Kommentar zur 4. Philippischen Rede des Demosthenes [Reprint 2011 ed.] 3110169304, 9783110169300

Die letzte erhaltene Staatsrede des Demosthenes aus dem Jahr 341 v. Chr. galt bis 1901 den meisten Gelehrten als unecht

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Kommentar zur 4. Philippischen Rede des Demosthenes [Reprint 2011 ed.]
 3110169304, 9783110169300

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
I. Athen und Philipp nach dem Philokrateischen Frieden und die Rolle des Demosthenes (346–341)
II. Demosthenes und das politische Kräfteverhältnis in Athen nach dem Philokrateischen Frieden (346–341)
III. Die drei erhaltenen Demosthenes-Reden des Jahres 341
IV. Die 4. Philippika. Komposition und Echtheit
V. Handschriften, Ausgaben und Kommentare
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Abweichungen von K. Fuhrs Teubneriana
Kommentar
Appendix zu den Abweichungen zwischen den Parallelstellen in der Chersonesitica und der 4. Philippischen Rede des Demosthenes
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Istvän Hajdu KOMMENTAR ZUR 4. PHILIPPISCHEN REDE DES DEMOSTHENES

W G DE

TEXTE UND KOMMENTARE Eine altertumswissenschaftliche Reihe

Herausgegeben von

Siegmar Döpp, Adolf Köhnken und Ruth Scodel unter Mitarbeit von

Felix Heinimann

Band 23

Walter de Gruyter · Berlin · New York 2002

KOMMENTAR ZUR 4. PHILIPPISCHEN REDE DES DEMOSTHENES

von

Istvän Hajdu

Walter de Gruyter · Berlin · New York

2002

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche

Bibliothek

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CIP-Einheitsaufnahme

Hajdü, Istvän: K o m m e n t a r zur 4. Philippischen Rede des Demosthenes / von Istvän H a j d ü . - Berlin ; New York : de Gruyter, 2002 (Texte und Kommentare ; Bd. 23) Zugl.: Hamburg, Univ., Habil.-Schr. ISBN 3 - 1 1 - 0 1 6 9 3 0 - 4

© Copyright 2 0 0 2 by Walter de Gruyter G m b H & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: Dörlemann Satz G m b H & Co. KG, L e m f ö r d e Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck und Buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. G m b H & Co. KG, Göttingen

VORWORT Die 4. Philippika, die letzte der erhaltenen Staatsreden des Demosthenes, galt bis zur Entdeckung des Didymos-Papyrus im Jahre 1901 den meisten Gelehrten als unecht oder bestenfalls von einem späteren Redaktor aus demosthenischen Stücken zusammengestellt. Sie spielte deshalb im Schulunterricht eine geringere Rolle als die übrigen der späteren demosthenischen Demegorien und wurde entsprechend wenig kommentiert. Ein wissenschaftlicher Kommentar, der sprachliche, rhetorische und historische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt, fehlt bislang erst recht. Diese Arbeit - meine vom Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaft der Universität Hamburg angenommene Habilitationsschrift - möchte versuchen, diesem Mangel nach besten Kräften abzuhelfen. Angeregt wurde sie von Herrn Prof. Dr. W. Bühler, der sie während der ganzen Zeit ihrer Entstehung mit Geduld, Interesse und wertvollen Ratschlägen begleitet hat. Für die unzähligen Hinweise, die er mir in Gesprächen und als Randbemerkungen zu den verschiedenen Vorfassungen zuteil werden ließ, bin ich ihm äußerst dankbar. Danken möchte ich hier auch Herrn Prof. D . M . MacDowell (Glasgow) für das Lesen von Teilen der Arbeit und die gemachten Verbesserungsvorschläge sowie den Herausgebern der Reihe „Texte und Kommentare", Frau Prof. Dr. Ruth Scodel und Herrn Prof. Dr. A . Köhnken, für die Aufnahme in die Reihe und die vielen hilfreichen Anregungen und Bemerkungen. Ebenso gilt mein Dank an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. K. Alpers, der mir bei der Lösung von Computer-Problemen jederzeit hilfreich zur Seite stand, und Herrn Prof. Dr. A . Kleinlogel, der mit den von ihm entwickelten Programmen den Text dieses Buches für den Druck eingerichtet hat. Herr Dr. U. Dubielzig und Herr Dr. F. Spoth, Kollegen am Thesaurus linguae Latinae in München, haben den Kommentar auf die deutsche Ausdrucksweise hin korrekturgelesen (ich hoffe, daß einige von mir selbst noch eingefügte Änderungen die Ergebnisse ihrer Arbeit nicht nachträglich beeinträchtigen). Herrn Dubielzig verdanke ich auch sonst nützliche Vorschläge, vor allem auf dem Gebiet der griechischen Laut- und Formenlehre. Dem British Council bin ich zu Dank verpflich-

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Vorwort

tet für ein Stipendium, das mir im Jahre 1992 für die Arbeit am vorliegenden Kommentar einen dreimonatigen Aufenthalt am Department of Classics der Universität Glasgow ermöglicht hat, sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung einer Druckbeihilfe. München, den 28. Dezember 2001

Istvän Hajdü

INHALT Vorwort

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Einleitung I. Athen und Philipp nach dem Philokrateischen Frieden und die Rolle des Demosthenes (346-341) II. Demosthenes und das politische Kräfteverhältnis in Athen nach dem Philokrateischen Frieden (346 - 341) III. Die drei erhaltenen Demosthenes-Reden des Jahres 341 . . IV. Die 4. Philippika. Komposition und Echtheit V. Handschriften, Ausgaben und Kommentare

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

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Abweichungen von K. Fuhrs Teubneriana

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Kommentar

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Appendix zu den Abweichungen zwischen den Parallelstellen in der Chersonesitica und der 4. Philippischen Rede des Demosthenes

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EINLEITUNG I. Athen und Philipp nach dem Philokrateischen Frieden und die Rolle des Demosthenes (346-341) 1 Als die 4. Philippische Rede des Demosthenes im Frühjahr 341 entstand2, waren die Beziehungen zwischen dem Makedonenkönig Philipp II und Athen gespannt und der von ihnen erst fünf Jahre früher (346) geschlossene Friede ernsthaft gefährdet. Die Bedingungen dieses Friedens hinterließen bei den Athenern eine tiefe Unzufriedenheit, da sie den ausdrücklichen Verzicht auf all das bedeuteten, was Athen im vorausgegangenen Krieg verloren hatte3. Darüber hinaus herrschten zwischen Phil-

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Ziel der folgenden Seiten ist es, die Voraussetzungen der athenischen Außenpolitik in der Zeit vom Philokrateischen Frieden bis zum Jahre 341, dem Entstehungsjahr der 4. Philippika, sowie die Beurteilung dieser Voraussetzungen durch Demosthenes und seine Zeitgenossen zu skizzieren. Die Literatur zum Thema ist sehr umfangreich: Bis heute grundlegend bleibt A. Schäfers monumentale Monographie über Demosthenes (zu dem uns interessierenden Zeitabschnitt vgl. vor allem II 2 233-522). Besonders hilfreich unter den allgemeinen Darstellungen der späteren Gelehrten schienen mir die Arbeiten von Wüst (1-140), Griffith (329-566) und Sealey (143-190). Weitere Arbeiten und Detailuntersuchungen werden in der unten folgenden Darstellung und im Kommentar selbst erwähnt, Bibliographien finden sich im Bericht von D. F. Jackson/ G. O. Rowe, Lustrum 14,1969 (die Jahre 1915-65 umfassend); U. Schindel (Hrsg.), Demosthenes (= Wege der Forschung 350), Darmstadt 1987,431-49 (die Jahre seit 1966 umfassend); Sealey, 319-29 (Auswahl). Zu der mit den politischen Überzeugungen der Gelehrten öfters eng zusammenhängenden starken Schwankung in der Beurteilung des Demosthenes seit dem 19. Jh. vgl. J . R . Knipfing, AHR 26, 1921,657-71; F.W. Walbank, Phoenix 5 , 1 9 5 1 , 4 1 - 6 0 (= Selected Papers, Cambridge 1985,1-19); U. Schindel, a . O . 1-20; Carlier 293-302. Zur Datierung vgl. unten Abschnitt III Anfang. Laut Friedensschluß sollten Philipp und Athen zusammen mit ihren Verbündeten ihre aktuellen Besitzungen behalten ( έ κ α τ έ ρ ο υ ς , α έ χ ο υ σ ι ν , εχειν), vgl. Heges. (= [D.] 7) 24-26 und Schol. in Heges. (= [D.] 7) 18. 23. Philipp konnte somit alle seine Eroberungen behaupten: das von Athen beanspruchte Amphipolis (zu ihr vgl. Komm, zu §§ 12 u. 68), die ehemaligen Seebundstädte Pydna und Methone, das vor seinem Fall von athenischen Kleruchen mitbewohnte Potidäa (dazu vgl. Komm, zu §§ 12 u. 64) und natürlich das Gebiet der zuletzt mit Athen verbündeten Chalkidischen Liga. Zu den Bedingungen des Friedens vgl. A. Schäfer II 2 225-27; F. Hampl, Die griechischen Staatsverträge des 4. Jh., Leipzig 1938 (ND Rom 1966), 5 6 - 5 9 und 111-113; Bengtson, Staatsverträge 312-318, Nr. 329; Griffith 3 3 8 f .

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Einleitung

ipp und Athen von Anfang an Meinungsverschiedenheiten in der Frage, wer alles zu den Verbündeten der Athener gehöre und folglich berechtigt sei, an dem geschlossenen Frieden teilzuhaben. Philipp zählte nur die verbliebenen Mitglieder des Seebundes dazu, nicht aber die Phoker, die im 3. Heiligen Krieg den mit ihm verbündeten Thessaliern (und Thebanern) gegenübergestanden hatten, und natürlich auch nicht die von Pharsalos abgefallene Stadt Halos und den Thrakerkönig Kersobleptes 4 . Obwohl den Athenern diese Auffassung Philipps von Anfang an bewußt war, sahen sie sich wegen der militärischen Lage gezwungen (es zeichnete sich ein von Philipp, den Thessaliern und den Thebanern gemeinsam geführter Feldzug gegen eine wegen zunehmender Geldknappheit immer verzweifelter und unberechenbarer werdende Phokis ab, die die Athener mit in ihren Untergang zu ziehen drohte), den Frieden und den Bündnisvertrag mit dem König zu ratifizieren. Sie hofften aber, daß Philipp, ihr neuer Verbündeter, bei der Regelung des Konfliktes mit ihrem alten Verbündeten Phokis (und mit Kersobleptes in Thrakien) auch den athenischen Interessen gebührend Rechnung tragen würde. In ihren Hoffnungen ließen sie sich bereitwillig durch Versprechungen täuschen, die von Philipp bzw. aus seiner Umgebung stammten und von einigen aus Makedonien zurückgekehrten athenischen Gesandten übermittelt worden waren, die beteuerten, daß der König es mit ihnen gut meine, die Thebaner klein halten und die Phoker gar nicht vernichten wolle 5 . Auf die Träume der Athener folgte ein böses Erwachen: Phalaikos, der für die Phoker die Thermopylen zu sichern hatte, verständigte sich (zumindest für die Athener) unerwartet schnell mit dem König, durfte sich mit seinen Söldnern auf die Peloponnes zurückziehen und überließ die Phoker ihrem Schicksal. Diese sahen für sich keinen anderen Ausweg, als vor Philipp zu kapitulieren, der die Entscheidung über ihre Bestrafung den Amphiktyonen anheimstellte. Die von Philipp bewirkte rasche Beendigung des 3. Heiligen Krieges zugunsten der Thessalier und Thebaner, die anschließende Neuordnung der Amphiktyonie und die Wiederherstellung der thebanischen Herrschaft über Böotien lösten in Athen

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Zu den Phokern vgl. Komm, zu § 65, zu Halos [D.] 11,1; Liban. arg. 2,7 in D. 19,2; D. 19,36. 39 und Sordi, Lega 362f., zu Kersobleptes Komm, zu § 8. Zu den allgemein gehaltenen Versprechungen Philipps vgl. D. 19,37^14. 48. 68 sq. 316. 325; Heges. (= [D.] 7) 33, zu den konkreteren seiner Umgebung Aesch. 2,137 und zur Rolle der athenischen Gesandten bei ihrer Verbreitung D. 5,10; 6 , 3 0 sowie (wiederholt unter namentlicher Nennung von Philokrates und Aischines) 19,19-23. 35. 37. 42. 74. 112. 220. 321. 324-7; 18, 35. 41 sq. 142 u.a.; Aesch. 2,119sq. 136sq. Vgl. A. Schäfer II 2 269-271; Griffith 345 f.

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Furcht und Verbitterung aus6. Die Athener schickten keine Hieromnemonen zur Herbstpyläe des J. 346 und auch keine Theoroi zu den Pythischen Spielen desselben Jahres7. Der Friede und das Bündnis zwischen Athen und Philipp fingen nach wenigen Wochen an, sich in einen kalten Krieg zu verwandeln. Demosthenes, der als Redner und Gesandter am Zustandekommen des Friedens maßgeblich beteiligt war8, muß gewußt haben, daß es schwierig sein würde, den Heiligen Krieg auf eine für Athen zufriedenstellende Art und Weise zu beenden, meinte aber wohl, daß der Spielraum dafür noch nicht gänzlich erschöpft sei, zumal da Philipp zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Friedensvertrages durch Athen noch einen gerade erst begonnenen Feldzug gegen Kersobleptes führte. Während seiner Teilnahme an der zweiten Gesandtschaft, die Philipps Eidschwur auf den geschlossenen Frieden entgegennehmen sollte, muß er aber eingesehen 6

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Zum Schicksal der Phokis und zur Panik, die das Eindringen Philipps nach Mittelgriechenland verursachte, vgl. Komm, zu § 65, zur Neuordnung der Amphiktyonie durch Philipp (Wiedereinsetzung der Thessalier und Thebaner in ihre Rechte, Übertragung der beiden Stimmen der Phoker auf den König, Verlust der athenischen π ρ ο μ α ν τ ε ί α an Philipp) D. 19,327; Diod. 16,60,1 u. Komm, zu § 67, zur Auslieferung Böotiens an Theben Komm, zu § 64. Gesteigert wurde die Irritation der Athener durch einige Eroberungen Philipps, die ihm im Frühjahr 346 während seines kurzen Feldzuges gegen Kersobleptes gelungen waren (Doriskos, Serrhion u.a.), als der Frieden bereits von den Athenern, noch nicht aber vom Makedonenkönig ratifiziert war, vgl. Komm, zu §§ 8 u. 65. Vgl. D. 5,14. 19. 25; 19,111. 128. 132. 181 und Komm, zu § 67. Daß Demosthenes bei den Friedensverhandlungen eine geradezu treibende Rolle spielte, zeigen seine uns bekannten Aktivitäten ganz eindeutig: Wohl im Sommer des J. 348 verteidigte er den von Lykinos mit einer γ ρ α φ ή π α ρ α ν ό μ ω ν belegten Vorschlag des Philokrates, Philipp zu erlauben, Gesandte nach Athen zu schicken (Aesch. 2,13 sq. 20. 109; 3,62, und vgl. A. Schäfer II 2 166 Anm. 4); er befürwortete im J. 348/7 zusammen mit Philokrates die Entsendung des Schauspielers Aristodemos zu Philipp, um mit ihm über athenische Gefangene zu verhandeln (Aesch. 2,15 sq.); im nachfolgenden Jahr 347/6 schlug er als Mitglied der β ο υ λ ή dessen Bekränzung vor, nachdem er über seine Gesandtschaft Rechenschaft abgelegt hatte, und empfahl, Athen möge die Städte, in denen er als Schauspieler Verpflichtungen hatte, um seine Freistellung für weitere Verhandlungen mit Philipp bitten (Aesch. 2,17-19); er war im J. 346 Mitglied der beiden Gesandtschaften an Philipp, die den Frieden unter Dach und Fach brachten (zu deren Zusammensetzung vgl. A. Schäfer II 2 195 f.); er war es, der das Datum für das Zusammentreten der εκκλησία, in der die Athener den Frieden annehmen sollten (am 18. und 19. Elaphebolion [Anfang April]), und die üblichen Ehrenbezeugungen für die Gesandten Philipps (Festmahl im Prytaneion, Ehrenplätze bei den Dionysien u. ä.) vorschlug (Aesch. 2 , 6 1 . 6 5 . 109sq. bzw. 2,55. llOsq.; 3,76; D. 19,235; 18,28 und vgl. A. Schäfer II 2 211-213); in der entscheidenden εκκλησία vom 19. Elaphebolion sprach er sich für die Annahme der Friedensbedingungen aus, befürwortete auch die von Philipp geforderte σ υ μ μ α χ ί α (Aesch. 2,61; 3,71 sq.) und lehnte die f ü r diesen inakzeptable Aufnahme des Kersobleptes in den Vertrag ab (Aesch. 2 , 8 2 - 8 5 . 93; 3,61. 73; zu den von A. Schäfer II 2 2 4 2 - 2 4 5 angemeldeten Zweifeln an der Darstellung des Aischines vgl. Komm, zu § 8).

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Einleitung

haben, daß für Athen die Zeit immer knapper und der Spielraum immer enger wurde, als sich abzeichnete, daß Philipp nach der Rückkehr aus Thrakien mit seinem Heer in Richtung Süden ziehen würde. Die von seinen Mitgesandten gehegte optimistische Einschätzung der Absichten Philipps teilte Demosthenes nicht; vielmehr versuchte er, im Namen der Gesandten eine Lagebeschreibung nach Athen zu schicken, die aber diese durch ihre eigene ersetzten; daraufhin wollte er allein nach Athen zurückkehren, wurde jedoch von Philipp daran gehindert 9 . Die Mitgesandten des Demosthenes änderten ihre Einschätzung Philipps auch nach der Rückkehr der Gesandtschaft nach Athen nicht, sondern äußerten sich hoffnungsvoll über die Vorhaben des Königs 10 . Demosthenes widersprach ihnen während der Anhörung durch den Rat am 13. oder 15. Skirophorion (Anfang Juli) und beteuerte, daß er von Philipp nichts Gutes erwarte 11 . Der Versuch, seine Bedenken am 16. Skirophorion auch der Volksversammlung vorzutragen, scheiterte an der feindseligen Haltung, die ihm dort entgegenschlug: Die Athener klammerten sich noch an die von den anderen Gesandten geweckten Hoffnungen und waren nicht willens, sich Hiobsbotschaften anzuhören 12 . Demosthenes lehnte daraufhin die Wahl zum Mitglied einer dritten Gesandtschaft an Philipp ab13, setzte eine erneute Rechenschaftsabgabe vor den Logisten durch und klagte dabei Aischines der Truggesandtschaft (παραπρεσβείας) an 14 . Durch diese Schritte distanzierte er sich von seinen Mitgesandten, um nicht mit ihnen für die von ihm vorausgesehene Enttäuschung der Athener verantwortlich gemacht werden zu können. Ob er dem Rat zwischen dem 13. Skirophorion (Heimkunft der 2. athenischen Gesandtschaft) und dem 16. (Tagung der Volksversammlung) vorgeschlagen hat, etwas für die Verteidigung der Thermopylen und der Phoker zu unter9

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D. 19,174, bzw. 19,51. 323. Überhaupt hielt Philipp die athenische Gesandtschaft dadurch hin, daß er sie die Eidschwüre seiner Verbündeten erst in Pherai entgegennehmen ließ, wohin sie das Heer Philipps begleitet hatten (D. 19, 158-160). Darüber hinaus überredete er sie dazu, zwischen Pharsalos und Halos zu vermitteln (D. 19,39). Daß Philipp die Gesandten bewußt zurückgehalten hätte, behauptet Demosthenes ausdrücklich 19,322. Vgl. A. Schäfer II2, 262-264. Vgl. oben Anm. 5. D. 19,17 sq. Bei dieser Gelegenheit erhob Demosthenes gegen seine Mitgesandten den Vorwurf der falschen Berichterstattung. D. 6,29 sq. Für den Zeitpunkt vgl. D. 19,58 sq. 19,122. 129. Vgl. besonders D. 19,211 sq. Aischines vertrat anfangs die Ansicht, daß über die zweite Gesandtschaft, die anders als die erste nur den Eidschwur Philipps und seiner Verbündeten entgegenzunehmen und keine Verhandlungen mehr zu führen hatte, keine Rechenschaft abgegeben werden mußte. Vgl. A. Schäfer II2 383 u. Wüst, 78-81.

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nehmen, läßt sich nicht entscheiden 15 . Uns unbekannt ist auch seine Rolle bei der Ablehnung der kurz vor der Kapitulation des Phalaikos übermittelten Bitte Philipps an die Athener, ihn bei der Beendigung des Heiligen Krieges (d.h. gegen Phokis) mit Truppen zu unterstützen 16 . Als die Athener aber nach der Kapitulation der Phoker durch ihr Fernbleiben von der Herbstpyläe des J. 346 die unter Philipps Führung vorgenommene Neuordnung der Amphiktyonie in Frage stellten und dadurch die Gefahr eines amphiktyonischen Krieges gegen sich selbst heraufbeschworen, sah sich Demosthenes gezwungen, seine Landsleute an die fast völlige Isolation der Stadt zu erinnern und zur Zurückhaltung zu mahnen 17 . 15

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Demosthenes sagt zwar 19,18 vage von sich, daß π ε ρ ί τ ω ν υ π ο λ ο ί π ω ν ( τ α ϋ τ α δ' ή ν Φ ω κ ε ΐ ς κ α ι Π ΰ λ α ι ) μή π ρ ο έ σ θ α ι σ υ ν ε β ο ύ λ ε υ ο ν . Er hatte aber zwei Jahre nach dem Ereignis, als er diese Worte sprach, ein Interesse daran, den Eindruck zu erwecken, daß die Phoker noch hätten gerettet werden können, wenn man nur auf ihn gehört hätte (für die unterschiedlichen Ansichten der Gelehrten vgl. A. Schäfer II 2 267-f.; Markle 262 Anm. 1; Harris, Aeschines 90; G.L. Cawkwell, Aeschines an the Ruin of Phocis in 346, REG 75,1962, 453^159 u. eund., CQ 1978,98-101). Falls Demosthenes keinen Feldzug empfohlen hat, ist er deswegen natürlich noch lange nicht „the most cynical traitor to Greek liberty" geworden, wie Cawkwell, CQ 1978,98 meint. Denn ultra posse nemo obligatur: Athen hätte auch dann kaum helfen können, wenn die Phoker und Phalaikos absolut zuverlässig gewesen wären; seitdem aber Phalaikos die von dem athenischen Strategen Proxenos und dem Spartaner-König Archidamos angebotene Unterstützung zurückgewiesen hatte, konnten ihm die Athener nicht mehr vertrauen. Da wir bezüglich der etwaigen Vorschläge des Demosthenes auf Spekulationen angewiesen sind, ist es nicht zweckmäßig anzunehmen, er habe etwas empfohlen, was Cawkwell, CQ 1978,101 süffisant als „act of military lunacy" bezeichnen kann. Vgl. auch Komm, zu § 65 Φ ω κ έ α ς . Aesch. 2,137 behauptet, οι ν ΰ ν π ο λ ε μ ι κ ο ί hätten von diesem Zug abgeraten, D. 19,51 sq. sagt nur, daß Philipp den Athenern seine Bitte absichtlich zu spät zukommen ließ, als daß sie hätte erfüllt werden können (vgl. auch Komm, zu § 65 Φ ω κ έ α ς ) . Auf Aesch. 2 , 1 3 6 - 1 4 1 bauend glauben viele Gelehrte (z.B. Beloch III 2 1,510f.; Drerup, Advokatenrepublik 90f.; Momigliano 120; Wüst 11; Markle 253-268 und zuletzt Carlier 164 f.), daß Philipps „Versprechungen" ernst gemeint waren und daß der König, falls die Athener auf sein Geheiß hin ins Feld gezogen wären, mit Bezug auf Phokis und vor allem Böotien eine andere, ihnen viel genehmere Lösung gefunden hätte. Mit Recht zurückgewiesen wurde diese Theorie von Griffith 345-347 u. Cawkwell, C Q 1978, 101-104: Philipp mußte den Heiligen Krieg im Sinne der Thessalier beenden, und wenn er dies tat, konnte er obendrein mit der Dankbarkeit der Thebaner rechnen, während er von Athen eine wesentlich selbständigere Politik zu erwarten hatte als von dem im Krieg arg mitgenommenen Theben. Die Freundschaft Thebens konnte ihm ferner den Zugang zu dessen peloponnesischen Verbündeten ebnen, die für sein späteres Kalkül von Bedeutung waren. Philipp richtete sich darüber hinaus wohl auch nach der öffentlichen Meinung, die in den meisten Städten Griechenlands gegen die phokischen „Tempelräuber" gerichtet war; und er wäre natürlich in der Lage gewesen, wenn er es nur gewollt hätte, den Thebanern auch ohne athenische Hilfe die Bedingungen zu diktieren. Philipp tat also genau das, was er vorgehabt hatte. Vgl. seine während der Herbstpyläe des Jahres 346 gehaltene Friedensrede (D. 5), in der er den Frieden verteidigte - freilich bloß als das kleinere Übel (5,13 ο ΰ χ ώ ς

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Einleitung

Der außenpolitische Spielraum Athens war nach dem Friedensschluß tatsächlich sehr eingeengt. Die Stadt verblieb zwar weiterhin unumstritten die führende Seemacht in der Ägäis, auch wenn ihre Möglichkeiten schon durch den Abfall von Rhodos, Chios und Kos im Bundesgenossenkrieg (357-355; Byzanz scheint bereits im J. 364 abgefallen zu sein) sogar zur See deutlich beschränkt worden waren 18 . Aber die politische Vernichtung der Phoker und die Sicherung der Thermopylen durch Philipp 19 , die von ihm gewonnene Kontrolle über die Amphiktyonie 20 und die wiederhergestellte Herrschaft Thebens über Böotien ließen Athen erst einmal ohne Verbündete in Mittelgriechenland 21 . Auf der Pelopon-

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θ α υ μ α σ τ ή ν , οίιδ' ώ ς ά ξ ί α ν ο ύ σ α ν ύ μ ώ ν [sc. τ η ν είρήνην]). Daß es damals trotz der Enttäuschungen durch Philipps Politik bei der Beendigung des Heiligen Krieges zum Frieden keine Alternative gab, unterstrich Demosthenes noch in der Kranzrede (18,43). Die verbliebenen Mitglieder des Seebundes s.bei Beloch III 2 2 , 1 6 4 f . ; vgl. auch A. Schäfer II 2 174f. und Accame 194-199. Zu Byzanz vgl. Komm, zu § 68. Philipp „übergab" Nikaia, den von Phalaikos übernommenen Schlüssel zu den Thermopylen, den Thessaliern (Aesch. 3,140; D. 6,22; für die Bedeutung von Nikaia vgl. Aesch. 2,132); als deren Archon (vgl. Komm, zu § 64 δ ο υ λ ε ί α ν ) behielt er sie damit wohl für sich selbst, vgl. Griffith 543 f. Wenn also [D.] 11,4 und Philoch. (FGrHist 328) frg. 5 6 b von Philipps φ ρ ο υ ρ ά in Nikaia die Rede ist, braucht man nicht mit Sealey 179 anzunehmen, der König habe Nikaia den Thessaliern später wieder entzogen oder auch nur irgend etwas an der Art und Weise ihrer Bewachung geändert. Zusätzlich zu seinen zwei Stimmen verfügte Philipp als Archon der Thessalier auch über deren Stimmen und diejenigen der Periöken und besaß somit bei Abstimmungen eine bequeme Mehrheit, vgl. Komm, zu § 67. Seit dem Bündniswechsel Athens nach Leuktra (371) und besonders seit dem Verlust von Oropos (366) waren die Beziehungen zwischen Athen und Theben äußerst schlecht. Daß die Beherrschung der Thermopylen durch Philipp und die „Übergabe" des auch von Theben beanspruchten Nikaia an die Thessalier den Thebanern höchst unangenehm war, bot zwar eine Handhabe zu einer athenisch-thebanischen Verständigung. Diese zu verwirklichen, brauchte aber angesichts der zahlreichen Streitfragen zwischen den beiden Städten viel Geduld und diplomatisches Geschick; es überrascht daher nicht, daß jedenfalls bis zur Zeit des Gesandtschaftsprozesses (d.h. dem Spätsommer oder Herbst des J. 343) auf dem Wege zum Ausgleich keine Fortschritte erkennbar sind, wie der feindselige Ton der Anspielungen auf den Nachbarn in den Prozeßreden beider Kontrahenten zeigt. Die Athener fühlten sich von Theben bedroht (vgl. D. 19,326). Bei Demosthenes, dem π ρ ό ξ ε ν ο ς der Thebaner (Aesch. 2,141. 143 - Harris, Aeschines 84 mit Anm. 15 S. 198 f. zweifelt die Behauptung des Aischines zu Unrecht an), ist die Abneigung freilich nur aufgesetzt - ein Zugeständnis an die öffentliche Meinung. Daß auch die Thebaner Grund hätten, mit Philipp unzufrieden zu sein, betont Demosthenes erst in der 3. Philippika: 9,27 (die Tyrannen auf Euböa stellten auch für sie eine Bedrohung dar) und 9,34 (Philipp habe ihnen Echinos abgenommen; vgl. auch Komm, zu § 64 sq.). Obwohl zuvor bereits Eubulos und Aristophon auf die Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den beiden Städten hingearbeitet hatten (vgl. D. 18,161 sq.), herrschte in deren Verhältnis zueinander noch kurz vor der Einnahme von Elateia durch Philipp eher Spannung vor, vgl. D. 18,163-168 (Demosthenes übertrieb sie vielleicht, um das schließlich von ihm selbst zustandegebrachte Bündnis in einem besonders hellen

Athen und Philipp in den Jahren 346-341

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nes war die Stadt wegen ihres Bündnisses mit Sparta ebenfalls isoliert 22 und das Herabsinken des Kersobleptes zu einem Vasallenkönig 23 eröffnete Philipp die Möglichkeit eines Zugriffs auf die Chersones. Akzentuiert wurde die Isolation Athens auch durch dessen seit der mißglückten Expedition Phokions zur Unterstützung des Plutarchos von Eretria im Frühjahr 348 stark zurückgegangenen Einfluß auf Euböa, sowie durch den Ansehensverlust, den sich die Athener als Folge des gescheiterten Rettungsversuchs von Olynth eingehandelt hatten24. Zu ihrem Glück brachte das folgende Jahr 345 erst einmal Ruhe in Griechenland, die wohl mit einem Illyrien-Feldzug und einer dabei erlittenen Verwundung Philipps zusammenhängt 25 . Anders das nächste Jahr, als Philipp Messene und Argos Geld und Söldner schickte und sein persönliches Erscheinen auf der Peloponnes in Aussicht stellte 26 . Der Anlaß

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Licht erstrahlen zu lassen; er ließ aber einen Notenwechsel vorlesen, was darauf hindeutet, daß seine Behauptungen nicht aus der Luft gegriffen waren). Zur Beziehung der beiden Städte zueinander vgl. auch Komm, zu § 64 Θηβαίους. Bezeichnend dafür ist die D. 5,18 erwähnte unfreundliche Haltung von Messene, Megalopolis und Argos Athen gegenüber ebenso wie der irgendwann in der Zeit von 346 bis 344/3 - freilich ohne Erfolg - gestellte Antrag der beiden ersteren auf Aufnahme in die nunmehr von Philipp dominierte Delphische Amphiktyonie, vgl. Syll. 3 224 und Wüst 25 f. Vgl. Komm, zu § 8. Dieser Ansehensverlust äußerte sich bereits in dem allem Anschein nach ausgebliebenen Echo auf einen letzten, im J. 347/6 unternommenen Versuch der Athener, die Griechen auf einen gemeinsamen Kampf gegen Philipp zu verpflichten, vgl. Aesch. 2,79; D. 19,10; A. Schäfer II 2 167-173 und Sealey 151-3. Diod. 16,69,7; Isocr. epist. 2,13; Didym. in [D.] 11 col. 12,64-13,2; Pomp. Trog. prol. 8; lust. 8,6,3. Diod. datiert den Feldzug in das Jahr 344/3; Böhnecke 428 u. 735 setzt ihn jedoch ein Jahr früher an (Ol. 108,4 = 345/4). E. Meyer, Isokrates' zweiter Brief an Philipp und Demosthenes' zweite Philippika, SB Preuß. Akad., phil.-hist. Kl., 1909,758-779, S. 759-762 (= Kleine Schriften, Halle a.d. Saale 1924, II 101-129, S. 105-108); Beloch III 2 2, 460 und Wüst 54f. entscheiden sich für das Frühjahr 344, Cawkwell, CQ 1963, 126f. hingegen für den Sommer 345 (Griffith 469-74, besonders 470, stimmmt ihm zu), da das J. 344 sonst mit Ereignissen überfrachtet würde (eine solche Überfrachtung wäre wiederum vor allem angesichts der Verwundung Philipps während des Illyrien-Zuges bedenklich). D. 6,9 (τούς Μεσσηνιους και τοϋς Ά ρ γ ε ί ο υ ς ... εΰ ποιεί). 15 (ξένους είσπέμπει και χρήματ' αποστέλλει και δύναμιν μεγάλην έχων αυτός έστι προσδόκιμος). 23 (Zitat aus den Reden, die Demosthenes als Gesandter in Messene und Argos gehalten hat: ύμεΐς ... διδόντα ... και ΰπισχνοΰμενον θεωρείτε Φίλιππον). Vgl. Α. Schäfer II 2 353. Cawkwell, 1963,200 (s. auch eund., Philip of Macedon, London 1978,126f.), bestreitet zwar die Glaubwürdigkeit dieser Angabe des Demosthenes, wie er überhaupt bezweifelt, daß Philipp vor den Auseinandersetzungen mit Diopeithes im J. 342 in Griechenland interveniert hat; Griffith 474-79 widerspricht ihm aber zu Recht mit dem Hinweis, daß Demosthenes Ende der 40er Jahre von den Athenern kaum ernstgenommen worden wäre, wenn er ihnen in leicht zu überprüfenden Angelegenheiten dauernd Unwahrheiten aufgetischt hätte. Der Drohung Philipps, in eigener Person auf der Pelopon-

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dazu war wohl ein zu dieser Zeit drohender oder vielleicht sogar schon ausgebrochener Krieg zwischen Sparta einerseits und Argos und Messene andererseits27. Die Krise dürfte aber rasch entschärft worden sein, da die Argeier kurze Zeit später Artaxerxes 3000 Mann senden konnten28. In seiner 2. philippischen Rede, die die Stimmung der peloponnesischen Krise des J. 344 widerspiegelt, läßt Demosthenes seinem Mißtrauen gegen Philipp freien Lauf, ohne freilich den in der Friedensrede empfohlenen Grundsatz, wonach die Athener bei ihrer Suche nach Verbündeten sowie bei ihren sonstigen Aktionen den Frieden nicht gefährden dürften 29 , ausdrücklich über Bord zu werfen. Seine Einschätzung des Verhältnisses zu Philipp kleidet er aber schon in Worte, die an die Reden des Jahres 341 erinnern: Der König breche den Frieden und intrigiere gegen ganz Griechenland 30 , alle seine Aktivitäten seien gegen

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nes zu erscheinen, dürfte seine im J. 344 wahrscheinlich längere Anwesenheit in Thessalien besondere Glaubwürdigkeit verliehen haben. Er unternahm wohl im Frühjahr 344 eine Strafexpedition gegen Pherai, die mit der Einnahme der Stadt endete, vgl. Komm, zu § 10. Auch sonst war Philipp zu dieser Zeit bemüht, seine Herrschaft über Thessalien zu festigen (z.B. durch die Ernennung von Tetrarchen irgendwann in den Jahren 344 bis 342). Zu Thessalien und Philipp vgl. Komm, zu §§ 64 u. 67. Vgl. die Wortwahl D. 6,25 (πολέμου ζητοΰντες άπαλλαγήναι) und Liban. arg. 2 in D. 6 (περί ελευθερίας πολεμοϋσιν) sowie P. Cloche, BCH 44,1920,117 und Griffith 477 f. Diod. 16,44,1 sq.; Isocr. 12,159. Der Perserkönig hatte nämlich im Herbst 344 die griechischen Städte durch Gesandtschaften um Söldner für seinen geplanten Feldzug zur Unterwerfung des aufständischen Ägypten gebeten. Die Athener lehnten wie auch Sparta jede Beteiligung ab, vgl. Komm, zu § 34 άπεψηφίζεσθε, während Theben und Argos der persischen Bitte entsprachen. (Durch ihre Teilnahme am Zug haben die Thebaner und Argeier Philipp wahrscheinlich weder gestört [so Wüst 74] noch ihm einen Gefallen getan [so Momigliano 139]; allenfalls freute er sich darüber, daß es bei dieser Gelegenheit zu keiner Annäherung zwischen Athen und Ochos gekommen war [so Griffith 488]. Im J. 344 gab es wohl nur wenige Berührungspunkte zwischen Persien und Makedonien. Einen Feldzug nach Kleinasien plante Philipp damals kaum, da ja die Voraussetzungen dafür noch nicht gegeben waren und auch nicht abzusehen war, ob sie jemals geschaffen würden). Wohl etwa zur selben Zeit (im J. 343) segelten spartanische Truppen unter Archidamos nach Kreta und anschließend nach Tarent, vgl. Diod. 16,62,4-16,63,2; Paus. 3,10,5; A. Schäfer II 2 362; Wüst 74 mit Anm. 2. C.A. Giannelli, Critica storica 8,1969,1-6 setzt die Abreise des Archidamos, anders als die früheren Gelehrten, in das Frühjahr 344; eine Abfahrt nach Entschärfung der peloponnesischen Krise ist aber wahrscheinlicher. Den auswärtigen Feldzügen der Argeier und Spartaner zum Trotz kann freilich Isokrates im oben erwähnten Panathenaikos (entstanden in den Jahren 342 bis 339) sagen, daß die Spartaner Ά ρ γ ε ί ο ι ς ... έτι και νϋν πολεμοϋσιν (12,91). D. 5,13 τήν ύ π ά ρ χ ο υ σ α ν εΐρήνην μή λύων müsse man die Suche nach Verbündeten betreiben. D. 6,2 και τήν προς ύμας εΐρήνην παραβαίνοντα και πάσι τοις "Ελληοιν έπιβουλεύοντα (das panhellenische Motiv, das hier anklingt, wird in den Reden des J. 341 eine prominentere Rolle einnehmen, vgl. unten Anm. 214). 6,27 έπιβουλεύεσθε ... περιτειχίζεσθε. Vgl. schon aus dem J. 346 Isocr. 5,73 (Philipps Gegner unter den Athenern

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Athen gerichtet 31 , er sei ein Feind der Stadt 32 , Volksherrschaft und Tyrannei seien miteinander unvereinbar 33 u. ä. Das Eingreifen Philipps auf der Peloponnes wird als Fortsetzung seiner bei der Beendigung des Heiligen Krieges deutlich gewordenen, die Thebaner einseitig auf Kosten Athens begünstigenden Politik dargestellt; als deren Grund gibt Demosthenes an, daß die Athener, anders als die Thebaner, nicht bereit sein würden, um eigener Vorteile willen die anderen Griechen dem Makedonen preiszugeben 34 , d.h. er schreibt den Athenern auf suggestive Weise eine Politik zu, die er ihnen eigentlich erst empfehlen möchte (der Suggestion dienen auch das panhellenisch-philanthropische Gewand und die Tatsache, daß diese Politik als von Philipp längst erkannt dargestellt wird): Sie ist - übersetzt in die nüchterne Sprache eines Beobachters, der dem uneigennützigen Altruismus in zwischenstaatlichen Beziehungen eher Seltenheitswert zumißt - die althergebrachte Gleichgewichtspolitik der Athener, deren Fortsetzung Demosthenes anmahnt, und die mit Bezug auf die Peloponnes zu verfolgen, er schon in der Rede für die Megalopolitaner gefordert hatte. Er hat ja die Lektion der Epameinondas-Zeit augenscheinlich gelernt und wollte unbedingt verhindert wissen, daß Spartas sich bedroht fühlende Gegner eine Verbindung mit einer außerpeloponnesischen Macht eingingen, was eine für Athen gefährliche Machtkonzentration hervorbringen könnte. Dabei war die Bedrohung jetzt ungleich größer als in den 60er und 50er Jahren: Denn hätte Philipp die Peloponnes ebenso in den Griff bekommen wie zwei Jahre zuvor die Delphische Amphiktyonie, wäre für Athen jede Aussicht auf eine eigenständige Politik in weite Ferne gerückt 35 . Die Aufregung des Demosthenes hatte demnach nichts mit Hetze und Wühlerei zu tun, sondern ent-

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behaupteten von dessen Macht, ώς ούχ ύπέρ της Ε λ λ ά δ ο ς άλλ' επί ταύτην αυξάνεται, και σύ πολύν χρόνον ήδη πάσιν ήμιν έπιβουλεύεις, και λόγψ μεν μέλλεις Μεσσηνίοις βοηθεΐν, άν τά περί Φωκέας διοικήση, εργω δ' ύπό σαυτω ποιεΐσθαι Πελοπόννησον). D. 6,6 έφ' ύμας πάντα παρασκευάζεσθαι. 6,16 πάνθ', ά πραγματεύεται, κατά της πόλεως συντάττων (die Paragraphen 16-19 der Rede sind in diesem Zusammenhang überhaupt sehr aufschlußreich). D. 6,6 έχθρόν ήγοϋμαι Φίλιππον. D. 6,21 οϋ γάρ άσφαλεΐς ταΐς πολιτείαις αί προς τούς τυράννους αύται λίαν όμιλίαι. 6,25 βασιλεύς γάρ και τύραννος άπας εχθρός ελευθερία και νόμοις έναντίος. Vgl. unten Anm. 215. Vgl. besonders D. 6,7-13. Eine nicht zu verkennende Unzufriedenheit mit Philipps Politik gegenüber Athen spricht auch aus den höflich gesetzten Worten des etwa ein Jahr zuvor geschriebenen 2. Briefes des Isokrates (Isocr. epist. 2,14-24), vgl. unten Anm. 142. Vgl. die Warnung des Demosthenes 6,5 μήδ' έπιστήσεται μέγεθος δυνάμεως, πρός ήν ούδ' άντάραι δυνησόμεθα.

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sprang einer realistischen Einschätzung der entstandenen Lage, in der er Philipp gegenüber eine Politik der konsequenten Eindämmung empfahl 36 . Die Alternative - Philipp das Feld zu überlassen - wäre der Anerkennung seiner Hegemonie in Griechenland gleichgekommen und hätte die Aufgabe der traditionellen Stellung Athens bedeutet. Eine direkte Konfrontation mit Philipp wollten die Athener (und mit ihnen gewiß auch Demosthenes) jedoch vermeiden und begnügten sich, wie es scheint, mit einer diplomatischen Initiative 37 . Die Athener dürften mit dem Ausgang der Krise nicht unzufrieden gewesen sein, erübrigte sich doch dadurch Philipps befürchteter Zug auf die Peloponnes. Die athenische Gesandtschaft dorthin machte freilich das Mißtrauen der Athener Philipp gegenüber offenkundig. Der König antwortete darauf mit Protesten und der Gesandtschaft Pythons, die von den Athenern Vorschläge zu einer Revision des Friedensvertrages (έπανόρθωσις) erbitten sollte 38 . Diese schlugen eine κοινή ειρήνη und die Ersetzung der Formulierung εχειν έκατέρους, ά εχουσι im Vertragstext durch εχειν έκατέρους τά εαυτών vor39. Mit dem Vorschlag der κοινή ειρήνη wollten sie die weitere Ausbreitung des makedonischen Einflusses in Griechenland erschweren und mit dem Ansinnen, den Vertragstext zu ändern, ihre durch den Friedensschluß aufgegebenen Ansprüche vor allem auf Amphipolis und Potidäa wiederbeleben. Den ersten Vorschlag nahm Philipp an40, den zweiten verwarf er mit Empö36

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Für eine Auseinandersetzung mit den Kritikern der Rede vgl. G.M. Calhoun, ΤΑΡΑ 64,1933,1-17 (Harris, Aeschines 110f. läßt sich von Calhoun nicht überzeugen, sondern spricht bezüglich der 2. Philippika von einer Paranoia des Demosthenes und schreibt seiner „aggressiven" Politik - und nicht Philipp - umstürzlerische Absichten zu). Demosthenes nahm an der Gesandtschaft auf die Peloponnes, die er selbst vorgeschlagen hatte, teil, vgl. D. 6,19-26; 18,79; Liban. arg. 1 sq. in D. 6. Ihr Erfolg ist ungewiß: Die Argeier und viele Arkader waren auch ein Jahr später, zur Zeit der Gesandtschaftsrede (343), noch zufrieden mit Philipp (D. 19,261), was die Athener erheblich beunruhigte (D. 19,288). Aber auch die Beziehung Athens zum verbündeten Sparta galt Ende der 40er Jahre nicht als ungetrübt (Isokrates berichtet jedenfalls 12,159, d.h. ein paar Jahre nach dieser Krise, von einer erheblichen Entfremdung: άλλοτριώτερον εχομεν προς ήμδς αυτούς η πρός ους έκάτεροι πολεμοΰντες τυγχάνομεν). Vielleicht hatten die Spartaner während der Krise des J. 344 mehr von Athen erhofft. Vgl. Liban. arg. 2 in D. 6 (zu den Protesten) und Heges. (= [D.] 7) 18-23. 36-39; [D.] 12,18; D. 18,136. Didym. in D. 10 col. 8,7-10. Für die Datierung der Gesandtschaft Pythons steht uns nur ein terminus ante quem (die Halonnesos-Rede, Frühjahr 342) zur Verfügung, vgl. A. Schäfer 376-380 und Wüst 65. Vgl. Heges. (= [D.] 7) 18. 26. 30-32; Schol. in Heges. (= [D.] 7) 18. Heges. (= [D.] 7) 32. Denselben Vorschlag hatte der Attische Seebund schon während der Friedensverhandlungen unterbreitet, damals vor allem um den Phokern einen Ausweg zu eröffnen, vgl. Aeschin. 3,69 sq.; Philipp hatte ihn aber natürlich abgelehnt.

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rung 41 ; damit war aber die Angelegenheit der έπανόρθωσις schon am Anfang im Sande verlaufen, auch wenn sie zur Zeit der HegesipposRede im Frühjahr 342 immer noch ein Thema war (vgl. unten). Fraglich ist, welchen Sinn die Initiative Philipps eigentlich hatte. Denn er wußte natürlich, daß die kühlen Beziehungen zu Athen nur durch substantielle Zugeständnisse erwärmt werden konnten, und dürfte nicht überrascht gewesen sein, als er hörte, daß die Athener von ihm solche forderten. Diesen muß wiederum ebensogut bekannt gewesen sein, daß Philipp der von ihnen vorgeschlagenen Änderung des Vertragstextes (zu εχειν τ ά έαυτών) nicht zustimmen konnte, da sie allerlei Forderungen Tür und Tor geöffnet hätte. Wenn aber Philipp nicht beabsichtigte, den Athenern wirkliche Konzessionen zu machen, muß der Zweck seiner Bitte um Revisions-Vorschläge auf dem Feld der Propaganda gesucht werden (Verhandlungsbereitschaft zu zeigen, konnte ihm jedenfalls weder in Athen noch im übrigen Griechenland schaden). Vielleicht wollte er auch die Stimmung in Athen und die Durchsetzungsfähigkeit der ihm zugetanen Athener ausloten. Aber wir tappen, was seine Intentionen anlangt, im dunkeln 42 . Welche Rolle Demosthenes während der έπανόρθωσιςVerhandlungen spielte, ist uns kaum bekannt. Wir wissen nur soviel, daß er und Aischines in der Debatte über Pythons Ausführungen vor der εκκλησία wieder einmal aneinandergerieten 43 . Den Vorschlag, der die oben genannten έπανόρθωσις-Forderungen der Athener enthielt, machte jedenfalls Hegesippos, aus dessen Worten man den Eindruck gewinnt, daß er mit der weitgehenden Forderung sichtbarmachen wollte, daß Philipp den Athenern nichts Wesentliches anzubieten beabsichtigte 44 . Demosthenes dürfte ihn unterstützt haben und zwar kaum, „um 41 42

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Heges. (= [D.] 7) 18 und vgl. D. 19,331 sowie [D.] 12,20. Deshalb die sehr unterschiedlichen Deutungsversuche der Nachwelt, vgl. einerseits Kahrstedt, Forschungen 143; Wüst 77; Cawkwell, CQ 1963,133; Ramming 97; Griffith 491, die Philipp einen echten Verständigungswillen zubilligen und andererseits A. Schäfer II 2 375-82 und Sealey 172f., die das Vorhandensein dieses Willens in Frage stellen. Auch ich habe daran erhebliche Zweifel, da Philipp seine Kompromißbereitschaft nach der Antwort der Athener durch konkrete Vorschläge hätte unter Beweis stellen können (und er hätte zumindest seine Athen zwangsläufig provozierenden Interventionen in Megara und auf Euböa unterlassen können, vgl. unten). Die Verständigung zwischen Philipp und Athen scheiterte aber weniger an einer etwaigen Unehrlichkeit Philipps als an der Unterschiedlichkeit der Vorstellungen der beiden Kontrahenten. Philipp hatte (um die fast ironisch wirkende Formulierung Wüsts, S. 89, aufzugreifen) „ehrlich eine Einigung mit Athen erstrebt, die dann schließlich ganz Griechenland unter seinen Einfluß gebracht hätte". Ebendies war ja für die Athener eine höchst beunruhigende Perspektive. D. 18,136. Heges. (= [D.] 7) 24 sq.

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die drohende Möglichkeit einer Verständigung mit Philipp zu beseitigen" 45 , sondern weil er an die Aussichten auf eine für Athen vorteilhafte Verständigung nicht glaubte. Die peloponnesische Krise hatte ja zuletzt gezeigt (falls es noch eines Beweises bedurfte), daß Philipp seine schon ohnehin beängstigend angewachsene Macht in Griechenland weiter ausbauen wollte. Demosthenes meinte, daß Athen seinen Bestrebungen entgegensteuern sollte, solange dies noch möglich war. Die vage gehaltenen έπανόρθωσις-Angebote des Königs bewertete er wahrscheinlich als leere Worte (die einschlägigen Erfahrungen des J. 346 mit den angedeuteten Wohltaten zugunsten Athens mahnten ja zur Vorsicht), zumal da sie mit Angriffen auf die athenischen Kritiker Philipps verknüpft waren 46 . Daß Hegesippos mit seinem έπανόρθωσις-Vorschlag die vagen Angebote Philipps um ihre Wirkung brachte, indem er den Athenern vor Augen führte, daß sie kaum Substanz enthielten, war Demosthenes demnach wahrscheinlich ganz recht. Daß Philipp nur in Maßen bereit war, sich irgendeine Beschränkung aufzuerlegen, wenn es um die Verbreiterung seines Einflusses in Griechenland ging, zeigt die mit seiner Unterstützung im nächsten Jahr (?Sommer 343) erfolgte blutige Machtübernahme der Oligarchen in Elis 47 . Noch im selben Jahr folgten zwei weitere Interventionen Philipps zugunsten oligarchischer Gruppierungen. Mit der Entsendung von 1000 Söldnern unter einem gewissen Hipponikos ermöglichte er, daß Kleitarchos wohl im Spätsommer des J. 343 die Herrschaft über Eretria und Porthmos erlangte 48 . Etwa zur gleichen Zeit (Spätsommer 343) erfolgte der durch eine rasche Intervention der Athener unter Phokion vereitelte Staatsstreichversuch des Perillos und Ptoiodoros in Megara, den Philipp wieder einmal mit Söldnern unterstützte 49 . Durch den Umsturzversuch in Megara mußten sich die Athener ebenso wie durch die Entwicklung

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Wüst 73. Vgl. Heges. (= [D.] 7) 1. 25. 33; D. 18,136. Heges. 25 sagt ausdrücklich, Python wolle τούς ύπέρ ύμων λέγοντας άπιστους καταστήσαι, Demosthenes, daß er καθ' υμών gesprochen hätte, um zu zeigen, daß die Stadt Philipp gegenüber im Unrecht sei. Es ist wahrscheinlich, daß Python seine Kritik nicht so sehr generell gegen die Athener gerichtet hat, wie Demosthenes etwa 13 Jahre später behauptet, sondern eher speziell gegen die Philipp mißliebigen Redner. Vgl. Komm, zu § 10. Zur Zeit des Gesandtschaftsprozesses scheinen die Operationen noch nicht ganz abgeschlossen gewesen zu sein, vgl. Komm, zu § 8 έπετείχισεν. Vgl. Komm, zu § 8. Den Vorschlag zu dem athenischen Eingreifen machte Phokion, der seine Landsleute aus der Sitzung der εκκλησία geradewegs ins Feld führte, um in Megara ohne Vorwarnung erscheinen zu können.

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auf Euböa unmittelbar bedroht fühlen 50 , was Philipp zweifellos bewußt war. Aber nach dem Fehlschlag der Verhandlungen über die έ π α ν ό ρ θωσις des Friedensvertrages, die gezeigt hatten, daß die Athener immer noch bereit waren, ihm gegenüber selbstbewußt aufzutreten, erschien ihm wohl die Rücksichtnahme auf athenische Empfindlichkeiten nicht als besonders vordringlich. Vielleicht kamen ihm die στάσεις in den beiden Städten sogar gelegen, um es bei den Athenern nach dem Gesprächsangebot jetzt mit Einschüchterung zu versuchen. Wenn dies seine Absicht war, wurde er enttäuscht: Die Reden des im Herbst des Jahres 343 erfolgten Gesandtschaftsprozesses hinterlassen den Eindruck, daß die Unzufriedenheit der Athener mit ihm in den seit dem Friedensschluß zurückliegenden drei Jahren keineswegs abgenommen hatte51. Zugleich wies das erfolgreiche Eingreifen der Athener in Megara den Weg aus der außenpolitischen Isolation: Die geretteten Demokraten dieser Stadt blieben Athen bis Chaironeia verbunden 52 . Die nächste Gelegenheit, ihre Isolation zu überwinden, lieferte Philipp den Athenern schon im folgenden Winter oder Frühjahr (342), als er während seines Feldzugs gegen den Molosserkönig Arybbas vier griechische Städte in Kassopien (Pandosia, Bucheta, Elateia und Bitia) eroberte, um sie anschließend dem von ihm anstelle des vertriebenen Arybbas eingesetzten Alexander zu übergeben 53 ; dann überrannte er das 50

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Philipps Eingriffe erfolgten zwar, wie Harris, Aeschines 116 zutreffend bemerkt, stets dort, wo sich verschiedene στάσεις ohnehin schon feindlich gegenüberstanden, und waren insofern tatsächlich nicht Teil einer im voraus geplanten, gegen Athen gerichteten Einkreisungsstrategie. Sie zeigten aber überdeutlich den Anspruch des Königs, in ganz Griechenland der entscheidende Machtfaktor zu sein. Diejenigen, die die traditionellen Freiheiten der griechischen Städte erhalten wissen wollten und denen die Unterordnung unter den Willen eines fremden Monarchen als unannehmbar erschien, waren zu Recht entsetzt. Sogar Aischines findet es ratsam, sich von Philipp zu distanzieren, vgl. unten Anm. 184. Auch die Durchführung im selben Jahr des Verratsprozesses gegen Philokrates (vgl. Hyp. 3 , 2 9 sqq.; D. 19,114. 116-119. 145 sq. 245; Aesch. 2, 6; 3 , 7 9 ) legt Zeugnis von der Philipp abgeneigten Stimmungslage in Athen ab, vgl. Harris, Aeschines 118. Für die Teilnahme der Megaräer an der Befreiung von Oreos im Monat Skirophorion des Jahres 341 vgl. Charax (FGrHist 103) frg. 19 u. Aesch. 3,95, an der Schlacht bei Chaironeia drei Jahre später D. 18,237. Heges. (= [D.] 7) 32; Theopomp. (FGrHist 115) frg. 206 sq. Für den Epirus-Zug Philipps vgl. Iust. 8 , 6 , 4 - 8 ; Diod. 16,72,1; IG II 2 226 (= Tod 173 = Ditt. Syll. 3 228); A. Schäfer II 2 424^129; Griffith 505 f. u. 308 Anm. 3; Sealey 176 u. 309 mit Anm. 50 (die beiden letzteren auch gegen die von R . M . Errington, Arybbas the Molossian, GRBS 1 6 , 1 9 7 5 , 4 1 - 5 0 vorgeschlagene und von Julia Heskel, The Political Background of the Arybbas-Decree, GRBS 29, 1988,185-96 verteidigte Datierung der Vertreibung des Arybbas in die Zeit vor dem J. 349).

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Gebiet von Ambrakia 54 , bedrohte Leukas und suchte ein Bündnis mit den Ätolern, denen er das sich in der Hand der Achäer befindende Naupaktos versprach 55 . Die durch das Zusammenwirken der Ätoler mit Philipp beunruhigten Akarnanen wandten sich mit einem Hilfeersuchen an die Athener, dem diese mit Truppen entsprachen 56 ; sie schickten ferner Gesandte auf die Peloponnes 57 , nach Ambrakia 58 und sogar nach Thessalien 59 , und sie empfingen den vertriebenen Molosserkönig Arybbas in Athen 60 . Demosthenes nahm an den beiden erstgenannten Gesandtschaften teil und hielt sich später zugute, daß er und seine Mitgesandten Philipps Angriff auf Ambrakia und dessen Feldzug auf die Peloponnes verhindert hätten61. Es ist zwar äußerst unwahrscheinlich, daß der König bei dieser Gelegenheit einen Feldzug auf die Peloponnes plante 62 , aber über Ambrakia und Ätolien hätte sich für ihn ein neuer Zugang dorthin eröffnet. Statt dessen entstand durch die Zusammenarbeit bzw. die Bündnisse Athens mit Megara, Korinth, Ambrakia, den Achäern und Akarnanen63 54

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Vgl. Komm, zu § 10 (die Vermutung von Fritsch 38, daß die Bedrohung Ambrakias von den Rednern frei erfunden worden sei, überzeugt nicht, vgl. oben Anm. 26). D. 9,34. [D.] 48,24-26; Liban. arg. 4 in [D.] 48 und vgl. Komm, zu § 10 την έπ' Ά μ β ρ α κ ί α ν όδόν. D. 9,72. Auf der Peloponnes muß neben den Achäern besonders Korinth, die Mutterstadt von Ambrakia und Leukas, besorgt gewesen sein. Es ist anzunehmen, daß die Korinther den Athenern, die nach Akarnanien unterwegs waren, die Benutzung des δίολκος gestattet haben, um ihnen die zeitaufwendige Umsegelung der Peloponnes zu ersparen, vgl. Sealey, 176 u. 309 mit Anm. 53 (s. auch P. Treves, RE XXI 2,1952, s. ν. Polyeuktos, Sp. 1615, der IG II 2 350, wo von athenischen Schiffen im Jonischen Meer die Rede ist, in die Zeit um den Vorstoß Philipps nach Ambrakia setzt). Griffith 508 nimmt gar eine korinthische Unterstützung von Ambrakia an; dem steht aber D. 9,34 entgegen, vgl. Komm, zu § 52. Vgl. Komm, zu § 10. Schol. in Aesch. 3,83 άποστήσαι αυτούς βουλόμενοι ά π ό Φιλίππου. Die Gesandtschaft erfolgte επί Πυθοδότου (im J. 343/2) und wurde von Aristodemos angeführt. Vgl. IG II 2 226 (= Tod 173 = Ditt. Syll. 3 228). 9,72. Beloch III 2 1,546 freilich nimmt dies an. Der Abschluß von Bündnisverträgen mit den Achäern wird von Schol. in Aesch. 3,83 ausdrücklich für das J. 343/2 bezeugt, zu Megara vgl. oben Anm. 52 und zu Korinth Komm, zu § 52. In der Kranzrede (18,237) erwähnt Demosthenes unter den neuen Verbündeten Athens neben Korinth u.a. Leukas und Kerkyra, die ihre Bündnisse mit den Athenern ebenfalls unter dem Eindruck des Epirus-Feldzuges Philipps abgeschlossen haben dürften. A. Schäfer II 2 427 f. Anm. 2 bestreitet zwar mit Hinweis auf D. 9,28 (διορωρύγμεθα κατά πόλεις) den Abschluß von Bündnisverträgen. Der Wortlaut der 3. Philippika steht aber dem Vorhandensein von defensiven Bündnissen nicht entgegen: Was Demosthenes kritisiert, ist das Unvermögen der Griechen zusammenzustehen (συστηναι) und eine κοινωνία βοηθείας και φιλίας zustande zu bringen; dabei denkt er wohl an den Unwillen der anderen an der Befreiung Euböas teilzunehmen (was ja nicht unbedingt eine defensive Unternehmung war). Vgl. Accame, 212 f.

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so etwas wie ein von Furcht und Mißtrauen gegen Philipp zusammengehaltener cordon sanitaire, der dem König den Weg auf die Peloponnes abschnitt. Der damit entstandenen neuen Lage trugen zumindest die Arkader (ot μετά Μαντινέων und die Megalopolitaner), die Argeier und die Messenier Rechnung, indem auch sie mit Athen Bündnisse abschlossen 64 . Die Peloponnesier, die Demosthenes im J. 346 noch Anlaß gegeben hatten, sich über ihre unfreundliche Haltung Athen gegenüber zu beklagen, die sich um die Aufnahme in die Delphische Amphiktyonie beworben sowie in der Krise des J. 344 auf die Hilfe Philipps gesetzt hatten und die noch in der Gesandtschaftsrede des Demosthenes als dem Makedonen zugetan beschrieben werden konnten 65 , sahen sich jetzt in ihrem Dauerkonflikt mit Sparta auf die Fürsprache Athens angewiesen 66 : Die Athener hatten sich somit knapp vier Jahre nach Abschluß des Philokrateischen Friedens aus der Isolation befreit. Der Grund zum Hellenischen Bund war gelegt. Trotz der wiederholt zu Tage tretenden Gegensätze riß aber der Gesprächsfaden zwischen Philipp und den Athenern nicht ab: Nachdem der König irgendwann zwischen Herbst 343 und Frühling 342 die ursprünglich athenische, jetzt aber Piraten als Unterschlupf dienende kleine Insel Halonnesos besetzt hatte67, bot er in einem Schreiben ihre Übergabe an Athen an68, was die Athener aber mit dem Argument ablehnten, daß für sie nur eine Rückgabe ihres Eigentums und nicht etwa eine Beschenkung damit in Frage käme 69 . Die έπανόρθωσις des Friedens war immer noch 64

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Schol. in Aesch. 3,83. Das Bündnis mit Messene wurde von den Athenern während der 10. Prytanie (d.h. etwa im Mai 342) beschlossen, vgl. IG II 2 225. Vgl. oben Anm 22 u. 37. Die Bündnisverträge zwischen Athen und den Peloponnesiern, die keine eigenen Gründe hatten, vor Philipp Angst zu haben, sind also nicht verwunderlich (so Sealey, 177), sondern entspringen dem Bedürfnis der traditionellen Feinde Spartas nach einer neuen Schutzmacht, nachdem der Zugang des Königs zur Peloponnes erschwert worden war, um im Fall der Fälle gegen Sparta nicht allein bestehen zu müssen. Sie brauchten das Wohlwollen Athens, das in der Krise des J. 344 wohl mäßigend auf Sparta eingewirkt hatte (vgl. Anm. 37) und es vielleicht auch in Zukunft würde tun müssen, besonders wenn die Spartaner von Philipp keine Intervention mehr zu befürchten hätten. Die Verträge mit Athen bedeuteten aber keine Abkehr von Philipp, wie die Neutralität dieser Staaten im folgenden Krieg zwischen ihren beiden „Freunden" zeigt. Zur Datierung vgl. Griffith 513. Heges. (= [D.] 7) 2 - 8 . ά π ο δ ι δ ό ν α ι und nicht δ ι δ ό ν α ι bzw. ά π ο λ α μ β ά ν ε ι ν und nicht λ α μ β ά ν ε ι ν , vgl. Heges. (= [D.] 7) 5 sq.; Liban. arg. 4 in [D.] 7; [D.] 12,14. Wie Hegesippos verlangte auch Demosthenes von Philipp die Rückgabe der Insel, vgl. Aesch. 3,83; Plut. Dem. 9 , 6 sowie A. Schäfer II 2 439. Daß aus den Verhandlungen nichts wurde, erhellt daraus, daß die Halonnesos erst im Frühjahr 340 von den ebenfalls zum Attischen Seebund gehörenden Peparethiern Philipp wieder abgenommen wurde, vgl. [D.] 12,12-15.

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ein Thema, ebenso wie die κοινή ειρήνη 70 . Philipp schlug ferner ein gemeinsames Vorgehen gegen Seeräuber vor 71 sowie Gespräche über Handelsverträge (σύμβολα) 72 . Die Verhandlungen führten aber auch diesmal zu keinem Ergebnis. Die Vorstellungen Philipps und der Athener darüber, wie eine faire Verständigung auszusehen habe, lagen zu weit auseinander, und die Versuche des Makedonenkönigs, seinen Einfluß in Griechenland auch mit Gewalt zu erweitern, mußten die ihm schon seit dem Friedensschluß mißtrauenden Athener zwangsläufig beunruhigen, besonders wenn sie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft (in Megara oder auf Euböa) erfolgten. Die Athener wiederum zeigten mit ihren diplomatischen Aktivitäten und Bündnissen auf der Peloponnes und in Ambrakia und noch mehr durch ihr militärisches Eingreifen in Megara und Akarnanien, daß sie ebenfalls bereit waren, Gewalt anzuwenden, um dem Machtzuwachs Philipps entgegenzuwirken. Der Frieden des Philokrates scheiterte letztlich daran, daß Philipp nach Erweiterung seines Einflusses strebte, was die Athener, die den Frieden innerlich ohnehin nie akzeptiert hatten, nicht widerspruchslos hinnehmen konnten, wenn sie nicht freiwillig in die Bedeutungslosigkeit absinken wollten. Es fragt sich, wie bei den voraufgegangenen Verhandlungen über die έπανόρθωσις des Friedens, ob überhaupt ein echter Verständigungswille auf beiden Seiten vorhanden war 73 . Zum einen war das Gewicht der Athener in Griechenland seit den letzten Verhandlungen durch die zustandegekommenen Bündnisse gestiegen, und sie verdankten ihre Erfolge gerade ihrer Gegnerschaft zu Philipp. Zum anderen war ihr Mißtrauen gegen ihn nach den Erfahrungen mit Elis, Eretria, Megara, Kassopien und Akarnanien gewiß nicht geringer geworden. Sie verhielten sich aber - notgedrungen - defensiv und hatten bisher nur dort eingegriffen, wo Philipp seinen Einfluß zu erweitern suchte. Für Philipp ging also von Athen, 70

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Philipp lehnte die Formel έκατέρους εχειν τά εαυτών weiterhin ab, bot aber in der Frage der thrakischen Forts und Kardias ein Schiedsgericht an, vgl. Heges. (= [D.] 7) 18-29. 30-32. 36 sq. 39. 41. 44 sowie Komm, zu § 18 Καρδιανοϊς έβοήθει. Heges. (= [D.] 7) 14 sq. Heges. (= [D.] 7 ) 9 - 1 3 . Die Gelehrten sind sich auch hier uneinig: Weil 239 und E. Bickermann/ J. Sykutris, Speusipps Brief an König Philipp (= Berichte über die Verhandl. d. Sächsischen Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 80,1928), 40 sprechen von einem Manöver Philipps, Beloch III2 1,547 u. Kahrstedt, Forschungen 148 glauben an den weiterhin ungebrochenen Verständigungswillen des Königs (Demosthenes hingegen wollte laut Beloch a.O. keine Verständigung), während sein Ziel laut Wüst 96 die „Hinhaltung Athens" war, um dessen Zusammengehen mit dem nach der Unterwerfung Ägyptens wiedererstarkten Großkönig zu verhindern. Im Versuch, auf die öffentliche Meinung Athens einzuwirken, sieht Sealey 178 f. den Grund des Schreibens.

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trotz dessen Klagen über die als ungerecht empfundenen Bestimmungen des Philokrateischen Friedens, keine Gefahr aus. Nur wenn sich Philipp in Griechenland Zurückhaltung auferlegt und den Athenern seinen guten Willen glaubhaft unter Beweis gestellt hätte, wäre zwischen den beiden Mächten eine dauerhafte Verständigung möglich gewesen. Die von Hegesippos abgelehnten Vorschläge Philipps waren aber als Ausdruck des guten Willens ungeeignet, und der König kann kaum erwartet haben, daß sein Ansinnen in Athen eine begeisterte Aufnahme finden würde. Das Angebot, ihnen die bedeutungslose Halonnesos - ihr Eigentum - als Geschenk zu überlassen, muß den Athenern als schiere Unverschämtheit vorgekommen sein, ganz besonders in Verbindung mit dem Vorschlag eines gemeinsamen Vorgehens gegen die Seeräuber, den zu akzeptieren für sie dem Eingeständnis ihres Unvermögens, der Piraterie in der Ägäis alleine Herr zu werden, gleichgekommen wäre 74 ; ein Schiedsgericht über die thrakischen Ortschaften und Kardia kann ihnen auch nicht genehm gewesen sein, da sie zumindest nach dem Buchstaben des Friedensvertrages wohl im Unrecht waren 75 und kein Interesse daran haben konnten, dies per Gerichtsbeschluß bescheinigt zu bekommen. Auch die Handelsverträge hatten aus athenischer Sicht einen Haken: Philipp wollte nämlich in ihnen den athenischen Verzicht auf Potidäa und auf das Eigentum der von dort vertriebenen Kleruchen festschreiben 76 . Was von den in der Halonnesos-Rede diskutierten Vorschlägen für Athen als interessant übrigblieb, war die Angelegenheit der κοινή ειρήνη, zu deren Verwirklichung aber, so weit wir wissen, keine ernsthaften Schritte unternommen wurden. Philipp verfolgte mit seinem Schreiben wie bei den früheren Verhandlungen gewiß auch diesmal propagandistische Zwecke. Er wollte aber bestimmt auch keine Störung seines kurz bevorstehenden Thrakien-Zuges, weshalb ihm die Verhandlungen besonders gelegen kamen; er befürchtete ja, daß die Athener während seiner Ab-

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Die Athener hatten in dieser Angelegenheit wahrscheinlich keine reine Weste, da sie auch selbst die Seeräuber von Halonnesos hätten vertreiben können, wenn sie es nur gewollt hätten. Diese hatten aber wohl in weiser Selbstbeschränkung darauf verzichtet, die Athener zu belästigen, und dürften statt dessen vor allem Philipp gestört haben (dieser beschuldigte in der Tat die Athener, freilich bezogen auf die Zeit der Auseinandersetzungen mit Diopeithes im J. 341, der Zusammenarbeit mit den Seeräubern, vgl. [D.] 12,2). Der König hat mit der Vertreibung der Piraten bewiesen, daß er die Lösung des Problems auch selber in die Hand nehmen konnte, weshalb sich die Freude der Athener auch dann in Grenzen gehalten hätte, wenn er ihnen die Halonnesos anschließend ohne Aufhebens zurückgegeben hätte. Vgl. Komm, zu § 18 Κ α ρ δ ι α ν ο ι ς έ β ο ή θ ε ι . Heges. (= [D.] 7) 9 - 1 3 . Vgl. A. Schäfer II 2 4 3 6 Anm. 1.

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Wesenheit aktiv werden würden - zu Recht, wie die Ereignisse (Befreiung Euböas) gezeigt haben 77 . Als Philipp infolge des Widerstandes, auf den er vor Ambrakia gestoßen war, kehrtmachte, muß er mit dem Erreichten nicht unzufrieden gewesen sein. Er hatte die Verhältnisse in Epirus neu geordnet, wohl hauptsächlich - wie es bei Kenntnis seiner weiteren Schritte scheint - um sich den Rücken für seinen großen Thrakienfeldzug frei zu halten, der um die Mitte des J. 342 begann 78 . Vielleicht noch vor seinem Aufbruch nach Thrakien mußte er an Kleitarchos von Eretria wieder Unterstützung schicken, zuerst unter der Führung des Eurylochos und anschließend unter Parmenion 79 . Als Parmenion nach Euböa kam, war Philipp aber wahrscheinlich schon unterwegs in oder nach Thrakien, da der von Philistides mit makedonischer Hilfe durchgeführte Umsturz in Oreos zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Thrakienfeldzug Philipps schon im Gange war, und es ist anzunehmen, daß die makedonische Unterstützung für Philistides während der Anwesenheit des Parmenion auf Euböa gewährt wurde 80 . Der lange, auch den ganzen Winter des J. 342/1 beanspruchende Feldzug Philipps richtete sich gegen Kersobleptes und führte zu dessen und des Amadokos-Sohns Teres Vertreibung, zur Unterwerfung der Thraker bis zum Haimos-Gebirge und zu Stadtgründungen, deren wichtigste Philippopolis war 81 . Zur gleichen Zeit verstärkten sich die Spannungen zwischen Athen und Kardia, das - seit dem J. 346 unter dem Schutz Philipps stehend - mit Zuversicht in seiner Ablehnung der Anerkennung einer athenischen Oberhoheit verharren konnte. Athen hatte nämlich im J. 343/2 unter der Führung des Feldherrn Diopeithes Kleruchen auf die Chersones entsandt, nicht zuletzt um seine Herrschaft über dieses verwundbare Gebiet zu konsolidieren 82 . Die Athener verlangten auch von Kardia die Aufnahme von Kleruchen, obwohl sie früher die Unabhängigkeit der Stadt anerkannt hatten 83 ; nachdem sie auch Philipps Angebot, den Zwist mit Kardia vor einem Schiedsgericht zu regeln, abgelehnt hatten, schickte der König zum Schutz der Stadt eine Besatzung 84 . Diopeithes fiel unterdessen in seinem Bestreben, Geld für 77 78 79 80 81 82 83

Vgl. A. Schäfer II 2 432. Vgl. Komm, zu § 15. D. 9,58, vgl. Komm, zu § 9 τά έν Ώ ρ ε φ πράγματ(α). Vgl. D. 8,36 u. Komm, zu § 9 τά έν Ώ ρ ε ω πράγματ(α). Vgl. Komm, zu § 15. Vgl. Komm, zu § 18 Καρδιανοΐς έβοήθει. Liban. arg. 2 sq. in D. 8; D. 5,25; Heges. (= [D.] 7) 42sq.; [D.] 12,11. Vgl. Komm, zu

§ 18. 84

Vgl. Komm, zu § 18.

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seine Truppen einzusammeln, auf thrakisches, nunmehr aber von Philipp beanspruchtes, Gebiet ein, raubte Krobyle und Tiristasis an der Küste aus und verkaufte deren Bevölkerung in die Sklaverei. Einen gewissen Amphilochos, der im Namen Philipps über die Gefangenen verhandeln wollte, ließ er erst gegen die Zahlung eines Lösegelds frei 85 . Auf die Proteste und Drohungen Philipps hin 86 entbrannte in Athen eine politische Auseinandersetzung über Diopeithes, in deren Verlauf er beschuldigt wurde, einen Krieg mit Philipp zu verursachen 87 . Die Kritik an Diopeithes war durchaus berechtigt 88 , da seine Aktivitäten eine Eskalation des zwischen Athen und Philipp schwelenden Konflikts bedeuteten. Denn mit dem Druck auf Kardia verstießen die Athener ohne jeden Zweifel gegen eine Bestimmung des Philokrateischen Friedens (Kardia war ja schon vor dem Friedensschluß mit Philipp verbündet gewesen, und die Athener hatten dies ausdrücklich anerkannt 89 ), und mit dem Einbruch auf thrakisches Gebiet, das Philipp für sich beanspruchte, forderten sie den König heraus90. Bei diesen Aktionen ging es nicht mehr wie im Falle Megaras und Ambrakias darum, Philipps Machtzuwachs auf Kosten griechischer Städte zu behindern, sondern darum, die eigene Machtsphäre vor allem durch die Unterwerfung einer freien griechischen Stadt zu erweitern. Der Druck auf Kardia führte ferner zur Entsendung von makedonischen Truppen in die Stadt und damit 85 86 87 88 89 90

[D.] 12,3; Liban. arg. 2 sq. in D. 8. D. 8,16 und Liban. arg. 3 in D. 8. Vgl. Liban. arg. 3 in D. 8 und die Chersonesitica selbst, insbesondere §§ 4 - 8 . A. Schäfer II 2 454: „nicht ohne Grund". Vgl. Anm. 83. Er schickte in dieser Angelegenheit einen Protestbrief an die Athener, vgl. D. 8 , 1 6 ( ά μ υ ν ε ΐ σ θ α ί φησι τ ο ύ ς εν Χ ε ρ ρ ο ν ή σ ω ) und 64 (= 10,65 Κ α ρ δ ί α ν εχει κ α ι ο μ ο λ ο γ ε ί , s. Komm. dazu). Diese waren freilich kaum verpflichtet, die Herrschaft Philipps über Thrakien anzuerkennen, zumindest solange nicht, wie die thrakischen Könige nicht kapituliert und ihre Ansprüche an den Makedonen abgetreten hatten. Demosthenes stellt dann auch die Proteste Philipps folgerichtig als eine Zumutung dar (8,8). Das Eindringen des Diopeithes auf thrakisches Gebiet erfolgte kaum nach vorheriger Rücksprache mit dem Rat oder gar infolge eines Beschlusses der Volksversammlung (Philipps Behauptung im Brief [D.] 12,3, daß Diopeithes τ α ϋ τ α [d.h. seinen Einfall] τ ω δ ή μ ω σ υ ν δ ο κ ο ΰ ν τ ' έ π ο ί η σ ε ν , braucht nicht mehr zu bedeuten, als daß er für seine Aktion von den Athenern am Ende doch nicht zur Verantwortung gezogen wurde). Auch war der Einfall kaum als Entlastungsangriff zugunsten des Kersobleptes gemeint, wie D. 8 , 8 andeutet, sondern diente wohl einfach der Versorgung der Truppe. Beloch III 2 1,550 vertritt hingegen die Auffassung, daß Diopeithes als „Werkzeug" des Demosthenes aufgetreten sei, um Philipp zu einem Krieg zu provozieren; Wüst 116 f. äußert sich ähnlich unter Hinweis auf D. 18,244, wo Demosthenes eine erfolgreiche Gesandtschaft nach Thrakien erwähnt; s. auch Jacobys Komm, zu Philoch. (FGrHist 328) frg. 158 mit Anm. 12; M. Pohlenz, Philipps Schreiben an Athen, Hermes 64,1929, 4 1 - 6 2 , S. 45 meint andererseits, daß Diopeithes auf eigene Faust gehandelt habe.

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zur Verschiebung des militärischen Gleichgewichts in der Region zugunsten Philipps. Man konnte darüber hinaus befürchten, daß die athenische Bedrohung Kardias eine schlechte Wirkung auf die öffentliche Meinung in Griechenland ausüben werde, zumal da athenische Beteuerungen der Uneigennützigkeit gewiß nicht ohne Mißtrauen aufgenommen wurden. Gründe zur Kritik an Diopeithes gab es also genug auch für Athener, die Philipp gegenüber keine Illusionen hegten und den Aufbau des Hellenischen Bundes und des Widerstandes gegen den König für notwendig hielten 91 . Demosthenes aber argumentierte in seiner aus diesem Anlaß verfaßten Chersonesitica anders. Bemerkenswert in seiner Beweisführung ist der völlige Verzicht auf die Verteidigung der athenischen Forderungen an Kardia; daraus gewinnt man den Eindruck, daß zumindest dieser Teil der Aktivitäten des Diopeithes auf Geheiß der Athener erfolgt und bei ihnen zumindest zu diesem Zeitpunkt unumstritten war, zumal da der Streit mit Philipp um Kardia schon ein Jahr zuvor in vollem Gange war 92 . Umstrittener war dagegen der Einfall des Diopeithes in Thrakien, den Demosthenes mit der Bemerkung verteidigt, daß βοηθεΐν τοις Θραξίν durchaus legitim sei 93 . Die größte Mühe verwendet Demosthenes aber auf die Verteidigung des Diopeithes gegen den Vorwurf der rücksichtslosen Erpressung von Städten und Seefahrern; dieser Kritik versucht der Redner mit dem Argument beizukommen, daß man den Feldherrn wegen der Eintreibung von Kontributionen solange nicht tadeln könne, wie die Athener nicht bereit seien, der Truppe eine angemessene Besoldung zu garantieren 94 . Demosthenes macht freilich auch deutlich, daß sein Hauptanliegen in der Chersonesitica nicht die Person des Diopeithes ist (er ist sogar bereit, ihn zu „opfern" 95 ), sondern die weitere Stationierung 91

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Liban. arg. 3 in D. 8 schrieb freilich die Angriffe auf Diopeithes den φιλιππίζοντες zu: οί φίλιππίζοντες των ρητόρων κατατρέχουσι τοϋ Διοπειθους και κολάζειν άξιοϋσιν α υ τ ό ν (ähnlich unter den Gelehrten der Neuzeit z. Β. A. Schäfer II 2 453 f. und Wüst 117). Vgl. Heges. (= [D.] 7) 39-45. Früher, zu einem für uns leider unbekannten Zeitpunkt, hatte noch Kallippos von Paiania einen Beschluß der εκκλησία erwirkt, der die Freiheit Kardias anerkannte. Die gegen den Antrag des Kallippos von Hegesippos angestrengte γ ρ α φ ή π α ρ α ν ό μ ω ν wurde abgewiesen, vgl. Heges. (= [D.] 7) 43. Nach der Argumentation des Hegesippos am Ende der Halonnesos-Rede zu urteilen, stieß aber die Wiederbelebung des Anspruchs auf Kardia in der ersten Hälfte des J. 342 in Athen auf keinen Widerspruch mehr. Das für die Athener nicht vorhersehbare Erscheinen Philipps in Thrakien im Sommer 342 gab freilich dem Streit eine neue Dimension. D. 8,8. Vgl. besonders D. 8 , 9 - 2 9 . D. 8,2. 28.

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der athenischen Truppen auf der Chersones: Man dürfe die Halbinsel angesichts der makedonischen Besatzung in Kardia, Philipps Anwesenheit in Thrakien und der drohenden Auseinandersetzung zwischen ihm und Byzanz nicht von Truppen entblößen; diese müßten vielmehr intakt bleiben und dürften nicht verunsichert werden 96 . Demosthenes scheint sich mit dieser Argumentation durchgesetzt zu haben 97 . Wie schon zwei Jahre zuvor in der 2. Philippika beschreibt Demosthenes den König auch in den Reden des Jahres 341 als Feind Athens und Griechenlands; seine Kritik an ihm erweitert er jetzt durch die Beschuldigung, jener habe den Frieden schon längst gebrochen (der Vorwurf des Friedensbruchs gegen Diopeithes sei also schon deshalb unangebracht) 98 . Trotz der starken Rhetorik bleibt aber die Einstellung des Demosthenes weitgehend defensiv. Er verteidigt zwar die schon durchgeführten Aktionen des Diopeithes und rät von Rückziehern ab (vielleicht weil sie als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden könnten), befürwortet aber keine weiteren Offensiven. Er macht freilich auch deutlich, daß er für den Fall einer makedonischen Belagerung von Byzanz ein athenisches Eingreifen für unabdingbar hält, obwohl Athen gegenüber der Stadt am Bosporus keine Bündnisverpflichtungen hatte 99 ; im Falle eines Anschlages auf Chalkis oder Megara sieht er gar eine athenische Offensive von der Chersones aus vor100. Mit Chalkis ist das Stichwort für das zweite wichtige Krisengebiet des J. 341 gefallen. In Eretria und Oreos waren in den Jahren 343 und 342 mit Kleitarchos und Philistides Männer an die Macht gekommen, die von Philipp abhängig waren. Kallias, der starke Mann in Chalkis, der

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Den Wert eines stehenden, am Ort der zu erwartenden Auseinandersetzung selbst stationierten Heeres im Konflikt mit dem für seine Schnelligkeit und Beweglichkeit gefürchteten Philipp (vgl. D. 9 , 4 9 - 5 1 u. Komm, zu § 5 τω δύναμιν την καταστρεψομένην κτλ.) betont Demosthenes wiederholt, vgl. 8,11 sq. 46^18 (im wesentlichen identisch mit 10,21-23) und Komm, zu § 22 οΐικ ενεστι βοηθείαις χ ρ ω μ έ ν ο υ ς κτλ. D. 9,15. 19sq. 73; [D.] 12,3 (Philipp kann in seinem Schreiben behaupten, Diopeithes habe mit Zustimmung der Athener gehandelt, vgl. oben Anm. 90); s. auch A. Schäfer II 2 467 Anm. 1. D. 8 , 3 - 7 . 35. 39sq. (= 10,11). 43 (= 10,15). 45sq. (= 10,17). 50 (= 10,26). 53 (= 10,56). 55 sq. (= 10,57 sq.). 5 8 - 6 0 (= 10,60-62). 62 (= 10,64); 9 , 8 - 2 0 . 22. 34 sq. 49sq.; 10,2. 8-10. 12sq. 18sq. 34. 49. Die einschlägigen Stellen der 2. Philippika vgl. oben in den Anm. 30-33. D. 8,14. D. 8,18. Euböa, Megara, Böotien, Byzanz und der Hellespont werden wiederholt als die für Athen aus sicherheitspolitischer Sicht wichtigsten Gebiete definiert, vgl. D. 18,71. 230. 240 sq. 301 sq. u.a. (s. Komm, zu § 8). Ein Anschlag auf sie kommt für Demosthenes der Kündigung des Friedens gleich.

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früher, im J. 348, noch als Gegner Athens ebenfalls auf die Unterstützung Philipps gebaut hatte, wandte sich jetzt, nachdem er auch von Theben enttäuscht worden war, an den einstigen Gegner Athen 101 . Wann die Verhandlungen zwischen Athen und Chalkis begannen und wie sie verliefen, ist nicht bekannt; wir wissen aber, daß sie zur Entstehungszeit der 4. Philippika aktuelles Gesprächsthema waren 102 . Einige Bemerkungen in der Chersonesitica zeigen, daß es bei den Verhandlungen nicht nur um die gemeinsame Verteidigung ging 103 , sondern auch um die „Befreiung" Euböas, d.h. um die Vertreibung der mit Hilfe Philipps an die Macht gelangten Tyrannen von Oreos und Eretria; aus denselben Bemerkungen geht auch hervor, daß Demosthenes dieses Ziel (zwar indirekt aber unzweideutig) befürwortet 104 . Die „Eindämmungspolitik" des Demosthenes begnügt sich damit zumindest auf Euböa nicht mehr mit der Verhinderung zukünftiger Angriffe Philipps, sondern strebt auch danach, dessen Freunde möglichst in derselben Weise zu vertreiben, wie ihnen der König einmal zur Macht verholfen hatte. Beim Zustandekommen des Bündnisses mit Kallias hat Demosthenes an führender Stelle mitgewirkt 105 , für die Gewährung von großzügigen Bedingungen plädiert 106 und am Ende auch den Antrag auf Abschluß des Bündnises gestellt 107 . Der Erfolg, der sich auf Euböa schon im Sommer 341 einstellte, gab ihm Recht 108 . 101 102

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Aesch. 3 , 8 5 - 9 0 ; Schol. in D. 5,5. Zu Kallias und Athen vgl. A. Schäfer II 2 4 2 0 - 2 . Unsere Hauptquelle, Aesch. 3 , 8 9 - 1 0 5 , entstand ein gutes Jahrzehnt später und sucht die Geschichte der Verhandlungen und die Bestimmungen des Bündnisses auf eine für Demosthenes ungünstige Art und Weise darzustellen. Die Verhandlungen waren wegen der Forderungen des Kallias vielleicht schwierig und können sich sehr wohl eine Weile hingezogen haben. Sie begannen kaum vor der Einsetzung der Tyrannen in Oreos und Eretria (Sommer/ Herbst 342) und wurden, wie aus D. 10,6 hervorgeht (vgl. Komm. z. St. [ υ π έ ρ τ ο ϋ π ο ϋ σ υ ν ε δ ρ ε ύ σ ο υ σ ι ν ] ) , wohl nicht v o r d e m Frühjahr 341 zum Abschluß gebracht. Bedroht war natürlich vor allem Chalkis, vgl. D. 8 , 1 8 und Aesch. 3 , 9 0 - 2 . Vgl. D. 8,36 den Vorwurf, daß die Athener Euböa noch nicht befreit hätten (s. auch 8 , 3 4 ω ν ν υ ν ι π α ρ ή κ α τ ε κ α ι ρ ώ ν δ ι ά ρ α θ υ μ ί α ν ) und 8,74 sq. das Lob für die als beispielhaft dargestellte Sicherung Euböas durch Timotheos im J. 358/7 Dies zeigt schon die große Aufmerksamkeit, die Aischines in seiner Kranzprozeß-Rede dem Bündnis schenkt, vgl. oben Anm. 102. Die Euböer sollten in Chalkis ihr eigenes σ υ ν έ δ ρ ι ο ν haben dürfen und dem Attischen Seebund keine σ υ ν τ ά ξ ε ι ς entrichten müssen, vgl. Aesch. 3,91. 94 u. Bengtson, Staatsverträge 328, Nr. 339 u. 330 f., Nr. 342. Dieselbe, im Kranzprozeß von Aischines (3,142 sq.) ebenfalls gerügte, politische Weitsicht zeigte Demosthenes später auch bei den Verhandlungen über die Bündnisbedingungen mit Theben. Aesch. 3,92. Athener, geführt von Kephisophon, vertrieben im Monat Skirophorion (Juni/Juli) am Ende des attischen J. 342/1 zusammen mit den Chalkidiern den Tyrannen Philistides aus Oreos (Philoch. [FGrHist 328] frg. 159; Charax [FGrHist 103] frg. 19; Schol. in Aesch.

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Demosthenes zeigte sich im Frühjahr 341 als Verfechter einer energischen „Eindämmungspolitik" gegen Philipp, die er als allein erfolgversprechend ansah. Denn nur ein mutig und entschlossen auftretendes Athen hatte eine Aussicht, die Verbündeten zu finden109, die es brauchte, um Philipp widerstehen und seine Freiheit bewahren zu können. Bei seinen Bemühungen, eine Koalition gegen den König auf die Beine zu stellen, bediente sich Demosthenes öfters „panhellenischer" Argumente, z.B. als er Philipp und seine Makedonen als Barbaren darstellte 110 und die Unfähigkeit der Griechen, sich angesichts der gemeinsamen Gefahr auf wirkungsvolle Weise zusammenzuschließen, beklagte bzw. sie zur Zusammenarbeit aufforderte 111 . Ob er wirklich bereit war, die besonderen Interessen Athens der gesamtgriechischen Sache unterzuordnen, ist zu bezweifeln 112 ; er war aber gewillt, Abstriche für Athen in Kauf zu nehmen (die großzügigen Verträge mit den Euböern, Byzantiern und Thebanern, die seine Handschrift tragen, sprechen ja für sich selbst), da er einsah, daß Philipp nur noch in einer gemeinsamen Anstrengung der Hellenen aufzuhalten war113. Mit demselben Nachdruck, mit dem er auf die gemeinsamen Interessen der Griechen hinwies, betonte er, daß die von Philipp vertretene Herrschaftsform den Griechen wesensfremd

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3,85, p. 123,552-555 Dilts), und ganz am Anfang des folgenden J. 341/0 (Schol. in Aesch. 3,103 επί ά ρ χ ο ν τ ο ς Ν ι κ ο μ ά χ ο υ ) befreiten athenische Truppen unter Phokion Eretria von der Herrschaft des Kleitarchos (Philoch. [FGrHist 328] frg. 160sq.; Diod. 16,74,1; A. Schäfer II 2 495 Anm. 3 datiert den Feldzug in das Frühjahr 340, Kahrstedt, Forschungen 78 auf den Ausgang des Winters 341/0 und Wüst 112 Anm. 3 in den Herbst 341). Beide Feldzüge wurden auf den Vorschlag des Demosthenes hin beschlossen (D. 18,79; zu ihnen vgl. sonst A. Schäfer II 2 491. 495). Die Euböer standen übrigens auch bei Chaironeia an der Seite Athens, vgl. D. 18,237 u. [Plut.] vit. X orat. p. 845 a. Vgl. D. 8 , 3 5 - 3 7 ; 9 , 7 0 s q . 73; 10,3. D. 3,16; 9 , 3 0 sq. 38. D. 9,21 sq. 28. 34 sq. 74; 10,52. Anders A. Schäfer II 2 479: „sein Blick ... umfaßt ohne Sondergedanken Wohl und Wehe der Hellenen insgesamt". Zur Frage nach der Glaubwürdigkeit der panhellenischen Überzeugungen des Demosthenes vgl. H.B. Dunkel, Was Demosthenes a Panhellenist?, CPh 33,1938, 2 9 1 - 3 0 5 (= S. Perlman [Herausg.], Philip and Athens, Cambridge u. New York 1973, 129-143), der freilich athenischen Patriotismus und Panhellenismus zu sehr als Gegensätze begreift, was für die Entstehungszeit unserer Rede besonders problematisch ist. Überhaupt kein Gegensatz besteht zwischen der panhellenischen Argumentation des Demosthenes und seinem Streben, die Unterstützung des Großkönigs zu gewinnen (vgl. Komm, zu §§ 31-34), wie Beloch III 2 1,551 meint, da Persien längst keine Bedrohung mehr für Athen und Griechenland darstellte, während Philipp in den 40er Jahren des 4. Jh. zum gefährlichsten Gegner Athens und der griechischen Freiheit emporgewachsen war. Zum Thema vgl. jetzt auch Green 23-25.

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sei 114 . Demosthenes sah im Frühjahr 341 einen neuen Krieg gegen Philipp als unvermeidlich an und war bereit, ihn in Kauf zu nehmen, falls der König nicht gewillt war, auf die Erweiterung seines Machtbereiches in Griechenland dort zu verzichten, wo vitale Interessen Athens berührt wurden 115 . Und da dies nicht zutraf, war der Ausbruch des Krieges nur noch eine Frage der Zeit. Die für die Beurteilung der demosthenischen Politik entscheidende Frage, ob der Redner die Niederlage hätte vorhersehen können, kann nicht abschließend beantwortet werden, da unsere Kenntnisse trotz allem zu fragmentarisch sind. Sicher ist aber, daß Demosthenes den Makedonenkönig nicht unterschätzt hat 116 ; er meinte jedoch, daß die innere und äußere Freiheit Athens und der griechischen Städte einen Versuch wert seien, und daß ein solcher Versuch durchaus Chancen auf Erfolg habe. Der Hellenische Bund, an dessen Schaffung er maßgeblich mitgearbeitet hatte, bot in der Tat eine gewisse Gewähr dafür, daß die Erfolgsaussichten Athens zu den Risiken in einem vernünftigen Verhältnis standen: Die athenische Flotte beherrschte die Ägäis, Euböa war nach der Vertreibung der Tyrannen aus Oreos und Eretria gesichert, die Städte an der Propontis, Byzanz und Perinthos wußten sich - zum Teil mit athenischer Hilfe - zu behaupten, und zu Lande hatten die Athener Theben, die Stadt mit der schlagkräftigsten Heeresmacht, zum Verbündeten gewonnen. Die Risikobereitschaft des Demosthenes wurde durch die besondere Art der Bedrohung zweifelsohne erheblich gesteigert. Diese war zwar nicht mit der existentiellen Bedrohung der Perserkriege vergleichbar, übertraf aber alles Seitdem-Dagewesene: Die etwaige Hegemonie Philipps bedeutete für Athen die Unterordnung unter den Willen eines Monarchen, dessen Königreich und Herrschaftsform den Athenern ungleich fremder war als etwa Theben oder Sparta, und auch wenn man Philipp selbst hätte vertrauen dürfen, konnte man nicht wissen, welchen Gebrauch seine Nachfolger von der Macht über Griechenland machen wür114

D. 6,21. 25; 9,38; dabei wählte er für Philipp die besonders negativ klingende Bezeichnung τ ύ ρ α ν ν ο ς (Isokrates 5,154 erinnert Philipp mit bei weitem höflicheren Worten daran, daß er die Griechen anders behandeln müsse als seine Makedonen zu Hause: φημί γ ά ρ χρήναί σε τους μεν "Ελληνας εϋεργετεϊν, Μ α κ ε δ ό ν ω ν δέ βασιλεύειν, των δέ β α ρ β ά ρ ω ν ως πλείστων άρχειν und empfiehlt dem König 5,107 sq., die Weisheit des Herakles, des Stammvaters der makedonischen Könige, zu beherzigen: ήπίστατο γ ά ρ τους μέν "Ελληνας ουκ εΐθισμένους ύπομένειν τάς μοναρχίας, τους δ' άλλους ού δ υ ν α μ έ ν ο υ ς άνευ της τοιαύτης δυναστείας διοικεΐν τ ό ν βίον τόν σφέτερον αύτών). 115 Vgl. oben Anm. 100. ΐ' 6 Vgl. z . B . D . 9 , 4 7 - 5 2 und Α. Schäfer II 2 478.

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den. Dies muß hervorgehoben werden, weil vor allem um die Jahrhundertwende Demosthenes kleinkarierter Partikularismus (oder bestenfalls Lokalpatriotismus) vorgeworfen wurde, wodurch er die „Einigung" Griechenlands hintertrieben habe. Philipp ging es aber nicht um die Bildung eines griechischen Nationalstaates 117 . Er arbeitete vielmehr seit dem Philokrateischen Frieden unausgesetzt daran, sein eigenes Territorium auf Kosten von Griechen und Barbaren zu erweitern, führte Arrondierungen auch zugunsten seines Schützlings Alexander von Epirus durch, festigte seine Herrschaft über Thessalien, intervenierte militärisch auf Euböa und an den Meerengen und, zumindest politisch, auf der Peloponnes. Ihm ging es mit einem Wort um die Herrschaft und nicht um partnerschaftliche Beziehungen 118 . Demosthenes hatte somit recht, wenn er meinte, daß Athen von der Herrschaft Philipps über Griechenland für sich viel Schlechtes (Absinken in Provinzialität und Bedeutungslosigkeit) und kaum etwas Gutes zu erwarten habe 119 . Die von Demosthenes befürwortete weitgehende Gleichberechtigung der Mitglieder des Hellenischen Bundes war zudem ein positiver Ansatz zur Neuregelung der Beziehungen der griechischen Städte untereinander120. Die Athener haben die Sache mehrheitlich ebenso gesehen wie Demosthenes: Wenn sie sich den neuen Verhältnissen nicht beugen wollten, 117

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Nach einem solchen hat unseres Wissens auch niemand verlangt: Das äußerste, was von den Zeitgenossen gefordert wurde - so auch von Isokrates (z.B. 5,141, s.unten Anm. 142) - , war ο μ ό ν ο ι α , d.h. Eintracht, unter den Griechen, vgl. J. Kaerst, Geschichte des Hellenismus, Leipzig 1927 (ND Stuttgart 1968), I 143 f. und K. Bringmann, Studien zu den politischen Ideen des Isokrates, Göttingen 1965,23-26. Das war unter Alexander natürlich auch nicht anders, weshalb es nicht Wunder nimmt, daß es den Makedonen nicht gelang, die Griechen südlich der Thermopylen mit der neuen Ordnung zu versöhnen, vgl. M. Jehne, Koine Eirene, Stuttgart 1994 (= Hermes Einzelschriften 63), 198-267 u. 279-284. Zu einem ähnlichen Urteil gelangt Ch. D. Adams, Demosthenes and his Influence, 1927 (= Our Debt to Greece and Rome 5 [ND New York 1963]), 2 1 - 3 2 . Vgl. Engels 90. Cawkwell, Transitions 114f. meint zu Recht, daß nur ein vereintes und militärisch gut vorbereitetes Griechenland eine vernünftige Chance gegen Philipp gehabt hätte. Unrecht hat er aber, wenn er behauptet, daß dem die demosthenische „policy of open war for Athens regardless of the other Greeks" entgegengestanden habe. D. hat, wie es scheint, erst nach der Kaperung der Getreideflotte im Herbst des J. 340 einen offenen Krieg befürwortet, obwohl schon Philipps Angriff auf Perinth und sein Durchmarsch über die Chersones die vitalen Interessen Athens auf nicht mehr hinnehmbare Weise verletzte. Hätte Athen noch länger gezögert, wäre der Hellenische Bund am Ende noch kleiner gewesen. Ein militärisches Bündnis hat nur dann Sinn, wenn sich die schwächeren Mitglieder auf die mutige, entschlossene und erfolgversprechende Führerschaft des (der) stärkeren verlassen können. Deshalb mußte Athen den Griechen glaubhaft machen, daß es willens und fähig war, dem Makedonen Paroli zu bieten. Daß ihm dies nicht zuletzt dank dem Einsatz des Demosthenes einigermaßen gelang, zeigt das bei Chaironeia zusammengekommene Aufgebot der Hellenen.

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blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich nach Verbündeten umzusehen. Diejenigen, die sich anboten, waren die Demokraten derjenigen Städte, in denen Philipp Oligarchien und Tyrannen förderte (Megara, Euböa), die Städte, die befürchteten, erobert zu werden (Ambrakia, Perinth, Byzanz), die Feinde der Freunde Philipps (Akarnanen, Achäer) sowie Korinth, das für seine Kolonien fürchtete und - als wichtigste Verbündete - die Thebaner, die einsahen, daß ein siegreicher Philipp all ihren Machtträumen ein Ende setzen würde. Die im Bündnis mit diesen Staaten liegende Chance wollten die Athener nicht ungenutzt lassen. Demosthenes wiederum hat dieser seiner und zugleich ihrer Politik in seinen Reden ein grandioses Denkmal gesetzt, das aus unserem Athen-Bild nicht wegzudenken ist und das im politischen Bewußtsein der Nachwelt bis in unser Jahrhundert hinein als Orientierungspunkt diente 121 .

II. D e m o s t h e n e s und das politische Kräfteverhältnis in Athen nach d e m Philokrateischen Frieden ( 3 4 6 - 3 4 1 ) Über die Politiker, die in den Jahren 346 bis 341 auf dem βήμα vor die Athener traten, deren jeweilige Bedeutung und ihr Verhältnis zueinander, über die zweifellos vorhandenen Gruppierungen, deren Festigkeit und Dauerhaftigkeit, wissen wir ziemlich wenig. Derjenige unter den Akteuren der Pnyx, der aus dem Schatten am deutlichsten hervortritt, ist Demosthenes selbst: Über seine Politik in diesen Jahren informieren uns vor allem fünf seiner Staatsreden sowie die von ihm und seinem Gegenpart Aischines verfaßten Reden des Gesandtschafts- und des Kranzprozesses. Von den Politikern, die sich zumindest bei einer Gelegenheit an der Seite des Demosthenes wiederfinden, sind uns Hegesippos von Sunion, Polyeuktos von Sphettos, ein gewisser Kleitomachos, der Eteobutade Lykurg, Timarchos von Sphettos, Hypereides von Kollytos, Aristonikos von Anagyrus und Demomeies von Paiania namentlich bekannt. Die vier zuerst genannten waren im J. 343/2 zusammen mit Demosthenes auf die Peloponnes geschickt worden, um die Peloponnesier vor Philipp zu warnen 122 . Hegesippos hatte schon ein Jahr zuvor einen ge121 122

Vgl. G. Clemenceau, Demosthene, Paris 1926. D. 9,72. Polyeuktos (= Kirchner, PA 11925. 11934 u. 11950; Hansen, Inv. 175) wird durch ein besonderes Lob (ό βέλτιστος έκεινοσί) hervorgehoben. Er gehörte zu den Athenern, deren Auslieferung Alexander im J. 335 verlangte (Plut. Dem. 23,4 u. Arrian. 1,10,4) und fand sich noch zur Zeit des Harpalos-Prozesses auf der Seite des Demosthenes wieder, vgl. Din. 1,100 und Pecorella Longo 136, sonst P. Treves, RE XXI

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meinsamen Auftritt mit Demosthenes, als die beiden zusammen mit Hegesandros, dem Bruder des Hegesippos, von Aischines als συνήγοροι des Timarchos erwartet wurden 123 ; er ist zudem der Autor der 7. Rede des Corpus Demosthenicum, einer heftigen „Philippika" aus dem J. 342 124 ; als Verfasser der Antwort der Athener auf das έπανόρθωσις-Angebot Philipps 125 und Mitglied der Gesandtschaft, die zu den έ π α ν ό ρ θ ω σις-Verhandlungen nach Makedonien reiste, erweckte er den besonderen Widerwillen des Königs, weil er und seine Mitgesandten die athenischen Interessen - anders als Aischines - δικαίως vertreten hatten, wie Demosthenes formuliert 126 . Von Hypereides ist bekannt, daß er der Ankläger des Philokrates war 127 , daß er statt des vom Areopag abgesetzten Aischines zum σύνδικος im Streit mit Delos gewählt wurde 128 , daß er (im J. 341?) als Gesandter nach Rhodos ging, wohl um dessen Mitwirkung im Hellenischen Bund zu erreichen 129 , daß er zwei Trieren für die Eretria-Expedition Phokions ausrüstete, daß er beim Entsatz von Byzanz Trierarch war 130 , daß er - wie Demosthenes - mit persischem Geld in Verbindung gebracht wurde 131 und daß er zusammen mit Demomeies nach den ersten siegreichen Zusammenstößen der verbündeten Athener und Thebaner mit Philipp einen Antrag auf Bekränzung des Demosthenes stellte 132 , wie vorher schon Aristonikos nach der Befreiung Eu2,1952, Sp. 1614-1616. Die Namen von Kleitomachos (Hansen, Inv. 171; fehlt bei Kirchner, PA; zu ihm gibt es auch keinen Artikel in der RE) und Lykurg (= Kirchner, PA 9251 u. 9247; Davies, APF 348-353; Hansen, Inv. 172) erscheinen an derselben Stelle nur in einer der vier maßgeblichen Hss. (A), wobei es sich wohl um eine Interpolation handelt, die aber durchaus aus einer guten Quelle in den Text gelangt sein kann ([Plut.] vit. X orat. p. 84 le erwähnt Lykurg zusammen mit Demosthenes und Polyeuktos als Gesandten auf der Peloponnes, freilich erst während des zweiten Krieges gegen Philipp). Zu Hegesippos (Kirchner, PA 6351; Davies, APF 209 f.; Hansen, Inv. 168) vgl. W. Kroll, RE Suppl. IV, 1924, Sp. 713f. und Wankel416 zu D. 18,70. 123 Aesch. 1,67-71 (Hegesippos unter seinem Spitznamen Κρωβΰλος (,Haarschopf'] erwähnt). 124 Liban. arg. 2-5 in [D.] 7. 125 Heges. (= [D.] 7) 24 sq., vgl. A. Schäfer II2 379 f. 126 D. 19,331; Liban. arg. 4 in [D.] 7 erwähnt ihn und Demosthenes ausdrücklich als derselben politischen προαίρεσις zugehörig; Schol. in Aesch. 1,64 p. 30,452 Dilts wird er μισοφίλιππος genannt. 127 Vgl. D. 19,116 (ϊστε δήπου, πρώην, δτ' είσήγγελλεν 'Υπερείδης Φιλοκράτην, δτι παρελθών έγώ κτλ. - Demosthenes unterstützte demnach die Anklage); Hyp. 3,29 sq.; Aesch. 2,6; 3,79; A. Schäfer II 2 367 u. Engels 73-77. 128 D. 18,134. Aus diesem Anlaß schrieb er seinen Δηλιακός. 129 [Plut.] vit. X orat. p. 850 a; vgl. Engels 87. 130 IG II2 1628c, 436-448; 1629d, 957-970; [Plut.] vit. X orat. p. 848e. 849f; vgl. Engels 85. 131 [Plut.] vit. X orat. p. 847 f. 848e; vgl. Engels 86. 132 D. 18,222 sq. Zu Hypereides (= Kirchner, PA 13912; Davies, APF 517-520; Hansen, Inv. 176 f.) vgl. Th. Thalheim, RE IX 2,1916, Sp. 281-285 und jetzt die Monographie

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böas 133 . Timarchos war es, der zusammen mit Demosthenes Aeschines der Truggesandtschaft anklagte 134 . Zu erwähnen sind vielleicht noch Kallisthenes, der nach dem Abzug des Phalaikos und dem Vormarsch Philipps durch die Thermopylen im J. 346 die Verteidigungsmaßnahmen der Athener beantragt hatte135, Nausikles von Oie, der im J. 343 zwar zu den φίλοι des Aischines gehörte 136 , nach Chaironeia aber seinen Namen über die Anträge des Demosthenes schrieb, der - um von der Stadt eventuellen Schaden abzuwenden - es vermied, sie unter seinem eigenen Namen zu stellen 137 , Diotimos von Eunomia, Diophantos von Myrrhinus und Derkylos von Hagnus, die im J. 340 zusammen mit Demosthenes und Hegesippos Bürgschaft für die an Chalkis ausgeliehenen Trieren leisteten 138 , Aristodemos, der Ende der 40er Jahre eine Gesandtschaft nach Thessalien anführte139, und der Stratege Diopeithes von Sunion, der

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von Engels, besonders S. 73-97. Zu Demomeies von Paiania (= Kirchner, PA 3554; Davies, A P F 116 [III B]; Hansen, Inv. 164), dem Sohn des Vaterbruders des Demosthenes, vgl. J. Kirchner, RE V 1,1903, Sp. 141 und Wankel 1017 zu D. 18,223. D. 18,83. 223. Zu diesem (= Kirchner, PA 2025; Hansen, Inv. 161), der später der ατιμία verfiel (D. 18,312), vgl. J. Kirchner, RE II 1,1895, Sp. 961 s. v. Aristonikos 3 (nicht zu verwechseln mit Aristonikos von Marathon [= Nr. 1]) und Wankel 468 f. zu D. 18,83. D. 19,2. 240 sq. 257. 284; Liban. arg. 2,10 in D. 19; Arg. 1 in Aesch. 1; vgl. Aesch. 1,1. 20. Aischines richtete daraufhin gegen Timarchos eine Klage auf Grund der δ ο κ ι μ α σ ί α ρ η τ ό ρ ω ν (οΐ>κ έ ξ ε ΐ ν α ι . . . α ύ τ ω δ η μ η γ ο ρ ε ΐ ν ήταιρηκότι), die zu dessen Verurteilung und der damit verbundenen άτιμία führte, vgl. D. 19, 257; Arg. 1 in Aesch. 1 sowie A. Schäfer II 2 342 Anm. 5 u. Harris, Aeschines 101-106. Timarchos erscheint danach nicht mehr auf der politischen Bühne. Zu ihm (= Kirchner, PA 13636; Hansen, Inv. 176) vgl. K. Fiehn, RE VI A l , 1936, Sp. 1234-1236. D. 19,86 mit Schol. Im J. 335 wurde laut Plut. Dem. 23,4 von Alexander seine Auslieferung verlangt (= Kirchner, PA 8090; Hansen, Inv. 170; ein RE-Artikel über ihn fehlt). Aesch. 2,18. 184. Aesch. 3,159. Zu ihm (= Kirchner, PA 10552; Davies, APF 396-398; Hansen, Inv. 174), der im J. 352 mit 5000 Mann die Thermopylen gegen Philipp gesperrt hatte, im J. 346 Mitglied der Gesandtschaften an den König gewesen war und in [Plut.] vit. X orat. p. 844 f neben Hypereides, Polyeuktos und Diotimos unter den σ υ μ π ο λ ι τ ε υ ό μ ε ν ο ι des Demosthenes erwähnt wird, vgl. W. Kroll, RE XVI 2,1935, Sp. 2019 f. und Pecorella Longo 104-107. Er ist ein gutes Beispiel dafür, daß sich die athenischen Politiker der Zeit nicht säuberlich auf zwei „Parteien" verteilen lassen. IG II 2 1623 Ba, 179. 189. 194(=Ditt. Syll. 3 962). Z u m vormaligen Meidias-Freund und mehrmaligen Strategen Diotimos (= Kirchner, PA 4384; Davies, APF 161-165; Hansen, Inv. 166), dessen Auslieferung von Alexander im J. 335 zusammen mit Demosthenes, Polyeuktos, Lykurg u. a. gefordert wurde (Arrian. 1, 10,4), vgl. vor allem Wankel 6 2 3 - 6 2 5 zu D. 18,114, zu Diophantos (= Kirchner, PA 4435; Davies, APF 166f.; Hansen, Inv. 166) J. Kirchner, RE V 1,1903, Sp. 1049f., zu Derkylos (Kirchner, PA 3248 u. 3249; Davies, APF 97f.; Hansen, Inv. 163), einem der Gesandten des J. 346, der im π α ρ α π ρ ε σ β ε ί α - P r o z e ß als Zeuge des Aischines aufgetreten war, J. Kirchner, RE V 1,1903, Sp. 242 f. und unten Anm. 142. Schol. in Aesch. 3 , 8 3 p. 122,530-534 Dilts. Er (= Hansen, Inv. 161; fehlt in Kirchners PA) ist wohl identisch mit dem Schauspieler, der den Athenern schon im Vorfeld des

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schon im J. 345 als mit Hegesandros, dem Bruder des Hegesippos, verbunden galt 140 . Einige pauschale Hinweise auf die Anhänger des Demosthenes finden sich in den Reden des Aischines 141 . Von den politischen Gegnern des Demosthenes wiederum sind uns Aischines von Kothokidai, Aristomedes, Philokrates von Hagnus, Pythokles von Kedoi, Phrynon von Rhamnus, Theokrines von Hyba und Diondas mit Namen überliefert 142 . Der bekannteste unter ihnen ist Ai-

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Philokrateischen Friedens als Gesandter gedient hatte. Ein Hinweis auf die Nachricht in Schol. in Aesch. 3 , 8 3 fehlt aber bei W. Judeich, RE II 1,1895, Sp. 923, s. v. Aristodemos (Nr. 10). Aesch. 1,63; er (= Kirchner, PA 4327; Davies, A P F 168; Hansen, Inv. 165) kann auch Aesch. 1,132 gemeint sein, vgl. A. Schäfer II 2 340 Anm. 5. Der Hinweis auf diese Stellen fehlt bei H. Swoboda, RE V 1,1903,1047 f. Aesch. 2,137 oi ... ν ΰ ν π ο λ ε μ ι κ ο ί κ α ι τήν ε ί ρ ή ν η ν ά ν α ν δ ρ ί α ν κ α λ ο ύ ν τ ε ς . 3 , 8 2 άσμενοι π α ρ ε κ ά λ ο υ ν επί τ ό β η μ α (d.h. den Demosthenes, den nach dem Prozeß gegen Philokrates oi τ η τ η ς π ό λ ε ω ς π ρ ο σ π ο λ ε μ ο ϋ ν τ ε ς η σ υ χ ί α zu ihrem Redner genommen hätten). 91 τοις π ε ρ ί τ ο ΰ τ ο ν . Zu ihnen gezählt werden können vielleicht noch Derkylos von Hagnus und Aristeides von Kephisia, Zeugen des Aischines im Gesandtschaftsprozeß (Aesch. 2, 155); Derkylos (vgl. oben Anm. 138), der Mitgesandte von Demosthenes und Aischines im J. 346, leistete freilich im J. 340 zusammen mit Demosthenes und anderen eine Bürgschaft für an Chalkis ausgeliehene Kriegsschiffe, was ihn eher als einen Gesinnungsgenossen des Demosthenes erscheinen läßt. Jemand, der sich für einen Freispruch des Aischines eingesetzt hatte, konnte also drei Jahre später das gegen Philipp gerichtete Bündnis mit Chalkis tatkräftig unterstützen (vgl. oben Anm. 137). Zu Aristeides (= Kirchner, PA 1703; Davies, A P F 206) vgl. W. Judeich, RE II 1,1895, Sp. 885 (Nr. 5). Bewußt außer acht gelassen habe ich in diesem Zusammenhang Isokrates, der kein aktiver Politiker war. In seiner im J. 346 kurz nach dem Friedensschluß geschriebenen 5. Rede (Φίλιππ ο ς ) wandte er sich direkt an den König, mit dem er (wie andere Athener zu dieser Zeit) Hoffnungen verband und den er für seine politischen Ziele zu gewinnen suchte, d. h. für die Herstellung der ο μ ό ν ο ι α unter den Griechen (vgl. z . B . 5 , 1 4 1 π ά ν τ α ς ή μ α ς έκ τ ο σ ο ύ τ ω ν π ο λ έ μ ω ν επί τ ή ν ό μ ό ν ο ι α ν π ρ ο α γ α γ ε ϊ ν ) und die Durchführung eines gemeinsamen Feldzugs gegen Persien. Als er die Befürchtungen der athenischen Kritiker Philipps zusammenfaßt (5,73 sq.: Der Machtzuwachs des Königs richte sich gegen die Griechen selbst und er wolle als nächstes die Peloponnes unterwerfen, deren Beherrschung ihm eine Vormachtstellung in ganz Griechenland sichern würde) und anschließend zurückweist ( 5 , 7 5 - 8 0 ) , zeigt er dem König zugleich, welchen Weg er seiner Meinung nach nicht gehen dürfe, und erlaubt sich sogar, ihn regelrecht zu rügen (er müsse mit der einseitigen Begünstigung einzelner Städte zum Schaden anderer aufhören [5,80]: η ν έ θ ε λ ή σ η κ ο ι ν ό ς α π α σ ι γ ε ν έ σ θ α ι , κ α ι π α ύ σ η τ α ΐ ς μέν τ ω ν π ό λ ε ω ν οίκείως έ χ ω ν , π ρ ο ς δέ τ ά ς ά λ λ ο τ ρ ί ω ς δ ι α κ ε ί μ ε ν ο ς . Weitere Mahnungen und meistens indirekte, dafür aber nicht undeutliche Warnungen vgl. z . B . 5 , 6 8 - 7 0 . 86sq. 107sq. 114-118. 145-148. 154). Im 2. Brief (epist. 2 , 1 4 - 2 4 ) rät er dem König, mit der auf dem βημα vorgetragenen Kritik richtig umzugehen, d.h. sich zu bemühen, die ε ύ ν ο ι α der Athener zu gewinnen. Der Gedankengang zeugt davon, daß, als dieser Brief zur Zeit des Illyrienfeldzuges Philipps entstand, die Zufriedenheit des Isokrates mit dem König nicht mehr ungetrübt war; er sah aber seine Aufgabe darin, ihm eine Politik nahezulegen, die ganz Griechenland zu Nutzen kommen würde. Isokrates hoffte, die Politik Philipps beeinflussen zu können, und überschätzte dabei wohl erheblich seine eigene

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schines 143 , der seit der gemeinsamen Teilnahme an den beiden ersten Gesandtschaften an Philipp im J. 346 bis zum Kranzprozeß des J. 330 der zuverlässigste Intimfeind des Demosthenes war und wiederholt auch abgesehen vom Gesandtschafts- bzw. Kranzprozeß als dessen Gegner erschien: Einmal erreichte er zunächst die Freilassung des auf Betreiben des Demosthenes wegen der Vorbereitung eines Anschlags auf die Schiffswerften festgenommenen Antiphon, der dann freilich auf Veranlassung des Areopags erneut verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde 144 ; einige Zeit später wurde er zunächst zum σύνδικος der Athener im Rechtsstreit mit Delos gewählt, dann aber nach dem Einschreiten des Areopags durch Hypereides ersetzt 145 ; im J. 343 nahm er

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Bedeutung (A. Schäfer II 2 238 wirft ihm zu Recht Naivität vor). Aber der Schmeichler eines Mächtigen, wie ein anderer Intellektueller, der Nachfolger Piatons als Leiter der Akademie und zugleich akademische Feind des Isokrates, Speusippos, aus dessen σ τ ύ λ ο ς uns ebenfalls eine Epistel an den König erhalten ist, war Isokrates gewiß nicht. Vgl. Wendland 135-137 u. 304 (= Wege d. Forschung 116f.); G. Mathieu, Les idees politiques d'Isocrate, Paris 1925 (ND 1966), 158f.; S. Perlman, Isocrates' „ P h i l i p p u s " A Reinterpretation, Historia 6 , 1 9 5 7 , 3 0 6 - 3 1 7 (= S. Perlman [Herausg.], Philip and Athens, Cambridge u. New York 1973,104-115), S. 310-317 (= 108-115). Zu ihm (= Kirchner, PA 354; Davies, APF 545-547; Hansen, Inv. 159f.) vgl. Th. Thalheim, RE I 1,1893, Sp. 1050-1062 und den Nachtrag zu seiner szenischen Tätigkeit von M. Bonaria, RE Suppl. X, 1965, Sp. 7 f., die Dissertation von Ramming sowie Harris, Aeschines. D. 18,132 sq. mit Schol.; Din. 1,63; Plut. Dem. 14,5; Anecd. Bekk. p. 439. Aischines schweigt sich über das Ereignis aus, vgl. A. Schäfer II 2 370. Schäfer a. O. Anm. 2 datiert die Verurteilung Antiphons in das J. 344. Wir wissen nur, daß sie nach der im J. 346 vorgenommenen Überprüfung der Bürgerlisten erfolgte (Antiphons Anschlag war ein Racheakt dafür, daß er bei dieser Gelegenheit aus der Bürgerschaft ausgeschlossen worden war), aber noch vor dem Delos-Handel, dessen Zeitpunkt freilich ebenfalls unsicher ist, vgl. unten. Harris, Aeschines 169 f. datiert die Antiphon-Affäre wohl zu Recht in die Zeit nach dem Gesandtschaftsprozeß, weil sie in der Prozeßrede des Demosthenes nicht erwähnt wird, vgl. unten. Zur Datierung des Anschlags und des Verfahrens gegen Antiphon vgl. sonst Wankel 722 zu D. 18,133. D. 18,134. Ob Demosthenes den Ausgang dieser Angelegenheit irgendwie beeinflußte, entzieht sich unserer Kenntnis; aber die Abwahl des Aischines war ihm gewiß nicht unwillkommen. Böhnecke 295 und A. Schäfer II 2 373 f. datieren das Ereignis in das J. 343. Ein früherer Zeitpunkt, vielleicht im J. 345, wurde vor allem mit der Annahme begründet, daß sich die Delier wohl bald nach der Neuordnung der Amphiktyonie durch Philipp rührten, und die Athener eher kurz nach dem Friedensschluß geneigt gewesen seien, ein vor den Amphiktyonen geführtes Verfahren hinzunehmen (vgl. Beloch III 2 1,533 Anm. 1 und Wankel 727-730 zu D. 18,134). Für den späteren Zeitpunkt spricht die (m. E. entscheidende) Tatsache, daß Demosthenes in der Gesandtschaftsrede weder die Antiphon-Affäre noch die für Aischines außerordentlich peinliche Abwahl als σ ύ ν δ ι κ ο ς im Delos-Handel erwähnt, vgl. Harris, Aeschines 169f. (19,209 π ρ ώ η ν ..., δ τ ' α ύ τ ό ν [sc. Α ί σ χ ί ν η ν ] ουκ είατε π ρ ε σ β ε ύ ε ι ν bezieht Α. Schäfer II 2 372 wohl zu Unrecht auf diese Abwahl [vgl. Beloch III 2 1,533 Anm. 1]: Harris, Aeschines, Anm. 15 S. 204 vermutet eher eine Anspielung auf die Wahl der Gesandten für die έπανόρθωσις-Verhandlungen, bei der Aischines vielleicht kandidiert hatte, aber

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Philipps Gesandten Python gegen die Kritik des Demosthenes in Schutz 146 ; im J. 341 verteidigte er den von Demosthenes als Spion angeklagten Anaxinos von Oreos, der von den Athenern für schuldig befunden und - wie vorher Antiphon - hingerichtet wurde 147 ; unmittelbar vor der Verhaftung des Anaxinos bereitete Aischines nach eigenem Bekunden eine Eisangelie gegen Demosthenes vor, den er auch bei drei anderen Gelegenheiten angegriffen haben will 148 ; er bot den Gesandten des Kleitarchos und Philistides, der beiden von Philipp auf Euböa eingesetzten Tyrannen, Quartier, als diese Athen besuchten 149 ; im J. 339 führte er in seiner Eigenschaft als π υ λ ά γ ο ρ ο ς vor der Versammlung der Amphiktyonen gegen Amphissa Klage, wofür er vor der Athener Volksversammlung von Demosthenes gerügt wurde, da die zwischen Amphissa und den Amphiktyonen ausgebrochenen Feindseligkeiten, denen die Aktivitäten des Aischines Vorschub geleistet hatten, Philipp den Vorwand zum Eingreifen in Mittelgriechenland geliefert hätten 150 ; nach Chaironeia versuchte er zusammen mit Pythokles ohne Erfolg, die Wahl des Demosthenes zum Redner bei der Leichenfeier für die Gefallenen zu verhindern151; ebenfalls nach Chaironeia nannte er sich einen ξένος Philipps und dann Alexanders; die dadurch geschaffene Angriffsfläche nutzte Demosthenes in der Kranzrede dankbar aus 152 .

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durchgefallen war). Für einen Zeitpunkt nach dem Gesandtschaftsprozeß spricht sich auch Engels 79 f. aus. D. 18,136. Aesch. 3,223 sq.; D. 18,137; [Plut.] vit. X orat. p. 848a. Demosthenes zeiht Aischines selbst des Verrats, da dieser laut Zeugenaussagen dem Anaxinos im Hause Thrasons begegnet sei; Aischines wiederum beteuert die Unschuld des Anaxinos und behauptet, dieser sei nur nach Athen gekommen, um für Olympias Einkäufe zu tätigen (die Angelegenheit wird in der Aischines-Monographie von Harris übergangen). Aesch. 3,221-223. Die drei Angriffe betreffen τ ά ... περί τους Ά μ φ ι σ σ έ α ς ήσεβημένα, τά περί τήν Εΰβοιαν δωροδοκηθέντα und τά ... περί τάς τριήρεις και τούς τριηράρχους ά ρ π ά γ μ α τ α . Aischines bezieht sich mit diesen Wendungen auf die Auseinandersetzungen mit Demosthenes beim Ausbruch des Heiligen Krieges um Amphissa im J. 339 - s. unten - , auf die angebliche Bestechlichkeit des Demosthenes bei der von Aischines beklagten Gründung des Euböischen Bundes (vgl. Aesch. 3, 91. 103-105) sowie auf das von Demosthenes durchgebrachte trierarchische Gesetz, das die Neuverteilung der finanziellen Bürden der zur Leistung von Trierarchien verpflichteten Athener regelte. Aischines behauptet zwar, daß Demosthenes in allen diesen Fällen von ihm überführt worden sei (Aesch. 3,221 έξηλέγχου). Formelle Anklagen gegen ihn dürfte er freilich kaum erhoben haben, so daß dieser in der Kranzrede behaupten konnte, von Aischines nie angeklagt worden zu sein (D. 18,13-16. 124 sq. 222-226). D. 18,82 π α ρ ά σο'ι κατέλυον ... και σύ προύξένεις αυτών, vgl. Wankel 461 f. zu D. 18,82. Vgl. Aesch. 3,125-7; D. 18,143. D. 18,285. Aesch. 3,66; D. 18,284.

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Einleitung

Die anderen Gegner des Demosthenes treten meist nur für einen kurzen Augenblick aus dem Dunkel der Geschichte hervor. Aristomedes kennen wir aus der 4. Philippika als Gegner der von Demosthenes empfohlenen aktiven Außenpolitik 153 . Ob er auch vor und nach dem J. 341 als solcher auftrat, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Feindschaft des Demosthenes gegenüber Philokrates von Hagnus stammt, wie diejenige gegenüber Aischines, aus der Zeit der gemeinsamen Teilnahme an den beiden Gesandtschaften des J. 346 an Philipp, wie die zahlreichen Angriffe des Demosthenes in der Gesandtschaftsrede zeigen 154 . Von Hypereides des Verrats angeklagt, ging Philokrates ins Exil und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt 155 . Pythokles gehörte schon zur Zeit des Gesandtschaftsprozesses zu den Feinden des Demosthenes; dieser gibt als ausschließlichen Grund ihrer Feindschaft, die einseitig von Pythokles ausgegangen sei, dessen (unterstellte) Bestechung durch Philipp an 156 . Ebenfalls als Verräter stellt Demosthenes in der Gesandtschaftsrede Phrynon, einen anderen Teilnehmer der Gesandtschaft des J. 346 an Philipp, dar157. Theokrines richtete irgendwann in der Zeit zwischen 342 und 340 eine γ ρ α φ ή π α ρ α ν ό μ ω ν gegen Demosthenes, die ihn, wäre sie erfolgreich gewesen, zur Zahlung von Bußgeldern in Höhe von zehn Talenten gezwungen hätte. Worum es dabei ging und wie die Sache endete, ist uns unbekannt 158 . Diondas reichte im J. 339 gegen den Antrag des Demomeies und Hypereides, Demosthenes zu bekränzen, eine γ ρ α φ ή π α ρ α ν ό μ ω ν ein, die aber τό μέρος των ψ ή φ ω ν ουκ ελαβεν 159 . Eine länger andauernde Gegner153 154 155

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D. 10,70-74, vgl. Komm. dazu. Z . B . D . 1 9 , 1 3 - 1 5 . 2 3 . 117. 119. 144sq. 189. 253.316. Aesch. 2,6; 3,79; Hyp. 3,29; Din. 1,28 und Α. Schäfer II 2 368 Anm. 4. Zu Philokrates von Hagnus (= Kirchner, PA 14599 u. 14576; Hansen, Inv. 177 f.) vgl. Hans Schaefer, RE XIX 2,1938, Sp. 2496-2499. D. 19,225. Zu seinem gemeinsam mit Aischines unternommenen Versuch, die Beauftragung des Demosthenes mit der Abhaltung der Leichenrede für die Gefallenen von Chaironeia zu hintertreiben, s.D. 18,285. Zu Pythokles (= Kirchner, PA 12444; Davies, APF 485 f.; Hansen, Inv. 175) vgl. sonst H. Gärtner, RE XXIV, 1963, Sp. 599f. D. 19,189. 230. 233. Zu ihm (= Kirchner, PA 15032; Hansen, Inv. 178) vgl. K. Fiehn, RE XX 1,1941, Sp. 929 (Nr. 2). [D.] 58,23. 35 sq. 4 0 - 4 4 . Die 58. Rede ist eine gegen Theokrines gerichtete Anklage. Der Kläger, ein gewisser Epichares, versucht die erwartete Verteidigungsstrategie des angeklagten Theokrines zu torpedieren, indem er bestreitet, daß er seine Anklage nur deswegen erhoben hätte, um die von Theokrines gegen Demosthenes eingereichte γ ρ α φ ή π α ρ α ν ό μ ω ν unwirksam zu machen; Theokrines habe vielmehr seine Anklage gegen Bezahlung bereits fallen gelassen. Zu ihm (= Kirchner, PA 6946; Hansen, Inv. 168) vgl. K. Fiehn, RE V A2,1934, Sp. 2000 und Pecorella Longo 118-124. D. 18,222; [Plut.] vit. X orat. p. 848 f. Nach Chaironeia gehörte er zusammen mit Sosikles, Philokrates von Eleusis (nicht zu verwechseln mit dem Hagnusier) und Melantos zur Gruppe der Gegner des Demosthenes, die ihn mit Gerichtsverfahren - freilich ohne

Demosthenes und die Politiker Athens in den Jahren 346-341

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schaft zu Demosthenes läßt sich somit außer bei Aischines lediglich bei Diondas und Pythokles feststellen, die beide sowohl vor als auch nach Chaironeia nachweislich als dessen Gegner auftraten. Sonst sprechen Demosthenes und Hegesippos von ihren Gegnern bloß in pauschaler Form: Sie hätten mit ihren Versprechungen nach dem Friedensschluß des J. 346 die Rettung der Phoker durch Athen verhindert160; sie vertrauten Philipp, auch nachdem er die Verhältnisse Mittelgriechenlands auf eine für Athen enttäuschende Weise geordnet hatte161; sie gäben Philipps Gegnern die Schuld zunächst an den ausgebliebenen Wohltaten des Königs, später an der wachsenden Kriegsgefahr 162 , unterstellten ihnen unlautere Absichten 163 und nähmen umgekehrt Philipp in Schutz 164 ; sie seien bestechlich und wirkten überhaupt im Interesse Philipps 165 . Bei der Sichtung der uns erhalten gebliebenen Informationen über die Gegner des Demosthenes erhebt sich die Frage, ob sie tatsächlich als Verräter oder eher als respektable Vertreter einer Verständigungspolitik gegenüber Philipp betrachtet werden sollten. Demosthenes zeiht jedenfalls Aischines, Philokrates, Pythokles und Phrynon namentlich des Verrats zugunsten Philipps 166 . Die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen

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Erfolg - überhäuften (D. 18,249). Zu Diondas (Kirchner, PA 4524; Hansen, Inv. 166) vgl. J. Kirchner, RE V 1,1903, Sp. 878 und Wankel 1014 f. zu D. 18,222. Vgl. oben Anm. 5. D. 5,22 Φίλιππον ... τινές ... τολμώσιλέγειν, ώς ούδ' έβούλετο Θηβαίοις Ό ρ χ ο μ ε νόν και Κορώνειαν παραδοϋναι, άλλ' ήναγκάσθη. 6,6 οί θαρροΰντες και πεπιστευκότες αύτω 14 φασίν μέν μέλλειν προς τους Θηβαίους αυτόν ΰπόπτως έχειν και λογοποιοΰοιν περιιόντες τινές, ώς Έλάτειαν τειχιεΐ. D. 19,187 έστι ... τις πρόχειρος λόγος πασι τοις έξαπατδν ΰμας βουλομένοις, ,,οί ταράττοντες την πόλιν", ,,οί διακωλΰοντες Φίλιππον ευ ποιήσαι την πόλιν". 8,6 (Diopeithes habe den Krieg ausgelöst); 8,56 (= 10,58). Vgl. die Worte des Aischines über die πολεμικοί oben Anm. 141 und seinen Vorwurf gegen Demosthenes im Kranzprozeß, den zweiten Krieg mit Philipp verursacht zu haben (Aesch. 3,82 sq.). D. 8,52 (= 10,55). D. 8,52 ([= 10,55] sie beschwichtigen, wenn Philipp irgendein Unrecht tut). 64 (= 10,66); 9,14 (sie verleugnen, daß er Krieg führt). Vgl. den Vorwurf des Demosthenes an Aischines, er habe Philipps Gesandten Python unterstützt (18, 136), sowie Heges. (= [D.] 7) 45 και ταύτην τήν έπιστολήν (.sc. Φιλίππου) τίνες εύ έφασαν γεγράφθαι. μισθοϋ λέγουσιν u.a., s. Komm, zu § 5 (χρήματα λαμβάνειν); υπέρ Φιλίππου λέγουσιν u.a., s. Komm, zu §§ 66 u. 68 sowie Heges. (= [D.] 7) 5 παρακρουσθηναι... ύπό των τάνταϋθα διοικήσειν, ώς αν αυτός εκείνος βούληται, καί πριν ύποσχημένων, καί νϋν δέ πραττόντων. 17 ουκ αίσχΰνονται Φιλίππω ζώντες. 34 τοις ... υπέρ αύτοϋ λέγουσιν. 45 δσοι ... 'Αθηναίοι οντες μή τη πατρίδι, αλλά Φιλίππω εύνοιαν ενδείκνυνται. Vgl. z.B.D. 19,119. 145. 245 (über Philokrates), 19,189. 230. 233 (über Phrynon), 19,225 (über Pythokles) und über Aischines passim in der Gesandtschaftsrede. Aischines richtet seinerseits verblüffenderweise denselben Vorwurf gegen Demosthenes (Aesch. 3,58. 66. 69. 81).

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Einleitung

wird von den Gelehrten, zumindest im Hinblick auf Aischines, sehr unterschiedlich beurteilt 1 6 7 , was freilich nicht verwunderlich ist, schienen doch schon die Zeitgenossen des Aischines unschlüssig darüber, wie sie es mit ihm halten sollten 1 6 8 . Daß Aischines durch die ihm von Philipp entgegengebrachte Aufmerksamkeit geblendet war, zeigt der kindisch anmutende Stolz, mit dem sie ihn erfüllte 1 6 9 . Geradezu verdächtig macht ihn aber sein Eintreten für Antiphon und Anaxinos, zwei wegen eines Anschlags bzw. wegen Spionage zugunsten Philipps Verurteilte, sowie zumindest ein konkreter, unwidersprochen gebliebener Vorwurf des Demosthenes 1 7 0 . Auch gegen Phrynon erhebt Demosthenes präzise Anschuldigungen 1 7 1 , und Philokrates belastete sich durch seine Flucht selber schwer 1 7 2 . In welchem Ausmaß die pauschal erhobenen Klagen des Demosthenes über die Verräter in dem für unsere Untersuchung relevanten Zeitraum berechtigt sind, können wir nicht zufriedenstellend beurtei167

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Für A. Schäfer ( z . B . I I 2 2 0 6 f . u. 267); Blaß III 2 2 , 1 6 7 - 1 6 9 ; Th. Thalheim, R E I 1 , 1 8 9 3 , Sp. 1052 f.; Griffith 337 („perhaps") ist Aischines der gekaufte Verräter, als den ihn Demosthenes darstellt. G. De Sanctis, Eschine e la guerra contro Anfissa, R F I C 2 5 , 1 8 9 7 , 2 3 4 f . ; P. Cloche, Demosthene et la fin de la democratie athenienne, Paris 1 9 3 7 , 1 4 4 und zuletzt Cawkwell, Transitions 105, betrachten ihn als von Philipp umgarnt, während Kahrstedt, Forschungen 130; Momigliano 117 f.; Wüst 1 f. u. Ramming 132 f. ihm „aus rein patriotischen Gründen" (Ramming) eine Verständigungspolitik mit Philipp zuschreiben (weitere Literatur-Hinweise s. bei Ramming 132 Anm. 1); der letzten Gruppe Schloß sich neuerdings auch Harris, Aeschines 1 4 9 - 1 5 4 an. Diesen Eindruck vermittelt der Einspruch des Areopags nach seiner Wahl zum σύνδικος im Delos-Handel (vgl. oben Anm. 145) und vor allem der bei lediglich dreißig Stimmen Mehrheit erfolgte Freispruch im Gesandtschaftsprozeß, der angesichts der ihm durch Männer wie Eubulos und Phokion zuteil gewordenen massiven Unterstützung bemerkenswert knapp ausfiel (vgl. Plut. Dem. 15,5 [der sich auf Idomeneus (FGrHist 338) frg. 10 beruft]; [Plut.] vit. X orat. p. 8 4 0 b c ; Arg. in Aesch. 2 und A. Schäfer II 2 4 1 3 Anm. 2). Vgl. Aesch. 2 , 3 8 (Philipp lobt die Rede des A.) und 3 , 6 6 (Aischines rühmt sich seiner ξενία mit Alexander; vgl. auch D. 1 9 , 3 1 4 ) . D. 1 9 , 1 4 5 . 314; 1 8 , 4 1 (Eigentum im Machtbereich der Makedonen). Die D. 19, 1 6 6 - 1 6 8 besprochene Annahme von Gastgeschenken Philipps muß als Bestechlichkeit gelten (athenischen Amtsträgern war die Annahme von Geschenken grundsätzlich untersagt, vgl. Aristot. Ath. pol. 5 4 , 2 ) ; auch für Philipp handelte es sich bei der Verteilung von Geschenken an die Gesandten nicht bloß um einen Ausdruck des in Makedonien teilweise immer noch blühenden homerischen „way of life" (Harris, Aeschines 86), sondern um als solchen getarnte aktive Bestechung: Denn er kannte natürlich ganz genau den Unterschied zwischen den Gastgeschenken des Menelaos an einen Telemachos und denjenigen eines makedonischen Königs an Politiker einer griechischen Stadt, und als guter Menschenkenner wußte er auch von der wundersamen Wirkung solcher Gaben auf die Gemüter der damit bedachten Zeitgenossen. Vgl. auch Davies APF 547 und Komm, zu § 5 χρήματα λαμβάνειν. D. 1 9 , 2 3 0 . Beloch I I I 2 1 , 5 4 3 Anm. 1 unterstreicht zwar zu Recht, daß die Flucht des Philokrates an sich noch kein Beweis gegen ihn sei; ein Indiz für seine Schuld ist sie aber allemal.

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len. Wichtig ist aber die Feststellung, daß wir aus diesen Jahren außer den Gesandtschaftsprozessen gegen Philokrates und Aischines aus Athen nur noch zwei weitere Gerichtsverfahren kennen, in denen wegen Verrats bzw. Spionage verhandelt wurde 173 . Da wir annehmen dürfen, daß Demosthenes und seine Freunde sich gewiß nicht gescheut hätten, bei einem glaubhaften Verdacht auch in anderen Fällen ebenso entschlossen vorzugehen wie in diesen, müssen wir davon ausgehen, daß ihnen dafür die Beweise bzw. Indizien fehlten. Ob dies am geschickten Vorgehen der Verräter lag oder daran, daß das Problem des Verrats von Demosthenes und Hegesippos stark übertrieben wurde, läßt sich nicht sicher entscheiden 174 . Vor allem Aischines scheint darauf Anspruch erheben zu können, der konsequenteste Gegner des Demosthenes gewesen zu sein, auch wenn er sich gelegentlich für längere Zeit von der politischen Bühne zurückzog 175 . Eine wirkliche „Verständigungspolitik" gegenüber Philipp waren seine uns bekannten Auftritte aber noch lange nicht. Auch die anderen athenischen Politiker der Zeit können nicht ohne weiteres als deren Vertreter gelten: Über Eubulos, Aristophon und Kephisophon, die als schon vor dem J. 346 prominent gewordene Staatsmänner das nötige Ansehen gehabt hätten, eine von der demosthenischen abweichende Position aufzubauen 176 , erfahren wir, daß sie wichtige, gegen Philipp gerichtete Beschlüsse durchgesetzt hätten177; Phokion, von dem Plutarch überliefert, 173

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Sie richteten sich gegen Antiphon und Anaxinos, vgl. oben Anm. 144 u. 147. Im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen Anaxinos beschuldigte Demosthenes Aischines der Zusammenarbeit mit dem Angeklagten; zu einer formalen Anklage scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Die Mahnungen des Demosthenes in den Reden des J. 341, die Verräter zu bestrafen, stehen vielleicht ebenfalls im Zusammenhang mit seinem Vorgehen gegen Anaxinos. Die Wahrheit liegt vielleicht irgendwo dazwischen: Daß die Redner mit dem Vorwurf des Verrats locker umgingen, läßt sich kaum abstreiten; ebenso sicher ist es aber, daß sie dies nicht getan hätten, wenn ihre Vorwürfe dem Athener Publikum von vornherein als absurd vorgekommen wären, und es wäre angesichts der langen Tradition der Bestechung von Politikern durch ausländische Mächte in Griechenland (vgl. Cargill, Traitors) äußerst seltsam, wenn Philipp ausgerechnet in Athen nicht versucht hätte, Agenten anzuwerben, bzw. wenn seine Versuche überall in der Stadt auf schroffe Ablehnung gestoßen wären. D. 18,139. 307 sq.; Aesch. 3 , 2 1 6 - 8 . 220. Eubulos, der im Gesandtschaftsprozeß unter den σ υ ν ή γ ο ρ ο ι des Aischines auftrat (D. 19,290; Aesch. 2,184), wurde von Demosthenes 19,289 als einer der von den Athenern π ε π ι σ τ ε υ μ έ ν ο ι erwähnt. D. 18,70. 75. Im selben Atemzug nennt Demosthenes noch Diopeithes (er meint wohl Diopeithes den Sphettier, von dem Hyp. 3,29 sagt, daß er δ ε ι ν ό τ α τ ο ς ( έ ) δ ό κ ε ι ε ί ν α ι τ ω ν έν τ η πόλει, vgl. Α. Schäfer II 2 451 Anm. 4), Hegesippos (der als Urheber einer Verständigungspolitik mit Philipp natürlich von vornherein nicht in Frage kommt) und

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Einleitung

daß er gelegentlich zur Vorsicht gemahnt habe 178 , und der im Gesandtschaftsprozeß als Zeuge der Tapferkeit des Aischines und als dessen συνήγορος auftrat179, war zugleich derjenige, der durch sein energisches Auftreten den von Philipp mit Söldnern unterstützten Anschlag auf Megara vereitelte, aus Eretria dessen Schützling Kleitarchos vertrieb, der eine Flotteneinheit zum Entsatz von Byzanz anführte und der sich später für den Aufschub des Beschlusses über den Eintritt Athens in die Liga von Korinth aussprach180; auch Aischines bleibt uns in seiner Anklage gegen Ktesiphon im Kranzprozeß den Nachweis schuldig, daß es in Athen in der Zeit zwischen dem Frieden des Philokrates und dem des Demades (346-338) eine konsequente „Verständigungspolitik" als Alternative zur Politik des Demosthenes gegeben hätte 181 . Dies ist an und für sich nicht einmal verwunderlich. Die Athener dürften sich ja nach den für sie katastrophalen Auswirkungen des Friedens des Philokrates von Philipp düpiert gefühlt haben und waren wohl nicht ohne weiteres bereit, noch einmal Hoffnungen mit ihm zu verknüpfen 182 . Selbst Aischines, der noch im Winter 346/5 eine Versprechungen enthaltende Botschaft des Makedonen gepriesen und sich zusammen mit Philokrates sogar Philokrates. Von Eubulos sagt Demosthenes (19,289) freilich auch, daß er zu denjenigen gehöre, die stets bestritten, im Interesse Philipps gewirkt zu haben (μή π ρ ά τ τ ε ι ν ύ π έ ρ Φ ι λ ί π π ο υ ) , und an ihn selbst gewandt (19,292): έν ... τ φ δ ή μ ω κ α τ η ρ ώ [ Φ ι λ ί π π ω ] κ α ι κ α τ ά τ ω ν π α ί δ ω ν ώ μ ν υ ε ς , ή μήν ά π ο λ ω λ έ ν α ι Φ ί λ ι π π ο ν ά ν β ο ύ λ ε σ θ α ι . Eubulos muß also in der Zeit zwischen dem Friedensschluß und dem Gesandtschaftsprozeß (346-343) die Athener zur Zurückhaltung gegenüber Philipp gemahnt haben, was ihm offensichtlich den Vorwurf eintrug, zu den φ ι λ ι π π ί ζ ο ν τ ε ς zu gehören. Dies genügt aber nicht, um ihn zum Führer einer „Friedenspartei" hochzustilisieren (vgl. A. Schäfer II 2 375: „Die Friedenspartei [war] sehr zahlreich und [hatte] an Eubulos einen von der großen Menge fast angebeteten Führer"). Die Literatur zu den D. 18,70. 75 erwähnten Politikern bequem zu finden bei Wankel 4 1 6 ^ 1 8 . 178 Plut. Phoc. 9 , 6 ; 17,1; 22,5 sq. Die erste Stelle bezieht sich freilich auf den Streit mit Theben und die beiden anderen auf die Zeit nach Chaironeia. 179 Aesch. 2,170. 184. 180 Ygi Komm, zu § 8 (Megara) und oben Anm. 108, sowie Plut. Phoc. 14 (zu Byzanz) u. 16,5 (zum Eintritt in die Liga von Korinth). Nep. Phoc. 2,3 beschreibt Phokion als ductus adiutusque a Demosthene. Zumindest einmal in der Zeit zwischen den J. 346 und 338 vertrat er freilich nachweislich eine andere Position als Demosthenes, und zwar im J. 338 kurz vor Chaironeia, als Philipp Friedensverhandlungen angeboten hatte. Phokion empfahl, auf das Verhandlungsangebot Philipps einzugehen, vgl. Plut. Phoc. 16,1. Zur Rolle Phokions in der Zeit zwischen dem Philokrateischen Frieden und Chaironeia s. sonst L. A. Trittle, Phocion the Good, London u.a. 1988,89-93. 98-112. 181 Zweifel an der Existenz einer „Verständigungspolitik" in Athen äußert neuerdings Sealey 167. 182 Demosthenes kann die in Athen nach dem J. 346 gegenüber Philipp herrschende Stimmung 19,132 mit den (gewiß suggestiven) Worten δ υ σ κ ό λ ω ς τ έχειν κ α ι ύ π ό π τ ω ς π ρ ό ς τ ό ν Φ ί λ ι π π ο ν beschreiben; vgl. auch 18,43 ύμεΐς ... ΰ φ ο ρ ώ μ ε ν ο ι τ ά π ε π ρ α γ μ έ ν α κ α ι δ υ σ χ ε ρ α ί ν ο ν τ ε ς ή γ ε τ ε τήν ε ι ρ ή ν η ν δ μ ω ς .

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den Urheber des Friedens genannt hatte 1 8 3 , befand es in s e i n e n b e i d e n späteren R e d e n für z w e c k m ä ß i g e r , sich v o n Philipp vorsichtig zu distanzieren 1 8 4 und den Platz als Friedensstifter an der Seite des i n z w i s c h e n verurteilten Philokrates d e m D e m o s t h e n e s z u z u w e i s e n 1 8 5 . D a ß es uns schwerfällt, in A t h e n die E x i s t e n z einer k o n s e q u e n t e n Verständigungspolitik g e g e n ü b e r Philipp n a c h z u w e i s e n , hängt g e w i ß auch damit z u s a m m e n , daß wir i m e i n z e l n e n nicht w i s s e n , wer und w i e stark die G e g n e r des D e m o s t h e n e s in den A u g e n b l i c k e n der e n t s c h e i d e n d e n W e i c h e n s t e l l u n g e n der athenischen A u ß e n p o l i t i k waren 1 8 6 . S o l c h e W i s s e n s l ü c k e n dürfen uns freilich nicht zur A n n a h m e verleiten, daß die Klagen des D e m o s t h e n e s g e g e n Z ö g e r n und gar Widerstände in s e i n e m athenischen Publikum aus der Luft g e g r i f f e n wären 1 8 7 . D i e Stärke d e s 183

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Aesch. 1,167-9. 174. Demosthenes richtet an ihn noch in der Gesandtschaftsrede (19,336) die vorwurfsvolle Frage τί δή μέχρι νυνί τόν τά τοιαϋτα πεποιηκότ' επαινείς; Aesch. 2,118 (Philipp habe enttäuscht). 137 (gemacht hätten die Versprechungen των ... εταίρων τινές των Φιλίππου, sie seien also nicht von Aischines selbst erfunden worden). 178 (er sei kein έγγυητής Φιλίππου); 3,80 τάς τε εν Φωκεΰσι πόλεις παραδόξως άναστάτους έποίησε, Θηβαίους τε ... περαιτέρω τοϋ καιροΰ και τοϋ υμετέρου συμφέροντος ισχυρούς κατεσκεύασεν. Aesch. 2,56 (s. auch 3,61). 2,79 gibt er freilich zu, zum Frieden mit Philipp geraten zu haben, 2,137 erhalten ol ... νΰν πολεμικοί και τήν είρήνην άνανδρίαν καλούντες von ihm einen Seitenhieb, und 2,161 bezeichnet er sich wieder als τόν προστάντα της ειρήνης, um dann in §§ 172-7 ein ,,έγκώμιον ειρήνης" vorzutragen (vgl. A. Schäfer II2 197 f. u. Wüst 89). Gab es in Athen ζ. B. irgend jemanden, der sich in den J. 343 und 342 gegen die Unterstützung der Demokraten von Megara durch Phokion, die Entsendung von Truppen nach Akarnanien und den Abschluß der Bündnisverträge mit Messene u.a. wendete? Oder der vor der Befreiung Euböas im J. 341 warnte? Wer waren die Gegner des Demosthenes in der Kontroverse um Diopeithes? D. 6,6 bezeugt für das J. 344 eine Gruppe der θαρροϋντες και πεπιστευκότες αύτφ die glaubten (6,14, in Anm. 161 ausgeschrieben), Philipp würde Elateia zum Nachteil Thebens befestigen, und im J. 343 zitiert er Politiker, die meinten, Philipps Kritiker würden den König hindern, Athen mit Wohltaten zu bedenken (19,187, in Anm. 162 ausgeschrieben); er befürchtet (19,134), daß einige seiner Landsleute um den Frieden besorgt sein könnten, falls Aischines verurteilt würde. In derselben Rede (z.B. 19,132sq.) setzt er aber zugleich ein breites Mißtrauen der Athener gegen Philipp voraus. Zahlreich sind die Hinweise auf die φιλιππίζοντες bei Hegesippos (= [D.] 7), vgl. z. B. die §§ 5 παρακρουσθήναι άν υμάς ο'ίεται υπό των τάνταϋθα διοικήσειν, ώς άν αυτός έκεΐνος βούληται, και πριν ΰπεσχημένων και νΰν δέ πραττόντων. 17 ους ... ένθάδε προήρηται φίλους κεκτήσθαι, τούτοις διεπίστευεν· οί ούκ αίσχύνονται Φιλίππω ζώντες και ού τη αύτών πατρίδι, και τάς παρ' εκείνου δωρειάς λαμβάνοντες κτλ. 18 πεπεισμένος υπό τούτων οις χρήται φίλοις (auch von Isokrates werden 5,78 die sich bekämpfenden athenischen Politiker φίλοι bzw. εχθροί Philipps genannt). 23 ΰπό των ένθάδε διδασκάλων προδεδιδαγμένος. 34 ΰμϊν ... έν τη νΰν επιστολή ύπισχνεΐται, έάν τοις μεν αύτοϋ φίλοις και υπέρ αύτοϋ λέγουσιν πιστεύητε, ημάς δέ τούς διαβάλλοντας αύτόν πρός ύμας τιμωρήσεσθε, ώς μεγάλα ευεργετήσει. 45 (in Anm. 164 f. ausgeschrieben). Die Hinweise auf die Gegner häufen

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Einleitung

Widerstandes und Zögerns wechselte wahrscheinlich je nach Gegenstand und Umständen der Beratungen. Wie verhärtet die Fronten dabei waren, läßt sich - einmal abgesehen von festen Feindschaften wie derjenigen zwischen Aischines und Demosthenes - im einzelnen nicht beurteilen. Aber eine wirkliche „Friedenspartei" gab es wohl ebensowenig wie eine „Kriegspartei", die kompromißlos die Auseinandersetzung mit dem Makedonen gesucht hätte 188 . Wahrscheinlich war man sich in Athen darüber weitgehend einig, daß eine zusätzliche Ausdehnung der Macht Philipps in Griechenland nicht erwünscht war 189 , und die Gegensätze zwischen den athenischen Politikern und deren Gruppierungen entbrannten vielleicht eher in der Frage, wie weit man in der Eindämmungspolitik gehen solle: Es fällt uns z.B. nicht schwer, der Behauptung des Demosthenes Glauben zu schenken, daß sein nach der Einnahme Elateias durch Philipp gemachter Vorschlag, mit Theben ein Bündnis einzugehen, unumstritten war 190 , während in anderen Fällen Streit entbrannte 191 . Ein besonders bitterer Streitfall war der durch die Aktivitäten des Diopeithes entstandene. Demosthenes war zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Aufbau des Hellenischen Bundes beschäftigt und wußte, daß der Zusammenschluß der Griechen nur dann eine Chance haben würde, wenn die anderen Städte an der Entschlossenheit und Fähigkeit der Athener, den Bund anzuführen, keine Zweifel hegten, wenn sie davon überzeugt werden konnten, daß sie im entscheidenden Augenblick nicht im Stich gelassen würden. Nur ein aktives, energisch auftretendes Athen konnte damit rechnen, von den Griechen ernstgenommen zu wer-

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sich in den drei Demosthenes-Reden des Jahres 341. Zumindest im Falle der Chersonesitica ist das natürlich, da der Anlaß der Rede eine innenpolitische Kontroverse war. Demosthenes wendet sich gegen diejenigen, die Diopeithes vorwarfen, einen Krieg verursacht zu haben (8,6 πεποιηκέναι τόν πόλεμον), die Chersones gerade vor dem Einsetzten der έτησίαι, wie er meint, von athenischen Truppen entblößen wollten (8,13,18) und den Frieden priesen, um athenische Maßnahmen zu verhindern und Philipp zu erlauben, seine Pläne ungestört zu verfolgen (8,52). Die Bezeichnung „Partei" ist Uberhaupt irreführend, da es in Athen zwar sehr wohl über einen längeren Zeitraum bestehende Zusammenarbeit bzw. Gegnerschaft zwischen Politikern gab, die Organisierung der Anhänger aber wohl kaum über ein ziemlich rudimentäres Stadium hinauskam, vgl. Hansen, Ath. Assembly 72-86. Der Forderung des Demosthenes (6,5), es müsse verhindert werden, daß έπιστήσεται μέγεθος δυνάμεως, π ρ ο ς ήν οΐιδ' άνταραι δυνησόμεθα, konnte man schwerlich widersprechen. D. 18,179. 191. Ebensowenig umstritten dürfte Phokions Eingreifen zugunsten der Demokraten von Megara gewesen sein. Bei solchen Gelegenheiten konnte man sich gegenseitig als πολεμικοί bzw. φιλιππίζοντες beschimpfen, auch wenn man bloß ein entschlosseneres Auftreten oder mehr Mäßigung befürwortete.

Demosthenes und die Politiker Athens in den Jahren 3 4 6 - 3 4 1

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den 192 . Der athenische Druck auf das mit Philipp verbündete Kardia, die Raids des Diopeithes nach Thrakien, sowie die Erpressung von Schifffahrern und griechischen Städten der Nachbarschaft waren aber Aktionen, deren Berechtigung mit gutem Grund bezweifelt werden konnte, und die auch in Griechenland nicht unbedingt Verständnis oder gar Sympathie hervorgerufen haben dürften. Wenn also Demosthenes in der Debatte über Diopeithes von seinen Gegnern behauptet, sie würden im Interesse Philipps wirken und gar von ihm bezahlt sein, zeugt dies zwar von äußerst scharfen Gegensätzen unter den athenischen Politikern, beweist aber nicht, daß die Gegner des Demosthenes eine grundsätzlich andere Politik befürworteten, und schon gar nicht, daß sie wirklich Philipps Agenten gewesen wären. Daß Demosthenes seine Vorwürfe abgesehen vom Ausfall gegen Aristomedes ohne Nennung von Namen erhebt, erlaubt ihm die Redlichkeit seiner Gegner in Zweifel zu ziehen, ohne durch direkte Falschaussagen die eigene Glaubwürdigkeit zu beeinträchtigen. Es ist ein rhetorischer Trick des Demosthenes, alle als Vertreter einer anderen Politik darzustellen und sie sogar des Verrats zu zeihen. Die uns zugegebenermaßen nur sehr unzureichend bekannten Gegner des Demosthenes lassen sich demnach kaum über einen Kamm scheren: Neben seinen Feinden und den wohl nicht allzu zahlreichen wirklichen Anhängern und Agenten Philipps gab es bestimmt eine eher diffuse Gruppe von Befürwortern einer vorsichtigeren Politik 193 . Demosthenes behielt am Ende der 40er Jahre die Oberhand, weil er diplomatische und militärische Erfolge vorzuweisen hatte 194 , und weil es schwierig war, ein Gegenkonzept zu seiner Politik zu formulieren, da jede andere Politik in der einen oder anderen Form auf die Unterordnung unter Philipp hinausgelaufen wäre. Philipp hatte ja keine Zweifel daran gelassen, daß er nichts weniger als die Hegemonie in Griechenland wollte und daß der Preis, den die Athener für eine dauerhafte Freundschaft mit ihm zu zahlen hätten, die Aufgabe ihrer außenpolitischen Handlungsfreiheit sei.

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Vgl. D. 9 , 7 3 . 7 5 . Diese können sehr wohl, wie Demosthenes sagt (z.B. 8,48 [= 10,24] u. 9, 63 sq.), aus Angst vor den Kosten einer energischeren Politik gehandelt haben, ζ. T. vielleicht auch aus Sorglosigkeit (vgl. D. 9,47) oder gar (umgekehrt) aus der sich schrittweise einstellenden Einsicht, daß Philipp nicht mehr aufzuhalten sei (vgl. D. 9 , 6 4 sq.). Vgl. oben Abschnitt I.

40

Einleitung

III. Die drei erhaltenen Demosthenes-Reden des Jahres 341 Aus dem J. 341 sind uns gleich drei Demegorien des Demosthenes erhalten: Die Chersonesitica sowie die 3. und 4. Philippika 195 . Dionysios von Halikarnassos datiert die beiden erstgenannten Reden in das Archontat des Sosigenes (J. 342/1), die 4. Philippika hingegen in dasjenige des Nikomachos (J. 341/0) 196 . Didymos widmete der Datierung der 4. Philippika zwar viel Raum 197 , aber aus den wenigen uns erhaltenen Wortfetzen läßt sich nur soviel feststellen, daß er verschiedene Möglichkeiten besprach198 und daß ihm der wichtigste Einwand gegen die Datierung in das Archontat des Nikomachos bewußt war: Die 4. Philippika enthält keinen Hinweis auf die im Monat Skirophorion des voraufgegangenen Archontats des Sosigenes erfolgte Befreiung von Oreos durch Athener und Chalkidier 199 . 195

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Die letzte der früheren erhaltenen Staatsreden des Demosthenes, die 2. Philippika entstand fast drei Jahre vorher, in der zweiten Hälfte des Jahres 344. Die im Frühjahr 342 geschriebene 7. Rede des Corp. Dem. ist unecht und stammt von Hegesippos. Dion. Hal. epist. ad Amm. 10 p. 737 sq. Als die Chersonesitica entstand, ging Philipps Thrakienfeldzug in seinen elften Monat (8,2) bzw. war der König schon seit zehn Monaten in Thrakien und von Makedonien abwesend (8,35. 44 [= 10,15]); die έτησίαι, die etwa ab Anfang Juli wehen, hatten noch nicht eingesetzt (8,14). Die D. 9,32 erwähnte Abwesenheit Philipps bei den Pythischen Spielen dürfte sich auf das J. 342 beziehen und läßt sich mit dem Thrakienfeldzug des Königs erklären. Zur Datierung des Feldzuges selbst in das J. 342/1 vgl. Komm, zu § 15 έν Θ ρ ά κ η Wie die entsprechende Diskussion für die beiden anderen Reden aussah, wissen wir nicht, da der Papyrus erst mit dem Ende des Kommentars zur 3. Philippika einsetzt. Didym. in D. 10, col. 1,29-2,31; vgl. besonders col. 1,29 sq. κ]αιρ[ού]ς τοΰ λόγου τάχ' αν τ[ις ... άρ]χοντα Νικόμαχ[ον und 2,2sq. ένιοι δ[έ ... επί Σω]σιγένους συντετάχθαι. Vgl. Didym. in D. 10, col. 1,47 sq. Φιλιστίδου μεν τοΰ] Ώ ρ ε ί τ ο υ έπίΣω[σιγένους ..., Κλειτάρ]χου δέ τοΰ Έρετριέ[ως επί Νικομ]άχο[υ (suppl. Foucart, Crönerf, vgl. auch oben Anm. 108). Aus demselben Grunde sprach sich auch Körte 389f. für ein Entstehungsdatum am Ende des Jahres 342/1 noch vor der Befreiung von Oreos im Monat Skirophorion aus. Cawkwell, CQ 1963,134-36 bemerkt, daß es Demosthenes 10,9 nur auf die Aufzählung der Sünden Philipps ankomme und nicht auf die Darlegung der letzten Neuigkeiten des Streites mit ihm. Die Befreiung von Oreos war aber ein einschneidendes Ereignis, das eine neue Lage schuf, die in der Argumentation nicht einfach ignoriert werden konnte, zumal da der von Philipp unterstützte Staatsstreich von Oreos in der 4. Philippika gleich zweimal erwähnt wird (10,9. 61). Die auf Kallias gemünzte Wendung 10,6 (vgl. Komm. z. St.), daß einige Griechen mit Athen ύπέρ τοΰ ποΰ συνεδρεύσουσιν stritten, die darauf hindeutet, daß die Verhandlungen über das Bündnis mit Chalkis noch nicht abgeschlossen waren, hilft uns nicht (anders Körte 390), da es zu dem Abschluß vielleicht erst nach dem Sturz des Philistides gekommen war, vgl. Aesch. 3,93 τάς ... συνεδρίας ... άπέδοτο (sc. Demosthenes) ... τω λόγω προσβιβάζων ύμας, τάς μέν βοηθείας ώς δει την πόλιν πρότερον ποιεΐσθαι τοις άεί δεομένοις των Ε λ λ ή ν ω ν , τάς δέ συμμαχίας υστέρας μετά τάς ευεργεσίας. Eine andere Reihenfolge der Ereignisse vermittelt freilich Philoch. (FGrHist 328) frg. 159 συμ-

Die Demosthenes-Reden des Jahres 341

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Auffallend ist die Länge der drei Reden, die alle über 70 Paragraphen umfassen und damit die sonst längste Staatsrede, die 1. Philippika, um etwa ein Drittel übertreffen. Während die Chersonesitica einen sehr konkreten Anlaß, den Streit um Diopeithes, hat, befassen sich die beiden anderen eher mit der allgemeinen Lage. Die 3. Philippika bildet eine organische Einheit 200 , während die Teile der 4. Philippika weniger stringent miteinander verbunden sind 201 . Daß die drei Reden innerhalb von nur wenigen Monaten entstanden sein müssen, ist nie ernsthaft bezweifelt worden 202 . Die überzeugendsten Belege dafür203 sind die Hinweise auf den andauernden Thrakienfeldzug des Königs 204 , auf die Bedrohung des Hellespont und von Byzanz durch ihn 205 , auf die kurz zuvor in Kardia eingetroffene makedonische Garnison 206 , auf ein bestimmtes Schreiben Philipps 207 , auf den Aufruf des Demosthenes, diejenigen zu unterstützen, die sich mit Philipp bereits im Kampf befanden (gemeint sind vor allem die Kleruchen auf der Chersones) 208 , auf die Beschuldigungen gegen Diopeithes, die in der Chersonesitica offen angesprochen werden, in den beiden anderen Reden aber nur als Anspielungen erscheinen 209 , und auf den Vorwurf der Kriegstreiberei gegen Demosthenes und seine Gesinnungsgenossen 210 .

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μ α χ ί α ν ' Α θ η ν α ΐ ο ι π ρ ο ς Χ α λ κ ι δ ε ΐ ς έ π ο ι [ ή σ α ν τ ο και] ή λ ε υ Ο έ ρ ω σ α ν Ώ ρ [ ί ] τ α ς μ ε τ ά Χ α λ κ ι δ έ ω ν . Für das J. 342/1 entschied sich auch R. Sealey, Dionysius of Halicarnassus and Some Demosthenic Dates, REG 68,1955, 77-120, hier S. 103 f. 108-110. Zu der kurzen und der (interpolierten) langen Fassung der 3. Philippika vgl. Bühler 59-77; Sealey 233-5. Die ältere Literatur bei A. Schäfer II 2 480 Anm. 1 u. Drerup, Advokatenrepublik 113 Anm. 115. Vgl. unten Abschnitt IV. Für diejenigen, die an die Echtheit der 4. Philippika nicht glauben, stellt sich natürlich nur die Frage nach der Datierung der beiden anderen Reden, vgl. z.B. A. Schäfer II 2 468 Anm. 2 (D. 8 im März 341; D. 9 im Mai 341) u. Beloch II 2 2,293 f. (D. 8 im April/ Mai; D. 9 „wenige Wochen oder Monate später"). Sie wurden von Fritsch in seiner Göttinger Dissertation kurz nach der Jahrhundertwende zusammengestellt. 8,2. 14. 18. 35. 44 (= 10,15); 9,17. Vgl. Komm, zu § 15. 8 , 3 ; 9,27 bzw. 8,66 (= 10,68); 9,34. Vgl. Komm, zu § 68. 8,58 (= 10,60). 64 (= 10,65). 66 (= 10,68); 9,16. 35; 10,18. Vgl. Komm, zu § 18. 8 , 1 6 . 6 2 (= 10,64). 64 (= 10,65); 9,8. 14. 16 sq. 27. Vgl. Komm, zu § 64. 9 , 1 9 s q . (z.T. vielleicht interpoliert). 70. 73; 10,19 τοις ... ά μ υ ν ο μ έ ν ο ι ς ή δ η χ ρ ή μ α τ α και τ ά λ λ ' δ σ ω ν δ έ ο ν τ α ι δ ί δ ο ν τ ε ς (vgl. Komm. dazu). 8,6. 8. 39 ( π α ύ σ α σ θ ε ... κ α τ η γ ο ρ ο ϋ ν τ ε ς ά λ λ ή λ ω ν ) . 5 2 - 5 5 (= 10, 55-57); 9,2. 14sq.; 10,20 ( ά λ λ ή λ ο υ ς α ί τ ι α σ θ ε ) . 76 ( μ η δ έ ν ά λ λ ο ν α ί τ ι α τ έ ο ν ) . Vgl. Komm, zu § 20. Nicht immer läßt sich deutlich unterscheiden, ob der Vorwurf, einen Krieg zu verursachen, sich auf Diopeithes oder auf einige Redner in Athen (Demosthenes und seine Gesinnungsgenossen) bezieht. Zweifelsohne um die letzteren geht es 8, 56 (= 10,58). 58 (= 10,60) u. 9 , 6 (interpoliert). Hierher gehört die Aufforderung an die Redner, die Krieg wollten, offen eine Kriegserklärung zu beantragen: 8 , 4 κ α ΐ π ρ ώ η ν τ ι ν ό ς ή κ ο υ σ

42

Einleitung

Im Mittelpunkt aller drei Reden steht die Problematik der zunehmenden Kriegsgefahr und des angemessenen Umgangs damit. Die Verantwortung für die entstandene Lage wird Philipp angelastet: Er habe sich (gegen die Bestimmungen des Philokrateischen Friedensvertrages) athenisches Gebiet angeeignet 211 , sehe in Athen seinen gefährlichsten Gegner, sei deshalb dessen Feind (besonders Athens demokratische Verfassung sei ihm ein Dorn im Auge) und wolle es vernichten 212 ; auch seine anderweitigen Eroberungen richteten sich gegen Athen 213 , er bedrohe aber zugleich ganz Griechenland214, besonders die demokratische Staatsform der Städte 215 . Den Athenern bleibe keine Wahl: Sie müßten ihm Einhalt gebieten 216 , dürften dies aber - seinem Beispiel folgend - durchaus unterhalb der Ebene einer Kriegserklärung tun 217 ; sie sollten sich

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είπόντος έν τη βουλή ώς άρα δε! τόν συμβουλεύοντα ή πολεμεΐν άπλώς ή την είρήνην άγειν συμβουλεύειν. 10,17 δει, μά ΔΙ', ού γράψαι κελεύειν πόλεμον τόν τά βέλτιστα ... συμβουλεύοντα, vgl. 10,18sq. In dieselbe Richtung weist die Frage der Gegner τί ούν χρή ποιεΐν8,23 und 38 (= 10,11). Vgl. auch 8,59 (= 10,61). 68 ού γάρ έθέλεις γράφειν ούδέ κ ι ν δ υ ν ε ύ ε ι . 8 , 6 (πολλά ... των ημετέρων αδίκως είληφώς, υπέρ ων ψηφίσμαθ' ύμέτερ' έγκαλοΰντα κύρια ταυτί). 8,58 (= 10,60). 63 sq. (= 10,65). 66 (= 10,68); 9,6. 15 sq.; 10,12 (= 6,17). 18. 8,3 έχθρός ύπαρχων τη πάλει. 4 - 7 . 35 έπιβουλεύει Φίλιππος ήμϊν και πασι τοις Έ λ λ η σ ι ν . 39^45 (= 10,11-17; besonders 8,39 [= 10,11] τη πόλει Φίλιππος πολεμεΐ και τήν είρήνην λέλυκεν [...] καί κακόνους μεν έστι και έχθρός δλη τη π ό λ ε ι . . . , ούδενί μέντοι μάλλον η τη πολιτεία πολεμεΐ). 53 (= 10,56) τόν τά τοϋ πολέμου πράττοντα. 60 (= 10,62) ού ... ύφ' αύτώ τήν πόλιν ποιήσασθαι βούλεται Φίλιππος, άλλ' δλως άνελεϊν. 61 (= 10,63) ΰπέρ των εσχάτων δντος (bzw. έσομένου) τοϋ αγώνος. 10,49 τ ω μάλισθ' ύμΐν έπιβουλεύειν Φίλιππον. 62 ύμών ούχί φείσεται, ειπερ έγκρατής γενήσεται. Vgl. auch das als Warnung erwähnte Schicksal des δήμος in Oreos und Eretria nach Einsetzung der Tyrannen 9,65 sq. 8 , 6 πάντα ... τόν χρόνον συνεχώς τά τών άλλων Ε λ λ ή ν ω ν καί βαρβάρων λαμβάνων καί έφ' ημάς συσκευαζόμενος. 4 3 - 4 5 (= 10,15-17). 66 (= 10,68); 9 , 9 πάντα τάλλα λαβών έφ' ημάς ήξει. 18 (Megara, Euböa und die Peloponnes, die er zu beherrschen sucht, gehörten zu den vitalen Interessengebieten Athens). 27; 10,57. 9 , 1 9 sq. 22. 25-27. 32 sq. Die „panhellenische" Verantwortung Athens wird beschworen 8 , 4 9 (= 10,25); 9,45. 74 sq., die ταραχή bzw. die Tatenlosigkeit angesichts der Eroberungspolitik Philipps in Griechenland beklagt 9,21. 28 sq. 3 3 - 3 5 ; 10,51 sq. (und mit der Ausbreitung des Verrats in den Städten begründet: 9,36^40, vgl. 9,49), vgl. Fritsch 38. Philipp sei in Griechenland ein Fremder: 9 , 3 0 sq. 45 (an der letzten Stelle Analogie Persien/ Philipp). Für ähnliche Beispiele aus der 2. Philippika vgl. oben Anm. 30. 8,43 (= 10,15); 10,4sq. Vgl. Komm, zu § 11 τη πολιτεία πολεμεΐ. 8,7 άμύνεσθαι τόν πρότερον πολεμοϋνθ' ήμϊν. 9,8. 19. 51 ού δει προσέσθαι τόν πόλεμον εις τήν χώραν. 10,10 ού στήσεται πάντας άνθρώπους άδικών ..., εί μή τις αύτόν κωλύει. 9 , 8 φάσκειν ... είρήνην άγειν εί βούλεσθε, ώσπερ έκεϊνος, ού διαφέρομαι. 1 0 , 1 9 δν έκεϊνος πολεμεΐ τρόπον, τούτον μιμεΐσθε (Philipp selbst führe Krieg ohne eine Kriegserklärung: 8,59 [= 10,61]; 9,8. 10-14).

Die Demosthenes-Reden des Jahres 341

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aber auf jeden Fall militärisch vorbereiten 218 , die Gegner Philipps mit Geld und Truppen unterstützen 219 und sich Verbündete suchen 220 ; besondere Aufmerksamkeit sollten sie der Bekämpfung der Verräter schenken 221 . Überhaupt spielt in den drei Reden des Jahres 341 die Auseinandersetzung des Demosthenes mit seinen Gegnern und Feinden in Athen eine wichtige Rolle: Sie seien schuld an den Schwierigkeiten der Stadt 222 , sie betrieben mit ihren Angriffen auf Diopeithes 223 und die patriotisch gesinnten Redner 224 die Auflösung der athenischen Truppen auf der Chersones (verräterische Absichten werden unterstellt) 225 , sie priesen bei jedem Übergriff Philipps den Frieden und beschwörten die Gefahr der Unterschlagung der für die Truppen bestimmten Mittel 226 , sie wollten, daß die Athener untereinander stritten, um Philipp zu nützen 227 , oder sie wollten zumindest dem Volk gefallen, indem sie teure Verteidigungsanstrengungen für überflüssig erklärten 228 . Wiederholt werden die Athener selbst kritisiert: wegen ihrer Geduld gegenüber den Verrätern 229 , wegen ihrer Versäumnisse und der mangelhaften Bereitschaft ihrer Streitkräfte 230 , wegen ihrer Passivität, Gleichgültigkeit und mangelnden Opferbereitschaft 231 und wegen ihres fehlenden Willens zuzuhören bzw. das als richtig Erkannte in die Tat umzusetzen 232 . Die enge inhaltliche Zusammengehörigkeit der drei Reden des J. 341 ist somit unverkennbar.

2 8

· 8,3. 19 sq. 46sq. (= 10,19. 21 sq.). 76; 9,70. 73. Vgl. oben Anm. 208. 220 8,76 πρέσβεις έκπέμπειν πανταχοϊ τους διδάξοντας, νουθετήσοντας, πράξοντας. 9, 71. 73; 10,31-34 (Persien). Vgl. Wüst 117f. 221 8,61 (= 10,63) τους πεπρακότας αυτούς έκείνφ μισεΐν κάποτυμπανίσαι. 76 τους επί τοις πράγμασιν δωροδοκοϋντας κολάζειν και μισεΐν πανταχού. 9,53 τοΰς παρ' ύμϊν ύπέρ αϋτοΰ λέγοντας μισήσαι. Vgl. 9,42-45. 222 D. 8,10-12. 18. 20. 32-34. 52sq.; 9,2. 4; 10,46. 54sq. 75sq. Vgl. Fritsch 12. 223 Vgl. Anm. 209. 224 Vgl. Anm. 210. 225 8,10 τήν ϋπάρχουσαν xfj πόλει δύναμιν καταλϋσαι ζητοϋσι, τον έφεστηκότα και πορίζοντα χρήματα ταύττ) διαβάλλοντες έν ύμΐν. 13-18. 20. Vgl. oben Anm. 187. 226 8,52 (= 10,55), vgl. 8,54 sq. (= 10,56 sq.). 227 8,57 (= 10,59, hier mit dem Vorwurf der Bestechlichkeit verbunden); 9,2. 228 8,1. 34. 53. 69 sqq; 9,2. 4. 63 sq., vgl. Fritsch 35. 229 9,54sq.; 10,75. 230 8,12. 32; 10,21 sq. 231 8,21 οΰτε χρήματ' είσφέρειν βουλόμεθα, οΰτ' αυτοί στρατεύεσθαι, οΰτε των κοινών άπέχεσθαι δυνάμεθα, οΰτε τάς συντάξεις Διοπείθει δίδομεν κτλ. 23. 32-34. 36. 53.67 (= 10,69); 9,5; 1 0 , 1 . 3 . 6 . 46. 49. 75. 232 8 , 22; 10,75. 219

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Einleitung

IV. Die 4. Philippika. Komposition und Echtheit 2 3 3 Vor der Erörterung der Echtheitsfrage zunächst eine schematische Übersicht über den Inhalt der Rede: §§ 1-10 Proömium: Mahnung zu Taten und Aufzählung der Versäumnisse der Athener seit dem Philokrateischen Frieden. §§ 11-27 Der erste Abschnitt, dessen Wortlaut mit dem eines Abschnitts der Chersonesitica (D. 8,38-51) weitgehend identisch ist: Die Notwendigkeit militärischer Vorbereitungen angesichts der Bedrohung durch Philipp 234 . §§ 28-30 Übergang: Mahnung an die έκκλησία, dem Redner zuzuhören. §§ 31-34 Empfehlung, mit dem Großkönig in Verhandlungen zu treten. §§ 35-45 Mahnung zu Eintracht zwischen Arm und Reich in der Stadt 235 . §§ 46-48 Philipp habe die Hegemonie in Griechenland übernommen. §§ 49-70 Der zweite Abschnitt, dessen Wortlaut mit dem eines Abschnitts der Chersonesitica (§§ 55-70 = D. 8,52-67) weitgehend identisch ist 236 : Der Verrat, der der Hauptgrund für den Machtzuwachs Philipps sei, müsse entschlossen bekämpft werden. §§ 70-74 Ausfall gegen Aristomedes. §§ 75 sq. Epilog: Beteuerung der eigenen Wahrheitsliebe und des guten Willens. Schon in der Antike gab es - freilich, wie es scheint, nur vereinzelte Stimmen, die die Echtheit der Rede in Frage stellten 237 . Von den neueren Gelehrten hat L. C. Valckenaer als erster behauptet, die Rede sei zwar aus demosthenischen Stücken, aber nicht von Demosthenes selbst zu233

Literatur bei Wüst 118 Anm. 3. Für die - wenig überzeugende - Athetese der §§ 13-16. 24-27. 55-58. 6 0 - 6 2 u. 64-69 vgl. Welzhofer 24-36, der S. 4CM6, gleich zwei Redaktoren annimmt, von denen der erste Anaximenes gewesen sei. 235 Dieser Abschnitt ist ziemlich schlecht in die 4. Philippika eingebunden, kann aber trotzdem von Demosthenes selbst (vielleicht aus einer anderen Rede) stammen, vgl. dazu Komm. z. St. und zu § 46 των δέ π α ρ ό ν τ ω ν πραγμάτων. 236 Vgl. oben Anm. 234. 237 Α ν α σ τ ά σ ι ο ς ό Έ φ έ σ ι ο ς καί τίνες των τ ε χ ν ο γ ρ ά φ ω ν (vgl. Ioannes Siceliota ad Hermog. VI 2 5 3 , 2 2 - 2 4 Walz) nahmen am Vergleich μ α ν δ ρ α γ ό ρ α ν πεπωκόσιν έοίκαμεν άνθρώποις Anstoß. Alexandres, Dioskoros und Zenon ό πολυθρύλητος behaupteten, die Rede enthalte von den τελικά κεφάλαια nur τό συμφέρον (und also nicht auch τό καλόν, τό δ υ ν α τ ό ν u.a.; vgl. Schol. in D. 10,1 p. 143,24 Dilts), weshalb sie A. Schäfer, Beil. IV 95 ebenfalls zu den Zweiflern zählt. Damit liest er aber zuviel in die Worte des Scholiasten hinein, vgl. den Widerspruch von Spengel, Δημηγορίαι 85. 234

Die 4. Philippika. Komposition und Echtheit

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sammengestellt 238 ; ihm folgten F. A. Wolf 239 , Böckh 240 und Westermann241. Winiewski 242 und Benseier 243 betrachteten die Rede als echt, aber interpoliert, während Böhnecke 244 , Lord Brougham 245 und Spengel 246 sich ohne Wenn und Aber für ihre Echtheit aussprachen 247 . A. Schäfer widmete der 4. Philippika eine Beilage, in der er die Argumente gegen die Echtheit zusammenfaßte 248 : Er fand vor allem die Wiederholungen (besonders aus der Chersonesitica) anstößig, glaubte stilistische Schwächen in der von der 4. Philippika gebotenen Fassung der Parallelstellen ausmachen zu können, meinte, daß der Angriff auf Aristomedes nicht den Regeln der symbuleutischen Rede entspreche und daß der Abschnitt über das Theorikon nicht mit den bekannten Ansichten des Demosthenes in Einklang zu bringen sei 249 . Blaß 250 und Weil 251 meinen hingegen, sie bestehe aus echten, von Demosthenes selbst geschriebenen Abschnitten, die jemand in seinem Nachlaß gefunden und

238

Vgl. Oratio sive diatribe de Philippi Amyntiadae indole ... habita ... 1760, in: Ti. Hemsterhusii orationes ..., L.C. Valckenari tres orationes, Leyden 1784, 225-282, S. 251, Anm. 35 „quae (sc. Philippica quarta) mihi quidem ex Demostheneis ab alia manu videtur conflata". Vgl. auch Taylor bei Reiske, Praef. ad Annotatt. p. 118 „mihi fides huius orationis valde suspecta est propter locos communes" (nicht gesehen). 239 Demosthenis orat. adv. Leptinem c. schol. vet. et comm. perpetuo, Halle 1789, proleg. LX („quam orationem Valckenarius, plane me probante, suspectam habet"). 240 Staatshaushaltung 223 Anm. g u. 277 Anm. c. 241 Quaest. 133-159. 242 Komm, zu D. 18,169 „quae (sc. Philippica quarta) verae orationis Demosthenicae partes aliquas continet, sed aliarum orationum laciniis consarcinatas" und 190 Anm. „genuinae (sc. orationis) certe partes exstant in quarta, quam nos vocamus, Philippica"). 243 De hiatu 1841,76-81. Seine Argumente: 1. Der Hiat werde in der 4. Philippika mit derselben Sorgfalt gemieden wie in den anderen Reden des Demosthenes; 2. Die Parallelstellen seien von einem Rhetor aus der Chersonesitica in die 4. Philippika übernommen; 3. Der Widerspruch zwischen dem Abschnitt über das Theorikon zu der sonst bekannten Einstellung des D. zu dieser Einrichtung löse sich durch die inzwischen eingetretene Entspannung der finanziellen Lage der Stadt (statt der früheren 130 Talente jährlich nehme die Stadt nunmehr 400 Talente ein) sowie durch die erwarteten persischen Subs i d i e s Ähnlich: id. De hiatu in Demosthenis orationibus, 5. Jahresber. d. Gymn. zu Freiberg, 1848,19 f. 244 4 6 3 ^ 6 8 . Er glaubt sogar an die Echtheit der Parallelstellen (§§ 11-28 u. 54-69). 245 8,20 und Edinburgh Review 36,1821,82-110. 246 Δ η μ η γ ο ρ ί α ι 83-105, besonders 104f. 247 Spengel a. O. spricht, anders als die opinio communis, die Parallelstellen nicht der 4. Philippika, sondern der Chersonesitica ab, hält die Verteidigung des Theorikons zwar für sehr problematisch, aber doch denkbar (S. 96-100) und fragt sich, ob die 4. Philippika nicht im Nachlaß des D. gefunden wurde. 248 Beil. IV 94-103; S. 101 dokumentiert er die Meinungen seiner Vorgänger. 249 Vgl. schon Böckh, Staatshaushaltung I 3 277 Anm. c. 250 Att. Beredsamkeit, III 2 1,382-392, besonders 390-392. 251 S. 358-366.

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Einleitung

zu einer einzigen Rede zusammengefügt habe 252 . Grundsätzlich dieselbe Ansicht vertrat zuletzt auch Canfora, der freilich eher zur Annahme neigt, daß die Teile der 4. Philippika nicht so sehr von einem Redaktor mit der Absicht, eine Rede zu bilden, bewußt zusammengestellt worden als vielmehr durch Zufall nebeneinander geraten seien 253 . Die Entdeckung des Didymos-Kommentars lieferte neue Argumente für die Echtheit der Rede 254 . Dadurch wuchs aber auch das Bedürfnis, die Parallelstellen der Chersonesitica und der 4. Philippika zu erklären 255 , da kaum angenommen werden kann, daß Demosthenes im selben Jahr zwei Reden herausgegeben hätte, die so große Abschnitte mit fast identischem Wortlaut enthielten. An diesem Punkt unserer Darstellung müssen die verschiedenen Hypothesen berührt werden, die über die symbuleutischen Reden des Demosthenes aufgestellt wurden. Die im 19. Jh. vorherrschende Meinung war, daß Demosthenes seine Reden nach deren mündlichem Vortrag vor der Ekklesia für den Vertrieb in schriftlicher Form überarbeitet habe 256 . Um die Jahrhundertwende fand die Auffassung Verbreitung, daß 252

Blaß, Att. Bereds. III 2 1,389 findet die Komposition der 4. Philippika „sehr mangelhaft" und meint, der Abschnitt über das Theorikon stamme aus früher Zeit (vor dem J. 357), die erste Fassung der Parallelstellen finde sich in der 4. Philippika, sei aber für die Chersonesitica von D. selbst überarbeitet worden. Nur die §§ 24-27 seien mit sehr geringfügigen Änderungen von einem Redaktor aus der Chersonesitica (8,48-51) in die 4. Philippika übernommen (S. 386). Weil 365 zweifelt nur an der Echtheit von §§ 35-45 unserer Rede. 253 Per la cronologia 35 f., dann in seiner Ausgabe S. 27 f. und schließlich in: Les savoirs de Γ ecriture. En Grece ancienne, herausg. v. M. Detienne (= Cahiers de philol. publ. par le Centre de Recherche Philol. de Γ Univ. de Lille III, 14), Lille 1988,219. Daß jedoch die 4. Philippika durchaus eine Rede sein will, läßt sich ernsthaft nicht bestreiten. 254 Vgl. Körte 388^Φ10, der folgende Argumente anführt: 1. Die Echtheit der 4. Philippika sei von den Alexandrinern offensichtlich nie bezweifelt worden (389); 2. Der schon aus Schol. in Aesch. 3,85 bekannte terminus ante quem der Rede, die Befreiung von Oreos im Monat Skirophorion des J. 341, sei durch Didym. bestätigt (389f.); 3. Die Anspielung auf Hermias von Atameus D. 10,32 und die Chronologie der Ereignisse um ihn stützten die Datierung der 4. Philippika auf das Ende des J. 342/1 (390-395); 4. Didymos liefere eine erneute Bestätigung der Angaben D. 10,37 sq. über die Staatseinkünfte der Athener (397); 5. Die Auskünfte über Aristomedes widerlegten frühere Theorien über eine Fiktion des Fälschers (398-400); 6. Alles in der Rede beziehe sich auf eine kurze Zeitspanne im Frühjahr 341, wodurch die Hypothese, später sei ein Redaktor am Werk gewesen, hinfällig werde (401 f.). Körte äußert Zustimmung zur Annahme von Wilamowitz II 215 Anm. 5, daß die 4. Philippika keine richtige Rede, sondern eine politische Flugschrift sei (403). 255 Körte 402 f. meint, Demosthenes habe im J. 341 die Chersonesitica nur gehalten; veröffentlicht habe er wenig später ausschließlich die als Broschüre geschriebene 4. Philippika. Zur Theorie von Adams und Daitz (Demosthenes habe zuerst die Chersonesitica ohne die Parallelstellen gehalten, dann die 4. Philippika mit ihnen und schließlich nur die Chersonesitica mit den eingefügten und adaptierten Parallelstellen publiziert) vgl. die Appendix. 256 Vgl. z . B . Blaß, Att. Bereds. III 2 1,74-80.

Die 4. Philippika. Komposition und Echtheit

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es sich bei den demosthenischen Demegorien um Flugschriften handle, die mit den gehaltenen Reden, was das Gedankengut anlangt, zwar viele Gemeinsamkeiten hätten, in der uns vorliegenden Form aber nie gehalten worden seien, zumal in mehreren von ihnen kein Bezug zu irgend einem konkreten Antrag an die Volksversammlung hergestellt werden könne, die Behandlung der besprochenen Fragen zu allgemein gehalten, die Bezugnahme auf die Gegner zu spärlich sei und der hohe Konzentrationsgrad der Reden einen Hörer schlicht überfordere 257 . Die PamphletTheorie fand aber von Anfang an Gegner 258 und wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg durch einen scharfsinnigen Aufsatz von Ch. D. Adams stark erschüttert 259 . Adams gab nachdrücklich zu bedenken 260 , wie wenig Nutzen sich ein aktiver Politiker unter den Bedingungen der direkten Demokratie in einer überschaubaren Stadt wie dem damaligen Athen von Pamphleten versprechen durfte. Wenn man dazu noch die tiefe Abneigung der Athener für derartige Schreibereien 261 bedenkt, muß man sagen, daß Flugschriften zu schreiben Demosthenes mehr geschadet als genützt hätte. Wir dürfen ferner sicher sein, daß sich Aischines nicht hätte entgehen lassen, aus dergleichen Schriften seines Gegners Passendes genüßlich vorzutragen. Er benutzte ja die Vergangenheit des Demosthenes als Logograph wiederholt zur Diabole 262 und ließ (scheinbar beiläufig) durchschimmern, daß dieser seine Reden im voraus niedergeschrieben habe 263 . Daß er fingierte Reden vertrieben hätte, sagt er aber nie. Die Pamphlet-Theorie ist damit wohl als erledigt zu betrachten. Bei einem aktiven Politiker überrascht aber auch schon die Herausgabe von 257

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Vgl. Wilamowitz II 215 Anm. 5; eund., Die griechische und lateinische Literatur und Sprache, Leipzig-Berlin 3 1912 (= Die Kultur der Gegenwart, herausg. v. P. Hinneberg, 18), 121-123; E. Schwartz, Demosthenes Erste Philippika (Festschr. Th. Mommsen), Marburg 1893,40-43; Wendland 292f. (= 103 f.): Die 4. Philippika gebe eine Vorstellung von der wirklichen Staatsrede „in der Mitte zwischen wirklichen Volksreden und den Broschüren des Isokrates". Körte 403 äußerte Zustimmung für die Pamphlet-Theorie von Wilamowitz, und sein Schüler K. Hahn versuchte sie mit seiner Gießener Dissertation ,Demosthenis contiones num re vera in contione habitae sint quaeritur', Gießen 1910, zu untermauern. Vgl. Th. Thalheim, Berliner Philol. Wochenschr. 31,1911, Sp. 705-707 (Besprechung der Dissertation von K. Hahn, vgl. oben Anm. 257). Are the Political „Speeches" of Demosthenes to be regarded as Political Pamphlets? ΤΑΡΑ 43, 1912,5-22. S. 8f. Eindrucksvoll belegt von H.L. Hudson-Williams, Political Speeches in Athens, CQ 45,1951,68-73. Vgl. z.B. 1,94 λ ο γ ο γ ρ ά φ ο ς ... τις (so auch 2,180: τω λ ο γ ο γ ρ ά φ ω ) . 117 ό τάς των λόγων τ έ χ ν α ς κατεπαγγελλόμενος τούς ν έ ο υ ς διδάσκειν. 125 σοφιστοϋ. 170 άνθρώπου τεχνίτου λόγων (so auch 3,200: τεχνίτην λόγων); 2,165 λόγους είς δικαστήρια γ ρ ά φ ο ν τ α μισθοϋ. 2 , 35 των γεγραμμένων διεσφάλη.

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Einleitung

echten Demegorien. Denn außerhalb des Corpus Demosthenicum (das auch eine Rede des Hegesippos und zumindest eine weitere, mit Sicherheit nicht von Demosthenes verfaßte Staatsrede enthält 264 ) ist uns nur noch eine einzige Demegorie überliefert 265 . Bei dieser Sachlage verwundert es nicht, daß J. Trevett 266 kürzlich die These aufgestellt hat, Demosthenes habe seine Demegorien selbst nie „veröffentlicht"; sie seien vielmehr erst nach seinem Tode dem Publikum zugänglich gemacht worden. Trevett ist zumindest der Nachweis gelungen, daß es für die opinio communis keine Beweise gibt: Der einzige uns bekannte Zeitgenosse, der Niederschriften von Demosthenes-Reden gelesen haben will, ist Aision; aus der von Plutarch Dem. 11,4 mit Berufung auf Hermippos erzählten Anekdote geht aber nur soviel hervor, daß Aision Zugang zu Hss. mit Demosthenes-Reden hatte, als er - schon ein alter Mann - den Jüngeren von Demosthenes erzählte, den diese nur noch von Hörensagen kannten; da Demosthenes in diesem Zusammenhang unter den ρήτορες erwähnt wird, ist anzunehmen, daß diese Reden Demegorien waren. Trevett weist ferner darauf hin, daß in den Demegorien keine Zeichen einer nachträglichen Überarbeitung auszumachen und die gelegentlich erhobenen Klagen wegen der angeblichen Ungenauigkeit der demosthenischen Staatsreden unbegründet seien. Da nun die Veröffentlichung von Demegorien in der Zeit des Demosthenes ungewöhnlich gewesen sei und von Demosthenes bekannt sei, daß er seine Reden im voraus niedergeschrieben habe, sei es am einfachsten anzunehmen, daß uns gerade die Konzepte einiger demosthenischer Demegorien überliefert wurden. Gegen die These Trevetts ließe sich freilich einwenden, daß mehrere demosthenische Demegorien außerordentlich sorgfältig ausgearbeitet sind, und daß er seine Reden im engeren Kreis seiner Mitstreiter gelegentlich durchaus zirkulieren lassen konnte, z.B. um die Abstimmung der Argumentation in den anstehenden Debatten zu erleichtern. Es ist auch möglich, daß er in bestimmten Situationen ein Interesse an der Veröffentlichung von Demegorien hatte, wohl nicht um die Wirkung der gehaltenen Rede durch den Vertrieb der schriftlichen zu verstärken, sondern z.B. um nachzuweisen, daß er mit einer bestimmten Stellungnahme Recht ge-

264 265

266

[D.] 7 bzw. 17. And. 3. Dabei gab es offensichtlich nur ganz wenige Verluste: Uns hat nämlich die Nachricht von höchstens einem halben Dutzend verlorengegangener Demegorien erreicht; eine darunter stammte von Andokides, zwei von Hypereides und eine vielleicht von Demosthenes, vgl. Μ. H. Hansen, Demosthenes' Publication of his Symbouleutic Speeches, CM 3 5 , 1 9 8 4 , 6 0 - 7 0 . Did Demosthenes publish his deliberative speeches? Hermes 124,1996,425^141.

D i e 4. Philippika. Überlieferung

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habt habe: Als z.B. Athen nach dem Philokrateischen Frieden mit dem Mißtrauen der Peloponnesier konfrontiert war, konnte es nicht schaden, auf die Megalopolitaner-Rede hinzuweisen; als er der Kriegstreiberei beschuldigt wurde, war ihm der Hinweis auf die Friedensrede gewiß von Nutzen, und als sich die Athener über den Machtzuwachs Philipps ärgerten, konnten die Olynthischen Reden vorzüglich bezeugen, daß Demosthenes rechtzeitig für die Bekämpfung des Königs plädiert habe. In der Zeit des Exils kann ferner Demosthenes mit der Veröffentlichung einiger Demegorien versucht haben, wieder auf sich aufmerksam zu machen, und gegen Ende seiner Laufbahn kann er auch an seinen Platz in der Geschichte seiner Stadt gedacht haben. Die Hypothese Trevetts paßt aber zumindest zu der Chersonesitica und der 4. Philippika vorzüglich. Es ist nämlich kaum vorstellbar, daß Demosthenes diese beiden Reden mit so langen fast wörtlich übereinstimmenden Abschnitten schriftlich verbreitet hätte. Ebensowenig plausibel ist es, daß in der Ekklesia zwei so ähnliche Reden höchstens ein paar Monate nacheinander vorgetragen worden wären. Wenn beide Reden echt sind - und stichhaltige Argumente lassen sich gegen ihre Echtheit m. E. nicht vorbringen 267 - , muß zumindest eine von ihnen aus vorläufiges Produkt aus der Werkstatt des Meisters stammen und zu seinen Lebzeiten höchstens dem einen oder anderen engen Mitstreiter gezeigt worden sein.

V. Handschriften, Ausgaben und Kommentare Die 4. Philippika des Demosthenes ist uns in über einhundert Hss. überliefert 268 . Fuhr zieht zur Konstitution des Textes seiner Teubneriana, wie auch sonst im Falle der Staatsreden, lediglich vier von ihnen heran, und zwar die Codices S (= Parisinus 2934 aus dem 9. oder 10. Jh. [= Canfora, Inventario, Nr. 152]), F (= Marcianus 416 aus dem 10. Jh. [= Canfora, Inventario, Nr. 240]), A (= Monacensis 485 aus dem 10. oder 11. Jh. 267

268

Zweifelsfrei beweisen ließe sich natürlich nur die Unechtheit. Für die unzähligen D e tails, die für die Echtheit der 4. Philippika sprechen, vgl. den Komm, passim und die Appendix. Zum Sonderproblem mit den §§ 3 5 - 4 5 vgl. oben Anm. 235. Canfora, Inventario 86 führt 107 Hss., die unsere Rede überliefern, auf und drei, die Auszüge enthalten. R.E. Sinkewicz, Manuscript Listings for the Authors of Classical and Late Antiquity (Greek Index Project Series 3), Toronto 1990 (Mikrofiche) verwertet das Verzeichnis Canforas leider nicht, sondern stützt sich für Demosthenes nur auf Bibliotheks-Kataloge, aus denen oft nicht ersichtlich ist, welche Reden die dort aufgeführten Hss. enthalten. Canforas Inventario bleibt somit weiterhin grundlegend (für Ergänzungen, die auch unsere Rede betreffen, vgl. D. Irmer, Gnomon 4 2 , 1 9 7 0 , 7 4 6 f.).

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Einleitung

[= Canfora, Inventario, Nr. 127]) und Y (= Parisinus 2935 aus dem 10. Jh. [= Canfora, Inventario, Nr. 153]). Bisher ist zwar nur ein Bruchteil der Demosthenes-Hss. kollationiert worden. Die neueren Untersuchungen sprechen aber ausnahmslos dafür, daß die von Fuhr getroffene Auswahl richtig ist, da alle bisher verglichenen Hss. - zumindest was die Staatsreden anlangt - sich als Abkömmlinge von SFAY erwiesen haben269. Alle vier Hss. weisen etwa ein halbes Dutzend gemeinsamer Fehler auf, die sich auf ein und denselben Archetyp zurückführen lassen270: § 19 öv έκεΐνος πολεμεΐ τρόπον, τοΰτον |jxi|ieio0ej, τοις μεν άμυνομένοις ήδη χρήματα ... δίδοντες ( L J άμύνεσθε [-σθαι] SFAY, corr. Sdyg.) § 45 εις μεν τόν βίον εαυτών ασφαλώς εχειν (L j τον SFAY, corr. Auger) § 52 τοϋ πρωτεύειν αντιποιούνται μεν πάντες, άφεστασιν δ^ένί^ (l_ j ένιοι SFAY, corr. Nitsche) § 52 άπιστοΰσιν αύτοΐς, ούχ Lou;j έδει (L j ώς SFAY, corr. Weil) § 73 σοι μεν γαρ ήν κλέπτης ό πατήρ ..., τή πόλει δ' ήμών πάντες ί'σασιν οί "Ελληνες (L j ώς SFAY, corr. G. Η. Schäfer) Das höchste Ansehen unter den Hss. genießt der Codex S271. An einigen, freilich meistens leicht zu korrigierenden Stellen überliefert er allein den besseren Text: 269

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Die diesbezüglichen Erkenntnisse Fuhrs und seiner Vorgänger (vgl. vor allem Drerup, ADA 531-588, insbesondere S. 551 und eund., Bericht 287-313, insbesondere S. 294) wurden für Teile des Corp. Dem. durch neuere Untersuchungen bestätigt. Die für uns wichtigste - da sie zwei Staatsreden zum Gegenstand hat - ist Irmer, Genealogie. Vgl. sonst eund., Beobachtungen 4 3 - 6 2 , insbesondere S. 47, Clavaud, Discours d'apparat 4 1 ^ 4 und 90-94, sowie Prologues 56-82; Passweg 118; Wankel 63 f. u. MacDowell 4 8 - 5 7 . Für die allgemeine Textgeschichte vgl. noch unten Anm. 305-310 und die Literatur bei Wankel 65 Anm. 150. Zur selben Feststellung gelangten zuletzt auch Clavaud mit Bezug auf den Epitaphios, den Erotikos und die Prologe (Discours d'apparat 41 u. 90 bzw. Prologues 56) sowie Radicke 62 f. Vgl. Drerup, ADA 551, die Teubneriana Fuhrs, S. XXVII, Pasquali 289, Wankel 65-70; gegen den Primat von S Erbse 263 f. und Irmer, Beobachtungen 4 3 - 6 2 . Für eine Beschreibung der Hs. vgl. Vömel 1857,219-243. Seit Drerup, ADA 552 wird sie um das J. 900 datiert, vgl. Fuhrs Teubneriana, S. Xf., Passweg 86f. Für weitere Literatur zur Hs. S vgl. Canfora, Inventario 49 und Wankel a.O.; G. Prato, Attivitä scrittoria in Calabria tra IX e X secolo, Jahrb. d. Österr. Byz. 3 6 , 1 9 8 6 , 2 1 9 - 2 2 8 , S. 224 (= Studi di paleografia greca, Spoleto 1994,1-11, S. 6 f . ) meint neuerdings, sie sei von zwei Händen im 2. Viertel des 10. Jh. in Reggio Calabria (nicht in Konstantinopel, wie bisher angenommen) geschrieben, vgl. aber Lidia Perria, La minuscola „tipo Anastasio", in: Scritture, libri e testi nelle aree provinciali di Bisanzio (= Atti del seminario di Erice, 18-25 sett. 1988), herausg. v. G. Cavallo, G. de Gregorio, Marilena Maniaci, Spoleto 1991, Bd. I, 271-318, besonders S. 277-279. 290f. 296 f. 305-310.

Die 4. Philippika. Überlieferung

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§ 1 §7 § 28 § 29 § 36 § 39 § 54 § 61

δυσκολώτερον S: δυσκολώτατον FAY ιν' S: άλλ' ιν' FAY ταΐς ουσίοας S: τοις ούσι FAY ουκ άκούειν ... ουχί βουλεύεσθαι S: οΰτ' ά - . . . οΰτε β- FAY ουδέν άν S: ούδ' άν Α, ου ουδέν άν FY πλην εί S: πλην εί μή FAY εις δ πάντα τείνει S: εν εις δ π- τ- FAY πρότερον S (= 8,59 S): πρότερον πριν ή Α (= 8,59 FAY), πρότερον ή FY § 64 πόθεν S (= 8,62 S): έπεί πόθεν Α, πόθεν γάρ FY (= 8,62 FAY) § 69 φοβερός S (= 8,67 SF): φ - . . . γέγονεν Α (= 8,67 ΑΥ), φ- έστιν FY § 71 μετά ραιθυμίας S: διά ραιθυμίαν FAY Bei weitem zahlreicher sind jedoch die Stellen, an denen FAY den besseren Text bietet. Hier folgt nur eine Auswahl: § 7 τοΰ χάριν FAY: τοΰτο χ- S § 15 τί γάρ άν άλλο FAY (= 8,44 AY, τί [ου S] γάρ άλλο τις άν SF): άν om. S § 15 καβύλην FAY: καβυδην S (= 8,44 S)272 § 19 πολεμεϊΡΑΥ: ποιεί S § 22 χρημάτων FAY (= 8,47 SFAY): πραγμάτων S § 23 ώς αληθώς FAY (= 8,47 SFAY): ώς om. S § 31 ευτυχήματα άπό ταύτομάτου FAY: ευτύχημα άπ' αυτομάτου S § 36 ώς οΰ στήσεται FAY: ώς om. S § 37 σκοπείτε FAY: σκόπει S § 42 τούς ... εύπορους FAY: τοις ... εύπόροις S § 45 τά όντα FAY: τά om. S273 § 46 υπό των ταϋτα πολιτευόμενων FAY: ύπέρ των τ- π- S § 48 τό δε συμμάχους FAY: τό μέν σ- S § 49 πάσιν FAY: om. S § 50 άν έναντιωθήναι FAY: άν om. S § 51 εις δύο ταϋτα FAY: om. S § 51 των δ' άλλων FAY: δ' om. S § 54 πάντα τείνει FAY: πάν τ- S 272

273

Ein deutlicher Majuskelfehler. Weitere Majuskelfehler in S s.bei Vömel 1857, 228 sowie Irmer, Beobachtungen 4 8 - 5 0 . Für sonstige Verschreibungen von Eigennamen in S vgl. Radicke 63 Anm. 229. Vgl. § 49 τό των ώνίων πλήθος FAY: τό om. S, § 61 των στρατιωτών FAY (= 8, 59): των om. S und § 63 τοΰ ά γ ώ ν ο ς FAY (= 8,61): τοΰ om. S.

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Einleitung

§ 54 έφ' εκάστου FAY: αφ' έ- S § 57 α και φυλάττειν FAY (= 8,55): α om. S § 58 έπιτρέπειν FAY (= 8,56): προτρέπειν S § 62 δλως FAY (= 8,60): όμως S § 64 ποιοϋντα FAY (= 8,62): ποιοϋντας S § 65 ήδη FAY (= 8,63): δή S § 70 υμάς ... ύμας ... ύμΐνΡΑΥ: ή- ... ή- ... ή - S § 70 εϊποις FAY: ειποι τις S §71 δει FAY: δεΐν S § 75 κάθησθε FAY: -ήσεσθε S § 75 ευθύς FAY: αυτούς S § 76 εστί τάληθή FAY: εστίν αληθή S Die Hauptschwäche der Hs. S besteht demnach in der Unachtsamkeit des Kopisten274. Die Fehler von FAY hinterlassen hingegen den Eindruck, daß sie meist Ergebnis eines bewußten Eingriffs in den Text sind275. Außer den obigen findet sich noch eine ganze Reihe von Abweichungen zwischen S und FAY. Bei ihnen gestaltet sich die Ermittlung der richtigen Lesart zwar etwas schwieriger; bei näherem Hinsehen entdekken wir jedoch dieselben Tendenzen wie oben, daß nämlich durch Zusätze in FAY rhetorisch motivierte Unebenheiten geglättet werden bzw. der Text verdeutlicht wird: § 3 καθώμεθα είρηκότες τά δίκαια, οί δ' άκηκοότες S: οί μέν post καθώμεθα add. FAY, § 32 πιστάς S: π- τάς κατηγορίας FAY § 35 λέγειν post φοβούμαι add. FAY § 63 έσομένου τοΰ άγώνος S (= 8,61): ΰμΐν post αγώνος add. FAY § 76 άργύριον τω λέγοντι ποιήσων, τά δέ κτλ. S: μέν post άργύριον add. FAY Der Verdeutlichung zu dienen scheint auch folgende Abweichung von FAY gegenüber S: § 74 κατ' αυτήν S: κατά τήν πόλιν FAY

274

275

Vgl. z.B. den wiederholten Fortfall eines notwendigen Artikels in §§ 45. 49. 61. 63, der Partikel ά ν in §§ 15. 50, sonstiger vereinzelter Wörter in §§ 23. 36. 49. 51. 57. Die Absicht, den Text verständlicher zu machen, ist ζ. B. bei den fälschlich hinzugefügten Bindewörtern in den §§ 7. 36 (nur FY). 61. 64 offenkundig; ebenso bei der Ergänzung der Kopula § 69 und den Vereinfachungen in §§ 29. u. 71 (bemerkenswert vor allem die Ersetzung des rhetorisch wesentlich wirkungsvolleren Asyndetons ουκ ..., ουχί durch das harmlose οΰτε ... οΰτε). Ähnliche Beobachtungen ζ. B. bei Wankel 68, MacDowell 51.

Die 4. Philippika. Überlieferung

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Eine Tendenz zur Vereinfachung bzw. Normalisierung in FAY läßt sich bei Abweichungen in der Wortfolge feststellen (in eckigen Klammern die weniger deutlichen Fälle): [§ 3 τους λόγους τά εργα S: τά ε- τούς λ- FAY] [§ 15 ου γάρ οΰτως εύήθης υμών έστιν ουδείς S: ού γαρ οΰ- εύέστίν (έσθ') υμών (ημών) ού- FAY] § 19 αύτοΐς ύμΐν S: ύμΐν αύτοΐς FAY [§ 25 τούς άλλους άπαντας "Ελληνας S (= 8,49): τούς άλλους Έ ά- FAY] [§ 30 ύμεϊς τοις άλλοις τουναντίον ποιείτε S: ύ- τ- τοις ά- π- FAY] § 45 ούτω και μικρά μεγάλη πόλις γίγνεται S: ού- και μι- π- με- γFAY § 48 συμμάχους πολλούς έχειν και δύναμιν μεγάλην S: σ- π- και δ- μ- ε- FAY § 72 τη μεν πόλει S: τη π- μεν FAY (/. recepta, cf. prius: την πόλιν δ' et postea: τη πόλει δ') § 73 π α π π ω α σοι και π α τ ρ φ α δόξ' ύπάρχει S: π α π π ω α και πατ ρ φ α δ- σοι ύ- FAY Einige Zusätze in FAY sind als rhetorischer Aufputz zu betrachten: § 6 και 276 καθ' έαυτούς FAY: καί om. S § 43 αλλ5 ουδέ τών άλλων post ούκοϋν 'Αθηναίων γε add. FAY § 70 καί άπράγμονα post ήσύχιον add. FAY § 73 δίς ante εκ τών μεγίστων add. FAY Es finden sich jedoch auch Stellen, an denen FAY den kürzeren Text bieten: § 14 πάντας τούς ανθρώπους S: τούς om. FAY § 17 γ ρ ά ψ α ι . . . τόν πόλεμον S: τόν om. FAY Didym. § 25 εγωγ' αυτός μεν S (= 8,49 S): μεν om. FAY (= 8,49 AY) § 33 ό κοινός άπασιν εχθρός S: ό om. FAY Didym. § 36 καί 277 τάς βλασφημίας S: καί om. FAY § 52 καί πάντων ήκιστα δη S: δη om. FAY Gelegentlich scheint der Text von FAY an ähnliche Stellen anderer Reden angepaßt278: [§ 11 σκοπεί ... πώς S (= 8,40 S): σκοπεί ... οπως FAY (= 8,40 FAY)] § 12 νϋν γ' αν S: νυνί δή Α, νϋν γε δη FY (= 6,17) 276

Emphatisches καί. Emphatisches καί. 278 v g l . Wankel 68. 277

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Einleitung

§ 12 πολύν χρόνον ήδη S : π- ήδη χ- FAY (= 6,17) § 13 μισεΐν S: δικαίως μ- FAY (= 6,18) § 16 τριηρών S: τ- και των έργων των αργυρίων και τοσούτων προσόδων FAY (= 8,45) § 17 γίγνεσθαι S: γενέσθαι FAY (= 8,45) § 23 έπί τοϋ τόπου S: επί της αύτοΰ FAY (= 8,47) § 24 και πάντα S: και άπαντα FAY (= 8,49) [§ 24 ήξει S: εκείνος ή- FAY (= 8,49)] [§ 26 άναγκαΐον S (= 8,51 S): άνάγκη τις FAY (= 8,51 FAY = 4,10)] § 29 άκροασθε S: τηνικαΰτ' ά- FAY (cf. 8,11) § 55 μεγάλην δύναμιν S: δ- μ- FAY (= 8,52) § 63 έξω των της πόλεως έχθρων κρατήσαι S: των έξω της π- έ- κFAY (= 8,61) § 63 προσπταίσαντας S: προσπταίοντας FAY (= 8,61 FAY [8,61 S om.])

§ 65 πεπόνθασιν ά δη πεπόνθασιν S: π- ά δη πάντες ϊσασιν FAY (=8,63) ^ § 66 τούτον τον τρόπον S: ου τον αυτόν τ- FAY (= 8,64) § 69 ύμεΐς έστ' S: έστέ ύμεΐς FAY (= 8,66) Kleine, an und für sich entbehrliche Wörter fehlen in S: § 8 τότ' έαθέντα FAY: τότ' om. S § 34 ου τά γ' έκείνου α'ιτια FAY Didym.: γ' om. S § 50 ει τοις οπλοις ισχύει FAY: ει om. S Sonstiges § 18 τούτο πάντες S: τ- άπαντες FAY279 § 20 άφ' ου S: άφ' δτου FAY § 23 άν εκείνος S, έκεΐνος άν Α, έκεΐνος FY § 29 άν S: έάν FAY § 31 μισούσι και πολεμοϋσι Φίλιππον S: μ- και π- Φιλίππω FAY ( / . recepta)

§ 35 των έν τη πολιτεία δικαίων S (/. recepta): των δ- έν τη π- FAY Didym. § 37 προτέρων S: πρότερον FAY (/. recepta) § 37 ύμΐν S: ήμΐν FAY Didym. (/. cod. S recepta, sed sequitur έποιούμεν, cf. §§ 57. 70) § 40 δσον S: δσ' άν FAY § 42 τινά S: τινάς FAY § 44 διαβιβάζοντας S Didym.: μεταβ- FAY 279

Vgl. § 52 πάντες S: άπαντες FAY sowie § 24 (oben ausgeschrieben).

Die 4. Philippika. Überlieferung

§ § § § § § § §

50 50 54 57 58 61 62 70

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παρασκευάσθαι S (παρε- Fcorr recte): κατεσκ- FAY τοϋθ' S: ταϋθ' FAY άχθεσθαι S: άχθεσθήναί μοι FAY ημών S (= 8,55 F): υμών FAY (= 8,55 SAY cf. §§ 37. 70) πολεμοποιεΐ S: πόλεμον ποιεί FAY (= 8,56) ουδέ γάρ άλλο γ' ουδέν S: ου γάρ άλλο γ' ουδέν FAY (= 8, 59) t ä v S : άν FAY (=8,60) λοιδορίας εϊ τις χωρίς S (7. recepta): λ- χωρίς ε'ί τις FA Didym. (Υ propter rasuram incertam praebet

lectionem)

Sonderlesarten von S bei Uneinigkeit der anderen Hss.: § 13 γένοιτο τάνθρώπωι S, γένοιτ' άν άνθρώπω Α (= 8,41 SF), γένοιτ' άνθρώπωι FY (/. recepta) § 15 δρογγυλον S, δρογγίλον FA (= 8,44 SFAY), δροιτίλον Υ § 20 Φιλιππον δ5 αυτόν ούδε άλλαν (vel άλλον) οΐμαι S, Φ- δ' άν αυτόν ουδέν άλλ' ο'ιομαι Α, Φ- δ' αυτόν οιμαι ουδέν άν άλλο FY § 20 ταϋτα ά ύστερίζετε S, ταΰτα ά νϋν ποιείτε - ύ- Α, ταϋτα· ΰFY § 31 διαφεύγειν S, διαφεύγει Α, διαφέρει FY An einigen wenigen Stellen hat die Hs. Α allein die richtige Lesart erhalten280: § 31 διαφεύγει Α: -ειν S, διαφέρει FY § 55 τό την εί,ρήνην άγειν Α (= 8,52): τώι τ- εί- ά- S, τό om. FY § 63 άποτυμπανίσαι Α (= 8,61 SFA): -τυπ- SFY (= 8,61 Υ) § 69 φέρεσθαι Α: προσφέρεσθαι S, τά πράγματα φέρεσθαι FY {cf. 8, 67 ταΰτα φέρεσθαι) Α weist aber auch zahlreiche (etwa 50 über jeden Zweifel erhabene) Sonderfehler auf. Meistens sind es einfache Verschreibungen, wie z.B.: § 2 ούδ' άδικεϊν SFY: ουκ ά- A § 3 καθώμεθα SFY: -ήμεθα A281 § 3 δικαίοις SFY: -ως A § 8 κατέσκαπτε SFY: -ται A282 280

Für Beschreibungen der Hs. Α vgl. A. Spengel, Über die Handschrift cod. Augustanus I Monac. des Demosthenes, Progr. des k. Ludwigs-Gymnasiums, München 1872; Drerup, ADA 555-558; Fuhr, Einl. zur Teubneriana, S. XVIII-XX; S. Lucä, Boll, della Badia Greca di Grottaferrata, 44 NS, 1990,48-52. Drerup datiert die Hs. auf den Anfang des 10. Jh., Fuhr in das 11. und Lucä auf das Ende des 9. Jh. 281 Der Konjunktiv macht dem Schreiber von Α auch sonst Schwierigkeiten, vgl. z.B. § 4 οϊονται (recte -ωντ-), § 5 αίτήσουσι (recte -ωσι), § 10 έξαριθμήοομαι (recte -σωμαι), § 50 βούλεται (recte -ηται). 282 v g l § 55 ώς οιόν τε SFY: ώς οιονται Α (aber auch § 23 πορεύεται SFY: -τε Α)

56

Einleitung

§ 9 ένεδείξασθε .SFY: έπ- A283 § 9 τοΰτο ποιεΐν SFY: ταϋτα π- Α284 § 15 της πολιτείας SFY: της om. Α285 § 33 άν SFY: εί Α § 61 ϊη SFY (= 8,59 SFY): εϊη Α (= 8,59 Α)286 Auch in Α findet sich, wie in S, eine große Anzahl von Sonderlesarten, bei denen sich nicht mit Sicherheit entscheiden läßt, ob sie richtig oder falsch sind. Gelegentlich enthält der Text von Α ein Wort (oder ein paar Wörter) mehr als SFY: § 2 τό πλήθος έστιν Α: έστιν om. SFY287 § 3 έκείνω μεν Α: μεν om. SFY § 3 οίς άν εϊποιμεν Α: οίς ειπομεν SFY § 1 8 ό ταϋτα γράψας Α: ταϋτα om. SFY § 18 δι' αυτό γε τοϋθ' άπαντες Α: διά τοΰτο πάντες (άπαντες FY) SFY § 20 ταϋτα ά νϋν ποιείτε Α: ταϋτα ά S, ταϋτα FY § 69 άπασι τοις Έλλησιν Α: πασιν Έ - SFY (= 8,67) § 70 έροιτο σε Α: σε om. SFY Er ist umgekehrt etwas kürzer als SFY: § 7 πάντας τούς θεούς SFY: τούς om. A § 21 παρασκευάζεσθε και θορυβεΐσθε SFY: και θ- om. Α § 23 άν δ' SFY (cf. 8,47 καν): om. δ' Α § 33 ήδη πορεύσεται SFY: ήδη om. Α § 33 υπέρ δη τούτων απάντων οίμαι δεΐν ύμας πρεσβείαν έκπέμπειν SFY: απάντων et ύμας om. Α § 48 συμμάχους πολλούς SFY: πολλούς om. Α § 52 ό βασιλεύς SFY: ό om. Α § 55 τά μέν περί τάλλα SFY: τά μεν άλλα Α § 56 την μέν είρήνην SFY: μέν om. Α (8,53 μέν om. Υ) § 56 άν γάρ έκεΐνος SFY (= 8,53): γάρ om. Α § 58 και πόλεις καταλαμβάνοντα SFY: καί om. Α (= 8,56) 288 § 60 αί μέν ελπίδες αί τούτων SFY: αί 2 om. Α § 60 οίδ' ακριβώς SFY (= 8,58): άκριβώς om. Α 283

Majuskelfehler? 284 v g ] § 42 τοϋτ' ά φ ε λ ε ΐ ν SFY: ταντ ά- Α. 285 Zweifelsohne fehlerhafter Textausfall z.B. noch § 30 ( ν ϋ ν et τοιούτων om. A), § 38 (τά ante κοινά om. A), § 49 (άνδρες om. A), § 50 (της ante πόλεως om. A). 286 8 , 59 und 10,61 aneinander angepaßt? 287 Vgl. § 69 φ ο β ε ρ ό ς ... γέγονεν A (= 8,67 AY), γ έ γ ο ν ε ν om. S (= 8,67 SF), φ- έστι FY. 288 Α vielleicht an 8 , 5 6 angepaßt.

Die 4. Philippika. Überlieferung

57

Sonstige Sonderlesarten von A: § 5 μεγίστωι Α: πλείστω SFY § 6 άπολευτόμεθα Α: ΰπολ- SFY § 7 ειδήι Α: ϊδη SFY § 10 έπιδείξω Α: δείξω SFY § 11 ευθύς Α: ευθέως SFY § 12 νυνί δή Α: νϋν γε δή FY (= 6,17), νυν γ' άν S [§ 20 Φίλιππον δ' άν αυτόν ουδέν αλλ' οϊομαι Α, Φ- δ' αυτόν οΰδε άλλαν (vel άλλον) οΐμαι S, Φ- δ' αυτόν οίμαι ουδέν άν άλλο FY] §21 αεί Α: αίεί SFY § 23 εκείνος άν φροντίσαι Α: άν έκεΐνος φ- S, εκείνος φ- FY § 30 βουλεύεσθαι Α289: βεβουλεΰσθαι SFY § 34 έγβατάνοις A Didym.: έκβ- SFY § 43 περί των ευπόρων Α: υπέρ τ- εύ- SFY § 46 άεί Α: πασι SFY (num fuit primo error litterarum maiuscularum dictus [Ε/Σ]?)

§ 47 ήμιν Α: ύμΐν SFY § 50 ουδαμώς άπαντα καλώς Α: καλώς om. S, ού καλώς άπαντα FY § 51 άχρις ου Α: άχρι ου SFY290 § 54 έάν Α: άν SFY § 54 μηδένα Α: μηδέν SFY § 54 έκπέπραται Α (cf. 9,39): πέπραται SFY § 58 είθισμένοις Α: οίομένοις SFY (S, 57 aliter) § 59 ούκέτι Α: ουκ SFY § 62 φίλιππος βούλεται Α: β- φ- SFY (= 8,60) § 64 έπεί πόθεν Α: πόθεν S (= 8,62 S), πόθεν γάρ FY (= 8,62 FAY) § 64 άλλο δοκεΐ μοι Α: άλλ' εμοιγε δοκεΐ SY (= 8,62), έμοιγε άλλο δοκεΐ F § 69 προσήκει Α: -ήκε SFY (= 8,67) § 71 άν ειπείν Α: ειπείν άν SFY § 71 ταϋτα προέσθαι Α: π- ταϋτα SFY § 75 του βέλτιστου Α: τών βέλτιστων SFY § 76 φαύλως έχειν πάντα Α: πάντα φαύλως εχειν SFY 289

290

Vereinfachung wie z.B. § 67 τους τ υ ρ ά ν ν ο υ ς έκβαλεϊν Φίλιππον και τήν π υ λ α ί α ν αϋτοίς ά π ο δ ο ΰ ν α ι Α: τους τ- έ- Φ- αύτοις και τήν π- ά- SFY (= 8,65) und § 75 διαφθείρειν Α: διαστρέφειν SFY. Vereinfachung ist bezeichnend für Α, vgl. Κ. Fuhr in der Einleitung der Teubneriana, S. XX. Vgl. Komm. z. St.

58

Einleitung

Der Text von Α scheint an den Wortlaut der Chersonesitica angepaßt291: § 13 α πολλά γένοιτ' άν A (= 8,41 SF): π- δ' άν γ- SFY (cf. ά πολλά άν γ- 8,41 ΑΥ) § 27 ά μή A (cf. 8,51 α μήτε): δ μήτε SFY § 56 ταϋτα μή Α (= 8,54 SFA, om. Υ): μή ταΰτα SF, ταϋτα om. Υ § 56 άφιστάναι Α (= 8,54 F, άφεστάναι 8,54 SAY): άποστήναι SFY § 57 αυτό τοϋτο Α292 (= 8 , 55): αυτό om. SFY § 57 άδικοϋντας Α (= 8,55): αρπάζοντας SFY § 58 τό αίτιον τόν μεν ... ούδένα ... ειπείν ... ποιεΐν αίτιάσθαι Α (sim. 8,56): τόν μεν ... ουδείς ... εΐπεν ... ποιείSFY § 58 τόν πόλεμον ποιεΐν φασίν Α (= 8,56): τόν om. SFY § 60 και άλλα πολλά Α (= 8,58): και άλλα om. SFY §61 έπ' αυτούς ημάς Α (= 8,59 SAY): εφ' ημάς αυτούς SFY (= 8,59 F) §61 πρότερον πριν ή ... προσβαλεϊν αυτών Α (= 8,59 FAY): πρότερον ... προσβάλλων S (= 8,59 S), πρότερον ή ... προσβαλών FY § 61 εως άν Α (= 8,59 ΑΥ): έως SFY (= 8,59 SF) § 61 ουδέν έστι Α (= 8, 59): ουδέν ένι SFY § 62 ΰμΐν τε καί Α (= 8,60 ΑΥ): τε om. SFY (= 8,60 SF) § 62 την πόλιν ποιήσασθαι Α (= 8,60): ποι- τήν πό- SFY § 62 υμών, ου om. Α (= 8, 60) § 62 έθελήσητε Α (= 8,60 SFY, θελήσητε 8,60 Α): έθέλητε SFY § 62 αύτώι παρασχεΐν Α (= 8,60): π- αύ- SFY § 63 οντος Α (= 8,61): έσομένου SFY § 63 φανερώς μισεΐν καί Α (= 8,61): μ- καί om. SFY § 64 νϋν Α (= 8,63 SFA): τά νϋν SFY (cf. 8,62 τε νϋν Υ) § 67 έν Θετταλία τά Φιλίππου Α (= 8,65): τά Φ- om. SFY § 69 γέγονεν Α (= 8,67 AY): om. S (= 8, 67 SF), έστι FY Die Hs. F293 überliefert nirgendwo allein Lesarten, die ohne jeden Zweifel als die richtigen eingestuft werden müßten; dafür aber enthält sie einige Sonderfehler: 291

292 293

Eine Anpassung ähnlich lautender Stellen verschiedener Reden aneinander ist auch sonst bezeichnend für A, vgl. Fuhrs Einleitung der Teubneriana, S. XX und XXVII sowie Wankel 70 f. Ein weiteres Beispiel der Ergänzung eines emphatischen αυτό in Α siehe § 18. Sie wird von Drerup, ADA 559 mit Hinweis auf Th. Heyse in die zweite Hälfte des 10. Jh. datiert, von Fuhr in seiner Teubneriana, S. Xllf. in das 10. Jh. oder an den Anfang des 11. Für eine Beschreibung vgl. Drerup, ADA 5 5 8 - 5 6 3 und E. Mioni, Bibliothecae divi Marci Venetiarum codices Graeci manuscript!, Bd. II, Rom 1985,175-177.

Die 4. Philippika. Überlieferung

59

§ 1 νομίζων SAY Didym.: -ζω F § 3 παρέρχεται SAY: διέρχ- F § 34 πρότερον SAY: πρώτον F § 52 έπανορθωσώμεθα SAY: -σομ- F 294 § 57 την δ' Ε λ λ ά δ α π α σ α ν SAY (= 8,55): την δ' Έ - ά π α σ α ν F § 66 άδεια SAY (= 8,64): άδείαι F Hinzukommen einige Sonderlesarten, die sprachlich zwar möglich, aber wohl kaum ursprünglich sind: § 1 προσαγγελθη SAY: παραγγ- F § 2 δύναται SAY: δύναιτο F § 8 σΰμμαχον ονθ' υμών SAY: ένα post ονθ' add. F § 11 π α ρ ' ύμΐν αΰτοΐς SAY (= 8, 39): π α ρ ' ή- αΰ- F § 20 οτω παραδώσετε τά π ρ ά γ μ α τ α δυσχεραίνετε SAY: ζητείτε post πράγματα add. F § 29 παρασκευάζηται SAY: π- έφ' υμάς F § 41 οΰτω συμπάσης SAY: οΰτως σ- F § 64 άλλο εμοιγε δοκεΐ SY (= 8,62): εμοιγε άλλο δοκεϊ F, άλλο δοκεΐ μοι Α Die Hs. enthält - anders als A - keine Sonderlesarten, die ihren Ursprung in der Anpassung an die Parallelstellen der Chersonesitica hätten. Die Hs. Y 295 überliefert zumindest einmal allein die richtige Lesart: § 56 τά γ' άφ' υμών Υ (= 8,54): τά om. SAF [§ 67 τοΰ πλήθους τοΰ Θετταλών Υ (= 8,65 F): τοΰ π- τών Θ- SAF (= 8,65 SAY) (cf. 9,33 τόν δήμον ... τον [SA]/ τών [FY] Έρετριέων)] Die eindeutigen Fehler sind zahlreicher als in F (meistens geht es dabei um den versehentlichen Ausfall eines kurzen Wortes; ich zitiere nicht alle Stellen): § 5 έλάττονι SAF: ελαττον Υ § 8 όλιγωρουμένης SAF: ώλ- Υ § 11 και έχθρός SAY (= 8,39): καί om. Υ § 15 ου γάρ οΰτως εύήθης ύμών έστιν (εστίν ημών) ουδείς SAY: ουδείς om. Υ (habent 8,44 SFAY) 294

295

An zwei weiteren Stellen ersetzt ein ο fälschlich ein ω: § 67 τ ό ... κ α ρ π ο ϋ σ θ α ι (recte τω) und 70 πολιτευόμενον (recte -μένων). Für eine Beschreibung vgl. Drerup, Bericht 291-293, die Einleitung Fuhrs zu seiner Teubneriana, S. XVI-XVIII und N.G. Wilson, CQ 54 (= 10 NS), 1960, 200-202, der den Schreiber des größten Teiles der Hs., der auch die 4. Philippika enthält, mit dem Schreiber der Plato-Hs. Vat. gr. 1 identifiziert. Der Codex wurde von Drerup, Bericht 291 in das 10. oder 11. Jh. datiert, von Wilson a.O. 200 in das 10. Jh.

60

Einleitung

§ 15 δρογγίλον FA (= 8,44), δρογγυλον S: δροιτίλον Υ § 33 ά δ ι κ ο ϋ ν τ α SAF: άν ά- Υ § 34 τιν' ιδω SAF: τιν' om. Υ § 41 ήν om. Υ § 52 άν τι SAF: ά τι Υ § 56 τ α ϋ τ α om. Υ (άν τ α ϋ τ α μή θέλωμεν om. Υ 8,54) Es folgen einige Sonderlesarten: § 16 α θ η ν α ί ω ν SAF (= 8,45 S): άθήνησι Υ (= 8,45 FAY) § 16 νεωρίων και τριηρών SAF (= 8,45): τ- και ν- Υ § 19 τοις ... άμυνομένοις ήδη SAF: ήδη om. Υ § 39 μαθόντες SAF: π α θ ό ν τ ε ς Υ § 50 αεί om. Υ § 62 έπιστήσεσθε SAF (= 8,60 SA): -στασθε Υ (= 8,60 FY) § 65 δορίσκον σέρριον SAF (= 8,64): σ- δ- Υ An zwei von diesen Stellen scheint Υ an die Lesarten der Chersonesitica angepaßt (§§ 16 u. 62). Wenn man die Hss. in Zweiergruppen zusammenfaßt, zeigt sich, daß besonders FY einerseits und SA andererseits zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen 296 . Unter ihnen finden sich auch eindeutige Bindefehler von F und Y: § 14 άρχουσι FY: άρχειν SA (= 8,42) § 17 δτωι μή πολεμήσετε λαβείν βουλομένων FY: λ- δτωι π- β- SA Didym. § 21 ύστερήσητε FY: -ερίσ- SA § 23 φροντίσει FY: -σαι SA § 31 διαφέρει FY: διαφεύγει (-ειν S 1 ) SA § 35 π α ρ ά τοϋτο FY: π α ρ ά του SA (cf. Didym. π α ρ ' αύτοΰ) § 36 ου ουδέν ά ν FY: ουδέν άν S recte, ο ύ δ ' ά ν Α § 37 ά φ ' έαυτοϋ FY: έφ' έαυτόν S recte, ε π α υ τ ο ν A (cf. εφ' έαυτοΰ Didym.) § 40 οΰτως ... ά τ ο π ώ τ α τ ο ν δντα FY: οΰτως ... ά τ ο π ο ν των όντων SA § 41 προσήκειν FY: -ει SA § 45 τ ά μεν κοινά νομίζοντας FY: τά μεν κοινά κοινά ν- SA § 45 έννόμως FY: έν νόμωι SA § 53 π α ρ ' οΰδενί FY: π α ρ ' ούδέσι SA

296

Dieselbe Beobachtung macht bezüglich der 3. Philippika Irmer, Beobachtungen 48 und id., Genealogie 80.

D i e 4. Philippika. Überlieferung

61

[§ 61 πρότερον ή προς τά τείχη προσβαλών FY: πρότ- προς τά τπροσβάλλων S recte (= 8,59 S), πρότ- πριν ή πρός τά τπροσβαλεΐν αυτών Α (= 8,59 FAY)] Es gibt aber auch Stellen, an denen allein FY den richtigen Text überliefern2"": § 6 ύπολειπόμεθα FY: -λειποι- S, άπολειπόμεθα A § 10 κωλύσει FY: -σηι SA § 11 καταλύσει FY (= 8,40 S): -σηι SA (= 8,40 FAY) § 13 γένοιτ' άνθρώπαπ FY (/. recepta): γένοιτο τάνθρώπωι S, γένοιτ' αν άνθρώπω Α (= 8,41 SF άν γ- ά- ΑΥ) § 16 σιροΐς FY (= 8,45 Υ): σει- SA (= 8,45 SFA) Darüber hinaus bieten FY an einer ganzen Reihe von Stellen Lesarten, die von SA abweichen. An vielen von ihnen hindert uns nur eine gelegentlich vielleicht übertriebene Vorsicht daran, von Bindtfehlern zu sprechen: § 3 δια ταϋτ' FY: δια τοϋτ' SA (/. recepta) § 7 αφ' έκαστου FY: έφ' έ- SA (/. recepta) § 11 ουδέν των άπάντων FY: ου- των πάντων SA (= 8,40) 298 § 19 ων άν δέωνται FY: δσων δέονται S, δσα δέονται Α § 20 οίμαι ουδέν άν άλλο FY: ούδε αλλαν (άλλον?) οίμαι S, άν ... ουδέν αλλ' οι'ομαι Α § 20 ταΰτα· ύστερίζετε FY (/. α Fuhr recepta): ταΰτα ά ύ- S299, ταΰτα ά νΰν ποιείτε· ύ- Α § 21 έάν FY: άν SA § 22 πώποτε FY: ποτέ SA (8,47 ουδέποτε) § 30 ήθελήσατε FY: ήθέλετε SA § 31 αύτοϋ FY: έαυτοΰ SA § 34 άπεψηφίσασθε FY: -ίζεσθε SA Didym. § 34 λέγοντα FY (/. recepta): -ντος SA300 § 38 προσλαμβανόντων FY: -ντος SA § 40 ούτος τότε FY: οΰτω γε S (/. recepta), ούτέγε Α § 45 περί τούτων FY: υπέρ τ- SA § 50 φαύλως FY: σφαλερώς SA § 51 τό των Ελλήνων FY: τά των Έ - SA 297

An der ersten Stelle finden sich freilich unterschiedliche Sonderfehler in S und Α und an den anderen ist lediglich die Orthographie betroffen. 298 v g l § 33 Ha ' L ά π α ν τ α FY: κ α ι π ά ν τ α SA, aber § 32 π ά ν θ ' δ σ α FY: ά π α ν θ ' α SA. 299 S hat vielleicht die ursprüngliche Korruptel beibehalten. 300 Das Prädikat ιδω liegt sehr weit zurück, und zum Partizip λ έ γ ω ν ließe sich deshalb in Gedanken auch etwa ά κ ο ύ ω als regierendes Verbum ergänzen (Anakoluth), wodurch sich der Genetiv λ έ γ ο ν τ ο ς erklären ließe. Es handelt sich also hier nicht um einen sicheren Bindefehler von S und A.

62

Einleitung

§ 52 έαυτοΐς FY: αύ- SA301 § 55 συντείνει FY: τείνει SA § 54 και FY: ουδέ SA § 56 νομίζειν δέ δει FY: ν- δ' είναι SA (= 8,54) § 56 διαρπασθήσεσθαι FY (= 8,54 SY): -σεται SA (= 8,54 FA) § 56 κωλύσειν FY: κωλύειν SA (= 8,54) § 58 οΰτως φανερώς FY: οΰτω φ- SA (= 8,56) § 59 εάν FY: άν SA (8,57 aliter) § 62 ουδέ υπέρ των ϊσων FY: ούχ ύ- των 'ί- SA (= 8,60) § 64 υπάγεται FY (cf. prius ύπηγάγετ'): υπάγει SA (= 8,63) § 70 άριστόδημε FY: άριστόμηδες SA Didym. § 71 συγχωρήσαιμεν FY: δοίημεν SA § 72 έπικίνδυνον FY: κίνδυνος SA § 72 πλεϊον FY: πλέον SA § 74 προϊόντας FY: ήκοντας SA § 74 των άλλων Ελλήνων FY: των άλλων SA (cf. 18,200) § 76 κολακείας και βλάβης FY: κολακείαι βλάβης SA An den folgenden Stellen schwanken die Hss. zwischen ημείς und ύμεΐς 302 : § 4 υμετέρα FY: ή- SA (prius § 3 ποιοΰμεν, postea § 6 ημείς) § 6 μεθ' υμών FY: μεθ' ή- SA (prius ήμϊν, postea § 7 υμών) § 15 έστίν ημών FY: υμών έστιν S, έσθ' υμών A (cf. 8,44 εστίν υμών FAY, υμών om. S) (prius et postea § 16 ήμετέραν) § 19 ημάς FY: ΰ- SA (prius ύμΐν, postea μιμεΐσθε) § 32 παρ' υμών FY: παρ' ή- SA (prius ήμών postea § 33 ήμΐν) § 51 ύμϊν FY: ή- SA (prius ήμας, postea § 52 ήμϊν) § 53 παρ' ύμΐν ... ύμΐν διαλέγεται FY: παρ' ή- ... ή- δ- SA (prius § 52 ήμΐν, postea § 54 ήμϊν) § 57 έφ' ύμΐν FY (/. recepta = 8,55 SAY): εφ' ή- SA (= 8,55 F) (prius υμών FAY, ή- S, postea έφ' υμάς SY, ή- AF) § 62 ήμών FY: ΰ- S, om. A (om. 8,60) (prius ύμΐν, postea ύμεΐς) § 66 ήμετέραι FY (= 8,64 FY): ύ- SA (= 8,64 SA) {prius ύμΐν, postea παρ' ύμΐν) An den folgenden Stellen ist ein Schwanken in der Wortfolge zu beobachten: § 18 αθηναίων ούδενός FY: ούδενός ύμών (ή- A) SA 3οι Vgl § 74 εαυτούς FY: αυτούς SA. 302

Die Lesarten von SA passen im allgemeinen besser zum Kontext. § 15 bildet nur scheinbar eine Ausnahme, da dort die zweite Person vom Sinn verlangt wird und übrigens auch an der Parallelstelle der Chersonesitica erscheint.

Die 4. Philippika. Überlieferung

63

§ 18 ουκ άνηρπασμένος άν ήν FY: ουκ άν ά- ήν SA § 23 ύμεΐς νϋν FY: ν- ύ- SA § 51 άπασιν ομοίως FY: ό- ά- SA § 52 μεν αντιποιούνται FY: ά- μεν SA303 § 54 ή ν άν FY: άν ήν SA § 71 πάντα ταΰτα FY: τ- π- SA Der Text von FY ist länger: § 4 εις δύο μέρη ταΰτα FY: μέρη om. SA (/. recepta) § 14 τον έχοντα FY: έχοντα SA (/. recepta = 8,42) § 19 και τάλλ' FY: τάλλ' SA § 23 ίσως άν, ίσως, ώ άνδρες άθηναϊοι FY: ϊ- άν ϊ- SA §28 έχει γε FY: έχει SA304 § 34 έν Σούσοις και έν Έκβατάνοις FY: έν Σ- και Έ- SA § 35 τι πράγμα FY Didym.: π- SA § 39 μηδέν των δεόντων FY: μηδέν SA § 42 τά δίκαια ποιεΐν άν FY: τά δ- π- SA § 43 οΰκουν 'Αθηναίων γε, οΐμαι FY: οΰ Ά - γε SA § 58 άπαντ' άναθεΐναι FY: άναθεϊναι SA § 60 την βοήθειαν FY: β- SA (= 8, 58) § 67 πριν ή FY: πρίν SA (= 8,65) § 69 τοϋτον τον τρόπον τά πράγματα φέρεσθαι FY: τοΰτον τον τρόπον φέρεσθαι Α (/. recepta), τοΰτον τόν τρόπον πρόσφ- S (ταΰτα φέρεσθαι 8,67 FAY, ταΰτα στέρεσθαι 8,67 S) § 69 φοβερός έστι FY: έστί om. S (= 8,67 SF), φ- ... γέγονεν Α (= 8,67 ΑΥ) § 73 ΰπό των προγόνων ημών σεσωσμένοι FY: σεσ- SA Der Text von FY ist umgekehrt kürzer als der von SA: § 18 ήτιώντο FY: ήτιώντ' άν αυτόν SA § 23 έκεΐνος FY: άν έκεΐνος S, εκείνος άν Α § 29 άκροάσθε FY: ά- και παρασκευάζεσθε SA § 55 την είρήνην άγειν FY: τό (τώι S) την εί- ά- SA (= 8,52) Der Text von FY scheint an denjenigen der Parallelstellen in der 2. Philippika bzw. der Chersonesitica angepaßt: § 12 νΰν γε δή FY (= 6,17): νΰν γ' άν S (/. recepta), νυνί δη Α § 12 έαυτώι FY (= 6,17 F [Υ deest]): αύτώι SA (= 6,17 SA) § 12 ήγεΐτο FY (= 6, 17): έδύνατο SA (I. recepta) 303

304

SA überliefern die logisch richtige Stellung, die von FY tradierte Inkonzinnität würde aber kaum stören. Vgl. § 56 oi γε πεπεισμένοι FY: οί π- SA (= 8 , 5 3 )

64

Einleitung

§ 14 παρ' υμών FY (= 8,42): παρ' ύμϊν SA (/. recepta) § 64 πόθεν γάρ FY (= 8,62 FAY): πόθεν S (= 8,62 S), έπεί πόθεν A § 68 γεγόνασι FY (= 8,66 FY = 3,29): γίγνονται SA (= 8,66 SA) Es gibt aber auch einige Stellen, an denen die Lesarten von FA bzw. SY zusammenfallen. Die Hss. F und Α bieten zumindest ein paar Bindefehler: § 30 άλλοι πάντες άνθρωποι FA (= 5, 2): άλλοι SY (prius μόνοι των πάντων ανθρώπων) § 33 άβελτηρίαν FA: άβελτε- SY [§ 72 περιεργάσηι FA: -σει SY] Sie überliefern zumindest an einer Stelle den richtigen Text: § 15 δρογγίλον FA: δρογγυλον S, δροιτίλον Υ Die übrigen Stellen sind: § 33 οίμαι SY: οϊομαι FA § 56 δι' ής SY (= 8,54 AY): δι' ήν FA (= 8,54 SF) § 57 έφ' υμάς SY (= 8,55 FY): έφ' ή- FA (= 8, 55 SA) {prius έφ' ύμϊν, postea υπέρ υμών) § 64 άλλο εμοιγε δοκεΐ SY (= 8, 62): εμοιγε άλλο δοκεϊ F, άλλο δοκεϊ μοι Α § 65 Καρδίαν SY: καρδιανών F, την καρδιανών A (cf. 8,64 την πόλιν την Καρδιανών) Noch weniger Fälle gibt es, in denen Lesarten von SF solchen von AY gegenüberstehen: § 15 τοϋτο δει SF(= 8,43 SF): δίάτοϋτο δει A (= 8,43 AY), τούτου δει χάριν Υ § 29 ταύτό SF: τοϋτο ΑΥ § 37 έστι SF Didym.: ήν ΑΥ § 51 σκέψαισθε SF: -εσθε ΑΥ § 69 ων πάντων SF (= 8,66 S): ων ά- ΑΥ (= 8,66 FAY) Die Hs. Υ ist also, was unsere Rede anlangt, am engsten mit F verwandt305. Im Falle der Midiana steht die Hs. Υ hingegen etwa halbwegs zwischen S und F306; in dem der Timocratea wiederum ist sie mit Α eng verbunden307; im Falle des Epitaphios, des Erotikos sowie der Prologe geht sie schließlich in der Regel mit S zusammen308. Es wird allgemein angenommen, daß die vier maßgeblichen Hss. SFAY auf zumindest zwei 305

Vgl. Drerup, ADA 535: „daß sich die Familien S und Α enger zusammenschließen, als F und A". Vgl. MacDowell 53. 307 v g l p a s s w e g 4 - 9 und 11. 308 Vgl. Clavaud, Discours d'apparat 4 1 - 4 4 , 9 0 - 9 4 u. eund. Prologues bzw. 57-60.

Die 4. Philippika. Überlieferung

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Transliterationen zurückgehen309. Der Archetyp muß damit in der Antike angesiedelt werden310. Alle vier maßgeblichen Hss. überliefern uns zwischen den Zeilen und am Rande variae lectiones, die zum Teil von der Hand der Schreiber, zum Teil aber auch von anderen Händen stammen. Die Korrektoren der Hs. S bieten uns auf diese Weise fünf sonst unbekannte Lesarten311, von denen eine allgemein als die richtige anerkannt wird: § 19 μιμεΐσθε SdyQ.: άμΰνεσθε SA, -σθαι FY Die anderen vier sind die folgenden: § 20 οιμαι ουδέν άλλο SdyQ.: ούδε αλλαν οΐμαι S, ουδέν αλλ' οϊομαι Α, οίμαι ουδέν αν άλλο FY § 42 χρωμένοις S corr : -ους SFY, -ος Α § 46 τάξεως Srec γρ. 312 : υποθέσεως SFAY § 50 ουδαμώς καλώς SdyQ.: ουδαμώς άπαντ' S, ουδαμώς άπαντα καλώς Α, ού καλώς άπαντα FY Die anderen (etwa 40) variae lectiones sind auch aus zumindest einer der übrigen drei maßgeblichen Hss. (FAY) bekannt. Darunter finden sich acht Lesarten, die sonst nur in der Hs. A, und ein paar, die nur in F oder Υ überliefert sind. Die Korrektoren der Hs. Α überliefern bloß eine einzige sonst unbekannte Lesart: § 19 παραβάλλετε Α2: -λεϊτε SFAY 309

310

311

312

So Drerup, Bericht 294; id., ADA 544; Pasquali 277f.; MacDowell 49. 53; Passweg 9 - 1 1 ; Clavaud, Discours d'apparat, 43. 9 0 f . Für die Prologe glaubt Clavaud gar an drei Translitterationen, vgl. seine Ausgabe, S. 81 f. Clavaud, Prologues 81 ζ. Β. setzt ihn in die Zeit vor dem 2. nachchristlichen Jh., Erbse 263 f. hingegen glaubt an einen frühmittelalterlichen Archetyp. Canfora vergleicht in der Einleitung seiner Ausgabe S. 8 3 - 9 5 die Reihenfolge der Reden in den maßgeblichen Hss. SFA (Y, das die Reden 2 7 - 5 8 nicht enthält, eignete sich nicht für den Vergleich) und stellt fest, daß sie Gruppen bilden, die in den drei Hss. in verschiedener Reihenfolge erscheinen; auch innerhalb der Gruppen kann die Reihenfolge der Reden unterschiedlich sein, die Reden bleiben aber in der Gruppe zumeist beisammen. Daraus zieht Canfora den Schluß, daß die Rede-Gruppen jeweils dem Inhalt einer Papyrusrolle entsprechen. Dies würde bedeuten, daß die Vorfahren der Hss. SFA jeweils aus Papyrusrollen individuell zusammengestellte Ausgaben waren (Y könnte dann ein Exemplar einer Teilausgabe gewesen sein). Dies würde auch erklären, warum sich die Beziehung der Hss. SFAY zueinander bei verschiedenen Reden unterschiedlich gestaltet. Gelänge es festzustellen, daß die Beziehung der Hss. SFAY zueinander innerhalb der Gruppen gleich bleibt, wäre dies zweifelsohne ein durchschlagendes Argument für die Hypothese Canforas. Die Notierung der verschiedenen Korrekorenhände übernehme ich von Fuhr. Für die Unterscheidung der Hände in S vgl. Drerup, Bericht 290f., in Υ eund., ibid. 292f., in A eund., ADA 556-558, in F eund., ibid. 560-563. „Ex 3 , 3 6 ? " Fuhr.

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Einleitung

Hinzu kommen etwa zehn auch sonst bekannte variae lectiones, die wohl aus den Hss. FY stammen. Ein einziges Mal bringt A3 eine Lesart, die sonst nur in S steht, sie läßt sich aber leicht konjizieren (§ 40 οΰτω γε S: ούτεγε Α, ούτος τότε FY). Charakteristisch für die Hs. F sind die oberhalb und unterhalb der Zeilen vom Schreiber selbst eingefügten Varianten. Sie standen wohl schon in der Vorlage und ihre Übernahme scheint der Schreiber von vornherein geplant zu haben. Diese Varianten sind uns aus den Hss. SAY meistens schon bekannt. Die späteren, des öfteren mit γρ. eingeleiteten und am Rande angebrachten Varianten hingegen stehen nur in den Hss. AY - lediglich aus S bekannte Varianten fanden zu dieser Zeit also nicht mehr den Weg in unseren Codex. Unter den Zusätzen der Hs. F begegnen aber auch vier, die uns sonst unbekannt sind. Eine von ihnen muß als die richtige gelten: § 50 παρεσκευάσθαι F corr : παρασκ- S, κατεσκ- FAY Die anderen drei (falschen) Lesarten sind die folgenden: § 44 έτέραν (ο supra α) δέ την κρύβδην ψήφον § 60 ού γράψαντος (α supra ο) 'Αθηναίων ούδενός πόλεμον § 66 έκείνως (ο supra ω) τοις άλλοις ... προσφέρεται Die Korrektoren der Hs. Υ bieten uns vier sonst unbekannte Lesarten; alle sind falsch: § 1 ην προσαγγελθηΥ"*· ms•: η π- SFAY § 15 δρυγγίλον Y corr : δροιτίλον Υ, δρογγίλον FA, δρογγυλον S § 23 ελησθε Υ 2 γρ.: έθελήσετε Υ, έθελήσητε SFA § 7 2 έρώ Υ 3 γρ.: όρώ SFAY Die anderen variae lectiones sind uns alle aus den Hss. Α und F bekannt. Die im Kommentar des Didymos überlieferten Lemmata, die aus der 4. Philippika stammen, bieten achtmal sonst unbekannte Lesarten313: § 17 ταυ]τα νυ ν Didym.: ταΰτα τοίνυν SFAY § 33 κοινος και απασιν εχθ [ρος] Didym.: κ- ά- εχθρός SFAY § 34 εν ταις θύραις Didym. (Lemma): έπί ταΐς θ- SFAY Didym. (Komm.) § 34 αυξομενου Didym. (Lemma): αυξανομένου SFAY Didym. (Komm.) § 35 παρ] αυτου Didym.: παρά του SA, παρά τοϋτο FY § 37 εφ εαυτου Didym.: εφ' έαυτόν S, επαυτον Α, αφ' έαυτοϋ FY 3,3

Ich lasse die folgenden geringfügigen Verschreibungen unberücksichtigt: § 17 γ]ινωσκον[τ]α Didym.: γιγν- SFAY | § 34 συνεπηνώρθωσε FAY Didym.: -όρθ- S | ούτος FAY Didym.: -ως S | § 70 πολιτευόμενων SAY Didym.: -μενον F.

Die 4. Philippika. Überlieferung

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§ 70 γιγνω]σκε[ις Didym.: -σκων SFAY § 70 ές> [γωδη? Didym.: φιλαίτιον SFAY Einmal geht Didym. zusammen mit S (Bindefehler): § 44 διαβιβάζοντας S Didym.: μεταβ- FAY Einmal mit A: § 34 έγβατάνοις A Didym.: έκ- SFY Fünfmal mit SA: § 17 εστί λαβείν δτψ πολεμήσετε βουλομένων SA Didym.: έστι (λα βέν F) δτψ μή πολεμήσετε λαβείν βουλομένων FY § 33 πάντα τά τοιαϋτα SA Didym.: άπαντα τά τ- FY § 34 και Έγβατάνοις (έκ-) SA Didym.: και εν έ- FY § 34 άπεψηφίζεσθε SA Didym.: -φίσασθε FY § 70 άριστόμηδες SA Didym.: άριστόδημε FY Zweimal mit FY: § 34 άλλο τι λέγοντα FY Didym.: άλλο τι λέγοντος SA § 35 τι πράγμα FY Didym.: πράγμα SA Einmal mit FA: § 70 χωρίς ει τις FA Didym.: ει τις χωρίς S, ε'ί ut vid. om. Υ Einmal mit SF: § 37 ουδείς έστι SF Didym.: ου- ήν AY Sechsmal mit FAY: § 1 νομίζων FAY Didym.: -ζω S § 17 πόλεμον FAY Didym.: τόν π- S § 33 κοινός FAY Didym.: ό κ- S § 34 τά γε εκείνου FAY Didym.: γε om. S § 35 των δικαίων έν τη πολιτεία FAY Didym.: των έν τη πολιτεία δικαίων S § 37 παρ' ήμΐν FAY Didym.: παρ' ΰ- S Einmal mit SFA: § 34 τινα ϊδω SFA Didym.: τινα om. Υ1 Einmal mit SAY: § 34 πρότερον SAY Didym.: πρώτον F Zweimal mit SFY: § 37 ουδέ των είσφέρειν SFY Didym.: ούτε τ- ε- Α § 38 τά κοινά SFY Didym.: τά om. Α314 314

Ein Übergewicht der Übereinstimmungen der Didym.-Lemmata mit S, wie es von F. Blaß, Archiv f. Pap.-Forschung 3,1906,287 (mit Anm. 1) festgestellt wurde, kann also mit Bezug auf unsere Rede nicht bestätigt werden (eher, wie es scheint, mit Bezug auf die Reden 11 und 13, zu denen uns Teile des Didymos-Kommentars ebenfalls erhalten sind, vgl. die Aufstellung der Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Di-

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Einleitung

Zu den mittelalterlichen Hss. und den Lemmata des Didymos kommen noch zumindest zwei Papyri, die jeweils kurze Abschnitte unserer Rede tradieren; bei einem dritten läßt sich anhand der wenigen erhaltenen Wortfetzen nicht mehr entscheiden, ob er den Text der Chersonesitica oder den der 4. Philippika enthalten hat. Der Pap. Harris 43 (Pack2 Nr. 268), geschrieben im späten 2. Jh., enthält teilweise die §§ 9 (πο]λ [υ]ν χρονον) - 1 2 (ου[σιν υμετεροις] εχε [ι)315. Der Papyrus liefert uns an sechs Stellen sonst unbekannte Lesarten: § 10 (col. I 8 sq.) ιναξ[αριθ]μησωμαι Pap.316: ιν εξ- SFAY § 10 (col. I 17 sq.) υ]π αυ[τ]ω Pap.317: ΰφ' αΰτω SFAY §11 (col. I I 6 s q . ^ i [ ] σε[ 318 319 §11 (col. II 11) εγκ[ § 12 (col. II 17-19) αρχειν] βουλ[εται των Ελλη]νω[ν] Pap.: των Ε λ λ ή ν ω ν om. SFAY § 1 2 (col. II 19-22) τ[ουτου δ αν]ταγω [νιστας μονούς 320 ] υπε[ιληφε υμας] είναι Pap.: είναι om. SFAY

3,5

316 3.7 3.8

319 320

dymos und den Hss. SFA bei Fuhr, B. Phil. Wschr. 1911). Blaß hat übrigens a.O. 286f. beobachtet, daß Didym. fünf der in den Lemmata von ihm selbst zitierten Wendungen im Text seines Kommentars in veränderter Form aufgegriffen hat. Alle fünf Abweichungen finden sich seltsamerweise in § 34 unserer Rede: 1) και έγβατάνοις (έκ-) SA Didym. (Lemma): και έν έκβ- FY Didym. (Komm., col. 7,3). 2) άπεψηφίζεσθε SA Didym. (Lemma): -φισασθε FY -φισασθαι Didym. (Komm., col. 7,10). 3) έν ταϊς θύραις Didym. (Lemma): έπί τ- θ- SFAY Didym. (Komm., col. 7,4). 4) αύξομένου Didym. (Lemma): αύξανομ- SFAY Didym. (Komm., col. 7,5). 5) άλλο τι λέγοντα FY Didym. (Lemma): άλλο τι λέγοντος SA, μηδέ λέγοντα Didym. (Komm., col. 7,6). Der Text war in zwei 34zeiligen Kolumnen geschrieben; von der ersten blieb uns das meiste erhalten, von der zweiten nur die Anfangsbuchstaben der Zeilen 8-34, vgl. The Rendel Harris Papyri of Woodbrooke College, Birmingham, herausg. von J. E. Powell, Cambridge 1936,30-32. Aphärese statt Elision. Fehlende Aspiration. Die Ergänzung dieser Lücken mit dem uns aus den mittelalterlichen Hss. bekannten Text würde eine erste Zeile aus 23 und eine zweite aus lediglich elf Buchstaben ergeben. Der Papyrus bietet uns aber sonst nur Zeilen, die nie weniger als zwölf oder mehr als 17 Buchstaben enthalten. Die vom Herausgeber vorgeschlagene Versetzung von αυτόν nach έξολέ]σε[ιαν scheint deshalb attraktiv. Die ebenfalls vorgeschlagene Verkürzung von οϊπερ auf οι, um eine Zeile mit 18 Buchstaben zu vermeiden, ist hingegen überflüssig, zumal der Herausgeber an zwei weiteren Stellen in den Text eingreifen muß, um Zeilen dieser Länge nicht hinnehmen zu müssen: col. II 14 (§ 11 sq.) κατα] | λυσ[ει και τουτ εξ αναγ] | κη[ς und col. II 17 (§ 12) λογ[ιζεσθε γαρ αρχειν] | βουλ[εται, wo der Herausgeber τοϋτ' bzw. γάρ fortläßt. Dieser Preis ist aber sicher zu hoch. Die Ergänzung ποι | ωσ]ι statt ποιησ|ωσ]ι col. I 27 sq. (§ 11) läßt sich noch weniger begründen, da die Zeile mit dem Aorist lediglich 17 Buchstaben haben würde, wofür wir im Pap. zwei weitere Beispiele haben. Statt γ müßte ι stehen: επιβουλευ]ει κ[αι σκοπεί. Die Umstellung von μόνους und ύμάς durch den Herausgeber ist überflüssig.

Die 4. Philippika. Überlieferung

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Je zwei Sonderlesarten von S und Α werden vom Papyrus nicht bestätigt: § 10 (col. I 5 - 7 ) την έπ' Ά μ β ρ α κ ί α ν όδόν, τάς έν Ή λ ι δ ι σφαγάς SFY Pap., om. A 1 , add. eadem in marg. § 10 (col. I 14sq.) δείξω SFY Pap.: επιδείξω A § 11 (col. II 13) ή δπως FAY Pap. (= 8 , 4 0 FAY): ή πώς S (= 8 , 4 0 S) § 12 (col. II 22 sq.) π ο λ ύ ν ήδη χ ρ ό ν ο ν FAY Pap. (= 6,17) 3 2 1 : π- χο

η-S Der Pap. PSI inv. CNR 71/10-13, geschrieben in der ersten Hälfte des 3. Jh., enthält teilweise die §§ 43 (υπερ των εμπορω]ν ου κα[τοκνησας ειπείν ταληθ]η) - 47 (περι ου π α ν τ α το [ν χρον]ον αι με[) 322 . An umstrittenen Stellen bestätigt er stets die Lesarten von S 323 : § 43 (col. I 4 sq.) οΰκουν 'Αθηναίων γε S Pap.: οΰκουν Ά - γε (οιμαι FY) αλλ' ουδέ των άλλων FAY § 45 (col. I 26) τά μεν κοινά κοινά νομίζοντας SA Pap. (ut vid.324): alterum κοινά om. FY § 45 (col. II 1 sq.) μικρά μεγάλη πόλις γίγνεται S Pap. (ut vid.325): μικρά π- μεγάλη γ- FAY § 45 (col. II 3 sq.) α παρ' έκατέρων είναι δει SFY Pap.: άπερ Α § 45 (col. II 5 sq.) έν νόμωι SA Pap.: έννόμως FY § 46 (col. II 15) πασι SFY Pap.: αεί A § 46 (col. II 19) ησυχία SFA Pap.: ήσυχίαν Υ § 46 (col. II 24) ωεσθε S Pap.: ο'ιεσθε FAY Der Pap. Laurent. PL III 269 C, geschrieben gegen Ende des 2. Jh., enthält Wortfetzen aus § 70 (oder aus D. 8,67) (ου τον α]υτον δε[ τ ρ ο π ο ν bis βουλε]υομενου[ς) 3 2 6 , die die für dieses kleine Stück einheitliche Überlieferung von SFAY bestätigen. 321

322

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326

Col. II 22 sq. ist uns zwar nur das Wort ή δ η erhalten geblieben, die Wortfolge von S würde aber an unserer Stelle eine Zeile von 22 und nachfolgend eine von nur sechs Buchstaben ergeben, was natürlich undenkbar ist. Der Text war in zwei 2 8 - bzw. 30zeiligen Kolumnen geschrieben; von der ersten blieben uns jeweils die letzten Buchstaben der Zeilen 1 - 1 5 und 2 2 - 2 8 , von der zweiten jeweils die ersten Buchstaben bzw. etwa die erste Hälfte der Zeilen erhalten, vgl. Trenta testi greci da papiri letterari e documentari, herausg. von M. Manfredi, Florenz 1983,34-38. Als Ausnahme ließe sich allenfalls § 46 (col. II 12) anführen, wo mit der Lesart κ α τ έ λ ε ι π ο ν von S (-λιπον FAY) eine Zeile von 28 Buchstaben entstehen würde (die sonst längsten Zeilen des Papyrus haben 27 Buchstaben). Ohne das zweite κ ο ι ν ά würde die Zeile des Papyrus nur 21 Buchstaben enthalten (die sonst kürzesten Zeilen haben 22 Buchstaben). Mit der Wortfolge von FAY würde der Papyrus eine Zeile von 29 und eine von 19 Buchstaben haben, was so gut wie ausgeschlossen ist. Sie stammen aus dem mittleren Teil von vier Zeilen einer und derselben Kolumne, vgl. die Ausgabe von Gabriella Messeri Savorelli und R. Pintaudi in ZPE 115, 1997,171 f.

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Einleitung

Die obigen Listen zeugen von erheblicher Kontamination in den Hss. SFAY, die die Aufstellung eines überzeugenden Stemmas kaum erlaubt. Eine besondere Nähe von F und Y läßt sich aber feststellen. Didymos scheint eher mit SA übereinzustimmen und Pap. PSI vor allem mit S. Über das Verhältnis der beiden anderen Papyri zu unseren Hss. wage ich keine Aussage zu machen. Die Kollation der vier maßgeblichen Hss. hat erwartungsgemäß nur bezüglich der Elisionen nennenswerte Ergebnisse gebracht, die über diejenigen Fuhrs hinausgehen 327 : Unsere Hss. bestätigen eindeutig die schon früher gemachte Beobachtung, daß kurze Wörter viel eher elidiert werden als lange 328 . So finden sich Elisionen von fünfsilbigen oder noch längeren Wörtern nur vereinzelt als variae lectiones: § 6 ύπολειπόμεθα, ώ άνδρες 'Αθηναίοι (-οιμεθα) SFY: -μεθ' κτλ. Α § 23 πολεμήσετε έξ ϊσου FAY: -σετ' κτλ. S § 31 ευτυχήματα ά π ό ταύτομάτου FA: -ματ' Υ, -μα addita τ supra α S § 53 ερημότερα άν FAY: -τέρ' ά ν S Die Elision von viersilbigen Wörtern ist an zwei Stellen besser dokumentiert: § 34 έδέχεσθε ύμεΐς A Didym. 329 : έδέχεσθ' ύμεΐς SFY § 60 βουλόμεθ' ημείς SFAY Sonst gilt aber auch für sie die über die längeren Wörter gemachte Beobachtung: § 3 καθώμεθα (-ημεθα) ειρηκότες SFY: -μεθ' A § 13 αμφότερα οΰν SAY: -τερ' ο ύ ν F 327

328

329

Sonst sind noch zu erwähnen: § 28 λειτουργησαι SFAY (vgl. Komm. z. St.): λη- Fuhr (ohne Notiz), § 41 οΰτως FY (nicht nur F, wie bei Fuhr steht), § 41 μηδενός SA: μηθενός FY (nicht nur Υ, wie bei Fuhr), § 67 Ποτίδαιαν SFAY (vgl. § 12 Ποτείδαιαν S: Ποτίδ- FAY; Fuhr korrigiert an beiden Stellen den Namen der Stadt stillschweigend in Ποτειδ-). Vgl. D.F. McCabe, The Prose-Rhythm of Demosthenes, New York 1981,48-67 und 79-81 (Anm.) sowie MacDowell 80-82 für die Feststellung, daß die von Benseier beschriebene Tendenz des Demosthenes, Hiat zu meiden, nicht als Gesetz betrachtet werden dürfe, zumal da scriptio plena zur Zeit des Demosthenes sogar bei Versinschriften, in denen Elision vom Metrum verlangt wird, geläufig sei (vgl. L. Threatte, Unmetrical Spellings in Attic Inscriptions, CSCA 10, 1978,169-194, S. 171-174), und gelegentlich auch von den Demosthenes-Papyri bestätigt werde. Der Didym.-Papyrus geht, was die Elisionen betrifft, an vier Stellen mit Α gegen SFY zusammen (§ 34 έδέχεσθε. 34 ποτε. 44 ταϋτα. 70 τοιαϋτα. Vgl. auch § 34 τά γ' έκείνου A Didym.: τά γε κτλ. FY, γε om. S), an drei mit SFY gegen A (§ 37 π ο τ . 37 οτ\ 44 ενεκ'), an einer mit S gegen FAY (§ 44 ά θ ά ν α τ ο ν δ'). Zweimal geht Didym. eigene Wege (§ 17 β[ελ]τιστ Didym.: -στα SFAY und 37 χρήματ Didym.: -τα SFAY).

Die 4. Philippika. Überlieferung

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§ 59 άμφότερα έξειν SFY: -τερ' κτλ. Α § 18 ήτιώντο άν FAY: -ντ' άν S § 26 χρησόμεθα έχθρω SFA: -μεθ' κτλ. Υ § 29 είώθατε έφ' ησυχίας FAY: -θατ' κτλ. S § 56 α πεισόμεθα, άν (= εάν) SFY: -μεθ' Α Die Elision unterbleibt meistens auch bei dreisilbigen Wörtern. Dies gilt insbesondere für die Adverbien πώποτε (§§ 2. 21), άλλοσε (§ 22), έγωγε (§ 25 [έγωγ' A]. 34. 39. 57), die Verbendungen -τε/-σθε der 2. Person Plural (§§ 1 κάθησθε. 19 ζητείτε. 24 προήσθε. 29 πύθησθε. 51 σκέψαισθε. 54 έχετε. 59 τράπησθε. 75 κάθησθε. Die einzige Ausnahme bildet άγηθ' ήσυχίαν in § 24), -το der 3. Person Singular (§§ 12 προείτο. 13 γένοιτο [-οιτ' A]. 24 γένοιτο. 27 γένοιτο [-οιτ' Α]. 64 δύναιτο. 70 εροιτο. Die einzige Ausnahme bildet γένοιτ' άν in § 45 [-οιτο A]), die Partizipialendungen auf -ντα (§§ 5 δώσοντα. 14 έχοντα [-ντ' Υ]. 34 φάσκοντα. 44 λέγοντα. 51 παρόντα. 56 πράττοντα), Adjektive und Pronomina (§ 8 γνώριμα [-ριμ' S]. 17 κάκεΐνα. 17 βέλτιστα [-aT'Didym.]. 76 βέλτιστα [-στ() Α], 33 ήδιστα [-ot'S]. 18 δεύτερα. 19 δντινα. 27 ήντινα. 28 τοιαύτα. 48 τοιαϋτα. 70 τοιαϋτα [A Didym.: τοιαϋτ' SFY], 32 άπαντα [-νθ' FY]. 51 άπαντα [-ντ' S]. 36 δίκαια. 40 έκόντα. 58 λυπηρά. 76 μηδένα), Substantive (§ 3 πράγματα. 8 Μέγαρα. 29 πράγματα. 37 τάλαντα. 37 χρήματα bis. 46 α'ίτια. 66 άδεια. 75 πράγματα. Die Ausnahme: § 9 πράγματ' είλήφει SFY Pap. [-ατα Α330]), das Adverb μάλιστα (§§ 49 [-σθ' S], 51) und vielleicht die Konjunktion ήνίκα (§ 30 [SA: ήνίκ' FY]). Elidiert werden hingegen die Präposition ένεκα (§44 ένεκ' [ένεκα Α]) und die Konjunktion έπειτα (§§ 32. 51 [in beiden Fällen nicht elidiert in A]). Von den zweisilbigen Wörtern werden elidiert die Präpositionen αντί, από, διά, έπί, κατά, μετά, παρά und υπό sowie die Partikeln άλλά und αρα 331 . Ebenfalls elidiert werden die Adverbien ειτα (§§ 1. 6. 21 [SFY: είτα Α]) und μάλα (§ 24 [SY: μάλα FA]), die Negationen μηδέ (§§ 2. 19. 28 bis. 48), ούδέ (§§ 1. 2. 6. 9 bis. 12. 13 [ουδέ άν SFY ist wohl als ούδ' εάν zu trennen], 14. 40 ter. 43. 51. 61 bis. 64. 72 [die Hs. Α überliefert ουδέ in §§ 14. 40. 43, die Hss. FY in §§ 61. 72, Υ allein in § 61]), die Konjunktionen δτε (§§ 30 [δτε A]. 37) und ώστε (§§ 15. 32 [in beiden Fällen ώστε in A]), die 1. Person Singular οίδα (§§ 4. 27 [SA: οιδα FY], 60 [FA: οίδα SY]), das Partizip οντα (§ 8 SY: οντά AF), das Substantiv 330 331

Unsere Papyri widersprechen Α auch in den §§ 12 (τοϋτ') und 43 (ούδ'). An keiner der einschlägigen Stellen gibt es auch nur eine einzige Ausnahme, und sei es auch nur als varia lectio in einer der vier Hss. SFAY oder - wo vorhanden - in den Papyri.

72

Einleitung

δόξα (§ 73 [δόξα S]). Meistens elidiert wird auch das Pronomen τοϋτο (§§ 3. 9. 10. 12 bis. 28. 31. 35. 42. 57. 73 [A überliefert freilich τοϋτο in §§ 9. 12 bis. 28. 31. 35], Nicht elidiert: §§23 [FAY: τοΰτ' S], 36. 39. 57), das Pronomen ταϋτα (§§ 1. 8. 25. 28. 45 ter. 50. 56. 76 [A tradiert jedoch ταΰτα in §§ 8. 45 ter. 50. 76, F in § 56], Nicht elidiert: §§ 3. 38. 57 [SFY: ταΰτ' A], 62), der Eigenname Δία (§§ 17 [Δία A], 26. 50 [Δία A]), die Partikel ποτέ (§§ 3. 4. 34 [ποτε A Didym.]. 37 [SFY Didym.: ποτέ A]. 58. 66. Nicht elidiert: § 23 [FAY: ποθ' S]). Nicht elidiert werden die Pronomina άλλο / άλλα (§§ 19 bis. 20. 35. 55 [τάλλ' Υ], 64 bis), τινά (§§ 34. 42 [S: τινάς FAY]. 65), δσα (§§ 19. 28 [δσ S]. 35. 40 [Α: δσ άν FY, δσον S], 56), τότε (§ 8), das Substantiv πράγμα (§§ 42. 75), die Adjektive κοινά (§ 45) und πολλά (§ 64), die Fragewörter πότε (§ 26) und πόσα (§ 65), die 2. Person Plural der Kopula (§ 69). Ein Schwanken findet sich bei der Konjunktion ινα (§ 7 ϊν' SA: ϊνα FY. 10 ινα SA: ιν' FY [ίνάξ- Pap.]. 11 ινα FAY: ϊν' S. 75 ϊν' FAY: ινα S), bei den Negationen μήτε und οΰτε (§ 4 μήτε. 16 bis μήτ' [einmal μήτε in A]. 39 bis οΰτ' [einmal οΰτε in A], 49 οΰτ' [οΰτε A], 62 οΰτε [οΰτ' AY], 62 οΰτ' εάν [οΰτε S]. 75 οΰτε [οΰτ' Α]) sowie beim Adjektiv πάντα (§§ 15. 75 [in beiden Fällen πάντ' SFY: πάντα Α]. Nicht elidiert: § 37 [FAY: πάνθ' S], 46)332. Bei den einsilbigen Wörtern weisen die Partikeln γε (γ': §§ 12. 34 [A Didym.: γε FY, om. S], 56 [γε A], 71. γε: 24 [γ' A], 40. 43. 61. 72 [γ' S]) und τε (τ': § 55 [SY: τε F, ται Α], τε: § 70) eine Schwankung auf und δέ wird überwiegend elidiert (knapp 40 Stellen mit Elision steht etwa ein Dutzend ohne Elision gegenüber). Anders als bei den Elisionen gibt es beim „überflüssigen" ν έφελκυστικόν vor einem Konsonanten nur an wenigen Stellen einen Grund von der Praxis Fuhrs abzuweichen. An etwa drei Dutzend Stellen fehlt dieses ν έφελκυστικόν in allen vier Hss. sowie - wo vorhanden (d.h. an sechs von diesen Stellen) - in den Papyri. An sechs Stellen erscheint das überflüssige ν in allen vier Hss., an vier von ihnen am Satzende (vor Punkt333: § 6 έγνώκασιν. 55 λέγουσιν. 67 άνεϊλεν, vor Komma: § 32 γέγονεν); die beiden anderen Stellen sind § 62 οιδεν γάρ und § 64 έξηπάτησεν και πολλά ετερα. An etwa zwei Dutzend Stellen hingegen schwanken die Hss.: An einer Stelle wird das ν έφελκυστικόν von SFA überliefert (§ 57 εστίν, τήν), an sieben von SFY (§ 4 πόλεσιν, των. 11 λέλυκεν, καί. 27 παρελήλυθεν, τήν. 42 πράγμασιν τοις. 48 περιγέγονεν, καί. 332

333

Zu εστί, bei dem die Alternative zur Elision die Form εστίν mit ν έφελκυστικόν ist, vgl. unten. Gelegentlich fehlt aber das ν έφελκυστικόν am Satzende (z.B. § 54 εχουσι).

Die 4. Philippika. Überlieferung

73

67 άπέδωκεν και, 74 είχεν, νΰν), an zwei von SA (§ 3 πασιν τοις. 20 πράγμασιν καί), an einer von SF (§ 11 άπαλλαγώσιν. δει), an fünf von FY (§ 13 οίδεν καί. 19 μισθαρνοϋσιν διασπάσασθαι. 38 ποιοϋσιν. τι. 51 σώσειεν των. 52 α π α σ ι ν τοις), an drei von S allein (§ 4 έστιν των. 11 ποιήσωσιν 3 3 4 [vor einer Parenthese], 69 Έ λ λ η σ ι ν καί), an einer von Α allein (§ 36 έπιρρώσειεν την), an einer von F allein (§ 52 φθονοΰσιν καί 335 ), an vier von Υ allein ( § 1 7 εστίν ταΰτα. 31 έστιν, καί. 42 δυσχεραίνουσιν τό. 51 γέγονεν π ρ ά γ μ α τ α ) . Ich habe in den Lemmata des Kommentars das ν έφελκυστικόν akzeptiert, wenn es von drei der vier maßgeblichen Hss. oder zumindest von SA, SF oder SY überliefert wird; sonst habe ich es fortgelassen. Die Kopula wird an vier Stellen vor einem Vokal elidiert (§ 13. 20 [έστιν, ώς A], 33. 62), an einer erhält sie ein ν έφελκυστικόν (§ 1 [έστ' ω Α]), und einmal bleibt die 2. Person Plural des Verbums είναι vor einem Vokal unelidiert (§ 69). Für die Nebenüberlieferung der 4. Philippika sind wir weiterhin auf den kritischen Apparat der Teubneriana von Blaß angewiesen 336 , die Scholien liegen hingegen in einer modernen Ausgabe von M.R. Dilts vor. Die 4. Philippika erschien seit der editio princeps von Aldus aus dem J. 1504 in den Ausgaben zusammen mit den anderen Philippischen Reden und wurde ebenso wie diese kommentiert 337 . Die einzige nennenswerte Abweichung davon ist Blaß und Fuhr zu „verdanken", die unter dem Eindruck der vor dem Auftauchen des Didymos-Kommentars um die Jahrhundertwende fast einhelligen Athetese der 4. Philippika diese bei den Neubearbeitungen der Rehdantzschen Kommentare zu den Philippischen Reden des Demosthenes nicht mehr berücksichtigt haben. Der beste Kommentar zur 4. Philippika ist somit der von H. Weil338.

334

Der Papyrus unterstützt an dieser Stelle die Lesart ohne ν von FAY. Später freilich gestrichen. Die Streichung des „überflüssigen" ν έ φ ε λ κ υ σ τ ι κ ό ν wurde übrigens in F - wie M a c D o w e l l 55 f. meint, v o m Schreiber selbst - systematisch durchgeführt. 336 v g l Wankel 77. 337 Für eine Bewertung der Ausgaben und Kommentare vgl. H. Weil, 3 1 9 1 2 , S. X L V I XLIX und Wankel 8 2 - 8 9 . 338 Zuletzt 1912 in der Bearbeitung von G. Dalmeyda erschienen (= N D Hildesheim u. N e w York 1974). Zu den Mängeln des durchaus brauchbaren Kommentars von Rehdantz aus dem J. 1860, die durch die Voreingenommenheit des Autors in der Echtheitsfrage bedingt sind, vgl. das treffende Urteil von Körte 4 0 2 Anm. 3 („besonders Rehdantz [sei vorzuwerfen, daß er] öfter Unsinniges in die Worte [der 4. Philippika] hineininterpretiert und sich dann triumphierend über die Dummheit des Sophisten die Hände reibt"). 335

VERZEICHNIS DER ABGEKÜRZT ZITIERTEN LITERATUR

Ausgaben und Kommentare zur 4. Philippischen Rede des Demosthenes Demosthenis quae supersunt, ed. I.I. Reiske. Editio correctior curante G . H . Schaefero, London 1822 (S. 84-97) G. H. Schaefer, Apparatus criticus et exegeticus ad Demosthenem, Vine. Obsopoei, Hier. Wolfii, Io. Taylori et Io. Iac. Reiskii annotationes tenens, London 1824,1 2 (S. 6 1 0 - 5 9 ) Oratores Attici, rec. I. Bekker, Berlin 1824, IV 1 (S. 119-138) Oratores Attici, rec. J.G. Baiter/ Η. Sauppe, Zürich 1 8 3 9 ^ 3 , 1 (S. 5 4 4 - 5 5 1 ) Demosthenes, rec. W. Dindorf, Oxford 1846,1 (S. 140-162) Demosthenis opera, rec. Graece et Latine J. Th. Vömel, Paris 1847 (S. 6 9 - 8 0 ) Demosthenis contiones, rec. J. Th. Vömel, Halle 1857 (S. 6 7 2 - 7 2 2 ) Demosthenes, with an English Commentary by the Rev. R. Whiston, London 1859, I (S. 230-256) Demosthenes' Ausgewählte Reden, I.: Die zwölf Philippischen Reden. Für den Schulgebrauch erklärt von C. Rehdantz, Leipzig 1860 (S. 279-314) Demosthenis orationes publicae. The Philippics, ed. G . H . Heslop, London 1868 (S. 86-116) Demosthenis orationes, rec. G. Dindorf I.: orationes I - X I X , editio quarta curante F. Blaß, Leipzig 1892 (S. L X I V - L X X u. 163-181) Demosthenis orationes, rec. S.H. Butcher I., Oxford 1903 Les Harangues de Demosthene, texte grec publie avec un commentaire critique et explicatif par Η. Weil, Paris Ί 8 7 3 , S. 355-398; 3 1912, bes. von G. Dalmeyda, S. 3 5 7 - 3 9 8 (ND Hildesheim u. New York 1974) Demosthenis orationes, ed. C. Fuhr (ed. mai.), I, 1 Leipzig 1914 (S. 152-177) Demosthene, Harangues, texte etabli et traduit par Μ. Croiset, Paris 1955,1 (S. 112-39) Demosthenes, Olynthiacs, Philippics, Minor Public Speeches, Speech against Leptines, with an English Translation by J . H . Vince, London u. New York 1930 (S. 2 6 8 - 3 1 3 ) Discorsi e lettere di Demostene a cura di L. Canfora I.: Discorsi all'assemblea, Turin 1974 (S. 131-137 u. 220-351)

Papyri Pap. Harris Pap. PSI

= The Rendel Harris Papyri of Woodbrooke College, Birmingham, ed. J . E . Powell, Cambridge 1936, S. 3 0 - 3 2 = Pap PSI inv. 2012, ed. M. Manfredi, Trenta testi greci da papiri letterari e documentari editi in occasione del XVII Congr. Internaz. di papirol., Napoli 19-26 Maggio 1983, Florenz 1983, S. 3 4 - 3 8

76 Pap. PL

Abkürzungen = Pap. PL III 269 C, Demosthenes, De Cherson. 67 oppure In Phil. IV 70, ed. Gabriella Messeri Savorelli u.R. Pintaudi, in: ZPE 115,1997, S. 171 f.

Sonstige Literatur Die Demosthenes-Scholien werden nach Scholia Demosthenica, I—II, herausg. von M. R. Dilts, Leipzig 1983-86 und der Didymos-Kommentar nach Didymi in Demosthenem commenta, herausg. von L. Pearson u. Susan Stephens, Stuttgart 1983, zitiert. Accame = S. Accame, La lega ateniese del secolo IV a. c., Rom 1941 Adams = Ch. D. Adams, Speeches VIII and X of the Demosthenic Corpus, CPh 3 3 , 1 9 3 8 , 1 2 9 - 1 4 4 Barthold = G. Barthold, Athen und Makedonien. Studien zum Vokabular der politischen Propaganda bei Demosthenes und seinen Gegnern, Diss, (mschr.) Tübingen 1962 Beloch III 2 1/2 = K.J. Beloch, Griechische Geschichte III: Bis auf Aristoteles und die Eroberung Asiens, 1. Abt.: Berlin u. Leipzig 2 1922/ 2. Abt.: Berlin u. Leipzig 1923 Benardete = S. Benardete, X P H and Δ Ε Ι in Plato and Others, Glotta 43,1965,285-298 Bengtson, Staatsverträge = H. Bengtson, Die Staatsverträge des Altertums, II: Die Verträge der griechisch-römischen Welt von 700 bis 338 v.Chr., München u. Berlin 1962 Benseier, De hiatu 1841 = G. E. Benseier, De hiatu in oratoribus Atticis et historicis Graecis I, Freiberg 1841 Bergson = L. Bergson, Zur Stellung des Adjektivs in der älteren griechischen Prosa. Die Motive der Voran- bzw. Nachstellung in ihren Hauptzügen (= Studia Graeca 1), Stockholm 1960 = F. Blaß, Die attische Beredsamkeit I-IV, Leipzig 2 1887- 2 1898 Blaß, Att. Bereds. (Demosthenes ist in Bd. III 1 2 1893 behandelt) Böckh, = A. Böckh, Die Staatshaushaltung der Athener I—II, herausg. Staatshaushaltung von M. Frankel, Berlin 3 1886 = K. G. Böhnecke, Forschungen auf dem Gebiete der Attischen Böhnecke Redner und der Geschichte ihrer Zeit, Berlin 1843,1 2 Brougham = Henry Lord Brougham, Rhetorical and Literary Dissertations and Addresses (= Works VII), London u. Glasgow 1856 Brunt = P. A. Brunt, Euboea in the Time of Philipp II, CQ 63 (19 NS), 1969,245-265 Bühler = W. Bühler, Tendenzen nachdemosthenischer Bearbeitung der 3. Philippischen Rede des Demosthenes, in: Kyklos (= Festschr. R. Keydell), Berlin u. New York 1978,59-77 Bosse = H. Bosse, De asyndeto Demosthenico, Diss. Leipzig (und Progr. Sondershausen), 1875 Busolt/ Swoboda = G. Busolt/ H. Swoboda, Griechische Staatskunde I—II, München 31923-1926 Camp = J. M. Camp, The Athenian Agora, London 1992

Abkürzungen Canfora, Inventario Canfora, Per la cronologia Cargill, 2. Ath. League Cargill, Traitors Carlier Cawkwell, C Q 1963 Cawkwell, JHS 1963 Cawkwell, C Q 1978 Cawkwell, Transitions

Clavaud, Discours d'apparat Clavaud, Prologues Cobet Daitz Davies, APF Denniston, Particles Denniston, Prose Style Ditt. Syll. 3 Dobree Dover Drerup, Advokatenrepublik Drerup, ADA Drerup, Bericht

Ehrenberg

Elliott Engels

Erbse

77

L. Canfora, Inventario dei manoscritti greci di Demostene, Padua 1968 L. Canfora, Per la cronologia di Demostene, Bari 1968 J. Cargill, The Second Athenian League, Berkeley u.a. 1981 J. Cargill, Demosthenes, Aischines and the Crop of Traitors, The Ancient World 1 1 , 1 9 8 5 , 7 5 - 8 5 P. Carlier, Demosthene, Paris 1990 G. L. Cawkwell, Demosthenes' Policy after the Peace of Philocrates, CQ 57 (= 13 NS), 1963,1 120-138; II 2 0 0 - 2 1 3 G.L. Cawkwell, Eubulus, JHS 8 3 , 1 9 6 3 , 4 7 - 6 7 G. L. Cawkwell, The Peace of Philocrates Again, C Q 72 (= 28 NS), 1978,93-104 G. L. Cawkwell, The End of Greek Liberty, in: Transitions to Empire (Festschr. E. Badian), herausg. von R.E. Wallace und Ε. Μ. Harris, Norman u. London 1996,98-121 Demosthene, Discours d'apparat, Paris 1974, ed. R. Clavaud Demosthene, Prologues, Paris 1974, ed. R. Clavaud C . G . Cobet, Miscellanea critica, Leyden 1876 (ND Hildesheim u. New York 1981) S.G. Daitz, The Relationship of the De Chersoneso and the Philippica Quarta of Demosthenes, CPh 52,1957, 145-62 J . K . Davies, Athenian Propertied Families, 6 0 0 - 3 0 0 B.C., Oxford 1971 J . D . Denniston, The Greek Particles, Oxford 2 1954 J . D . Denniston, Greek Prose Style, Oxford 1960 W. Dittenberger, Sylloge inscriptionum Graecarum I-IV, Leipzig M915-1924 P.P. Dobree, Adversaria II, Berlin 1874 K.J. Dover, Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle, Oxford 1974 E. Drerup, Aus einer alten Advokatenrepublik, Paderborn 1916 Ε. Drerup, Antike Demosthenesausgaben, Philologus Suppl.-Bd. 7, Leipzig 1899,531-588 E. Drerup, Vorläufiger Bericht über eine Studienreise zur Erforschung der Demosthenesüberlieferung, SB d. k. bayer. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 1902, III, 2 8 7 - 3 1 3 V. Ehrenberg, Polypragmosyne, Α Study in Greek Politics, JHS 6 7 , 1 9 4 7 , 4 6 - 6 7 (= Polis und Imperium, Zürich u. Stuttgart 1965,466-501) R. D. Elliott, Transition in the Attic Orators, Menasha/Wisconsin 1919 J. Engels, Studien zur politischen Biographie des Hypereides (= Quellen und Forschungen zur antiken Welt, 2), München 2 1993 H. Erbse, in: Geschichte der Textüberlieferung I, Zürich 1961

78 Fehling Fox Fraenkel Framm Fritsch Fuhr, B. Phil. Wschr. 1911 Fuhr, RhM 1878 Gaya Nuno Gebauer, Anh. zu Lys.

Gebauer, Arg. ex contr.

Gebauer, Praet. form. Green Griffith Grunewald

Gygli-Wyss Hansen, Inv. Hansen, Ath. Assembly Harris, Aeschines Harris, D. and the Theoric Fund Harvey

van Herwerden Irmer, Beobachtungen

Abkürzungen = D. Fehling, Die Wiederholungsfiguren und ihr Gebrauch bei den Griechen vor Gorgias, Berlin 1969 = W. Fox, Die Kranzrede des Demosthenes, Leipzig 1880 = Ed. Fraenkel, Noch einmal Kolon und Satz, SB d. Bayer. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 1965, Nr. 2 * = H. Framm, Quomodo oratores Attici sententiis usi sint, Straßburger Diss., Leipzig 1912 = K. Fritsch, Demosthenis orationes VIII. IX. X quomodo inter se conexae sint, Diss. Göttingen, 1908 = K. Fuhr, Demosthenica II 3, Berliner Philol. Wochenschr. 31,1911, Sp. 628-630 = K. Fuhr, Excurse zu den attischen Rednern, RhM 33,1878,565-599, S. 568-75 = B. Gaya Nuno, Sobre un giro de la lengua de Demöstenes („Manuales y anejos de Emerita", 17), Madrid 1959 = Ausgewählte Reden des Lysias für den Schulgebrauch er-klärt von H. Frohberber, I2, bearb. v. G. Gebauer (größere Ausgabe), Leipzig 1880; darin der Anhang von G. Gebauer S. 198-508 = G. Gebauer, De hypotacticis et paratacticis argumenti ex contrario formis quae reperiuntur apud oratores Atticos. Accedunt adnotationes locupletissimae ad varios rhetoricae grammaticaeque locos pertinentes, Zwickau 1877 = G. Gebauer, De praeteritionis formis apud oratores Atticos (Festschr. M. Erler), Leipzig 1874 = P. Green, The Metamorphosis of the Barbarian, in: Transitions to Empire (vgl. Cawkwell, Transitions), 5-36 = N.G.L. Hammond/ G.T. Griffith, A History of Macedonia, Bd. II (550-336 v.Chr.), Oxford 1979 = C. Grünewald, Die Satzparenthese bei den zehn attischen Rednern (= Beitr. z. hist. Synt. d. griech. Sprache 19; auch in der Festgabe für M. von Schanz), Würzburg 1912 = Brigitte Gygli-Wyss, Das nominale Polyptoton im älteren Griechisch, Göttingen 1966 = M.H. Hansen, Inventory: ρήτορες και στρατηγοί, 403-322 B.C., GRBS 24,1983,158-180 = Μ. H. Hansen, The Athenian Assembly in the Age of Demosthenes, Oxford 1987 = Ε. M. Harris, Aeschines and Athenian Politics, New York u. Oxford 1995 = E.M. Harris, Demosthenes and the Theorie Fund, in: Transitions to Empire (vgl. Cawkwell, Transitions), 57-76 = F. D. Harvey, Dona ferentes: some aspects of bribery in Greek politics, Crux (Festschr. G.E.M. de Ste. Croix [= History of Political Thought 6]), London 1985,76-117 = H. van Herwerden, Demosthenica, RhM 37,1882,241-251, S. 250 = D. Irmer, Beobachtungen zur Demosthenesüberlieferung, Philologus 112,1968,43-62

Abkürzungen Irmer, Genealogie

Isaac

Jarde Jones Jost

Kahrstedt, Forschungen Kahrstedt, NGG 1929 Kirchner, Klio 1903 Kirchner, PA Kitzmann

Körte Kromayer/ Veith

Krüger Kühner/ Blaß Kühner/ Gerth Kühnlein

Lang Lipsius Lutz MacDowell

MacDowell, Law in Cl. Ath.

79

D. Irmer, Zur Genealogie der jüngeren Demostheneshandschriften: Untersuchungen an den Reden 8 und 9 (= Hamburger Philol. Studien 20), Hamburg 1972 B. Isaac, The Greek Settlements in Thrace until the Macedonian Conquest (= Studies of the Dutch Archaeol. and Hist. Soc., 10), Leiden 1986 A. Jarde, Les cereales dans l'antiquite grecque, Paris 1925 A. H . M . Jones, Athenian Democracy, Oxford 1966 K. Jost, Das Beispiel und Vorbild der Vorfahren bei den attischen Rednern und Geschichtsschreibern bis Demosthenes, Diss. Basel 1933, Regensburg 1935 (= Rhet. Studien 19, Paderborn 1936) U. Kahrstedt, Forschungen zur Geschichte des ausgehenden fünften und des vierten Jahrhunderts, Berlin 1910 U. Kahrstedt, Demosthenes und die Theorika, N G G 1929, phil.-hist. Kl., 156-163 J. Kirchner, Die Familie des Aristophon von Azenia, Klio 3 , 1 9 0 3 , 1 6 8 f. J. Kirchner, Prosopographia Attica I—II, Berlin 1901-1903 (ND 1966) H. Kitzmann, Über parenthetische Sätze und Satzverbindungen in den Reden des Demosthenes, Erlanger Diss. (= Progr. Regensburg), Nördlingen 1907 A. Körte, Zu Didymos' Demosthenes-Commentar, 1. Die vierte Philippika, RhM 6 0 , 1 9 0 5 , 3 8 8 - 4 1 0 J. Kromayer/ G. Veith, Heerwesen und Kriegführung der Griechen und Römer (= Hdb. d. Altertumswiss. IV 3,2), München 1928 D. Krüger, Die Bildersprache des Demosthenes, Diss. Göttingen (mschr.) 1959 R. Kühner, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache I 1/2, bes. von F. Blaß, Hannover 3 1890-1892 R. Kühner, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache II 1/2, bes. v. B. Gerth, Hannover und Leipzig 3 1898-1904 R. Kühnlein, De vi et usu precandi et iureiurandi formularum apud decern oratores Atticos, Progr. Neustadt a. d. Haardt, 1882 K. Lang, Das σ χ ή μ α κ α τ ' ά ρ σ ι ν κ α ι θέσιν bei Demosthenes, Erlanger Diss., München 1925 J. Η. Lipsius, Das Attische Recht und Rechtsverfahren, Leipzig 1915 L. Lutz, Die Präposition bei den attischen Rednern, Progr. Neustadt a. d. Haardt 1887 Demosthenes, Against Meidias (Oration 21), ed. with introduction, translation and commentary by D . M . MacDowell, Oxford 1990 D . M . MacDowell, The Law in Classical Athens, London 1978

80 Markle Milns Momigliano Ottervik Pack 2 Papastavru Pasquali Pass weg Pecorella Longo

Pritchett Radford

Radicke

Ramming Rehdantz, Ind. I/II

Rhodes Ronnet Roschatt, Metaphern Roschatt, Syn. Verbind.

Abkürzungen : Μ. M. Markle, The Strategy of Philip in 346 B.C., CQ 68 (= 24 NS), 1974,253-268 : R. D. Milns, Hermias of Atarneus and the Fourth Philippic Speech (Festschr. F. della Corte), Urbino 1987,1 287-302 : A. Momigliano, Filippo il Macedone, Florenz 1934 : G. Ottervik, Koordination inkonzinner Glieder in der attischen Prosa, Diss. Lund, 1943 : R. A. Pack, The Greek and Latin Literary Texts from GrecoRoman Egypt, Ann Arbor 2 1965 = J. Papastavru, Amphipolis. Geschichte und Prosopographie (= Klio Beiheft 37), Leipzig 1936 : G. Pasquali, Storia della tradizione e critica del testo, Florenz 2 1962 : Ruth Passweg, The Manuscript Tradition: Demosthenes in Timocratem, Diss. New York Univ. 1975 = Chiara Pecorella Longo, Eterie e gruppi politici nell'Atene del IV sec. a. C. (= Univ. di Padova, Pubblicazioni della fac. di lett. e filos. 48), Florenz 1971 : W. K. Pritchett, The Greek State at War I-IV, Berkeley 1974-85, I (= Ancient Greek Military Practices, Berkeley 1971) : R. S. Radford, Personification and the Use of Abstract Subjects in the Attic Orators and Thucydides, Part I., Diss. Baltimore, 1901 : J. Radicke, Die Rede des Demosthenes für die Freiheit der Rhodier (= Beiträge zur Altertumskunde 65), Stuutgart u. Leipzig 1995 : G. Ramming, Die politischen Ziele und Wege des Aischines, Diss. Erlangen-Nümberg 1965 : Demosthenes' neun Philippische Reden für den Schulgebrauch erklärt von C. Rehdantz, II 2: Indices. I. Rhetorischer und stilistischer Index, II. Grammatischer und lexikalischer Index, Leipzig 4 1886 (bes. v. F. Blaß) : P. J. Rhodes, The Athenian Boule, Oxford 2 1985 : Gilberte Ronnet, Etude sur le style de Demosthene dans les discours politiques, Paris 1951 : A. Roschatt, Die Metaphern bei den attischen Rednern, Progr. Straubing 1886

: A. Roschatt, Die synonymen Verbindungen bei den attischen Rednern, Progr. Freising 1896 ; A. Schäfer, Demosthenes und seine Zeit, Drei Bände, Leipzig A. Schäfer 2 1885—21887; Beil. IV nur in Bd. III der Erstausgabe, Leipzig 1858 H. Schaefer, Staatsform : H. Schaefer, Staatsform und Politik, Untersuchungen zur griechischen Geschichte des 6. und 5. Jh., Leipzig 1932 Schulze, Quaestiunculae ; E. R. Schulze, Quaestiunculae grammaticae ad oratores Atticos spectantes, Progr. Bautzen 1889 : E. Schwyzer, Griechische Grammatik I—II, München 1939 Schwyzer : R. Sealey, Demosthenes and His Time, New York u. Oxford 1993 Sealey

Abkürzungen Sordi, Lega Sordi, Kokalos 1959

Spengel, Δ η μ η γ ο ρ ί α ι

Spieker Stählin Stavenhagen Stix Straub Threatte Travlos Volkmann Wankel

H . O . Weber Welzhofer Wendland

Westermann, Quaest. Wilamowitz Winiewski, K o m m . zu D. 18 Wüst

Wyse

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ABWEICHUNGEN DES IN DEN LEMMATA DES KOMMENTARS AUSGESCHRIEBENEN DEMOSTHENES-TEXTES VON DEM TEUBNER-TEXT K. FUHRS

§7 § 12 § 13 §20 §§21.50 §23 §28 §32 §37 § 39 §50 §58 §65 §72

nos είδη πάντα ούδ' εάν Φίλιππον δ' αύτόν ουδέν άλλο άν άεί om. άν 2 λειτουργήσω Φίλιππον ήμιν μαθόντες 1·ούδαμώς| άπαντα [καλώς] εχει (δεϊν) οίομένοις Ιάπεστέρησθεί τη μεν πόλει

Fuhr ϊδη άπαντα ούδ' άν Φίλιππον δ' άν αύτόν ούδέν άλλ(ο) αίεί habet Fuhr λτ|τουργήσαι Φιλίππω ύμϊν παθόντες ούδαμώς άπαντα καλώς εχει αίρουμένοις άπεστέρησθε τη πόλει μέν

Der Kommentar folgt der inzwischen allgemein akzeptierten Paragrapheneinteilung K. Fuhrs, die von derjenigen I. Bekkers nur geringfügig abweicht.

KOMMENTAR §§ 1-10 Proömium: Mahnung zu Taten und Aufzählung der Versäumnisse der Athener seit dem Philokrateischen Frieden § 1 Και σπουδαία νομίζων: Die 4. Philippika beginnt so unauffällig wie sonst keine der demosthenischen Demegorien. Die schmucklose Kürze der Formulierung und der strikt konventionelle Inhalt des Eingangssatzes dienen dem ήθος des Redners, der am Anfang der Rede, der politischen Lage angemessen, ernst und ungekünstelt erscheinen möchte. Daß die Hervorhebung der Wichtigkeit der Beratungen ein gewohnter Topos am Anfang einer Rede war, ersieht man schon aus der von H. Wolf herangezogenen Isocr.-Stelle (8,1) "Απαντες μεν είώθασιν ol παριόντες ένθάδε ταϋτα μέγιστα φάσκειν είναι και μάλιστα σπουδής άξια τη πόλει, περί ών αν αυτοί μέλλωσι συμβουλεύσειν. Diese Feststellung dient Isocr. als Prodiorthose: Er kann den Gemeinplatz effektvoller einsetzen, wenn er sagt, daß er ihn als solchen erkannt hat. Denselben Gedanken (ebenfalls in einer Prodiorthose) gebraucht aber auch D. an einer Stelle der Timocratea (24,4): είώθασιν μεν οϋν οί πολλοί των πράττειν τι προαιρουμένων των κοινών λέγειν, ως ταϋθ' ύμΐν σπουδαιότατ' εστίν και μάλιστ' άξιον προσέχειν τούτοις, υπέρ ων άν αυτοί τυγχάνωσι ποιούμενοι τους λόγους, εγώ δ', ε'ίπερ τινί τοΰτο και άλλω προσηκόντως ειρηται, νομίζω κάμοί νϋν άρμόττειν ειπείν. Zu vergleichen ist auch die Empfehlung des Aristot. rhet. 3,14 p. 1415 b, 1-3 προσεκτικοί δέ (sc. οί άκούοντες) τοις μεγάλοις, τοις ιδίοις, τοις θαυμαστοΐς, τοις ήδέσιν διό δει έμποιεΐν ώς περί τοιούτων ό λόγος. - Der Eingangssatz der 4. Philippika ist für Hermog. p. 318,24-26 Rabe ein Beispiel des γοργότης (d.h. „Lebhaftigkeit", vgl. Volkmann 562) bewirkenden τμητικός λόγος, des „zerschnittenen Stils" (Rehdantz z. St.; vgl. auch Hermog. p. 316,14-17 Rabe und nach ihm Anonym, de fig. III 140,11-13 Spengel). In der von den D.-Hss. überlieferten Form ist aber der Satz viel weniger „zerschnitten" als in der offenbar aus dem Gedächtnis zitierten Fassung bei Hermog., in der es heißt (p. 316,15-17 Rabe): και σπουδαία νομίζων, ώ 'Αθηναίοι, και αναγκαία τη πόλει, περί ών βουλεύεσθε, έφ' α παρελήλυθα. Ari-

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stid. rhet. 1,167 p. 63,10-13 Schmid wiederum führt unseren Satz, den auch er unvollständig zitiert, als Beispiel der periodischen Komposition an, der (σΰνθεσις) κ α τ ά περίοδον. ώ άνδρες 'Αθηναίοι: Die an die Zuhörer gerichtete Anrede (sie kommt in der 4. Philippika nur in dieser Form vor, die zugleich die gewöhnliche ist, vgl. Rehdantz, Ind. I 7) fehlt im ersten Satz einer attischen Rede äußerst selten: im Corp. Dem. nur D. 28; 60; [D.] 61 u. prooem. 23b, bei den anderen Rednern nur im ersten Satz der 4. Rede des [And.], der 8., 9., 11., 20. u. 35. Rede des Corp. Lys., der 3., 6., 7., 8., 10., 12., 13., 15. u. 18. Rede des Isocr. sowie am Anfang sämtlicher Tetralogien des Ant. In der Regel steht sie in einer Kolonfuge (hier zwischen einem participium coniunctum und dem von ihm abhängigen Nebensatz; vgl. Fraenkel 4) und nur in wenigen Fällen am Ende des ersten Satzes der Rede (im Corp. Dem. nur D. 36; [D.] 26; 46; 56 u. prooem. 9). περί cbv βουλεύεσθε: Dieser kurze Relativsatz bezeichnet den Gegenstand der Beratungen auch im Proömium der Friedensrede (5,2): τ ά δε π ρ ά γ μ α τ α και περί ών βουλεύεσθε sowie im prooem. 56,3 ή μεν ούν έμή γνώμη περί ών βουλεύεσθε, ήδ' εστίν. Vgl. auch Thuc. 1,80,2 (Proömium der Rede des Archidamos) τόνδε (sc. τόν πόλεμον) περί οΰ νϋν βουλεύεσθε, sowie die Wendung περί ών νυνί σκοπείτε D. 1,1. Blaß wollte diesen Satz nach den Zitaten bei Hermog. (bei dem er nachgestellt ist, vgl. oben zu και σ π ο υ δ α ί α νομίζων) und Aristid. rhet. 1,167 p. 63,10-13 Schmid (bei dem er gänzlich fehlt) tilgen. Die Rhetoren sind aber häufig unzuverlässige Zeugen (vgl. Wankel 77) und ein Objekt würde uns, wenn wir die Athetese von Blaß annähmen, fehlen. Gegen Blaß spricht inzwischen auch der Didymos-Papyrus (1,27). και αναγκαία tfj πόλει: Die Adjektive σπουδαίος und αναγκαίος werden bei den Rednern sonst nicht miteinander verbunden. Vgl. aber im Proömium der Chersonesitica (8,1) die Verbindung περί κοινών π ρ α γ μ ά τ ω ν και μεγάλων υμών βουλευομένων.

πειράσομαι περί αυτών ειπείν, α νομίζω συμφέρειν: Die bescheiden gefaßte Ankündigung πειράσομαι λέγειν, διδάσκειν u. ä. ist formelhaft und paßt besonders gut zur Tonlage eines Proömiums, in dem es ja wesentlich darauf ankommt, durch maßvolles Auftreten auf die Zuhörer einen guten Eindruck zu machen. Vgl. bei den Rednern noch z. B.: D. 2,4; 4,13; 14,2 (= prooem. 7,2); 18,4; 20,11; 21,8; 22,3; 28,1; 60,6; [D.]

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11,2; 61,9; prooem. 1,2; 17; 20,3; 30,2; 44,2; Ant. 2α, 3; 2γ, 1; 5,19; Lys. 7,3; 12, 3. 5; 23,1; 24,1; 25,7; 32,3; Isae. 8,6; 9,1; 10,3 Ws; fig. 4 Thalheim; Isocr. 2,6; 3,11; 7,19; 8,18; 10,15; 11,4. 9; 15,29; [Isocr.] 1,12. S. auch die abschließenden Worte des vom Verfasser der Rhet. ad Alex. 29,7 p. 1436 b gegebenen Beispiels für die Gestaltung eines Proömiums: ώς δέ εί και νϋν μοι πεισθείτε, καλώς βουλεύσεσθε, τοϋτο πειράσομαι διδάσκειν. - Als ein weiteres Zeichen von Bescheidenheit ist zu werten, daß der Redner nicht einfach verspricht, das für die Stadt Vorteilhafte zu sagen, sondern nur das, was er dafür hält. Die Milderung des Ausdruckes durch νομίζω, ήγοΰμαι u.ä. ist auch formelhaft und ebenfalls vorzugsweise im Proömium oder aber im stilistisch häufig nicht unähnlichem Epilog zu finden, vgl. z.B.D. 3,36 (Epilog); 16,32 (Epilog); 20,1; [D.] epist. 3,5. 8; prooem. 1,2 (πειράσομαι συμβουλεΰειν α κράτιστ' είναι νομίζω); 8,3 (α βέλτιστα νομίζω ... α κράτιστα νομίζω); 11 (πειράσομαι ... συμβουλεΰσαι ... α κράτιστα νομίζω περί των παρόντων); 15,2 (ά κράτιστα νομίζω); 30,2 (πειράσομαι δ' ά κράτιστα νομίζω συμβουλεΰειν); 40,3; 52.

ουκ ολίγων δ' όντων αμαρτημάτων ούδ' έκ μικροϋ χρόνου συνειλεγμένων: Nach der konventionellen Bescheidenheit der ersten Periode ist für die zweite eine παρρησία ohne jeden Versuch der Milderung kennzeichnend. Die in der kurzen ersten Periode hinter rhetorischen Floskeln versteckte Erregung des Redners überwindet im Laufe der langen zweiten Periode zunehmend die dem Proömium angemessene Zurückhaltung und zeigt sich an dessen Ende völlig ungeschminkt. - Nach der knapp gehaltenen ersten Periode steht in der zweiten auch ein Beispiel rhetorischer Fülle vor uns: Der konkrete Vorwurf ταΐς γνώμαις ύμεΐς άφεστήκατε των πραγμάτων, in der Rhetorik das ώρισμένον genannt, wird in den beiden genetivi absoluti durch einen allgemeinen Hinweis auf die von den Athenern begangenen Fehler (ein αόριστον, vgl. Wankel 121 zu D. 18,3 und Rehdantz, Ind. I 25 s.v. περιβολή) vorbereitet und durch die Steigerungsformel ουδέν ... δυσκολώτερον hervorgehoben. Anschließend wird er durch die Hyperbel τοσούτον χρόνον κτλ. zusätzlich unterstrichen und erlangt seinen Höhepunkt mit der abschließenden, wiederum hyperbolischen Steigerung ού μόνον ... αλλ' ουδέ μέμνηται. - Durch genetivi absoluti wird das άόριστον z. B. auch an den folgenden Stellen des Corp. Dem. ausgedrückt (unter ihnen sei besonders auf 19,121 hingewiesen, wo es wie in unserem Beispiel in der Form zweier beigeordneter genetivi absoluti erscheint, und wo dem ώρισμένον die Steigerungsformel ουδέν έστιν mit einem Adjektiv im

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Komparativ vorausgeht): D. 19,85. 121; 24,88. 194; 36,22; [D.] 25,54; epist. 2,7 sowie unten in § 49 όντων ... των παρόντων πραγμάτων πασιν ... φοβερών. Weitere Beispiele des Aoriston finden sich in unserer Rede in §§ 5 πασιν, οσοις πράγματα πράττεται. 10 άλλα μυρία. 17 τάλλα πάντα. 19 τάλλα, δσα εις πόλεμον. 33 και πάντα τα τοιαϋτα. 37 και πάντα έποιοϋμεν τά δέοντα. 55 και άλλους λόγους. 60 πολλά Φίλιππος εχει. 64 και πολλά ετερα. - Eine Aufzählung der άμαρτήματα der Athener findet sich in der Kranzrede (18,246 και έτι τάς έκασταχοϋ βραδύτητας, δκνους, αγνοίας, φιλονικίας, ά πολιτικά τάϊς πόλεσι πρόσεστιν άπάσαις και, άναγκαϊ' άμαρτήματα), an einer Stelle, an der D. außerdem ausführt, daß die Bekämpfung dieser Fehler zu den wichtigsten Aufgaben des Politikers gehört. In der 4. Philippika kommt der Redner auf die Fehler der Athener noch in § 54 zurück (auch dort mit Litotes): αίτιον δε τούτων ούχ εν ..., άλλά πολλά και παντοδαπά έκ παντός ήμαρτημένα του χρόνου. Die vielen Gründe für die mißliche Lage erwähnt er auch in § 46 (πολλά πόρρωθέν έστιτά αϊτια) sowie 9,2 (unten zu § 54 ήμαρτημένα ausgeschrieben; diese Stellen bei Fritsch 11). έξ ών φαΰλως ταϋτ' εχει: Der Ausdruck φαύλως εχει ταϋτα (πάντα, τά πράγματα u.ä.) kommt im Corp. Dem. insgesamt zehnmal vor, davon viermal in der 4. Philippika (§§ 1. 3. 75 u. 76, d.h. zweimal am Anfang der Rede und zweimal an deren Ende). Die anderen Belege aus dem Corp. Dem. stammen sämtlich aus echten Reden (2,29 bis·, 3, 29; 4,2; 9,4 u. prooem. 38,1; vgl. aber auch 9,1 έξ ών ώς φαυλότατ' έμελλε τά πράγμαθ' έξειν, 2,26 φαΰλα τά πράγματα της πόλεως γέγονεν, sowie die Wendung κακώς εχει τά πράγματα 4,2; 9,5; 21,203; prooem. 20,1 u. 30,3). Bei den anderen Rednern ist der Ausdruck φαΰλως έχειν meines Wissens nur an einer einzigen Stelle (Isocr. 4,6) belegt: έως ... άν ... τά ... είρημένα φαύλως έχοντα τυγχάνη. - Daß das Demonstrativum ταϋτα für Blaß, Att. Bereds. III2 1,385 Anm. 3 im ersten Satz „keine Beziehung" hat, erklärt sich dadurch, daß er den Relativsatz περί ων βουλεύεσθε (und mit ihm auch die Beziehung von ταϋτα) getilgt hatte, vgl. oben. ουδέν έστιν, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, των πάντων δυσκολώτερον: Die hyperbolische Wendung ουδείς bzw. ουδέν των πάντων ist für den echten Demosthenes bezeichnend (vgl. noch 8,11. 40 [= 10,11]; 10,31. 49; 16,14; 19,68); sonst findet sie sich einmal in einer D.-Imitation ([D.] 11,16) und prooem. 41,1, bei den anderen Rednern, soweit ich sehe, nur

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Isocr. 12,73. Fünfmal bei D. handelt es sich um Beispiele der Steigerungsformel ουδείς των πάντων mit Komparativ, gefolgt von der disjunktiven Partikel ή oder dem komparativen Genetiv (8,11. 40 [= 10,11]; 10,49 sowie unsere Stelle). - Die Anrede steht hier in der Kolonfuge hinter dem aus einer Negation und der Kopula gebildeten „Auftakt", der durch diese Stellung des Vokativs hervorgehoben wird, vgl. Fraenkel 46 und Wankel 328 zu D. 18,47. Unter den oben angeführten Beispielen gibt es nur noch eines (10,49), in dem das zusammengehörige ουδείς των πάντων getrennt wird, vgl. aber ουδέν πώποτε, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, των πραγμάτων unten in § 21 und D. 4 , 2 ουδέν, ω άνδρες 'Αθηναίοι, των δεόντων. - Die Wiederholung der Anrede am Anfang einer Demegorie ist nicht ungewöhnlich, vgl. z . B . D . 1,1 sq.; 2 , 1 sq.; 5 , 1 sq.; 6 , 1 . 3; 8 , 1 ; 9 , 1 sq.; [D.] 7 , 1 ; 11,1 sq. - Das Adjektiv δύσκολος („mißlich") ist nicht zu stark (es wird sonst gern als Euphemismus gebraucht, vgl. Wankel 871 zu D. 18,176) und paßt deshalb gut ins Proömium, vgl. den Eingang der Friedensrede (5,1): όρώ μέν, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, τά παρόντα πράγματα πολλήν δνσκολίαν έχοντα...· (2) δυσκόλου δ' οντος φύσει και χαλεπού τοϋ βουλεύεσθαι κτλ. - Der in den Hss. FAY enthaltene und in diesem Ausdruck unerträgliche Superlativ, den H. Wolf noch zu verteidigen suchte, beruht wahrscheinlich auf einer falschen Auflösung der Abkürzung für den Komparativ. Die Hs. S (und supra lineam auch F) hat das richtige δυσκολώτερον. εις TO παρόν: Das substantivierte Partizip τό παρόν kommt in der attischen Prosa schon bei Thuc. häufig vor, vgl. H. Baiser, De linguae Graecae participio in neutro genere substantive posito, Diss. Leipzig 1878,23 f. 26. Für eine Stellensammlung aus den ersten 19 Reden des Corp. Dem. (zwölf Beispiele) vgl. Ronnet 29 mit Anm. 1. Die Wendung εις τό παρόν ist im Corp. Dem. noch D. 3 , 1 0 ; 18,207; [D.] epist. 2 , 2 0 und 6 , 2 belegt, bei den anderen Rednern nur [And.] 4 , 7 . Isocr. ( 3 , 2 7 ; 5 , 5 9 ; 6 , 2 1 . 34; 12,127; 15,94) und Aesch. ( 2 , 1 6 5 ) sagen hingegen πρός τό παρόν. - Der Tribrachys am Ende des Hauptsatzes (τό παρόν) ist nicht einmalig bei D., vgl. ζ. B. die Kürzenhäufung τό τότε γενόμεvov am Satzende 18,179 und Wankel 1259 unten dazu. ή οτι ταϊς γνώμαις ύμεϊς αφεστήκατε των πραγμάτων: Schon Η. Wolf verglich zu dieser Übertragung des Verbums (etwa: „die eigenen Gedanken, das eigene Interesse von den politischen Angelegenheiten abwenden") die Worte άπηρτημένοι και ταΐς παρασκευαϊς και ταΐς

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γνώμαις aus der 1. Philippika (4,12). Vergleichbar ist aber bei D. auch noch die Frage in der Leptinea άρ' ου πολύ τοΰ Σόλωνος αποστατείς τη γνώμη; (20,104) sowie die Wendung τοΰ συμφέροντος άποστήναι unten in § 56 (= 8,54). και τοσούτον χρόνον σπουδάζετε: Der Rest der Periode ist ein explizierender und zugleich zur Steigerung dienender Zusatz zum vorausgehenden Nebensatz οτι ταΐς γνώμαις ύμεΐς άφεστήκατε των πραγμάτων. - Für τοσούτος in der Bedeutung τοσούτος μόνον s. noch z.B.D.4,13. 23; 18,60 (vgl. Wankel 373 dazu). 124; Lys. 12,95; 19, 56; Isocr. 18,45 (diese Stellen bei Rehdantz, Ind. II 140 s.v. τοσούτον, s. auch Gebauer, Anh. zu Lys. 244-246. 293 f.); auch im Lateinischen wird das Adjektiv nicht selten so gebraucht, vgl. z.B. Cie. Phil. 2,20 tantum dicam breviter. - Als Beispiele des absolut gebrauchten σπουδάζειν (vgl. das Adjektiv σπουδαία am Anfang der Rede) zitiert Rehdantz, Ind. II 134 nur D. 8,77 u. [Isocr.] 1,31. Vgl. aber aus dem Corp. Dem. noch D. 20,143; 22,35; 51,18; [D.] 25,8, bei den übrigen Rednern Lys. 24,18; 35 (= Plato Phaedr. p. 234 a) u. Hyp. 5,1. Die zuerst genannte Stelle D. 8,77 wurde von Dobree 32 auch zum Gedanken verglichen: εί μέντοι καθεδεΐσθε άχρι τοΰ θορυβήσαι και έπαινέσαι σπουδάζοντες, εάν δε δέη τι ποιεΐν άναδυόμενοι, ούχ ορώ λόγον, όστις άνευ τοΰ ποιεΐν υμάς ά προσήκει δυνήσεται την πόλιν σωσαι. δσον άν κάθησθε άκούοντες ή προσαγγελθη τι νεώτερον: Die Zerlegung des Gedankens in das Anhören der Reden in der Volksversammlung und das Zuhören, wenn eine Nachricht gemeldet wird, dient dazu, vor dem pointierten Abschluß der Periode (ουδέ μέμνηται) rhetorische Fülle zu erzeugen. Das aus einer Randnotiz in der Hs. Υ sowie aus einigen jüngeren Hss. stammende ήν (statt ή) wäre das einzige Beispiel für diese Form im Corp. Dem. und wurde seit den Zürchern von den Herausgebern (Vömel 1847, Bekker und Heslop ausgenommen) zu Recht nicht mehr in den Text gesetzt. - Zum anschaulichen καθήσθαι mit einem Partizip, gebraucht von den zuhörenden Mitgliedern der Volksversammlung oder des Gerichts vgl. D. 8,53 (= 10,56) πεπεισμένοι κάθησθε, 10,75 κάθησθε άκροώμενοι (prooem. 53,1), 19,239 κάθησθ' όμωμοκότες, 23,219 μεμνημένοι κάθησθε. Für das ironische καθήσθαι vgl. unten zu § 3. - Das Kompositum προσαγγέλλειν kommt statt des gewöhnlichen άπαγγέλλειν im Corp. Dem. nur noch an einer Stelle der Kranzrede (18,170) vor und ist wohl auch hier, wie Wankel 856 für jene Stelle annimmt, „zur Vermeidung des Hiats gewählt". Daß es „gut

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für offizielle Meldungen (paßt)", belegt Wankel ebenda auch mit drei Beispielen aus anderen Autoren, nämlich Lyc. 39; Hell. Oxyrh. 21,2 Bartoletti und [Plato] epist. 13 p. 362 c. - Den Vorwurf, daß die Athener nur bei Meldungen akuter Gefahr ein (kurzlebiges) Interesse am außenpolitischen Geschehen an den Tag legten, erhebt D. mehrmals. Rehdantz verglich z. St. 4,36 τοιγαροΰν άμ' άκηκόαμέν τι και τριηράρχους καθίσταμεν και τούτοις άντιδόσεις ποιούμεθα και περί χρημάτων πόρου σκοποϋμεν κτλ. und 8,11 ήμεΐς δ' έπειδάν π υ θ ώ μ ε θ ά τι γιγνόμενον, τηνικαΰτα ... παρασκευαζόμεθα. S. aber auch 19,181 νΰν δ' οτι αν μη καθ' ήμέραν υμάς ένοχλη και παρόν λύπη, π α ρ ο ρ α τ ε und auch unten §§ 21 sq. u. 29. είτ' άπελθών έκαστος υμών ού μόνον ουδέν φροντίζει περί αυτών, αλλ' ουδέ μέμνηται: Die Steigerungsformel ου μόνον ού ..., αλλ' ουδέ mit Negation in beiden Gliedern kommt im Corp. Dem. nur in echten Reden (9,31. 34; 14,25; 19, 251; 38,11; 39,41; 57,61) sowie einmal im wohl ebenfalls echten prooem. 13 vor (etwas anders unten § 6); bei den übrigen Rednern nur bei Lys. 12,33 und Isocr. 15,118; aus dem Lateinischen vgl. z.B. Cie. div. in Caec. 16 hoc non modo in oratione mea non pono, sed ne in opinione quidem cuiusquam relinquo. Bemerkenswert ist, daß bei Lyc. und Isae., die die Steigerungsformel ού μόνον ..., άλλά (καί) sonst verhältnismäßig häufig (etwa 20- bzw. 30 mal) gebrauchen, die Form ού μόνον ού ..., αλλ' ούδέ überhaupt nicht belegt ist. Das einfache ού μόνον ..., άλλά καί findet sich in der 4. Philippika in §§ 27. 42. 49 u. 68. - Das Verbum φροντίζειν wird in den Beispielen des Corp. Dem. sonst nicht mit der Präposition περί konstruiert, sondern steht in der Regel mit dem einfachen Genetiv oder (zweimal: 1,2 u. 21,39) mit υπέρ und dem Genetiv. Hier wurde die Präposition περί wohl zur Vermeidung des Hiats nach φροντίζει gesetzt (der Hiat im Präpositionalausdruck περί αύτών ist hingegen unproblematisch). Es gibt auch bei den übrigen Rednern keine Belege für die Konstruktion des Verbums φροντίζειν mit der Präposition περί, wohl aber sonst (Herod. 8,36,2; Eur. Hipp. 708 sq.; Xen. comment. 1,1,12), vgl. LSJ s. v. II 2. - Der Plural eines rückweisenden Demonstrativums kann sich auf ein kollektives indefinites Pronomen im Singular beziehen, vgl. Rehdantz, Ind. II 139; Kühner/ Gerth I 54 u. Wankel 537 zu D. 18,99. Hier nimmt aber αυτών nicht sosehr das Objekt von προσαγγελθη (= τι), sondern eher den Genetiv των πραγμάτων weiter vorne wieder auf. - Die in vielfältiger Variation erhobene Kritik der Gleichgültigkeit findet ihren Höhepunkt am Ende der zweiten Periode im hyperbolisch und mit bitterer Ironie formu-

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Kommentar § § 1 - 2

Herten „Vorwurf des schlechten ... Gedächtnisses ..., ein(em) Topos rednerischer π α ρ ρ η σ ί α " (Wankel 750 zu D. 18,138). Ähnlich, als Steigerung des an die Athener gerichteten Vorwurfs der Gleichgültigkeit, verwendet D. diesen Topos auch 19,136: μέλει δ' ούδενί των κοινών, ουδέ μέμνηται (von Dobree 32 verglichen); dort legt aber D. die kritischen Worte in den Mund seiner Gegner, während er hier die Athener direkt anredet. Für andere Verwendungen dieses Topos vgl. Wankel a. O. ; seinen Belegen (Lys. 34,2; Aesch. 1,179; 3,152. 205; D. 6,30; 18,138. 283; 19,3; [D.] 7, 18 und Din. 1,91) wären außer unserer Stelle und der schon verglichenen D. 19, 136 noch z. B.D. 1,11 u. [D.] 13,10 hinzuzufügen. Hyperbolisch gebraucht wie an unserer Stelle wird das negierte μέμνημαι auch D. 18,69 ούδενός τούτων μέμνημαι sowie Lys. 30,27 ούδ' ων πρότερον μετέλαβε π α ρ ' υμών α γ α θ ώ ν μέμνηται. - Die von D. wiederholt eingesetzte παρρησία darf unter keinen Umständen als Ausdruck demosthenischer „Aversion gegen die breite Masse" verstanden werden, wie in einer kürzlich erschienen Dissertation geschehen (Jutta Witte, Demosthenes und die πάτριος πολιτεία, Diss. Bonn 1995,112); ebensowenig ist natürlich das bei D. öfters anzutreffende Lob für die Athener etwa ein Ausdruck seiner Zuneigung für die „Massen". Tadel und Lob müssen vielmehr bei einem Redner zunächst in ihrer rhetorischen Funktion als Requisiten der Überzeugungskunst betrachtet werden: D. wollte durch seine παρρησία die Zuhörer aufrütteln und sich ihnen selbst als ehrlichen Politiker empfehlen, der den leichten Weg zur Popularität durch Schmeichelei verschmäht und bereit ist, unliebsame Wahrheiten mutig auszusprechen; Aversion gegen die Zuhörer zu zeigen und sich dadurch um die Wirkung der eigenen Rede zu bringen, war seine Absicht gewiß nicht. Zu der in Staatsreden seit Thuc. nachweisbaren und sehr verbreiteten παρρησία vgl. Wankel 723 f. zu D. 18,133. § 2 ή μεν ούν ασέλγεια και πλεονεξία: Die Partikelkombination μεν ούν markiert den Übergang von den einleitenden Worten zum eigentlichen Anliegen der Rede wie z.B.D. 1,2 ό μέν οΰν π α ρ ώ ν καιρός κτλ., vgl. Denniston, Particles 470-72 über „transitional" μέν ουν. Die Bemerkung von Blaß Att. Bereds. III2 1,385 Anm. 3, der § 2 sei „einfach mit μέν ούν angehängt", ist also irreführend, weil sie unterstellt, daß die Verknüpfung unbefriedigend sei. Das von Croiset in den Text aufgenommene γ ά ρ ist überflüssig. - Nach der bitteren παρρησία in § 1 (die in § 3 bald wiederaufgenommen wird) richtet D. jetzt seine Angriffe gegen den Makedonenkönig. Die beiden Eigenschaften, die der ersten Erwähnung Philipps in der Rede als feste Größen vorausgeschickt werden, sind

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ασέλγεια und πλεονεξία. Daß Philipp sich dieser beiden Eigenschaften im Umgang mit allen Menschen bediene, wird apodiktisch behauptet. Es kommt auch in anderen Demegorien vor, daß schon die erste Erwähnung Philipps in der Form eines Angriffs erfolgt (vgl. 1,3 πανοΰργος ών και δεινός άνθρωπος πράγμασι χρήσθαι, 6,1 περί ών Φίλιππος πράττει και βιάζεται παρά την είρήνην, 9,1 Φίλιππος, άφ' οΰ την είρήνην έποιήσατο, ού μόνον υμάς, άλλά καί τούς άλλους αδικεί ...· πράττειν όπως εκείνος παύσεται της ύβρεως και δίκην δώσει), aber sie gibt nur hier und am Anfang der 3. Philippika Anlaß zu einem derart scharfen Ausfall (in den Adjektiven πανοΰργος und δεινός der 1. olynthischen Rede ließ D. in der Kritik auch etwas Bewunderung mitschwingen). Die Schärfe des Substantivs ασέλγεια wird gut von der Tatsache beleuchtet, daß es in der Rede gegen Konon (D. 54), in der es viermal, und in der Midiana (D. 21), in der es fünfmal vorkommt (in zwei Reden also, in denen dem Angeklagten ύβρις vorgeworfen wurde), ein thematisches Wort ist und daß es bei D. mehrmals eben mit dem Substantiv ύβρις (einem sehr starken Wort, s. unten zu § 64) eine Verbindung bildet (21,1; 54, 2. 4. 13). D. bringt ασέλγεια und das Adverb ασελγώς auch an drei anderen Stellen mit Philipp in Zusammenhang (4,9; 9,35; 19,342). Für weitere Belege des Substantivs άσέλγεια und dessen Wortfamilie aus der alten Komödie, wo es zuerst erscheint, und aus den Rednern (Isae. 3,13; Isocr. 15,305; Aesch. 1, 137; 3,170), für deren Wortschatz der Begriff zum „standard part" wurde, vgl. MacDowell 220 zu D. 21,1. άσέλγεια und πλεονεξία werden bei den Rednern sonst nirgendwo miteinander verbunden. ή προς άπαντας ανθρώπους Φίλιππος χρήται: Zum hyperbolischen Ausdruck άσελγεία χρήσθαι πρός άπαντας verglich Rehdantz z. St. den Anfang der Midiana (21,1 Την μεν άσέλγειαν, ώ άνδρες δικασταί, καί την ΰβριν, f j προς απαντας άεί χρήται Μειδιάς, ουδέν' οΰθ' υμών, ουτε τών άλλων πολιτών άγνοεΐν οϊομαι), und eine Stelle der 3. Philippika, an der das Adverb ασελγώς, wie an unserer Stelle, auf Philipp bezogen wird (9,35 καίτοι τόν απασιν ασελγώς οΰτω χρώμενον τί οιεσθε ... ποιήσειν;). Vgl. auch D. 21,88 την άσέλγειαν καί την ώμότητα, f j καθ' απάντων χρήται τών έντυγχανόντων (sc. Μειδιάς). - Das in einigen späteren Hss. wahrscheinlich aus der eben zitierten Stelle der Midiana interpolierte Adverb άεί haben Reiske und Auger in den Text aufgenommen und noch Dobree 32 verteidigt; schon Bekker 1824 kehrte aber zum Text der älteren Hss. SFAY zurück. - Die Hyperbel (ά)παντες άνθρωποι, die im Corp. Dem. mehr als 80 mal vor-

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kommt, ist „einmal enger, einmal weiter zu verstehen" (Wankel 343 zu D. 18,48), d. h. bald mit Bezug auf die Griechen wie ζ. B. D. 18,72, bald von der ganzen Welt wie z.B.D. 18,253; an unserer Stelle ist die weitere Bedeutung wohl eher anzunehmen, auf eine genaue Unterscheidung kommt es hier aber nicht an; vgl. auch unten zu §§ 10 (wo die Worte α π α ν τ ε ς ά ν θ ρ ω π ο ι wie noch ζ. B. 9,6 u. 18,72 ebenfalls die Opfer des von Philipp begangenen Unrechts bezeichnen). 14. 30 u. 62. - Für das Fehlen des Artikels bei π α ς vgl. Rehdantz, Ind. II 50 s. v. „Artikel" und 121 j. ν. πας. Nach Konsonanten ist im Attischen πάντες häufiger als άπαντες; bei D. ist es freilich genau umgekehrt, vgl. Fuhr, RhM 1878,573-75; deswegen verbietet es sich, an unserer Stelle mit Croiset π ά ν τ α ς zu schreiben. τ ο σ α ύ τ η τό π λ ή θ ο ς : Das Pronomen τοσούτος kommt mit dem inneren Objekt τό πλήθος im Corp. Dem. nur noch D. 22,68 u. 24,182 (= 22,74), bei Isocr. 14 mal, sonst bei den Rednern an je einer Stelle bei And. (3,20) und Lys. (12,1) vor. - Für das Prädikat im Singular bei zwei Subjekten vgl. Kühner/ Gerth I 79 („... wenn gleichartige Begriffe zu einem Gesamtbegriffe, einem Ganzen zusammengefasst werden sollen"). Die Kopula nach τό πλήθος in der Hs. A (om. SFY) ist eine Interpolation, die von den Herausgebern seit Bekker 1824 zu Recht nicht mehr in den Text gesetzt wurde. Die Ergänzung der Kopula in Nominalsätzen gehört zu den gewöhnlichsten Interpolationen in den Hss., vgl. den Index interpolationum in der Teubneriana von Blaß (I cxlvf.). Eine gründliche Untersuchung über den reinen Nominalsatz wie etwa die von E. Ekman, Der reine Nominalsatz bei Xenophon (= Skrifter utg. av Kungl. Hum. Vetensk.-Samf. i Uppsala 29:6,1938), fehlt für die Redner noch. οσην άκούετε: Laut Heslop z. St. haben die Athener aus dem Munde der Redner, die vor D. gesprochen hatten, von der ασέλγεια Philipps gehört. Fritsch 29 meint, daß ein Schreiben des Königs selbst dessen Anmaßung den Athenern vor Augen geführt habe. Dazu würde der Hinweis auf Drohungen des Königs (άπειλεΐν) in § 64 und auf sein Eingeständnis (ομολογεί), Kardia besetzt zu haben, in § 65 passen. Auf jeden Fall wurden den Athenern Nachrichten über Philipps Aktivitäten in Thrakien übermittelt. - Zum Präsens (Verben der Wahrnehmung und des Sagens können im Präsens stehen, wenn sie eine Handlung bezeichnen, die zwar in der Vergangenheit erfolgte, deren Wirkung aber in der Gegenwart fortdauert) vgl. Kühner/ Gerth I 135,4.

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ότι δ' ούκ ενι ταύτης έκεΐνον έπισχείν έκ λόγου και δημηγορίας: Nachdem Philipps Politik wie selbstverständlich als zügellose Habgier bezeichnet worden ist, wirkt auch die suggestiv als eine allen wohlbekannte Tatsache formulierte Behauptung, man könne ihn „mit Reden" nicht aufhalten, einleuchtend. - ενι steht im Corp. Dem. häufig an Stelle von ένεστι, ob aus rhythmischen Gründen, wie Rehdantz z. St. vermutet, läßt sich schwerlich entscheiden; ούκ ενι mit dem Infinitiv steht noch an folgenden Stellen: D. 2, 23; 4,23; 14,30; 18,7. 198; 19,114; 20,160; 23,52; 24,35. 89; 37,20; 38,9; [D.] 13,35; 17,13; 25,68; 33,24; prooem. 4 7 , 2 bis. Bei den anderen Rednern ist ένι nur Isae. 4,17; Hyp. 2,14; 4 , 2 (ergänzt); 5 , 1 belegt. - έπισχείν wird auch 9 , 7 2 mit Bezug auf Philipp gebraucht: έποιήσαμεν (d.h. Demosthenes und seine Mitgesandten) έπισχείν έ κ ε ΐ ν ο ν και μήτ' έπ' Ά μ β ρ α κ ί α ν έλθεΐν μήτ' εις Π ε λ ο π ό ν ν η σ ο ν όρμήσαι. Die Wendung έπέχειν τ ι ν ά τίνος, die bei den Rednern sonst nicht vorkommt, findet sich z.B. Eur. Andr. 160. Das Substantiv δ η μ η γ ο ρ ί α ist im Corp. Dem. noch an folgenden Stellen belegt: D. 21,202; 22,48 (= 24,161); 51,20 u. [D.] 7 , 2 0 (die von Spengel, Δ η μ η γ ο ρ ί α ι 86 geäußerte Bemerkung, D. gebrauche nur das Verbum δ η μ η γ ο ρ ε ΐ ν , nicht aber das Substantiv δ η μ η γ ο ρ ί α , ist also nicht richtig); bei den anderen Rednern nur bei Aesch. (achtmal) und bei Din. (einmal). Beim echten D. ist es immer ein Pejorativum und erscheint nur an unserer Stelle in einer Verbindung; deswegen leuchtet aber die Bemerkung von Rehdantz z. St., die vorliegende Verbindung sei „eine wenigstens nicht demosthenische Zusammenstellung", noch lange nicht ein. Für Verbindungen mit λ ό γ ο ς vgl. Rehdantz, Ind. 1 1 6 und Wankel 1300 f. zu D. 18,308, der die neun Beispiele bei Rehdantz durch je eines bei D., Lyc. und Ant. ergänzt. Öfters wird λ ό γ ο ς in solchen Verbindungen, wie an unserer Stelle, durch den dazugesetzten Begriff präzisiert, vgl. Roschatt, Syn. Verbind. 9 und Wankel a. O. Die Wendung έκ λόγου και δ η μ η γ ο ρ ί α ς ist demnach kein „unwürdiger Pleonasmus" (so Spengel, Δ η μ η γ ο ρ ί α ι 86), sondern paßt vorzüglich zur Ausdrucksweise der Redner. Andere Verbindungen, in denen der zweite Begriff den ersten erläutert, finden sich in unserer Rede z.B. in §§ 7 λέγω και διεξέρχομαι, 8 έ α θ έ ν τ α και π α ρ ο φ θ έ ν τ α , 14 π λ ε ο ν ε κ τ ή σ α ι και κ α τ α σ χ ε ϊ ν α ρ χ ή ν , 29 ποιεΐν τ α ύ τ ό καϊ ά ν τ ι π α ρ α σ κ ε υ ά ζ ε σ θ α ι , 46 τ ω ν ... π ρ α γ μ ά τ ω ν και της τ α ρ α χ ή ς , 58 ά δ ι κ ο ΰ ν τ α και πόλεις κ α τ α λ α μ β ά ν ο ν τ α , ibid. άδικε! καί π ό λ ε μ ο ν ποιεί. - Zu έκ mit dem Genetiv des Mittels vgl. Kühner/ Gerth I 461 Abschn. f und z.B. die dort zitierte Platon-Stelle Phaedr. p. 231 c καί έκ τ ω ν λ ό γ ω ν καί έκ τ ω ν έ ρ γ ω ν ... τοις έρωμένοις χαρίζεσθαι.

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ουδείς α γ ν ο ε ί δήπου: Die Litotes ουδείς αγνοεί, mit deren Hilfe D. hier seiner Behauptung Nachdruck verleiht, bildet „eine der geläufigen Suggestivformeln" (Wankel 461 zu D. 18, 81). Für die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten dieser Suggestivformel vgl. Wankel a. O., der für verwandte Formeln auf Spengel, Komm, zu Aristot. rhet. 3, 7 p. 1408 a, 34 und Wyse, Komm, zu Isae. 3,40 verweist (für die Wirkung solcher Formeln auf die Zuhörer vgl. Aristot. a. Ο.: ομολογεί γ ά ρ ό ά κ ο ύ ω ν α ί σ χ υ ν ό μ ε ν ο ς , ο π ω ς μετέχτ) ο υ π ε ρ και οί άλλοι πάντες). Die Suggestivformel ουδείς α γ ν ο ε ί kommt im Corp. Dem. öfters vor, z . B . D . 9,29; 18,81; 20,165; 21,1. 156; 39, 22 u. [D.] epist. 3,6 (vgl. auch unten in § 70 ουδείς γ ά ρ τ ά τοιαϋτ' αγνοεί). Wie an unserer Stelle geht in dreien dieser Beispiele (D. 9,29; 18,81 u. 21, 156) der von ουδείς ά γ ν ο ε ΐ abhängige und durch die Konjunktion δτι eingeleitete Nebensatz seinem Hauptsatz voraus und hebt ihn dadurch stark hervor. Bei den übrigen Rednern vgl. ουδείς ά γ ν ο ε ΐ Lys. 4,6; Isae. 3,29; Isocr. 15,37. 243, die verwandte Wendung υ μ ά ς ο υ κ ά γ ν ο ε ΐ ν bei Isae. 11,36 (δτι-Satz geht voraus); Isocr. 6,39. 103; 14,15; 15,19. 174. 299; epist. 4,9. Vgl. auch das suggestive πρόισμεν ά π α ν τ ε ς unten in § 26. D. 21,156 wird die Suggestivformel durch die Partikel δ ή π ο υ betont. Diese und ähnliche Suggestivformeln mit δ ή π ο υ (aus den Staatsreden vgl. noch D. 2,25; 3,9 [οτι-Satz geht voraus]; 5,20; 8,11. 74; 9,41 [οτιSatz geht voraus]. 49) sind ausgesprochen demosthenisch (vgl. Wankel 1094 f. zu D. 18,249); am Satzende wie hier kommt δ ή π ο υ bei den Rednern, abgesehen von kurzen Antworten wie ου δ ή π ο υ , nur beim echten D. vor, vgl. Wankel 628 zu D. 18,117. Die Partikel δ ή π ο υ vgl. auch unten in § 27. Eine kräftigere Suggestivformel (ου γ ά ρ ο ύ τ ω ς εύήθης υ μ ώ ν εστίν ουδείς, ώστε κτλ.) s. unten in § 15.

και γάρ εί μήδ' αφ' ένός των άλλων τοϋτο μαθεϊν δύναται τις, ώδί λογισάσθω: Die von Rehdantz ζ. St. geäußerten Bedenken, die Verknüpfung durch και γ ά ρ sei „in der vorliegenden Gedankenverbindung schwerlich logisch, gewiss nicht demosthenisch", wollte Weil z. St. dadurch entkräften, daß er für die voraufgegangene Wendung ουδείς ά γ ν ο ε ΐ δ ή π ο υ die Übersetzung „personne ne peut meconnaftre" vorschlug („peut" vor allem wegen der nachfolgenden Partikel δ ή π ο υ ) . Die Bedenken von Rehdantz beruhten aber eher darauf,, daß er και und γ ά ρ als eine .progressive', den neuen Punkt ankündigende Partikelkombination auffaßte. Das progressive' και γ ά ρ leitet bei D. in der Tat ähnliche Aufforderungen wie hier ein (vgl. ζ. B. 8,18 και γ ά ρ τ α ϋ τ α λογίζεσθε und 21,167 και γ ά ρ αυ τοϋτο); an unserer Stelle gehört aber καί zu εί,

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während γ ά ρ die in der Suggestivformel zum Ausdruck gebrachte Zuversicht des Redners (δήπου) begründet, vgl. Denniston, Particles 301 und unter seinen Beispielen, in denen die Partikelkombination και εΐ durch γ ά ρ getrennt wird, besonders Isocr. 4,28. Wenn etwas hier das Verständnis der logischen Fügung erschwert, dann ist es der auf diesen Bedingungssatz folgende Hauptsatz; denn was man erwartet, ist etwa ώδί γε λογίσασθαι αΰτώ ενεστι („auch wenn jemand dies nicht anderswoher zu erfahren vermag, bleibt ihm noch die Möglichkeit, die folgende Überlegung anzustellen"). Statt dessen folgt aber die Aufforderung ώδί λογισάσθω, wobei der leichten Beeinträchtigung der logischen Schärfe ein Gewinn an Lebhaftigkeit gegenübersteht. - Zur Tmesis von μηδείς (ουδείς) vgl. Rehdantz zu [D.] 7,8 mit Hinweis auf Hermog. p. 306,4-6 Rabe, welcher diese Erscheinung zu den σχήματα κ α ι ν ο π ρ ε π ή rechnet. Vgl. auch Wankel 833 zu D. 18,161, der von der Wendung ουδέ (μηδέ) καθ' εν feststellt, sie komme oft im Corp. Dem. vor, sei aber bei den anderen Rednern nicht belegt, dafür bei Thuc. - Die Quelle des Wissens bei μανθάνειν wird im Corp. Dem. sonst durch έκ und nicht durch α π ό mit dem Genetiv ausgedrückt, vgl. z.B.D. 18,89. 218; 27,32. 54; 32,2; 38, 9; 57,46 u. [D.] 44,60 (auch bei den anderen Rednern kommt meines Wissens die Wendung μανθάνειν τι α π ό τίνος nicht vor, vgl. aber Theogn. eleg. 1,35 έσθλων μέν γάρ ά π ' έσθλά μαθήσεαι). α π ό mit dem Genetiv findet sich aber bei den Rednern gelegentlich nach anderen Verben des Erkennens, vgl. z.B. [Lys.] 6,6 ά ν α γ κ α ί ω ς εχει άπό τ ω ν πολύ διαφερόντων ή κ α κ ώ ν ή α γ α θ ώ ν έργων τούς ποιήσαντας γιγνώσκεσθαι, Aesch. 1,44 ούδ' art άλλον γιγνωσκόμενον ούδενός ή

άτ€ αύτοϋ τοϋ επιτηδεύματος und Hyp. 6,29 νϋν δ' άπό ταύτης (sc. της ά ρ ε τ ή ς ) . . . γνωρίμους γεγονέναι. Die Quelle des Wissens kann an unserer Stelle entweder als Sache aufgefaßt werden, wie ζ. B. an den zuletzt angeführten Stellen [Lys.] 6,6; Aesch. 1,44 u. Hyp. 6,29 (so haben sie Vömel und Canfora verstanden, die sie mit „e nulla re alia" bzw. „se non bastano altre considerazioni" übersetzt haben - die Übersetzung von Croiset „et si quelqu'un ... n'en est pas encore suffisamment instruit" umgeht das Problem), oder aber als Person wie ζ. B. an der vorher zitierten Theognis-Stelle (vgl. die Aufgliederung der Quelle des Wissens in Hören von anderen und eigene Überlegung D. 4 , 3 έπειτ' ένθυμητέον

και παρ' άλλων άκούουσιν και τοις είδόσιν αύτοϊς

άναμψνησκομέ-

νοις). Da auch der Ausdruck μηδείς τών άλλων ebensogut zu Personen wie zu Sachen paßt (vgl. z.B.D. 18,14 εϊ τι τών άλλων und 18,196 μόνω τών άλλων), ist eine sichere Entscheidung kaum möglich. - Zur Aufforderung mit ώδί vgl. aus dem Corp. Dem. (bei den übrigen Red-

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nern kommt das Adverb ώδί überhaupt nicht vor) noch D. 9,3 u. 45,11 (mit σκοπείτε); 22,60 (mit σκέψασθε); 23,19 (mit ποιησάσθω την άκρόασιν) u. [D.] 25,96 (mit όράτε). Zur Form mit ούτωσί vgl. D. 18,244 u. [D.] 25,85 (mit λογίζεσθε); Lyc. 32 (mit διαλογίζεσθε) u. Hyp. 1,2,10 (mit σκέψασθε) sowie unten § 37 (mit σκοπείτε). ημείς ούδαμοΰ πώποτε, οπου περί των δικαίων ειπείν έδέησεν, ήττήθημεν: Die Aussage ουκ ενι ταύτης έκεΐνον έπισχεΐν έκ λόγου και δημηγορίας wird bis Ende von § 3 in protreptischer Absicht vertieft und variiert (s. Wankel 1077 f., der unsere Stelle zu D. 18,244 vergleicht). Der Gedanke, daß Worte, wenn ihnen keine Taten folgen, wertlos seien, war von D. schon in der 2. olynthischen Rede (2,12) ausgesprochen worden, auch dort schon zusammen mit einem Hinweis auf die Redegewandtheit der Athener: σκοπεΐσθε μέντοι τοϋτ', ώ άνδρες 'Αθηναίοι, οπως μή λόγους έροϋσιν μόνον οί παρ' ημών πρέσβεις, άλλά και έργον τι δεικνύειν έξουσιν ..., ώς άπας μεν λόγος, άν άπη τά πράγματα, μάταιόν τι φαίνεται και κενόν, μάλιστα δ' ό παρά της ημετέρας πόλεως· οσω γάρ έτοιμότατ' αύτω δοκοϋμεν χρήσθαι, τοσούτω μάλλον άπιστοΰσι πάντες αύτω (vgl. auch die Nachahmung dieser Stelle in der Antwort auf den Brief Philipps, [D.] 11,23). Sehr viel ähnlicher ist aber das Proömium der 2. Philippika (6,1; wie die soeben zitierte Stelle der 2. olynthischen Rede schon von Rehdantz ad loc. verglichen): Es beginnt mit der Behauptung, daß, wenn es zu Reden über Philipps Vertragsbrüche komme, immer die zur Unterstützung der athenischen Rechtspositionen gehaltenen als billig und rechtmäßig erschienen (αεί τούς υπέρ ημών λόγους και δικαίους και φιλανθρώπους όρώ φαινομένους). Der 2. und 4. Philippika gemeinsam ist auch die Feststellung (6,3), daß τους πλεονεκτεΐν ζητοϋντας έργω κωλύειν και πράξεσιν, ούχί λόγοις δέον (vgl. oben ούχ ένι ταύτης [.sc. της πλεονεξίας] εκείνον έπισχεΐν έκ λόγου και δημηγορίας und unten in § 3 τους λόγους τά έργα παρέρχεται), sowie der ironische Vergleich zwischen der Redegewandtheit der Athener und Philipps Tatendrang und die Schilderung ihrer Folgen (6,3 sq.): έπειθ' ύμεΐς οι καθήμενοι, ώς μεν άν ειποιτε δικαίους λόγους και λέγοντος άλλου συνείητε, άμεινον Φιλίππου παρεσκεύασθε, ώς δέ κωλύσαιτ' άν έκεΐνον πράττειν ταϋτ' έφ' ών έστι νϋν, παντελώς άργώς έχετε· συμβαίνει δέ πράγμ' άναγκαΐον, οίμαι, και ϊσως εικός· εν οίς έκάτεροι διατρίβετε και περί ά σπουδάζετε, ταϋτ' άμεινον έκατέροις έχει, έκείνψ μέν αί πράξεις, ύμΐν δ' οί λόγοι. Bei aller Ähnlichkeit dieser beiden Stellen mit der unsrigen hat Weil ad loc. recht, wenn er die von Dobree 32 ge-

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äußerte Auffassung, unsere Stelle sei „efficta ex Phil. 2da ... et Olynth. II.", und daß der Verfasser der 4. Philippika „inepte confudit Phil. II. init. et Olynth. II. p. 21,20 vel similem locum", verwirft. Die Ähnlichkeit dieser Stellen besteht nämlich vor allem in den zum Ausdruck gebrachten Gedanken und nicht so sehr in den konkreten Wendungen. Da D. diese Gedanken wahrscheinlich auch in einigen der vielen uns nicht bekannten Staatsreden geäußert hat, können wir keineswegs sicher sein, daß er bei der Formulierung unserer Stelle den Anfang der 2. Philippika oder die Stelle aus der 2. olynthischen Rede überhaupt vor Augen hatte (vgl. aber §§ 12 sq., wo der Redner ein Stück aus der 2. Philippika 6,17 sq. - fast wörtlich wiederholt). Anders verhält es sich mit einer Stelle der Kranzrede (18,244), die Spengel, Δημηγορίαι 88 herangezo-

gen hat: οντωσί δέ λογίζεσθε• ονδαμοϋ πώποθ', δποι πρεσβευτής έπέμφθην ύφ' υμών έγώ, ήττηθείς άπήλθον τ ω ν π α ρ ά Φιλίππου πρέσβεων ..., άλλ' έν οις κρατηθεΐεν οι πρέσβεις αύτοϋ τω λ ό γ φ , τ α ϋ τ α τοις δπλοις επιών κατεστρέφετο. Hier werden ebenfalls die Siege attischer Beredsamkeit mit den militärischen Siegen Philipps verglichen, nur ist diesmal der siegreiche Redner D. selbst, weshalb auch die Gegenüberstellung von Rede und Tat auf andere Weise erfolgt. Augenfällig ist hier vor allem die Ähnlichkeit im Ausdruck: Nach einer Aufforderung (λογισάσθω bzw. λογίζεσθε) wird der Hauptsatz an beiden Stellen nach ο ύ δ α μ ο ϋ π ώ π ο τ ε durch einen Nebensatz (eingeleitet durch δ π ο υ bzw. δποι) abgebrochen und dann mit dem Prädikat (ήττήθημεν bzw. ήττηθείς άπήλθον) wiederaufgenommen. Aber auch angesichts solcher Ähnlichkeiten im Ausdruck können wir nicht mit völliger Sicherheit von einer bewußten Anlehnung an unsere Rede ausgehen (vgl. auch Spengel a. O.). - Zum asyndeton explicativum nach einem Hinweis auf das Folgende oder nach einer Aufforderung zur Betrachtung vgl. Rehdantz, Ind. I 10, dessen Belegen z.B.D. 18,244 u. [D.] 25,96 hinzuzufügen sind (vgl. auch unten §§ 12 άρχειν βούλεται, 18 εί δι' ά πρώτα, 20 ύστερίζετε); Bosse 9; Denniston, Prose Style, 109 f. und Wankel 806 zu D. 18,150. - Aufgrund der Nachahmung bei Isid. Pel. epist. 2,180 (δτι μεν ούδεπώποτε, δ π ο υ περί της θείας θρησκείας ειπείν έδέησεν, ήττήθημεν ούδ' άναισχυντεΐν έδόξαμεν, άλλ' ά π ά ν τ ω ν κρατοϋμεν και περίεσμεν τω λόγφ) ersetzte Blaß ο ύ δ α μ ο ΰ π ώ π ο τ ε durch ο ύ δ ε π ώ π ο τ ε und tilgte π α ν τ α χ ο ύ mit der Begründung, daß „hic de contionibus tantum Atheniensium agitur". Für Isid. Pel. gilt aber das oben zu § 1 (περί ών βουλεύεσθε) Gesagte, wobei die Zuverlässigkeit von Imitationen noch geringer sein dürfte als die von Rhetoren-Zitaten. Daß D. hier nur an Auseinandersetzungen vor der Volksversammlung in

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Athen habe denken können, kann man aus den Worten in § 3 (είρηκότες ... οι δ' άκηκοότες) nicht, wie Blaß es tut, folgern, vgl. unten zu § 3 ol δ' άκηκοότες. - Die Wendung περί bzw. υ π έ ρ των δικαίων ειπείν (διαλέγεσθαι u.ä.) kommt im Corp. Dem. noch an einigen Stellen (D. 15,25; 18,111. 177; 51, 19; [D.] 7,1; 17,1) vor, bei den anderen Rednern, soweit ich sehe, nur Aesch. 2,21.

ούδ' άδικεΐν έδόξαμεν, αλλά πάντων πανταχού κρατοΰμεν και περίεσμεν τφ λόγω: Zu beachten ist hier das rhetorische Raffinement des Satzbaus: Das Schema κατ' άρσιν και θέσιν (vgl. dazu Lang 15 über die „negativ-positive Stellung", 20 über „gegenübergestellte Hauptsätze bei gleichem Subjekt und verschiedenem Prädikat" und 22 für Beispiele mit jeweils aufgegliedertem negativem und positivem Teil), die symmetrische Verdoppelung der Prädikate in dessen beiden Gliedern, die Hyperbel ο ύ δ α μ ο ϋ πώποτε, der im zweiten Glied des Schemas das ebenfalls hyperbolische, durch die Paronomasie mit Etymon zusätzlich betonte π ά ν τ ω ν π α ν τ α χ ο ΰ entspricht - dies alles läuft darauf hinaus, die Vollständigkeit des Sieges der Athener hervorzuheben, sie mit den Mitteln der Rhetorik zu unterstreichen. Die Antiklimax bewirkt dann D. durch nur drei Silben (τω λόγω), die am betonten Satzende ihre volle Wirkung entfalten (vgl. auch Rehdantz z. St.): Die Wertlosigkeit des ,Sieges' der Athener, der nur ein rhetorischer ist, liegt auf der Hand (zur pointierten Stellung am Satzende vgl. auch unten zu § 3 ποιοϋμεν). Eine ähnliche Pointe (,mit Worten unterwerfen') gebraucht übrigens in einem anderen Zusammenhang auch Isocr. in seiner Rede an Philipp (5,75): τ α ΰ τ α φλυαροΰντες και φάσκοντες ακριβώς ειδέναι και ταχέως ά π α ν τ α τω λόγω καταστρεφόμενοι πολλούς πείθουσι. - Die Metaphern aus dem Bereich des Krieges sind bei den Rednern häufig, vgl. Rehdantz, Ind. 123 („zumal für die Streitigkeiten vor Gericht", was aber, wie unsere Stelle zeigt, auch für Auseinandersetzungen in politischen Versammlungen gilt) und Roschatt, Metaphern 18 (der allerdings die 4. Philippika in seiner Untersuchung nicht berücksichtigt); zum übertragenen κρατεΐν vgl. ζ. B. D. 18,247 (und Wankel 1086 dazu), zu κρατεΐν bzw. περιεΐναι τω λόγω die schon zitierte Stelle der Kranzrede (18, 244) sowie D. 21,222 (τίνι... λογισμω περιεΐναι) u. 39,11 (ό τω λόγω κρατήσας) und zur Verbindung κρατεΐν και περιεΐναι D. 19,185, wo die Wendung κρατήσαι και περιγενέσθαι in ebenfalls übertragener Bedeutung erscheint (s. Roschatt, Syn. Verbind. 20, der dort auch ein paar Verbindungen mit ήττάσθαι anführt; auch in dieser Schrift beachtet er die 4. Philippika nicht). In einem σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν gegen-

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übergestellt werden die Begriffe »unterlegen sein' und ,siegen' auch ζ. B. Isocr. 12,257. Die Wendung π α ν τ α χ ο ύ κ ρ α τ ε ΐ ν kehrt in § 4 wieder (s. dort). - Ähnliche Paronomasien wie π ά ν τ ω ν π α ν τ α χ ο ύ sind bei den Rednern nicht selten, vgl. für Beispiele Rehdantz, Ind. I 25 und Wankel 638 zu D. 18,120 (μυριάκις μυρίους) mit der dort angeführten Literatur. Unter den von Rehdantz a. O. zitierten Beispielen gibt es nur zwei Paronomasien mit π α ς : [D.] 25,101 ( ά π α ν τ α ς α π α σ ι π ά ν τ α ) u. Isocr. 15,217 ( π ά ν τ α ς π ά ν τ α ) . Ζ. St. zitiert er noch Xen. exp. Cyri 2 , 5 , 7 ( π ά ν τ η γ α ρ π ά ν τ α ) . Vgl. aber bei den Rednern noch And. 3,17 ( α π α σ ι π ά ν τ ω ν ) und Ant. 3γ, 11 (πάσης δ' υ π έ ρ π ά ν τ ω ν ) und bei Xen. Hier. 2,8 ( π ά ν τ ε ς π α ν τ α χ η ) ; hist. Gr. 4 , 1 , 4 1 ( π α ν τ α χ ό θ ε ν π α μ π λ η θ έ ς ) u. exp. Cyri 2 , 6 , 7 ( π α ν τ α χ ο ύ πάντες). Für weitere Beispiele der Paronomasie mit π α ς , die „besonders bei den Vorsokratikern" vorkommt, vgl. Fehling 182 u. 230 und Gygli-Wyss 44-46.

§ 3 άρ' ούν διά τοϋτ' έκείνω φαύλως εχει τά πράγματα ή tfj πόλει καλώς; Die Partikelkombination άρ' ο ύ ν kommt, wie Wankel 764 zu D. 18,140 feststellt, „ausschließlich in echten Reden des Corp. Dem." vor (bei den Rednern hat er bei D. 18, bei Isocr. zwei Belege und bei Isae. und Aesch. je einen gezählt) und „die selbstgegebene, verneinende Antwort auf die damit eingeleitete Frage i s t . . . mehrmals π ο λ λ ο ΰ γε κ α ι δει" (außer unserer Stelle zitiert er noch D. 19,190 und 23,165). Vgl. auch Denniston, Particles 50 (άρ' ο ύ ν „342 times in Plato"). - Zu φ α ύ λ ω ς εχει τ ά π ρ ά γ μ α τ α vgl. oben zu § 1. - Mit der Dialogisierung kehrt D. die Bedeutungslosigkeit des .rhetorischen Sieges' der Athener noch deutlicher heraus und auch die Differenzierung durch ή (, wir haben Philipp in keiner Weise geschadet und auch uns selber nichts genützt') dient dazu, den Mißerfolg nachdrücklich zu betonen. πολλοΰ γε και δει: Diese Abwehrformel kommt in den echten Reden des Corp. Dem. „oft", in den Ps.-Demosthenica und bei den anderen Rednern nur „selten" bzw. „ganz selten" (bei den letzteren nur Din. 3,13 u. Hyp. 4,7) vor; der älteste Beleg ist Eur. frg. 709 Nauck 2 = 1 1 7 Austin, vgl. Wankel 331 zu D. 18,47, der auch die Beispielsammlung von Rehdantz (Ind. II 57 f.) ergänzt. Für ähnliche Abwehrformeln (ούδ' εγγύς, ο ύ δ ' ολίγου δει, ο υ δ έ π ο λ λ ο ΰ δει) vgl. Rehdantz a. Ο.; Wankel 171 zu D. 18,12 und unten zu § 28. Zu γε in dieser Formel („after rhetorical questions") vgl. Denniston, Particles 132 und zu κ α ι („little more than a particle of emphasis like δή") ibid. 317.

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έπειδάν γάρ ό μεν λαβών μετά χαντα βαδίζη τά όπλα: Philipps tatkräftige Politik wird von D. auch in der 2. olynthischen Rede den zögernden, sich in folgenlosen Beschlüssen der Volksversammlung erschöpfenden Maßnahmen der Athener gegenübergestellt (2,23): ού δή θαυμαστόν έστιν, εί στρατευόμενος και πονών εκείνος αυτός και παρών έφ' άπασι και μήτε καιρόν μήθ' ώραν παραλείπων ημών μελλόντων και ψηφιζομένων και πυνθανομένων περιγίγνεται. - Die Trennung des Objekts vom regierenden Verbum durch das letzterem übergeordnete Prädikat läßt eine seltene Form des Hyperbatons entstehen, zu dem aus den ersten 19 Reden des Corp. Dem. Ronnet 47 nur noch D. 3,15 (γνώναι πάντων ύμεΐς οξύτατοι τά ρηθέντα) zitiert, τά οπλα wurde nach den Worten von Rehdantz z. St. „in die signifikante Stellung hineingezwungen", und damit wurde das erste, den Aktivitäten Philipps gewidmete Glied der Antithese auch sprachlich kraftvoller gestaltet als das zweite, in dem die Passivität der Athener mit den Worten ημείς δε καθώμεθα εί,ρηκότες τά δίκαια geschildert wird. In keinem der vier Beispiele der Wendung λαβών (τά) οπλα bei den übrigen Rednern (And. 1,45. 66; Lys. 13,80 u. 34,8) werden die beiden Wörter durch Hyperbaton voneinander getrennt. - μετά ταύτα paraphrasiert G. H. Schaefer z. St. treffend mit „i. e. post has δικαιολογίας καϊ δημηγορίας". Zu βαδίζειν vgl. Aristot. rhet. 3,2 p. 1404 b, 39-1405 a, 2 λέγω δέ κύριά τε καί συνώνυμα οιον τό πορεύεσθαι και τό βαδίζειν ταύτα γάρ άμφότερα καί κύρια καί συνώνυμα άλλήλοις. Der Gebrauch dieses Verbums zur Bezeichnung eines militärischen Vorgehens ist, wie Wankel 792 zu D. 18,147 bemerkt, unter den Rednern dem D. eigen (zehn Belege) und beim Hist. Oxyrh. auffallend häufig (ein knappes Dutzend Belege, darunter vgl. zu unserer Stelle besonders 18,4 Bartoletti τά οπλα λαβόντες έβάδ[ι]ζον επί τούς Φωκέας). πασιν τοις ούσιν έτοίμως κινδυνεύσων: Auf die Begabung, den Tatendrang und die Einsatzbereitschaft Philipps hat D. in den Staatsreden in protreptischer Absicht (so Wankel 399 zu D. 18,67) - häufig hingewiesen, vgl. z.B. 1,9. 12-14; 2,3. 15 (κινδυνεύων); 4,42. 49 u. 9,21 (diese Stellen sowie aus der Kranzrede 18,67 sq. 144. 235 und aus der Gesandtschaftsrede 19,67 bei A. Schäfer II2 33 Anm. 4; vgl. auch D. 2, 23 [zum vorigen Lemma ausgeschrieben] u. [D.] 11,22). - Als Beispiel für κινδυνεύειν mit dem Dativ führt Rehdantz, Ind. II 98 von den Rednern nur D. 9, 17 (τίσιν ούν ύμεϊς κινδυνεύσαιτ' άν;) u. Hyp. 6,15 (κινδυν[εύειν έθ] ελοντες τοις σώμασ[ιν) an (sonst zitert er fünf Thuc.Stellen sowie die Wendung periclitari aliqua re Liv. 38,25,7 [für wei-

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tere Beispiele aus dem Lateinischen vgl. jetzt ThlL X 1,1449,38 ff.]). Aus dem Corp. Dem. vgl. aber auch D. 16,12 u. [D.] 50,59 und bei den übrigen Rednern Ant. 5,63 u. Isocr. 8,47 wie im Hyp.-Beispiel mit der Wendung τω σώματι bzw. τοις σώμασι (δια)κινδυνεύειν sowie Isae. 12,8 (ούδενί κινδυνεύοντας). - Beachtung verdient auch die chiastische Stellung in den beiden von βαδίζη abhängigen Partizipialkonstruktionen: Das erste Partizip (λαβών) steht vor seinen Bestimmungen (dem Präpositionalausdruck μετά ταΰτα, der άπό κοινοϋ zum Prädikat und zu λαβών gehört, und dem Objekt τά δπλα), während das zweite (κινδυνεύσουν) den seinen (πάσιν τοις ούσιν und έτοίμως) nachgestellt worden ist. ημείς δέ καθώμεθα ειρηκότες τά δίκαια: Vorwurfsvoll-ironisch von der Trägheit seiner Landsleute gebraucht D. das Verbum καθήσθαι auch 2,23 (άλλ', οίμαι, καθήμεθ' ουδέν ποιοΰντες, nachgeahmt [D.] 11,17) u. 4,44 (άν μέντοι καθώμεθ' οίκοι λοιδορουμένων άκούοντες και αίτιωμένων άλλήλους των λεγόντων), wo übrigens wie an unserer Stelle ein Hinweis (4,45 τάς άπό τοΰ βήματος έλπίδας) darauf folgt, daß leere Worte der Athener weder Feind noch Freund beeindrucken können. Dieselbe Bedeutung in einem anderen Zusammenhang, dem der Untätigkeit der Gesandten, hat das Verbum auch an einer Stelle der Gesandtschaftsrede (D. 19,165). Anders κάθησθε oben in § 1. - Die sich wieder verstärkende παρρησία ist hier im Vergleich zu § 1 (s. oben zu ούκ ολίγων δ' όντων άμαρτημάτων) wenigstens dadurch gemildert, daß D. sich durch Verwendung der ersten Person statt der zweiten in die Reihe der getadelten Athener mit einschließt. Zur παρρησία im allgemeinen und zu den Formen der mitigatio vgl. Wankel 723 f. zu D. 18,133. - Die Wendung τά δίκαια λέγειν („was recht und billig ist, sagen") ist im Corp. Dem. ziemlich häufig belegt: D. 5,24; 10,36; 15,25 bis-, 19,94; 20,145; 21,192; 57,1; [D.] 17,17; 33,38; 44,3; 48,3; 58,61; prooem. 24,1; bei den anderen Rednern findet sie sich hingegen nur vereinzelt: Lys. 12,86; Isocr. 15,170; Isae. 8,5. οι δ' άκηκοότες: Zum Fehlen des einem δέ entsprechenden μέν vgl. Rehdantz, Ind. II 104 mit zahlreichen Beispielen, Denniston, Particles 165 f. (ii), Wankel 820 f. zu D. 18, 158 sowie unten zu § 10 τά δ' ύφ' αύτω ποιούμενος u. 76 άργύριον ... ποιήσων. Seit Bekker 1824 haben die Herausgeber (Rehdantz ausgenommen) an unserer Stelle in Übereinstimmung mit der Hs. S ot μεν mit Recht fortgelassen, da eine betonte Trennung von Rednern und Zuhörern hier pedantisch wirken würde. Das

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Fehlen von οί μεν erhöht dagegen die Lebendigkeit des Satzes, weil es den Eindruck entstehen läßt, daß „ce second membre de phrase [d.h. οί δ' άκηκοότες] n'etait pas prevu" (Weil z. St.). Ähnlich, um einem των δ' die Waage zu halten, wurde auch τούς μεν an einer Stelle der Kranzrede interpoliert (18, 121 νόμους μεταποιών, των δ' άφαιρών μέρη SF τους μεν νόμους κτλ. ΑΥ). Für weitere Beispiele der Interpolation von μεν (wie an unserer Stelle ist es in der Regel die Hs. S, die die ursprüngliche Lesart erhalten hat) vgl. den Index interpolationum in der Teubneriana von Blaß s. vv. μεν und ό μεν, für die Besprechung der einschlägigen Stellen der 3. Philippika Bühler 66. - Die Erweiterung durch οί δ' άκηκοότες ist ironisch: Den beiden Verben καθώμεθα und είρηκότες, die die Tatenlosigkeit der Athener schon genügend vor Augen führen, wird noch ein drittes hinzugefügt, das eine ebenso unnütze Tätigkeit bezeichnet wie die beiden anderen (und eine Tätigkeit, die obendrein noch passiver ist als die durch είρηκότες ausgedrückte). Aus dem Einwurf οί δ' άκηκοότες hier kann man nicht folgern, daß die in §§ 2 sq. erwähnten ,rhetorischen Siege' alle vor der athenischen εκκλησία errungen worden wären, wie Blaß zur Unterstützung seiner Textänderungen in § 2 tut (s. oben zu § 2 ούδαμοϋ πώποτε). Vielmehr ist es wahrscheinlicher, daß der Redner dort ganz allgemein an Kontroversen denkt, die sowohl in Athen selbst als auch vor Versammlungen der Bürger in anderen Städten ausgetragen werden konnten, vgl. besonders die Wendungen ούδαμοϋ πώποτε und πάντων πανταχού in § 2 sowie προσέχουσιν άπαντες unten und s. auch Canforas Bemerkungen in der „nota critica" seiner Ausgabe, S. 131. Dessen Versuch (Per la cronologia 13 f. u. 34), die §§ 2 sq. unserer Rede in das J. 340/39 zu datieren, überzeugt freilich nicht, da zum einen keinesfalls sicher ist, daß sie sich, wie Canfora in Anlehnung an den Schol. ad loc. meint, spezifisch auf die Kontroverse Athens mit Philipp um Kardia beziehen, und zum anderen, da auch wenn dies der Fall sein sollte, stünde der Datierung in den Frühsommer des J. 341 nichts im Wege, weil der Konflikt um Kardia damals schon seinen Höhepunkt erreicht hatte, vgl. unten zu § 18 Καρδιανοΐς έβοήθει. εικότως, οίμαι, τους λόγους τά εργα παρέρχεται: Von einem eingeschobenen οίμαι gefolgt wird das Adverb εικότος auch [D.] 43, 10; 44,3. 67; Isocr. 5,27 u. 13,8 (an den beiden letzten Stellen geht ihm wie an unserer je ein durch έπειδάν γάρ bzw. οΰν eingeleiteter Nebensatz vorauf); vgl. auch D. 6,4 πραγμ' άναγκαΐον, οίμαι, και ίσως εικός und 21,194 η και γελοί είναι τά νϋν, οίμαι, δάκρυ' είκότως άν αΰτοϋ δοκοίη. Für das eingeschobene οίμαι gibt es im Corp. Dem. fast hundert

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Belege (ein gutes Dutzend davon stammen aus den Ps.-Demosthenica); an den meisten dieser Stellen ist das Verbum οιμαι ironisch gebraucht (das ironische οιμαι ist „für D. charakteristisch" [so Wankel 325 zu D. 18,46]). Bei den übrigen Rednern kommt das eingeschobene οιμαι nur bei Aesch. häufig vor (etwa 25 mal), sonst eher selten (fünfmal bei Isocr., viermal bei Hyp., dreimal bei And. und je einmal bei Ant., Isae., Lyc. und Din.). Für das epikritische είκότως vgl. zu §§ 47 u. 53. - Der Gegensatz von λόγος und έργον (τά πεπραγμένα u. ä.) findet sich öfters bei D„ vgl. z.B. 2,12; 3,1; 6,3; 8,22. 73; 14, 41; 18,89. 101. 122. 160; 19,211. 216sq. Bei den anderen Rednern vgl. z.B. Ant. 5,84 (= 6,47; mit Zusammenstellung der Gegensätze wie an unserer Stelle [vgl. dazu unten]: οί μεν άλλοι άνθρωποι τοις εργοις τους λόγους έλέγχουσιν, ούτοι δέ τοϊςλόγοις τά έργα ζητούσιν άπιστα καθιστάναι); Ant. 3γ, 1.3; And. 4,27; Lys. 1,38; 7,30; 9,21; 12,33; 13,15; 20,17; 25, 13; 34,5; Isae. 2,35.38.44; Isocr. 5,6. 74. 120; 8,134; 12,80. 83. 142.211; Aesch. 1,55; 2,62; 3,89. 102. 141 sq.; Lyc. 29. 104. 116. 123; Din. 1, 17. 32. Zur Gegenüberstellung von λόγος und έργον im σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν vgl. unten zu ούχ οις ειπομεν κτλ. - Zur pointierten Zusammenstellung von Gegensätzen vgl. Wankel 778 zu D. 18,143 (πάντων εις) und die von ihm zitierte Literatur. Aus den ersten 19 Reden des Corp. Dem. zitiert Ronnet 50 die folgenden Stellen: 2,26 (έκ χρηστών φαΰλα); 4,5 (τοις παρούσι τά των απόντων); 8,66 (= 10,68 άδοξων ένδοξοι und ευπόρων άποροι); 15,18 (όλίγοι πολλοίς). 21 (εύτυχούντας περί των άτυχούντων); 18,131 (ελεύθερος έκ δούλου και πλούσιος έκ πτωχού). 195 (πολλά μί'). 225 (αντί των άληθών ψευδείς). Vgl. aber auch die Zusammenrückung θεών - άνθρώπων in § 24 unserer Rede; sonst z. Β. ταΐς πολιτείαις ή τυραννίς (D. 1,5) und τότε νύν (prooem. 35,1). - Das Verbum παρέρχεται ist hier eine Metapher aus der Palästra (Rehdantz, Ind. II 23): Die Taten „überholen" die Worte. Wie aus den von Rehdantz ebenda zitierten Beispielen hervorgeht, ist die übertragene Verwendung des Verbums (freilich mit einem persönlichen Subjekt) schon für die Odyssee (13,291) belegt (vgl. auch unten § 47). Bei den anderen Rednern ist, soweit ich sehe, nur Isae. 3,67 παρελθόντες τόν τελευταΐον τού οϊκου γεγενημένον κληρονόμον zu vergleichen. παριέναι erscheint in unserer Rede außer des schon erwähnten § 47 auch unten in § 27 in übertragener Bedeutung. - Die seit den Zürchern und Vömel bevorzugte Wortfolge der Hs. S τούς λόγους τά έργα betont in der gnomisch formulierten propositio maior des Enthymems (,die Taten übertreffen die Worte') das Subjekt τά έργα (vgl. als Kontrast die umgekehrte, banale Reihenfolge τά έργα τούς λόγους in den

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Hss. FAY). In der vorausgehenden propositio minor (,Philipp marschiert, die Waffe in der Hand, während die Athener Reden halten') wird das Substantiv τ ά δ π λ α und im nachfolgenden Schlußsatz des Enthymems das Verbum ποιοΰμεν durch die Endstellung entsprechend hervorgehoben. και προσέχουσιν άπαντες: Der Schlußsatz des Enthymems, dieses gelegentlich (vgl. z.B. Aristot. rhet. 1, 2 p. 1356a, 16-22 und Quint. 5,10,3) als unvollständigen Syllogismus beschriebenen rhetorischen Kunstgriffs, bleibt wegen des Bestrebens der Redner, den Eindruck der Pedanterie zu meiden, öfters unausgesprochen (vgl. Volkmann 192 f. und Rehdantz, Ind. I I I ) , oder wird, wie an unserer Stelle, modifiziert: D. zieht nicht einfach den Schluß ,Philipp besiegt mit seinen Taten die Worte der Athener', sondern ,Die Griechen interessieren sich nicht für unsere makellos begründeten Rechtsansprüche, sehr wohl aber für unsere Taten'. Dadurch rückt er die Hauptsorge der Athener angesichts der gespannten Beziehungen zu Philipp in den Vordergrund, nämlich die in den Reden des J. 341 wiederholt angesprochene Notwendigkeit, sich nach Verbündeten umzusehen, die sich wiederum nur dann einfinden würden, wenn die Athener sie durch mutiges und entschlossenes Auftreten überzeugen könnten, vgl. die in der Einleitung, Anm. 109 angeführten Stellen. Diesen Gedanken hatte aber D. schon in der 1. Philippika formuliert (4, 6, von Rehdantz zu unserer Stelle verglichen): και γ ά ρ συμμαχεΐν και προσέχειν τόν νοϋν τούτοις έθέλουσιν άπαντες, ους άν όρώσι παρεσκευασμένους και πράττει,ν έθέλοντας ά χρή. Vgl. auch die oben zum Lemma ημείς δε κ α θ ώ μ ε θ α κτλ. ausgeschriebene Stelle aus derselben Rede (4,44). Wenn D. hier an konkrete Beispiele des Mißtrauens für die Athener denkt, könnten z.B. die Byzantier gemeint sein, mit denen zum Zeitpunkt der Entstehung der 4. Philippika über den Abschluß eines Bündnisses mit Sicherheit schon verhandelt wurde (vgl. unten zu § 6 καθ' αυτούς ά μ ύ ν ε σ θ α ι . . . έγνώκασιν und zu § 68), oder die Euböer; aber vielleicht denkt er nur ganz allgemein an die Staaten, deren Mitarbeit am aufzubauenden Hellenenbund gegen Philipp in Frage kommen könnte. - Im Corp. Dem. wird das Objekt τόν νοϋν im Ausdruck προσέχειν (τόν νοϋν) in über 40 Fällen gesetzt und in mehr als 30 fortgelassen; dabei gibt es zwischen echten Reden und Ps.-Demosthenica keinen Unterschied. Bei Ant., And., Lys., Isae., Isocr. und Hyp. ist die Wendung nur mit gesetztem Objekt τόν νοϋν belegt, bei Lyc. und Din. dagegen nur ohne Objekt. Aesch. läßt τόν νοϋν, wie D., in etwa der Hälfte der Fälle fort.

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ούχ οίς εΐπομέν ποθ ήμεΐς δικαίοις ή νϋν αν ε'ίποιμεν, αλλ' οίς ποιοϋμεν: Der Satz οΐς εΐπομέν ποθ' ημείς ... νΰν άν ειποιμεν deutet darauf hin, daß D. in §§ 2 sq. nicht ausschließlich an Reden vor der Volksversammlung denkt, vgl. oben zu § 2 περί των δικαίων ειπείν und zu οί δ' άκηκοότες. - Beispiele der rhetorischen Erweiterung in den Tempora, die der Bekräftigung dienen, aus dem Corp. Dem. (D. 21,143 οΰτ' εστίν οΰτ' έσται u. [D.] 25,70) und bei Homer (z.B. II. 1, 262 ού γάρ πω τοίους ί'δον άνέρας ουδέ ιδωμαι) sowie weitere Literatur dazu (Fehling 265 f.) s.bei Wankel 901 zu D. 18,190 μήτ' έστιν μήτ' ήν μήτ' άν ειπείν εχοι μηδείς. - Die Wendung τά δίκαια (bzw. περί των δικαίων) ειπείν, „die (berechtigten) Rechtsansprüche vorlegen", kehrt jetzt binnen kurzer Zeit (in §§ 2 sq.) schon zum dritten Mal wieder. - Zur Attraktion des Akkusativs des Relativpronomens an den Dativ des Korrelats vgl. E. R. Schulze, De attractionis pronominis relativi apud oratores Atticos recentiores usu et formis, Progr. Bautzen 1882,16 f., der den speziellen Fall, in dem der attributive Relativsatz von einem Adjektiv im Dativ abhängt (an unserer Stelle οις ειπομεν ... δικαίοις), nur mit Beispielen aus dem Corp. Dem. belegen kann (sieben an der Zahl, davon sechs aus echten Reden, vgl. ibid. Abschn. B). Zu unserer Stelle, an der das Korrelat δικαίοις in den Nebensatz hineingezogen wurde, vergleicht er D. 37,41 ήν δήλος ούδ' οις αυτός ώρίσατ' εμμένων δικαίοις. Zu dem von demselben Verbum προσέχουσιν abhängigen οΐς vor ποιοϋμεν im αλλά- Glied, dessen Korrelat fortgelassen wurde (οίς = τούτοις ά), vgl. ibid. S. 14 mit zahlreichen Beispielen. Am betonten Satzende steht diesmal das Verbum ποιοϋμεν (vgl. oben zu τά δπλα, τά έργα sowie zu τω λόγω [§ 2]), hervorgehoben durch die rhetorische Erweiterung in den Tempora (s. oben) und das σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν. Zur häufigen Gegenüberstellung von λόγος und έργον im σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν vgl. die neun D.-Beispiele bei Wankel 489 f. zu D. 18,89 (darunter mit den Verben 21,183 έάν δέ ποιή, μή λέγη); vgl. Rehdantz, Ind. 110 für Beispiele bei den anderen Rednern, denen man etwa noch Aesch. 2,62 hinzufügen kann. έστι δέ ταΰτα ούδένα των αδικούμενων σώζειν δυνάμενα: Die Auflösung des Prädikats in das Partizip mit der Kopula tritt bei D. häufig auf, vgl. Wankel 179 zu D. 18,13 mit ausführlichen Literaturhinweisen und die Beispiele bei Rehdantz zu D. 10,14 und Ind. II 119 sowie W. J. Alexander, Participial Periphrases in Attic Prose, AJP 4 (1883) 291-308. Die Periphrase mit δυνάμενος belegt letzterer S. 295,298 und 302 mit Isocr. 15,47. 91; Plato leg. 2 p. 666e u. 11 p. 937e (bei Isocr. ist

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δυνάμενος je einem Adjektiv beigeordnet, was die Verwendung der Periphrase wesentlich erleichtert, bei Piaton ist es aber eher als participium coniunctum zu betrachten und damit für uns irrelevant). Unsere Stelle wird zusammen mit einer aus der 3. olynthischen Rede (3,33 άλλ' εστι ταϋτα την εκάστου ραθυμίαν υμών έπαυξάνοντα - übrigens schon von Η. Wolf zu unserer Stelle verglichen) von G. Björck, HN ΔΙΔΑΣΚΩΝ. Die periphrastischen Konstruktionen im Griechischen (= Skrifter utg. av Kungl. Hum. Vetensk.-Samf. i Uppsala 32,2), Uppsala u. Leipzig 1940,27 besprochen: Die Periphrase diene der nachdrücklichen Hervorhebung des Eigenschaftlichen („es geht nicht darum, was das Subjekt tut, sondern was es ist...; Nicht zufällig steht... das ,ist' am Anfang des Satzes") wie in den von Björck a. O. verglichenen Beispielen aus medizinischen Texten, in denen die Periphrase zur Benennung pharmakologischer Eigenschaften gebraucht wird. Die Periphrase paßt hier in der Tat vorzüglich zur apodiktisch formulierten Schlußfolgerung am Ende des Gedankenganges. Vgl. auch unten zu § 14 έστέ ... πεφυκότες, wo die Kopula ebenfalls am Satzanfang und das Partizip nach einem Hyperbaton am Satzende steht, sowie zu § 28 εστί μέν ουκ ορθώς έχον. Die Hervorhebung der Kopula durch ihre Stellung am Satzanfang ist im Corp. Dem. überhaupt häufig (vgl. z.B. unten § 30 ήν άκηκοέναι ... καιρός). - Für ούδένα vgl. Wankel 233 zu D. 18,23: „D. gebraucht auch den Singular ουδείς (μηδείς) bei kollektiven Einheiten, d.h. den griechischen Staaten". - Die Bereitschaft, denen zu helfen, die Unrecht erleiden, erscheint schon ζ. B. im επιτάφιος des Lys. (2,14) als ein von den Vorfahren befolgtes Prinzip athenischer Politik, und wurde auch von D. bereits in der Rhodier- (15,22 sq.) und der Megalopolitenrede (16,15) als solches dargestellt; zu ihr vgl. unten zu §§ 14. 25 u. 45. αδικούμενοι bezieht sich hier wohl vor allem auf die Euböer und die Feinde Philipps in Thrakien und an der Propontis, vgl. z.B. unten zu §§ 8 u. 68. ουδέν γαρ δει πλείω περί αυτών λέγειν: Die Abbruchformel stellt das Gesagte noch einmal als evident dar und schließt gleichzeitig den Gedankengang definitiv ab. Die Wendung, man brauche über etwas gar nichts mehr zu sagen, ist bei den Rednern in verschiedenen Variationen geläufig; ich zähle nur diejenigen auf, die die Worte (ου o.ä.) δει (τά) πλείω λέγειν enthalten: ουκ οίδ' δ τι δει πλείω λέγειν (D. 20,167; 38,28; 54,44; 55,33; [D.] 58,57; 61,47; Lys. 10,31; 16,9; 22,22; Isae. 7,45; 8,46; 11, 36; Isocr. 17,34; epist. 2,24), ουκ οιδ' δ τι δει πλείω λέγοντα διατρίβειν (Isocr. 12,105), ουδέν οίμαι δεΐν πλείω λέγειν (Isocr. 5,105), ήγοΰμαι μέν ουδέν έ'τι δεΐν πλείω λέγειν (D. 41,25), τί

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δει (τά) π λ ε ί ω λέγειν (D. 55,26; Isocr. 5,63; Aesch. 3,141). Dieselbe Form wie an unserer Stelle, aber mit anderer Wortfolge findet sich Lys. 28,8: ο υ δ έ ν γ ά ρ δει περί α ύ τ ο ϋ π λ ε ί ω λέγειν. Vgl. auch Wankel 812 zu D. 18,152 und für weitere verwandte Wendungen Gebauer, Arg. ex contr. 273 und eund., De praet. form. 38f. - Das γ ά ρ ist hier elliptisch (vgl. Denniston, Particles 61 „compression of thought ..."); vorher ist etwa έώ τ α ϋ τ α in Gedanken zu ergänzen. - Zur Form π λ ε ί ω vgl. Schulze, Quaestiunculae 26-31, der eine Statistik liefert, aus der das Zahlverhältnis von Kurzform und Langform der Komparative auf -ίων bei den Rednern hervorgeht (die Kurzform ist bei allen Rednern viel häufiger), sowie Wankel 159 zu D. 18, 10, der feststellt, daß D. die Kurzform „zuweilen zur Vermeidung des Tribrachys (gewählt hat)"; das könnte auch für unsere Stelle zutreffen. § 4 τοιγάρτοι: In §§ 1 - 3 stellte D. die tollkühne und aggressive Politik Philipps der gleichgültigen und zögernden Haltung der Athener gegenüber. τ ο ι γ ά ρ τ ο ι markiert den Übergang zur Schilderung der bedrohlichen Folgen dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen (so schon G. H. Schaefer z. St.), die dann in drei mächtigen Perioden erfolgt (§§ 4 - 6 ) ; vgl. Denniston, Particles 565 zu τ ο ι γ ά ρ (= „therefore", „in consequence"). Durch diese Deutung erledigt sich auch die schon von Weil z. St. zurückgewiesene Behauptung von Rehdantz ad loc., der Übergang sei ganz unlogisch. Zu τ ο ι γ ά ρ τ ο ι stellt Denniston, Particles 567 fest, daß es beim echten D. nur noch 10,48 (= 8 , 6 6 F: και γ ά ρ τοι SAY) u. 23,203 (και γ ά ρ τοι F) vorkomme; sonst finde sich bei ihm stets das synonyme τ ο ι γ α ρ ο ϋ ν (D. 4,36; 10,30; 18,40. 134 u. 60,16).

διεστηκότων εις δύο ταϋτα των έν ταις πόλεσιν: Die umfangreiche Periode, die den § 4 ausfüllt, und in der D. den Sieg der Oligarchen in ganz Griechenland beklagt, beginnt mit einem genetivus absolutus, dem eine gewaltige zweigliedrige Apposition angehängt wird, die die beiden gegnerischen Parteien in den griechischen Städten aus der Sicht von D. darstellt, worauf im Kern des Hauptsatzes die Feststellung folgt, daß die Oligarchen überall gesiegt hätten. In einem durch die Partikel και angeschlossenen zweiten Hauptsatz wiederholt D. diese Feststellung in veränderter Form (außer von Athen gebe es keine demokratisch regierte Stadt mehr). - „Die bekannten zwei Parteien" (Rehdantz z. St.) sind natürlich die Demokraten und die Anhänger einer oligarchischen Verfassung. Als konkrete Illustration zur allgemein formulierten Behauptung an unserer Stelle vgl. D. 9, 56 ή σ α ν έν Ό λ ύ ν θ ω τ ω ν έν τοις π ρ ά γ μ α σ ι ν

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τινές μέν Φιλίππου και πάνθ' υπηρετούντες έκείνω, τινές δ' οί τού βέλτιστου και όπως μή δουλεύσουσιν οί πολΐται πράττοντες und 9,59 έν Ώ ρ ε ω Φιλιστίδης μέν έπραττε Φιλίππω ..., Εύφραιος δέ ..., δπως ελεύθεροι και μηδενός δοϋλοι έσονται (verglichen von Rehdantz ζ. St.). Zur politischen Unruhe in den Städten, die Philipp willkommene Gelegenheiten zur Einmischung bot, vgl. auch unten §§ 8 (Πορθμόν). 9 (Μέγαρα, Ώρεω). 10 ("Ηλιδι). - Mit διιστάναι bezeichnet D. in der Kranzrede (18,18 u. 61) die Entzweiung von Staaten und in der 2. Olynthiaca wie hier den innenpolitischen Streit (2,29). D. 18,61 regiert διιστάναι wie an unserer Stelle (und wie Thuc. 1,15,3 - von Rehdantz, Ind. II 88 verglichen) einen von εις eingeleiteten Präpositionalausdruck. - Zum Ausadruck διεστηκότων εις δύο ταύτα vgl. auch unten zu §§ 51 εις δύο ταύτα διήρητο und 53 εις τοσαύτα μέρη ... διηρημένων. Das Substantiv μέρη in den Hss. FY ist eine Glosse, die vielleicht aus § 53 oder aus der Kranzrede (18,61 διέστησεν εις μέρη πολλά, sc. τους "Ελληνας) stammt; es fehlt nicht nur in SA, sondern auch im Zitat unserer Stelle Stob. 4,1,60 Wachsmuth/ Hense, und wurde von den Herausgebern seit Bekker 1824 zu Recht fortgelassen. - Mit των έν ταϊς πόλεσιν sind natürlich vor allem „ceux qui manient les affaires publiques" gemeint (Weil z. St.), d.h. οί δυναστεύοντες έν ταΐς πόλεσιν, um einen Ausdruck des Isocr. (4, 170) aufzugreifen (vgl. D. 15,8 βασιλεύς ... παρακρουσάμενός τινας των έν ταΐς πόλεσι). Deswegen darf man aber nicht mit Weil nach der eben ausgeschriebenen Stelle der 3. Philippika (9,56) eine Emendation zu των έν τοις πράγμασι erwägen, zumal da dadurch es erst gegen Ende dieser langen Periode (mit κεκρατήκασι πανταχού) deutlich würde, daß D. von den in verschiedenen griechischen Städten vorhandenen Parteiungen redet und nicht nur z.B. von denen in Athen (9, 56 bezieht sich των έν τοις πράγμασιν auf die Politiker einer einzigen Stadt, nämlich auf die Olynths). Auch Stob. a. O. überliefert πόλεσι. των μέν εις τό μήτε άρχειν βία βούλεσθαι μηδενός μήτε δουλεύειν άλλω: Die pleonastische Wiederaufnahme des Subjektes des genetivus absolutus durch die Demonstrativa των μέν und των δ(έ) trägt zur deutlicheren Abgrenzung der beiden langen Appositionen von εις δύο ταύτα, in denen die beiden gegnerischen Parteien charakterisiert werden, bei. Die Haltung der Demokraten wird im Schema κατ' άρσιν και θέσιν zunächst e contrario definiert. Die Ansicht, daß Unterordnung unter jemanden ein zu hoher Preis für die Herrschaft über andere ist, wird auch in der 2. Philippika am Beispiel der Weigerung Athens, sich

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mit Xerxes zu arrangieren, zum Ausdruck gebracht (6,11): τους μεν υμετέρους προγόνους, εξόν αύτοΐς των λοιπών άρχειν Ε λ λ ή ν ω ν ώστ' αυτούς ύπακούειν βασιλεΐ ..., και την χώραν έκλιπεΐν. - δουλεύειν bzw. δουλεία ist als verächtliche Metapher für politische Unterordnung nach außen oder nach innen bei den Rednern geläufig, vgl. ζ. B. Lys. 2,68; 12,73; Isocr. 4,62. 127; 7,69; 10,32; 14,18; 16,25. 42; 20,10; Lyc. 50. 60sq. 125; Aesch. 3,85; Din. 1,19; Hyp. 4,10; 4 fr. 1, sowie aus dem Corp. Dem. D. 1,23; 2,8; 8,46. 49 [= 10,25]. 59 [= 10,61], 60 [= 10,62], 62 [= 10,64], 74; 9,22. 26. 36. 56. 66. 70; 15,15; 18,72. 205. 295; 19,81; [D.] 7,32. S. auch unten zu §§ 25. 61 sq. u. 64. Für Beispiele des von der Präposition εις regierten substantivierten Infinitivs vgl. Stix 19 (der aber die 4. Philippika mit Blaß für unecht hält und deswegen unsere Stelle nicht berücksichtigt). αλλ' έν ελευθερία και νόμοις έξ 'ίσου πολιτεύεσθαι: Der Gegensatz von έν ελευθερία in der άρσις des Schemas κατ' άρσιν και θέσιν ist in chiastischer Stellung - δουλεύειν und νόμοις έξ ϊσου entspricht άρχειν βία. Der Ausdruck νόμοις πολιτεύεσθαι findet sich bei den Rednern noch D. 23,138 und [D.] 46,13. Die Wendung έν ελευθερία πολιτεύεσθαι kommt hingegen bei den Rednern sonst nicht vor, dafür aber έν δημοκρατία (Isocr. 15,70; [Isocr.] 1,36) und έν ολιγαρχία (Isocr. 12,200) πολιτεύεσθαι. Daß hier sowohl der Dativ νόμοις als auch der Präpositionalausdruck έν έλευθερία vom selben Verbum regiert wird, ist als leichtes Zeugma zu werten; ein Ausdruck έν νόμοις πολιτεύεσθαι ist bei den Rednern jedenfalls nicht belegt. - Die Substantive έλευθερία und νόμος sind bei den Rednern sonst nicht direkt miteinander verbunden, vgl. aber D. 6,25 τύραννος ά π α ς εχθρός έλευθερία και νόμοις έναντίος und 23,139 οσοι περ νόμοις οίκεΐν βούλονται την αυτών οντες έλεύθεροι sowie Lys. 28,13 οσοι μεν ελευθερίας καϊ τοϋ δικαίου έπιθυμοϋντες και τους νόμους ίσχύειν βουλόμενοι. S. auch die ähnlichen Verbindungen υ π ό πόλεσι καί νόμοις οίκούντας und τοις έν πολιτεία καί νόμοις ένδεδεμένοις bei Isocr. 5,14 bzw. 127, sowie die wohl von unserer Stelle beeinflußte Wendung έν έλευθερία καί νόμοις τραφέντες bei Aristid. orat. 9,45 Lenz/ Behr (notiert von Blaß). - Zu έξ 'ίσου vgl. Rehdantz, Ind. II 67 sowie unten §§ 23 u. 75; mit πολιτεύεσθαι kommt es bei den Rednern sonst nur einmal (Isocr. 10,34) vor. νόμοις πολιτεύεσθαι wie in der Aristocratea (23, 138) wäre eigentlich deutlich genug, aber der Redner braucht das pleonastische έξ 'ίσου nicht nur, um die beiden Substantive zu betonen, sondern auch, um dem zweiten Glied des Schemas κατ' άρσιν καί θέσιν die Fülle zu geben, die

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es ihm ermöglicht, der άρσις die Waage zu halten (mit έξ ι'σου enthalten beide Glieder genau 18 Silben). D. bedient sich übrigens häufig pleonastischer Wendungen, vgl. Rehdantz, Ind. I 26 f. s. v. „Pleonasmos". των δ' είς τό άρχειν μεν των πολιτών έπιθυμεϊν, έτέρφ δ' ύπακονειν: Was die Demokraten ablehnen, gerade danach streben nach Ansicht des Redners ihre Gegner. Zur Beschreibung ihrer Haltung wiederholt D. das Verbum άρχειν, das in negativer Form schon zur Schilderung der Ziele der Demokraten verwendet worden war und hier durch die Wiederholung eine starke Betonung erfährt. Die Parallelität in der Beschreibung der Gesinnung von Demokraten und ihren Feinden wird zwar auch im übrigen Satz gewahrt, dafür aber der Ausdruck variiert: Dem Verbum βούλεσθαι entspricht hier έπιθυμεΐν und δουλεύειν das Verbum ύπακούειν. - Die paradoxale Bereitschaft, jemandem zu dienen, um über andere herrschen zu dürfen, wird von Isocr. wiederholt mit Hilfe von scharfen Antithesen gegeißelt, vgl. 10,32 ορών γάρ τους βία των πολιτών άρχειν ζητοΰντας έτέροις δουλεύοντας. 16,42 τοις μεν πολεμίοις δουλεύειν έπεθύμει, τών δέ πολιτών άρχειν ήξίου. 20, 10 τοις μεν πολεμίοις δουλεύειν, τους δέ πολίτας ύβρίζειν, und besonders 7,69 τό δ' οΰν κεφάλαιον της έκατέρων διανοίας (d.h. der Oligarchen und der Demokraten) τοιούτον ήν· οί μεν γάρ ήξίουν τών μεν πολιτών άρχειν, τοις δέ πολεμίοις δουλεύειν, οί δέ τών μέν άλλων άρχειν, τοις δέ πολίταις ϊσον έχειν. Vgl. auch Hyp. 4,10 ί'στ' αυτόν τοις μέν τυράννοις δουλεύειν προελόμενον, τω δέ δήμω προστάττειν άξιούντα. - Zu μέν - δέ vgl. Rehdantz, Ind. II 104 („μέν und δέ sind häufig nicht hinter die entsprechenden Wörter gestellt") und Gebauer, Arg. ex contr. 119. Von ihren Beispielen vgl. zu unserer Stelle diejenigen mit einem Verbum jeweils am Anfang des μέν- und am Ende (oder gegen das Ende) des δέ- Gliedes: D. 27,63 ει κατελείφθην μέν ενιαύσιος, εξ έτη δέ πρός έπετροπεύθην ύπ' αυτών κτλ., Isae. 6,12 άμφισβητεΐν μέν ώς υπέρ γνησίων ..., μητέρα δέ ήτις ήν μή έχειν έπιδεΐξαι, Isocr. 8,121 τοις φιλεΐν μέν τόν δήμον φάσκουσιν, δλην δέ την πόλιν λυμαινομένοις, Aesch. 2,66 κατηγορούν μέν πρός τους αυτούς άκροατάς τη προτεραία, μίαν δέ νύκτα διαλιπών συνηγόρουν sowie Hermog. p. 159,8-10 Rabe δεινόν δέ έπαγγελλομένω μέν ποιήσειν ψηφίσασθαι, μή δούναι δέ πεποιηκότι. δι' οτου ποτ' αν ο'ίωνται τοϋτο δυνήσεσθαι ποιήσαι: Der Nebensatz ist vor allem deswegen notwendig, um die auf den ersten Blick verblüffende Behauptung, ausgerechnet die Oligarchen wollten jemandem ge-

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horchen, zu erklären. Er hat aber auch eine rhetorische Funktion: Der erste Teil der Apposition von εις δύο ταΰτα, in dem von den Demokraten die Rede ist, besteht nämlich aus einem σχήμα κατ άρσιν και θέσιν, dessen άρσις wiederum gegliedert ist (μήτ' άρχειν βία βούλεσθαι μηδενός μήτε δουλεΰειν άλλψ, αλλ' έν έλευθερία και νόμοις εξ ίσου πολιτεύεσθαι). Der zweite Teil der Apposition, in der die Gegner der Demokraten charakterisiert werden (ebenfalls gegliedert: άρχειν μεν των πολιτών έπιθυμεϊν, έτέρψ δ' ύπακούειν) entspricht aber durch seinen Umfang nur der άρσις des Schemas im ersten Teil. Die Erweiterung des zweiten Teiles der Apposition durch den Nebensatz ist also auch für die Herstellung des Gleichgewichts zwischen den beiden Teilen der Apposition unentbehrlich. - Zu δι' οτου vgl. Rehdantz, Ind. II 60 („Der Genetiv auch wo durch das Medium einer Person ... eine Handlung zustande kommt") mit Beispielen. - Die Wortgruppe δυνήσεσθαι ποιήσαι kommt bei den Rednern nur noch D. 9,19 am Satzende vor. Wenn ein Verbum einen Infinitiv regiert, von dem ein zweiter Infinitiv abhängt, ist die an unserer Stelle vorliegende Wortfolge der Verben (dem regierenden Verbum folgt der erste Infinitiv und diesem der von ihm abhängige zweite) die normale, vgl. Gaya Nuno 64f. (unsere Stelle fehlt in seiner Aufzählung auf S. 41). - Die Lesart τοΰτο der Hss. (auch die Lesart bei Stob. 4,1,60 Wachsmuth/ Hense) wurde von Croiset zu Unrecht durch ταϋτα ersetzt. oi της εκείνου προαιρέσεως: Das Demonstrativum εκείνου bezog G.H. Schaefer ζ. St. (wie auch δι' εκείνου in § 5) auf den ganzen zweiten Teil der Apposition von εις ταϋτα, was Weil z. St. mit Recht problematisch fand. Die hauptsächliche Schwierigkeit bei G.H. Schaefers Interpretation wird vom seltsamen genetivus obiectivus εκείνου statt des adjektivisch gebrauchten Demonstrativums (etwa: οί ταύτης της προαιρέσεως) verursacht. Daß der Text bei G. H. Schäfers Deutung merkwürdig klingt, meint denn auch Rehdantz zu § 5, S. 282 (auch Dobree 32 spricht von einer „mira locutio pro εκείνης τής π."), was wiederum in seinen Augen die These unterstützt, daß der Text nicht von D. verfaßt wurde. Weil z. St. widerspricht zwar G. H. Schäfer, bezieht aber εκείνου nicht direkt auf Philipp, wie vorher üblich („parce que tout ce, qui precede est dit d'une maniere generale"), sondern auf έτέρω, hinter dem natürlich „d'une maniere indirecte" trotzdem Philipp stecke. Viel einfacher ist es da, zur alten Interpretation zurückzukehren: Philipps Politik wurde in §§ 2 sq. aus der Sicht des D. charakterisiert und mit derjenigen Athens verglichen. In § 4, in dem es um die beiden einander gegenüberstehen-

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den Parteien in den griechischen Städten geht, wird der Makedonenkönig zwar nicht erwähnt, aber er ist für D. ganz selbstverständlich der Drahtzieher hinter den Oligarchen und zweifellos dachten die Zeitgenossen schon beim Hören oder Lesen der Pronomina έτέρω und δι' δτου an ihn. Deswegen ist auch an unserer Stelle der Hinweis durch εκείνου auf Philipp ganz natürlich, auch wenn der Redner den Makedonenkönig zuletzt im Satz ό μεν λαβών ... κινδυνεΰσων (§ 3) direkt erwähnt hat. Die dazwischen liegenden elf Teubner-Zeilen sind ohnehin kein großer Abstand. Zudem brauchen wir „dem Verfasser" unseres Abschnittes nicht mit Rehdantz a. O. „eine seltsame Neigung für den Gebrauch des neutrums in selbständiger Bedeutung" unterstellen. - Zum Begriff προαίρεσις, der bei den Rednern sonst nur bei Isocr., Aesch., Lyc. und Hyp. vorkommt, vgl. Wankel 500 zu D. 18, 93 („Der Gebrauch des Substantivs προαίρεσις wie der des Verbums ... für den politischen Bereich ist für D. im Gegensatz zu den übrigen Rednern charakteristisch") und 907 zu D. 18,192 (,„Wahl' und Entscheidung' sind ... immer mit προαίρεσις bei D. noch mitgemeint") mit der dort angeführten Literatur (zur Bedeutung von προαίρεσις bei den Rednern s. besonders E. Kullmann, Beiträge zum aristotelischen Begriff der „Prohairesis", Diss. Basel [mschr.] 1943, 47-49). oi τυραννίδων και δυναστειών έπιθυμοϋντες: Der Ansicht Weils ζ. St., daß das Substantiv δυναστεία „doit etre pris ici dans le sens precis de gouvernement tyrannique exerce en commun par un petit nombre d' hommmes ou de families", ist mit der Einschränkung beizupflichten, daß dieses Substantiv zur Zeit des D. auch die Herrschaft eines einzelnen über seine Mitbürger bezeichnen konnte, vgl. z.B. Isocr. 6,45 u. 8, 111; 12,148, sodaß seine Bedeutung hier vielleicht doch nicht ganz so präzise ist; aber auf eine säuberliche Trennung von Tyrannis und oligarchischer Verfassungsform kommt es an unserer Stelle gar nicht an. Für D. genügt es wahrscheinlich, daß das Substantiv δυναστεία eine weitere Bedeutung als τυραννίς hat, und sich eher ganz allgemein auf diejenigen bezieht, die die Tyrannis oder eine ähnliche Herrschaftsform anstreben (Sicher falsch ist hingegen die Paraphrase von Rehdantz z. St.: „in Rücksicht auf die Oberhoheit auswärtiger Könige"). Weil unterstützte seine Auffassung besonders mit Thuc. 3,62,3 οπερ ... εστί ... έγγυτάτω ... τυράννου, δυναστεία ολίγων ανδρών ειχε τά πράγματα. Von D. selbst wäre aus der Leichenrede noch der Satz (60,25) αί μεν γάρ δίά των ολίγων δυναστεϊαι δέος μεν ένεργάζονται τοις πολίταις κτλ., von den übrigen Rednern z.B. And. 2,27 anzuführen. Zum Sub-

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stantiv δ υ ν α σ τ ε ί α bei D. vgl. auch Wankel 397 zu D. 18,67 (vox media, die ihre negative Bedeutung oft erst durch den Zusammenhang - wie an unserer Stelle durch die Verbindung mit τ υ ρ α ν ν ί ς - erhält) sowie unten zu § 53 (dort bezogen auf die Herrschaft von Städten); sein Gebrauch hier darf demnach nicht mit Rehdantz z. St. als Hinweis dafür gewertet werden, daß die Rede in der Zeit der Diadochen entstanden wäre. Der Verdacht Reiskes, diese Apposition sei eine Glosse, ist unbegründet (sie steht auch im Zitat bei Stob. 4 , 1 , 6 0 Wachsmuth/ Hense). - τ υ ρ α ν ν ί ς und δ υ ν α σ τ ε ί α werden bei den Rednern miteinander sonst nicht verbunden, vgl. aber Isocr. 8,142 τ ά ς τ υ ρ α ν ν ι κ ά ς α ρ χ ά ς κ α ί τ ά ς δ υ ν α σ τ ε ί α ς . Für sonstige Verbindungen mit αρχή, ηγεμονία u. a. s. Roschatt, Syn. Verbind. 23. Durch die Verbindung der Substantive an unserer Stelle erhält die Apposition eine größere Fülle als das Subjekt (οί τ η ς έκείνου προαιρέσεως), auf das sie sich bezieht; dies geschieht im Einklang mit dem sogenannten Gesetz der wachsenden Glieder, vgl. unten zu § 13 ήξει π ά ν τ α κτλ. κεκρατήκασι πανταχού: D. schildert hier mit derselben Hyperbel den Sieg der Anhänger Philipps in den Städten Griechenlands, mit der er in § 2 den ,rhetorischen Sieg' der Athener beschreibt. Das ist kein Zufall, da das Verbum κεκρατήκασι(ν) bald (in § 5) mit Nachdruck wiederholt wird. Die hyperbolische Behauptung, daß mit Ausnahme Athens alle anderen Städte ihre demokratischen Verfassungen verloren hätten, wird gewiß in milderer Form als hier - schon in der Rhodierrede (15,19) aufgestellt: Χίων ό λ ι γ α ρ χ ο υ μένων και Μ υ τ ι λ η ν α ί ω ν και νυνί ' Ρ ο δ ί ω ν και π ά ν τ ω ν α ν θ ρ ώ π ω ν ολίγου δέω λέγειν εις τ α ύ τ η ν τ η ν δ ο υ λ ε ί α ν υ π α γ ο μ έ ν ω ν κτλ. και πόλις δημοκρατουμένη βεβαίως: Zu καί in der Bedeutung „und so(mit)" vgl. Kühner/ Gerth II 248,5. - Zu πόλις δ η μ ο κ ρ α τ ο υ μ έ ν η vgl. D. 24,5 ( δ η μ ο κ ρ α τ ο υ μ έ ν η ν καί έ λ ε υ θ έ ρ α ν είναι |>c. τ η ν πόλιν]). 58 ( δ η μ ο κ ρ α τ ο υ μ έ ν η ς της πόλεως) u. 76 (εν δ η μ ο κ ρ α τ ο υ μ έ ν η τη πόλει) sowie bei den übrigen Rednern And. 1,87 sq.; Lys. 18,1; Isocr. 20, 20; Aesch. 1,4 (= 3,6); 3,114. 233.

ουκ οιδ' ε'ί τίς έστι των πασών λοιπή πλην ή ημετέρα: Die Wendung mit ουκ οίδα dient zur Milderung der Hyperbel. Diese Funktion hat ουκ ο ί δ α auch unten in § 27 (folgt ήντιν(α)) sowie an folgenden Stellen bei den Rednern (wenn nicht anders angegeben, folgt wie an unserer Stelle stets die Konjunktion εί): D. 4,35; 15,16; 21,6; 22,60; 23,64. 82; 45,6;

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[D.] 34,42 (folgt όπως); And. 2,10; Ant. 2γ, 3 (folgt όπως); Isocr. 4,65 (folgt οπως); 6,1; 12,10; 15,144. 190. 195 (folgt δπως); 19,24 (folgt όστις); Isae. 8, 34. Unter diesen Beispielen wird in § 27 sowie D. 15,16; 23,64 u. And. 2,10 ein Satzteil ebenso in Prolepse vorweggenommen wie hier das Subjekt des Nebensatzes. - υμετέρα in den Hss. FY ist wohl falsch, da D. in §§ 2 - 6 nur die erste Person des Plurals verwendet, wenn er von seiner Stadt redet, und ein Grund, warum er hier zur zweiten Person überwechseln sollte, ist nicht zu erkennen. Die erste und die zweite Person des persönlichen Pronomens im Plural werden indes oft ineinander verschrieben, wenn sie sich auf die Stadt beziehen, vgl. Wankel 1293 zu D. 18,306; an den zehn Stellen unserer Rede, an denen SA und FY in dieser Hinsicht einander gegenüberstehen, scheint SA stets die bessere Lesart zu bieten, vgl. Einleitung, Anm. 302.

§ 5 και κ εκ ρ ατή κασ iv oi δι' έκείνου τάς πολιτείας ποιούμενοι: Die Wiederholung des Prädikats des vorausgehenden Satzes unterstreicht den für Athen bitteren Tatbestand und richtet zugleich die Aufmerksamkeit auf das Neue, das dem schon in § 4 Gesagten noch hinzugefügt wird, nämlich auf die Mittel, die zum Sieg der Oligarchen geführt haben. Auf vergleichbare Weise wiederholt wird das Prädikat des voraufgehenden Satzes bei D. ζ. B. auch 8,24sq. χρήματα λαμβάνουσα λαμβάνουσι δ' οί μεν έχοντες μίαν ή δύο ναϋς έλάττονα κτλ., 18,276sq. έγώ δ' οίδ', δτι ...· και έκεΐν' εν οίδ', cm κτλ. u. 22, 62 (ähnlich). Die Wortstellung mit dem Prädikat am Satzanfang vor dem Subjekt ist eher selten bei D. Aus den ersten 19 Reden des Corp. Dem. zitiert Ronnet 52 nur unsere Stelle und D. 18,169 ήκε δ' άγγέλλων τις, vgl. aber auch z.B. 4,8 κατέπτηχε μέντοι π ά ν τ α ταϋτα νϋν und die soeben erwähnte Stelle der Chersonesitica (8,25), sowie unten § 54 πέπραται. Von den Beispielen bei Rehdantz, Ind. I 29 s. v. „Stellung" ist eigentlich nur 4,42 δοκεΐ δε μοι θεών τις κτλ. vergleichbar. D. liebt hingegen die Anfangsstellung der Kopula, vgl. oben zu § 3 εστι δε τ α ϋ τ α κτλ. - ÖL' έκείνου bezieht sich wie έκείνου in § 4 auf Philipp (s. dort). Zur Präposition διά s. oben zu § 4 δι' δτου. πασιν, οσοις πράγματα πράττεται: „Durch alles, wodurch (politische) Geschäfte gemacht werden". Das αόριστον verleiht den beiden nachher genannten Vorteilen (den ώρισμένα), die die Feinde der Demokraten genießen, Nachdruck (zur Erweiterung mittels des άόριστον vgl. oben zu § 1 ουκ ολίγων δ' όντων). - Für Beispiele der figura etymologica π ρ ά γ μ α τ α πράττειν bei D. vgl. Rehdantz, Ind. II 79. Seinen Bele-

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gen (D. 8,75; 18,24. 286; 22,42; 23,4; 36,53 u. 45,18) sind noch D. 19,76sq. u. [D.] epist. 1,14 hinzuzufügen; alle Belege außer dem letzten stammen aus echten Reden. Bei den übrigen Rednern habe ich mir folgende Stellen notiert: Ant. 6, 50; Lys. 12,3; 13,18. 60; Isocr. 3,52; 12,127. 149; Aesch. 1,41. πρώτω μέν πάντων και πλείστω: Die durch emphatische Verbindungen verstärkte pointierte Gliederung (πρώτψ μέν πάντων και πλείστω ..., δευτέρω δέ και, ουδέν έλάττονι τούτου) bringt eine wachsende Eindringlichkeit zum Ausdruck und bereitet damit das leidenschaftliche Crescendo in § 6 vor. - An den anderen Belegstellen bei D. heißt es πρώτον απάντων (23,8. 74. 149 u. 24,206), im einzigen Beispiel aus den Ps.-Demosthenica dagegen πρώτον πάντων ([D.] 25,58); bei den anderen Rednern kommt die Wendung nur bei Lys. 2,4 (πρώται δέ των πάντων); Aesch. 1,40 (πρώτον μέν πάντων). 100 (πασών δέ πρώτην) u. 3,54 (πάντων πρώτον) vor. Die Wahl von πάντων statt άπάντων ist an unserer Stelle wohl durch das Streben nach der π-Alliteration bedingt. Diese ist auffallend stark: Acht Wörter hintereinander (zwischen ihnen nur das Relativpronomen δσοις, die Partikel μέν und die Konjunktion καί) beginnen mit π. Für andere Beispiele von Alliterationen bei D. s. Straub 134 (die meisten darunter sind π-Α1literationen, wobei freilich eine der markantesten Belegstellen fehlt: 2,23 εί μηδέν ποιοΰντες ημείς, ων τοις πολεμοΰσι προσήκει, τοϋ πάντα ποιοΰντος περιήμεν). Vgl. auch Rehdantz, Ind. I 4f., der allerdings kaum Beispiele mit π-Alliterationen anführt. In unserer Rede s. noch §§ 24 δαπάνης πολλής καί πόνων πολλών καί πραγματείας und 29 πριν αν ώσπερ νυν αυτά παρή τά πράγματα. - Die Verbindung von πρώτος und πλείστος (die Lesart der Hss. SFY: μεγίστψ A) ist bei den Rednern sonst nicht belegt. Ähnliche Verbindungen sind πρώτον ... καί μέγιστον (D. 14,14), ενός ... μάλιστα καί πρώτου (19,25) und πρώτου μέν τούτου καί μάλισθ' (19,27, unten zu δευτέρω δέ ausgeschrieben). Die Herausgeber (Blaß ausgenommen) haben trotzdem zu Recht, der besseren Überlieferung folgend, die Lesart der Hs. A nicht übernommen. τω τους βουλομένους χρήματα λαμβάνειν εχειν τον δώσοντα υπέρ αυτών: D. kleidet Philipps Parteinahme und finanzielle Unterstützung für bestimmte, um die Macht in ihren Städten kämpfende στάσεις in Worte, die Bestechung und Bestechlichkeit suggerieren, χρήματα λαμβάνειν und διδόναι gehören ja zu den gewöhnlichsten Ausdrucks-

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formen zur Bezeichnung der Korruption, vgl. in der 4. Philippika noch §§ 59 u. 66, in den anderen Reden des D. 9,37; 14,5; 18,61 (Objekt in Gedanken zu ergänzen); 19,11. 137. 139. u. ö.; 21,3. 104 u. 215, bei den übrigen Rednern z.B. Lys. 12,8. 15; Isocr. 8,36; Din. 1,4. 14. 53. u. ö.; Hyp. 1,38,6; 3,8. 29 sq. 39. Andere Wendungen zur Bezeichnung der Korruption s.bei Rehdantz, Ind. II 101 s. ν. λαμβάνειν, Ronnet 154-57; Krüger 54-56 (Metaphern aus der Handelssprache: πωλέω, πιπράσκω, ώνέομαι, λήμμα); Harvey 82-89, sowie unten in §§ 9 (πρίασθαι), 19 u. 59 (μισθαρνεΐν), 54 u. 63 (πιπράσκειν), 75 (μισθού λέγειν). Weitere Anspielungen auf Korruption in unserer Rede s.noch in §§ 68 (έκ π τ ω χ ώ ν ενιοι τ α χ ύ πλούσιοι γίγνονται) u. 76 (άργύριον τω λέγοντι ποιήσων); s. auch Einleitung, Anm. 166 f. Ein konkretes Beispiel für die Bestechungspolitik Philipps wird unten in § 9 gegeben ( Ά ν τ ρ ώ ν α ς έπρίατο). Daß Bestechungsgelder ein wesentlicher Teil der Außenpolitik Philipps gewesen seien, behauptet D. schon in der Gesandtschaftsrede (19,300, unten ausgeschrieben), dann in der 3. Philippika (9,49), und später in der Kranzrede (18,247, unten ausgeschrieben). Zur Bestechung griechischer Politiker durch ausländische Mächte seit den Perserkriegen vgl. Cargill, Traitors 75-85. Die Bestechlichkeit von Politikern stellt sonst z.B. Isocr. 12,12 als allgemein bekannt dar (vgl. auch 12,133). - Fuhr hat den von den Zürchern, Dindorf, Rehdantz, Weil, Blaß, Butcher und neulich Croiset und Canfora aus dem Index Lambini übernommenen Dativ τοις βουλομένοις (gebilligt auch von Dobree 32) wohl zu Recht verworfen und der Lesart der Hss. folgend den Akkusativ wiederhergestellt; dieser verkörpert nämlich die lectio difficilior, weil man erwartet, daß das Subjekt von εχειν mit dem von κεκρατήκασιν identisch sein sollte (etwa: „Die Feinde der Demokraten haben ihren Sieg vor allem dadurch errungen, daß sie jemanden hatten, der gewillt war, in ihrem Namen τοις βουλομένοις χρήματα λαμβάνειν Geld zu geben"), und ist vom Subjektwechsel überrascht (etwa: „Die Feinde der Demokraten, οί δι' έκείνου τάς πολιτείας ποιούμενοι, haben vor allem dadurch gesiegt, daß die βουλόμενοι χ ρ ή μ α τ α λαμβάνειν jemanden hatten, der gewillt war, ihnen im Namen der demokratiefeindlichen Freunde Philipps Geld zu geben"). Die Bedeutung der Stelle bleibt aber in beiden Fällen etwa dieselbe („Philipp ermöglicht seinen Freunden in den Städten, Geld zu verteilen"); deshalb kann man sich nicht mit vollständiger Sicherheit für eine der beiden Lesarten entscheiden. - Zum Infinitiv mit dem Artikel im Dativ vgl. die Beispiele bei Stix 29 und Rehdantz, Ind. II 51 (dieser bemerkt, daß D. substantivierte Infinitivsätze „häufiger als andere zumal frühere" anwende) und unten § 49. Hier zi-

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tiere ich nur drei Beispiele, die unserer Stelle, auch was den Gedanken betrifft, sehr ähnlich sind: D. 8 , 1 1 ούδενί των πάντων πλέον κεκράτηκε Φίλιππος, ή τω πρότερος πρός τοις πράγμασι γίγνεσθαι. 1 8 , 2 4 7 εί τοίνυν τις εροιθ' όντινοϋν, τίσιν τά πλείστα Φίλιππος, ών κατέπραξε, διωκήσατο, πάντες αν ειποιεν, τω στρατόπεδα) και τω διδόναι και διαφθείρειν τους έπί των πραγμάτων u. 1 9 , 3 0 0 τίσιν τά μέγιστα κατείργασται ... σκέψασθε· τω παρά των πωλοΰντων τάς πράξεις ώνεΐσθαι, τω τοϋς προεστηκότας έν ταΐς πόλεσιν διαφθείρειν και έπαίρειν κτλ. An der zuletzt zitierten Stelle der Gesandschaftsrede konnte D. für seine Argumentation gegen Aesch. nur den Hinweis auf die Bestechungspolitik Philipps brauchen, an unserer Stelle ist aber auch ein Hinweis auf Philipps Bereitschaft, militärische Mittel zur Unterstützung seiner Anhänger in den Städten entschlossen einzusetzen (vgl. zum nächsten Lemma), wichtig,.weil D. hier sowohl zur Wachsamkeit gegenüber den Verrätern mahnen (hier allerdings noch indirekt, am Beispiel anderer Städte, vgl. aber unten § 19 u.a.) als auch die Notwendigkeit größerer militärischer Anstrengungen von Seiten der Athener unterstreichen will. Auch in der Kranzrede ( 1 8 , 2 4 7 ) braucht D. für seine Argumentation übrigens beides: sowohl den Hinweis auf die Verräter als Seitenhieb gegen Aesch. als auch denjenigen auf die kriegerischen Erfolge Philipps als Fingerzeig auf die Verantwortlichkeit der militärischen Führung Athens und seiner Verbündeten für die Niederlage bei Chaironeia. Zur weiten Trennung des Artikels vom Wort, zu dem er gehört (hier dem Infinitiv: τω ... εχειν und τω ... παρεΐναι) vgl. die Beispiele bei Rehdantz, Ind. I 33 s. ν. ύπερβατόν und Denniston, Prose Style 52 f. - Zum Futurum δώσοντα vgl. Kühner/ Gerth I 173,5 („der Eintritt einer Handlung als bestimmt erwartet hingestellt"; an unserer Stelle etwa „der gewillt ist zu geben"). - Die Hss. überliefern υπέρ αυτών, die Herausgeber schreiben aber seit Bekker mit Ausnahme von Dindorf, Rehdantz und Vömel 1857 (letzterer betrachtet αυτών als Neutrum und übersetzt „pro iis studiis") υπέρ αυτών mit dem Reflexivpronomen. Das Zeugnis der Hss. fällt zwar, wenn es um Akzente und Spiritus geht, nicht allzusehr ins Gewicht; andererseits können die anaphorischen Pronomina der dritten Person im Attischen das Reflexivpronomen vor allem in Nebensätzen und Partizipial- sowie Infinitivkonstruktionen durchaus ersetzen, vgl. Kühner/ Gerth I 5 6 3 , 5 und Schwyzer II 194,2. υπέρ αυτών bezieht sich, wie Weil z. St. feststellt, auf das Subjekt des Hauptsatzes (anders Vömel 1854, s.oben); vgl. auch H. Wolf z. St.: „ot βουλόμενοι λαμβάνειν χρήματα sunt proditores urbium; ό δώσων est Philippus; τό υπέρ αυτών intelligatur de iis, qui regnum affectant".

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δευτέρω δέ και ουδέν έλάττονι τούτου: Der Ausdruck ουδέν έλαττον kommt bei D. noch 18,5; 19,27; 20,23; 21,152; 32,11; 41,27, in den Ps.-Demosthenica 61,21 u. epist. 2,1, bei den übrigen Rednern nur And. 1,32; Lys. 9,5 u. 12,49 vor. Wie an unserer Stelle der Hervorhebung des zweiten Gliedes einer Aufzählung dient er auch in der Gesandtschaftsrede (19,27): πρώτου μέν τούτου και μάλισθ' ... ένεκα ταΰτα διεξήλθον, δευτέρου δέ τίνος και ουδέν έλάττονος ή τούτου; τω δύναμιν την καταστρεψομένην τους έναντιουμένους αύτοΐς έν οίς αν αίτήσωσι χρόνοις παρεΐναι: Weil verglich ζ. St. aus der Chersonesitica den Satz (8,46) εκείνος έτοιμον έχει δύναμιν την άδικήσουσαν και καταδουλωσομένην άπαντας τους Έλληνας. Vgl. aber auch 9,49-51 für die plastische Beschreibung der großen Schnelligkeit und Beweglichkeit, mit denen der König die sich bietenden Gelegenheiten zu nutzen weiß, um bei στάσεις in den Städten rechtzeitig eingreifen zu können, sowie 18,175: τίνος εινεκα την Έλάτειαν κατείληφεν; πλησίον δύναμιν δείξας και παραστήσας τά οπλα τούς μέν έαυτοΰ φίλους έπάραι και θρασεΐς ποιήσαι, τούς δ' έναντιουμένους καταπλήξαι, ιν' ή συγχωρήσωσι φοβηθέντες, α νΰν ουκ έθέλουσιν, ή βιασθώσιν. Zur Verbindung von Bestechung und Gewalt vgl. D. 9,49 νυνι ... οράτε μέν δήπου τά πλείστα τούς προδότας άπολωλεκότας ...· άκούετε δέ Φίλιππον ... τω ψιλούς (sc. άγειν βαδίζονθ' δποι βούλεται) ...· έπειδάν δ(έ)... πρός νοσοϋντας έν αύτοΐς προσπέση κτλ., 18,247 (oben zu τω ... έχειν τόν δώσοντα ausgeschrieben), And. 3,37 οί πατέρες ημών κατηργάσαντο τη πόλει δύναμιν ... τά μέν πείσαντες τούς "Ελληνας, τά δέ λαθόντες, τά δέ πριάμενοι, τά δέ βιασάμενοι und Isocr. 3,22 και γάρ παρασκευάσασθαι δυνάμεις και χρήσασθαι ταύταις ώστε και λαθεΐν και φθήναι, και τούς μέν πεΐσαι, τούς δέ βιάσασθαι, παρά δέ των έκπρίασθαι, τούς δέ ταΐς άλλαις θεραπείαις προσαγαγέσθαι μάλλον αί τυραννίδες τών άλλων πολιτειών οιαί τ' είσίν. - Das Verbum καταστρέφεσθαι hat überall im Corp. Dem. (elfmal beim echten D. sowie [D.] 11,1) die Bedeutung „mit militärischen Mitteln unterwerfen". - Für die Einbeziehung des Korrelates χρόνοις in den Relativsatz bei einer mit έν und dem Dativ ausgedrückten Zeitangabe vgl. [D.] 42,30 έν οΐς δει την άπόφασιν ποιεΐσθαι χρόνοις. § 6 ημείς δέ ού μόνον τούτοις ύπολειπόμεθα, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, αλλ' ούδ' άνεγερθήναι δυνάμεθα: Das Verbum ύπολείπεσθαι kommt bei den Rednern sonst nicht mit einem instrumental-modalen Dativ vor.

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Vielleicht wollte D. damit auf πασιν δσοις besonders deutlich - auch formal - zurückweisen (Hinweis von W. Biihler). - άνεγείρεσθαι ist im Corp. Dem. sonst nicht belegt; zum metaphorischen Gebrauch von Verben, die „schlafen" oder „(er)wachen" bedeuten, vgl. aber bei D. zwei auf Aesch. bezogene Stellen der Gesandtschaftsrede: 19,303 ό συσκευάζεσθαι την Ε λ λ ά δ α και Πελοπόννησον Φίλιππον βοών, υμάς δέ καθεύδειν u. 19,305 τούς 'Αρκάδας ύμϊν άπήγγελλεν ώς εχαιρον, εί προσέχει τοις πράγμασιν ήδη και εγείρεται ή των 'Αθηναίων πόλις. S. auch 6,19 διά ταΰτ' έγρήγορεν, έφέστηκεν (sc. Philipp) u. 18,283 τοσούτον ϋπνον και λήθην άπαντας εχειν. Bei Isocr. vgl. 12,263 εν τοις οχλοις τοις πανηγυρικοΐς, εν οις πλείους είσίν οί καθεύδοντες των άκροωμένων, bei Cie. z. Β. Verr. II 5,38 neque illud rationis habuisti, si forte experge te facere posses, earn provinciam ...ad summam stultitiam ... venisse; Pis. 10 sedenti, cunctanti, dormienti in maximo rei publicae motu consuli. 27 cum experrecta tandem virtus clarissimi viri celeriter... verum amicum ... requisivit\ Phil. 2,30 an faces admovendae sunt, quae te excitent tantae causae indormientem? u. 3,34 si indormierimus huic tempori (einige dieser Stellen bei Straub 66). - Die Beobachtung von Rehdantz z. St., daß der erste Gedanke (ού μόνον τούτοις ύπολειπόμεθα) nicht einmal auf der gleichen Linie mit dem Folgenden (άλλ' ούδ' άνεγερθήναι δυνάμεθα) liege, ist nur dann richtig, wenn man annimmt, daß μόνον nur zu τούτοις, nicht aber auch zu ύπολειπόμεθα gehört; der Redner meint aber, daß die Athener nicht nur beim Einsatz von finanziellen und militärischen Mitteln hinter Philipp zurückblieben, sondern, daß sie dem politischen Geschehen überhaupt keine Aufmerksamkeit widmeten, was er mit der Metapher des Schlafens ausdrückt. Mit dieser Metapher kehrt D. ohne Umschweife zur schroffen παρρησία der §§ 1-3 zurück und die Wendung ούδ' άνεγερθήναι δυνάμεθα ruft dabei besonders den Vorwurf ταΐς γνώμαις ύμεις άφεστήκατε των πραγμάτων ... ουδέ μέμνηται (§ 1) in Erinnerung. Das Verbum άνεγερθήναι bereitet seinerseits meisterhaft das Gleichnis μανδραγόραν πεπωκόσιν ... έοίκαμεν vor (vgl. Blaß, Att. Bereds. III2 1,391) und der durch die Anrede in der Kolonfuge vor άλλ' ούδ' άνεγερθήναι bewirkte Nachdruck macht darauf aufmerksam, daß etwas Wichtiges folgt. άλλα μανδραγόραν πεπωκόσιν: Der zweite Teil der Steigerungsformel (ούδ' άνεγερθήναι δυνάμεθα άλλα μανδραγόραν πεπωκόσιν ... έοίκαμεν) besteht aus einem Schema κατ' άρσιν και θέσιν mit negativpositiver Stellung, in dessen positivem άλλά-Glied statt des banalen

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καθεΰδομεν ein stilistisch wirkungsvolleres Gleichnis steht; damit wird auch der mit άνεγερθήναι entstandene Überraschungseffekt verstärkt. Für den Fall, in dem in der θέσις des Schemas κατ' άρσιν και θέσιν „Umschreibungen an Stelle des erwarteten direkten Gegenteils eintreten", zitiert Lang 30 als einziges Beispiel (auch er läßt freilich die 4. Philippika unbeachtet) D. 27,25 αυτούς δέ τοϋς ανθρώπους ... ούδαμοΰ μοι παραδεδώκασιν, άλλά πάντων κενότατον λόγον λέγουσιν, ώς κτλ. Für die Erweiterung des zweiten Teiles der Steigerungsformel ου μόνον ..., άλλ' ουδέ in ein σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν findet sich m. W. nur noch ein weiteres Beispiel bei den Rednern: D. 9,31 ου μόνον ούχ Έ λ λ η ν ο ς οντος ουδέ προσήκοντος ουδέν τοις Έλλησιν, άλλ' ουδέ βαρβάρου εντεύθεν δθεν καλόν ειπείν, άλλ' ολέθρου Μακεδόνος (verglichen von Rehdantz ζ. St.; die von diesem vertretene Auffassung, der Inhalt an unserer Stelle motiviere keineswegs eine so „gewaltig steigernde Formel", kann ich nicht teilen, vgl. oben zu άνεγερθήναι und unten). - Das Substantiv μανδραγόρας ist bei den Rednern nur hier belegt. Die im Mittelmeerraum überall heimische, zur Gattung der Nachtschattengewächse (Solanaceae) gehörende Alraune wurde im Altertum hauptsächlich als Betäubungsmittel bei Schlaflosigkeit und gegen starke Schmerzen verwendet (vgl. z.B. Diosc. 4,75, 3-5. 7; Plin. nat. 25,150; Theophr. hist, plant. 9,9,1). Hier zielt die Metapher natürlich, wie das schon aus dem vorausgehenden ούδ' άνεγερθήναι δυνάμεθα deutlich wurde, auf die vis somnifica der Pflanze (vgl. auch die Anspielung auf unsere Stelle bei Luc. Dem. enc. [= 58] 36 άλλ' άνίστησι μέν άκοντας οιον εκ μανδραγόρου καθεύδοντας τοϋς αύτοϋ πολίτας κτλ.). Aus Plato resp. 6,4 p. 488 c wird deutlich, daß die Alraune zu den wichtigsten Betäubungsmitteln der damaligen Zeit gehörte (τον ... ναύκληρον μανδραγόρα ή μέθη ή τινι άλλφ ξυμποδίσαντας) und Xen. conv. 2,24 verwendet sie sogar in einem Gleichnis: Bei ihm ist es der Wein, dessen Wirkung mit der der Alraune verglichen wird (ό οίνος άρδων τάς ψυχάς τάς μέν λυπάς ώσπερ ό μανδραγόρας τούς άνθρώπους κοιμίζει κτλ.). Bei Luc. vgl. außer der soeben erwähnten Stelle noch Tim. (= 25) 2 οπού γε καθάπερ υπό μανδραγόρα καθεΰδεις und adv. indoct. (= 31) 23 οιει τοσούτον μανδραγόραν κατακεχύσθαι αύτοΰ, ώς ... εκείνα ... μή είδέναι, sonst z.B. Philo lud. de vita contempl. 45 ώσπερ μανδραγόραν τόν άκρατον πιόντες ... ΰπνω βαθεϊ πιέζονται (sc. οι συμπόται). Zu μανδραγόρας s. außerdem Α. Steier, RE XIV 1,1928, s.v. Sp. 1028-37; zum Gebrauch des Substantivs außerhalb der medizinischen und botanischen Fachliteratur ibid. Sp. 1032, zu den Schlafmitteln des Altertums F.-J. Kuhlen, Zur Ge-

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schichte der Schmerz-, Schlaf- und Betäubungsmittel in Mittelalter und früher Neuzeit (= Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Bd. 19), Stuttgart 1983,175-88. - Hermog. p. 256, 2-4 Rabe und ihm folgend Anonym, fig. III p. 145,15-17 Spengel (in letztgenannter Schrift ist übrigens p. 145,20 sq. έν γάρ τω καθαρω nach Hermog. p. 256,16 sq. Rabe in έν γάρ τω καθόλου zu verbessern) zitieren unsere Stelle als Beispiel der bei D. seltenen καθαρά oder άπαραμύθητος τραχύτης, der nicht gemilderten, meistens wie hier gegen die Zuhörer gerichteten Schroffheit. Aristid. rhet. 1,111 p. 44,3. 10-12 Schmid führt unsere Stelle als Beispiel der σφοδρότης (die er aber nicht wie Hermog. von τραχύτης unterscheidet) an, mit der Bemerkung, και δταν δέ άτόπως τις είκάζτ], σφοδρόν ποιεί τον λόγον. Ioannes Siceliota schließlich teilt in seinem Hermog.-Kommentar (VI p. 253,22-24 Walz) mit, daß Anastasios von Ephesos και τίνες των τεχνογράφων wegen des Wortes μανδραγόρας die 4. Philippika als unecht betrachteten; daß die Rhetoren das Gleichnis „hart getadelt" hätten, wie Rehdantz z. St. meint (auch Daitz 158: „severely criticized in antiquity"), kann jedoch nicht behauptet werden. Es ist ferner angesichts von Stellen wie der von Hermog. p. 256,7-9 Rabe ebenfalls zitierten D. 3,31 (ύμεΐς δ' ό δήμος έκνενευρισμένοι κτλ., vgl. Spengel, Δημηγορίαι 84f.), auch nicht einzusehen, daß - wie Rehdantz z. St. formuliert - die Würde der Staatsrede Ausfälle dieser Art verbiete. Der heftige Ausbruch der παρρησία, die sich nach der unauffälligen Wendung ού μόνον τούτοις ύπολειπόμεθα zuerst in der überraschenden Metapher ούδ' άνεγερθήναι δυνάμεθα und anschließend im kühnen Gleichnis άλλα μανδραγόραν κτλ. manifestiert, paßt außerdem ausgezeichnet (auch in diesem Punkt muß man Rehdantz widersprechen) zur „gewaltig steigernden Formel" ού μόνον ... αλλ' ούδ' ... αλλά. Auch an anderen von παρρησία gekennzeichneten Stellen scheut sich D. nicht, seine Landsleute mit für sie unvorteilhaften Gleichnissen zu konfrontieren, vgl. z.B. 1,15 ώσπερ οί δανειζόμενοι ραδίως επί τοις μεγάλοις, 4,40 ούδέν δ' άπολείπετε, ώσπερ οι βάρβαροι πυκτεύουσιν, ούτω πολεμεΐν Φιλίππω. Einen weiteren singulären Vergleich bei D. vgl. 18,50 ώσπερ έωλοκρασίαν (s. auch Wankel 347 f. dazu). Zu den Gleichnissen bei den Rednern vgl. sonst Wankel 914 zu D. 18,194 („Gleichnisse sind bei den Rednern immer etwas Besonderes") mit Literaturangaben sowie die von ihm zitierte Vorschrift bei Aristot. rhet. 3,4 p. 1406b, 24sq. χρήσιμον ... ή είκών και έν λόγφ, όλιγάκις δέ· ποιητικόν γάρ. Zu einer anderen Anspielung auf medizinisch genutzte Pflanzen vgl. aus der Kranzrede (18,121) die Frage τί σαυτόν ούκ έλλεβορίζεις έπί τούτοις; Einen weiteren

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Vergleich in unserer Rede s. unten in § 63 ώσπερ προβόλοις προσπταίσαντας. ή τι φάρμακον άλλο τοιούτον έοίκαμεν άνθρώποις: D. ist sich natürlich der Kühnheit seines Gleichnisses bewußt: er hat es in der άροις des Schemas κατ' άρσιν και θέσιν vorbereitet (ούδ' άνεγερθήναι δυνάμεθα) und relativiert es anschließend durch diese Differenzierung. Damit ist deren Funktion hier vor allem rhetorisch und D. braucht dabei nicht konkret an eines der anderen zu seiner Zeit gebräuchlichen υπνωτικά gedacht zu haben (wie z.B. die von Aristot. de somno 3 p. 456b, 29sq. an der Seite der Alraune aufgezählten μήκων, οίνος, αΐραι). Auch Plato resp. 6,4 p. 488 c (zum vorigen Lemma ausgeschrieben) gebraucht übrigens eine ähnliche Differenzierung: μανδραγόρα ή μέθη ή τινι άλλω. Die Neutrumformen der Pronomina τοιούτος und τοσούτος enden auch bei D. häufiger in -ov als in -o (60 mal nach Albini, Komm, zu And. 2,7 gegenüber 34 Beispielen mit der Endung -o), vgl. Wankel 737 zu D. 18,136 mit weiteren Literaturangaben. Hier spielt bei der Wahl der Form τοιούτον sicher auch das Streben nach Hiatvermeidung eine Rolle. Blaß tilgte, dem zweifelhaften Zeugnis des zum vorigen Lemma schon erwähnten unbekannten Rhetors (III p. 145,15-17 Spengel) folgend, das Pronomen τοιούτον, ohne jedoch auch dessen Wortfolge (ήτοι φάρμακον άλλο πεπωκόσιν έοίκατε) zu übernehmen. Damit schuf er einen Hiat, den man ohne zwingende Gründe - und solche sind hier nicht zu erkennen - besser nicht in den Text setzen sollte. - Hyperbata, bei denen das wichtige Wort zuerst steht und das leicht zu ergänzende erst am Ende, wie άνθρώποις an unserer Stelle, sollen nach Ronnet 44 für die frühen Reden des D. sowie für die Kranzrede kennzeichnend sein (sie zitert z.B. 18,158 ύφ' ενός τοιαύτα πέπονθεν ή Ε λ λ ά ς ανθρώπου). Ihre Untersuchung berücksichtigt aber nur die ersten 19 Reden des Corp. Dem. (vgl. dazu die Kritik von Wankel 143 f.). είτ', οίμαι: Auf das Adverb είτα, das die Folgen des soeben mit drastischen Worten angeprangerten Verhaltens der Athener einleitet, folgt das ironische οίμαι, das andeutet, daß diese Folgen ganz selbstverständlich sind (s. dazu oben zu § 3). είτ'οίμαι findet sich auch 8,12 und 18,46; bei den anderen Rednern kommt es nicht vor. (δει γαρ, ώς έγώ κρίνω, λέγειν τάληθή): Nach der Beobachtung von Grünewald 272-275, zeigt D. von allen Rednern die größte Vorliebe für Parenthesen, eine Vorliebe, die in den späteren Reden sogar zunehme.

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Unsere Stelle reiht Grünewald 259 f. unter diejenigen ein, an denen die Parenthese dazu dient, das ή θ ο ς des Redners hervorzuheben; das ist zwar durchaus richtig, aber der prodiorthotische Zweck der Parenthese ist darum nicht weniger auffällig, vgl. Gebauer, Anh. zu Lys. 261-265, der die Ankündigungen der Redner, die Wahrheit zu sagen, ibid. 258-270 unter die Beispiele der Diorthose aufnimmt (Parenthesen mit prodiorthotischer Funktion zitiert Grünewald 266 f.). Die meisten Parenthesen bei den Rednern sind wie die unsrige begründend oder erklärend und werden durch γ ά ρ verknüpft (Grünewald 245 u. 256); in der 4. Philippika vgl. noch §§ 7. 8. 11. 15. 18. 24. 54. 56. 58. 62. 64. 70. 75; durch δέ bzw. κ α ι . . . δ ή verknüpft werden die Parenthesen in §§ 13. 34 u. 52 (daß sich in den elf Paragraphen des Abschnitts über das Theorikon [10,35-45] keine einzige Parenthese findet, ist bemerkenswert). Parenthetische Versicherungen des Redners, die Wahrheit zu sagen oder sagen zu müssen, vgl. noch D. 32,31; 39,3; 45,4; [D.] 11,17; 40,10; Lys. 3,10; 16,21; Isocr. 12,100; 15,177; 18,10; Aesch. 1,64; 2,70; Hyp. 5 , 2 (fast alle diese Beispiele bei Grünewald 219 [vgl. auch 259] u. Kitzmann 51, die auch für die verwandten Wendungen δει γ ά ρ ά π α ν τ α έξετάσαι, είρήσεται γ ά ρ , δει γ ά ρ κ α ι τ α ϋ θ ' ΰμϊν δ ι η γ ή σ α σ θ α ι u. ä. zu vergleichen sind). Weitere Literatur zur Parenthese bei den Rednern s.bei Wankel 114 zu D. 18,1. Die prodiorthotische Versicherung, daß der Redner die Wahrheit gesagt hat oder demnächst sagen wird oder muß, kommt nicht nur in Parenthesen vor, vgl. unten zu §§ 43. 53 sq. 76, sowie Gebauer a. O. Diese Versicherung erscheint m. W. bei den Rednern sonst nur noch Isocr. epist. 6,3 (χρή γ ά ρ τ ά λ η θ ή λέγειν) und Aesch. 1,64 (δει γ ά ρ τ ά λ η θ έ ς λέγειν) in der Form einer durch δει bzw. χ ρ ή eingeleiteten protreptischen Gnome (Gnomen dieser Art sind im Corp. Dem. sonst häufig, vgl. Framm 38). - Die Relativierung mit ώ ς ε γ ώ κ ρ ί ν ω ist ebenfalls prodiorthotisch und dient auch selbst der Milderung der π α ρ ρ η σ ί α , vgl. a u c h D . 6,15; 15,8; 19,121; prooem. 2,3; 6 , 1 und in der 4. Philippika noch zu § 49. Bei den anderen Rednern ist meines Wissens nur Aesch. 1,3 zu vergleichen.

οΰτω διαβεβλήμεθα και καταπεφρονήμεθα έκ τούτων: Die Verben διαβάλλειν und κ α τ α φ ρ ο ν ε ΐ ν sind bei den Rednern sonst nicht miteinander verbunden. Für Verbindungen von δ ι α β ά λ λ ε ι ν mit anderen Verben vgl. Roschatt, Syn. Verbind. 11 mit Anm. 2 u. Rehdantz zu D. 10,7. Als einziges Beispiel einer Verbindung mit κ α τ α φ ρ ο ν ε ΐ ν führt Roschatt ibid. 29 Anm. 3 Isocr. 5,100 ύ π ε ρ ε ω ρ α κ έ ν α ι κ α ι κ α τ α π ε φ ρ ο ν η κ έ ν α ι της β α ρ β α ρ ι κ ή ς δ υ ν α σ τ ε ί α ς an. - Auf die Geringschätzung, die Athen

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von den anderen Griechen und von Philipp erfahren muß, wird im Corp. Dem. auch sonst hingewiesen, vgl. z.B.D. 8,32 έν δέ ταΐς παρασκευαΐς ταΐς του πολέμου ράθυμους και ευκαταφρόνητους, [D.] 7,17; 11,17; 17,29 sowie oben zu § 3 προσέχουσιν und unten zu § 53 ουδείς ήμϊν διαλέγεται. - Zu έκ mit dem Genetiv in der Bedeutung „aufgrund" vgl. die Beispiele bei Rehdantz, Ind. II 67 s. ν. έκ. έκ mit dem Genetiv wird bei den Rednern zwar nirgends von καταφρονεΐν, dafür aber an folgenden Stellen von διαβάλλειν regiert: Isocr. 15,30 έκ ... της γραφής ... διαβάλλειν. 97 τοις έκ τε των έπιτηδευμάτων και των άλλων συνουσιών διαβεβλημένοις. Aesch. 3,254 διαβέβληται δ' ή πόλις έκ των Δημοσθένους πολιτευμάτων. ώστε των έν αύτω τω κινδυνενειν όντων: Für die Wendung είναι έν τω mit einem Infinitiv vgl. Wankel 1000 zu D. 18, 218, der die beiden Belege bei Stix 30 (D. 18,218 und prooem. 14,1 sq.) außer durch unsere Stelle noch durch [D.] 47,43 ergänzt. οί μέν υπέρ της ήγεμονίας ήμϊν άνιιλέγουσιν: Worauf sich D. hier konkret bezieht, wissen wir nicht. Über ein Bündnis mit Theben kann Athen im J. 341 jedenfalls noch nicht verhandelt haben, vgl. Weil z. St. (Spengel, Δημηγορίαι 89 Anm. 1 denkt ganz allgemein an „die Lakedaemonier, oder Bundesgenossen"; auf sie paßt aber die Beschreibung oi έν αύτω τω κινδυνεύειν οντες nicht.) - ηγεμονία muß im hiesigen militärischen Zusammenhang die im 4. Jh. noch häufig belegte konkrete Bedeutung „militärische Führung" haben, vgl. H. Schaefer, Staatsform 213 (abstrakt zu verstehen ist ηγεμονία z.B.D. 20,68); s.auch Wankel 391 und 396 zu D. 18,65 bzw. 66. Für verwandte Begriffe wie προΐστασθαι, άρχειν und πρωτεΰειν vgl. unten zu §§ 46. 50. 52 u. 74. - Die Wendung υπέρ της ήγεμονίας τινί άντιλέγειν kommt bei den Rednern sonst nicht vor, dafür aber (περί) της ήγεμονίας άμφισβητεΐν (Isocr. 4,20. 25. 71. 166; 15,57; Lyc. 108). oi δ' υπέρ τοΰ ποΰ συνεδρεύσουσιν: Weils Beobachtung ζ. St. ist zweifelsohne richtig, daß sich diese Anspielung auf die aus dem Vorwurf des Aesch. gegen D. (3,91 ήκον οί μισθοί τω γ ρ ά ψ ο ν τ ι τ ή ν συμμαχίαν υπέρ τοΰ μή συνεδρεύειν Ά θ ή ν η σ ι Χαλκιδέας κτλ.) bekannte Weigerung der Stadt Chalkis beziehe, dem συνέδριον des Attischen Seebundes beizutreten (vgl. auch A. Schäfer III1, Beil. IV 101: „die Euboeer"). Statt dessen kam zwischen Athen und Chalkis wohl noch vor der Befreiung von Oreos ein Separatbündnis zustande (Philoch. [FGrHist 328] frg.

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159 και συμμαχίαν 'Αθηναίοι πρός Χαλκιδεΐς έποι[ήσαντο και] ήλευθέρωσαν [ Ώ ] ρ ε ΐ τ α ς μετά Χαλκιδέων μηνός [Σκιροφο]ριώνος, vgl. Bengtson, Staatsverträge 328, Nr. 339), dem nach der Befreiung Euböas ein Bündnis zwischen Athen und Eretria (Bengtson, Staatsverträge 329 f., Nr. 340) und wohl eines zwischen Athen und Oreos folgten. Die Euböer bildeten ihrerseits nach der Befreiung der Insel ein eigenes συνέδριον des Euböischen Bundes mit Sitz in Chalkis (Bengtson, Staatsverträge 330 f., Nr. 342). Den Abschluß des Bündnisses zwischen Athen und Chalkis datiert A. Schäfer II2 423 in das J. 343/2, Beloch III l 2 , 552 und Wüst 111 in das J. 341. Die Argumente von Cawkwell, CQ 1963,210-213 u. Sealey 262-264 für die Rückkehr zur Datierung A. Schäfers (J. 342) schlagen nicht durch, da uns die Wortwahl bei Philoch. a.O. die Annahme einer kurzen, kaum mehr als ein paar Monate umfassenden Zeitspanne zwischen dem Abschluß des Bündnisses mit Chalkis und der Befreiung von Oreos nahelegt. Nun behauptet aber Aesch. 3,100 u. 103, daß Kallias nach dem Abschluß des Bündnisses auf der Peloponnes nach Bundesgenossen Ausschau gehalten habe, und nachher in Athen persönlich vor der εκκλησία erschienen sei; bei dieser Gelegenheit hätten die Athener auf Vorschlag des D. u. a. beschlossen, Gesandte nach Eretria zu schicken, um die Stadt zur Zahlung der σύνταξις in Höhe von fünf Talenten an Kallias (und nicht etwa an den Attischen Seebund) aufzufordern; D. habe seinen Vorschlag gemacht, weil er von Kleitarchos, dem Tyrannen von Eretria mit einem Talent bestochen worden sei. Eine gleichlautende Forderung sei auf Antrag des D. auch an die demokratisch regierte Stadt Oreos ergangen, die dafür an D. natürlich ebenfalls ein Talent gezahlt habe. Aus dieser elf Jahre später als Diabole gegen D. entstandenen Erzählung versuchte Cawkwell a.O. seine Argumente für eine frühere Datierung des Bündnisses zwischen Chalkis und Athen zusammenzutragen. Es ist aber sinnvoller Philoch. wörtlich zu nehmen und die Geschichte des Aesch. mit Vorsicht zu genießen. Einiges in ihr kann durchaus stimmen, z.B., daß Athen im Vorfeld oder während des Feldzuges gegen die Tyrannen von Oreos und Eretria, die beiden Städte aufgefordert hätte, die συντάξεις an den zu gründenden Euböischen Bund zu zahlen (um den mißtrauischen Euböern zu zeigen, daß die Athener auf ihre alten Ansprüche auf die Insel freiwillig verzichtet hätten), oder daß Kleitarchos, als es ihm klar wurde, daß Chalkis und Athen entschlossen waren gegen die Freunde Philipps auf Euböa während dessen Abwesenheit in Thrakien einzugreifen, versucht habe, mit Athen doch noch ins Gespräch zu kommen. All dies widerspricht aber dem von Philoch. nahegelegten Zeitrahmen nicht; was

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ihm widerspricht, ist vor allem das angeblich gute Einvernehmen zwischen Kleitarchos und D., das Cawkwell a. O. S. 211 für das J. 341 zu Recht für unvorstellbar hält. Es ist aber auch für das J. 342 kaum denkbar (gegen die Datierung Cawkwells vgl. Brunt 258f.; Wankel 452f. zu D. 18,79 u. Griffith 548 f.; später - Phoenix 32,1978,49-67, besonders 65 - spricht Cawkwell von zwei Bündnissen zwischen Athen und Chalkis, die in den Jahren 343/2 und 342/1 entstanden seien, von denen das erste durch ein kurzlebiges Bündnis Athens mit „den Euböern" ersetzt worden sei, dessen Mißlingen ein erneutes Bündnis zwischen Athen und Chalkis erforderlich gemacht habe - eine verwickelte und wenig ansprechende Hypothese). S. auch Einleitung, Anm. 101 f. - Das Präsens άντιλέγουσιν zeigt, daß zur Zeit der Abfassung unserer Rede das Bündnis zwischen Athen und Chalkis entweder noch nicht unter Dach und Fach, oder aber erst kurz zuvor abgeschlossen worden war. - Zum substantivierten Fragesatz vgl. Rehdantz, Ind. II 51, dessen Belege (D. 3, 2; 9,7 [interpoliert]; 37,46) Wankel 113 zu D. 18,1 bei den Rednern nur durch Beispiele aus echten Reden des Corp. Dem. ergänzen konnte (außer unserer Stelle noch durch 18,1. 178; 19,94; 20,99; 23,147. u. 148). Auch in einem der beiden Belege aus der Kranzrede (18,178) steht der substantivierte Interrogativsatz neben einem Substantiv (worauf Wankel 878 hinwies).

τινές δέ καθ' αυτούς αμύνεσθαι μάλλον ή μεθ' ημών έγνώκασιν: Das letzte der drei Glieder ist zugleich das längste (Gesetz der wachsenden Glieder). Auch inhaltlich vollzieht sich eine Steigerung, da die Widerstände der gefährdeten Griechen gegen ein Zusammengehen mit Athen als immer absurder und für die Athener entsprechend demütigender dargestellt werden. Am Ende aller drei Glieder steht ein Verbum und das leise Homoioteleuton ihrer Endungen betont den Parallelismus der Glieder, wobei die Tatsache, daß das Verbum συνεδρεύσουσιν das Prädikat eines Nebensatzes ist und nicht eines Hauptsatzes wie άντιλέγουσιν und έγνώκασιν, für die notwendige Variation sorgt, die verhindert, daß der Parallelismus der drei Glieder als gesucht erscheint. - Zu τινές δέ vgl. D. 9,2 τινές μέν ... ετεροι δέ. 56 τινές μέν ... τινές δέ u. 18, 44 τινάς δέ, sowie Schwyzer II 214 („Zweisilbige Formen [d.h. von τις/τί], die oft nicht enklitisch stehen können, treten seit Plato auch an den Anfang von Sätzen und Satzgliedern") und Kühner/ Blaß I 345 f. Zu Beispielen, in denen eines der Glieder der μέν- δέ- (δέ)- Korresponsion in veränderter Form erscheint, vgl. Kühner/ Gerth II 265, Anm. 2, allerdings ohne Belege mit ό μέν ... (ό δέ ...) τινές δέ. - Angespielt wird

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hier auf das von Philipp bedrohte Byzanz (vgl. unten zu § 68), wie aus einer von Weil ad loc. verglichenen Stelle der Chersonesitica (8,14) hervorgeht: οιεσθε τούς Β υ ζ α ν τ ί ο υ ς μενεΐν έπί της ά ν ο ι α ς της αυτής

ώσπερ νϋν και οϋτε παρακαλεΐν ν μας οντε βοηθέ ΐν αντοϊς άξιώσειν; εγώ μεν ουκ οΐομαι, αλλά και ει τισι μάλλον άπιστοΰσιν ή ήμΐν, και τούτους είσφρήσεσθαι μάλλον ή κείνω π α ρ α δ ώ σ ε ι ν την πόλιν. Weil weist freilich auch auf eine andere Stelle hin (D. 9,19 ουδέ δοκεΐ μοι περί Χερρονήσου νϋν σκοπεΐν ουδέ Βυζαντίου, αλλ' έπαμΰναι μέν τούτοις και διατηρήσαι μή τι πάθωσιν κτλ.), die daraufhindeute, daß die Unstimmigkeiten zwischen Athen und Byzanz inzwischen ausgeräumt worden seien. Man muß aber auch berücksichtigen, daß das Ende dieses durch starke παρρησία gekennzeichneten protreptischen Abschnitts einerseits hyperbolisch ist (der reale Hintergrund der Behauptung, daß etliche sich lieber alleine verteidigen würden als mit athenischer Hilfe, besteht vielleicht nur im Zögern der Byzantier - um Philipp nicht zu provozieren? - , mit Athen ein Verteidigungsbündnis abzuschließen) und demnach sein Inhalt nicht für bare Münze genommen werden darf, und daß andererseits das Bündnis zwischen Athen und Byzanz zur Zeit der Entstehung der 4. Philippika noch nicht abgeschlossen war und es somit zu diesem Zeitpunkt offene Fragen zwischen den beiden Städten noch durchaus geben konnte. Das Mißtrauen der Byzantier für Athen blieb übrigens auch nach Beginn der Belagerung ihrer Stadt durch Philipp lebendig, wie ihre Zurückweisung der Hilfstruppen des Chares zeigt; erst der als glaubwürdiger geltende Phokion durfte mit athenischen Einheiten in die Stadt, vgl. Plut. Phoc. 14,4-6 und die wohl auf dieses Ereignis zu beziehende Anspielung Isocr. 12,142 ώστε των πόλεων τάς εις τόν πόλεμον καθισταμένας ήδιον ά ν και θάττον ένίας είσδέξασθαι τούς πολιορκοΰντας ή την π α ρ ' ημών βοήθειαν. Solche für uns schwer zu deutende Anspielungen wie die drei in der Aufzählung an unserer Stelle nennt Weil in der „notice" seines Kommentars zur 4. Philippika S. 361 sehr treffend „les marques les plus certaines et comme le cachet meme de l'authenticite". - Zu κ α θ ' α υ τ ο ύ ς („allein") vgl. die Beispiele bei Rehdantz, Ind. II 93f. s.v. κ α τ ά und unten zu § 52. - Dem in den Hss. FAY überlieferten καί vor καθ' α υ τ ο ύ ς (om. S) ist kein Sinn abzugewinnen; seit Bekker wurde es zu Recht von keinem Herausgeber mehr in den Text gesetzt. - Zu άμύνεσθαι μετά τίνος vgl. D. 14,4 ηγούμαι ... τούς Έ λ λ η ν α ς ... χάριν μεγάλην εχειν τοις π ρ ό

αυτών καί μει? αυτών εκείνον άμυνομένοις. - υμών (FY) statt ημών (SA) ist vielleicht ein Emendationsversuch wegen der in §§ 7 - 1 0 durchgehend auftretenden zweiten Persons. - Zu γιγνώσκειν mit dem Infinitiv

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in der Bedeutung „sich entschließen" vgl. Kühner/ Gerth II 68,5, die aus den Rednern And. 2,10 u. Isocr. 17,16 zitieren. Bei D. vgl. 21,190 und dazu MacDowell 403, der noch prooem. 28,1 anführt. § 7 τοϋ χάριν δή ταΰτα λέγω και διεξέρχομαι; Nach den scharfen Vorwürfen an seine Mitbürger wegen ihres Unvermögens, den Ernst der politischen Lage richtig einzuschätzen und darauf angemessen zu reagieren, liefert D. in §§ 7-10 die Beispiele, die die politischen Erfolge Philipps als Ergebnis athenischer Tatenlosigkeit erscheinen lassen und dadurch die im Proömium präsentierte These, schuld an der schwierigen Lage sei die Passivität, mit der die Athener Philipp begegneten, bekräftigen. Daß der Redner in seiner Argumentation mit § 7 an einen neuen Punkt gelangt, markieren seit Bekker alle Herausgeber dadurch, daß sie mit der Frage τοϋ χάριν δή κτλ. im Druck ein neues Stück beginnen lassen. - Fragen und darauffolgende selbstgegebene Antworten bewirken nach den Rhetoren ευκρίνεια (vgl. ζ. B. Hermog. p. 239,7-11 Rabe) und sind somit besonders geeignet, den Übergang einzuleiten. Der Typus, bei dem der Redner nach dem Grund des Gesagten fragt und seine Antwort auf diese Frage in einem durch ινα eingeleiteten Satz erteilt, findet sich besonders in den echten Reden des Corp. Dem.: außer unserer Stelle vgl. noch 4,3 τίνος ούν ένεκα ταϋτα λέγω; iV είδήτ(ε) κτλ., 6,31sq. (zum nächsten Lemma ausgeschrieben) u. 19,25 τοϋ χάριν δή ταϋθ' υπέμνησα πρώτα νΰν υμάς και διεξήλθον τούτους τους λόγους; ενός μέν ..., ϊνα κτλ., von den übrigen Rednern Lys. 13,20 τοϋ δ' ένεκα ταϋτα λέγω ύμϊν; iV είδήτε κτλ., Aesch. 1,49 u. 67 (diese Beispiele bei Gebauer, Anh. zu Lys. 338 f., der auch für Stellen, an denen die Antworten eine andere syntaktische Struktur haben, zu vergleichen ist). Hervorzuheben ist die Bemerkung Gebauers a. O., daß die Frage in allen seinen Beispielen mit Ausnahme von Lys. 13,20 die Partikel δή oder ούν enthält. Von Gebauers Cicero-Beispielen zitiere ich nur p. red. ad Quir. 5 wegen der Partikel igitur und der durch intellegere possitis eingeleiteten Antwort: quorsum igitur haec disputo? quorsum? ut intellegere

possitis,

eqs. - Verbindungen, die aus Verben des Sagens bestehen, sind bei den Rednern sehr häufig, vgl. Rehdantz z. St. und Roschatt, Syn. Verbind. 7-9, die für die Verbindung λέγειν και διεξιέναι nur D. 20,163 u. 45,47 zitieren; vgl. aber außer unserer Stelle noch D. 24,12 u. [D.] 25,45; bei den übrigen Rednern ist diese Verbindung nicht belegt. In allen diesen Belegen erscheint das längere, spezifischere διεξιέναι an der zweiten Stelle hinter dem allgemeinen λέγειν.

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(ού γαρ άπεχθάνεσθαι, μά τον Δία και πάντας τους θεούς, προαιρούμαι): Zur Parenthese im allgemeinen vgl. oben zu § 6. Zum Typus zwischen Frage und Antwort zitiert Grünewald 223 nur D. 19,120. 279 u. 330. Vergleichbar ist auch D. 6,31 (unten ausgeschrieben), wo zwischen Frage und Antwort die Versicherung, die Wahrheit zu sagen, erscheint. - Bevor D. in dem durch ϊνα eingeleiteten Finalsatz die selbstgestellte Frage beantwortet und den Zweck seiner voraufgegangenen Darlegungen nennt, verneint er in der Parenthese einen unzutreffenden Grund für ebendiese Darlegungen. Diese Verfahrensweise erinnert an das σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν mit zwei Finalsätzen, s. unten zu § 10 und vgl. von Gebauers zum vorigen Lemma angeführten Beispielen D. 6,31 sq. (wo allerdings D. in der θέσις des Schemas den Finalsatz durch einen neuen Hauptsatz ersetzt): τί δή ταϋτα νϋνλέγω και καλεΐν φημί δεϊν τούτους; εγώ νή τούς θεούς τάληθή μετά παρρησίας έρώ πρός ύμάς και ούκ άποκρύψομαι - ούχ iV εις λοιδορίαν έμπεσών

έμαντω μεν εξ ίσου λόγον παρ' ύμΐν ποιήσω ...· άλλ' οιομαί ποθ' ύμας λυπήσειν, ά Φίλιππος πράττει, μάλλον ή τά νυνί. Die Verneinung des falschen Zweckes im ersten Finalsatz geschieht an einer Stelle der 3. olynthischen Rede (3,21) durch dieselbe Wendung wie an unserer (dort freilich nicht als selbstgegebene Antwort auf eine Frage; in der θέσις neuer Hauptsatz statt Finalsatz wie 6,32): και ταΰτ' ούχ IV άπέχθωμαί τισιν ύμών, την άλλως προήρημαι λέγειν (ού γάρ ούτως άφρων ούδ' άτυχης είμ' έγώ, ώστ' άπεχθάνεσθαι βούλεσθαι μηδέν ώφελεΐν νομίζων)· άλλά δικαίου πολίτου κρίνω την των πραγμάτων σωτηρίαν ... αιρεΐσθαι κτλ. Die Parenthese an unserer Stelle dient, wie die negierten ϊνα-Sätze der obigen Beispiele, der Hervorhebung des Nachfolgenden und zugleich der Diorthose, indem das ήθος des Redners unterstrichen wird (er sei ja nicht jemand, der aus Jux und Dollerei Streit suche; ihm schwebe vielmehr stets das Beste der Stadt vor Augen, wenn er unangenehme Wahrheiten ausspreche). - Daß D. schon in der 3. olynthischen Rede dieselbe Wendung gebraucht hat, die er an unserer Stelle (in wesentlich konziserer Form) wiederholt, berechtigt nicht zur Annahme (vgl. die Notiz von Dobree 32 „άπεχθάνεσθαι ex Ol. III. p. 34,11"), daß sie aus jener Rede „übernommen" worden wäre: Auch 6,31 sq. begegnet uns ja dasselbe Argumentationsmuster (Verneinung eines falschen Zweckes oder Grundes vor der Nennung des richtigen; Wendungen, die besagen, daß der Redner sich selber nicht schaden will), und Versicherungen wie ού βούλομαι άπεχθάνεσθαι, φεύγω τάς άπεχθείας u.ä. finden sich bei den Rednern mehrmals, vgl. z.B. [D.] 58,59; Aesch. 1,158. 165; 2,105. Für das prodiorthotische μή μ ο ι ά χ θ ε σ θ ε υ ^ .

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vgl. unten zu § 54. - Die Sperrung ού ... π ρ ο α ι ρ ο ύ μ α ι erklärt sich aus dem Bestreben, das Kernwort ά π ε χ θ ά ν ε σ θ α ι an den Anfang des Satzes zu stellen und es durch die Schwurformel zu betonen. - Die Schwurformel betont ironisch die Absurdität der gegenteiligen Annahme (zwei Beispiele des ironischen νή Δία werden von Wankel 352 zu D. 18,51 zitiert: D. 8,7 u. Lyc. 140). Die erweiterte Schwurformel μά/ νή τον Δία και (πάντας τους bzw. τους άλλους) θεούς ist außerhalb des Corp. Dem. nur [Aesch.] epist. 11,6 belegt; bezüglich des Artikels schwanken die Hss. an fast allen Stellen, an denen π ά ν τ α ς vorkommt, vgl. Kühnlein 36 f. mit allen Belegen, Rehdantz, Ind. II 132 f. und Wankel 703 f. zu D. 18,129; da in dieser Hinsicht ein einheitlicher Gebrauch kaum festzustellen ist, sind an unserer Stelle die meisten Herausgeber (mit Ausnahme von Dindorf, Blaß, Weil und Butcher) zu Recht der besseren Überlieferung gefolgt und haben den Artikel (er fehlt nur in A) beibehalten. Für weitere Schwurformeln in dieser Rede vgl. unten zu §§ 11. 17. 20. 25. 27. 50 u. 73. Wie Kühnlein 67f. feststellt, gibt es unter den acht Schwurformeln der 4. Philippika keine, die undemosthenisch wäre.

ϊν' ύμών έκαστος, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, τούτο γνφ και είδη: Die Partikel αλλά vor der Konjunktion ινα in den Hss. FAY (om. S; Stob. 4,1,69 [= II 23,2 Wachsmuth-Hense] beginnt das Zitat erst mit ϊνα) ist wohl eine Emendation, vorgenommen von jemandem, der mit dem oben (vgl. das vorige Lemma) besprochenen Schema κατ' άρσιν καί θέσιν mit zwei Finalsätzen vielleicht vertraut war und dem der parenthetische Charakter des Satzes ού ... προαιρούμαι entgangen war (die Parenthese wurde auch in den modernen Ausgaben nur von Vömel 1857, Fuhr, Croiset und Canfora markiert), αλλά wurde seit Bekker 1824 nur noch von Dobson in den Text aufgenommen. (Das Einfügen von Wörtern zur Erleichterung des Verständnisses ist übrigens für FAY kennzeichnend, vgl. oben zu § 3 οί δ' άκηκοότες sowie Bühler 61-65 u. 76.) - Für den Vorverweis mit τούτο bei einer Verbindung von Verben des Erkennens und Wissens vgl. ζ. B. D. 19,30 τούτο δή δει σκοπεΐν καί όραν, εί κτλ. (bei einem einzigen Verbum vgl. unten § 11 τούτο ... γνώναι, οτι κτλ.). Für die Verbindung der beiden Verben vgl. D. 8,46 und unten § 17 sowie Aesch. 1,18, wo freilich γ ν φ in den Hss. gf und im Pap. fehlt (s. die Teubneriana von Dilts ad loc.) und wahrscheinlich eine Interpolation ist; für andere Verbindungen von Verben des Erkennens und Wissens s. Rehdantz z. St. und Ind. 114, der auch frühe Belege aus der Odyssee zitiert, und Roschatt, Syn. Verbind. 6f., der feststellt, daß Verbindungen von solchen Verben bei den anderen Rednern vor Lyc. nicht belegt sind, daß

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sie aber bei D. häufig vorkommen (in den erwähnten Beispielsammlungen sind die Belege aus den unechten Reden des Corp. Dem. selten). gcorr. u n c j Α sowie Stob. a. O. überliefern das zweite Verbum der Verbindung in der Form είδη, die übrigen maßgeblichen Hss. als ιδη. Die Verschreibung der beiden Verbformen ist wegen des Itazismus häufig, wobei besonders die Hs. S Lesarten mit ίδ- enthält (vgl. z. B.D. 18,118; 19,254; 24,27 u. 41,28). In Finalsätzen, in denen der Redner erklärt, weswegen er etwas gesagt hat oder sagen wird, ist aber der Stamm είδstets besser belegt, vgl. Wankel 631 zu D. 18,118 und 819 zu 18,156. G. H. Schaefer, Dindorf, Weil, Butcher und Croiset haben demnach an unserer Stelle zu Recht elöfj vorgeschlagen bzw. in ihren Ausgaben in den Text aufgenommen. - Die Anrede hebt durch ihre Stellung vor allem das nachfolgende χοϋχο hervor. Für Beispiele, in denen der „Nachdruck auf dem Element hinter dem Vokativ" liegt, vgl. Fraenkel 34-36. i m ή καθ' ήμέραν ραστώνη και ρςιθυμία ώσπερ τοις ιδίοις βίοις οϋτω και ταϊς πόλεσιν ουκ έφ' έκαστου των άμελουμένων ποιεί την αΐσθησιν ευθέως, αλλ' επί τω κεφαλαίω των πραγμάτων άπαντψ. Zum Gedanken verglich Η. Wolf ζ. St. Isocr. 3,48 μηδενός ολιγωρείτε ... των προστεταγμένων ύπολαμβάνοντες, ως ού παρά τοϋτ' εστίν, αλλ' ώς παρ' έκαστον των μερών ή καλώς ή κακώς τό σύμπαν έξον, ούτω σπουδάζετε περί αυτών und Dobree 32 D. 19,228 ή ... έφ' έκάστου ... αμαρτία κατά μικρόν ύπορρέουσα αθρόος τη πόλει βλάβη γίγνεται. - Die Gnome, die anschließend durch eine Beispielreihe illustriert wird, besteht aus einem Schema κατ' άρσιν και θέσιν, wobei die entgegengesetzten Begriffe έφ' έκάστου und έπί τώ κεφαλαίω parallel am Anfang der άρσις bzw. der θέσις stehen; dem Prinzip der Variation wird durch die Einführung eines neuen Prädikates (άπαντα) Genüge getan. Zur Gnome bei den Rednern vgl. Wankel 328 f. zu D. 18,47 mit Literatur. Für Stellen, an denen eine Gnome eine Beispielreihe einleitet, vgl. Framm 49; unter seinen Belegen besonders hervorzuheben ist D. 3,21 (oben zu ού γάρ άπεχθάνεσθαι κτλ. ausgeschrieben), das unserer Stelle auch sonst ähnelt. - Attributives καθ' ήμέραν kommt im Corp. Dem. an vier weiteren Stellen vor, dreimal davon in einem ähnlich pejorativen Zusammenhang wie hier: D. 2,18 την καθ' ήμέραν άκρασίαν τοΰ βίου και μέθην, 18,45 τη καθ' ήμέραν ξ>αστώνη και σχολή. 210 τοΰ καθ' ήμέραν βίου u. [D.] 13,20 της καθ' ήμέραν Ραθυμίας. Das Substantiv ραστώνη findet sich bei den Rednern achtmal im Corp. Dem. und je zweimal bei Lys. und Isocr., bei letzteren immer in der Bedeutung „Erleichterung". Verbunden mit ραθυμία

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wird es nur hier, obwohl die Paronomasie bei derartigen Verbindungen sonst nicht gescheut wird, vgl. z.B.D. 18,41 συνεργός και συναγωνιστής. 291 κατηγορηκότος αύτοΰ κ α ί κ α τ ε ψ ε υ σ μ έ ν ο υ . 324 έξώλεις και προώλεις·. Andere Verbindungen, die Unentschlossenheit und Faulheit bezeichnen s.bei Roschatt, Syn. Verbind. 26 mit Anm. 3. Das Substantiv ραθυμία erscheint in der 4. Philippika noch in §§ 25 u. 71, das Verbum ραθυμεΐν in § 29, überall, wie an unserer Stelle, mit Bezug auf Athen; den Vorwurf der ραθυμία angesichts der von Philipp drohenden Gefahren erhebt D. auch sonst gegen seine Mitbürger, vgl. ζ. Β. 1,15; 4,8; 8,32. 34; 9,5; 19,87 (vgl. auch [D.] 11,21 sq.; 13,20). Weitere Beispiele für den Gebrauch des Substantivs ραθυμία und dessen Wortfamilie bei den Rednern s.bei Rehdantz, Ind. II 132 j. ν. - κάν, das in Α vor ταΐς πόλεσιν steht, wurde, obwohl es auch in einem namentlichen Zitat von Isid. Pel. epist. 5,17 überliefert ist, von den Herausgebern seit Bekker zu Recht nicht mehr in den Text aufgenommen, weil (abgesehen davon, daß der bloße Dativ handschriftlich besser bezeugt ist) wegen des voraufgehenden τοις ιδίοις βίοις auch ταΐς πόλεσιν notwendigerweise ein dativus incommodi sein muß. - Für den Vergleich von öffentlichen Angelegenheiten mit „Vorgängen aus dem Privatleben" vgl. die drei von Roschatt, Metaphern 46 zitierten Stellen bei Isocr. (5,38; 7,26 u. 12,39); ebenso noch z.B. Hyp. 4 fr. 10,5-11. - Die Wendung (την) αι'σθησιν ποιεΐν kommt bei den Rednern sonst nur an einer einzigen Stelle, Ant. 5,44, vor. Dies berechtigt uns aber nicht, die Wendung mit Milns 298 Anm. 41 für undemosthenisch zu erklären. Zu αι'σθησιν vgl. die Bemerkung Reiskes z. St.: „seil, της άμελείας vel potius της ζημίας". - Die Hss. SA enthalten die Lesarten εκάστου, FY und das Zitat bei Isid. Pel. epist. 5,17 dagegen άφ εκάστου. Erstere wurde von den Herausgebern zu Recht bevorzugt, weil - wie Rehdantz, Ind. II 75 feststellt - „bei den Verbis ,zeigen, wahrnehmen, beurteilen'... der Gegenstand worauf sich die Wahrnehmung oder das Urteil stützt, regelmäßig durch επί mit dem Gen. gegeben (wird)". Die zahlreichen Beispiele bei Rehdantz können sogar noch ergänzt werden, z. B. durch D. 21,54 τοις εφ εκάστης μαντείας προφαινομένοις θεοΐς u. 83 θ ε ω ρ ε ΐ τ ' έ φ εκάστου την ΰβριν ... αύτοΰ. - Die Form ευθέως steht in unserer Rede noch in §§ 11 (-ύς A). 44 u. 55, ευθύς in 55 u. 75 (αύτούς S). D. hat offensichtlich beide Formen benutzt, vgl. Wankel 1211 zu D. 18,284. - Das Verbum ά π α ν τ α regiert έπί mit dem Dativ auch noch D. 21,205 (επί τοις άλλοτρίοις άγώσιν ά π α ν τ α ) u. Lyc. 47 (τοις πολεμίοις άπήντησαν έπί τοις όρίοις της Βοιωτίας); ein abstraktes Subjekt hat es auch D. 19,226 (σκότος); 24,38 (ό νόμος); Aesch. 1,83 (θόρυβος). 164 (κραυγή) u.

Kommentar § § 7 - 8

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3, 53 (τό δοκεϊν). - Die Periode endet mit einem akatalektischen daktylischen Trimeter auf den ein katalektischer jambischer Trimeter folgt u u —u u | u —u ); da es sich hier um eine gnomische Aussage handelt, ist das wohl kein Zufall (für eine jambische Gnome in der Kranzrede vgl. Wankel 1171 f. zu D. 18,269).

§ 8 όρατε Σέρριον και Δορίσκον (ταϋτα γαρ πρώτον ώλιγωρήθη μετά την ειρήνην): Mit ό ρ α τ ε beginnt die Beispielreihe, die beweisen soll, daß die zuvor gemachte allgemeingültige Aussage auch im Falle Athens zutrifft: Die wiederholt träge Reaktion der Athener auf Übergriffe Philipps habe zu immer neuen Gewaltakten des Makedonenkönigs geführt und die Bedrohung Athens, unerheblich am Anfang, habe ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Die Beispielreihe wird vom Verbum ό ρ α τ ε eingeleitet, das nach Rehdantz und Weil z. St. (vgl. auch die Übersetzungen von Croiset und Canfora) ein Imperativ, nach dem Index Dem. von Preuß s. ν. ο ρ ώ hingegen ein Indikativ ist. Der Sprachgebrauch der Redner gestattet beide Modi, vgl. einerseits D. 36,50, wo ein asyndetisch am Satzanfang stehendes ό ρ α ς wie an unserer Stelle ein konkretes Beispiel einführt (όρας τ ό ν Ά ρ ι σ τ ό λ ο χ ο ν τ ο ν Χ α ρ ί δ η μ ο υ κτλ.), und Aesch. 1,74, wo ό ρ α τ ε wahrscheinlich ebenfalls ein Indikativ ist (όρατε τ ο υ τ ο υ σ ί τ ο υ ς επί τ ω ν ο ι κ η μ ά τ ω ν κ α θ ή μ ε ν ο υ ς κτλ.). Din. 1,105 όρατ', ώ ' Α θ η ν α ί ο ι , τί μέλλετε π ο ι ε ΐ ν ist ό ρ α τ ' hingegen Imperativ; D. 14,25 ό ρ α τ ε την πόλιν, ώ ά ν δ ρ ε ς ' Α θ η ν α ί ο ι , π α σ α ν τ α ΰ τ η ν läßt sich der Modus von ό ρ α τ ε kaum feststellen. An unserer Stelle freilich spricht der Inhalt des Relativsatzes für den Imperativ: Der Redner kann nämlich kaum gesagt haben „ihr seht ja Serrhion und Doriskos, Orte, die vielen von euch vielleicht gar nicht bekannt sind" (vgl. zum nächsten Lemma). Besonders hervorzuheben in allen diesen Beispielen ist der asyndetische Anschluß, vgl. unten. Für Beispiele mit videte, recordamini und cognoscite bei Cicero vgl. Rehdantz z. St. - Um die Gefährlichkeit Philipps zu unterstreichen, bediente sich D. schon in der 1. Olynthiaca einer beeindruckenden Aufzählung seiner Eroberungen (1,12sq.); ähnliche Aufzählungen finden sich z.B. auch 9 , 1 5 - 1 7 . 26sq. 32sq. (z.T. interpoliert); 18,69-71 u. 19,334; vgl. auch unten § 65 (= 8,64). - Die beiden in der Nähe der Hebrosmündung gelegenen Forts, Serrhion (auf Kap Makri, genaue Lage unbekannt; von Σερρεΐον τείχος, von dem D. 9,15 u. [D.] 7,37 die Rede ist, zu unterscheiden, vgl. B.D. Meritt/ Η. T. Wade-Gery/ M. F. McGregor, The Athenian Tribute Lists I, Cambridge, Massachusetts, 1939,518 s.v. Μ α ρ ω ν ΐ τ α ι und 545 s.v. Σεριοτειχΐται) und Doriskos (das spätere Traianopolis?), die schon zur

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Zeit der Perserkriege eine strategische Rolle spielten (vgl. Herod. 7 , 5 8 , 3 - 7 , 5 9 , 3 ) , erwähnt D. mehrmals, Doriskos schon in der Gesandtschaftsrede (19,156 u. 334), Serrhion 18,27 und die beiden Orte zusammen 8,64 (= 10,65); 9,15 u. 18,70. Philipp eroberte sie während seines kurzen Thrakienfeldzuges, den er nach der Abreise der ersten athenischen Gesandtschaft aus Makedonien etwa im März des J. 346 begonnen hatte (für den Zeitpunkt des Feldzuges vgl. Aesch. 2,82 und A. Schäfer II2 178). D. behauptet sowohl von Serrhion (18,27) als auch von Doriskos (19,155 sq.), daß sie hätten gerettet werden können, wenn die zweite athenische Gesandtschaft, statt in Pella auf Philipp zu warten, gleich nach Thrakien gereist wäre, um den Eidschwur des Königs auf den soeben geschlossenen Friedensvertrag unverzüglich entgegenzunehmen. Dies trifft aber nicht einmal für Hieron Oros zu, vgl. unten zu Θ ρ ά κ η ν και Κερσοβλέπτην. Daß die beiden Forts gar μετά την είρήνην eingenommen worden wären, wie das in der Parenthese behauptet wird (ähnlich D. 19,156 έν ειρήνη και σπονδαίς ηρει και διωκεΐθ' ό Φίλιππος. [D.] 7,36 sq. έν τη ειρήνη. D. 9,15 άρτι της ειρήνης γεγονυίας), ist erst recht eine Übertreibung, da der Frieden von den Athenern am 19. Elaphebolion (April) des J. 346 (Aesch. 2,61; 3,68), von Philipp aber erst um den 23. Thargelion (Juni) ratifiziert wurde (D. 19,155, vgl. A. Schäfer I 2 250 Anm. 3) und die Forts noch vor der am 24. Elaphebolion erfolgten Kapitulation des Kersobleptes (Aesch. 2,90) gefallen waren (zur Zuverlässigkeit der relativen Chronologie in §§ 8 sq. vgl. unten zu Πορθμόν). Vgl. aber auch unten zu § 65 (= 8,64), wo der Zeitpunkt für die Eroberung der Forts mit den Worten έν α ΰ τ ω τω την είρήνην ποιήσασθαι korrekt angegeben wird. Aus der Formulierung D. 9,15 Σέρριον και Δορίσκον έλάμβανεν και τους εκ Σερρείου τείχους και Ί ε ρ ο υ όρους στρατιώτας έξέβαλλεν, ους ό υμέτερος στρατηγός κατέστησεν ist zu schließen, daß in Serrhion und Doriskos, im Gegensatz zu Serrheion Teichos und Hieron Oros wahrscheinlich keine athenischen Truppen anwesend waren (nach D. 18,27 war zwar Serrhion vor der Eroberung durch Philipp im J. 346 zusammen mit Myrtenon und Ergiske in der Hand von verbündeten Thrakern; da aber die beiden letztgenannten Ortschaften an der Propontis-Küste lagen, meint D. mit Serrhion dort vielleicht das ebenfalls an der Propontis gelegene Σερρεΐον τείχος). Serrhion gehörte jedoch historisch zur Samothrakischen Peraea und Samothrake seinerseits war Mitglied im Seebund (IG II2 1,43 Β 8, vgl. Beloch III 2 2 , 157). Philipp hatte zwar der nach Athen zurückkehrenden ersten athenischen Gesandtschaft nur für die Chersones eine Bestandsgarantie gegeben (Aesch. 2,82), seine Eroberung einer Ortschaft

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in der Samothrakischen Peraea noch während der Ratifizierung des Friedensvertrages, konnte aber in Athen - nicht ganz zu Unrecht - als unfreundlicher Akt ausgelegt werden. Über den Status des zur Sicherung eines Hebros-Überganges errichteten τείχος Doriskos vor der Eroberung durch Philipp wird hingegen nichts überliefert; es gehörte wohl nicht zur Samothrakischen Peraea. Serrhion und Doriskos werden noch Liv. 31,16,5 (bezogen auf das J. 200) als caste IIa erwähnt. Mehr über die beiden Forts s.bei Wankel 253 zu D. 18,27; Isaac 126-140 (131 f. u. 137-140); Harris, Aeschines 165. - Zur erklärenden Parenthese bei den Rednern (die an unserer Stelle unter den Herausgebern zuerst von Fuhr und dann nur von Canfora markiert wurde) vgl. oben zu § 6. Grünewald 228 zitiert als Beispiele für eine Parenthese zwischen Haupt- und Relativsatz nur D. 18,197; 21,4 u. 23, 153. - D. gebraucht das Verbum ό λ ι γ ω ρ ε ΐ ν von der Unterschätzung politischer Herausforderungen durch die Athener auch 1,18; 4,3; 8,77; 15,24 u. unten in § 9; durch andere 18,80. Zur Periphrase ό λ ι γ ώ ρ ω ς έχειν vgl. zu § 69. - Die mit ό ρ ά τ ε beginnende Beispielreihe wird an das vorher Gesagte asyndetisch angeschlossen, was bei Sätzen, die, wie der unsrige, eine voraufgehende Aussage erklären oder illustrieren, nicht ungewöhnlich ist, vgl. die Beispiele oben am Anfang des Komm, zu diesem Lemma; zum asyndeton explicativum s. auch Rehdantz, Ind. I 10 und Denniston, Prose Style 122. Auch die meisten Beispiele der Reihe werden in §§ 8 - 1 0 asyndetisch aneinander angeschlossen; für die Häufung der Asyndeta in einer längeren, schlichten Argumentation bzw. Erzählung mit meist kurzen Hauptsätzen vgl. z . B . D . 1,12 sq. (Aufzählung der Eroberungen Philipps wie an unserer Stelle); 3,7 sowie unten zu § 12 ([= 6,17]; diese Stellen bei Rehdantz a. O. und Denniston, Prose Style 117 [„accumulated asyndeta in narrative"]).

α πολλοίς υμών ουδέ γνώριμα έστιν ίσως: Zum geringen Bekanntheitsgrad von Serrhion und Doriskos vgl. D. 9,16 και μηδείς ει'πη· ,,τί δέ τ α ϋ τ ' εστίν;" ή ,,τί τ ο ύ τ ω ν μέλει τη πόλει;" εί μεν γ ά ρ μικρά τ α ΰ τ ' ή μηδέν ύ μ ΐ ν α υ τ ώ ν έμελεν, άλλος ά ν εϊη λ ό γ ο ς ο ύ τ ο ς κτλ. und die ironische Behauptung des Aesch. 3,82 ο ΰ τ ό ς έστιν, ω ά ν δ ρ ε ς ' Α θ η ν α ί ο ι , ό π ρ ώ τ ο ς έ ξ ε υ ρ ώ ν Σέρριον τείχος και Δ ο ρ ί σ κ ο ν και Έ ρ γ ί σ κ η ν και Μ υ ρ τ ί σ κ η ν καί Γ ά ν ο ς και Γ α ν ι ά δ α , χ ω ρ ί α , ων ο υ δ έ τ ά ο ν ό μ α τ α ηδεμεν π ρ ό τ ε ρ ο ν (D. 18,27 reagiert darauf mit den Worten τ α ϋ τ α τ ά χωρί', ά ν ϋ ν ο ύ τ ο ς διέσυρε). Aus der Hypophora an der soeben zitierten Stelle der 3. Philippika geht hervor, daß die politischen Gegner des D. mit der Unbedeutendheit dieser Orte nicht erst zur Zeit des Kranzprozes-

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ses, sondern schon Ende der vierziger Jahre argumentieren konnten (was sie vermutlich auch taten). Man braucht daher nicht mit Milns 300 annehmen, daß der Relativsatz ά πολλοίς ... ϊσως ein Echo von Aesch. 3,82 sei. An unserer Stelle paßt der Hinweis auf den geringen Bekanntheitsgrad der beiden Orte gut in das Argumentationsschema des Redners, wie Weil ad loc. feststellt (D. „veut faire voir que la negligence, quand meme eile porte sur des objets tres-petits en apparence, peut entrainer les consequences les plus graves"). - ι'σως steht bei den Rednern am Satzende nur noch D. 1,7 (zugleich am Ende eines ganzen Satzgefüges wie an unserer Stelle) und Lys. 19, 60. ταΰτα μέντοι τότε έαθέντα και παροφθέντα: Die Partikel μέντοι ist progressiv' und kündigt einen neuen Punkt in der Aufzählung an; sie folgt in dieser Bedeutung, wie an unserer Stelle, häufig einem rückweisenden demonstrativen Pronomen, vgl. Denniston, Particles 407 (der das progressive μέντοι übersetzt: „Well, that is what ..."). - Das Adverb τότε fehlt in der Hs. S1 und wurde von Bekker fortgelassen, dann aber von Vömel 1857, Rehdantz, Weil, Fuhr, Butcher und Canfora wieder in den Text aufgenommen, zu Recht, da sein Fehlen in S1 wahrscheinlich auf Versehen (Haplographie nach ΜΕΝΤΟΙ) beruht. - Das rückverweisende ταΰτα steht am Anfang des Satzes wie schon in der vorausgehenden Parenthese; diese Anapher wird in den folgenden Sätzen fortgesetzt (πάλιν ταΰτ' und ταύτης όλιγωρουμένης; vgl. auch ουδέν έφροντίσατε ούδ' έπεστράφητε ουδέν τούτων mit τούτων am Satzende), um den Zusammenhang zwischen dem jeweils vorausgehenden Beispiel athenischer Fahrlässigkeit und dem prompt darauf folgenden erneuten Übergriff des Makedonenkönigs hervorzukehren. - Das zweite Verbum in der Verbindung έαθέντα και παροφθέντα klingt kritischer, da in ihm der Vorwurf der Nachlässigkeit stärker präsent ist als in έαν (.geschehen lassen'). Miteinander verbunden werden die beiden Verben bei den Rednern sonst nirgendwo, vgl. aber D. 18,161 τό τόν Φίλιππον έαν αύξάνεσθαι παρορώντας κτλ.

απώλεσε Θράκην και Κερσοβλέπτην, σύμμαχον ονθ' υμών: Der Odrysenkönig Kersobleptes, dessen Name in der Inschrift IG II 2 126 aus dem J. 357/6 durchgehend (in den Zeilen 10. 18. 20) als Κερσεβλέπτης erscheint, war vielleicht schon seit dem Thrakienfeldzug Philipps im J. 352/1 dessen Vasall (Aesch. 2,81 είδον ... όμηρεύοντα τόν υίόν τόν Κερσοβλέπτου π α ρ ά Φιλίππψ wird von Α. Schäfer II2 242 u. Griffith 283 wohl zu Recht auf die Zeit der ersten Gesandtschaft, d.h. einen Zeit-

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punkt vor Philipps Thrakienfeldzug im J. 346 bezogen - so scheint zumindest Aesch. seine Aussage verstanden wissen zu wollen [anders Beloch III l 2 , 505 f. mit Anm. 1]). Er geriet aber später, vielleicht im J. 347 (vgl. U. Kahrstedt, RE XI 1,1921, Sp. 329), mit diesem wieder in Konflikt und wurde am 23. Elaphebolion (im April) des J. 346 (vgl. Aesch. 2,90) auf dem Hieron Oros zur Kapitulation gezwungen. Aus unserer Stelle, Aesch. 2,9 (έκβεβληκέναι ... της α ρ χ ή ς Κερσοβλέπτη ν), 90 (οτι Κερσοβλέπτης άπολώλεκε την αρχήν), 92 (απώλεσε την αρχήν [d.h. Kersobleptes] ..., άπωλώλει) u. Isocr. 5,21 ( ά π ά σ η ς ... της Θράκης, ους ήβουλήθη δέσποτας κατέστησεν [d.h. Philipp]) würde man schließen, Kersobleptes habe damit seine Herrschaft gänzlich eingebüßt. Diod. 16,71,1 sagt aber bezogen auf das J. 343, daß Κερσοβλέπτης ... ό βασιλεύς τ ω ν Θ ρ α κ ώ ν διετέλει τ ά ς έφ' Έ λ λ η σ π ό ν τ ω πόλεις όμορούσας τη Θ ρ ά κ η καταστρεφόμενος και την χ ώ ρ α ν καταφθείρων, womit er den erneuten Feldzug Philipps im J. 342/1 begründet (vgl. unten zu § 15 τών ... έν Θ ρ ά κ η κακών). Philipp selbst verwahrt sich in seinem Brief aus dem J. 340 ([D.] 12,8-10) gegen die Forderung der Athener, die vertriebenen Könige Kersobleptes und Teres in ihre Rechte zurückkehren zu lassen. Das Zeugnis Diodors läßt sich mit dem des D., Aesch., Isocr. und Philipp am besten in Einklang bringen, wenn man annimmt, daß es Kersobleptes trotz seiner Kapitulation auf dem Hieron Oros gelang, weiterhin (mit Philipps Zustimmung oder Duldung?) unter gewissen, uns unbekannten Bedingungen über Teile seines ehemaligen Reiches zu herrschen. Später dürfte er versucht haben, seine Herrschaft gegen den Willen Philipps wieder zu erweitern, was diesem wohl den Grund (oder Vorwand) zum erneuten Thrakienfeldzug des J. 342/1 geliefert hat. Thrakien, bzw. dessen küstennaher, aus athenischer Sicht besonders wichtiger Teil, war aber, wie die obigen Stellen zeigen, schon im J. 346 in eine starke Abhängigkeit von Philipp geraten. - Daß Kersobleptes Athens Bundesgenosse gewesen sei, behaupten D. und Aesch. wiederholt, und zwar in seltener Einmütigkeit, vgl. D. 18,27 τών Θ ρ α κ ώ ν , τών υμετέρων συμμάχων, Aesch. 2,9 ά ν δ ρ α φίλον και σύμμαχον της πόλεως, 3,61 (ähnlich; angesichts dieser Parallelen scheint der Verdacht von Dobree 32, daß die Apposition σύμμαχον övO' υμών an unserer Stelle aus D. 9,34 και ν ΰ ν επί Βυζαντίους πορεύεται συμμάχους όντας „inepte intrusa" sei, unberechtigt). Cargill, 2. Ath. League 91 widerspricht deshalb wohl zu Recht der seit W. Härtel, Demosthenische Studien II, Wien 1878,103-107 herrschenden opinio communis, die die Existenz eines Bündnisses zwischen Athen und dem Odrysenkönig bestreitet. Auch die Präsenz athenischer

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Truppen (gewiß Söldner) auf dem Hieron Oros und im Serrheion Teichos (vgl. D. 9,15, oben zu Σέρριον και Δ ο ρ ί σ κ ο ν ausgeschrieben) unterstützen das Zeugnis des D. und des Aesch. Aus den Worten des letzteren (Aesch. 2,83) geht zwar deutlich hervor, daß Kersobleptes nicht Mitglied der athenischen συμμαχία gewesen ist. Sein Versuch, im letzten Augenblick dort aufgenommen zu werden (Aesch. 2, 83 sq.), läßt aber vermuten, daß er seinen Anspruch, den Frieden zusammen mit den Bundesgenossen Athens ratifizieren zu dürfen, auf einen Vertrag mit Athen stützen konnte. Laut Aesch. 2 , 8 3 - 8 6 erlaubte die εκκλησία seinem Bevollmächtigten denn auch, am Eidschwur der σ υ μ μ α χ ί α teilzunehmen; um dies zu verhindern, so erzählt Aesch. 3,74, ließ Philokrates hinterlistig die εκκλησία beschließen, daß der Eid an die Gesandten Philipps durch die σ ύ ν ε δ ρ ο ι der Bundesgenossen geleistet werden sollte; da nun der Bevollmächtigte des Kersobleptes, Kritobulos von Lampsakos, kein σ ύ ν ε δ ρ ο ς war, wurde er nicht zur Ratifizierung des Friedensvertrages im σ τ ρ α τ η γ ε ΐ ο ν vorgelassen (vgl. auch den Brief Philipps [D.] 12,8). Das Verlangen des Kritobulos, im Namen des Kersobleptes beim Eidschwur dabei zu sein, fand also offensichtlich die Unterstützung der öffentlichen Meinung in Athen. Die politischen Führer der Stadt (Strategen und Gesandte, darunter Philokrates und wohl auch D. und Aesch.) hintertrieben aber dieses Ansinnen, da ihnen bewußt war, daß Philipp nicht bereit war, mit dem Odrysenkönig aufgrund des status quo Frieden zu schließen, und daß Athen nicht die Mittel hatte, seinen thrakischen Verbündeten zu retten. Die Athener verlangten aber später von Philipp, den Friedensvertrag auch mit Kersobleptes zu ratifizieren (D. 19,181), und protestierten durch den Gesandten Eukleides gegen das Vorgehen des Makedonenkönigs in Thrakien (Schol. in D. 19,162; vgl. auch [D.] 12,8; A. Schäfer II 2 347 Anm. 2; Wüst 46). Angesichts der in Athen vorherrschenden Stimmung wollte natürlich während des Gesandtschaftsprozesses weder D. noch Aesch. für die Abweisung des Kersobleptes verantwortlich gewesen sein. Deshalb schoben sie sich die Schuld dafür gegenseitig zu, vgl. D. 19,174; Aesch. 2 , 8 4 - 8 6 . 93; 3,73 sq.; zur ganzen Angelegenheit vgl. A. Schäfer II 2 242-245. Obwohl Philipp durch sein Vorgehen gegen Kersobleptes das bis zur Ratifizierung des Friedensvertrages gültige Stillhalteabkommen, das sich laut Aesch. (2,82) nur auf die thrakische Chersones bezog, formal nicht verletzt hatte, und obwohl Athen seinerseits nicht bereit gewesen war auf der Einbeziehung von Kersobleptes in den Vertrag zu bestehen und dadurch den Frieden zu gefährden, belastete Philipps Thrakienfeldzug (wohl auch die damit verbundene, für Athen demütigende Vertreibung seiner an einigen thraki-

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sehen Orten anwesenden Truppen) den Ausgleich der beiden Mächte, vgl. z . B . D . 9 , 1 5 s q . 26; 18,32; 19,156. 179sq. 219; [D.] 7,37; 11,1; s. auch unten § 65 (= 8, 64). D. behauptet im Gesandtschaftsprozeß (19,155 sq.), daß die Niederlage des Kersobleptes vermeidbar gewesen wäre, wenn die zweite athenische Gesandtschaft direkt zu Philipp nach Thrakien gereist wäre statt in Pella auf die Rückkehr des Königs zu warten. Die athenischen Gesandten hätten aber Philipp unmöglich noch vor der Kapitulation des Kersobleptes am 23. Elaphebolion erreichen können (der Friedensvertrag wurde ja erst am 19. von den Athenern ratifiziert), und überhaupt war der Odrysenkönig für Athen nicht mehr zu retten, da die Stadt in der Region einfach keine hinreichend große Streitmacht zur Verfügung hatte. Das einzige, das die Athener noch tun konnten, war zu protestieren und auf die Kulanz Philipps zu hoffen. Die Lösung des Konfliktes zwischen Philipp und Kersobleptes mißfiel ihnen letztlich auch zu Recht, erlangte doch Philipp dank seines Sieges die Möglichkeit, auf die Chersones und die Meerengen, die für Athen von existenzieller Bedeutung waren, zuzugreifen. Im Gesandtschaftsprozeß versuchte D. die Verärgerung seiner Landsleute über die Machtverschiebung an der Propontis zugunsten Philipps gegen Aesch. zu nutzen und im J. 341, als Philipp einen erneuten Thrakienfeldzug unternahm, konnte jener erst recht darauf hoffen, daß die Athener die für sie schweren Folgen der fünf Jahre zuvor erlittenen Niederlage des Kersobleptes voll eingesehen hätten. Für Literatur zu Kersobleptes und dem Thrakienfeldzug Philipps sowie für eine Besprechung besonders des Verhältnisses zwischen dem Odrysenkönig und Athen zur Zeit der Friedensverhandlungen im Frühjahr 346 vgl. Wankel 251 f. zu D. 18,27 (zu ergänzen jetzt durch Griffith 554f. [s. auch seinen Index s. v.]; Cargill, 2. Ath. League 91; Sealey 147 f.; Harris, Aeschines 61 f. 74-76). - Das Verbum ά π ο λ λ ύ ν α ι hat auch 19,260 u. 21,83 ein unpersönliches Subjekt (τοΰτο τ ό π ρ α γ μ α bzw. οπερ). Zur besonderen Vorliebe des D., Neutrumformen demonstrativer Pronomina wegen des von ihnen bewirkten „sharp and lively tone" als unpersönliche Subjekte zu verwenden, vgl. Radford 36 f. (mit Hinweis auf den ähnlichen Gebrauch bei Tacitus) und 7 (besonders für die Feststellung, daß es bei einem „milder orator" wie Lys. keine Beispiele gebe, in denen Neutrumformen des Demonstrativums als Subjekte aufträten, dafür aber fänden sich solche Beispiele bei Isocr. und Aristophanes). - ε ν α (die Lesart der Hs. F nach οντα, om. cett.) wäre hier als eine allzu pedantische Präzisierung fehl am Platze und wurde, seitdem es Auger fortgelassen hatte, zu Recht von keinem Herausgeber mehr in den Text aufgenommen.

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πάλιν ταΰτ' άμελούμενα ίδών και ουδεμίας βοηθείας τυγχάνοντα παρ' υμών: Die Wiederholung des rückweisenden Demonstrativums unterstreicht den Zusammenhang zwischen der Fahrlässigkeit der Athener und den darauffolgenden Übergriffen Philipps (vgl. oben τ α ϋ τ α μέντοι τότε έαθέντα und unten in § 9 ταύτης όλιγωρουμένης und ουδέν τούτων); demselben Zweck dient die Betonung jener Fahrlässigkeit durch Verbindungen bei der Einführung des neuen Übergriffs: Soeben έαθέντα και π α ρ ο φ θ έ ν τ α ; hier nachdrücklicher: ταΰτ' άμελούμενα ίδών και ουδεμίας βοηθείας τυγχάνοντα π α ρ ' υμών (die Erweiterung ουδεμιάς βοηθείας τυγχάνοντα konkretisiert das vorausgehende ταΰτ' άμελούμενα ίδών); schließlich - nach dem einfachen ταύτης όλιγωρουμένης (§ 9) - noch eindringlicher durch die mittels einer Erweiterung zusätzlich amplifizierte Verbindung ουδέν έφροντίσατε ούδ' έπεστράφητε ουδέν τούτων, ούδ' ένεδείξασθε τοΰθ', δτι ουκ επιτρέψετε τοϋτο ποιεΐν αύτω (ebenfalls § 9). Die Fahrlässigkeit der Athener hebt D. auch dadurch hervor, daß er sie wiederholt mit denselben Wörtern bezeichnet, und auf diese Weise die eigene Auffassung seinen Zuhörern gleichsam einhämmert: άμελούμενα (§ 8) nimmt των άμελουμένων (§ 7) wieder auf (das Verbum άμελεΐν bezeichnet die Nachlässigkeit der Athener noch in §§ 29 u. 47 sowie in den anderen Demegorien 1,15; 4,5; 6,33; das Substantiv 1,10; 4,11. 17; 9,5); όλιγωρουμένης (§ 9) knüpft an ώλιγωρήθη (§ 8) an. Die Parallelität der aufgezählten Ereignisse wird ferner auch dadurch zum Ausdruck gebracht, daß mit Ausnahme wieder einmal des Satzes, in dem an den Staatsstreichversuch in Megara erinnert wird (§ 9 ταύτης όλιγωρουμένης Μ έ γ α ρ α έάλω π α ρ ά μικρόν), die Angegriffenen in der Aufzählung jeweils zu zweit erscheinen: Σέρριον και Δορίσκον (§ 8), Θ ρ ά κ η ν και Κερσοβλέπτην (§ 8), κατέσκαπτε Π ο ρ θ μ ό ν και τ υ ρ α ν ν ί δ α ... έπετείχισεν ύμΐν εν τη Εύβοια (§ 8), Ά ν τ ρ ώ ν α ς ... και ... τά έν Ώ ρ ε ω πράγματ(α) (§ 9; in der abschließenden Paraleipsis in § 10 werden dann drei Ereignisse erwähnt: Pherai, Ambrakia und Elis). Um bei einer solchen Aufzählung der Monotonie zu entgehen, muß aber der Redner auch dem Prinzip der Variation Genüge tun. Dazu dient vor der Amplifikation in § 9 die eben erwähnte einfache Wendung ταύτης όλιγωρουμένης κτλ., aber auch der Wechsel der Subjekte: Soeben τ α ϋ τ α . . . άπώλεσε, jetzt κατέσκαπτε κτλ. (sc. Philipp), dann Μ έ γ α ρ α έάλω (§ 9) und schließlich Ά ν τ ρ ώ ν α ς έπρίατο κτλ. (ebenfalls § 9; das Subjekt ist wieder Philipp). - Zum Asyndeton (sehr häufig, wenn der Satz mit einem Demonstrativum beginnt) vgl. Denniston, Prose Style 109 f. Zum Asyndeton „combined with repetition" (in §§ 8 sq. wird das Demonstrativum

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mehrfach wiederholt) vgl. unten zu § 45 ταϋτ' άπιστίαν, ταΰτ' όργήν έχει. - Das Neutrum τ α ΰ τ α bezieht sich auf Θ ρ ά κ η ν (Femininum) και Κερσοβλέπτην (Maskulinum), eine Erscheinung, die Rehdantz, Ind. II 107 s. v. „Neutrum" mit zahlreichen Beispielen belegt; vgl. auch unten §§ 27 δ μήτε γένοιτο. 51 εις δύο τ α ΰ τ α u. 71 π ρ ο έ σ θ α ι ταΰτα. - Zur Anknüpfung durch das Partizip ίδών vgl. D. 9,61 ορών δε τ α ΰ θ ' ό δήμος κτλ. und 18,19 τ α ΰ τ α δ' όρων ό Φ ί λ ι π π ο ς κτλ. - Die beiden Argumente, die Blaß für die Tilgung des genetivus auctoris π α ρ ' υ μ ώ ν präsentierte, sind unhaltbar: Zum einen endet das Zitat bei Aristid. rhet. 1,87 p. 35,11 sq. Schmid, der unsere Stelle als Beispiel der περιβολή anführte, mit τ υ γ χ ά ν ο ν τ α und ist somit als selbständiger Beweis kaum verwertbar; sodann kann das stilistische Argument, das sich daraus ergibt, daß der zu den vorausgehenden Passiva ώλιγωρήθη, έαθέντα και π α ρ ο φ θ έ ν τ α sowie dem nachfolgenden (ολιγωρημένης gehörende genetivus auctoris nicht ausgedrückt wird, mindestens ebensogut umgekehrt verwendet werden: Der Redner strebte nach Variation (s. oben) und vermied einen übertriebenen und dadurch seine Zuhörer womöglich ermüdenden Parallelismus. Der Gleichklang ί δ ώ ν - υ μ ώ ν am Ende der von den beiden participia coniuncta gebildeten Kola ist wohl auch kein Zufall; indem D. die Gliederung der beiden partizipialen Kola pointiert und sie vom Nachfolgenden abgrenzt, richtet er die Aufmerksamkeit auf den nächsten Punkt, der schon die unmittelbare Bedrohung Attikas behandelt, weshalb eine besondere Hervorhebung gut am Platze ist.

κατέσκαπτε Πορθμόν και τυραννίδα άπαντικρύ της 'Αττικής έπετείχισεν ύ μ ΐ ν έν τη Εύβοια: Der von G. Η. Schaefer unterstützte Emendationsvorschlag Augers κατέσκαψε statt κ α τ έ σ κ α π τ ε wurde von den späteren Herausgebern zu Recht nicht in den Text aufgenommen: Das Imperfekt κατέσκαπτε schildert hier den Vorgang, der Aorist έπετείχισεν betont das Ergebnis (für Beispiele, in denen ein Imperfekt und ein Aorist beigeordnet werden, vgl. Rehdantz, Ind. II 47 unten). Der Ausdruck κατέσκαπτε Π ο ρ θ μ ό ν (vgl. dieselbe Wendung 18,71 κατασκάπτων Πορθμόν) ist eine Metonymie: Gemeint ist, daß Φίλιππος ... τ α τείχη περιεΐλε τοΰ Π ο ρ θ μ ο ΰ (D. 9, 58). Diese Stelle der 3. Philippika ist überhaupt zu vergleichen wegen der Schilderung der Umstände, unter denen die Mauern von Porthmos (Kaki Skala an der Küste des Euripos vor Aliveri), dem Hafen von Eretria, geschleift wurden: 9,57 έν Έ ρ ε τ ρ ί α , έπειδή άπαλλαγέντος Π λ ο υ τ ά ρ χ ο υ και τ ώ ν ξένων ό δήμος είχε τήν πόλιν και τόν Πορθμόν, οί μεν έφ' υμάς ήγον τ ά πράγματα, οί δ' επί Φ ί λ ι π π ο ν άκούοντες δέ τούτων τά πολλά

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μάλλον οί ταλαίπωροι και δυστυχείς Έρετριεΐς, τελευτώντες έπείσθησαν τους υπέρ αυτών λέγοντας έκβάλλειν (58) και γάρ τοι πέμψας Ί π π ό ν ι κ ο ν ό σύμμαχος αύτοΐς Φίλιππος και ξένους χίλιους τά τείχη περιεΐλε τοϋ Πορθμού και τρεις κατέστησε τυράννους, "Ιππαρχον, Αύτομέδοντα, Κλείταρχον και μετά ταϋτ' έξελήλακεν έκ της χώρας δις ήδη βουλομένους σώζεσθαι, τότε μέν πέμψας τους μετ' Εΰρυλόχου ξένους, πάλιν δέ τους μετά Παρμενίωνος (τότε ... Παρμενίωνος om. S add. rec., habent FAY; vgl. auch 9,33 πέμπει ... ξένους ... εις Πορθμόν τόν δημον έκβαλοϋντας τόν Έρετριέων). Das Eingreifen Philipps auf der für Athen im J. 349/8 verlorengegangenen Euböa war zur Zeit des Gesandtschaftsprozesses (im J. 343) schon in vollem Gange, vgl. D. 19,204 έν Εύβοια στρατιώτας είναι. Eine andere Stelle der Gesandtschaftsrede vermittelt aber den Eindruck, daß Porthmos damals noch in der Hand der Gegner des von Philipps Söldnern unterstützten Kleitarchos war: D. 19,87 και μήν και μετά ταύθ' οσάκις προς Πορθμω ή προς Μεγάροις άκούοντες δύναμιν Φιλίππου και ξένους έθορυβεϊσθε, πάντες έπίστασθε. Da der Anschlag auf Megara mißlang (vgl. zu § 9), scheint die Nebeneinanderstellung von Megara und Porthmos dafür zu sprechen, daß sich zunächst auch diese Stadt halten konnte (vgl. A. Schäfer II2 423; anders Kührstedt, Forschungen 72. 91. 147). Wüst 109 f. bemerkt, daß die im Frühjahr 342 gehaltene Halonnesosrede die Besetzung von Porthmos nicht erwähnt, und meint, dazu sei es erst später gekommen (Wüsts Bemerkung „in der ... Halonnesrede ... Philipps ganzes ,Sündenregister' mit allen Einzelheiten vorgetragen wird und sogar von Euböa selbst die Rede ist: Philipp habe versprochen es Athen zu überlassen [VI. 30]" ist allerdings unverständlich; er hat offensichtlich die Halonnesosrede mit der im J. 344 gehaltenen 2. Philippika verwechselt). Wüsts Datierung wurde von S. Lauffer, RE XXII 1,1953, 5. v. „Porthmos", Sp. 340; Cawkwell, CQ 1963,201 f.; Brunt 252f. und Wankel 425 zu D. 18,71 gutgeheißen, von Griffith 502, Anm. 3 hingegen wieder verworfen, vor allem weil sich die Halonnesosrede auch über den Anschlag auf Megara und Elis (s. unten zu §§ 9 sq.) ausschweigt, obwohl diese beiden Ereignisse sicher im J. 343 stattgefunden haben, und - noch wichtiger - weil in dem an unserer Stelle gewählten Argumentationsschema, wonach jedes Zeichen athenischer Fahrlässigkeit zwangsläufig einen erneuten Übergriff Philipps nach sich zieht, die Beibehaltung der historisch richtigen Reihenfolge der Ereignisse so kurze Zeit, nachdem sie stattgefunden hatten, unabdingbar sei. Dies trifft im Prinzip zwar zu, da aber die Intervention auf Euböa sich über einen längeren Zeitraum hingezogen

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hat (9, 57 sq.), und der Ausgang des Anschlags auf Megara sehr rasch entschieden war, ist es gut möglich, daß, als letzterer erfolgte, die Offensive des Hipponikos gegen Porthmos schon begonnen hatte. Nun brauchte aber D. für seine Argumentation an unserer Stelle keine gleichzeitigen Ereignisse, sondern eine Folge von Ereignissen, weshalb er zunächst den zuerst begonnenen und länger andauernden Eingriff in Eretria und Porthmos und erst dann den zwischendurch erfolgten Anschlag auf Megara erwähnte. Auf diese Weise kann er die historisch richtige Chronologie geringfügig geändert und an den Bedürfnissen seiner Argumentation angepaßt haben. Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Vorfällen dürfte aber eher Tage oder Wochen als Monate betragen haben. Darüber hinaus müssen wir in der Zeit nach der Schleifung der Mauern von Porthmos durch Hipponikos und vor der Entstehung der 3. Philippika zwei weitere makedonische Expeditionen zur Unterstützung des Kleitarchos unterbringen, was ebenfalls für eine frühe Datierung der Besetzung von Porthmos spricht, vgl. D. 9,58 und Griffith 503, Anm. 3. Zu Porthmos und dessen Bedeutung (Phokion war z.B. für seinen EuböaFeldzug des J. 349/8 wahrscheinlich dort gelandet) vgl. sonst S. Lauffer u. E. Kirsten, RE XXII 1,1953, Sp. 340-344. - Mit τ υ ρ α ν ν ί ς ist hier die Herrschaft des Hipparchos, Automedon und Kleitarchos in Eretria gemeint, die mit Hilfe der Intervention der von Philipp geschickten Söldner errichtet wurde (D. 9,58). Sie wird von D. in den Reden des J. 341, wie auch die Herrschaft des Philistides in Oreos (vgl. unten zu § 9), wiederholt als Tyrannei bezeichnet: 8,36; 9,17. 27. 58 (vgl. auch 9,33 τ ό ν δήμον έ κ β α λ ο ΰ ν τ α ς ) . Auch Aesch. 3,103 und Philoch. (FGrHist 328) frg. 160 έτυράν[νησε] nennen Kleitarchos einen Tyrannen. - Zur Bedeutung von Euböa für Athen vgl. D. 9,18, wo es zusammen mit dem Hellespont, Megara und der Peloponnes zu den wichtigsten Interessengebieten Athens zählt (s. auch zum nächsten Lemma), und 18,301 έκ ... θ α λ ά τ τ η ς την Ε ΰ β ο ι α ν π ρ ο β α λ έ σ θ α ι π ρ ό της 'Αττικής κτλ. Wankel 421 f. zu D. 18,71 macht auf die von D. im Zusammenhang mit Euböa gebrauchten Metaphern aufmerksam: Philipp machte die Insel zu einem έπιτείχισμα gegen Athen (vgl. unten § 68), die Politik des D. hingegen, die zum Sturz der Tyrannen auf Euböa geführt hatte, zu einer Schutzmauer (vgl. das Verbum π ρ ο β α λ έ σ θ α ι im obigen Zitat) vor Attika. Philipp selbst dachte über Euböa nicht viel anders, wenn wir Strabon Glauben schenken wollen. Ihm zufolge nannte der König Chalkis und Korinth die Fußeisen Griechenlands: Strabo 9 , 4 , 1 5 π έ δ α ς έκάλει Φ ί λ ι π π ο ς της Ε λ λ ά δ ο ς την Χ α λ κ ί δ α και τ η ν Κ ό ρ ι ν θ ο ν . Auch Diod. 19,78,2 meint mit Bezug auf Chalkis, daß ε π ί κ α ι ρ ο ς ... ή πόλις έστί

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Kommentar § § 8 - 9

τοις βουλομένοις εχειν όρμητήριον υπέρ ist überflüssig, da der Hiat zwischen einem Artikel und einer Präposition nicht ungewöhnlich ist. και μείζω ταύτης ουκ οίδ' ήντινα αν εΐποι τις: Das betont am Satzende stehende Substantiv αισχύνη wird durch diese Erweiterung zusätzlich hervorgehoben. Eine besondere Betonung erhält das Prädikatsnomen des Relativsatzes μείζω ταύτης durch seine Herausnahme aus dem Relativsatz. - Die Kurzform μείζω ist bei den Rednern die gewöhnlichere, vgl. Schulze, Quaestiunculae 31; als Singular des Akkusativs kommt sie bei D. siebenmal vor, μείζονα hingegen nur einmal (ibid. 30). - Für die ähnliche Wendung ου μείζον ουδέν αν (ύμϊν) γένοιτ' άγαθόν vgl. D. 8,47 u. 15,4. - Die kategorische Aussage wird durch ουκ οίδα gemildert, vgl. oben zu § 4. - Zur Erweiterung mit Rückverweis durch ein Pronomen vgl. oben in § 15 και υπέρ τοϋ τ α ϋ τ α λαβείν. - An der Parallelstelle (8,51) überliefert S εϊποιμεν (εί'ποι τις FAY); das ausschließlichere ειποι τις paßt besser zur Definition am Ende des Gedankenganges als die erste Person, die formal nur die Athener betrifft. δούλφ δέ πληγαί και ό τοϋ σώματος αικισμός: Die πληγαί erscheinen schon bei Thuc. als herausragende Merkmale des Verlustes der Frei-

Kommentar §§ 2 7 - 2 8

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heit: 8 , 7 4 , 3 (von den Vierhundert) πληγαΐς τε π ά ν τ α ς ζημιοϋσι και άντειπεϊν εστίν ουδέν π ρ ό ς τ ο υ ς έχοντας την πολιτείαν. Bei D. selbst vgl. 9, 66 (von den Eretriern unter Kleitarchos) δ ο υ λ ε ύ ο υ σ ί γε μαστιγούμενοι και σφαττόμενοι (beide Stellen bei Dobree 26). Das Substantiv αίκισμός ist bei den Rednern nur hier belegt, in der klassischen Zeit nach L S J sonst nur bei Ctesias (FGrHist 6 8 8 ) frg. 27; das (ebenfalls seltene) Substantiv α'ικισμα vgl. [Lys.] 6 , 2 6 . δ μήτε γένοιτο οΰτε λέγειν άξιον: Der kühnen Andeutung, daß die Athener vom Schicksal der Sklaverei bedroht seien, fügt der Redner als Milderung eine Abwehrformel hinzu. Für die Formel δ μή γένοιτο zitiert J. H. Bremi (bei G. H. Schaefer zu D. 8 , 5 1 ) Plato leg. 11 p. 9 1 8 d; bei D. vgl. besonders 2 1 , 2 0 9 , wo die Hypothese, Meidias und sein Anhang könnten die politische Macht in der Stadt erlangen, mit der Formel δ μή γένοιτ' οΰδ' έσται abgewehrt wird; s. im Corp. Dem. sonst die Formel ο υ κ έστι μήτε γένοιτο D. 8 , 6 8 ; 19,149; [D.] 25,75. 86 (diese Stellen bei Rehdantz zu D. 8, 51). Bei den anderen Rednern vgl. z . B . Lys. 19,38; 3 1 , 1 4 u. Din. 1 , 6 6 δ μή γένοιτο. Eine andere Abwehrformel vgl. in § 16 (μήτ' έ κ ε ί ν ω μήτ' ά λ λ ω γένοιτο). - Verbunden mit der Abwehrformel wird eine Aposiopese. Zu dieser vergleicht Heslop ad loc. eine Stelle der Kranzrede ( 1 8 , 1 9 5 ουκ άξιον ειπείν); vgl. auch z . B . Soph. Ant. 686 μήτ' έπισταίμην λέγειν. Weil und Rehdantz zu D. 8 , 5 1 sind sich einig, daß der Unterschied zwischen unserer Stelle und derjenigen der Midiana ( 2 1 , 2 0 9 ) darauf zurückzuführen sei, daß „ce rassurant ο ύ δ ' εσται l'orateur n'ose pas l'ajouter ici". Rehdantz meint gar, der Redner deute an, daß die Zwangslage der Sklaven, „wenn es so weitergeht, eintreten muss". Eine trotzige Zurschaustellung von Zuversicht würde in der Tat nicht in einen Kontext passen, in dem die Gefährlichkeit Philipps hervorgehoben wird. Das Neutrum Singular des Relativpronomens bezieht sich zugleich auf ein feminines und ein maskulines Substantiv im Plural bzw. im Singular, vgl. oben § 8 zu πάλιν τ α ΰ τ ' άμελοΰμενα. An der Parallelstelle ( 8 , 5 1 ) steht ά, an unserer nur in Α α μή (Croiset schreibt δ μή). - Zum Fehlen der Kopula in abhängigen Sätzen vgl. oben zu § 19 εί δέον κτλ.

§§ 2 8 - 3 0 Übergang: Mahnung an die έκκλησία, dem Redner zuzuhören

§ 28 τό μεν τοίνυν, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, πρός τά τοιαϋτα όκνηρως διακεϊσθαι, α δει τοις σώμασι και ταΐς ούσίαις λειτουργήσαι εκαστον: Das nächste Thema, das Ersuchen um Subsidiengelder beim Perser-

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Kommentar § 28

könig, schließt sich sehr passend an die energische Forderung von militärischen Vorbereitungen gegen Philipp an. Da aber dieses Thema ein ganz besonders heikles ist, wird es durch einen umfangreichen, sorgfältig durchdachten Übergang (§§ 28-30) vorbereitet. Dieser beginnt mit einem in Übergängen nicht seltenen rekapitulativen Element, das schon an sich den Eindruck von Sachlichkeit erweckt und zur Beruhigung nach dem π ά θ ο ς der voraufgegangenen Paragraphen beiträgt. Dieselbe Wirkung vermitteln auch die verhältnismäßig milden Urteile ό κ ν η ρ ώ ς διακεϊσθαι und εστί ... ουκ ο ρ θ ώ ς εχον sowie die concessio εχει τινά π ρ ό φ α σ ι ν . Zum Tonwechsel (ein ruhiger Ton paßt auch sonst gut zu Übergängen) vgl. auch unten zu τ ό δέ μηδ' οσ' ά κ ο ϋ σ α ι δει. - Die Partikel τ ο ί ν υ ν ist hier ,metabatisch': Sie leitet einen neuen Schritt in der Argumentation ein. Zu τοίνυν in Übergängen vgl. Rehdantz, Ind. II 140 und Denniston, Particles 574-577. - Die Anrede ist in antithetischen Kola geläufig (vgl. die Beispielsammlung bei Fraenkel 12-17). Hier folgt sie schon dem „Auftakt" τό μεν τ ο ί ν υ ν des ersten Gliedes der Antithese (für Beispiele mit dem Vokativ hinter dem Auftakt vgl. ibid. 41-49); der vom Vokativ erzeugte Nachdruck liegt aber wie in mehreren der von Fraenkel ibid. 12-17 zitierten Beispiele auf dem Gesamtausdruck τ ό μεν ... ό κ ν η ρ ώ ς διακεΐσθαι. - Die Substantivierung ganzer Infinitivsätze ist dem D. eigen, vgl. die von Rehdantz, Ind. II 51 f. und Stix 12 f. angeführten Beispiele. Gern benutzt D. substantivierte Infinitive in durch τ ό μέν - τό δέ (άλλά) eingeleiteten Antithesen, wie an unserer Stelle (vgl. die Belege bei Stix 9 f.), mehrmals sogar im selben Argumentationsschema, in dem ein an sich berechtigter Vorwurf scheinbar gemildert oder entschuldigt wird, nur um in einer rhetorischen Steigerung einem stärkeren Vorwurf den Boden zu bereiten, vgl. D. 8,30; 18,139 (mit Infinitiv nur im ersten Glied); 20, 56; 23,190; 24,62 und prooem. 38,2. - Das Adverb ό κ ν η ρ ώ ς kommt in der klassischen Zeit meines Wissens nur noch Xen. exp. Cyri 7 , 1 , 7 und Isocr. epist. 4,8 vor. Die Erwähnung der körperlichen Risiken paßt nach Ansicht von Canfora, Per la cronologia 45 nicht zum rekapitulativen Charakter des Übergangs an unserer Stelle, da bisher in der Rede nur materielle Opfer (§ 19 είσφέροντες, § 24 δ α π ά ν η ) gefordert wurden. Dieser hyperkritische Einwand berücksichtigt aber die Tatsache nicht, daß der Begriff des militärischen Einsatzes für die Athener des 4. Jh. trotz der erhöhten Bedeutung der Söldnertruppen ganz selbstverständlich das durchaus reale Risiko der eigenen Teilnahme immer miteinschloß, auch wenn D. dieses Risiko nicht ausdrücklich hervorhob. Dazu hatte er im früheren Verlauf der Rede natürlich auch keinen Grund; ein ungeschicktes Hervorheben

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des persönlichen Risikos der Teilnehmer an der Volksversammlung hätte vielmehr seinen protreptischen Absichten zuwiderlaufen können. An unserer Stelle, die den Übergang zur heiklen Frage der persischen Subsidiengelder bildet, ist hingegen ein diskreter Hinweis auf dieses Risiko durchaus am Platze, da sich die Wichtigkeit der guten Beziehungen zum Erzfeind Persien dem Zuhörer durch das Bewußtsein der persönlichen Gefahr besser vermitteln läßt. D. formuliert aber diesen Hinweis mit äußerster Vorsicht: Er mildert ihn zum einen dadurch, daß er ihn in einer concessio erscheinen läßt, zum anderen durch die formelhafte Verbindung mit den ούσίαι. Rehdantz z. St. weist darauf hin, daß der gewöhnliche Gegenpart von σ ώ μ α τ α im polaren Ausdruck χ ρ ή μ α τ α ist. Seinen Beispielen z. St. und Albinis zu And. 2,11 (D. 9,40; 16,12; 18,20. 66; [D.] 11,2; epist. 4 , 9 [nicht „5,3"]; And. 2, 18; 3,16; Lys. 19,58; 25,4; 31,15; Thuc. 1,85,1; 1,121,3; 2,53,2; 8, 65,3) könnte man noch Aristot. rhet. 2,5 p. 1383 b, 1 sq. hinzufügen. Gelegentlich verbinden aber die Redner σ ώ μ α auch mit ουσία: Ant. 2ß, 9; And. 1, 137; Lys. 31,12; [Lys.] 6,31; Isae. 3,62; [D.] 42,25; 50,59; so eng wie an unserer Stelle ist freilich die Verbindung nur Isae. 3,62 und [D.] 42,25 (vgl. aber auch And. 2,11 ούτε τοϋ σ ώ μ α τ ο ς ούτε τ ώ ν όντων). Zur Wendung τ α ΐ ς οΰσίαις λειτουργήσαι (S: FAY überliefern τοις ούσι) vgl. Aristot. pol. 4 , 3 , 1 4 p. 1291 a, 33 sq. τό τ α ΐ ς ούσίαις λειτουργούν, sonst D. 21,165 τοις σώμασιν ... λειτουργεΐν. Zur Schreibweise λητ-/ λειτ- beim Verbum vgl. MacDowell 236 (beide Formen seien in der Zeit des D. möglich, man sollte den Hss. folgen) mit der dort angeführten Literatur: Threatte I, 371 und N.Lewis, G R B S 3 , 1 9 6 0 , 178-81. - Dem Vorverweis durch π ρ ο ς τ ά τ ο ι α ύ τ α entspricht im zweiten Glied der Antithese ein Rückverweis durch ταύτ(α). - Zu dem von λειτουργήσαι regierten Inhaltsakkusativ α δει vgl. Isae. 6,61 τ ά π ρ ο σ τ α τ τ ό μ ε ν α λ η τ ο υ ρ γ ώ ν und (mit figura etymologicä) [D.] 50,9 und Lys. 3,47. - Wegen des Hiats überlegte sich Benseier, De hiatu 1841,176 f., die Transposition bzw. die Tilgung von έκαστον. Letzteres befürwortete auch Blaß, da ihm der Singular des Pronomens auch sonst nicht zu den Pluralformen σώμασι und ούσίαις zu passen schien; vgl. aber ζ. B. D. 19,259 βούλοιντ' ά ν α υ τ ό ς έκαστος, [D.] 25,99 έκαστος ... εύξεσθε, Isocr. 2,6 κ α θ ' έ κ ά σ τ η ν ... τήν π ρ α ξ ι ν , εξ ων κτλ. έστί μεν ουκ ο ρ θ ώ ς έχον: Die Gültigkeit der nachfolgenden concessio wird im voraus eingeschränkt wie in § 25 α ί σ χ ρ ό ν μεν κτλ. (vgl. dort). Beispiele der Wendung mit εστί (φαίνεται usw.) und dem Partizip έ χ ω ν s. bei Rehdantz, Ind. II 119. Gern verwendet D. diese Periphrase mit ei-

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nem hinzugefügten Adverb wie ορθώς (18,13; 23,73; prooem. 38,2), κακώς, καλώς oder auch ούτως und ώδε (18,174; 20, 153. 157; 24,90. 189. 212; 29,29; prooem. 38,2). Bei den anderen Rednern vgl. And. 1,94; Isocr. epist. 9,13 u. Din. 1,90, in der sonstigen attischen Prosa Plato leg. 5 p. 735 d u. Xen. hist. Gr. 4,8,4 (von Rehdantz a.O. zitiert). Zur Periphrase mit εστί vgl. sonst oben zu § 3 έστι... δυνάμενα. ούδέ πολλοΰ δει: Die Abwehrformel unterstreicht die Einschränkung der nachfolgenden concessio. Die Wendung ουδέ πολλοϋ δει kommt in der klassischen Zeit, wie Rehdantz z. St. bemerkt, nur im Corp. Dem. und ausschließlich an negative Sätze angeschlossen vor (alle Belege a.O. und in seinem Ind. II 58: D. 8,42; 9,23; 10,28; 19, 30. 90. 202; 20,20; 54,40; [D.] 25,85. 87). Während die Bedeutung der versteinerten Formel feststeht (Anecd. Bekker 284,29 geben sie mit ούδ' δλως, d.h. „ganz und gar nicht", an), ist ihre Entstehung - wie die des gleichbedeutenden und ebenfalls demosthenischen ούδ' ολίγου δει - umstritten: Η. Wolf wollte in Gedanken λόγου ergänzen wie bei ούδ' ολίγου δει, Reiske wiederum άλλα τοϋ παντός. Diese und weitere Meinungen s. bei G.H. Schaefer 520 zu D. 8,42; vgl. sonst Rehdantz z. St. und Ind. II 58. Kühner/ Gerth II 206 Anm. 5 meinen, daß der Redende mit dieser Wendung andeute, selbst der als starke Negation gebrauchte Ausdruck πολλοϋ δει sei zu schwach. Vielleicht handelt es sich aber bloß um eine Kontamination zwischen πολλοϋ γε και δει (zu dieser Abwehrformel vgl. oben § 3) und der Litotes ούδ' ολίγου δει. ού μήν αλλ' έχει τινά πρόφασιν όμως: Wie in § 26 wird die concessio auch hier durch die Partikelkombination ού μήν άλλ(ά) eingeführt, die wie dort die Schwierigkeit der Überwindung der voraufgegangenen Einschränkung hervorhebt. Auf die Abwehrformel ούδέ πολλοΰ δει folgt ού μήν άλλ(ά) bei D. auch 19,203. - Die Wendung έχει (τινά) πρόφασιν kommt bei den Rednern D. 20,140; prooem. 55,3 u. Ant. 5,60 (etwas anders) vor; prooem. 55,3 gar in einer concessio wie an unserer Stelle. Ebenfalls in einer concessio und zusammen mit dem einschränkenden τις („ein gewisser Vorwand"), wie in unserem Fall, erscheint das Substantiv πρόφασις D. 19,118: τών μέν άλλων έστιν έκάστω τις πρόφασις· ό μέν ..., τούτω δ(έ) κτλ. - Für ähnliche Wendungen mit έχειν vgl. unten zu § 45 άπιστίαν bzw. όργήν έχειν und § 46 εύδαιμονίαν και ... άσφάλειαν έχειν. - Wie Wankel 308 zu D. 18,43 feststellt, ist ομως in Schlußposition bei den Rednern nur im Corp. Dem. belegt (noch 18,43; 37,27; 60,24; in den Ps. Demosthenica nur [D.]

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25,38). - Zur Vermeidung der Kürzenhäufung π ρ ό φ α σ ι ν ό μ ω ς überlegte sich Blaß eine Änderung des Textes entsprechend der Nachahmung bei Dio Cass. 38,40,1 (δμως ... είχον ά ν τ ι ν ά σκήψιν) oder die Einfügung von γ' nach π ρ ό φ α σ ι ν (FY überliefern έχει γέ τ ι ν α π ρ ό φ α σ ι ν ) . Das Substantiv π ρ ό φ α σ ι ς verursacht aber bei D. auch in der concessio 19,118 (am Satzende) Kürzenhäufung. Der Text ist demnach in der von SA überlieferten Form zu akzeptieren und Croiset hat die in den Ausgaben seit den Zürchern fortgelassene Partikel γε zu Unrecht in seinen Text aufgenommen.

τό δέ μη δ' οσα άκοΰσαι δει μηδ' οσα βουλεύσασθαι προσήκει, μηδέ ταΰτ' έθέλειν [άκούειν], τοϋτ' ήδη πασαν έπιδέχεται κατηγορίαν: Die stark eingeschränkte Entschuldigung der zuerst genannten Handlungsweise dient nur der Hervorhebung des Sträflichen bei der an zweiter Stelle genannten, d.h. dem fehlenden Willen der Athener zuzuhören und sich ernsthaft zu beraten. Die Mahnung zum aufmerksamen Zuhören bzw. die Kritik an der mangelnden Bereitschaft dazu paßt vor allem zum Proömium einer Rede, wie Blaß, Att. Bereds. III 2 1,387 in seiner Besprechung unserer Stelle festgestellt hat. Unrecht hat er jedoch, wenn er dabei von einem „völlige(n) Herabsinken" zu einer halben Entschuldigung der Trägheit der Athener spricht, da sie zu entschuldigen undemosthenisch sei. Denn es liegt in der Natur der συγχώρησις, Dinge (zuweilen freilich, wie an unserer Stelle, nur mit Einschränkung) zu konzedieren, die man sonst nie billigen würde (vgl. oben § 26 έστω, μή άμύνεσθε, ά π α ν τ α πρόεσθε). - Daß hier die Bedeutung des Zuhörens wie in einem Proömium hervorgehoben wird, hat einen besonderen Grund. In den nachfolgenden Paragraphen (31-34) wird nämlich ein diffiziles Thema angesprochen, das einer gründlichen Vorbereitung bedarf. Diesem Bedürfnis kommt D. mit der umfangreichen π ρ ο κ α τ α σ κ ε υ ή (§§ 28-31), in der er der Einforderung der Bereitschaft zum Zuhören einen besonderen Platz zuweist, nach. Die concessio dient ihm dabei als eine Art Steigerungsformel. Den „gewissen Vorwand" (τινά π ρ ό φ α σ ι ν ) hatte er nur eingeräumt, um diesen zentralen Punkt des Übergangs in §§ 28-31 besser hervorheben zu können. Die rhetorische Fülle des Ausdrucks τ ό δέ μηδ' ο σ α ά κ ο ΰ σ α ι δει μηδ' ο σ α β ο υ λ ε ύ σ α σ θ α ι προσήκει, μηδέ τ α ΰ τ ' έθέλειν, statt τ ό δέ μηδ' ά κ ο ΰ σ α ι μηδέ βουλεύσασθαι έθέλειν, betont demnach durchaus passend die zentralen Begriffe der Argumentation, „Anhören" und „Sich-Beraten". Rehdantz z. St. spricht somit zu Unrecht von einer Suche des Autors nach einem „schulgerechten Gegensatz" zum ersten Glied der Antithese, wobei er

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zur Wahrung der „Concinnität der Phrasen" den Gedanken „verschieb(e) und verrenk(e)". Rehdantz war allerdings damals die (wohl notwendige) Tilgung von άκοΰειν nach έθέλειν durch Spengel (vgl. unten) wohl nicht bekannt. - Die Verbindung zwischen Zuhören und Sich-Beraten ist nicht nur Ausdruck des Strebens nach rhetorischer Fülle, sondern auch inhaltlich wichtig: Diejenigen, die D. nicht zuhören wollen, werden denjenigen gleichgestellt, die nicht einmal zu Beratungen bereit sind. Die Verbindung der beiden Begriffe wird in §§ 29 sq. noch zweimal wiederholt, um den Athenern richtig einzuhämmern, daß die Weigerung zuzuhören der Weigerung sich überhaupt zu beraten gleichkommt. - Die Parallelität der Satzstruktur wird durch die Variation bei den Prädikaten (δει/ προσήκει) gemildert, wobei auch dem Gesetz der wachsenden Glieder Genüge getan wird. - Zur Struktur der Argumentation an unserer Stelle vgl. das viel einfachere prooem. 38,2 τό μεν ούν όργίλως υμάς εχειν εικός έστιν τ α ϋ τ α πάσχοντας· τό δέ μή τοις αίτίοις, αλλά πάσιν εφεξής όργίζεσθαι, τοϋτ' ούκέτ' εικός ούδ' ορθώς έχον εστίν. - Die einfachen Infinitive werden durch die Relativsätze ersetzt und anschließend durch μηδέ ταΰτ(α) wiederaufgenommen: Der Rückverweis durch ein analeptisches Demonstrativpronomen ist nach einem voraufgegangenen Relativsatz häufig in der attischen Prosa, vgl. die Beispielsammlung bei Rehdantz, Ind. I 23 f.; Rehdantz bemerkt a. O., daß er (wie an unserer Stelle) auch dann erfolgen könne, wenn die grammatische Struktur des Satzgefüges dies gar nicht verlangt. Dann diene er einem rhetorischen Zweck, nämlich der Hervorhebung. - Mit άκοΰειν nach έθέλειν hatte schon Reiske Schwierigkeiten, die er durch die Ergänzung (μηδέ βουλεύεσθαι) beheben wollte. Spengel, Δημηγορίαι 95 Anm. 2 schlug hingegen die Tilgung von άκοΰειν vor. Es würde zu βουλεύεσθαι ohnehin nicht passen und auch in Hinblick auf den nachfolgenden Satz ύμεΐς τοίνυν ουκ άκοΰειν κτλ. stören. Die Herausgeber (mit Ausnahme von Croiset) folgten ihm zu Recht. - τοΰτο nimmt τό δέ mit Nachdruck wieder auf und ist (nach τοιαύτα und ταϋτ') ein weiteres Beispiel der Emphase durch Demonstrativpronomina in diesem Abschnitt. - Ähnliche Wendungen wie έπιδέχεται κατηγορίαν finden sich unten in §§ 45 (ταϋτ' άπιστίαν, ταϋτ' όργήν έχει), 46 (θαυμαστήν εύδαιμονίαν και πολλήν άσφάλειαν εχειν), sowie z.B. 18,279 (πασαν εχει κακίαν verglichen von Rehdantz zu § 44). Parallelen mit dem Verbum έπιδέχεσθαι habe ich nicht gefunden. - Die Voranstellung von qualitativen und quantitativen Adjektiven ist zwar normal, die Gegenüberstellung (έχει τινά π ρ ό φ α σ ι ν - έπιδέχεται κατηγορίαν) bewirkt aber Emphase, vgl. Bergson 67 f. Der Nachdruck wird durch das Hyperbaton zusätzlich ver-

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stärkt, vgl. ibid. 71 u. 101-103, was gut zum Ende der Periode paßt; die Kürzenhäufung (πασαν επιδέχεται) trägt wohl ebenfalls zur Emphase bei und π α σ α ν bedeutet eine erhebliche Steigerung gegenüber τινά vor πρόφασιν.

§ 29 ύμεΐς τοίνυν ουκ άκοΰειν, πριν αν ώσπερ νΰν αυτά παρη τά πράγματα, ουχί βουλεΰεσθαι περί ούδενός είώθατε έφ' ησυχίας: Der abstrakte Gedanke in § 28 wird jetzt auf die Athener angewendet, was durch die emphatische Stellung von ύμεΐς am Satzanfang sogleich in die Augen springt. Der asyndetische Anschluß des zweiten Gliedes der Verbindung mit der emphatischen Negation ουχί dient ebenfalls der Hervorhebung. Die Verbindung zwischen abstrakter und konkreter Aussage wird durch das ,metabatische' τοίνυν (dazu vgl. oben zu § 28 τό μεν τοίνυν κτλ.) hergestellt. - Die Anapher der Negation ουκ ... ουχί findet sich nur in S1 (ούτε ... ούτε S rec FAY); sie ist aber stilistisch wirkungsvoller und muß zugleich als die lectio difficilior betrachtet werden. Dindorf und die Gelehrten, die ihm gefolgt sind (Blaß, Fuhr, Butcher und Canfora), übernahmen demnach zu Recht die Lesart von S in ihren Ausgaben. - Mit dem ersten Teil des Vorwurfs, wonach die Athener erst dann bereit seien zuzuhören, wenn die Gefahr schon da sei, knüpft D. an den Satz τοσούτον χρόνον σπουδάζετε, οσον άν κάθησθε ά κ ο ύ ο ν τ ε ς ή προσαγγελθη τι νεώτερον des Proömiums (§ 1) an. Die Parallelen zu dieser Stelle aus anderen Reden des D. (4,36; 8,11 und 19,181) sind oben zu den Paragraphen 1 (κάθησθε) und 21 (παρασκευάζεσθε) ausgeschrieben. Ein bemerkenswerter Unterschied zu diesen Stellen besteht darin, daß D. 4,36 und 8,11 (19,181 ist anders) behauptet, die Athener träfen erst dann militärische Vorbereitungen, wenn schon ein Unglück passiert sei, während er an unserer Stelle sagt, die Bereitschaft der Athener überhaupt zuzuhören zeige sich erst, wenn die Gefahr schon da sei. Die Abweichung erklärt sich aus dem Bestreben des D., die Athener geneigt zu machen, seine Behandlung des schwierigen Themas in §§ 31-34 wohl wollend anzuhören (vgl. auch zum vorigen Lemma). - Worauf sich D. mit ώσπερ νύν bezieht, wissen wir, wie Weil z. St. bemerkt, nicht. D. dürfte z.B. an Euböa, die Chersones und die Auseinandersetzung mit Kardia gedacht haben. Blaß, Att. Bereds. III2 1,387 mit Anm. 4 meint, ώσπερ νύν sei mit den νΰν έπιόντα π ρ ά γ μ α τ α in § 31 inkongruent und passe auch schlecht zu § 27, „wo der Redner die Athener sagen lässt: wir wollen erst dann etwas thun, wenn es notwendig ist". Im ersten Falle ist eine Widerlegung einfach, da die Worte αυτά π α ρ η τά π ρ ά γ μ α τ α und τ ά νύν έπιόντα π ρ ά γ μ α τ α (§31) zwei Aspekte derselben Situation be-

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Kommentar § 29

schreiben („die Probleme sind da", bzw. „sie kommen auf uns zu"). Aber auch im zweiten Falle lassen sich die beiden Aussagen auf einen gemeinsamen Nenner bringen: In § 27 läßt D. die Athener auf die Frage, wann sie endlich bereit sein würden zu handeln, antworten: Wenn es notwendig sein werde. Diese Antwort verwirft er dann mit der Entgegnung, daß die Notwendigkeit schon längst da sei. An unserer Stelle behauptet er dasselbe: Die Probleme seien schon da, und erst jetzt seien die Athener bereit zuzuhören, als man eigentlich schon handeln müßte. - Die starke πρ-Alliteration π ρ ι ν α ν ωοπερ ν ϋ ν α υ τ ά παρχ\ χα π ρ ά γ μ α τ α (zu π-Alliterationen vgl. oben zu § 5 π ρ ώ τ ω μεν π ά ν τ ω ν ) dient wie die Sperrung α υ τ ά ... τ ά π ρ ά γ μ α τ α der Emphase. - Mit βουλεύεσθαι gebraucht D. sowohl die Präposition περί (4,41; 8,1. 3. 67 [=10,70]; 9,20; 19,94) als auch υ π έ ρ (5,3; 6,35; 19,94 [diese Stellen zitiert Rehdantz, Ind. II 123 s. ν. περί und 142 s. ν. υπέρ]). - Der modale Präpositionsausdruck εφ' η σ υ χ ί α ς kommt bei den Rednern, so weit ich sehe, nur im Corp. Dem. vor: D. 45,14; [D.] 13,8; prooem. 20,2; 21,3 (δει δέ βουλεύεσθαι μεν έφ' ησυχίας κτλ.); 31,2. Er ist aber schon Aristoph. vesp. 1517 belegt. Rehdantz, Ind. II 74 s. ν. έπί zitiert noch επί σχολής Aesch. 3,191.

άλλ' οταν μεν έκεΐνος παρασκευάζηται, άμελήσαντες τοΰ ποιεϊν ταύτό και άντιπαρασκευάζεσθαι ραθυμεϊτε: Im positiven Glied des σχήμα κ α τ ' άρσιν και θέσιν kehrt die Kritik am Widerwillen der Athener, gegen Philipp Vorbereitungen zu treffen, trotz der concessio in § 28 zurück. Dabei knüpft D. an seinen in §§ 2 0 - 2 2 mit Nachdruck vorgetragenen Vorwurf an, daß die Athener auf die Vorbereitungen und Aktionen Philipps immer zu spät reagierten. - Mit εκείνος bezieht sich D. wieder auf Philipp, der zuletzt in § 26 erwähnt wurde (οσω ά ν π λ ε ι ό ν ω ν έάσωμεν εκείνον γενέσθαι κύριον); dies ist trotz dem beträchtlichen Abstand möglich, weil alles, was in der Rede gesagt wird, mit Philipp irgendwie in Beziehung steht. - έφ' ύ μ α ς nach π α ρ α σ κ ε υ ά ζ η τ α ι in FA 2m s· Υ (om. SA 1 ) ist eine wahrscheinlich unter dem Einfluß von § 1 5 (έπί την ή μ ε τ έ ρ α ν π ό λ ι ν π α ρ α σ κ ε υ ά ζ ε τ α ι ) entstandene Interpolation. - In der Verbindung ποιεϊν τ α ύ τ ό και ά ν τ ι π α ρ α σ κ ε υ ά ζ ε σ θ α ι ΐ β ί das zweite Glied erklärend. Verbindungen, bei denen im ersten Glied etwas schon Gesagtes durch eine allgemeine Wendung aufgegriffen und diese im zweiten Glied expliziert wird, kommen bei D. auch sonst vor, vgl. z.B. 18,19 ώς ... οί ... Θ η β α ί ο ι φ α ν ε ρ ο ί π α σ ι ν ή σ α ν ά ν α γ κ α σθησόμενοι κ α τ α φ ε ύ γ ε ι ν έφ' υμάς, ό Φ ί λ ι π π ο ς , 'ίνα μη τ ο ϋ τ ο γένοιτο μηδέ συνέλθοιεν αί πόλεις, ύ μ ΐ ν ... είρήνην ... έ π η γ γ ε ί λ α τ ο und Wan-

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kel 208 dazu, der noch 22,37 εί δέ γενήσεται τοΰτο και των ήθάδων ... ρητόρων άπαλλαγήσεσθε vergleicht. Van Herwerden 250 will demnach και άντιπαρασκευάζεσθαι zu Unrecht tilgen („formula ποιεΐν ταύτό de more peperit interpretamentum"). - Zum Kompositum άντιπαρασκευάζεσθαι vgl. D. 6,9 τους ... Θηβαίους ήγεΐτο (sc. Φίλιππος) ... αντί των έαυτοϊς γιγνομένων τά λοιπά έάσειν οπως βοΰλεται πράττειν εαυτόν, και οΰχ ... άντιπράξειν και διακωλύειν. - Zum Vorwurf der ραθυμία s. oben zu § 7. και άν τι λέγη τις, έκβάλλετε: Spengel, Δημηγορίαι 95 meint, dieser Satz sei „schwerlich in seiner Strenge zu verstehen", έκβάλλετε bedeutet aber, wie Weil z. St. mit Hinweis auf D. 19,337, wo das Verbum vom Schauspieler Aischines gebraucht wird (έξεβάλλετ' αυτόν και έξεσυρίττετ' έκ των θεάτρων), bemerkt, nur, daß der Redner zum Schweigen gebracht und zum Verlassen des βήμα veranlaßt wird. Zum Gedanken vgl. D. 18,43 ουδέ φωνήν ήκουον, εί' τις άλλο τι βούλοιτο λέγειν. - άν (seit Dindorf von den meisten Herausgebern akzeptiert) ist bloß in S überliefert, das gewöhnlichere εάν in FAY (zuletzt von Vömel 1847, Heslop und Bekker in den Text genommen); zu άν/ έάν vgl. oben zu §§ 23 sq. έπειδάν δέ άπολωλός ή πολιορκούμενόν τι πύθητε, άκροασθε και παρασκευάζεσθε: Der Schluß der Periode lehnt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch im Wortlaut an D. 4,41 (ihr Athener seid nicht bereit, vorzusorgen, πριν άν ή γεγενημένον ή γιγνόμενόν τι πύθησθε) und 8,11 (ημείς δ' έπειδάν πυθώμεθά τι γιγνόμενόν, τηνικαϋτα θορυβοΰμεθα και παρασκευαζόμεθα) an (vgl. auch oben zu § 21 παρασκευάζεσθε). Vgl. auch die Mahnung von Xen. exp. Cyri 3,2,36: Wenn wir die notwendigen Entscheidungen rechtzeitig treffen, ουκ άν όπότε οί πολέμιοι έλθοιεν, βουλεΰεσθαι ημάς δέοι, αλλά χρφμεθ' άν ευθύς τοις τεταγμένοις. - Das in FAY überlieferte Adverb τηνικαϋτα vor άκροασθε ließen die Zürcher mit S zu Recht fort, da die Nebeneinanderstellung dreier Prädikate, von denen das erste zum Nebensatz gehört und die beiden anderen die Hauptsätze bilden, als die lectio difficilior gelten muß, während das Vorhandensein von τηνικαϋτα das Lesen erleichtert (für έπειδάν ..., τηνικαϋτα vgl. außer 8,11 [oben] noch D. 3, 11; 23,26; 45,9 und [D.] 44,43). τηνικαϋτα wurde später von Dindorf, Vömel 1847, Weil und Croiset trotzdem wieder in den Text genommen. Taylor (und nach ihm Rehdantz) ließ die Wörter και παρασκευάζεσθε mit FY1 fort, vgl. aber G. H. Schaefer z. St., der auf die Wiederaufnahme

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Kommentar §§ 2 9 - 3 0

von π α ρ α σ κ ε υ ά ζ ε σ θ ε durch παρεσκευασμένοις in § 30 hinweist. Spengel, Δημηγορίαι 95 Anm. 2 zitiert das Verbum mit dem Präfix κατα- - ob als Verbesserungsvorschlag oder aus Versehen, bleibt unklar.

§ 30 ήν δ' άκηκοέναι μεν και βεβουλεΰσθαι τότε καιρός, οθ' ύμεΐς ούκ ήθέλετε: Auf die Schilderung des leichtfertigen Umgangs der Athener mit den zu lösenden Aufgaben folgt eine durch die Äußerung von lauter Selbstverständlichkeiten ironisch wirkende Bemerkung, bei der die Verba άκούειν und βουλεύεσθαι zum dritten Mal miteinander verbunden werden. Im Gegensatz zur voraufgegangenen Periode sind es hier die Nebensätze, die ihren Hauptsätzen folgen. Das Prädikat des Hauptsatzes steht emphatisch am Anfang (vgl. zu § 3 έστι δέ ταΰτα), von dem am Satzende stehenden Subjekt durch eine weite Sperrung getrennt. Zu den antizipatorischen Perfektformen vgl. Aesch. 2,62 Δημοσθένης (!) δέ κεκώλυκε π ρ ο σ τ ά ξ α ς ήδη βεβουλεΰσθαι, Plato Crito p. 46 b ουδέ βουλεύεσθαι έτι χ ώ ρ α , άλλα βεβουλεΰσθαι, sowie oben § 15 ύπειληφέναι. Die Perfektformen betonen, daß damals, als die Athener noch nicht einmal zuhören wollten, eigentlich schon ein Ergebnis des Zuhörens und Sich-Beratens hätte erreicht werden sollen. Die Beschreibung bezieht sich aber allgemein auf die Gewohnheiten der Athener und deutet natürlich nicht an, daß es für den Widerstand gegen Philipp zu spät wäre.

πράττειν δέ και χρήσθαι τοις παρεσκευασμένοις νΰν, ήνίκα άκούετε: Zum Gedanken vgl. die Drohung [D.] 13,11 άν δ' άκαιρίαν ήγησάμενοι παρίδητε, δταν δέη χρήσθαι, τότ' άναγκασθήσεσθε παρασκευάζεσθαι. - Das zweite Verbum der Verbindung ist auch hier explizierend (vgl. oben zu § 29 ποιεΐν τ α ύ τ ό κτλ.). Die Parallelität der beiden Satzgefüge mit den kurzen temporalen Nebensätzen hinter ihren Hauptsätzen und den Prädikaten ήθέλετε und άκούετε am Ende des ersten bzw. des zweiten Satzgefüges unterstreicht den ironischen Charakter der Belehrung.

τοιγαροΰν έκ των τοιούτων έθών μόνοι των πάντων ανθρώπων ύμεΐς τοις άλλοις τουναντίον ποιείτε: τοιγαροΰν leitet die sarkastische Schlußfolgerung am Ende der gänzlich ohne mitigatio auftretenden παρρησία ein (zur Partikel, die mit τοιγάρτοι gleichbedeutend ist, vgl. oben zu § 4). Dabei wird die eigentliche Schlußfolgerung in diesem Satz zuerst nur angekündigt. Die Ankündigung mit τουναντίον dient wie die Formel δ δέ π ά ν τ ω ν δεινότατον u.ä. (zu dieser vgl. die Literatur bei

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Wankel 1044 zu D. 18,234) der Steigerung und ist bei den Rednern sehr verbreitet. Ich zitiere nur ein paar Stellen, deren Ähnlichkeit mit der unsrigen besonders augenfällig ist: Ant. 5,34 τουναντίον ποιήσαντες ή οί άλλοι άνθρωποι - οί μέν γάρ άλλοι κτλ., Lys. 20,35 πεπόνθαμεν δε τουναντίον τοις άλλοις άνθρώποις· οί μέν γάρ άλλοι κτλ., Isocr. 18,66 τουναντίον δ' ήμΐν συμβέβηκεν ή τοις άλλοις - οί μέν γάρ άλλοι κτλ., 19, 2 τουναντίον δέ πέπονθα τοις πλείστοις των ανθρώπων· τούς μέν γάρ άλλους κτλ. - έκ mit dem Genetiv in der Bedeutung „auf Grund", „infolge" ist bei D. geläufig, vgl. die Belege bei Rehdantz, Ind. II 67 (unten) u. Lutz 53 f. - Zur Hyperbel πάντες άνθρωποι vgl. oben zu § 2. Der Typus μόνος (των όντων oder πάντων) ανθρώπων kommt bei den Rednern noch an folgenden Stellen vor (im Corp. Dem. nur in echten Reden): D. 3,24; 19,113. 269; 20,141; 21,195; 23,14. 56; 31,14; And. 2,12; Lys. 2,81; 24,9; Isocr. 19,39; Lyc. 131 (die meisten dieser Beispiele bei Rehdantz, Ind. II 46 s. ν. άνθρωπος). Vgl. auch unten § 66 έν μόνη των πασών πόλεων. - Die Wortfolge ύμεΐς τοις άλλοις τουναντίον (S) mit der pointierten Zusammenstellung der Gegensätze (die zur Juxtaposition μόνοι των πάντων vorzüglich paßt) wird seit Bekker der Wortstellung ύμεΐς τουναντίον τοις άλλοις (FAY) zu Recht vorgezogen. Für ähnliche Zusammenstellungen wie hier vgl. oben zu § 3 τούς λόγους τά έργα. οί μέν γάρ άλλοι προ των πραγμάτων ειώθασι χρήσθαι τω βουλεύεσθαι, ύμεΐς δέ μετά τά πράγματα: Diese antithetische Schlußfolgerung hat D. mit fast denselben Worten schon im Proömium der Friedensrede (5,2) gezogen, dort nach dem Vorwurf, die Athener würden die ohnehin schwierigen Beratungen durch ihr verkehrtes Verhalten zusätzlich erschweren. Hier bildet sie den paradoxen, schlagfertig spöttischen Abschluß der Argumentation. An beiden Stellen steht sie aber im Zusammenhang einer Mahnung an die Athener, ruhig zuzuhören. Die Pointe, daß man Beratungen vor den Ereignissen und nicht nach ihnen brauche, setzt D. noch 18,189 ein: ό μέν γε (sc. ό σύμβουλος zum Unterschied vom Sykophanten) προ των πραγμάτων γνώμην αποφαίνεται. Bei Isocr. vgl. 10,45 των ... μηδέν πρό τοΰ πράγματος ένθυμουμένων αλλά τό συμβαίνον μόνον σκοπουμένων. Zum Typus selbst dieser pointierten Antithese, in der eine Gruppe von Menschen bezichtigt wird sich in einem bestimmten Punkte von allen anderen Menschen zu unterscheiden, vgl. zusätzlich zu den schon zum vorigen Lemma zitierten Stellen Ant. 5,84 και οί μέν άλλοι άνθρωποι τοις έργοις τούς λόγους έλέγχουσιν, ούτοι δέ τοις λόγοις τά έργα ζητούσιν

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ά π ι σ τ α κ α θ ι σ τ ά ν α ι und aus dem Proömien-Sammlung des Corp. Dem. prooem. 42,2 οι μέν γ ά ρ άλλοι π ά ν τ ε ς ά ν θ ρ ω π ο ι τ ο ι ς έ τ ε ρ ω ν π α ρ α δείγμασι χ ρ ώ μ ε ν ο ι μάλλον ευλαβείς α υ τ ο ί γίγνονται* ύμεΐς δ' ο υ δ έ τ ά τ ο ι ς άλλοις σ υ μ β α ί ν ο ν τ ' ά κ ο ύ ο ν τ ε ς φ ο β η θ ή ν α ι δ ύ ν α σ θ ε . Für die Wirkung der Pointe ist die syntaktische Parallelität und die Wiederholung derselben Substantive (wie an unsere Stelle und bei Ant.) von großer Bedeutung. Statt der Wiederholung können aber auch Synonyme eingesetzt werden wie oben prooem. 42,2. - Den Vorwurf, den Ereignissen hinterherzulaufen, erhebt D. 4,39 mit den Worten άκολονθεΐν τοις π ρ ά γ μ α σ ι ν , denen die Wendung εμπροσθεν είναι τ ω ν π ρ α γ μ ά τ ω ν gegenübersteht. - Die Lesart άλλοι π ά ν τ ε ς ά ν θ ρ ω π ο ι in FA ( π ά ν τ ε ς ά ν θ ρ ω π ο ι om. S Y ) stammt aus D. 5,2 und wird von den Herausgebern seit Bekker zu Recht nicht mehr übernommen.

§§ 31-34 Empfehlung, mit dem Großkönig in Verhandlungen zu treten § 31 δ δή λοιπόν έστι και πάλαι μέν έδει, διαφεύγει δ' ουδέ νϋν, τοϋτ' έρώ: Nach der ausführlich begründeten Mahnung zuzuhören, geht D. mit dieser Ankündigung zu seinem eigentlichen Anliegen, dem Vorschlag von Verhandlungen mit dem Perserkönig, über. Der Nebensatz geht wie oft in solchen Ankündigungen dem Hauptsatz voraus (vgl. oben zu § 20). Die Bedeutung von δή ist hier identisch mit der von ου ν (vgl. dazu Denniston, Particles 238, Nr. 2 und Isocr. 3,29 λ ο ι π ό ν ο ΰ ν έ σ τ ί ν κτλ.). - Anders als die anderen Kommentatoren und Übersetzer (vgl. auch Blaß, Att. Bereds. III 2 1,387 Anm. 2) schlägt Rehdantz nicht π ρ ά ξ α ι sondern ειπείν als Ergänzung zu έδει und δ ι α φ ε ύ γ ε ι vor. Diese Auffassung scheint auch Spengel, Δ η μ η γ ο ρ ί α ι 96 zu teilen: Sonst würde er die Anfangsworte δ δή λοιπόν έ σ τ ι nicht für „unverständlich" halten mit der Begründung, der durch sie angekündigte Gegenstand müsse am Ende der Rede stehen. Canfora hält auf S. 132 seiner Ausgabe beide Ergänzungen für denkbar. Sie würden in der Tat beide zu den Worten ö δ ή λ ο ι π ό ν έ σ τ ι passen, mit denen D. einen Nachtrag zu seinen in § 19 zusammengefaßten Vorschlägen zur Organisation des Widerstandes gegen Philipp ankündigt. Auch der in der Erweiterung και π ά λ α ι μέν έδει enthaltene latente Vorwurf, der sogleich durch die Wendung διαφεύγει δ' ο υ δ έ ν ΰ ν entkräftet wird, kann sowohl als gegen die Athener gerichtete Kritik (bei der Ergänzung π ρ ά ξ α ι ) als auch als Selbstkritik (bei der Ergänzung ειπείν) aufgefaßt werden. Was mich die Ergänzung π ρ ά ξ α ι bevorzugen läßt, ist, daß die Einforderung einer Maßnahme, die zwar (wie

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gewohnt) schon längst hätte ergriffen werden sollen, die aber (anders als sonst) noch nicht zu spät erfolgen würde, zum Vorwurf, die Athener reagierten immer zu spät auf die von Philipp gestellten Herausforderungen (§ 30), besonders gut zu passen scheint. Die Ergänzung π ρ α ξ α ι wird auch durch die von Rehdantz ad loc. verglichene Stelle D. 1 , 2 0 εστι δή λοιπόν, οίμαι, πάντας είσφέρειν κτλ. unterstützt. Andererseits kommt bei den Rednern die Übergangsformel λοιπόν (ΰπόλοιπον) ειπείν (διελθεΐν, διεξελθεΐν usw.) häufig vor: Etwa zehnmal bei Isocr., j e ein halbes Dutzend mal bei Aesch. und bei D., sonst nur vereinzelt; es braucht nicht unbedingt das letzte Thema der Rede einzuleiten, vgl. z.B. D. 18,110 ήγοϋμαι τοίνυν λοιπόν ειναί μοι περί τοϋ κ η ρ ύ γ μ α τ ο ς ειπείν και τ ω ν ε υ θ υ ν ώ ν , wo nach der Besprechung der Rechtslage noch die große Rechtfertigung der eigenen Politik ( 1 8 , 1 6 0 - 2 9 6 ) folgt, und dazu Wankel 5 9 0 mit weiteren Beispielen (Isocr. 3 , 2 9 ; Aesch. 3 , 4 9 . 76. 103). Somit ist auch die von Spengel, Δημηγορίαι 96 vorgeschlagene Transposition der §§ 3 1 - 3 4 und 3 5 - 4 5 überflüssig, unabhängig davon, welche Ergänzung zu λοιπόν wir wählen. Die Umstellung, die Spengel u.a. mit dem Argument empfahl, daß die Wendung δ λυμαίνεται την πόλιν gut zum Inhalt der §§ 2 8 - 3 0 passen würde, und daß, nachdem die Theorika dem Volke verbleiben sollten (§§ 3 5 - 4 5 ) , der Nachweis ganz natürlich folge, daß sich στρατιωτικά auf andere Weise, nämlich vom Perserkönig, beziehen ließen (§§ 3 1 - 3 4 ) , wurde schon von Weil z. St. mit Hinweis auf den engen Zusammenhang zwischen §§ 2 8 - 3 0 und 3 1 - 3 4 verworfen. - Auch wenn man sich für die Ergänzung ειπείν entscheidet, ist bei der Wendung διαφεύγει δ' ο υ δ έ νυν an eine Selbstbespiegelung (etwa: „mir wird dieses Thema aber nicht entgehen, ich werde dazu schon etwas zu sagen wissen") nicht zu denken, wie Rehdantz z. St. mit Hinweis auf Isocr. 4 , 1 8 7 (πολλά με δ ι α π έ φ ε υ γ ε ν ών διενοήθην) und 15, 140 (τό γάρ ε φ ε ξ ή ς με λέγειν δ ι α π έ φ ε υ γ ε ν ) meint. Rehdantz zeigt hier seine auch sonst zu beobachtende Tendenz (vgl. oben zu § 4 οί της έκείνου π ρ ο α ι ρ έ σ ε ω ς , ol τυραννίδων και δυναστειών επιθυμούντες, sowie Einleitung, Anm. 338), die Worte des D. auf eine unnatürliche Weise zu interpretieren, um dann feststellen zu können, „daß der schulmäßige Verf(asser)" sich wieder einmal verraten habe. - Das Verbum διαφεύγειν hat, wie an den beiden obigen Isocr. Stellen, auch Isocr. 4 , 1 1 1 ; Isae. 7 , 3 und Aesch. 3 , 2 4 9 ein abstraktes Subjekt. - Bemerkenswert ist nicht nur die chiastische Ordnung, sondern auch der Rhythmus der Ankündigung: Die Worte εστι και πάλαι μέν έ'δει, διαφεύγει δ' ο ΰ δ ε νύν, τ ο ΰ τ ' έ ρ ώ lassen sich als Daktyloepitriten analysieren (e u D - e e ) . - Das Fehlen von άν bei Ausdrücken der Not-

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wendigkeit, Wahrscheinlichkeit, Angemessenheit u. ä., die mit einer infinitivischen Ergänzung versehen werden (an unserer Stelle muß man den Infinitiv in Gedanken ergänzen), ist im Attischen die Regel, vgl. Rehdantz, Ind. II 45 und Schwyzer II 308 f. - Vor Bekker schrieben die Herausgeber mit FY διαφέρει, seitdem hat sich διαφεύγει, die Lesart von S corr A, durchgesetzt. Nur Vömel entschied sich mit S1 für den Infinitiv διαφεύγειν (seine Übersetzung: „nec nunc effugere decet"), aber auch Canfora will in der „nota critica" seiner Ausgabe, S. 132, den recht künstlich wirkenden Infinitiv nicht ausschließen. - Bei Ankündigungen mit voraufgehendem Nebensatz beginnt der normalerweise kurze Hauptsatz sehr häufig mit einem Demonstrativum, vgl. z.B. die von Wankel 1088 zu D. 18,248 zitierten Stellen (D. 6,28; 18,60. 248; 39, 6; 60,9. 27; [D.] 48,36; Isae. 7,13) sowie - mit ταϋτ' (τοΰτ') έρώ am Ende des Satzgefüges, wie an unserer Stelle - D. 21,15. 104. 130. 208; 23,111; 24, 19; prooem. 50,1; Aesch. 3,213. - Übergänge, die eine Ankündigung, aber keine rekapitulativen Elemente enthalten, gibt es in unserer Rede noch vor allem in §§ 11. 35. u. 46. Solche Übergänge finden sich oft bei den Rednern, vgl. die (leider nicht ausgeschriebenen) Belege bei Elliott 53 und 84.

ούδενός των πάντων ούτως ως χρημάτων δει τη πόλει προς τά νϋν έπιόντα πράγματα: Nach der Ankündigung spricht D. seinen Vorschlag immer noch nicht offen aus, sondern fährt vorsichtig damit fort, für ihn den Boden vorzubereiten. Nachdem er in §§ 28-30 eindringlich die Notwendigkeit des Zuhörens betont und in der vorangegangenen Ankündigung die Wichtigkeit dessen, was er sagen will, hervorgehoben hat, weist er jetzt auf den Geldmangel der Athener hin. Diesen drastischen Hinweis braucht D., um seinen nachfolgenden, durchaus umstrittenen Vorschlag seinen Landsleuten schmackhaft zu machen. Die finanzielle Notwendigkeit war wohl auch der einzige Grund, den diese für Verhandlungen mit dem Perserkönig gelten ließen. Deshalb ist der Einwand von A. Schäfer III1, Beil. IV 100, unhaltbar, daß hier die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Bündnisses mit dem Perserkönig „nur obenhin berührt" bleibe, und die Sache überhaupt so aufgefaßt sei, „wie späterhin die herabgekommenen griechischen Gemeinden sich an den Höfen der Könige Geldspenden erbettelten um ihr Dasein kümmerlich fristen zu können". Mit seiner Formulierung suggeriert Schäfer, daß das offene Zugeständnis der finanziellen Notwendigkeit des echten D. unwürdig sei. Mit der politischen Verhaltensweise der Griechen (auch der Athener) im 4. Jh. steht aber diese Auffassung nicht im Einklang. Die Her-

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vorhebung des Geldmangels ist also ein geschickter rhetorischer Schachzug, wobei die in der 3. Philippika (9,40. 70) anders gesetzten Akzente (es gebe in Athen in der Gegenwart mehr Geld als zur Zeit der Perserkriege; Athen sei reicher als die anderen Städte Griechenlands) uns nicht zu stören brauchen, wie Milns 297 meint; denn in der 3. Philippika geht es darum, das Selbstvertrauen der Athener zu stärken durch die Betonung der relativen Vorteile, die sie genießen. Schwerer wiegt schon der zweite Einwand von Milns a. O., mit dem er auf die Diskrepanz zu § 38 hinweist, wo der Redner für die Beibehaltung des Theorikons ausgerechnet mit der besser gewordenen Finanzlage Athens wirbt. Dort handelt es sich zwar wie 9,40 und 70 bloß um relative Vorteile, aber die unterschiedliche Wertung in der Frage des Geldbedarfes schwächt ohne Zweifel die Wirkung beider Stellen. Die Diskrepanz nährt damit jedenfalls den Verdacht, daß die beiden Abschnitte (§§ 31-34 und 35-45) nicht in dieselbe Rede gehören. - Blaß, Att. Bereds. III2 1,387 kritisiert, daß in „eine(r) zum Handeln unbedingt nöthigende(n) Lage" eine Gesandtschaft nach Susa zu empfehlen nicht zweckmäßig sei. τ ά έπιόντα π ρ ά γ μ α τ α kann sich aber auch auf Dinge beziehen, die D. erst für später erwartet; der Frieden mit Philipp bestand ja trotz aller Spannungen immer noch fort (zu der von Blaß ebenfalls kritisierten angeblichen Inkohärenz von τ ά έπιόντα π ρ ά γ μ α τ α und α υ τ ά π α ρ η τ ά π ρ ά γ μ α τ α vgl. oben zu § 29). Auch den Einwand von Canfora, Per la cronologia 19 f., daß die Aussage an unserer Stelle mit dem Inhalt von § 33 in Widerspruch stünde, da sich dort die Mitglieder der vorgeschlagenen athenischen Gesandtschaft ganz anderer Argumente bedienten, kann man nicht gelten lassen. Denn was die Athener vom Perserkönig wollten, war Geld, und dies gibt D. vor seinen Landsleuten unverblümt zu. In Susa jedoch mußten ihre Gesandten ihr Anliegen natürlich diskreter vortragen. Zum Asyndeton nach einer Ankündigung vgl. z.B. unter den zum vorigen Lemma zuletzt zitierten Stellen D. 18,60sq.; 21,208; 60,9. 27, sowie oben zu § 21 ουδέν πώποτε. - Für die demosthenische Hyperbel ουδείς των π ά ν τ ω ν vgl. oben zu § 1. Blaß vergleicht als mögliche Nachahmungen unserer Stelle Dion. Hal. ant. Rom. 4,23,4; 6,64, 1 (mit Asyndeton nach einer Ankündigung) und 10,11,5, wo in der Wendung ούδενός (οΰτω) δει ώς der partitive Genetiv των π ά ν τ ω ν in allen drei Beispielen fehlt. Blaß behielt aber wie die übrigen Herausgeber zu Recht das in SFAY überlieferte των π ά ν τ ω ν bei. - Für die Wendung δει χρημάτων vergleicht Rehdantz z. St. D. 1,20 δει δέ χρημάτων, και άνευ τούτων ουδέν έστι γενέσθαι των δεόντων. An unserer Stelle wird das Genetiv-Objekt χρημάτων sowohl durch seine Stellung als

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auch durch die voraufgehende hyperbolische Bestimmung ούδενός των πάντων hervorgehoben. - έπιέναι hat auch sonst häufig ein abstraktes Subjekt und zwar sowohl in der Dichtung (vgl. ζ. Β. II. 1,29 πριν μιν και γήρας επεισιν) als auch in der Prosa (vgl. ζ. B. Herod. 7,145,2 δεινών έπιόντων und D. 8,18 την έπιοϋσαν ώραν). Das Bild im Ausdruck τά έπιόντα πράγματα war also zur Zeit des D. schon ziemlich blaß. συμβέβηκε δ' ευτυχήματα από ταύτομάτου: Der Ausweg aus den finanziellen Schwierigkeiten wird zunächst änigmatisch angekündigt. Änigmatische Formulierungen, die dazu dienen, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erhöhen, finden sich gelegentlich auch sonst bei D. Das berühmteste Beispiel ist wohl 9,36 ήν τι τότ', ήν, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, έν ταΐς των πολλών διανοίαις, ο νϋν ουκ εστίν, ö και των Περσών έκράτησε πλούτου κτλ. - Die Zürcher und Vömel schrieben mit S άπ' αυτομάτου (άπό ταύτομάτου FAY); diese Form scheint aber sonst nicht belegt zu sein. Blaß änderte den Text zu εύτυχήματ' αυτόματα mit Hinweis auf D. 1,7 (νυνί γάρ ö πάντες έθρυλεϊτε τέως ..., γέγονεν αύτόματον) und 1,9 (νυνί δη καιρός ήκει τις ούτος ... αυτόματος τη πόλει), wo D. die Athener mit demselben Argument, wie an unserer Stelle, der glücklichen Gelegenheit, die sich unverhofft eingestellt hat, zum Handeln zu bewegen sucht. Die Textänderung ist freilich unnötig, da από ταύτομάτου bei D. gut belegt ist: 19,37; 24,27. 121; 54,32; 57,9; vgl. auch [D.] 46,11; 56,14; Isae. 3,22; Aesch. 1,127; Herod. 2,66,4; Thuc. 2,77,4 und Plato apol. p. 38 c. οίς αν χρησώμεθα ορθώς, 'ίσως άν γένοιτο τά δέοντα: Für die Ermunterung, daß sich noch alles zum Guten wenden könne, wenn die Athener den Vorschlag des Redners befolgen, vergleicht Heslop z. St. D. 3,33 έάν ούν ... ταϊς περιουσίαις ταΐς οϊκοι ... άφορμαΐς επί τά εξω τών αγαθών χρήσησθε, ίσως άν, ϊσως ... τέλειόν τι και μέγα κτήσαισθ' άγαθόν. Vgl. auch 8,77 άν ούτω τοις πράγμασι χρησθε ..., ίσως άν, ίσως και νΰν έ'τι βελτίω γένοιτο. - Die Wendung ορθώς χρασθαι τινί kommt bei den Rednern außer Isocr. 7,12 nur im Corp. Dem. vor (D. 1,11; 4,39; 60,22; [D.] 61,3;epist. 1,11). - Blaß tilgte τά δέοντα („χρήματα potius subaudiendum"); τά δέοντα (dazu vgl. auch oben zu § 22) zeigt aber, daß D. schon weiter denkt: Das Geld ist für ihn kein Selbstzweck, sondern ein notwendiges Mittel zur Erreichung seiner Ziele. πρώτον μέν γάρ οίς βασιλεύς πιστεύει και εύεργέτας ύπείληφεν έαυτοϋ: Seinen Vorschlag, mit dem Perserkönig in Verbindung zu tre-

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ten, führt D. (auch weiterhin vorsichtig) auf indirektem Wege, durch die Beschreibung des unvermittelt eingetretenen Glücksfalles ein. Der Großkönig erscheint dabei nur in einem Nebensatz; im Mittelpunkt stehen einstweilen seine mit Philipp verfeindeten Vertrauten. Diese wurden früher verschiedentlich mit den Thebanern (Stock, vgl. Dobson z. St.) oder den Thrakern (Reiske und zuletzt Vince S. 2 8 6 Anm. a) gleichgesetzt. Die zweifelsohne richtige Lösung, wonach an „die Satrapen" zu denken sei, stammt vom Scholiasten (Schol. in D. 10 p. 1 5 2 , 2 7 Dilts) und wurde, nachdem Böhnecke 4 6 0 festgestellt hatte, daß dabei vor allem an Mentor von Rhodos zu denken sei, von fast allen Gelehrten akzeptiert. Mentor (zu ihm vgl. U. Kahrstedt, R E X V 1 , 1 9 3 1 , Sp. 9 6 4 f.), verschwägert durch seine Schwester mit dem Satrapen Artabazos, gelangte zwar durch dessen Abfall vom Perserkönig zeitweilig in Gegnerschaft zu diesem und diente den Abtrünnigen in Ägypten und Sidon. Später wechselte er mit seinen Söldnern zum Perserkönig über und unterstützte die Rückeroberung Phöniziens (Diod. 1 6 , 4 2 , 2 . 4 5 , 1 ) . Das Vertrauen und die Dankbarkeit des Großkönigs Artaxerxes III. Ochos ( 3 5 9 / 8 - 3 3 7 ) verdiente er aber vor allem durch die entscheidende Rolle, die er bei der Unterwerfung Ägyptens im J. 343/2 spielte (zum ägyptischen Feldzug und dem großen Einfluß Mentors am Hofe vgl. Diod. 1 6 , 4 7 , 4 . 4 9 , 7 - 5 0 , 8 . 5 2 , 1 - 4 ) ; zur Datierung vgl. Wüst 5 9 - 6 3 und die bei Radicke 36 f. Anm. 142 f. angegebene Literatur. Der Großkönig schickte ihn anschließend (wohl im J. 3 4 2 ) als σατράπην της κατά την Ά σ ί α ν παραλίας und αυτοκράτορα στρατηγόν nach Kleinasien (Diod. 1 6 , 5 2 , 1 sq.). Schon diese beispiellose Erhöhung des als Soldat besonders erfolgreichen Rhodiers war ein eindeutiges Zeichen der Entschlossenheit des Artaxerxes, seinem Machtanspruch im Westen des Reiches wieder volle Geltung zu verschaffen. In Mentor muß D. somit zwangsläufig einen natürlichen Verbündeten gegen Philipp, der Makedonenkönig hingegen einen gefährlichen potentiellen Gegner gesehen haben. Von seinen Aktivitäten in Kleinasien sind uns nur zwei Ereignisse bekannt: Er bewirkte die Begnadigung seines nach Makedonien geflüchteten Schwagers Artabazos und seines Bruders Memnon durch den Großkönig (Diod. 1 6 , 5 2 , 3 sq.), wodurch er Philipp nebenbei auch potentielle Werkzeuge entzog, und verhaftete den mit Philipp in Verbindung stehenden Tyrannen von Atarneus, Hermias (vgl. unten § 32 άνάσπαστον γέγονεν). Die uns bekannten Leistungen Mentors begründen durchaus hinreichend das ihm von Artaxerxes entgegengebrachte Vertrauen und auch Diod. 1 6 , 5 0 , 7 betont, daß er έν τοις παραθαλαττίοις μέρεσι της 'Ασίας ήγεμών μέγιστος αποδειχθείς τω βασιλεΐ

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μεγάλας παρείχετο χρείας έκ μεν της Ε λ λ ά δ ο ς μισθοφόρους ά θ ρ ο ί ζ ω ν και π έ μ π ω ν πρός Ά ρ τ α ξ έ ρ ξ η ν , κατά δέ τ ά ς πράξεις ανδρείως και πιστώς ά π α ν τ α διοικών. - ευεργέτης war ein „Ehrentitel derjenigen, welche sich um den Perserkönig verdient gemacht haben" (Rehdantz z. St.); auf Persisch wurden die εύεργέται des Großkönigs laut Herod. 8,85,3 (s. auch Soph. frg. 183 u. 634 [TrGF 4 Radt]) όροσάγγαι genannt. Da die Leistungen Mentors denen des Phylakos, der diesen Ehrentitel wegen seiner Tapferkeit in der Schlacht von Salamis erhalten hatte (Herod. a.O.), zweifelsohne als weit überlegen gelten dürfen, könnte man durchaus glauben, daß der Rhodier tatsächlich zu den όροσάγγαι gehörte. Das Verbum ύπείληφεν deutet aber eher darauf hin, daß D. das Wort ευεργέτης vielleicht doch nicht stricto sensu als 1.1. gebraucht hat. Die Belege aus dem 5. und 4. Jh. für ευεργέτης von den Wohltätern des Perserkönigs hat E. Skard, Zwei religiös-politische Begriffe. Euergetes-Concordia (= Avhandl. utg. av Det Norske Vidensk.Akad. i Oslo II, Hist.-Fil. Kl. 1931. No. 2), 7 mit Anm. I zusammengetragen (unsere Stelle fehlt in seiner Aufzählung). Milns 294 bezweifelt, daß den Zuhörern die politische Institution der εύεργέται bekannt und somit die Anspielung des Redners verständlich sein konnte. Diese brauchten aber gar nicht an persische Institutionen zu denken, da der εύεργέτης-Titel auch in Athen selbst zumindest seit dem 5. Jh. geläufig war, vgl. Skard a.O. 8. Im übrigen können wir, wie gesagt, kaum feststellen, ob D. wirklich an einen der offiziellen persischen Titel Mentors gedacht oder einfach eine athenische Redeweise gebraucht hat, als er ihn ευεργέτης des Großkönigs nannte. - Daß D. den Vorschlag auf Verhandlungen mit dem Perserkönig durch eine Anspielung auf Mentor einleitete, war besonders geschickt. Dieser hatte nämlich nach der Kapitulation Ägyptens im J. 343/2 beim Großkönig die Begnadigung der auf der Seite der Aufständischen kämpfenden griechischen Söldner erwirkt, was in Athen noch im J. 327/6 in der Begründung der Ehrung seines Enkels Memnon durch einen goldenen Kranz hervorgehoben wurde: IG II2 356,24-34 οί, π[ρ]όγονοι [Φαρν]ά[β]αζος και Ά ρ [ τ ά ] β α ζ ο [ ς δι]ετέλουν τον δήμον [τόν Ά θ ] η ν α ί ω ν εύεργετοΰν[τες κ]αί χρήσιμοι οντες έν [το]ΐς πολέμοις τ ω δήμω [καί] ό π α τ ή ρ Θ υ μ ώ ν δ ο υ Μέ[ντω]ρ τους έν Α ί γ ΰ π τ φ στρ[ατ]ευομένους των Ε λ λ ή ν ω ν [έ']σωισεν, δτε ήλω [Α]'ιγυπτ[ος] υ π ό Περσών, vgl. Η. W. Parke, Greek Mercenary Soldiers, Oxford 1933,169. Die Dankbarkeit der Geretteten und ihrer Freunde und Verwandten war ein (gutes?) Jahr nach dem Ereignis noch ganz frisch. Ob D. außer an Mentor noch an andere Männer denkt (z. B. an Artabazos, dem gegenüber der Großkönig freilich wenig Grund

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zu Vertrauen hatte) oder ob der Plural nur eine Form der Peribole ist, läßt sich nicht entscheiden. Ein Ausdruck der Peribole ist jedenfalls die Verbindung πιστεύει και εύεργέτας ύπείληφεν, bei der das zweite Glied erklärend ist. - Bei unterschiedlicher Rektion der Prädikate wird das Relativpronomen im zweiten Relativsatz nicht wiederholt, vgl. die Beispiele bei Rehdantz, Ind. I 32 und Kühner/ Gerth II 432 a. ούτοι μισοϋσι και πολεμοϋσι Φίλιππον: Die Ernennung von Mentor zum Satrapen und Strategen für Kleinasien war schon an sich ein Zeichen dafür, daß Artaxerxes nicht gewillt war, der Erosion seiner Macht im Westen seines Reiches tatenlos zuzusehen. Das energische Auftreten des Rhodiers gegenüber Hermias (vgl. zum nächsten Lemma) hat die Beziehungen zwischen Philipp und Persien sicher belastet; wir wissen wenig von den anderen Aktivitäten Mentors, aber Diod. 16,52,8 erwähnt ausdrücklich, daß Hermias nicht der einzige der nach Unabhängigkeit strebenden Potentaten Kleinasiens war, der das gestärkte Selbstbewußtsein der persischen Zentralmacht zu spüren bekam. Alle diejenigen, die sich der Oberhoheit des Perserkönigs zu entziehen trachteten, suchten wohl wie Hermias die Verbindung mit Philipp; ihre Unterwerfung bedeutete wiederum zwangsläufig einen Rückschlag für Philipps Bestrebungen, eine für ihn selbst günstige Machtkonstellation in Kleinasien aufzubauen. Der Konflikt zwischen Philipp und Mentor war also programmiert. Diese Lage rechtfertigt die Bezeichnung des Verhältnisses zwischen Mentor und Philipp mit dem Verbum μισεΐν. Wie man aber das Verbum πολεμεΐν zu verstehen hat, ist nicht unumstritten. Von offenen Kriegshandlungen zwischen den Satrapen und Philipp hören wir nämlich erst im Zusammenhang mit der Belagerung von Perinth durch den Makedonenkönig, die sich aber nach Philoch. (FGrHist 328) frg. 54 erst unter dem Archonten Theophrastos im J. 340/39 ereignete (vgl. auch [D.] 11,5 und Diod. 16,74,1 sq.; 16,75,1 sq.; dieser setzt den wichtigsten Teil der Belagerung von Perinth in das Archontat von Nikomachos im J. 341/0). Heslop z. St. meint, man könne das Verbum πολεμοϋσι kaum konkret verstehen, was Canfora, Per la cronologia 16 und in der „nota critica" seiner Demosthenes-Ausgabe S. 132 wiederum mit der Begründung bestreitet, πολεμοϋσι könne nur „una guerra vera e propria" bezeichnen; deshalb bezieht er die Worte auf die Belagerung von Perinth, was er dann zur Unterstützung seiner Theorie, die §§ 31-34 seien im J. 340/39 verfaßt, verwendet. Der Krieg um Perinth, der Philipp im Falle eines Sieges einen Hafen an der Propontis verschafft hätte, war aber aus athenischer Sicht ein Ereignis von so überragender Bedeutung,

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daß D. ihn für seine Argumentation bestimmt viel besser als nur durch eine beiläufige Anspielung ausgenutzt hätte. Die Belagerung von Perinth brachte zwar wahrscheinlich den ersten direkten Zusammenstoß Philipps mit den Satrapen mit sich, Verbündete von Philipp oder von ihm (mit)finanzierte Truppen können aber sehr wohl auch früher, z.B. eben in Zusammenhang mit der Auflösung der Herrschaft von Hermias, mit den Satrapen in Konflikt geraten sein. Griffith (bei Cawkwell, CQ 1963,135) weist aber auch auf Arrian Anab. 2,14,5 hin, wo Alexander dem Dareios vorwirft, daß eine persische Streitmacht zur Unterstützung der Thraker gegen Philipp gesandt worden sei. Ein passender Zeitpunkt für diese Unterstützung könnte sehr wohl das Jahr 342/1 gewesen sein, d.h. die Zeit, als Mentor in Kleinasien schon angekommen und der Krieg Philipps in Thrakien bereits im Gange war (vgl. Cawkwell a. O. Anm. 1). All das würde die Verwendung von πολεμοΰσι schon völlig rechtfertigen. D. ist aber durchaus auch eine Hyperbel zuzutrauen, mit der er irgendeinen gewaltsamen Angriff auf Leute, die mit Philipp in Verbindung standen oder sich irgendwie auf ihn stützten, als einen Krieg gegen ihn selbst bezeichnete, wenn er es als für seine Argumentation nützlich erachtete (so sieht Sealey 183-185 unsere Stelle). Aus dem Wort πολεμοΰσι kann also auf keinen Fall geschlossen werden, daß unser Abschnitt nicht von D. stamme oder daß er erst zu einem späteren Zeitpunkt verfaßt worden sei. Milns 294 meint, daß unsere Stelle Klarheit und Präzision, nicht bloß eine Anspielung erfordert hätte. Falls jedoch D. außer der Festnahme des Hermias und der eventuellen Unterstützung der Thraker wenig Konkretes über den Haß und Kriegswillen der Satrapen gegen Philipp zu berichten hatte, war es allemal wirkungsvoller, es bei der Anspielung zu belassen als die im Grunde doch ziemlich mageren Einzelheiten aufzuzählen. - Die Verbindung der Verben μισοΰσι und πολεμοΰσι hält der Verbindung πιστεύει και εύεργέτας ΰπείληφεν im vorausgegangenen Relativsatz die Waage und hebt die Feindschaft Mentors gegen Philipp ebenso hervor wie jene Peribole das Vertrauen des Artaxerxes für Mentor unterstrichen hat. - Φίλιππον, die Lesart von SF s v (Φιλίππω F'AY) wurde zuerst von Vömel mit Hinweis auf Din. 1,36 in den Text aufgenommen, fand aber nur bei Weil, Rehdantz (der u. a. D. 23,165 verglich), Spengel, Δημηγορίαι 95f. Anm. 3 und Butcher Unterstützung. Bekker, Dindorf, Heslop (freilich widerstrebend), Blaß, Fuhr, Croiset und Canfora blieben hingegen beim Dativ, wohl zu Unrecht: Das Verbum πολεμεΐν erscheint nämlich passiv im Attischen schon bei Thuk. und ist mit einem Akkusativobjekt zuerst D. 23,165 (alle maßgeblichen Hss. mit Ausnahme von A), dann Din. 1,36 und schließlich mit

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ziemlicher Regelmäßigkeit seit der hellenistischen Zeit belegt (vgl. LSJ s.v. II 1). An unserer Stelle wird aber die Verwendung des Akkusativs auch durch die Verbindung von πολεμοΰσι mit dem transitiven μισοΰσι erleichtert (so Rehdantz z. St., der die Nachahmung Plut. inv. et od. 4 p. 537 b [versehentlich als „Plato Staat 537 b" angegeben] vergleicht: μισοΰσι δ' άλληλα και ά π ε χ θ ά ν ο ν τ α ι και πολεμοϋσιν ώσπερ άσπείστους τινάς πολέμους). Der in der besten Hs. überlieferte Akkusativ sollte demnach als lectio difficilior angenommen werden.

§ 32 έπειθ' ό πράττων και συνειδώς άπαντα, ά Φίλιππος κατά βασιλέως παρασκευάζεται, ούτος άνάσπαστος γέγονεν: D. gliedert seine Beschreibung der εύτυχήματ' α π ό τ α ύ τ ο μ ά τ ο υ in zwei Teile: Den ersten, der durch π ρ ώ τ ο ν μέν eingeleitet wird, widmet er den Vertrauten des Perserkönigs und deren Haß auf Philipp (vgl. zum vorigen Lemma), den zweiten, den er durch επειτα einleitet, dem unglücklichen „Mitwisser" des Makedonenkönigs. Bei der Gliederung durch π ρ ώ τ ο ν μέν - επειτα (δέ) fehlt gewöhnlich bei D. und den attischen Autoren überhaupt die Partikel δέ im zweiten Gliede, vgl. G.B. Alberti, L'uso delle particelle nella formula di correlazione π ρ ώ τ ο ν ... επειτα, Maia 11,1959,44-62 (zu den Rednern besonders S. 57-62), und unten § 52. Der Mann, der ά ν ά σ π α σ τ ο ς wurde, war, wie schon der Scholiast wußte (Schol. in D. 10 p. 152,28 Dilts), Hermias, der in unseren Quellen sehr unterschiedlich beurteilte Herrscher von Atarneus und Assos, den Diod. 16,52,5 als πολλών ό χ υ ρ ω μ ά τ ω ν και πόλεων κυριεΰοντα beschreibt. Inschriftlich erhalten ist sein Bündnisvertrag mit Erythrä (Ditt. 3 Syll. 229). Bekannt ist er auch als Freund des Aristoteles. Daß er zu Philipp Verbindung hatte, ist, obschon nicht bewiesen, anzunehmen, da er vom Großkönig abgefallen war (Diod. a. O. nennt ihn ά φ ε σ τ η κ ό τ α τοϋ βασιλέως). Er glaubte aber offensichtlich, vielleicht durch die Begnadigung der zu Philipp geflohenen Artabazos und Memnon (vgl. zu § 31) ermuntert, an der Möglichkeit der Versöhnung mit Artaxerxes und begab sich zu einer Unterredung darüber in die äolische Katane. Sein Verhandlungspartner, der neue Satrap Mentor, ließ ihn aber festnehmen und schickte ihn zum Großkönig, vgl. Diod. 16,52,6 und Didym. in D. 10 col. 4, 48 sq. Zu Hermias vgl. sonst P. Natorp, RE VIII 1 (1912), Sp. 831 f. und P. Von der Mühll, RE Suppl. III (1918), Sp. 1126-1130. Die Zusammenstellung der antiken Quellen über Hermias s.bei I. Düring, Aristotle in the Ancient Biogr. Tradition, Gothenburg 1957 (ND New York 1987), 272-283. - Obwohl schon Böhnecke 734 Anm. 1 und A. Böckh, Gesammelte kleine Schriften, Leipzig 1872, VI 196 f. (= Abh.

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Akad. Berl. 1853) die Festnahme des Hermias anhand eben unserer Stelle in das J. 341 setzten, entschieden sich die Gelehrten des späteren 19. Jh. (so auch Wilamowitz I 334 Anm. 31) meistens für das J. 345/4. Das Auftauchen des Didymos-Papyrus hat jedoch Indizien für die spätere Datierung des Sturzes des Hermias geliefert. Didym. in D. 10 col. 4,66 sq. erzählt nämlich, daß die Geschichte des Hermias im 46. Buche der Philippica

des T h e o p o m p , ibid. 6 , 6 1 , d a ß sie im 6. B u c h e der Phil-

ippica des Anaximenes behandelt wurde. Das 44. Buch des Theopomp beschäftigte sich mit der wohl in das J. 342 zu datierenden Einsetzung von Tetrarchen in Thessalien (vgl. A. Schäfer II2 430 Anm. 3; Griffith 533), die Bücher 46-50 mit dem thrakischen Krieg, wobei im 47. Buche schon die Belagerung von Byzanz enthalten war. Anaximenes erzählte den im Frühjahr 342 erfolgten Halonnesos-Handel im 4. Buch und die letzten Verhandlungen Athens mit Philipp im J. 340 vor dem Ausbruch des Krieges im 7., vgl. Körte 390-95 und Kahrstedt, Forschungen 10-14 (Jacoby, der den Sturz des Hermias anhand unserer Stelle ebenfalls in das J. 341 setzt, meldet freilich mit Rücksicht auf die Ökonomie des Werkes von Theopomp Bedenken gegen die Verwendung von Didym. in D. 10 col. 4,66 sq. für die Datierung des Ereignisses an, vgl. seinen Komm, zu Theopomp. [FGrHist 115] frg. 291, S. 393]). Einen weiteren Ansatzpunkt für die Datierung der Festnahme von Hermias liefert uns die ihr voraufgegangene Unterwerfung Ägyptens durch Artaxerxes III Ochos, die, wie Kahrstedt, Forschungen 1-10 und 14 f. überzeugend gezeigt hat, am allerfrühesten im J. 344, wahrscheinlich aber erst im Frühjahr oder Sommer des J. 342 erfolgte. Mentor, der beim Ägypten-Feldzug eine entscheidende Rolle spielte, war demnach kaum vor dem Herbst desselben Jahres in Kleinasien eingetroffen. Zwischen seiner Ankunft und der Entstehung unserer Rede (wohl im Frühjahr 341) dürften also kaum mehr als etwa neun Monate vergangen sein; Mentor brauchte wahrscheinlich etwas Zeit, um die Unterredung mit Hermias zustandezubringen, und bis die Nachricht über dessen Festnahme Athen erreichte, können durchaus ein bis zwei Monate vergangen sein, zumal da sie Mentor aus taktischen Gründen zunächst geheimhielt (nach Diod. 16,52,6 sq. hat er sich des Ringes des Hermias bemächtigt und durch gefälschte, im Namen des Gefangenen ausgestellte Anweisungen den Untertanen des Tyrannen erfolgreich eine Übereinkunft vorgetäuscht und sie auf diese Weise zur Kapitulation bewogen). Damit rückt die Festnahme des Hermias der Abfassung unserer Rede zeitlich noch näher. Auch die freudigen Worte des D. συμβέβηκε δ' ευτυχήματα α π ό ταύτομάτου in § 31 deuten auf eine frische Nachricht hin; da sich D.

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aber mit einer Anspielung begnügt und darauf verzichtet, das Ereignis detailliert zu erzählen, konnte er voraussetzen, daß es sich in der Stadt herumgesprochen habe. Anders als Kahrstedt, datiert Jacoby (obschon zögernd) im Komm, zu Philoch. (FGrHist 328) frg. 157, S. 533 und Anm. 18 dazu den Ägyptenfeldzug in das J. 344/3 und Sordi, Kokalos 1959,107-118 gar wieder in das J. 345/4; ihr widersprach jedoch Cawkwell, CQ 1963,136-38 zu Recht (Marta Sordi blieb aber bei ihrer Auffassung auch in ihrem Komm, zu Diod. 16,52,5, freilich ohne Hinweis auf Cawkwells Artikel). - Milns 294 bezweifelt, daß ein Redner annehmen konnte, mit einer Anspielung wie an unserer Stelle von der Volksversammlung verstanden zu werden. Uns fällt es zugegebenermaßen schwer einzuschätzen, bei welchen zeitgenössischen Ereignissen sich ein athenischer Redner mit einer bloßen Andeutung begnügen konnte; Hermias war aber keine ganz unbedeutende Persönlichkeit, und wir haben keinen Grund anzuzweifeln, daß seine Festnahme in Athen für eine Weile Gesprächsthema war. Ebenfalls grundlos ist ein zweiter Einwand von Milns a. O., daß nämlich zwei Nachrichten, d.h. diejenige über die Festnahme des Hermias und diejenige über seine Absendung zum Großkönig, in der kurzen Zeitspanne zwischen der 3. und der 4. Philippika in Athen kaum hätten eintreffen können. Denn es müßte erst nachgewiesen werden, daß D. in der 3. Philippika das Schicksal des Hermias hätte unbedingt ansprechen sollen, zumal da der Satz 9,71, in dem die Forderung nach einer Gesandtschaft zum Großkönig vorkommt und der Gelegenheit geboten hätte, Hermias zu erwähnen, in S1 fehlt und damit interpolationsverdächtig ist (das Thema einer Gesandtschaft nach Persien würde auch sonst nicht in einen Kontext passen, in dem es um die Zusammenführung der Griechen unter athenischer Leitung für den Widerstand gegen Philipp geht). Die vermeintlich zwei verschiedenen Nachrichten können ferner in der Wirklichkeit durchaus eine einzige gewesen sein, da wir aus Diod. 16,52,6 sq. wissen, daß Mentor die Festnahme des Hermias zunächst geheimhielt. Die Kunde von der Gefangenschaft und Überstellung des Hermias an Artaxerxes kann sich deshalb sehr wohl gleichzeitig verbreitet haben. - Unsere Stelle ist die früheste überlieferte Nachricht über Philipps antipersische Pläne. Isocr. hatte zwar schon im J. 346 in seiner Rede an Philipp (orat. 5) und dann wohl im J. 344 in einem Brief an ihn (epist. 2) einen Feldzug gegen Persien befürwortet, deutet aber erst nach Chaironeia an (epist. 3,3), daß Philipp sich mit ähnlichen Gedanken tragen würde. Bezüglich unserer Stelle empfiehlt es sich trotz der eindeutig formulierten Aussage des D., vorsichtig zu sein, da er ein Interesse daran hatte, eine Gesandtschaft an den Großkönig als

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erfolgversprechend erscheinen zu lassen. Philipp konnte sich ferner von einer Auseinandersetzung mit den Persern vor der Unterwerfung Thrakiens und Griechenlands, d.h. vor der Gründung des Korinthischen Bundes, nichts Gutes versprechen. Dies hinderte ihn freilich nicht daran, die flüchtigen Artabazos und Memnon bei sich aufzunehmen und mit Hermias (und vielleicht anderen nach Unabhängigkeit strebenden Kleinpotentaten Kleinasiens) den Kontakt zu pflegen. Weitergehende antipersische Pläne dürfte er jedoch vor den Weichenstellungen in Thrakien und Griechenland nicht gehegt haben, vgl. R . M . Errington, AJAH 6, 1981, 7 6 - 8 3 (die Seiten 7 6 und 77 versehentlich miteinander vertauscht!), der den Auffassungen dreier anderer Gelehrten widerspricht. - Die Verbindung πράττων και συνειδώς vom Parteigänger Philipps hält der auf die Vertrauten des Großkönigs bezogenen Verbindung πιστεύει και εύεργέτας ύπείληφεν die Waage. Der inhaltliche Parallelismus der beiden Perioden wird formal dadurch hervorgehoben, daß sie jeweils einen in den Hauptsatz eingeschobenen Relativsatz enthalten. Der Hauptsatz wird beide Male durch das emphatische Demonstrativum οΰτοι/ οΰτος wiederaufgenommen, das somit eine Anapher bildet. - Die vier maßgeblichen Hss. SFAY u. Schol. in D. 10 p. 1 5 2 , 2 8 Dilts überliefern das Adjektiv άνάσπαστος. G. H. Schaefer wollte mit anderen Hss. ( z . B . O) ανάρπαστος lesen, Spengel, Δημηγορίαι 95 Anm. 3 konjizierte ανάστατος. Weil z. St. wies auf das häufige Vorkommen von άνάσπαστος von der Zwangsumsiedlung von Völkern und Einzelpersonen bei Herod. hin. Die Wendung άνασπάστους ποιεΐν παρά βασιλέα („Gefangene zum Großkönig abführen") ist Herod. 4 , 2 0 4 u. 6 , 3 2 belegt. Unserer Stelle am ähnlichsten ist aber Herod. 5 , 1 0 6 , 4 , wo άνάσπαστος von dem von Dareios mit sanfter Gewalt als „Ratgeber" nach Susa gebrachten ehemaligen Tyrannen von Milet, Histiaios, gebraucht wird. Jetzt wissen wir aber aus dem Didymos-Papyrus, daß auch Theopomp (FGrHist 115) frg. 291 wie D. an unserer Stelle die Verschleppung des Hermias mit den Worten άνάσπαστ[ο]ς ώς βασ[ι]λέα γενόμ(εν)ο[ς beschrieben hat. Ob die Übereinstimmung Ergebnis einer bewußten Anlehnung Theopomps an D. ist oder ob es sich beim Adjektiv um einen t.1. handelt, ist umstritten (vgl. P. Von der Mühll, R E Suppl. III, 1918, Sp. 1126 f.). Mir scheint die zweite Möglichkeit wegen der Parallelen bei Herod. glaubwürdiger, obwohl Theopomp unsere Rede durchaus gekannt haben konnte. Milns 298 f. nimmt umgekehrt an, daß es unser Redner war, der sich die Wendung aus Theopomp geliehen habe. Wegen des technischen Charakters des Adjektivs άνάσπαστος taugt aber die Übereinstimmung mit dem Theopomp-Fragment nicht als Hinweis für die

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Unechtheit unseres Abschnitts. - Milns 301 findet es merkwürdig, daß D. sonst nirgendwo über Hermias gesprochen habe. Vor dessen Konflikt mit Mentor hatte er aber ebensowenig Anlaß dazu wie nach seinem Tode, der den Großkönig in den Augen der Griechen dann wohl doch in keinem guten Licht erscheinen ließ. In der kurzen Zeit aber, in der Hermias für D. interessant war, kann er von ihm durchaus öfter gesprochen haben; ob dem so war, werden wir freilich kaum je erfahren.

και πάσας τάς πράξεις βασιλεύς ούχ ήμών κατηγορούντων άκοΰσεται, ους υπέρ τοϋ συμφέροντος άν ήγήσαιτο τοϋ ιδίου λέγειν: Nach der Beschreibung des ευτύχημα α ύ τ ό μ α τ ο ν spricht D. den Vorschlag, mit dem Großkönig in Verbindung zu treten, immer noch nicht unverblümt aus, sondern überrumpelt seine Hörerschaft dadurch, daß er die Kontaktaufnahme als etwas Selbstverständliches annimmt und, wie Schol. in D. 10 p. 153,1-3 Dilts bemerkt, statt zu erklären, daß die Fühlungnahme für Athen nützlich wäre (Gesichtspunkt des συμφέρον in der Rhetorik) - was bei den gegenüber den Persern nicht besonders wohlgesonnenen Athenern einen scharfen Widerspruch hätte hervorrufen können - , den nach der Schulrhetorik eigentlich erst später zu behandelnden Gesichtspunkt des δ υ ν α τ ό ν vorzieht. Gegen das Argument, daß der Augenblick für Verhandlungen mit Artaxerxes günstig sei, konnte man natürlich keine vernünftigen Einwände erheben. D. beginnt also meisterhaft mit dem am wenigsten umstrittenen der drei Hauptgesichtspunkte (συμφέρον, δυνατόν, καλόν), dem δυνατόν. Sprachlich geschieht dies ganz unauffällig durch eine mit καί (für και in der Bedeutung „und somit" vgl. oben zu § 4 καί πόλις δημοκρατουμένη) angehängte Folgerung aus der Verschleppung des Hermias, wobei D. von dem athenischen Beitrag zur Überzeugung des Großkönigs in negativer Form spricht („der König wird die Sache nicht von uns erfahren"), so daß beim Hörer an diesem Punkte über die Absichten des Redners immer noch ein Rest von Unsicherheit übrigbleibt. Im Nebensatz wird schon - ebenso diskret - der Gesichtspunkt des συμφέρον der Fühlungnahme tangiert, und zwar als eine hypothetische Reflexion des Großkönigs: Er würde glauben, daß wir über Philipp in eigenem Interesse klagen. - Für die Reflexion, daß Gesandte stets in eigenem Interesse reden, weist Heslop z. St. auf Thuc. 1,68,2 hin. Aber auch der Gedankengang im Proömium der Megalopolitenrede (D. 16,1 sq.) setzt dieselbe Annahme voraus. Vgl. auch Thuc. 5,90, wo die Melier den athenischen Gesandten vorwerfen π α ρ ά τό δίκαιον τό ξυμφέρον λέγειν. - τοϋ ιδίου wird durch das Hyperbaton betont.

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αλλά τοϋ π ρ ά ξ α ν τ ο ς αύτοϋ κ α ι διοικούντος, ώστ' είναι πιστής: Mit diesen Worten wird die Folgerung aus der Verschleppung des Hermias zu einem σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν ausgebaut, wobei die für D. wichtigere Botschaft im vorausgegangenen negativen Teil steht. Der positive Teil unterstreicht zusätzlich das ohnehin unumstrittene δυνατόν und führt für einen Augenblick vom Hauptanliegen des D. (der Gesandtschaft nach Persien) zu Hermias zurück. Die hier ausgedrückte Hoffnung des D., daß Hermias den Großkönig von den Plänen Philipps in Kenntnis setzen würde, ist laut eines durch die Auffindung des DidymosKommentars bekannt gewordenen Kallisthenes-Fragments ([FGrHist 124] frg. 3 [= Didym. in D. 10 col. 6,55-57]) unerfüllt geblieben: αυτόν (sc. Έ ρ μ ί α ν ) ε[σχ]ατ[α παθεΐ]ν μη[δ]έν [τώ]ν Φιλίππω συνεγνωσμ(έν)ων [όμ]ολο[γ]ήσαντα. Ob freilich Hermias von seinen angeblichen Abmachungen mit Philipp viel zu berichten hatte, ist durchaus fraglich: Ein formelles Bündnis zwischen Philipp und Hermias hat es jedenfalls kaum gegeben. Es ist aber auch wenig wahrscheinlich, daß sich D. vom Ausgang des Verhörs tatsächlich viel versprochen hätte. Bestimmt sehr viel wichtiger war für ihn die Tatsache, daß die Perser durch die Ernennung ihres wohl besten Soldaten zum Satrapen in Kleinasien und durch die Ausschaltung des Hermias deutlich gemacht hatten, daß man mit ihnen nach der Unterwerfung Ägyptens jetzt auch im ägäischen Raum wieder als mit aktiven Mitspielern rechnen müsse. Die mit dem zu erwartenden Verhör des Hermias verknüpften Hoffnungen spricht D. eher nur deswegen aus, um zu zeigen, daß der Augenblick zur Kontaktaufnahme mit Artaxerxes der bestmögliche ist. Bei dieser Deutung erledigt sich auch die Diskussion darüber, wie D. von den geheimen Abmachungen zwischen Hermias und Philipp erfahren haben konnte. Milns 294 hat recht, wenn er Zweifel an der Annahme von W. Jaeger, Aristoteles, Berlin 2 1955,120, anmeldet, wonach D. in Kleinasien Agenten gehabt habe, die ihn über die Geheimkontakte informiert hätten. Daß aber D. von den Verbindungen zwischen Hermias und dem Makedonenkönig vielleicht gar nichts wußte, spricht noch lange nicht gegen die Echtheit unserer Stelle, wie Milns a. O. meint. Solche Kontakte anzunehmen, lag ja auf der Hand, und die Annahme, falls zweckdienlich, als Gewißheit zu präsentieren, kann man einem geschickten Redner durchaus zutrauen. Körte 395 gewinnt aus unserer Stelle und aus dem soeben zitierten Kallisthenes-Fragment ein gewichtiges Argument für den echt demosthenischen Ursprung dieses Teils der Rede: Wäre nämlich ein Fälscher am Werke gewesen, müßte man bei ihm äußerstes Raffinement voraussetzen. Denn nur so könnte man erklären, wie er D. eine unerfüllt geblie-

K o m m e n t a r §§ 3 2 - 3 3

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bene Hoffnung in einer ohne fremde Hilfe so schwer zu deutenden Anspielung, wie an unserer Stelle, zuschreiben konnte. - Die Verbindung τοϋ π ρ ά ξ α ν τ ο ς και διοικούντος knüpft an π ρ ά τ τ ω ν και συνειδώς an (für die Verbindung eines Partizips Präsens mit einem Partizip Aorist gibt Rehdantz, Ind. II 48 nur Beispiele aus Ant. u. Aesch.). Die beiden Verben sind hier fast synonym; miteinander verbunden werden sie noch D. 19,2 ό π ρ ά ξ α ς τι των κοινών και διοικήσας, und 136 (mit Bezug auf Philipp) τούς έκαστα π ρ ά ξ ο ν τ α ς εν ύμϊν αύτώ και διοικήσοντας. διοικεΐν gebraucht D. auch 3,34 (έφορών και διοικών) u. 5,6 (διοικούντα ... και πρυτανεύοντα) in einer Verbindung. Das Verbum πράττειν erscheint oft in Verbindungen bei den Rednern und zwar besonders dann, wenn es sich auf eine politische Tätigkeit bezieht, vgl. Roschatt, Syn. Verbind. 24 f. Wie bei πιστεύει και εύεργέτας ύπείληφεν und μισοΰσι και πολεμοϋσι in § 31 sowie π ρ ά τ τ ω ν και συνειδώς in § 32 befolgt D. auch mit der Verbindung an unserer Stelle das Gesetz der wachsenden Glieder; das farbigere διοικούντος steht dabei an zweiter Stelle (ähnlich oben in § 9 ουδέν έφροντίσατε ούδ' έπεστράφητε). - In S rec FAY folgt auf πιστάς noch τάς κατηγορίας (om. S 1 ); die Zürcher, Bekker 1854 und seit Weil und Blaß alle neueren Herausgeber haben dieses Objekt zu Recht fortgelassen, da, wie Weil z. St. bemerkt, in Gedanken nach πιστάς zu ergänzen sei τω βασιλεΐ τάς πράξεις ας άκούσεται - denn Hermias sei kein „accusateur de Philippe" gewesen (τάς κατηγορίας ist wohl eine von ημών κ α τ η γ ο ρ ο ύ ν τ ω ν inspirierte mißratene Glosse).

και λοιπόν λόγον είναι τοις παρ' ήμών πρέσβεσιν, δν βασιλεύς ήδιστα άν άκοΰσαι: Mit και („und somit") wird wieder eine Folgerung angeschlossen, in der zum ersten Male das Wort πρέσβεις fällt, wobei die Gesandtschaft zum Großkönig schon wie eine Selbstverständlichkeit erwähnt wird, als ob sie keiner Begründung bedürfte. Im Nebensatz steht dann plötzlich wieder das δ υ ν α τ ό ν im Vordergrund: „Der Großkönig werde unsere Worte mit Vergnügen hören". - Determinative Adjektive werden, wie hier λοιπόν, durch Voranstellung betont, vgl. Bergson 60. Zur Wendung λοιπόν λόγον vgl. Isocr. 19,42 τον λόγον, δσπερ αύτοΐς λοιπός έστιν.

§ 33 ώς τον αμφοτέρους άδικοΰντα κοινή τιμωρήσασθαι δει: Mit diesem Satz schickt sich D. an, die λοιπούς λόγους der Athener stichwortartig vorzutragen. Der Hinweis auf gemeinsam erlittenes Unrecht und auf die für den zu überzeugenden Part größer werdende Gefahr, falls es dem gemeinsamen Feind gelingen würde, einen der präsumptiven

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Verbündeten auszuschalten, sind Standardargumente in Bündnisverhandlungen, die in der Literatur auf Schritt und Tritt begegnen (vgl. zum nächsten Lemma). Die Funktion dieser Argumente ist hier, den anfangs übersprungenen Gesichtspunkt des συμφέρον auf indirekte Weise nachzuholen: Was die athenischen Gesandten dem Perserkönig sagen würden, gilt ja auch für Athen selbst. Diese Verfahrensweise gibt D. die Möglichkeit, diskret darauf hinzuweisen, daß Athen ohne persische Hilfe Philipp unterliegen könnte. In der Terminologie der Rhetorik könnte man sagen, daß D. scheinbar immer noch mit dem δυνατόν beschäftigt ist, während er eigentlich auch schon das Wesentliche über das συμφέρον gesagt hat. - Zum Ausdruck κοινή τιμωρήσασθαι vgl. D. 21,142 κοινή νΰν ... έστί τιμωρητέος (sc. Μειδίας) ώς κοινός εχθρός xfj πολιτεία. και οτι πολύ τω βασιλεΐ φοβερώτερός έσθ' ό Φίλιππος, άν προτέροις ήμΐν έπιθήται: Die Konjunktion ist hier οτι (nach ώς im vorigen Satz), vielleicht nicht nur um der Variation willen, sondern auch um einen vollständigen Hexameter zu vermeiden, έσθ' ist Präsens, vgl. zu § 13. - Das Argument, „wenn der Feind uns ausschaltet, seid ihr an der Reihe", findet sich auch sonst bei Überredungsversuchen von Gesandten, vgl. z.B. Thuc. 6,77,2, wo die Syrakusaner die Bürger von Kamarina fragen: η μένομεν, εως άν έκαστοι κατά πόλεις ληφθώμεν ... και οίόμεθα τοΰ άπωθεν ξυνοίκου προαπολλυμένου ου και ές αυτόν τινα ήξειν τό δεινόν; 6,88,7, wo ebenfalls die Syrakusaner τοΰς ... Ίταλιώτας άμα παραπλέοντες έπειρώντο πείθειν μή περιοραν τά γιγνόμενα υπό των 'Αθηναίων, ώς καί έκείνοις ομοίως έπιβουλευόμενα, und 6,91,3 sq., wo Alkibiades die Spartaner gegen Athen mit folgenden Worten zu gewinnen sucht: καί εί αΰτη ή πόλις (d.h. Syrakus) ληφθήσεται, έχεται καί ή πάσα Σικελία, καί ευθύς καί 'Ιταλία- καί δν άρτι κίνδυνον εκείθεν προεΐπον, ουκ άν διά μακροϋ ύμϊν έπιπέσοι. D. gebraucht dieses Argument gelegentlich dazu, die Athener zu Hilfeleistung an andere zu bewegen, vgl. z.B. 1,25 (mit Bezug auf Olynth) άν ... έκεΐνα Φίλιππος λάβη, τις αυτόν κωλύσει δεϋρο βαδίζειν sowie oben § 24. An einer wohl interpolierten Stelle der 3. Philippika (9,71) wird darauf hingewiesen, daß der Großkönig kein Interesse an einem übermäßigen Erstarken Philipps habe: ουδέ γάρ των έκείνω συμφερόντων άφέστηκε τό μή τούτον έάσαι πάντα καταστρέψασθαι. Durch den Artikel bei βασιλεύς wird „anaphorisch auf eine vorhergehende Erwähnung" (vgl. oben δν βασιλεύς ήδιστα άν άκούσαι) „Bezug genommen" (Kühner/ Gerth I 603 Anm. 3).

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εί γαρ έγκαταλειπόμενοί τι πεισόμεθα ήμεΐς, αδεώς έπ' έκεΐνον ήδη πορεύσεται: Canfora, Per la cronologia 45 f. interpretiert έγκαταλειπόμενοί mit Hinweis auf die Übersetzung von Weil ( Ί 8 7 3 , S. 380f.: „devances ä la course, distances par l'adversaire") und auf die von diesem zitierte Herodot-Stelle 8,59, wo sich das Verbum auf die beim Start „zurückgelassenen", d.h. zu spät gestarteten Läufer in einem Wettbewerb bezieht, als „risultare inferiore". Van Herwerden 250 hatte aber die Übersetzung von Weil schon vorher verworfen, und έγκαταλείπεσθαι als „im Stich gelassen werden" interpretiert. Das Verbum kommt bei D. sonst noch dreimal vor: Zweimal (57,58. 61) in der technischen Bedeutung Jemanden auf der Bürgerliste zu belassen' (LSJ übersetzen 57,58 falsch mit ,leave in the lurch'); unserer Stelle ähnlicher ist 19,151, wo έγκαταλείπειν in der Nachbarschaft von Synonymen wie π ρ ο ΐ ε σ θ α ι und άμελεΐν erscheint. In den Pseudo-Demosthenica vgl. in derselben Bedeutung [D.] 11,22 und epist. 3,36. Diese Stellen sprechen für die Deutung van Herwerdens, dessen Paraphrase a. O. „non adiuti a rege, sed deserti, destituti" in der letzten Ausgabe des Weilschen Kommentars ( 3 1912) übrigens auch Dalmeyda wörtlich übernimmt. Richtig ist auch van Herwerdens Beobachtung, daß der Kontext die von ihm befürwortete Interpretation geradezu erfordere („wenn wir im Stich gelassen werden und uns etwas zustoßen sollte" ist gewiß logischer als etwa „wenn wir unterliegen sollten und uns etwas passieren sollte"). Der Einwand Canforas, Per la cronologia 46, daß die Athener vom Großkönig gar nicht verlassen werden konnten, da es zwischen ihnen noch kein Bündnis gab, ist rein formalistisch. Daß έγκαταλείπεσθαι auch in solchen Fällen gebraucht werden kann, in denen zwischen dem Hilfesuchenden und dem präsumptiven Beschützer keine Verabredung vorausgesetzt wird, zeigen Stellen wie z.B. Aesch. 2,161 (der Angeklagte redet die Richter an) τους χρησίμους εις τ α κοινά γενομένους εγκαταλείψετε; Zum Euphemismus πάσχειν τι vergleicht Heslop ζ. St. D. 9,20, wo D. die Athener mahnt sicherzustellen, daß den Byzantiern und Chersonesitern nichts zustoße (διατηρήσαι μή τι πάθωσιν). Dort ist aber der Euphemismus nicht so deutlich wie im Konditionalsatz an unserer Stelle, π α θ ε ΐ ν τι wird sonst bei den Rednern meines Wissens ausschließlich von Einzelpersonen gebraucht (D. 4, 11 sq.; 23,7. 12. 59; 24,201; 54,25; [D.] 59,58; Ant. 5,96; Isocr. 5,70; Lys. 32,6; diese Stellen zusammen mit anderen euphemistischen Wendungen bei Rehdantz, Ind. 118; vgl. auch Fox 354). - Die Behauptung Canforas, Per la cronologia 46, daß πορεύεσθαι „non e un verbo tipico del linguaggio militare", wird von Stellen wie D. 3,20; 8,74; 9,34 sowie § 23 in unserer Rede widerlegt. -

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Das in SFY vorhandene ήδη wurde in Α von A 2 nachgetragen, weshalb sich Blaß die Tilgung des Adverbs überlegte („reddit ... obscuriorem sententiam, cuius in άδεώς omnis vis est"). Zu Unrecht, denn die Wirkung des emphatisch am Satzanfang stehenden Adverbs άδεώς wird durch ήδη verstärkt und nicht beeinträchtigt: „Dann wird er erst recht ohne Furcht gegen ihn marschieren".

ύπέρ δή τούτων απάντων οΐμαι δεΐν ύμας πρεσβείαν έκπέμπειν: Erst jetzt, nach der Einführung der Gesichtspunkte des δυνατόν und des συμφέρον und vor der Behandlung des καλόν, spricht D. seinen Vorschlag, eine Gesandtschaft an den Großkönig zu schicken, offen aus. Er wird mit einem rekapitulativen Element eingeführt und erscheint als eine Zusammenfassung, obwohl er vorher nie eindeutig vorgetragen wurde. υπέρ ... τούτων α π ά ν τ ω ν hängt eher von πρεσβείαν έκπέμπειν als, wie Canfora, Per la cronologia 46 f. will, vom Prädikat des nachfolgenden Nebensatzes διαλέξεται ab. Auch im verglichenen Fragment Philoch. (FGrHist 328) frg. 56 b (= Didym. in D. 10 col. 11,49-51) πρεσβείαν υπέρ ά π ά ν τ ω ν π[ρό]ς Φίλιππον διαλεξομένην (πέμψειν) ist es keineswegs zwingend, υπέρ ά π ά ν τ ω ν eher mit διαλεξομένην als mit πρεσβείαν (πέμψειν) zu verbinden. - ά π ά ν τ ω ν und ύμας fehlen nur in A, was zu wenig ist, um sie mit Blaß zu tilgen, ά π ά ν τ ω ν paßt auch inhaltlich gut, da es hervorhebt, daß viele Gründe für eine Gesandtschaft sprechen. Mit ύμάς wechselt D. von der vorsichtigeren ersten Person, deren er sich seit αν χρησώμεθα in § 31 bedient hat, zur zweiten, was schon als Vorbereitung für die nachfolgende παρρησία gedeutet werden kann. - Spengel, Δημηγορίαι 95f. Anm. 3 bemerkt, daß er „das gewöhnliche φημί δεΐν" erwartet habe. Rehdantz, Ind. II 108 s. ν. ο'ίεσθαι hat aber im Corp. Dem. 165 Belege für ο'ίομαι/ οίμαι δεΐν, aber nur 40 von φημί δεΐν gefunden, οίμαι scheint etwas gedämpfter als φημί, was zur bisherigen Tonlage, in der der heikle Vorschlag vorbereitet und begründet war, gut passen würde. Andererseits geht D. jetzt, als er seinen Vorschlag offen ausgesprochen hat, gerade zu einer vehementen Offensive über. - Die Folge der beiden abhängigen Infinitive δεΐν und έκπέμπειν ist normal, vgl. Gaya Nuno 64 f. - Daß eine athenische Gesandtschaft tatsächlich an den Großkönig geschickt worden sei, wird im Brief Philipps ([D.] 12,6 sq., teilweise zum nächsten Lemma ausgeschrieben) den Athenern vorgeworfen; vgl. auch Isocr. 12,160 aus den J. 342-339 έκάτεροι (d.h. Sparta u. Athen) πρέσβεις πέμπομεν ώς έκεΐνον (d.h. an den Großkönig). 162 προς ... τον βασιλέα πρέσβεις πέμπουσαι περί φιλίας και συμμαχίας. Über diese Gesandtschaft wissen wir sonst

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kaum etwas (vielleicht ist sie mit der [Plut.] vit. X orat. p. 847 f-848e erwähnten Gesandtschaft des Ephialtes identisch). Aesch. 3,238 erwähnt zwar auch eine - erfolglose - athenische Gesandtschaft an den Großkönig, sagt aber, diese sei kurz vor Alexanders Landung in Asien erfolgt. Auf welche der beiden Gesandtschaften sich die Wendung Μενέλαος ό πρεσβεύσας ώς βασιλέα bei Lyc. 24 bezieht, läßt sich nicht entscheiden. Auch mit Aristot. rhet. 2,8 p. 1386 a, 14 Διοπείθει τά π α ρ ά βασιλέως τεθνεώτι κατεπέμφθη ist schwer, etwas anzufangen. Der Erfolg der Gesandtschft dürfte, nach Aesch. 3,238 zu urteilen, nicht überwältigend gewesen sein. Die Satrapen halfen zwar tatkräftig, als Philipp Perinth überfiel, vgl. Diod. 16,75,1 sq. und Griffith 573 Anm. 2. Die Perser vermochten jedoch die Gefahr, die er für sie selbst darstellte, offenbar nicht richtig zu ermessen. - Die Wendung πρεσβείαν έκπέμπειν kommt bei den Rednern noch zweimal vor (Aesch. 2,58; 3,58). ήτις τφ βασιλεΐ διαλέξεται: Das Verbum διαλέγεσθαι bezieht sich bei den Rednern speziell auf Verhandlungen, die durch Gesandten geführt werden noch D. 2,6; 18,28; 19,304; [D.] 7,19; 12,7; epist. 2,8; Isocr. 12,103; 15,70 (βασιλεΐ an beiden Stellen bei Isocr.); Aesch. 2,12. 18 u. 103; in unserer Rede vgl. noch § 53 (die meisten dieser Stellen bei Rehdantz, Ind. II 59 5. ν. διά); für die Stellen bei Xenophon s. das Xenophon-Wörterbuch von F. W. Sturz s. v. (3 sub fine). Vgl. auch die oben schon zitierte Philoch.-Stelle (FGrHist 328) frg. 56 b. - Heslop z. St. vergleicht für die Wendung D. 1,2 πρεσβείαν πέμπειν, ήτις ταύτ' έρεϊ. Die Form διαλέξομαι ist normal, aber D. gebraucht einmal (18,252, vgl. dazu Wankel 1110) auch schon die neuere Bildung διαλεχθήσομαι. Zum Artikel bei βασιλεύς vgl. oben zu και δτι πολύ τω βασιλεΐ κτλ. και την άβελτερίαν άποθέσθαι: D. behandelt in seiner Argumentation an letzter Stelle den Gesichtspunkt des καλόν oder, genauer gesagt, des ουκ αισχρόν. Er wählt dafür eine offensive Sprache und wendet seine παρρησία (durch den Wechsel zur zweiten Person im vorausgegangenen, den Vorschlag einer Gesandtschaft an Artaxerxes zuerst offen aussprechenden Hauptsatz schon vorbereitet, vgl. oben ύμας) anfangs gegen seine Landsleute, um dann seine Argumentation mit einem Angriff auf die Anhänger Philipps abzuschließen. Beim Gesichtspunkt des ουκ αισχρόν verweilt D. am längsten, weil er für seine Gegner den besten Ansatz zu einem Angriff auf seinen Vorschlag bietet. Zusammenarbeit mit dem Perserkönig war zwar in Griechenland seit dem Peloponnesischen Krieg gang und gäbe, und auch Athen war da keine Ausnahme

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(vgl. unten); ihr haftete aber immer etwas Anrüchiges an, und D. wußte sehr wohl, daß seine Gegner dies gegen ihn maximal ausnutzen würden, was übrigens, zumindest im Falle der Kontakte des D. mit Persien nach Chaironeia (in welchem Zusammenhang gegen ihn auch Vorwürfe der Bestechlichkeit erhoben wurden), auch reichlich geschehen ist, vgl. Aesch. 3,173. 239. 259 (Θεμιστοκλέα ... ουκ οιεσθε στενάξειν, ει ό μετά των β α ρ β ά ρ ω ν όμολογών τοις Έ λ λ η σ ι ν άντιπράττειν στεφανωθήσεται;), [Plut.] vit. Χ orat. p. 847f-848e sowie die Stellen bei Beloch III l 2 615 (der sich aber auf die Zeit nach dem Tode Philipps bezieht). - Das Adjektiv άβέλτερος ist laut LSJ zuerst bei Aristoph. nub. 1201, das Substantiv άβελτερία bei Plato Theaet. p. 174 c u. symp. p. 198 d belegt. Bei den Rednern gebraucht außer D. noch Hyp. 2,7 das Adjektiv und Aesch. 1,71 das Substantiv. D. verwendet letzteres nur noch in der Gesandtschaftsrede (gleich viermal: 19,98. 100. 119. 265) und das Adjektiv 9,14; 19,338. In den Ps.-Demosthenica kommt nur das Adjektiv vor: [D.] 34,41; 61,14 u. prooem. 42, 2. Zu den Ausdrücken der Torheit vgl. sonst Rehdantz, Ind. II 136-8 sowie oben zu § 15 εΰήθης. - Das Medium des Aorists ά π ο θ έ σ θ α ι gebraucht D. noch zweimal in einer freimütigen Mahnung an die Athener: 4,8 und 8,46 - in beiden Fällen mit dem Objekt ραθυμίαν. δι' ήν πολλάκις ήλαττώθητε: Ob sich hinter dieser apodiktischen Behauptung über die in § 34 angedeutete verpaßte Gelegenheit hinaus (s. unten) auch noch andere Fälle verbergen, ist nicht feststellbar. Die zweite Person des Plurals ήλαττώθητε kann jedenfalls auch Ereignisse aus der Zeit früherer Generationen mit umfassen (vgl. ζ. B. D. 18,96 und dazu Wankel 516). πολλάκις hat aber wahrscheinlich nur eine rhetorische Funktion. ,,ό" δή „βάρβαρος": Zur Lesart δή der Hss., das einige Gelehrte (Reiske, G.H. Schaefer und Blaß) mit Hinweis auf D. 21,209 (,,τόν δέ βάσκανον", ,,τόν δέ ολεθρον";) in δέ ändern wollten, vergleicht Heslop ζ. St. Plato apol. p. 27 a ά ρ α γνώσεται Σωκράτης, ό σοφός δή; Weil ζ. St. paraphrasiert δή korrekt durch „en repetant les refrains ordinaires" (die Partikel kann demnach nicht als Teil der durch Anführungszeichen gekennzeichneten direkten Rede betrachtet werden) und vergleicht D. 4,14 u. 8,52 (= 10,55), wo D. wie hier gebetsmühlenartig wiederholte Schlagwörter seiner Gegner zitiert. Der Nominativ, der syntaktisch nicht in den Zusammenhang integriert ist, dürfte als Subjekt eines elliptischen Satzes aufzufassen sein. Weitere Belege, in denen die Partikel δή

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gleichsam die Rolle von Anführungszeichen übernimmt, s.bei Denniston, Particles 234 f. - Die Bezeichnung β ά ρ β α ρ ο ς wird öfters als Schimpfwort vom Perserkönig benutzt, vgl. z.B. Isocr. 5,139. D. selbst gebraucht sie mit Vorliebe von Philipp, vielleicht polemisch als Antwort auf dessen hellenenfreundliche Propaganda (3,16; 9,31; vgl. auch 19,305. 308 und [von den Makedoniern] 327); sonst je einmal von Artemisia (15,23), Kotys (23,132) und den Untertanen des Großkönigs (15,15). 9,38 preist er das grundsätzliche Mißtrauen der Vorfahren gegenüber den Barbaren; das mit dem Argument des Barbarentums verknüpfte Mißtrauen gegen die Perser war ihm also durchaus recht, wenn es ihm als Beispiel für das erwünschte Mißtrauen gegen Philipp dienen konnte. D. 45,30. 81; And. fr. 5. Aesch. 2,183; 3,172 wird der Prozeßgegner (in den beiden letzten Fällen D.) mit dem Schimpfwort βάρβαρος bezeichnet. - Auch Thuc. läßt 1,82,1 (verglichen von Whiston z. St.) Archidamos seinen Vorschlag, sich auch unter den Barbaren nach Verbündeten umzusehen, durch eine Epidiorthose besonders begründen (άνεπίφθονον δέ, δσοι ώσπερ και ημείς ΰ π ' ' Α θ η ν α ί ω ν έπιβουλευόμεθα, μη "Ελληνας μόνον, αλλά και β α ρ β ά ρ ο υ ς προσλαβόντας διασωθήναι). Bündnisse mit den Persern vorzuschlagen war schon immer eine schwierige Angelegenheit (zum Haß auf sie vgl. z.B. Isocr. 4, 157). Als sittlich verwerflich erschien die von D. anempfohlene Zusammenarbeit mit dem Großkönig in der Blütezeit nationalistischer Ideologien auch neueren Gelehrten, vgl. z.B. Beloch III l 2 , 551: „leider ... beschränkte D. sich nicht darauf, hellenische Staaten gegen Philipp aufzurufen, sondern er schickte auch eine Gesandtschaft an den Grosskönig ... Da konnte denn jedermann sehen, was es mit den schönen Worten von der Freiheit und Unabhängigkeit der Hellenen auf sich hatte, die D. beständig im Munde führte". και „ ό κοινός ά π α σ ι ν έχθρός": Der Artikel steht nur in S (om. FAY Didym.), muß aber mit den Herausgebern seit Bekker (denen auch Pasquali 287 beipflichtet) beibehalten werden, da sonst die beiden kurzen Schlagworte zu einem viel weniger effektvollen einzigen zusammenschmelzen, was auch die Wirkung des nachfolgenden αόριστον beeinträchtigen würde. Auch an den schon zum vorigen Lemma verglichenen Stellen D. 4,14; 8,52 (= 10,55) u. 21,209 wird die lästige Wiederholung abgedroschener Phrasen durch jeweils zumindest zwei Schlagworte veranschaulicht. - Die Bezeichnung κοινός έχθρός hat auch D. selbst in der Symmorienrede gleich zweimal mit Bezug auf den Großkönig gebraucht, wohl nur aus taktischen Gründen, um seine Ablehnung von

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Kommentar §§ 3 3 - 3 4

feindseligen Handlungen gegen Persien durch verbale Aggressivität zu kompensieren: 14,3 εγώ νομίζω κοινόν έχθρόν α π ά ν τ ω ν τ ω ν Ε λ λ ή ν ω ν είναι βασιλέα, ου μην δια τοΰτο παραινέσαιμ 5 αν μόνοις των άλλων ύμΐν πόλεμον πρός αυτόν άρασθαι. 36 τις γ ά ρ ουκ οίδεν αυτών (sc. τ ώ ν Ε λ λ ή ν ω ν ) , δτι τέως μεν κοινόν έχθρόν έκεΐνον ύπειληφότες ώμονόουν άλλήλοις, πολλών α γ α θ ώ ν ήσαν κύριοι ... ειθ\ δν ή τ ύ χ η και τ ό δαιμόνιον φίλον μέν άλυσιτελή, συμφέροντα δ' έχθρόν έμφανίζει, τούτον ημείς φοβώμεθα; In der Gesandtschaftsrede gebraucht D. das Schlagwort schon mit Bezug auf Philipp, legt es aber Aesch. in den Mund: 19,302 κοινός έχθρός έκεΐνός έστιν α π ά ν τ ω ν τών Ε λ λ ή ν ω ν . Bei den anderen Rednern vgl. Isocr. 12,102. 158 sowie 5,126 τών π α τ ρ ι κ ώ ν εχθρών. Daß D. die Schlagwörter der Persertopik (wie z. Β. κοινός έχθρός) von Isocr. übernommen habe, wie Barthold 40 meint, scheint mir eher unwahrscheinlich. Beide Redner gebrauchten vielmehr geläufige Wendungen ihrer Zeit. και πάντα τά τοιαύτα: Eine andere, ebenfalls polysyndetisch angeknüpfte Ausweitungsformel (Aoriston) folgt auch nach den Schlagworten in § 55 (= 8,52). Die Wendung π ά ν τ α τά τοιαύτα gebraucht D. auch 18,12; και τά τοιαύτα (ohne πάντα) 18,127. 276.

§ 34 έγώ γάρ οταν τινά ϊδω τον μέν έν Σούσοις και Έκβατάνοις δεδοικότα και κακόνουν είναι τη πόλει φάσκοντα: Nach der Kritik der allgemeinen Persienfeindlichkeit der Athener, die der Stadt nur Nachteile eingebracht habe, wendet sich D. mittels eines Enthymes gegen diejenigen, die gegen den Großkönig Stimmung machten und gleichzeitig die makedonische Bedrohung herunterspielten. Die propositio maior des Enthymems wird für selbstverständlich erachtet und bleibt deshalb unausgesprochen („ein redlicher Mensch befürchtet eher einen Mächtigen in der Nähe als einen in der Ferne")· In der propositio minor wird behauptet, daß „einige" (natürlich die Gegner des D.) den in der Ferne weilenden Großkönig und nicht den in der Nähe emporstrebenden Philipp zu fürchten vorgäben. Daraus ergibt sich die durch die Verba θ α υ μ ά ζ ω και δέδοικα nur angedeutete Folgerung, daß sie entweder unvernünftig oder unehrlich sind. Im Mittelpunkt des Enthymems steht die propositio minor, die zu einer demosthenisch-gewaltigen Antithese (vgl. oben zu § 16 άλλά τ α ύ τ α μέν υμάς) ausgebaut wird, und in der der Perserkönig und Philipp einander gegenübergestellt werden. Im ersten Gliede der Antithese wird die Absurdität der Furcht vor dem Großkönig veranschaulicht. Die beiden Könige hat D. schon 15,24 in einer Antithese mit-

Kommentar § 34

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einander kontrastiert: όρώ δ' υμών ένίους Φιλίππου μεν ... όλιγωροϋντας, βασιλέα δ ( έ ) . . . φοβουμένους κτλ. Für eine ähnliche Antithese vgl. auch D. 1 6 , 2 9 θαυμάζω δ' ένίων, ε ί τ ό μεν Θηβαίων συμμάχους είναι τους Λακεδαιμονίων εχθρούς φοβούνται, εί δέ καταστρέφονται Λακεδαιμόνιοι τούτους, μηδέν ηγούνται φοβερόν sowie unten § 57. - Die Umschreibung von Artaxerxes mit den Worten ό έν Σούσοις και Έγβατάνοις suggeriert die fast mythische Ferne seines Aufenthaltsortes (sie ist eben keine „cumbersome - even grotesque - periphrasis", wie Milns 294 meint). Susa, die alte Hauptstadt von Elam am Ufer des Choaspes, und Ekbatana, im oberen Medien in fast 2 0 0 0 m Höhe gelegen, waren zusammen mit Pasargadä, Persepolis und Babylon Residenzstädte der Achaimeniden-Könige. Nach Xen. inst. Cyri 8 , 6 , 2 2 verbrachte Kyros jährlich drei Frühlingsmonate in Susa und zwei Sommermonate in Ekbatana (ähnlich exp. Cyri 3 , 5 , 1 5 ) . Dareios I. baute sich in Susa eine prachtvolle Residenz und machte die Stadt zu seiner Winterhauptstadt. Zu Susa vgl. A.T. Olmstead, History of the Persian Empire, Chicago 1 9 4 8 , 1 6 3 - 1 7 1 ; 422 f. und V. Christian, R E Suppl. VII, 1940, Sp. 1 2 5 1 - 7 4 (nur archäologisch) mit der dort angegebenen Literatur zu den neueren Ausgrabungen; zu Ekbatana vgl. F. H. Weißbach, R E V 2 , 1 9 0 5 , Sp. 2 1 5 5 - 5 8 und zu beiden Städten R. N. Frye, The History o f Ancient Iran (= Handb. d. Altertumswiss. 3 , 7 ) , München 1 9 8 4 , 1 2 5 f. u. J . M . Cook, in: Cambridge History of Iran II, 1985,237 f. - Die Verbindung der beiden Hauptstädte ermöglicht es D., bei den entfernten Aufenthaltsorten des Großkönigs länger zu verweilen und dadurch die nur suggerierte Entfernung besser ins Bewußtsein des Hörers gelangen zu lassen. Zusammen werden die beiden Städte auch Xen. exp. Cyri 2 , 4 , 2 5 ; 3 , 5 , 1 5 und später Plut. Pelop. 3 0 , 3 p. 2 9 4 b u. Ages. 15,1 p. 603e genannt. - Die den griechischen Lautgesetzen entsprechende Schreibung Έγβατάνοις mit γ (partielle regressive Assimilation) ist nur in A 1 und bei Didym. überliefert, wird aber von den neueren Herausgebern bevorzugt (die Schreibweise mit γ gebrauchte j a auch Herodot und nach Steph. Byz. s. ν. Ά γ β ά τ α ν α auch Ktesias). Da aber das Griechische in einem Falle, nämlich bei Komposita mit dem Vorderteil εκ-, die Verbindung κβ duldet, läßt sich die Schreibung Έ κ β ά τ α ν α in Anlehnung an έκβαίνειν, έκβασις, έκβάτης u.ä. volksetymologisch erklären: die Stadt, die „ganz weit draußen liegt". Diese Schreibweise stimmt mit der von D. suggerierten Assoziation überein (Hinweis von U. Dubielzig). Deshalb folge ich im Lemma der wohl besseren Überlieferung und schreibe Έ κ β - . - Die Erweiterung και κακόνουν ... φάσκοντα begründet die Furcht der Persienfeinde vor dem Großkönig. Die Wendung

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κ α κ ό ν ο υ ς τη πόλει hat D. in unserer Rede schon in § 11 (s. dort), und zwar von Philipp, gebraucht. - Zu denjenigen, die jede Zusammenarbeit' mit dem Großkönig ablehnten, gehörte zu dieser Zeit auch Isocr., der z.B. 12,159 Argos und Theben dafür tadelt, daß sie Artaxerxes bei der Unterwerfung Ägyptens unterstützt hatten, ϊν' ώς μεγίστην εχων δ ύ ν α μιν έπι,βουλεύη τοις Έ λ λ η σ ι ν . Die „von Osten drohende Gefahr", an der noch Drerup, Advokatenrepublik 83 glaubte, gab es jedoch in den 40er Jahren des 4. Jh. nicht mehr.

δς και πρότερον συνεπηνώρθωσε τά της πόλεως πράγματα: Die Behauptung, der Großkönig sei Athen gegenüber κ α κ ό ν ο υ ς , wird in zwei Relativsätzen widerlegt, deren erster auf eine frühere Wohltat, deren zweiter auf eine kürzlich gemachte Versprechung des Königs anspielt. Die Zerlegung in „früher" und „jetzt" dient der Amplifikation und suggeriert, daß der König Athen gegenüber stets guten Willen gezeigt habe. In Rhet. ad Alex. 24 p. 1424 b erachtet es der Verfasser als besonders wichtig, daß man bei der Vorlage eines Bündnisvorschlages nicht versäumt, auf frühere gute Erfahrungen mit dem künftigen Verbündeten hinzuweisen: δει δέ, ό τ α ν σ υ ν α γ ο ρ ε ύ ε ι ν βοΰλη τη γινομένη σ υ μ μ α χ ί α ..., δ ε ι κ ν ύ ν α ι τ ο ύ ς την σ υ μ μ α χ ί α ν π ο ι ο υ μ έ ν ο υ ς ... και π ρ ό τ ε ρ ό ν τι τη πόλει α γ α θ ό ν π ε π ο ι η κ ό τ α ς (codd., π ο ι ή σ α ν τ α ς coni. Fuhrmann). - Die Anspielung an unserer Stelle bezog schon Schol. in D. 10 p. 153,8 sq. Dilts auf den Sieg Konons bei Knidos im J. 394, wodurch die Seeherrschaft der Spartaner beendet wurde. Dieses Ereignis bedeutete für Athen die Rückgewinung der außenpolitischen Handlungsfreiheit für die nächsten gut fünfzig Jahre, weshalb die Wendung σ υ ν ε π η ν ώ ρ θ ω σ ε τ ά της π ό λ ε ω ς π ρ ά γ μ α τ α durchaus angemessen sein dürfte. Seit der Auffindung des Didym.-Papyrus wissen wir, daß auch Didym. (in D. 10 col. 7,30-62) dieselbe Auffassung wie der Scholiast vertritt. Seine Annahme col. 7,54-62, daß schon das Präfix συν- („mitaufgerichtet") ein Indiz dafür sei, daß D. an Konon dachte, da dieser auch von Pharnabazos unterstützt worden sei, überzeugt freilich nicht (durch συν- teilt D. vielmehr aus Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeiten seiner Landsleute den Verdienst am Erfolg zwischen Athen und dem Großkönig auf, statt ihn allein letzterem zuzuschreiben). Zu Recht weist Didym. in D. 10 col. 7,11-30 hingegen, gestützt auf Philoch. (FGrHist 328) frg. 149 a, die Auffassung derer (ενιοί φασιν) zurück, die die Worte des D. auf den von den Athenern im J. 392/1 verworfenen Friedensvorschlag des Großkönigs beziehen (dazu vgl. Jacoby, Komm, z. St., S. 515-521; vielleicht dachten jedoch die ένιοι nicht an die erfolg-

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losen Bemühungen des J. 392/1, sondern an den Antalkidas-Frieden des J. 387/6, wurden aber von Didymos mißverstanden, vgl. S. West, Chalcenteric Negligence, CQ 64 [= 20 NS], 1970,288-296, S. 295). Didym. meint ferner, daß D. auch an andere Ereignisse als den Sieg bei Knidos habe denken können, wie vor allem den vom Großkönig vermittelten Frieden des J. 375/4 (Didym. in D. 10 col. 7,62-71 = Philoch. [FGrHist 328] frg. 151; vgl. dazu den Komm, von Jacoby z. St., S. 522 f.), in dem die Spartaner die athenische Seehoheit anerkannt haben, und der in Athen große Freude ausgelöst hat (vgl. Isocr. 15,109 u. Nep. Timoth. 2,2). Didym. in D. 10 col. 7 , 7 1 - 8 , 2 überlegt sich auch die Möglichkeit, daß D. an die υ π ό Καλλίου τοΰ Ί π π ο ν ί κ ο υ πρ[υ]τανευθεΐσαν είρήνην oder an Subsidien denke, die der Großkönig den Athenern habe zukommen lassen. Der Hinweis auf den von Kallias zustandegebrachten Frieden bezieht sich kaum auf den sog. Kallias-Frieden von 449, sondern auf jenen des J. 371, an dessen Zustandekommen der Enkel des Verhandlungsführers von 449 als Gesandter nach Sparta mitwirkte (von Xen. hist. Gr. 6 , 3 , 2 wird dieser an erster Stelle unter den Gesandten erwähnt). Die wichtigsten unter den genannten Ereignissen sind bestimmt der Sieg Konons und der Frieden vom J. 375/4; daß beide vor dem Regierungsantritt des Artaxerxes III. erfolgt sind, spielt keine Rolle, da βασιλεύς die Vorgänger ebenso miteinschließen kann, wie z.B. das Verbum ήλαττώθητε in § 33 die Mißerfolge früherer Generationen von Athenern. Das doppelte Augment ist bei έ π α ν ο ρ θ ο ΰ ν normal, vgl. Kühner/ Blaß II 368 mit mehreren Belegen aus den Rednern. - Die Wendung τ ά π ρ ά γ μ α τ α της πόλεως findet sich bei den Rednern noch D. 2,26; 3,22; 19,140. 207. 229. 337; Isocr. 8,15; 15,174; 16,2; Aesch. 3,177. 179; [Aesch.] epist. 11,2; Din. 1, 65 und unten in § 76; τ ά π ρ ά γ μ α τ α bezeichnet gelegentlich die .Angelegenheiten der Stadt' auch ohne eine Bestimmung, vgl. z.B. unten in § 42. Für ähnliche Wendungen mit π ρ ά γ μ α vgl. Rehdantz, Ind. II 126 f.

καΐ νΰν έπηγγέλλετο (ει δέ μή έδέχεσθ' ύμεϊς άλλ' απεψηφίζεσθε, ού τά γ' έκείνου αίτια): Das Angebot, auf das D. anspielt, setzt Didym. in D. 10 col. 8,5-32 mit der im J. 344/3 während des Archontats des Lykiskos (Didym. in D. 10 col. 8,9) erfolgten persischen Gesandtschaft nach Athen in Verbindung. Für diese Gesandtschaft, die uns schon aus Diod. 16,44,1 bekannt war, weist Didym. in D. 10 col. 8,14 sq. auf Androtion (FGrHist 324) frg. 53 und Anaximenes (FGrHist 72) frg. 28 hin und zitiert (col. 8,18-23) wörtlich Philoch. (FGrHist 328) frg. 157. Aus dem Ausdruck έπΐ τούτου, mit dem das Philoch.-Zitat anfängt, folgert

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Jacoby Komm. ζ. St. S. 531-533, daß die persische Gesandtschaft als das erste Ereignis des J. 344/3 erwähnt wurde, und daß sie demnach im Herbst des J. 344 erfolgt sein müsse. Der Großkönig wollte laut Philoch. a. O. sicherstellen, daß την [φι]λίαν [δ(ια)μένει]ν έαυτώι τ(ήν) πατρώιαν, worauf die Athener geantwortet hätten, daß Ά θ ή ν η σ ι διαμε[νεΐν] βασιλε[ΐτήν φιλ]ίαν, εάν μή βασιλεύς έπ[ίτάς] Έλληνίδ(ας) ιηι πόλεις. Was der Großkönig sonst noch wollte, erzählt Diod. 16,44,1: Unterstützung für die geplante Unterwerfung Ägyptens. Im Gegenzug dürfte er seine (wohl auch in finanzieller Hinsicht lohnende) Freundschaft angeboten haben. Dadurch läßt sich auch das Verbum έπηγγέλλετο an unserer Stelle erklären. Denn D. erlaubte sich (er war ja kein nach Objektivität strebender Historiker), ausschließlich den für seine Argumentation nützlichen Teil des Vorgangs um die persische Gesandtschaft in die Erinnerung seiner Landsleute zu rufen. Damit entfällt der Einwand von Milns 296, daß der Großkönig durch die von Didym. erwähnte Gesandtschaft des J. 344/3 um etwas gebeten, nicht aber, wie an unserer Stelle behauptet, etwas angeboten habe. Ähnlich wie Milns hatte sich freilich schon Sordi, Kokalos 1959,115-117 geäußert, die gar zwei Gesandtschaften des Großkönigs nach Athen annahm, eine für den Frühling oder Sommer des J. 345 mit der Bitte um Söldner gegen Ägypten (Diod. 16,44,1) und eine für das J. 344/3 (auf die sich unsere Stelle beziehe) mit dem Angebot von Subsidien gegen Philipp. Dieses Angebot läßt sich aber besser mit der Bitte um Söldner verbinden, da dem Großkönig die Gegnerschaft zu Philipp im J. 344/3 kaum so wichtig war, daß er Athen um derentwillen Unterstützung angeboten hätte. Die Theorie der zwei Gesandtschaften, die Cawkwell, CQ 1963,137 zu Recht verwarf, wurde freilich von Marta Sordi in ihrem Komm, zu Diod. 16,44,1 (1969) ohne Hinweis auf den Widerspruch Cawkwells aufrechterhalten und von E.M. Harris, CPh 84,1989,36-44 neu belebt (vgl. auch eund., Aeschines 108 f.); mit dem Unterschied, daß er die „zweite" persische Gesandtschaft erst nach dem J. 344/3 setzt. Dadurch entsteht aber die zusätzliche Schwierigkeit, daß die ab dem Sommer des J. 343 zunehmenden Spannungen mit Philipp den Athenern die von D. beklagte Abweisung der persischen Annäherungsversuche immer weniger erlaubt haben dürften. Damit bleibt die Gleichsetzung des an unserer Stelle erwähnten persischen Vorstoßes mit der Gesandtschaft des J. 344/3 m. E. weiterhin die plausibelste Lösung. - Die Athener versagten (wie die Spartaner, aber ungleich den Thebanern und Argeiern) dem Großkönig die Unterstützung bei seinem Vorhaben, wahrten aber die Neutralität und versicherten ihn gar ihrer Freundschaft, ausgenommen der Fall, daß er die griechi-

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sehen Städte angreifen sollte (vgl. Philoch. [FGrHist 328] frg. 157 [oben ausgeschrieben]). Didym. in D. 10 col. 8,11 sq. 23-26 behauptet, die Athener hätten damit den Großkönig unnötig brüskiert. Harris a. O. (CPh 1989) S. 41 f. und id., Aeschines 108f., hat aber vielleicht Recht, wenn er meint, daß Artaxerxes mit der Neutralität der Athener eigentlich schon zufrieden war. Er konnte ja vor der Unterwerfung Ägyptens Athen wenig bieten und von ihm entsprechend wenig erwarten, zumal da der Ausgang des geplanten Feldzuges, besonders wenn man die Erfolglosigkeit der vergangenen Versuche bedachte, ungewiß war. In dieser Lage hielt sich vielleicht auch D. mit Rücksicht auf die wohlbekannte Aversion seiner Landsleute gegenüber Persien zurück (vgl. Cawkwell, CQ 1963, S. 130); unsere Quellen schweigen aber dazu. Im J. 341 lagen die Dinge natürlich anders, und er konnte bei seinen Hörern auf Verständnis hoffen, als er ihnen ihre damalige Haltung vorwarf. - Didym. in D. 10 col. 8, 7 sq. behauptet, daß die persische Gesandtschaft vom Herbst 344 fünf Jahre vor der Entstehung der 4. Philippika erfolgte, was die Rede bei inklusiver Rechnung in den Herbst 340, also in das attische Jahr 340/39, setzen würde. Die Behauptung des Didym. steht aber in Widerspruch zu seiner früheren Annahme (in D. 10 col. 1,51-53), daß die Rede vor dem Archontat des Nikomachos (im J. 341/0) geschrieben wurde. Die Worte ετών πέντε (Didym. in D. 10 col. 8,8) muß man demnach mit Körte 395-97 als Fehler ansehen. Canfora, Per la cronologia 17-19 möchte Didym. trotzdem Glauben schenken und vertritt die Auffassung, daß er die Angabe πέντε έτών aus seiner Quelle geschöpft habe. Dadurch müßten wir aber die Festnahme des Hermias etwa in den Sommer des J. 340 setzen und als gleichzeitig mit Philipps Angriff auf Perinthos ansehen. Das würde zur Theorie Canforas ibid. 15 passen, der πολεμοϋσιϊη § 31 auf die Hilfeleistung der Satrapen für Perinth bezieht. Daß aber zwischen dem Eintreffen Mentors in Kleinasien und der Verhaftung des Hermias etwa zwei Jahre vergangen seien, ist schwer zu glauben, ν ΰ ν paßt ferner (wenn wir es auf die Gesandtschaft des Herbstes 344 beziehen) besser zu einem zeitlichen Abstand von ein paar Jahren als zu einem von vier. - Die Annahme des Didym. in D. 10 col. 8,26-32, daß die persische Gesandtschaft des J. 344 mit der Verhaftung des Hermias in Zusammenhang stehe, ist ebenfalls eine auffallend unschlüssige Kombination, die uns die Schwierigkeiten, die Didym. mit der Chronologie hatte, deutlich vor Augen führt, vgl. Körte a. O. und Harris a. O. (CPh 1989) S. 38. - Durch die Imperfekte έπηγγέλλετο, έδέχεσθε und άπεψηφίζεσθε (-σασθε FY) werden „auf einander folgende() Begebenheiten in der Vergangenheit" geschildert (Kühner/

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Kommentar § 34

Gerth I 143), wobei die fortwährende Gültigkeit des persischen Angebots und der Ablehnung desselben durch die Athener betont wird (vgl. als Kontrast den voraufgegangenen Aorist συνεπηνώρθωσε, der die Handlung als abgeschlossen darstellt). - In der Parenthese richtet D. seine Kritik für einen Augenblick wieder allgemein an die Athener, um ihnen die Schuld dafür zu geben, daß sie vom Großkönig nicht schon längst eine tatkräftige Unterstützung erhalten haben. Die Schuld der Athener wird durch das σχήμα κατ' άρσιν και θέσιν hervorgehoben. Die Parenthese steht in der Fuge zwischen den beiden Gliedern der Antithese (eine besonders bei Satzverbindungen, die mittels μεν und δε eingeleitet werden, sehr gewöhnliche Stellung, vgl. Grünewald 236-242) und schließt die Widerlegung der Behauptung, der Perserkönig sei Athen gegenüber κακόνους, ab. - Die Partikel γ' fehlt nur in S (sie wird jetzt auch bei Didym. überliefert) und sollte mit Reiske, Bekker 1824, Dindorf, Vömel 1847, Weil, Fuhr, Croiset und Canfora beibehalten werden, zumal da sie vorzüglich in den Text paßt („wenn ihr seine Hilfe nicht angenommen habt, hat er zumindest keine Schuld an eueren Schwierigkeiten"). Blaß schrieb τάκείνου γ', um den Hiat zu beheben. υπέρ δέ τοϋ έπί ταϊς θύραις έγγύς ούτωσί έν μέση tfj Ελλάδι αυξανομένου ληστοϋ των Ελλήνων άλλο τι λέγοντα: Im zweiten Glied der Antithese wird die Nähe der Bedrohung durch Philipp eindrucksvoll vor Augen geführt: durch die Metapher έπί ταΐς θύραις, das pleonastische, mittels des deiktischen Adverbs ούτωσί unterstrichene έγγύς, die Hyperbel έν μέση τη Ε λ λ ά δ ι sowie die Wiederholung τη 'Ελλάδι/ των Ελλήνων als Gegensatz zu den Ortsnamen Susa und Ekbatana, die die Ferne, in der der Großkönig weilt, nur andeuten. Während D. im ersten Glied der Antithese die Behauptung, der Großkönig sei den Athenern gegenüber κακόνους, durch Argumente zu entkräften suchte, behauptet er durch eine zweite, eindringliche Metapher apodiktisch von Philipp, er sei ein ληστής των Ελλήνων. - Schon 2,19 nennt D. die Umgebung von Philipp ληστάς, aber auch Aesch. gebraucht 3,253 das Substantiv ληστής als Schimpfwort, und zwar in einem auf D. selbst bezogenen Vergleich: ως ληστήν των πραγμάτων, έπ' ονομάτων διά της πολιτείας πλέοντα. Von den Kommentatoren wird auch D. 9,22 verglichen, wo Philipp als Wegelagerer charkterisiert wird: καθ' εν' ούτωσί περικόπτειν και λωποδυτεΐν των Ελλήνων. Zum konkreten Hintergrund der Metapher ληστής, dem Piratenunwesen in der Ägäis und im Mittelmeer überhaupt, vgl. H. A. Ormerod, Piracy in the Ancient World, Liverpool 1924, besonders S. 108-150, sowie Wankel 788 zu D. 18,145. - Mit

Kommentar § 34

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Hinweis auf die Nachahmung bei Aristid. orat. 9,27 Lenz/ Behr έν προθύροις οΰτωσί των Θηβών, überlegte sich Blaß υπέρ δέ τοΰ έν προθύροις οΰτωσί της Ε λ λ ά δ ο ς ληστοϋ, was aber den Text entscheidend schwächen würde. Jetzt wird unsere Überlieferung auch durch das Zitat bei Didym. in D. 10 col. 6,66-7,1 unterstützt. - Zur Emphase durch die Stellung von οΰτως/ ούτωσί unmittelbar hinter seinem Adverb bzw. Adjektiv vgl. Rehdantz, Ind. II 114 f. und unten § 57. Angesichts der zahlreichen Belege überzeugt die Tilgung von εγγύς durch Blaß nicht. Ein paar Beispiele der invertierten Stellung mit anderen Adverbien (πάνυ, λίαν) zitieren Kühner/ Gerth II 596. - Nach έκείνου αίτια folgen jetzt zwei weitere Hiate: οΰτωσί έν μέση und Ε λ λ ά δ ι αυξανομένου. Vielleicht wollte D. am Ende der Argumentation, wo der Ton wieder leidenschaftlich wird, durch die Häufung der Hiate den Zuhörern den Eindruck ungekünstelter Natürlichkeit vermitteln (vgl. Cie. orat. 77 [oben zu § 27 οτι εστίν έλευθέρω κτλ. ausgeschrieben]). - Das Verbum αύξάνειν/αύξάνεσθαι vom Machtzuwachs einer Person ist demosthenisch (vor allem von Philipp: D. 1,9; 2,5. 7; 9,21; 18,161; [D.] 11,3; einmal von Kersobleptes D. 23,133); als einziges Beispiel für den Gebrauch von αύξάνεσθαι mit Bezug auf eine Person vor D. zitiert Wankel 833 zu D. 18,161 Herod. 6,132 (von Miltiades). Auf den Machtzuwachs von Staaten wird das Verbum hingegen auch sonst bezogen. Den demosthenischen Gebrauch des Verbums mit Bezug auf Philipp erklärt Wankel a. O. aus der Gleichsetzung Makedoniens mit dem König durch D.; vgl. aber die beiden soeben erwähnten Stellen D. 23,133 u. Herod. 6,132, sowie noch Isocr. 5,120 (von Iason). Eine besondere Erwähnung verdient Isocr. 5,73, wo den Gegnern Philipps mit αύξάνεσθαι und έπιβουλεύειν Begriffe in den Mund gelegt werden, die auch D. mit Vorliebe auf Philipp bezieht (vgl. oben zu § 11 ούδ' έπιβουλεΰει και σκοπεί): αισθάνομαι γάρ σε διαβαλλόμενον ύπό των σοι μέν φθονούντων, τάς δέ πόλεις τάς αυτών είθισμένων εις ταραχάς καθιστάναι ..., οί πάντων τών άλλων άμελήσαντες περί της σης δυνάμεως λέγουσιν, ώς ούχ ύπέρ της Ε λ λ ά δ ο ς άλλ' επί ταΰτην αυξάνεται, και σύ πολύν χρόνον ήδη πασιν ήμΐν έπφουλεύεις. - Pasquali 288 möchte in Anlehnung an die Paraphrase bei Didym. (in D. 10 col. 7,6) μηδέ λέγοντα lesen (im Lemma [6,73] hat auch Didym. άλλο τι), und Blaß wollte λέγοντα sogar tilgen („potius και λέγοντα και φρονοϋντα subaudiendum"). άλλο τι λέγοντα wird aber nicht nur von der Überlieferung empfohlen; auch der Vorwurf der Unehrlichkeit wird deutlicher, wenn D. diejenigen, die den Großkönig fürchten (d.h. vorgeben, ihn zu fürchten), von Philipp ganz anders reden und nicht bloß schweigen läßt.

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Kommentar §§ 3 4 - 3 5

Wenn wir mit Blaß in Gedanken φ ρ ο ν ο ϋ ν τ α ergänzten, würden wir den „Fürchtenden" ehrliche (wenn auch in ihrer Auswirkung schädliche) Absichten zubilligen. Mit άλλο τι λέγοντα variiert D. das δεδοικότα des ersten Gliedes und spart zugleich das Verbum δεδιέναι für die translatio in der Schlußfolgerung auf.

θαυμάζω και δέδοικα τοΰτον, όστις άν ή ποτ', εγωγε, έπειδή ούχ ούτος Φίλιππο ν: Ausdrücke der Verwunderung und Mißbilligung sind für ενθυμήματα ά π ό τοϋ έναντίου bezeichnend. Sie stehen, anders als θ α υ μ ά ζ ω an unserer Stelle, eher am Anfang, vgl. α γ α ν α κ τ ώ § 57. Das Besondere hier ist die durch die translatio von δεδιέναι sehr wirkungsvolle steigernde Verbindung: Die athenischen Feinde des Großkönigs, deren unehrliche Absichten D. schon durch άλλο τι λέγοντα angedeutet hatte, verdienen, selber gefürchtet zu werden. - Auf den Verrat durch athenische Politiker wird hier nur in der Form einer vorsichtig formulierten Unterstellung hingewiesen. Ein frontaler Angriff auf die Verräter folgt erst in § 54. - Das Hyperbaton von εγωγε trägt zur Emphase stark bei. Der iambische Rhythmus schlägt im Relativsatz in den daktylischen über, und die pointierte Zusammenstellung ούτος Φίλιππον (für weitere Zusammenstellungen vgl. oben § 3 τους λόγους τά εργα) steht, auch durch die Auslassung des Prädikats hervorgehoben, betont am Satzende (zur „emphasis at end" vgl. Denniston, Prose Style 45-47). - Das letzte Argument, die nunmehr unvermeidliche Furcht vor Philipp, schließt den Abschnitt über die empfohlene Gesandtschaft nach Persien sehr effektvoll ab. Beeindruckt davon war auch Sallust, der unsere Stelle in der Rede Catos (Catil. 52,16) nachgeahmt hat: si in tanto omnium metu solus non timet, eo magis refert me mihi atque vobis timere (verglichen von Rehdantz z. St.). Zum Gedanken, es sei verwunderlich, daß man Philipp nicht fürchte, vergleicht Heslop z. St. D. 6,6 ει τις ... θαρρεί όρων, ήλίκος ήδη και όσων κΰριός έστι Φίλιππος και μηδέν' οιεται κίνδυνον φέρειν τοϋτο τή π ό λ ε ι . . . , θ α υ μ ά ζ ω .

§§ 35-45 Mahnung zu Eintracht zwischen Arm und Reich in der Stadt

§ 35 εστι τοίνυν πράγμα και άλλο, δ λυμαίνεται την πόλιν: Die §§ 35-45 enthalten einen eindringlichen Appell zu ομόνοια unter den Bürgern. Ein solcher Appell dient dem Ethos des Redners, indem dieser sich als Fürsprecher des Allgemeinwohls gegen die verschiedenen Sonderinteressen darstellen kann. Auch sonst paßt die Mahnung zu ομόνοια

Kommentar § 35

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angesichts der äußeren Bedrohung gut in unsere Rede. Die Echtheit der §§ 35-45 wurde trotzdem schon im Altertum bezweifelt, wie uns Schol. in D. 10 p. 144,26-28 Dilts etwas unbescheiden mitteilt: δντινα (sc. τον τοΰ ρήτορος σκοπόν) των π ρ ο ημών ούδενός ειδότος, ώς έμέ γ' ειπείν, φ ή θ η σ α ν έμπεπτωκέναι τό περί των θεωρικών ζήτημα της παρούσης υποθέσεως άλλότριον. Ob die Kritiker die in Schol. in D. 10 p. 143,24 Dilts erwähnten Alexandras, Dioskoros und Zenon waren, ist unsicher, und aus den Worten des Scholiasten lassen sich auch ihre Gründe nicht rekonstruieren. Die neuere Kritik an §§ 35-45 richtete sich vor allem gegen die Art und Weise der Behandlung der Theorika, die angeblich unbefriedigenden Übergänge und die ungewöhnlich breiten Ankündigungen. Weniger Aufmerksamkeit wurde indessen einer anderen Schwierigkeit gewidmet, die m. E. keineswegs geringfügiger ist als die oben erwähnten. Sie besteht in der Abwesenheit jeden Bezugs auf Philipp in §§ 35-45, obwohl sich die Dringlichkeit der Herstellung von ομόνοια gerade durch die äußere Bedrohung vorzüglich hervorheben ließe. D. redet hier in der Tat „fast wie im tiefsten Frieden" (Blaß, Att. Bereds. III 2 1,388), aber nicht weil er die Theorika verteidigt, sondern weil die oben erwähnte Bezugnahme auf Philipp unerklärlicherweise unterbleibt, wo doch der König und Athens Verhältnis zu ihm in der ganzen Rede im Vordergrund stehen. Die Abwesenheit jeder „Beziehung auf einen wirklichen, in dieser Rede verfolgten Zweck" hat schon Rehdantz z. St. festgestellt und dabei hervorgehoben, daß es leicht gewesen wäre, die Gesandtschaft an den Perserkönig eben mit den in §§ 35-45 besprochenen Schwierigkeiten zu begründen, und auch Weil z. St. betont, daß diese Problematik „touche de pres ä la question des subsides, ce qu'il etait facile de faire ressortir". Anders als die fehlende Bezugnahme auf die Bedrohung durch Philipp, vermisse ich die explizite Verbindung zwischen Theorika und persischen Subsidiengeldern nicht, da das Argument, die Athener könnten die Theorika behalten, wenn es ihnen nur gelänge, den Großkönig zur Zahlung von Subsidien zu bewegen, nicht unproblematisch wäre. Die Möglichkeit, Subsidiengelder zu erhalten, hat D. ja in §§ 31-34 unmißverständlich angedeutet: durch den Hinweis auf den Geldmangel in § 31 und die unmittelbar nachfolgende Erwähnung der eingetroffenen ευτυχήματα, die das Zustandekommen der δέοντα unter Umständen ermöglichen könnten, sowie durch die Erinnerung (in § 34) daran, daß der Großkönig schon früher geholfen habe, die Angelegenheiten der Stadt in Ordnung zu bringen, und erst vor kurzem wieder versprochen habe, dies nochmals zu tun. Bezüglich der Subsidien ist D. mit gutem Grund bei Andeutungen geblieben: Sie waren ja unsi-

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Kommentar § 35

eher, und er konnte sie nicht gut versprechen (so auch Spengel, Δημηγορίαι 99). Noch abenteuerlicher wäre es aber gewesen, sie mit den Theorika zu verbinden: Wenn die Subsidien ausblieben und die Theorika tatsächlich in Stratiotika umwandelt werden müßten (wozu es auch gekommen ist, vgl. Philoch. [FGrHist 328] frg. 56 a und unten zu § 36 εί άνέλοιμεν κτλ.), hätte D. seinen Gegnern selbst den Vorwurf geliefert, daß die Theorika deswegen verlorengegangen seien, weil die von ihm großmäulig verkündeten persischen Subsidien nicht eingetroffen seien. Unter diesen Umständen war es gewiß klüger, die Herstellung der Verbindung zwischen Subsidien und Theorika den Zuhörern zu überlassen. - Den Anschluß der §§ 35^45 an das Vorhergegangene nennt Blaß, Att. Bereds. III 2 1,387 „ausserordentlich schlecht", und auch Spengel, Δημηγορίαι 96 meint, er passe nicht, da die Wendung π ρ ά γ μ α και άλλο voraussetze, „dass schon anderes, was dem Staate schadet, vorhergegangen sei"; dies sei jedoch nicht der Fall. Die Schwierigkeit könne freilich durch die Umstellung der §§ 31-34 und 35-45 behoben werden, da in §§ 28-31 ebenfalls von Dingen die Rede sei, die der Stadt schadeten. Da die Theorika unangetastet bleiben sollen, Stratiotika aber doch unentbehrlich seien, erfolge in §§ 31-34 „die Nachweisung, dass man die nöthigen Gelder zum Kriege von dem Perserkönige beziehen könne". Gegen Spengel und Blaß vertritt H. Weil z. St. zu Recht die Auffassung, daß der Übergang in § 35 akzeptabel sei, da im voraufgegangenen Paragraphen von den für Athen selbst schädlichen Vorurteilen gegen den Perserkönig die Rede gewesen sei (Weil meint allerdings auch, daß die Verbindung zwischen Subsidien und Theorikon deutlicher hätte hergestellt werden können; dazu vgl. aber oben). - Für das ,metabatische' τοί,νυν vgl. oben zu § 28 τό μεν τοίνυν κτλ. - τι vor π ρ ά γ μ α (FY Didym.: om. SA) wurde zuerst von den Zürchern, dann von Vömel, Rehdantz, Blaß und Fuhr fortgelassen, von den anderen Herausgebern aber beibehalten. Recht hatten wohl die ersteren angesichts der „überaus häufigen" Interpolation von t i in den Hss. (vgl. Fuhr, B. Phil. Wschr. 1911, Sp. 628 Anm. 1 mit drei weiteren Beispielen gerade aus der Hs. F). Hier erfolgte sie vielleicht nach dem Muster von Übergängen wie έστιν τοίνυν τις λόγος (die Stellen s.oben zu § 11 είσί δέ τίνες), wo τις aber eine verächtliche Nuance hat. τι fortlassen will auch Pasquali 287; seine Feststellung, es sei kakophonisch, läßt sich aber wohl kaum begründen. Canfora, S. 133 der nota critica seiner Ausgabe, betrachtet και άλλο als eine Interpolation, die jemand hinzugefügt habe zur Erklärung der Tatsache, daß dem „letzten" zu besprechenden Gegenstand (λοιπόν in § 31) noch ein zusätzlicher hinzugefügt wird, και άλλο läßt sich aber auch bei

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demosthenischer Autorschaft erklären, war doch vorher wiederholt von Schäden die Rede, die Athen erlitten habe. - Ebenfalls in einem Übergang erscheint das Verbum λυμαίνεσθαι D. 9,36 ήν τι τότ(ε) ..., δ ... νϋν ... άπολωλός ά π α ν τ α λ ε λ ύ μ α ν τ α ι . . . τ ά π ρ ά γ μ α τ α . Zur Wendung λυμαίνεται την πόλιν vgl. noch die von Wankel 1287 zu D. 18,303 zitierten Belege: D. 19,17. 19. prooem. 17 mit dem Objekt τ ά π ρ ά γ μ α τ α (της πόλεως); Din. 1,29 mit dem Objekt την π α τ ρ ί δ α , und mit dem Dativ D. 18,303 (τοις δλοις) und Isocr. 3,18 (τοις κοινοΐς).

υπό βλασφημίας αδίκου και λόγων ού προσηκόντων διαβεβλημένον: Wie an der soeben verglichenen Stelle der 3. Philippika (9,36) baut D. im Übergang ein αίνιγμα auf, indem er nur allmählich durchblicken läßt, an was für ein π ρ ά γ μ α er denkt. Dabei macht er an beiden Stellen seine Ansicht über die Sache in apodiktischen und suggestiven Worten deutlich, noch bevor er die Lösung des αίνιγμα mitteilt. Spengel, Δημηγορίαι 100 Anm. 1 findet es befremdend, daß D. nicht darauf hinweist, daß er „durch Umstände genöthigt worden (sei) einzulenken, sondern die Vertheilung der Staatsgelder als recht und billig (betrachte)". D. hätte aber seine ganze Argumentation untergraben, wenn er zugegeben hätte, daß er die Sache der ά π ο ρ ο ι nur deswegen verteidigte, weil ihn die politischen Umstände dazu gezwungen hätten. Statt sich als über den Sonderinteressen stehenden Staatsmann zu zeigen, hätte er sich auf diese Weise in den Augen der ά π ο ρ ο ι als unzuverlässig diskreditiert. - Die Schädigung der Stadt (λυμαίνεται) erfolgt dadurch, daß das von D. erwähnte π ρ ά γ μ α einer Diabole ausgesetzt wird. Schädigung und Diabole werden von D. auch 18,293 (εβλαπτεν και διέβαλεν) miteinander verbunden, und τό π ρ ά γ μ α erscheint bei D. auch 28,1 als Objekt von διαβάλλειν. Die von Dindorf aus dem index Lambini in den Text übernommene Lesart διαβεβλημένην, die H. Weil „assez mauvaise" nennt, dürfen wir demnach mit gutem Gewissen verwerfen. - υ π ό mit Genetiv der Sache nach passiven Verben ist bei D. nicht selten, vgl. die Stellen bei Rehdantz, Ind. II 143 und Lutz 176 f. Aus den Belegen bei letzterem geht hervor, daß Ant. für diese Konstruktion eine besondere Vorliebe hatte, daß sie dagegen von Isae. kaum gebraucht wurde; verwendet wurde sie, wie an unserer Stelle, vor allem, wenn es galt, die Wirkung verderblicher Einflüsse darzustellen nach Verben, die das Entstehen eines Schadens ausdrücken. - Die Qualifizierung eines abstrakten Substantivs durch ein Adjektiv ist „selbst bei D. selten()" (Wankel 938 zu D. 18,201 άσφάλειαν άδοξον, der auf Denniston, Prose Style 35 mit Anm. 1 hinweist). Die Wortfolge mit dem determinativen Adjektiv hin-

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Kommentar § 35

ter seinem Substantiv ist die normale; bei den Rednern freilich, bei denen die Attribute „oft affektiv gebraucht und somit hervorgehoben werden", ist die Voranstellung des Adjektivs häufiger als die Nachstellung, vgl. Bergson 158 f. Beim echten D. hat das Substantiv βλασφημία auch 22,21 (βλασφημίας ουχί προσήκουσας) und 57,1 (βλασφημίας ουτε προσήκουσας ουτε δικαίας) eine Bestimmung. Der Ausdruck άδικος βλασφημία [D.] epist. 4,10 ist wohl eine Nachahmung unserer Stelle. διαβολή/ διαβάλλειν und βλασφημία/ βλασφημεϊν werden bei D. noch 15,2 (= prooem. 27,2) und bei den anderen Rednern [D.] 25,94 und Isocr. 15,32 verbunden. Für verwandte Verbindungen von βλασφημεϊν mit λοιδορεΐσθαι und κακολογεΐν vgl. Wankel 154 f. zu D. 18,10. - Es ist bemerkenswert, daß der kraftvollere Ausdruck βλασφημία άδικος dem schwächeren λόγοι ου προσήκοντες vorausgeht. - Die Litotes ου προσήκων gefällt bei den Rednern besonders Ant., bei dem sie an einem halben Dutzend Stellen vorkommt; bei den anderen ist sie nur vereinzelt belegt (im Corp. Dem. D. 22,21; 51,10; 57,1; prooem. 1,3; 46,4), das Substantiv λόγοι qualifiziert sie noch Isocr. 15,91 und im Corp. Dem. prooem. 46,4. - Die Kürzenhäufung πόλιν υπό wird dadurch erleichtert, daß die Partizipialkonstruktion υπό βλασφημίας ... διαβεβλημένον ein eigenes Kolon bildet. είτα τοις μηδέν των έν tfj πολιτεία δικαίων βουλομένοις ποιεΐν πρόφασιν παρέχει: D. setzt sein αίνιγμα fort, indem er einen der Schäden spezifiziert, die die Verleumdung des erwähnten πράγμα der Stadt zufügt: Sie liefere denjenigen einen Vorwand, die die Erfüllung ihrer Pflichten verweigern wollen. - Die Wendung τί (ουδέν, μηδέν) των δικαίων ποιεΐν kommt beim echten D. sonst nur 19,341 vor; in den Ps.-Demosthenica ist sie häufiger: [D.] 34,13; 47,37; 48,4. 32. 36. 42; 56,17; bei den anderen Rednern wohl nur Lys. 17,3 u. Isae. 6,42. Die Wortfolge von S mit der attributiven Stellung des Präpositionalausdrucks (των έν τη πολιτεία δικαίων S: των δ- έν τη π- FAY Didym.) wird vom Sinn gefordert (so auch Pasquali 287) und hat seit den Zürchern zu Recht allgemeine Akzeptanz gefunden. Überlegt werden könnte allenfalls die Wiederholung des Artikels bei Beibehaltung der Wortfolge von FAY und Didym.: μηδέν των δικαίων των έν τη πολιτεία, vgl. D. 15,29 των μέν γάρ ιδίων δικαίων των έν ταΐς πολιτείαις. Für den Ausdruck τά έν τη πολιτεία δίκαια („die Bürgerpflichten") s. auch die soeben verglichene Stelle der Gesandtschaftsrede: 19,341 των δικαίων τι ποιεΐν τη πόλει. Die Wendung πρόφασιν παρέχειν kommt bei den Rednern, soweit ich sehe, nur noch D. 6,32 und 18,156 vor.

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και πάντων, όσα έκλείπει, δέον παρά του γίγνεσθαι, έπι τοϋθ' εύρήσετε την αιτίαν άναφερομένην: Diese Erweiterung dient der Amplification: D. wiederholt seine vorausgegangene Behauptung, daß die Verleumdung des von ihm noch nicht eindeutig benannten π ρ ά γ μ α denjenigen, die ihren Bürgerpflichten nicht nachkommen wollen, Vorwände liefere, und hebt sie durch die Hyperbel π ά ν τ ω ν ... την αιτίαν, die mittels der weiten Sperrung zusätzlich betont wird, nachdrücklich hervor. - Rehdantz und Weil z. St. vergleichen zum Gedanken D. 2,30, wo D. aber, anders als hier, für den Unwillen der Unrecht erleidenden Reichen Verständnis zeigt: ει δέ τοις μέν ώσπερ έκ τ υ ρ α ν ν ί δ ο ς υμών έπιτάττειν άποδώσετε, τοις δ' ά ν α γ κ ά ζ ε σ θ α ι τριηραρχεΐν, είσφέρειν ..., ουχί γ ε ν ή σ ε τ α ι τ ώ ν δεόντων ήμΐν ουδέν έν καιρώ* το γάρ

ήδικημένον άεί μέρος ελλείψει. Dasselbe gilt für 3,11, wo D. die Abschaffung einiger Gesetze vorschlägt, ών οι μέν τά στρατιωτικά τοις οϊκοι μένουσι διανέμουσι θεωρικά, οί δέ τους ά τ α κ τ ο ΰ ν τ α ς

αθώους καθιστάσιν, είτα και τούς τά δέοντα ποιεϊν

βονλομένους

άθνμοτέρονς ποιοϋσιν. - Das Verbum έκλείπει erscheint im Corp. Dem. (insgesamt neunmal belegt) nur hier ohne Objekt. Bei den übrigen Rednern vgl. Isocr. 4,31; 8,20 u. Isae. 11,2. - Das absolute Partizip δέον ist bei den Rednern nur bei Isocr. und im Corp. Dem. häufig; A. Schäfer III1, Beil. IV 96 bleibt die Erklärung, warum er den Ausdruck δέον π α ρ ά του γίγνεσθαι zu den „verschrobenen Wendungen" unserer Rede zählt, schuldig. - Die Lesart von SA π α ρ ά του hat sich seit Bekker gegen das unverständliche π α ρ ά τοϋτο (FY) zu Recht durchgesetzt (der Didym.-Pap. überliefert π α ρ ' αύτοΰ). - Zu εΰρήσετε könnte man wie zum ähnlichen φανήσεται etwa άν σκοπήτε oder ά ν έξετάζητε ergänzen, vgl. z.B.D. 9,2; 19,115; 21, 185; 27,35; [D.] 47,26 und Wankel 587 u. 1188 zu D. 18,109 bzw. 275. - Die gewöhnliche Präposition nach α ν α φ έ ρ ω ist εις. έπί kommt bei den Rednern sonst noch D. 18,224 und Aesch. 3,215 vor. περί οΰ πάνυ μέν φοβούμαι: Die Lösung des αίνιγμα wird weiter verschoben. Schon die Wiederholung im vorausgegangenen Satzgefüge και πάντων, οσα εκλείπει ... την αιτίαν ά ν α φ ε ρ ο μ έ ν η ν ist ein Mittel der retardatio. Diese wird hier zur Erhöhung der Spannung durch eine Prodiorthose und eine Ankündigung, die anschließend noch begründet wird, fortgesetzt. - φοβούμαι kommt bei Isocr. und im Corp. Dem. häufig, bei den anderen Rednern kaum in Prodiorthosen vor. Bei D. vgl. z. B. 19, 3 δ δέ ... φοβούμαι, φ ρ ά σ ω προς υμάς και ουκ ά π ο κ ρ ύ ψ ο μ α ι . 21,129; 41,2. Als Kontrast zu unserer Stelle vgl. die breite Ausführung des Ge-

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dankens Isocr. 15, 272: φοβούμαι, μή ... άκούσαντες θορύβου ... έμπλήσητε τό δικαστήριον δμως δέ καίπερ ούτω διακείμενος επιχειρήσω διαλεχθήναι περί α υ τ ώ ν αισχύνομαι γάρ, ε'ί τισι δόξω δεδιώς υπέρ γήρως ... προδιδόναι την άλήθειαν. - λέγειν ist aus dem nachfolgenden έρώ nur in Gedanken zu ergänzen, obwohl es nach φοβούμαι bloß in S fehlt: Die Lesart φοβούμαι λέγειν (FAY) macht den Ausdruck wegen der doppelten Wiederholung (λέγειν ... έρώ ... ειπείν) zu schwerfällig, weshalb seit den Zürchern die Herausgeber (ausgenommen Dindorf und Vömel 1847) zu Recht S gefolgt sind. ού μην αλλ' έρω: Die Ankündigung dient nach dem voraufgegangenen prodiorthotischen Geständnis dem Ethos des Redners: Er werde trotz seiner Befürchtungen (die Partikelkombination ού μην αλλ' markiert die bewußte Überwindung eines als beträchtlich erkannten Hindernisses, vgl. Denniston, Particles 28) nicht davor zurückschrecken zu sagen, was er für notwendig halte. § 36 οΐμαι γάρ εξειν και υπέρ των απόρων τά δίκαια έπΐ τφ συμφέροντι της πόλεως είπεϊν προς τους εύπορους: Die Begründung der Ankündigung dient zum einen wieder einmal der retardatio (vgl. zu § 35 περί ού πάνυ μέν φοβούμαι), zum anderen aber auch dem Ethos des Redners: Was ihn dazu veranlaßt, seine Befürchtungen zu überwinden, ist der Wunsch, die ομόνοια unter den Bürgern zu fördern, indem er zur Achtung der berechtigten Interessen sowohl der Armen als auch der Reichen mahnt. Durch die Versicherung, daß er das Thema unparteiisch behandeln werde, erhält die Begründung zugleich eine prodiorthotische Funktion. Die Aufteilung der Gegensätze auf Reich und Arm ist sicherlich eine Vereinfachung; sie erlaubt aber dem Redner viel besser, seine Unparteilichkeit hervorzuheben, als jede Verwicklung in die Einzelheiten der Tagespolitik, bei der jede Stellungnahme notwendigerweise umstritten wäre. Zur gelegentlich unkritischen Übernahme dieser Vereinfachung in die moderne Geschichtsschreibung seit Beloch vgl. H. Schäfer, Gnomon 32,1960,3 sowie Wankel 589 zu D. 18,109. - Den Ausgleich zwischen Reich und Arm gefördert zu haben, rechnet schon Solon zu den bedeutendsten Verdiensten der eigenen Politik: frg. 5 West (= Aristot. Ath. pol. 12,1) δήμω μέν γάρ έδωκα τόσον γέρας οσσον άπαρκεΐ, | τιμής ούτ' άφελών ούτ' έπορεξάμενος· | οΐ δ' είχον δύναμιν και χρήμασιν ήσαν άγητοί, | και τοις έφρασάμην μηδέν άεικές έχειν. | έστην δ' άμφιβαλών κρατερόν σάκος άμφοτέροισι, | νικάν δ' ούκ ε'ιασ' ούδετέρους άδίκως. frg. 37 West (= Aristot. Ath. pol. 12,5) δήμω

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μέν εί χρή διαφράδην όνειδίσαι, | α νϋν εχουσιν οΰποτ' όφθαλμοΐσιν άν I εΰδοντες ειδον. | δσοι δέ μείζους και βίαν άμείνονες, | αίνοϊεν άν με και φίλον ποιοίατο (verglichen von Harris, D. and the Theorie Fund 70). Auch D. rechnet die Förderung der ομόνοια in der Kranzrede zu den anerkannten Aufgaben des Politikers (18,246 εις όμόνοιαν και φιλίαν και τοϋ τα δέοντα ποιεΐν όρμήν προτρέψαι), und als er diese Aufgaben in der an Aesch. gerichteten Fragereihe 18,311 zusammenfaßt, vermißt er bei seinem Gegner die allen Bürgern zugleich zugute kommenden Vorschläge: τίς η τοις εύπόροις ή τοις άπόροις πολιτική και κοινή βοήθεια χρημάτων (sc. σοΰ πράξαντος γέγονεν τη πόλει); Auch Hyp. 3, 37 beschreibt den guten Bürger als jemanden, οτω μέλει... της ομονοίας των πολιτών. Umgekehrt wirft Isocr. den (schlechten) Politikern das Schüren von Sozialneid statt des Strebens nach Ausgleich vor: 8,131 οι δημαγωγοί ου ... τοϋτο σκοποϋσιν, έξ οΰ τρόπου τοις δεομένοις βίον έκποριούσιν, αλλ' οπως τους εχειν τι δοκοΰντας τοις άπόροις έξισώσουσιν. - Das Verbum οιμαι ist hier ein Ausdruck der Bescheidenheit. Besonders häufig begegnet die mitigatio durch οιμαι in Wendungen, die besagen, daß der Redner in der Lage sei, eine Lösung des behandelten Problems u. ä. anzubieten: D. 4,15; 8,73; 18,56; 19, 13. 135; 20,109. 148; 23,6; 29,1. 28; 30,14; 32,3; 38,21; [D.] 12,20; 25, 19; 50,29; prooem. 18. Bei den anderen Rednern finden sich dafür außer bei Isocr. (etwa ein Dutzend Beispiele) nur vereinzelte Belege (Lys., Isae., Aesch.). - Zur (hier normalen) Folge der abhängigen Infinitive εξειν und ειπείν vgl. oben zu § 4 δι' οτου ποτ' άν οιωνται τοϋτο δυνήσεσθαι ποιήσαι. - Zur Wendung τά δίκαια λέγειν vgl. oben zu § 3. - έπί mit dem Dativ drückt hier, wie häufig bei den Rednern, „die einer Thätigkeit zu gründe liegende Absicht" aus („für das Wohl der Stadt"), vgl. einige Beispiele aus Lys., Isae. und D. bei Lutz 109. έπί (τω) συμφέροντι kommt bei den Rednern nur hier vor. - Das substantivierte Partizip τό συμφέρον/ τά συμφέροντα ist bei den Rednern nur im Corp. Dem. und bei Isocr. häufig. Es wird überwiegend mit dem Dativ konstruiert, der Genetiv kommt aber nicht selten vor. Der Wechsel zwischen den beiden Kasus findet sich bei den Rednern nur im Corp. Dem. und bei Din.; Isocr. hat nur den Dativ, Aesch. nur den Genetiv, vgl. Wankel 329 zu D. 18,47. και υπέρ των κεκτημένων τάς ουσίας προς τους έπιδεεΐς: Der Parallelismus wird durch die Variation im Ausdruck gemildert. - Die Umschreibung oi κεκτημένοι τάς ουσίας findet sich bei den Rednern noch Isocr. 6, 67; 8,128 u. Aesch. 3,255. In §§ 38 und 42 verwendet D. für die

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εύποροι den Ausdruck ot τάς ουσίας εχοντες (bei den übrigen Rednern noch Isocr. 7,32; 20,20 u. Lys. 29,4). Diese beiden Umschreibungen kommen im Corp. Dem. sonst nicht vor. Ebenfalls nicht belegt im Corp. Dem. (und überhaupt bei den Rednern) ist die Bezeichnung έπιδεεΐς, wodurch der Autor die Vokabel άποροι variiert. - Die Herausgeber wählen seit den Zürchern (Dindorf ausgenommen) die Lesart έπιδεεΐς (SF s v : καταδεεΐς F'AY). Die von Blaß verglichene Stelle Liban. decl. 1,88 (τις ουκ οίδεν ώς έν ταϊς έκκλησίαις πολλοί μεν τ ω ν τάς ουσίας κεκτημένων άποροΰντες γνώμης ά φ ω ν ο ι κάθηνται, πολλοί δέ των κ α τ α δ ε ώ ν ά συνοίσει λέγουσι;) könnte sehr wohl eine Nachahmung der unseren sein, und deutet darauf hin, daß Libanios unsere Stelle mit der Lesart καταδεεΐς in Erinnerung hatte.

εί άνέλοιμεν έκ μέσου καϊ τάς βλασφημίας, άς έπί τω θεωρικω ποιούνται τίνες ουχί δικαίως: Worum es ihm geht, spricht der Redner erst jetzt, nach der Versicherung, daß er den berechtigten Ansprüchen sowohl der Armen als auch der Reichen Rechnung tragen werde, aus. Er schickt sich an, die am Theorikon geübte Kritik zurückzuweisen, und dadurch den ersten Teil seiner Versprechung, die Armen in Schutz zu nehmen, einzulösen. Diese Bestrebung steht in diametralem Widerspruch zu der in den Olynthischen Reden (D. 1,19 sq.; 3,10-13. 19. 31) vertretenen Auffassung des D. sowie zu den zweifelsohne auf die Theorika zu beziehenden kritischen Anspielungen in der Chersonesitica (8,21 οΰτε των κοινών άπέχεσθαι δυνάμεθα. 23 ε ί . . . μήτε τ ώ ν κοινών άφέξεσθε). Kahrstedt, NGG 1929,162 Anm. 1 möchte zwar die Anspielung an diesen beiden Stellen nicht mit A. Schäfer II2 458 auf die Theorika, sondern auf die Korruption der athenischen Politiker beziehen. Das würde aber schlechter in eine Aufzählung passen, in der es um den Unwillen der Athener geht, angemessene Mittel für die Verteidigung bereitzustellen. Da ferner in den voraufgegangenen Paragraphen der Chersonesitica die Korruption überhaupt kein Thema war, und sich darüber hinaus die 8,23 in der zweiten Person wiederholte Wendung wohl doch nicht als Korruptionsvorwurf eines Politikers an die in der Volksversammlung anwesenden Bürger interpretieren läßt, scheint A. Schäfer die beiden Anspielungen in der Chersonesitica zu Recht auf die Theorika bezogen zu haben. - Der Widerspruch zwischen unserer Stelle und der aus den anderen einschlägigen Stellen bekannten Auffassung des D. zum Theorikon war schon dem Scholiasten aufgefallen, der ihn damit erklären möchte, daß Eubulos, mit dem sich D. über die Theorika gestritten habe, gestorben sei, oder daß D. durch die Vorspiegelung, die Theorika beibe-

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halten zu können, den Athenern die Annahme der persischen Subsidien habe schmackhafter machen wollen (Schol. in D. 10 p. 153,18-21 Dilts). Der Unterschied der in den Olynthischen Reden und der Chersonesitica einerseits und der 4. Philippika andererseits vertretenen Auffassungen lieferte den Gelehrten des 19. Jh. eines ihrer wichtigsten Argumente, mit deren Hilfe sie die Unechtheit unserer Rede nachzuweisen suchten, vgl. Böckh, Staatshaushaltung I 3 277 Anm. c; G. H. Schaefer z. St.; A. Schäfer III 1 , Beil. IV 100; Rehdantz zu § 35; Heslop zu § 35; so auch Milns 297. Blaß, der die Auffassung vertrat, die 4. Philippika sei nach dem Tode des D. aus demosthenischen Bruchstücken zusammengesetzt, meinte Att. Bereds. III 2 1,387-390, daß D. die §§ 35-45 unserer Rede noch vor der olynthischen Krise, und zwar wohl um das J. 357, als Bestandteil einer anderen Rede verfaßt habe. Die „breite Schreibweise" mit den vielen Ankündigungen erinnerte Blaß an den Stil der Vormundschaftsreden. Andere, die an die Echtheit der 4. Philippika glaubten, versuchten den Grund für die Sinnesänderung des D. ausfindig zu machen: Spengel, Δ η μ η γ ο ρ ί α ι 99 und Körte 405 glaubten, die Aussicht auf das persische Geld habe die Umwandlung der θ ε ω ρ ι κ ά zu σ τ ρ α τ ι ω τ ι κ ά nicht mehr als dringend erscheinen lassen. Stavenhagen 14-16 stimmte mit dem Scholiasten überein, daß die frühere Kritik des D. am Theorikon vor allem gegen Eubulos gerichtet gewesen sei, und fügte hinzu, daß dessen neuerliche Verteidigung in der 4. Philippika ein Versuch des D. sei, diejenigen zu beruhigen, die aus Angst davor, daß die θ ε ω ρ ι κ ά in στρατιωτικά verwandelt werden könnten, dem sich abzeichnenden Krieg gegen Philipp ablehnend gegenüberstanden. G. Glotz, Demosthene et les finances Atheniennes de 346 ä 339, RH 170,1932,385-397, S. 391-393 erklärte den Meinungsumschwung des D. damit, daß es ihm wahrscheinlich im J. 349 gelungen war, einen Fonds für Heeresgelder (στρατιωτικά) einzurichten, der im J. 344/3 schon so bedeutend war, daß ein besonderer τ α μ ί α ς τ ω ν σ τ ρ α τ ι ω τ ι κ ώ ν bestellt werden mußte. Seine Auffassung wurde jedoch von Wüst 44 f. und G.L. Cawkwell, Demosthenes and the Stratiotic Fund, Mnemosyne 15,1962,377-83 widerlegt (die erste epigraphische Erwähnung der στρατιωτικά im J. 349/8 und deren τ α μ ί α ς im J. 344/3 seien nur als termini ante quos zu betrachten). Laut Wüst 122 f. wollte D. mit dem Eintreten für das Theorikon vermeiden, einer unsozialen Gesinnung verdächtigt zu werden, und versuchte zugleich die anstehende Neuwahl des Verwalters der θ ε ω ρ ι κ ά in seinem Sinne zu beeinflussen, wofür eine negative Einstellung zum Theorikon hinderlich gewesen wäre. Cawkwell, CQ 1963, 135 (er setzt die 4. Philippika erst in das Jahr 341/0) meint gar, die politischen

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Freunde des D. hätten zum Zeitpunkt der Entstehung der Rede schon die Kasse des Theorikon kontrolliert; D. sei ohnehin kein „model of constancy" gewesen (Cawkwell, JHS 1963,63). Daß bei D. eine Sinnesänderung bezüglich der θεωρικά überhaupt stattgefunden habe, bestreiten Welzhofer 8-23, der glaubt, daß deren Verteidigung an unserer Stelle ironisch gemeint sei, und Harris, D. and the Theorie Fund 60-65, der meint, D. habe an den genannten Stellen der 1. und 3. Olynthiaca nicht für die Umwandlung der θεωρικά in στρατιωτικά plädiert, sondern nur dafür, daß die στρατιωτικά nicht zweckentfremdet werden sollten. Seiner Deutung widerspricht aber zumindest eine Stelle der 3. Olynthischen Rede ganz unmißverständlich: 3,19 εί δέ τις ήμΐν εχει και τ ά θεωρικά έάν και π ό ρ ο υ ς ετέρους λέγειν στρατιωτικούς, ούχ ούτος κρείττων; εϊποι τις άν. φήμ' εγωγε, ε'ιπερ εστίν, ώ άνδρες 'Αθηναίοι, αλλά θαυμ ά ζ ω εϊ τ φ ποτ' α ν θ ρ ώ π ω ν ή γέγονεν ή γενήσεται, άν τ ά παρόντ' άναλώση πρός α μή δει, των απόντων εύπορησαι π ρ ο ς α δει. Wie dem auch sei, ein Sinneswandel des D. bezüglich der θεωρικά seit der Krise um Olynth im J. 349/8 hätte nichts Befremdliches, wie Whiston Komm, zu D. 10, S. 230f. und Weil Komm, zu D. 10, S. 364 zu Recht betonen. Auch die erneute Kehrtwendung des D. in dieser Frage im J. 339/8 mit dem Vorschlag, die Theorika als στρατιωτικά zu verwenden (vgl. Philoch. [FGrHist 328] frg. 56 a [= Dion. Hal. ad Amm. 11 p. 273,15-17 Us./R.]; Schol. in Aesch. 3,24; Pap. Michigan 10 col. II 6-14 [ΤΑΡΑ 57,1926,280 = Pack 2 2079], abgedruckt bei Jacoby, Komm, zu Philoch. [FGrHist 328] frg. 53-56, S. 237 Anm. 5 [S. 330]), läßt sich mit der inzwischen erfolgten Kriegserklärung einleuchtend begründen. Der kritische Ton der Anspielungen des D. auf das θεωρικόν in der Chersonesitica kann hingegen nur schwer mit §§ 35-45 der 4. Philippika in Einklang gebracht werden (wie schon H. Weil im Komm, zu D. 10 S. 364 feststellte). Eine Kehrtwendung in einer so wichtigen Frage durfte sich D. jedenfalls nur erlauben, wenn er damit seine Glaubwürdigkeit beim Publikum nicht gefährdete. Aber vielleicht hatte er sich nach dem Frieden des Philokrates mit dem θεωρικόν abgefunden und es nur in der Auseinandersetzung um Diopeithes wieder kritisiert, etwa als Andeutung, daß die Mittel für die Truppe, wenn man den Feldherrn für seine Methoden, Geld einzutreiben, bestrafte, künftig aus εισφοραί und eben aus dem θεωρικόν aufgebracht werden müßten. Auf jeden Fall bleibt der Widerspruch in der Einstellung zum θεωρικόν zwischen der Chersonesitica und §§ 35-45 der 4. Philippika neben der Abwesenheit jeglichen Hinweises auf Philipp in diesen selben Paragraphen das stichhaltigste Argument dafür, daß dieses Stück nicht in unsere Rede gehört.

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Zum Schluß dieser Erörterung noch eine kurze Anmerkung zum Proömium der 13. Rede des Corp. Dem.: Dieses liest sich als ein Versuch des Verfassers, die widersprüchlichen Standpunkte der Olynthischen Reden und der 4. Philippika miteinander zu versöhnen (in § 1 werden Verteidigern und Kritikern der Theorika gleichermaßen egoistische Gründe unterstellt, während in § 2 der aus den Olynthischen Reden bekannte Vorschlag wiederholt wird, daß die Gelder nicht ohne Gegenleistung verteilt werden sollten). [D.] 13,1 sq. scheidet damit als selbständiges Zeugnis der Ansichten des D. über die Theorika aus. - Die Theorika haben, wie Jones 33 bemerkt, in den Diskussionen der Nachwelt einen größeren Platz als in den Reden des D. selbst eingenommen. Ich werde auf diese hier nur insofern eingehen, als sie für das Verständnis unserer Stelle relevant sind (eine gute Zusammenfassung vgl. bei Wankel 614 f. zu D. 18,113). Die Theorika („Schaugelder") wurden den athenischen Bürgern demenweise ausgezahlt, um es ihnen zu ermöglichen, die für einen Theaterbesuch verlangten zwei Obolen zu entrichten. Die Formulierung bei Philoch. (FGrHist 328) frg. 33 τό δέ θεωρικόν ήν τ ό π ρ ώ τ ο ν νομισθέν δραχμή της θέας, οθεν και τ ο υ ν ο μ α έλαβεν zeigt, daß die Schaugelder anfangs nur für die drei Tage der Dionysosspiele gezahlt wurden (dreimal zwei Obolen entsprechen einer Drachme), vgl. Böckh, Staatshaushaltung I 3 278 mit Anm. e und Anm. 407 (Bd. II S. 63*) sowie 283. Später wurden Theorika auch für andere Spiele verteilt, namentlich bekannt sind uns aber nur die für die Großen Panathenäen ([D.] 44,37); Hyp. 1, 26,16 u. Din. 1,56 sprechen übereinstimmend von fünf Drachmen als dem normalen Anteil eines Bürgers an den Schaugeldern; das entspräche 15 Festtagen, für die jedem Athener je 2 Obolen aus dem Theorikon zustanden. Seit wann den athenischen Bürgern die Theorika gezahlt wurden, ist umstritten, vgl. z.B. Schol. in Aesch. 3,24 χ ρ ή μ α τ α θεωρικά 'Αθηναίοι διενείμαντο π ρ ώ τ ο ν δραχμήν έκάστω Περικλέους είσηγησαμένου. ύστερον καΐ πολλά άμα χρήματα διενείμαντο επί τη θεωρικοϋ προφάσει, τ ά μεν Διοφάντου, τά δέ Ε ύ β ο ύ λ ο υ διανείμαντος und lust. 6, 9,5, der die Anfänge des Theorikon im J. 360 vermutet, sowie die Besprechungen von Kahrstedt, NGG 1929,156 f. und Cawkwell, JHS 1963,55 mit Anm. 53. Jedenfalls war das Theorikon schon am Anfang der politischen Tätigkeit des D. vorhanden. Die Beurteilung der Einstellung des D. zu ihm hängt natürlich davon ab, welche wirtschaftliche und politische Bedeutung es hatte, und wie sich seine Existenz auf den Verteidigungshaushalt auswirkte. Böckh, Staatshaushaltung I 3 284 geht von einer jährlichen Auszahlung von zumindest 25 bis 30, „in guten Zeiten" gar von 50 bis 90 Talenten an die Bürger aus

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und nennt die Theorika a. O. S. 276 den „Krebs der Athenischen Staatswohlfahrt". Die Verteidigung einer solchen „Verschwendung" durch D. konnten die Kommentatoren gar nicht (A. Schäfer III1, Beil. IV 100; Rehdantz zu § 35; Heslop zu § 35) oder nur als einen taktischen Schachzug, z.B. um des inneren Friedens willen (Spengel, Δημηγορίαι 98; Weil, Komm, zu D. 10 S. 365 f.), verstehen. Kahrstedt, NGG 1929,159 f. wartete mit der (später von Jones 33-35 offensichtlich ohne Kenntnis dieses Aufsatzes wiederholten) These auf, daß die Theorika entgegen der Annahme von Böckh den Staatshaushalt nur marginal belasteten (vgl. auch [D.] 13,2 τάργύριον μέν έστι τοΰθ', υπέρ ου βουλεΰεσθε, μικρόν, τό δ' εθος μέγα, δ γίγνεται μετά τούτου). Kahrstedt rechnete mit jährlich etwa 7, Jones mit etwa 15 Talenten. Die Berechnungsgrundlage beider Gelehrten ist die Annahme, daß etwa 20000 Bürger aus der Kasse des Theorikon jährlich je 5 Drachmen erhielten (vgl. Hyp. 1,26,16 und Din. 1,56). Der Unterschied ihrer Ergebnisse rührt aus der Annahme Kahrstedts her, daß nach der Entlohnung des Architekten etwa die Hälfte der Ausgaben in Form von Eintrittsgeldern zu den Theatervorstellungen in die Staatskasse zurückfloß. Auf diese Weise hätte das Theorikon für den Staatshaushalt nur eine untergeordnete Bedeutung, und der Angriff darauf in den Olynthischen Reden wäre nur ein Versuch gewesen, die Stellung des Eubulos (der zu den Vorstehern der Kasse des Theorikon gehört hat, vgl. Cawkwell, JHS 1963,54) zu schwächen. Damit wären wir zur Erklärung des Scholiasten zurückgekehrt. Der These von Kahrstedt und Jones wurde mehrfach widersprochen (vgl. J. van Ooteghem, Demosthene et le Theöricon, LEC 1,1932,404-407; J.J. Buchanan, Theorika. Α Study of Monetary Distributions to the Athenian Citizenry during the Fifth and Fourth Cent. B.C. [Diss. Princeton 1954], New York 1962,83-88 und Rhodes 106), unter anderem mit Hinweis auf D. 1,19sq.; 3,10sq., wo D. die Mittel in der Kasse des Theorikon als sehr bedeutend darstellt, und Aesch. 3,25, wo die Hyperbel οί επί τό θεωρικόν κεχειροτονημένοι... σχεδόν την ολην διοίκησιν είχον της πόλεως einen wahren Kern haben muß. Ein neues Element wurde durch den Beitrag von G. Ε. M. De Ste. Croix, Theorika (Besprechung der Dissertation von Buchanan), CR 14,1964,191 f. in die Debatte über das Theorikon gebracht: Er wies auf den Unterschied zwischen den bedeutenden Mitteln des Fonds und der verhältnismäßig unbedeutenden Höhe des jährlich verteilten Geldes hin. Diese Ansicht von De Ste. Croix wurde jedoch von Μ. H. Hansen, The Theorie Fund and the γ ρ α φ ή παρανόμων against Apollodorus, GRBS 17,1976,235-246, S. 241 f. mit dem Argument verworfen, daß den Athenern das Konzept, Haushalts-

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mittel für das nachkommende Jahr aufzusparen, fremd gewesen sei. Weitere Literatur zum Problemkreis des θεωρικόν und der θεωρικά s. bei Harris, D. and the Theorie Fund 74 Anm. 3. - Den von Canfora, Per la cronologia 21 genannten Widerspruch zwischen der Verteidigung der Theorika an unserer Stelle und dem Hinweis auf die Kosten und Mühen (δαπάνης πολλής και π ό ν ω ν πολλών), die auf Athen zukommen würden, in § 24 sehe ich nicht, da es durchaus gute (ζ. B. politische) Gründe geben kann, an gewissen .sozialen' Ausgaben wie den Theorika auch dann festzuhalten, wenn die Stadt zu finanziellen Anstrengungen gezwungen ist. - Die richtige Interpunktion (Kolon bzw. Punkt statt Komma) vor εί stellten erst Rehdantz und Weil her, denen seitdem abgesehen von Croiset alle Herausgeber gefolgt sind. - Die Wendung εκ μέσου άναιρεΐν kommt bei den Rednern, wie Wankel 1244 zu D. 18,294 festgestellt hat, ausschließlich bei D. vor, und zwar außer an unserer Stelle und 18,294 (τό κ α τ α ψ ε ΰ δ ε σ θ α ι και δι' ε χ θ ρ α ν τι λέγειν άνελόντας έκ μέσου) noch 45,84 (άνελ 5 ούν έκ μέσου μοι Πασικλέα, και σός μεν υιός αντί δεσπότου καλείσθω, έμός δ' άντίδικος ... άντ' άδελφοϋ). Das Adjektiv μέσος ist bei den Rednern, wie Wankel 764 zu D. 18,139 festgestellt hat, außer bei D. und Aesch. kaum belegt. - Zum Asyndeton nach Ankündigungen vgl. oben zu § 21 ουδέν π ώ π ο τ ε . - Die Gegner werden, wie so oft in politischen Reden, unbestimmt als τινές bezeichnet (vgl. z.B. oben § 11), und ihre schon im voraus, noch bevor das Wort θεωρικόν das erste Mal fällt, suggestiv als βλασφημίαι (wie schon in § 35) abqualifizierte Kritik wird auch noch nachträglich durch die Litotes ουχί δικαίως als ungerechtfertigt gebrandmarkt. Die Litotes ού δικαίως erscheint in einer Epikrisis auch Lyc. 3 ου δικαίως ουδέ συμφερόντως τη πόλει. - Die Wendung βλασφημίας ποιεΐν kommt bei den Rednern nur beim echten D. vor, und zwar noch 18,95; 22,21; 39,11; 57,1. Gegen wen (bzw. was) sich die βλασφημία richtet, wird nur an unserer Stelle durch επί mit dem Dativ ausgedrückt, sonst (18,95 u. 22,21) durch κ α τ ά und dem Genetiv.

και tov φόβον, ώς ού στήσεται τοϋτο άνευ μεγάλου τίνος κακοΰ: Der Gedanke, daß auch die Kritiker des Theorikons einen zumindest teilweise nachvollziehbaren Grund für ihre Kritik haben könnten, wird (anders als die apodiktischen Worte zur Verteidigung des Theorikons) nur äußerst vorsichtig, in eher indirekter Form, vorgebracht. Diese ungleiche Gewichtung erweckt den Eindruck, daß der Redner die Anhänger des Theorikons mehr fürchtet als dessen Gegner. Seine Worte sind mit so großer Vorsicht gewählt, daß sie uns so lange als dunkel erschei-

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nen müssen, bis wir in § 45 erfahren, was an unserer Stelle eigentlich gemeint ist: daß die Reichen bezüglich ihres Eigentums das Gefühl der Sicherheit haben müssen, wenn der Staat keinen Schaden als Folge der Rechtsunsicherheit erleiden soll. - ώ ς erscheint nach verba timendi vor allem dann, „wenn der Ausdruck der Furcht mit einer Negation verbunden ist, als: μή φ ο β ο ϋ , oder wenigstens mit einem Worte, in dem eine Negation liegt, als: ά ν α ι ρ ε ΐ ν τον φ ό β ο ν " (Kühner/ Gerth II 397 d). Zur Konstruktion des Substantives φ ό β ο ς mit einem ώς-Satz vergleicht Rehdantz z. St. Plato soph. p. 268a τ ό ... σ χ ή μ α ... έ χ ε ι . . . φόβον, ώ ς ά γ ν ο ε ΐ τ α ϋ τ α . - Der ganze Ausdruck erscheint auch in prooem. 41,3 ού γ α ρ έσθ' ό π ω ς τ α ϋ τ ' άνευ μεγάλου τ ί ν ο ς ( κ α κ ο ϋ ) στήσεται, weshalb G . H . Schaefer in ihm eine „lacinia Demosthenica" sieht. Blaß, Att. Bereds. III 2 1,389 Anm. 4 wies auf weitere Berührungspunkte der §§ 35^45 mit den Proömien des Corp. Dem. hin: § 37 ην ποτε κτλ. mit prooem. 55,1 und § 43 έμοί γ ά ρ κτλ. mit prooem. 41,1 (der Vergleich zwischen § 36 ει άνέλοιμεν κτλ. mit prooem. 34,2 ist mir unverständlich - vielleicht handelt es sich um einen Druckfehler). Bei Rehdantz, Ind. II 88 s. ν. ίστάναι wird D. 21,102 ού μην έ ν τ α ΰ θ ' έστηκε τ ό π ρ ά γ μ α und (als mögliche Nachahmung) Dio Cass. 4 5 , 1 7 , 9 ού μέντοι και έ ν τ α ϋ θ α στήσεσθαι, τό δεινόν έδόκει verglichen. Vgl. ferner D. 19,261 και ο ύ δ ' έ ν τ α ΰ θ ' εστηκεν (sc. τό π ρ ά γ μ α ) u. 37,14 έπειδή τ ο ί ν υ ν τό π ρ ά γ μ ' έ ν τ α ΰ θ ' είστήκει. ουδέν άν εις τά π ρ ά γ μ α τ α μείζον είσενεγκαίμεθα: Wenn es „uns Athenern" (nicht „mir", d.h. ,dem Redner', wie Rehdantz z. St. schreibt) gelänge, die Schmähungen gegen das Theorikon und die Befürchtungen der Reichen zu beseitigen, würden wir unserer Stadt den besten Dienst erweisen. - Die frühen Herausgeber folgten der Lesart von FY (ού ούδέν), obwohl hier ein Hauptsatz erforderlich ist. Die Lesart von SA (ohne ού, das auf eine Dittographie nach κ α κ ο ϋ zurückgehen dürfte) übernahm zuerst Vömel; sie setzte sich aber erst seit Rehdantz, Weil und Spengel durch (nur Croiset schreibt wieder ού ούδέν); Spengel, Δ η μ η γ ο ρ ί α ι 97 Anm. 1 wies auf den bei der Lesart von FY besonders unschönen „dreifachen zusammenstossenden Diphthong" hin. Der verbleibende Hiat κ α κ ο ΰ , ο ύ δ έ ν ist wegen der Kolongrenze nicht anstößig. - Weil z. St. leitet das Bild in είσενεγκαίμεθα von der Einzahlung einer vereinbarten Summe in das gemeinsame Geschäft durch die Kompagnons oder vom Einbringen in die Ehe von Geld und anderen materiellen Werten durch die Heiratenden ab und vergleicht D. 4 1 , 4 διελύθησαν, έφ' ωτε κομισάμενον τ ο ν Λ ε ω κ ρ ά τ η ν , ά π ε ρ ήν εις την ο ύ σ ι α ν

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εισενηνεγμένος. Das Bild der Einzahlung in eine gemeinsame Unternehmung wird in § 40 mit demjenigen des an die Eltern geleisteten έρανος weitergeführt. ούδ' ο τι κοινή μάλλον αν ολην έπιρρώσειε την πόλιν: Diese rhetorische Erweiterung variiert und expliziert die soeben ausgesprochene Meinung des Redners und hebt sie dadurch hervor; gleichzeitig erzeugt sie rhetorische Fülle am Ende der langen, vorsichtigen Einleitung unseres Abschnittes. Zu dieser Wirkung trägt auch die inkonzinne Verbindung von ουδέν μείζον mit dem Satz δ τ ι . . . τήν πόλιν bei. Unter den inkonzinnen Verbindungen ist der Typus mit einem Adjektiv und einem Relativsatz im Corp. Dem. sehr gut vertreten (vgl. in unserer Rede noch § 47 λαμπρόν και περί ού κτλ.), bei den anderen Rednern ist er jedoch nur ein paar Male bei den späteren (Aesch. 2, 152; 3,56; Hyp. 3,29) und ein einziges Mal bei Isocr. belegt (12,45), vgl. Ottervik 206 f. Blaß schlug, um die Kürzenhäufung zu vermeiden, die Wortfolge μάλλον ολην άν έπιρρώσειε vor. Warum jemand die Modalpartikel άν von seinem Verbum getrennt haben soll, läßt sich aber nicht erklären. - Die Ergänzung Canforas ούδ'