Kommunalstrukturen in den Neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit [1 ed.] 9783428508280, 9783428108282

Mit dem vorliegenden Band legt der Vorstand des Kommunalwissenschaftlichen Institutes der Universität Potsdam den wissen

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Kommunalstrukturen in den Neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit [1 ed.]
 9783428508280, 9783428108282

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MICHAEL NIERHAUS (Hrsg.)

Kommunalstrukturen in den Neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit

Schriftenreihe des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam Herausgegeben von Prof. Dr. Werner Jann Prof. Dr. Wolfgang Losehelder Prof. Dr. Michael Nierhaus Prof. Dr. Christoph Reichard Prof. Dr. Martin Richter Prof. Dr. Dieter C. Umbach Prof. Dr. Dieter Wagner

Band 10

Kommunalstrukturen in den Neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit

Herausgegeben von Michael Nierhaus

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Kommunalstrukturen in den neuen Bundesländern nach 10 Jahren deutscher Einheit I Hrsg.: Michael Nierhaus. Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriftenreihe des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam ; Bd. 10) ISBN 3-428-10828-0

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0949-7730 ISBN 3-428-10828-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Vorwort des Herausgebers Mit dem vorliegendem Band legt der Vorstand des Kommunalwissenschaftlichen Institutes der Universität Potsdam den wissenschaftlichen, politischen und praktischen Ertrag seiner nunmehr bereits 7. Fachtagung im Jahresrhythmus vor. Über das Thema "Kommunalstrukturen in den Neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit" wurde zu einem Zeitpunkt diskutiert, als die Leitlinien der Regierung des Landes Brandenburg zur Kommunalreform noch nicht gesetzlich beschlossen waren. Dies ist nunmehr mit dem Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (GVBI. I S. 30) geschehen. Da Leitlinien und Reformgesetz übereinstimmen, sind die auf das Land Brandenburg bezogenen Beiträge weiterhin hochaktuell; sie werden die ab April 2002 beginnende kommunale Gebietsreform begleiten und im positiven Sinne beeinflussen. Die Aktualität des Bandes bezieht sich dariiber hinaus auf andere neue Bundesländer, in denen (teilweise erneute) Kommunalreformen auf der Tagungsordnung der Politik stehen. Potsdam, im Juli 2001

Prof Dr. Michael Nierhaus

Inhalt Eröffnung und Begrüßung durch Prof. Dr. Wolfgang Loschelder; Rektor der Universität Potsdam . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung durch Prof. Dr. Michael Nierhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zur Gemeindegebietsreform in Brandenburg Von Ulrich Hoffmann, Potsdarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gebietsreformen in den alten Ländern - Erfahrungen für die neuen Länder? Von Prof. Dr. Bernhard Stüer; Münster/Osnabriick

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Kommunale Gebietsreform im Freistaat Sachsen Von Dr. Fritz Schnabel, Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Durchführung und Ergebnisse der kommunalen Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern Von Prof. Dr. Maximilian Wallerath, Greifswald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ergebnisse aus den Arbeitskreisen AK 1: Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen kommunaler Gebietsreform (einschließlich Amtsgemeindemodell) Leitung: Prof. Dr. Michael Nierhaus (KWI) Von Oliver Klein, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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AK 2: Effizienz und Wirksamkeit alternativer Modelle für die Gemeindestrukturreform Leitung: Prof. Dr. Christoph Reichard (KWI) Von Christian Maaß, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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AK 3: Reform der Kommunalverwaltungen im Vergleich Leitung: Prof. Dr. Werner Jann (KWI) Von Dr. Jochen Franzke, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt Podiumsdiskussion

Leitung: Prof. Dr. Christoph Reichard, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Potsdamer Thesen zur Gemeindestrukturreform Von Prof. Dr. Christoph Reichard, Potsdam......... .... ............... ....... ..

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Autorenverzeichnis . . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . .. .. . .. . . . . . . . . . . . .. .. .

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Verzeichnis der Teilnehmer . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. .. . .. . . . . . . . . . . . . . .. .

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Eröffnung und Begrüßung Spectabilis! Verehrte Gäste! Kolleginnen und Kollegen! Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Kommilitoninnen und Kommilitonen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie zum Auftakt der 7. Fachtagung des Kommunalwissenschaftlichen Instituts unserer Universität Potsdam herzlich willkommen und freue mich, daß Sie der Einladung zu dieser Tagung in so großer Zahl gefolgt sind. Insbesondere begrüße ich die Referenten der heutigen Tagung: - Herrn Ministerialdirigenten Ulrich Hoffmann, Abteilungsleiter im Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, - Herrn Prof. Dr. Bernhard Stüer, Rechtsanwalt und Notar, Honorarprofessor an der Universität Osnabrück und Lehrbeauftragten an der Universität Münster, - Herrn Dr. Fritz Schnabel Referatsleiter im Sächsischen Staatsministerium des Innern sowie - Herrn Prof. Dr. Maximilian Wallerath, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Verwaltungslehre an der Universität Greifswald. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Bereitschaft, bei der diesjährigen Tagung einen tragenden Part zu übernehmen. Ferner begrüße meine Kollegen im Kommunalwissenschaftlichen Institut: - Herrn Prof. Dr. Christoph Reichard, Geschäftsführender Direktor des KWI, Professur Public Management, - Herrn Prof. Dr. Michael Nierhaus, Stellvertretender Geschäftsführender Direktor des KWI, Professur für Staatsrecht, Allgemeines Verfassungsrecht und Kommunalrecht - sowie Herrn Prof. Dr. Werner Jann, Mitglied des Vorstandes des KWI und Professur für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an unserer Universität. Ich danke Ihnen, daß Sie diese Tagung ausgerichtet haben und beziehe in diesen Dank ausdrücklich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die bei ihrer Vorbereitung und Durchführung mitgewirkt haben und mitwirken.

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Eröffnung und Begrüßung

Besonders erfreulich ist es, nicht nur für das KWI, sondern für die Universität insgesamt, daß unserer Einladung so zahlreich Abgeordnete des Brandenburger Landtages, des Berliner Abgeordnetenhauses sowie der Landtage des Freistaates Sachsens, von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gefolgt sind. Seien Sie herzlich willkommen! Herzlich begrüße ich weiterhin Herrn Dr. Matthias Dombert, Richter am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg. Ebenso gilt mein Gruß den neugewählten Mitgliedern des Kuratoriums des KWI, den Vertretern der Städte und Gemeinden, der Ämter und Landkreise, der Kommunalverbände, kommunalen Unternehmen und Sparkassenorganisationen sowie der Ministerien und der weiteren staatlichen Behörden und Einrichtungen. Dabei möchte ich ausdrücklich die große Zahl der Teilnehmer aus allen genannten Bereichen hervorheben, die aus anderen Bundesländern, zumal aus MecklenburgVorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen, den Weg nach Potsdam gefunden haben. Ich denke, dies ist eine schöne Bestätigung für die Arbeit des KWI und die Attraktivität des diesjährigen Tagungsprogramms. Denn, meine Damen und Herren, die Universität Potsdam weiß natürlich, über welchen Fundus an Fachkompetenz und interdisziplinärer Aktivität sie mit dem nunmehr seit sieben Jahren bestehenden Kommunalwissenschaftlichen Institut verfügt. Dies gilt nicht nur für die beteiligten Wissenschaftler und Disziplinen. Dies gilt für die Universität insgesamt. Die Bilanz, die das KWI über die Jahre hinweg in Lehre und Forschung, Weiterbildung und Beratung vorgelegt hat, ist beachtlich und hat sich kontinuierlich entwickelt. Projekte zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der kommunalen Selbstverwaltung, zur kommunalen Verwaltungsmodernisierung, zu gemeindlichen Organisationsformen und zu den kommunalen Finanzen sind erfolgreich durchgeführt worden. Weitere Projekte mit teilweise höchst aktuellen Fragestellungen für die kommunale Praxis befinden sich in Bearbeitung. Ich nenne nur als Stichworte "e-Government", die Finanzmanagementreformen in kommunalen Haushalten sowie die Stellung öffentlicher Unternehmen im EU-Binnenmarkt - hier liegt natürlich der Schwerpunkt bei den deutschen Sparkassen und Landesbanken, die unter zunehmendem, manche sagen sogar existenzbedrohenden Druck der Europäischen Beihilfenkontrolle stehen. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit werden regelmäßig im Rahmen des Instituskolloquiums, in der Schriftenreihe des KWI sowie in institutseigenen Publikationen wie den Arbeitsheften und dem KWI-Informationsheft öffentlich gemacht. Für die Universität Potsdam haben die Aktivitäten ihrer Interdisziplinären Zentren einen hohen Stellenwert. Denn diese Zentren sind ein wesentlicher Baustein der fakultätsübergreifenden Profilbildung und ein zentrales Element der Fach-, Fakultäts- und Hochschulgrenzen überschreitenden wissenschaftlichen Vernetzung, auf die die Universität von Anfang an angelegt war und ist. Entsprechend aufmerksam verfolgt die Universität die wissenschaftlichen Erfolge ihrer Zentren - und ebenso natürlich ihr erfolgreiches Wirken in die politische und gesellschaftliche

Eröffnung und Begrüßung

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Praxis hinein. In dieser Hinsicht nimmt das KWI, wie ich mit Befriedigung konstatiere, einen sehr guten Platz ein. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Begutachtung, die die Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs im vergangenen Jahr durchgeführt hat. Mit begrenzten finanziellen Mitteln wird hier wahrhaft Beachtliches geleistet - und so kann ich den Wunsch nach einer Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen natürlich gut verstehen und teile ihn auch, jedenfalls mittelfristig. Andererseits ist aber auch unübersehbar, daß die gegenwärtige schwierige Finanzsituation der Hochschulen in Brandenburg dazu zwingt, sich nach der Decke zu strecken, d. h. derartige Ziele mit einem gehörig langen Atem zu verfolgen. Meine Damen und Herren! Man darf es mittlerweile schon als eine Tradition bezeichnen, daß das KWI jährlich am Ende des Wintersemesters eine Fachtagung in der Verantwortung eines seiner Vorstandsmitglieder durchführt. Die heutige liegt in den bewährten Händen unseres verehrten Kollegen Michael Nierhaus, und ich zweifle nicht daran, daß sie an wissenschaftlichem und praktischem Gewinn die erfreuliche Linie ihrer Vorgänger fortsetzt. Die diesjährige Tagung widmet sich dem Thema "Kommunalstrukturen in den neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit". Bekanntlich wird zur Zeit im Land Brandenburg eine grundlegende Reform der Gemeindegebietsstrukturen vorbereitet. Dazu hat die Landesregierung bereits Leitlinien für die zukünftige Entwicklung der Gemeindestruktur vorgelegt und einen Gesetzentwurf verabschiedet, der vorsieht, daß es nach einer im März 2002 ablaufenden Phase für freiwillige Zusammenschlüsse keine Kleingemeinden mit weniger als 500 Einwohnern mehr geben soll - das sind bislang immerhin 60 % aller Gemeinden. Dieser Gesetzentwurf wird derzeit im Landtag wie im gesamten Land diskutiert. Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß die heutige Thematik wiederum "mitten im Leben" steht. Ich wünsche der Tagung, daß sie wissenschaftlich fundierte und weiterführende Beiträge für die öffentliche und parlamentarische Diskussion erbringt. Ich wünsche Ihnen anregende und produktive wissenschaftliche Vorträge und Diskussionen sowie interessante und angenehme persönliche Begegnungen. Vielen Dank!

Prof Dr. Wolfgang Losehelder Rektor der Universität Potsdam

Einführung Magnifizenz, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen! Im Namen des Vorstandes des KWI heiße auch ich Sie sehr herzlich willkommen zu unserer 7. Fachtagung in der Universität Potsdam. Ich danke dem Rektor, meinem Fakultätskollegen und dem Mitglied des Institutsvorstandes, Herrn Loschelder, für die freundlichen Worte der Begrüßung und die uns etwas verlegen machende Würdigung der bisher geleisteten Institutsarbeit. Die heutige Tagung ist dem Stand und der Weiterentwicklung der Kommunalstrukturen in den neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit gewidmet. Nachdem in den letzten beiden Jahren bundesweit die großen Themen "50 Jahre Grundgesetz" und seine zehnjährige Bewährung als "Einheitsverfassung" Deutschlands im Vordergrund der rechtswissenschaftliehen Diskussionen standen, wenden wir uns nunmehr Einzelproblemen zu, welche die Menschen vor Ort in ihren Dörfern und Städten bewegen, teilweise aber auch bedrücken (oder erzürnen). Derzeit ist wieder die Politik am Zuge und läßt den Verantwortlichen im Lande Brandenburg noch ein Jahr Zeit für ein möglichst "leitbildgerechtes" Zusammenwachsen oder Zusammenfinden ihrer Kommunen. Die Entscheidung der Landesregierung und des Landtages, Anfang der 90er Jahre zunächst auf eine Gemeindegebietsreform zu verzichten und mit der Amtsordnung auf eine Gemeindestrukturreform, flankiert durch Kreis- und Funktionalreformen, zu setzen, 1 war sicherlich weise, weil sie dem Identifikationsbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl der Bevölkerung und dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben diente (wie es die Bay. Verf. in Art. 11 Abs. 4 so treffend formuliert). Auf dem internationalen Symposium der Fritz-Thyssen-Stiftung zum Thema "Zehn Jahre Deutsche Einheit" 2 im September letzten Jahres konnte ich Gästen aus der ganzen Welt in Berlin erklären, welch wertvollen und unverzichtbaren Beitrag die Menschen durch ihr politisches Engagement vor Ort zum Aufbau der neuen Bundesländer, zum demokratisch-rechtsstaatliehen Aufbruch geleistet I Siehe dazu Nierhaus, in: ders. (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung. Europäische und Nationale Aspekte, 1996, S. 45ff. m. w. Nachw. 2 In: Stern (Hrsg.), Deutsche Wiedervereinigung, Bd. V, 10 Jahre Deutsche Einheit, 2001 , s. 141 ff.

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Einführung

haben. Diese unter heute kaum mehr vorstellbaren Umständen erbrachte Leistung war und ist historisch einmalig! Leider auch- aus heutiger Sicht- im wörtlichen Sinne, weil die ehrenamtliche Mitwirkung in Klein- und Kleinstgemeinden u. a. infolge defizitärer Finanzausstattung abnimmt. Nach der Landesverfassung war die Kommunalverfassung das wichtigste Gesetz des Landes Brandenburg. Die in ihr angelegten, durchweg kommunalfreundlich gestalteten Entwicklungschancen haben die Bürgerinnen und Bürger mutig ergriffen und ihr gemeindliches Eigenleben weitgehend ohne staatlichen oktroi organisiert. Diese Erneuerung des Staates von unten und von innen heraus nach 50 Jahren selbstverwaltungsloser Zeit braucht den Vergleich mit den Reformen des Reichsfreiherrn vom und zum Stein wahrlich nicht zu scheuen. Das Land Brandenburg hat - entgegen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt3 - die verfassungsrechtlich durch Art. 28 II GG (i. V. m. Art. 97 LVerf.) vorgegebene Freiwilligkeitsphase auf über zehn Jahre ausgedehnt. In dieser Zeit hat die Zahl der brandenburgischen Gemeinden von knapp 1.800 auf derzeit noch 1.479 abgenommen. In dieser Entwicklung steckt wiederum ein hohes Maß an eigenverantwortlichem Umgang mit der positiven, aber eben auch negativen Kooperationshoheit der Kommunen, die Ausfluß ihrer verfassungsgarantierten Organisationsgewalt ist, ihre Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu erledigen. Der Schutz der Verfassung ist nunmehr in zeitlicher Hinsicht abgelaufen, in sachlich-inhaltlicher indes keineswegs: Die institutionelle, aber durchaus auch individuelle (subjektive) Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zielt auf einen demokratisch legitimierten dezentralen Staatsaufbau mit in der örtlichen Gemeinschaft liegenden Wurzeln und ihren Integrationswerten: dem historisch gewachsenen Zusammengehörigkeitsgefühl der örtlichen Verbundenheit im Spannungsfeld zu der nunmehr notwendigen Akzeptanz der Neugliederungsmaßnahmen. Nach dem (wohl endgültigen) Scheitern des Orts- und Amtsgemeindemodells der Enquetekommission des Landtages sind dies nach den Leitbildvorstellungen der Landesregierung für die Entwicklung der Gemeindestrukturen im Lande Brandenburg4 zwei Modelle: (l) die Einheitsgemeinde in der Form der amtsfreien Gemeinde mit Ortsteilverfassung im berlinnahen Entwicklungsraum einerseits und das weiterentwickelte Amt im äußeren Entwicklungsraum andererseits mit nur noch drei bis sechs amtsangehörigen Gemeinden, die mindestens je 500 Einwohner haben sollen. Welche Explosionskraft und Dramatik sich hinter diesem Konzept verbirgt, belegt eine einzige Zahl: Mehr als die Hälfte aller Gemeinden Brandenburgs, nämlich 861, haben weniger Einwohner! VerfG SA, LKV 1995,75 (79); LVerfGE 2, 227 (266). LT-Drucks. 3/1482 v. 18. 07. 2000. Entwurf des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg, LTDrucks. 3/2233; dazu Wilhelm, LKV 2001 , S. 11 ff.; siehe jetzt Gesetz v. 13. März 2001 (GVBI. I, S. 30). 3 4

Einführung

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Man braucht kein Prophet zu sein, nur Beobachter und leidvoller Begleiter der in den 60er und 70er Jahren in den alten Bundesländern durchgeführten, teilweise zu groß dimensionierten und zu schematisch angelegten Gebietsreformen, um vorherzusagen, daß viele Klein- und Kleinstgemeinden um ihr Überleben in gewachsenen Amtsstrukturen kämpfen werden. Ihnen schallt bereits seit einiger Zeit der furchteinflößende Satz Gorbatschows entgegen: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Unser hochverehrtes Ehrenmitglied des Kuratoriums des KWI, Herr Professor Georg-Christoph von Unruh, hat mit Blick auf Schleswig-Holstein vor einiger Zeit gesagt: "Die schönste Gemeinde ist das kleine Dorf." Es sei auch lebensfähig. Aber gilt dieser Satz auch heute noch, insbesondere in den neuen Bundesländern unter den Bedingungen allerorts zu beklagender kommunaler Finanznöte? Ist die legendäre Antwort Hans-Julius Wolffs auf die Frage, was denn kommunale Selbstverwaltung im Kern ausmache, noch gültig, nämlich "auf eigene Kosten Dummheiten zu machen"? Der den Gemeinden vom Verfassungsgericht des Landes Brandenburg zugestandene Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung, 5 den auch ich nahezu zeitgleich - allerdings abweichend vom Landesverfassungsgericht in verfassungsunmittelbarer Ableitung - bejaht habe6 , steht freilich unter dem ebenso zutreffenden wie rigorosen Vorbehalt äußerst sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung. Was immer die Vorträge und Diskussionen am heutigen Tage sowie die Reformen in diesem und den anderen Ländern in naher Zukunft ergeben mögen, eines bin ich mir gewiß: Eine Kommunalreform wird nur gelingen und konsensualen Bestand haben, wenn sie nicht nur von staatlichen Ordnungs- und Effizienzvorstellungen geprägt ist, sondern auch von kommunalen Integrationswerten getragen wird, die langfristige Akzeptanz verbürgen. 7 Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, ist ein Ländervergleich der kommunalen Strukturen unverzichtbar. Für die neuen Bundesländer wird besonders im Auge zu behalten sein, daß ihre Kommunalstrukturen als zarte Pflanzen aus der verbrannten Erde selbstverwaltungsloser Zeit gewachsen sind und mit ihnen besonders pfleglich umzugehen ist. Bereits aus zeitlichen Gründen war es dem Vorstand leider nicht möglich, Repräsentanten aus allen neuen Bundesländern zu Vorträgen einzuladen, neben dem Freistaat Thüringen mit weitgehend abgeschlossener Kommunalreform auch Sachsen-Anhalt, das vor einem weiteren abschließenden Reformschritt steht. Vertreter dieser Länder sind aber dankenswerter Weise zahlreich im Auditorium vertreten und werden hier und in den Arbeitskreisen die Diskussionen beleben. s VerfG Bbg., NVwZ-RR 2000, 129ff.; siehe dazu Nierhaus, in: Festschrift Maurer, 2001,

s. 1043 (1050ff.).

6 Nierhaus/Gebhardt, Zur Ausfallhaftung des Staates für zahlungsunfähige Kommunen, 1999, m. umf. Nachw. 7 Siehe dazu Stüer, in: J. Ipsen I Stüer (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung in Europa, Symposium aus Anlaß des 60. Geburtstages von Prof. Dr. H.-W Rengeling, 1998, S. 91 (113 ff. ).

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Einführung

Herr Ministerialdirigent Ulrich Hoffmann, mir persönlich bekannt aus gemeinsamen Studienjahren in Bonn, Leiter der Kommunalabteilung des Ministeriums des lnnern des Landes Brandenburg, hat den brandenburgischen Part übernommen und wird zum Leitbild der Landesregierung für die hiesige Entwicklung der Gemeindestruktur sprechen. Herr Rechtsanwalt und Notar Dr. Bemhard Stüer, zugleich Honorarprofessor an der Universität Osnabrück und Lehrbeauftragter seiner Heimatfakultät an der Universität Münster, schlägt den großen Bogen von West nach Ost. Er ist dafür gleichermaßen prädestiniert, weil er größtenteils an der Seite seines bedeutenden Lehrers Prof. Dr. Wemer Hoppe die kommunalen Gebietsreformen in den alten Bundesländern forensisch und literarisch begleitet hat und heute teilweise (nicht nur in Planungsfragen) auch in den neuen Bundesländern engagiert war und ist. Es folgt der Vortrag des Referatsleiters des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren, Herrn Dr. Fritz Schnabel, zu Durchführung und Ergebnissen der Kommunalreform im Freistaat Sachsen. Herr Dr. Schnabel ist mir bekannt geworden als sympathischer Verfechter des kooperativen Föderalismus, der zunehmend durch den Wettbewerbsföderalismus verdrängt zu werden droht. Abschließend wird mein Staatsrechtslehrerkollege Prof. Dr. Maximilian Wallerath, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Verwaltungslehre an der Juristischen Fakultät der Universität Greifswald und Mitglied des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, zu dem gleichen Thema aus der für Brandenburg wohl am ehesten vergleichbaren Sicht Mecklenburg-Vorpommerns sprechen. Herr Wallerath verfügt über langjährige Kommunalerfahrungen, die er bereits als Direktor des Studieninstitutes für kommunale Verwaltung im Regierungsbezirk Köln gesammelt hat. Ich bitte Sie, Herr Hoffmann, nunmehr zu Ihrem Referat. Prof Dr. Michael Nierhaus Stellvertretender Geschäftsführender Direktor des KWI

Zur Gemeindegebietsreform in Brandenburg Von Ulrich Hoffmann, Potsdam

Vor die Wissenschaft gehören die Fakten. Unter diese Prämisse möchte ich meine Aussagen zur Brandenburger Kommunalgeschichte, zur Schwächeanalyse des Ist-Zustandes der kommunalen Ebene sowie zu den Lösungsansätzen der Landesregierung in Form der im Juli 2000 beschlossenen Leitlinien über die Entwicklung der Gemeindestrukuren im Land Brandenburg stellen. Mit der Wiedergeburt des Landes Brandenburg am 4. 10. 1990 bestand das Land auf kommunaler Ebene aus 1.793 Gemeinden, einschließlich sechs kreisfreier Städte und aus 38 Landkreisen. Die Zahl der Gemeinden erreichte 1992 durch Angliederung von Gemeinden aus Mecklenburg-Vorpommem im Rahmen eines Staatsvertrages vom 1. 8. 1992, einen Höchststand von 1.813, um dann schon im Jahre 1993, dem Tag der ersten allgemeinen Kommunalwahl im neuen Bundesland, durch drei zuvor beschlossene Gemeindegliederungsgesetze mit umfangreichen, überwiegend freiwilligen Eingemeindungen und Zusammenschlüssen auf genau 1.700 zu sinken. Schon bei den ersten Besprechungen im noch im Aufbau befindlichen Innenministerium mit den Beratern aus Nordrhein-Westfalen wurde klar, daß weder die hohe Anzahl der Kreise noch die kleinteilige Struktur der Gemeindeebene dauerhaft eine substanzielle Verwaltungskraft bieten können. Die kleinste Gemeinde hatte gerade einmal 30 Einwohner, der kleinste Kreis unter 90.000 Einwohner. Relativ schnell bestand Einigkeit dariiber, daß eine Kreisneugliederung erforderlich sei, die letztlich am 6. 12. 1993 durch Kreisneugliederungsgesetze durchgeführt wurde und die 38 Kreise auf 14 sowie die sechs kreisfreien Städte auf vier reduzierte. Es gab zwei Anfechtungen gegen diese Neugliederung vor dem Landesverfassungsgericht - ein verbundener Eilantrag von zwei kreisfreien Städten, die die Kreisfreiheit verlieren sollten und ein Landkreis; dariiber hinaus klagte ein Landkreis in der Hauptsache. Die gesetzgebensehe Entscheidung wurde ausnahmslos bestätigt. Hinsichtlich der Neuordnung der gemeindlichen Ebene wurde zwischen einer Gemeindegebietsreform und Modellen der BündeJung der gemeindlichen Verwaltungskraft in Ämter intensiv abgewogen. Obwohl im Hinblick auf die K1einteilig2 Nierhaus

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keit der Gemeinden klar war, daß schon mittelfristig eine Neugliederung erforderlich sein würde, entschied man sich für die Einführung eines Ämtermodells. Tragende Gründe hierfür waren, daß man den Bürgern einen neuen weiteren Umbruch nicht zumuten wollte und zugleich die Gemeinden als Keimzelle des Hereinwachsens in die neue Gesellschaftsordnung betrachtete. In der Amtsordnung vom 31. 12. 1991 wurden drei verschiedene Modelle für die freiwillige Ämterbildung vorgegeben: Bei Modell 1, dem klassischen Ämtermodell schließen sich Gemeinden unter Berücksichtigung der örtlichen Zusammenhänge, insbesondere Wege-, Verkehrs-, Schul- und Wirtschaftsverhältnisse, aber auch kirchlicher, kultureller und geschichtlicher Beziehungen zu einer Amtsverwaltung zusammen, die mindestens 5.000 Einwohner erreichen soll. Das Amt ist Bund-Körperschaft, ihm steht ein Amtsdirektor vor, der von einem Amtsausschuß, der aus Vertretern der amtsangehörigen Gemeinden gebildet wird, gewählt wird. Das Amt tritt als Träger von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung an Stelle der amtsangehörigen Gemeinden. Diese Aufgaben sind insbesondere alle durch Gesetz oder Verordnung übertragenen Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Darüber hinaus können auch Selbstverwaltungsangelegenheiten durch die Gemeinden auf das Amt übertragen werden. Bei dem Ämtermodell 2 bedient sich das Amt der Verwaltung einer dem Amt angehörenden über 5.000 Einwohner großen Gemeinde. Der dort gewählte hauptamtliche Bürgermeister ist zugleich Amtsdirektor. Modell 3 schließlich unterscheidet sich hiervon dadurch, daß diese Aufgabe unter den selben Voraussetzungen auf eine nicht amtsangehörige Gemeinde übertragen werden kann.

Im Verlauf der Ämterbildung bildeten sich 140 Ämter nach Modell 1, 19 Ämter nach Modell 2 und lediglich ein Amt nach Modell 3 heraus. Die Zahl der Ämter verringerte sich bis 1998 auf 152, da die Gemeinden von sieben Ämtern sich zu amtsfreien Gemeinden zusammenschlossen oder in einem Fall sich mit einer amtsfreien Stadt verbanden. Nicht zuletzt deshalb ging auch die Zahl der amtsangehörigen Gemeinden zurück. Ein Prozeß, der auch durch freiwillige Zusammenschlüsse von einzelnen Gemeinden innerhalb eines Amtes stattfand. So waren zum Stichtag 31. 12. 1997 noch 1.567 Gemeinden in Brandenburg gegeben. Diese Zahl sank bis zum 31. 12. 2000 nur auf 1.474, also 93 Gemeinden weniger innerhalb von drei Jahren, obwohl das Land für die Zusammenschlüsse von Gemeinden seit 1996 eine sogenannte Zielprämie gezahlt hat, die sich anfangs bei gewissen Differenzierungen, je nachdem ob ein Zusammenschluß zu einer neuen Gemeinde oder Anschluß an eine größere Gemeinde stattfand, auf 400,- DM belief und im Gemeindefinanzierungsgesetz für 2001 auf 200,- DM je Einwohner begrenzt ist.

Zur Gemeindegebietsreform in Brandenburg

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Auch wenn die Aufbausituation in der ersten Legislaturperiode des Landtages Brandenburg eine weiterführende Diskussion über eine Gemeindegebietsreform überlagerte, sah sich schon der 2. Landtag von Beginn an mit diesem Thema konfrontiert, da sich die Schwächen der Ämter, insbesondere im engen Verflechtungsraum um Berlin und in Regionen mit Mittelzentren oder verdichtetem Kern, immer deutlicher zeigte. Da in der die Regierungen tragenden Mehrheitsfraktion keine Mehrheit für eine sofortige Reform gegeben war, faßte der Landtag am 13. Mai 1997 den Beschluß zur Einsetzung einer Enquete-Kommission: Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg. Im Ergebnis hat die Enquete-Kommission jedoch weniger Vorschläge für eine Gemeindegebietsreform als vielmehr für die Einführung einer neuen Gemeindeform der sogenannten "Amtsgemeinde" gemacht. Die bestehenden Ämter sollen nach diesem Modell zu Gebietskörperschaften mit wichtigen ortsgemeindeübergreifenden Selbstverwaltungsaufgaben entwickelt werden. Die so gebildete Amtsgemeinde nimmt ohne Einschränkung an der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Kernbestandes gemeindlicher Selbstverwaltung teil. Die amtsangehörigen Gemeinden sollen als rechtlich selbständige Körperschaften in den Amtsgemeinden als Ortsgemeinden erhalten werden (Zitat aus dem Abschlußbericht der Enquete-Kommission, DS 62 I 60 Seite 31 ). Diese Lösung war schon in der Enquete-Kommission nicht unbestritten und führte zu fünf abweichenden Meinungen; ein Gutachten von Prof. Nierhaus im Auftrage des Innenministeriums zeigte deutliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Modells im Hinblick auf die Aufgabenverluste der Ortsgemeinde und den damit verbundenen Eingriff in den Kernbestand kommunaler Selbstverwaltung auf. In der dritten Wahlperiode des Brandenburger Landtages wurde dieses Modell nicht mehr aufgegriffen. Die Regierungsparteien SPD und CDU erklärten in der Koalitionsvereinbarung vom 12. Oktober 1999 zu prüfen, welche Gemeindestruktur geeignet ist, die Identität der gewachsenen Gemeinden Brandenburgs zu wahren, die Mitwirkung der Bürger zu fördern und leistungsstarke Verwaltungen zu ermöglichen. Bis Mitte 2000 war dem Landtag zu berichten, "welche Gemeindestruktur dieser Notwendigkeit als so optimal wie möglich begegnen kann." Diesem Auftrag kam die Landesregierung mit den am 11. Juli 2000 beschlossenen Leitlinien für die Entwicklung der Gemeindestrukturen im Lande Brandenburg nach. In diesen Leitlinien wird noch einmal ausführlich die Ausgangslage und das Reformerfordernis dargestellt. Fast zwei Drittel der Brandenburger Gemeinden haben unter 500 Einwohner, über 77 % unter 1.000 Einwohner. Die finanziellen Handlungsspielräume der kleinen und Kleinstgemeinden müssen als gering oder gar nicht mehr gegeben angesehen werden. Dies kann im übri2*

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gen nicht auf einen schlecht ausgestatteten kommunalen Finanzausgleich des Landes zurückgeführt werden; ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das im Auftrag des Innenministeriums die Kommunalfinanzen und den kommunalen Finanzausgleich in Brandenburg untersucht hat, zeigte, wie auch schon frühere Untersuchungen von Herrn Prof. Seitz von der Viadrina Frankfurt, daß das Land Brandenburg sowohl bei den Verbundgrundlagen und der Verbundquote die Gemeinden nicht schlechter behandelt als die anderen neuen Bundesländer, im Gegenteil, hinsichtlich der investiven Zuweisungen sogar deutlich besser, so daß insgesamt die Brandenburger Gemeinden über höhere Pro-Kopf-Einnahmen verfügen, als andere. Über eigene Einnahmen neben den Grundsteuern A und B verfügen kleine und Kleinstgemeinden kaum. Sie sind überwiegend auf Ausgleichsmittel des Landes angewiesen. Der kommunale Finanzausgleich wurde im übrigen vom Landesverfassungsgericht in einem Urteil aus dem Jahre 2000 ausdrücklich als verfassungskonform auch bei erkennbaren Problemen für kleine und Kleinstgemeinden bezeichnet. Das Land wurde lediglich verpflichtet, für finanziell handlungsunfähige Gemeinden eine Mindestausstattung für die Wahrnehmung von freiwilligen kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben bereitzustellen. Es kann somit die grundsätzliche Finanzausstattung der Kommunen durch das Land als ausreichend angesehen werden, dennoch sind Freiräume für kommunales Handeln doch gerade bei kleinen und Kleinstgemeinden häufig nicht gegeben. Eine eigene Untersuchung des Innenministeriums zeigt, daß mit abnehmender Einwohnerzahl der prozentuale Anteil der Gemeinden, die mehr als 70 % ihrer Einnahmen als Umlagen abzuführen haben, überproportional ansteigt. Über den Daumen gepeilt kann man sagen, daß über 70 % der Gemeinden, das sind besagte Klein- und Kleinstgemeinden, über 70 % ihrer Einnahmen als Umlage an den Kreis oder an das Amt abgeben müssen. Bei den kleinen und Kleinstgemeinden zeigen sich darüber hinaus deutliche Defizite bei der bürgerschaftliehen Mitwirkung. Bei der letzten allgemeinen Kommunalwahl fand in fast jeder dritten Gemeinde mit bis zu 500 Einwohnern keine Wahl im Sinne einer Auswahl statt, da sich nur die Mindestanzahl von Kandidaten für die Gemeindevertretung fand. In neun von 903 Gemeinden bis 500 Einwohner mußte die Wahl zur Gemeindevertretung ganz abgesagt werden. In 130 dieser Gemeinden, das sind immerhin 14,3 %, fand sich für die Wahl zu ehrenamtlichen Bürgermeister überhaupt kein Bewerber, so daß die Direktwahl abgesagt werden mußte. Aus dieser Situation heraus besteht dringender Handlungsbedarf. Schon der Württembergische Staatsgerichtshof hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1975 ausgeführt: "Das Maß gelebter örtlicher Demokratie hängt jedoch (neben anderen Faktoren) auch von der Leistungsfähigkeit einer Gemeinde ab. Ist eine Gemeinde nach ihrer Größe und Finanzkraft nicht in der Lage, den immer umfangreicher und komplizierter werdenden öffentlichen Aufgaben und den steigenden Anforderun-

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gen und Erwartungen ihrer Einwohner nachzukommen, so können Unzufriedenheit, Enttäuschung und Verdrossenheit der Bevölkerung die Folge sein. Dies beeinträchtigt möglicherweise die Bereitschaft zur Anteilnahme und Mitarbeit und kann eine allgemeine Verwaltungs-, Staats- und Demokratieverdrossenheit nach sich ziehen. Die Stärkung der gemeindlichen Verwaltungskraft ist daher geeignet, einer Gefährdung der positiven demokratischen Einstellung der Bevölkerung entgegenzutreten." Neben diesen mehr in der Struktur der Gemeinden liegenden Fehlentwicklungen kommen weitere hinzu, die sich aus den Gesichtspunkten der Raumordnung ergeben. Insbesondere die Suburbanisationsprozesse haben in den kreisfreien Städten und anderen zentralen Orten zu einem Bevölkerungsrückgang geführt, der häufig in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Bevölkerungsanstieg in den benachbarten Gemeinden verbunden ist. In diesen Umlandgemeinden entstanden Wohnsiedlungen und häufig auch Gewerbegebiete, insbesondere wenn die städtischen Zentren nicht über ausreichende Flächen zur Wohngebietsausweitung und Gewerbeansiedlung verfügen. Im engeren Verflechtungsraum kam es darüber zu siedlungsstrukturellen Zusammenwachsungen, Verdichtungen und Verflechtungsbeziehungen, die in den Verwaltungsstrukturen keine Korrespondenz mehr finden. Die strukturellen Schwächen in den gemeindlichen und räumlichen Strukturen treffen mit einer Schwäche zusammen, die im Amtsmodell selbst liegt. Nach § 1 Abs. 2 der Amtsordnung verwalten die Ämter das Gebiet der Gemeinden zum Besten ihrer Einwohner, also jeweils auf die einzelne Gemeinde bezogen. Weder auf dem Amtsdirektor noch auf den Amtsausschuß bezogen gibt es einen Hinweis darauf, daß auch auf das gesamte Amtsgebiet eine übergreifende Verantwortung gegeben ist. Im schlechtesten Fall ist das Amt also lediglich die Verwaltung lokaler Egoismen. In der Praxis kann dies bei vernünftigen Gemeindevertretem, ehrenamtlichen Bürgermeistem und Amtsausschußmitgliedern sowie einem tatkräftigen Amtsdirektor überwunden werden, eine solche Situation ist regelmäßig aber labil und stark anfällig für Störungen, die häufig gerade von den kleinen Gemeinden ausgehen. In Räumen von hoher Verdichtung und Verflechtung, aber auch im Umfeld von zentralen Orten, ist dieses am deutlichsten sichtbar, auch wenn es immer wieder positiv herausragende Beispiele gibt. Vor diesem grob skizzierten Hintergrund hat die Landesregierung ihre Ziele der Reform wie folgt definiert: die Verwaltungs- und Leistungskraft der Städte, Gemeinden und Ämter durch die Neugliederung so zu stärken, daß sie dauerhaft in der Lage sind, die eigenen und übertragenen Aufgaben sachgerecht, effizient und in hoher Qualität zu er-

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füllen und die wirtschaftliche Nutzung der erforderlichen kommunalen Einrichtungen zu sichern; die raumordnerischen, wirtschaftlichen und verkehrsmäßigen Zusammenhänge, das soziale Gefüge, die geschichtlichen und kulturellen Beziehungen bei der Gliederung der künftigen örtlichen Verwaltungseinheiten zu berücksichtigen und deren Weiterentwicklung zu einheitlichen Lebens- und Wirtschaftsräumen zu ermöglichen; mit den künftigen Gemeindestrukturen die bürgerschaftliehe Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung zu stärken; die amtsfreien Gemeinden und Ämter so zu strukturieren, das der wirtschaftliche Einsatz moderner technischer Verwaltungsmittel und die Beschäftigung von qualifiziertem und spezialisiertem Verwaltungspersonal gesichert ist; - die Voraussetzungen zu schaffen, daß im Interesse der Bürgemähe weitere Aufgaben auf die untere kommunale Ebene verlagert werden können. Aus diesen Zielen können Sie schon ablesen, daß in Brandenburg auch künftig amtsfreie Gemeinden und Ämter nebeneinander bestehen sollen und werden. Für eine solche Differenzierung im Rahmen der Gemeindegebietsreform spricht auch ein struktureller Vergleich mit anderen Bundesländern. Dort sind ebenfalls überwiegend mehrere Modelle kommunalrechtlich ausgestaltet und angeboten worden. Zum Leitbild im einzelnen: Amtsfreie Gemeinden und auch Ämter sollen regelmäßig mindestens 5.000 Einwohner aufweisen; in dichter besiedelten Landesteilen sind allerdings größere Einheiten anzustreben. Die Zahl von 5.000 Einwohnern ist eine von der Verwaltungswissenschaft anerkannte Mindestgröße für eine differenzierte und leistungsfcihige Verwaltung. Im Hinblick auf die Ämtergröße hat sie sich bewährt. Unterschreitungen des Mindestwertes sollen nur in dünn besiedelten Landesteilen und dabei insbesondere zur Umbildung einwohnerschwacher Ämter in amtsfreie Gemeinden durch Zusammenschluß der bisherigen amtsangehörigen Gemeinden ausnahmsweise zugelassen werden. Die Bildung von weiteren amtsfreien Gemeinden soll möglichst in den Grenzen der bestehenden Ämter erfolgen. Wo dies nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind innerhalb eines Landkreises Strukturen zu entwickeln, die dem Leitbild entsprechen. Dabei wird insbesondere auf solche Fälle abgestellt, in deren Abweichungen von bisherigen Ämtergrenzen im Interesse der Stärkung amtsfreier Städte, vor allem regionaler Entwicklungszentren, geboten sind. Eine mögliche Neustrukturierung ist insbesondere für die sogenannten KragenÄmter zu prüfen, die die zentralen Orte (amtsfreie Städte) territorial einengen und "ausbluten", insbesondere durch Bevölkerungsahwanderung ins Umland, verbunden mit Steuerverlusten, während die Einwohner die Leistungen der Zentralorte aber weiterhin in Anspruch nehmen.

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Die Gemeinden dieser Ämter sind meist überwiegend dem Nahversorgungsbereich des jeweiligen Zentralortes zugeordnet. Die Inanspruchnahme öffentlicher und privater Leistungen erfolgt fast ausschließlich außerhalb des Amtsgebietes im zentralen Ort, wo häufig auch die Amtsverwaltung selbst ihren Satz hat, also außerhalb des eigenen Amtsgebietes Amtsfreie Gemeinden sollen regelmäßig entstehen im engeren Verflechtungsraum Brandenburg - Berlin und im äußeren Entwicklungsraum des Landes, wenn amtsangehörige Zentralorte ab Grundzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums vorhanden sind. Soweit ein Grundzentrum mit herausgehobener zentralörtlicher Funktion und einer gegenüber den anderen amtsangehörigen Gemeinden deutlich erhöhten Einwohnerzahl gegeben ist, soll nach entsprechender Einzelfallpriifung ebenfalls die Bildung einer amtsfreien Gemeinde angestrebt werden. Eine solche Differenzierung zwischen dem Regelerfordernis zur Bildung amtsfreier Gemeinden und dem gesonderten Priifauftrag für Ämter mit Grundzentren mit herausgehobener zentralörtlicher Funktion stützt sich auf die deutlichen Unterschiede hinsichtlich der einwohnermäßigen Voraussetzungen und der Regelausstattung an öffentlichen und privaten Einrichtungen ab der Zentralorts-Kategorie Grundzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums einerseits und bei den Grundzentren andererseits. Nach dem Landesentwicklungsplan "Zentralörtliche Gliederung" (LEP I) und seinem Erläuterungsbericht verfügen Grundzentren mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums in wesentlichen Bereichen über eine mittelzentrale Ausstattung (u. a. zur allgemeinen Hochschulreife führende Schulen, Schulen der Sekundarstufe I, sozialpädagogisch betreute Jugendfreizeiteinrichtungen, Sporthalle, Bücherei, Einrichtungen des Handels und der Dienstleistung), während dessen die Grundzentren deutlich geringer ausgestattet sind und in der Einwohnerzahl beträchtliche Unterschiede aufweisen. Im Land Brandenburg reicht die Bandbreite der Einwohnerzahl der Grundzentren von 1.800 bis 8.000, bei einem Schnitt von etwa 3.000 Einwohnern. Demgegenüber verfügen die 20 Grundzentren mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums im Schnitt über eine Einwohnerzahl von 8.000, wodurch verbunden mit der genannten deutlichen Ausprägung des Zentralort-Charakters zugleich auch die einwohnermäßigen Voraussetzungen zur regelmäßigen Bildung amtsfreier Gemeinden aus den amtsangehörigen Grundzentren mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums und den weiteren dem Amt angehörenden Gemeinden abgeleitet werden können. Das Amt soll nur noch dort fortbestehen, wo wegen des Fehlens eines Zentralortes kaum mit einer Identifikation der Bürger mit einer neuen amtsfreien Gemeinde zu rechnen ist und wo auch längerfristig nicht mit einem Aufeinanderzuwachsen der Gemeinde gerechnet werden kann. Ausweichlich der Leitlinien stellt das insoweit gegenüber der amtsfreien Gemeinde in der Bedeutung nachrangige Amt eine Alternative insbesondere in dünn-

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besiedelten Teilen des äußeren Entwicklungsraumes des Landes ohne ausgeprägten Zentralort dar. Im engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin hingegen ist das Erfordernis der Bildung amtsfreier Gemeinden nicht an das Vorhandensein eines ausgeprägten Zentralortes geknüpft. Hier ergibt sich wegen der starken Siedlungs- und Gewerbeentwicklung sowie der erhöhten Anforderungen an die soziale und Verkehrsinfrastruktur in besonderer Weise das Erfordernis der Bildung von fast ausschließlich amtsfreien Gemeinden, da diese die ungeteilte Wahrnehmung von gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben, Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und Auftragsangelegenheiten auf der unteren kommunalen Ebene ermöglichen und durch die Einheitlichkeit der gemeindlichen Willensbildung im Verhältnis von Gemeindebürgem, Gemeindevertretung und Gemeindeverwaltung gekennzeichnet sind. Damit soll auch ein Beitrag zur Schaffung von Strukturen etwa gleicher Leistungsfähigkeit und damit ein Beitrag zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den genannten Verdichtungsräumen erbracht werden. Aber auch für die Regionen, in denen weiterhin Ämter bestehen bleiben, ist eine Modifizierung der "Ämterlandschaft" vorgesehen. Das Ämtermodell 3 mit einer geschäftsführenden Gemeinde außerhalb des Ämterverbandes wird ganz abgeschafft, da erkennbar ist, daß das einzige Amt mit dieser Struktur sich mit der geschäftsführenden Gemeinde weitgehend verbinden wird. Das Amtsmodell 2 mit einer geschäftsführenden Gemeinde innerhalb des Amtsverbandes wird ebenfalls aufgegeben. Dies ergibt sich zum einen schon aus der Grundentscheidung, daß Ämter mit einem Grundzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums sich regelmäßig zu einer amtsfreien Gemeinde zusammenschließen sollen. Dieses qualifizierte Grundzentrum ist mit der amtsangehörigen geschäftsführenden Gemeinde mit über 5.000 Einwohner regelmäßig im Amtsmodell 2 schon gegeben. Für die Aufgaben dieses Modells sprechen aber auch verfassungsrechtliche Gründe, da im Hinblick auf die Stärkung der Ämterstruktur die Zuständigkeit für den Flächennutzungsplan auf das Amt übertragen werden soll, ebenso wie zur Zeit geprüft wird, ob auch die Schulträgerschaft gegebenenfalls auf die Kitaträgerschaft nach dorthin abgegeben werden soll. Da darüber hinaus schon heute ein großer Teil freiwilliger kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben auf das Amt übertragen worden sind, ergeben sich verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf die legitimatorisch dünne Basis des Amtsdirektors, der ausschließlich von den Bürgern der geschäftsführenden Gemeinde gewählt wird. Neben dieser Beschränkung auf das Amtsmodell I geben die Leitlinien weiterhin vor, daß künftig ein Amt regelmäßig mindestens drei und anders als bisher nicht mehr als sechs amtsangehörige Gemeinden aufweisen soll. Bislang sind bis zu 22 Gemeinden in einem Amt verbunden. Bei den für die Neustrukturierung der

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Ämter erforderlichen Gemeindezusammenschlüsse ist darauf hinzuwirken, daß die amtsangehörigen Gemeinden zukünftig nicht weniger als 500 Einwohner haben. Damit soll die Leistungsfähigkeit und Bürgemähe der Amtsverwaltung gestärkt werden. Die entsprechenden gesetzlichen Änderungen sind in einem Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden normiert worden, dessen Entwurf zur Zeit nach der l. Lesung in den Ausschüssen des Landtags behandelt wird. Neben der Festlegung der Mindest- und Höchstzahl amtsangehörigen Gemeinden sowie der regelmäßigen Mindesteinwohnerzahl amtsangehöriger Gemeinden ist dabei insbesondere vorgesehen, daß bei Zusammenschlüssen von Gemeinden die Ortsteilsrechte gestärkt werden bis hin zur Übertragung eigener Entscheidungskompetenzen auf den Ortsteil in Angelegenheit mit ausschließlich örtlichem Bezug. In den Ortsteilen kann ein Ortsbeirat gewählt werden, dessen Vorsitzender zugleich Ortsbürgermeister ist; unter Verzicht auf einen Ortsteilsbeirat kann auch ein Ortsbürgermeister direkt gewählt werden. Nach Maßgabe der Hauptsatzung und des Haushaltsplanes kann den Ortsteilen auch ein kleines Budget zur Bewirtschaftung zugewiesen werden, insbesondere um örtliche Jubiläen, Gratulationen, aber auch Brauchtumspflege, Tourismus und Heimatpflege zu fördern. Wichtig ist, daß die Gemeindestrukturreform auch einen Beitrag zur Lösung oder zumindest Milderung der Stadt-Umland-Probleme leistet. Durch maßvolle Eingliederungen von Umlandgemeinden soll eine größere Übereinstimmung zwischen dem Verwaltungsraum des Zentrums und seinem darüber hinausgehenden Wirkungsraum herbeigeführt werden (siehe Seite 11 Leitlinien).

Gebietsreform in den alten Ländern Erfahrungen für die neuen Länder? Von Bernhard Stüer, Münster I Osnabrück

Teilnehmer des sogenannten "Zehnerclubs", der in Nordrhein-Westfalen die Gebietsreform vorbereitete, wissen Erstaunliches zu berichten. Da soll in trauter Runde in einem Düsseldorfer Kaminzimmer eine Landkarte aufgehängt und bei einigen Flaschen guten Rotweins das Schicksal der nordrhein-westfälischen Gemeinden besiegelt worden sein. Denn noch ehe die Neujahrsglocken zu Beginn des Jahres 1975 die mehr als 2.300 Kommunen zu 396 Städten und Gemeinden zusammenschrumpfen ließen und die früheren 57 Landkreise zu 31 neuen Großkreisen zusammenführte, hatten sich die Mitglieder des "Zehnerklubs" in geheimer Mission und im Dampf dicker Zigarren des damaligen nordrhein-westfälischen Innenministers auf ein Konzept geeinigt, das bei den Gewinnern der Reform auf viele Befürworter und Freunde stieß, aber von den Verlierern ebenso erbittert bekämpft wurde. Als Erster hatte von der Öffentlichkeit unbemerkt der Vertreter der SPD-Landtagsfraktion den großen Filzstift in die Hand genommen und die neue Landeshauptstadt Düsseldorf abgegrenzt. Ihm folgte der Vertreter der CDU-Fraktion, der sich mit dem Filzstift - seiner Heimat verpflichtet - an die Neuabgrenzung von Köln als der größten Stadt im Lande heranmachte. Er grenzte natürlich die neue Millionenstadt so ab, daß die kleine Heimatgemeinde des Landtagsabgeordneten in unmittelbarer Nachbarschaft selbständig bleiben konnte. Als Nächster ergriff der Vertreter der FDP-Fraktion das etwas klobige Schreibgerät. Der Filzstift machte bei dem guten Tropfen noch mehrmals die Runde, bis das Land im wesentlichen aufgeteilt worden war. Auch hochrangige Vertreter des Innenministeriums sollen sich - so wird berichtet - an dem kommunalen Monopoli beteiligt haben. So schön und beglückend kann Gebietsreform sein. Die zulageberechtigten Ministerialen waren wohl nicht ganz ohne Grund so fürstlich behandelt worden. Denn sie mußten sich anschließend jeweils die Begründung für die Kunstwerke der Düsseldorfer Kamingespräche ausdenken. Und das war nicht immer einfach. Wer die Gesetzesbegründungen zu sehr auf ihre Stimmigkeit überprüfte, stieß auf wenig Gegenliebe. "Mal ist der eine Gesichtspunkt maßgeblich, mal ist der andere Gesichtspunkt maßgeblich, mal ist es auch überhaupt keiner von ihnen", erhielten Kritiker in den Gesetzesbegründungen barsch zur Antwort. Gefangene wurden da eben nicht gemacht. 1

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1. Effektivität oder Integration?

Die kommunale Gebietsreform der 70er Jahre in den alten Bundesländern war vor allem an Effektivitätsgesichtspunkten ausgerichtet. Einwohnerrichtgrößen, Flächenwerte und Zentralitäten bestimmten die Argumentation der Neugliederungsbefürworter. Integrationswerte, die auf die Stärkung der örtlichen Verbundenheit und die Mitwirkungsbereitschaft der Bürger in einem noch überschaubaren Gemeinwesen setzten, hatten da kaum eine Chance. Die kommunale Gebietsreform vor allem im einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen führte durch diese Ausrichtung an großen Zahlen zu einwohner- und flächengroßen Kommunen, für die nicht nur der Zusammenschluß von Gladbeck, Bottrop und Kirchhellen zur Kunststadt Glabottki oder die Eingemeindung ehemals selbständiger Städte wie Hohenlimburg, Kettwig und Wattenscheid nach Hagen, Essen und Bochum Beispiel geben. Gelegentlich wurden kurz zuvor neu gegründete Städte wie Sennestadt oder Wulfen wieder eingemeindet oder wie Meerbusch gleich in drei Teile zertrennt und Düsseldorf, Krefeld und Neuss zugeordnet. Begründet wurde diese Gebietsreform zumeist mit abstrakten Zahlen und einem sogenannten systemanalytischen Bewertungsverfahren, das die erforderlichen Mindestgrößen für eine effektive Verwaltung in den Vordergrund der Bewertung stellte. Integrationswerte, die aus dem Demokratieprinzip abgeleitet werden, kamen darin schon deshalb weniger vor, weil diese Maßstäbe im Gegensatz zur Effektivität nicht mit Zahlen meßbar und systemanalytisch umsetzbar sind. Wie soll schon der Verlust der Selbständigkeit einer Gemeinde und der Verlust von Ratsmandaten sowie das damit einhergehende geringere Engagement der Bürger in Zahlen gemessen und der ausgerechneten Effektivitätssteigerung gegenübergestellt werden? Effektivitätswerte und Integrationswerte erwiesen sich als inkommensurabel, als nicht auf einer Ebene liegende Größen - wie die rationalen Zahlen zu den durch Wurzelziehen entstehenden irrationalen Zahlen. 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben

Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe der kommunalen Gebietsreform sind vor allem von der Gemeinwohlbindung bestimmt. Kommunale Neugliederungsmaßnahmen müssen dem öffentlichen Wohl dienen und sie müssen dem Staat und seinen Gliederungen im Ganzen mehr nützen als schaden (sogenannte SchadenNutzen-Bilanz). Daneben treten das Willkürverbot sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aus diesen Grundmaßstäben haben BVerfG und die Staats- und Gerichtshöfe der Länder eine Reihe von weiteren Maßstäben abgeleitet, die vor allem I Zu den verfassungsrechtlichen Entscheidungen des VerfGH Münster Stüer, DöV 1978, 78; zu den Entscheidungen der Staats- und Verfassungsgerichte betreffend die Gebietsreform in den neuen Ländern Stüer/ Landgraf, LKV 1998, 209.

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eine große Parallele zum Abwägungsgebot bei der Planungsentscheidung aufweisen.2 Nach einer umfangreichen Rechtsprechung, an der sich neben dem BVerfG 3 auch die Staats- und Verfassungsgerichtshöfe der Länder beteiligt haben,4 unterliegen Maßnahmen des Gesetzgebers zur kommunalen Gebietsreform folgenden verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäben. 5 Gemeinwohlvorbehalt: Der Gesetzgeber ist bei seinen Neugliederungsmaßnahmen auf das Gemeinwohlprinzip verpflichtet. Seine Entscheidungen müssen durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt sein. Abwägungsgebot: Der Gesetzgeber ist zu einer umfassenden Abwägung verpflichtet. Alle entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte sind in die Überlegungen einzustellen, zu gewichten, zu bewerten und zu einer ausgewogenen Gesamtentscheidung zu verarbeiten. Anhörungsgebot mit Begründungspflicht: Die sorgfaltige Abwägung aller für und gegen eine Neugliederungsmaßnahme sprechenden Gesichtspunkte und das Gebot einer umfassenden Sachverhaltsermittlung ist nur auf der Grundlage einer Anhörung möglich, die den wesentlichen Inhalt des beabsichtigten Neugliederungsvorhabens mit allen wesentlichen Gründen für die in ihm enthaltenen Einzelmaßnahmen den betroffenen Gebietskörperschaften bekannt gibt und innerhalb einer angemessenen Frist eine Stellungnahme ermöglicht. Motivkontrolle: Der uneingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle auf ihre Gemeinwohlkonformität unterliegen die Motive des Gesetzgebers, der B. v. 12. 5. 1992-2 BvR 470,650 und 707/90- BVerfGE 86,90 =DVBI. 1992,960. BVerjG, Urt. v. 22. 6. 1976-2 BvH I 174- BVerfGE 42, 345 = DÖV 1977,60 (Staatsvertrag Waldeck-Pyrmont); B. v. 27. II. 1978-2 BvR 165175- BVerfGE 50, 50= NJW 1979, 413 = BayVBI. 1979, 145 (Laatzen Hannover-Messe); B. v. 17. I. 1979-2 BvL 6176 - BVerfGE 50, 195; (Rheda-Wiedenbrück); B. v. 15. I. 1980-2 BvR 1179- BVerfGE 53, 100 = NJW 1980, 1618 (Gerichtsbezirke); B. v. 12. 9. 1981 - 2 BvR 337/81- (unveröffentlicht) (Wendeburg Didderse); B. v. 3. 11. 1981 - 2 BvR 827/80- DVBI. 1982, 904 = NJW 1982,95 (Gießen); B. v. 12. l. 1982-2 BvR 113/81 - BVerfGE 59,216 = DVBI. 1982,534 = NVwZ 1982, 367 (Namensgebung); B. v. 10. 7. 1990-2 BvR 470/90- BVerfGE 82, 310 =DVBI. 1990,930 (Papenburg); B. v. 12. 5. 1992-2 BvR 470,650 und 707/90- BVerfGE 86, 90 = DVBI. 1992, 960 (Papenburg); vgl. zu nicht veröffentlichten Entscheidungen des BVerfG Granderath, DÖV 1972, 332; vgl. zur Wehrflihigkeit der kommunalen Selbstverwaltung auch B. v. 7. 10. 1980- 1 BvR 584176 - BVerfGE 56, 298 = DVBI. 1981 , 535 (Memmingen); B. v. 23. 6. 1987 - 2 BvR 826/83 - BRS 47 (1987), Nr. 21 (S. 65) (Raumordnungsprogramm); B. v. 21. 6. 1988-2 BvR 602/83 u. 974/83- BayVBI. 1989, 111 (Verlagerung der Kommunalaufsicht); BVerjG, Urt. v. 23. 11. 1988 - 2 BvR 1916/83 - BVerfGE 79, 127 (Rastede). 4 Vgl. dazu Hoppe/Rengeling, Rechtsschutz bei der kommunalen Gebietsreform, 1973, S. 70ff.; Hoppe/Stüer, DVBI. 1992, 641 ; Stüer, Funktionalreform und kommunale Selbstverwaltung, S. 138ff.; ders., DÖV 1978, 78; ders., Kommunalrecht NW, 1997, 166. 5 Stüer, Kommunalrecht in NW, 1997, 36. Zur Rechtsprechung in den neuen Ländern Stüer/Landgraf, LKV 1998, 209. 2

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seine Zielvorstellungen und Beweggründe arn öffentlichen Wohl auszurichten hat. Diese erforderliche Orientierung am Gemeinwohl setzt auch der Zulässigkeit von Koalitionsabsprachen Grenzen. Zielkontrolle mit Verbesserungsgebot: Dem Gesetzgeber ist zwar von Verfassungs wegen kein bestimmtes Gliederungsprinzip aufgegeben. Jede Gebietsreform hat jedoch zu einer Verbesserung der kommunalen Strukturen beizutragen. Verfassungswidrig ist es, "Ziele zu verwirklichen oder Sachverhalte herbeizuführen, die dem Staat und seinen Gebietskörperschaften im Ganzen mehr schaden als nutzen"6 . Kontrolle der Sachverhaltsermittlungen: Eine sachgerechte Neugliederungsentscheidung setzt eine umfassende Kenntnis des Gesetzgebers von allen erheblichen Umständen, insbesondere ein zutreffendes und vollständiges Bild von den Interessen der betroffenen Gebietskörperschaften, voraus. Deshalb unterliegt der Sachverhalt, so weit er für die Entscheidung wesentlich ist, der uneingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Wegen der Vorbewertung durch die Verfasser des Gesetzentwurfs, durch Landesregierung und Ministerialverwaltung und der dadurch gegebenen Beschränkung des Entscheidungsraums des Gesetzgebers muß die Informationsbasis des Gesetzgebers in allen wesentlichen Fragen möglichst breit gehalten werden. Prognosekontrolle: Die gesetzgebensehen Prognosen werden daraufhin überprüft, ob ihnen eine zutreffende, durch entsprechende Tatsachenfeststellungen erhärtete Prognosebasis zu Grunde liegt und der Prognoseschluß methodisch einwandfrei ist. Im übrigen werden Wertungen und Erwägungen des Gesetzgebers auf eindeutige Widerlegbarkeit und offensichtliche Fehlsarnkeit überprüft. Eignungsprüfung: Eine Neugliederungsmaßnahme ist nur gemeinwohlkonform, wenn sie geeignet ist, den am Gemeinwohl orientierten Zwecken des Gesetzes zu dienen. Die Gebietsreform wird also auf ihre Zweckgeeignetheit überprüft. Erforderlichkeitsprüfung: Eine gesetzgebensehe Maßnahme hat ferner dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Erforderlichkeit Rechnung zu tragen und ist verfassungswidrig, wenn eine zumindest gleich gut geeignete und weniger als die gesetzliche Maßnahme in das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin eingreifende Alternative verwirklicht werden kann. Verhältnismäßigkeitsprüfung: Die vom Gesetzgeber erstrebten Vorteile dürfen nicht eindeutig außer Verhältnis stehen zu den Nachteilen, die sich aus den gesetzgebensehen Maßnahmen ergeben. Wird die Gebietsreform mit einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit begründet, so muß gefragt werden, ob die dadurch etwa in Kauf zu nehmenden Integrationsdefizite hingenommen werden können. Systemgerechtigkeit: Hat der Gesetzgeber die Gebietsreform nach einem bestimmten System durchgeführt, so ist er aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehand6 VeifGH Münster, Urt. v. 2. 11. 1973 - VerfGH 17 I 72 - OVGE 28, 307 (Sennestadt); Hoppe, DVBI. 1971, 473; Stüer, Kommunalpolitische Blätter 1973, lll2.

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lungsgrundsatzes und der Selbstbindung, dem Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie dem Gebot des konsequenten und folgerichtigen Verhaltens auf die Einhaltung des selbst gegebenen Systems verpflichtet. Konzeptionsabweichungen bedürfen der besonderen Rechtfertigung7 . Willkürverbot: Daneben steht das allgemeine Willkürverbot als weiterer finaler Prüfungsmaßstab. Es besagt, daß der Gesetzgeber bei legislativen Organisationsakten wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht gleich behandeln darf. Davon ist auszugehen, wenn sachlich einleuchtende Gründe für eine Neugliederungsmaßnahme nicht erkennbar sind oder die gewählte Lösung eindeutig der inneren Rechtfertigung entbehrt. Abwägungsfehler: Aus der Qualität der Neugliederungsgesetze als Planungsgesetze folgt zugleich, daß der Gesetzgeber auf das Abwägungsgebot und die sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe8 verpflichtet ist. 9

Der Gesetzgeber ist danach zu einer sachgerechten Abwägung verpflichtet, weil die kommunale Gebietsreform eine Planungsentscheidung für die Zukunft darstellt, die einerseits einen autonomen Gestaltungsraum beinhaltet, andererseits aber auch eine Rückbindung durch das Abwägungsgebot verlangt. Dies fordert vom Gesetzgeber eine ordnungsgemäße Sachverhaltsermittlung, eine Anhörung der betroffenen Gemeinden, gemeinwohlbezogene Neugliederungsziele, die Geeignetheit der Maßnahme im Sinne einer Zielerfüllung, eine nachvollziehbare Bewertung auch von Alternativlösungen (Erforderlichkeit) und die Verhältnismäßigkeit der Neugliederungsentscheidung - eben ein Überwiegen der Vorteile gegenüber den Nachteilen. 3. Integrationswerte dürfen nicht auf der Strecke bleiben

Es liegt auf der Hand, daß es vor allem bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die jeweilige Gewichtung der Effektivitäts- und Integrationsgesichtspunkte an7 Vgl. BVerfG, B. v. 27. 11. 1978-2 BvR 165/75- BVerfGE 50,50 (Laatzen HannoverMesse); B. v. 12. 9. 1981-2 BvR 337/81- (Wendeburg Didderse); vgl. auch StGH Bückeburg, Urt. v. 23. 1. 1974- StGH 2/72- OVGE 29, 504 (510); Urt. v. 5. 4. 1974- StGH 1/ 73- DVBI. 1974, 520 (Soltau-Fallingbostel); Urt. v. 14. 2. 1979- StGH 2/77- DVBI. 1979, 504 = DÖV 1979,406 (Kreisreform); Stüer, Kommunalrecht in NW, 1997, 36. B Vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969- 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 = DVBI. 1970, 414 (Abwägung Selbstverwaltung); Hoppe, DVBI. 1971, 473 ; ders., Planung und Pläne in der verfassungsgerichtlichen Kontrolle, in: FS Menger, 1985, S. 747 ff.; Stüer, DVBI. 1977, 1. 9 Zur Geltung des Abwägungsgebotes bei Maßnahmen der kommunalen Gebietsreform BVerfG, B. v. 17. 1. 1979-2 BvL 6/76- BVerfGE 50, 195 (Rheda-Wiedenbrück): "Eine dem öffentlichen Wohl entsprechende Entscheidung des Gesetzgebers über die kommunale Neugliederung eines Gebietes setzt im übrigen auch regelmäßig eine Abwägung der verschiedenen, oft gegenläufigen Interessen voraus"; B. v. 12. 9. 1981-2 BvR 337/81- (Wendenburg/Didderse); Stüer, Kommunalrecht in NW, 1997, 166.

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kommt. Sind die Maßstäbe überwiegend an Effektivitätsgesichtspunkten ausgerichtet und spielen Gesichtspunkte etwa der bürgerschaftliehen Beteiligung eine geringere Rolle, führt dies zumeist zu größeren Einheiten, die dann auch für verhältnismäßig angesehen werden. Diese überwiegende Ausrichtung an Effektivitätsgesichtspunkten hat aber in den alten Ländern teilweise zu sehr einwohnergroßen Einheiten und zur Beseitigung von vielen traditionsreichen Kommunen und damit tendenziell zu einer Schwächung der bürgerschaftliehen Mitwirkung geführt. Vor allem in zweipoligen Gemeinden aber auch in früher selbständigen Ruhrgebietsstädten ebenso wie in mehreren Außenbezirken von Großstädten hat dies zu Verwerfungen geführt, die bis heute andauern. Aus der kommunalen Gebietsreform in den alten Ländern sollte daher vor allem auch die Erfahrung eingebracht werden, daß die Neugliederungsmaßnahmen nicht nur an strikten Zahlen und Effektivitätsmaßstäben ausgerichtet werden können. Daneben müssen auch Gesichtspunkte der Wahrung der örtlichen Verbundenheit und vor allem einzelfallangepaßte Lösungen treten. 4. Dreistufensystem

Die Rechtsprechung in den neuen Ländern gibt hierzu die Möglichkeit durch eine mehrstufige Prüfung: In seinen Entscheidungen zur Eingemeindung von Umlandgemeinden in die Kernstädte entwickelten der VerfGH Weimar und der VerfGH Leipzig neben dem verfahrensrechtlichen Gebot einer ausreichenden Anhörung ein Dreistufen-Modell 10 : Auf jeder dieser Stufen erfolgt eine Gemeinwohlkonkretisierung durch den Gesetzgeber, der jeweils eine adäquate verfassungsgerichtliche Überprüfung zuzuordnen ist. Die erste Stufe umfaßt den Entschluß, überhaupt eine grundlegende Umgestaltung der kommunalen Ebene vorzunehmen. Auf der zweiten Stufe geht es um die Leitbilder und Leitlinien der Neuordnung, welche die künftige Struktur der Selbstverwaltungskörperschaften festlegen und die Umgestaltung in jedem Einzelfall dirigieren sollen. Auf der dritten Stufe erfolgt die Umsetzung der allgemeinen Leitbilder und Leitlinien im konkreten einzelnen NeugliederungsfalL Zunächst stellt sich daher die Frage des Reformbedarfs überhaupt (Stufe 1). Sodann werden von dem Gesetzgeber gemeinwohlkonforme Leitbilder entwickelt (Stufe 2). Diese sollten bereits eine gewisse Flexibilität aufweisen. In einem weiteren Schritt werden die Leitbilder im Einzelfall umgesetzt (Stufe 3). Hier sind maßgeschneiderte Lösungen anzustreben. Während der VerfGH Weimar und der VerfGH Leipzig dem Gesetzgeber bei der Gestaltung der ersten beiden Stufen einen größeren Freiraum zubilligen, erfolgt 10 VerfGH Weimar, Urt. v. 18. 12. 1996- VerfGH 2/95 u. 6/95- (Isserstedt, Jenapriesnitz, Krippendorf, Kunitz). Ein gleiches Stufenmodelllegt auch der VerfGH Leipzig zugrunde, vgl. Stüer/U:lndgraj. LKV 1998,209.

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die Prüfung, ob die gesetzlichen Maßstäbe im Einzelfall richtig angewendet wurden, mit einer stärkeren Kontrollintensität Hier hat der Gesetzgeber nach Auffassung des Verfassungsgerichte vom Ansatz her einen geringeren verfassungsrechtlichen Spielraum. 11 Der Gesetzgeber sollte daher bereits auf der Stufe der Leitbilder ausreichende Spielräume für unterschiedliche Lösungen lassen, die den jeweiligen Einwohnerund Raumstrukturen gerecht werden. Vor allem gilt dies in dünn besiedelten Ländern, deren untere kommunale Ebene nicht die Größe dicht besiedelter Regionen erreichen kann. Hier könnte es sich empfehlen, auch weiterhin die in den neuen Ländern bereits mit einer gewissen Tradition ausgestatteten Ämter und Verbandsgemeindemodelle zu nutzen und fortzuentwickeln. Bietet der Gesetzgeber bereits auf der Stufe der Leitbilder eine Variation von Modellen an, kann auch auf der Ebene der konkreten Neugliederungsentscheidung sachgerechter verfahren werden. Örtliche Gesichtspunkte und die Wünsche der Mehrheit der Bevölkerung können so besser in die jeweiligen Kommunalstrukturen eingebracht werden. 5. Gebietsreform gegen den Bürger wird nicht gelingen

Die Erfahrungen mit Gebietsreformen in den alten Bundesländern haben gezeigt, daß eine allein an Effektivitätsgesichtspunkten ausgerichtete Neugliederung in kritischen Fällen scheitert. So haben sich etwa in Nordrhein-Westfalen Gemeinden, die gegen den massiven Widerstand der Bürger eingemeindet oder zusammengeschlossen worden sind, bis auf den heutigen Tag nicht zusammengefunden. Dies gilt etwa für zahlreiche Gemeinden aus dem Bereich des Ruhrgebietes, des Münsterlandes oder der Rheinschiene ebenso wie für Gemeinden im Umland der sogenannten Solitärstädte wie Münster, Hagen und Bielefeld. Ehemals selbständige Gemeinden wie Hoheolimburg (heute Hagen), Kettwig (heute Essen), Wattenscheid (heute Bochum), Kirchhellen (heute Bottrop) oder Sennestadt (heute Bielefeld) geben Zeugnis von dem auch nach fast dreißig Jahren ungebrochenen Widerstand, der auch heute in den Gemeinden noch allerorten spürbar ist. Auch die in die Mittelzentren eingemeindeten Städte Borghorst (heute Steinfurt), Neubeckum (heute Beckum) oder Freckenhorst (heute Warendorf) sind Beleg für die Erkenntnis, daß eine Neugliederung an dem Willen der Bevölkerung vorbei nicht gelingen kann.

II Zur Rechtsprechung des VerfG Potsdam: Urt v. 30. 11. 1993 - VfGBbg. 3/93 EA OLG-NL 1994, 74 (Guben/Eisenhüttenstatt/ Spremberg. - einstweiliger Rechtsschutz); Urt. v. 19. 5. 1994- VFGBbg 9/93- DVBI. 1994, 857- DOV 1994,955 = LKV 1995,40 = NJ 1995, 543 (Sparkasse); Urt. v. 14. 7. 1994- VFGBbg 4/93 -; VerfG Potsdam, Urt. v. 15. 9. 1994- VFGBbg 2/94- LKV 1995, 221; Urt. v. 15. 9. 1994- VfGBbg 3/93- SächsVBI. 1995, 204 = NJ 1995, 54 (Guben/Eisenhüttenstadt); Urt. v. 14. 7. 1994- VfGBbg 4/93; Urt. v. 20. 10. 1994 - VfGBbg 1/93 - ; Urt. v. l. 6. 1995- VfGBbg 6/95- LKV 1995, 365 (Horno); zur Flächennutzungsplanung Urt. v. 21. 3. 2002- VfGBbg 19/01 - (Gemeindetsrukturgesetz).

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Gerade in kritischen Fällen, in denen der Bürgerwille sich in der Neugliederungsentscheidung nicht wiederfindet, müssen die lediglich an Effektivitätsgesichtspunkten ausgerichteten Maßstäbe um weitere am Bürgerwillen ausgerichtete Maßstäbe ergänzt werden. Die den Gebietsreformmaßnahmen zu Grunde gelegten Maßstäbe scheinen vorwiegend an Effektivitätsgesichtspunkten orientiert zu sein. Darin darf sich die kommunale Gebietsreform jedoch nicht erschöpfen. Die Grundsätze und Leitsätze, nach denen sich die Gebietsreform vollzieht, sind vielmehr neben Effektivitätsgesichtspunkten um Integrationswerte zu ergänzen oder es ist auf der Ebene der Anwendung der Leitsätze dafür Sorge zu tragen, daß neben den Effektivitätsgesichtspunkten auch Integrationsmaßstäbe etwa der örtlichen Verbundenheit oder der Akzeptanz der Neugliederungsentscheidung treten. Werden derartige Maßstäbe ausgeblendet und die Neugliederung lediglich an Effektivitätsgesichtspunkten orientiert, wird die Gebietsreform in kritischen Fällen scheitern, wofür zahlreiche Eingemeindungen oder Neugliederungszusammenschlüsse in den alten Ländern Beispiel geben. Die vorgenannten Ergänzungsnotwendigkeiten um Integrationsmaßstäbe sind nicht nur verfassungspolitisch sinnvoll, sondern auch verfassungsrechtlich geboten. Denn eine Neugliederungsentscheidung, die sich ausschließlich an Effektivitätsgesichtspunkten orientiert, wird einer auch die Wünsche der Bürger mit einbeziehenden kommunalen Gebietsreform nicht gerecht. Der Gesetzgeber steht dabei vor der Wahl, ob er die allgemeinen Neugliederungsleitsätze um entsprechende Integrationswerte ergänzt oder zumindest bei der jeweiligen Einzelprüfung Maßstäbe der örtlichen Verbundenheit und des Willens der Bevölkerung mit einbezieht. Ohne eine Ergänzung der Leitsätze um Integrationsmaßstäbe oder zumindest eine Berücksichtigung derartiger Werte bei der konkreten Einzelfallprüfung wird eine kommunale Neugliederung in kritischen Fällen nicht gelingen. Im Gegensatz zu den Effektivitätsmaßstäben sind Integrationsmaßstäbe zumeist nicht mit Zahlen zu quantifizieren. Die Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitwirkung, der Grad, in dem sich die Bürger in ihrer Vertretung wieder finden oder die Verluste, die durch eine Verringerung der Mandatsträger eintreten, sind nicht mit Zahlenwerten zu messen. Das steht aber einer Berücksichtigung derartiger Werte bei der Gebietsreformentscheidung nicht entgegen. Auch nicht meßbare Integrationsmaßstäbe müssen daher prinzipiell gegenüber Effektivitätsmaßstäben gleichwertig sein. 6. Prinzip der Freiwilligkeit

Vor diesem Hintergrund hat das Prinzip der Freiwilligkeit einen wichtigen Stellenwert. Treffen die aus dem Leitbild ableitbaren Neugliederungsmaßnahmen auf die Zustimmung der Beteiligten, so ergeben sich keine Probleme. Werden die aus dem Leitbild abgeleiteten Lösungen vor Ort nicht akzeptiert, ergibt sich ein erhöhter Klärungs- und Rechtfertigungsbedarf. Sind etwa verschiedene Lösungen aus dem Leitbild ableitbar, so sollte der Gesetzgeber diejenige Lösung verwirklichen,

Gebietsreform in den alten Ländern

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die vor Ort akzeptiert wird. Ist die vor Ort akzeptierte Lösung nicht leitbildkonform, so wird bei geringer Abweichung vom Leitbild die Berücksichtigung der örtlichen Vorstellungen nahe liegen, bei starker Abweichung vom Leitbild die Abweichung schwieriger. Der Gesetzgeber ist daher bei seinen Neugliederungsentscheidungen nicht an die Zustimmung der Beteiligten gebunden. Die Akzeptanz vor Ort gewinnt aber Bedeutung, wenn vor dem Hintergrund des Leitbildes mehrere Lösungen in Betracht kommen oder die Abweichung der vor Ort gewünschten Lösung nur mit einer vergleichsweise geringen Abweichung vom Leitbild verbunden ist. Der Grad der Abweichung vom Leitbild schränkt daher die Möglichkeit des Gesetzgebers, örtlichen Vorstellungen zu entsprechen, ein. Die Gebietsreform ist zwar vom Ansatz her zumeist unumstritten und stößt, wenn sie behutsam erfolgt, weitgehend auf die Akzeptanz der Beteiligten. Zugleich zeigen aber die Erfahrungen in den alten Ländern, daß die Gebietsreform in problematischen Fällen auch nach Jahren nicht in der Bevölkerung akzeptiert wird und daher in diesen kritischen Fällen wegen der mit ihr bewirkten Integrationsverluste endgültig zum Scheitern verurteilt ist. 12 "Prüfet alles und behaltet das Beste". Dieser Wahlspruch in der Eingangshalle einer nordrhein-westfälischen Ruhrgebietsstadt sollte nicht das alleinige Motto der kommunalen Gebietsreform sein. Bei allem Bemühen um eine effektive Aufgabenwahrnehmung darf der Bürger nicht vergessen werden.

12 An diesen Maßstäben sollte auch der Entwurf der Landesregierung zur Gemindestrukturreform im Land Brandenburg gernessen werden.

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Kommunale Gebietsreform im Freistaat Sachsen Von Fritz Schnabel, Dresden

Die kommunale Gebietsreform gehört zu den Bereichen nachholender Modernisierung, die für alle fünf ostdeutschen Bundesländer verbindlicher Bestandteil ihrer Handlungsprogramme war oder ist. Der Freistaat Sachsen und der Freistaat Thüringen haben bereits eine Gemeindegebietsreform und eine Kreisgebietsreform durchgeführt. Gemeindegebietsreformen werden in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt derzeit von der Exekutive vorbereitet und sollen in den nächsten Jahren von den Parlamenten beschlossen werden. Hingegen war die Kreisgebietsreform Bestandteil aller ostdeutschen Bundesländer in ihrer jeweils ersten Legislaturperiode. Übereinstimmend wurden die 1990 vorgefundenen Kreisstrukturen als zu kleinräumig und als nicht leistungsfähig für die Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung erachtet. So lebten zum damaligen Zeitpunkt 10.819.000 Einwohner in insgesamt 189 Landkreisen; die durchschnittliche Größe pro Landkreis betrug rund 57.200 Einwohner. Wenngleich der Freistaat Sachsen mit durchschnittlich 67.300 Einwohnern pro Landkreis unter allen neuen Bundesländern an der Spitze lag, so gab es jedoch auch hier zwei von 48 Landkreisen, die weniger als 30.000 Einwohner zählten. Die durchschnittliche Flächengröße betrug 369 km2 • Im Vergleich dazu lag die durchschnittliche Einwohnerzahl aller 237 Landkreise in den alten Bundesländern bei 176.300 und somit fast dreimal höher. Im Ergebnis der in den neuen Bundesländern durchgeführten Kreisreformen hat sich dieses Bild geändert; die Anzahl der Landkreise beträgt hier mittlerweile 86, in denen durchschnittlich 120.800 Einwohner (Einwohnerstand: 30. 6. 1997) leben. Im Freistaat Sachsen beträgt die Anzahl der in 22 Landkreisen lebenden Einwohner zum Stand 31. Dezember 1999 durchschnittlich 133.400, wobei Döbeln mit rund 79.000 Einwohnern der kleinste und der Vogtlandkreis mit 204.600 Einwohnern der größte Landkreis ist. Die durchschnittliche Flächengröße der Landkreise im Freistaat Sachsen beträgt derzeit rund 797 km2 . Neben der Einwohnerzahl (durchschnittliche Einwohnergröße von 130.000 Einwohnern pro Landkreis) wurde als weiteres Kriterium bei der Kreisgebietsreform im Freistaat Sachsen für den räumlichen Zuschnitt besonders gewichtet, daß die zukünftigen Kreise zum internen Ressourcen- und Belastungsausgleich beitragen

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sollten. Auf diese Weise sollte vermieden werden, daß Kragenkreise in den "Speckgürteln" größerer Städte die Disparität zwischen Zentren und Peripherie vergrößern und die Möglichkeiten unsozialer "Offshore"-Konkurrenz ausbauen könnten. Zudem sollte die Kreissitzfrage auch in diesem Sinne entschieden werden, daß der periphere Standort bzw. strukturschwächere Raum Sitz des neuen Kreises sein sollte. Im Schatten der Kreisgebietsreformfusion vollzog sich auch die Überlegung, wie bei der angerlachten Zahl der Kreise die Mittelbehörde strukturiert sein könnte. Hätte sich die Anzahl der Kreise wesentlich reduziert (so z. B. bei einem ebenfalls angerlachten Modell von zehn Landkreisen), so wäre die Frage der Anzahl der Regierungspräsidien mit zu entscheiden gewesen. Bei der tatsächlich realisierten Anzahl von 22 Landkreisen und sieben kreisfreien Städten mußte jedoch das eingeführte System der drei Regierungspräsidien noch nicht in Frage gestellt werden. Bereits im Zuge der Kreisgebietsreform wurde von der Staatsregierung die Konzeption zur Gemeindegebietsreform mit vorgelegt (Entwurf November 1991). Danach waren als Eckpunkte vorgesehen, daß Gemeinden als selbständige Gebietskörperschaft eine Mindestgröße von ca. 1.000 Einwohnern und der örtliche Verwaltungsraum eine Größe von 5.000 Einwohnern haben sollten. Hinsichtlich der inneren Struktur eines Verwaltungsraumes finden im Freistaat Sachsen drei Modelle Anwendung: vorzugsweise die Einheitsgemeinde, sowie, je nach örtlichen Bedingungen, die Verwaltungsgemeinschaft (z. B. bei Existenz eines zentralen Ortes) und der Verwaltungsverband (z. B. in dünn besiedelten Räumen ohne zentralörtliche Ausprägung). Für Verwaltungsräume im Umfeld großer Städte wurde die Größe auf 8.000 Einwohner heraufgesetzt, wobei dort die Einheitsgemeinde als alleinige Organisationsform zur Anwendung kommen sollte. Der Freistaat hatte am 3. 10. 1990 1.626 Gemeinden, davon ca. 1.000 Gemeinden unter 1.000 Einwohnern. Mit Inkrafttreten der gesetzlichen Gemeindegebietsreform zum 1. 1. 1999 reduzierte sich die Zahl der selbständigen Gemeinden auf 547, einschließlich der sieben kreisfreien Städte. 208 Gemeinden bilden einen eigenen Verwaltungsraum. 118 Verwaltungsgemeinschaften mit zusammen 293 Gemeinden und elf Verwaltungsverbänden mit zusammen 39 Gemeinden gestalten die kommunale Verwaltungslandschaft Unter steuerungstheoretischen Gesichtspunkten ist dabei besonders bemerkenswert, daß 306 Gemeinden mit den hierarchischen Steuerungsmitteln der gesetzgebensehen Durchsetzung geregelt wurden, während sich 853 Gemeinden im Wege der Informations-, Überzeugungs- und Verhandlungsstrategie durch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung dem Reformziel untergeordnet haben. In der Sprache technokratischer Erfolgskontrolle konnten somit 75 % der Reformziele durch nicht hierarchische Steuerungsmittel verwirklicht werden, in Bayern waren es hingegen nur 28 %, in Baden-Württemberg 30 % und in Hessen 64%. 1 Für eine politikwissenschaftliche Betrachtungsweise wäre es 1 Siehe Frank Pfeil, Der gesetzliche Abschluß der Gemeindegebietsreform im Freistaat Sachsen, in: Länder- und Kommunalverwaltung 4/2000 S. 133.

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sicherlich nicht uninteressant, im Sinne einer handlungs- und akteursorientierten Betrachtungsweise die Strategien der einzelnen Akteure zu analysieren, zwischen der Freiwilligkeitslösung und der gesetzgebensehen Unterordnung zu wählen. Der hohe Grad von freiwilligen Lösungen konnte jedoch nur dadurch erreicht werden, indem die Kontextbedingungen jeweils so verändert wurden, daß eine freiwillige Lösung immer vorteilhafter wurde und sich somit die Entscheidungspräferenzen veränderten. Hier ist insbesondere gravierend gewesen, daß mit der Änderung der Gemeindeordnung 1994 die Größe für Gemeinden mit hauptamtlichem Bürgermeister auf 1.200 festgesetzt wurde, so daß allein im Zeitraum zwischen 31. Dezember 1993 und 1. April 1994 594 Gemeinden den Weg der Vereinigung oder Eingliederung gesucht haben. Bei ca. 100 Gemeinden über 1.000 Einwohnern, die zur Eingemeindung in zentrale Orte vorgesehen waren, um deren Entwicklungsfähigkeit zu sichern, hatte sich als nachteilig erwiesen, daß hier gleichzeitig Widerstände bei den Landkreisen zu überwinden waren. Insbesondere bei relativ klein geschnittenen Landkreisen fürchteten ihre Vertreter bei einer Reduzierung der kreisangehörigen Gemeinden um den Bestand ihrer Gebietskörperschaft. Aus dem gleichen Grund war auch die Tendenz ausgeprägt, zu verhindern, durch die Eingliederung der Städte die 20.000 Einwohnergrenze zu erreichen, weil damit aus kreisangehörigen Gemeinden Große Kreisstädte geworden wären und bei existierenden Großen Kreisstädten die Gebietserweiterung den Umfang der kreisliehen Rechtsaufsicht geschmälert hätte. Um diese von den Landkreisen aufgestellten Hemmnisse zu überwinden, war es von Vorteil, durch gesetzliche Änderung (SächsGVBl. Nr. 5 vom 7. März 1997, S. 105) die Rechtsaufsicht über die Großen Kreisstädte den Landkreisen zu übertragen, so daß auch die Kommunalaufsicht über die Großen Kreisstädte im Landkreis verblieb. Lediglich die Fachaufsicht blieb bei den Mittelbehörden. Die Bereitschaft kleinerer kreisangehöriger Gemeinden zu freiwilligen Eingliederungen bzw. Fusionen konnte im Übrigen auch dadurch gestärkt werden, indem das Instrumentarium "Ortschaftsverfassung" mit weiteren Rechten für den Ortschaftsrat ausgekleidet worden ist (Kommunalrechtsänderungsgesetz, SächsGVBl. Nr. 14, vom 14. August 1996). Dem haupt- oder ehrenamtlichen Bürgermeister wurde das Recht eingeräumt, unter Wahrung des beamtenrechtlichen Status, die Funktion des Ortsvorstehers zu übernehmen. Wahrscheinlich wäre es ein weiterer Anreiz gewesen, wenn man statt des Begriffs "Ortsvorsteher" die Bezeichnung "Ortsbürgermeister" eingeführt hätte. In der ca. siebenjährigen Phase der freiwilligen Formierung der Gemeindestrukturen war Verwaltungskunst insofern gefordert, als einerseits die Motivation zur freiwilligen Gebietsneugliederungen nicht gedämpft, sondern angeregt werden sollte, aber andererseits keine Lösungen zugelassen werden konnten, die sich spä-

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ter als dysfunktional für den gesetzlichen Neugliederungsprozeß erwiesen hätten. Aus diesem Grund wurden bereits in den Grundsätzen für die kommunale Zielplanung im Freistaat Sachsen vom 11. Januar 1993 (Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zu den Grundsätzen und Zielen für die kommunale Zielplanung im Freistaat Sachsen vom 11. Januar 1993, veröffentlicht, in: Sächsisches Amtsblatt vom 20. Januar 1994) die Philosophie für die Gemeindeneugliederung, die Leitsätze und Genehmigungsgrundsätze für die gemeindliche Neugliederung dargelegt. Als Genehmigungsgrundsätze für die Bildung von Einheitsgemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, Verwaltungsverbänden wurden insbesondere vorgegeben: 1. Die Abgrenzung örtlicher Verwaltungseinheiten muß jeden Kreis flächendeckend erfassen. Keine Gemeinde darf als "Rechtsfläche" übrig bleiben; alle Gemeinden müssen verwaltungsräumlich zugeordnet werden. 2. Bei der Bildung örtlicher Verwaltungseinheiten sind vorhandene nahräumliche Verflechtungsbeziehungen unter Einbeziehung des zentralen Ortes zu berücksichtigen. 3. Insbesondere im unmittelbaren Umfeld der Ober- und Mittelzentren sollten - sofern Eingemeindung in die Stadt ausgeschlossen wird - ausreichend große örtliche Verwaltungseinheiten gebildet werden, um die Möglichkeit der kooperativen Zusammenarbeit der Ober- und Mittelzentren mit ihren Umlandgemeinden zu verbessern. Da bei der Bildung von Einheitsgemeinden im Rahmen der Freiwilligkeilsphase in ca. 22 Fällen diese Grundsätze nicht beachtet worden sind, mußte hier die Zustimmung zum Reformvorhaben versagt werden. Das Gleiche galt für 28 Fälle bei der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften und Verwaltungsverbänden, bei denen die Zustimmungsvoraussetzungen nicht gegeben waren. Die hauptsächlichen Gründe bezogen sich darauf, daß Gemeinden versuchten, als sogenannte Schutz- und Trutzbündnisse vornehmlich im Stadt-Umland-Bereich Kreisfreier Städte einer angerlachten gesetzlichen Eingemeindung in die zentralen Orte zu entgehen. Aus diesem Grund wurde auch in den Richtlinien (s.o.) eindeutig festgestellt, daß in der Freiwilligkeilsphase der Gemeindegebietsreform keine Tatsachen geschaffen werden dürfen, die dem Gesetzgeber selbst eine maßvolle Eingemeindungspolitik im Umfeld der Ober- und Mittelzentren unmöglich machen würden. Dieser Spielraum wäre z. B. dann nicht mehr gegeben gewesen, wenn sich eine unmittelbar stadtangrenzende Gemeinde mit den von der Stadt weit entfernten Gemeinden vereinigen würde oder dorthin eingemeinden ließe. So wären gesetzgebensehe Lösungen nur noch dann möglich gewesen, wenn die Gemeindezusammenschlüsse wieder rückgängig gemacht bzw. Eingemeindungen mit einer erheblichen Raumtiefe vorgenommen worden wären.

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Bereits durch die Tendenz zur Bildung von Schutz- und Trutzbündnissen in der Freiwilligkeitsphase war erkennbar, daß die Regelung der Stadt-Umland-Verhältnisse der konfliktreichste Teil der gesetzlichen Gemeindegebietsreform werden würde. Der Gesetzgeber stand dabei auch unter erheblichem Handlungsdruck, da die spezifische Entwicklung der ostdeutschen Gemeinden mit der Wiedereinführung der kommunalen Selbstverwaltung im Jahre 1990 zu dysfunktionalen Entwicklungen im Stadt-Umland-Bereich geführt hat. Mit der Wiedereinführung der kommunalen Selbstverwaltung kamen den Umlandgemeinden dabei aktuelle Trends zur Ausdifferenzierung von Angebots- und Nachfragestrukturen im Dieostleistungssektor zugute. Standortwünsche der Betreiber orientierten sich insbesondere in Ostdeutschland zunehmend an Faktoren wie der günstigsten Erreichbarkeit, Flächenverfügbarkeil und Raumangebot 2 Bei dem Konkurrenzkampf um die knappen Stabilisierungs- bzw. Entwicklungspotenziale hatten die Umlandgemeinden erhebliche Standortvorteile. Im Allgemeinen konnte hier - im Gegensatz zu den häufig mit Rückübertragungsanspriichen blockierten Innenstadtflächen der Ober- und Mittelzentren - auf der griinen Wiese geplant werden. Wegen ihrer größeren Reaktionsgeschwindigkeit und ihrem im Vergleich zu den Kernstädten weit geringerem internen Koordinations- und Abstimmungsbedarf sowie mit der häufig geringeren Neigung, anerkannte planensehe Standards zu adaptieren, waren die Umlandgemeinden für Investoren der attraktivere Partner in den ersten Jahren nach der Wende. Unter dem enormen Entscheidungsdruck und bei einem noch nicht entwickelten staatlichen Steuerungssystem, wie Landesentwicklungsplan und Regionalplan, sowie unter dem Verdikt, kein EntwicklungsverhindereT zu sein, kam es zu einer hektischen Suburbanisierung in den ostdeutschen Agglomerationsräumen. So sind z. B. bis 1995 80% aller großflächigen Einzelhandelseinrichtungen im Umland von Leipzig in Orten ohne Zentralitätsfunktion realisiert worden. Mit der dispersen Verteilung des Erschließungskapitals entstanden überdimensionierte Gewerbe- bzw. Sondergebiete am Rande der Kernstädte sowie in ländlichen Gemeinden abseits der größeren Zentren. Verstärkt wurde die Stadt-Umland-Problematik durch die Suburbanisierungstrends im Wohnungsbau, die z.T. zur "Amerikanisierung" ostdeutscher Städte durch überdimensionierte Wohnbaulandentwicklung im Umland der Kernstädte führte und die Bemühungen um Revitalisierung innerstädtischer Zentren hemmte und die Tendenz zur sozialen Segregation verstärkte. Da die Funktionsfähigkeit der Städte akut in Frage stand, waren kurzfristig wirksame institutionelle Lösungen gefragt. Hier bot sich an, das konventionelle Instrument der Eingemeindung in die Großstadt zu favorisieren, zumal eine allgemeine Organisationstheorie, die einen hinreichenden Aufschluß über optimale Stadt-Umland-Strukturen hätte geben können, auch im Ansatz nicht zur Verfügung stand. 3 2 Siehe zum Folgenden: Bemhard Müller/Hans-Heinrich Trute, Stadt-Umland-Problem und Gebietsreform in Sachsen, Dresden University-Press 1996. 3 Ebenda,S. 49

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Hinsichtlich der letztlich in die kreisfreien Städte eingegliederten Gemeinden ist augenfällig, daß ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz der zur Eingliederung vorgesehenen Gemeinden einer freiwilligen Regelung den Vorzug vor einer gesetzlichen Lösung eingeräumt und mit der jeweils kreisfreien Stadt eine Vereinbarung geschlossen hat. So z. B. ist in Dresden die Eingemeindung von insgesamt 24.700 Einwohnern aus sieben Gemeinden nur in zwei Fällen (Gemeinde Mobschatz mit 1.376 Einwohnern und aus der Gemeinde Bannewitz durch Umgliederungen 243 Einwohner) durch den Gesetzgeber erfolgt. Das sind nur 6,5% aller betroffenen Einwohner. In Leipzig beträgt der Anteil freiwillig vereinbarter Eingliederungen immerhin ca. 45%, wobei dessen größter Teil in letzter Minute bereits nach parlamentarischer Beschlußfassung und vor in Kraft treten der Stadt-Umland-Gesetze erfolgte. Diese Entwicklung spiegelt die unterschiedlichen Einstellungen der Städte Dresden und Leipzig in den Stadt-Umland-Beziehungen wider. Wahrend Leipzig im Schatten der hierarchischen Entscheidung verhandelte, verzichtete Dresden auf diese Verhandlungsressource gänzlich und entlastete den Gesetzgeber nahezu vollständig, die Stadt-Umland-Verhältnisse der Landeshauptstadt hoheitlich zu regeln. Die Konflikthaftigkeit des gesamten Reformverhaltens spiegelt sich in den 85 Normenkontrollklagen auf kommunalen Antrag wider. Lediglich in einem Fall aus dem Stadt-Umlandbereich (Eingliederung der Stadt Markleeberg in die kreisfreie Stadt Leipzig) und in einem Fall aus dem ländlichen Bereich (Eingliederung der Gemeinde Eulowitz nach Großpostwitz) hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof den Klagen stattgegeben, im übrigen aber die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele der Gemeindegebietsreform als verfassungsrechtlich legitim und die abgeleiteten Leitsätze als mit der Verfassung vereinbar gewertet.

Durchführung und Ergebnisse der kommunalen Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern Von Maximilian Wallerath, Greifswald

1. Einführung

Die Themenstellung gibt Anlaß, Wasser in den Wein der Erwartungen zu gießen: Sie könnte dem Mißverständnis Vorschub leisten, es sei in Mecklenburg-Vorpommern bereits zu einer kommunalen Gebietsreform gekommen. Hiervon kann nur bedingt die Rede sein: Wohl gab es 1994 eine umfassende Kreisreform, indes gab es keine vergleichbare Gemeindegebietsreform. Erst in letzter Zeit haben Überlegungen zu einer solchen Reform auch in Mecklenburg-Vorpommern deutlich an Durchsetzungskraft gewonnen. Das hat mehrere Gründe. Ein Grund ist gewiß die aktuelle Bedarfslage in dem hier vorzustellenden Referenzgebiet Mecklenburg-Vorpommern wie in allen neuen Bundesländern: Nach einer ersten Konsolidierungsphase des Transformationsprozesses, der alle Kräfte beanspruchte, ist der Zeitpunkt gekommen, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, aus gemachten Erfahrungen zu lernen und Überlegungen für eine Verbesserung der in der Situation des Umbruchs gewählten Strukturen anzustellen. Die zwischenzeitliehen Veränderungen - nicht zuletzt die heute deutlicher absehbare demographische und wirtschaftliche Entwicklung - liefern einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Antriebsfaktor dafür, die überkommenen Strukturen der untersten Verwaltungsebene grundlegend in Frage zu stellen. Es ist offensichtlich, daß die Kategorie "Raum" gerade in einem ausgeprägten Flächenstaat wie Mecklenburg-Vorpommern eine Herausforderung bei dem Bemühen um die Herstellung angemessener institutioneller Rahmenbedingungen auf kommunaler Ebene darstellt. Und ebenso klar sollte sein, daß es sich bei den nunmehr anstehenden Reformen nicht nur um "das Ziehen neuer Demarkationslinien für Verwaltungsbezirke", auch nicht nur um Fragen administrativer Effizienzsteigerung handelt, sondern um auf weite Teile des Landes bezogene politische Grundentscheidungen zu der Frage: Wie halten wir es mit den ländlichen Räumen?' ' Vgl. Helmut Klüter; Regionalentwicklung und Verwaltungsräume in Mecklenburg-Vorpomrnern, in: Maximilian Wallerath (Hrsg.), Administrative Strukturen und Verwaltungseffizienz, 1998, S. 15 ff.; Maximilian Wallerath, Einführung, ebda. S. 9 f.

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2. Realanalyse

Eine kurze Realanalyse der gegenwärtigen Situation in Mecklenburg-Vorpommern mag dies erhellen: Das Land Mecklenburg-Vorpommern wurde im Jahre 1990 durch das Ländereinführungsgesetz der DDR aus den ehemaligen drei Nordbezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg geformt. Es ist mit weniger als 1,8 Mio Einwohnern auf 23.170 km2 das am dünnsten besiedelte Bundesland: Die Einwohnerdichte liegt mit 77 Einw. I km2 fast zwei Drittel unter der durchschnittlichen Bevölkerungsdichte der Bundesrepublik, die 230 Einwohner pro km2 beträgt. In zwei Kreisen liegt die Einwohnerdichte lediglich bei 41 Einwohnern pro km2 .2 Derzeit hat das Land 1.000 Gemeinden. Davon sind lediglich 6 kreisfreie Städte, 67 amtsfreie Gemeinden; 937 Gemeinden gehören einem Amt an. 77 % der Gemeinden weisen weniger als 1.000 Einwohner auf, 47% der Gemeinden haben weniger als 500 Einwohner3 . Diese verteilen sich auf 117 Ämter. Deren Regeleinwohnerzahl von 6.000 Einwohnern wird nur von knapp 50% der Ämter erreicht4 • Die Gemeinden sind in 12 Landkreisen mit einer Durchschnittsgröße von rund 102.000 Einwohnern und einer durchschnittlichen Fläche von 1.890 km 2 zusammengefaßt. Ludwigslust als flächenmäßig größter Landkreis umfaßt ein Gebiet von 2517 km2 mit 123 Gemeinden5 . Er ist damit nahezu ebenso groß wie das gesamte Saarland, weist freilich eine Bevölkerungsdichte von weniger als einem Achtel dieses Bundeslandes auf. Mindestens ebenso bedeutsam wie die unmittelbar auf die administrativen Strukturen bezogenen Daten ist ein zweiter Umstand, nämlich die demographische Entwicklung im Lande. Die Einwohnerzahl ist seit 1990 um mehr als 7% von 1,92 Millionen auf 1,78 Millionen gesunken6 . Bis 1993 dominierten Wegzüge aus dem Land insbesondere in die alten Bundesländer die Bevölkerungsentwicklung. Seit 1993 ist makroanalytisch eine Anpassung an die "bundesdeutsche Durchschnittlichkeit" zu konstatieren: Der Sterbefallüberschuß hat deutlich zugenommen - die Zahlen der Zu- und Wegzüge stimmen perSaldonahezu überein. Mikroanalytisch zeigt sich freilich eine durchaus eigene, besorgniserregende Entwicklung. So mußten die kreisfreien Städte - getragen von einer auffälligen Stadt-Umland-Wande2 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2000, S. 465; Karl-Robert Schwarze/Thomas Darsow, Handbuch Mecklenburg-Vorpommem 1997, Tab. 7. 3 Näher: Bericht des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern für die Enquetekommission "Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommem", Okt. 2000, S. 1; s.a. Klüter (wie Anm. 1) S. 15, 17 f. mit weiteren Hinweisen zu den Größenverhältnissen. 4 Das kleinste Amt umfaßt 3.298 Einwohner, das größte 14.840, im Durchschnitt sind es 6.840 Einwohner; die flächenmäßige Ausdehnung bewegt sich zwischen 28 km2 und 446 km2 (Neustrelitz-Land), die Zahl der einem Amt zugehörigen Gemeinden beträgt durchschnittlich 8 (bei mindestens 3 und höchstens 20 Mitgliedsgemeinden); siehe Bericht (wie Anm. 3) S. 1. 5 Schwarze/Darsow (wie Anm. 2) Tab. 7. 6 Bericht (wie Anm. 3), S. 1.

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rung - deutlich Federn lassen. Gewinner sind die Regionen um die kreisfreien Städte. Etwa 25 km von den größeren Städten des Landes entfernt beginnen die Entleerungsgebiete mit einem teilweise dramatischen Bevölkerungsrückgang. Es sind insbesondere die jüngeren und qualifizierteren Bewohner, die von der Landflucht getrieben sind7 . Namentlich junge Frauen hält es nicht mehr auf dem Land. Die Folgen sind explosiv: Die ländlichen Regionen laufen Gefahr, weithin entqualifiziert zu werden; das Problem der Überalterung der Bevölkerung stellt sich aller Schärfe. Die Schulanfängerzahlen haben sich nahezu halbiert; vor allem in den kreisfreien Städten stehen Wohnungen leer, die beträchtliche Kosten verursachen und mittelfristig sogar zu Abrissen zwingen 8 . Wohl gibt es ähnliche Trendverschiebungen auch in den alten Bundesländern. Auch dort verbindet sich die Abnahme der traditionell angestammten Innenstadtbevölkerung mit einer Radiuserweiterung der zentralörtlichen Kommunen in Richtung der Umlandgemeinden. Indes vollzieht sich dieser Prozeß in den neuen Bundesländern im "Zeitraffer" und mit größerer Dynamik9 , auch beschränkt sie sich nicht auf dieses Phänomen. Die überkommene Sicht des ländlichen Raumes erscheint vor diesem Hintergund gerade zu als eine Vemiedlichung der heute anstehenden Probleme. Zwar ist der "ländliche Raum" keine feste Größe: Ländliche Regionen in der Nähe zu Agglomerationsräumen müssen keineswegs durch Strukturschwäche und einen Bevölkerungsverlust gekennzeichnet sein. Konvergieren freilich die beiden Faktoren "Geringe Bevölkerungsdichte" und (insbesondere wirtschaftliche) "Lageungunst"10, wie dies in Mecklenburg-Vorpommem als einem ausgeprägten Flächenland der Fall ist, so bilden sie ein Herausforderung für die Ausformung von Verwaltungsstrukturen, die gleichzeitig dem Gedanken der Bürgemähe wie dem der effizienten Aufgabenwahrnehmung verpflichtet sind. 3. Die kommunalverfassungsrechtliche Ausgangslage a) Die Entwicklung

Bei der Bildung des Landes im Jahre 1990 gab es über 1.100 Gemeinden. Von diesen wiesen mehr als 50% weniger als 500 Einwohner auf. Die meisten dieser 7 Schwarze/Darsow (wie Anm. 2) Tab. 12; s.a. Antje Hilbig, Kleinräumige Differenzierung der Bevölkerungsdynamik in Mecklenburg-Vorpommern, Diss. Greifswald 2000, S. 28ff.; Nach einem Bericht der Ostseezeitung (vom 21. 12. 2000, Gerald Braun, Rostock, Human Resource Development, S. 5) soll das Land 1997 einen Verlust von 15.000 Ingenieuren, Wissenschaftlern, Ärzten und Unternehmern zwischen 25 und 35 Jahren zu verzeichnen gehabt haben. 8 Vgl. auch Michael Kilian, Zwischen Identitätsfindung und Reformdruck: Zehn Jahre neue Bundesländer, DVBI. 2000, S. 1388. 9 Bundesamtfür Bauwesen und Raumordnung, Raumordnungsbericht 2000, S. 52. IO Raumordnungsbericht (wie Anm. 9) S. 63 f.

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Gemeinden hatten einen "hauptamtlichen Bürgermeister, der je nach Größe der Gemeinde, von einer Sekretärin, von einer Kämmerin oder noch von weiteren Mitarbeitern unterstützt wurde" 11 • Die Gemeinden hatten noch durch die Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai 1990 12 alle Befugnisse der kommunalen Selbstverwaltung zur eigenen Erledigung erhalten. Auf der politischen Ebene bestand weitgehend Übereinstimmung, daß die Anforderungen an eine zeitgerechte kommunale Aufgabenerfüllung im Rahmen dieser Strukturen nicht zu erfüllen waren. Dennoch hat sich das Land relativ schnell - und aus gutem Grund - gegen eine allgemeine Gemeindegebietsreform und für eine Ämterbildung entschieden. Vor dem Hintergrund der zu leistenden umfassenden Transformationsaufgabe hat sich der Gesetzgeber ganz bewußt dafür entschieden, die mit neuen Selbstverwaltungsrechten gestärkte Ebene der Gemeinden nicht auch noch - zusätzlich zu den anstehenden Änderungen auf staatlicher Ebene durch eine Gebietsreform zu verändern. Die Entscheidung zugunsten einer Ämterlösung knüpfte zum einen an die auf freiwilligem Zusammenschluß beruhenden Verwaltungsgemeinschaften nach § 31 Kommunalverfassung DDR an und nahm diese zum Ausgangspunkt für die Zuordnung. Zum anderen - und in inhaltlicher Hinsicht - griff sie auf das Vorbild des Landes Schleswig-Holstein zurück, das für die gesamte weitere kommunalverfassungsrechtliche Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern maßgeblich werden sollte. Den Startschuß hierfür gab ein Erlaß des Innenministers vom 13. Mai 1991 13 . Darin waren die wichtigen Reformvorhaben der ersten Wahlperiode Amtsordnung, Landkreisneuordnung, Funktionalreform und Kommunalverfassung - in Umrissen vorgestellt worden. Die Absicht war, noch vor dem Erlaß einer neuen Kommunalverfassung eine institutionelle Stärkung der gemeindlichen Ebene zu erreichen 14. Die Grundentscheidung für eine Ämterlösung bedeutete, daß jede Gemeinde ihren Bürgermeister und ihre Gemeindevertretung behalten konnte. Siebehielt die Planungs-, Satzungs- und Finanzhoheit; eingeschränkt wurden allerdings Organisations- und Personalhoheit Im März 1992 erging dann die Amtsordnung als formelles Gesetz 15 . Sie bedeutete die erste landeseigene Regelung eines wichtigen Teilsegments aus dem Kommunalverfassungsrecht, in der auch das Verhältnis der Organe des Amtes zueinander geregelt worden war. Sie enthielt eine Ermächtigung für die Ämterbildung durch die Landesregierung und traf Übergangsregelungen mit einer Besitzstands11 So Michael Thomalla in seinem Vortrag "Amt und Gemeinde- von der ,Schreibstube' zur funktionalen Verflechtung" auf den Zweiten Greifswalder Verwaltungsfachtagen 1998 "Öffentliche Verwaltung im Flächenstaat" (n.v.). 12 GBI. DDR I Nr. 28. 13 Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommem 1991, S. 388. 14 Thomalla (wie Anm. 11). 15 Amtsordnung Mecklenburg-Vorpommem vom 18. 3. 1992 (GVBI S. 187)

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wahrungfür die vorher hauptamtlichen Bürgermeister 16• Zwei Jahre später- 1994 -wurde die neue Kommunalverfassung M-V beschlossen. Sie löste die bis dahin geltende KV-DDR aus dem Jahre 1990 ab und folgt einem kodifikatorischen Grundansatz, indem sie die kommunalen Kernbereiche Gemeindeordnung, Landkreisordnung, Amtsordnung sowie die Bestimmungen über die kommunale Zusammenarbeit in einem einzigen Gesetz vereint.

b) Die nähere Ausgestaltung der Amtsordnung

Sie geht von der amtsfreien Gemeinde als dem Idealtypus der Gemeinde aus 17 • Neben diese Grundform stellt die Kommunalverfassung M-V in den §§ 125 ff. das "Amt"; für dieses war zunächst eine Regelgröße von (2.500 18) 5.000 Einwohnern vorgesehen, die mittlerweile durch eine solche von 6.000 ersetzt wurde. Die nähere Ausgestaltung der Ämter folgt dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Kommunalverfassungsrechts. § 125 KV M-V bezeichnet die Ämter als Körperschaften des öffentlichen Rechts, die aus (benachbarten) Gemeinden des gleichen Landkreises bestehen. Die Entscheidung zugunsten der Einführung einer Ämterverfassung schloß die Notwendigkeit ein, über die konkrete Aufgabenverteilung zwischen Amt und amtsangehörigen Gemeinden, die Art der Zusammenarbeit und die Ausgestaltung der finanziellen Beziehungen zu befinden 19• Das Amt ist Träger sämtlicher Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises20. Die Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben steht zunächst ausschließlich den Gemeinden zu. Allerdings ist den Ämtern das Recht der Vorbereitung und Durchführung von Beschlüssen der Gemeindevertretung überantwortet, das diese im Einvernehmen mit dem Bürgermeister auszuüben haben (§ 127 KV M-V); es handelt sich hierbei um eine rein "akzessorische Kompetenz", die weder ein 16 Mit einem Anspruch auf Zahlung eines eventuellen Differenzbetrages zwischen neuem Gehalt und Bürgermeistergehalt durch Zuzahlung der Gemeinde bis zum Ende der Wahlzeit, wenn sie ihr Bürgermeisteramt ehrenamtlich weiterführten. 17 Und zwar ohne Hervorhebung eines besonderen Status von "großen kreisfreien Städten". Das hat den Gesetzgeber freilich nicht gehindert, kreisangehörigen Städten über 10.000 Einwohner bzw. 20.000 Einwohner einzelne Aufgaben des Straßenverkehrs- und Wegerechts (§§ 18 FRG M-V, 13 Abs. 5 StWG M-V) wie auch der Wohngeldverwaltung (§ 10 FRG M-V) zu übertragen; siehe Thomas Darsow, Die Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, LKV 1994, S. 417,419. 18 So noch der Erlaß des IM vom 13.Mai 1991; kritisch zur Erhöhung auf 5.000 Einwohner Roland Hoinka, Die Bewährungsprobe für die Amtsordnung in Mecklenburg-Vorpommern beginnt erst jetzt, LKV 1994, S. 426, 428, der freilich selbst die von ihm präferierte Größenordnung von 2.500 Einwohnern nicht als "Dauerlösung" ansieht; gegen Hoinka wiederum Klaus-Michael Glaser, Fünf Jahre nach dem Startschuß: Amtsordnung MecklenburgVorpommem hat Bewährungsprobe bestanden, LKV 1996, S. 183, 185. 19 OVG Greifswald, 4 K 1/92, Urt. vom 16. 3. 1996, S. 16 (Dabelow). zo § 128 KV M-V.

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"Initiativrecht" noch ein "Kontrollrecht" umschließt21 . Im Gegenteil steht die Ausführung der Beschlüsse der Gemeindevertretung durch das Amt ihrerseits unter deren Kontrolle22 . Kassen- und Rechnungsführung, Abgabenerhebung, Vorbereitung, Aufstellung des Haushaltsplans sind jeweils Sache des Amtes. Dieses kann auch Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen, die von mehreren Gemeinden gemeinsam dem Amt übertragen wurden, § 127 Abs. 4 KV M-V23 . Seit der Novellierung der Kommunalverfassung im Jahre 1997 kommt dem Amt überdies eine abgeleitete Entscheidungsbefugnis für einzelne amtsangehörigen Gemeinden zu (§ 127 Abs. 1 KV M-V). Sie setzt voraus, daß der ehrenamtliche Bürgermeister die Entscheidungsbefugnis auf das Amt übertragen hat, und ist auf Angelegenheiten von geringer wirtschaftlicher Bedeutung sowie auf gesetzlich oder tariflich gebundene Entscheidungen beschränkt. Schließlich hat das Amt die Gemeinden in gemeindeübergreifenden Selbstverwaltungsaufgaben zu beraten (§ 127 Abs. 3 KV M-V). Sind Gemeinden in einem gerichtlichen Verfahren beteiligt, so werden sie durch das "Amt" vertreten 24 . Die verschiedentlich verwendete Metapher vom Amt als "Schreibstube der Gemeinde" 25 hat, wie die vorstehende Aufzählung zeigt, nie wirklich zugetroffen, mag es sich auch im Kern um eine - der bayerischen bzw. baden-württembergischen Verwaltungsgemeinschaft angenäherte - Form der kooperativen Verlagerung von Gemeindeverwaltungen handeln. Organe des Amtes sind der Amtsausschuß und der Amtsvorsteher (§§ 131, 134 Abs. 1 KV M-V). Der Amtsausschuß besteht aus den Bürgermeistem der amtsangehörigen Gemeinde und weiteren (1-6) Mitgliedern je nach Größe der Gemeinde26. Er ist zuständig für alle "wichtigen Angelegenheiten" des Amtes(§ 134 Abs. 2 KV M-V). Der- ehrenamtliche - Amtsvorsteher wird vom Amtsausschuß21 Etwa im Sinne des Widerspruchsrechts und der Beanstandungspflicht des Bürgermeisters nach§ 33 KV M-V; siehe OVG Greifswald, DÖV 1995, S. 336; VG Schleswig, Die Gemeinde 1986, S. 362. 22 Deshalb ist auch bei der Entscheidung über einen Widerspruch intern die Gemeindevertretung zu beteiligen, siehe OVG Greifswald (wie Anm. 19) S. 38; DÖV 1995,336. 23 Mit der Möglichkeit der Rückübertragung bei einer wesentlichen Änderung, § 127 Abs. 5 KV M-V; vgl. auch - zum Verhältnis Kreis/Gemeinde: BVerwG, DVBL 1996, s. 1063. 24 § 127 Abs. 1 S. 6 KV M-V. Die Bestimmung enthält eine (allerdings sprachlich verkürzte) Vertretungsregelung; wie hier OVG Schleswig, NordÖR 1998, S. 28; OLG Schleswig, Die Gemeinde 1996, S. 337; a.A. etwa OVG Greifswald, DÖV 1995, S. 336, das einen Fall gesetzlicher Prozeßstandschaft des Amtes annimmt. 25 Siehe Thomas Darsow!Klaus-Michael Glaser, Einführung zur Amtsordnung Mecklenburg-Vorpommem, 1992, S. 4; s.a. BVerfGE 52, 95, 121 f. ; OVG Greifswald (wie Anm. 19) s. 31. 26 § 132 Abs. 1 und 2 KV M-V. Vor dem Hintergrund des konkreten Aufgabenzuschnitts wurde diese Form der Legitimation von BVerfGE 52, 95, 130 mit Recht als verfassungsrechtlich zulässig angesehen; vgl. auch Glaser, LKV 1996, S. 183, 187 f. Nicht überzeugend Hoinka, LKV 1994, S. 428.

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in der Regel aus dessen Mitte- gewählt(§ 137 Abs. I KV M-V). Zur Wahrnehmung der Aufgabe der Leitung der Amtsverwaltung bedient er sich i.d.R. eines fachlich vorgebildeten leitenden Verwaltungsbeamten (§ I42 KV M-V). Allerdings kann das Amt auch auf eine eigene Verwaltung verzichten und statt dessen eine größere amtsangehörige Gemeinde mit der Verwaltung des Amtes betrauen oder eine Verwaltungsgemeinschaft mit einer außerhalb des Amtes liegenden selbständigen Gemeinde (oder einem anderen Amt) vereinbaren27 . Der (hauptamtliche 28 ) Bürgermeister einer geschäftsführenden Gemeinde nimmt zugleich die Aufgabe des leitenden Verwaltungsbeamten des Amtes wahr - eine Form der Dyarchie, die unter Kontrollaspekten mehr als problematisch erscheint.

4. Das Leitbild kommunaler Selbstverwaltung Auch wenn die Kommunalverfassuung von der amtsfreien Gemeinde als dem Idealtypus der Gemeinde ausgeht, muß der "Realtypus" als "Häufigkeitstypus" dem keineswegs entsprechen. Augenscheinlich ist die Wirklichkeit auch weit hiervon entfernt, wenn lediglich rund 7% aller Gemeinden amtsfrei sind. Der gesetzliche Idealtypus der Gemeinde enthält zwei Kernelemente. Das eine ist auf die spezifische Funktion der unteren Verwaltungsebene bezogen - also auf die Stellung der Gemeinden im Staat - diese wird als "administrative" Funktion beschrieben. Das andere Element zielt auf Legitimation und interne Rollenverteilung innerhalb der Gemeindeverwaltung; mit ihr ist die "politisch-demokratische" Funktion angesprochen29. Der administrativen Funktion der Kommunalverwaltung entspricht es, wenn sie institutionell der "vollziehenden Gewalt" zugerechnet wird. Insofern wird Selbstverwaltung heute zu Recht überwiegend als .,mittelbare Staatsverwaltung" angesehen. 30 Allerdings werden die Gemeinden außerhalb des hierarchisch gegliederten Entscheidungsstrangs gestellt und als "dezentralisiert-partizipative Verwaltung" mit einer eigenständigen verfassungsunmittelbaren Legitimation ausgeformt31. Diese wird mit der politisch-demokratischen Funktion gekoppelt, wenn § I Abs. 1 KV M-V davon spricht, daß die Gemeinde "Grundlage und Glied des de§ 126 I 3 Nr. 2 und 2 KV M-V. Bei einer geschäftsführenden Gemeinde ist dieser - anders als bei sonstigen amtsangehörigen Gemeinden- stets hauptamtlicher Bürgermeister, siehe§ 38 Abs. 1 KV M-V. 29 Statt vieler: Albert von Mutius, Gemeinden und Landkreise in der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommem, LKV 1996, S. 177, 178 f. 30 Näher Ernst Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1973, S. 523 f.; Maximilian Walle· rath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2000, § 4 Rz. 45 m. w. N. 31 Eberhard Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, 1. Abschnitt, Rz. 8 (S. 14); Meinhard Schröder, Kommunalverfassungsrecht, in: Norbert Achterberg I Günter Püttner /Thomas Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, II. Bd., 2. Auf!. 2000, § 16 Rz. 6. 27 28

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mokratischen Staates" ist. Die Verbindung von Selbstverwaltungsgedanken und demokratischem Gedanken wird anschaulich mit der Metapher der kommunalen Selbstverwaltung als "Schule der Demokratie" zum Ausdruck gebracht. Sie lenkt den Blick auf das eigenständige Modell funktionsgerechter Aufgabenteilung, das die kommunale Selbstverwaltung seit dem Freiherrn vom Stein in Deutschland entwickelt hat: Ihr entspricht die klassische Rollenteilung zwischen ehrenamtlichem, politischem Element einerseits und hauptamtlichem, administrativem Element andererseits: Die polemische Zielrichtung, durch den Einsatz des ehrenamtlichen Elements nicht nur Bürgerinteresse zu wecken, sondern gleichzeitig die "Macht der Bürokratie" zu brechen, lag denn auch durchaus mit in der Absicht des Freiherrn vom Stein. Umgekehrt sollte der hauptamtliche Apparat die Macht der gewählten Politiker durch den Einsatz "fachlicher Erfahrung und Kenntnisse" ausbalancieren. Auch wenn nach ganz überwiegender Auffassung innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung der Grundsatz der Gewaltenteilung keine Geltung beansprucht, weil diese bereits als solche eine "Dezentralisation" staatlicher Macht bezweckt, besteht doch eine funktionale Trennung zwischen hauptamtlichem Element und ehrenamtlichem Element. Sie findet sich idealtypisch in der Trennung von Beschlußebene und Vollzugsebene wieder. Dieses die kommunale Selbstverwaltung effektuierende Prinzip darf nicht aus dem Blick geraten. Wenn die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern nun - ähnlich wie die Gemeindeordnungen der anderen Flächenländer - neben die Grundform der amtsfreien Gemeinde das "Amt" mit den amtsangehörigen Gemeinden gestellt hat, so hat sie sich damit zunächst bewußt von der Alternative abgesetzt, die Mindestgröße der Gemeinden höher anzusiedeln. Die Entscheidung für eine Zusammenfassung der kleinen Gemeinden in Ämtern kann als Korrelat dieser Ausgangslage gesehen werden; das Amt bildet so eine funktionelle Einheit mit den Ortsgemeinden. Das Amt erftillt gleichsam eine Auffangfunktion für die Verwaltungsaufgaben, die über die Verwaltungskraft und finanzielle Leistungsfahigkeit der Ortsgemeinde hinausgewachsen sind. Ohne den Verwaltungstyp des Amtes (oder der Verbandsgemeinden) wären viele Aufgaben in den Flächenländern längst in die Zuständigkeit der obersten kommunalen Ebene, d. h. in die der Landkreise, hineingewachsen32. Und in der Tat zählt die Institution des Amtes zum traditionellen Bild kommunaler Selbstverwaltung. Auf den ersten Blick erscheint sie - auch unter dem Aspekt des Art. 28 Abs. 2 GG - als das mildere Mittel gegenüber der Auflösung der Ortsgemeinden und der Bildung neuer Groß (Einheits-)gemeinden. Man kann die 32 Ähnliche administrative Zwischenformen wie die Ämter (Brandenburg, MecklenburgVorpommern und Schleswig-Holstein) gibt es - in unterschiedlicher Ausgestaltung - bekanntlich in allen Ländern mit geringerer Bevölkerungsdichte wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt (Verwaltungsgemeinschaften), Sachsen (Verwaltungsverband bzw. Verwaltungsgemeinschaft), Niedersachsen (Samtgemeinden) und Rheinland-Pfalz (Verbandsgemeinden); näher Arrnin Dittmann, Kommunalverbandsrecht, in: Achterberg I Püttner I Würtenberger (wie Anm. 31) § 18 Rz. 68 ff.

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"Solidargemeinschaft des Amtes" als Preis dafür ansehen, daß im ländlichen Raum die Ortsgemeinden erhalten geblieben sind. § 125 Abs. I KV M-V formuliert- insoweit eine Äußerung des BVerfG33 aufgreifend -, die Ämter dienten der Stärkung der gemeindlichen Selbstverwaltung im ländlichen Raum. Die Vorschriften der Amtsordnung zielten- so das BVerfGnicht auf eine Aushöhlung der Selbstverwaltung und damit auf eine Entziehung der den Kern der Selbstverwaltung bildenden Tätigkeit der Gemeinden, sondern im Gegenteil auf deren möglichste Bewahrung. 34 Ob der Gesetzgeber den Ämtern den Status der Gebietskörperschaft verleihe oder nicht, stehe "allein" in seiner "Organisationsgewalt"35. Die "zweistufige Organisationsstruktur" der unteren Ebene, die praktisch eine Aufgabenteilung zwischen Gemeinde und Amtsverwaltung zur Folge hat, macht die rechtssystematische Einordnung der Amtsverwaltung problematisch: § 125 KV M-V bezeichnet die Ämter als Körperschaften des öffentlichen Rechts, die aus (benachbarten) Gemeinden des gleichen Landkreises bestehen. Sie sind damit Bund-, nicht Gebietskörperschaften. Anders als bei Gebietskörperschaften bildet das Gebiet kein konstitutierendes Element zur Begründung der Mitgliedschaft; es dient nur der räumlichen Begrenzung36. Den Ämtern fehlt einerseits die "Universalität'm, andererseits sind sie nicht auf eine Legitimation durch unmittelbare Wahlen der Mitglieder des Amtsausschusses angewiesen38 . Ebenso wenig kommt ihnen der spezifische verfassungsrechtliche Schutz zu, der Gemeinden oder Kreisen zugestanden wird. Anders als z. B. bei der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde39 ist deshalb auch das Bild der "zweistufig aufgebauten (Föderal-) Gemeinde" hier durchaus fehl am Platze.

5. Reformbedarf a) Die Entkoppelung der Aufgaben

Indem den Ämtern die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung vorbehalten, den Gemeinden aber die Selbstverwaltungsaufgaben reserviert wurden, erfolgte eine Entkoppelung von Selbstverwaltungsaufgaben und Pflichtaufgaben zur ErfülBVerfGE 52, 95, 119. BVerfGE 52, 95, 116. 35 BVerfGE 52, 95, 119. 36 BVerfGE 52, 95, 119. 37 BVerfGE 79, 127, 146. 38 BVerfGE 52, 95, 116. 39 Vgl. insoweit Walter Bogner; in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1, 2. Aufl. 1981, S. 319; Rudolf Stich, Rheinland-Pfalz- Beispiel einer durchgreifenden Verwaltungsreform, DÖV 1969, S. 236, 238; s.a. BVerfG, NVwZ 1988, S. 619,621: ,,Zweite Gemeindeebene"; offengelassen von BVerwG, NVwZ 1984, 378. 33 34

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lung nach Weisung. Wiewohl auch Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung "formell gemeindliche" Angelegenheiten sind, dürfte dies im Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten40 • Für die Frage einer Optimierung der unteren Verwaltungsebene ist dies freilich keineswegs irrelevant, wie verschiedene Verflechtungen zwischen beiden Bereichen (etwa zwischen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht oder zwischen Straßenverkehrs- und Straßen- und Wegerecht) veranschaulichen41 • Orts- und Problemnähe und das dadurch erzeugte Engagement sind - wie nachdrücklich festzuhalten ist - nicht zu unterschätzende Aktivposten. Andererseits führt das Fehlen eines professionellen Selbstverwaltungsmanagements in den amtsangehörigen Gemeinden zu einer in vielen Bereichen strukturellen Unterlegenheit gegenüber einer größeren, von entsprechend vorgebildeten Fachkräften geführten Gemeinde42. Dabei geht es einmal um eine angemessene Selbstorganisation der Kommunen. Die Wahrnehmung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises setzt auch äußerlich Strukturen voraus, die eine gewisse Effizienz und Effektivität der Aufgabenwahrnehmung gewährleisten43 . Die gegenwärtigen Strukturen provozieren die Frage, ob eine angemessene Form der Selbstregulierung möglich ist, wenn die maßgeblichen Vorarbeiten für Satzungen oder Bauleitpläne aus strukturellen Gründen außerhalb der eigenen Gemeinde geleistet werden müssen. Die Gefahr ist nicht von den Hand zu weisen, daß sich Entscheidungsprozesse zwischen der Skylla der bloßen Ratifizierung fremder Vorschläge und der Charybdis der Insellösung, die sich dem Diskurs über Alternativen entzieht, bewegen. Die Segregation der Selbstverwaltungsaufgaben von den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und die Konzentration des Verwaltungsapparates auf das Amt führen nicht nur zu einer Verkürzung des Idealbildes von der allzuständigen Gemeinde, sondern auch zu einer Kupierung des verfassungsrechtlichen Schutzes: Da das Amt seinerseits keine Gebietskörperschaft und auch kein Gemeindeverband ist, der einer solchen vergleichbar wäre44, kann das Amt sich seinerseits nicht auf 40 Nach BVeifGE 52, 95, 120 spielen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung insoweit "keine entscheidende Rolle"; ähnl. BVeifGE 78, 331, 340 f. Im Rastede-Urteil läßt das BVeifG (E 79, 127, 147) offen, ob neben der Universität auch die "Totalität", d. h. die "Einheitlichkeit der öffentlichen Verwaltung auf gemeindlicher Ebene in Händen der gemeindlichen Behörden zu den identitätsbestimmenden Merkmalen der gemeindlichen Selbstverwaltung" zu zählen ist. Das OVG Greifswald (wie Anm. 19) betont zutreffend, daß das Recht der Organisation der Gemeindeverwaltung "für die gesamte Verwaltung" gilt (S. 16), die Vorenthaltung von Pflichtaufgaben nach Weisung aber "von vomherein nicht das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden" beeinträchtige (S. 20). 41 Hierzu Gerrit Manssen, Stadtgestaltung durch örtliche Bauvorschriften, 1990, S. 126, der mit Recht darauf hinweist, daß die Möglichkeit der Wahrnehmung von Pflichtaufgaben nach Weisung durchaus auch im Interesse der Gemeinden liegen kann. 42 Klüter (wie Anm. 1) S. 18. 43 Hubert Meyer, Verwaltungsstrukturreform und kommunale Selbstverwaltung, in: Maximilian Wallerath (Hrsg.) Administrative Strukturen und Verwaltungseffizienz, 1998, S. 67. 44 BVeifGE 52, 95,ll9.

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den verfassungsrechtlichen Schutz der Selbstverwaltung berufen, obwohl Personalhoheit und Organisationshoheit, in denen sich die verschiedenen kommunalen Aufgabenbereiche verzahnen, der Gemeinde selbst praktisch entzogen sind.

b) Die Größendiskussion - Einflußräume

Die anstehende Reform kann auf positive wie negative Erfahrungen aus der kommunalen Gebiets- und Funktionalreform in den alten Bundesländern zwischen 1966 und 1974 zurückgreifen45 - Kollege Stüer hat diese ja in seinem Referat bereits anschaulich in verschiedene Richtungen ausgebreitet. Die damalige Reform markierte bekanntlich das umfangreichste Reformprojekt zum Verwaltungsaufbau dieser Länder in der Nachkriegszeit; es hat bis heute seine Spuren hinterlassen. Gerade deshalb halte ich es für unumgänglich, daß der Faktor "Bevölkerungsdichte" in der Diskussion um eine Gemeindegebietsreform in den neuen Bundesländern im Hinblick auf die Einschätzung der Steuerbarkeit von Gemeinwesen ein stärkeres Gewicht erhält, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Gemeinden müssen existieren, wo Raum besiedelt ist und zivilisiertes Leben möglich bleiben soll46. Der "Raum" ist ein wesentliches konstituierendes Element des Gebietskörperschaft Gemeinde. Demgemäß ist auch das Verhältnis, das zwischen Einwohnern, Fläche und Gestaltungsmöglichkeiten besteht, ein wesentlicher Parameter für kommunale Entfaltungs- und Steuerungsmöglichen47 • Frido Wagener48, neben Wemer Weber49 einer der theoretischen Wegbereiter der damaligen Reformen, hat diesen Befund Jahre nach den damaligen Gebietsreformen - im Zusammenhang mit der Frage der staatlichen Mittelinstanz - hervorgehoben und dabei auf den traditionellen "Vorrang der Funktion gegenüber dem Gebiet" hingewiesen, mit dem sich eine vertikale Überbetonung der Fachaufgabe verbinde. In seinen Untersuchungen zum Neubau der Verwaltung finden sich hierzu freilich 45 Vgl. etwa Wemer Thieme/Günther Prillwitz, Durchführung und Ergebnisse der kommunalen Gebietsreform, 1981; Dietrich Gunst, Gebietsreform, Bürgerwille und Demokratie, AfK 1990, S. 189 ff.; Peter Eichhorn/ Heinrich Siedentopj. Effizienzeffekte der Verwaltungsreform, 1976 (für Rheinland-Pfalz); Horst Kappe, Wirtschaftlichkeitsanalysen zur Gebietsund Funktionalreform, 1978 (für Nordrhein-Westfalen); s.a. Wolfgang Clausen, Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommem. Gutachten zur Vorbereitung einer Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommem, erstellt im Auftrag des Landkreistages Mecklenburg-Vorpommem, 1991, S. 55. 46 Kar/ Oettle, Verkleinerungen von Leistungsprogrammen ("lean production") in öffentlicher Wirtschaft und Verwaltung, in: Dietrich Budäus (Hrsg.), Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahmehmung, 1998, S 155, 163. 47 BVerfGE 52, 95, 118. 48 Die Regierungsbezirke im Gesamtaufbau der Verwaltung, VerwArch 1982, S. 153, 156. 49 Entspricht die gegenwärtige kommunale Struktur des Anforderungen der Raumordnung? Empfehlen sich gesetzgebensehe Maßnahmen der Länder und des Bundes? Welchen Inhalt sollen sie haben? Gutachten I 5 zum 45. DJT, 1964.

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kaum mehr als Andeutungen. Die von ihm entwickelten Gemeindegrößenklassen gingen für die kleinste Größenklasse von einer Einwohnerdichte von unter 200 Einwohnern/km2 aus50. Das ist nicht nur weit von den heutigen Zahlen in Mecklenburg-Vorpommern entfernt, sondern ist auch Ergebnis einer gewichteten Mittelrechnung, in die sehr unterschiedliche Kriterien Eingang gefunden haben. Sie reichen von Grundschulen über Sportplätze, freiwillige Feuerwehren und Turnhallen, über Friedhöfe, Kindergärten, Kläranlagen und Wasserwerke bis hin zu Hauptschulen und Standesämtern und beruhen auf Ansätzen zwischen 2.000 bis zu 15.000 Einwohnern. Wagener kam so zu einer unteren Sollgröße von 7.000 Einwohnern, was ersichtlich den heutigen westdeutschen Durchschnittswert von 7.500 Einwohnern beeinflußt hat; auch hinter diesem verbergen sich freilich höchst unterschiedliche Strukturen51 • Andererseits muß gesehen werden, daß sich das Umfeld gemeindlicher Aufgabenwahmehmung teilweise entscheidend geändert hat52 : Die schrumpfende Größe der nachwachsenden Jahrgänge macht den Betrieb eigener Kindestagesstätten und Schulen zunehmend zu einem Problem, die Anforderungen an die Qualität der Aufgabe "Wasserversorgung" haben sich gewandelt, die Abfallbeseitigung hat eine neue Qualität erfahren, die Bauleitplanung verlangt eine anspruchsvolle Abstimmung mit anderen Planungsträgern, das kommunale Standortmarketing viel Know-how und Flexibilität. Auch wenn der "ländliche Raum" als solcher - wie festgestellt - keine feste Größe ist, dürfen doch die beiden Faktoren Bevölkerungsdichte und Lagegunst nicht aus den Auge verloren werden, soll das Leitbild einer ordnungsgemäßen kommunalen Aufgabenwahrnehmung nicht verfehlt werden53 . Kumulieren die Problemlagen, wie z. B. die Versorgung mit technischer und die mit sozialer Infra50 Frido Wagener, Neubau der Verwaltung, 2. Aufl. 1974, S. 470; allgemein hierzu Renate Mayntz, Föderalismus und die Gesellschaft der Gegenwart, AöR 115 (1990) S. 232, 242. 51 Raumordnungsbericht (wie Anm. 9) S. 51; s.a. Sachverständigen-Gutachten zur lokalen und regionalen Verwaltungsneuordnung in Schleswig-Holstein (sog. Loschelder-Gutachten), 1968, Teil A, Rz. 337, in dem die Grenze von 5.000 Einwohnern als Mindestgrenze angesehen, deren Verwirklichung nicht mehr als das untere Maß verwaltungsmäßiger Leistungsfähigkeit sicherstellen. 52 Vgl. hierzu - zugleich zur Relevanz der Änderung der Anforderungen für eine Aufgabenerfüllungauf örtlicher Ebene- BVerfGE 79, 127, 152, 159. 53 Aus der Sicht eines Verantwortun~strägers in der kommunalen Praxis wurde bereits die These vertreten, "ab 35 Personen I km " werde "die Infrastruktur unbezahlbar"; siehe den Hinweis bei G. Wolfgang Heinze, Freizeitverkehr als Chance für Deutschland, in: W. Steingrube (Hrsg.), Regionalentwicklung durch Tourismus im Spannungsfeld zwischen endogenen Potentialen und inszenierten Welten, Geifswald 2000, S. 7, 31. Das konvergiert mit der in den Richtlinien des Reichsministers des lnnern vom 8. 5. 1941 genannten Zahl von 35 Einwohnern je Quadratkilometer in einer "Dorfgruppe", die bei "Ermittlung der optimalen Größe" unter "betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und zur Sicherung einer lebendigen und gleichmäßigen Teilnahme der Dörfer an den Gemeinschafts- und sonstigen Einrichtungen des Hauptdorfes" etwa 5.000 Einwohner auf 150 krn2 umfassen sollte (wiedergegeben bei Wagener [wie Anm. 50] S. 111.

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struktur, droht nicht nur eine Gefährdung des Fortbestandes dieser Räume als "funktionsfähige Siedlungsräurne"54. Es droht auch eine Paralysierung des gemeindlichen Einflusses: Die wichtigen Entscheidungen fallen an anderer Stelle, entweder auf Kreisebene oder im Amt, in dem der Einfluß mediatiert ist. Gemeindliche Selbstverwaltung steht mehr auf dem Papier, als daß sie mit Leben erfüllt werden könnte. Bedingt durch die Vielzahl kleiner und kleinster Mitgliedsgemeinden ist der Einfluß der einzelnen Gemeinde in manchem Zweckverband marginalisiert. Nicht zuletzt wächst die Kontrollspanne für die übergeordneten Instanzen; dies schwächt die Kontrolldichte der Rechtsaufsicht Bei durchschnittlich 90 Gemeinden in einem Kreis entstehen zwangsläufig erhebliche Informationsasymmetrien auf beiden Seiten, die einen beträchtlichen - nicht nur finanziellen - Aufwand verursachen. Schließlich werden die Voraussetzungen für eine weitere Funktionalreform schlicht unterlaufen, wenn die administrative Leistungskraft mit den Anforderungen der sich wandelnden Umwelt nicht mehr Schritt hält55 . Von der strukturellen Schwäche der Gemeinden bleiben die Ämter nicht unberührt. Ein vom Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern vorgenommener Kennzahlenvergleich zwischen den Amtsverwaltungen56, an dem sich 84 von 117 Ämtern beteiligt haben, hat beträchtliche Unterschiede im Hinblick auf die Größe der Ämter, die Anzahl der Gemeinden und die Beschäftigten in den Amtsverwaltungen zutage gefördert. Sie spiegeln die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Ämter wider. So reicht die Höhe der Amtsumlage von 46,- DM bis zu 377,- DM je Einwohner, die Personalausgaben divergieren zwischen 123,- DM und 295,- DM pro Einwohner57 • Tatsächlich kann keinem Zweifel unterliegen, daß sich hier mit wachsender Zahl der amtsangehörigen Gemeinden ähnliche Probleme wie auf Kreisebene stellen: Während der Koordinationsaufwand steigt, sinkt zwangsläufig der Einfluß der einzelnen Gemeinde. c) Die Rolle der kreisfreien Städte

Dringend auf eine Lösung drängt auch die manifeste Stadt-Umland-Problematik. Inzwischen ist die Bevölkerungszahl der Landeshauptstadt Schwerin unter 100.000 Einwohner gesunken, die einzige Großstadt im Lande ist Rostock. Angesichts der bereits Anfang der 90er Jahre absehbaren Abwanderungstendenzen von den kreisfreien Städten in das Umland wäre das völlige Aussparen der sechs kreisfreien Städte aus dem Reformvorhaben nicht nachzuvollziehen. Die weit auseinanderfallende Steuerkraft zwischen kreisfreien Städten und Stadtumland führt zu beträchtRaumordnungsbericht (wie Anm. 9) S. 64. Martin Klein! Daniela Feiten, Zwischenbilanz der kommunalen Gebietsreform in den neuen Bundesländern, VR 1996, S. 409 f. 56 Näher Uwe Bader/Thomas Deiters/Veronika llse (Hrsg.): Kommunale Kennzahlenvergleiche für die Ämter Mecklenburg-Vorpommern 2000. 57 Thomalla (wie Anm. 11). 54 55

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liehen Verwerfungen, die sich nicht allein in einem erhöhten Zuweisungsbedarf im Finanzausgleich niederschlagen. Auch die Trägerschaft von Einrichtungen, beispielsweise von Sparkassen, des Rettungsdienstes usw. läßt sich nur im Zusammenwirken mit den umliegenden Landkreisen sinnvoll angehen. 6. Reformbemühungen

An Reformbemühungen hat es in den vergangeneu Jahren nicht gefehlt. Zwar hat sich das Land zunächst völlig zu Recht einer Gemeindegebietsreform enthalten. Dennoch hat die kommunale Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren verschiedene andere Reformen erfahren. Neben einer grundlegenden, sich in mehreren Etappen vollziehenden Reform der Kommunalverfassungsrechts gilt dies namentlich für die Einführung der Amtsordnung sowie auch für die Landkreisreform. a) Ämterverfassung

Kernstück der Amtsordnung aus dem Jahre 1992 war die Befugnis für die Landesregierung, durch Verordnung Gemeinden zu Ämtern zusammenzuschließen58 . Im Vorfeld der anschließend erlassenen fünf Verordnungen kam es vor allem zu Auseinandersetzungen um den Sitz der Ämter, bei denen es vor allem um die Erreichbarkeit für die Bürger, aber natürlich auch einen Bedeutungswettbewerb zwischen den betroffenen Orten ging. Die Amtsordnung enthielt eine Regelung, nach der die - freiwillig begrundeten - Verwaltungsgemeinschaften, die den Anforderungen der Amtsordnung an ein Amt genügten, in ein Amt überführt werden konnten; damit war zugleich ein Absehen von der ansonsten zu beachtenden Anhörung der betroffenen Gemeinden verbunden. Die Landesregierung hatte hierbei ein iteratives Verfahren gewählt, indem sie zunächst zwei Landesverordnungen59 erließ, in denen die unproblematischen Fälle geregelt und alle amtsfreien Gemeinden festgelegt wurden. Komplizierter stellte sich die Umsetzung der Anhörungen vor der dritten Landesverordnung dar. Die hier gefundenen Lösungen widersprachen teilweise den Vorstellungen der betroffenen Gemeinden. So kam es auch zu 14 konkreten Normenkontrollverfahren vor dem OVG Greifswald 60• § 25 Abs. 9 AmtsO hatte diese Möglichkeit ausdrucklieh eröffnet, um einen effektiven Rechtsschutz der Gemeinden gegen die Durchfüh58 § I Abs. 6 AmtsO M-V. Die Regelungstechnik wirft die Frage auf, ob der vom BVerfG entwickelte "Wesentlichkeitsvorbehalt" nicht dem Gesetzgeber auferlegte, die entsprechenden Regelungen selbst zu treffen; hierzu - mit Recht ablehnend - OVG Greifswald (wie Anm. 19) S. 56. 59 Erste und zweite Landesverordnung zur Bildung von Ämtern und zur Bestimmung der amtsfreien Gemeinden vom 25. März bzw. 3. Juni 1992 (GVOBI. M-V, S. 219 bzw. 305). 60 Näher Glaser, LKV 1996, 183 ff. sowie Hoinka, LKV 1994, S. 426.

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rungsverordnungen zur Ämterbildung zu sichern - das Landesverlassungsgericht war seinerzeit noch nicht gebildet. Die Verrahren brachten in einem Fall die Amtsfreiheit (Ostseebad Boltenhagen), in zwei anderen Fällen riefen sie erneut den Gesetzgeber auf den Plan. Im Falle Hiddensee kam es nach einer Gesetzesänderung61 zu einer weiteren Amtsfreiheit, im Falle Velgast durch die fünfte Landesverordnung62 zu der Lösung, die der Verordnungsgeber bereits in der dritten Landesverordnung63 vorgesehen hatte. b) Kreisrefonn

Auch die Kreisebene hat sich seit 1990 deutlich verändert. Die ursprünglich durchschnittlich 40.000 Einwohner zählenden 31 Landkreise erwiesen sich schon bald zur dauerhaften Wahrnehmung von Ausgleichs- und Ergänzungsaufgaben, aber auch zur Trägerschaft von Einrichtungen wie Sparkassen, Krankenhäusern, Abfallentsorgungsanlagen usw. nicht in der Lage64 . Durch die Kreisreform 1993/ 9465 wurden sie auf 12 reduziert; damit war eine Vergrößerung der Einwohnerzahl um durchschnittlich das zweieinhalbfache verbunden. Trotz der nach wie vor eher geringen Einwohnerzahl der Kreise halte ich die seinerzeit vollzogene Reform für prinzipiell richtig. Bezieht man den "Faktor Raum" einerseits sowie das Fehlen einer allgemeinen staatlichen Mittelinstanz andererseits mit ein, so beweist sie insgesamt durchaus Augenmaß. Die Kreise sind sehr viel besser als in der Vergangenheit zur Wahrnehmung der typischen Kreisaufgaben in der Lage. Die Verwaltungskraft der Landkreise ist deutlich gestiegen; die Professionalität der Aufgabenwahrnehmung konnte gesteigert werden. Die Steigerung der Wirtschaftlichkeit dokumentiert sich nicht zuletzt in einem Abbau des Personalbestandes in den Kernverwaltungen um annähernd 20% seit der Reform bei gleichzeitig gewachsenem Aufgabenbestand66. Daß die zwischenzeitlich- in den Jahren 199467 und 199768 - erlolgte Funktionalreform auf halbem Wege stehen blieb, hat seinen Grund nicht zuletzt auch in 61 Erstes Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 13. November 1995 (GVOBl. M-V, S. 537). 62 GVOBl. M-V 1994, S. 672. Vgl. hierzu die- im Vorfeld der Reform erstellten- Gutachten von Wemer Thieme, Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommem, 1992 (im Auftrag des Innenministers Mecklenburg-Vorpommem) sowie Wolfgang Clausen (wie Anm. 45). 63 GVOBl. M-V 1992, S. 597. 64 Meyer (wie Anm. 43) S. 67; s.a. Statist Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1993, s. 55. 65 Gesetz zur Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landkreisneuordnungsgesetz vom 1. Juli 1993 (GVOBl. M-V, S. 631). 66 Meyer (wie Anm. 43) S. 67 f. 67 Gesetz über die Funktionalreform vom 5. Mai 1994 (GVOBl. M-V, S. 566); hierzu Huben Meyer, Funktionalreform als pragmatischer Prozeß, LKV 1994, S. 422ff. 68 Gesetz über kostensenkende Strukturmaßnahmen in MV vom 25. 9. 1997 (GVOBl M-V, S. 502).

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dem Zuschnitt der gemeindlichen Ebene. Das legt die Interdependenzen zwischen Funktionalreform und Gebietsreform überdeutlich offen. Die im Zuge dieser Reformen erfolgte Anhebung der Regeleinwohnerzahl der Ämter von 5.000 auf 6.000 wie auch die der Mindesteinwohnerzahl der amtsfreien Gemeinden von 2.500 auf 3.000 Einwohner hat an den tatsächlichen Verhältnissen kaum etwas verändert. c) Anreize zu freiwilligen Lösungen

Erste Anläufe zu einer Gemeindegebietsreform hat das Land zwischenzeitlich unter Rückgriff auf das klassische Konzept des "Goldenen Zügels" unternommen: Während das Finanzausgleichsgesetz zunächst ein "Hochzeitsgeschenk" für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse in Form eines pauschalen Zuschusses für investive Maßnahmen in Höhe von 500.000 DM pro aufgelöster Gemeinde eingeführt hatte69 , ist nunmehr ein finanzieller Anreiz in Form einer einmaligen Zuweisung in Höhe von 150.000 DM je wegfallender Gemeinde für die Rechtsnachfolger vorgesehen, sofern sich kreisangehörige Gemeinden spätestens mit Ablauf des Jahres 2004 vertraglich zugunsten einer bestehenden oder neu zu bildenden kreisangehörigen Gemeinde auflösen70; dieser Betrag erhöht sich um 500.000 DM, wenn infolge der Gebietsänderung zugleich ein Amt aufgelöst wird, denen die Gemeinden angehören (§ 1 Abs. 2). Das Neue Amt erhält überdies für einen Zeitraum von vier Jahren Zuweisungen in Höhe von 35 DM je Einwohner, mindestens jedoch 350.000 DM jährlich71 . Die Prämien haben bislang die Bereitschaft der Gemeinden zur Selbstaufgabe nicht allzu sehr beeinflussen können. Immerhin haben sich rund 80 Gemeinden seit 1997 zu freiwilligen Zusammenschlüssen bereit gefunden; die daraus erwachsenen Erfahrungen sind in einem Papier des Städte- und Gemeindebundes72 zusammengefaßt, über das Herrn Glaser in einer der Arbeitsgruppen näher berichten wird.

69 Das Finanzausgleichsgesetz vom 18. Dezember 1996 (GVOBI. M-V, S. 616) gewährte in § 10 Abs. 3 Gemeinden, die sich durch Gebietsänderungsverträge auflösten, Sanderbedarfszuweisungen in Höhe von 500.000 DM für investive Maßnahmen. Ämter und amtsfreie Gemeinden, die sich zusammenschlossen, erhielten nach § 10 Abs. 4 FAG ebenfalls erhöhte Zuwendungen. 70 § 1 Abs. 1 VO über die Gewährung von Zuweisungen bei der Auflösung von Gemeinden und der Neubildung von Ämtern und Verwaltungsgemeinschaften vom 20. 4. 2000 (GVOBl M-V, S. 195). 71 Zu weiteren Einzelheiten: § 2 Abs. 1 S. 1 der VO. Gleiches gilt, wenn eine bisher amtsfreie Gemeinde auf Antrag einem Amt zugeordnet wird (S. 2). Finanziell gefördert wird auch die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft nach§ 126 KV M-V zwischen einem Amt und einer amtsfreien Gemeinde (§ 2 Abs. 2). Für den vorgenannten Zweck stehen jährlich bis zu 10 Mio. DM zur Verfügung, von denen die Hälfte aus Sonderbedarfszuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs aufgebracht wird.(§ 10 I S. 3 FAG). 72 Städte- und Gemeindebund M-V, Az. 026.09.

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d) Enquetekommission ,. Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen"

Im Juli vergangeneo Jahres hat der Landtag die Einsetzung einer Enquete-Kommission ,,Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in MecklenburgVorpommem" beschlossen. Sie soll Empfehlungen für künftige kommunale Strukturen mit dem Ziel geben, die kommunale Selbstverwaltung dauerhaft zu sichern und zu stärken73 . Im einzelnen sind der Enquetekommission vier Aufgabenstellungen übertragen: 1. Verschiedene Modelle und Maßnahmen zur Gestaltung einer effizienten und leistungsfähigen Gemeindestruktur darstellen und in Bezug auf Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger demokratische Struktur, Personalbedarf, Kosteneinsparung und kommunale Handlungsfahigkeit bewerten; 2. Maßnahmen vorschlagen, die die politische Akzeptanz von Strukturveränderungen erhöhen; 3. Vorschläge für die Minderung oder Lösung der Stadt-Umland-Problematik darstellen und bewerten; 4. Die Möglichkeit von Aufgabenübertragungen auf die kommunale Ebene prüfen (Funktionalreform), um eine Aussage über die zukünftige Aufgabenstruktur und den Aufgabenumfang machen zu können. Die konstituierende Sitzung der Kommission fand am 28.September 2000 statt. Sie war begleitet von einem Disput um Geschäftsordnungsfragen, der inzwischen zu einem Verfahren vor dem Verfassungsgericht des Landes geführt hat. Nach dem Einsetzungsbeschluß soll der Bericht der Kommission für den Landtag bis zum 31. März 2002 erstellt werden. 7. Weiterentwicklung- Alternativen Der Auftrag der Enquetekommission macht den Zielkonflikt zwischen dem Bestreben des Landes, möglichst leistungsfähige Einheiten zu schaffen, und dem Anliegen, eine ortsnahe Verwaltung zu ermöglichen, die das vorhandene Engagement nicht untergräbt, deutlich. Dieser ist nicht ohne Kompromisse aufzulösen74. Hier ist vor allem der Gesetzgeber gefragt, dem in erster Linie die Aufgabe zukommt, den notwendigen Ausgleich zwischen diesen Zielen herzustellen. Dabei hat er - gerade was Leitlinien und organisatorische Formen angeht, die er zu ihrer Verwirklichung bereitstellt, LT-Drucks. 3/1350 S. 3; LT-Drucks. 3/1425. Hierzu insbesondere BVerfG, DVBI. 1992, 960, 961 f.; Thieme/Prillwitz (wie Anm. 45), S. 45, 50; vgl. auch BVerfGE 79, 127 148 (Rastede) für die Aufgabenzuordnung zwischen Gemeinde und Kreisen. 73

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einen nicht unbeträchtlichen Entscheidungsspielraum. Als dessen rechtspolitische Eckpunkte mag man die bisherige Struktur der Kleinteiligkeit mit der Amtsverfassung einerseits und die große Lösung nach dem Muster der nordrhein-westfälischen Großgemeinden andererseits ansehen. Doch halte ich beide - unter den Rahmenbedingungen des Landes - nicht für Modelle, die auf Dauer Tragfähigkeit versprechen: Die nordrhein-westfälische Lösung nicht, weil sie eine zu "glatte", um nicht zu sagen: "technokratische", Antwort bereit hält, die für einen dünn besiedelten Raum wie Mecklenburg-Vorpommern unterkomplex ist und an den vorfindliehen Realien vorbeizielt, die bisherige Struktur nicht, weil sie dem Leitbild kommunaler Selbstverwaltung angesichts der gewandelten Umweltbedingungen und der damit verbundenen Anforderungen nicht mehr gerecht zu werden vermag. Vieles drängt auf eine breit angelegte Gemeindegebietsreform. Diese könnte mit einer Aufwertung der bisherigen Ämter zu Samtgemeinden -etwa nach niedersächsischem Vorbild - oder zu Verbandsgemeinden - nach rheinland-pfälzischem Muster75 - einhergehen; letzteres entspräche dem Modell einer "zweistufigen Gemeinde". Beides hätte Konsequenzen für die Art der Legitimation der Organe des Amtes. Nicht ausgeschlossen -und durchaus auch daneben ins Auge zu fassen - ist die Bildung von Einheitsgemeinden. Diese müßten freilich angesichts der Weiträumigkeit der Kommunen unbedingt eine Ortsteilstruktur aufweisen, die u.U. auch unterschiedlich ausgestaltet werden könnte. Das geltende Kommunalverfassungsrechtin Mecklenburg-Vorpommern hält insoweit bereits eine Option für Eingemeindungsfalle bereit76 . Sie hat den Vorteil, daß sie die Entscheidungsebene dort ansiedelt, wo die Leistungskraft liegt, gleichzeitig aber Mitsprachemöglichkeiten kleinerer, bisher selbständiger Teilbereiche zu bewahren sucht. Hierbei sollte auch eine bessere Koordination mit der Raumplanung erfolgen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß Verwaltungsstrukturen und Planungsräume nicht immer genügend aufeinander abgestimmt sind; damit stehen auch die Stadt-Umland-Problematik sowie die Funktionen von Städten mit zentralörtlicher Bedeutung auf dem Prüfstand77 . 75 Diese haben die Qualität von Gebietskörperschaften, siehe § 64 Abs. 1 GO Rh-Pf sowie Bogner (wie Anrn. 39), S. 319; Dittmann (wie Anrn. 32) § 18 Rz. 72. Nicht von ungefähr hatte Wilhelm Losehelder im Zusammenhang mit der Gebiets- und Verwaltungsreform Schleswig-Holstein den Gedanken geäußert, die "Ämter" als "Gebietskörperschaften" zu verfassen (vgl. Georg von Unruh, Gebiets- und Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein, DÖV 1969, S. 117 f.: Die Amtsgemeinde sei "dann ohne verfassungsrechtliche Bedenken befugt, alle Angelegenheiten der örtlichen Gerneinschaft zu erledigen, welche über die Leistungskraft oder die ökonomische Rentabilität zur ortsgemeindlichen Erledigung hinausgehen"). Tatsächlich dürfte sich der gesetzgebensehe "Spielraum" der Aufgabenzuweisung bei einer solchen Ausgestaltung beträchtlich erweitern; freilich wäre auch in diesem Fall die Aufgabenverteilung auf die so eröffneten zwei Ebenen gemeindlicher Betätigung mit etwaigen verfassungsrechtlichen Direktiven abzugleichen; informativ BVerwG; NVwZ 1984, 378 ff.; vgl. auch BVerfGE 79, 127, 153 f. (Rastede) zur "Hochzoonung" von gemeindlichen Aufgaben auf die Kreise sowie BVeifG, NVwZ 1988, 619 ff. zur Bauleitplanung. 76 § 42 Abs. I S. 2 KV M-V; vgl. auch BVerfG, DVBI. 1990, 1401 f. (Bezirksversarnrn1ungen in der Freien und Hansestadt Harnburg). 77 Hilbig, (wie Anrn. 7) S. 88 ff.; Klüter (wie Anrn. 1) S. 16, 20.

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8. Ausblick

Entscheidungen über grundlegende Veränderungen der Verwaltungsstruktur sind nie solche der Stunde "Null". Darin ist mit angelegt, daß es sich nicht um eine modellhafte Verwirklichung von Idealvorstellungen am Reißbrett handeln kann. Stets geht es um den Ausgleich konfligierender Ziele wie Bürgernähe, Erreichbarkeit, Erweiterung von Entscheidungsspielräumen, Verwaltungseffizienz, Akzeptanz oder Identitätswahrung. Die Bewertung dieser Abwägungselemente und die Auflösung des damit notwendig angesprochenen Konflikts ist aus gutem Grund primär Sache des Parlaments. Zwar ist sie nicht Sache bloßer politischer Dezision78, aber das hindert die Politik nicht, gegebenenfalls. auch neue Wege zu gehen, die sich nicht auf ein bloßen "Klonen" bekannter Modelle zurückziehen. Es ist kaum vorstellbar, daß eine weitere Funktionalreform ohne eine grundlegende Änderung der derzeitigen Situation auf gemeindlicher Ebene möglich ist - sie wäre der Kommunalverwaltung zu wünschen.

78 BVerfGE 86, 90, 108 f.; Rainer Pitschas, Organisationsrecht als Steuerungsressource in der Sozialverwaltung, in: E. Schmidt-Aßmann/W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 151, 198; Gunnar Folke Schuppert, Organisation großstädtischer Aufgabenerfüllung - Nationale und internationale Erfahrungen, in: Dietrich Budäus/Werner W. Engelhardt (Hrsg), Großstädtische Aufgabenerfüllung im Wandel, 1996, S. 109, 139 f.

Ergebnisse aus den Arbeitskreisen Arbeitskreis 1 "Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen der kommunalen Gebietsreform (einschließlich Amtsgemeindemodell)" Leitung: Michael Nierhaus, Potsdam Von Oliver Klein, Potsdam

Prof. Nierhaus eröffnete den Arbeitskreis und nahm zunächst zu den "Leitlinien der Landesregierung für die Entwicklung der Gemeindestruktur im Lande Brandenburg" vom 11. Juli 2000 Stellung, indem er die verfassungsrechtliche Ausgangsposition der Gemeinden skizzierte. Konkretisierend ging er auf den Mindestgarantiegehalt (Kembereich) des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 97 BbgVerf, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) anband der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Rastede-Entscheidung) und insbesondere der Verfassungsgerichte der Neuen Bundesländer ein. Besonderes Gewicht legte er auf die Darstellung der hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen und Maßstäbe für kommunale Gebietsreformen. Neugliederungsmaßnahmen unterlägen einem weitaus differenzierteren Abwägungsprozeß und einem höheren Begriindungszwang als sonstige Planungen im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Im Anschluß hieran stellte Prof. Nierhaus die beiden in Brandenburg angestrebten Modelle (Amts- und Ortsgemeindemodell, Einheitsgemeinden im hertinnahen Verdichtungsraum und reformierte Ämter in den Randzonen Brandenburgs) synoptisch nebeneinander und ging auf ausgewählte Probleme in den Reformvorschlägen ein. Neben Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht (z. B. die Anhörung von etwa 1.400 Gemeinden; die Stadt-Umland-Problematik im Einzugsbereich Berlins) bestünden besondere rechtliche Hürden im Zuge der Gebietsreform: Stichworte seien ein verändertes Aufgabenverteilungssystem, Verschiebungen der Zuständigkeiten und der Budgethoheit von Kommunalorganen, unklare demokratische Legitimationszusammenhänge, aber auch bestehende Vertrauensschutz- und Rücksichtnahmegebote infolge freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse in der Vergangenheit1.

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Ergebnisse aus den Arbeitskreisen

Prof. Nierhaus schloß seine Einführung mit dem gleichermaßen klärenden wie mahnenden Hinweis, daß in der Vergangenheit wegen der zurückgenommenen verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte nur wenige kommunale Verfassungsbeschwerden erfolgreich waren. Zumeist führten lediglich unterlassene oder mangelhafte Anhörungen nach einem - überraschenden - Wechsel des Gemeindegebietsreformmodells oder sonstige konzeptionelle Änderungen (z. B. ein überraschender Übergang zu Altemativlösungen) zum Erfolg vor den angerufenen Gerichten. Der Grund für die weitgehend geringen Erfolgschancen kommunaler Verfassungsbeschwerden läge an der Einräumung eines weiten und umfassenden gesetzgebensehen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraumes (vor allen Dingen in Wertungs- und Prognosefragen). Obgleich die Selbstverwaltungsgarantie verfassungsrechtlich einen hohen Stellenwert besitze und in all ihren Fa~etten sehr ernst genommen und dementsprechend gewichtet würde, beschränke sich die verfassungsgerichtliche Überprüfung einer kommunalen Gebietsreform im Ergebnis auf eine bloße Evidenz-, Vertretbarkeits- und Willkürkontrolle. Zum Auftakt der Diskussion gab Herr Sätzer zu Bedenken, das die zunehmende Verlagerung von ursprünglichen Staatsaufgaben auf die kommunale Ebene (Stichwort: Aufgabenkommunalisierung) zu einer "Aufgabenüberfrachtung der Kommunen führe", die bereits dramatische Formen angenommen habe. Die Kommunen seien heute unter dem Druck von Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben kaum noch in der Lage, Selbstverwaltungsaufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen. Auf der anderen Seite vemachlässsige der Staat seine Staatsfunktionen im Falle weiterer Aufgabenverlagerungen auf die gemeindliche Ebene. Auf Landesebene würde versucht, die aufgabenausführende unterste (gemeindliche) Ebene im Sinne effektiver staatlicher Kontrolle zu formen, was Gebietsreformen einschließe. Prof. Nierhaus teilte die Bedenken von Herrn Sätzer insoweit, als eine Überfrachtung der Gemeinden mit Staatsaufgaben "erdrosselnde Tendenzen" zumindest dann aufweisen könne, wenn dadurch Gemeinden Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr in ausreichendem Maße wahrnehmen und erfüllen könnten oder die Kostendeckung nicht ausreichend sei. Im übrigen mahnte er - trotz gegenteiliger Stimmen - die Weiterentwicklung der Staatsaufgabenlehre an. Herr Tiepetmann wendete unter Bezug auf das Thema des Arbeitskreises und dem von ihm vertretenen Amt ein, daß ein wirklicher Vorrang von freiwilligen Lösungen bei der Gebietsreform nur schwer zu erkennen sei. Jedenfalls gehe von allen Modellen ein zumindest mittelbar-faktischer Zwang zu größeren Gemeindeeinheiten aus. In systematischer Hinsicht und auch sach- und verfassungsnotwendig seien Schematisierungen notwendig, die zunächst nur wenig Spielraum für die Abwägung und Berücksichtigung von Einzelfallumständen ließen. I Siehe § 9 Gemeindeordnung, § 1 Abs. 3 bis 6 Amtsordnung, zuletzt geändert durch Art. 1 und Art. 2 des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg v. 13. 03. 2001 (GVBI. I, S. 30 ff.).

Arbeitskreis 1

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Prof. Nierhaus machte deutlich, daß faktische Zwänge unvermeidbar rechtlichen Zwängen folgen würden. Im übrigen böten freiwillige Lösungen im Rahmen der Leitlinien grundsätzlich größere Freiheiten und Gestaltungsspielräume als gesetzliche Zwangsvereinigungen. Herr Jahn ging auf die spezielle Situation des von Herrn Tiepelmann vertretenen Amtes Wandlitz ein und zeigte bestehende Neugestaltungsvarianten auf. Herr Dr. Wilhelm vertrat entgegen Herrn Tiepelmann die Ansicht, daß eine Variationsbreite freiwilliger Lösungen existiere; er erkenne aber ebenfalls Momente des Zwangs innerhalb des gesamten Vorhabens der kommunalen Gebietsreform. Dieser latente Druck sei aber jeglichen staatlichen Reformbestrebungen inhärent. Er hob hervor, daß mit der Gebietsreform eine Herabzonung staatlicher Aufgaben nicht verbunden sei und durch das sogenannte Konnexitätsprinzip Aufgabenlasten der Gemeinden ausgeglichen würden. Nach seiner Ansicht könnten im Rahmen einer zweiten Stufe der Funktionalreform weitere Aufgaben auf die Gemeinden verlagert werden, wenn dies der Stärkung der Gemeinden im Zuge der Umstrukturierung diene, was in der Diskussionsrunde jedoch z.T. in Zweifel gezogen wurde. Im Anschluß hieran stellte Herr Blanke die Situation in dem von ihm vertretenen Amt Seelow (ein sogenanntes unvollständiges Kragenamt) vor. Er sehe nur wenig Chancen für eine erfolgreiche Klage gegen die Gebietsreform und bezieht sich insoweit auf die Gemeindegebietsreform in Sachsen. Er fragte, ob und inwieweit eine Volksinitiative (Art. 76 BbgVerf) gegen die Leitlinien oder sonstige Akte der Landesregierung zulässig wäre. Nach seiner Ansicht fehle den Leitlinien letztlich ein ausreichender Gemeinwohlbezug. Prof. Nierhaus schätzte die Erfolgsquote einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Leitlinien als eher gering ein, da die wesentlichen Verfassungsprinzipien, insbesondere das Demokratieprinzip, beachtet würden. Soweit dennoch Defizite erkennbar seien, dürften diese durch den eingangs erörterten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bis zur Grenze der Willkür gedeckt sein. Anhaltspunkte für evident willkürliche Neugliederungsmaßnahmen seien bisher nicht ersichtlich. Herr P. Schumacher fügte an, daß ein Volksbegehren gegen die Leitlinien grundsätzlich zulässig ist, bisher aber von niemandem ernsthaft und öffentlich in Erwägung gezogen würde. Er nahm die einleitenden Ausführungen von Prof. Nierhaus zum Anlaß, weitere Einzelheiten des Leitbildes und des Modells der amtsfreien Gemeinde aus Sicht der Landesregierung darzustellen und vertrat in diesem Zusammenhang die Ansicht, daß neben der Gebietsstrukturreform eine Wahlkreisneugliederung zulässig und erforderlich sei. Die Kommunalwahl wirke sich als Verhältniswahl mit personellen Elementen nicht auf einen geänderten Gemeindezuschnitt oder veränderte Ämtergrenzen aus. Dennoch müßten Bürger zuvor selbständiger Gemeinden nach deren Eingliederung zumindest ein Mandat in einer neu gebildeten Gemeinde erhalten können. Herr P. Schumacher räumte weiter ein, daß die vom Land angestrebte Strukturreform und die Festlegung von Spannbreiten und Mindestzahlen (amtsangehörige 5 Nierhaus

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Ergebnisse aus den Arbeitskreisen

Gemeinden mit mindestens 500 Einwohnern; Amt mit mindestens 5.000 Einwohnern und 3-6 Gemeinden) keine in jeder Hinsicht optimale Lösung darstellen. Gleichwohl gab er zu Bedenken, daß andere, gleichermaßen geeignete Modelle nicht zu Verfügung stünden. Überdies gebe es zugunsten betroffener Gemeinden in außergewöhnlichen Strukturlagen gesetzliche Genehmigungsvorbehalte. In diesen Einzelfällen würden Neugliederungen gesondert geprüft und die jeweiligen schutzbedürftigen Kommunalbelange gegenüber staatlichen Neugliederungsvorstellungen abgewogen, womit den Betroffenen eine weitere Kontrollebene zur Verfügung stünde. Im Anschluß hieran stellte Herr Heldt die Situation in der von ihm vertretenen Gemeinde vor. Er hege grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Eingliederungsmaßnahmen, wenn zwar kleine, aber schuldenfreie Gemeinden mit ggf. hohen finanziellen Rücklagen aufgrund der Gemeindegröße zwangsweise eingegliedert werden sollten. Sein Einwand zielt hierbei auf die Leitlinien der Landesregierung (Titel: "Starke Gemeinden für Brandenburg") und die darin hervorgehobenen Kriterien der "Leistungsstärke" und "Leistungsfähigkeit". Zumindest sein Amt müsse unter diesem Gesichtspunkt von Umgliederungsmaßnahmen "verschont" werden, da es keine finanziellen Defizite aufweise. Prof. Nierhaus erläuterte das Merkmal der "Leistungsstärke", welches sich auf die finanzielle Stärkung aller Gemeinden im Land Brandenburg beziehe und folglich einen landesweiten Bezug aufweise. Die Verfassungswidrigkeit einer landesweiten Neugliederung verneinte er. Nicht allein die "Leistungsstärke" einzelner Gemeinden, sondern die Schaffung "gleichwertiger, nicht: gleicher Lebensverhältnisse im Land" sei das Ziel der Gemeindestrukturreform. Dieser Gemeinwohlbezug erfordere und beinhalte eine Solidarität unter allen Gemeinden des Landes. Der Vorzug freiwilliger Lösungen bestünde gerade darin, in den Gebietsänderungsverträgen die finanzielle Sondersituation einzelner Gemeinden angemessen berücksichtigen zu können. Prof. Wallerath merkte zum Beitrag von Herm Heldt an, daß der Verlust finanzieller Dispositionsfreiheit und mögliche Vermögenseinbußen bei einzelnen von Neugliederungen betroffenen Gemeinden im Rahmen eines Verfassungsstreitverfahrens wohl nicht rügefähig wären. Zwischen benachbarten Gemeinden herrsche ein Solidaritätsverhältnis. Auch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie beinhalte kein Abwehrrecht gegen Neugliederungsmaßnahmen, soweit lediglich eine finanzielle Schlechterstellung einer Gemeinde zu befürchten sei. Die kommunale Selbstverwaltung sei in die staatliche Organisationshoheit eingebunden. Eine intersubjektiv vermittelbare, klare gesetzgebensehe Grenzziehung unter Beachtung aller Einzelfälle sei nicht möglich, weshalb die gesetzgebensehe Entscheidung für eine Neugliederung dem Gesetzgeber Beurteilungsspielräume eröffne. Diese könne der brandenburgische Gesetzgeber nutzen. Hierauf bezog sich Frau Schadow und betonte die fehlende Bürgerbezogenheit der Strukturreform, da die örtliche Verbundenheit (Ortsprinzip) zugunsten der finanziellen Stärkung finanzschwacher Gemeinden (Solidaritätsprinzip) weitgehend

Arbeitskreis 1

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aufgegeben oder zumindest reduziert würde. Die Ortsteilsverfassung sei ihrer Ansicht nach unverständlich, dadurch nicht bürgernah und berge Ungleichgewichte in sich. Der fortwährende Geldmangel auf Landes- und Kommunalebene könne durch eine Gemeindeneugliederung nicht behoben werden. Sie stellte die Frage, worin sich zukünftig die Planungshoheit der Gemeinde(n) bei der Erstellung der Flächennutzungspläne erschöpfe. Mit dem Hinweis auf eine Entscheidung des Staatsgerichtshofes Baden-Württemberg aus dem Jahre 1976 (DÖV 1970, 595 [LS 7], 597) ging Prof. Nierhaus auf Probleme der Planungshoheit im Zuge von Neugliederungsmaßnahmen ein. Prof. Wallerath führte ein weiteres Beispiel aus RheinlandPfalz an, in dem die Planungshoheit der Gemeinden durch eine bestimmte Kompetenzverteilung mittels weitreichender Vetorechte gewährleistet worden sei. Dr. Grünewald nahm den Beitrag von Herrn Blanke zum Anlaß, näher auf die Entscheidungsbefugnisse von ehrenamtlichem Bürgermeister, Ortsbürgermeister oder Ortsbeirat einzugehen. Daraus entwickelte sich eine rege Diskussion zwischen Dr. Grünewald und Herrn Blanke über die konkrete Situation im Amt Seelow-Land. Frau Keding wollte daraufhin wissen, welche konkreten verfassungsrechtlichen Probleme bei der Aufgabenverteilung entstehen und wo die Grenzen für die "Hochzonung" von (freiwilligen) Selbstverwaltungsaufgaben gezogen werden könnten. Nach dem von Prof. Wallerath zitierten Rastede-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 79, 129 ff.) sei eine Hochzonung auf die Amtsgemeinden zulässig, wenn der Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht verletzt und eine zumindest abgeleitete demokratische Legitmation zu erkennen sei. Herr Hohlstein kam auf die Problematik der Schaffung finanzstarker Kommunaiverwaltungsstrukturen zurück und bemängelte, daß der Landesgesetzgeber die Leistungskraft als einzig tragendes Kriterium der angestrebten Neugliederung gewählt und andere Ziele nicht gleichermaßen stark gewichtet habe. Er präzisierte und beschrieb die- vor allem finanziell- negativen Folgen für solche Gemeinden, die vor der angestrebten Neugliederung durch sparsame Wirtschaftsführung weitgehend prosperierten, jedoch durch einen veränderten Gebietszuschnitt und veränderte Gemeindeeinwohnerzahlen finanziell erheblich belastet werden würden oder Haushaltsdefizite zu übernehmen hätten. Er mahnte u. a. an, daß das persönliche Maß an örtlicher Verbundenheit nicht unerheblich durch eine solide Haushaltsführung und eine finanzielle Solidität beeinflußt werde. Dr. Grünwald betonte die Besonderheiten des Gemeindefinanzierungsgesetzes und bat um die konkrete Berechnung möglicher finanzieller Nachteile infolge einer Neugliederung. Diese würden in die abwägungsrelevanten Belange mit entsprechendem Gewicht eingestellt werden. Herr P. Schumacher, Herr Hohlstein und Herr Sätzer diskutierten anschließend finanzverfassungsrechtliche Besonderheiten im Länder-Gemeinde-Verhältnis. Einigkeit bestand dariiber, daß eine (ggf. zwangsweise) Eingemeindung einzelner finanzstarker Gemeinden in finanzschwache nicht dem Ziel diene, auf Gemeindeebene eine ausgeglichene Finanzstruktur herzustellen. Auch stellten z. B. zusätz5*

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Ergebnisse aus den Arbeitskreisen

liehe Forderungen Brandenburgs an den (horizontalen) Länderfinanzausgleich kein probates Mittel dar, die Finanznot der Gemeinden zu lindern. Über die schwierige, von Herrn Dr. Grünewald aufgeworfene Frage, ob man die Ämter verfassungsrechtlich zur Amtgemeinde aufwerten und ihnen eine sogenannte Kompetenz-Kompetenz einräumen könne, entwickelte sich eine intensive Diskussion zwischen Prof. Nierhaus, Prof. Wallerath, Dr. Grünewald und Herrn Gebhardt. Im Ergebnis wurde festgehalten, daß das Amt keine verfasssungsunmittelbaren Selbstverwaltungsrechte besitzt und lediglich als Verwaltungshilfseinrichtung der amtsangehörigen Gemeinden fungiert. Eine Stärkung der Stellung der Ämter zu Lasten der Gemeinden (Hochzonung von Selbstverwaltungsaufgaben) würde in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden eingreifen. Zudem käme es zu Aufgabenüberlagerungen, wobei den Ämtern die sogenannte Universalität des Wirkungskreises von Gemeinden nicht zustünde. Diese stünde allein den Gemeinden zu. Eine Kompetenz-Kompetenz wurde im Ergebnis abgelehnt. Insbesondere Herr Gebhardt hob hervor, daß es nur eine kommunale, verfassungsrechtlich legitimierte Einheit geben könne, die allzuständig sei - dies sei die Gemeinde. Das Modell der sogenannten Amtsgemeinde "über" der Ortsgemeinde sei allenfalls eine "virtuelle Gemeinde" mit dem Ergebnis, daß nur solange "Universalität verteilt und verlagert werden kann", wie der Kernbestandteil der Selbstverwaltungsrechte einer Gemeinde erhalten bliebe (Rastede-Entscheidung des BVerfG). Prof. Nierhaus hielt es weder für faktisch möglich noch für verfassungsrechtlich zulässig, zwischen "ortsörtlichen", "ortsgemeindeübergreifenden" und "überörtlichen" Aufgaben zu differenzieren. Bis zur Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes habe die Diskussion der Frage, welche Angelegenheiten örtlicher und welche überörtlicher Natur seien, ganze Bibliotheken gefüllt. Man solle die kommunale Aufgabenahschichtung nicht überstrapazieren. Prof. Nierhaus ging in diesem Zusammenhang auf einen weiteren wichtigen Aspekt ein: Mit fortschreitender Verlagerung von Kompetenzen und Aufgaben auf gemeindefremde Einrichtungen (z. B. die Ämter) gehe ein Mangel an demokratischer Legitimation einher. Zudem verlören die Bürger zunehmend den Überblick dariiber, wer mit welchen Befugnissen gewählt werden solle. Er betonte den Zusammenhang zwischen demokratischer Legitimation und Aufgabenzuständigkeit Am Beispiel der von ihr vertretenen Gemeinde fragt Frau Wiesinger nach den konkreten rechtlichen Folgen einer mehrheitlich ablehnenden Abstimmung in der Gemeindevertretung zur Frage eines freiwilligen Zusammenschlusses. Wäre es möglich, einen Zusammenschluß auf diese Weise zu verhindern? Um die Frage einzugrenzen, ging Prof. Nierhaus auf die Wirkungen und unterschiedlichen rechtlichen Folgen von gemeindlichen Beschlüssen ein. Die schlichte Wirkung eines negativen Votums sei nicht allein ausschlaggebend, um einen Zusammenschluß zu verhindern, sondern ebenso der Gang des weiteren Verfahrens. Der Beschluß entfalte keine konstitutive Wirkung -jedenfalls nicht für den Landesgesetzgeber, der ihn allerdings als einen (wichtigen) Aspekt in die Abwägungsbelange einzustellen

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habe. Der Gesetzgeber könne ohnehin, so Dr. Grünewald, eine Neugliederung durch Gesetz herbeiführen und dabei auch andere Kriterien zu Grunde legen (z. B. die Leitlinien der Landesregierung im Rahmen von Beurteilungsspielräumen und Abwägungsprozessen), wohingegen freiwillige Zusammenschlüsse verschiedene und individuelle Lösungsvarianten enthalten könnten. Der Gesetzgeber habe sich dann allerdings an die eingangs von Prof. Nierhaus erörterten Neugliederungsmaßstäbe zu halten.

Arbeitskreis 2 "Effizienz und Wirksamkeit alternativer Modelle für die Gemeindestrukturreform" Leitung: Christoph Reichard, Potsdam Von Christian Maaß, Potsdam Im Mittelpunkt des von Herrn Prof. Dr. Reichard geleiteten Arbeitskreises stand die organisatorische Ausgestaltung alternativer Gemeindemodelle. In seinem einleitenden Statement verwies er insbesondere auf die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung. Sollen Effizienz und Wirksamkeit des Verwaltungshandeins gestärkt werden, seien bei der Ausgestaltung der Gemeindestrukturen vor allem die Kontextfaktoren zu beachten. Prof. Reichard äußerte anschließend den Wunsch, möglichst breit Erfahrungen nicht nur aus Brandenburg in die Diskussion einfließen zu lassen. Hierin sähe er ein wesentliches Anliegen der Diskussion in diesem Arbeitskreis. Als Basis für diese Diskussionen dienten die zwei Impulsreferate von Herrn Dr. Paul Peter Humpert (Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Landkreistages Brandenburg) und Herrn Christian Maaß (wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam). Herr Dr. Humpert leitete sein Statement mit einer kurzen Darstellung der gegenwärtig in Brandenburg diskutierten Gemeindemodelle ein. Insbesondere wies er auf die sehr kleinteilige Struktur (Vielzahl der amtsangehörigen Gemeinden mit weniger als 500 Einwohner) hin, aus der sich nach seiner Auffassung Defizite in der Leistungsfähigkeit und Bürgemähe der Verwaltung ergäben. Dariiber hinaus benannte er strukturimmanente Defizite der bestehenden Amtsverfassung. Er sähe sie vor allem in der Aufspaltung zwischen Aufgabendurchführung und politischer Verantwortung, Entscheidungsblockaden, kleinteiligem und ineffizientem Einsatz finanzieller Ressourcen und der Flucht in Zweckverbände. Im Anschluß ging Herr Dr. Humpert auf aktuell diskutierte Reformmodelle ein. Dabei sähe er das von der Enquetekommission des Landtags erarbeitete und in einem Gesetzentwurf noch einmal von der PDS aufgegriffene Amtsgemeindemodell kritisch. Dieses auf einer Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Ortsund Amtsebene und der Ausstattung beider Ebenen mit Gemeindequalität beruhende Modell führe nach Meinung von Herrn Dr. Humpert zu einer weiteren Komple-

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xitätssteigerung und sei zudem mit verfassungsrechtlichen Bedenken behaftet. Er gehe davon aus, daß weder eine Steigerung der Leistungskraft der Verwaltung noch eine Verbesserung der bürgerschaftliehen Teilhabe zu erwarten sei. Für den Referenten wiesen jedoch auch die vorgelegten Leitlinien der Landesregierung Brandenburg Defizite auf. Die Möglichkeit zur Beibehaltung der Ämter würde die systemimmanente Verwaltungsschwäche des Amtes perpetuieren. Auch die vorgesehene Modifizierung des Amtes mit Regelungen zur Mindest- und Höchstzahl, zur Mindesteinwohnerzahl amtsangehöriger Gemeinden und zur Übertragung der Flächennutzungsplanung vermögen nicht, die strukturellen Probleme des Amtes zu lösen. In der gegenwärtig diskutierten Anwendung der Ortsteilverfassung sähe er ein weiteres Problem. Hier bestünde die Gefahr, daß zusätzliche Strukturen entstehen, die dazu beitragen würden, die ohnehin zaghaften Reformansätze zur Stärkung des Amtes deutlich zu konterkarieren. In der vorgesehen Ausgestaltung der Ortsteilverfassung sah Herr Dr. Humpert auch ein Problem für die zukünftige Ausgestaltung amtsfreier Gemeinden nach den Leitlinien der Landesregierung. Die im Entwurf des Gemeindereformgesetzes vorgesehenen Entscheidungskompetenzen für die Ortsbeiräte würden das wesentliche Ziel der Gemeindegebietsreform neutralisieren, klare und eindeutige Verantwortungsstrukturen und Entscheidungszuständigkeiten zu schaffen. Kleinteilige Konkurrenzen zwischen den Ortsteilen sowie gegenüber der auf das Gemeinwohl der Gesamtgemeinde verpflichteten Gemeindevertretung seien vorprogrammiert. Eine der bedeutendsten Vorteile der amtsfreien Gemeinde, daß ein Bürgermeister und eine Gemeindevertretung die Gesamtverantwortung für die Entwicklung der Gemeinde tragen, würde mit der Einräumung derartiger Entscheidungskompetenzen für die Ortsteile nachhaltig in seiner Wirkung abgeschwächt. Das Reformkonzept würde mit einer solchen Ausgestaltung der Ortsteilverfassung letztendlich unschlüssig. Als wirkungsmächtigstes Modell zur Schaffung leistungsfähiger, effizienter und bürgernaher Strukturen sah Herr Dr. Humpert eine flächendeckende Bildung amtsfreier Gemeinden an. Sie liefere eine gute Grundlage für eine mit einer wirksamen demokratischen Steuerung verknüpfte leistungsfähige Verwaltung und böte ebenso die Gewähr für eine kraftvolle Betätigung der kommunalen Selbstverwaltung. Die amtsfreie Gemeinde würde außerdem die bei Gemeindemodellen mit verteilten Kompetenzen bestehenden Schnittstellenprobleme vermeiden, zudem würde die demokratische Kontrolle der Verwaltung und der politischen Entscheider durch eine transparente und klare Verantwortungsteilung erleichtert. Herr Maaß begann das zweite Impulsreferat mit einer kurzen Schilderung der Ausgangsbedingungen der Gemeindestrukturreform in Brandenburg, die bei der weiteren Reformdebatte unbedingt zu beachten seien. Die Schwierigkeit einer erfolgreichen Verwaltungspolitik liege insbesondere in einer gegenseitigen Verstärkung der Problemlagen einer geringen Bevölkerungsdichte - insbesondere im äußeren Entwicklungsraum -, großer Entfernungen und einem teilweise erheb-

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Ergebnisse aus den Arbeitskreisen

liehen Bevölkerungsverlust bei gleichzeitig geringen eigenen Einnahmen begriindet. Angesichts dieser situativen Bedingungen hinterfragte er die Auswirkungen einer bloßen administrativen Zentralisierung. Daran anschließend folgten einige grundsätzliche verwaltungswissenschaftliche Aussagen zur Ausgestaltung von Gemeindestrukturmodellen, um sowohl Ansatzpunkte für eine mögliche differenzierte Betrachtung des Thema zu geben als auch Kriterien für die Ausgestaltung und Bewertung möglicher Modelle zu liefern. So ging er auf die Fragen von Zentralisierung I Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und Konzentration I Dekonzentration der Dienstleistungserbringung sowie wesentliche Phasen der Erstellung von Verwaltungsleistungen ein. In einem nächsten Schritt listete er die im Rahmen des KWI-Gutachtens für die Enquetekommission Gemeindegebietsreform des Landtages Brandenburg herausgearbeiteten Einflußfaktoren auf Verwaltungskosten und Qualität des Verwaltungshandeins bei Ämtern und amtsfreien Gemeinden auf, um zu verdeutlichen, daß es neben den Auswirkungen der hier diskutierten institutionellen Modelle eine Vielzahl weiterer Einflußfaktoren, wie z. B. Bevölkerungsdichte I Siedlungsstruktur, Verwaltungsund Führungsqualität (u. a. Prozeßgestaltung, Qualifikationsniveau der Mitarbeiter und Führungskräfte), wirtschaftliche und soziale Lage gäbe. Ausgehend von dieser Auflistung ergebe sich für ihn eine Relativierung auch der Ansprüche an die gegenwärtige Reform der Gemeindestrukturmodelle. Anband verschiedener Kriterien zur Bewertung von Gemeindestrukturmodellen zeigte der Referent in einem nächsten Schritt auf, daß das von der Enquetekornission erarbeitete Amtsgemeindemodell zu einer instutionellen Leistungssteigerung führen würde. Insbesondere hinsichtlich der demokratischen Partizipation sowie dem bürgerschaftliehen Engagement und der Identifikation sei eine Verbesserung zu erwarten. Bei der flächendeckenden Einführung der amtsfreien bzw. Einheitsgemeinde wären hier Einbußen zu erwarten. Ein deutliches Plus verzeichne dieses Modell hingegen bei der Steuerungs- und Entscheidungsfähigkeit der Politik sowie der Wirtschaftlichkeit. In seiner abschließenden, vorsichtig kritischen Auseinandersetzung mit den aktuellen Reformplänen der Landesregierung mutmaßte der Referent, daß das institutionelle Modell langfristig erfolgreich sei, das die Erfordernisse der Organisation der hauptamtlichen Verwaltung (Bündelung von Potentialen) in einem ausgewogenen Verhältnis zur notwendigen Dezentralisierung politischer Entscheidungskompetenzen und Beteiligungsmöglichkeiten beriicksichtigt. Ganz ausdrucklieh wies er darauf hin, daß begleitend zu Veränderungen von Gemeindestrukturmodellen eine verstärkte Qualifizierung und wirksame Modernisierung erforderlich sei. Diese Modernisierung solle sich auf ein "aufgeklärtes" Neues Steuerungsmodell in Verbindung mit Elementen des Electronic-Government und Personalmanagements stützen. Ein praktisches Beispiel für den ländlichen Raum böten dabei insbesondere multifunktionale Serviceläden in Verbindung mit alternativen Vertriebsstrategien für kommunale Dienstleistungen. Aus der Sicht von Herrn Maaß trage die

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Landesregierung und ihre Verwaltung die große Verantwortung, durch nachhaltige eigene Modernisierungsschritte und eine Neugestaltung des Verhältnisses zu den Kommunen eine Vorbild- und Schrittmacherfunktion zu übernehmen. Zum Auftakt der Diskussion erweiterte Herr Koch (Landrat des Landkreises Potsdam-Mittelmark) die Themenstellung, indem er den übergeordneten Aspekt der Regionalisierung einbrachte. Aus seiner Sicht sei es unbedingt notwendig, in größeren Dimensionen zu denken, um reale und spürbare Verbesserungen zu erreichen. Als zentralen Grund für den zunehmenden Trend zur Regionalisierung sähe er die sich aus der Globalisierung ergebenden Anforderungen. Ein weiterer wichtiger Aspekt stellte für ihn die zunehmende Nutzung der Informationstechnologie dar. Aus seiner Sicht sei eine Reform der Verwaltung heute nicht mehr ohne die Nutzung der Informationstechnik zu denken. Ihm folgte Herr Twartz, der sich bei seinen Aussagen auf konkrete Erfahrungen als Amtsdirektor stützte. Er regte eine Vergrößerung der kommunalen Einheiten an. Damit ging er über bisherige Reformansätze hinaus. Nur durch eine Fusion bestehender Ämter könne eine Größenordnung erreicht werden, die eine ausreichend leistungsfähige Verwaltung ermögliche. Ein Festhalten an der 5.000-Mindesteinwohnerzahl für Ämter könne es für ihn nicht geben. Prof. Heinrich Mäding (Deutsches Institut für Urbanistik) griff in seinem Statement einige Argumente des Impulsreferates von Herrn Maaß auf und verwies u. a. darauf, daß sich gegenwärtig in Brandenburg einige Debatten wiederholen würden, die mit ähnlichem Verlauf und Argumenten bereits in den alten Bundesländern geführt worden seien. Hinsichtlich möglicher Effekte von Strukturänderungen verwies er auf die Ergebnisse vorangegangener Reformen, die zumeist keine Veränderungen von Verwaltungskosten, jedoch zu einer Qualitätssteigerung führten. Im folgenden äußerte sich Herr Graf (Städte- und Gemeindebund Brandenburg). Er bejahte noch einmal die generelle Notwendigkeit von Reformen. Bei entsprechenden Anpassungen, bspw. der Strukturen von Zweckverbänden an die bestehenden Ämter, könnten sich Ämter auch weiterhin als leistungsfähig erweisen. Er gehe davon aus, daß aufgrund der speziellen Bedingungen im Land Brandenburg nicht ein Modell allein erfolgversprechend sein könne. Er sähe die Ämter gleichrangig zur Einheitsgemeinde. Ein weiterer in der Diskussion behandelter Punkt war die Verbindung der Reform der Gemeindestrukturen mit der Modernisierung des kommunalen Haushalts. Herr Schult sprach dieses Problem an. Daraufhin verwies Prof. Reichard auf die aktuelle (Begleit-)Forschung des KWI zum Thema und hob die Bedeutung der entsprechenden Reformbeschlüsse der Innenministerkonferenz hervor, die in absehbarer Zeit auch Brandenburg unter Reformdruck setzen würden. Die nächsten Statements kamen von Frau Klembt, die aufgrund ihrer Arbeit als Amtsdirektorin den Ausführungen von Herrn Twartz zur Zusammenlegung von Ämtern nicht folgen konnte, und Herrn Höntsch, der als Mitarbeiter der ÖTV davon ausging, daß es bei strukturellen Veränderungen keine Möglichkeit mehr für Einsparungen

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Ergebnisse aus den Arbeitskreisen

im Personalbereich gebe. Herr Lischtschenko verwies auf die besondere Situation in Mecklenburg-Vorpommern, wo aufgrund der Doppelspitze und weitgehender Kompetenzen der ehrenamtlichen Bürgermeister oft unklare Zuständigkeiten bestünden und ein Mehraufwand u. a. dadurch bedingt würde, daß bei Infrastrukturinvestitionen Doppelungen aufträten. Er sprach sich eindeutig für klare Zuständigkeiten und Strukturen aus. Zum Abschluß der Diskussionsrunde verwies Prof. Reichard u. a. darauf, daß bisher keine ausreichende Empirie zum Thema vorhanden sei und somit Aussagen zur Effizienz und Wirksamkeit von Gemeindestrukturmodellen zuweilen eher hypothetischen Charakter hätten. Auch die ermittelten Zahlen für Einwohnergrenzen usw. würden teilweise einer wirklichen Überpriifung nicht standhalten, da sie oft auf Vermutungen und auch Schätzungen beruhten. Aus diesem Grund sprach er sich für eine gewisse Vorsicht und Gelassenheit im Umgang mit diesen Zahlen aus. Überhaupt mahnte er eine differenzierte Argumentation an. Herr Dr. Humpert unterstrich in seinem Schlußstatement seine zentralen Thesen, wobei er zusätzlich auf die Bedeutung der modernen Informationstechnologie einging und damit an die Aussagen von Herrn Koch anknüpfte. Herr Maaß wies noch darauf hin, daß die Debatte um die Gemeindestrukturreform nicht frei von parteipolitisch, insbesondere auch wahltaktisch bestimmten Überlegungen sei, was zu Umschwüngen in der aktuellen Reformdebatte führe. Er bezog sich abschließend auf den Grundgedanken der kommunalen Selbstverwaltung, dessen Verwirklichung durch eine zu weitgehende Zentralisierung nicht gefährdet werden dürfe.

Arbeitskreis 3 "Reform der Kommunalverwaltungen im Vergleich" Leitung: Werner ]ann, Potsdam Von Jochen Franzke, Potsdam

Im Arbeitskreis 3, der von Herrn Prof. Dr. Wemer Jann geleitet wurde, fand eine intensive Debatte zum Vergleich der Ansätze und der praktischen Realisierung von Reformen der Kommunalverwaltungen im Osten Deutschlands statt, an der sich sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler beteiligten. Im Mittelpunkt standen dabei die laufenden Gemeindegebietsreformen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und die geplante Reform in Mecklenburg-Vorpommem. Drei Beiträge legten eine interessante Diskussionsgrundlage. Herr Burkhard Fieber von der Stabsstelle Kommunal- und Verwaltungsreform des Ministeriums des Innem in Sachsen-Anhalt schilderte Ausgangslage und Reformansatz der Kommunalreform in seinem Land. Eine Besonderheit sei die Einordnung des Neuzuschnitts der Gemeinden und Kreise in die Modemisierung der gesamten Landesverwaltung. Es handele sich dabei teilweise um einen zweiten Reformanlauf, weil beim ersten Versuch die Reformen nicht energisch genug vorangetrieben worden seien. Daher sei ein sehr anspruchsvolles und ehrgeiziges Leitbild der Verwaltungsreform entwickelt worden. Der Redner ging auch auf die gegenwärtigen Debatten (z. B. um die bislang drei verabschiedeten bzw. in Vorbereitung befindlichen Vorschaltgesetze) sowie auf den geplanten weiteren Ablauf der Reform ein. Als Mindestgröße sollen Verwaltungsgemeinschaften 10.000 Einwohner bei maximal sieben Mitgliedsgemeinden umfassen. Der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt habe sogar vorgeschlagen, diese Zahl auf 12.000 anzuheben. Die Reform solle bis Juli 2004 abgeschlossen sein. Danach würden weitere Reformen zwingend folgen, so sei eine Funktionalreform "nicht aufzuhalten". Herr Glasow vom Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern informierte über die Ergebnisse einer im Juli 2000 durchgeführten Befragung in 40 Städten und Gemeinden Mecklenburg-Vorpommems, die durch Gemeindezusammenschlüsse vergrößert oder gebildet worden sind. In 30 Fällen wurden die Fragebögen beantwortet.

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Ergebnisse aus den Arbeitskreisen

Die wichtigste Form der Bürgeranhörung vor dem Zusammenschluß bildete in zwei Dritteln aller Fälle die Einwohnerversammlung. In über 86 % der Fälle seien alle ehemaligen Gemeinden in der jetzigen Gemeindevertretung repräsentiert. In knapp der Hälfte der Fusionen wurde eine Ortsteilvertretung gebildet. Die Zahl der Gemeindevertreter sank durch die Fusionen auf 55,2 %. Von den Mitgliedern der ehemaligen Gemeindevertretungen der jetzt aufgelösten Gemeinden seien heute durchschnittlich noch 44,4% kommunalpolitisch aktiv. In 76% der Gemeinden seien durch die Fusion keine kommunalen Einrichtungen weggefallen. Wenige Fälle beträfen Kitas (6,9 %) und Freiwillige Feuerwehren (13,8 %). Die Befragungsergebnisse lassen - so der Referent - bei vorsichtiger Verallgemeinerung durchaus positive Wirkungen der Territorialreformen auf Gemeindeebene erkennen. Viele von Kritikern befürchtete Folgen seien so nicht eingetreten. In einem dritten Beitrag schilderte Herr Dr. Jochen Franzke von der Universität Potsdam in einem Vergleich die Grundzüge der Gemeindegebietsreformen in den fünf ostdeutschen Ländern. In Sachsen und Thüringen sei der Neuzuschnitt der gemeindekommunalen Ebene bereits abgeschlossen, in Brandenburg und SachsenAnhalt bis 2003 I 2004 auf den Weg gebracht. In Mecklenburg-Vorpommern berate eine Enquetekommission des Landtages über das weitere Vorgehen in dieser Frage. Diese unterschiedlich weit vorangekommenen Reformanstrengungen hätten die Zahl der Gemeinden im Osten Deutschlands seit der Vereinigung bereits von 7.563 auf 5.341 (Ende 1999) um fast 30% sinken lassen. Die größten Veränderungen gebe es in Sachsen, wo sich die Zahl der Gemeinden um zwei Drittel verringerte, die geringsten in Sachsen-Anhalt mit einem Abbau der Gemeindezahlen um lediglich 4,5 %. Bei den Gebietsreformen im Osten Deutschlands stünden effizienzorientierte Begründungsmuster und die administrative regionale Strukturentwicklung im Vordergrund. Diese zielten darauf ab, die kommunale Verwaltungs- und Leistungskraft durch die Neugliederung so zu stärken, daß sie dauerhaft in der Lage sei, die eigenen und übertragenen Aufgaben sachgerecht, effizient und in hoher Qualität zu erfüllen und die wirtschaftliche Nutzung der erforderlichen kommunalen Einrichtungen zu sichern. Gleichzeitig würde versucht, möglichst günstige Bedingungen für das Bürgerengagement auch in den zu bildenden größeren Gemeinden (z. B. durch Ortsteilverfassungen) zu schaffen und auf die Identität der Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Einerseits förderten die Reformen die Bildung möglichst starker amtsfreier Gemeinden (Einheitsgemeinden), die von allen Landesregierungen als effektivste und leistungsstärkste Form kommunaler Selbstverwaltung auf Ortsebene betrachtet würden. Die Regeleinwohnerzahlen reichten von 5.000 (Brandenburg), 7.000 (Thüringen), 5.000-8.000 (Sachsen) bis zu 3.000-5.000 (Thüringen). Ämter bzw. Verwaltungsgemeinschaften blieben als örtliche Verwaltungseinheit überall erhalten, sollten aber inhaltlich weiter profiliert werden. Schließlich würde in allen Ländern versucht, durch "maßvolle" Eingliederung von Umlandgemeinden die Proble-

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me im Umfeld kreisfreier und großer amtsfreier Städte und Gemeinden zu lösen oder zu mildem. Herr Franzke verwies darauf, daß Kritiker der Gemeindegebietsreformen zumeist davon ausgehen, daß die Leistungsfähigkeit der Gemeinden durch Zusammenschlüsse nicht gestärkt werden könne, da diese insbesondere durch die schwache Finanzausstattung durch das Land und weit überhöhte Kreis- und teilweise Amtsumlagen hervorgerufen sei. Sie vermuten, mit der präferierten Bildung von Einheitsgemeinden strebten die Landesregierungen letztlich danach, die Ämter zu eliminieren. Im Gegensatz dazu sprächen sie sich oftmals für eine weitere Stärkung der Ämter bzw. Verwaltungsgemeinschaften aus. Scharfe Proteste richten sich vor allem gegen die nach der Freiwilligkeitsphase geplante Zusammenlegung von Gemeinden per Gesetz. Schließlich würden von den Kritikern beim Neuzuschnitt der Gemeindeebene vor allem der Verlust lokaler Identität und Bürgerengagements befürchtet. Die zuletzt genannte Frage spielte in der anschließenden Debatte eine zentrale Rolle. Intensiv wurde diskutiert, inwiefern die Identitätsdebatte wirklich Ausdruck der Sorgen der Bürger sei oder von Kommunalpolitikern instrumentalisiert wird, die ihre Machtposition verteidigen wollen. Weitere Fragen richteten sich nach den Formen der Bürgerbeteiligung bei Gemeindezusammenschlüssen. Viele konkrete Fragen nach Details des Vorgehens bei den Gemeindegebietsreformen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt konnten durch anwesende Vertreter aus diesen Ländern an Ort und Stelle beantwortet werden.

Podiumsdiskussion Leitung: Christoph Reichard, Potsdam Nierhaus, Bericht aus dem Arbeitskreis 1 "Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen kommunaler Gebietsreformen":

Wir hatten im Arbeitskreis 1 über die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen kommunaler Neugliederung eine lebhafte Diskussion. Ich kann hier nur grob zusammenfassen, weil sehr viele Einzelfragen aufgeworfen wurden. Durch die hervorragende Präsenz des Innenministeriums, Dr. Wilhelm, Dr. Grünewald und Herrn P. Schumacher; konnten sehr viele Einzelprobleme geklärt werden. Es gab zunächst einmal den Einwand, daß die Freiwilligkeitsphase durch die Leitbildvorgaben der Landesregierung im Grunde gar keine sei. Ferner wurden Spezialfragen der unvollständigen Kragenämter erörtert und drittens die höchst komplizierte Frage der Wahlkreiseinteilung, um eine Repräsentanz ehemaliger selbständiger Gemeinden in der neuen Vertretung der neugebildeten Gemeinde sicherzustellen. Weitere Themen waren die Hochzonung der Flächennutzungsplanung auf das Amt und die Eingemeindung finanziell starker Gemeinden in relativ arme. Ausführlich wurden verschiedene Formen der Gemeindestruktur diskutiert; dabei standen die Verbandsgemeinde und das alte Orts- und Amtsgemeindemodell der Enquete-Kommission (des letzten Landtages) im Zentrum. Die heute morgen schon geführte Diskussion, ob sich das Land durch die Senkung der Schlüsselzuweisungen sanieren wolle, spielte naturgemäß eine große Rolle. Reichard, Bericht aus dem Arbeitskreis 2 "Effizienz und Wirksamkeit alternativer Modelle für die Gemeindestrukturreform":

Im Mittelpunkt unseres Arbeitskreises stand die Diskussion über verschiedene Kriterien zur Beurteilung der Eignung von Strukturmodellen. Erwartungsgemäß ist hierbei keine Einigkeit erzielt worden; es hat sehr unterschiedliche, vielfältige, bunte Einzelbilder zu der Frage gegeben, wovon denn nun die Qualität eines Strukturmodells abhänge. Ich glaube, es ist deutlich geworden, daß es eine ganze Reihe von Faktoren sind, von denen insgesamt die Qualität der kommunalen Arbeit abhängig ist, und daß daran die formale Organisationsstruktur einer Gemeinde nur einen relativ kleinen Anteil hat. Deshalb auch das beruhigende Signal an alle Akteure: Ihr könnt organisieren, wie ihr wollt; insgesamt hat das auf die Qualität der Gemeindearbeit immer nur einen partiellen Einfluß. Man darf es nicht unterschätzen, aber von der formalen Struktur hängen Wohl und Wehe der Gemeinden nicht

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Podiumsdiskussion

einzig und allein ab. Dieser Befund ist auch überhaupt nicht überraschend. Ein derartiger situativer Ansatz ist schon lange theoretisch bekannt. Ansonsten sind eine ganze Reihe von interessanten Einzelbefunden geliefert worden. Unter anderem ist mehrfach, auch anband von praktischen Beispielen, darauf hingewiesen worden, daß bei den gesamten Strukturüberlegungen auch die neuen Informationstechniken und Medien berücksichtigt werden müßten. Insoweit kommen neue Herausforderungen auf die Gemeinden zu, die in den jetzigen Strukturmodellen nur unzureichend abgebildet werden. Es gab auch einige Erfahrungsberichte aus den anderen benachbarten Bundesländern, z. B. über die positiven Erfahrungen mit den Ämtern in Mecklenburg-Vorpommern. Im Ergebnis läßt sich wohl sagen: Wir sind gut beraten, wenn wir bei der Beurteilung von Strukturmodellen kein enges, monetäres Effizienzkriterium zu Grunde legen, sondern auch weitergehende immaterielle Kriterien. Jann, Bericht aus dem Arbeitskreis 3 "Reform von Kommunalstrukturen im Ländervergleich":

Bei uns stand der Ländervergleich im Zentrum der Diskussion. Zunächst der zwischen den fünf neuen Bundesländern; hierzu entwickelte sich eine sehr lebhafte und interessante Diskussion. Die erste Schlußfolgerung ist, daß tatsächlich der Ländervergleich noch immer viel zu wenig genutzt wird, denn man kann sehr viel von den anderen Bundesländern lernen. Der Teufel steckt im Detail. Wenn man sich austauscht, gibt es immer wieder Erkenntnisse, wie es die anderen gemacht haben. Das hat sich, glaube ich, sehr positiv ausgewirkt. Es gab sogar die sehr deutliche Aufforderung an die Wissenschaft, sich intensiver um diesen Ländervergleich zu kümmern. Das kann ich nur unterstützen: Das ist unsere originäre Aufgabe. Zunächst gab Dr. Franzke von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen Entwicklungen: Sachsen und Thüringen haben den Prozeß weitgehend abgeschlossen, die anderen neuen Bundesländer sind mehr oder weniger weit in diesem Prozeß vorangeschritten. Die unterschiedlichen Kriterien wurden noch einmal kurz vorgestellt. Dann hatten wir einen sehr interessanten Vortrag von Herrn Burkhard Fieber, Leiter der Stabsstelle Kommunalreform beim Innenministerium Sachsen-Anhalt, der das sehr anspruchsvolle Konzept in Sachsen-Anhalt vorgestellt hat, das sehr eng mit der Funktionalreform verflochten ist. Insbesondere wies er noch einmal auf die Kriterien hin: 7.000 Einwohner als Minimum für die Einheitsgemeinde, 10.000 für die Verbandsgemeinde, 1.000 Einwohner für die Mitgliedsgemeinde. Zu unserer Überraschung teilte er mit, daß diese Vorgaben dem Städteund Gemeindebund in Sachsen-Anhalt bei weitem nicht genug sind; der Verband fordere, die Mitgliedsgemeinden der Verbandsgemeinde müßten an sich 2.000 bis 3.000 oder sogar 3.000 bis 4.000 Einwohner haben. Das zeigt also, daß man auch ganz anders an diese Probleme herangehen kann, vielleicht auch etwas mutiger, als es in anderen Bundesländern der Fall ist. Weiterhin haben wir auch über die politi-

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sehen lmplikationen gesprochen. Abschließend haben wir uns noch einmal mit Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt, wo Klaus Michael Glaser vom Städteund Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern über seine Erfahrungen berichtete, die es dort schon mit den freiwilligen Zusammenschlüssen zu Einheitsgemeinden gegeben hat. Es gab in Mecklenburg-Vorpommern eine Umfrage mit sehr interessanten Ergebnissen. Daran hat sich vor allem die Diskussion entzündet: Es ist vorrangig eine Frage der Identität, der Identifikation mit der Gemeinde. Das war der zentrale Punkt in unserer Diskussion: Wie wichtig ist eigentlich die Identität der zukünftigen Gemeinden? Wer setzt sich dafür mit welchen Motiven ein? Die Diskussion war sehr kontrovers. Konsens war, daß die Identität und auch demokratische Teilhabe getrennt gesehen werden müssen von der administrativen Zuordnung. Ob man sich für sein Dorf oder für seinen Ort engagiert, ist nicht unmittelbar davon abhängig, ob man eine selbständige Gemeinde oder Teil einer Amtsgemeinde oder einer Verbandsgemeinde ist. Es wurde aber zum Teil sehr deutlich kritisiert, daß dieses Argument der Identität oft auch aus anderen Gründen ins Spiel gebracht wird. Es wurden dann auch verschiedene Beispiele aus den Bundesländern diskutiert, wie man z. B. mit Ortsteilsatzungen umgeht, wobei Ortsteil vielleicht nicht der richtige Begriff ist; man sollte vielmehr von Orten sprechen oder von Dörfern. Es gibt auch in Mecklenburg-Vorpommern Gemeinden, die jetzt 500 Einwohner haben und keine geschlossenen Gemeinden sind, sondern aus 5 Orten mit jeweils 50- 100 Einwohnern bestehen. Es gab darüber hinaus noch einige andere wichtige Punkte, darunter vielleicht noch zwei, die ich nennen möchte. Das eine ist die Zeitschiene. Es wurde kritisiert, ob die Zeitschienen, z. B. in Sachsen-Anhalt oder in Brandenburg, nicht zu kurz seien. Die Erfahrung aus Sachsen erbrachte hingegen, daß es gleichgültig sei, wie lang die Zeitschiene ist. Erst im letzten halben Jahr entschlossen sich die meisten Gemeinden, den Weg der Freiwilligkeit zu gehen. Noch ein letzter Punkt: Die Entwicklung in den anderen Bundesländern geht in der Regel sowohl den Weg in die Einheitsgemeinde als auch in die Stärkung der Verbandsgemeinde. Das ist ja in Brandenburg nicht der Fall. Die Schlußfolgerung ist: Stärkung der Einheitsgemeinde, aber auch Stärkung der Verbandsgemeinde, so daß die Unterschiede am Ende nicht mehr so groß sein werden. Reichard, Abschlußdiskussion: Ich möchte Sie einladen, zu den genannten Punkten Stellung zu nehmen und schlage folgende drei Fragenkomplexe als Diskussionsgrundlage vor: 1. Sollte die Zukunft der brandenburgischen Kommunalstrukturen die Einheitsgemeinde oder, wie sie hier etwas verschleiernd genannt wird, die amtsfreie Gemeinde sein oder sollte es ein Mischsystem, d. h. ein mehr oder weniger gleichwertiges Nebeneinander von Amt und Einheitsgemeinde sein? 2. Wie sieht es aus mit der Balance zwischen Effizienz, Demokratie und Ehrenamt bzw. mit der Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung? 6 Nierhaus

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3. Wie lange soll eigentlich ein derartiger Lern- und Anpassungsprozeß verlaufen? Sollte man die Änderung eher mit ministerieller Schärfe "top down" durchsetzen oder sollte es eher ein schrittweiser Anpassungsprozeß sein? Mäding:

Ich möchte zwei europäische Aspekte kurz ansprechen und als Fragen aufwerfen. Zum ersten: Es ist zwar über den Vergleich zwischen deutschen Bundesländern gesprochen worden. Aber da ja die Bevölkerungsdichte ein wesentliches Argument in mehreren Referaten war, ergibt sich die Frage, wie solche Strukturen in anderen dünn besiedelten europäischen Ländern, wie z. B. Schweden oder Finnland, gehandhabt werden? Ist dort die Identifikation so viel schlechter als in großen deutschen Gemeinden? Und die zweite europäische Perspektive, auf die ich hinweisen wollte, ist auch mehr als Frage gestellt. Ist es wirklich sinnvoll, daß wir auf europäischer Ebene wählen, auf national-staatlicher Ebene wählen, auf Landesebene wählen? Wir haben dann in vielen Ländern die Ebene der Region, wo eventuell noch direkte Vertretungen gewählt werden, wir haben die Kreise, wir haben dann die Gemeinde und womöglich auch noch die Ortschaft. Überfordern wir nicht, allein von der Zahl der Ebenen, die Bereitschaft der Menschen, sich zu identifizieren? Glaser:

Von der europäischen Ebene will ich wieder auf eine niedrigere Ebene gehen. Prof. Nierhaus sprach von den Wahlkreisen. Wir haben, soweit ich das weiß, in allen neuen Bundesländern das System übernommen, das 1990 durch das Kommunalwahlgesetz der DDR festgelegt wurde und das so ungefähr dem niedersächsischen Modell entspricht. Also: kumulieren und panachieren in den Wahlbereichen. Und diese Wahlbereiche sind weitaus flexibler als die Wahlkreise, die wir im Bundestagswahlrecht haben. Es gibt nicht pro Wahlbereich eine ganz bestimmte Anzahl von Mandaten, sondern die Anzahl ist von der Einwohnerzahl abhängig. Deswegen ist das Prinzip der Gleichheit der Stimmen immer gewahrt. Denn es kommen, je nachdem, wie viele wählen, mehr oder weniger aus diesem Wahlbereich in die neue Vertretung. Deswegen plädiere ich dafür, dieses System für die Wahlbereiche viel flexibler zu handhaben und auch zuzulassen, daß die Wahlbereiche ganz unterschiedlich groß sind. Durch den Umstand, daß diese Stimmen mehr oder weniger Gewicht bekommen, ist dann die Repräsentation der Bürger wiederum gleich. Um das hier mal an einem Beispiel aufzuzeigen: Nehmen wir einen Wahlbereich mit 4.000 Einwohnern und einen mit 1.000 Einwohnern. Insgesamt gibt es 15 Mandate. Da würden wahrscheinlich aus dem Wahlbereich mit 4.000 Einwohnern 12, dem mit 1.000 Einwohnern 3 Mandate kommen. Damit ist der Zählwert jeder Stimme wieder gewährleistet. Das wird teilweise nicht gesehen, weil durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 95, 335 [365]) für die Wahlkreiseinteilung, die etwas ganz anderes ist, festgesetzt wird, daß nur 25 % Abweichung von einem Durchschnittswahlkreis

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erlaubt ist. Wir können da viel mehr machen. Das ist die Chance, dafür zu sorgen, daß auch neue und kleinere eingemeindete Gebietsteile angemessen in der neuen Gemeindevertretung vertreten sind. Das läßt unser Wahlrecht zu und das sollten wir nutzen. Koch:

Ich möchte die Diskussion inhaltlich nicht noch einmal eröffnen, sondern eher eine Frage stellen. Die zielt darauf hin, wie wir die Ergebnisse des heutigen Tages z. B. in Form von Thesen zusammenfassen; ich will das ganz deutlich sagen, weil ich ja jemand bin, der auch in dieser Reform eine schwierige Rolle zu spielen hat. Diese können Sie eventuell auch als Läuterungsprozeß sehen. Denn es ist doch deutlich geworden, daß in Brandenburg die Position des Innenministeriums auf der einen Seite und die geschlossene oder teilweise geschlossene Front der kommunalen Ebene auf der anderen Seite stehen. Die kommunale Ebene muß diesen Prozeß durchstehen. Meine Frage ist, können wir die Ergebnisse der Tagung auch in Form von Thesen erhalten? Gerade Sie, Herr Stüer; haben ja ein paar Elemente genannt, die sehr wichtig sind. Denn die Diskussion wird ja emotional, nicht rational geführt. Und insofern wäre es vielleicht interessant, wie man die Ergebnisse als unabhängige Meinung der Wissenschaft als Argument einsetzen kann, um unsere Position zu verbessern. Ich weiß, das ist nicht einfach, aber vielleicht sollte man darüber nachdenken. Reichard:

Wir werden erwägen, Potsdamer Thesen zu formulieren. Aber ob die Thesen unabhängig sein werden, ist noch die Frage. Wagner:

Ich möchte etwas sagen zur Problematik: Wie bekommen wir die Bürger "mit ins Boot"? Eben wurde ja sogar die europäische Dimension mit ins Spiel gebracht. Ich hatte Gelegenheit, bei Veranstaltungen der Bertelsmann-Stiftung zur weltweiten Entwicklung von Kommunalverwaltungen, z. B. in den USA oder Neuseeland, dabeisein zu können. Mir ist dabei nie aufgefallen, daß es ein Problem war, wie die Struktur dieser Gemeinden ausgestaltet ist. Sondern im Mittelpunkt stand immer die Frage, wie es der jeweiligen Verwaltung gelungen ist, Kontakt zu den Bürgern herzustellen, die Bürger mit ins Boot zu holen. Und insofern habe ich manchmal den Eindruck, daß wir uns mit den Diskussionen auf eine falsche Ebene begeben, daß wir bei Strukturveränderungen Identitätsverluste konstatieren, die nie eintreten, weil diejenigen, die das beklagen, es nie geschafft haben, die Leute mit ins Boot zu holen, auch schon bei den jetzigen Strukturen nicht. Ich stelle das ganz provokativ in den Raum, weil ich meine, daß es viel wichtiger ist, darüber nachzudenken - gleichgültig unter welchen Strukturen -, wie die Menschen einbezogen werden können. Das ist nicht strukturabhängig, und daran sollten wir denken, wenn wir die Dinge angehen. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir am besten 6*

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für die Bürger, für die wir tätig sind, arbeiten können. Dieser Gesichtspunkt sollte eigentlich diese Diskussion mitbestimmen. Glaser:

Ich meine, als Ergebnis der heutigen Tagung läßt sich sicher festhalten, daß es für das Land Brandenburg keinen Königsweg gibt. Es hat sich gezeigt, daß es in den übrigen Bundesländern in der Regel zwei gleichwertige Modelle gibt. Zum einen eine Fortentwicklung der Verbandsgemeinde, bei uns würde es heißen eine Fortentwicklung des Amtes, und zum anderen eine Weiterentwicklung der amtsfreien Gemeinde. Wenn wir dies als Ergebnis heute auf das Land Brandenburg übertragen, dann müßte es bedeuten, daß sich die Politik des Innenministeriums etwas lockern müßte. Die einseitige Ausrichtung auf die Bildung von Einheitsgemeinden, der Ausschluß des Amtes im engeren Verflechtungsraum, das, meine ich, sollte überdacht werden. Wir haben in unserem Arbeitskreis 2 ganz deutlich von der Wissenschaft gesagt bekommen, daß es keine Korrelation zwischen Einwohnerzahl und Effektivität gibt. Wir haben verschiedene Modelle vorgestellt bekommen. Ich meine, auch das muß in diese Diskussion einfließen. Stüer:

Was ich eigentlich in meinem Vortrag sagen wollte, ist, daß es darauf ankommt, die gesamte Reform nicht nur auf dem Papier nach bestimmten abstrakten Kriterien zu machen, sondern immer wirklich paßgerechte Lösungen zu suchen, d. h. auch mal auf die Leute zuzugehen. Und wenn ich nun den Gesichtspunkt der Integration sehr stark hervorgehoben habe und auch von Unzufriedenheit in bestimmten Einzelfällen gesprochen habe, ist das ja keine generelle Unzufriedenheit mit der Gebietsreform. Das wäre völlig verfehlt; kritisiert werden nur bestimmte Einzelfälle. Es liegt an meiner Perspektive: Ich bekomme als Mandanten immer nur solche, die mit der Sache nicht zufrieden sind. Das ist so, als wenn sie mit einem Arzt reden; der soll jetzt über Gesunde sprechen, von denen er wahrscheinlich selber nie einen gesehen hat. Deswegen sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich sage, es kommt bei diesen ganzen Reformen nicht nur auf das Papierwerk und auf abstrakte Zahlen an, sondern wie die Reformen umgesetzt werden und was die Beteiligten aus ihren jeweiligen Institutionen machen. Eins ist ganz klar: Vielfach geht es bei den Gerichtsverfahren gar nicht um die Frage, wer Recht hat, sondern es geht eigentlich um ganz andere politische oder sonstige persönliche Interessen im weitesten Sinne, ob etwa einer seinen Posten verliert oder ein anderer den Posten haben will oder die Finanzausstattung ausreichend ist; d. h. Sie müssen natürlich auch sehen, daß bei den Gerichtsverfahren formal über das Gemeinwohl verhandelt wird. In der Sache aber geht es zumeist darum, die eigenen Interessen auf rechtlichem Wege umzusetzen. Das muß man natürlich im Zusammenhang sehen; deswegen wäre ich auch verkehrt verstanden, wenn ich sage, wir können nur freiwillige Lösungen machen. Denn wenn irgendeiner widerspricht, dann ist die Lösung schon hinüber. Auf der anderen Seite ist es auch nicht richtig, daß man nur nach

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abstrakten Grundsätzen und mit einer Zwangsjacke vorgeht und sagt, entweder ihr macht das jetzt oder ihr seid dann einem Gesetz ausgeliefert. Insoweit meine ich, wäre eine gewisse Flexibilität schon wichtig. Und der zweite Punkt ist, daß ich im Grunde zu den Erfahrungen mit den Ämtern in Nordrhein-Westfalen gar nichts gesagt habe. Das beruht wohl darauf, daß die Ämter im Jahre 1975 abgeschafft worden sind und kein Hahn danach gekräht hat. In NRW hat die Abschaffung der Ämter, nach meinem Eindruck, überhaupt keine Rolle gespielt. Wenn ich die Verfahren revue passieren lasse, die beim Verfassungsgerichtshof anhängig waren - es waren ungefähr 70 - hat sich kein einziges mit der Frage befaßt, ob die Ämter nun zurecht abgeschafft worden sind. Es hat einige Aufsätze gegeben, dann war das Thema erledigt. Ich habe das aber heute morgen deswegen nicht so deutlich vorgetragen, weil man das nicht einfach übertragen kann auf Ihre Länder und Gemeinden. Es wäre jetzt verfehlt zu sagen, weil das in NRW keine Rolle gespielt hat, können wir das in Brandenburg machen, ohne daß das jemanden interessiert. Insoweit muß man natürlich auch sehen, daß sich die Erfahrungen von NRW oder anderen Bundesländern nicht ohne weiteres auf die neuen Kommunalstrukturen hier in Brandenburg, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern übertragen lassen. Dieser Umstand führt im Grunde auch wiederum dazu zu sagen: Wir müssen Lösungen finden, die sachangemessen sind und die jeweils auch die örtlichen Gesichtspunkte mit beriicksichtigen. Vielleicht noch ein dritter Punkt: Der Gang zum Verfassungsgericht darf nicht als Aufruf verstanden werden, mit dem ich hier auftrete. Es ist dringend davon abzuraten, zu entscheiden, ich gehe zunächst einmal zum Verfassungsgericht, ich spreche mit den Beteiligten nicht, wir wollen es denen mal zeigen. Nein, im Gegenteil. Man muß alle Beteiligten auffordern, in dem jetzt anstehenden politischen Meinungsprozeß nach sachgerechten Lösungen zu suchen, um zu vermeiden, daß man überhaupt zum Verfassungsgericht geht. Das sollte die letzte Überlegung sein. Man kann jetzt nicht einfach den Standpunkt vertreten, mit denen sprechen wir gar nicht, wir gewinnen unseren Prozeß schon. Davon ist generell abzuraten. Nutzen Sie die Zeit, hier aufeinander zuzugehen. Was also die Frage der Auswertung dieser Tagung angeht, würde ich Herrn Koch sehr zustimmen. Wenn es gelingen würde, kurze Statements von den Beteiligten bis Anfang der Woche vorzufinden; dann könnten die auch ins Internet gestellt werden. Schnabel:

Zunächst will ich auf das Argument von Prof. Mäding eingehen. Es ist schon spannend, daß wir relativ isoliert immer den eigenen Bereich betrachten: den eigenen Ressortbereich, den eigenen Landesbereich. Man schaut nicht zum Nachbarn hinüber. Davon lebt übrigens eine ganze Zunft, nämlich die Beratung. Die machen nichts anderes, als das, was sie in dem einen Land und in der einen Stadt gemacht haben, im Gutachten auf einen anderen Auftraggeber zu übertragen. Wir haben das gemerkt, auch bei den Gerichtsprozessen, wo dann ein Rechtsanwalt aus NRW noch die alten Texte verwendete. Und das ist eigentlich schade, weil die Gemein-

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den viel Geld ausgeben für Beratungen, die sie eigentlich selbst organisieren könnten. Der Blick über die Grenzen, der Wissenstransfer ist praktisch gering. In diesem Zusammenhang interessant sind auch die Erfahrungen anderer Länder, die auch sehr dünn besiedelt sind, z. B. der Schweiz. Die Schweiz hat seit 1848 kaum Gemeindegebietsreformen durchgeführt, aber sie hat auch eine ganz andere politische Kultur, aufgebaut auf einem genossenschaftlichen verbindlichen Prinzip, z. B. der Talgenossenschaften. Da gibt es nicht die Konkurrenz der Gemeinden, sondern die Schweizer haben schon immer zusammengearbeitet. Die Schweiz hat eben eine politische Kultur, in der die Verwaltungseliten gleichzeitig die Führung der Miliz sind. Miliz ist in diesem Sinne die "Armee", wo alles diskutiert wird, was bei uns mühsam in Verbandsgemeinden diskutiert wird - eine völlig andere Kultur. Deshalb können sie auch ihre kleineren Gemeinden erhalten, weil sie eben funktionale bzw. funktionierende Strukturen haben. Die Kleinheit der Gemeinden sagt nichts über die Selbstverwaltungsqualität aus. Nehmen Sie Frankreich: Es hat 33.000 Gemeinden. Die Franzosen haben nie etwas geändert, es gibt keine Gemeindegebietsreformen. Deshalb kann man jedoch nicht sagen, dadurch wäre ein hoher Grad von Selbstverwaltung realisiert; das hat überhaupt nichts damit zu tun, sondern das ist ein Geschäft der Notabeln, die dort regieren. Wir sind kulturell irgendwo mittendrin, zwischen dem System der Schweiz und demjenigen Frankreichs. Die USA gehen einen ganz anderen Weg; die bilden für jede Aufgabe, für jede Funktion special districts, also für die Polizei einen eigenen Bereich, für die Schulen einen eigenen Bereich, für die Feuerwehren einen eigenen Bereich; d. h. es gibt keine Gemeinde als ldentitätsraum. "Gemeinde" ist für die USA ein altgermanisches Relikt, weil sie praktisch nur nach dem Prinzip der Marktwirtschaft funktional organisiert sind und dadurch eine Gemeinde als Identitätsraum nicht mehr existiert. Auch die Städte sind ja keine urbanen Räume, sondern nur Ansammlungen von Siedlungseinheiten. Mit den Spezialsegmenten jeder Verwaltung: Verkehrsverwaltung, Polizeiverwaltung, Schulverwaltung, Feuerverwaltung, Wasserverwaltung usw. gibt es keine Identität, keinen Sammelpunkt, keine Konzentration, keinen Fokus, wo sich etwas abspielt, wie bei uns durch Stadträte, wo man Politik auch erlebbar machen kann. Deshalb sollten wir den Weg nicht unbedingt beschreiten, den uns manche vorgeben wollen, die ähnliche Modelle jetzt hier entwickeln wollen. Was ich als persönliche Erfahrung mitgeben will, ist folgendes: Ich habe 7 Jahre lang die Gemeindegebietsreform in Sachsen betreut, auch in ihrer Freiwilligkeitsphase; man ist sehr leicht geneigt, den aktuellen Status fortzuschreiben und fortzudenken . Wenn vier Bürgermeister gut miteinander auskommen, die Chemie unter ihnen stimmt, dann ist man geneigt, denen z. 8. eine Verbandsgemeinde oder ein Amt zuzubilligen, nach dem Motto: ihr könnt ja miteinander. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt, hier nachzugeben, weil ich ganz genau weiß, in 10 oder 15 Jahren sind die Bürgermeister aus dem Amt. Dann sind andere Amtsträger da, die Strukturen sind aber festgeschrieben. Es kommt dann die Frage auf, warum habt ihr das überhaupt zugelassen, diese eigentümliche Kon-

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struktion, die aktuell möglicherweise funktioniert hat, aber später nicht mehr. Aus diesem Grund haben wir z. B. nur 11 Verbandsgemeinden zugelassen, von denen nur eine wirklich funktioniert. Was eigentlich angerlacht war, die Konzentration, ist da nicht verwirklicht. Bei den Verwaltungsgemeinschaften, in denen eine amtsfreie Gemeinde die Verwaltung für die Amtsmitgliedergemeinden macht, sind es ungefähr 39 Verwaltungsgemeinschaften mit 118 Mitgliedsgemeinden. Wobei ich aus der Erfahrung sagen würde, tendenziell sollte man bei den amtsfreien Gemeinden in der Größenordnung eher zurückgehen. Selbst wenn es nur 3.000 Einwohner sind oder nur 2.500, ist mir das lieber, als eine Konstruktion zu finden, wo eine Verwaltungsgemeinschaft als amtsfreie Gemeinde die amtsangehörigen Gemeinden mitverwaltet Im allgemeinen funktioniert das nur recht und schlecht; und ich habe den Eindruck, wenn man Gemeinden amtsfrei läßt, auch ein wenig runtergeht mit der Größenordnung, funktioniert die freiwillige Kooperation dann besser als die vorgeschriebene. Denn dann haben sie wirklich den Druck, wir müssen ja kooperieren oder müssen uns nach der Kommunalverfassung so oder anders organisieren. Sie können freiwillig zusammengehen; dann funktioniert im allgemeinen auch die Zusammenarbeit zwischen amtsfreien Gemeinden intern besser, als wenn eine Kooperationsstruktur vorgegeben wird. Also: Tendenz eher hin zur amtsfreien Gemeinde mit unumstrittener Größenordnung, insbesondere bei dünn besiedelten Räumen und auf die freiwillige Kooperation vertrauen, die dann wirklich funktioniert, weil ein Absenken der Einwohnerzahlen auf gleichgewichtigen Partnern beruht und nicht auf asymmetrischen Machtverhältnissen. Jann:

Ich möchte ganz kurz noch auf den ersten Punkt eingehen, Lehren aus anderen europäischen Ländern zu ziehen. Ich glaube, in der Enquetekommission Mecklenburg-Vorpommern ist es sogar schon im Einsetzungsbeschluß oder zumindest in den Diskussionen immer wieder gesagt worden: Wie ist es denn mit Skandinavien? Können wir nicht von Skandinavien etwas lernen? Ich traue mir auch zu, Informationen zu geben. Ich glaube aber, man muß ganz deutlich sehen, daß man Gemeindestrukturen nicht unabhängig von den Aufgaben einschätzen darf. Das wird in vielen Bereichen immer wieder vergessen. In Skandinavien gibt es sehr große Kommunen, die aber eine ganz andere Aufgabenstruktur haben. Man kann lernen, aber man sollte vorsichtig sein. Ich habe schon öfter gesagt, nichts ist gefährlicher, als diese Besuche mit nur drei Tagen in einem fremden Land. Man hat nur so eine vage Idee, und meint, das brauchen wir jetzt auch. Ein anderes Beispiel: Neuseeland ist eines der Zentralisiertesten Länder der Welt. Die Kommunen haben sehr wenig Aufgaben; nach OECD-Daten hat nur noch Albanien einen größeren Teil der kommunalen Aufgaben zentralisiert. Dann kann man natürlich sehr leicht Schlußfolgerungen aus Neuseeland auf Deutschland übertragen. Der Punkt ist, man muß zunächst auf die Aufgaben schauen und dann vernünftige Lösungen finden.

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Und der zweite Punkt, da möchte ich noch mal das aufgreifen, was Herr Glaser gesagt hat. Es ist ja auch aus den Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern deutlich geworden: Bei den freiwilligen Zusammenschlüssen hat sich gezeigt, daß z. B. die Angst herrscht, daß sehr viele ehrenamtliche Bürgermeister ihr Amt verlieren oder die Beteiligung der Lokalpolitiker schwindet. Das läßt sich allerdings nicht empirisch nachweisen. Die Schlußfolgerung ist: Man kann durch das Wahlrecht sehr viel regeln, was die lokale Identität angeht, man kann durch die Ortsteilverfassung sehr viel machen, was die lokale Identität angeht. Man sollte im Prinzip diese verschiedenen Ebenen der Aufgaben, der administrativen Zugehörigkeit und der Identität, im Zusammenhang, aber auch getrennt versuchen zu lösen. Natürlich muß demokratische Partizipation gewährleistet sein, natürlich muß auch Identität gewährleistet sein. Aber das muß nicht notwendigerweise immer etwas mit der Organisation der Wahrnehmung von ganz bestimmten Aufgaben zu tun haben. Nierhaus:

Nur drei kurze Bemerkungen. Zunächst zu Herrn Mäding. Ich gebe zu, daß auch ich nicht den großen Überblick und Vergleich habe; aber eins weiß ich auch, und das entspricht dem, was Herr Jann gesagt hat: die Vorstrukturierung der Kommunalstrukturen in Deutschland durch die Verfassung. Und damit meine ich nicht nur den Artikel 28, Absatz 2 Sätze 1 und 2 GG, sondern auch die finanzverfassungsrechtliche Vorprägung. Diese ist so stark, daß unsere Kommunalstrukturen gar nicht vergleichbar sind mit anderen ausländischen; sie sind verfassungsrechtlich kanalisiert. Das Orts- und Amtsgemeindemodell scheitert an den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes: Welcher der beiden Gemeinden (im verfassungsrechtlichen Sinne) geben sie z. B. das Hebesatzrecht? Es steht der Gemeinde zu (Art. 28 Abs. 2 S. 3 HS 2, Art. 106 Abs. 6 S. 1, 2 GG), also kann es nicht zwei Gemeinden gemeinsam(!) zustehen. Wir haben diskutiert, daß die Verbandsgemeinde irgendwann verfassungswidrig wird, nämlich dann, wenn das Aufgabensubstrat auf der Ortsebene der Mitgliedsgemeinde so ausgedünnt ist, daß man nicht mehr vom Universalitätsprinzip, so wie es die Verfassung meint (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG: ". . . alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ..."), sprechen kann. Deshalb sind Vergleiche, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht, so schwierig. Zweite Bemerkung oder Antwort zu Herrn Glaser: Ich stimme Ihnen voll zu. In meinem Arbeitskreis hat uns Herr Schuhmacher dankenswerterweise aufgeklärt, wie das funktioniert mit den Wahlkreisen und den flexibleren Wahlbereichen. Ich hatte zu unrecht Bedenken im Hinblick auf den Zähl- und Erfolgswert der Stimmen bei einer Flexibilisierung des Kommunalwahlrechtes. Diese Bedenken sind in der Tat zerstreut. Drittens und abschließend zu Herrn Dr. Schnabel. Natürlich ist es ideal zu sagen, wir sind großzügig bei der Bildung amtsfreier Gemeinden, gehen mit den Maßzahlen herunter und setzen dann auf freiwillige Zusammenarbeit, etwa interkommu-

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naler Art auf Zweckverbandsebene. Hier im Land Brandenburg ist es zu einem Zweckverbandsunwesen gekommen. Wir alle würden das gern zurückschneiden und in kommunale Eigenregie zurückgeben, weil die Zuständigkeitszersplitterung zu groß geworden ist. Wir müssen konzentrierte Strukturen schaffen. Insoweit sind leider die Ausgangsbedingungen im Lande Brandenburg ziemlich schlecht. Im Zuge der Ämterneubildung sollen deshalb zugleich die Zweckverbandsstrukturen entflochten werden. Reichard:

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine kurze abschließende Bemerkung von meiner Seite. Ich denke, es ist deutlich geworden, daß auch zukünftig in Brandenburg mehrere strukturelle "Blümchen" blühen sollten. Es sollten mindestens zwei halbwegs gleichwertige sein, im Sinne eines weiter entwickelten Amtsgemeindemodell und der Einheitsgemeinde. Beide Modelle müssen weiterentwickelt werden: in eine tragfähige Form, bei der dann letztlich eine vernünftige Balance zwischen lokaler, auch ortsteillokaler Demokratie einerseits und einer leistungsfähigen und effizienten Verwaltung andererseits gefunden wird. Das ist alles andere als einfach. Ganz wichtig ist es auch, bei allem Bemühen um gemeinsame Strukturmodelle hinreichend Spielraum für eine Anpassung der Gemeindestrukturen an die örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall zu lassen. Von daher muß man mit leichter Besorgnis den teutonischen Wahn, alles sehr detailliert in Gemeindereformgesetzen regeln zu wollen, betrachten und eher dazu raten, den Gemeinden mehr Gelegenheit zu geben, in ihren Hauptsatzungen oder anderen geeigneten rechtlichen Instrumenten die Lösung zu finden, die für sie im Einzelfall günstig ist. Stichwort ist in diesem Zusammenhang auch die Experimentierklausel. Wir haben insoweit durchaus - zwar weniger in Brandenburg, aber in einigen anderen Bundesländern - gute Erfahrungen sammeln können. Das Motto heißt: Stärker an die örtlichen Aspekte anpassen, maßgeschneiderte Lösungen! Es ist auch deutlich geworden, daß dieser- jetzt nur noch ein gutes Jahr dauernde - Freiwilligkeitsprozeß angesichts der kontroversen Lage und der noch nicht für alle sichtbar gewordenen Strukturalternativen - einerseits weiterentwickeltes Amtsmodell, andererseits weiterentwickeltes Einheitsgemeindemodell mit Ortsteilverfassung -noch etwas länger dauern müßte bei einer weiterhin intensiven Beratung und Steuerung durch die zuständigen Behörden, im wesentlichen wohl durch das Innenministerium. Es wurde schon angedeutet, daß wir uns im Jahr des Ehrenamtes und des Bürgerengagements befinden. In der ganzen heutigen Diskussion scheint die Ehrenamtsdiskussion sehr verengt, nur im Hinblick auf die ehrenamtliche Tatigkeit als Gemeinderatsmitglied, gesehen worden zu sein. Es gibt jedoch verschiedene, deutlich voneinander getrennte Formen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Man sollte das nicht zu sehr auf die eine Dimension verkürzen. Die Stärke und Intensität von bürgerschaftlichem Engagement in Gemeinden und Ortsteilen hängt sicherlich von einer ganzen Reihe von Faktoren, auch von vielen Traditionen und

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dörflichen Strukturen und nur zum Teil von der Gemeindegröße und Gemeindestruktur ab. Auch dieser Aspekt muß sorgfältig im Blick behalten werden, denn wir bemühen uns ja gerade um die Aktivierung der Bürger und müssen auf der anderen Seite immer die potentielle Gefahr sehen, daß wir vorhandene bürgerschaftliehe Potentiale durch eine möglicherweise zu technokratisch vorgenommene Strukturreform verschütten.

Potsdamer Thesen zur Gemeindestrukturreform Von Christoph Reichard, Potsdam Auf der Basis der Referate und Diskussionen, die auf der 7. Fachtagung des Kommunalwissenschaftlichen Instituts (KWI) der Universität Potsdam am 9. Februar 2001 zum Thema der "Kommunalstrukturen in den Neuen Bundesländern nach 10 Jahren Deutscher Einheit" geführt worden sind, werden folgende Thesen formuliert. Diese Thesen richten sich insgesamt auf die Neugliederungsbemühungen in verschiedenen Ländern Ostdeutschlands, sind jedoch spezifisch auf die aktuelle Gemeindestrukturreform in Brandenburg ausgerichtet. Die Thesen beziehen sich im Hinblick auf Brandenburg vor allem auf die Leitlinien der Landesregierung vom Juli 2000. 1. In nahezu allen deutschen Ländern wird auf kommunaler Ebene ein dualer Strukturansatz praktiziert: Einerseits gibt es den Typus der einzelnen Gemeinde mit hinreichender Größe und Leistungskraft (Einheits- oder amtsfreie Gemeinde). Andererseits gibt es Formen der Gemeindekooperation, die sich u. a. im Typus des Amtes (u. a. in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) oder der Samtgemeinde, Verbandsgemeinde bzw. Verwaltungsgemeinschaft niederschlagen. Beide Strukturmuster haben unter bestimmten regionalen und ökonomischen Bedingungen ihre Stärken und Vorzüge; beide Muster sollten daher auch zukünftig als prinzipielle Organisationsmodelle weiterhin zugelassen werden. Beabsichtigte Einschränkungen - etwa: Ämter nur für dünnbesiedelte Räume - nehmen zu wenig auf den konkreten Einzelfall Rücksicht; hier sollte mehr Flexibilität zugelassen werden. 2. Sowohl das Strukturmodell des Amtes wie das der Einheitsgemeinde bedürfen der konzeptionellen Weiterentwicklung. Während das Amt in seiner derzeitigen brandenburgischen Ausprägung eine Reihe von Defiziten aufweist (u. a. Legitimationsdefizite, unklare Verantwortungsstrukturen), ist die Einheitsgemeinde hinsichtlich ihrer konkreten lokalen Demokratie- und Identifikationsaspekte entwicklungsbedürftig. Bei beiden Modellen kommt es insbesondere auf eine angemessene Balance zwischen einer effizienten und wirksamen Verwaltungssteuerung, einer Ausrichtung auf das Wohl und die Entwicklung der Gesamtgemeinde und der Beachtung der kleinräumlich-lokalen Interessen und Identifikationskerne einzelner Gebietsteile an. Insgesamt sollten bei der Ausgestaltung zukunftsfähiger Gemeindestrukturen nicht nur Effizienz- und Wirksamkeitsaspekte, sondern ebenso auch Identifikations- und Integrationsaspekte gleichwertig beachtet werden.

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Christoph Reichard

3. Die Strukturmodelle, die schließlich vom Gesetzgeber beschlossen werden, sollten hinreichend viele Spielräume für eine Einzelfallanpassung an die örtlichen Gegebenheiten bieten. Eine enge Regulierung aller Strukturdetails sollte zugunsten von Rahmenvorgaben und der Chance einer Einzelfallgestaltung im Rahmen von Satzungen vermieden werden. Die Entscheidung für einen Strukturtyp hängt dabei in der Regel von zahlreichen Kriterien ab und wird keinesfalls durch eine einzelne Größe wie etwa die Einwohnerzahl einer Gemeinde bestimmt, die ohnehin in der heutigen Welt eines zunehmend (IT-)vernetzten Verwaltungshandeins kaum noch eine ausschlaggebende Bedeutung hat. 4. Die Erfahrungen anderer Länder lassen deutlich erkennen, daß die Zusammenführung von kleineren Gemeinden zu größeren und leistungsfähigeren Gebilden soweit wie irgendmöglich auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. Dazu sind angemessen lange Freiwilligkeitsphasen einzuräumen (Sachsen: 7 Jahre). In dieser Phase sollte die Landesregierung - unterstützt von den Spitzenverbänden und anderen geeigneten Institutionen - eine umfassende Informations- und Anhörungsarbeit durchführen, um allen Betroffenen hinreichend Gelegenheit zur Klärung, zur Orientierung und zur Entscheidung einzuräumen. Staatliche Vorgaben in Form von Leitbildern sollen einen Rahmen darstellen, der nach Maßgabe örtlicher Verhältnisse konsensual ausfüllbar ist. Die Bedenken und Vorbehalte von Betroffenen sollten so ernst wie möglich genommen werden. Je sorgfältiger die Sachverhalte geklärt und die staatlichen Entscheidungen am politisch gesetzten Leitbild ausgerichtet werden, desto geringer dürften die zu erwartenden Konflikte und gerichtlichen Streitigkeiten sein. 5. Bei allen anstehenden Strukturreformen sollte stets der enge Zusammenhang zwischen der formalen Organisationsreform und anderen aktuellen Reformthemen auf kommunaler Ebene beachtet werden. Eine besondere Rolle spielen dabei die inneren Reformen (Verbesserung von Management, Haushalts- und Rechnungswesen, Nutzung von Informationstechniken und neuen Medien usw.) sowie die Neuverteilung von Aufgaben zwischen den Verwaltungsebenen (Funktionalreform im Hinblick auf Landes-, Kreis- und Gemeinde-Ebene). Erst wenn die Ziele der verschiedenen Reformen erreicht werden und wenn den Kommunen zugleich angemessene Ressourcen zufließen, kann das erwartet werden, was wir dringend brauchen: Leistungsfähige und bürgernahe Gemeinden.

Autorenverzeichnis Dr. habil. Jochen Franzke, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, wissenschaftlicher Mitarbeiter Ulrich Hoffmann, Ministerialdirigent, Ministerium des Innem des Landes Brandenburg, Abteilungsleiter

Prof. Dr. Wemer Jann, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation, Mitglied des Vorstandes des Kommunalwissenschaftlichen Instituts (KWI) Ass. iur. Oliver Klein, Universität Potsdam, KWI, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Prof. Dr. Wolfgang Loschelder, Rektor der Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Professur für Verwaltungsrecht, Verwaltungsprozeßrecht und Umweltrecht, Mitglied des Vorstandes des KWI Dipl. Pol. Christian Maaß, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, wissenschaftlicher Mitarbeiter Prof. Dr. Michael Nierhaus, Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Staatsrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht und Kommunalrecht, Stellvertretender Geschäftsführender Direktor des KWI Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für Betriebswirtschaftlehre der Öffentlichen Verwaltung I Öffentlichen Betriebe (Public Management), Geschäftsführender Direktor des KWI Dr. Fritz Schnabel, Sächsisches Ministerium des Innem, Referatsleiter Prof. Dr. Bemhard Stüer, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Honorarprofessor an der Universität Osnabrück, Lehrbeauftragter an der Universität Münster, Richter am Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Maximilian Wallerath, Universität Greifswald, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Verwaltungslehre Greifswald, Mitglied des Verfassungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern

Verzeichnis der Teilnehmer Jens Aasmann. Landkreis Havelland, Sachgebietsleiter Kommunalaufsicht Steifen Adam, Gemeinde Heinersdorf, Ehrenamtlicher Bürgermeister Dr. Wemer Adam, Universität Potsdam, Studienkolleg, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Karl-Heinz Ahlert, Amt Storkow (Mark), Amtsdirektor Holger Anders, Amt Laage-Land, Bürgermeister Dina Amold, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, Cottbus, Sachbearbeiterin Jens Augustesen, Ministerium des Innem des Landes Brandenburg, Referent Jürgen Bammel, Verwaltungsgemeinschaft Jeetze-Ohre-Drömling, Verwaltungsamtsleiter Wolfgang Bamicke, Stadt Genthin, Bürgermeister Klaus Becker, Stadt Neukloster, Bürgermeister Dr. Ulrich Becker, Berlin, Rechtsanwalt Jens Behn, Amt Jördenstorf, Leitender Verwaltungsbeamter Hans-Ulrich Benstz, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg Nico Berg, Universität Potsdam, Student Lutz-Georg Berkling, Landkreis Jerichower Land, Amtsleiter Daniel Berlin, Berlin, Student Prof. Dr. Wolfgang Bemet, Landesakademie für öffentliche Verwaltung beim Ministerium des Innem des Landes Brandenburg, Leiter der Stabsstelle Bildungsmanagement Dr. Anja Birke, Universität Leipzig, Wissenschaftliche Assistentin Herbert Blanke, Amt Seelow-Land, Amtsdirektor Michael Boeckhaus, Bund der Steuerzahler e.V., Nordrhein-Westfalen, Ehrenmitglied im Vorstand BdS in Brandenburg Walter Bommer, Amt Jördenstorf, Amtsvorsteher Martina Borgwardt, Gemeinde Ahrensdorf, Bürgermeisterin Gertrud Borkowski, Amt Friedland, Referentin Petra Born, Amt Kremmen, Referentin

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Verzeichnis der Teilnehmer

Michael Böttcha, Amt Letschin, Hauptamtsleiter

Dr. Ronald Brachmann, Landtag Sachsen-Anhalt, Mitglied des Landtages Horst-Dieter Brähmig, Stadt Hoyerswerda, Oberbürgermeister Bemd Brandenburg, Amt Gerswalde, Amtsdirektor

Dr. Petra Brangsch, POS-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Si/via Brinkmann, Amt Neverin, Leiterin Bauamt

Dr. Christiane Büchner; Universität Potsdam, Kommunalwissenschftliches Institut, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Herbert Burmeister; Gemeinde Schulzendorf, Bürgermeister Comelia Crome, Universität Potsdam, Studentin

Dr. Erhard Crome, Berlin, Wissenschaftler Sven Dahnke, Amt Karstädt, Kämmerer Jürgen Ditz, Amt Grevesmühlen-Land, Amtsvorsteher

Dr. Matthias Dombert, Potsdam, Richter des Landesverfassungsgerichts und Rechtsanwalt Mike Duckerschein, Amt Gransee und Gemeinden, Referent

Prof. Dr. Thomas Edeling, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für Organisations- und Verwaltungssoziologie Frank Ehling, Amt Barnim-Oderbruch, Amtsdirektor Dieter Ehm, Amt Joachimsthal, Amtsdirektor Gerd Ehrke, Amt Putlitz-Berge, Amtsdirektor Matthias Falk, Europa-Universität Viadrina, wissenschaftlicher Mitarbeiter Joachim Fehrig, Verwaltungsgemeinschaft "Südheide", Verwaltungsleiter Burkhard Fenske, Amt Friedland Burkhard Fieber; Innenministerium Sachsen-Anhalt, Leiter der Stabsstelle Kommunal- und Verwaltungsreform Marion Fiebnitz, Stadt Neuk.loster, stellv. Bürgermeisterin

Dr. Jochen Franzke, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Birgit Frischmuth, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bettina Fügemann, Verwaltungsgemeinschaft Ballenstedt, Hauptamtsleiterin Dirk Fuhrmann, Landresrechnungshof Mecklenburg-Vorpommem, Schwerin, Referatsleiter

Verzeichnis der Teilnehmer

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Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für Wirtschaftstheorie Schwerpunkt makroökonomische Theorie und Politik Sybille Fürstenberg, Landkreis Stendal, Amtsleiterin Helmut Gahsche, Kommunalpolitische Vereinigung der CDU Brandenburg, Landesgeschäftsführer Peter Gallasch, Amt "Am Senftenberger See", Amtsdirektor Ihno Gebhardt, Berlin, Rechtsanwalt Christian Geiger, Deutscher Städtetag, Köln, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Karl-Heinz Gemer, Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, Referent Klaus-Michael Glaser, Städte- und Gemeindebund Mecklenburg-Vorpommern, Referent Reinhard Götze, Stadtverwaltung Pritzwalk, Beigeordneter Gerda Graf, Universität Potsdam, Bibliothek, Fachreferentin Jens Graf, Städte- und Gemeindebund Brandenburg, Referent

Prof. Dr. Klaus Grimmer, Universität Gesamthochschule Kassel, Leiter der Forschungsgruppe Verwaltungsautomation Peter Gronbach, Freiburg, Betriebswirt Christian Großmann, Amt Brück, Amtsdirektor Regina Grube, Verwaltungsgemeinschaft Barby, Vorsitzende Gemeinschaftsausschuß Olaf Gründel, Universität Potsdam, Student

Dr. Markus Grünewald, Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, Referatsleiter Dr. Karl-Friedrich Grütte, Gemeinde Caputh, Bürgermeister Gabriele Hahn, Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Astrid Hannemann, Landkreis Teltow-Flärning, Sachbearbeiterin

Dr. Olaf Heinrichs, Amt Ludwigslust-Land, Amtsvorsteher Siegurd Heinze, Amt Schipkau, Amtsdirektor Gabriefe Heise, Berlin, Rechtsanwältin Andreas Heldt, Amt Nennhausen, Amtsdirektor Jörg Hellmuth, Landkreis Stendal, Landrat Ralf-Peter Hennig, Stadtverwaltung Bernau bei Berlin, Dezernent Eberhard Hertzsch, Stadtverwaltung Jena, Haupt- und Personalleiter Ulrich Hoffmann, Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, Ministerialdirigent, Abteilungsleiter 7 Nierhaus

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Verzeichnis der Teilnehmer

Bemd Hohlstein, Amt Rangsdorf, Amtsdirektor Axel Höhn, Stadtverwaltung Schwerin, Dezernent für Bauverwaltung, Stadtentwicklung und Umwelt Dirk Höntsch, ÖTV, Kreisverwaltung Cottbus, Gewerkschaftssekretär Reiner Homauer,.Stadt Velten, Hauptamtsleiter Inge Hurrwn, Sächsischer Städte- und Gemeindetag e. V., Dresden, Beigeordnete für Allgemeine Verwaltung Dr. Paul-Peter Humpert, Landkreistag Brandenburg, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Frank Hütterrwnn, Ministerium des Innem des Landes Sachsen-Anhalt, Referatsleiter Ulrich Jahn, Ministerium des Innem des Landes Brandenburg, Referent Prof. Dr. Wemer Jann, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für Politikwissenschaft, Verwaltung u. Organisation, Mitglied d. Vorstandes des Kommunalwissenschaftlichen Instituts Wemer Jergila, Amt Brieselang, Amtsdirektor Herbert lohn, Gemeinde Stralendorf, Bürgermeister Ulrich Kahlhöfer, Bund der Steuerzahler Brandenburg e.V., Potsdam, Landesgeschäftsführer Heiko Kärger, Amt Neverin, Leitender Verwaltungsbeamter Comelius Karsten, Stadtverwaltung Treuenbrietzen, Amtsdirektor Gerd Karstens, Amt Boitzenburg-Land, Leitender Verwaltungsbeamter Anne-Marie Keding, Innenministerium Sachsen-Anhalt, Referentin Petra Ketzer, Ministerium des Innem des Landes Brandenburg, Referentin Wemer Kindler, Amt Kronskamp, Leiter Hauptamt Hans-Georg Kinzel, Leichlingen Oliver Klein, Universität Potsdam, Kommunalwissenschaftliches Institut, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Barbara Klembt, Amt Wiesenburg (Mark), Amtsdirektorin Dieter Klischies, Gemeinde Eichwalde, Bürgermeister Dieter Kmietczyk, Stadtverwaltung Zeitz, Oberbürgermeister Grit Knappe, Gemeinde Glienicke, Kärnmerin Herbert Knüppel, Stadtverwaltung Bergen (Rügen), Stellv. Bürgermeister, Leiter Ordnungsamt Lothar Koch, Landkreis Potsdam-Mittelmark, Landrat, Mitglied des Kuratoriums des Kommunalwissenschaftlichen Instituts Prof. Dr. Paul von Kodolitsch, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin

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Dr. Alfred Krause, Gemeindeverwaltung Glienicke, 1. Beigeordneter Siegfried Krause, Amt An der Peenemündung, Leitender Verwaltungsbeamter Dr. Bemd Kregel, Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt, Landesgeschäftsführer Bemhard Kroemer, Stadtverwaltung Coswig, Erster Bürgermeister Amold Krüger, Amt Neustrelitz-Land, Leitender Verwaltungsbeamter Veronika Kuchta, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, Cottbus, Dezernatsleiterin Torsten Kuh/, Potsdam, Rechtsanwalt Annegret Kuh/baum, Amt Golßener Land, Hauptamtsleiterin Hans-Ulrich Kühne, Amt Biesenthal-Barnim, Amtsdirektor Rudolf Kusche, Bundesministerium des Innern, Berlin, Regierungsdirektor Julia Läkemiiker, Universität Potsdam, Studentin Siiri Lang, Universität Greifswald, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Thomas Lenz, Städte- und Gemeindebund Thüringen Gerhard Ling, Amt Rehbrücke, Amtsdirektor Giesela Liptow, Amt Laage-Land Peter Lischtschenko, Amt Stalendorf, Leitender Verwaltungsbeamter Bemhard Lohaus, Stadt Oranienburg, Leiter des Rechtsamtes Waltraud Lorenz, Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Amtsleiterin Prof. Dr. Wolfgang Lasche/der, Universität Potsdam, Rektor, Mitglied des Vorstandes des Kommunalwissenschaftlichen Instituts Mathias Lötte, Stadt Barth, Bürgermeister Christian Maaß, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Wemer Maaß, Amt Neustrelitz-Land, Amtsvorsteher Prof. Dr. Heinrich Mäding, Deutsches Institut für Urbanistik, Institutsleiter, Mitglied des Kuratoriums des Kollimunalwissenschaftlichen Instituts Angela Mai, Bund der Steuerzahler Brandenburg e.V., Vorsitzende Karl-Heinz Me/eher, Stadtverwaltung Weißwasser, Amtsleiter Dr. Volker Meßmann, Landtag Mecklenburg-Vorpomrnern, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Harald Meyer, Landtag Mecklenburg-Vorpomrnern, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Detlef Müller, SPD-Landtagsfraktion, Mecklenburg-Vorpomrnern, Mitglied d. Landtages, Enquetekommission ,,Zukunftsfähige Gemeindestrukturen" Wem er Neue, Amt Zehdenick und Gemeinden, Amtsdirektor 7*

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Verzeichnis der Teilnehmer

Karin Neufeld, Amt Großräschen, Amtsleiterin Gerd Neumann, Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern Undine Neumann, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, Cottbus, Sachbearbeiterin Uwe Neumann, ÖTV Brandenburg, Bezirksleitung Volker Neumann, Stadtverwaltung Pritzwalk, Mitarbeiter für Recht und Verwaltung Magret Nienhoff, Deutsche Baurevision AG, Berlin, Wirtschaftsprüferin Prof. Dr. Michael Nierhaus. Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Professur für Staatsrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht., Kommunalrecht stellv. gf. Direktor d. Kommunalwissenschaftlichen Instituts

Dietmar Nobis, Amt "Gransee und Gemeinden", Amtsdirektor Dr. Guido Odendahl, Amt Peitz, Amtsdirektor

Peter Oelsch, Amt Homow I Simmersdorf, Amtsausschußvorsitzender Joachim Pätzold, Amt Schildow, stellv. Amtsdirektor Sven Petke, Landtag Brandenburg, CDU-Fraktion, innenpolitischer Sprecher Jürgen Piekarski, Gemeindeamt Kleinmachnow, Fachbereichsleiter Gudrun Pollesch, Stadt Loitz, stellvertretende Bürgermeisterin Thorsten Post, Landtag Mecklenburg-Vorpommem, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Helmut Przykilski, SPD-Fraktion der Stadtverordnetenversarnmlung, Potsdam, Stadtverordneter

Halmar Quast, Amt Spantekow, Amtsleiter Vicky Radunz, Universität Potsdam, Studentin Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für BWL, Schwerpunkt Öffentliche Verwaltung I Öffentliche Unternehmen (Public Management), Gf. Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts Dr. Sieglinde Reinhardt, Landesrechnungshof, Potsdam, Direktorin

Carl Gottfried Rischke, Landesbausparkasse Potsdam, Vorstandsvorsitzender Günter Rocket, Amt Niemegk, Amtsdirektor Dr. Matthias Roßner, Kreisverwaltung Merseburg-Querfurt, Dezernent

Daniel Runge, Schlotheim, Student Barbara Rutsch, Universität Potsdam, ZEIK, Bereichsleiterin Gerd Sälzer, Landtag Sachsen-Anhalt, Mitglied des Gesetzgebungs- u. Beratungsdienstes Stefan Sarrach, POS-Landtagsfraktion Brandenburg, Kommunalpolitischer Sprecher Ursula Schadow, Amt Golßener Land, Amtsdirektorin

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Ralf Scheffer, Stadtverwaltung Görlitz, Haupt- und Personalleiter Lutz Scheidemllnn, Stadtverwaltung Wittstock/Dosse, Bürgermeister Claudia Schiefe/bein, Universität Potsdam, Studentin Christiane Schirdewahn, Amt Parchim-Land, leitende Verwaltungsbeamtin lnes Schlegelmilch, Verwaltungsgemeinschaft Barby, Leiterin Verwaltungsamt Elke-Annette Schmidt, Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Leiterin Sekretariat der Enquetekommission "Zukunftsfähige Gemeinden" Peter Schmidt, Amt Biesenthal-Barnim, Hauptamtsleiter Dr. Fritz Schnabel, Sächsisches Staatsministerium des Innern, Referatsleiter Michael Schöneich, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Köln, Geschäftsführendes Präsidialmitglied, Mitglied des Kuratoriums des Kommunalwissenschaftlichen Instituts Achim Schult, Stadtverwaltung Loitz, stellv. Bürgermeister Wemer Schult, Gemeinde Sassen, Bürgermeister Gabi Schulz, Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Kommunalpolitische Sprecherin PDSFraktion Holger Schutz, Verwaltungsgemeinschaft Jeetze-Ohra-Drömling, Hauptamtsleiter Paul Schumacher; Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, Referatsleiter Tino Schuppan, Universität Potsdam, Kommunalwissenschaftliches Institut, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Roswitha Schwertdfeger, Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Dekanatsassistentin Wolfgang Schwericke, Amt "Gransee und Gemeinden", Sachgebietsleiter lllka Seyer, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, Brandenburg, Dezernatsleiterin Patricia Siebart, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftiche Fakultät, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Prof. Dr. Wolf Uwe Sponer; Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung, Meißen, Dozent Arend Steenken, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg, Direktor und Landeswahlleiter, Mitglied des Kuratoriums des Kommunalwissenschaftlichen Instituts Margarete Steifen, Amt Grevesmühlen-Land, leitende Verwaltungsbeamte Bärbel Stewin, Stadtverwaltung Kyritz, Bürgermeisterin Prof. Dr. Erhard Stölting, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für Allgemeine Soziologie Dr. Wemer Stork, Ostdeutsche Sparkassenakademie, stellv. Abteilungsleiter Prof. Dr. Bemhard Stüer; Universität Osnabrück, Rechtsanwalt u. Notar, Honorarprofessor an der Universität Osnabrück, Lehrbeauftragter an der Universität Münster

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Verzeichnis der Teilnehmer

Hans-Dieter Stunn, Landkreis Halberstadt, Beigeordneter Anita Tack, Landtag Brandenburg, PDS-Landesvorsitzende Annemarie Theil, Landkreis Stendal, 1. Beigeordnete Willfried Thoma, Amt Lübstorf I Alt Meteln, leitender Verwaltungsbeamter Udo Tiepelmann, Amt Wandlitz, Amtsdirektor Karin Titzkus, Gemeinde Krausnick, Bürgermeisterin Heinz-Jürgen Twartz, Amt Homow I Simmersdorf, Amtsdirektor Kurt Vetter, Gemeindeverwaltung Birkenwerder, Bürgermeister Jochen Wagner, Stadtverwaltung Königs Wusterhausen, Bürgermeister Prof. Dr. Maximilian Wallerath, Universität Greifswald, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Verwaltungslehre Burkhard von Watzdorf, Universität Potsdam, Kommunalwisenschaftliches Institut, Fachreferent Dr. Norman Weiß, Universität Potsdam, MenschenRechtszentrum, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Klaus Weißbrodt, Amt Kronskamp, leitender Verwaltungsbeamter Heidelore Weitmann, Amt Ducherow, Amtsleiterin Sabine Wemer, Potsdam, Rechtsanwältin Dieter Wetzet, Amt Karstädt, Amtsdirektor Dr. Stephan Wilhelm, Ministerium des Innem Brandenburg, Referatsleiter Harald Wink/er, Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung, Bischofswerda, Abteilungsleiter I stellv. Direktor Dr. Johannes Winter, Stadt Loitz, Bürgermeister Jutta Wiesinger, Amt Letschin, Amtsdirektorin Claudia Zajaczkowski, Universität Potsdam, Studentin Prof. Dr. Ernst Zander, Hamburg, Beirat für Aus- und Weiterbildung in Mittel- u. Osteuropa beim DIHT, Ehrenmitglied des Kuratoriums des Kommunalwissenschaftlichen Instituts Bemd Zeidler, Institut für Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg, Frankfurt/ Oder, Arbeitsbereichsleiter Thomas Zenker, Amt Großräschen, Bürgermeister Rainer Zwein, Amt Mirow, Leitender Verwaltungsbeamter