kein Jenseits und kein Außerhalb ihrer selbst gibt, kann auch ihre Theoretisierung nur so weit reichen als auch sie im Modell von Kommunikation, also als Konstruktion von Kommunikationssinn geschieht. Das heißt, Kommunikation ist immer mehr als nur ihre Operation oder als die Operationalisierung ihrer Bedingungen, egal unter welchen Umständen. Epistemologisch betrachtet kann Kommunikation daher theoretisch nur begrifflich, nicht aber gegenständlich verständlicht werden als ein in Metaphern sich erklärendes Beobachtungs- und Deutungskonzept, das universelle Konzept der Beobachtung der Relation des Menschen zu seiner sozialen und symbolischen Umwelt, in der er sich selbst wieder entdeckt und meint. Genau darin liegt – theoretisch und praktisch – die –  306 –

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Freiheit der Kommunikation und damit die Zumutung der Selbstdeutung des Menschen begründet (Bauer 2012  : 61 f ). Intrinsische Qualität/Kommunikationssinn Der Sinn von Erfahrungen, Beobachtungen und Handlungen wird zunächst mit gutem Recht in deren Nutzen oder Zweck vermutet. So macht, philosophisch begründbar (vgl. Edmair 1968  : 63), durchaus all das Sinn, was letztlich für die Praxis des Lebens nützlich, ästhetisch transparent und kenntlich sowie ethisch als möglich oder notwendig verhandelt werden kann. Das beinhaltet durchaus ein Potenzial an Komplexitätssteigerung der Entscheidung, möglicherweise auch ein zusätzliches Maß an moralischer Belastung. Im Zuge der Exekution des Lebens, vor allem in dessen organisatorischen Momenten, setzt sich aber die Haltung (Technik) der Komplexitätsreduktion durch, nicht nur in der Praxis der Kommunikation, sondern auch im Zusammenhang der theoretischen Argumentation. Das favorisiert ein an Außenzwecken orientiertes Denken über den Sinn von Kommunikation und die Verzweckung der Kommunikationswerte (z. B. Sachdarstellung, Beziehung, Geltung, Selbstdarstellung) an sich  : Kommunikation wird als gelungen vermutet, wenn sie „etwas erreicht“. Und sie erreicht etwas, wenn ihre Werte (siehe oben) für den Zweck des Erreichens eingesetzt werden. Wird Kommunikation in diesem Sinne instrumentalisiert, dann wird nicht nur die Technik, sondern auch die Kunst (Habitus) der Kommunikation von außen und nicht aus sich selbst gelenkt und so eigentlich zweckentfremdet. Der innere und eigentliche Zweck von Kommunikation muss und kann im Blick auf deren kulturell programmiertes Wissensmodell hermeneutisch erschlossen werden. Dabei aber muss man – den hermeneutischen Kontext berücksichtigend – beachten, dass die Zusammenhänge, die man beobachtet, ihre Werteordnung nicht in und aus sich haben, sondern jene Werte-Ordnung (Wertverständnis) wiedergeben, mit deren Mustern der Beobachtung man sie erschließt. Die Intrinsität von Kommunikationssinn meint hier nicht eine objektiv innere Eigentlichkeit von Kommunikation, sondern die der KompetenzBeobachtung von Kommunikation eingeschriebenen Werte von Kommunikation, so z. B. Authentizität, Wahrheitsfähigkeit, Freiheit, Standpunkttreue, Offenheit, Dialogizität etc. Wichtig am Begriff von Kommunikationssinn ist, dass die im Rahmen der sozialen Praxis realisierten Werte der Verständigung an sich Werte sind und nicht erst deren Moralisierung. So ist kommunikative Kompetenz im Sinne der Performanz von Fertigkeit, Fähigkeit, Zuständigkeit und Verantwortung nicht ein Gut von oder für avancierte Bildung, sondern ein –  307 –

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Bildungsgut der Kommunikabilität des individuellen bzw. gesellschaftlichen Lebens (vgl. Bauer 1980, Bd. 1). Kommunikation – theoretisch gedacht Da Kommunikation ein „Alles-Begriff “ ist (nichts, was real ist, ist es jenseits von Kommunikation und alles, was man weiß und glaubt, weiß und glaubt man über Kommunikation), bräuchte man, um ein theoretisch hinreichendes Bild zu erhalten, eigentlich eine Panorama-Theorie, eine Theorie, die alles in einem Überblick ausleuchtet und alles, was sie darstellt, zu einem Ensemble werden lässt. Aber erstens würde selbst das beste Breitbild nicht ausreichen, um einzufangen, was der Begriff umfasst, abgesehen davon, dass zweitens Theorien zu nicht beweisbaren, wohl aber wissbaren Größen ohnedies keine Abbildungen sind, sondern konzeptuelle Interpretationen dessen, was man weiß oder zu wissen glaubt. Theoretisch gefasst, ist Kommunikation eine semantisch aufgeladene und begrifflich gefasste Vorstellung, die in Analogien und Metaphern das Verhältnis des Menschen zu sich und seiner (natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen) Umwelt deutet, zugleich ist sie ein kulturelles Programm zur Beschreibung wechselseitiger sozialer Wahrnehmung und der darin eingebundenen Erfahrung, dass (und wie) Menschen über eine durch symbolisches Handeln wechselseitig vermittelte Referenz (Medienstruktur) zueinander Verhältnisse eingehen, in denen die Verständigung über die Deutungen von Welt konstruiert und gekennzeichnet wird. Sie ist ihrem theoretischen Status zufolge nicht einfach nur ein Gegenstand von Beobachtung und Analyse, sondern deren Konzept  : Als solches repräsentiert das Konstrukt die metaphorische Vergegenständlichung des Wissens des Menschen um sich selbst im Verhältnis zu seiner sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt, die Deutung der Vermutung über seine Bestimmung und die konkrete Einlösung seiner Soziabilität. In diesem Sinne ist Kommunikation ein Alles-Begriff, ein Konzentrat aller durch sie bestimmten Lebensbezüge und Lebensverweise, aller durch sie gerahmten Kontexte und ein Expansiv für alle Ahnungen, die über die Kontexte von Erfahrung hinausreichen  : Die Substanz von Kommunikation ist, wie wir sie beschreiben (Bauer 2014b  : 28). Kommunikation ist, umfassend eingeordnet in den Vollzug des individuellen und sozial-gesellschaftlichen Lebens, ein Konzept der praktischen Philosophie zur Interpretation der Chancen und Herausforderungen der Verhältnisbestimmung des Menschen gegenüber seiner natürlichen, sozialen, kulturellen und symbolischen Umwelt und seiner Lage gegenüber den darin vorgefunde–  308 –

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nen unbekannten Größen seines Lebens und seiner Lebenserfahrung. Sie ist daher keine konkret isolierte Handlung (das Reden, das Zeigen, das Sehen, das Hören etc.) sondern der Begriff, mit dem wir das Handeln und seine Zusammenhänge beobachten und deuten. Sie ist eine begriffliche Realität und deshalb (sowohl alltagstheoretisch wie wissenschaftstheoretisch) zuerst und zunächst ein Beobachtungsmodell, das sich allerdings in organisationsintensiven Gesellschaften auf die Rationalität des Handelns konzentriert und eben (nur) dafür Merkmale benennt. Kommunikologie Um das Konstrukt Kommunikation wissenschaftlich zu fassen und um es vom Alltagswissen um jenen Breitengrad zu unterscheiden, durch den Wissenschaftswissen einen gesteigerten Grad an Generalität, Systematik und Denkordnung beanspruchen kann, bedarf es eines logischen Schlüssels, mit dem Phänomene, Erfahrungen und Deutungen von Kommunikation im Wege von Begriffen, Konzepten und im Sinne qualitativer Heuristik erschlossen werden können. Um Kommunikation wissenschaftlich gedeutet zu verstehen, muss man sich eines Systems bedienen, das für sich den Status logischer Ordnung beanspruchen kann. Kommunikologie wäre in diesem Sinne ein dem Verständnis von Kommunikation logisch strukturiertes Diskursmodell, das selbstverständlich unterschiedlich, wenn auch dann begründet, fokussiert sein kann  : auf den Menschen und dessen wissenschaftlich fundierte Deutung (Anthropologie), auf Gesellschaft und deren wissenschaftlich fundierte Deutung (Soziologie), auf die psychische Konstitution des Menschen und/oder der Gesellschaft und deren wissenschaftlich fundierte Deutung (Psychologie), auf die technische Ausrüstung und deren Potenzial usf. Kommunikologisch aber ist die Wissenschaft von Kommunikation (und deren Medialität) nicht dadurch, dass Kommunikation über anthropologische, soziologische, psychologische, technologische etc. Modelle erklärt, geordnet und klassifiziert wird, sondern erst dadurch, dass Mensch, Gesellschaft, Psyche, Technik, Bildung, Wissen, Politik, Sprache etc. über ein (logisch gewonnenes) Wissensmodell von Kommunikation reflektiert und ausgelegt werden. Kommunikologie erklärt Kommunikation nicht als Genetiv von Wissenssystemen (wie z. B. Medienpolitik, Medienpädagogik, Medienökonomie, Mediensoziologie, Medienlinguistik etc.), sondern als Substantiv (substanzielles Paradigma, substanzgebendes Dispositiv) der Wissenssysteme selbst, erklärt also z. B. nicht die Sprache der Kommunikation, sondern die kommunikative Substanz von Sprache, von Ökonomie, von Politik, Medien, Gesellschaft etc. Im Hinblick auf diese Wen–  309 –

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dung des Verhältnisses der begrifflichen Komponenten muss man aber auch die epistemologische Entscheidung voraussetzen, dass Kommunikation nicht als ein Objekt von Wissenschaft (Beobachtung und Reflexion von Handlungszusammenhängen) zu verstehen ist, sondern als ein Konzept (Schlüsselmodell) der wissenschaftlichen Beobachtung und Reflexion der sozialen Praxis in deren unterschiedlichen Lebens- und Handlungszusammenhängen. Will die Kommunikations- und/oder Medienwissenschaft sich in ihrem theoretischen Setting kommunikologisch ausweisen, dann muss sie sich für ein hermeneutisches oder ein kybernetisches, in jedem Fall aber für ein kulturtheoretisch begründetes Erklärungsmodell entscheiden – aus dem einfachen Grund, weil Kommunikation kein natürliches, sondern ein kultürliches Realmodell, zunächst ein Beobachtungsprogramm ist, bevor es ein Modell von und für die „Natürlichkeit des Handelns“ ist. Die Signatur von Kommunikation (und in deren theoretischem Kontext  : deren Medialität) stammt aus dem Fundus von Kulturprogrammen. Erst durch sie können Natur- bzw. Strukturprogramme (z. B. Medien, Medienhandeln, Mediengebrauch) mit dem Ziel, Wissen (theoretisch aufgeladene Komplexität) zu schaffen, problematisiert werden. Kompetenzkonzept Das in der Praxis von Alltag oder Wissenschaft gebrauchte Konzept von Kompetenz ist eine begriffliche Fassung der generalisierten Unterstellung, dass das, was jemand ist, tut oder denkt, Werte des Vertrauens, der Stimmigkeit und der Achtung begründet oder steigert, wenn dies aus und mit Zuständigkeit, Fertigkeit, Wissen (Kapazität) und Verantwortung von und für nachhaltige Konsequenzen geschieht (vgl. auch Luhmann 2000). Sozial kodierte Kennzeichen von Kompetenz sind dementsprechend Problem- und Entscheidungswissen, Handlungswissen, reflektierte Erfahrung, Eigenprofil bei der Umsetzung des Wissens in Handlung, gewissenhafte Wahrnehmung einer übertragenen Funktion und die des Bemühens und der Verantwortung für die bestmögliche Lösung im Falle von Problemstellungen  : implizites Kompetenzprofil. Im Umfeld organisierter Gesellschaftlichkeit wird Kompetenz gerne gekennzeichnet über Strukturen von Qualifikation und Professionalität  : explizites Kompetenzprofil. Die Vorstellung der Steigerbarkeit oder Erweiterbarkeit von impliziter wie expliziter Kompetenz entspricht der Erfahrung, dass durch Bildung und/oder Lernen (Erfahrung, Übung, Reflexion) Kompetenzprofile gesichert, vermehrt und variiert werden können. In diesem Sinne bildet der Kompetenzbegriff die Vorstellung ab, dass durch Lern- bzw. Bildungsprozesse eine in Persönlichkeiten verankerte Infrastruktur (Profile des Denkens, der Haltung, des Verhal–  310 –

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tens) gebildet werden kann, die als generative Ressource für situative, flexible, wertbewusste Lösungen genutzt wird. Die traditionelle Pädagogik hat dieses Bildungsziel der Kompetenz ihrer bildungstheoretischen Konzeption wegen immer (nur) personalisiert gedeutet (Wettbewerbsgesellschaft, Wissen als Privileg) und das Denkmodell so auch in der theoretischen wie in der angewandten Medienpädagogik etabliert als ein pädagogisch und didaktisch erwirktes Arrangement aus Wissen, Analyse, Kritik und Gestaltung (vgl. Baacke 1997). In eben dieser Tradition der Moderne versteht die individualisierte Medienpädagogik auch den Medienbegriff vereinzelt, ganz abgesehen davon, dass ihr theoretischer Ansatz medienzentriert (Umgang mit Medien) und nicht kulturorientiert (Medialität als gesellschaftskultureller Habitus) ist. Das (im Vergleich zur traditionellen Medienpädagogik) weiter ausgreifende und medientheoretisch komplexere Konzept der Medienbildung bezieht den Kompetenzbegriff auch auf gesellschaftliche Zusammenhänge der Entwicklung, des Lernens und der Bildung (Medienkultur), versteht ihn nicht nur als Zielbegriff (der Bildung), sondern als Qualitätsbegriff der Selbstbeschreibung von Mediengesellschaft. Ein gesellschaftstheoretisch entworfenes Konzept von Medienkompetenz versteht Medienbildung nicht nur als Strategie der Steigerung oder Erweiterung individueller Haltungen, sondern als Status (Habitus) eines gesellschaftlich begründeten Programms von Medienbildung im Interesse der besten Chancen der Selbstbeschreibung von Gesellschaft in all ihren relevanten Lebens- und Handlungskontexten  : Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissen. Denn die Forderung nach Kompetenz kann nicht seitens der gesellschaftlichen Institute (Bildung, Politik, Wirtschaft, Kultur) an das Individuum gerichtet sein, wenn sie nicht zugleich auch als seitens des Individuums an die Gesellschaft zu richtende ernst genommen würde. Sie wäre aber auch falsch gestellt, wenn sie nur als Nachrüstung des Individuums den zunehmend komplexer werdenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber oder nur als Nachrüstung der Strukturen der Gesellschaft dem Individuum gegenüber verstanden würde. Der Nucleus des Kompetenzkonzeptes ist philosophisch-anthropologisch zu verstehen. Es umfasst die Vorstellung, dass – bei allem Respekt vor kulturellen und/oder religiösen Hilfskonstruktionen zur Deutung von Sinn, Aussicht, Zumutung und Herausforderung der menschlichen Existenz – es der Selbstwahrnehmung des Menschen überlassen bleibt, sich für sich selbst zuständig und verantwortlich zu wissen. Das schließt immer die Prämisse mit ein, dass solche Sinnzuweisungen, weil sie nur metaphysisch zu erheben sind, sich nicht auf objektiv prädefinierte Parameter berufen können, sondern auf –  311 –

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im Kontext kultureller Programme objektivierte, also in Kommunikation konstruierte Wissensmodelle. In diesem Sinne ist Kompetenz ein existenzlogisches Interpretament der Unterstellung grundsätzlicher Freiheit (für) und einer daraus abgeleiteten Wachsamkeits- und Aufmerksamkeitshaltung für die Vernunftentwürfe des Lebens von Individuum und/oder Gesellschaft. Erst unter dieser Voraussetzung macht es Sinn, den Kompetenzbegriff als psychologisches, pädagogisches oder politisch-ökonomisches Postulat bildungstheoretisch zu fassen. Der Begriff ist im Grunde normativ besetzt, er drückt einen Sollens- bzw. Wollens-Status aus und unterstellt, dass der Mensch und dessen Lebensentwurf gar nicht anders zu verstehen sind, denn im Hinblick auf die Unterstellung, dass der Mensch sich selbst verantwortlich, für sich selbst zuständig und in diesem Sinne aus sich selbst fähig ist, dem (seinem) Leben Sinn zu geben durch das, was er tut und wie er deutet, was er beobachtet und tut. Das Kompetenzkonzept versteht sich als Theorem der Entwicklung, die ja nicht einfach als Prozess ins Ungewisse aufgefasst wird, sondern als Vorgang einer laufenden Entfaltung intrinsischer Kraftmodelle im Interesse konsequenter Realisierung eines teleologisch gemeinten oder so auch praktisch ausgelegten Selbst (Bauer 2014a  : 31). Komplexität/Komplexitätsprofil von Theorien Komplexität ist nicht eine Eigenschaft eines Objektes, sondern die Qualität von Beobachtung (Alltagswissen) und Konzeption (Wissenschaftswissen). Sie macht die „Dinge“ nicht komplizierter, sondern deren Betrachtung vertikal (Vertiefungen, Horizonte) und horizontal (Nahtstellen, Kontexte) bezüglicher. Für Theorien, vor allem für solche mit interpretativer Abstraktion, ist Komplexität ein epistemologisches Muss und ein Merkmal ihres Kompetenzpotenzials. Eine verstehende Theorie wird durch ihre methodische (analytische oder hermeneutische) Kontextualisierung zu einem komplex aufgeladenen Konzept. Der Grad der Bezüglichkeit von Beobachtung und Interpretation, die im Falle von Konstrukten, wie Kommunikation, Gesellschaft, Identität, Kultur, Religion, Staat, Nation etc., nur analog (modellhaft) indiziert werden kann, bestimmt die Komplexitätsprofile theoretisch nach innen (enrichment) und nach außen (enlargement). Sozialtheorien sind theoretisch erst hinreichend kompetent (zuständig, weil erkenntnistheoretisch nützlich, begrifflich fähig, methodisch transparent und ethisch verantwortlich), wenn sie die Zumutungsschwelle der Praxis überschreiten und die Zumutungsgrenze des Denkbaren provozieren. Im Falle der Verwissenschaftlichung von Konstrukten entscheidet das Paradigma (Bestimmungsmodell, Ordnungsmodell) über das Kom–  312 –

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plexitätsprofil einer Theorie. Kommunikation, wissenschaftlich-theoretisch erklärt, geordnet und klassifiziert im Paradigma des Handelns, geht nicht über das hinaus, was die Alltagstheorie auch tut  : Sie versteht und beobachtet Kommunikation von Handeln (Aktion, Interaktion, Transaktion). Im Paradigma von Beobachtung theoretisch verfasst, gewinnt der Kommunikationsbegriff aber an innerem (Tiefe, Höhe) und äußerem (Weite, Kontext) Komplexitätsprofil im Vergleich zur Alltagswahrnehmung  : Beobachten schließt nicht nur das (auf Sinn ausgerichtete) Handeln mit ein, sondern unterfüttert es, überbaut es und vernetzt (kontextualisiert) es zugleich, weil Beobachten zum einen die gezielte (interessensgeleitete) Bestimmung von Wahrnehmung meint, zum anderen die auf mehreren Ebenen analogisierte Vergegenständlichung reflektiert (Semantik, Metaphorik, Pragmatik, Empirik, Ästhetik, Ethik etc.). Das Kompetenzmerkmal einer Theorie ist die Komplexitätssteigerung (Problematisierung), nicht die Komplexitätsreduktion (Patentlösung) im Sinne einer „praktischen Theorie“. Dies gilt vor allem für hermeneutisch verfasste Theoriemodelle. Denn das theoretische Programm des Verstehens – Hermeneutik – ist ein Wissensprogramm, das nicht einfach versprachlicht, was es schon weiß, sondern versprachlicht, was es wissen möchte, was man (zur Not) dadurch bestimmt, dass man dessen Gegenbestimmung zu verstehen versucht und setzen, beobachten und verhandeln kann. Schlichte Objekttheorien oder selbstzufriedene, oft affirmative Modelltheorien (z. B. Partnermodell von Kommunikation, Werkzeugmodell von Medien) schaffen nicht Wissen, sondern wiederholen, was man schon weiß. Für den Hermeneutiker ist Theorie die Arena der Kunst des Deutens von Umständlichkeit und der Umständlichkeit (Vorläufigkeit) des Deutens, für den Analytiker ist sie die Arena der Ordnung von Umständlichkeit in Gegenständlichkeit und die Perfektion der Selbstverständlichkeit, eine eben zuerst technisch definierte Methode der kausallogischen Abstraktion im Interesse von Erklärung, Ordnung, Klassifikation und der möglichen Prognose. In – und nur in – diesem Sinne wäre nichts praktischer als eine gute Theorie. Dieses Kurt Lewin und Albert Einstein zugeschriebene Diktum ist allerdings missverständlich. Es leugnet die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Theorie, die gerade dadurch gut ist, dass sie die Logik der Praxis stresst, weil sie und indem sie unpraktisch und umständlich ist. Affirmative Theorien bedienen die Paradogmata von Technik, Organisation und Ökonomie, sie denken in der Logik der Sorge (vgl. Stiegler 2008). Emanzipatorische Theorien stellen sich der Vorläufigkeit des Denkens und damit den Möglichkeiten und Herausforderungen des Denkens auf Probe und der Logik der Gelassenheit.

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Konstruktion/Konstrukt/Konstruktivismus Konstruktivismus ist keine Kommunikationstheorie, sondern deren weiter ausgreifende erkenntnistheoretische Grundlegung, die besagt, dass alle Erkenntnis auf Beobachtung und eben deren sozial-kultureller Kontextualisierung ihrer Kennzeichnung (Medialisierung) beruht. In diesem Verständnis ist die Welt nicht was, sondern wie wir sie beobachten. Die in diesem Buch intendierte Perspektive, in der Kommunikation wissenschaftlich zu denken möglich ist, ist nicht die des neurophysiologisch und naturwissenschaftlich begründeten Konstruktivismus (Maturana/Varela 1984), sondern die des philosophisch und kulturtheoretisch begründeten Konstruktivismus (Schmidt 2003, 2005 Mitterer 2001, 2011). Dieser versteht Beobachtung als den teleologischen Modus jedweder Konstruktion von Wirklichkeit, also von Wahrnehmung und deren Kommunikation. Sie ist, in philosophischer Anthropologie gedeutet (vgl. Schmid 2000  : 145, Schmidt 2003  : 38 ff ), ausgerichtet auf die Bestimmung des Unbestimmten und so der – kulturell wohl unterschiedlich ausgeprägte – Habitus der Behauptung von Welt. Zur Sicherstellung der Stimmigkeit dessen, was man beobachtet, gibt es nur das Protokoll, wie man beobachtet. Wie man etwas beobachtet, stellt wieder die Frage nach dem Warum, nach dem Grund, und dem Wozu, nach dem Ziel der Beobachtung. Grund und Ziel – man beobachte schon hier die topografische Metaphorik – beschreiben den Standort, aus dem man beobachtet. Schon hier sagt die Metaphorik, dass es zum einen wohl eines räumlich, zeitlich, sozial, sachlich und ideell vermessenen Standortes bedarf, um etwas oder auch sich selbst beobachten zu können und die Beobachtung dann auch als wahr zu behaupten, zum anderen aber sagt sie auch, dass jedweder Standort so vermessen werden könne, oder anders  : dass, um das Eine als das Eine zu bestimmen, jedweder Standort angenommen werden kann. Es kann also jede Beobachtung von sich behaupten die Beobachtung des Einen zu sein, was am Ende jede Behauptung des Einen gegen ein Anderes zulässt. So ist jede für sich genommene Beobachtung wie jede für sich, für die Situation und für den Moment gemachte, gedachte oder vorgestellte Kommunikation per se fehlerhaft  : Es fehlt ihr per definitionem die Möglichkeit der Alles-in-Einem-Bestimmung. Genau dieser Umstand ist aber auch die logische Garantie für die Freiheit der Konstruktion von Welt, also von Beobachtung und Kommunikation (vgl. Bauer 2014b  : 31). Kontextuelle Theorie/Konzepttheorie Kontextuelle Theorien sind schon ihres methodologischen Ansatzes wegen Beobachtungstheorien, wobei Beobachtung sich hier nicht als Beobachtung –  314 –

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von Objekten (empirisch-analytisch) versteht, sondern als Verifizierung des Interesses (Einmischungsmuster) der Beobachtung, also deren inspirative und insinuative Hintergründigkeit. Weil dies kulturell programmiert ist, sind sie (nur) interpretativ, induktiv-hermeneutisch (im Sinne der Deutungsrichtung der Beobachtungsmuster) zu verstehen. Beobachtung ist der teleologische Modus jedweder Konstruktion von Wirklichkeit (Bauer 2014  : 30). In diesem Sinne ist Hermeneutik nicht Zufall und nicht Beliebigkeit, sondern begründete Absicht (vgl. Gadamer 1972). Hermeneutisch angelegte Interpretation verbindet zwei Qualitäten miteinander (Kontextualität und Konzeptualität) im Interesse einer dritten, nämlich Kontingenz  : Weil reale Zusammenhänge kulturell programmierte Kontexte darstellen (nicht  : sind), ist es nicht unmöglich, dass man sie auch anders denkt (realisiert), selbst wenn es nicht notwendig wäre (Luhmann 1987  : 152). Theorien dieser Qualität sind heuristisch (bewusst im Sinne der Kunst der Wissenschaft auf der Suche nach – sonst vermiedener – Komplexität), sind häretische (begründet gewählte) Entwürfe im Interesse der Austestung („Probe“) von Kontingenz und sind prophetisch im Sinne – nicht des Vorher-, sondern – des Hervorsagens (vgl. Bauer 2012  : 54). Kontexte sind nicht einfach, noch ergeben sie sich nicht (einfach), werden nicht erfunden, sondern sie werden entdeckt, weil im Wege der Theoretisierung (Abstraktive Reflexion der in Semantiken verankerten Muster der Konzeptualisierung von Bedeutung) durch Assimilation und Abstraktion der semantisch analog aufgeladenen Begriffe (Alltagskonzepte) gesucht. Das wiederum geht nur in einem interpretativen Paradigma der theoretischen Methode. In diesem sind für das theoretische Denken von Kommunikation jene Begriffe relevant, die die kulturelle Konzeption der Pragmatik von Kommunikation ausmachen. Diese sind im Text verstreut angesprochen  : Existenz, Welt, Wahrheit, Verstehen, Gemeinschaft, Gesellschaft, Kultur, Differenz, Identität, Überraschung, Täuschung etc. Erst in einer kontextuellen Theorie ist Kommunikation als „AllesBegriff “ möglich und sinnvoll. In einer auf einzeln definierte Objekte konzentrierten, analytischen Strukturtheorie wäre ein Alles-Begriff Kommunikation ein naiv gebrauchter Gemeinplatz. Kontexttheoretisch macht es Sinn, sich auf ein letztgültiges (und so erst gültiges) Konstruktions- und Kontextualisierungsmuster einzulassen. Denn erst mit Blick auf ein Kontextualisierungskonzentrat (Beobachtungsmuster) ist eine methodisch gemeinte Dekonstruktion/ Dekontextualisierung logisch möglich. Kontextuelle Theorien stellen sich der Komplexität der bezüglichen Beobachtung  : Kommunikation als die Alles-Abstraktion des sozialen Geschehens der Konstruktion von Welt im Gemenge von existentiellen, kulturellen und pragmatisch-praktischen Kennzeichnungen der Beobachtung und des Handelns, wie Aporien und Dogmen, Wahrheits–  315 –

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wunsch und Wahrheitsangst, Vertrauen und Enttäuschung, Wissen und Überraschung, Suchen und Irren, Bestimmen und Verfehlen etc. Kontingenz/Realität Die eigentliche Herausforderung jeder hermeneutisch induzierten und sozialund/oder kulturtheoretisch aufgesetzten Wissenschaft ist das der Kontingenz  : die nicht verhinderbare Unterstellung, dass jenseits der realen Wahrnehmung/ Beobachtung/Handlung andere, „nicht unmögliche, wenn auch nicht notwendige“ (Luhmann 1987  : 152) Versionen dessen denkbar und vorstellbar sind, was seiner Konstitution nach (zunächst lediglich eine, wenn auch operative) Fiktion oder Fantasie ist. Das gilt für Kommunikation wie für Gesellschaft, für Religion wie für Kultur, für Institutionen wie für Geschehen, für Geschichte wie für Zukunft. Das Kontingenzpotenzial ist zum einen die wissenschaftlich-theoretische Endlosigkeit der Variabilität von Konstruktion, zum anderen – damit logisch verbunden – die Unerschöpflichkeit von Problemlösungen auf der Basis von theoretischer Problemproduktion. In diesem Sinne beschreibt das Kontingenzkonzept das theoretische Reservoir der Wissensmethodologie  : Wissenschaft ist – im logischen Gegensatz zur Praxis, die auf Problemreduktion ausgerichtet ist – Problemproduktion. Erst diese erschließt Perspektiven der Innovation. Innovatives Wissen zu schaffen heißt Perspektiven, Einsichten, Aussichten, Übersichten zu Umständen und Umständlichkeiten zu reflektieren und zu begründen, weil sie jene Problemzusammenhänge ins Zentrum der Bobachtung rücken, die die Praxis geneigt ist in die Peripherie der Wahrnehmung zu drängen. Eine besondere Herausforderung sind in diesem Zusammenhang die Paradigmata der Alltagsbeobachtung und deren Interpretation. Denn gerade sie ergeben sich in der Regel aus der Vermutung von Notwendigkeit und Unverzichtbarkeit für die Praxis des Überlebens, was meist – übertragen auf Überlebensstrategien auf sozialer und kultureller Ebene – auch als Techniken des Erfolgs verstanden wird. Sie orientieren die Interessen des Erkennens an pragmatischen Finalwerten. Wegen ihrer Zweckausrichtung sind sie meist exklusiv, und –weil sie sich der Gegensicht (Dialektik) entziehen – tendenziell insuläre und isolierte Features, die in letzter Konsequenz zwar sachlich möglich-richtige, aber dennoch schmalspurige Interpretationen ihrer Beobachtung hervorbringen. Das Handlungsmotiv – seit jeher ungefragt in der theoretischen Konzeption von Kommunikation wie selbstverständlich dominierend – ist der paradigmatische Grund für die eindimensionale und repressive Täter-Opfer-Auffassung von Manipulation, weil und solange sie auch die –  316 –

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theoretische Legitimation für eine eindimensionale und unidirektionale Auffassung von Leistung und Wirkung der Kommunikation darstellt. Die Rede ist hier von dem nie hinreichend in Frage gestellten Handlungsbegriff (Aktion, Interaktion, Transaktion) als dem selbstverständlichen Grundmodell, mit dem der kommunikative Lebens- und Beobachtungszusammenhang beschrieben, reflektiert und gewertet wird (vgl. Habermas 1981, Bauer 2012  : 49–50) Kontingenz thematisiert die Hermeneutik nicht durch Spekulation, sondern durch Rekonstruktion und Reflexion  : im Spiegel der Beobachtung von Beobachtung. Sie hat den Status objektiver Hermeneutik (vgl. Oevermann 2001), ist nicht einfach Ergebnis von subjektiv anders Gedachtem, sondern die Methode des objektivierten Anders-Denkens (kontingenzbewussten und diversitätsoffenen) im Sinne der sozialwissenschaftlich definierten Rekonstruktionslogik (vgl. Bohnsack 1999). Eine in diesem Sinne hypothesengenerierende bzw. theoriebildende Beobachtung ist zugleich ein methodisches Modell von generativen Theorien wie z. B. der „Grounded Theory“ (vgl. Glaser 1978, Glaser/Strauss 1998), weil sie das aus Beobachtung gewonnene theoretische Bild im Modus ausgreifender Kontextualisierung und hermeneutischer Assimilierung mit Kontingenzmodellen [„nicht notwendigen, aber auch nicht unmöglichen“ (Luhmann 1987  : 152) Denkmodellen] anreichert. Der Grad der Elaboration der Beobachtungsperspektive in Weite und Tiefe entspricht dem Grad der Komplexität dessen, was sie erkennen, erklären, ordnen, klassifizieren und identifizieren will. Er steigt von einer zur nächsten Beobachtungsebene aufgrund der Tatsache, dass die jeweils nächste Ebene der Beobachtung nicht einfach nur eine neuerlich (z. B. einfach nur systematischer) angelegte, instrumentell ausgeweitete eigenständige Operation wäre, also einfach nur ein neuer, aber besser angelegter Versuch, sondern dass sie mit dem Wissen (Theorie) der ersten Beobachtungsebene ein Generierungspotenzial zur Verfügung hat, mit dem sie unter Einbindung weiterer Denkumgebungen obsolete Routinen ausschließen („unterbrechen“ – vgl. Schmidt 2003  : 133) und den Kreis der Beobachtung auf einer neuen, einer zweiten bzw. dritten Ebene mit zunehmender Kontextualisierung der Beobachtung (er)schließen kann, was sie warum wie beobachtet. Kybernetik In allen ihren alltäglich-praktischen wie in ihren theoretischen Objektivationen kann Kommunikation als das Grundmuster sozialer Praxis, in deren Einbettung Menschen sich selbst und ihre Umwelt wahrnehmen, sich ihrer Umwelt gegenüber zu verstehen geben und Wahrnehmung und Darstellung –  317 –

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zueinander kenntlich machen, nur annähernd in Beschreibungsmetaphern (Hepp 2008  : 66) verdeutlicht werden. Alles, was man dazu in Wissen schaffendem Kontext denkt, steht und fällt mit der Klärung der aus (und mit) dem Grundmodell der kulturellen Intuition gewonnenen Abstraktion sowie der Indikation und der Paraphrasierung der darin eingemischten Interessen der Verwertung von Erkenntnis (vgl. Habermas 1973). Weil jede Beobachtung sich erstens in dem, was sie beobachtet, zu bestätigen sucht und zweitens immer musterhaft ist in dem Sinne, dass sie nur möglich ist unter Anwendung von bereits aus verwandter Erfahrung plausibilisierten Ordnungsmustern (Zugangstheorie – vgl. Bauer 2011  : 476 f ), erreichen wissenschaftliche Analysen als solche erst dann den Wert Wissen schaffender Aussagen, wenn sie Alltagsroutinen der Beobachtung unterbrechen (Schmidt 2004  :59). In diesem Sinne sind im Kontext gesellschaftlicher Analysen wissenschaftliche Konzepte erst dann theoretisch und kritisch gesättigt, wenn sie nicht (nur) Theorien des Objekts, sondern Theorien zu Theorien der Vergegenständlichung (Objektivierung) sind. Ohne eine dieser Art gesteuerte und zugleich auf Rückkoppelung angelegte Anfangsposition von Wissenschaft als kybernetisch-methodologisch strukturierter Beobachtung von intuitiver Beobachtung (Schmidt 2003  :15) ließen sich im weiteren Verfahren der Theoriebildung weder Interpretationen noch Verifikationen von Kommunikation logisch hinreichend begründen (vgl. Popper 2005, dazu Feyerabend 1986). Das verlangt nach und begründet das Denken in Modellen (Matrizen der Logik der Beobachtung). Kreis-Modelle (z. B. der operativ geschlossene Regelkreis) paraphrasieren diesen Anspruch der begründeten Unterbrechung durch die Logik zur Logik (Beobachtung von Beobachtung), so argumentiert die theoretische Kybernetik (vgl. Foerster 2003, Krippendorf 1994), deshalb besser als (die üblichen) Linear-Prozessmodelle, weil sie sich nicht auf eine objektive Logik eines linearen Geschehens beziehen, bei dem sie Ausgangsund Endpunkt zu bestimmen suchen (oder Ursache und Wirkung), sondern jedes Geschehen als ein durch Beobachtung begründetes (konstruiertes) und so rückgekoppeltes Interpretieren einordnen. Dem kybernetischen Denken in Kreismodellen entsprechend vollzieht sich diese Stufung in Ordnungen aber nicht als Endlosschleife, sondern im Weg der theoretischen (bewusst sinnproduktiven und methodologisch gesteuerten) Unterbrechung, das heißt über explizite Entscheidungen des Bruchs (der qualitativen Änderung) von Regeln der Beobachtung von der einen zur anderen Ordnungsebene. Diese Einrechnung von Kontingenz macht überhaupt erst den Sinn von Beobachtung aus. Solche Brüche erreicht man durch bewusste Entscheidungen für eine (in Bezug auf eine andere Beobachtungsebene) differente Einheit der Unterscheidung. –  318 –

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Da die Beobachtung nicht die Produktion (Wiedergabe, Abbildung) des Gegenstands ist, sondern die Wie-Voraussetzung der Was-Setzung, also das Dispositiv der möglichen Bestimmung von Gegenständlichkeit (die gegenständliche Setzung – Konstruktion), ist sie sowohl Voraussetzung für mögliche Setzungen als auch eine Setzung als mögliche Voraussetzung für weitere Setzungen (vgl. Mitterer 2011). In diesem Modell ist die Beobachtung von Wirklichkeit als ein sich im Modell des Kreises entwickelndes Geschehen gedacht, in dem Wirklichkeit das ist, wie man beobachtet, und Beobachtung das ist, wie sich Wirklichkeit generiert. So ist die theoretische Unterbrechung der Routinen der Alltagslogik nicht ein Abbruch (Bestimmung des Ergebnisses am Ende eines Prozesses), sondern die Nahtstelle für eine Fortsetzung der Beobachtung auf nächster Ebene (Spiralen-Modell). Die wissenschaftliche Beobachtung von Alltagsbeobachtung ist in diesem Sinne nicht die nächst-bessere oder gescheitere, sondern die nächste deutlicher unterscheidende Ebene (Differenzierung) der Beobachtung. Medialität Die Vorstellung der strukturellen Koppelung wie die der funktionalen Interdependenz von Kommunikation und Medien wird als solche, obwohl zunächst nur ein alltagstheoretisches Axiom, im Kontext wissenschaftlicher Analyse zwar nicht ontologisch, aber doch weithin unreflektiert, viel zu gegenständlich und verdinglicht angenommen, mitunter sogar als Modell quasi natürlichfunktionaler Komplizenschaft vorausgesetzt, wie die oft sehr trivial gebrauchte instrumentelle Genetivlogik beweist  : Medien der (für) Kommunikation. Mit den in dieser Logik instrumentell gedachten Komplexen der wechselseitig gestützten Wirkung wird man theoretisch weder dem Medienbegriff, noch weniger dem Kommunikationsbegriff und schon gar nicht dem Wirklichkeitsbegriff gerecht. Von einer epistemologisch durchdachten Kommunikationsund/oder Medienwissenschaft kann und muss man mehr theorietheoretische Reflexion erwarten. Der wissenschaftstheoretischen Redlichkeit wegen muss man die Frage stellen  : Warum denkt man das Verhältnis von Kommunikation und Medien so, wie man es tut  ? Positivisten und Essentialisten würden sagen  : weil es (eben) so ist. Eine konstruktionstheoretische Betrachtung aber würde dieser Naturlogik kulturlogisch begegnen und darauf aufmerksam machen, dass wir uns diesen Zusammenhang nicht so vorstellen, weil er so (und nicht anders) ist, sondern dass er so ist, weil wir uns ihn so vorstellen, das heißt  : weil wir Kommunikation medienlogisch und Medien kommunikationslogisch deuten, handeln wir so und beobachten (theoretisieren) dieses Handeln –weil –  319 –

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als solches routinisiert in den Strukturen gesellschaftlicher Praxis und sedimentiert (funktionalisiert) in den Strukturen gesellschaftlicher Institution und Organisation – wieder so als aus sich selbst verständlichte und verselbständigte Realität  : Wirklichkeit als das Ergebnis (kommunikativen) Handelns. Das sozialtheoretische Konzept von Mimesis hilft hier möglicherweise weiter als es das soziologische Konzept des (rollendefinierten) Handelns (Aktionstheorie, Akteurstheorie) tut (vgl. Gebauer/Wulf 1998). Denn im Mimesis-Konzept werden Beobachten und Handeln als zueinander komplementäre und sich gegenseitig stützende Gesten des Menschen ihrer Umwelt gegenüber verstanden, während Aktions-/oder Akteurstheorien das Beobachten als eine in sich geschlossene Operation, abgesetzt gegenüber einem in sich (sinnlogisch und operativ) geschlossenen Vorgang (Prozess) des Handelns, der durch ein Ergebnis erst als solcher erkennbar wird, deuten. Der Entwicklungshabitus des Menschen, so interpretiert es das pädagogische Mimesis-Konzept (vgl. Gebauer/Wulf 1998), ist nicht Wiederholung der Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit (das Wirklichkeitsmodell) der Wiederholung  : Wiederholung und (oder  : durch) Nachahmung verstehen sich nicht im Sinne von Imitation oder schlichter Repetition, sondern im Sinne von Erinnerung und Rekonstruktion, nicht als Abbildung, sondern als Ausbildung (Entfaltung, Gestaltung, Differenzierung) verinnerlichter oder erinnerter Beobachtungskomplexe  : In der Beobachtung memorieren wir das Handeln (die Wirklichkeit) wie wir im Handeln die Beobachtung (Wirklichkeit) rekonstruieren. Der systemischen Deutung der strukturellen Koppelung von Kommunikation und Medien liegt vermutlich ein pragmatisches (systempraktisches) Desiderat zugrunde  : das der expliziten Bestimmung von implizit unbestimmten Größen der Kommunikation durch deren Vergegenständlichung im Medium (objektive Zeichenstruktur). Im Medium (qua Zeichenstruktur) wird das Kommunikationsgeschehen als so abgebildet vorgestellt, dass sich durch die Bestimmung des Zeichens sowohl die Kommunikationsmaterie wie auch das Kommunikationsgeschehen („die Wirkung“ bzw. das auf Wirkung gerichtete Handeln) als festgeschrieben (bewiesen oder beweisbar) vermuten lassen  : „Das Medium“, objektiviert als ein in Zeichenstrukturen gefasster (organisierter) Komplex, definiert und vergegenständlicht „die Kommunikation“ und grenzt so das mögliche wahre Wissen (Wahrheit) auf das wirklich Bewiesene oder Beweisbare (Wirklichkeit) ein. Das so vermutete Verhältnis von Medien und Kommunikation ist aber (schon weil Kommunikation kein Strukturphänomen ist) keine strukturelle Selbstverständlichkeit, nicht notwendig kausal und schon gar nicht natürlich, sondern kultürlich programmiert, nur möglich logisch und logisch möglich aufgrund der impliziten Sinn-Unterstellung des in –  320 –

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beiden Begriffen vermuteten gleichen Verstehensgrundmodells (Paradigma)  : Handeln (Aktion, Interaktion, Transaktion). Die pragmatisch-praktisch begründete Komplementarität von Kommunikation und Medien lebt von der Vorstellung, von der Insinuation und von der Unterstellung eines (obwohl so nicht notwendigen, nur möglichen) wechselseitigen Gebrauchsverhältnisses mit Blick auf die und im Interesse der Konstruktion von Gesellschaftlichkeit. Konstrukte wie diese sind zunächst begriffliche Größen (Deutungsmuster), die im Rahmen der sozialen Praxis über den laufend sich selbst bestätigenden Zeichengebrauch (z. B. Sprachrituale) strukturell gekennzeichnet werden. Obwohl Zeichen selbst nicht sind, was sie bezeichnen oder kennzeichnen, bestimmen sie zunehmend den gemeinten (beschriebenen) Gegenstand im Sinne ihrer Bezeichnung (Beschriftung). Soweit die Strukturlogik der traditionellen theoretischen Begrifflichkeit. Das Kennzeichnungsgeschehen wird zum Gegenstand (Materie) der Kennzeichnung. So vereinnahmen die Strukturmodelle (als in sich geschlossene Strukturkomplexe aufgefasste Zusammenhänge der Beobachtung  : „die Medien“, „die Kommunikation“) das Potenzial der theoretischen und methodischen Aufmerksamkeit zu Gunsten von Merkmalen und zu Lasten des Deutens ihrer kulturellen Eigentlichkeit, die da wäre  : Medialität als die kulturelle Ästhetik und der soziale Habitus des Deutens und Verstehens von Welt. Nichts von dem, was wirklich ist, ist „medienfrei“. In dieser Perspektive ist Medialität nicht nur das Qualitätsmodell von Kommunikation, sondern das von Wirklichkeit. Die Kulturlogik argumentiert anders, offener und hermeneutischer  : Was wir im Kontext von Kommunikation rekonstruieren (memorieren, weil wir mit der Beobachtung handeln und im Handeln beobachten), ist nicht deren („das“) Medium, sondern die Deutung von deren Medialität  : Das Kommunikationsgeschehen ereignet sich (wird deutbar, wirklich und wahr) in und aus der Qualität ihrer Medialität. Medialität ist das Konzept, mit der die analoge Qualität der Konstruktion von Wirklichkeit und der Bestimmung des Unbestimmten als Austausch beobachtbar und handelbar vorgestellt und argumentiert werden kann. In diesem Sinne ist Kommunikation die soziale/mediale Praxis (symbolisch interagierte Medialität), in und aus der Gesellschaften sich als solche verstehen und verständlich machen. Sie baut auf Voraussetzungen und sie schafft Voraussetzungen der sozialen Referenzialität. Kommunikation ist ein fiktives Konstrukt zur Beobachtung und zur (quasi logischen) Einordnung von Erfahrung und deren möglicher Bestimmung, manifestiert im Medium (Tauschabstraktion wechselseitig unterstellter Erwartung) zeichensetzenden Handelns. Beide Größen, Gesellschaft und Kommunikation, machen sich und einander wahrnehmbar und beobachtbar durch ihre inneren –  321 –

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Arrangements und Konstellationen, durch die sie sich wechselseitig vorstellbar machen und in denen die möglichen Deutungen der Lage, der Beziehung, des Umstands und des Gegenstandes von Verständigung auf Vergemeinschaftung und/oder Unterscheidung verhandelt werden. Die situative Umständlichkeit (z. B. die mögliche Verschiedenheit der Perspektiven und Interessen) von Kommunikation wird wechselseitig als gewusst oder als zumindest wissbar unterstellt. Eben dieser Umstand definiert den wechselseitig zugemuteten, zugestandenen oder auch ermöglichten Erwartungsrahmen und unterscheidet so die eine von einer anderen Verständigungsausgangslage hinsichtlich der Bedingungsgrößen des Vertrauens (Identität, Autorität, Authentizität, Soziabilität) und der Gültigkeit des Verstehens (Transparenz, Relevanz, Sinn). Das theoretische Konzept der Medialität greift weiter aus als der theoretische Begriff des Mediums (der Medien) es will oder kann. Der Terminus „Medium“ adressiert ein Objekt (Apparatur, Struktur, Organisation) in der Vorstellung einer in sich geschlossenen, durch ihre Rolle strukturell differenzierten Entität zwischen und mit anderen bemerkbaren, ebenso im Muster ihrer Rolle definierten Einheiten (Produzent, Rezipient), als Merkmal wahrgenommen aufgrund der ihr unterstellten prozessspezifischen (instrumentellen) Funktionen von Übertragung, Vermittlung, Verbindung und/oder Übersetzung. „Das Medium“ repräsentiert begrifflich einen in sich geschlossenen Strukturkomplex des (durch Funktion begründeten und auf ein Ergebnis gerichteten) Handelns. Das Konzept der Medialität adressiert begrifflich nicht eine durch ihre Funktion objektivierte Struktur, sondern eben die empirisch-reale wie normativ-ideelle Unterstellung der möglichen wie notwendigen kommunikativen Qualität der sozialen Praxis als Projekt der Vergemeinschaftung (Zeichengemeinschaft) der Unterschiedlichkeit von Erfahrung und deren Deutung, wie auch als kulturelles Muster der sozialen Verteilung von Gesellschaftlichkeit. Erst aus der Perspektive der Zeichengemeinschaft wird die Unterschiedlichkeit der Deutungsausgangslage (Wirklichkeitsausgangslage) erkennbar. Das Konzept der Medialität versteht sich als kulturtheoretische Intervention der Routinen der Strukturbegrifflichkeit, als Konzept der kritisch-reflexiven Unterbrechung der sich selbst genügenden Routinen der Beschreibung von gesellschaftlicher Kommunikation als praktische Logik des Erfolgs der Organisation von strukturellen Medienmerkmalen. Es geht davon aus, dass Kommunikation und Gesellschaft erst in der theoretischen Vorstellung ihrer wechselseitigen Konstitution jeweils als Referenz des anderen wahrzunehmen und zu beobachten sind  : als Medialisierung und als Mediatisierung. Im Modus der sozialen Praxis (Kommunikation) medialisiert sich die Vorstellung von Gesellschaft und im Modus von Gesellschaft mediatisiert sich (das Programm der struk–  322 –

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turellen Ordnung von) Kommunikation (Verteilung von Gesellschaftlichkeit). In diesem Sinne ist Medialität ein theoretisches Konzept zur kommunikativen Qualifikation von Gesellschaft (Wirklichkeit) wie zur gesellschaftlichen (wirklichkeitsdefinierten) Kennzeichnung von Kommunikation, weswegen man sowohl von der Medialität der Kommunikation wie auch von der der Gesellschaft reden kann und – theoretisch – soll. Der Terminus Medialität programmiert die Beobachtung der medialen Kodifizierung von Gesellschaft als Grundmuster eben dieser, er vergrundsätzlicht in dieser terminologischen Dichte die wissenschaftliche Medienbeobachtung von Gesellschaft, die sich auf weite Strecken in funktionalistischer Einzelmedienbeobachtung aufgelöst oder verloren hat. Mediat/Mediativ Wenn man von „Mediatisierung“ sprechen kann und damit jenes Phänomen meint, dass Lebens-, Handlungs- und Beobachtungszusammenhänge in zunehmend stärkerem und sich beschleunigendem Maße im Kontext des Mediengebrauchs strukturell und kulturell erschlossen werden (vgl. Krotz 2001, 2008, Hepp 2011), dann muss ein solcher Begriff sich linguistisch-logisch auf ein Eigenschaftsmodell beziehen, das „mediat“ heißen könnte. Begrifflich umrissen ist damit die Zuschreibung, dass die gesellschaftliche Realität ihre (so weit beobachtbar) Eigenschaft(en) nicht erst mediat ausweist, seit es „die Medien“ (Massenmedien) gibt oder seit diese, zunehmend beobachtbar, in den Wirklichkeitsbestimmungsprozess eingreifen oder einbezogen werden, sondern die Unterstellung, dass Wirklichkeit seit je (seit man sie als Konzept gebraucht, um die ich-eigene Beobachtung von ich-jenseitigen Außenwelten zu beschreiben), also immer schon „mediat“ vereigenschaftet (attribuiert) war, immer schon nur im Modus des Gebrauchs von Medien (Quellen der Erfahrung und Orte der Deutung und Gewichtung  : Familie, Communities, Milieus, Öffentlichkeitsplätze, Meinungsträger, Nachrichtenmärkte etc.) angeeignet werden konnte, dass diese Eigenschaft (der außenvermittelten Beobachtung und Konstruktion) von Wirklichkeit nun aber durch die zunehmende Einbindung von vom unmittelbaren Lebenskontext abstrahierter und im Interesse und der inhärenten Dynamik der Eigenorganisation avancierter Technologien und der damit sich wandelnden kulturellen, sozialen und – im Grunde – medialen Praxis offenkundiger wird. Gesellschaftliche Wirklichkeit ist ein Konstrukt im Modus ihrer Medialität. Sie erschließt sich nicht subjektiv oder objektiv, sondern so und anders  : mediativ. Die soziative Struktur der Konstruktion von Wirklichkeit und die soziale Qualität ihrer Wahrheit erschließen sich im –  323 –

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Gebrauch ihrer Medialität. Es ist nicht die Technologie, die die Ontologie des Wandels (vielleicht sogar  : des Bruchs) der sozial-medialen Kommunikation ausmacht. Vielmehr macht diese Ableitung deutlich, dass es die ontologische Eigentümlichkeit von Kommunikation ist, sich nicht (und nichts – auch nicht die Nachrichtenwelt) auf Einzelmedien zu reduzieren, aber im Gebrauch ihrer Medialtät die (Konstruktion von) Wirklichkeit (miteingeschlossen die fluiden Figurationen von Identität) zu wandeln. Das macht deutlich  : Die Wahrheit von Wirklichkeit ist verschieden zur Wirklichkeit von Wahrheit. Etwas differenzierter gesagt  : Das Wahrheitsgeschehen beruht auf den Möglichkeiten und Zumutungen (Aufmerksamkeit, Moral, Motivation, Kompetenz etc.) der Vergemeinschaftung der Kennzeichnung ihrer Deutung (Medialität der Wirklichkeit, Wirklichkeit der Medialität), die Wahrheitsmaterie beruht auf der Unterstellung der möglichen, weil notwendig wechselseitigen Verwiesenheit der Unterschiedlichkeit von Beobachtung. Jeder Versuch der Vereinbarung im Sinne einer Auf-Eins-Setzung der Materie und der Hierarchisierung des Geschehens wäre nur möglich unter den Bedingungen der medialen Nötigung  : der einseitig beanspruchten Kennzeichnung der sozialen Komplexität kommunikativen Geschehens durch die Ausblendung, Negierung oder die einseitige Bemächtigung der Optionen der Verschiedenheit. Aber eben dies verletzt das innere Programm von Medialität. Das kulturelle Programm von Wirklichkeit ist die Gleich-Gültigkeit auf der Basis ihrer Verschiedenheit. Die Garantie (Referenz) dafür ist das Mediengeschehen, eben deren mediative Baustruktur (Konstruktion auf Basis von Wahrnehmung und Beobachtung). Vereinbarkeit setzt Vergleichbarkeit, Vergleichbarkeit setzt Verschiedenheit und Verschiedenheit setzt eine gemeinsame Referenz voraus. Diversität und Je-Andersheit sind die inneren und (im Wortsinn  :) eigentümlichen Merkmale der äußeren Wahrnehmung von Wirklichkeit. Daher ist die Achtung der Diversität und der Dynamik des Wandels von sozialen und symbolischen Kulturen (Deutungszusammenhänge von Wirklichkeit) nicht nur ein Postulat sozial-moralischer Intelligenz einer sich avanciert gebenden Gesellschaft, sondern die Bedingung für ein nachhaltiges Konzept der Lebensgeschichte jedweder Gesellschaft. Gesellschaften, die ihr Medialitätsprogramm vernachlässigen, verkümmern lassen oder missbrauchen (lassen), sind nicht nachhaltig, sie ersticken auf kurz oder lang in sich selbst. Das Medialitätsprogramm einer Gesellschaft ist das Programm ihrer politischen und sozialen Kommunikationskultur. Es spiegelt nicht nur die Potenziale, Chancen und Möglichkeiten von Medientechnologie, Medienwirtschaft und Medienpolitik, sondern auch – und notwendiger denn je – die von Medienkultur als eine unverzichtbare Investition in die kommunikative Infrastruktur von Demokratie und Demokratisierung. –  324 –

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Mediate und Mediative sind Begriffe, die im Rahmen traditioneller (strukturtheoretischer) Medientheorie keinen Sinn machen. Dort wären sie entweder nur Pleonasmen oder terminologisch isolierte Figuren. Im Rahmen einer kulturtheoretisch und sozialtheoretisch (eben nicht soziologisch) aufgesetzten Medientheorie (Medialität  : die kommunikative Kennzeichnung von Gesellschaft), bringen sie aber die durch eine fast naturwissenschaftlich operierende Medien- und Kommunikationswissenschaft (Objektwissenschaft) in die Peripherie gedrängten Beobachtungszusammenhänge (Wirklichkeit als Wirkung von Kommunikation und/oder Medien) zurück ins Zentrum der Theoretisierung  : Wirklichkeit als Grundvorstellung von Kommunikation und Medialität als Konzept ihrer Beobachtung (Konzeptwissenschaft). Mediate und Mediative sind in dieser Konzeption Begriffe, die sich weniger auf „die“ Medien, sondern mehr auf den Medialitätscharakter von (gesellschaftlicher bzw. gesellschaftlich relevanter) Wirklichkeit berufen. Sie kennzeichnen die theoretische Beobachtung von soziativen und sozial-kulturellen Zusammenhängen, nicht solche der an Kausalketten interessierten Soziologie oder der Sozialtechnologie. Die im epistemologischen Unterschied dazu kulturtheoretisch begründete Perspektive ermöglicht und verdeutlicht noch einmal eine kritische Wertung der kommunikations- und medienwissenschaftlich oft verhandelten Erzählung der Mediengeschichte zwischen Mediengläubigkeit und Medienfurcht  : die Medienzentrierung (Einzelmedienperspektive) der herkömmlichen Kommunikationswissenschaft – überdies deren curriculare Ausrichtung auf wirtschaftlich strukturierte und organisierte Arbeitszusammenhänge anstatt auf transversale Diskursarenen – hat möglicherweise den Blick auf das Wesentliche verloren  : die Wirklichkeitskultur der Gesellschaft und die gesellschaftliche Kultur der Wirklichkeit. Medialität ist nichts anderes als deren inhärente Signatur, nicht deren (ihnen gegenübergestellte strukturelle) Voraussetzung und nicht deren (ihr anzulastenden oder ihr verdankten) Wirkung. Ist der Charakter der Medialität (kultureller Mediengebrauch) von Gesellschaft das theoretische Konzept, aus dem die (gesellschaftliche) Wirklichkeit, ihre Stärken und Schwächen, ihre Chancen und Risiken, Potenziale und Perspektiven interpretiert werden, dann ist der kritische Blick auf die Medientechnologie nicht eine Frage der Beobachtung von Bedingung oder Folge, sondern der von Kompetenz und Performanz  : Zuständigkeit (Stimmigkeit, Kapazität und Verantwortung) und Zuständigkeitsdarstellung. Die Medientechnologien und die mit ihnen verknüpften sozialen Praktiken (Mediengebrauch – der eigentlich theoretisch gesättigte Medienbegriff ) absorbieren die reale Komplexität der sozialen, strukturellen und symbolischen Umwelt (z. B. Beziehungen, Zugänglichkeit, Folgen) und offerieren sie im Modell dekomplizierter, weil –  325 –

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technisch auf die Reihe gebrachter und so zu erledigender Abfolge von Abfertigungen und mediatisieren so private und/oder öffentliche Lebenszusammenhänge. Diesem Gedanken folgend kann Mediatisierung (wenn man Kommunikation theoretisch als Ressource von Wirklichkeit fasst) nicht heißen, dass sich da eine fremde Macht („die Macht des Medium, der Medien“) der Wirklichkeit oder ihrer Konstruktion bemächtige. Das wäre zu naiv und zu struktur- und objekttheoretisch gedacht. Es kann sich also nur um die Wahrnehmung (Außenzuschreibung) eines der sozialen Praxis inhärenten, autopoietisch begründeten Effekts handeln, auf den sich nun die Aufmerksamkeit der Forschung konzentriert  : Mediatisierungsforschung ist nicht fokussierte Medienforschung, sondern Wirklichkeitsforschung im Hinblick auf eine im Profil von Mediaten strukturierte innergesellschaftliche Wahrnehmung. Das erlaubt, den Eigenschaftsbegriff „mediat“ zum Substantiv zu machen und, um daraus einen analytischen Terminus zu begründen, als Substantiv zu gebrauchen  : „Das Mediat“ ist, so gewendet, der Indikationsbegriff für die Unterstellung einer beobachtbaren und an spezifischen Eigenschaften (Mediengebrauchsprofile im Zusammenspiel von Technik und Assoziation) erkennbaren Infrastruktur der Konstruktion technisch-sozial vermittelter Wirklichkeit. In diesem Umfeld lassen sich dann möglicherweise Polaritätsprofile des Mediengebrauchs erstellen, öffentliche von privat gemeinten, oder individuelle von kollektiven Mediaten unterscheiden. Als Mediate werden die indikativen Muster der Kommunikation (Diskurs, Dialog, Konversation, Streit etc.) bezeichnet (sie bezeichnen die Wirklichkeit von Kommunikation), während Mediative die für Mediate typischen und im Medienmuster der Kommunikation möglich vorausgesetzten, verbindbaren und verbundenen (konjunktiven) Bedingungszusammenhänge meinen  : Technologie, Ökonomie, Politik, Alltag etc.: Sie ermöglichen, unterstellen, beziehen ihr Verständnis in Relation zu Kommunikation. Diese terminologische Unterscheidung soll helfen, Kommunikation nicht als Ergebnis von Medien, sondern Medialität als das spezifisch assimilierte Ambiente, die soziale Praxis unter spezifisch kontextuellen Bedingungen (kulturelles, situatives, pragmatisches Framing) mit spezifisch ausgeprägten Indikationsmustern (Wie redet die Politik mit dem Bürger öffentlich, wie im Milieu der Parteizugehörigkeit etc.?) ausweisen. Der Wert dieser Unterscheidung müsste sich in der empirisch-methodischen (kontextuellen) Beobachtung (z. B. Medienanalyse, Inhaltsanalyse, Diskursanalyse) erweisen  : Textanalyse nicht als Einzel-Objektanalyse, sondern als interpretative Analyse der Spiegelung des Kontexts in deren Mediaten, ähnlich den Diskursinterpretationen von Vilém Flusser und Michel Foucault (vgl. Flusser 1998, Foucault 1974) oder – generell – der Cultural Studies (vgl. Hepp/Krotz/Thomas 2009). –  326 –

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Mediatisierung/Medialisierung Das Konzept der Mediatisierung stützt sich auf eine Reihe kennzeichenbarer und relevanter Beobachtungszusammenhänge  : 1. Die zunehmende Interdependenz von Institutionen, Organisationen und Individuen durch die zunehmende Vernetzung über Medieninfrastrukturen und technisch kompatibilisierten Mediengebrauch in der Produktion, der Vermittlung und der Nutzung von Daten, Information und/oder Wissen. 2. Die sich beschleunigende Konvergenz des technischen und habituellen Mediengebrauchs, die noch bestehende Dichotomien von Rollen (Produzent, Konsument) zunehmend obsolet machen. 3. Die Beschleunigung der Tausch- und Anschlussprozesse. 4. Die Globalisierung der Mediative Politik, Wirtschaft, Bildung etc. und das mit ihr verbundene Verschwinden von (institutionstypischen) Grenzen sowie Zeit- und Raumdistanzen. 5. Die Mutation der Mediate (und Formate) in zunehmend konversationelle Muster der sozialen Verständigung (vgl. Göttlich 2006, Krotz 2007, Behmer/Krotz/Stöber 2003). Die Konzepte von Mediatisierung- und/oder Medialisierung (vgl. Krotz 2008, Krotz/Hepp 2012) begründen eine Perspektive der Medienforschung zu Phänomenen, die im Kontext des Medienwandels zunehmend auf sich aufmerksam machen. Medienwandel meint ja nicht nur die technologische Entwicklung von Medien, sondern auch die Veränderungen von Alltag und Gesellschaft aufgrund des sich ändernden Mediengebrauchs bzw. der sich ändernden Medienkultur. Alltag, Arbeit und Freizeit erfahren eine Medienkodierung wie sie nie zuvor geschehen ist. Der Strukturwandel von den Distributions- bzw. Diskursmedien zu Netz- bzw. Dialogmedien (social media) bedingt zugleich einen dramatischen Kulturwandel der gesellschaftlich-praktischen Auslegung von Kommunikation, die, kontexttheoretisch betrachtet, viele Facetten des impliziten wie expliziten Wandels an sich hat. Mediatisierung und Medialisierung sind – kontexttheoretisch betrachtet – nicht einfach Phänomene des sozialen/kulturellen Wandels, sondern Interpretationsfiguren einer konzepttheoretischen Version von sozialem Wandel  : die generative Dynamik (autopoiesis) von Mediaten und Mediativen  : sie erhalten sich durch (sich selbst wandelnde) Regeneration. In diesem Sinne ist Medienwandel nicht einfach nur ein strukturelles und/oder kulturelles Phänomen des sozialen Wandels im Kontext der Medien, sondern der konzeptuelle Schlüssel zum Verständnis der kulturell relevanten Deutungen der Gesellschaft(en) von sich selbst. Das fordert natürlich, andersherum betrachtet, Kompetenz (hier vor allem Fähigkeit, Fertigkeit, Verantwortung), Medienapparaturen so zu gebrauchen, dass sie das sind, was sie darstellen  : die Anschluss- und Erschließungsperspek–  327 –

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tive von und für Wirklichkeit. Das mag, so der kulturkritische Zugang der Mediatisierungsforschung (vgl. Anders 1980, Bauer 2006b, 2008), möglicherweise nur bedingt gelingen, wenn und weil die Medienlogik ja nicht nur durch die technische Ästhetik bestimmt wird, sondern auch durch deren ökonomischpolitische Interessen. Im Schlepptau dieser Logik interessiert eine Reihe von oftmals beschriebenen Phänomenen (vgl. Krotz/Hepp 2012)  : zunehmende Kommerzialisierung, Privatisierung und Individualisierung des Mediengebrauchs, zunehmende Funktionalisierung, Technisierung und Entertainisierung von Lernformaten und Lernumgebungen, Gamification von diversen Medienformaten (vgl. Stampfl 2012). In all diesen Figuren der medialen Wirklichkeitsaneignung bestätigt sich die zunehmend strategische Verstetigung der Beobachtung, dass die Welt versteht, wer die Medien versteht. Mediengesellschaft/der Medienfußabdruck Die Architektur des Realen ist nicht weniger (aber auch nicht mehr) als die in sich durch Symbole gefügte Welt, durch deren Gebrauch Menschen zueinander in ein Verhältnis kommen oder sich in ein solches einordnen, um in diesem symbolisch generierten Bezugsrahmen auch ihre gesellschaftliche Identität zu reklamieren. Hinter dieser Konzeption von Gesellschaft steht eine theoretische Option, die besagt, dass Gesellschaft nicht nur als ein Kausalzusammenhang aus objektiv und sozial gesetzten, so regulierten Handlungen begriffen wird (werden muss – das wäre die institutionentypische Auslegung), sondern als ein Beobachtungszusammenhang (ein kulturell verallgemeinertes Programm der Beobachtung), der in den Strukturen symbolischer Interaktion zueinander und wechselseitig unterstellt, zugemutet und ermöglicht wird. Das ist die konstruktions- und mediumstheoretische Auslegung des Gesellschaftsbegriffes. In diesem Sinne ist Gesellschaft immer schon ein Konstrukt mit medialem Fußabdruck  : Mediengesellschaft im Sinne der ihr sui generis inhärenten Medialität. Dass die gegenwärtige Gesellschaft nun zunehmend als „Mediengesellschaft“, weil als eine Gesellschaft im Modus „ihrer Medien“ beobachtet wird, hängt damit zusammen, dass die laufende Verdichtung der Organisation von gesellschaftlicher Kommunikation und die der Kommunikation von gesellschaftlicher Organisation die Modalität (ist hier  : Medialität) von Gesellschaft in den Vordergrund des Beobachtungsprogrammes rückt. Gesellschaft (als Beobachtungsprogramm) hat den Problemstatus ihrer Medialität erkannt und erreicht  : je mehr sie versucht ihre Problemlagen durch mediale Kommunikation zu lösen, desto mehr wird sie mit der Kontingenz (Problematik und Lö–  328 –

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sungspotenzial, Möglichkeit und Notwendigkeit) ihrer Medialität konfrontiert. Die Medialität von Gesellschaft (Struktur) und gesellschaftlicher Wirklichkeit (Kultur) ist demnach der eigentliche Drehpunkt ihres Wandels. In diesem Sinne ist gesellschaftlicher Wandel immer Medienwandel  : der Wandel der Symbolik ihrer inneren und äußeren Selbstbeobachtung. Was sich aber dann eigentlich ändert, sind nicht (nur) die äußeren medialen Muster (Technologie, Mediengebrauchsmuster, Medienrituale, Mediate und Mediative), sondern die darin jeweils kulturell programmierten Beobachtungsperspektiven im Interesse der Konstruktion von sozial gemeinter Realität. Medium/Medien Funktionslogisch und strukturtheoretisch betrachtet sind (die klassischen) Massenmedien durch apparative Technik und Technologie gekennzeichnete, in Mustern der Organisation aufgestellte und durch Parameter des Marktes in Mitleidenschaft gezogene Passagen der sozialen Praxis (im Muster technischökonomischer Infrastruktur gekennzeichnete soziale Strukturen der Organisation von Gesellschaft) und in diesem Sinne Containermodelle für den Austausch (Sammlung, Verteilung, Versorgung) von Wissen und für wissenswert Gehaltenem zu Ereignissen und deren Deutung. In ihnen ereignet und repräsentiert sich das soziale bzw. sozialtechnologisch organisierte Modell von gesellschaftlicher Verallgemeinerung und von Vergemeinschaftung im Muster von („der“) Öffentlichkeit gesellschaftlicher Wirklichkeit. In diesem (eher) öffentlichkeitstheoretischen Sinne sind sie (aber) auch anders denkbar, nämlich nicht (nur) als Quellen oder Tauschmärkte der Erfahrung, sondern als durch qualifizierte Strukturen (professionelle Organisation, Technologie, Ökonomie, Wettbewerb) gekennzeichnete und derentwegen semantisch aufgeladene (Macht, Einfluss, Prominenz etc.) Referenzgrößen von Relevanz auf der Basis der Unterstellung, dass ein wo und wie auch immer Anderer gegenüber Einem wegen bevorzugter oder benachteiligter Bedingungen des Zugriffs (Status, Position, Bildung, Geld etc.) auf ein grundsätzlich für jeden gleiches (weil öffentliches) Referenzmodell von Relevanz einen sozialen oder gar sozial privilegierten Vorsprung beanspruchen kann bzw. einen entsprechenden Nachteil in Kauf nehmen muss. Diese Unterstellung bewirkt, dass man sich das Wissen über das, was über den eigenen Wahrnehmungsrahmen hinausgeht, aber doch für die subjektive Lebensgestaltung relevant sein könnte, dort abholt, wo es sich jedweder andere abholt oder abholen könnte. In dieser Logik des Wettbewerbs um Vorsprung sind Medien organisierte Sammelstellen der sozialen Vernetzung, Referenzposten des sozialen Vergleichs und der –  329 –

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sozialen Differenzierung. In dieser Perspektive gesehen ist die ihnen bisweilen unterstellte Integrationsfunktion, wenn sie denn passiert, nicht Leistung „der Medien“, sondern des Mediengebrauchs, ist nicht eine Kategorie der Wirkung, sondern einem dem Rezipienten zugedachte Haltung. Dass man Medien, wie die Systemtheorie vorschlägt, als organisierte Strukturen oder Apparaturen wahrnimmt, die (vor allem) wegen ihrer Leistung sich so ausdifferenzieren oder im Hinblick auf diese Leistungen (Funktionen) zu qualifizieren und normativ, kritisch, pragmatisch und empirisch so zu beobachten seien, ist eine direkte Folge der mit dem Macht-Thema semantisch aufgeladenen Vorstellung von Vermittlung. Der technische Ausdruck verschleiert die eigentliche Intention  : Vermittlung (Übermittlung) ist nicht nur als technische Prozedur (Botengang) gedacht, sondern als Schlüsselkomplex des durch Organisation, Ökonomie, Technologie und Professionalisierung (Journalismus!) gesicherten Privilegs des Zugangs und des damit verbundenen Status. Der Medienbegriff in diesem funktionalen Paradigma ist eher organisationslogisch (Ziel-Mittel-Zweck-Relation) und eher sozialtechnisch denn kommunikologisch (Verständigung auf eine mögliche Vergemeinschaftung von unterschiedlicher Wahrnehmung) gedacht. Daraus folgt, dass man „dem Medium“ ein Stärken-Schwächen-Profil unterstellt, dass man „es“ theoretisch wie praktisch wie ein Werkzeug für eigene Interessen einsetzt – und am Ende weniger Kommunikation, sondern mehr Organisation und Zweckdurchsetzung realisiert. Im Rahmen dieses Verständnisses ist es auch „logisch“, „die Medien“ in ihrer Vereinzelung wie isoliert verdinglichte Schlüsselglieder mit je unterschiedlich graduierten Wirkungsmöglichkeiten in einem als konditionale Prozesskette gedachten Handlungsvorgang zu verstehen. Davon abgesehen hat die traditionelle Medienwissenschaft (einschließlich ihrer systemtheoretischen Version) diesen in Rollen und Rollenerwartungen (Produzent, Medium, Konsument, Wirkung) aufgeteilten und eigentlich betriebspragmatisch gedachten Handlungsansatz der industriellen Praxis ohne die notwendige paradigmentheoretische Reflexion übernommen und als kommunikationslogisches Modell medialer Öffentlichkeit theoretisch ausgewiesen. Kommunikationslogisch gedacht macht es aber wenig Sinn, „die Medien“ als einzellogische Einheiten (unterschieden nach deren strukturellen Merkmalen) zu betrachten, sondern sie in Summe sowohl als Metamorphosen der medialen Programmierung von Soziabilität, wie auch als soziale Metaphern der Medialität (der medialen Kennzeichnung) von Kommunikation (ist gleich Vergemeinschaftung im Modell von Gesellschaft). In dieser Logik (Referenzkonzept und nicht Vermittlungsinstanz) sind Medien nicht als Einzelfaktoren der Kommunikation (wissenschaftlich) relevant, sondern viel mehr als ein –  330 –

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unter spezifischen Gebrauchsbedingungen ausgeformtes Modell der sozialen Praxis. Kulturtheoretisch gefasst sind mithin zur Beschreibung des Mediums nicht die Apparatur, die Institution oder das System die definitorischen Kriterien, sondern der durch den individuellen Lebenszusammenhang, allerdings sozial diskursiv verteilte Gebrauch des Arrangements. Die Zeitung verifiziert sich (erst) als Medium und wird zu diesem aufgrund der Beobachtung bzw. der Unterstellung der realen Koppelung von Produktion und Rezeption (Encoding-Decoding-Zusammenhang – vgl. Hall 1997, 1999). Erst aufgrund dieser gedachten, vorgestellten oder tatsächlich verhandelten Tauschabstraktion wird sie zu einer Referenzgröße (Medium) gesellschaftlicher (öffentlicher) Kommunikation. Diese Perspektive begründet epistemologisch den Schritt von einem handlungstheoretisch zu einem beobachtungstheoretisch und von einem strukturtheoretisch zu einem kulturtheoretisch gedachten Medienbegriff  : Das Medium verifiziert sich als solches in dessen Gebrauchskultur, es macht sich kenntlich in dessen gedachtem, vorgestelltem oder aktualisiertem Gebrauch. Mediumstheorie Theorie ist die Abstraktion der Beobachtung von Welt und mit Blick auf deren Kontingenzpotenziale (eigentlich  : Kontingenzbeobachtung) die bewusste Unterbrechung alltagsgedanklicher Routine. Das ist der Grund, warum sie, angewendet im Falle von Medien, noch einmal darüber befinden muss, ob, was und wie Medien mit Kommunikation zu tun haben. Der Zusammenhang von Kommunikation und Medien wird generell zu schnell und zu unreflektiert als natürlich und unverbrüchlich gedacht und im Kontext unterschiedlicher Interessen auch so ziemlich leichtfertig gebraucht. Er ist allerdings nur logisch im Sinne der jeweils gewählten Perspektive. Im Ambiente einer auf die Organisation und Konstruktion der Ordnung von Gesellschaft ausgerichteten Verständigung über Kommunikation wird alles als Medium von Kommunikation gewertet, was am Ende Kommunikation herstellt. Im Interesse der Produktion von Kommunikation wird das Medium als die Werkstätte oder das Werkzeug von Kommunikation verstanden. Die simple Verallgemeinerung kommt zu dem Ergebnis  : Die Medien produzieren Kommunikation. Dieser einseitig kausal gedachte Zusammenhang hat auch dazu geführt, den (theoretischen) Blick auf „das Medium“ (verstanden als ästhetische Eigenschaft jedweder Kommunikation) zunehmend außer Acht zu lassen und sich auf Einzelmedien (verstanden als spezifische Wirk-Werkzeuge) zu konzentrieren. Dieser – epistemologisch – affirmative Blick der strukturtheoretisch anset–  331 –

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zenden Medienwissenschaft versäumt es daher, die im (kulturellen) Medienwandel sich ankündigende Veränderung der Ontologie der gesellschaftlichen Eigentlichkeit und Eigenschaft (als soziale Praxis) von Kommunikation als das zentrale Thema der Mediengesellschaft aufzunehmen. Sie verliert sich in Einzelmedienanalysen. Im Interesse des kulturellen Verstehens von Kommunikation ist das Verhältnis umgekehrt zu sehen  : Kommunikation schafft sich im Wege der sozialen Praxis „ihr“ mediales Arrangement, jenes sozial-gestische Ambiente, in dem und aus dem die Deutung dessen, was man in Erfahrung bringt, Sinn (Nutzen, Ästhetik, Ethik – vgl. Edmair 1968) macht. Je nach sozial-situativem Zusammenhang verhandeln und entscheiden Beteiligte über den möglichen Deutungsrahmen wechselseitigen Verstehens von Inhalt, Beziehung, Selbstdarstellung, Rollenidentität und Geltungsansprüchen. Das Medium schreibt sich in die Konstruktion von Wirklichkeit ein wie sich das Konzept (Wissen) der Konstruktion in den Mediengebrauch einschreibt. In diesem Sinne ist das Medium kulturtheoretisch zu kennzeichnen als die Abstraktion der möglichen Vereinbarung über die sozialen Grundlagen (Voraussetzungen) des wechselseitigen Vertrauens, mitunter als „Tauschabstraktion“ verkürzt. Die Medialität von Kommunikation ist eine dem Kommunikationsgeschehen immanente, nicht eine gegenüberstehende oder strukturell von ihr abgekoppelte Qualität. In diesem Sinne sind z. B. Werbung, Public Relations, Nachrichten und andere ähnliche Medienformate nicht inhaltliche, sondern medial-kulturelle Formate des Austausches von Wissen, Erfahrung, Deutung, also Arrangements von Beziehungen, Rollen, Geltungsansprüchen und Inhalten – in der (technischen, ästhetischen, sozial-systemischen) Struktur von Medien und im Gebrauch von Medienstrukturen organisiert, simuliert, apparatisiert, analogisiert und/ oder digitalisiert. Eine in diesem Sinne generelle Mediumstheorie von Medien würde der wissenschaftlichen Fragmentierung der Medienkommunikationswissenschaft, der Zerstreuung und Verdünnung der medientheoretischen Substanz in empirisch-analytisch ansetzenden Einzelmedienstudien entgegenwirken und die Arena der Media Studies stärker kommunikologisch erschließen. Qualität/Medialitätswerte Qualität ist ein Begriff, der so etwas wie eine operationale Fiktion beschreibt (Schmidt 2003  :17), die nur im Kontext der vergleichenden Beobachtung zwischen Idealvorstellung und Realgebrauch, zwischen normativer Erwartung und praktischer Erfüllung Sinn macht. Qualität ist demnach ein durch normative Kriterien gestütztes Diagnosekonzept (Einschätzungskonzept), zusam–  332 –

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mengesetzt aus Kriterien und Standards, mittels deren ein Befund über die strukturelle und funktionale Tauglichkeit von Projekten, Produkten, Prozessen bzw. von Handlungs- und Beobachtungszusammenhängen – hier  : von Medien – für den spezifischen Gebrauchszusammenhang, den sie implizit oder explizit adressieren, erstellt werden kann. Die Erwartungen sind nie absolut, nie objektiv, sondern immer kontextbezogen (relational) und graduell wie materiell je nach Erwartungsbewusstsein (Erwartungshaltung) unterschiedlich nivelliert (relativ). Obwohl es sich jeweils um situativ unterschiedliche Kontexte des Gebrauchs handelt, kann man aber doch von für (empirisch und normativ, funktional und strukturell) vergleichbare Gebrauchszusammenhänge vergleichbaren und gleich gerichteten Werte- und/oder Nutzerwartungen ausgehen (vgl. Bauer 2014b  : 25). Stellt man die Frage nach den Möglichkeiten der Bestimmung von Qualität von Medien in einem theoretischen Kontext von Medienkultur und Medienkompetenz, dann ist Qualität nicht ein Bewertungsgegenstand, sondern ein Bewertungskonzept, dessen gesellschaftlich-relevant definierte Sinnwerte auf drei Ebenen des kommunikativ-kompetenten Mediengebrauchs aufzuspüren sind  : Nutzen, Ästhetik, Ethik (vgl. Edmair 1968  : 63). Das Postulat richtet sich nicht nur an Produzenten oder Produktionszusammenhänge, sondern auch an Rezipienten und deren Handlungszusammenhänge. Richtiger und wichtiger aber ist  : Qualität ist nicht eine rollentypische, sondern interaktionstypische Kategorie der Bewertung der Verständigungsleistung im Sinne der pro-aktiven Wahrnehmung wechselseitig zugeschriebener bzw. unterstellter Kompetenzerwartungen. Wenn im Kontext der theoretischen Medienbeobachtung von Qualität die Rede ist und der Terminus Qualität als medientheoretisch bestimme Kategorie verwendet werden soll, dann kann es sich nicht zuerst um „den Medien“ zugeschriebene, unterstellte oder abverlangte Funktions- oder Leistungswerte handeln, sondern (logisch) zunächst um inhärente Werte der Beobachtung der Medialität der sozialen Praxis (im Kontext von Gesellschaft und Kommunikation). Gemeint sind damit Potenziale der Referenzialität, der Performance oder der diskursiven Deutung (Verteilung) von Gesellschaftlichkeit. Je mehr die Kultur des Mediengebrauchs zur eigentlichen Problemfrage von Medientheorie und Medienforschung wird, desto mehr rückt die Frage der Qualität ins Zentrum der Medienanalyse. Qualität ist aber keine Gegenstandsbeschreibung, sondern eine Beschreibung der Beobachtung eines Zustands bzw. Gegenstands im Hinblick auf Erwartungen, eine Attribution, die den Aktionen, Aktivitäten, Programmen, Institution oder Produkten zugeordnet, zugestanden, zugemutet oder unterstellt wird. Sie ist nicht durch –  333 –

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sich selbst objektiviert oder definiert, sondern durch Kriterien, denen man unterstellt, dass sie den Wert und die Kompetenz (Richtigkeit, Zuständigkeit, Wissen, Professionalität, Verantwortung) erkennbar und glaubwürdig machen. Die Kennzeichnung dieser Glaubwürdigkeit selbst ist wieder (nur) ein durch Kommunikation ermöglichtes Konstrukt, an dem Personen, Institutionen oder Organisationen beteiligt sind, die auf der Basis ihrer durch Wissen, Funktion und/oder Position begründeten Autorität selbst Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu beanspruchen öffentlich legitimiert sind. In diesem Sinne ist Qualität ein Referenzbegriff für Vertrauenserwartungen und Vertrauensunterstellungen zwischen Personen, Institutionen, Organisationen und Programmen, die einander im Interesse von Vertrauenswerten (z. B. Transparenz, Zugänglichkeit, Nachvollziehbarkeit, Berufsethos) beobachten und an dieser wechselseitigen Beobachtung auch, intrinsisch motiviert, interessiert sind. Insofern ist – im Kontext der Medienbeobachtung – Qualität nicht die Eigenschaft von objektiven, in den Medienstrukturen (Inhalt, Produktion, Formatierung etc.) gekennzeichneten Profilen, sondern ein an Werten der gesellschaftlichen Kommunikation interessiertes Konzept zur Beobachtung der in den Mediengebrauchsmustern gekennzeichneten Kriterien der Habitualisierung von Werten. Soziabilität/Gesellschaftlichkeit Es gehört zu den Grunderfahrungen des Menschen, dass er sich seiner selbst nur in Relation zu anderen Menschen vergewissern bzw. sich seiner selbst bewusst sein kann. Jedes „Ich bin“ ist linguistisch, grammatikalisch und im Sinne der logischen Organisation von Wahrnehmung und Beobachtung eine individuelle Aussage, kultursemantisch und im Sinne der Konstruktion von Sinn aber eine Sozial-Aussage mit dem Anspruch der Unterscheidung von dem immer mitgemeinten generalisierten Anderen. Beschreibung und Bestimmung von Selbst sind nur möglich unter der Bedingung der Unterstellung von (sozialer) Bezüglichkeit wie die Beschreibung des Anderen nur möglich ist unter der Bedingung der Wahrnehmung von Selbst. Die soziale Qualität des individuellen Seins ist nicht eine von außen zugefügte oder genötigte, sondern eine intrinsische, der Ich-Wahrnehmung inhärente Größe, ein paradigmatisches Interpretament des menschlichen Seins. Davon ausgehend versteht sich Soziabilität als ein theoretisches Konzept zur Bestimmung von Qualität, Intensität und Extensität von sozial kompetenten Haltungen (so genannte Soziative – qualitätsdefinierte Größen in der gesellschaftstheoretischen Interpretation von Kommunikation – wie Kompetenz (Fähigkeit, Bereitschaft, Verant–  334 –

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wortung), Bewusstsein, Engagement, Intervention, Solidarität, Verbundenheit Vertrauen etc). Im semantischer Nähe dieser Qualität von Soziabilität findet sich auch der Begriff der Gesellschaftlichkeit von Kommunikation als empirische, kritische, normative und pragmatische Deutungsgröße der gesellschaftlichen Organisation (Ausrichtung, Ordnung, Produktion) von Kommunikation und der Kommunikation (Reflexion, Rekonstruktion, Deutung) ihrer Organisation. Kommunikation vergesellschaftet nicht nur, sondern Gesellschaft ist, was ihre Kommunikation (am Ende) ausmacht. Wenn in Bezug auf diese theoretische Begrifflichkeit die Rede ist von der Verteilung von Gesellschaftlichkeit, dann ist nicht einfach nur ein quantitatives Modell der Verteilung gemeint (Versorgung), sondern ein qualitativ-partizipatives Modell (Beteiligung) im Sinne der Realisierung und Verifizierung von Soziabilität  : unter den Bedingungen der Medialität von Gesellschaft ist Kommunikation nicht das Mittel und nicht das Ergebnis von Gesellschaft, sondern das gesellschaftliche Geschehen an sich in den Parametern von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Beobachtung und Handlung. Sozialer Wandel/Medienwandel Wandel ist der Indikator für Geschichte, die als Veränderung und wegen der Veränderung des Geschehens wahrgenommen wird. Veränderung bindet und mobilisiert Aufmerksamkeit. Geschichte aber ist nicht einfach die Wiedergabe oder Beschreibung des Geschehens, sondern deren Beschriftung, also eine Aussage zum Geschehen, ein kognitives Konzept zur logischen (z. B. linearen, kausalen) Verknüpfung (Erklärung, Ordnung, Klassifikation) von Indikatoren der Veränderung. In diesen epistemologischen Kontext gestellt ist der „Soziale Wandel“ nicht einfach die Projektion einer Grunderfahrung, angewendet auf gesellschaftliche Zusammenhänge, sondern das eigentliche Konzept der Interpretation von Gesellschaft und Gesellschaftlichkeit  : Wandel als das Eigenschaftsmodell von Kommunikation und Gesellschaft, Wandel als das Grundmodell (Paradigma) von Kommunikation (zum einen der Kommunikationsmaterie  : Konstruktion von Welt, zum anderen des Kommunikationsgeschehens  : Medialität) im Hinblick auf deren Gesellschaftlichkeit und von Gesellschaftlichkeit (Gesellschaftsmaterie/Gesellschaftsgeschehen) im Hinblick auf deren Kommunikation (Kommunikationsmaterie/Kommunikationsgeschehen). In diesem theoretischen Umfeld ist Medienwandel nicht einfach ein Begriff zur Feststellung des sozialen/kulturellen/strukturellen Wandels im Umfeld des –  335 –

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Mediengebrauchs (Inhalte, Rollen, Zusammenhänge), sondern ein interpretatives Konzept zur wissenschaftlichen Verständigung über das kulturelle Programm (Medialität) von Gesellschaft und das gesellschaftliche Programm von Mediengebrauchsmustern (Medienkultur), deren Mediate und deren Mediative. Täuschungsvertrag Um der einseitigen und linear-kausal gedachten Vorstellung der Beeinflussung des Anderen (Publikum) durch den Einen (Produzenten, „die Medien“) und des durch diesen Einfluss (Macht) für erreichbar gehaltenen Ergebnisses (Wirkung) einen theoretischen Riegel vorzuschieben, wurde das Theorem des Täuschungsvertrags formuliert. Es besagt ganz einfach, dass, wenn man unterstellt, dass Medien das infrastrukturelle Ambiente der Verständigung der Gesellschaft in ihren diversen Kontexten der sozialen Praxis (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Alltag etc.) sind, jede – vor allem die medienabstrahierte – Verständigung, solange man sie als die soziale Praxis der Wahrnehmung und Unterstellung von Rollen betrachtet, auf einem Arrangement von Medialität beruht, in dem der Grad an wechselseitiger Täuschung nicht nur zufällig gegeben, sondern ein Merkmal der Qualifikation des Kommunikationscharakters ist  : Rollenkompetenz als Maskenspiel. Als direkte oder indirekte Medienproduzenten und als Medienkonsumenten sind die Akteure der gesellschaftlichen Verständigung auf Unterstellungen (Verallgemeinerungen, Projektionen etc.) und damit auf einen Grad der medial (symbolisch-interaktiv) bedingten Beliebigkeit (Willkürlichkeit) der Verständigung angewiesen, die einer stillen Übereinkunft gleichkommt, in dem ein mögliches Potenzial an Täuschung eingerechnet wird (werden muss). Das gilt sowohl für die Wahrnehmung und Einschätzung von Menschen (Authentizitätsrisiko) wie auch für die ihnen zugerechneten Handlungen und Botschaften (Wahrheitsrisiko). Wie schon so oft betont, sind Medien – im Sinne ihrer kulturtheoretisch ausgelegten Bedeutung – virtuelle Agenturen der sozialen Kontextualisierung der Deutung von Welt und in diesem Rahmen kulturelle Dispositive der Verständigung der Gesellschaft über sich selbst. Ihre kulturelle und gesellschaftliche Relevanz begründet sich – medientheoretisch betrachtet – aber nicht aus der Apparatur, nicht nur aus der Organisation und auch nicht nur aus ihrer Systemlogik, sondern aus deren lebensweltlich und/oder systemisch (vgl. Habermas/Luhmann 1971) strukturierten Gebrauchszusammenhängen, die, weil die Gebrauchskompetenzen (Zugang, Wissen, Zuständigkeit, Verantwortung, Skills) durch die Logik (und durch den Druck) der Systeme aus Technik, Ökonomie, Professionalisierung und Organisation funktionalisiert sind, ar–  336 –

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beitsteilig strukturiert und spezifiziert sind. In diesem medialen Komplex fallen Menschen als (frei verfügende) Individuen (Personen) im allerseits eingeübten Beobachtungszusammenhang von verfügender und verfügter Technik, Ökonomie und Organisation nur auf, wenn sie den Rahmen (das Fenster) der „öffentlichen Persönlichkeitswahrnehmung“ (vgl. Luft/Ingham 1955) dezidiert mit intrinsisch motivierten Botschaften („innere“, subjektive und private Persönlichkeitswahrnehmung“) aufladen. Sind z. B. Journalisten oder Rezipienten an einer wechselseitigen Einsichtnahme oder Einsichtgabe ihrer persönlichprivaten Haltungen, Meinungen, Dispositionen etc. nicht engagiert oder ihres Rollenverständnisses wegen schon gar nicht daran interessiert, dann überdeckt (im Sinne des johari-Windows – vgl. Luft/Ingham 1955) das weite und zugleich flache und oberflächliche Fenster die Differenzierungen der individuell-persönlichen Einsichtigkeit und vergrößert zugleich den möglichen blinden Fleck (Blindfenster), ganz abgesehen davon, dass in einem solchen Kommunikationsmuster die Sedimente der verdrängten und in Dialogen und Diskursen nicht aufgearbeiteten Eigenthemen zunehmend („selbstbewusst“) verkrusten. Das wechselseitige (soziale, ästhetische und moralische) Verhältnis dieser in ihren Rollen verarmten Personen ist durch Technik, Organisation, Medienordnungsmuster und Professionalisierung des Mediengebrauchs (Mediencode) zueinander gewissermaßen vertraglich arrangiert. Anders würde der Medienaustausch zu überkomplexen Umständlichkeiten führen, die sich niemand leisten oder aufhalsen will (vgl. Huxley 1953)  : in der schönen neuen Welt mitgehangen, mitgefangen. Der Vertrag beinhaltet ein diffuses Commitment im Hinblick auf die kulturelle (ästhetische und ethische) Qualität ihrer wechselseitigen Verwiesenheit und betrifft darin eingeschlossene Wertebilder und Geltungsansprüche wie Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Stimmigkeit, Verlässlichkeit, kritische Kontrolle (vgl. dazu Habermas 1981), balanciert also die Unwägbarkeiten zwischen Erwartung, Erfüllung und Enttäuschung. So gesehen könnte man Medien (so sie real überhaupt etwas mit idealgefasster Kommunikation zu tun haben) ebenso als in diffuser Regelung von Erwartungserwartungen operierende Komplexe eines impliziten gesellschaftlichen Vertrages verstehen, in dem die Option der Täuschung miteingerechnet wird  : Die verallgemeinernde Kennzeichnung des Selbst in den ästhetischen Mustern und semantischen Gesten des Mediums (der Medialität, des Mediengebrauchs) macht jede soziale Interaktion zu einer symbolisch so gekennzeichneten, ohne die Gewissheit mitzuliefern, dass sie auch so gemeint ist. Es reduziert das Problem der Kontingenz, wenn sie miteingerechnet wird. In diesem Sinne wäre der Täuschungsvertrag das in den Strukturen der Medialität von Kommunikation und Gesellschaft implizit aufgenommene Ein–  337 –

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verständnis über die situativen Grenzen der Verständigung (vgl. Bauer 2009  : 67ff ). Diese Perspektive der implizierten Täuschung (könnte auch sein  : Ambiguitätstoleranz oder uncertainty avoidance – vgl. Hofstede 2010) betont einmal mehr, dass mediale Verständigung nicht einfach nur vermittelte Verständigung ist, sondern die Verständigung auf die Vermittlung, mitunter jenseits der dialektischen Eigentlichkeit von Kommunikation ist. Das ist diskurs-, nicht dialogtypisch (vgl. Flusser 1998  : 11ff ). Mediale Verständigung ist strukturell begründet tendenziell diskurslastig und dialogfaul, maximal im Verteilen von schon geteilter und so verflachter Erkenntnis, minimal im Generieren von Differenzierung und Eigentlichkeit (vgl. Flusser 1998  : 13ff ). Medientheoretisch lässt sich das Konzept – neben Vilém Flussers Diskurstheorie – aber auch im Hinblick auf Identitätstheorien bzw. Theorien des situativen Verstehens und jener der transaktionalen Dynamik von sozialen Beziehungen differenziert begründen (vgl. dazu Berne 2005, Schulz von Thun 2010). Es moniert kritisch den möglichen Verlust von, den Verzicht auf oder die tendenzielle Aufgabe der Position des unbedingten Vertrauens auf der Basis der Unterstellung der Verlässlichkeit auf Treue (Wahrheitsmaterie, Wahrheitsgeschehen). Mit kritischem Blick auf (z. B. politische) Medienkultur stellt sich die theoretische Frage nach Wahrheitsqualität und/ oder Täuschungspotenzial der auf Verähnlichungsrituale (Rollendruck) ausgerichteten oder angewiesenen Konsenskommunikation im Vergleich zur an Unterschied intrinsisch motiviert interessierten Differenzkommunikation (vgl. Bauer 2014b  : 34). Verstehende Wissenschaft/Empathie des Denkens und der Beobachtung Beobachtet man Kommunikation als die soziale Praxis von Individuen im Kontext ihrer individuellen gesellschaftlichen Lebenszusammenhänge, dann kann man ihre Leistung oder ihr Versagen, ihr Potenzial oder ihre Problematik nicht verständlich machen, wenn man sich nicht auf die subjektive Perspektive derer einlässt, deren Verhalten man analysiert. Unter dieser Voraussetzung hat jede theoretische Einordnung nur dann hinreichenden Erklärungswert, wenn die Deutungsperspektive aus der Situation (der Lage der Betroffenen) gewonnen und nicht dieser besserwissend aufgesetzt oder unterstellt wird. Weil ein in diesem Habitus der Empathie entworfener theoretischer Zugang davon ausgeht, dass es kein objektives, quasi klinisches Modell von kommunikativer Praxis, von Gesellschaft oder von ähnlichen sozial-definierten Konstrukten gibt, verlangt er auch eine induktive, sozial-hermeneutische Methodologie bzw. eine an der Beteiligung von Betroffenen interessierte (partizipative) Me–  338 –

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thodik der theoretischen Ausleuchtung. Konsequenterweise begibt sich die Verstehende Soziologie mit ihrer Beobachtung auf die semantische Ebene der Phänomene, die sie beobachtet und entwickelt ihre Theorien als Konzepte der Interpretation der Beobachtung sozialen Verhaltens. In ihrem Kontext wird Kommunikation nicht als Gegenstand von Erklärung, Ordnung und Klassifikation der sozialen Praxis, sondern als Konzept der Interpretation von Gesellschaftlichkeit (Soziabilität) verstanden  ; und Medien nicht als gegenständliche Struktur einer Apparatur im Dienste von oder zur Disposition für Rollen, Positionen und Funktionen definierten Gesellschaftsordnung analysiert, sondern als Konzept der Konkretion der Medialität von Gesellschaft und der Verteilung von Gesellschaftlichkeit. Das verlangt nach einer Reanimation von Hermeneutik im Kontext von Kommunikations- und Medienwissenschaft  : Kommunikationswissenschaft, die nicht sagt, was Sache (Kommunikation) ist, sondern zu verstehen gibt, warum die alltagstheoretische Beobachtung Kommunikation und deren Medialität wahrnimmt, wie sie sie wahrnimmt  : Was ist die Teleologie und was die Eschatologie dieser gesellschaftlichen Kultur der Konstruktion von Wirklichkeit, Wahrheit und Sinn  ? Wahrheit Im Kontext der theoretischen Beschreibung von Kommunikation, hier eben vor allem kulturtheoretisch und anthropologisch gedeutet und verstanden als Konstruktion von Wirklichkeit durch die sozial vermittelte Übereinstimmung der Bestimmung von Unbestimmtem, ist Wahrheit ein konstruktives Gut, eine intrinsische Qualität, die man verhindern, umgehen und der man ausweichen kann. Sie ist nicht abhängig von und nicht machbar durch Technik, ist nicht eine Qualität des Inhalts, sondern des Umgangs (Wahrnehmung) mit diesem. In diesem Sinne ist Wahrheit eine Qualität von Kompetenz (Fähigkeit, Zuständigkeit, Verantwortung), kein Ergebnis (Produkt), sondern eine Ausrichtung (Habitus) von Erwartung, Beobachtung und Handeln im Rahmen der sozialen Verhandlung von Sinn. Das schließt die Erkenntnis ein, dass es außerhalb von Kommunikation keinen Existenzraum, keinen Deutungsraum und schon gar nicht ein Lager für das gibt, was man (am Ende gerne) „die“ Wahrheit nennt. Im Rahmen der theoretischen Erschließung von Kommunikation ist Wahrheit ein sozial (nicht primär inhaltlich) erschlossenes Gut, eine Kategorie des Vertrauens (materialisiert in den Signaturen von Beziehung, Selbstoffenbarung, Geltungsansprüchen), selbst wenn die Signatur des Realen (des gemeinten Inhalts) unrichtig wäre – eine Qualifikation des Wahrheitsmodells, das der (abendländisch-christlich-europäischen) Tradition, die stärker auf die Wahr–  339 –

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heitsdefinition (Dogmatisierung) von Inhalten setzt, zuwiderläuft. In der sozialtheoretisch aufgenommenen Perspektive ist Wahrheit ein im Wege des Vertrauens gewonnenes Qualifikationsmodell, das sich auch nicht auf Lager oder auf Vorrat produzieren lässt oder so schon vorproduziert ist. Wahrheit ist immer kommunikationssituativ. Sie passiert im Moment der gedachten, vorgestellten, nachgestellten oder real verhandelten Kommunikation und ist in diesen Kontexten das sozial (oder auch  : parasozial, simuliert) verhandelte Momentum der Vermeidung von Unsicherheit (uncertainty – vgl. Hofstede 2010) in der Bestimmung von Unbestimmtem. In diesen Rahmen der Interpretation gestellt ist Wahrheit primär nicht ein Problem des Inhalts und daher nicht des Recht-Habens (Beweis von Wissensbesitz), sondern ein Postulat der wechselseitigen Ermöglichung des Im-Recht-Seins (Wissensverantwortung, Wissenszumutung). Wahrheit ist kein Beweisgut, sie lässt sich (als solche) nicht beweisen, sie lässt sich nur wissen, was einen kommunikationstheoretisch relevanten Unterschied macht  : Sie ist eine Wirklichkeitshaltung, mit der man „weiß“, dass man für eine wahrheitsfähige Wirklichkeitsverständigung aufeinander angewiesen ist und dass es in dieser wechselseitig vermittelten Abhängigkeit Grenzen der Zumutbarkeit gibt, die zu überschreiten unmoralisch (also erwartungswidrig, wahrheitswidrig) wäre. Erst in diesem Sinne ist Wahrheit eine produktive Kategorie der Kommunikation (Sinnstiftung). Dennoch stellt sich die Frage  : Gibt es ein Eigentlichkeits- bzw. ein Wahrheitsmodell von Kommunikation  ? Wenn es, wie eben unterstellt, ein Kommunikationsmodell von Wahrheit gibt, dann kann man sich auf ein solches nur berufen, wenn man auch umgekehrt ein Wahrheitsund Eigentlichkeitsmodell von Kommunikation denken kann. Wenn man behauptet zu wissen, wie man Wahrheit eigentlich kommuniziert, dann müsste man eigentlich auch wissen, wie man Kommunikation wahr macht. Was denn Kommunikation „in Wahrheit“ ist, bleibt der Wahrheitsfähigkeit der Kommunikation anheimgestellt. In diesem Sinne ist die Beschriftung der Wahrheitsvermutung das eigentliche Wahrheitsgeschehen (Bauer 2014b  : 28). Die Unterscheidung von Wahrheitsmaterie („innere Wahrheit“) und Wahrheitsgeschehen (Verstehen ihrer Deutungen) könnte dieses Dilemma lösen  : Kommunikation ist das Dispositiv des Wahrheitsgeschehens, es erschließt sich nicht im Austausch von Inhalten, sondern im Gebrauch ihrer Medialität. Wirklichkeit Unter der Prämisse einer kommunikationstheoretisch aufgesetzten Beschreibung von Wirklichkeit, ist Wirklichkeit nicht ein gegenständlicher Begriff, –  340 –

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nicht ein Ergebnis von Kommunikation, sondern das Referenzmodell von wechselseitig unterstellter Beobachtung und Beschreibung von Wissen, Bewusstsein und Vorstellung, in Bezug darauf sich die kommunikative Verständigung als der Versuch der Bestimmung des Unbestimmten verwirklicht. Kommunikation (Dialog und Diskurs) ist die soziale und kulturelle Infrastruktur der Vorstellung und Aufstellung von Wirklichkeit und Wirklichkeit ist die Bezugsgröße, mit Blick auf die das Übereinstimmungspotenzial der dafür verbrauchten (aufgewandten) Gesten, Bilder, Zeichen und Symbole ausgetestet werden. Aber Wirklichkeit ist nicht und muss nicht Wahrheit sein, dennoch ist und bleibt eben sie das größte Problem der Konstruktion von Wirklichkeit (vgl. dazu Mitterer 2011  : 25 ff )  : Zeichen, Sprachen, Bilder, Gesten, Symbole kennzeichnen nicht eine objektive Wirklichkeit, sondern deren Beobachtung. Wahr wird „die Wirklichkeit“, wenn sie zu „meiner Welt“ wird. Wahrheit ist in diesem Sinne das begriffliche Modell für eine sozial so und nicht anders verbindlich geteilte, in Zeichen und Bezeichnungen vergemeinschaftete und/oder verallgemeinerte (vergegenständlichte) Welt. Möchte man, dass wahr („meine Welt“) ist, was wirklich („eine Welt“) ist oder möchte man feststellen, ob und wie wahr die (Beobachtung der) Vorstellung von Wirklichkeit ist, muss man sie kommunizieren, das heißt in symbolischen Strukturen objektivieren, um die Verallgemeinerbarkeit von Vorstellungen dadurch zu erreichen, dass man sie ihrer inneren und äußeren Differenz wegen einem (mehrseitigen, mindestens wechselseitig zugespieltem) Kontingenzbeobachtungsprogramm (das eine könnte das andere bedeuten) aussetzt. Wahrheitsverständigung ist in diesem Verfahren Wirklichkeitsverständigung unter den Bedingungen eines – kulturspezifisch geregelten – Kontingenztests (Welche Version von Wirklichkeit ist nicht nur möglich, sondern notwendig stimmig  ?), d.h. unter den Bedingungen der Vermehrbarkeit von Versionen eine Vereinbarung darüber zu finden, wie aus möglich unterschiedlichen Versionen eine möglich oder notwendig gemeinsame oder so auch verallgemeinerbare Sinnversion einen Status an Verbindlichkeit erreichen kann, jenseits dessen ohne Verletzung der moralischen Grundsätze des Vertrauens nichts mehr verändert werden kann. Dies muss in Zeichen gesetzt und gekennzeichnet sein. Zeichen sind kulturell geregelte Referenzgrößen der Wirklichkeit der Beobachtung und der Beobachtung von Wirklichkeit. Obwohl sie nur strukturelle Interpretationsmuster sind für das, was sie kulturell (im Sinne von Deutungsoptionen) bezeichnen, bewirken sie, was sie bezeichnen. Möchte man wissen, ob wahr ist, was als wirklich bezeichnet ist, braucht es also den Nachweis (Beweis) der Sprachverwendung und der – jeweils der unterschiedlichen Sprachverwendung zuordenbaren (möglicherweise aber auch wirklichkeitsverschiedenen – vgl. dazu Mitterer 2011  : –  341 –

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26) – Beschreibungskultur. In diesem Sinne kennzeichnen die „Grenzen meiner Sprache“ die „Grenzen meiner Welt“ (vgl. Wittgenstein 1963, These 5.6). Von allem, was ist, wissen wir, dass es ist, weil wir es beobachten und dass es so ist, wie wir es beobachten. Es geht dabei um den konstruktiven (im wissenschaftlichen Kontext um den konstruktivistischen bzw. konstruktionslogischen) WeltBegriff  : Unsere Beobachtung richtet sich nicht auf die Welt, wie sie ist, sondern darauf, wie wir uns vorstellen, dass sie ist, sein kann oder sein soll. In diesem Sinne ist die Beobachtung von Welt immer produktiv, allerdings ambivalent zwischen Affirmation und Emanzipation. Im Kontext von Wissenschaft (Beobachtung von Beobachtung) schafft sie erst Wissen, wenn sie das Potenzial (Kunst und Technik der Wissenschaft) nützt, sich in Theorie und Methode über sich selbst hinaus zu fordern und Sphären des Noch-nicht-Gewussten zu erschließen. In diesem emanzipatorischen Habitus ist sie (empirisch, pragmatisch, kritisch, normativ) produktiv. Sie generiert, produziert, erweitert und vertieft Erfahrung, Deutungs- und Handlungsmuster, Kriterien der Unterscheidung und Werte der Deutung im Wege der sozialen Praxis. Wissen/Glauben – Konfigurationsmedien Hier wird nicht von religiösem Glauben gesprochen, sondern von Glaube als einem kulturellen Habitus, von konzeptuellem Wissen und inspirativer Gewissheit. Beide Termini, Wissen und Glauben, beziehen ihre Deutungen aus dem möglichen Verhältnis zur Vorstellung von Wahrheit und – vor allem – deren Kommunizierbarkeit. Die beiden Termini ergänzen und begründen einander genau im Hinblick auf den je unterschiedlich eingemahnten Wahrheitsanspruch, wie Innensicht und Drauf-Sicht (Innenbetrachtung und Außenbetrachtung)  : Man weiß, wenn man (es) glaubt und man glaubt, wenn man (es) weiß. Im Kontext von Kommunikation als Konstruktion von Wirklichkeit und als Bestimmung des Unbestimmten meint Glaube aber nicht eine Einstellung, die sich von Wissen als deren Gegenteil oder Gegensatz abhebt, sondern umschreibt das intrinsische Moment des Wahrheitsmotivs des Wissens, gedacht – wie Wissen auch – als Haltung (Habitus) des Verstehens, nicht als Besitz oder Sammlung (Akkumulation) von Verstandenem. „Das Wissen“ und „der Glaube“ sind allerdings Verallgemeinerungen und Abstraktionen von situativ, individuell und kulturell äußerst verschieden veranlagten Mediaten (Vermittlungsindikatoren) und Mediativen (sozial und kulturell gemeinten Vermittlungsmustern). Glaube repräsentiert eine Wahrheitshaltung jenseits der Frage nach deren Wirklichkeit, schließt aber die Kategorien von Sinn (Nützlichkeit, Ästhetik –  342 –

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und Ethik) mit ein, am stärksten gefordert dort, wo es offensichtlich nicht um mögliche Objekte einerseits und nicht um eine mögliche oder gar notwendige objektive Erkenntnis andererseits geht, sondern um Vorstellungen des Realen, um zur Konstruktion von Realität und zur Bestimmung des Unbestimmten offenbar für sinn-notwendig und sinn-nützlich gehaltenen (kontingenten) Optionen des Realen  : eben deren Mysterien. Wissen ist ebenfalls (wie eben beschrieben  : Glaube) ein verallgemeinertes und verallgemeinerndes Konfigurationsmedium, eine (allerdings durch die Logik der Ordnung und die Ordnung der Logik) als Zusammenhang gedachte Referenzgröße der mehr oder minder assoziativen Verständigung. Sie operiert auf Basis entsprechend spezifischer, symbolisch aufgeladener interaktionaler Infrastruktur (Mediaten wie  : Theorien, Definitionen, Hypothesen, Daten etc.) und repräsentiert so eine mediale Konfiguration der Sinn-Interpretation des Lebens, wenn auch in einem kohärentem Habitus – anders als die Verallgemeinerung des Glaubens – als Verallgemeinerung der Sinnfähigkeit von Erfahrung und Beobachtung. Wissen/Verstehen Hier wird nicht von Wissen im Sinne eines Beweismodells gesprochen, sondern in dem eines Wissensmodells zu dem, was den intrinsischen Sinn (Nutzen, Ästhetik, Ethik) von Kommunikation ausmacht  : Wissen als analoge Matrize für ein (sonst) unbestimmtes Verstehen. Wissen ist ein Konzept des Verstehens von (sonst) Unbestimmtem, ein Weg zur Bestimmung der möglichen Deutung von Welt. Vor all dem in Erinnerung und Außenwendung gelagerten (kumulierten, kodifizierten und gespeicherten) Wissen aber ist Wissen ein Programm der Erinnerung im Sinne der Wahrnehmung der Innenwendungen und Innenwindungen des eigentlich Gemeinten und der Innewerdung der gemeinten Eigentlichkeit einer Erfahrung, einer Beobachtung, einer Ansicht oder einer Vorstellung. In diesem Sinne ist Wissen nicht das Gegenteil von Glauben oder Ahnung, sondern – im Sinne von Gewissheit – die zu jeder Zeit, in jeder Situation, für jedweden und von jedwedem abrufbare (weil ausgesagte, nach außen gesagte und so außengewandte) Gültigkeit dessen, was man (auch so) zu wissen glaubt. So „weiß“ man – gesellschaftlich kontextualisiert – die Ideen- und Sinnmodelle von Kommunikation (Vergemeinschaftung und Verständigung unter den Bedingungen von sozialem Interesse, Liefertreue, Verantwortung, Partizipation, Authentizität, Transparenz, Freiheit etc.) wie die von Politik, Religion, Gesellschaft, Kultur etc., auch wenn sie in der alltäglichen Praxis oft weit davon abweichen. Verstehen und Beobachten, Sinn –  343 –

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und Erfahrung sind die Pole der diesen Konzepten der Bestimmung von Welt inhärenten dialektischen Dynamik. In diesem Sinne ist Wissen ein Terminus, der zunächst der Alltagsbeobachtung zuzuordnen ist und eben dessen theoretische (sinnordnende) Leistung darstellt  : Wissen ist ein generatives Modell von alltäglichem Verstehen, es ist die alltagstheoretisch geordnete bzw. programmierte Erinnerung, mit der jeweils neues Wissen auf Basis jeweils neuer bzw. erweiterter oder vertiefter Beobachtung generiert und gekennzeichnet werden kann. Wissenschaft Das Kommunikationswissen des Alltags und dessen sprachliche Metaphorik beruht auf sozial geteilter, wechselseitig unterstellter und zugemuteter Beobachtung. Diese Beobachtung ist im Vergleich zur wissenschaftlich organisierten Beobachtung methodisch beliebiger, offener, situativer, elastischer, subjektiver, wenngleich auch nicht einfach zufällig, nicht nur empirisch, sondern zugleich normativ, kritisch und pragmatisch. Eine interessensfreie Beobachtung gibt es nicht, weder im Kontext von Alltags-, noch in dem von Wissenschaftsbeobachtung. In jeder Beobachtung ist man ein interontisches Moment (ein Ur-Teil) der Beobachtung, mit der man die Ontologie des Beobachteten entscheidend mitformuliert. Der Sozialwissenschafter beobachtet, wenn er gesellschaftliche Zusammenhänge beobachtet, um sie zu analysieren und zu bewerten, nicht objektive und für sich oder aus sich existierende Zusammenhänge, sondern, wie er diese Zusammenhänge gelernt hat zu denken, zu beobachten und zu analysieren. Gesellschaft ist das Konstrukt im kognitiven Setting der Wissenschaft bzw. des in ihren Konzepten geschulten Wissenschafters. In jeder Beobachtung schreibt sich der Standpunkt, aus dem man beobachtet, ein in das, was man und wie man (dieses) beobachtet. In jede Beobachtung mischt sich das normative, kritische und pragmatische Interesse (wortgetreu  : Dazwischen-Sein) jener Wissensmodelle ein, mit denen man beobachtet und die eine solche allererst ermöglichen. Stellt man dies in Rechnung, dann liegt die Zeichenmacht der Wissenschaft, hier speziell der Kommunikationswissenschaft, nicht in der nochmaligen Objektivierung dessen, was man (alltagswissenschaftlich) schon weiß, wenngleich in systematisch geordneter Version, sondern in der Bezugnahme auf konzeptuelle Referenzmodelle, durch die erklärt, geordnet, klassifiziert, problematisiert und (eventuell) prognostiziert werden kann, warum und wie die Alltagsgesellschaft sich im Hinblick auf ihre Kommunikations- und Medienphänomene interpretiert, wie sie sich deutet, welche Probleme der Selbst–  344 –

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beobachtung und Selbstgestaltung sie sich dabei auflastet, welche Möglichkeiten, Herausforderungen und Chancen der Gestaltung und Entwicklung sie ausblendet und mit welchen Problemen sie möglicherweise zu rechnen hat, wenn sie bestimmte Strukturen und Entwicklungen nicht hinreichend kritisch und explorativ überdenkt. Wissenschaftssprache/Alltagssprache Während die Alltagssprache die Komplexität dessen, was sie beobachtet und beschreibt, zu reduzieren versucht, ist es die Aufgabe von Wissenschaft Komplexität zu produzieren und ihre methodische Beobachtung genau um jenes Maß an Eventualität anzureichern, um deren Reduktion die Alltagsbeobachtung bemüht ist. Da jedweder Gedanke, jedwede Wahrnehmung, Beobachtung und Deutung nur im Kontext von Kommunikation (als sozial-kulturelle Referenz der Konstruktion von Wirklichkeit) real wird – und diese wiederum nur im Muster ihrer Medialität, ist Wirklichkeit eine solche erst, wenn sie bezeichnet wird oder werden kann. In diesem Sinne sind Sprache, Bild und Geste kultursystemische Reservoirs von Metaphern für die analoge Verähnlichung von möglich Gedachtem, Erlebtem und Verhandeltem. Alltagstheorien finden ihre Verähnlichung in Situations- und Kontextsprachen  : Kennzeichnungen der Wahrnehmung im Modus von Mimesis (Kunst-Komponente) und Technik (Regel-Komponente). Dieser in Sprache gebrachte Handlungs- und Lebenszusammenhang der Verständigung ist der Medienmodus (die Medialität) des Alltags. Wissenschaft ist die systemische Organisation der kommunikativen Bedingungen des Verstehens und des Austausches von Wissen im Rahmen spezifischer Medienumgebung  : Sprache, Regeln, Rituale. Da sie aber im Verhältnis zum Wahrnehmungskontext des Alltags einen meta-kontextuellen (metasprachlichen) Rahmen konstruiert, ist es ihre kreativ-konstruktive wie technisch-konstruktive Leistung, die soziale Ordnung der Verständigung nicht in situativen Beschreibungen mehr oder minder zufällig und je nach Toleranz der Umständlichkeiten von sozialen Beziehungen zu ermöglichen, sondern in formalsprachlich geregelten Beschriftungen sicherzustellen, was im Kontext der Kommunikationswissenschaft nicht heißt, außer Streit, sondern geradezu umgekehrt  : in Streit zu stellen. Die kommunikationswissenschaftliche Sprache kann keine Beweissprache sein, weil sie (das Wissenskonstrukt von Kommunikation) kein Objekt von Beweis-, Mess- oder Kontrollverfahren sein kann. Kommunikation ist im Kontext kulturtheoretischer Verständigung eine hermeneutische Größe, ein Interpretativ der Beobachtung der Soziabilität –  345 –

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des Menschen und der sozialen Realität im Modus von Gemeinschaft und Gesellschaft. Aus eben diesem Grunde kann die Sprache der Kommunikationswissenschaft nicht die Kontrollerwartungen des Beweises (Beweismodell) erfüllen, allerdings aber die Vertrauenserwartungen gegenüber diskursiven Ordnungen des Wissens (Wissensmodell). In diesem Sinne begründet das hermeneutische Paradigma der Formalversprachlichung von Kommunikationswissen im Kontext der sozial-diskursiven Ordnungsschemata von Wissenschaft nicht die Objektsprache, sondern die Konzeptsprache, nicht die Definitionssprache, sondern die Diskurssprache, nicht die Beweissprache, sondern die Vertrauenssprache. Es soll daher nicht verwundern, dass die Scientific Community trotz der Globalisierungseffekte in der Wissenschaft (z. B. die Fragmentierung und zunehmende methodenzentrierte Kleinteilung des holistischen Denkens im Journalformat des wissenschaftlichen Diskurses) – oder vielleicht sogar wegen dieser – nicht in semantischen oder begrifflichen Uniformen auftritt (auftreten darf ), sondern in der Diversität von metaphorisch und semantisch spezifischen Milieusprachen (angelsächsisch, mitteleuropäisch, südost-europäisch etc.). In diesem Sinne reflektieren die Kommunikationswissenschaften zu einem gewissen Grad auch die Diversität kulturtypischer Interpretation und erweitern so den Kontingenzhorizont des wissenschaftlichen Verstehens von Kommunikation. Ein Reichtum an Varietät, den man gerade im Hinblick auf Kommunikation als das kulturelle Modell von Wahrnehmung und Verständigung der Unterschiedlichkeit der Konstruktion von Wirklichkeit nicht Nivellierungseffekten durch Formalisierung aussetzen sollte. Reflexion ist die Kultursprache der verstehenden Wissenschaft. Dabei bildet sie nicht einfach das, was sie betrachtet, als gegenbildlichen Gegenstand der Spiegelung ab, sondern gibt wieder, wie sie betrachtet, was sie betrachtet. Das Konzept (die Idee) schreibt mit, so dass am Ende der Gegenstand der Betrachtung die Betrachtung des Konzepts (der Idee) einfordert.

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Bernhard Pelzl

die vermittelte Welt elemente für eine medientheorie

Es gehört zu jedermanns Erfahrung, dass Ereignisse von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen und widersprüchlich wiedergegeben werden – und auch, welche Folgen sich in Beziehungen daraus ergeben: etwa Vorwürfe, dass jemand manipuliere, weil er mit einer bestimmten Darstellung ein bestimmtes Interesse verfolge. Das Buch beschäftigt sich mit den Erklärungen, wie es zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und Wiedergaben kommt, und wie man damit umgehen kann. 2011. 326 S. Gb. 135 x 210 mm. ISbN 978-3-205-78666-5

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