Künstliche Kost: Ernährung in Deutschland, 1840 bis heute [1 ed.] 9783666317194, 9783525317198

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Künstliche Kost: Ernährung in Deutschland, 1840 bis heute [1 ed.]
 9783666317194, 9783525317198

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Uwe Spiekermann

Künstliche Kost Ernährung in Deutschland, 1840 bis heute

Umwelt und Gesellschaft

Herausgegeben von Christof Mauch und Helmuth Trischler

Band 17

Vandenhoeck & Ruprecht

Uwe Spiekermann

Künstliche Kost Ernährung in Deutschland, 1840 bis heute

Vandenhoeck & Ruprecht

Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Rachel Carson Center for Environment and Society, LMU München. Mit 144 Abbildungen und 7 Tabellen Umschlagabbildung: Naturkäseverpackung 1965. Aus: Die Neue Verpackung 18, 1965, S. 605. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 2198-7157 ISBN 978-3-666-31719-4

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG , Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de

Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Warum Sie dieses Buch lesen sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Tendenzen der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3 Problem- und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.4 Quellen, Aufbau und Struktur der Untersuchung . . . . . . . . . . 22 2. Grundlagen: Das Modell der stofflich definierten Nahrung 1840–1930 31 2.1 Grundstoffe: Die Nährstoffkonzeption Liebigs und der Münchener Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.1.1 Liebig und die Durchsetzung des Stoffparadigmas (32) 2.1.2 Differenzierung und Etablierung in der Öffentlichkeit. Die Arbeiten der Münchener Schule (37) 2.1.3 Umsetzung und institutionelles Rückgrat: Die Professionalisierung der Nahrungsmittelchemie (42)

2.2 Ausdifferenzierung: Nährstoffforschung um die Jahrhundertwende 46 2.2.1 Eiweißforschung: Peptone und Aminosäuren (48) 2.2.2  Neue Fette für das Volk: Die Margarine und die Folgen (51) 2.2.3 Technologische Dominanz: Zucker- und Stärkeforschung (55) 2.2.4 Mach­barkeit: Utopien wissensbasierter Lebensmittelproduktion (57)

2.3 Die »Neue Ernährungslehre«: Vitamine und Mineralstoffe nach der Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.3.1 Forschungsgeschichte: Entdeckung und Akzeptanz der Vita­ mine (61) 2.3.2  Mehr als eine Metapher: Vitamine, Gesundheit und Leben (66) 2.3.3 Substanzbildung: Mineralstoffe als Asche und Nährstoff (71) 2.3.4 Ordnung der Zufuhr: Von Kostmaßen zu Ernährungsempfehlungen (78)

3. Begrenzte Vermarktung: Neue Nahrungfür Zwangsgemeinschaften und Massenmarkt 1880–1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.1 Lebenshilfe: Künstliche Säuglingsernährung . . . . . . . . . . . . . 86 3.1.1 Kindersterblichkeit und frühe Pädiatrie (87) 3.1.2  Vom Haushalt zur Fabrikation: Chemisch bilanzierte Nährsuppen und Nährmittel (90) 3.1.3 Hilfen für den Haushalt: Konservierungsapparate und ihre

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Inhalt

Folgen (95) 3.1.4 Die »Kindernahrungsmittelindustrie« (99) 3.1.5 Ärztliches Ethos und die Praxis des Stillens (104)

3.2 Konzentrierte Nahrung: Militärverpflegung im Spannungsfeld von Wissenschaft, Markt und Alltagswissen . . . . . . . . . . . . . 107 3.2.1 Normsetzung abseits physiologischer Optimierung (108) 3.2.2 Versorgungsprobleme und Kraftnahrung: Verpflegung im deutsch-französischen Krieg 1870/71 (112) 3.2.3 Marktangebote und Verpflegungsstandards: Debatten über die eiserne Ration (116) 3.2.4 Interne Wissensbildung: Testreihen und Optimierungsbestrebungen in der kaiserlichen Armee (123)

3.3 Geschmack, Nährwert, Bequemlichkeit: Suppen- und Würzpräparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3.3.1 Klassiker ohne Nährwert: Liebigs Fleischextrakt (130) 3.3.2  Eiweiß für die Massen. Leguminosenmehle zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum (138) 3.3.3 Konzentrierter Geschmack. Würzen für den Massenmarkt (144) 3.3.4 Der Weg zum Kunden. Produktdifferenzierung im Suppenmarkt (153)

3.4 Nischen- statt Massenmarkt: Eiweiß- und Nährpräparate um die Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.4.1 Wissenschaftliche Kost. Gestaltungsträume der Produzenten (160) 3.4.2  Produktlawinen. Eine Marktübersicht (162) 3.4.3 Gegenwissen. Markttransparenz durch Nahrungsmitteluntersuchung (173) 3.4.4 Der Weg in die Nische. Marktsegmentierung und Verbraucherskepsis (177)

3.5 Moden der Konsumgesellschaft: Light- und Diätprodukte . . . . . 182 3.5.1 Entgiftung. Anspruchshaltungen und Umsetzungen (183) 3.5.2  »Kein Surrogat«. Lightprodukte zwischen Innovation und Ersatz (186) 3.5.3  Formbilder des Körpers. Diäten und Diätärzte (196) 3.5.4 Markenartikel zum Glück. Diätprodukte und Abführmittel (205)

3.6 Alternativen ohne Alternative: Lebensreform und Reformwarenwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3.6.1 Ethik und Standardphysiologie. Das Stoffparadigma als negative Orientierung (213) 3.6.2 Siedlung und Vermarktung. Die Obst­ bau­kolonie Eden  (221) 3.6.3 »Natürliche« Präparate. Angebot und Vermarktung von Reformwaren (225)

4. Eisernes Dreieck: Wissenschaft, Staat und Wirtschaft 1914–1945 . . . 235 4.1 Der Krieg als Lehrmeister: Nahrungsknappheit und Versorgungsaufgaben 1914–1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.1.1 Doppelter Traditionalismus. Wissenschaft und Rationierungspoli­ tik (239) 4.1.2 Abgemagerte Helden. Militärverpflegung (251) 4.1.3 Unterernährung, Hunger, Tod. Größenordnungen und Auswirkungen (263) 4.1.4 Ausgeburten stofflicher Vernunft. Ersatzmittel (270)

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4.2 Die Normierung des stofflichen Blickes: »Vereinbarungen«, Lebensmittelgesetz und Handelsklassen . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4.2.1 Verbindlichkeitskonstruktionen. Nahrungsmitteldefinitionen zwischen Experten, Handelsbräuchen und Staat (283) 4.2.2 Neues Wissen und Expertise. Der Ausbau der Grundlagenforschung (291) 4.2.3 Konfrontation und Kooperation. Das Lebensmittelgesetz von 1927 (298) 4.2.4 Wettbewerbsdruck und Rationalisierung. Äußere Normierung durch Handelsklassen (306)

4.3 Qualitätsversprechen und Innovationschance: Die Verwissenschaftlichung der Lebensmittelproduktion . . . . . 311 4.3.1 Das Wissen um die Zubereitung. Bromatik als Herausforderung (313) 4.3.2 Wissensbasierte Produktion. Etablierung betriebsinter­ ner Laboratorien (316) 4.3.3 Problemlösungskompetenz. Die Einrichtung von Branchenlaboratorien (325)

4.4 Umstrukturierung des primären Sektors: Agrarmarketing als Rationalisierungsinstrument . . . . . . . . . . 332 4.4.1 Kopfwissen. Institutionen einer neuen Werbewelt (334) 4.4.2 Marketing. Konsumentenorientierung und betrieblicher Wandel (339) 4.4.3 Verbindlichkeitsdiskurse. »Gesundheit« als Führungsmittel (345)

4.5 Stoffliche Unabhängigkeit als Ideal: Autarkiepolitik in der Zwischenkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . 351 4.5.1 Selbstversorgung als Chimäre. Versorgungsziele und Versorgungsströme (352) 4.5.2 Krisenerfahrung und nationale Selbstbesinnung. Ideen der Autarkie (359) 4.5.3 Marktordnung. Reichsnährstand und regulierte Außenwirtschaft (366) 4.5.4 Die deutsche Kolonie. Fett und Eiweiß aus dem Meer (374) 4.5.5 Kreislaufwirtschaft. Abfallnutzung im Dritten Reich (386)

5. Wachsende Verfügbarkeit: Künstliche Kost 1925–1950 . . . . . . . . . 395 5.1 Vitaminrummel: Imagination und Realität einer synthetisch verfügbaren Stoffgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 5.1.1 Synthese. Die chemische Nachbildung der Natur (400) 5.1.2 Gesundheit pur. Die Vermarktung eines realen Traums (405) 5.1.3 Funk­ tionserkundung. Vitamine in Analytik und Diätetik (412) 5.1.4 Vitaminpolitik. Abdämpfung der Kriegsfolgen (418)

5.2 Enthäuslichung: Convenienceprodukte zwischen Wochenende und Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 5.2.1 Enthäuslichung. Ein Blick auf die aktive Rolle der Verbraucher (436) 5.2.2 Wochenendausflug und Camping. Materielle Garanten für Naturgenuss (441) 5.2.3 Würzen, Suppen, Soßen. Marktdifferenzierung und Diffusion (446)

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5.3 Schutz und Distanz: Die Durchsetzung der Lebensmittelverpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 5.3.1 Markenartikel oder Von der losen zur (papier-)verpackten Ware (454) 5.3.2 Wissen und Vertrauen. Die Entwicklung der Konservendose (458) 5.3.3 Cellophan. Transparente Kunststoffe (465)

5.4 Kombination von Lebensmittelproduktion und -konservierung: Fortschritte der Gefrier- und Trocknungstechnik . . . . . . . . . . 474 5.4.1 Primat der Großtechnik. Einsatz und Ausdifferenzierung der Kühl- und Gefriertechnik in Deutschland (476) 5.4.2 Trocknungstechnik. Pulver, Extrakte und anderes (487) 5.4.3 Defizite in der Kette. Grenzen der Distribution der neuen Produkte (495)

5.5 Rekombination der Grundstoffe: Neue Rohstoffe und Austauschprodukte für die »Volksernährung« . . . . . . . . . . . . 500 5.5.1 Ressourcenspezialisten. Die »deutsche« Ernährungsforschung (501) 5.5.2 Deutsche Soja. Die Akkulturation neuer Pflanzen (512) 5.5.3 Austauschstoffe. Die Neugestaltung der Zwischenprodukte (521) 5.5.4 Natürlicher Vitaminträger. Süßmost (535) 5.5.5 Volksgetränke. Die Grenzen der Lebensmitteltechnologie (543)

5.6 Die Kehrseite des Fortschritts: Kritik an Zusatzstoffen und »Veredelungsindustrie« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 5.6.1 Umstrittenes Wissen. »Natur« und »Chemie« in der Publizistik (551) 5.6.2 Schleichender Niedergang. Zivilisationspessimismus und Karies (561) 5.6.3 Bestrahlte Milch. Rachitisbekämpfung im Widerstreit (565) 5.6.4 Farb- und Konservierungsstoffe. Debatten um selbst geschaffene Risiken (571)

6. Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 . 579 6.1 Kriegswirtschaft: Militärverpflegung als Schrittmacher des »Konsumsektors« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 6.1.1 Kampfkraft durch warme Kost. Die Professionalisierung der Heeresverpflegung (583) 6.1.2 Auf der Suche nach künstlicher Natur. Verpflegungsdebatten während des Krieges (601) 6.1.3 Mitnahmeeffekte. Adaptionen der Wehrmachtsverpflegung im Massenmarkt der Nachkriegszeit (612)

6.2 Bilanzierte Verpflegung und Hightechprodukte: Flieger- und Astronautennahrung als Modelle . . . . . . . . . . . . 623 6.2.1 Aufstieg der Physiologie. Höhenforschung und Aeronautik (624) 6.2.2 Erweiterte Räume. Nahrung für Jagd- und Bomberpiloten (627) 6.2.3 Unendliche Weiten. Astronautenverpflegung im Wandel (631)

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6.3 Körper von einem anderen Stern: Formula-Diäten und Diätkost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 6.3.1 Mehr Eiweiß, mehr Kalorien. Körperliche Veränderungen im 20. Jahrhundert (643) 6.3.2 Einzudämmende Massen. Ernährungswissenschaftliche Deutungen des Übergewichts (646) 6.3.3 Wohlgeformte Biokörper. Präparate und Lebensmittel gegen Übergewicht  (649) 6.3.4 Die Wiederkehr des Staates. Kooperation im Kampf um den gesunden Körper (655)

6.4 Modernisierung auf dem Prüfstand: Der Weg zur Novelle des Lebensmittelgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 6.4.1 Ein neuer Raum der Ware. Selbstbedienung und die Folgen (661) 6.4.2 Missstände im Wirtschaftswunder. Der Qualitätsdiskurs Mitte der 1950er Jahre (667) 6.4.3 Chemikalienfreiheit. Das Lebensmittel­ gesetz von 1958 und die Zusatzstoffe (679) 6.4.4 Technische Innovationen und Gebrauchswertsteigerungen. Die kontinuierliche Dynamik der Lebensmittelproduktion (688)

6.5 Extreme Bewertungsmaßstäbe: Debatten um Natur und Natürlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701 6.5.1 Die Ästhetik des Niedergangs. Die Lebensreformbewegung im Nachkriegsdeutschland (702) 6.5.2 Hoheitskämpfe. Debatten zwischen Vollwerternährung und Deutscher Gesellschaft für Ernährung (707) 6.5.3  Paradoxe Werbewelt. »Natur« zwischen Versprechen und Floskel (714)

7. Angelegte Veränderungen: Moderne Lebensmittel 1960–heute . . . . 723 7.1 Neue Produkte, neue Bilder: Lebensmittel im Wandel . . . . . . . 725 7.2 Gebrauchswertsteigerung und stoffliche Virtuosität: Convenience Food und Lightprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . 733 7.3 Landwirtschaft als Quelle neuer Rohstoffe: Gentechnik und Biokost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 7.4 Lebensmittel als Heilmittel: Functional Food und Mood Food . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756 7.5 Mikrosteuerung: Nutrigenomics und Nanotechnologie . . . . . . 767 8. Künstliche Kost: Ein vorläufiges Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775

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Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921 Abbildungsverzeichnis und -nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 931 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933 Unternehmens- und Institutionenregister . . . . . . . . . . . . . . . . 936 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947

1. Einleitung

1.1 Warum Sie dieses Buch lesen sollten Warum ein Buch dieses Umfangs lesen? Ging es nicht auch kürzer, verdaulicher? Wer hat denn Zeit für all den Text? Fragen dieser Art haben mich beim Schreiben nie beirrt, denn ich wollte einem Thema gerecht werden, das mein Leben tagtäglich berührte, dem ich nicht entfliehen konnte: Warum esse ich so wie ich esse? Ich esse, doch recht bedacht, esse ich nicht aus freien Stücken. Die Wahlmöglichkeiten sind immens, doch wie immer ich mich entscheide, stehe ich am Ende einer langen und komplexen Versorgungskette. Ich bin abhängig von den Vorentscheidungen und Handlungen anderer, elementar abhängig. Ich weiß um das Essen anderer, berücksichtige dies, esse mit Hintersinn. Ich weiß, was ich essen sollte und ansatzweise auch, warum. Doch im Kern weiß ich nichts von dem, was ich verzehre, was ich mir einverleibe. Dies Buch nimmt diese Lebensrealität auf – und distanziert sich sogleich davon. Aus dem Nachsinnen über mein Essen wurde so die Analyse der Ernährung vieler. Neugierde stand am Beginn, doch Neugierde erschöpft sich nicht im Hier und Sein. Verkäufer und Handwerker, Disponent und Kellner, Großhändler und Landwirt, Küchenbauer und Müllarbeiter – sie alle erfüllen wichtige Aufgaben für die Sicherstellung meines Essens, unserer aller Ernährung; doch auch sie sind nur Rädchen in einem Getriebe, über das sie nur wenig wissen, dem sie dennoch dienen. Wichtig scheint allein, dass am Ende etwas für sie, etwas für alle steht. Entsprechend weitet dieses Buch den Blick auf die Maschinerie der Ernährung, auf die Mechanismen, an deren Ende eine vor zwei Jahrhunderten noch undenkbare Versorgungssicherheit steht, aber auch stete Sorgen und Ängste. Diese Maschinerie folgt vielen Zielen, nicht nur selbstsüchtigen. Sie ist interessengeleitet und indifferent, zielt nicht auf mich, sondern auf alle. Lesen Sie dieses Buch, wenn Sie wissen wollen, welche Vorstellungen diese Maschinerie in Gang gesetzt haben und sie in Gang halten! Lesen Sie dieses Buch, wenn sie über den Rand Ihres Esstisches hinausblicken, und zugleich sich nicht abspeisen lassen wollen mit den Klischees und Engführungen der gegenwärtigen Rede über Essen und Ernährung! Lesen Sie dieses Buch, wenn Ihnen Detailwissen über »die« gute oder aber böse Industrie, über »gute« oder »richtige« Ernährung, über die untergehende Welt in Zeiten der berstenden Tische und die glückliche Welt des eifrig konsumierenden Essers nicht ausreicht – oder was die

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Einleitung

vielen kommerziellen und ideologischen Narrative der Gegenwart Ihnen auch ubiquitär anbieten mögen. Unverstanden, unverdaut, süßsaure Häppchen, nicht wirklich sättigend. Wenn Sie dieses Buch lesen, so müssen Sie Zeit mitbringen. Eine differenzierte Analyse unserer heutigen Ernährung erfordert ein Einlassen auf Strukturentscheidungen des 19. Jahrhunderts, deren Schatten bis in die Gegenwart reichen. Sie erfordert ein Verständnis für die Eigenlogiken und das Zusammenwirken von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat, sämtlich notwendig für die Ernährung aller. Sie erfordert die Bereitschaft, sich Fallstudien zu widmen, sich Kritik und Antikritik zu stellen, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die auf dem eigenen Esstisch fehlen. Sie erwartet ein Panorama der Ernährung in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhundert, dargeboten in fünfundneunzig Unterkapiteln, die Sie grundsätzlich auch einzeln lesen können. Wie einen großen Laib Brot, den Sie ja auch nicht ganz, sondern Schnitte für Schnitte verspeisen. Doch bevor Sie schon wieder in die nur im Werbetraum bestehende gute alte Zeit von Tischgemeinschaft und Bürgerglück entweichen wollen, noch eine letzte anregende Warnung: Dies Buch bündelt Argumente für eine historisch-kritische, eine realistische Analyse der Genese unserer heutigen Ernährung. Das kann schmecken, vielleicht gar manch intellektuelles Schmankerl bieten. Doch am Ende, nach der Lektüre des Buches, werden Sie wissen, dass bei aller Freude am täglichen Schmaus die Aussage stehen muss: Esst nicht so romantisch! Denn auch auf Ihrem Tisch steht nicht nur Nahrhaftes, Dampfendes, Schmackhaftes und Ungesundes. Vor Ihnen steht das Ergebnis einer langen, wechselvollen Geschichte. Wenn Sie wissen wollen warum, so langen Sie zu – und lesen dieses Buch.

1.2 Tendenzen der Forschung Die Umgestaltung der seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen »Industriegesellschaft« im 20. Jahrhundert wird in der Forschung breit und kontrovers diskutiert. Aus der Vielzahl der Ansätze heben sich zwei hervor: Auf der einen Seite betonte das Konzept der »Wissensgesellschaft« den veränderten Stellenwert wissenschaftlichen und technischen Wissens für Wirtschaft und Gesellschaft.1 Demnach büßten Arbeit und Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg ihre zentrale Stellung ein, während (wissenschaftliches) Wissen zur entscheidenden Ressource für die Wettbewerbsfähigkeit und die soziale Organisation 1 Vgl. den Pioniertext von Böhme, Gernot/Stehr, Nico: The Growing Impact of Scientific Knowledge on Social Relations, in: Dies. (Hg.): The Knowledge Society. […], Dordrecht u. a. 1986, 7–29 sowie Bittlingmayer, Uwe H./Bauer, Ullrich (Hg.): Die »Wissensgesellschaft«. Mythos, Ideologie oder Realität?, Wiesbaden 2006.

Einleitung

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moderner Gesellschaften wurde. Damit änderte sich deren innere Hierarchien, deren Zukunftsorientierung. Wissen ist immer strittig, erweiterte Handlungsmöglichkeiten und ein immer breiteres Angebot von Gütern und Dienstleistungen gehen einher mit wachsender Unsicherheit und erhöhtem Risikobewusstsein.2 Während die grundlegende soziologische Debatte sich vornehmlich den Veränderungen der letzten 40 Jahre widmete, plädierten Historiker / innen für eine Nutzung und Überprüfung des Konzeptes der Wissensgesellschaft auch für Transformationsprozesse seit dem späten 19. Jahrhundert. Das Deutsche Kaiserreich erschien als eine »Scharnierphase«3 des Wandels, doch die vorliegenden Untersuchungen zum Wissenschaftssystem, der Verwissenschaftlichung von Technik sowie dem Vordringen szientistischer Ordnungsmodelle in das Feld des Sozialen erschöpfen die Möglichkeiten des Konzeptes nur ansatzweise4: Es mangelt erstens an Arbeiten zum öffentlichen Diskurs über Wissenschaft und Technik, zweitens an Implementationsstudien zur Bedeutung von Wissen für die Konsumgüterproduktion und deren kommerzielle Kommunikation sowie drittens vor allem an langfristigen Untersuchungen wissensbasierter Transformationsprozesse. Die Relevanz des »Wissens« für die Veränderungen im Ernährungssektor ist dabei offenkundig. Wissen, verstanden als die Fähigkeit zum Handeln5, war im 2 Zentrale Arbeiten bilden Stehr, Nico: Arbeit, Eigentum und Wissen. Zur Theorie von Wissensgesellschaften, Frankfurt a. M. 1994; Böhme, Gernot: Technik, Gesellschaft, Natur. […], Darmstadt 1992; Weingart, Peter: Die Stunde der Wahrheit. Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft, Weilerswist 2001; Ders.: Die Wissenschaft der Öffentlichkeit. […], 2. Aufl., Weilerswist 2006. Zur Kritik vgl. Knoblauch, Hubert: Wissenssoziologie, 2. aktual. Aufl., Stuttgart 2010, 263–293; Kajetzke, Laura/Engelhardt, Anina: Leben wir in einer Wissensgesellschaft?, Aus Politik und Zeit­ geschichte 63, 2013, Nr. 18–20, 28–35. 3 Szöllösi-Janze, Margit: Wissensgesellschaft in Deutschland: Überlegungen zur Neubestimmung der deutschen Zeitgeschichte über Verwissenschaftlichungsprozesse, Geschichte und Gesellschaft 30, 2004, 277–313, hier 286. Analog zur Debatte über die Anfänge der Konsumgesellschaft gibt es gewichtige Stimmen, die für eine auch das 18. Jahrhundert umfassende Historisierung plädieren. Vgl. Vogel, Jakob: Von der Wissenschafts- zur Wissensgeschichte. Für eine Historisierung der »Wissensgesellschaft«, Geschichte und Gesellschaft 30, 2004, 639–660. 4 Vgl. als Überblick Bruch, Rüdiger v./Kaderas, Brigitte (Hg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. […], Stuttgart 2002; Raphael, Lutz (Hg.): Theorien und Experimente der Moderne. Europas Gesellschaften im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2012; Brückweh, Kerstin u. a. (Hg.): Engineering Society. The Role of the Human and Social Sciences in Modern Societies, 1880–1980, Basingstoke/New York 2012 sowie zur internationalen Diskussion s. Sismondo, Sergio: An Introduction to Science and Technology Studies, 2nd ed., Chichester 2010. 5 Vgl. hierzu umfassend und überzeugend Stehr, Nico: Die Zerbrechlichkeit moderner Gesellschaften. […], Weilerswist 2000, insb. 81–86; Ders.: Wissen und Wirtschaften. Die gesellschaftlichen Grundlagen der modernen Ökonomie, Frankfurt a. M. 2001; Stehr, Nico/Adolf, Marian: Ist Wissen Macht? Erkenntnisse über Wissen, Weilerswist 2015, v. a. 25–67.

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Ernährungssektor bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine vorwiegend praktische Angelegenheit, eingebunden in die Routinen des Haushalts. Expertise gab es, doch handelte es sich zumeist um Handwerkskunst, weniger um die der Ärzte und Wissenschaftler. Ihr »Wissen«, vielfach noch angelehnt an antike philosophische Modelle, entsprach noch nicht den schon im 17. Jahrhundert aufkommenden experimentellen Methoden, doch es erlaubte sehr wohl Ratschläge für gesunde und angemessene Ernährung.6 Für die Mehrzahl der Bevölkerung war dieses jedoch irrelevant, hier entschieden die verfügbaren Lebensmittel und Techniken, Tradition und Religion sowie persönlich tradiertes Wissen über die Art der täglichen Kost.7 Dies änderte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts folgenreich, denn mit dem Vordringen der Naturwissenschaften, insbesondere der organischen Chemie und der Physiologie, wurden die Grundlagen des heutigen Expertenwissens gelegt. Das in den 1840er Jahren formulierte Modell einer stofflich definierten Nahrung bildete die Quintessenz dieser Veränderungen. Seine Durchsetzung war auf die Bedürfnisse einer zunehmend arbeitsteilig organisierten Markt- und Konsumgesellschaft zugeschnitten, sicherte deren Entwicklung zugleich ab. Erst funktionierende Versorgungssysteme erlaubten Arbeitsteilung, die für moderne Gesellschaften charakteristische funktionale Differenzierung und damit wirtschaftliches Wachstum. Zugleich aber veränderte und hierarchisierte sich das Wissen über die tägliche Kost: Neben die Alltagswelt trat eine abstrakte Stoffwelt, das Modell wurde zum Faktum, zum Referenzpol der Ernährungspraxis. Das neue wissenschaftliche Wissen zielte auf objektiviertes, nicht auf praktisches Wissen.8 Objektiviertes Wissen ist reproduzierbar und kommunizierbar, umfasste ein abstraktes Wissen über Lebensmittel und den Stoffwechsel, im Idealfall über Ernährungsgesetze, zumindest aber über Kausalitäten. Dazu aber abstrahierten die Wissensproduzenten von Zeit und Raum der Ernährungspraxis, grenzten somit lebensweltliche und ökologische Bezüge tendenziell aus. Objektiviertes Wissen bot jedoch mehr als Informationen und Kausalbezüge. Es enthielt immer auch implizites Wissen, nämlich ein Ordnungsangebot für Ernährung und Leben. Wissen des Richtigen zielte auf Vollzug des Richtigen. Es sollte in Handlungen umgesetzt, sollte praktisches Wissen werden. Damit aber wurden bestehende Formen praktischen Wissens 6 Zu den Veränderungen in der Wissensproduktion vgl. Shapin, Steven: The Scientific Revolution, Chicago 1996; Stengers, Isabelle: The Invention of Modern Science, Minneapolis 2000; Applebaum, Wilbur: The Scientific Revolution and the Foundations of Modern ­Science, Westport 2005. 7 Zum Wandel der Referenzkonzepte vgl. Barlösius, Eva: Der ewige Streit über die »richtige Ernährung«. Auswirkungen auf Produktion, Konsum und Politik, EU 46, 1999, 400–404, hier 400–401. 8 Zur Differenzierung vgl. Stehr, Nico: Moderne Wissensgesellschaften, Aus Politik und Zeitgeschichte 2001, Nr. 36, 7–13, hier 8–10; Stehr, Nico/Grundmann, Reiner: General Introduction, in: Dies. (Hg.): Knowledge. Critical Concepts, Bd. I: The Foundations of Knowledge, London/New York 2005, 1–21.

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notwendig entwertet, galten stets als defizitär. Objektiviertes Wissen diente als Messlatte zur Optimierung – und das heißt der Verdrängung – von praktischem Wissen, das durch seine Heterogenität, durch seinen Bezug zur Vielfalt des Lebens gekennzeichnet ist. Diese analytische Dichotomie wird im Folgenden genutzt werden, um die Auseinandersetzungen über das »richtige« Wissen (und zunehmend auch das Nichtwissen) einzufangen und in ihren immer neuen, durch Lernprozesse stetig veränderten Konstellationen zu untersuchen. Auf der anderen Seite erhob die neuere Konsumgeschichte den Übergang zur »Konsumgesellschaft,« gar zu »Massenkonsumgesellschaft,« zu entscheidenden Wegmarken bei der Transformation der Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts. Auch hier diskutierte man, ausgehend von der Umweltgeschichte, die Zeit nach dem 2. Weltkrieg als eine wichtige Zäsur, plakativ greifbar im Theorem des 1950er-Syndroms.9 Die historische Forschung hat diese zu enge Periodisierung und ihre Perspektiven erweitert, hat insbesondere die zentrale Bedeutung des späten 19. Jahrhunderts für die Entstehung einer Konsumgesellschaft, für eine umfassende, zunehmend breitere Bevölkerungsschichten umgreifende Wohlstandssteigerung sowie eine neuartige kommerzielle Umwelt hervorgehoben.10 Die Konsumgeschichte verband bisher strikt voneinander geschiedene Bereiche der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte, analysierte dabei nicht nur Produktion und Absatz, sondern auch die für die Ausbildung moderner Marktgesellschaften einschlägigen Veränderungen der materiellen Kultur, der Entstehung des »Konsumenten« sowie neuer Identitäten und Wahrnehmungen. Trotz der Dynamik des Forschungsfeldes darf man gewichtige Defizite aber nicht übersehen: Im deutschen Sprachraum mangelt es erstens an Arbeiten zum öffentlichen Diskurs über Konsum und dessen Folgen/Konsequenzen, bildet zweitens die Verbindung von Konsumgüterproduktion und gesellschaftlichem Wandel ein wichtiges Desiderat, fehlen drittens langfristig angelegte Untersuchungen. In allen drei Feldern werden zudem Fragen nach der Wissensgrundlage des Konsums kaum behandelt.

9 Pfister, Christian (Hg.): Das 1950er Syndrom. Der Weg in die Konsumgesellschaft, Bern/Stuttgart/Wien 1995; Sieglerschmid, Jörn (Hg.): Der Aufbruch ins Schlaraffenland. Stellen die Fünfziger Jahre eine Epochenschwelle im Mensch-Umwelt-Verhältnis dar?, o. O. 1995; Andersen, Arne: Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt a. M./New York 1997. 10 Vgl. die Forschungsberichte von Trentmann, Frank: Beyond Consumerism: New Historical Perspectives on Consumption, London 2002; Prinz, Michael: »Konsum« und »Konsumgesellschaft« – Vorschläge zu Definition und Verwendung, in: Ders. (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. […], Paderborn u. a. 2003, 11–34; Torp, Claudius/Haupt, Gerhard (Hg.): Einleitung: Die vielen Wege der deutschen Konsumgesellschaft, in: Dies. (Hg.): Die Konsumgesellschaft in Deutschland 1890–1990. Ein Handbuch, Frankfurt a. M./New York 2009, 9–24. Umfassend hierzu Trentmann, Frank: Empire of Things. How We Became a World of Consumers, from the Fifteenth Century to the Twenty-first, London 2017, v. a. 174–271.

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Die vorliegende Untersuchung wird diese beiden Konzepte nutzen, ihre Ansätze und Ergebnisse miteinander verbinden, um so Entstehung, Entwicklung und Konsequenzen moderner Wissens- und Konsumgesellschaften seit dem späten 19. Jahrhundert zu analysieren. Die Ernährung bieten sich als Untersuchungsfeld an, um diese allgemeinen Fragen empirisch gehaltvoll analysieren zu können. Als eben nicht nur soziales Totalphänomen durchdringt sie alle Bereiche des Lebens, erlaubt also, die verschiedenen Teilsysteme moderner Gesellschaften miteinander in Bezug zu setzen und auch kollektive und individuelle Perspektiven analytisch miteinander zu koppeln. Die bisherige Forschung zur Ernährungsgeschichte weist allerdings spezifische Schwerpunkte auf, die ein direktes Anknüpfen an laufende Debatten erschwert: Die Erforschung des Wandels der Ernährung im langen 19. Jahrhundert stand lange im Mittelpunkt. Wichtige Einblicke in Ausprägungen und Mechanismen der Sozialen Frage und die Integration der Arbeiterschaft in die bürgerliche Gesellschaft waren die Folge.11 Damit wurde die vielfach noch prekäre Sicherung der Lebensmittelversorgung untersucht und nach den materiellen Grundlagen der Lebensstandardverbesserung durch die Industrialisierung gefragt.12 Der Untersuchungsgegenstand, nämlich die Ernährung, wurde allerdings als gegeben vorausgesetzt, nicht in seiner modellhaften Konstruktion verstanden.13 Nicht Wissen(schaft), sondern soziale Strukturprobleme und moderne Massenproduktion erschienen als treibende Kraft des Wandels. Die Erforschung der Ernährung im 20. Jahrhundert trat demgegenüber deutlich zurück. Ernährung wurde zum einen in Krisen- und Notzeiten thematisiert, zum anderen aber als Wegbereiter und Teil der allgemeinen Konsumgeschichte

11 Tenfelde, Klaus: Klassenspezifische Konsummuster im Deutschen Kaiserreich, in: Siegrist, Hannes/Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen (Hg.): Europäische Konsumgeschichte. […], Frankfurt a. M./New York 1997, 245–266; Spree, Reinhard: Klassen- und Schichtbildung im Medium des privaten Konsums: Vom späten Kaiserreich in die Weimarer Republik, Historical Social Research 22, 1997, 29–80. 12 Fischer, Hendrik K.: Konsum im Kaiserreich. […], Berlin 2011. Der Forschungsüberblick von Spiekermann, Uwe: Nahrung und Ernährung im Industriezeitalter. Ein Rückblick auf 25 Jahre historisch-ethnologische Ernährungsforschung (1972–1996), in: Bodenstedt, Andreas u. a.: Materialien zur Ermittlung von Ernährungsverhalten, Karlsruhe 1997, 35–73, behandelt mehr als 300 Publikationen. Bibliographische Auflistungen aktueller Neuerscheinungen enthalten die bis 2014 erschienenen Mitteilungen des Internationalen Arbeitskreises für Kulturforschung des Essens (http://www.gesunde-ernaehrung.org/index.php/service/ downloads [24.08.2017]). 13 Wegweisend für eine Kulturgeschichte des Sozialen war Tanner, Jakob: Fabrikmahlzeit. Ernährungswissenschaft, Industriearbeit und Volksernährung in der Schweiz ­1890–1950, Zürich 1999. Für eine interdisziplinäre Ernährungsforschung ferner grund­legend Barlösius, Eva: Soziologie des Essens. Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung, Weinheim/München 1999 (2016 in einer 3., durchgesehenen Auflage erschienen).

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behandelt.14 Die bisherige Forschung zur Ernährungsgeschichte weist insbesondere für die Zeit nach 1945 beträchtliche Defizite auf, sodass ein direkter Anschluss an die entsprechenden Debatten zur Wissensgesellschaft bzw. Entstehung einer Konsumgesellschaft erst geleistet werden muss. Die Zahl der Vorarbeiten, an die unmittelbar angeknüpft werden kann, ist daher überschaubar, auch wenn sich die Situation im vergangenen Jahrzehnt verbessert hat: Die Geschichte der Ernährungswissenschaft bzw. -medizin ist in groben Konturen bekannt, ähnliches gilt für die Agrarwissenschaften.15 Moderne 14 Als Beispiele seien genannt: Roerkohl, Anne: Hungerblockade und Heimatfront. Die kommunale Lebensmittelversorgung in Westfalen während des Ersten Weltkrieges, Stuttgart 1991; Lüdtke, Alf: Hunger in der Großen Depression, Hungererfahrungen und Hungerpolitik am Ende der Weimarer Republik, Archiv für Sozialgeschichte 27, 1987, 145–176; Gerlach, Christian: Krieg, Ernährung, Völkermord. Forschungen zur deutschen Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1998; Wiggen-Jux, Gabriele: Die Versorgung der Kölner Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen im Zweiten Weltkrieg […], Köln 1998; Thoms, Ulrike: Hunger – ein Bedürfnis zwischen Politik, Physiologie und persönlicher Erfahrung (Deutschland, 19. und 20. Jahrhundert), Body Politics 3, 2015, H. 5, 135–175 bzw. Prinz, Michael: Konsum und Konsumgesellschaft seit dem 18. Jahrhundert. Neuere deutsche, englische und amerikanische Literatur, Archiv für Sozialgeschichte 41, 2001, 450–514; Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. […], Paderborn u. a. 2003; Prinz, Michael: Weimars doppelte Zukunft: Konsum, wirtschaftlicher Erwartungs­ horizont und das Problem der Kontinuität 1914–1950, in: Ders. (Hg.): Die vielen Gesichter des Konsums: Westfalen, Deutschland und die USA 1850–2000, Paderborn u. a. 2016, 119–138. 15 Lange Zeit dominierten – nicht allein im Rahmen der Naturwissenschaften – Geschichten großer Männer und Entdeckungen, vgl. etwa Teuteberg, Hans J.: The discovery of vitamins: Laboratory research, reception, industrial production, in: Fenton, Alexander (Hg.): Order and Disorder: The Health Implications of Eating and Drinking in the Nineteenth and Twentieth Centuries, East Linton 2000, 253–280; Carpenter, Kenneth J.: A Short History of Nutritional Science, Journal of Nutrition 133, 2003, 638–645, 975–984, 3023–3032, 3331–3342. Vgl. demgegenüber Meyer, Carmen/Meyer, Frieder: Medizinische Aspekte der ernährungswissenschaftlichen und organisatorischen Vorbereitung auf den Krieg im NS -Staat (1933–1942), Med. Diss. Leipzig 1991 (Ms.); Klemm, Volker: Agrarwissenschaften in Deutschland. Geschichte – Tradition. Von den Anfängen bis 1945, St. Katharinen 1992; Teich, Mikulás: Science and Food during the Great War: Britain and Germany, in: Kamminga, Harmke/ Cunningham, Andrew (Hg.): The science and culture of nutrition, 1840–1940, Amsterdam/ Atlanta 1995, 213–234; Tanner, Jakob: Die Bedeutung der Nahrungsfasern für die Ernährung: ein geschichtlicher Überblick, in: Die Rolle der Nahrungsfasern in unserer Ernährung, hg. v.d. Schweizerischen Vereinigung für Ernährung, Bern 1996, 5–19; Spiekermann, Uwe: Pfade in die Zukunft? Entwicklungslinien der Ernährungswissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert, in: Schönberger, G[esa] U./Ders.: Die Zukunft der Ernährungswissenschaft, Berlin u. a. 2000, 23–46; Thoms, Ulrike: »(…) wirklich fein schmecken können sie nicht.« Sinnesphysiologische Wahrnehmung und Differenzerfahrung in Texten des 20. Jahrhunderts, in: Jagow, Bettina v./Steger, Florian (Hg.): Differenzerfahrung und Selbst, Heidelberg 2003, 311–331; Melzer, Jörg: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch, Stuttgart 2003; Orland, Barbara: Darmkontrolle. Ernährung unter wissenschaftlichem Regime (1840 bis 1930), Blätter für Technikgeschichte 66/67, 2004/05, 17– 46; Thoms, Ulrike: Einbruch, Aufbruch, Durchbruch? Ernährungsforschung in Deutschland vor und nach 1945, in: Bruch, Rüdiger vom/Gerhardt, Uta/Pawliczek, Aleksandra (Hg.):

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biographische Arbeiten fehlen vielfach, zahlreiche fachinterne Würdigungen können dieses Defizit nicht ausgleichen. Die institutionelle Entwicklung der Ernährungswissenschaft wurde bisher nur in Einzelfällen erörtert. Defizitär sind insbesondere die Kenntnisse zu Forschung und Entwicklung innerhalb der Lebensmittelproduktion bzw. der Professionalisierung in staatlichen Institutionen. Auch die Zahl der Arbeiten zur Geschichte des Lebensmittelmarktes, der Ernährungsindustrie bzw. einzelner Unternehmen ist überraschend klein.16 Dies ist Ausdruck einer generellen Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie durch die Unternehmensgeschichte, zugleich aber Reflex auf die vielfach mittelständische Struktur dieser Branche. Arbeiten zu größeren Firmen wurden erstellt, doch deren Qualität ist eher heterogen. Branchenstudien konzentrierten sich vornehmlich auf den Genussmittelsektor.17 Markt- und Vermarktungsstudien liegen ebenfalls vor, doch auch hier dominieren eng geschnittene Fallstudien. Gesamtdarstellungen fehlen ebenso wie spezielle Studien zur Bedeutung von Wissen im Unternehmen bzw. im Markt. Besser ist die Forschungslage im Beziehungsfeld Ernährung und Gesellschaft, wobei die staatlich-institutionelle Perspektive vorherrscht. Die Konturen der staatlichen Ernährungspolitik – Schutz der eigenen Landwirtschaft, ein relativ preiswertes und stetig verfügbares Angebot sowie eine »gesunde« Ernährungsweise – sind grundsätzlich bekannt, trotz des bekannten Schwergewichtes auf der Agrarpolitik.18 Die Forschungssituation ist deutlich schlechter, betrachKontinuitäten und Diskontinuitäten in der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2006, 111–130; Uekötter, Frank: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft, Göttingen 2010; Neswald, Elizabeth/Smith, David F./ Thoms, Ulrike (Hg.): Setting Nutritional Standards. Theory, Policies, Practices, Rochester/ Woodbridge 2017. 16 So etwa Ellerbrock, Karl-Peter: Geschichte der deutschen Nahrungs- und Genußmittelindustrie 1750–1914, Stuttgart 1993; Reif, Heinz/Pomp, Rainer: Milchproduktion und Milchvermarktung im Ruhrgebiet 1870–1930, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1991,1, 77–108; Teich, Mikulás: Bier, Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland 1800–1914. Ein Beitrag zur deutschen Industrialisierungsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2000; Pelzer, Birgit/Reith, Reinhold: Margarine. Die Karriere der Kunstbutter, Berlin 2001; Dies.: »Fett aus Kohle«? Die Speisefettsynthese in Deutschland, Technikgeschichte 1933–1945, Technik­ geschichte 69, 2002, 179–205; Unser täglich Brot… Die Industrialisierung der Ernährung, hg. v. Technoseum, Mannheim 2011. 17 Merki, Christoph Maria: Zucker gegen Saccharin. Die Geschichte der künstlichen Süßstoffe, Frankfurt a. M./New York 1993; Hengartner, Thomas/Merki, Christoph Maria (Hg.): Rauchzeichen. Rauchen aus kulturwissenschaftlicher Sicht, Zürich 1996; Dies. (Hg.): Genussmittel. Ein kulturgeschichtliches Handbuch, Frankfurt a. M./New York 1999. 18 Corni, Gustavo/Gies, Horst: Brot, Butter, Kanonen. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland unter der Diktatur Hitlers, Berlin 1997; Kluge, Ulrich: 40 Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., Hamburg/Berlin (W) 1989 sowie zahlreiche weitere Arbeiten dieses Verfassers zur Agrar- und Ernährungspolitik in Ost- und Westdeutschland; Münkel, Daniela (Hg.): Der lange Abschied vom Agrarland. […], Göttingen 2001.

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tet man die für Wissens- wie Konsumgesellschaften zentralen gesellschaftlichen Debatten über Essen/Ernährung.19 Die Zahl entsprechender Untersuchungen ist begrenzt, die große zeitgenössische Bedeutung der Auseinandersetzungen um Lebensmittelqualität und Preiswürdigkeit ist unzureichend aufgearbeitet. Der soziokulturelle Wandel wird kaum beachtet, und auch hier fehlen langfristig angelegte Studien.

1.3 Problem- und Fragestellungen Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, Entstehung, Entwicklung und Konse­ quenzen einer Wissens- und Konsumgesellschaft am Beispiel der Veränderungen des Ernährungssektors für den Zeitraum 1840 bis heute zu analysieren. Die Arbeitshypothese lautet, dass sich im 19. Jahrhundert ein moderner Typ von Gesellschaft ausbildete, der mit Konzepten der Modernisierungstheorie bzw. dem Begriff der Industriegesellschaft nur unzureichend, mit Konzepten von Wissens- und Konsumgesellschaften jedoch präziser verstanden und erklärt werden kann. Die entscheidenden Veränderungen erfolgten im Ernährungssektor seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie sind mit einer neuen Wissensform, dem Modell einer stofflich definierten Nahrung, direkt verbunden. Dieses entstand in den 1840er Jahren, wurde in der zweiten Jahrhunderthälfte dann experimentell bekräftigt, popularisiert und (bis in unsere Gegenwart hinein) differenziert. Naturwissenschaftler, insbesondere Chemiker und Physiologen, etablierten damit ein Ordnungsmodell, das einerseits religiös und philosophisch geprägte Vorstellungen ablöste, das anderseits aber auf die Bedürfnisse der sich etablierenden Marktgesellschaft und des Nationalstaates zugeschnitten war: Stoffe sind messund wägbar, sind zu objektivieren, erlauben Kontrolle und gezielte Versorgung. Seine Durchsetzung aber ist nur vor dem Hintergrund einer seit 1880 zunehmend arbeitsteilig organisierten Markt- und Konsumgesellschaft zu verstehen.

19 Ausnahmen bilden Ellerbrock, Karl-Peter: Lebensmittelqualität vor dem Ersten Weltkrieg: Industrielle Produktion und staatliche Gesundheitspolitik, in: Teuteberg, Hans Jürgen (Hg.): Durchbruch zum modernen Massenkonsum. Lebensmittelmärkte und Lebensmittelqualität im Städtewachstum des Industriezeitalters, Münster 1987, 127–188; Speckle, Birgit: »Reinheitsgebot« und »Chemiebier«. Die Auseinandersetzungen um das deutsche Reinheitsgebot für Bier aus kulturwissenschaftlicher Sicht, in: Renn, Ortwin/Hampel, Jürgen (Hg.): Kommunikation und Konflikt. […], Würzburg o. J., 115–132; Spiekermann, Uwe: Die Normalität des (Lebensmittel-)Skandals. Risikowahrnehmungen und Handlungsfolgen im 20. Jahrhundert, Hauswirtschaft und Wissenschaft 52, 2004, 60–69; Hierholzer, Vera: Nahrung nach Norm. Regulierung von Nahrungsmittelqualität in der Industrialisierung 1871–1914, Göttingen 2010.

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Das Stoffparadigma erlaubte es, Versorgungsleistungen zu optimieren, die Wertschöpfung und die Lebensqualität der Gesellschaft insgesamt zu erhöhen.20 Doch das Modell der stofflich definierten Nahrung erlaubte nicht nur einen neuen Aggregatzustand von Lebensmittelproduktion und Versorgungspolitik. Die mit der Ernährung verbundenen Projektionsleistungen erweiterten sich. Verheißungen von Sattheit und Geschmack, Befürchtungen vor Niedergang und Vergiftung wurden nicht mehr länger auf einzelne Lebensmittel und Speisen projiziert, sondern manifestierten sich immer mehr in den sie konstituierenden Stoffen. Das Stoffparadigma führte aber auch zu einem wachsenden Unbehagen an der Qualität der Kost, mündete im späten 19. Jahrhundert in Kritik an der vermeintlichen Naturferne der Produkte. Die neue »Künstlichkeit« der Kost wurde von der Mehrzahl der Bürger negativ bewertet, Gesundheits- und Umweltrisiken verstärkt wahrgenommen. Alternative Vorstellungen natürlicher(er) Kost intensivierten sich seit den 1870er Jahren, wurden seit 1900 zunehmend gewerblich genutzt. Eine strukturelle Alternative aber boten sie nicht: Denn deren wesentliche Kontrollmechanismen und Qualitätsmaßstäbe folgten ebenfalls dem Modell einer stofflich definierten Nahrung. Die folgende Untersuchung wird die Durchsetzung und die Folgen des Modells einer stofflich definierten Nahrung von 1840 bis heute nachzeichnen und analysieren. In ihm manifestiert sich im Ernährungssektor die Bedeutung der Ressource »Wissen«. Ziel ist es, die Konsequenzen für die Marktbildung und Regulierung einerseits, für die Entstehung und Ausgestaltung von Ernährungskonzepten anderseits zu untersuchen. Mit Hilfe des Modells einer stofflich definierten Nahrung – so die Arbeitshypothese – konnten Effizienz und Qualität der Lebensmittelproduktion immens gesteigert werden, wurde eine Regulierung von Märkten und Menschen möglich. Zugleich führte die relative Alltagsferne und Abstraktheit des Konzeptes dazu, dass die tägliche Kost bis heute von Risiken und Gefahren, von Unbehagen und Ängsten geprägt wird. »Wissen konstituiert Macht, Wissen schließt aus.«21 Objektiviertes Wissen gewann an Gewicht, während praktisches entwertet wurde. Dies hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Bewertungen der alltäglichen Ernährungspraxis und der öffentlichen Rede vom Essen. Um diesen Prozess zu fokussieren, wird der Begriff der »künstlichen Kost« verwendet. »Künstliche Kost« steht für die systematische und reflektierte Entkontextualisierung und Neudefinition der Nahrung, die mittels der Vorstellung vom Stoff durch die Wissenschaft seit Beginn der Industrialisierung entscheidend vorangetrieben wurde. Lebensmittel wurden immer weniger an Räume 20 Entsprechend greift es zu kurz, dieses auf die Gegenwart und Interaktion mit Verbrauchern zu verkürzen, so etwa Scrinis, Gyorgy: Nutritionism. The Science and Politics of­ Dietary Advice, New York 2013. 21 Stehr, Nico: Wissenspolitik. Die Überwachung des Wissens, Frankfurt a. M. 2003, 38.

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und Zeiten gebunden, sondern erschienen als Stoffkonglomerate. »Künstliche Kost« war aber nicht nur ein Produkt, stand nicht nur für darauf gründende Ernährungsweisen. Es war auch ein Angebot, das auf der Rationalität der Wissenschaft gründete und dann andere Teilsysteme bzw. das Alltagshandeln ordnete bzw. beeinflusste. Der Begriff der »künstlichen Kost« erlaubt die kombinierte Analyse wissenschaftlicher, wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Wandlungen, die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzten, die jedoch erst im 20. Jahrhundert ihre schon angelegte Dynamik entfalteten. Die Legitimation für die damit verbundene Fokussierung des Untersuchungs­ feldes liegt nicht zuletzt in dessen realhistorischer Bedeutung. Pflanzliche und tierische Nahrungsmittel bildeten keine abstrakten Ganzheiten mehr, wie noch in der Humoralpathologie des 18. Jahrhunderts, sondern wurden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer stärker als Stoffkonglomerate verstanden. Chemisch definierte Stoffe stellten demnach die Bausteine der Lebensmittel, sie erst begründeten den Stoffwechsel, sie waren und sind Träger von Nährwert, von Informationen und Geschmack. Die Neudefinition von Lebensmitteln führte zu einer Neubewertung von Menschen. Seit der Hochindustrialisierung wurden immer neue, immer ausgefeiltere Techniken der Isolation, Synthese, Kombination und Rekombination einzelner Stoffe entwickelt. Auf Basis wissenschaftlicher Vorstellungen wurde derart – so die Arbeitshypothese – die Zahl der angebotenen Produkte kontinuierlich gesteigert, wurde das Lebensmittelangebot verbreitert und zunehmend präzise auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten. Wissen schuf Märkte, Märkte diffundierten Wissen. Dabei sind drei Untersuchungsebenen zu unterscheiden: Erstens sollen auf einer realhistorischen Ebene die mit dem Stoffparadigma verbundenen Veränderungen in Wissenschaft und Lebensmittelmarkt seit der Mitte des 19.  Jahrhunderts dargestellt und analysiert werden. Es geht um eine empirisch valide Darstellung der Auswirkungen von neuem Wissen und neuen Märkten. Zweitens soll auf einer normativen Ebene der Binnenrationalität wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns nachgegangen werden. Das Stoffparadigma war nicht nur erkenntnisleitend, sondern konstituierte Denk- und Handlungsweisen, die erst kleinen, dann wachsenden Akteursgruppen Orientierung ermöglichten und zunehmend verbindlich wurden. Daneben aber blieben konkurrierende Formen von (praktischem) Wissen bestehen, etablierten sich in Ablehnung »künstlicher Kost« neue Rationalitäten. Vermehrtes Wissen verringerte die Auseinandersetzung um normative Bewertungsmaßstäbe eben nicht, sondern transformierte sie auf jeweils andere Ebenen. Vor diesem Hintergrund soll drittens versucht werden, die in sich widersprüchlichen Wahrnehmungen und öffentlichen Thematisierungen »künstlicher Kost« aufzuzeigen und in ihrer Bedeutung für Alltagshandeln zu ana­ lysieren. Es geht um Diskurse über moderne Ernährung und die ihr zu Grunde liegenden Konzepte und Produkte.

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»Künstliche Kost« gründete auf wissenschaftlicher Forschung, wurde durch Marktbildung verbreitet, diffundierte in immer weitere Sektoren der Gesellschaft, wurde dort spezifisch rezipiert und genutzt. Die Entstehung, Verbreitung und Durchsetzung »künstlicher Kost« ist gleichzeitig Ausdruck und Teil der Entstehung, Verbreitung und Durchsetzung einer von Wissen und Konsum entscheidend geprägten Moderne. Um diese komplexen Veränderungen zu analysieren, werden fünf Leitfragen in immer neuen historischen Konstellationen behandelt. 1. Welche Bedeutung kommt der Ressource »Wissen« für die Entstehung, Ausbreitung und Durchsetzung »künstlicher Kost« zu, inwieweit lässt sich schon Ende des 19. Jahrhunderts von einer Wissensgesellschaft sprechen, wie und in welchem Maße durchdrang sie im 20. Jahrhundert Wirtschaft, Politik und Alltag? 2. Welche Bedeutung hatte die Industrialisierung, hatte die Etablierung einer Konsumgesellschaft, hatten Krisen und Kriege für die Ausbreitung und Durchsetzung des Stoffparadigmas und »künstlicher Kost«? 3. Welche Interdependenzen lassen sich zwischen Wissenschaft, Markt und Gesellschaft feststellen, welche Institutionen bildeten sich aus, wie verschoben sich die Gewichte und Einflussfaktoren, ab wann und mit welchen Konsequenzen setzte die Politisierung, die Kommerzialisierung und die Medialisierung von Wissen(schaft) ein? 4. Welchen Einfluss hatte wissenschaftliches Wissen für die Etablierung und Ausdifferenzierung von Märkten bzw. für die Regulierung und Organisation der Versorgungspolitik, wie wirkten diese (direkt und über die öffentliche Meinung) wiederum zurück auf die Schwerpunkte und Ausrichtungen wissenschaftlicher Arbeit? 5. Welche Widerstände bestanden gegen »künstliche Kost«, welche Hoffnungen und Utopien schuf dieses Modell in Wissenschaft, Markt und Gesellschaft, wie wurden diese artikuliert, berücksichtigt, gebrochen und überwunden?

1.4 Quellen, Aufbau und Struktur der Untersuchung Die Analyse der Ernährung stellt die historische Forschung vor besondere Aufgaben, da die Quellenlage besonders vielgestaltig ist. Das liegt nicht allein am flüchtigen Primärgut, an nicht mehr vorhandenen Lebensmitteln und Produkten. Wichtiger ist, dass die dezentrale Grundstruktur der modernen Versorgungsketten zu archivarischen Überlieferungen geführt hat, die systematisch unter- oder überzeichnen. In Quellen staatlicher Archive dominieren Aspekte der Marktregulierung und des Gesundheitsschutzes, stehen zudem Krisenund Kriegszeiten im Vordergrund. Greift man für die Untersuchung des lange Zeit vorrangig dem Markt und dem Einzelnen überlassenen Wissensfeldes Er-

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nährung dagegen auf Unternehmens- oder Verbandsarchive zurück, stellt man rasch fest, dass deren frühe Überlieferungen zumeist wenig aussagefähig sind und man stark auf Funde begrenzter Repräsentativität angewiesen ist. Die vorliegende Untersuchung gründet daher – trotz des Einbezugs von Beständen des Bundesarchivs sowie von Unternehmens- und Institutionenarchiven – vorrangig auf gedruckten Quellen. Im Rahmen einer Wissensgeschichte ist dies funktional, ist wissenschaftliche Reputation doch wesentlich von der Publikation des jeweiligen Wissens abhängig, zielen Wirtschaft und Staat doch immer auch auf den Käufer und Bürger. Dieser Weg birgt allerdings beträchtliche Probleme, da die Zahl einschlägiger Quellen immens ist. Der Abhandlung liegen unmittelbar ca. 130.000 seit 1989 zusammengetragene und in Kopie vorliegende Einzelpublikationen zugrunde, die mittels des Literaturdatenbankprogramms Lidos 5 für Windows erfasst und über einen gruppierten Thesaurus mit ca. 500 frei kombinierbaren Einzelschlagworten zugänglich gehalten wurden. Dieser Zugriff auf die Breite der Überlieferung, der neben den einschlägigen Beständen der ULB Münster, der UB Heidelberg, der UB der TU Braunschweig und der SUB Göttingen knapp 30.000 Fernleihen – meist von Aufsatztiteln – umfasst, erlaubt zweierlei: Eine quellengesättigte, empirisch valide Darstellung und zugleich eine bedingte Emanzipation von den Zufällen der archivarischen Überlieferung. Die Untersuchung gründet erst einmal auf den Fachpublikationen der Wissensproduzenten, also den einschlägigen Veröffentlichungen der führenden Wissenschaftler, der Spitzen- und Branchenverbände der Wirtschaft sowie staatlicher Instanzen. Neben Buchpublikationen wurde in bisher nicht bekannter Breite die Zeitschriftenliteratur herangezogen, um Themenfelder, interne Debatten und Selbst- und Fremdbeschreibungen detailliert analysieren zu können. Auch wenn von einer Komplettausschöpfung nie wirklich die Rede sein kann, wurde das gedruckte ernährungswissenschaftliche (ca. 12.500 Arbeiten) und -medizinische Schriftgut (ca. 10.500) doch fast vollständig verarbeitet. Arbeiten wirtschaftswissenschaftlicher Provenienz (ca. 6.500) fügen sich hier an, ebenso Branchenpublikationen. Neben dieser, auch die Ernährungsaufklärung enthaltenden Fachliteratur stand die Erschließung der Literatur der Ernährungsreformer und Alternativen (ca. 5.000), der öffentlichen Publizistik, von Karikaturzeitschriften sowie darin enthaltenen Anzeigen (ca. 8.000) und Bildquellen. Diese diachron erschlossenen Quellen wurden für die einzelnen Themen bibliographisch synchron ergänzt, da nur so das jeweilige zeitgenössische Wissen erschlossen werden konnte. Gerade die in den späteren Belegen sich nicht widerspiegelnden Häufungen von inhaltlich ähnlichen und prinzipiell austauschbaren Publikationen sichern die Bewertung durch den Verfasser nochmals ab. Dies gilt auch für die Konsum- und Absatzstatistik (ca. 12.000), die im Rahmen der hier verfolgten Fragestellungen nur peripher verarbeitet wurde. Die vorliegenden Quellen weisen trotz einer überdurchschnittlich dichten Überlieferung während der NS -Zeit eine relative Gleichverteilung auf,

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wurden doch zwischen 1900 und 1970 für jedes Jahr mindestens tausend Publikationen verarbeitet. Insgesamt gründet die Untersuchung damit auf einer Quellenbasis, die zwar nicht die für diese Arbeit ohnehin nicht notwendige Detailliertheit archivarischer Überlieferung aufweist, die in ihrer Breite die fragmentarische archivarische Überlieferung jedoch weit übertrifft. Um derartige Quellenmassen und die Fragestellungen miteinander zu koppeln, ist eine Arbeitsgliederung notwendig, die Parallelität und Verzahnung von Entwicklungen, Konzepten und Diskursen zumindest ansatzweise transparent hält. Haupt- und Unterkapitel sind jeweils systematisch angelegt und bieten die für die Untersuchung notwendigen Belege. Sie folgen tendenziell aber einer chronologischen Ordnung. Das einführende Kapitel 2 »Grundlagen« konzentriert sich vornehmlich auf die Institutionalisierung und Ausdifferenzierung des Konzeptes einer stofflich definierten Nahrung. Diese neue hierarchisierte Wissensform etablierte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem der Chemiker Justus von Liebig eine Vielzahl von Vorarbeiten vor allem französischer Kollegen zu einer inspirierenden Synthese, zu einem auf wenigen Grundstoffen und deren Stoffwechsel basierenden Modell des Lebens verdichtet hatte. Sie war unmittelbar anwendungsbezogen, erlaubte sowohl in der Landwirtschaft als auch in Anstaltsverpflegung und Säuglingsernährung neue effizientere Verfahren. Die weitere Ausdifferenzierung des Konzeptes zuerst durch die Münchener Schule um Pettenkofer, Voit und Rubner, dann die detaillierte Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißforschung seit den 1880er Jahren, schuf neue technologische Möglichkeiten. »Künstliche Kost« erschien dadurch als eine praktikable Option. Seine Zukunft wurde durch die spezifische Rezeption der Vitaminforschung wesentlich beeinflusst. Sie sprengte den bisherigen »Ring der Nährstoffe« (Finkelstein), und doch führte die Entdeckung und Benennung der neuen »Lebensstoffe« zu keinem Paradigmenwechsel der Ernährungsforschung. Die Vitamine wurden vielmehr im Sinne des Konzeptes einer stofflich definierten Nahrung verstanden und in bestehende Deutungsweisen integriert. Zum Durchbruchserfolg »künstlicher Kost« wurde die zunehmende Synthetisierung von Nahrungsstoffen, die schon um 1880 einsetzte, in ersten »künstlichen« Vitaminen seit den späten 1920er Jahren jedoch einen vorläufigen Höhepunkt erfuhr. Das neue Wissen schien nun auch eine vollständige Synthese der gesamten Nahrung zu erlauben. Kommerzielle Chancen und gesellschaftliche Verheißungen gewannen hierdurch Kraft und Kontur. Im Kapitel 3 »Begrenzte Vermarktung« geht es um die Konsequenzen und Chancen der neuen Wissensformen für die Marktbildung von 1880 bis 1914. Wissenschaftliches Wissen setzte auf universelle Gültigkeit, seine Umsetzung erfolgte jedoch in Teil- bzw. Nischenmärkten. Die bis in die 1880er Jahre dramatisch steigende Säuglingssterblichkeit zeigte die Probleme praktischen Wissens, verdeutlichte Stärke und Grenzen »künstlicher Kost«: Künstliche Säuglingser-

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nährung erlaubte den reflektierten Ersatz der Muttermilch, wurde vielfach als Emanzipation von der Natur verstanden. Die hohe, auf Liebig und die Münchener Schule zurückgehende Wertschätzung des tierischen Eiweißes erlaubte gezielte Angebote für gesellschaftliche Teilgruppen. Neu entwickelte Suppen- und Nährpräparate dienten der Versorgung von »Minderbemittelten« und Soldaten, sollten diesen v. a. Eiweiß billig zuführen. Viele dieser Innovationen scheiterten, teils an technologischen Defiziten, teils an ihrem schlechten Geschmack. Die frühen Erfolge der Aromen- und Essenzenindustrie belegen, dass dieses Problem schon im Kaiserreich neue Märkte schuf. Der wirtschaftliche Erfolg blieb jedoch auf Nischen begrenzt, im Massenmarkt konnte sich »künstliche Kost« kaum durchsetzen. Frühe Lightprodukte, etwa entkoffeinierter Kaffee, entnikotinisierte Zigarren, alkoholfreie Biere und fettarme Diätprodukte, wurden zwar kurz nach der Jahrhundertwende entwickelt, doch ihr Erfolg war meist nur von kurzer Dauer und blieb auf ein bürgerliches Klientel begrenzt. Die wachsende Verfügbarkeit über die stofflich definierte Materie veränderte jedoch nicht nur Produktions- und Marketingkonzepte, sondern rief auch Gegenreaktionen hervor: Tiefgreifendes Unbehagen, teils fundamentaler Widerspruch gegen eine begrenzte Entmündigung belegen etwa die zahlreichen nun aufkommenden Produkte des Wortfeldes »Voll«. Die Gefahr einer »unnatürlichen«, degenerierten Kost wurde insbesondere vor dem Hintergrund breiter Dekadenzvorstellungen der Jahrhundertwende diskutiert. Eine Folge war ein neuer Markt für alternative Ernährungsprodukte. Doch auch die sich etablierende Reformwarenwirtschaft war  – ex negativo  – an das Konzept der stofflich definierten Nahrung gebunden. Der Erste Weltkrieg bildete mehr als einen »Zivilisationsbruch«. Die Versorgungs- und Hungerkrisen machten Verantwortlichen und Verbrauchern deutlich, dass die Versorgung moderner Gesellschaften nicht allein dem Markt überlassen werden konnte, dass dieser Elementarbereich menschlicher Existenz vielmehr einer systematischen Ordnung bedurfte, um ausreichende Verpflegung mit hochwertigen und preiswerten Lebensmitteln garantieren zu können. Das Kapitel 4 »Eisernes Dreieck«22 knüpft an die Versorgungsprobleme und Interventionen während des Krieges an, um die institutionelle Neugestaltung zu analysieren, die seitdem die Ernährung in Deutschland ganz wesentlich prägen. Ordnung durch objektiviertes wissenschaftliches Wissen war nun ohne Alternative, die Forschung wurde staatlich gefördert und erhielt faktisch regulative Macht. Das Stoffparadigma bildete die Grundlage für Vereinbarungen zwischen 22 Der Begriff stammt von Barlösius, 1999, 219. Sie versteht darunter ein »Kräftefeld, das die agrarpolitischen Leitlinien aushandelt und damit indirekt bestimmt, wie Nahrungssicherung hergestellt wird und unter welchen Bedingungen Lebensmittel produziert werden.« In dieser Arbeit wird er auf die Beziehungen von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat angewendet.

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Wissenschaft, Wirtschaft und Staat und etablierte sich als leitendes Ordnungsmodell. Die schon vor 1914 aufgenommenen Verhandlungen über Normen für einzelne Nahrungsmittel weiteten sich bis zum Lebensmittelgesetz von 1927 zu einem neuen Modell von Qualitätssicherung und Definitionsmacht. Objektiviertes und praktisches Wissen standen in direktem Gegensatz, praktische Alltagserfahrungen wurden systematisch entwertet. Wissenschaftliches Wissen diffundierte nun in ökonomische und gesellschaftliche Sphären: Seit dem Ersten Weltkrieg prägten Naturwissenschaftler zunehmend die Produktion der Lebensmittel, erfolgten Innovationen immer stärker durch qualifiziertes und in Stoffkategorien denkendes Personal. Seitens des Staates bot das Modell Optionen, um Defizite der Landwirtschaft und Versorgung aufzudecken und zu begrenzen, zumal im Hinblick auf stoffliche Autarkie und künftige Kriege. Die zunehmende Regulierung des Ernährungssektors legte die institutionellen Grundlagen für die Durchsetzung stofflichen Denkens und Produzierens im gesamten Ernährungssektor. Kapitel 5 »Wachsende Verfügbarkeit« zeigt die zunehmende Präsenz »künstlicher Kost« schon im zweiten Viertel des 20. Jahrhundert auf, legt zugleich aber den Blick auf das sich nun folgenreich verändernde Umfeld der Lebensmittelproduktion. Dies bedeutet einerseits am Beispiel der Vitamine die Symbolik einer »gesunden«, zunehmend auch als Tablette und Zusatzstoff von Lebensmitteln verfügbaren Stoffgruppe aufzuzeigen bzw. am Beispiel der wachsenden Zahl von Convenience-Produkten den Trend zur schnellen, unkomplizierteren Küche mit vorgefertigten Produkten darzustellen. Die Arbeitshypothese lautet, dass bereits in den 1920er und 1930er Jahren Vorstellungen und Denkformen etabliert wurden, die erst seit den späten 1950er Jahren massenwirksam wurden, als genügend Kaufkraft vorhanden war. Anderseits wurde das Feld »künstlicher Kost« breiter, prägte nicht mehr nur Lebensmittel, sondern auch deren Umfeld: Der Trend hin zu einer ästhetisierenden Verpackung, die Etablierung neuer Konservierungs- und Kühltechniken (und deren Verbindung mit konventionellen Formen der Lebensmittelproduktion) sowie die immer stärkere Konzentration auf bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe und mögliche Austauschstoffe sind Beispiele für Veränderungen im Prozess der Produktion bzw. der Kommunikation der Ernährung. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese Einzelentwicklungen – auch während der NS -Zeit – kritisch und kontrovers diskutiert wurden. Wachsende Verfügbarkeit »künstlicher Kost« ging mit wachsender Kritik an einem Denken und Handeln einher, das – dynamisiert durch die Reinheitsvorstellungen der NS -Ideologie – immer stärker vom Gegensatz »künstlich« vs. »natürlich« geprägt war. Trotz wachsender Erfolge setzte sich »künstliche Kost« vor den 1950er Jahren nicht im Massenmarkt durch. Doch die Zahl der Teil- und Nischenmärkte wuchs. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die technologischen Möglichkeiten der Lebensmittelproduktion nicht zuletzt aufgrund der Kriegsanstrengungen »künstliche Kost« in immer breiterem Maße erlaubten, wurden mehr und mehr

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Lebens­bereiche tangiert. In Kapitel 6: »Normalisierung« wird eingangs der Zweite Weltkrieg, der nicht zuletzt ein globaler Ernährungskrieg war, als Schrittmacher dieser Entwicklung analysiert. Die Weltkriege bildeten Katalysatorphasen, die Vorstellungen einer gleichsam evolutionären Modernisierung beredt hinterfragten. In Kriegszeiten wurden weltweit immense Investitionen getätigt, um qualitativ hochwertige Lebensmittel mit hohem Nähr- und Geschmackswert sowie geringem Gewicht und langer Haltbarkeit zu kreieren und dadurch die Destruktionskraft der Armeen und die Leistungsfähigkeit der »Heimat« zu erhöhen. Diese Bemühungen endeten nicht 1945, sondern mündeten in den Massenmarkt der Wirtschaftswunderzeit. Die Flieger-, dann die Astro-/ Kosmonautenverpflegung verwiesen auf kontinuierliche wissenschaftliche und technologische Herausforderungen, an deren Ende Anfang der 1960er Jahre stoffliche bilanzierte Kostformen standen. Die anfangs auf Grenzsituationen und Nischenmärkte zielende Wissensproduktion konnte zunehmend auch für Massenmärkte genutzt werden, verbesserte Technologien und höhere Kaufkraft bildeten hierbei wesentlich Pushfaktoren. Lukrative Lebensstilmärkte etablierten sich nun für die Mehrzahl der Bevölkerung, Formuladiäten und Diätkost waren dafür wichtige Beispiele. Die Marktsegmentierung wurde durch den seit Mitte der 1950er Jahre schnell Gestaltungsmacht gewinnenden Einzelhandel wesentlich beschleunigt. So erfolgreich die einzelnen Produkte bzw. neue wissenschaftliche Erkenntnisse aber auch waren, sie stießen gerade in den 1950er Jahren auf wachsende Skepsis bzw. Widerstand. Die harten Debatten etwa um die Novelle des Lebensmittelgesetzes 1958 verdeutlichten, dass parallel zu den wachsenden technologischen Möglichkeiten der Stellenwert »reiner« »natürlicher« Kost weiter zunahm. Dabei handelte es sich nicht um kleine Gruppen der Öffentlichkeit. Die systematische Integration dieser Ansprüche in die Werbung und die staatlichen Regulierungsbemühungen verdeutlichen vielmehr, dass das Vordringen »künstlicher Kost« nicht nur »prometheische Scham« (Günther Anders), sondern immer auch deren Gegenteil hervorrief: Ernährungshandeln und die Imaginationen bzw. Ideale der täglichen Kost entwickelten sich zunehmend auseinander, wurden widersprüchlicher und waren zumindest durch öffentliche Ernährungskommunikation nicht mehr zu überbrücken. Die Erfolge in den Nischenmärkten veränderten die Dynamik im Markt »künstlicher Kost«. Wachsende Realeinkommen und der Siegeszug von liberalen Marktgesellschaften führten dazu, dass im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die Wirtschaft immer stärker zur treibenden Kraft wurde und zunehmend wissenschaftliches Wissen produzierte. Der dominante Finanzier der Anfangszeit, der Staat, konzentrierte sich stärker auf die regulative Rahmensetzung und kanalisierte dabei auch die Sorgen der Öffentlichkeit. Die frühe Sättigung der Lebensmittelmärkte erlaubte Wachstum vornehmlich durch wertsteigernde Innovationen. Wissen wurde zur wichtigsten Produktivkraft, während landwirtschaftliche Rohstoffe relativ immer billiger wurden. Die marktfähige Rekombi-

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nation von Stoffen zu neuen Produkten war eine ökonomisch rationale Antwort. Im Kapitel 7 »Angelegte Veränderungen« wird dies vor dem Hintergrund einer immer weiter wachsenden Zahl bekannter Inhalts- und Zusatzstoffe analysiert. Die Komplexität des Ernährungsfeldes nahm zu, die Fungibilität der Stoffe wuchs, die Massenkonsumgesellschaft erlaubte und erforderte ein multioptionales Angebot. Das Konzept der »Erlebnisgesellschaft« beschreibt solche Wandlungsprozesse. Zahlreiche neue wissensbasierte Produkte waren eine Konsequenz, ebenso die wachsende Zahl von Convenienceprodukten: Sie zielten nicht mehr primär auf Wochenende und Freizeit, sondern waren den veränderten Alltagsforderungen angepasst, spiegelten gesellschaftlichen Wertewandel und Wohlstandmehrung. Zugleich erkundeten Naturwissenschaftler, vielfach im Rahmen privatwirtschaftlicher Forschung, die genetische Struktur der Lebensmittel, erweiterten damit die Stofffülle, schufen neue, kontrovers bewertete Marktsegmente. Wichtiger war und ist allerdings die systematische Verbindung einzelner (neuer) Stoffe mit gesundheitlichen Wirkungen. Functional Food symbolisiert eine »wissenschaftliche« Art des Essens, in der Gesundheit durch die Wahl der richtigen Produkte möglich scheint, da deren Stoffgehalt von der Industrie optimiert wird. Die semantische Aufladung der »künstlichen Kost« lässt sie als verbesserte Variante »natürlicher« Angebote erscheinen. Das aber gilt nicht für alle: Denn zeitgleich wächst das Angebot von »natürlicher« Biokost. Die Überlappung von Gesundheit und Essen, von Genuss und sozialer Kontrolle zeigen sich noch deutlicher in den aktuellen Entwicklungen hin zu Nutrigenomics einerseits, Mood Food anderseits. Leistungsfähigkeit und Stimmung erscheinen dergestalt machbar. Darin manifestiert sich die heutzutage dominante Bedeutung des Stoffparadigmas für Markt und Gesellschaft, für die Wissens- und Marktgesellschaft der Gegenwart. Im abschließenden Kapitel 8 werden die aufgestellten Leitfragen zusammenfassend beantwortet. Am Beispiel »künstlicher Kost« soll in diesem Buch die Konstitution moderner Gesellschaften als Wissens- und Konsumgesellschaften für das 19./20. Jahrhundert verdeutlicht und zugleich die Bedeutung resp. die Grenzen wissenschaftlicher, ökonomischer und gesellschaftlicher Veränderungen für einen Elementarbereich menschlicher Existenz aufgezeigt werden. Die Konturen der heutigen Gesellschaft und auch der heutigen Art der Ernährung wurden nicht in der unmittelbaren Nachkriegszeit oder aber den 1970er Jahren gelegt, sondern bilden Pfadabhängigkeiten der Durchbruchsphase der »Industrialisierung«. Dies hat nicht nur wichtige Konsequenzen für die Gegenwartsdeutung. Die einseitige Deutung des späten 19. Jahrhunderts als Zeit einer dominant von der aufstrebenden Industrie und der sozialen Frage bestimmten »Industrialisierung« könnte durch eine breitere und realistischere Deutung abgelöst werden. Damals schon gewannen moderne Dienstleistungen und Wissensträger elementare Bedeutung, seit damals prägen wissenschaftliche Wirklichkeitsmodelle und von

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Wissenseliten geschaffene und diskutierte Entscheidungsalternativen Markt und Alltag. Ihre Definitionsmacht und Lösungskompetenz konturieren seither die Art der öffentlichen Debatten und kommerzieller Kommunikation über Ernährung – und auch über Essen.

2. Grundlagen: Das Modell der stofflich definierten Nahrung 1840–1930

Das 19. Jahrhundert erscheint vielen Historikern nur im Blick auf Großbritannien verständlich, der unumstrittenen Weltmacht dieser Zeit. Die Industrialisierung nahm hier ihren Anfang, führte zu immensen Produktivitätssprüngen und globalem Machtgewinn. Unter wissenshistorischen Gesichtspunkten stellt sich diese Zeit anders dar: »Die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Zeit der Entwickelung der Naturwissenschaft zur Weltmacht.«1 So sehr die Moderne auch durch die aufkommenden und miteinander wettstreitenden Nationalstaaten geprägt war und ist, so bildeten sich doch zugleich transnationale Vorstellungen von dem aus, was Wissen ist und Wissenschaft ausmacht. Während die beträchtliche Entchristlichung des späten 18. Jahrhunderts ein Umdenken erleichterte, setzte sich im 19. Jahrhundert ein neues Glaubenssystem mit Ordnungskraft durch, die moderne Wissenschaft. Diese brach während der Sattelzeit endgültig mit den Traditionen der Antike. Das Wissen der Alten wurde nicht mehr länger als Ausdruck von Bildung und Handlungskompetenz verstanden. Der begriffliche Wandel, der Gestaltungsräume eröffnete, hatte sein Pendant in der Neudefinition von Wissenschaft. Sie wurde nicht mehr länger als Element von Sicherheit und bleibendem Wissen definiert. Die Wissenschaftler verstanden sie zunehmend als Forschung, als eine »Maschinerie zur Herstellung von Zukunft« (Jacob). Das führte zum regelhaften Öffnen neuer Bezirke des Wissens, nötigte zugleich zur Einrichtung spezifischer Weisen der Wissensproduktion und -absicherung. Ihre Orte waren nicht mehr länger wenige Akademien und wissenschaftliche Gesellschaften, sondern sie prägten nun speziell die Universitäten. Sie blieben nicht die Lehr- und Ausbildungsanstalten der frühen Neuzeit, sondern reetablierten sich als Institutionen, in denen im Humboldtschen Sinne Lehre und Forschung verbunden werden sollten. Ähnliches galt für den wirtschaftlichen Sektor. Auch die aufstrebenden Fabriken mussten zunehmend Wissen integrieren und generieren, um im Wettbewerb bestehen zu können. Wissen diffundierte aber nicht nur in verschiedene Sektoren, sondern wurde auch mit unterschiedlichen Methoden gewonnen. Während in den Kulturwissenschaften Verfahren der systematischen Quellenkritik fortentwickelt wurden, etablierten Naturwissenschaftler Experimentalsysteme. Sie dienten nicht mehr länger der Bestätigung des längst Gewussten, 1 Gruber, Max: Max von Pettenkofer, Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 36, 1904, 4512–4563, hier 4563.

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sondern zielten auf die Erkundung des Neuen. Wissenschaft eröffnete so die Chance, mit Dingen, Fakten und Regeln umzugehen, die man nicht kannte, die man aber kennen wollte und denken konnte. Sie wurden nun mit geregelten und reproduzierbaren Verfahren, mit Hilfe technischer Geräte und sprachlicher Bezeichnungen konstituiert und nachgewiesen.2 Ziel des folgenden Kapitels ist es, Entstehung und Ausdifferenzierung wissenschaftlichen Wissens im Felde der Ernährung detaillierter darzustellen. Dieses legte die Grundlagen für »künstliche Kost«. Sie lagen im Modell einer stofflich definierten Nahrung, das sich seit den 1840er Jahren herausbildete und in Deutschland unmittelbar mit dem Namen Justus Liebigs verbunden ist.

2.1 Grundstoffe: Die Nährstoffkonzeption Liebigs und der Münchener Schule 2.1.1 Liebig und die Durchsetzung des Stoffparadigmas Ein Modell stofflich definierter Nahrung setzt die Kenntnis und Ausdifferenzierung von Stoffen schon voraus. Entsprechend kann es hier nicht darum gehen, die verschiedenen Schritte nachzuzeichnen, die innerhalb der chemischen Wissenschaft zu deren Konstituierung führten. Zwei Ebenen gilt es allerdings zu unterscheiden: Auf der einen Seite begann im späten 18. Jahrhundert eine systematische »wissenschaftliche« Suche nach den kleinsten Bestandteilen der Materie und des Lebens. Antoine-Laurent de Lavoisiers Isolation des Sauerstoffs bildete eine Wegmarke, die zu einer neuen Nomenklatur der Grundbestandteile der Materie führte und in die Ordnung des Periodensystems der chemischen Elementarstoffe mündete. Diese aber hatte ihren Preis, nämlich das relative Scheitern des aufklärerischen Versuchs, Welt und Natur als Ganzes zu erklären und vernünftig einzurichten. Die Suche nach den chemischen Elementarstoffen stand für eine neue »Wissenschaft der kleinen Schritte«3, die isolierte, experimentell arbeitete, auf Kausalbezüge zielte und dazu die Untersuchungsgegenstände voneinander trennte. Metaphysik wurde systematisch ausgegrenzt. Die positivistische Wiedergabe der modellhaft konstruierten Welt war das Ziel, die »Durchmusterung der lebenden Welt in bezug auf ihre Schätze an chemischen Individuen.«4 2 Rheinberger, Hans-Jörg: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas, 2. Aufl., Göttingen 2002, 8. Vgl. allgemein Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Berlin 1995. 3 Rothschuh, K[arl] E[duard]: Ursprünge und Wandlungen der physiologischen Denkweisen im 19. Jahrhundert, Technikgeschichte 33, 1966, 329–355, hier 354. 4 Fischer, Emil: Organische Synthese und Biologie, 2. unv. Aufl., Berlin 1912, 4.

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Auf der anderen Seite begann auf Basis dieser Suche nach den Elementarstoffen auch die Untersuchung der Grundbestandteile der Nahrung. Sie war insofern komplizierter, als es nicht um Elementarstoffe ging, sondern um komplexere Stoffkombinationen, die in der Nahrung vorkamen und für eine auskömmliche Ernährung erforderlich waren. Wie kompliziert, beklagte 1835 beredt der Göttinger Chemiker Friedrich Wöhler, dessen Harnsäuresynthese eine Richtung zu »künstlicher Kost« wies: »Die organische Chemie kann einen jetzt ganz toll machen. Sie kommt mir wie ein Urwald der Tropenländer vor, voll der merkwürdigsten Dinge, ein ungeheures Dickicht ohne Ausgang, ohne Ende, in das man sich nicht hineinwagen mag.«5 Die Suche nach klaren stofflichen Strukturen war auch ein Versuch, das eigene Wissen zu ordnen. Dass dieses zugleich Unwissende ausgrenzte, Wissen also hierarchisierte, zeigte sich besonders an der neuen Zeichensprache chemischer Elemente, die vorrangig vom schwedischen Chemiker Jöns Jakob Berzelius vorangetrieben wurde. Beide Stränge der Wissensproduktion waren eng miteinander verbunden, doch ihre Trennung charakterisiert die Richtung des Erkenntnisfortschritts. Analyse, antizipierende Begriffsbildung und Falsifizierung bestehender Vorstellungen bildeten zentrale Elemente für die Konturierung des Stoffparadigmas. So geht der für die Wissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts so zentrale Begriff des »Protein« auf den niederländischen Chemiker Gerhardus J. A. Mulder zurück.6 Er verstand 1838 darunter jedoch ein Radikal, also einen Stoff, der gemäß der von Lavoisier 1789 angeregten, im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts dann ausdifferenzierten »Radikaltheorie« auch bei chemischen Reaktionen grundsätzlich erhalten blieb.7 Diese Vorstellung ließ sich nicht halten. »Eiweiß« erwies sich als eine Stoffgruppe, nicht aber als ein einheitlicher Elementarstoff, wie der Begriff suggerierte. Die von der Vorstellung noch unbekannter Elementarstoffe ausgehende Radikaltheorie konnte nicht belegt werden, während sich der Begriff »Protein« seit den späten 1830er Jahren schnell einbürgerte und dabei die Annahmen der Bezeichnungsphase schnell abstreifte. Die Benennung des Proteins brach zugleich mit der zuvor üblichen Vorstellung eines einheitlichen Grundstoffes, der im Magen-Darm-Trakt der Nahrung entzogen und vom Körper dann in Wärme, Kraft und Bewegung umgesetzt wurde. Durch die begriffliche Fokussierung gelenkt, konzentrierten sich Forscher vor allem seit den späten 1830er Jahren darauf, die Grundstoffe der Nahrung auszudifferenzieren. Französische und skandinavische Wissenschaftler leisteten Pio 5 Zit. n. Hooykaas, R[eijer]: Die Chemie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Technikgeschichte 33, 1966, 1–24, hier 1. 6 Vgl. Vickery, Hubert Bradford: The Origin of the Word Protein, Yale Journal of Biology and Medicine 22, 1950, 387–393. 7 Vgl. hierzu Jaschke, Brigitte: Ideen und Naturwissenschaft. Wechselwirkungen zwischen Chemie und Philosophie am Beispiel des Justus von Liebig und Moriz Carrière, Naturwiss. Diss. Stuttgart 1996, 48.

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nierarbeit. Wichtig wurde insbesondere die von François Magendie propagierte Trennung von stickstoffhaltigen und -freien Nahrungsstoffen.8 Dieser Wissenswandel wurde von dem in Paris ausgebildeten Gießener Chemiker Justus Liebig aufmerksam verfolgt. In seinem Institut hatte er seit 1824 institutionelle Grundlagen für eine moderne experimentell orientierte Chemie gelegt und eine Vielzahl neuer Stoffe benannt und erkundet. Er verstand seine Wissensproduktion als Ordnungsarbeit in praktischer Absicht: »Um in dem mit unbekannten Chiffern geschriebenen Buche lesen zu können, um es zu verstehen, um den Zusammenhang der Erscheinungen erfassen zu können, um sie und die Kräfte, durch die sie hervorgebracht werden, unserem Willen unterthan zu machen, müssen wir zuerst das Alphabet kennen lernen, wir müssen uns mit dem Gebrauche dieser Zeichen bekannt machen und uns Gewandtheit und Uebung in ihrer Handhabung verschaffen. Wir müssen die Regeln kennen lernen, die allen Combinationen zu Grunde liegen.«9

Liebig10 war es denn auch, der in den 1840er Jahren ein umfassendes Ordnungsmodell der »Natur« entwickelte, das sich nach heftigen Debatten in der gelehrten Welt schnell durchsetzte.11 Sein Lebensmodell setzte einen gleichermaßen für Pflanze, Tier und Mensch geltenden Stoffwechsel voraus. Die chemisch definierten Nährstoffe unterschied der Gießener Professor klar und wies ihnen deutlich unterschiedliche Funktionen und Wertigkeiten zu. Eiweiß war »plastischer« Nährstoff und diente dem Körperaufbau, Kohlenhydrate und Fette dagegen dem Körperbetrieb, der Atmung und der Leistung. Mit Liebig etablierte sich in Deutschland eine neue, naturwissenschaftlich ausgerichtete Forschungsweise. Ihr Wissen gründete auf dem Experiment, zielte auf Quantifizierung, grenzte sich ab von allem nicht Messbaren – und war unmittelbar anwendungsbezogen. Nicht mehr eine umfassende Darstellung der den Menschen umgebenden Realität war das Ziel, sondern ein Verfügungswissen über die menschliche Umwelt, über die menschliche Nahrung und über den Menschen selbst.

8 Vgl. Carpenter, Kenneth J.: A short History of Nutritional Science, Part 1 (1785–1885), Journal of Nutrition 133, 2003, 638–645. 9 Liebig, Justus: Ueber das Studium der Naturwissenschaften und über den Zustand der Chemie in Preußen, Braunschweig 1840, 23. 10 Eine befriedigende Biographie fehlt. Vgl. einführend Brock, William H.: Justus von Liebig. Eine Biographie des großen Naturwissenschaftlers und Europäers, Braunschweig u. a. 1999; Justus Liebig (1803–1873). Seine Zeit und unsere Zeit. Chemie-Landwirtschaft-Ernährung, Gießen 2003 sowie nach wie vor Volhard, Jakob: Justus von Liebig, 2 Bde., Leipzig 1909. Spezieller, aber tendenziell hagiographisch: Cremer, Hans Diedrich: Justus von Liebig und die Entwicklung der Ernährungswissenschaft, Gießener Universitätsblätter 6, 1973, 20–45; Strahlmann, Berend: Justus von Liebig (1803–1873). Sein Einfluß auf Lebensmittel- und Ernährungswissenschaft, EU 20, 1973, 478–483. 11 Zur Wissenschaftsgeschichte vgl. Spiekermann, 2000.

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Vier Punkte der Liebigschen Lehren gilt es hervorzuheben, denn sie begleiten das Vordringen und die erfolgreiche Hierarchisierung wissenschaftlichen Wissens bis in die Gegenwart hinein: Erstens wurde die deutende und setzende Kulturarbeit der Wissenschaft als Anpassungsleistung an die Natur verstanden, als Naturwissenschaft im Wortsinne. Wahre Kultur lehne sich an die »Natur« an, reduziere sie aber auf das Wesentliche, das Essenzielle. Entsprechend herrschte das Ökonomieprinzip nicht nur im Felde der Nationalökonomie: »Die Kultur ist die Ökonomie der Kraft: die Wissenschaft lehrt uns die einfachsten Mittel erkennen, um mit dem geringsten Aufwand von organischer Kraft die größten Wirkungen zu erzielen und mit gegebenen Mitteln ein Maximum von Widerständen zu überwinden.«12 Das Stoffparadigma erschien daher nicht als Reduktion von Realität, sondern als Instrument der gesamtgesellschaftlichen Effizienzsteigerung. Zweitens war Liebigs Wissenschaft unmittelbar anwendungsorientiert. Vor allem »Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physio­ logie« von 1840 begründete Liebigs Ruhm als Chemiker, denn das hier propagierte Modell eines Stoffkreislaufes sowie die Neuformulierung des schon seit einer Dekade grundsätzlich bekannten Minimumgesetzes erlaubten eine wesentliche Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft.13 Planendes, strukturierendes und prognostisches Handeln wurde möglich und üblich, erlaubte einen reflektierten, wissensbasierten Umgang des Landwirtes mit der Natur. Wenngleich sich Kunstdünger aufgrund hoher Kosten nur langsam innerhalb der deutschen Landwirtschaft durchsetzte, enthielt die Anwendungsorientierung des Stoff­ paradigmas doch einen Kern von Utopie, der Versorgungssicherheit und Wohl 12 Fleisch- oder Pflanzenkost? Justus Liebig über Nahrung, Ernährung, Zubereitung und Zusammensetzung der Speisen und Getränke, hg. v. Max Neuburger, Leipzig 1916, 130. 13 Wissenschaftler konnten sich dagegen an deren Logik und Widerspruchsfreiheit erfreuen, so etwa Friedrich Wöhler in einem Schreiben an Justus von Liebig v. 18.07.1840: »Deine Theorie der Pflanzen-Entwickelung und -Ernährung ist so plausibel und verführerisch, dass ich von ihrer Wahrheit überzeugt bin.« (Lewicki, Wilhelm (Hg.): Briefe von ­1829–1873 aus Justus Liebig’s und Friedrich Wöhler’s Briefwechsel in den Jahren 1829–1873, Braunschweig 1888, ND Göttingen 1982, T. I, 163–164, hier 163). Zur Bedeutung allgemein vgl. Beer, Karlheinz: Justus von LIEBIG s Werk »Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie« ein Wegbereiter der wissenschaftlich begründeten Düngung, in: Justus von Liebigs Werk  – Wegbereiter der wissenschaftlich begründeten Düngung, Berlin (O) 1990, 15–22. Das Minimumgesetz wurde zuvor schon von Carl Sprengel formuliert, doch macht dessen relatives Scheitern deutlich, wie sehr die Durchsetzung wissenschaftlichen Wissens auch von außerwissenschaftlichen Kriterien abhing. Vgl. hierzu Ploeg, R. R. van der/Böhm, W[olfgang]/Kirkham, M. B.: On the Origin of the Theory of Mineral Nutrition of Plants and the Law of Minimum, American Journal of the Soil Science Society 63, 1999, 1055–1062; Klemm, Volker: Landbauwissenschaften und landwirtschaftliches Hochschulwesen in Preußen vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in das 20. Jahrhundert, in: Kaufhold, Karl Heinrich/Sösemann, Bernd (Hg.): Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung in Preussen. […], Stuttgart 1998, 17–33.

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stand umgriff: Der Wissenschaftler wurde zum Symbol für Fortschritt und geistige Landnahme. Drittens waren die Liebigschen Lehren Ausdruck eines anthropozentrischen Weltbildes. Der Mensch galt dem Chemiker als »Herr des Naturgesetzes«14, der gottgleich seine Umwelt erkannte und gestaltete. Nicht umsonst bildeten – neben den Chemischen Briefen Liebigs – die 1851 erschienene »Chemischen Feldpredigten« Julius Adolf Stöckhardts ein wichtiges Element der praktischen Durchsetzung der Liebigschen Anschauungen.15 Diese Anthropozentrik war strikt hierarchisch, schied Wissende von Unwissenden und den Menschen von den Nutztieren und Nutzpflanzen. Während das Stoffparadigma ihn materiell mit Pflanzen und Tieren gleichsetzte16, erlaubte es zugleich seine geistige Überhöhung. Viertens kennzeichnete die Liebigsche Lehre ein unbedingter Kult des Objektiven. Der Gießener Chemiker wandte sich insbesondere gegen jede Art von Naturphilosophie, die er als »Ausflüsse von Unwissenheit«17 brandmarkte, deren Vertreter ihm »Kinder am Verstande« zu sein schienen. Liebig forderte nicht allein eine Orientierung an Grundstoffen, sondern ebenso an Geltungskriterien kausaler Logik. Seine Polemiken gegen François Magendie bzw. die deutschen Schelling-Adepten, die auch Beobachtungsverfahren und deduktive Logik nutzten, verdeutlichen, dass es Liebig um »Realismus« ging, um eine Abkehr von jeglicher nicht sinnlich erfassbaren Spekulation. Liebig wurde zum eifrigen Propagandisten seiner eigenen Ideen. Insbesondere die seit 1844 veröffentlichten und immer wieder neu aufgelegten »Chemischen Briefe« boten dem bürgerlichen Publikum einen verständlichen Einblick in den neuen Stoffkosmos und das darauf gründende Erklärungsmodell des Lebens.18 Liebig verankerte die Stofflehre im öffentlichen Bewusstsein, ebenso die Lehre von der Blut und Muskel bildenden Kraft des tierischen Eiweißes. Fleisch hatte eine herausragende Nährstoff- und insbesondere Eiweißdichte. Trotz hoher Preise war es daher ein relativ preiswertes Lebensmittel, das zudem einfach zuzubereiten war. Nach Liebig diente Eiweiß der »eigentlichen Ernährung und Neubildung der festen Teiles ihres [der Menschen und Tiere, US] Leibes«19, 14 Justus Liebig an Friedrich Wöhler v. 09.02.1862, in: Lewicki (Hg.), 1982, T. II, 112–113, hier 113. 15 Vgl. hierzu Böhm, W[olfgang]: Julius Adolf Stöckhardt (1809–1886). Wegbereiter der landwirtschaftlichen Versuchsstationen, Landwirtschaftliche Forschung 39, 1986, 1–7. 16 Vgl. etwa Knapp, F[riedrich] C.: Die Nahrungsmittel in ihren chemischen und technischen Beziehungen, Braunschweig 1848, insbes. 1. 17 Liebig, 1840, 30. 18 Vgl. Justus Liebig (1803–1873). Die Chemischen Briefe. Zu Popularisierung von Wissenschaft im 19. Jahrhundert, Gießen 2003; Brock, 1999, 222–234. Zur Bedeutung seiner Mitstreiter und Schüler s. Busse, Neill: Der Meister und seine Schüler. Das Netzwerk Justus­ Liebigs und seiner Studenten, Hildesheim 2015, v. a. 172–183 19 Neuburger (Hg.), 1916, 21–22 (auch für die folgenden Zitate).

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während die anderen Nährstoffe nur »zur Vermittlung dieser Prozesse und zu anderen Zwecken« konsumiert wurden. Wissenschaftliches Wissen stellte die tradierte Wertigkeit der Lebensmittel in Frage, Liebig selbst schrieb von der völligen »Umkehrung aller früheren Begriffe über den Anteil, den Bier, Zucker, Stärkemehl an dem Lebensprozeß nehmen«. Sein suggestiver Stil, seine eingängigen Metaphern und seine hohe Vermittlungsfähigkeit erlaubten mittels des Stoffparadigmas eine bisher nicht bekannte Substanzialisierung und Entkontextualisierung von Essen, Ernährung und Lebensmitteln. Die Bedeutung Liebigs lag vor allem in einer wagenden Synthese, in der ersten umfassenden Ausformulierung des Stoffparadigmas und dessen Anwendung auf alle Organismen. Er schuf damit ein geschlossenes Ganzes – ein zwingender Gegenstand also für Historiker, deren Aufgabe es doch ist, »die Geschlossenheit der Gebiete und ihre Gebilde in Frage«20 zu stellen. Gleichwohl war durch Liebig die Ernährung noch nicht »ein wissenschaftlicher Faktor geworden, genau berechenbar nach Kalorien und Nährgehalt.«21 Dieses gelang erst den Vertretern der Münchener Schule, deren Grundlagen Liebig nach seiner Übersiedlung in die bayerische Hauptstadt selbst legte, die ihn aber in fast allen Punkten inhaltlich widerlegen sollten.

2.1.2 Differenzierung und Etablierung in der Öffentlichkeit. Die Arbeiten der Münchener Schule So bedeutsam die Synthese-, Popularisierungs- und Wertsetzungsleistung Liebigs auch aus heutiger Sicht war, so wurden ihre Einzelelemente nach der Jahrhundertmitte doch zunehmend kritisiert. Diese Entwicklung war nicht absehbar, als Liebig 1852 nach München kam, gelockt von beträchtlichen finanziellen Zusagen des bayerischen Königs Maximilian II. Max Pettenkofer, einer der Stammväter der späteren wissenschaftlichen Hygiene, bezeichnete sich als »getreuer Schüler«22, feierte Liebig nicht zuletzt in seinen »Chemischen Sonetten«. Doch die empirische Forschung, die Liebig selbst forderte und förderte, führte zu überraschenden Ergebnissen. In München stand nicht mehr die Stoffanalytik im Mittelpunkt, stattdessen dominierten Stoffwechseluntersuchungen. Dabei handelte es sich nicht um anwendungsfernes Laboratoriumswissen, sondern um Fragen staatlicher Herrschaft und einer humaneren bürgerlichen Gesellschaft. Praktische Aufgaben 20 Benjamin, Walter: Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker, Zeitschrift für Sozialforschung 6, 1937, 346–380, hier 347. 21 Wortmann, Oskar: Rede auf der Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie am 21. April 1964, EW 11, 1964, 293–297, hier 296. 22 Schreiben Max Pettenkofers an Justus Liebig v. 30.09.1849, zit. n. Gruber, 1904, 4515.

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der Gefängnis- und Truppenverpflegung, der Armenversorgung und der auskömmlichen Ernährung der unteren Schichten sollten mit Hilfe objektivierten Wissens optimiert werden. Seit den 1840er Jahren ging man daran, Kostmaße zu ermitteln. Obwohl den Wissenschaftlern bewusst war, dass sie nur von »approximativen Zahlen«23 sprechen konnten, arbeiteten sie zugleich an »wahren Formeln für das Normal-Bedürfniss«. Dazu bediente man sich neuer Techniken der Wissensproduktion. Zum einen erlaubte die universelle Gültigkeit des Stoffparadigmas die Übertragung menschlicher Stoffwechselprobleme auf Tiere. In München untersuchte man vornehmlich Hunde, ferner Studenten und Universitätsbedienstete sowie Insassen öffentlicher Anstalten.24 So entstanden nicht nur die für die weitere Forschung zentralen Tiermodelle, deren Übertragbarkeit auf den Menschen bis heute strittig ist. Es entstand auch ein Set sich wechselseitig kontrollierender Wissensebenen, durch deren Vergleich Wahrheit produzierbar schien. Dazu dienten zum anderen aber auch neue Wahrheitsmaschinen. In München war dies vor allem der sog. Respirationsapparat. Er konstituierte einen Kunstraum, zuerst in Form eines kleineren Eisenbehälters, dann auch als für Menschen nutzbarer Großcontainer mit Glasscheiben und Sitzgelegenheit. Die Abgeschiedenheit von der äußeren, eindeutige Ergebnisse verzerrenden Welt erlaubte eine nach damaligem Kenntnisstand präzise quantitative Analyse der aufgenommenen und ausgeschiedenen Stoffe. Dazu wurden die festen, flüssigen und gasförmigen Einnahmen und die Ausgaben durch die Nieren, den Darm, die Haut und die Lungen ermittelt und auf den zu Grunde liegenden Stoffumsatz reduziert. Durch gezielte Variation der zugeführten Stoffe konnten zudem Fragen nach ihrer Essenzialität systematisch angegangen werden.25 So schwerwiegend die methodischen Probleme (Stoffanalytik, Reinheit der zugeführten Stoffe, kurze Zeitdauer der Studien, heterogene Untersuchungsorganismen) aus heutiger Sicht auch waren, Mitte des 19. Jahrhunderts galt entsprechender technischer Aufwand schon als wichtiges Element für die Hierarchisierung derart gewonnen Wissens. Die Ergebnisse waren jedenfalls umwälzend. Sie differenzierten das geltende Stoffparadigma, bestätigten es aber in seiner allgemeinen Gültigkeit. Erst einmal wurde die von Liebig noch emphatisch hervorgehobene Stellung des 23 Hildesheim, W[ilhelm]: Die Normal-Diät. […], Berlin 1856, 7 (auch für das folgende Zitat). 24 Voit, [Carl]: Anforderungen der Gesundheitspflege an die Kost in Waisenhäusern, Casernen, Gefangenen- und Altersversorgungsanstalten, sowie in Volksküchen, DVÖG 8, 1876, 7–55; Voit, Carl: Untersuchung der Kost in einigen öffentlichen Anstalten. […], München 1877. 25 Eine gute Zusammenfassung der frühen Versuche enthält Pettenkofer, Max v./Voit, Carl: Untersuchungen über den Stoffverbrauch des normalen Menschen, Zeitschrift für Biologie 2, 1866, 459–573.

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Abb. 1: Geschützte Kunstwelt – Pettenkofers Münchener Respirationsapparat

Sauer­stoffs für den Stoffwechsel neu justiert. Während der Altmeister Oxidationsprozesse als Ursache des Umsatzes im Tierkörper anführte, konnte nun nachgewiesen werden, dass Sauerstoff hierfür nicht entscheidend war, sondern man den Blick auf das chemische Geschehen in der Zelle selbst richten musste.26 Laboratoriumsforschung dynamisierte die Entkontextualisierung der Ernährung. Liebigs Schüler Carl Voit konnte zudem nachweisen, dass das Eiweiß nicht Quelle der Muskelkraft war, wie dies Liebig verbreitet hatte. Seine Theorie des Stickstoffminimums wurde widerlegt, denn Stickstoff wurde im Körper verbraucht, da die Absonderung von Harn, Kot und Atem nicht vollständig war. Diese Bestandteile von Fett und Kohlenhydraten waren offenkundig an Arbeitsprozessen beteiligt und dienten nicht als Quasikatalysatoren der zentralen Eiweiß­w irkung. Zudem wurde der Eiweißumsatz durch Muskelarbeit nicht gesteigert. Liebig reagierte zwar 1869 mit der Kampfschrift »Über die Gärung, über die Quelle der Muskelkraft und über Ernährung«, doch ein Jahr später gab er das Duell verloren. Liebig wurde zwar empirisch widerlegt, doch das Stoffparadigma hatte sich als flexibel und ausbaufähig erwiesen. Seine Forschungsperspektiven wurden bestätigt, insbesondere das Verlangen nach »Kenntnis der Quantitäten, die stete 26 Diese Überlegungen finden sich schon in Bischoff, Th[eodor] L[udwig] W[ilhelm]/ Voit, C[arl]: Die Gesetze der Ernährung des Fleischfressers durch neuere Untersuchungen festgestellt, Leipzig/Heidelberg 1860. Kritik an Liebig fand sich auch andernorts: Reich, Eduard: Die Nahrungs- und Genussmittelkunde historisch, naturwissenschaftlich und hygieinisch begründet, Bd. 1, Göttingen 1860, 11, bewertete die Liebigsche Lehre als die »Liebig’sche Fiction«.

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Messung der Menge und der Intensität der Dinge«27. Wichtig war zugleich, dass die zuvor nur als physiologische Chemie betriebene Ernährungswissenschaft sich auf Basis dieser Ergebnisse auch in Richtung von Biochemie sowie Physik öffnete. Ernährung wurde zu einem Querschnittsthema der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung. Die »Kraftäusserung der organisierten Materie«28 verortete man innerzellular, während das Kalorienmaß Kraftuntersuchungen auch nach physikalischen Brennwerten erlaubte. Voits Schüler Max Rubner formulierte 1883 das sog. Isodynamiegesetz, das Liebigs strikte Hierarchie von kohlenstoff- und stickstoffhaltigen Nahrungsstoffen weiter untergrub.29 Demnach standen Eiweiß und Kohlenhydrate hinsichtlich ihres Brennwertes gleich, während der des Fettes mehr als doppelt so hoch lag (4,1 zu 9,3 kcal pro gr.). Nach Rubner konnte man die Nahrungsstoffe hinsichtlich des Energiegehaltes austauschen.30 So problematisch, ja falsch diese Vorstellung vor dem Hintergrund des Wissens über die Einzelbestandteile etwa des Eiweißes war, so bot die Vorstellung vom kalorischen Brennwert Wissenschaft und Öffentlichkeit doch ein einfaches und eingängiges Maß, um Nahrung zu bewerten. Die Breitenwirkung dieser Stoffwechseluntersuchungen war beträchtlich. Sie bündeln sich wie in einem Brennglas in der immensen Resonanz auf das sog. Voitsche Kostmaß. Täglich 118 gr. Eiweiß, 56 gr. Fett, 500 gr. Kohlenhydrate und genügend Wasser bedurfte demnach ein mittlerer Arbeiter (genauer der Labordiener Voits)31 zu seinem Gedeihen. Die Betriebsstoffe der kalorischen Verbrennungsmaschine Mensch schienen damit in einem klaren und einfach anwendbaren Maß gebündelt, das fast ein halbes Jahrhundert die ernährungswissenschaftliche und öffentliche Diskussion prägte. Seine Bedeutung lag nicht nur in der exakten Vorgabe, sondern in flankierenden experimentell ermittelten Bedingungen für eine auskömmliche Kost. Sie sollte eine genügende Menge, ein richtiges Verhältnis und die Resorptionsfähigkeit der Nahrungsstoffe sowie ein angemessenes Verhältnis von Nahrungs- und Genussmitteln aufweisen.32 27 Gruber, M[ax] v.: Max von Pettenkofer. Festrede […], MMW 56, 1909, 1236–1239, hier 1238. 28 Adamkiewicz, Albert: Ueber Pepton, BKW 15, 1878, 17–20, hier 17. 29 Vorarbeiten enthält Rubner, Max: Ueber den Einfluss der Körpergrösse auf Stoff- und Kraftwechsel, Zeitschrift für Biologie 19, 1883, 535–562. Ausformulierung und experimentelle Grundlagen finden sich in Rubner, Max: Calorimetrische Untersuchungen, Zeitschrift für Biologie 21, 1885, 250–334, 337–410. Vgl. dazu allgemein Tanner, Jakob: Fabrikmahlzeit. Ernährungswissenschaft, Industriearbeit und Volksernährung in der Schweiz 1890–1950, Zürich 1999, v. a. 64–71; Treitel, Corinna: Max Rubner and the Biopolitics of Rational Nutrition, Central European History 41, 2008, 1–25. 30 Rubner, Max: Die Ernährungswissenschaft, Deutsche Revue 21,3, 1916, 262–268. 31 Voit, C[arl] v.: Handbuch der Physiologie des Gesammt-Stoffwechsels und der Fortpflanzung, Th. 1: Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels und der Ernährung, Leipzig 1881, 518–528. Dort auch häufig übersehene Differenzierungen. 32 Voit, 1881, 495–508.

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Wissenschaft hatte damit Maßstäbe formuliert, die nun auch gezielt nachgefragt wurden. In einer vielfach noch ständisch gegliederten, von sozialen Konflikten tief zerfurchten Gesellschaft bot Wissenschaft ein quasi demokratisches Ideal der »Gleichheit der menschlichen Tiere«, der Stoffverwerter.33 Die Ernährungswissenschaft etablierte sich als vermeintlich objektive Wissensinstanz, als ehrliche Maklerin. Das Stoffparadigma hatte den Vorteil einer offenen, interessenspezifisch jeweils zu definierenden Struktur: Unternehmer erhielten so Argumente, um Arbeitskosten zu verringern und private Gewinne zu erhöhen, während Sozialreformer Chancen zur Entschärfung sozialer Konflikte und zu wachsendem allgemeinen Wohlstand sahen.34 Die Auswirkungen dieser Legitimationsdiskurse auf den Stellenwert wissenschaftlichen Wissens im Ernährungssektor und die Bedeutung »künstlicher Kost« waren gravierend. Erstens verblieben die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht im Laboratorium. Die hohen Normmengen, die bis zu 600 gr. Fleisch pro Tag bedeutet hätten, mündeten folgerichtig in Forderungen insbesondere der Arbeiterbewegung nach höheren Löhnen. »Wissen ist Macht« bedeutete auch, Wissensbestände partikular zu nutzen. Die Mehrzahl der Ernährungswissenschaftler unterstützte dies grundsätzlich, zugleich aber propagierte sie eine systemstabilisierende Ökonomik der Nahrung, nach der einzelne Stoffe möglichst preiswert eingekauft werden sollten. Die Ernährungswissenschaft nahm seither eine auch gesellschaftspolitisch relevante Stellung ein. Zahlreiche Wissenschaftler nutzten dieses zur Professionalisierung ihrer Disziplin, aber auch zum Markterfolg einzelner Nahrungsmittel und Produkte. Zweitens veränderte sich die Medizin unter dem Eindruck der neuen Ergebnisse. Auch wenn Erfahrungswissen insbesondere bei Diätkuren bedeutsam blieb, so setzten sich in der Schulmedizin doch Empfehlungen durch, die aus der abstrakten physiologischen Kenntnis auf den Bedarf und das Vorgehen im Einzelfall schlossen.35 Unter dem Eindruck der stofflich argumentierenden Bakteriologie setzten sich seit ca. 1880 naturwissenschaftliche Wissensformen folgenreich durch.36 An die Stelle der klinischen Medizin am Krankenbett trat eine naturwissenschaftliche Ätiologie der Krankheit, die nach pathogenen Mikro-

33 Für den Forderungsdiskurs der Arbeiterbewegung vgl. Wurm, Emanuel: Die Volksernährung, wie sie ist und wie sie sein soll, Dresden 1889, v. a. 42–88. 34 Vgl. Aronson, Naomi: Social definitions of entitlement: food needs 1885–1920, Media, Culture and Society 4, 1982, 51–61, hier 55. 35 Leyden, E[rnst] v.: Grundzüge der Ernährungstherapie, in: Ders. (Hg.): Handbuch der Ernährungstherapie und Diätetik, 2. umgearb. Aufl., hg. v. Georg Klemperer, Bd. 1, Leipzig 1903, 263–335, hier 264–265. 36 Vgl. Büttner, Johannes: Naturwissenschaftliche Methoden im klinischen Laboratorium des 19. Jahrhunderts und ihr Einfluß auf das klinische Denken, Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 25, 2002, 93–105.

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organismen und fehlenden bzw. vorhandenen Nahrungsmittelinhaltsstoffen als Krankheitsursachen forschte. Die Vorstellung einer chemisch definierten Nahrung wurde drittens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu populären Bildern verdichtet, die unsere Vorstellung von einer gesunden, auskömmlichen Kost bis heute prägen. Da war das Bild des Stoffwechsels, des Körpers als Verbrennungsmaschine. Liebig verglich ihn mit einer »Schwarzwälder Uhr«37, oder auch einem Ofen, den man sauber halten müsse.38 Ernährung galt als ein mechanischer, quantitativer Prozess. Speisen waren demnach »Brennmaterial«39, die Tafel erschien als eine Maschinerie, »deren Teile harmonisch zusammengefügt und so geordnet sind, daß damit, wenn sie in Tätigkeit gesetzt sind, ein Maximum von Wirkung hervorgebracht werden könnte«40. Die Ernährungswissenschaft nutzte die zeitgenössischen Denkformen, verband sie mit traditionellen Vorstellungen und Ängsten und transponierte sie in das Modell der stofflich definierten Nahrung. Effizienzsteigerung und Wissenszuwachs waren gepaart mit Mythenproduktion.41 Das Credo lautete: »Alle diese Rätsel sind mit Bestimmtheit und Sicherheit von der Chemie gelöst.«42 Es ist wichtig zu sehen, dass damit aber zugleich eine Entwertung subjektiven Wissens, also des alltagspraktischen Umgangs mit Essen verbunden war. Wissenschaftler wurden von »Laien« geschieden, Wissenshierarchien bahnten »künstlicher Kost« den Weg.

2.1.3 Umsetzung und institutionelles Rückgrat: Die Professionalisierung der Nahrungsmittelchemie Die Ergebnisse der Münchener Schule stehen für die Spezialisierung der Naturwissenschaften und der engeren Ernährungswissenschaften. Die Konzentration auf Stoffwechselfragen bedeutete nämlich nicht, dass die Analytik der Stoffe derweil ruhte. Sie lag um die Jahrhundertmitte noch in den Händen von Apothekern und allgemein ausgebildeten Chemikern.43 Erst im späten 19. Jahrhundert wurde sie dagegen zur Domäne eines gut organisierten und zunehmend 37 Justus Liebig an Friedrich Wöhler v. 07.03.1868, in: Lewicki (Hg.), 1982, T. II, 243– 245, hier 244–245. Vgl. auch Justus Liebig an Friedrich Wöhler v. 26.04.1868, ebd., 250–251, hier 250. 38 Neuburger (Hg.), 1916, 34. 39 Ebd., 29. 40 Ebd., 120. 41 Hierzu detaillierter Tanner, Jakob: Der Mensch ist, was er ißt. Ernährungsmythen und der Wandel der Eßkultur, Historische Anthropologie 4, 1996, 399–419. 42 Neuburger (Hg.), 1916, 58. 43 Zur Frühgeschichte vgl. Wiegert, Joachim: Anfangsprobleme der Nahrungsmittelchemie in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung pharmazeutischer Verhältnisse, Braunschweig 1975.

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einflussreichen Berufsstandes, der Nahrungsmittelchemiker. Schon vor der Reichsgründung hatten organische Chemiker mit der Kärrnerarbeit einer stofflichen Durchdringung der Natur und der Nahrungsmittel begonnen. Der äußerlichen Welt vorläufiger Eindrücke wurde die wahre Welt der Stoffe entgegengestellt. Der Aufschwung der organischen Nahrungsmittelchemie setzte in den 1870er Jahren ein. Anfang der 1880er Jahre lagen erste umfassende Monographien vor, die Nahrungsmittel nach ihrem Stoffgehalt ordneten.44 Sie boten – so die Vorstellung – »objektives« Wissen, kamen der Natur auf den Grund, grenzten sich strikt ab von »Methoden qualitativer Natur, die meistens den Stempel der Oberflächlichkeit an sich tragen und zu den gröbsten Täuschungen Veranlassung geben können.«45 Die Scheidung zwischen der »normalen« Beschaffenheit eines Nahrungsmittels und seiner Verfälschung wurde durch das Stoffparadigma auf eine neue Ebene des Wissens gehoben. Es prägte das Denken und die Arbeit einer neuen Wissenselite, die im ersten Nahrungsmittelgesetz 1879 einen Hebel für Ordnung, für ihre Ordnung, sah.46 Diese Dominanz stofflichen Denkens erschien zu Beginn des Kaiserreichs keineswegs selbstverständlich  – trotz der Vorarbeiten Liebigs, der Agrarwissenschaften und der Physiologie. Chemie galt vielen Zeitgenossen als Bedrohung der Alltagskost. Im Reichstag forderten konservative Abgeordnete »jenem schwarzkünstlerischen Treiben der Chemie, wie es sich besonders in den letzten Jahrzehnten breit gemacht hat und wie es in schamloser Weise auch in der Presse aufgetreten ist, ein Ende zu machen«47. Vor diesem Hintergrund schien es nicht ausgemacht, auf welcher Basis das Nahrungsmittelgesetz auszuformulieren war. Viele Reichstagsabgeordnete orientierten sich an einem kritischen Konsumenten, dessen alltagspraktische Warenkenntnisse Garanten gegen Übervorteilung sein sollten. Objektiviertes Wissen schien ihnen im Ernährungssektor weniger leistungsfähig als subjektives Wissen. Die Fülle der Natur konnte so nicht auf den Punkt gebracht werden. Kritisiert wurde die »unbestimmte Beschaffenheit der technischen Ausdrücke«, ja, es galt, »die juristischen Definitionen sind mehr oder weniger alle elastisch, schwankend, es ist nirgends eine präzise Defi-

44 Vgl. etwa König, Joseph: Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genussmittel, Th. 2: Die menschlichen Nahrungs- und Genussmittel, ihre Herstellung, Zusammensetzung und Beschaffenheit, ihre Verfälschungen und deren Nachweisung, Berlin 1883. 45 König, 1883, VIII . 46 Zur Rechtsentwicklung vgl. die leider kontextarme Dissertation von Schenker, Sandy: Gegen Täuschungen und Gesundheitsgefährdungen durch schlechte Nahrung. Zur Entwicklung des Nahrungsmittelrechts durch Rechtsprechung und Gesetzgebung zwischen 1871 und 1927, Frankfurt a. M. 2013. 47 Erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen (Nr. 98 der Drucksachen), in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags [Bd. 47]. 3. Legislaturperiode, II . Session 1878, Bd. 1, Berlin 1878, 621–639, hier 627 (Mendel).

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nition, nirgends ein unzweifelhafter Thatbestand gegeben.«48 Dennoch setzten sich die Vorreiter stofflichen Denkens vielfach durch, wurden die Bewertungskriterien für die Nahrungsmittel zumeist stofflich gefasst. Die vermeintliche Neutralität von Wissenschaft war hierfür zentral, konnten so doch unterschiedliche kommerzielle Interessen auf einen gemeinsamen Nenner zurückgeführt werden. Das schließlich verabschiedete Nahrungsmittelgesetz zielte nämlich auf die Natur, genauer, auf das »Wesen«49 der Nahrungsmittel. Das stoffliche Vokabular der Chemiker und Tierärzte bot hierfür einen kleinsten gemein­samen Wissensnenner. Die Nahrungsmittelchemiker selbst sahen hierin keine Verengung des Verständnisses von Nahrungsmitteln, sondern eine Chance. Der Münsteraner Chemiker Joseph König konstatierte zwar Anfang der 1880er Jahre, »dass im Publikum nicht nur ein großes Misstrauen gegen alles, was Wissenschaft und Chemie heisst, sondern auch in Folge der gleichzeitigen Unsicherheit in der Rechtsprechung eine gewisse Panik Platz gegriffen hat.«50 Doch nicht weniger, sondern mehr Stoffbewusstsein schien ihm die Antwort. Klare Normierungen auf stofflicher Basis sollten Regeln im Ernährungssektor setzen, Chemiker galten ihm als »Wächter des Gesetzes«.51 Was im Bereich der Gesellschaft der Staat und die Sprache des Rechtes, dass schien ihm im Feld der Ernährung die Chemie und die normierende Sprache der Stoffe. Königs Ausführungen wurden im Fach allgemein geteilt; doch dieses war klein, umfasste um 1880 nur ca. 100 öffentlich alimentierte Wissenschaftler, deren Zahl bis 1909 aber auf ca. 500 anstieg.52 Zwei Phasen der Entwicklung der Nahrungsmittelchemie lassen sich unterscheiden. Während bis zur Jahrhundertwende die Professionalisierung des Faches selbst im Mittelpunkt stand, war es nach der Jahrhundertwende die selbstbewusste Durchsetzung der eigenen Bewertungsmaßstäbe gegen beträchtliche Teile des Gewerbes sowie eine vielfach noch indifferente Haltung von Staat und Gesellschaft (Kap. 4.2.1). Für die Professionalisierung zentral wurden die Nahrungsmitteluntersuchungsanstalten. Im Gegensatz zu den Apothekern, den kommunalen Nah 48 Ebd., 1878, 637 (Braun). 49 Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags [Bd. 44]. 3. Legislaturperiode, II . Session 1878, Bd. 3, Anlagen, Berlin 1878, 766–830, hier 772. 50 König, J[oseph]: Bestand und Einrichtung der Untersuchungsämter für Nahrungsund Genussmittel in Deutschland und außerdeutschen Staaten. […], Berlin 1882, 152. 51 Ebd., 156. 52 König, J[oseph]: Die Bedeutung der Chemie in wissenschaftlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht sowie die soziale Stellung der Chemiker, ZUNG 18, 1909, 179–188 (inkl. Disk.), hier 181–182. Daneben bestanden zahlreiche landwirtschaftliche Untersuchungsanstalten, in denen ca. 300 Chemiker arbeiteten. Die Lebensmittelkontrolle wurde zudem von Tierärzten und auch Medizinern bzw. Apothekern getragen.

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rungsmittelvisitatoren und der kommerziellen Konkurrenz der Handelschemiker konzentrierten sie sich nicht nur auf die Durchsetzung der wesentlichen Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes vor Ort, sondern waren auch in der Lage, Forschung zu betreiben. Dadurch konnten sie reflektierte stoffliche Bewertungsmaßstäbe entwickeln, um die sich ausdifferenzierenden Warenwelten und nicht zuletzt auch »künstliche Kost« bewerten zu können. Seit 1876 etablierte man in Bayern erste Untersuchungsanstalten, die in München, Erlangen und Würzburg unmittelbar mit Universitätseinrichtungen verbunden waren.53 1883 wurde die »Freie Vereinigung bayerischer Vertreter der angewandten Chemie« gegründet, deren 1885 90 Mitglieder die Initiative für eine reichsweite »Standesvereinigung« der Nahrungsmittelchemiker tragen sollten. Sie entstand 1901 als »Freie Vereinigung Deutscher Nahrungsmittelchemiker«. Doch trotz dieser Interessenvertretung institutionalisierte sich die Nahrungsmittelkontrolle regional sehr unterschiedlich. Ein Grund hierfür war das heterogene Problembewusstsein der deutschen Einzelstaaten, die gemäß Nahrungsmittelgesetz über die Regelungskompetenz verfügten. Als Dachinstanz war 1876 zwar das Reichsgesundheitsamt errichtet worden, doch dessen Schwerpunkte lagen vorerst in der Seuchenbekämpfung. Die kontinuierliche Anpassung der Nahrungsmittelkontrolle an den wissenschaftlichen Erkenntnisstand war zwar beabsichtigt, erlangte aber nur begrenzte Bedeutung.54 Im größten Einzelstaat wurden die Kommunen 1879 per Verordnung angeregt, Untersuchungsanstalten zu gründen, doch schon die neuerlichen Verordnungen 1880, 1882 und 1893 verdeutlichen, dass Preußen nicht nur in der öffentlichen Gesundheitspflege, sondern auch in der Nahrungsmitteluntersuchung lange Zeit rückständig blieb. Das Netz privater Anstalten bot hier – ebenso wie in Sachsen – nur einen gewissen Ausgleich, da deren Gebührensätze relativ hoch waren und die Abhängigkeiten von Lebensmittelproduzenten stets zu Buche schlugen.55 Erst um die Jahrhundertwende wurde die Nahrungsmittelkontrolle in Preußen ein wichtiges Element der Daseinsfürsorge. Es gelang den öffentlichen Nahrungsmittel-

53 Vgl. Sendtner, Richard: Die Kontrolle der Nahrungs- und Genussmittel in Bayern, Bayerisches Industrie- & Gewerbeblatt NF 20, 1890, 385–389, 395–400, 407–411, 419–424, hier 385–388; Gerum, J[osef]: 50 Jahre Lebensmittelkontrolle in Bayern, ZUL 68, 1934, ­12–17. Zur Entwicklungsgeschichte vgl. die leider strikt institutionengeschichtliche Studie von Pappe, Otmar: Zur Geschichte der Lebensmittelüberwachung im Königreich Bayern ­(1806–1918), Pharm. Diss. Marburg 1975. 54 Einen Überblick vermittelt Rubner, [Max]: Die Mitarbeit von Reichsgesundheitsamt und Reichsgesundheitsrat an der Wohlfahrt des deutschen Volkes in den letzten 50 Jahren, DMW 52, 1926, 1520–1522, 1562–1566. 55 Differenzierende Daten enthalten Würzburg, Arthur: Die Nahrungsmittel-Gesetz­ gebung im Deutschen Reiche und in den einzelnen Bundesstaaten, Leipzig 1894 und Kerp, [Wilhelm]: Übersicht über die Lebensmittelgesetzgebung und Lebensmittelkontrolle im Deutschen Reiche, in: Ders. (Hg.): Nahrungsmittelchemie in Vorträgen, Leipzig 1914, 1–30.

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chemikern gleichwohl, sich stärker gegen die Marktakteure, die Handelschemiker, durchzusetzen.56 Einen wichtigen Einschnitt bildete dabei die 1894 eingeführte verbindliche Staatsprüfung für Nahrungsmittelchemiker, die zum einen die vielfach beklagte »mangelhafte Vorbildung der mit der Nahrungsmittelkontrolle zu betrauenden Chemiker«57 abbaute, die zum anderen aber die – abgesehen vom Veterinärsektor – chemische Dominanz für die Nahrungsmittelkontrolle festschrieb. Der stoffliche Blick der Nahrungsmittelchemiker setzte sich gegenüber Pharmazeuten, Medizinern, bedingt auch gegenüber Veterinärmedizinern durch. Damit wurden die seit Beginn der 1880er Jahre  – von Bayern ausgehend  – fachintern ausgearbeiteten Vereinbarungen über die normale Beschaffenheit (Kap. 4.2.1) sowie die Untersuchungsmethoden einzelner Nahrungsmittel zunehmend verbindlich. Im Gewerbe konnte man dem nicht einfach zustimmen, denn lokale Handelsbräuche wurden so unterminiert, gewachsene Geschäftsbeziehungen an abstrakte Normen gebunden und die selbständige Bewertung des Konsumenten gering gewichtet. Entsprechend wurde nach 1900 um Fragen von Verfälschung oder Echtheit erbittert gerungen, dabei tendenziell entschieden, ob abstrakte stoffliche Normen oder aber Herkunft und individuelle Aushandlungsprozesse den Gehalt von Waren und Nahrungsmittel bestimmen sollten. Kleinteilig wurde in der Öffentlichkeit und vor Gericht um Ordnungskraft und Verbindlichkeit des Stoffparadigmas gerungen.

2.2 Ausdifferenzierung: Nährstoffforschung um die Jahrhundertwende Die Münchener Schule und auch die Nahrungsmittelchemie gründeten in ihren stofflichen Vorstellungen auf vielfach sehr einfachen Annahmen und Methoden. Dies betraf vorrangig die Stoffanalytik: Die Lebensmittel, also organische Stoffkonglomerate, sollten in ihrer Zusammensetzung erkannt und analysiert werden. Dazu verbrannte man diese und untersuchte resp. wog die verbleibenden Reste. Anschließend versuchte man, vom Umfang der Kraft- und Wärme­ 56 May, O[tto]/Maercker, [Max]: Die Nahrungsmittel-Kontrole in Deutschland mit besonderer Berücksichtigung auf den Schutz der landwirthschaftlichen Produkte vor dem unlauteren Wettbewerb ihrer Ersatzmittel, in: Bericht über die Verhandlungen der XXIV. Versammlung des Deutschen Landwirthschaftsraths vom 3. bis einschl. 6. Februar 1896, Charlottenburg 1896, 190–214 (inkl. Disk.), hier 190. 57 König, 1909, 182–183; entsprechende Klagen an der einseitigen Ausbildung v. a. in anorganischer Chemie finden sich bei Hilger, Albert: Die Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genussmittel sowie Gebrauchsgegenstände, deren Organisation und Wirkungskreis, DVÖG 19, 1887, 9–32 (inkl. Disk.), hier 16–19.

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entwicklung bzw. dem Gewicht und der Zusammensetzung der verbleibenden Reste auf die Ausgangsstoffe zurückzuschließen. Daneben setzte man auf einfache Reaktionen, also die Ausfällung von Einzelstoffen bzw. den Zusatz von Katalysatoren. Probleme und Folgen dieser Methoden sind offenkundig: Zum einen gelang es nicht, »komplexere Stoffe aus biologischem Material rein zu isolieren«58. Die Zahl empirischer Daten wuchs, ihre Deutung aber wurde zum Problem. Zum anderen war es nicht möglich, die Stoffwechselversuche mit wirklich genau zu benennenden Stoffen durchzuführen. Die Hunde Voits wurden beispielsweise mit magerem Fleisch gefüttert, das lange Zeit als »Eiweiß« galt. Diese Gleichsetzung war schon früh, u. a. vom Physiologen Eduard Pflüger59, in Frage gestellt worden – und die stoffliche Ausdifferenzierung der Eiweißbestandteile einerseits, die chemische Analyse der Nahrungsmittel anderseits führten zu verbesserten Experimentalanordnungen. Die Suche nach den wahren, den elementaren Grundstoffen der Nahrung und einem der chemische Elementarstoffanalyse entsprechendem Wissen wurde seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein immer wichtigerer Entwicklungsstrang der Physiologie, der physiologischen Medizin und insbesondere der organischen Chemie. Das Stoffparadigma konnte zwar forschungsleitend wirken, setzte jedoch nur einen groben Rahmen.60 Detailliertes Wissen über die Stoffe selbst musste gewonnen werden, konnten doch nur so Stoffwechselphänomene kausal erklärt werden. Dies entsprach den gesellschaftlichen Erwartungshaltungen an eine Ernährungswissenschaft, die einen Weg zur »richtigen« Ernährung weisen sollte. Auch kommerzielle Chancen lockten. Die Farbenchemie hatte zu dieser Zeit belegt, dass neues Wissen neue Märkte bedeutete, dass die Weltmacht Wissenschaft dem Aufstieg des rohstoffarmen Deutschen Reiches nutzbar gemacht werden konnte. Entsprechend nahm die Chemie einen zentralen Platz bei weiterer Forschung ein, denn ihre Kenntnis der kleinsten Teile der Welt prädestinierte sie für eine Ausdifferenzierung der bestehenden Stoffkonglomerate. Für die Perspektive der Entstehung und Diffusion »künstlicher Kost« wurde es allerdings zentral, dass Wissensgenerierung nicht allein zu einer genaueren Kenntnis der Nährstoffe selbst und damit zur Erkundung der verborgenen Struktur der Natur führen sollte. Nicht mehr Erkenntnis, sondern Verbesserung und Neustrukturierung der real bestehenden Struktur wurden zunehmend zum Ziel. Die »reinen«, durch Abstraktion und Isolation ermittelten Stoffe boten hierfür das Material. Mit ihrer Hilfe konnten bestehende 58 Jaenicke, Lothar: 1902 – Das Geburtsjahr der Peptidchemie, Chemie in unserer Zeit 36, 2002, 338–341, hier 340. 59 Einen Überblick enthält Pflüger, Eduard: Ueber einige Gesetze des Eiweissstoffwechsels (mit besonderer Berücksichtigung der Lehre vom sogenannten »circulierenden Eiweiss«), Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie 54, 1893, 333–419. 60 Fischer, Emil: Die Chemie der Kohlenhydrate und ihre Bedeutung für die Physiologie, Berlin 1894, 36.

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Nahrungsmittel umgestaltet, ihre Bestandteile rekombiniert werden und das »Natürliche« optimiert werden. Während die Münchener Schule noch die Auswirkungen verzehrter Stoffe untersuchte, orientierte sich die stoffliche Grundlagenforschung im späten 19. Jahrhundert immer stärker an der Materie selbst. Neues Wissen schloss Alltagskontexte zunehmend aus, um so die Alltagskost neu zu konstituieren.

2.2.1 Eiweißforschung: Peptone und Aminosäuren Die Benennung und Akzeptanz von Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate als Dachbegriffe erfolgte seit den späten 1830er Jahren im Wissen um deren innere Vielfalt. Parallel zu dieser semantischen Syntheseleistung ging die innere Aufgliederung der Stoffe jedoch weiter. Im Mittelpunkt stand dabei das Protein als vermeintlich wichtigster Einzelstoff und zugleich wichtigste Stoffgruppe. Tierversuche mit »Proteinen« hatten schon 1838 ergeben, dass die Verdauungssäfte Eiweiß weiter aufgliedern konnten.61 Die genauen Mechanismen dieser Aufspaltung waren nicht bekannt, ebenso die damit verbundenen Fragen der Resorption bzw. der chemischen Struktur der Spaltprodukte. Wagend wurden die Einzelstoffe benannt, insbesondere Albumine und Peptone erhielten zwischenzeitlich hohe Bedeutung. Um einen Eindruck von der stofflichen Grundlagenforschung zu gewinnen, werden nachfolgend zwei Stränge näher analysiert. Erstens bietet die Peptonforschung ein Beispiel für sich ausdifferenzierende, letztlich aber scheiternde Forschung in klinischen Kontexten, in denen Grundlagenforschung unmittelbar praktischen Zielen diente und die kommerzielle Nutzung des neuen Wissens einen zusätzlichen Forschungsanreiz bot. Zweitens erlaubt die Analyse der chemischen Erforschung der Aminosäuren einen Einblick in die Genese der später so bezeichneten herrschenden wissenschaftlichen Meinung. Peptone sind heutigen Chemikern nur als historischer Begriff geläufig. Im 19. Jahrhundert verstand man darunter »Modificationen der Eiweisskörper, die wir als Endprodukte der Verdauung auffassen und welchen ausser der Löslichkeit in Wasser und verdünnten Säuren die Fähigkeit zukommt, zu diffundiren.«62 Es handelte sich um Fleischeiweiß, das durch Zusatz von Verdauungssäften gleichsam vorverdaut war und deshalb vom Körper einfacher resorbiert werden konnte. Diese Definition entsprach nicht chemischen Standards, son 61 Einen Überblick der französischen Forschungen enthält Mialhe, Louis: Chimie appliquée à la physiologie et la thérapeutique, Paris 1856. 62 Proskauer, B[ernhard]/Windisch, C[arl]: Peptone und Fleischpräparate, Vierteljahresschrift über die Fortschritte auf dem Gebiete der Chemie der Nahrungs- und Genussmittel 2, 1887 (1888), 340–348, hier 342.

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dern beschrieb einen biologischen Prozess, ohne über das Endprodukt mehr zu wissen als Herkunft und Funktion. Für die Vermarktung reichte dieses vollständig aus. Seit Ende der 1870er Jahre wurden zahlreiche Peptone angeboten, die als »künstlich verdautes Fleisch«63 oder als »Heil-Nahrungsmittel«64 angepriesen wurden. Mit ihrer Hilfe konnte insbesondere Kranken geholfen werden, deren Verdauungsorgane geschwächt waren, denn die flüssigen oder in Wasser aufgelösten Präparate erforderten keine intensive Verdauungsarbeit.65 Unklar blieb, ob der Körper aus ganzem Eiweiß oder aber aus dessen stofflichen Bestandteilen gebildet wurde. Diese Frage beschäftigte in den 1870er und vor allem 1880er Jahren Physiologen, Hygieniker und Mediziner.66 Stoffwechseluntersuchungen ergaben, dass »Albumosen und Peptone entsprechend ihrem Stickstoffgehalt Eiweiss ersetzen können«67. Entsprechend ging man davon aus, dass das Eiweiß von den Verdauungssäften aufgespalten, vom Blute aufgenommen, dann aber im Körper wieder zu Eiweiß würde und dort seine Nähraufgabe übernähme.68 Klinische Beobachtungen zeigten allerdings, dass die Peptone keineswegs völlig reizlos waren, sondern viele Kranke Durchfälle erlitten und deren Zahl und Intensität mit der Stärke der Vorverdauung korrelierten.69 Dies schien darauf hinzudeuten, dass im Körper wirklich Eiweiß resorbiert wurde, während die Einzelbestandteile erst rekombiniert werden mussten. Innerhalb der klinischen Medizin blieb dieses Problem lange Zeit ungeklärt, erst die chemische Strukturanalyse der Eiweißkörper erlaubte eine klare Antwort. Peptone waren demnach chemisch als Polypeptide, also langkettige Eiweißmoleküle, einzuordnen, die aus sehr unterschiedlichen Aminosäuren zusammengesetzt sein konnten.70 Sie wurden enzymatisch aufgespalten und in dieser Form dann

63 Fleisch-Pepton, BKW 15, 1878, zw. 238–239 (Werbezettel). 64 Pepton-Präparate von Dr. H. Sanders & Co. in Amsterdam, o. O. o. J. (ca. 1879), BA Koblenz R 86, Nr. 3442. 65 Pepsin und Pepton, Hannoversche Monatsschrift »Wider die Nahrungsfälscher!« 3, 1880, 161–162. 66 Vgl. etwa König, J[oseph]: Ueber die Fleischpeptone des Handels, Archiv für Hygiene 3, 1885, 486–499. 67 Cahn, A.: Die Verwendung der Peptone als Nahrungsmittel, BKW 30, 1893, 565–566, 602–606, hier 566. Dort auch ein kurzer Forschungsüberblick. 68 Vgl. explizit Fleisch-Pepton, 1878. 69 Noorden, Carl v./Salomon, Hugo: Handbuch der Ernährungslehre, Bd. 1: Allgemeine Diätetik (Nährstoffe und Nahrungsmittel. Allgemeine Ernährungskuren), Berlin 1920, 648. Zur Fabrikation vgl. Ewald, C[arl] A[nton]/Gumlich, G.: Ueber die Bildung von Pepton im menschlichen Magen und Stoffwechselversuche mit Kraftbier, BKW 27, 1890, 1016–1020, hier 1016. In der klinischen Praxis wurden Peptone zunehmend durch Albumosen ersetzt, also geringer vorverdaute Fleischeiweissstoffe. Vgl. hierzu Heim, Max: Die künstlichen Nährpräparate und Anregungsmittel, Berlin 1901, 45–46. 70 Fischer, Emil: Organische Synthese und Biologie, 2. unv. Aufl., Berlin 1912, 22.

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resorbiert. Der vereinheitlichende Begriff des Peptons hatte demnach strukturell Unterschiedliches auf einen aus heutiger Sicht falschen Nenner gebracht. Die Peptonforschung verdeutlicht das Dilemma einer Wissenschaft, die zwar um die grundsätzliche Ordnung der Stoffe wusste, die aber letztlich nicht in der Lage war, diese Stoffe in ihrer chemischen Struktur und ihren physiologischen Wirkungen angemessen zu erklären. Die klinische Beobachtung allein erwies sich als unbefriedigend, sodass weitere stofflich-kausale Forschung eine immanente Logik erhielt, die auf Erklärung zielte. Einmal in Gang gesetzt, erwies sich stoffliche Forschung als ein sich selbst stabilisierendes, sich selbst vorwärtstreibendes System. Im Deutschen Reich war sie vor allem mit den Arbeiten Emil­ Fischers verbunden. Dieser »academic entrepreneur«71 hatte durch seine später kurz darzustellenden analytischen Arbeiten zu Kohlenhydraten und Fetten (Kap. 2.2.3) genügend Strukturwissen und mit seinem Berliner chemischen Institut auch genügend Ressourcen, um die chemische Zusammensetzung der Eiweißkörper gezielt erforschen zu können. Während die Peptonforschung zuvor vereinzelt an sehr heterogenen Kliniken betrieben wurde, setzte nun eine systematische arbeitsteilige Großforschung ein. Fischer konnte dabei auf zahlreiche Vorarbeiten zurückgreifen. Es war klar, dass Eiweiß aufspaltbar war, doch unbekannt blieb, ob es sich um stabile oder nur temporär bestehende Moleküle handelte. Die Bezeichnung »Aminosäuren« zielte lediglich auf Eiweißbestandteile. Fischers Einschätzung der Proteine als »die kompliziertesten Gebilde, welche die lebende Welt hervorgebracht hat,«72 war daher seinerzeit angemessen. Fischers Forschungsmaschinerie setzte sich 1899 in Bewegung. Sie erweiterte die Kenntnis existierender Aminosäuren, der »wahren Bausteine des Proteinmoleküls«73, und ermittelte deren chemische Struktur.74 Durch die Kombination spezifischer Aminosäuren konnte die unterschiedliche Wertigkeit des Eiweißes nun ansatzweise erklärt werden. 1902 gelang ein wichtiger Zwischenschritt: Fischer schlug mit dem Begriff »Peptid« eine neue Ordnung des Stofffeldes Eiweiß vor.75 Darunter fasste er – analog zu den von ihm zuvor untersuchten Sacchariden  – eine verbindende -CO -NH-Struktur, die Aminosäuren miteinander koppelte. Damit wurde der Blick auf ein weites Feld frei. Di-, Tri-, Tetra-, 71 Feldman, Gerald D.: A German Scientist between Illusion and Reality: Emil Fischer, 1909–1919, in: Geiss, Imanuel/Wendt, Bernd Jürgen (Hg.): Deutschland in Weltpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, Düsseldorf 1973, 341–362, hier 343. 72 Fischer, 1912, 15. 73 Ebd., 21. 74 Daten zur Entdeckung der einzelnen Aminosäuren enthält Fischer, Emil: Proteine und Polypeptide, in: Ders.: Untersuchungen über Aminosäuren, Polypeptide und Proteine II (1907–1919), hg. v. M. Bergmann, Berlin 1923, 43–52, hier 45. 75 Fischer, Emil: Ueber die Hydrolyse der Proteinstoffe, Chemiker-Zeitung 26, 1902, 939–940.

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schließlich auch Polypeptide wurden zuerst als Modelle denkbar, dann auch Gegenstand gezielter Nachbildung. Auf Basis der Strukturformeln konnten die einzelnen Bestandteile der Eiweißkörper künstlich zusammengesetzt, also synthetisiert werden. Dies war nicht mehr durch einen Einzelforscher zu bewerkstelligen. Fischers Wissenschaftsorganisation war Big Science.76 Obwohl Fischer die chemische Struktur der natürlich vorkommenden Eiweiße bis 1906 grundsätzlich aufgeklärt hatte, verblieben wesentliche Defizite. Eine Vollanalyse blieb das Ziel, war es schließlich nicht sicher, ob es nicht noch weitere Aminosäuren gab. Offen blieb auch die nicht chemische Frage nach deren jeweiliger Essenzialität. Sie stellte sich für Fischer nicht und wurde erst 1935 durch William C. Rose vorläufig beantwortet.77 Die theoretische Forschung, in deren Mittelpunkt der Nachweis und die Synthese von zuvor deduktiv ermittelten denkbaren Stoffen stand, konnte zudem nur konstatieren, »daß die heutigen natürlichen Proteine in der Regel erst durch Mischung der homogenen künstlichen Produkte zu erhalten sind.«78 Die umfassende Analyse der Aminosäuren machte deutlich, dass im Körper eine Aufspaltung und Rekombination dieser Polypeptide stattfand und organische Körper letztlich auf nur wenigen Basismolekülen gründeten.79 Das Wissen um die einzelnen Aminosäuren ließ aber zugleich die Idee einer umfassenden künstlichen Kost keimen: »Ein jeder Eiweiß­körper läßt sich […] ›vollwertig‹ machen, indem man ihm entsprechende Mengen der Aminosäuren, die ihm fehlen oder die in ungenügender Menge vorhanden sind, zusetzt.«80 Die analytischen und technologischen Probleme waren immens, der Zusatz einzelner Aminosäuren erwies sich jedoch als denkbar und somit grundsätzlich möglich.

2.2.2 Neue Fette für das Volk: Die Margarine und die Folgen Auch »Fett« war von Beginn an ein Dachbegriff. Es waren vor allem französische Forscher, die seit den 1820er Jahren eine noch eher beschreibende Unterscheidung stofflicher Einzelbestandteile, vornehmlich einzelner Fettsäuren vornahmen. Butterfett, Stearin, Margarin, Elain sowie die flüchtigen Vaccin-, Caprin- und Capronsäuren ließen sich in der Butter unterscheiden, Öl und Talg 76 Fischer, Emil: Syntheses in the purine and sugar group. Nobel Lecture, December 12, 1902, in: Nobel Lectures, Chemistry 1901–1921, Amsterdam 1966, 21–35, hier 35. 77 Carpenter, Kenneth. J.: Protein and Energy. A Study of Changing Ideas in Nutrition, Cambridge/New York/Melbourne 1994, 129–133. 78 Fischer, 1912, 23. 79 Vgl. Dekker, Hermann: Lebenswichtige Begleitstoffe der Nahrung. Eine Umschau über die Ergebnisse der Eiweissforschung, Kosmos 22, 1925, 173–181, v. a. 173. 80 Hübner, Otto: Das Problem der künstlichen Darstellung der Nahrungsstoffe, Naturwissenschaftliche Wochenschrift NF 11, 1912, 668–669, hier 668.

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wurden ebenfalls daraus gebildet, schienen jedoch weniger komplex zusammengesetzt.81 Die vergleichsweise rein vorliegenden Naturfette erlaubten eine frühe Ausdifferenzierung der chemischen Struktur. Bildeten die Fettsäuren – analog zu den Aminosäuren – ein Moment der Unterscheidung, so stellte Glyzerin den eigentlichen Kern der Fette dar. Dieses war 1854 vom französischen Chemiker Marcellin Berthelot nachgewiesen worden, der ferner chemische Unterscheidungen nach der Zahl der angegliederten Fettsäuren traf, vornehmlich die auch heute noch gültige Scheidung von Mono-, Di- und Triglyzeriden.82 So unklar die Benennung, Isolation und Variabilität der einzelnen Fettsäuren auch blieb, so war die grundsätzliche chemische Struktur von Fetten doch schon frühzeitig bekannt und diente seinerzeit auch als Bestätigung des Stoffparadigmas. Fettforschung zielte jedoch nicht nur auf theoretisches Wissen, sondern hatte klare Bezüge zu Herrschaft und Handel. Fragen der Konservierung und Lagerung standen im Kontext institutioneller Zwangsverpflegung, aber auch des Nachweises und der Verhinderung von Fälschungen im gewerblichen Verkehr. Hunger und Mangelernährung forcierten vielfach die Arbeit. Insbesondere die analytische Scheidung von wertmindernden Vermischungen sollte durch Realdefinitionen der jeweils wertgebenden Fettsäuren eingedämmt werden. Diese Nähe zu Staat und Wirtschaft prägte die Fettforschung, hob sie zugleich von der sonstigen Nährstoffforschung ab. Auftrags- und Industrieforschung dominierten. Das zeigte sich besonders an einem Prototyp künstlicher Kost, der Margarine. Sie war ein auf der abstrakten Kenntnis der Fette basierendes Wissensprodukt, für das Fettsäuren neu variiert und rekombiniert werden mussten. Gefördert vom französischen Kaiser gelang Hippolyte Mège Mouriès 1869 im Rahmen umfassender Versuche zur Verbesserung der bestehenden Nahrung ein wichtiger Durchbruch. Seit 1866 hatte er das Milchfett von Kühen untersucht und versuchte dann deduktiv auf den Milchfettbildungsprozess im Tierkörper zu schließen. Der französische Praktiker, der schon in den 1850er Jahren erste Schokoladen mit Kalzium, Phosphat und Eiweiß hergestellt und sich um die technische Optimierung der Brotproduktion bemüht hatte, schmolz den Talg geschlachteter Tiere und mischte dieses Produkt anschließend mit Magermilch.83 Für den Erfolg entscheidend war, dass der Schmelzprozess des Rinder­ 81 Vgl. die Ausführungen von Reich, Eduard: Die Nahrungs- und Genussmittelkunde historisch, naturwissenschaftlich und hygieinisch begründet, Bd. 2, Abth. 2, Göttingen 1861, 190–196. Detaillierte Hinweise enthält Costa, Albert B.: Michel Eugéne Chevreul. Pioneer of organic Chemistry, Madison 1962 (Ms.). 82 Vgl. Boldingh, J.: Research, in: Stuyvenberg, J[ohannes] H[ermanns] van (Hg.): Margarine. An Economic, Social and Scientific History 1869–1969, Liverpool 1969, 167–225, hier 168–169. 83 Zur Person vgl. Alphen, J[an] van: Hippolyte Mège Mouriès, in: Stuyvenberg, J[ohan­ nes] H[ermanns] van (Hg.): Margarine. An Economic, Social and Scientific History ­1869–1969, Liverpool 1969, 5–8.

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talgs dessen Geschmack, Farbe und Geruch neutralisierten und die Fettsäure Stearin ausgeschieden wurde.84 Das patentierte Ergebnis, anfangs »beurre économique«, dann analog zu einer der wichtigsten Fettsäuren »margarin« genannt, kostete nur die Hälfte der Butter, war ihr jedoch hinsichtlich des Nährstoffgehaltes praktisch gleichwertig. Doch nicht allein der Preis führte zu einer relativ schnellen Durchsetzung der neuen Margarine. Die technische Virtuosität der Neukonstruktion begeisterte insbesondere Chemiker, war es doch teils eine Verbesserung der Natur.85 »Kunstbutter« oder »Margarinbutter« waren denn auch die Bezeichnungen unter denen das neue Produkt seit den späten 1870er Jahren in Rheinland und Westfalen produziert und verkauft wurden.86 Die Reaktion der Butter produzierenden Landwirtschaft war strikt, denn angesichts des neuen Geschmacks und der hygienischeren Produktionsbedingungen wurde glaubhaft berichtet: »Die Kunstbutter ist so beliebt, daß die Händler, welche sie kaufen, gewöhnliche Landbutter nicht kaufen würden, selbst wenn sie 5 Pf. billiger wäre.«87 Während also die Konsumenten das neue Produkt bereitwillig nachfragten, waren potenzielle Hersteller von den neuen Chancen zur Nahrungsmittelproduktion besonders angetan, konnten doch durch Hinzufügen von »Butterfarbe, Orlean, Butteräther und Cumarin […] den Wünschen des Publicums entsprechend, Geschmack, Farbe und Geruch des fertigen Handelsproductes«88 vielfach verändert werden. Margarine wurde ein Massenprodukt kapitalintensiver großer Unternehmen, die weitere Forschung finanzierten. Ein zentrales Problem bildete die Abhängigkeit von einem nicht beliebig vermehrbaren Produkt, dem Rindertalg. Trotz globaler Importe, v. a. aus den USA und Südamerika, konnte der steigenden Nachfrage kaum entsprochen werden, minderten Preissteigerungen den Wettbewerbsvorteil gegenüber Butter.89 Forschungen zu den deutlich billigeren 84 Vgl. Wittstein, G[eorg] C[hristoph]: Taschenbuch der Nahrungs- und GenussmittelLehre, Nördlingen 1878, 49–50. 85 Beckurts, H[einrich]: Ueber die Prüfung der Butter auf ihre Verfälschungen, Correspondenz-Blatt des Niederrheinischen Vereins für oeffentliche Gesundheitspflege 8, 1879, 61–63. 86 Vgl. allgemein Hendricks, Barbara Anne: Die Margarineindustrie am unteren Niederrhein im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, Bonn 1981; Herbst, Rainer: Die Entstehung der Margarineindustrie zwischen 1869 und 1930 unter besonderer Berücksichtigung des Hamburger Wirtschaftsraums, Wiwi. Diss. Hamburg 1989. 87 Auszug aus der Landwirthschaftlichen Zeitung für Westfalen und Lippe, zit. n. Naturbutter und Kunstbutter, Fühling’s landwirthschaftliche Zeitung 28, 1879, 111–113, hier 111. 88 Die Kunstbutterfabrikation, Uhland’s Industrielle Rundschau 1, 1887, 248–250, hier 248. 89 Die Margarineproduktion im Deutschen Reich stieg von 15.000 t 1887 über 90.000 t 1895 auf 100.000 t 1900 und 210.000 t 1913 (Angaben n. Hoffmann, W[alther] G.: 100 Years of the Margarine Industry, in: Stuyvenberg, J[ohannes] H[ermanns] van (Hg.): Margarine. An Economic, Social and Scientific History 1869–1969, Liverpool 1969, 9–36, hier 22).

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Ölsaaten schlossen sich an. Diese waren jedoch flüssig, konnten daher nur in begrenztem Umfang in die Margarine gemischt werden. Gerade in der warmen Jahreszeit zerfloss das neu zusammengestellte Kunstprodukt. Das änderte sich nach der Jahrhundertwende, als der Chemiker und Unternehmer Wilhelm Normann – auf Basis zahlreicher Vorarbeiten – 1909 die Fetthärtung »erfand«, es also gelang, durch den Zusatz von Katalysatoren flüssige Fette in eine feste Konsistenz zu überführen.90 Das von Normann nicht patentgeschützte Verfahren setzte sich schnell in der gesamten Margarine- und Speisefettindustrie durch. Kokos- und Sojaöl, seit 1912 Walöl, dann auch andere Pflanzenöle wurden nun in großem Umfang Margarinegrundstoffe.91 Die Variabilität wissenschaftlich fundierter Nahrungsmittelproduktion trat deutlich hervor. Das Produkt konnte so geschmacklich deutlich verbessert werden, die Palette des Angebotes erweiterte sich und der Preis fiel. Gleichwohl zeigt sich gerade an der Fetthärtung, dass die von Wissenschaftlern und Ingenieuren gefeierte Innovation schon zu dieser Zeit nicht nur Beifall fand, sondern insbesondere von Fachleuten mit Skepsis und Misstrauen begleitet wurde.92 Schon um die Jahrhundertwende drückte der Begriff »künstliche Fettprodukte«93 nicht mehr primär Vertrauen in die wissenschaftliche Innovationskraft aus, sondern auch Sorge um veränderte Lebens- und Umweltbedingungen. Die Fetthärtung stand für die Leistungsfähigkeit wissenschaftlichen Wissens, doch unter dem Aspekt sich ausdifferenzierender Kenntnisse über den Nährstoff Fett waren die Veränderungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem qualitativer, weniger quantitativer Art.94 Die Zahl der benannten, isolierten und synthetisierbaren Fettsäuren hatte deutlich zugenommen, doch Fragen nach der Essenzialität einzelner Fettsäuren konnten noch nicht präzise beantwortet werden, auch wenn Fragen nach dem »Sondernährwert« der Fette nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Vitaminforschung aufkamen.95 Das Stoffpara 90 Vgl. zur Innovation Löffl, Karl: Technologie der Fette und Öle, Braunschweig 1926, 390–413. 91 Vgl. schon Buchka, K[arl] v.: Die Nahrungsmittelindustrie, in: Körte, S[iegfried] u. a. (Hg.): Deutschland unter Kaiser Wilhelm II ., Bd. 2, Berlin 1914, 631–646; Kühl, H[ugo]: Die Bedeutung der Fetthärtung für die Industrie, Der Zeitgeist 7, 1914, 583–584. 92 Vgl. zum Beginn des wissenschaftlichen Risikodiskurses Süßmann, Philipp O.: Sind die gehärteten Öle für den menschlichen Genuß geeignet?, Med. Diss. Würzburg, München 1915 (Ms.). 93 Lentze, Karl: Eine Neujahrsbetrachtung, VW 36, 1903, 1–3, hier 2. 94 Einen guten Überblick vermittelt Hefter, Gustav: Technologie der Fette und Öle. Handbuch der Gewinnung und Verarbeitung der Fette, Öle und Wachsarten des Pflanzenund Tierreichs, Bd. 3: Die Fett verarbeitenden Industrien, Berlin 1910, 3–341. 95 Der Begriff stammt von Hans Aron, hier zit. n. Gigon, Alfred: Einige neuere Betrachtungsweisen in der Ernährungstherapie, Halle a.S. 1922, 24. Der Nachweis der Essenzialität einzelner Fettsäuren gelang schließlich Evans, Herbert M./Burr, George O.: A New Dietary Deficiency with Highly Purified Diets, Proceedings of the Society for experimental Biology and Medicine 24, 1926/27, 740–743; ebd. 25, 1927/28, 41–48, 390–397.

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digma war innovationsleitend, hatte aber auch um die Jahrhundertwende nicht zu einer klaren Ordnung des Fettsektors geführt.

2.2.3 Technologische Dominanz: Zucker- und Stärkeforschung Von den drei Dachbegriffen Eiweiß, Fett und Kohle(n)hydrate wurde letzterer in der wissenschaftlichen Diskussion am seltensten verwandt. Grund hierfür war die Heterogenität dieser in sehr unterschiedlichen Nahrungsmitteln vorkommenden Stoffgruppe. Nach der Jahrhundertmitte unterschied man vier zentrale Gruppen, nämlich Zucker, Stärke, Gummi und Zellulose.96 Die Forschung widmete sich diesen gesondert, war daher stark aufgesplittert. Bei den Kohlen­hydraten handelte es sich zudem um eine Stoffgruppe, deren Bestandteile nicht essenziell waren, auf die grundsätzlich also verzichtet werden konnte, die zugleich aber im 19. Jahrhundert weit über die Hälfte der Kalorienzufuhr abdeckte.97 Auch hier war das Wissen um einzelne Kohlenhydrate unmittelbar an wirtschaftliche Interessen rückgekoppelt, in Deutschland vornehmlich an die Rübenzucker- und die kartoffelverarbeitende Industrie. Ihr Charakter als landwirtschaftliches Nebengewerbe führte zu einer Dominanz des Praktikerblicks. Eine detailliertere Kenntnis des Fabrikationsprozesses dominierte gegenüber einer präzisen stofflichen Durchdringung der Materie.98 Wissensbasierte Prozessoptimierung stand im Mittelpunkt, nutzte Forschungen aus anderen Bereichen.99 Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Zucker- (und Kartoffel-) Produktion etablierten die deutschen Einzelstaaten schon früh landwirtschaftliche Versuchsstationen.100 Sie gründeten nicht zuletzt auf den Liebigschen Forschungen zur Agrikulturchemie, konzentrierten sich jedoch weniger auf chemi 96 Vgl. Reich, 1860, 16. 97 Vgl. etwa Cremer, Hans-Diedrich/Eyer, Hermann: Kohlenhydrate, EU 22, 1979, ­291–293, hier 291. 98 Knapp, 1848, 191. 99 Details enthält Schaumann, Ralf: Technik und technischer Fortschritt im Industrialisierungsprozeß. Dargestellt am Beispiel der Papier-, Zucker- und chemischen Industrie der nördlichen Rheinlande (1800–1875), Bonn 1977, 59–62. 100 Einen Überblick vermittelt Böhm, W[olfgang]: Julius Adolf Stöckhardt (1809–1886). Wegbereiter der landwirtschaftlichen Versuchsstationen, Landwirtschaftliche Forschung 39, 1986, 1–7; Wieland, Thomas: »Wir beherrschen den pflanzlichen Organismus besser,…« Wissenschaftliche Pflanzenzüchtung in Deutschland 1889–1945, München 2004. Zur wirtschaftlichen Bedeutung vgl. Ellerbrock, Karl-Peter: Die Lebensmittelindustrie als Wegbereiter der modernen Marktwirtschaft. Der Weg zur Konsumgesellschaft. Vom Manufakturbetrieb zur modernen Aktiengesellschaft, Der Bürger im Staat 52, 2002, 247–251 sowie spezieller Bödecker, Ernst: Die Zuckerindustrie, in: Handbuch der Wirtschaftskunde Deutschlands, Bd. III, Leipzig 1904, 769–790, n. 860; Riekes, [Hugo]: Die Stärkefabrikation, in: ebd., 791–800.

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sche Durchdringung als auf die Verbesserung der Maschinen und Geräte, der Düngung und insbesondere der Pflanzenzüchtung. Nicht Zucker stand im Mittelpunkt der Forschung, sondern die Zuckerrübe, deren Ertragssteigerung den chemischen Erkenntnisprozess dominierte. Hiervon profitierten größere Betriebe besonders, die zugleich Massenproduktionsvorteile generieren und die hohen Zuckerpreise langsam verringern konnten. Die Strukturforschung der Kohlenhydrate, also deren reflektierte stoffliche Durchdringung, setzte erst in den 1880er Jahren ein. 1882 wurden lediglich vier Monosaccharide (Glukose, Galaktose, Fruktose und Sorbose)  sowie drei Disaccharide (Saccharose, Maltose, Laktose)  unterschieden. Wie bei den Fetten war die grundsätzliche stoffliche Struktur der Kohlenhydrate bekannt, doch die Zahl natürlicher und künstlich zu synthetisierender Saccharide war deutlich größer. Einen Startschuss für eine systematische Erweiterung des bestehenden stofflichen Wissens bildete die Synthese des Phenylhydrazins durch Emil Fischer. Ausgehend von chemischen Strukturformeln, also modellhaftem Wissen, wurde nun auf mögliche Varianten angliederbarer Moleküle geforscht und die Zahl denkbarer künstlicher Stoffe durch die Achsenspiegelung der Strukturformeln weiter erhöht. Das Ergebnis bildeten neue synthetische Zuckerarten, deren bekannteste – das Saccharin (Kap. 3.3.3) – allerdings durch einen labortechnischen Zufall entdeckt wurde. Fischers deduzierender Grundansatz hatte demgegenüber einen höheren Ertrag, denn nun konnte der Zucker- und Stärkebereich systematisch nach Neuem erkundet werden.101 Anfang der 1890er Jahre war die Zahl der bekannten Monosaccharide auf 30 gewachsen, von denen nur sieben natürlichen Ursprungs waren. Fischer war überzeugt, dass sein Ansatz noch »die Bereitung von vielen Hundert ähnlichen Stoffen«102 ermöglichen würde, war sich jedoch auch der grundsätzlichen Risiken bewusst, die in der »Wirrsal von sehr ähnlichen Substanzen« lagen. Die deduktive Ordnung erlaubte ein Vordringen in die modellhaft konstruierte Welt der Stoffe, ergab jedoch zugleich Ergebnisse, die diese Ordnung in Frage stellen konnten und menschliches Nichtwissen deutlich machten. 1902 lag die Zahl der Monosaccharide bei ca. 50, darunter zehn natürlich vorkommende Stoffe.103 Ihre Zahl ist bis heute nicht abschließend zu benennen, ein stetig zu vertiefendes Arbeitsfeld wurde erschlossen. Anwendungen dieser theoretischen Ergebnisse wirkten unmittelbar auf die Zuckerproduktion. Obwohl diese in den bestehenden Bahnen weiter optimiert wurde und der Zuckergehalt der Rüben stetig stieg, veränderte das neue Wissen nun insbesondere den Umgang mit dem Rohstoff Zucker selbst. Seine Scheidung in immer spezifischere Zuckerarten, die für jeweils spezifische Zwecke nutzbar 101 Vgl. Roth, Klaus/Hoeft-Schleeh, Simone: Das chemische Meisterstück: Emil Fischers Strukturaufklärung der Glucose, Chemie in unserer Zeit 36, 2002, 390–402. 102 Fischer, 1894, 8 bzw. 18 (für das folgende Zitat). 103 Fischer, 1903, 610.

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waren, belegte den unmittelbaren Nutzen dieser Grundlagenforschung, und auch deren zentralen Beitrag für den Bedeutungsgewinn »künstlicher Kost«.

2.2.4 Machbarkeit: Utopien wissensbasierter Lebensmittelproduktion Die Ausdifferenzierung der Nährstoffe stand am Beginn einer breiten wissenschaftlichen und zunehmend auch gesellschaftlichen Debatte über »künstliche Kost«. Emil Fischer, einer der zentralen Protagonisten, steht für erstere. Zeitgenossen galt er als Vertreter einer gleichsam bürokratisch organisierten Forschungsweise, die dank hoher Finanz- und Personalmittel der Natur systematisch ihre Geheimnisse entlockte. Im persönlichen Umgang barsch und direkt, stets auf den Fortgang und die Ergebnisse der Arbeit fixiert, schien Fischer nicht Prototyp eines utopischen Denkers zu sein. Nicht visionäre Kraft, sondern unnachgiebiger Arbeitswillen trieb ihn, dessen Gesundheit zeitlebens von seinen frühen Untersuchungen von Phenylhydrazin beeinträchtigt war, voran. Doch Fischer war schon früh von der Vorstellung gepackt, Wirklichkeit erkunden und nachbilden zu können. Seine Arbeiten waren kurz, knapp, konzentrierten sich auf wesentliche Ergebnisse und neue Fragestellungen und nutzten vielfach die Formelsprache der Chemie. Doch in ihnen finden sich auch klare normative Setzungen. In einer öffentlichen Festrede hielt er 1894 fest: »Durch den Fortschritt der Wissenschaft ist der einst so hoch angesehenen Lebenskraft auch dieser letzte chemische Schlupfwinkel genommen worden; denn wir sind jetzt im Stande, solche activen Substanzen ohne jegliche Beihilfe eines Lebewesens künstlich darzustellen.«104 Sein Vorbild war die 1835 in Göttingen erfolgte Verwandlung von cyansaurem Ammoniak in Harnstoff durch den Liebig-Freund Friedrich Wöhler, die erste künstliche Synthese, in der es gelang »organische Stoffe aus den Elementen zu bereiten«105. Obwohl Fischer deren technische und theoretische Schwierigkeiten immer wieder thematisierte, war sie doch das eigentliche Faszinosum seiner kreativen Wissensproduktion. Er hoffte Substanzen »nach Belieben«106 in andere umwandeln zu können, wollte das »Reservatrecht der Natur« brechen. Synthetisierende Arbeit sollte nicht im chemischen Mikrokosmos verbleiben, sondern auch andere Wissenschaften befruchten. »Künstliche Kost« war für ihn eine realistische Forschungsperspektive. Dies zeigte sich anlässlich der Verleihung des Nobelpreises 1902 für seine Untersuchungen von Kohlenhydraten und Eiweißstoffen. In seiner Dankesrede malte Emil Fischer die Chancen künstlicher Heil- und Aromastoffe aus: Kaffee-

104 Fischer, 1894, 14. 105 Ebd. 106 Ebd., 17 und 23 (für das folgende Zitat).

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surrogaten fehle das Koffein, aber dieses lasse sich, ebenso wie das Aroma, nachbilden. Vorurteile des Publikums seien gewiss vorhanden; und doch: »Wer denkt heute noch daran, dass die prächtigen Farben, mit denen unsere Kleider und Modestoffe geschmückt sind, dem hässlichen Steinkohlenteer entstammen, oder dass das süss schmeckende Saccharin aus dem gleichen Material bereitet wird? Chemische Verwandlungen sind eben so gründlicher Natur, dass dem Endprodukt von den Eigenschaften des ursprünglichen Materials nichts mehr anhaftet. Darum ist auch die Erzeugung von Koffein aus Harnsäure nichts Schlimmeres als die Prozesse, welche sich abspielen, wenn der zur Ernährung der Pflanzen verwendete Dünger sich in wohlschmeckende Früchte oder in herrlich duftende Blumen umsetzt.«107

»Künstliche Kost« erschien Fischer als eine Möglichkeit der Neumenschwerdung, der Emanzipation von nur scheinbar naturgegebenen Fesseln. Sein Blick war der des Produzierenden, der nicht auf Abnehmer schaute, sondern von den Vorzügen der eigenen Angebote fasziniert war. Widerstände im Alltag und in der Wirtschaft standen für ihn nicht im Vordergrund. Fischer griff dieses Thema 1906 vor der Deutschen Chemischen Gesellschaft nochmals auf, als er Kollegen und der ebenfalls geladenen Öffentlichkeit über seine neueren Forschungen im Eiweißbereich berichtete (Kap. 3.4.1).108 Während die seit langem erfolgreich praktizierte synthetische Darstellung verschiedener Zucker und Fette sowie von Süßstoffen und Aromen immer nur als Einzelentdeckung diskutiert und gewürdigt wurde, wandelte sich nun die Rezeption, »erging sich die Laienwelt in kühnen Phantasien über die neuen Möglichkeiten der Nährstoff-Beschaffung. ›Künstliches Eiweiß‹, so lautete das Schlagwort, dessen sich die Tagespresse sogleich nach Fischers Vortrage bemächtigte, und in einem ausländischen Blatte erschien sogar ein Artikel, der und dem Motto ›Nahrung aus Kohle‹ den künftigen Gang der Speise-Beschaffung in greller Manier illustrierte, indem er ein Kohlenbergwerk durch ein chemisches Laboratorium einem eleganten Restaurant voll der köstlichsten Leckerbissen verbunden zeigte.«109

Fischer selbst wandte sich gegen derartigen Überschwang. Angesichts der immensen Kosten der Eiweißsynthese ging es ihm erst einmal um theoretische Erkenntnis, nicht jedoch um technisch umsetzbare Verfahren. Doch zugleich nährte er mit der Utopie eines grundsätzlich doch möglichen langsamen Erkundens der Eiweißchemie Verheißungen »künstlicher Kost«, die er zugunsten der 107 Fischer, Emil: Über die Purin- und Zuckergruppe, Die Umschau 7, 1903, 608–613, hier 610. 108 Fischer, Emil: Einleitung, in: Ders.: Untersuchungen über Aminosäuren, Polypeptide und Proteine (1899–1906), Berlin 1906, 1–83. 109 Hoesch, Kurt: Emil Fischer. Sein Leben und sein Werk, Berlin 1921, 389. Zur Rezeption vgl. Oppenheimer, Carl: Emil Fischer über seine Eiweissarbeiten, Die Therapie der Gegenwart 47, 1906, 74–77.

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weiteren Professionalisierung der organischen Chemie zu nutzen wusste. Die Vorhersage, »dass in nächster Zukunft die totale Synthese aller dieser Körper auch in der optisch-aktiven Form möglich sein«110 werde, schloss sich 1907 logisch an. Der Theoretiker Fischer lockte mit alltagspraktischer Relevanz seiner Arbeiten, mit einem neuen künstlichen Aufbau, der »dem, was die Natur geleistet hat, unendlich überlegen sein wird.«111 Das Spiel mit den selbstgenährten Hoffnungen implizierte neuerliche Warnungen vor Vorstellungen von Nahrung aus Kohle, der »Transformation von Steinkohlen in schöne Speisen aller Art«, doch der »nüchtern abwägende Chemiker« konnte sich ein »leider« nicht verkneifen. Nicht Wissenschaft, sondern der Preis der Güter setzte die Grenzen.112 Die Synthese mochte überlegen sein, doch die Natur war einfach billiger. Gleichwohl schien das letzte Wort nicht gesprochen. Gerade in Kombination mit den neu analysierten Fermenten schien eine erhebliche Kostendegression etwa bei der Zelluloseproduktion möglich: Unsere »Zeit schreckt vor derartigen Riesenunternehmungen nicht mehr zurück.«113 Fischers Utopien waren ziviler Natur, er dachte national, nicht aber nationalistisch. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass seine Utopien während des Ersten Weltkrieges in anderen Kontexten eingefordert wurden. Seine Rolle im Rahmen der Wehrökonomie, insbesondere im Zusammenhang mit der Haber-Bosch-Synthese ist vielfach dargestellt worden.114 Doch abseits der für die Kriegsführung zentralen Grundstoffchemie bemühte sich Fischer, die von ihm stetig beobachtete Verschlechterung der Nahrungsmittelversorgung durch neuartige Ersatzmittel zu begrenzen. Im Januar 1917 stellte er gemeinsam mit Fritz Haber und Walther Nerst den Antrag auf Bildung eines »Nährstoffausschusses« beim Kriegsministerium.115 Dieser wurde eingerichtet, und eine Vielzahl von Chemikern, Hygienikern und Agrarwissenschaftlern  – u. a. Rubner, Zuntz, Kerp, Haberlandt, Correns, Lochow-Petkus  – untersuchte Möglichkeiten zur Streckung des Brotes, zur effizienten Ausmahlung und Entkeimung des Getreides sowie insbesondere für die Nutzung bisher wertloser Stoffe. Laub, Schilf, Quecken und andere Materialien wurden für die Ersatzstoff- und Ersatzfutterproduktion herangezogen116, 110 Fischer, Emil: Die Chemie der Proteine und ihre Beziehungen zur Biologie [1907], in: Ders.: Untersuchungen über Aminosäuren, Polypeptide und Proteine II (1907–1919), hg. v. M. Bergmann, Berlin 1923, 1–21, hier 9. 111 Ebd., 12. 112 Ebd., 15. 113 Ebd., 21. 114 Vgl. insbesondere Feldman, 1973. 115 Vgl. Remane, Horst: Emil Fischer, Leipzig 1984, 57; Weinberg, A[rtur] v.: Emil Fischers Tätigkeit während des Krieges, Die Naturwissenschaften 7, 1919, 868–873, hier 870–871. 116 Abderhalden, Emil: Die Bedeutung von Emil Fischers Lebenswerk für die Physiologie und darüber hinaus für die gesamte Medizin, Die Naturwissenschaften 7, 1919, 860–868, hier 868.

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ohne dass ihnen aber eine wichtige Rolle zukam (Kap. 4.1.4). Fischer selbst konzentrierte sich auf Arbeiten zum künstlichen Aufschließen von Stroh bzw. der Extrahierung von Zucker aus Holz.117 Der Einsatz von synthetisiertem Koffein zur Ersatzkaffeeproduktion sowie von Dulcin als Süßstoff zeigten ansatzweise, dass die ehedem von Fischer in Aussicht gestellte künstliche Nahrungsmittelproduktion nun machbar schien. Doch die technischen Möglichkeiten wurden seitens der Militärbehörden nur zögernd gefördert, der Eingriff in tradierte Ernährungsweisen des Menschen schien ihnen nicht durchsetzbar.118 Die von Fischer vorangetriebenen Forschungen zur Lupinenentbitterung hatten im Krieg nur begrenzte Erfolge, und die Nutzung von Mineralhefe führte zu handgreiflichen Widerständen und strikter Verweigerung in den Kriegsküchen der Großstädte (Kap. 4.1.1).119 Die praktische Umsetzung seiner Utopien scheiterte, doch die Ideen einer neu zu gestaltenden Wirklichkeit und einer neuartigen Ernährung auf wissenschaftlicher Basis blieben weiter bestehen.120

2.3 Die »Neue Ernährungslehre«: Vitamine und Mineralstoffe nach der Jahrhundertwende Kurz nach der Jahrhundertwende analysierte der US -amerikanische Soziologe Thornstein Veblen hellsichtig die Kulturbedeutung der Naturwissenschaften. Die neuartige unpersönliche und abstrakte Verfügbarkeit über die Materie schien ihm ein Schlüssel für das Verständnis seiner Zeit zu sein. Die Trennung zwischen den Wissenschaftlern und der Mehrzahl der unkundig Nutzenden war Teil eines unsteten Lebensgefühls, da niemand sicher sein konnte, dass die Wahrheit des Tages morgen noch gültig sei. Sinn und Ziel des Lebens seien durch die Wissenschaft gesetzt, der Einzelne habe sich dem anzupassen oder würde im Wissens- und Lebenskampf an den Rand gedrückt und untergehen. Essen und Ernährung schienen Freiräume individueller Gestaltung und Wahl einzuräumen, auch wenn die alltäglichen Konsequenzen der Stoffwechseluntersuchungen präsent waren und Produktion sowie Konsum zunehmend beeinflussten. Die Ernährungswissenschaften berührten den Kern des Alltags 117 Hoesch, 1921, 192. 118 Weinberg, 1919, 871. 119 Vgl. Haase, Udo: Über den Stand der Technik der Nahrungs- und Genußmittel, Prometheus 28, 1917, 49–53; Alker, Alfred: Ueber die Lupine als menschliches Nahrungsmittel, BKW 56, 1919, 923–925 bzw. Gotschlich, E[mil]: Hygienische Betrachtungen über Volksernäh­r ung im Kriege, DMW 45, 1919, 951–952. 120 Zu dieser spezifischen Perspektive deutscher Wissenschaftsgeschichte vgl. Wengenroth, Ulrich: Die Flucht in den Käfig: Wissenschafts- und Innovationskultur in Deutschland 1900–1960, in: Bruch, Rüdiger vom/Kaderas, Brigitte (Hg.): Wissenschaften und Wissens­ politik. […], Stuttgart 2002, 52–59.

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nicht, verbesserten allerdings die Rahmenbedingungen. Der Bruch mit der alten Liebigschen Ernährungslehre kam daher unerwartet, und es dauerte lange, bis Wissenschaft und Öffentlichkeit das neue Wissen realisierten. Doch trotz des Kollabierens des bestehenden Gültigkeitssystems zerbrach der »cult of science«121 nicht, wurde das Stoffparadigma als solches noch gestärkt.

2.3.1 Forschungsgeschichte: Entdeckung und Akzeptanz der Vitamine Die Nährstofflehre dominierte im Deutschen Reich trotz, ja, auch wegen ihrer Ausdifferenzierung. Die Geltung des Stoffparadigmas wurde so nochmals gestärkt. Die Vitaminforschung, also die Erkundung bisher unbekannter, im Rahmen des Geltenden nicht notwendiger Stoffe, entsprang daher nicht einer sich ausdifferenzierenden ernährungswissenschaftlichen Grundlagenforschung. Sie entstand vielmehr durch die Kombination anfangs isoliert behandelter Einzelfragen, nämlich erstens der zuvor thematisierten chemischen Differenzierung der bekannten Nahrungsbestandteile und zweitens der klinischen Erforschung der später sogenannten »Vitaminmangelkrankheiten«.122 In diesem Forschungsfeld herrschte lange Zeit Stillstand. Statt Grundlagenforschung dominierte praktische medizinische Arbeit. Erst mit dem Aufschwung der Bakteriologie, die zu effektiven Maßnahmen gegen Cholera, Pest oder Tuberkulose geführt hatte, wandelte sich diese reagierende Grundhaltung. Krankheiten wurden nicht mehr länger hingenommen, Wissenschaft schien vielmehr Mittel in der Hand zu haben, um sie zu besiegen. Doch der Aufschwung verengte auch den Blickwinkel der Wissenschaftler auf exogene Keime und Infektionsträger. Die »Vitaminmangelkrankheiten« hatten nicht nur andere Ursachen, sondern auch längerfristige Wirkungsmechanismen. Zusammenhänge mit Nahrungsmittelqualität und -konsum wurden entsprechend kaum erforscht, sodass selbst massenhaft auftretende Krankheiten nur gemildert, nicht aber effektiv bekämpft werden konnten. Das galt etwa für die Vitamin D-Mangelkrankheit Rachitis, von der um 1900 mehr als ein Drittel der Deutschen betroffen war. Das galt aber auch für die Möller-Barlowsche Krankheit, den sog. Säuglingsskorbut; nicht zuletzt, weil die vom Münchener Pädiater Franz Soxhlet wesentlich vorangetriebene Technik keimfreier Milchbehandlung 121 Veblen, Thorstein: The Place of Science in Modern Civilization, American Journal of Sociology 11, 1906, 585–609, hier 588. 122 Einführende faktenstarke Arbeiten sind Hanses, Hendrik: Die Entdeckungsgeschichte der Vitamine, Staatsexamensarbeit Münster 1995 (Ms.) sowie Frankhauser, Pascal: Geschichte der Vitaminforschung im 19. und 20. Jahrhundert, Med. Diss. Heidelberg 1997 (Ms.). Vgl. auch Spiekermann, Uwe: Bruch mit der alten Ernährungslehre. Die Entdeckung der Vitamine und ihre Folgen, Internationaler Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens. Mitteilungen H. 4, 1999, 16–20.

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zu vitaminarmer, teils vitaminloser Milch führte (Kap. 3.1.3). Wegweisend für die Vitaminforschung wurde allerdings der Kampf gegen Beriberi. Diese im Deutschen Reich praktisch unbekannte Krankheit verdeutlicht, dass sich der Fokus der ernährungsbezogenen Wissensproduktion derweil wesentlich erweitert hatte. Moderne Medizin und Naturwissenschaft waren zu dieser Zeit die eingangs erwähnten Weltmächte. Neues Wissen konzentrierte sich auf die Industrienationen und Kolonialmächte, die dieses in globalen Kontexten generierten und einsetzten. Beriberi wurde von japanischen Ärzten schon in den 1870er Jahren mit einseitiger Reisernährung in Verbindung gebracht, doch ging man im Militär dem herrschenden Paradigma gemäß von bakteriellen Schädigungen aus. Als man Qualität und Lagerung des Reises veränderte, verminderten sich die Krankheitsziffern, auch wenn Beriberi weiterhin Probleme hervorrief. Nach langen, bis in die 1880er Jahre zurückreichenden Vorarbeiten knüpften die niederländischen Tropenärzte Adolphe Vordermann und Christiaan Eijkman dann 1896/97 eine Kausalbeziehung zwischen dem Verzehr von poliertem, also von seiner vitaminreichen Außenhaut gereinigtem Reis und der Krankheit.123 1897 gelang es Eijkman schließlich, die Krankheit bei Tauben künstlich zu erzeugen bzw. zu bekämpfen.124 Das Bild der wieder genesenden Taube, die aus ihren spastischen Verzerrungen nach der Fütterung mit nicht poliertem Reis binnen weniger Stunden wieder in einen Normalzustand zurückfand, wurde zur visuellen Botschaft und Imagination der »Neuen Ernährungslehre«. Doch kausale Beziehungen können nur im Rahmen eines verbindenden Ordnungsmodells befriedigend gedeutet und erklärt werden. Die Einzelbeobachtung und die isolierte Erklärung erhalten erst im Forschungskontext wirkliche Bedeutung. Entsprechend begannen nun weltweit agierende Forschergruppen, die Beziehungen zwischen einseitiger Kost und dem Gesundheitszustand zu untersuchen. Dazu bediente man sich immer kleinerer und preiswerterer Tiermodelle, die zudem eine schnellere Reproduktionsrate aufwiesen. 1907 gelang es den Dänen Axel Holst und Theodor Fröhlich, Skorbut künstlich bei Meerschweinchen zu erzeugen, parallel wurden nun auch Ratten und Mäuse genutzt. Bei der Verfütterung von Nahrungsgemischen oder einzelnen Nahrungsmitteln blieb es jedoch nicht. Ähnlich wie in der bakteriologischen Forschung wurde versucht, die kausal wirkenden Stoffe zu isolieren, um darauf Therapiekonzepte aufzubauen. 1911 gelangen den japanischen Fischer-Schülern Suzuki, Shimamura und Odake bzw. dem in London tätigen, im polnischen Ge 123 Eine detaillierte Schilderung aus erster Hand bietet Grijns, G[errit]: Beiträge zur Geschichte der Entdeckung der Beriberi als Avitaminose, Berlin/Wien 1927. Vgl. auch Sutherland, Barbara: A Micronutrient Deficiency in Chickens (Griijns, 1896–1901), Journal of Nutrition 127, 1997, 1023S-1025S. 124 Vgl. Carpenter, Kenneth J./Sutherland, Barbara: Eijkman’s Contribution to the Discovery of Vitamins, Journal of Nutrition 125, 1995, 155–163.

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Abb. 2a+b: Stoffwirkungen visualisiert – Vitamin B1 und Vitamin A

biet Russlands geborenen Casimir Funk parallel die vermeintliche Isolation der Anti-Beriberi-Stoffe.125 Diese Isolationsstrategie resultierte auch aus den Erfolgen, die Chemiker und Biochemiker bei der Ausdifferenzierung der Nährstoffstrukturen erzielt hatten. Während Forscher wie Fischer vornehmlich an den Strukturen und der synthetischen Reproduktion einzelner Stoffe interessiert waren, versuchte der Münchener Physiologe Karl Thomas 1909 die Qualität der einzelnen Eiweißstoffe mit der neuen Maßzahl der »biologischen Wertigkeit« zu quantifizieren.126 Auch das 125 Suzuki, U[metaro]/Shimamura, T./Odake, S.: Über Oryzanin, ein Bestandteil der Reiskleie und seine physiologische Bedeutung, Biochemische Zeitschrift 43, 1912, 89–153; Funk, Casimir: On the chemical Nature of the Substance which cures Polyneuritis in Birds induced by a Diet of polished Rice, Journal of Physiology 43, 1911/12, 395–400. Zu Funk vgl. Maltz, Alesia: Casimer Funk, Nonconformist Nomenclature, and Networks Sourrounding the Discovery of Vitamins, Journal fo Nutrition 143, 2013, 1013–1020, auch wenn die Autorin den Namen falsch schreibt und die Benennung der Vitamine falsch datiert. 126 Den Zusammenhang mit der Vitaminforschung behandelt Boruttau, H[einrich]: Über Vitamine und Ergänzungsnährstoffe, DNR 14, 1916, 17–18.

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derweil komplexe Bild der Fette und Fettsäuren legte Fragen nach den gesundheitlichen Auswirkungen einzelner Stoffkomponenten nahe. Doch die Mehrzahl der Einzelinformationen wurde in das geltende Nährstoffkonzept integriert und daher als Ausdifferenzierung, nicht aber als Bruch mit der alten Ernährungslehre verstanden. Die erst aus späterer Sicht logische Antwort gab schon 1906 der britische Physiologe Hopkins, dass es nämlich über den Kranz der fünf bekannten Nahrungsmittelgruppen hinaus weitere Grundstoffe geben müsse; doch seine Untersuchungen schienen ihm nicht sonderlich bedeutsam, sodass er sie erst 1912 publizierte.127 Derweil hatten amerikanische Forschergruppen um McCollum bzw. Osborne und Mendel 1909–1911 ihre auf agrarwissenschaftlichen Untersuchungen gründenden Arbeiten schon veröffentlicht, ebenso 1909 der deutsche Chemiker Wilhelm Stepp, der jedoch nicht erkannte, dass die von ihm durchgeführten Fütterungsversuche auf Wirkungen bisher unbekannter Stoffe basierten.128 Entsprechende Detailforschung fand 1911 ein vorläufiges Ende, denn zu diesem Zeitpunkt wagte Casimir Funk ein spekulatives Ordnungskonzept, das die isolierten Kenntnisse bei der Bekämpfung einzelner ernährungsabhängiger Krankheiten im Begriff »Vitamin« bündelte und »Vitaminmangel« als kausale Ursache einer ganzen Gruppe von Krankheiten, der Avitaminosen, ausmachte.129 Mit Hilfe dieses Begriffes verband er nicht nur chemische Stoffe mit Krankheitsbildern, sondern zugleich die beiden Hauptstränge der chemischen und klinischen Forschung.130 »Vitamin« stand für die aus Funks Sicht präzise Benennung einer bekannten Gruppe chemischer Stoffe, der Amine, mit der normativen Aussage, dass diese lebensnotwendig (lat. vita = Leben) seien. Es mindert Funks semantische Leistung nicht, dass sich später herausstellte, dass 127 Hopkins, F[rederik] Gowland: Feeding experiments illustrating the Importance of Accessory Factors in normal Dietaries, Journal of Physiology 44, 1912, 423–460. Hopkins eigentliche, mit dem Nobelpreis 1929 gewürdigte Leistung bestand in der Isolation der sich später als Vitamin herausstellenden Substanz und einer kausalen Zuschreibung von Futter und Krankheit. Allgemeine Hinweise auf die mögliche, ja wahrscheinliche Existenz weitere Stoffe gab es seit den 1880er Jahren häufiger, vgl. etwa Lunin, N[ikolai]: Ueber die Bedeutung der anorganischen Salze für die Ernährung des Thieres, Zeitschrift für physiologische Chemie 5, 1881, 31–39 sowie Aron, Hans: Über die physiologische Bedeutung der Kalksalze und ihre therapeutische Verwendung, TM 21, 1907, 194–198. 128 Detaillierte und abwägende Darstellungen dieser und zahlreicher anderer früherer Untersuchungen finden sich bei Funk, Casimir: Die Vitamine. Ihre Bedeutung für die Physiologie und Pathologie, 3. vollst. umgearb. Aufl., München 1924, 5–17 sowie Berg, Ragnar: Die Vitamine. Kritische Übersicht der Lehre von den Ergänzungsstoffen, 2. verb. u. vollst. umgearb. Aufl., Leipzig 1927. 129 Funk, Casimir: Über die physiologische Bedeutung gewisser bisher unbekannter Nahrungsbestandteile, der Vitamine, Ergebnisse der Physiologie 13, 1913, 125–205. Vgl. auch Schulz, Bernhard: Casimir Funk und der Vitaminbegriff, Med. Diss. Düsseldorf 1997. 130 Diese Ordnungsleistung hob auch Aronson, Naomi: Why weren’t Vitamins discovered earlier?, Knowledge and Society 8, 1989, 87–105, hervor.

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Vitamine keineswegs durchweg aus Aminen bestehen. Der Begriff erlaubte es den verzweigten und vielfach isoliert arbeitenden und in sehr unterschiedlichen Zeitschriften veröffentlichenden Forschern und Forschergruppen nun jedoch, ihre Einzelarbeiten systematisch aufeinander zu beziehen und so die Fundamente einer »Neuen Ernährungslehre« zu legen. Der Begriff verdeutlicht zugleich, dass ohne einen wagenden, die Detailergebnisse deutenden Überschuss ein neuer Blick auf den Ernährungssektor kaum möglich gewesen wäre: »Naturwissenschaftliche Forschung erhielt Sinn und Einheit erst durch kulturgebundene Erklärungsmodelle.«131 Drei Folgen dieser Benennung sind besonders hervorzuheben: Erstens setzte sich die Vitaminlehre nur langsam durch, insbesondere deutsche Forscher blieben bis in die frühen 1920er Jahre hinein skeptisch bis ablehnend.132 Die schnelle Rezeption des Begriffes durch die vegetarische Bewegung, die hoffte, im »Lebensstoff« »vielleicht den edelsten Teil der übertragenen Sonnenkraft«133 gefunden zu haben, erhöhte die Akzeptanz gewiss nicht. Die Laborproduktion des neuen Wissens ließ Distanz aufkommen: »Diese Lehre entstand […] im Anschluß an Versuche, in denen Tiere mit einer ›künstlichen Nahrung‹ erhalten werden sollten«134. Die deutsche Forschung konnte mit ihrer Tradition nur schwer brechen. Dagegen begann nun der Aufstieg der USA zur letztlich führenden Nation im Felde der Biochemie und Physiologie. Die Vitaminforschung leitete zweitens das Ende der bestehenden Forschungsstrukturen ein, in denen individuelle Forschungsleistungen dominierten. Die schon bei Emil Fischer hervorgehobene Wendung zu »Big Science« trat nun offen zu Tage. Der Einzelforscher wurde von der Forschergruppe verdrängt. Eine große Zahl von technischen Hilfskräften war für die Pflege und Umsetzung der Experimentalsysteme verantwortlich, qualifizierte Wissenschaftler fassten die Ergebnisse zusammen und konzipierten neue Untersuchungsdesigns, während wissenschaftliche Manager sich um die Finanzierung und die Publikation der Resultate kümmerten.135 Dadurch gewann die wissenschaftliche Wissens­ produktion eine effizientere arbeitsteilige Struktur, für die der stoffliche Blick aber verbindlicher wurde, bildete er doch den gemeinsamen Nenner. 131 Spiekermann, 1999, 18. 132 Vgl. die skeptische Bewertung in Noorden, Carl v./Salomon, Hugo: Handbuch der Ernährungslehre, Bd. 1: Allgemeine Diätetik (Nährstoffe und Nahrungsmittel, Allgemeine Ernährungskuren), Berlin 1920, 3–6; die gleichsam offizielle Akzeptanz erfolgte durch Juckenack, A[dolf]: Unsere Lebensmittel vom Standpunkt der Vitaminforschung, Berlin 1923, in der die Bedeutung des Neuen für die Nahrungsmittelchemie durchdekliniert wurde. 133 Spohr, [Peter Hartmuth]: Ein Wort über Kriegsverpflegung aus der Erfahrung, VW 48, 1915, 27–29, hier 29. Vgl. auch Geschälter Reis und Beri-Beri, VW 46, 1913, 37. 134 Röhmann, F[ranz]: Über künstliche Ernährung und Vitamine, Berlin 1916, 1. 135 Vgl. etwa Horrocks, Sally M.: The Business of Vitamins: Nutrition Science and the Food Industry in Inter-war Britain, in: Kamminga, Harmke/Cunningham, Andrew (Hg.): The Science and Culture of Nutrition, 1840–1940, Amsterdam/Atlanta 1995, 235–258.

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Funks wagende Synthese war drittens Anlass für eine systematische Reflexion über die Struktur der Nahrung und die Bedeutung der Nahrungsstoffe. Folge war eine immense Zahl neuer Begriffsbildungen, die erst durch den Nachweis der Existenz von Vitaminen, dann durch die Standardisierung der Nomenklatur in den Jahren 1931 und 1934 zu einem vorläufigen Abschluss gelangte.136 Der zusammenfassende Begriff der »Ergänzungsstoffe« verdeutlicht die Integration des Neuen in das Gesamtgefüge.137 Als nachgewiesen wurde, dass die Vitamine eine neue Stoffgruppe bildeten, erlaubte der Begriff eine defensive Reaktion der Ernährungswissenschaft. Eine Revolution fand im Ernährungssektor nicht statt, vielmehr wurde die Sprengung des Ringes der Nährstoffe in eine Erweiterung des Stoffparadigmas umgedeutet.

2.3.2 Mehr als eine Metapher: Vitamine, Gesundheit und Leben Getragen vom Anspruch einer experimentell begründbaren Wahrheit drang wissenschaftliches Know-how, aber mehr noch die vielfältig damit verbundenen Träume und Hoffnungen in den Bereich der Wirtschaft, der Öffentlichkeit und der Einzelhaushalte vor. Die öffentliche Rezeption der neuen Stoffgruppe machte deutlich, dass wissenschaftliches Wissen wachsende Bedeutung für die tägliche Kost gewann. Stoffe wurden nun immer stärker als relevante Realität auch für den Alltag verstanden, Nachfragestrukturen und Verhalten von ihnen nachhaltig beeinflusst.138 Dabei ging es nicht darum, wissenschaftliches Wissen fachlich angemessen wahrzunehmen, sondern es fand eine spezifische Brechung des neuen Wissens statt. Lebensmittelbestandteile wurden mit lebensweltlichen Wertigkeiten besetzt und zu Orientierungspunkten des Alltags. Simple Polaritäten wie »gut« und »schlecht«, »gesundheitsförderlich« und »gesundheitsschädlich« dominierten. Die stoffliche Struktur der Nahrungsmittel und Speisen trat immer stärker hervor, während Essen und die Art der Ernährung – also die Handlungsebenen – weniger bedeutsam wurden. Die enge Verbindung von Stoffen und Krankheiten förderte diese Blickfeldverengung, und die strikte Orientierung der Vitaminforschung an der Bekämpfung von Avitaminosen 136 Vgl. etwa Seidell, Atherton u. a.: Vitamin B Terminology, Science 69, 1929, 276; Kreitmair: Die 2. Internationale Konferenz für die Vitamin-Standardisierung, DMW 60, 1934, 1252–1253. 137 Vgl. etwa Brigl, Percy: Über Ergänzungsstoffe (Vitamine), Tübingen 1922. 138 Entsprechend ist es sachlich falsch, wenn man, wie Werner, Petra: Vitamine als kollektiver Mythos, Dahlemer Archivgespräche 2, 1998, 140–157, hier 143, davon ausgeht, dass Vitamine erst ab 1935 in die deutsche Alltagssprache übernommen wurden. Die Vielzahl von Verwendungen in Werbung und populären Illustrierten legt vielmehr nahe, dass der Begriff seit Anfang der 1920er Jahren zunehmend gängig wurde, dass er spätestens seit 1924/25 Teil der Alltagssprache war.

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beschleunigte dies folgenreich: Wissenschaft wurde nicht allein zum Produzenten stofflichen Wissens, sondern auch von Mythen. Das galt einmal hinsichtlich der Vorstellung, welche Bedeutung Essen und Nahrung für den Menschen habe. Wissenschaftler feierten die »prompte Heilwirkung«139 der Reiskleie bei der Behandlung von Beriberi, setzten damit jedoch Nahrung und Pharmakon ansatzweise gleich. Stoffzufuhr wurde zur kausalen Gesundheitsarbeit. Die Ausdifferenzierung des Stoffparadigmas führte anderseits nicht zu wachsender Klarheit über die Prinzipien der Ernährung. Gute Nahrungsmittel allein reichten nicht mehr: »Es gehört noch etwas dazu, ein Plus, eine besondere Art von Stoffen«140. Wissenschaft produzierte Wissen um Bedeutsamkeit, zugleich aber konnte sie angesichts des letztlich bestehenden Nichtwissens über die Struktur der neuen Stoffe nicht festlegen, welche Stoffe der Einzelne in welcher Menge zuzuführen hatte, um das angestrebte Ziel der Gesundheit auch zu erreichen. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzungschancen wurde seitens führender Wissenschaftler klar gesehen. Die Substitution von subjektivem durch objektiviertes Wissen war daher keineswegs einfach und überzeugend. Von der Benennung der Vitamine über deren langsames Bekanntwerden in der Öffentlichkeit bis hin zu ersten synthetischen Präparaten und umfassenden klinischen Stoffwechselversuchen gab es eine lange, mehr als 20 Jahre währende Periode des bedingten Nichtwissens, in der einerseits Mythen von Kausalität und unbekannten Wirkstoffen bestanden. Anderseits aber blieben die wissenschaftlichen Ernährungsempfehlungen allgemein und orientierten sich an der Vorstellung einer in sich ausgeglichenen harmonischen Mischkost. Dieser schon von Liebig propagierte Rat spiegelte die grundsätzlich bestehende Vorstellung, dass subjektives Wissen zu einer vernünftigen Ernährungsweise führen konnte, ja, im Regelfall auch führte. Die Vitaminforschung machte die möglichen negativen Folgen einer Denaturierung der Nahrung durch gewerbliche Bearbeitung offenbar, bewirkte damit aber weitere, in sich widersprüchliche Vorstellungen. Auf der einen Seite wurde das Ideal einer sorgenden, in sich harmonischen Natur hochgehalten. Die Vitaminforschung ermöglichte demnach eine neuartige reflektierte Wertschätzung der »Natur« bzw. »natürlicher« Nahrung. Auf der anderen Seite aber schuf sie ein Wissen, mit dessen Hilfe die Folgen menschlicher Eingriffe nachträglich wieder bereinigt werden konnte, indem Vitamine ergänzend zugeführt wurden.141 Das neue Wissen schuf damit keine Klarheit und Sicherheit, erweiterte jedoch die Handlungsmöglichkeiten. 139 Mezger, Otto: Der jetzige Stand der Vitaminforschung, Die Umschau 27, 1923, 609– 613, hier 610. 140 Dekker, Hermann: Lebenswichtige Begleitstoffe der Nahrung. Eine Umschau über die Ergebnisse der Vitaminforschung, Kosmos 22, 1925, 173–181, hier 174. 141 Vgl. Noorden/Salomon, 1918, 5. Interessant ist der Bedeutungstransfer des Begriffes. »Denaturieren« hieß seit den 1880er Jahren die steuerlich begründete Vergällung von Alkohol.

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Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Rachitis war im Kaiserreich eine der am weitesten verbreiteten Krankheiten, mehr als ein Drittel der Deutschen litt unter mehr oder minder schweren Deformationen und Unebenheiten des Knochensystems. Die Ursache von Rachitis war lange Zeit unklar und die Krankheit kaum zu therapieren. Vielfach ging man von einer Infektionskrankheit aus, konnte jedoch keine verursachenden Bakterien nachweisen.142 Man behalf sich mit empirisch plausiblem Erfahrungswissen: Entsprechend wurden bessere und trockene Wohnungen gefordert, eine kräftigende Ernährung im Kindesalter oder aber abhärtende Gymnastik an frischer Luft. Lebertran bzw. der Knochenbestandteil Kalzium wurden verordnet, ohne aber kausale Bezüge zwischen Krankheit und Ernährung ziehen zu können. Das änderte sich mit der Vitaminforschung. Rachitis galt zunehmend als eine Avitaminose, bei der es an Vitamin D mangelte.143 Das Problem der Medizin und besorgter informierter Eltern war allerdings, dass Nahrungsmittel mit hohem Vitamin D-Gehalt in der Regel nicht von Kindern verzehrt wurden, dass insbesondere Milch nur geringe Mengen enthielt. Die Natur hatte hier offenbar nicht vorgesorgt. Stattdessen wurde Lebertran propagiert, der teuer war und schlecht schmeckte. Eine künstliche Alternative schien die Höhensonne zu bieten, nachdem Kurt Huldschinsky 1918 mit ihrer Hilfe Rachitis mildern konnte. Sie führte zu teuren technischen Produkten, professionalisierte spezielle Sonnenkuren, konnte Gesundheitsschädigungen hervorrufen, wirkte nur mildernd, nicht aber präventiv. Der Zusammenhang von Lichteinwirkung, Vitaminmangel und Krankheitsentwicklung blieb unklar. Mitte der 1920er Jahre zeigte sich allerdings, dass bestrahlte Milch ebenfalls mildernde Auswirkungen auf Rachitis besaß.144 Große Hoffnungen begleiteten die Produktion und den Vertrieb dieser künstlich behandelten Milch, doch angesichts der dadurch bedingten Zerstörung anderer Inhaltsstoffe war das Ergebnis wissenschaftlich umstritten (Kap. 5.6.3).145 Das Prinzip der Bestrahlung wurde konsequent weiter benutzt, Mütter und Kühe gleichermaßen UV-Licht ausgesetzt, um so deren Milch zu verbessern. Chemische Untersuchungen erlaubten endlich die Isolation des zentralen Wirkstoffes, des Ergosterins. Er galt anfangs als Vitamin D, seine Synthese 1927 wurde als Lebensreform und Vitaminlehre übertrugen ihn dann auf breitere Bereiche nicht bedachter Eingriffe des Menschen in vermeintlich natürliche Zusammenhänge des Ernährungssektors. Seit den späten 1910er Jahren wurde er dann Ausdruck einer nicht näher zu benennenden Vorstellung von Qualitätsverlusten und Grundlage breit gefasster Dekadenzvorstellungen. 142 Vgl. Carpenter, Kenneth J./Zhao, Ling: Forgotten Mysteries in the Early History of Vitamin D, Journal of Nutrition 129, 1999, 923–927. 143 Müller, Erich: Theorien der Ursache und diätetischen Behandlung der Rachitis, MK l 17, 1921, 737–739; Stoelzner, W.: Die Rachitis als Avitaminose, MMW 68, 1921, 1481–1482. 144 Hess, Alfred F.: Die Aktivierung von Cholesterin und Nahrungsmitteln mit Hilfe von ultravioletten Strahlen, DMW 52, 1926, 577–579. 145 Vgl. Hottinger, A[dolf]: Verhütung und Heilung der Rachitis durch bestrahlte Nahrung, VE 1, 1925/26, 86–88.

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wichtiger Durchbruchserfolg gefeiert.146 Das Vitaminpräparat Vigantol erzielte beträchtliche Erfolge und nährte umfassende Hoffnungen einer neuen Ära der diätetischen Behandlung. Es rief jedoch auch gesundheitliche Nebenwirkungen hervor, da mangels eindeutiger Bedarfsnormen anfangs Überdosierungen üblich waren.147 Die weitere Strukturforschung ergab zudem, dass es sich hierbei nicht um Vitamin D handelte, sondern um ein Provitamin, das durch Lichteinwirkung auch im Körper gebildet werden konnte, das den Krankheitsverlauf milderte. Die Vorstellung eines einheitlichen Vitamin D wurde fallengelassen, an die Stelle trat die Vorstellung einer Stoffgruppe und eines komplexen Stoffwechselprozesses. Durch die wachsende Zahl von Vitaminpräparaten wurde die Verbindung von Vitamin D-Konsum und Rachitisentwicklung bestärkt, doch eine kausale Erklärung ist bis heute nicht gelungen.148 So wichtig der Einsatz von Vitaminpräparaten, von Lebertran und auch bestrahlter Milch war, so wurde Rachitis doch durch die verbesserten Wohn- und Hygienebedingungen mindestens ebenso stark eingedämmt. Wissenschaftliches Wissen konnte trotz hohem Mitteleinsatz letztlich keine eindeutige Antwort geben, erlaubte jedoch die Schaffung von marktfähigen Produkten. Doch nicht minder wichtig war die Produktion von Vorstellungen über die gesundheitliche Wirksamkeit kleinster Nahrungsbestandteile. Wissenschaft galt als Heilmacht, die zwar im Detail scheitern konnte, die am Ende des Forschungsprozesses aber gesundheitlich relevante Ergebnisse hervorbrachte. Die Kosten und Mängel dieses Modells lagen vornehmlich in der Ausgrenzung von Umweltfaktoren sowie der Wirkungsmechanismen anderer Stoffe, insbesondere des ehedem vorrangig diskutierten Kalziums und des Phosphors. Die quantitative Bedeutung der Rachitis und ihre Prävention bei Säuglingen und Kleinkindern erlaubten einen indirekten Rückschluss auf die immensen mit der Vitamintherapie verbundenen Hoffnungen. Begrifflich wurden sie im zeitgenössischen Begriff des »Vitaminrummels« gebündelt (Kap. 5.1).149 Er drückte auf der einen Seite die Überraschung v. a. der klinischen Forschung über die Alltagswirkungen der eigenen Arbeit aus. Tuberkulin, Salvarsan, Aspirin oder Veronal waren wichtige, breit diskutierte Arzneimittel, doch keines da 146 Holtz, Friedrich: Die Rachitis und ihre Beziehung zum Ergosterin, DMW 53, 1927, 706–708; György, Paul: Therapeutische Versuche mit bestrahltem Ergosterin, KW 6, 1927, 580–584. 147 Wiskott, Alfred: Zur Vigantolbehandlung der Rachitis, MMW 75, 1928, 1445–1448, 1451–1453 (inkl. Disk.); Remy, E[duard]: Zur Chemie der Vitamine, MK l 23, 1927, 444–448, hier 448; Herzenberg, Helene: Über Vigantolschäden, MW 4, 1930, 668–670. 148 Gaßmann, Berthold: Vitamin D. Definition, Ernährungsphysiologie, Stoffwechsel, Versorgung und Versorgungszustand in der Bundesrepublik Deutschland, EU 45, 1998, 137–140. 149 Zur USA vgl. die fundierte Studie von Apple, Rima D.: Vitamania. Vitamins in Ame­ rican Culture, New Brunswick 1996. Ende der 1920er Jahre sprach man vielfach auch vom »Vitaminfimmel«, so etwa Vitamingehalt von Butter und Margarine, MZBl 55, 1926, 211.

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von erlangte auch nur annähernd die Bedeutung der Vitamine. Auf der anderen Seite war er insbesondere zwischen 1925 und 1935 ein Kampfbegriff vor allem derer, die vor überbürdenden Hoffnungen warnten bzw. deren Absatz durch die neuen Vorstellungen gefährdet schien.150 Vertreter der Konservenindustrie wandten sich explizit gegen die »Vitamin-Sensation«151. Die Wissenschaftler, deren Arbeit die Hoffnungen selbst genährt hatte, kritisierten, dass das Publikum in ihnen ein »Allheilmittel«152 sah, während die Forschung offenbar noch keine endgültigen Aussagen treffen konnte. Forscher kritisierten wieder und wieder die mit Vitaminen erzielbare »billige Popularität«153, denn seit den späten 1920er Jahren wurde ihre Stellung in der Öffentlichkeit zunehmend von qualifizierten Mittlerpersonen übernommen. Wissensproduktion und Wissensvermittlung traten zunehmend auseinander: Die Forschung wurde damit sachlicher, während die Kommunikatoren vielfach mit den durch die Stoffe hervorgerufenen und verbundenen Mythen spielten, um Veränderungen im Ernährungsverhalten hervorzurufen. Die Vitaminlehre bewirkte in der Öffentlichkeit durchaus auch eine langsame Neudefinition von »gesunder« Ernährung. Das Wissen um den Stoff­gehalt der Nahrung wurde bedeutsamer, langsame Veränderungen des Konsums gründeten hierauf. Frische pflanzliche Produkte mit hohem Vitamingehalt gewannen an Bedeutung, Konserven gerieten in den Ruch unvollständiger Lebensmittel. Nicht mehr der Nährwert oder der Eiweißgehalt, sondern ein scheinbar besser fassbarer abstrakter Qualitätsbegriff mit chemischem Hintergrund prägte wissenschaftliche und öffentliche Debatten. Der Aufschwung der Furchtsaftproduktion und der in den 1920er Jahren stark steigende Südfrüchteund Rohkostkonsum gründeten auf der »Neuen Ernährungslehre«. Folgen des »Vitaminrummels« schlugen sich in der hauswirtschaftlichen Ausbildung nieder, die ein wichtiges Element des Wissenstransfers wurde. Die durchschnittliche Kochdauer der Speisen verringerte sich, schonendere Zubereitungsweisen wie das Dämpfen wurden vermehrt propagiert. Neues Kochgeschirr, Dampfund Schnellkochtöpfe unterstützten diese Veränderungen. Die Bewertung ganzer Produktgruppen, etwa der Dosenkonserven, veränderte sich grundlegend (Kap. 4.3.3). Die Auswirkungen von Konservierungsmitteln sowie die Wärmebehandlung von Nahrungsmitteln standen nun zur Debatte. Der Vitaminverlust einzelner Nahrungsmittel, etwa von gebleichtem Mehl, poliertem Reis 150 Vgl. etwa Fincke, Heinrich: Ernährungswissenschaft und Nahrungsmittelindustrie, DNR 1930, 180–181, 186–189; Juckenack, [Adolf]: Silvesterbetrachtungen über Ernährungsprobleme. Was ist Wahrheit?, DNR 1931, 1–4. 151 Serger, H[ermann]: Die sogenannte Frühlingsmüdigkeit, Der Materialist 50, 1929, Nr. 15, 3. 152 Kißkalt, Karl: Pseudohygiene, MMW 86, 1939, 877–880, hier 877. 153 Szent-Györgyi, Albert v.: Neuere Ausblicke der Vitamintherapie, DMW 63, 1937, ­1789–1791, hier 1791.

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oder pasteurisierter Milch, wurde nun öffentlich als Wertverlust wahrgenommen, materialisierte Zivilisationsängste vor künstlicher Kost und ihren Folgen (Kap. 5.6).154 Neues Wissen hatte offenbar tiefgreifende Folgen, die sich vielfach schon einstellten, bevor ernährungswissenschaftliche Grundlagenforschung Belege für die Bewertungen und die damit verbundenen Bedeutungsüberschüsse erbracht hatte. Wissenschaftliches Wissen gewann Ordnungsqualität für den Alltag und repräsentierte ein überlegenes Wissen um die Struktur von Nahrung und Gesundheit.155 Die Kenntnis neuer Stoffe mündete in neuartige innengeleitete Handlungsmaximen.156

2.3.3 Substanzbildung: Mineralstoffe als Asche und Nährstoff In den 1920er Jahren traten neben den Vitaminen auch die Mineralstoffe in den Fokus von Wissenschaft, Öffentlichkeit und Nahrungsmittelindustrie. Die Bedeutung von Kalzium, Jod, Natriumchlorid, Phosphor und anderen Stoffen wurde nicht mehr länger von Ärzten, Ernährungswissenschaftlern und Lebensreformern diskutiert, sondern das Wissen um ihre physiologischen Funktionen mutierte zum Allgemeinwissen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg waren fortifizierte Produkte in den bürgerlichen Haushalten verbreitet (Kap. 3.4.2 und 3.6.3). Dieser Bedeutungswandel bedarf der Erklärung, handelt es sich doch um eine Stoffgruppe, die teils schon seit dem späten 18. Jahrhundert bekannt und benannt war. Die chemische Struktur anorganischer Substanzen konnte jedenfalls einfach ermittelt werden. Umso schwieriger war es jedoch, ihre physiologischen Funktionen detailliert zu benennen. Der jeweilige Stoffwechsel folgte anderen Kriterien als dem der Nährstoffe, lagerten sich viele Mineralstoffe doch langfristig im Körper ein, waren sie zudem an nahezu allen »Lebensprozessen« beteiligt. Begrifflich sprach man Mitte des 19. Jahrhunderts allerdings nicht von Mineralstoffen, sondern von Asche. Dieser Begriff resultierte aus der Laborpraxis, aus der quantitativen Stoffbestimmung durch Verbrennung. Die Mineralstoffe bildeten eine Restgröße, die man griffig als »Baustoffe ohne Brennwert«157 154 Vgl. als Überblick Ziegelmayer, Wilhelm: Unsere Lebensmittel und ihre Veränderungen. Mit einer Darstellung der Lehre von der Kochwissenschaft, Dresden/Leipzig 1933. 155 Mezger, Otto: Der jetzige Stand der Vitaminforschung, Die Umschau 27, 1923, ­609–613, hier 613. 156 Die Validität der Vitaminangaben in der hauswirtschaftlichen Literatur war Ende der 1920er Jahre allerdings gering, Vorstellungen von vitaminreichen Speisen waren vielfach wichtiger als quantitative Daten. Vgl. Hahn, F[riedrich] V[incenz] [sic!] v.: Von der Vitaminbedeutung für unsere Ernährung und vom Vitaminunfug in modernen Kochbüchern, VE 4, 1929, 41–43. 157 M[ayerhofer, Ernst]: Mineralstoffe, in: Ders./Pirquet, C[lemens] (Hg.): Lexikon der Ernährungskunde, Wien 1926, 726–727. Zu bemerken ist allerdings, dass einzelne Mineralstoffe durch Verbrennen zerstört wurden.

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bezeichnete, da man sie insbesondere in den Knochen, der Haut und dem Gehirn nachweisen konnte. Ihre Physiologie wurde durch die Münchener Schule in den 1870er Jahren experimentell untersucht, indem man Hunde und Tauben mit aschereicher bzw. -armer Nahrung fütterte.158 Mineralstoffe beeinflussten den Nährstoffwechsel offenbar nicht, ihr Fehlen rief aber bei einzelnen Organen Funktionsstörungen hervor. Sie waren somit essenziell, doch eine normale Mischkost sollte genügend dieser Stoffe enthalten. Wissenschaftliche Expertise vertraute hier wieder einmal auf die »Natur«. Die nur kurzfristig angelegten Experimente erlaubten jedoch keine präzisen Verzehrsempfehlungen, dazu hätte es längerfristiger Untersuchungen mit einzelnen Mineralstoffen bedurft. Die Essenzialität der Stoffgruppe war an sich einfach zu deduzieren, basierte das Stoffparadigma doch auf der Gleichsetzung von Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Agrikulturchemie hatte belegen können, dass die Zufuhr einer hinreichenden und ausgewogenen Menge von Mineralstoffen notwendig für einen hohen Ertrag war.159 Auch die Futtermittelproduktion gründete hierauf. Während die chemische Agrarwissenschaft jedoch zahlreiche aussagefähige Modelle zur exakten Bestimmung der notwendigen Stoffe erarbeitete, war der Stoffwechsel von Tieren und Menschen offenbar komplexer, zumindest aber schwieriger zu modellieren. Die biochemische Forschung konnte schon vor dem Ersten Weltkrieg nachweisen, dass Mineralstoffe am Zellaufbau, an der Blut- und Lymphzirkulation, an der Osmose und Resorption wesentlich beteiligt waren. Klarer wurde auch, dass einzelne Mineralstoffe in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen mussten, damit der Körper optimal funktionierte.160 Wie unspezifisch das Wissen seinerzeit war, zeigen die immensen Unter­ sicherheiten bei der Bedarfsschätzung einzelner Stoffe. Sie schwankten um mehr als 100 %.161 Da präzise Stuhlwerte fehlten, mussten die Zahlen faktisch höher sein und entsprechend stärker streuen. Die erhöhte Forschungsintensität und die intensive Reaktion in der Öffentlichkeit nach dem Ersten Weltkrieg re 158 Forster, J[oseph]: Versuche über die Bedeutung der Aschebestandtheile in der Nahrung, Zeitschrift für Biologie 9, 1873, 297–380. 159 Grundlegend war seinerzeit Pfeffer, W[ilhelm]: Pflanzenphysiologie. Ein Handbuch des Stoffwechsels und Kraftwechsels in der Pflanze, 2 Bde., Leipzig 1881. 160 Vgl. Aron, Hans: Über die physiologische Bedeutung der Kalksalze und ihre therapeutische Verwendung, TM 21, 1907, 194–198. Breit diskutiert wurde seinerzeit der »Kalkfaktor«, also das Verhältnis von Kalzium und Magnesium. Vgl. hierzu Loew, Oscar: Der Kalkbedarf von Mensch und Tier. Zur chemischen Physiologie des Kalks bei Mensch und Tier, 2. verm. u. verb. Aufl., München 1919. 161 Schilling, Fr[iedrich]: Mineralstoffwechsel, TM 21, 1907, 351–356, hier 352. Vgl. auch Usener, Walter: Ueber die biologischen, diätetischen und pharmakologischen Wirkungen des Kalziums, BKW 57, 1920, 1144–1149, hier 1144; Rubner, [Max]: Ueber die Frage des Kalkmangels in der Kost. Gutachten der Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen in Berlin, Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen 3. F. 60, 1920, 1–26, hier 12–16.

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sultierten zum einen aus der Vitaminforschung. Sie intensivierte die stoffliche Wissensproduktion allgemein, erforderte zugleich aber eine chemische und physiologische Isolation immer kleinerer Stoffe. Davon profitierte die Mineralstoffforschung direkt und indirekt, mussten doch Vitaminwirkungen klar von den Wirkungen anderer Stoffe geschieden werden. Zum anderen hob die allseits wahrgenommene »Auslaugung« und »Demineralisierung« der Kriegskost nochmals die essenzielle Bedeutung dieser Stoffgruppe hervor. Der Verweis auf eine auskömmliche Mischkost mochte zwar stimmen, doch in Krisensituationen war präziseres Wissen von Nöten, um gezielt vorbeugen bzw. Gesundheitsschäden mindern zu können. Schon vor 1914 hatten einzelne Ärzte die Bedeutung bestimmter Mineralstoffe hervorgehoben, hierin den Lebensreformern kritisch folgend (Kap. 3.6.1). Insbesondere Eisenpräparate wurden von der Nahrungs- und Arzneimittelindustrie angeboten und breit beworben.162 Um diese Intensivierung und Veränderung des Wissens genauer zu analysieren, bieten sich zwei Beispiele an, nämlich die Mengenelemente Kalzium und Jod. Sie repräsentieren zugleich eine Phase der Wissensproduktion, die – außerhalb des Denkfeldes der »Nährsalze« – Mikroelemente kaum bedachte. Kalzium, in der populären Sprache vielfach Kalk genannt, galt schon im 19. Jahrhundert als wichtigster Mineralstoff. Für die Knochenbildung war er zentral, ließ sich praktisch im gesamten Körper nachweisen, war offenbar wichtig für die Nerventätigkeit und die Blutgerinnung. Kalzium hatte zudem eine aktive Funktion bei »der Regelung des Stoffwechsels«163, konnte der Mineralstoff doch im Zellkern nachgewiesen werden. Kalziumpräparate dienten im späten 19. Jahrhundert als Stärkungsmittel, als Knochen- und Nervennahrung. Klinisch wurden sie vor allem im Zusammenhang mit der Rachitisbekämpfung erforscht.164 Daneben fand seit der Jahrhundertwende die Verbindung von Kalziumzufuhr und Zahngesundheit Interesse, waren der Mineralstoffgehalt der Milch und des Wassers Gegenstände sozialhygienischer Debatten, die Knochen-, Zahngesundheit und Militärtauglichkeit koppelten.165 Kalzium erschien vor diesem Hintergrund als ein Grundstoff körperlicher Leistungsfähigkeit. Die Diskrepanz zwischen einer nicht vorhandenen Grund 162 Vgl. etwa Quaglio’s Eisen-Bouillon-Tabletten, BKW 29, 1892, 2. S. v. 1; Roos, E[rnst]: Über Eisensomatose, TM 11, 1897, 488–490; Kornauth, Karl: Über Fersan, ein neues eisenund phosphorhaltiges Nährpräparat, Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie 4, 1901, 480–486. 163 Winckel, Max: Die Bedeutung des Kalks für den Menschen, VE 4, 1929, 187–188, hier 187. 164 Magnus-Levy, [Adolf]: Der Mineralstoffwechsel in der klinischen Pathologie, MMW 56, 1909, 892–893, hier 892. 165 Prochno: Die Bedeutung der Kalksalze für die Ernährung, Die Therapie der Gegenwart 50, 1909, 200–202, hier 201.

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lagenforschung, heterogenen Bedarfsschätzungen und einem allgemeinen Wissen um die Wichtigkeit des Stoffes führte dazu, dass Kalzium schon vor dem Ersten Weltkrieg zu einem Stoff wurde, der von einzelnen Ärzten erfolgreich als Schlüsselfaktor der Ernährung propagiert und vermarktet wurde. »Populäre« Wissenschaft bot eine allgemeine Folie für Wichtigkeit, etablierte Nischenmärkte und Laienbewegungen. Die moderne Lebensweise beeinflusste Ernährung und Nahrungsproduktion negativ, die Kalkarmut der täglichen Kost musste bekämpft werden. Dagegen wurde künstliche Kost gesetzt, namentlich Kalziumbrote, Kalksalz, milchsaurer Kalk und Kalktabletten.166 Diese Laienbewegung, getragen durch den »Bund der Kalkfreunde« (Werberuf »allzeit Kalk«) forderte im Ersten Weltkrieg die umfassende Fortifizierung des Getreides mit Schlämmkreide und setzte damit die staatliche Ernährungsverwaltung unter Rechtfertigungszwänge, da Mineralstoffe einfach verfügbar waren und die Härten der Kriegskost scheinbar mildern konnten.167 Laienbewegungen erreichten beträchtlichen Umfang. Die seit 1902 publizierte »Zeitschrift für Biochemie« propagierte nicht nur die Ideen des »Begründers der Mineralstoffheillehre«, Wilhelm Schüßler, und war Organ des späteren »Reichsbundes für Mineralstofflehre« und des 1922 gegründeten »Biochemischen Bundes Deutschlands«. Sie wurde Mitte der 1920er Jahre auch in Auflagen von 250.000 Exemplaren gedruckt, in den 1930er Jahren waren es dann mehr als 400.000. Mehr als 600 wissenschaftliche Bibliotheken und Institutionen erhielten sie kostenlos. Ein Netzwerk von Lokal- und Regionalvereinen überzog seit den 1920er Jahren das Deutsche Reich, transferierte und produzierte populäres Wissen abseits der etablierten Wissenschaft.168 Letztere hatte zu reagieren, wollte sie ihre Stellung als führender Wissensproduzent behaupten. Zum einen etablierte sich Kalzium als ein Nahrungsergänzungsmittel, das nach ärztlicher Vorschrift insbesondere an Frauen verabreicht wurde. Zum anderen begann die etablierte Forschung in den 1920er Jahren, Fragen des allgemeinen Bedarfs zu klären.169 Im Rahmen der späteren Kriegsvorbereitung wurden immer detaillierte Stoffwechselunter­suchungen betrieben, da für die Rationierung Bedarfssätze notwendig waren.170 166 Einen Überblick enthält Franck, Ernst: Die Kalkdiät, 6. verm. u. verb. Aufl., München 1917. 167 Vgl. Rubner, 1920, v. a. 3–11. 168 Vgl. als Überblick und Selbstdarstellung Siebke, E.: Was leistet der Biochemische Bund Deutschlands?, Zeitschrift für Biochemie 30, 1931, 36–38, 85–89. Die Popularisierung der Stoffe wandelte sich kaum, diese wurden in wieder ähnlichen Bildern präsentiert, vgl. etwa Mahla, [Karl A.]: Das Kalzium, Zeitschrift für Biochemie 38, 1939, 1–3. 169 Einen Überblick gibt Lintzel, Wolfgang: Mineralstoffe, in: Mangold, Ernst (Hg.): Handbuch der Ernährung und des Stoffwechsels der landwirtschaftlichen Nutztiere als Grundlagen der Fütterungslehre, Bd. 1: Nährstoffe und Futtermittel, Berlin 1929, 184–222. 170 Vgl. als Beispiel Dorfner, Hanswerner: Über den Mineralstoffwechsel des Menschen, Med. Diss. Jena, Zeulenroda 1938; Althoff, Heinrich: Mineralstoffwechsel und Diätetik, Med. Diss. Frankfurt a. M., Lippstadt 1939.

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Für die Frage nach der Kontur einer Wissensgesellschaft ist diese innerwissenschaftlich Professionalisierung jedoch nur eine Seite der Medaille. Die öffentliche Resonanz auf das populäre Wissen spiegelt vielmehr systematische Wissenskämpfe, in denen stoffliches Denken sich insgesamt durchsetzte und in immer spezifischere Bereiche vordrang. Laboratoriumsforschung in der idealisierten Form »sachlicher« Arbeit war im Mineralstoffbereich seit den 1910er Jahre nicht mehr möglich. Der Wissenschaft blieb vorrangig die Abgrenzung zu vermeintlich unzureichendem Wissen. Max Rubner betonte, »der organisierte Wust von oberflächlichen Behauptungen und angeblichen Erfahrungen wird auf ruhige sachgemässe Behandlung des Problems schädlich wirken.«171 Dieses Wechselspiel dynamisierte die Wissensproduktion, entwertete altes Wissen und ersetzte es durch spezifischeres Neues. Während beim Kalzium der Widerstreit zwischen Physiologen und einer nicht unbeträchtlichen Laienbewegung im Mittelpunkt stand, wurde Jod vorrangig von Ärzten selbst thematisiert. Jod wurde 1811 durch den französischen Arzt Bernard Courtois entdeckt und schon früh mit dem weit verbreiteten Kropf verbunden. Er war insbesondere in den alpinen Regionen vielfach üblich. Die vergrößerte Schilddrüse führte zu Atemproblemen, minderte die körperliche und insbesondere geistige Leistungsfähigkeit. Die Folgen für die Betroffenen waren erheblich, Stoffwechselprobleme kennzeichneten das Fortleben, »Kretinismus« die Auswirkungen auf die geistigen Fähigkeiten. Die Mediziner zielten auf eine kausale Ätiologie und dann eine Therapie des Kropfes. Schon im frühen 19. Jahrhundert wurde der Bezug zum Jod geknüpft, konnte es doch 1819 in Schwammasche nachgewiesen werden, dem seinerzeit üblichen Mittel gegen den Kropf. 1820 wurde der Stoff von dem Genfer Arzt Jean-François Coindet explizit als Heilmittel empfohlen, doch seine Therapie setzte sich aufgrund immenser Nebenwirkungen nicht durch. Reisebeobachtungen, insbesondere die Jean-Baptiste Boussingaults in Bolivien, unterstrichen jedoch eine Korrelation zwischen Jodkonsum und Kropfinzidenz. Auf Basis epidemiologischer Beobachtungen verband der französische Arzt Adolphe Chatin 1850 die Einzelaspekte zu einer umfassenden Deutung: Kropf und Kretinismus seien in Gebieten mit normalem Jodgehalt des Bodens unbekannt, diese Krankheiten nähmen zu, wenn der Jodgehalt abnähme, Jod sei demnach zentral für den Kampf gegen den Kropf. Auf dieser Wissensgrundlage setzten in den 1850er Jahren in drei französischen Departements zugleich kurative und präventive Aktivitäten ein: Jodkali wurde mittels der Trägersubstanz Kochsalz Teil des Ernährungsalltags, Schulprophylaxe erfolgte durch Jodkaliumtabletten, jodhaltige Luft diente einer gezielten Kur von Betroffenen. Wiederum waren die Heilerfolge beträchtlich, ebenso aber die nicht intendierten Folgen: Spezifische Krankheiten traten auf, wurden 1860 als »iodisme constitutionell« bezeichnet, in deutschsprachigen 171 Rubner, 1920, 24.

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Gebieten als »Jodbasedow«. Sie waren Folge einer zu hohen Dosierung des Jods (mit 1–5 Dezigramm lagen die Mengen mindestens 25-fach über den üblichen Dosen der frühen 1920er Jahre), die im Rahmen der sog. »wilden«, also einer nicht ärztlich betreuten Kropfprophylaxe, eine allgemein anerkannte Gefahr wurde.172 Der Einsatz von Jod war offenkundig ein zweischneidiges Schwert. Der Siegeszug der bakteriologischen Forschung ließ diese kausalen Erklärungsansätze seit den 1870er Jahren in den Hintergrund treten. Medizin und Bakteriologie deuteten den Kropf zunehmend als Infektionskrankheit, forschten nach verursachenden Bakterien, konnten diese jedoch nicht ausfindig machen. Die praktische Behandlung setzte weniger auf Prävention, denn auf Chirurgie, nahm doch die Zahl der Schilddrüsenextraktionen im späten 19. Jahrhundert immens zu. Auch der Nachweis, dass die Schilddrüse Jod enthalte, konnte die Wissensmode nicht brechen.173 Die Deutungshoheit der Bakteriologie wurde erst nach der Jahrhundertwende systematisch in Frage gestellt, die Vitaminforschung bildete hierfür einen wichtigen Anlass. 1915 formulierte der Schweizer Arzt Hunziker neuerlich die Theorie vom Kropf als Jodmangelkrankheit und forderte den Einsatz von Jodsalz als Therapie und Prophylaxe.174 Diese Diskussion strahlte auch auf Deutschland aus, seit 1921 wurde Schulkindern in Württemberg Jodpastillen mit 3 mg Jodkali verabreicht. Wichtiger war die 1922 einsetzende und genau dokumentierte Vollsalzprophylaxe im Schweizer Kanton Appenzell A.-Rh., die kausale Zurechnungen von Wirkung und Nebenwirkung erlaubte. Kropf trat bei Kindern zunehmend seltener auf und bildete sich bei vielen Erwachsenen signifikant zurück.175 Trotz dieser offenkundigen Erfolge setzte sich die Vollsalzprophylaxe nicht durch, obwohl sie seit Anfang bzw. Mitte der 1920er Jahre in weiteren Schweizer Kantonen, in Österreich, Bayern, Württemberg, Baden, Teilen Preußens und zahlreichen europäischen und außereuropäischen Staaten angewandt wurde. Die heute gängige Kausalverbindung von Jod und Schilddrüse, von Mineralstoffzufuhr und Krankheitsbildung schien angesichts der Vorgeschichte in den 1920er Jahren eben nicht eindeutig. Zum einen bestand angesichts einer inten 172 Zur Frühgeschichte vgl. Quervain, F[ritz] de: Schilddrüse und Jod mit Rücksicht auf die Kropfprophylaxe, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 3, 1922, 857–862, hier 857–858. Umfassend hierzu Merke, F[ranz]: Geschichte und Ikonographie des endemischen Kropfes und Kretinismus, Bern/Stuttgart/Wien 1971, v. a. 7–9, 46–55, 250–252. 173 Zentral war Baumann, E[ugen]: Ueber das normale Vorkommen von Jod im Thier­ körper, Zeitschrift für physiologische Chemie 21, 1895, 319–330, 481–493. 174 Hunziker, H[einri]ch: Der Kropf, eine Anpassung an jodarme Nahrung. Aphoristische Gedanken über Wesen und Verhütung des Kropfes, Bern 1915. 175 Eggenberger, Hans: Die Kropfprophylaxe in der Schweiz, MMW 71, 1924, 972–977; Ders.: Resultate der Kropfprophylaxe in Appenzell A.-Rh., Schweizerische Medizinische Wochenschrift 8, 1927, 671; Ders.: Die Jodmangeltheorie und ihre Erfolge, in: Stiner, Otto (Hg.): Zweite Internationale Kropfkonferenz in Bern 10.–12. August 1933. Verhandlungsbericht, Bern 1935, 454–468.

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siven epidemiologischen Forschung eine beträchtliche Konkurrenz von Deutungsmustern. Die Jodmangeltheorie wurde insbesondere durch systematische empirische Untersuchungen in Frage gestellt, die zeigten, dass Kropf auch in Gebieten mit relativ hohen Jodbodenwerten »epidemisch« war, dass er sich anderseits in Jodmangelgebieten nicht durchweg nachweisen ließ. Auf der anderen Seite hatten die immer wieder auftretenden Nebenwirkungen zu einem Sicherheitsdenken geführt, dem sich auch viele Befürworter des Einsatzes von Vollsalz nicht entziehen konnten. Klinische Forschung konnte zudem zeigen, dass es immer auch Unverträglichkeiten gab, die unabhängig von der Dosierung waren. Wissenschaft und Politik hatten demnach eine Güterabwägung zu treffen, durch die einer Mehrzahl auf Kosten einer kleineren Gruppe von Betroffenen geholfen werden konnte.176 Der »Kampf für oder gegen das Jod«177 spaltete die Experten, angesichts möglicher Heilerfolge wurde gegen die »jodängstlichen Kollegen«178 vielfach polemisiert, anderseits wünschten sich diese »es wäre bei den Versuchen zur Kropfprophylaxe etwas weniger enthusiastisch verfahren worden.«179 In Deutschland setzten sich die vorsichtigeren Bewertungen durch, der Schutz der Wenigen schien wichtiger als der Nutzen für die Mehrzahl.180 Das vorhandene Wissen galt als unzureichend, umfassende Grundlagenforschung wurde initiiert, durch die staatliche Medizinalverwaltung auch finanziert. Ein wichtiger Grund für die Zurückhaltung lag abermals in der sog. »wilden« Prophylaxe, also dem ungeregelten Konsum von Jod und Jodpräparaten durch Laien. In Deutschland blieb der Vertrieb von Jodsalz und auch -präparaten Teil der Verordnungspraxis der Ärzte. Laien konnten eigenständig nur ihre Ernährung umstellen, etwa den auch aufgrund seines hohen Jodgehaltes intensiv beworbenen Seefisch häufiger konsumieren. 1933 setzte sich diese striktere Regulierung auch 176 Als Beispiel für die intensive Debatte vgl. ablehnend Oswald, A[dolf]: Ist Jodmangel Ursache des endemischen Kropfes?, MMW 74, 1927, 1783–1786; befürwortend dagegen Trumpp, [Josef]: Ueber den gegenwärtigen Stand der Kropfbekämpfung insonderheit der sog. Vollsalzprophylaxe, MMW 75, 1928, 1663–1667. Die wesentlichen Argumente finden sich in Bericht über die Internationale Kropfkonferenz in Bern 26.–28. August 1927, hg. v.d. Schweizerischen Kropfkommission, Bern 1928, der zugleich auch die globale Dimension dieser Debatten verdeutlicht. 177 Bircher, Max Edwin: Die Jodtherapie unter wissenschaftlicher Kontrolle, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 3, 1922, 862. 178 Klinger, R.: Zur Kropfprophylaxe durch Jodtabletten, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 3, 1922, 315–316, hier 315. 179 Roth, O.: Ueber die Gefahren der Jodtherapie unter spezieller Berücksichtigung der modernen Bestrebungen der Kropfprophylaxe, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 4, 1923, 865–868. 180 Ueber die gegen die Verbreitung des endemischen Kropfes zu ergreifenden Maßnahmen, insbesondere über die mit der Jodsalzprophylaxe gewonnenen Erfahrungen. Bericht über die Verhandlungen des Landesgesundheitsrates am 19. Juni 1926 im Ministerium für Volkswohlfahrt, Berlin 1927.

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in Österreich durch.181 In Deutschland wurde in den 1930er Jahren der systematische Einsatz von Jodsalz zwar intensiv gefordert, galt insbesondere den bayerischen Wissenschaftlern als rassisch notwendige Maßnahme zum »Substanzaufbau des Volkes«, doch Sicherheitsdiskurs und Standesinteressen stabilisierten bis in die 1980er Jahre eine restriktive Stoffpolitik, die an unterlassene Hilfeleistung grenzte.182 Das Beispiel macht abermals deutlich, dass Wissen allein nicht ausreichte, die Umsetzung von Wissen eng von kulturellen Rahmenbedingungen bzw. institutionellen und ökonomischen Interessen abhing. Es verweist aber auch darauf, wie wichtig nicht allein Wissen über die Stoffe, sondern auch über deren präzise Funktion im Stoffwechsel war. Entsprechend bedeutsam wurden Fragen des Bedarfs bzw. quantitativ klar fassbarer Ernährungsempfehlungen, die sich vor dem Hintergrund des wachsenden Wissens über Stoffe seit den 1920er Jahren tiefgreifend veränderten.

2.3.4 Ordnung der Zufuhr: Von Kostmaßen zu Ernährungsempfehlungen Die 1911 erfolgte Benennung der Vitamine und die wachsenden Kenntnisse über die essenzielle Bedeutung von Mineralstoffen hatten während des Ersten Weltkrieges kaum Bedeutung. Die Rationierung sämtlicher Krieg führenden Länder erfolgte auf Basis der Kalorienlehre. Bei den Mittelmächten stand hierfür mit Max Rubner ein Repräsentant der Münchener Schule, während auf alliierter Seite sein Schüler Graham Lusk federführend wirkte.183 Die »Neue Ernährungslehre« führte in den 1920er Jahren jedoch zu einer wesentlichen Ausdifferenzierung zuzuführender Stoffe und angesichts der Essenzialität bestimmter Stoffe und Stoffgruppen zugleich zu einer neuen Dringlichkeit der Setzung. Mit dem gebrochenen Paradigmenwechsel hin zur Vitaminforschung hatte die deutsche Wissenschaft ihre weltweite Vorreiterrolle verloren, konnte erst am Ende der Weimarer Republik wieder an die britische und US -amerikanische Forschung anschließen. Die neuen »Lebensstoffe« hoben Ernährungs 181 Vgl. Wagner-Jauregg, [Julius]: Das Ende der Kropfprophylaxe durch Vollsalz, Wiener klinische Wochenschrift 46, 1933, 5–9. 182 Vgl. Fischler, F[ranz]: Uber die Notwendigkeit der Kropfverhütung durch Vollsalzanwendung in Deutschland und ihre Beziehungen zur Eugenik, MMW 81, 1934, 1756–1758 bzw. die neuerliche Bestätigung restriktiver Politik in Warnung des Reichsministers des Innern vor dem wahllosen Gebrauch jodhaltiger Arzneimittel oder mit Jod angereicherter Lebensmittel. Vom 17. November 1938, RGBl 14, 1939, 5. 183 Vgl. etwa Eltzbacher, Paul (Hg.): Die deutsche Volksernährung und der englische Aushungerungsplan. Eine Denkschrift, 17.–22. Tausend, Braunschweig 1915; Rubner, Max: Deutschlands Volksernährung im Kriege, Leipzig 1916 sowie Lusk, Graham: The fundamental requirements of energy for a proper nutrition, Journal of the American Medical Association 70, 1918, 821–824. Allgemein hierzu Teich, 1995.

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Abb. 3a+b: Schemen des Stoffwechsels 1926

empfehlungen auf eine neue Ebene, galt es doch nun nicht mehr manifeste Fehlernährung zu bekämpfen, sondern vielmehr die untergründige Struktur von Gesundheit und Wohlbefinden zu erkunden.184 Die anfangs insbesondere von deutschen Forschern grundsätzlich bestrittene Existenz einer neuen Stoffklasse wurde durch eine in den 1920er Jahren schnell wachsende Zahl von Forschergruppen gesichert, diese dann systematisch erforscht und synthetisiert. Die frühen Erfolge gegen Krankheiten wie Pellagra, Skorbut oder Rachitis schienen eine neue Ära der Diätetik einzuleiten.185 Doch ein Zauberstab wurde nicht gefunden, stattdessen erschien die tägliche Kost zunehmend komplexer. Als hätte 184 Vgl. Grünewald, Max: Die gesundheitliche Bedeutung des Vitamingehaltes der Nahrung, MZBl 57, 1928, 206–208 bzw. als Zwischenfazit Pfannenstiel, W[ilhelm]: Die Bedeutung der Vitamine für die menschliche Gesundheit, MW 7, 1933, 945–948. 185 In der ersten Ausgabe der »Zeitschrift für Vitaminforschung« hieß es programmatisch, »dass die Zukunft der Medizin zu einem grossen Teil in der Diätetik liegt« (Glanzmann, E[duard]/Gordonoff, T[oni]: Zur Einführung, ZVF 1, 1932, 1–2, hier 1).

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man die Büchse der Pandora geöffnet, wurden immer neue Stoffe gefunden bzw. ausdifferenziert. Das galt nicht allein für die Vitamine, sondern auch für die nun zunehmend untersuchten Mengenelemente sowie die Fettsäuren, deren Essenzialität damals experimentell nachgewiesen wurde.186 Angesichts dieser immensen Herausforderungen ist es verständlich, dass die alten Kostmaße auf Nährstoffbasis (Kap. 2.1.2) erst mehr als 20 Jahre nach der Benennung der Vitamine durch Ernährungsempfehlungen ersetzt wurden, die Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe berücksichtigten. Eine Folge des temporären Nichtwissens war jedoch, dass man das vermeintlich gesicherte Wissen über Stoffe und Stoffwechsel mittels neuartiger Visualisierungen vermittelte. Stoffwechselvorgänge übersetzte man in eingängige Metaphern, um die spezifische Wertigkeiten einzelner Stoffe zu vermitteln. Im Deutschen Hygiene-Museum oder aber mittels zahlreicher Volksgesundheitsbücher und Broschüren wurde Wissenstransfer zu einer reflektierten Aufgabe auch von Wissenschaftlern. Die Chemie gewann hierbei weiter an Profil: Während die klinische Medizin allgemeine Bezüge zwischen Krankheit und Stoffzufuhr in den Mittelpunkt rückte, diese aber nicht wirklich kausal benennen konnte, erschien die chemische Sprache als klar und eindeutig. Auch hier galt allerdings, dass das schnell wachsende wissenschaftliche Wissen öffentlich zunehmend Konkurrenz erhielt: In den 1920er Jahren nahm die Zahl alternativer bzw. kommerzieller Ratgeber schnell zu. In Teilbereichen der Mineralstoffforschung hatten »alternative« Wissenschaftler wichtige Grundlagenforschung betrieben.187 Die Bedeutung einzelner Stoffe für Gesundheit und Leistungsfähigkeit blieb strittig, die Interdependenzen zwischen der Zufuhr bestimmter Einzelstoffe machten es Kritikern der dominierenden Forschung zunehmend einfacher, spezifische Stoffwirkungen herauszustellen und ganze Ernährungsweisen hierauf zu gründen. Angesichts einerseits erweiterten, anderseits zunehmend strittigen Wissens waren stofflich umfassend angelegte Ernährungsempfehlungen auch ein Mittel, die Deutungshegemonie wissenschaftlichen Wissens zu stärken. Dazu aber bedurfte es einer internationalen Einigung über die Nomenklatur der neuen Stoffe. Probleme der Wissensharmonisierung waren offenbar, erschwerten wissenschaftlichen Austausch und die Umsetzung neuen Wissens. Während die sprachliche Bezeichnung der Nährstoffe letztlich auf dem Einvernehmen führen 186 Vgl. etwa Evans/Burr, 1926/27. Entsprechende Hinweise enthielten schon die Fettforschungen vor dem Ersten Weltkrieg, vgl. etwa Stepp, Wilhelm: Experimentelle Untersuchungen über die Bedeutung der Lipoide für die Ernährung, Habil.-Schrift Gießen, München 1911. 187 Dies gilt insbesondere für den aus Schweden stammenden und in Dresden wirkenden Physiologen Ragnar Berg. Vgl. etwa Berg, Ragnar: Eiweissbedarf und Mineralstoffwechsel bei einfachster Ernährung, Leipzig 1931. Zu Bergs Arbeiten vgl. die materialreiche, vielfach aber unkritische Dissertation von Rummel, Christian: Ragnar Berg. Leben und Werk des schwedischen Ernährungsforschers und Begründers der basischen Kost, Frankfurt a. M. 2003.

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der europäischer Chemiker beruhte, mussten seit den 1930er Jahren zwischenstaatliche Kommissionen etabliert werden, die eine sprachliche Modellierung der Stoffe festschrieben.188 Die Dynamik der Forschung machte es zunehmend schwierig, die Einzelaspekte in Ordnungszusammenhängen zu bündeln. Anfang der 1930er Jahre war keineswegs klar, »wieviel und was für Vitamine es gibt.«189 Die Buchstabenbenennung der Anfangszeit erwies sich als brüchig, denn immer neue Untergruppen wurden gefunden. Die fortlaufende Bezeichnung der Einzelstoffe mit Buchstaben erhöhte die Unübersichtlichkeit des Gebietes, wurde doch von Vitamin A bis Vitamin Y gesprochen. Anderseits wurden einzelne Vitamine – so etwa die B-Gruppe – mit Zahlen versehen, um so die Einzelstoffe einer Obergruppe zu bezeichnen. Schließlich gab es (Kap. 2.3.2) zahlreiche beschreibende Benennungen, die insbesondere die klinischen Wirkungen der betreffenden Stoffe charakterisierten. Entsprechend plädierten gewichtige Stimmen für die Abschaffung des Vitaminbegriffs bzw. neue Ordnungskriterien.190 Gleichwohl wurde auf zwei Konferenzen 1931 und 1934 die bis heute grundsätzlich gültige Nomenklatur der Vitamine festgelegt.191 Trotz Problemen der stofflichen Abgrenzung und des weiter bestehenden Nichtwissens über die »Stoffnatur«, war es vor allem die öffentliche Akzeptanz und die klinische Nutzung des Vitaminbegriffes, die seine Weiterverwendung erlaubten. Schon während der ersten Konferenz 1931 wurden schließlich StandardEinheiten der Vitamine definiert, um deren klinischen Einsatz zu normieren.192 Für diese neue Stoffsemantik bewährte sich die transnationale Struktur des Völkerbundes. Sie war auch grundlegend für die Ausformulierung neuer Ernährungsempfehlungen, neuer wissenschaftlicher Verbindlichkeit. Britische, amerikanische und auch deutsche Forschungen hatten Bezüge zwischen Ernährung, geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit aufgezeigt, konnten während der Weltwirtschaftskrise ferner den Zusammenhang von Armut, unzureichender Er 188 Vgl. etwa Kreitmair: Die 2. Internationale Konferenz für die Vitamin-Standardisierung, DMW 60, 1934, 1252–1253. Zur Vitaminterminologie vgl. Schieblich, Martin: Vitamine, in: Mangold, Ernst (Hg.): Handbuch der Ernährung und des Stoffwechsels der landwirtschaftlichen Nutztiere als Grundlage der Fütterungslehre, Bd. 1, Berlin 1929, 222–265, hier 225–227. 189 Kühnau, Joachim: Probleme der Vitamin-Terminologie, ZVF 1, 1932, 184–191, hier 185. 190 Vgl. Kollath, Werner: Bemerkungen zu dem Vorschlag von Erich Müller, den Begriff der Vitamine und Avitaminosen fallen zu lassen, Archiv für Kinderheilkunde 78, 1926, 195– 198; Ders.: Versuche zur Systematisierung der Avitaminosen und Vitamine, Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Cultur 105, 1932 (1933), Med. Sekt. T. 2, 98–109. 191 Vgl. Jung, Albert: Beschlüsse der 2. Konferenz für Vitaminstandardisierung, ZVF 3, 1934, 279–281. 192 Vgl. Weindling, Paul: The Role of International Organizations in Setting Nutritional Standards in the 1920s and 1930s, in: Kamminga, Harmke/Cunningham, Andrew (Hg.): The Science and Culture of Nutrition, 1840–1940, Amsterdam/Atlanta 1995, 319–332, hier 324–325.

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nährung und Krankheiten systematisch nachzeichnen.193 Hier gegenzusteuern erforderte einen gezielten Einsatz knapper Ressourcen, erforderte also Ordnungswissen der Ernährungswissenschaften. Während die umfassenden Speisungsprogramme in dem kriegsgeschädigten Ländern Europas nach dem Ersten Weltkrieg noch auf Nährstoffbasis durchgeführt wurden, sollte der Kampf gegen soziale Benachteiligung und für körperliche und geistige Leistungsfähigkeit auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse geführt werden. Die kalorische Zufuhr wurde auf Basis der physischen Belastung differenziert, zudem unterschiedliche Empfehlungen für die unterschiedlichen Lebensalter festgeschrieben. Dabei stand eine optimale Lebensmittelversorgung im Mittelpunkt. Sie konzentrierte sich nun nicht mehr – wie noch bei den Arbeiten der Münchener Schule – auf begrenzte steuerbare Gruppen bzw. Zwangskollektive, sondern auf die Mehrzahl der Gesunden. Entsprechend setzte man nun auch auf Vitamine und wichtige Mineralstoffe, betrieb Prävention qua Empfehlung.194 Britische und amerikanische Forscher markierten seit 1933 erste Fixpunkte, der Völkerbund griff diese auf und empfahl sie 1935 und 1936 als quasi-anthropologische Konstanten.195 Da es galt, die Folgen von Armut zu minimieren, wurden die Ernährungsempfehlungen auch in Lebensmitteläquivalente umgesetzt. Objektives wissenschaftliches Wissen wurde also wiederum in Lebensmittel, Lebensmittelgruppen und Speisen rückübersetzt, um deren Akzeptanz im Alltag zu erhöhen. Doch nicht Freiwilligkeit erlaubte die systematische Umsetzung der Ernährungsempfehlungen. Die Kriegssituation erforderte Ernährungsempfehlungen, um die Leistungsfähigkeit der Bevölkerungen gewährleisten zu können. In den wenigen Arbeiten zur Geschichte der Ernährungsempfehlungen gelten die 1941 in den USA erlassenden »Recommended Dietary Allowances« als der eigentliche Beginn moderner Ernährungsempfehlungen.196 Doch angesichts 193 Vgl. hierzu den Überblick in Macy, Icie G./Williams, Harold H.: Hidden Hunger, Lancaster 1945, v. a. 21–45, 66–92 sowie [Barona Vilar, Josep Lluis]: The Problem of Nutrition. Experimental Science, Public Health and Economy in Europe, 1914–1945, Brüssel 2010. 194 Einen Überblick vermittelt Leitch, I[sabella]: The Evolution of dietary Standards,­ Nutrition Abstracts and Reviews 11, 1942, 509–521. 195 Vgl. Cowgill, George R.: The Vitamin B Requirement of Man, New Haven/London 1934; Burnet, Ét[ienne]/Aykroyd, W[allace] R.: Nutrition and Public Health, League of Nations. Quarterly Bulletin of the Health Organisation 4, 1935, 323–474; Report on the physiological bases of nutrition drawn up by the Technical Commission of the Health Committee, Geneva 1936. Die Arbeiten wurden im Deutschen Reich breit rezipiert, vgl. etwa Meyer, Lothar: Eine Stellungnahme des Völkerbundes zu internationalen Ernährungsproblemen, Die Ernährung 3, 1938, 230–235. Kritisch zusammenfassend: Durig, A[rnold]: Betrachtungen über die Schaffung internationaler Ernährungs-Standardwerte, Wiener klinische Wochenschrift 51, 1938, 1–7, 38–44. 196 Vgl. Harper, A[lfred] E.: Origin of Recommended Dietary Allowances – an historic overview, American Journal of Clinical Nutrition 41, 1985, 140–148; Gaßmann, Berthold: Grundlagen und Wandel offizieller Empfehlungen für die Energie- und Nährstoffzufuhr, EU 44, 1999, 114–117.

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der intensiven ernährungswissenschaftlichen Forschungen in Großbritannien bzw. dem Deutschen Reich ist dies eine Fehldeutung. Gerade im Deutschen Reich wurde der Vitaminversorgung von Bevölkerung und Truppe spätestens seit dem Übergang zur systematischen Kriegsplanung 1936 hohe Bedeutung beigemessen.197 Bedarfszahlen für die wichtigsten Vitamine und Mineralstoffe bestanden, sämtlich hochgerechnet auf Grundlage von Tierexperimenten. Anders als 1940 in Kanada und dann in den USA wurden sie allerdings nicht zu einer allgemeinen Ernährungsempfehlung gebündelt, da Verbrauchslenkung und Rationierung dieses viel effizienter taten als die Appelle an Vernunft und Vaterlandsliebe, die schon in den 1930er Jahren kaum etwas gefruchtet hatten.198 Das detaillierte Wissen über Ernährung ließ andere Formen des Wissenstransfers sinnvoller erscheinen: Vor dem Hintergrund zuvor detailliert untersuchter regionaler Verzehrsgewohnheiten setzte man auf eine tendenziell dezentrale Ernährungspolitik, die im Kriegsfall krisenresistenter zu sein schien als eine optimierte Einheitskost. Die kostenlose Verteilung von synthetischem Vitamin C an Schwangere, Säuglinge, Kinder und Bergleute (Kap. 5.1.4), die breit angelegte Vollkornbrotpolitik zur Versorgung u. a. mit B-Vitaminen sowie die mit hohem personellen Aufwand betriebene Vitaminversorgung von Wehrmacht und Waffen-SS (Kap. 6.1.2) verdeutlichen die Sorgfalt und den beträchtlichen Aufwand einer staatlichen Umsetzung wissenschaftlicher Ernährungsempfehlungen.199 Bedarfsziffern zielten in Deutschland im Regelfall auf das Handlungskollektiv der Ernährungsfachleute, die insbesondere die Gemeinschaftsverpflegung nach den auf Leistungsfähigkeit und rassistischen Kriterien gründenden Empfehlungen umgestalteten.200 Wissenschaftliches Wissen sollte innerhalb der Gruppe der Wissenschaftler verbleiben, die Mehrzahl der Bevölkerung diesem überlegenen Wissen vertrauen und den Führungspersonen folgen. Die Kommunikation hatte jedoch auf Ebene von Lebensmitteln und Speisen, nicht auf der Ebene von Stoffen zu erfolgen. Optimale Leistungsfähigkeit der Biokörper 197 Vgl. Verhandlungsbericht über die erste wissenschaftliche Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene vom 3. bis 6. Oktober 1938, Berlin 1938. 198 Konrad Lang betonte explizit, dass »ein großer Teil der Untersuchungen, und zwar zum Teil die wichtigsten, nicht veröffentlicht werden« durfte (Lang, Konrad: Ernährung, in: Lehnartz, Emil (Hg.): Naturforschung und Medizin in Deutschland 1939–1946, Bd. 60: Physiologische Chemie, Wiesbaden 1949, 17–33, hier 17). Er betonte nicht, dass sie vielfach an Zwangsarbeitern und Häftlingen durchgeführt wurden. 199 Vgl. hierzu Spiekermann, Uwe: Vollkorn für die Führer. Zur Geschichte der Vollkornbrotpolitik im Dritten Reich, 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 16, 2001, 91–128 bzw. den bedrückend-eindringlichen Sammelband Die Vitaminversorgung der Truppe. Vorträge gehalten anläßlich der Arbeitstagung am 30. September 1942 im Institut für Ernährung und Heilpflanzenkunde in Dachau vor Vertretern des Heeres, des Reichsgesundheitsamtes und der Waffen-SS , o. O. 1942. 200 Vgl. etwa die Bedarfszahlen in Droese, W[erner]/Bramsel, H[erbert]: Vitamin-Tabellen der gebräuchlichsten Nahrungsmittel, Leipzig 1941.

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und eine möglichst effiziente Ausnutzung vorhandener Ressourcen waren die Ziele.201 Dazu wurden die jeweiligen Populationen systematisch nach Kriterien wie Alter, Geschlecht und Arbeitsschwere untergliedert und Empfehlungen entsprechend ausdifferenziert. Das Ergebnis war eine bis Ende 1944 auskömmliche Versorgung der deutschen Bevölkerung, die allerdings auf Kosten der besetzten Gebiete und ihrer Bewohner gesichert wurde. Das ordnende Wissen der »Neuen Ernährungslehre« erlaubte eine wesentlich bessere Sicherung der Heimatfront als die auf der Nährstofflehre gründende Rationierungspolitik des Ersten Weltkrieges.

201 Einen Überblick über die Bedarfsstrukturen der Nähr- und Wirkstoffe sowie der politischen Rahmenstrukturen bietet Lehmann, Gunther: Ernährung und Leistungsfähigkeit, Zf VE 14, 1939, 13–16. Zu beachten ist auch, dass die deutsche Stoffwechselphysiologie stärker als andere Wissensregime Mindestbedarfsstrukturen erforschte, vgl. Achelis, J[ohann] D[aniel]: Stoffwechselprobleme, KW 23, 1944, 215–221, hier 217.

3. Begrenzte Vermarktung: Neue Nahrungfür Zwangsgemeinschaften und Massenmarkt 1880–1914

Wissensgesellschaften gründen nicht allein auf der Produktion, sondern insbesondere auf der Verbreitung und begrenzten Übernahme neuen Wissens. Das rational-materialistische Bild einer stofflich definierten Nahrung schien auf den ersten Blick nicht sonderlich geeignet, um sich in der Breite zu entfalten. Die Chemie wurde nicht zu Unrecht als »eine völlig esoterische Wissenschaft«1 bezeichnet. Die Fachleute wussten, dass Abstraktion, Entzeitlichung und Enträumlichung Grundlagen ihres Erfolges waren. Doch die Unterschiede zwischen Modellannahmen und einer zwingend komplexeren Wirklichkeit wurden kaum thematisiert. Das war ein Trend dieser Zeit: Positivistisches Denken drang in den 1860er und 1870er Jahren in den Gesellschaftswissenschaften vor, die damalige »materialistische« Soziologie, Psychologie und Ökonomie zeugen davon. Während ihre Vorstellungen sich im Alltag jedoch brachen und sich Alltagshandeln an offenbar anderen Imperativen orientierte, bot die abstrakte Welt der Stoffe ein neuartiges Verständnis der Nahrung, das erst einmal nicht mit der Alltagswelt kollidierte, da es in eine andere Sphäre führte. Kritik an positivistischen Trugschlüssen war gleichwohl präsent: Im Umfeld der Münchener Schule warnte man etwa, dass »scheinbare Leichtfaßlichkeit der chemischen Formel jedem Hans und Kunz den Schlüssel in die Hand« drücke, den man »ohne sich selbst etwas zu denken« ins Schloss führen könne, um sich die Tür zum Inneren zu öffnen.2 Den Schlüssel selbst in der Hand zu behalten war wichtig, um objektive Fehldeutungen zu verhindern und die Deutungshoheit der Wissenschaft zu gewährleisten. In Anlehnung an Jakob Tanners Analyse der medizinischen Wissenschaft kann man davon sprechen, dass der stoffliche Diskurs der Ernährungswissenschaft erstens die Phantasmen und Schimären der Essenden beendete und in ein neues »objektives« Erklärungsmuster einhegte.3 Dadurch wurden sie zweitens Objekte für den positiven Blick des Ernährungswissenschaftlers. Zugleich aber bestand drittens dauerhaft die Gefahr neuer 1 Hoesch, Kurt: Emil Fischer. Sein Leben und sein Werk, Berlin 1921, 140. 2 Zitate n. Niemeyer, P[aul]: Gesundheitslehre des menschlichen Körpers, München 1876, 79. 3 Tanner, Jakob: Heilendes Ritual und medizinische Wissenschaft. Fridolin Schuler und die »therapeutische Revolution« in der Schweiz, in: Siegenthaler, Hansjörg (Hg.): Wissenschaft und Wohlfahrt. […], Zürich 1997 (= 1997a), 95–114, v. a. 99.

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Phantasmen, die in den Imaginationen und Versprechungen der Wissenschaften angelegt waren und durch alltägliche Wünsche und Hoffnungen erst aufgeladen wurden. Es kann daher nicht ausreichen, nur zu fragen, wie wissenschaftliches Wissen entstand. Zusätzlich rückt die Verbreitung des Wissens und dessen lebenspraktische Wahrnehmung, Adaption und Inkorporation in den Mittelpunkt.4 Die im folgenden Kapitel diskutierte These lautet, dass seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nicht Wissenschaft allein, sondern vielmehr eine Kombination von stofflichem Wissen und gezielter Vermarktung künstlicher Kost den Weg in begrenzte, für die weitere Entwicklung aber zentrale Lebensbereiche erschloss. Vermittlung und Popularisierung erfolgte nicht allein durch Schule und Lektüre, sondern auch und gerade über den Markt, über dort angebotene Produkte. Die Gültigkeit und Überzeugungskraft des neuen Wissens zielte erst einmal auf Märkte elementarer Existenz. Hierfür stehen die Anfänge der künstlichen Säuglingsernährung sowie frühe Versuche einer rationalen Arbeiterernährung. Die Durchsetzung künstlicher Kost erfolgte parallel aber auch in Lebensstilmärkten, beispielsweise dem um die Jahrhundertwende schnell wachsenden Markt der Eiweiß- und Nährpräparate oder dem neuen Feld der Lightprodukte und Diätmittel. Objektiv handelte es sich um eng umrissene, somit begrenzte Märkte nicht essenzieller Güter, mochten Wissenschaftler und Produzenten auch gleichermaßen von einer grundlegenden Umgestaltung der täglichen Kost träumen. Die Prägekraft dieser begrenzten Vermarktung zeigte sich aber auch in ihren Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft. Das Stoffparadigma wurde einerseits genutzt, um die Grundfesten äußerer und innerer Sicherheit zu stützen: Neue Produkte veränderten die Militärverpflegung und sollten zudem helfen, die soziale Frage zu lösen. Während damit das Innerste der bürgerlichen Gesellschaft berührt wurde, finden sich entsprechende Vermarktungsbestrebungen auch und gerade an deren Rändern, nämlich im bürgerlichen Auf­ begehren der Lebensreformbewegung, namentlich des Vegetarismus und der frühen Reformwarenwirtschaft.

3.1 Lebenshilfe: Künstliche Säuglingsernährung Während das Adjektiv »künstlich« heutzutage vor allem mit Begriffen wie »Intelligenz« und »Befruchtung« verbunden wird, war sein Bedeutungsgewinn seit den 1870er Jahren vorrangig an die Ernährung von Säuglingen gekoppelt. Künstliche Säuglingsernährung erschien als naturwidrig, galt doch die Versorgung 4 Zum Konzept der Inkorporation s. Tanner, Jakob: The Arts of Cooking: Modern Times and the Dynamics of Tradition, in: Lysaght, Patricia/Burckhardt-Seebas, Christine (Hg.): Changing Tastes. […], Basel 2004, 18–32.

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durch die Mutterbrust als die natürliche Art der Sorge und Pflege.5 Mochten die Stillfrequenzen auch variieren, so waren Substitute für die Milch der Mutter doch vielfach »natürlich«: Einerseits wurde auf Ammen zurückgegriffen, anderseits nutzte man Tiermilch, vor allem von Kühen und Ziegen.6 Künstliche Säuglingsernährung umgriff dagegen neuartige Produkte, die chemisch analysiert und im Regelfall von Ärzten verordnet waren. Der Verweis auf die 1870er Jahre ist wichtig, denn in der medizinhistorischen Forschung steht einseitig die Pädiatrie im Mittelpunkt, deren Professionalisierung innerhalb der Medizin damals einsetzte.7 Doch künstliche Säuglingsernährung gab es schon zuvor – und ihr Bedeutungsgewinn wurde ganz entscheidend beeinflusst vom neuartigen Wissen der Lebensmittelchemie und Ernährungsphysiologie.8

3.1.1 Kindersterblichkeit und frühe Pädiatrie Kindersterblichkeit war neben den Infektionskrankheiten die wichtigste Todesursache im 19. Jahrhundert. In Preußen stieg sie seit den 1820er Jahren vergleichsweise kontinuierlich an, erreichte mit einem Anteil von über 20 pro 100 Lebendgeborenen zwischen 1860 und 1900 eine nie wieder erreichte Höhe. Die Gründe hierfür waren und sind umstritten. Der Berliner Demograph und Theo 5 Vgl. Kintner, Hallie J.: Trends and Regional Differences in Breastfeeding in Germany from 1871 to 1937, Journal of Family History 10, 1985, 163–182; Kloke, Inga Elisabeth: Säuglingssterblichkeit in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel von sechs ländlichen Regionen, Med. Diss. Berlin 1998 (Ms.). 6 Zu letzterem vgl. Waldeck und Pyrmont, Elisabeth Prinzessin v.: Die Rolle der Ziegenmilch in der Säuglingsernährung des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2000. 7 Werner, Egon: Die künstliche Ernährung des Säuglings zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einem Ausblick auf das Ende dieses Jahrhunderts, Der Kinderarzt 21, 1990, 1043– 1046, 1048; Nützenadel, Walter: Des Kindes Ernährung  – Ein Rückblick, in: Hoffmann, Georg F./Eckart, Wolfgang U./Osten, Philipp (Hg.): 150 Jahre Pädiatrie in Heidelberg, Mainz 2010, 191–208. 8 Anregend und erhellend ist Orland, Barbara: Wissenschaft, Markt und Erfahrung. »Natürliche« versus »künstliche« Säuglingsernährung im 19. Jahrhundert, in: Bos, Marguérite/Vincenz, Bettina/Wirz, Tanja (Hg.): Erfahrung: Alles nur Diskurs? […], Zürich 2004, 291–305  – auch wenn ich hier eine andere Chronologie und Kausalität betone. Skizzenhaft verbleiben Bentley, Amy: Inventing Baby Food: Gerber and the Discourse of Infancy in the United States, in: Belasco, Warren/Scranton, Philip (Hg.): Food Nations. […], New York/London 2002, 92–112, hier 94–99; Nießen, Isabelle: Die künstliche Säuglingsernährung unter dem Einfluss der Bakteriologie, Göttingen 2013; Bentley, Amy: Inventing Baby Food. Taste, Health, and the Industrialization of the American Diet, Oakland 2014, 20–26. Zur schnellen Rezeption der deutschen Entwicklung in den USA s. Apple, Rima D.: »Advertised by our loving friends«: The Infant Formula Industry and the Creation of New Pharmaceutical Markets, 1870–1910, Journal of the History of Medicine and Allied Sciences 41, 1986, 3–23, hier 6.

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loge Arthur Imhof betonte in zahlreichen Studien die schicht-, regional- und religionsspezifisch unterschiedlichen Einstellungen gegenüber Körper und Leben. Im 19. Jahrhundert habe sich ein »system of wastage« zunehmend bemerkbar gemacht, ehe kultureller Wandel und wissenschaftlicher Fortschritt Änderungen bewirkten.9 Neuere medizinhistorische Studien stellten dagegen vor allem die Probleme im Umfeld der Industrialisierung und Urbanisierung heraus, derer erst um die Jahrhundertwende im Rahmen der Daseinsfürsorge Herr geworden werden konnte.10 Aus Sicht der zeitgenössischen Ernährungswissenschaft stellte sich das Problem jedoch deutlich anders dar: Die Nahrung rückte in den Mittelpunkt der Analyse. Kulturelle Unterschiede oder soziale Notlagen ließen sich auf einen materiellen Nenner bringen. Das Kind wurde nicht als zartes Wesen gedeutet, sondern als ein Durchschnittskörper mit zwei Besonderheiten: Erstens war seine Psychologie noch unausgebildet, waren seine Bedürfnisse vor allem auf Essen und Wachsen ausgerichtet. Der Säugling war genügsam, hier konnten mit wenigen Lebensmitteln Nährerfolge erzielt werden, während bei Erwachsenen individuelle Vorlieben und Verträglichkeiten besonders beachtet werden mussten. Zweitens war der Verdauungstrakt noch nicht so robust wie der eines Erwachsenen. Fragen der Verdaulichkeit und Resorption mussten daher besonders beachtet werden. Modellwissen aber gab nur die allgemeine Richtung für Denken und Handeln vor: Für Ärzte und Physiologen stellte sich die Frage eigenständiger Empirieproduktion, um so bestehendes Wissen überprüfen und spezifizieren zu können. Die Errichtung spezialisierter Kinderabteilungen, die seit den 1870er Jahren weniger auf staatliche, denn auf private Initiativen zurückging, schuf Orte wissenschaftlicher Forschung, anfangs zugleich solche des Siechtums und des Todes. Damals kamen Säuglinge nur dann ins Krankenhaus, wenn sie »so gut wie verloren«11 waren. Die klinischen Ärzte hatten somit einen deutlichen Nachteil gegenüber Sozialhygienikern und Statistikern, die zeitgleich die Stillund Ernährungsverhältnisse gesunder Kinder mittels Befragungen von Müttern und Medizinern untersuchten.12 Empirieproduktion, die Etablierung des Krankenhauses als Ort der Geburt und Betreuung der Wöchnerinnen sowie die Professionalisierung von Ärzten im Wettbewerb mit den Hebammen waren 9 Imhof, Arthur E.: Unterschiedliche Säuglingssterblichkeit in Deutschland, 18. bis 20. Jahrhundert – Warum?, Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 7, 1981, 343–382. 10 Spree, Reinhard: Der Rückzug des Todes. Der epidemiologische Übergang in Deutschland während des 19. und 20. Jahrhunderts, Konstanz 1992; Vögele, Jörg: Sozialgeschichte städtischer Gesundheitsverhältnisse während der Urbanisierung, Berlin 2001. 11 Baginsky, Adolf: Ueber Kinderkrankenhäuser, DMW 9, 1883, 443–444, 458–459, hier 444. 12 Vgl. etwa Ullersperger, J[ohann] B[aptist]: Die Kinder-Morbilität und Mortalität in Bayern, Aerztliches Intelligenz-Blatt 16, 1869, 560–571.

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daher eng miteinander verbunden. Gerade in größeren Städten nahm die Zahl der Krankenhausgeburten und der beherbergten Säuglinge deutlich zu. Kliniken wandelten sich zu Orten zur Gewinnung positiven Wissens.13 Beobachtung, Vergleich und die unmittelbare Interventionsmöglichkeit waren dabei wichtige Vorteile, um »den Zustand der Verdauung einerseits und das Schicksal der angewandten Nahrungsgemische anderseits mit einer an die Schärfe des physiologischen Experiments heranstreifenden Genauigkeit zu verfolgen.«14 In Deutschland lernte man vorrangig von französischen Vorbildern, etwa der Nourricerie in Paris. Physiologische Laboratoriumsuntersuchungen an Säuglingen wurden dagegen aus ethischen und technischen Gründen erst seit 1898 durchgeführt, sodass von der Physiologie der Erwachsenen deduziert werden musste.15 Fluchtpunkt des Denkens auch der frühen Pädiater war die Natur, war die Muttermilch. Tiermilch erschien demgegenüber als »ein trauriger Notbehelf«.16 Chemische Analysen hatten schon vor der Jahrhundertmitte die unterschiedliche stoffliche Zusammensetzung der verschiedenen Milcharten nachgewiesen – wobei sie zugleich die Fiktion einer einheitlichen, gleichsam »normalen« Milchzusammensetzung einer gesunden Frau unterstützten.17 Kuh- und Ziegenmilch wiesen einen relativ hohen Eiweißgehalt auf, entsprechend hoch war ihre Wertschätzung. Doch das Ideal der Muttermilch führte einerseits dazu, dass Ärzte deren Verdünnung mit Wasser nahelegten, während sie zugleich den geringeren Anteil von Kohlenhydraten durch Zusatz von Rohr- oder Milch­ zucker auszugleichen hofften. Während parallel gegen Milchpanscherei gewettert wurde, wurde genau diese für die Säuglingsernährung propagiert, um ein Quasi-Analogon zur Muttermilch zu schaffen. Das neue Wissen um die Milch als Stoffkonglomerat mündete in eine Empfehlungskultur, die sich einerseits an die häusliche Praxis anlehnte, sie zugleich aber auf Grundlage objektiven Wissens rationeller gestalten half. Doch der Blick der Ärzte ging tiefer, richtete sich auch auf die Vorgänge im Körper des Säuglings. Die 1857 von Louis Pasteur beschriebene Milchsäure 13 Beispielhafte Studien waren Escherich, Th[eodor]: Die Ursachen und Folgen des Nichtstillens bei der Bevölkerung Münchens, MMW 34, 1887, 233–235, 256–259; Büller, Friedrich: Ursachen und Folgen des Nichtstillens in der Bevölkerung Münchens, Jahrbuch für Kinderheilkunde NF 26, 1887, 313–340. 14 Biedert, Ph[ilipp]: Ueber rein diätetische Behandlung der Ernährungskrankheiten der Säuglinge, DMW 9, 1883, 31–33, 47–50, 69–71, hier 71. 15 Als Pionierstudie s. Rubner, Max/Heubner, Otto: Die natürliche Ernährung eines Säuglings, Zeitschrift für Biologie 36, 1898, 1–55. Die Kinder wurden hierzu in einen Respirationsapparat gelegt. Kritisch hierzu Cramer, Heinrich: Zur Energiebilanz beim Neugeborenen, MMW 50, 1903, 1153–1155. 16 Rosenthal, I[sidor]: Vorlesungen über die öffentliche und private Gesundheitspflege, Erlangen 1887, 311. 17 Muttermilch veränderte sich mit der Stilldauer, so Pfeiffer, Emil: Verschiedenes über Muttermilch, BKW 20, 1883, 145–146, 158–161.

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gärung war hierfür konstitutiv. Nach intensiven Disputen über deren Ursache wurde es seit den 1860er Jahren Allgemeingut, dass Krankheitskeime, also lebendige Bakterien, diese Gärung verursachten. Im Körper des Kindes schien ein Kampf zwischen Mensch und Bakterium um die Nutzung der Materie stattzufinden. Magen- und Darmkrankheiten waren die häufige Folge, zumal in den wärmeren Monaten. Hygienische Probleme der Tiermilch traten so in den Blickpunkt, ließen sich ansatzweise auch erklären. Der Verdauungstrakt des Säuglings warf dagegen vertrackte Probleme auf.18 Dies hatte erst einmal objektive messtechnische Gründe: Die chemische Zusammensetzung der Milch war zwar grundsätzlich bekannt, doch angesichts einer sich gerade im Eiweißbereich ausdifferenzierenden Forschung stellten sich Fragen der Resorption und der wertvollen Bestandteile immer wieder neu und immer wieder anders.19 Die Fütterung mittels spezifisch zusammengesetzter Diäten ergab zwar Resultate, doch blieben Fragen der Kausalität offen. Nähr- und Heilwirkungen waren nicht unmittelbar auf einzelne Eiweiß- oder Kohlenhydrate zurückzuführen, da diese im Stoffverbund ganz andere Wirkungen erzielen konnten. Zum anderen zielte der Erkenntnisprozess vorrangig auf Durchschnitte und Gesetzmäßigkeiten. Angesichts kleiner Fallzahlen und der weithin bestehenden Vorstellung konstitutionell gleichartiger Säuglinge – und gleichzeitig einer durch Konstitution und Krankheit heterogenen Muttermilch20 –, nahm die Zahl möglicher, nicht aber bewiesener Korrelationen deutlich zu. Die Ärzte begannen sich in der Vielfalt der »Natur« zu verstricken. Künstliche Kost schien eine Möglichkeit zu sein, um diesem Dilemma zu entrinnen.

3.1.2 Vom Haushalt zur Fabrikation: Chemisch bilanzierte Nährsuppen und Nährmittel Das Ideal der Muttermilch beinhaltete eine klare Handlungsoption, nämlich das Selbststillen. Die Pädiater sahen sich selbst als Sachwalter der Natur: Sie propagierten deren Gesetzmäßigkeiten auch gegen den Willen der Wöchnerinnen. Die statistisch eindeutig belegbare Diskrepanz zwischen der Lebenserwartung gestillter und nicht gestillter Kinder stärkte ihre Position nochmals. Gleichwohl mussten auch sie zugestehen, dass ein beträchtlicher Anteil der Frauen für das

18 Vgl. Zweifel, Paul: Untersuchungen über den Verdauungsapparat der Neugebornen, Berlin 1874. 19 Biedert konnte etwa nachweisen, dass das Casein von Menschen und Kühen andere physikalische Eigenschaften besaß und unterschiedlich resorbiert wurde: Biedert, Philipp: Untersuchungen über die chemischen Unterschiede zwischen Menschen- und Kuhmilch, Med. Diss. Gießen 1869. 20 Czerny, Adalbert: Die Pädiatrie meiner Zeit, Berlin 1939, 34.

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Stillgeschäft nicht geeignet war.21 Generell waren die Stillraten sozial, regional und konfessionell sehr unterschiedlich und lagen zumeist zwischen drei Viertel und zwei Drittel.22 Der Rest musste mit Ersatzprodukten aufgefüttert werden, also mit Milch – und in wachsendem Maße auch mit künstlicher Kost. Angesichts der hygienischen Probleme der Tiermilch war demnach menschlicher Erfindergeist gefragt. Entsprechende Fabrikate kamen in den 1860er Jahren verstärkt auf, getragen einerseits vom Stoffparadigma der Chemie, befördert anderseits vom Aufstieg der Bakteriologie. Während das eine Gestaltungsperspektiven eröffnete, hinterfragte das andere die bisherige Praxis des Ersatzes durch häuslich behandelte Tiermilch. Die strukturellen Vorteile künstlicher Kost lagen auf der Hand: Verfügbarkeit, gleichartige Zusammensetzung, Keimarmut durch Vorbehandlung sowie die Möglichkeit genauer Dosierung. Dies galt, obwohl es sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein lediglich um Zielsetzungen handelte. Die Durchsetzung künstlicher Säuglingskost war ein langwieriger Prozess mit vielen Opfern. Die erste Phase fabrikatorischer Initiativen reichte bis in die 1890er Jahre. Sie war einerseits durch den Versuch der Nutzung häuslicher Handlungsroutinen zur Durchsetzung objektiven Wissens gekennzeichnet. Anderseits finden wir eine wachsende Zahl von Nährmitteln und -präparaten, die auf ärztlichen Ratschlägen basierten, die diese aber in marktfähige Produkte überführten. Für die erste Entwicklungslinie stand abermals Justus von Liebig, der 1864 an seinen Göttinger Kollegen Friedrich Wöhler schrieb, dass er »eine neue Suppe für Säuglinge erfunden habe, welche nach ihrer Zusammensetzung die Frauenmilch ersetzen soll«23. Das Resultat war eine Malzsuppe als Analogon zur Muttermilch.24 Das Rezept erinnerte an die bürgerlichen Kochbücher, in die es auch aufgenommen wurde. Doch es war nicht »praktisch bewährt«, sondern wissenschaftlich fundiert.25 Die Mütter sollten einen Brei kochen, in den sie dann Kali und mit Wasser angerührtes Malz einrühren mussten. Das Ganze wurde gekocht, dann gesiebt, schließlich gefüttert. Alternative Zubereitungsverfahren waren möglich. Der Erfolg war anfangs beträchtlich, das Renommee Liebigs sorgte für publizistische Aufmerksamkeit. Wöhler etwa vermerkte nach einigen 21 Nach Shibata, Koiti: Ueber die Häufigkeit des Stillungsvermögens und die Säugungserfolge bei den Wöchnerinnen der kgl. Universitäts-Frauenklinik zu München in den Jahren 1884 bis Ende 1887, Med. Diss. München 1891, lag deren Anteil bei mindestens 5 %. 22 Vgl. Bluhm, A[gnes]: Stillfähigkeit, in: Grotjahn, A[lfred]/Kaup, I[gnaz] (Hg.): Handwörterbuch der Sozialen Hygiene, Bd. II, Leipzig 1912, 555–570, die zugleich die wesentlich durch Gustav v. Bunge angestoßene eugenische Debatte der Jahrhundertwende widergibt. 23 Justus Liebig an Friedrich Wöhler v. 22.11.1864, in: Lewicki (Hg.), 1982, T. II, 170–171, hier 171. 24 Zeitgleich gab es natürlich auch Rezepte für »künstliche Milch« vgl. Rosenthal, 1887, 327. 25 Volhard, Jakob: Justus von Liebig, Bd. II, Leipzig 1909, 365.

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Jahren, »die Weiber und Aerzte sind enthusiasmirt dafür.«26 Liebig selbst zielte nicht auf Emotionen, denn für ihn war die Suppe rationale Konsequenz über­ legenen Wissens. Der Münchener Chemiker war sich der Probleme der neuen Kinderspeise wohl bewusst, vermerkte er doch deren »schwachen Mehl- oder Malzgeschmack«27  – das für das Wachstum scheinbar erforderliche Kalisalz machte sich hier bemerkbar – und berichtete auch über das Scheitern bei Ärmeren, die die suppenartige Konsistenz des Milchbreies  – nach Zugabe des Malzmehls  – als Ausdruck geringer Nahrhaftigkeit verstanden. Die Zubereitung selbst war kompliziert. Auch wenn es einfachere Rezepte gab, so war die Malzsuppe teuer und aufwändig, da sie stets frisch gekocht werden musste und nicht haltbar war. Trotz des Renommees Liebigs und der Qualität des Produktes blieb die Liebigsuppe auf München begrenzt, wurde ansonsten nur vereinzelt auf ärztlichen Rat hin zubereitet.28 Daran änderten auch zahlreiche wohlwollende Fachartikel sowie popularisierende Broschüren nichts.29 Das Grundprinzip wurde kurz darauf von Loeflunds Malzsuppenextrakt aufgegriffen, doch dessen relativer Erfolg hing mit seiner Haltbarkeit bzw. einfacheren Handhabung zusammen. Häusliche Praxis ließ sich nicht einfach »optimieren«. Grund hierfür war nicht zuletzt eine andersartige Logik der Zubereitung in den Haushalten. Eine flüssige Suppe konnte demnach nicht den Wert eines starken Breies besitzen. Zudem war Essen ein wichtiger Bestandteil in der Beschäf­ tigung des Säuglings. Das häufige Wickeln sowie der von den Ärzten immer wieder scharf kritisierte Säuglingsknebel, ein vielfach mit Zucker oder Milch, teils aber auch mit Alkohol getränkter Stofffetzen, verdeutlichen nicht allein hygienische Defizite, sondern auch unterschiedliche Werthaltungen. Haushaltshandeln – so schien es – konnte einfacher durch marktgängige Produkte verändert werden. Ihre Herstellung entsprach wissenschaftlichen Kriterien, in ihnen manifestierten sich rationale Handlungen und Vorüberlegungen, von denen die Käufer kaum mehr eigensinnig abweichen konnten. Künstliche Kost bildete einen Wissensträger, der andere Optionen tendenziell ausschloss. Seit den 1860er Jahren entwickelten immer mehr Ärzte eigene Präparate. Sie wandten sie im Regelfall in ihrer Praxis oder in ihrer Klinik an, erzielten hier erste Erfolge. Sie wurden dann entweder von Apotheken oder kleinen Handwerksbetrieben hergestellt und über Apotheken, Drogerien, Versandhändler 26 Friedrich Wöhler an Justus Liebig v. 08.04.1868, in: Lewicki (Hg.), 1982, T. II, 247–248, hier 248. 27 Liebig, Justus v.: Suppe für Säuglinge, 3. verm. Aufl., Braunschweig 1877, 11. 28 Liebig, Hermann v.: Ueber den heutigen Stand der Ernährungsfrage des Kindes vom Standpunkt der wissenschaftlichen Physiologie, DMW 10, 1884, 628–630, 647–648, v. a. 630. 29 Vgl. etwa Hecker, K[arl]: Eine Erfahrung über die Liebig’sche Suppe für Säuglinge, Aerztliches Intelligenz-Blatt 13, 1866, 129–133; Pfeufer, [Carl] v.: V. Liebig’s Suppe für Säuglinge, Aerztliches Intelligenz-Blatt 14, 1867, 449–452; Die Liebig’sche Malzsuppe, DVÖG 2, 1870, 153–155; Liebig, 1884.

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und Kolonialwarenläden abgesetzt. Auch wenn ärztlicher Rat und lokale Verfügbarkeit vielfach den Kauf lenkten, etablierten die Anbieter doch zugleich eine eigenständige Sphäre des Absatzes, indem sie sich vor allem mittels Anzeigen in Fachzeitschriften an die Ärzte als Multiplikatoren wandten. Grundsätzlich lassen sich zwei Entwicklungsstränge voneinander trennen. Auf der einen Seite bildete Milch, auf der anderen Seite Mehl den zentralen Bestandteil der künstlichen Säuglingsnahrung. Anders ausgedrückt: Eiweiß und Kohlenhydrate waren die stofflichen Fluchtpunkte für funktionale Äquivalente der Muttermilch. Die Entwicklung der Milchpräparate gründete auf den physiologischen Studien Philipp Biederts, die Unterschiede zwischen dem tierischen und dem huma­nen Kasein hervorhoben.30 Kuhmilch mute dem Säugling demnach eine »unüberwindliche Verdauungsarbeit«31 zu, die es durch Vorbehandlung zu minimieren gelte. Im Haushalt würde die Kuhmilch verdünnt, damit aber deren Fettgehalt und Nährwert verringert, sodass der Säugling sein Wachstums­ potenzial nicht ausschöpfen könne. Die Folge dieser sog. Milchnährschäden waren entweder »Fäulnisschäden« aufgrund des unverdauten Fremdkaseins oder aber Unterversorgungen. Dagegen wurden sog. Rahmkonserven entwickelt, deren bekannteste das Biedertsche Rahmgemenge war.32 Dieses konnte entweder – wie die Liebigsche Suppe – zu Hause nach Rezept zubereitet werden, zudem aber seit 1874 in einer Büchsenverpackung fertig gekauft werden. Das Prinzip war einfach, schöpfte man doch nur den Rahm von frischer kühler Milch ab, mischte diesen mit zuvor abgekochtem Wasser, fügte dann Milchzucker hinzu und rundete die Mischung mit Frischmilch ab. Biederts Kindernahrung war jedoch »für die Bevölkerungsklasse, der es dienen soll, viel zu theuer,«33 zumal auch die häusliche Zubereitung Zeit und Aufwand erforderte. Das Fabrikat hatte eine zähe, sirupartige Konsistenz und konnte nur schlecht dosiert werden. Die Büchse selbst war nicht luftdicht zu verschließen, ihr Inhalt bildete daher einen möglichen Infektionsherd.34 Parallel entwickelte Milchtafeln besaßen dieses Problem nicht, wiesen jedoch zu hohe Zuckeranteile auf und boten keinen adäquaten Ersatz zur Muttermilch. Selbst um die Jahrhundertwende war das »Biedert’sche Rahmgemenge […] nicht überall erhältlich oder wird auf weite 30 Zu Biedert vgl. Görgen, Emil: Philipp Biedert und seine Bedeutung in der deutschen Pädiatrie, Med. Diss. Düsseldorf 1939; Vaupel, Dorothee: Philipp Biedert (1847–1916). Leben, Werk, Wirkung, Med. Diss. Hannover 1993 (Ms.). 31 Frucht, [Theodor]: Soxhlet’s Nährzucker  – Ein neues Kindernährmittel, MMW 49, 1902, 57–60, hier 58. 32 Vgl. Orland, 2004, 296–297. 33 Baginsky, A[dolf]: Uber Verwerthung der Milchconserven für die Kinderernährung, BKW 20, 1883, 540–541, 556–558 (inkl. Disk.), hier 556 (Henoch). 34 Baron: Die künstlichen Kindernahrungsmittel, MMW 42, 1895, 668–670, 697–700, hier 698. Zur Kritik vgl. auch Soxhlet, [Franz]: Ueber Milch-Conserven, MMW 37, 1890, 337–340.

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Abb. 4: Säuglingsernährung einst und jetzt – Karikatur 1886

Entfernung verschickt, geht durch viele Hände, bleibt bei wechselndem Absatz lange liegen und bietet so nicht mehr die Gewähr des Unzersetztseins.«35 Distributionsprobleme konterkarierten somit die an sich vorbildliche Transparenz: Biederts Kindernahrung war standardisiert, die chemische Zusammensetzung auf der Etikette vermerkt, zudem unterlag es dauernder chemischer Kontrolle. Während Milchpräparaten somit nur ein begrenzter Erfolg beschieden war, wurden Kindermehle seit den 1860er Jahren zur wichtigsten Gruppe künstlicher Säuglingsernährung. Sie bestanden zumeist aus eingedickter Milch und speziell behandelten Getreide- oder Leguminosemehlen. Durch hohe Temperaturen wurde deren Stärke in Dextrin umgewandelt, ein Teil der Verdauungsarbeit der Säuglinge dadurch vorweggenommen. Ein Marktüberblick listete 1881 immerhin schon 43 verschiedene Präparate auf, doch die Erfinder und Verwendungszweck koppelnden Produktnamen verdeutlichen, dass sie zumeist kleingewerblich hergestellt wurden.36 Industrielle Produktion war noch die Ausnahme. Ihre Grundprinzipien waren gleichwohl schon angelegt, nämlich die wissenschaftliche Problemdefinition, regelmäßige Untersuchungen und eine wissensbasierte Herstellungspraxis. Gleichwohl bemängelten Chemiker meist die Kosten pro Kalorie. Künstliche Präparate konnten daher nur Aushilfsprodukte sein. Obwohl damit um 1880 eine große Zahl hilfreicher künstlicher Ersatzprodukte produziert werden konnten, blieb ihr Erfolg insgesamt begrenzt. Die betriebliche Praxis glich einem zwar wissenschaftlichen gelenkten, sich gleichwohl 35 Frucht, 1902, 58. 36 Vgl. Villaret, [Albert]: Von der Hygiene-Ausstellung, BKW 20, 1883, passim, hier 735.

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aber an vielen praktischen Problemen abmühenden Tagesgeschäft. Deutlich erkennbar ist die eindeutige Produktzentrierung dieser frühen Phase der nur in Kleinserien gefertigten »Apothekerwaren«. Die wachsende Zahl von Präparaten und ihre verbesserte Qualität boten zumindest den zahlungskräftigen Haushalten eine nützliche Alternative zum Stillen und zur Kuhmilch. Doch in den 1880er Jahren kamen mit den Milchkonservierungsapparaten ganz neue Produkte auf den Markt, um die bestehenden Probleme der künstlichen Säuglingsernährung zu minimieren.

3.1.3 Hilfen für den Haushalt: Konservierungsapparate und ihre Folgen Die bakteriologische Gärungstheorie hatte schon in den 1860er Jahren klare Handlungsanweisungen für Haushalt und Gewerbe unterstützt: Milch sollte vor Verzehr und Verfütterung ausreichend erhitzt werden, um die Keime sicher abzutöten.37 Entsprechend waren die ersten künstlichen Präparate durchweg hitzebehandelt. Die offene Flanke der Alltagsversorgung bildete jedoch die Tiermilch als wichtigste Alternative zum Stillen. Obwohl die gängigen Klagen über die Verfälschung dieses Grundnahrungsmittels weniger auf deren Zersetzung, sondern vielmehr auf häufige Streckung und Entrahmung gründeten, bestand hier doch dringender Handlungsbedarf, um die Säuglingssterblichkeit zu begrenzen.38 Aus bakteriologischer Sicht war die Vermeidung der Zersetzung zentral. Das war ideale Prävention. In den 1860er Jahren diskutierten Mediziner über einer Art Milchkette, gekennzeichnet durch ein Melken in luftdichte Gefäße und eine entsprechende Distributionsstruktur. Praktikabel erschien jedoch einzig die Pasteurisierung, also die Erhitzung der Milch zwecks Keimtötung. Diese konnte grundsätzlich in den seit den späten 1870er Jahren zunehmend errichteten Molkereien erfolgen, wurde aber trotz wissenschaftlicher Ratschläge nicht die Regel. Grund hierfür war v. a. der durch die Erhitzung veränderte Geschmack, der den Kundenwünschen nach »frischer« Milch zuwiderlief. Die schwer zu steuernde Pasteurisierung wurde stattdessen zum Kennzeichen erster Milchkuranstalten, die für das Premiumprodukt allerdings deutliche höhere Preise verlangten.39 37 Vgl. etwa Verhaltensmassregeln zur Verhinderung der Sterblichkeit neugeborner Kinder, Wiener Medizinische Wochenschrift 19, 1869, Sp. 977–980, 993–995. 38 Escherich, Th[eodor]: Ueber die Keimfreiheit der Milch nebst Demonstration von Milchsterilisirungs-Apparaten nach Soxhlet’schem Princip, MMW 36, 1889, 783–785, 801– 805, 824–827. Vgl. allgemein Spiekermann, Uwe: Zur Geschichte des Milchkleinhandels in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: Ottenjann, Helmut/Ziessow, Karl-Heinz (Hg.): Die Milch. […], Cloppenburg 1996, 91–109, v. a. 95–98. 39 Dornblüth, Fr[iedrich]: Die Milchversorgung der Städte und ihre Reform, DVÖG 12, 1880, 413–424.

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Das Ziel einer breitenwirksamen »aseptischen Milchgewinnung« war so nicht zu gewährleisten. Der Haushalt bildete eine Schwachstelle, konnte doch auch pasteurisierte Milch sowie qualitativ hochwertige »Kindermilch« durch unangemessene Behandlung zu einem bakteriellen Risiko für die Säuglinge werden. Angesichts fehlender bzw. ineffizienter Kühltechniken war Tiermilch nicht nur eine notwendige und praktikable Alternative zum Stillen, sondern immer auch ein potenzielles Gesundheitsrisiko. Die konsequente Antwort war eine Verhäuslichung der Keimtötung durch neuartige Haushaltsgeräte, also Milchkochapparate. Diese wurden seit den 1860er Jahren vielfach diskutiert. Einfaches Aufkochen veränderte die Eiweiße der Milch und konnte zu Magen- und Darmbeschwer­ den der Säuglinge führen.40 Erste Apparate mit schonenderen, gleichwohl wirksamen Erhitzungsverfahren kamen in den frühen 1880er Jahren auf den Markt, doch der eigentliche Durchbruch gelang erst 1886 dem Münchener Chemiker und Tierphysiologen Franz Soxhlet.41 Im Münchener Ärztlichen Verein präsentierte er »einen Sterilisirungs-Apparat, welcher ursprünglich ein Laboratoriums-Apparat war, in der Kinderstube meiner Familie aber die Wandlung zu einem relativ einfachen Hausgeräth durchgemacht und vor seiner Empfehlung die Probe der Gebrauchsfähigkeit bestanden hatte.«42 Dazu bot der Münchener Chemiker ein Komplettset an, bestehend aus einem Kochtopf zur Sterilisierung, in dem Einsätze die Fixierung der (insgesamt 20) mit Messstrichen versehenen Glasflaschen erlaubten. Ein Einfüllglas, zehn Kautschukstöpsel, zehn Saugvorrichtungen, ein Spritzkautschukball zum Reinigen, ein Gestell zur Aufbewahrung der Utensilien, ein Blechtopf zum Erwärmen der Milchflaschen vor der Verfütterung sowie Reinigungsbürsten zeugten von dem beträchtlichen Aufwand, um keimarme Milch herzustellen. Die Kosten des Apparates lagen bei ca. 18–20 M., also etwa dem doppelten Preis einer Eismaschine. Mehrere tausend Apparate wurden in den nächsten drei Jahren verkauft, doch fast noch wichtiger war das Prinzip selbst. Der Apparat materialisierte die Prinzipien der Bakteriologie, diente dazu, die Tiermilch »rein« von Umweltkeimen zu halten. Zugleich ordnete er durch Messung und Portionierung häusliches Handeln im Sinne objektivierten Wissens.

40 Villaret, 1883, 736. Ein weiteres Beispiel bietet Fetzer, H.: Ueber Maltoleguminosenmehl und Maltoleguminosenchokoladen (Baron H. v. Liebig), BKW 18, 1881, 730–732. 41 Zur Biographie vgl. den unkritischen Artikel von Mößmer, Anton: Beitrag zur Säuglingsernährung vor 100 Jahren. Erinnerungen an Franz von Soxhlet, Der Kinderarzt 15, 1984, 1203–1210. 42 Soxhlet, F[ranz]: Ein verbessertes Verfahren der Milch-Sterilisirung, MMW 38, 1891, 335–339, 353–356, hier 335. Vgl. auch Ders.: Ueber Kindermilch und Säuglings-Ernährung, MMW 33, 1886, 253–256, 276–278.

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Abb. 5a+b: Die Einzelkomponenten des Soxhlets-Apparats 1886

Die Ärzte reagierten positiv, ja begeistert, trotz Kritik an dem geschäftstüchtigen Chemiker.43 In der häuslichen Praxis aber zeigten sich erste Probleme, die zu einer großen Zahl von verbesserten Apparaten führten, die unter dem Namen ihrer jeweiligen Konstrukteure den Weg in den wachsenden Markt fanden.44 Dabei ging es nicht um das Prinzip der Apparate, sondern um Fragen von Keimarmut vs. Keimfreiheit. Diese innerwissenschaftliche Optimierungsdebatte grenzte jedoch wichtige Punkte aus: Die Apparate blieben ein »Vorrecht der Reichen«45. Nur bürgerliche Haushalte konnten sich diese Geräte leisten und verfügten über Dienstboten und Zeitreserven, um sie sachgemäß zu bedienen. Die soziale Schlagseite der technischen Lösung verlangte nach anderen Maßnahmen. Der Aufbau von Milchküchen und Kindermilchstationen war die klinisch-institutionelle, der Ausbau hochwertiger »Kindermilch«-Marktsegmente

43 Discussion über den Vortrag des Prof. Dr. Soxhlet: Ueber ein verbessertes Verfahren der Milchsterilisirung, MMW 38, 1891, 431 (Ranke). 44 Vgl. etwa Hesse, W.: Dampf-Sterilisierungsapparat für Laboratorium und Küche, […], DMW 14, 1888, 431–432; Israel, Oskar: Zu Soxhlet’s Milchkochapparat, BKW 26, 1889, ­640–641; Hippius, A[lexander]: Ein Apparat zum Sterilisiren der Milch im Hause, BKW 27, 1890, 1048–1051. 45 Birk: Die Bedeutung der Milch als Nahrungsmittel, ZFMH 36, 1925/26, 321–328, hier 323.

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die marktbezogene Reaktion.46 Soxhlet selbst war sich dieser sozialen Kom­ ponente sehr wohl bewusst und empfahl daher, den Apparat zu nutzen und parallel die Milchproduktion zu verbessern, insbesondere aber Verschmutzungen durch Exkremente und Straßenstaub zu minimieren.47 Zugleich setzte er – hart kritisiert von Pädiatern48 – auf Kostendegression durch erhöhten Absatz bzw. eine intensive Reklame durch seine Lizenznehmer. Der Soxhlet-Apparat blieb während des Kaiserreiches unangefochten Marktführer, und doch sinnierten führende Pädiater, wie wenig er »und die anderen Sterilisationsverfahren trotz ihrer enormen Verbreitung die Sterblichkeitsziffern der Säuglinge beeinflußt haben.«49 Das lag nicht zuletzt daran, dass die einseitige Konzentration auf bakteriologische Probleme eine folgenreiche Fehleinschätzung war. Milchkonservierungsapparate beseitigten zwar ein Gesundheitsrisiko, schufen jedoch ein neues. Schon 1857 hatte der Königsberger Arzt Julius Otto Ludwig Möller einzelne Krankheitsfälle beschrieben, die nach dem Verzehr gekochter Milch auftraten.50 Im Rahmen der damaligen Ätiologie ordnete er diese als »acute Rachitis« ein, ohne aber über eine Beschreibung hinauszugehen. 1883 bündelte der britische Arzt Thomas Barlow die bisherigen Beobachtungen, verwies zugleich nun auch auf die »scorbutartige Natur des Leidens«51. Die Säuglinge litten an allgemeinen Gliederschmerzen, die jegliche Bewegung zur Qual machten. Parallel schwollen Weichteile und Extremitäten an. Barlow sah die Ursache in künstlicher Ernährung, war sich jedoch nicht sicher, auf welche Einzelbestandteile der gekochten Kuhmilch bzw. der künstlichen Präparate die Krankheit zurückzuführen war. Die Kinder regenerierten, wenn ihnen frische Milch oder aber frische Beikost gegeben wurde. Das Krankheitsbild der später Möller-Barlowsche Krankheit genannten Vitaminmangelkrankheit war schon in den 1870er Jahren Teil des Lehrbuchwissens, doch intensive öffentliche Diskussionen begannen erst in den 1890er Jahren. Neue »und eigenartige Krankheiten«52 wurden beobachtet und wiesen auf eine direkte Korrelation zwischen dem alleinigen Verzehr hocherhitzter Präparate

46 Vgl. Backhaus, [Alexander]: Die Herstellung von Kindermilch. […], Wochenblatt des Landwirthschaftlichen Vereins im Großherzogthum Baden 1895, 632–636. 47 Soxhlet, F[ranz]: Ueber Milchverfälschung und Milchverunreinigung, MMW 38, 1891, 537–538, hier 538. 48 Vgl. etwa Czerny, 1939, 40–41. 49 Schlesinger, Eugen: Der Wandel unserer Anschauungen von den Ernährungsstörungen der Säuglinge, Straßburger medizinische Zeitung 1908, 146–151, hier 146. 50 Vgl. Knecht-Van Eekelen, Annemarie de: Naar een rationele Zuigelingenvoeding. Voedingsleer en Kindergeneeskunde in Nederland (1840–1914), Nijmegen 1984, 158–165. 51 Dräer, Arthur: Die Barlow’sche Krankheit. […], Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege 15, 1896, 378–387, hier 379. 52 Zuntz, N[athan]: Über neuere Nährpräparate in physiologischer Hinsicht, Berichte der Deutschen Pharmaceutischen Gesellschaft 12, 1902, 363–381, hier 377.

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und dem Siechtum zahlreicher Säuglinge hin.53 Gleichwohl wurde der SoxhletApparat – ebenso wie etwa zeitgleich die sog. Kochkiste für die Alltagsernährung – weiter empfohlen und erfolgreich vermarktet.54 Erst die Benennung und Erforschung der Vitamine machte deutlich, dass hoch erhitzte Milch trotz guter Absichten ein wissenschaftlich empfohlenes Gesundheitsrisiko war. Die breit angelegte Hinwendung der Ärzte zur »natürlichen« Ernährung seit der Jahrhundertwende hat ihren Grund nicht nur in der begrenzten Wirksamkeit gängiger Empfehlungen und Produkte, sondern auch in den von ihnen geschaffenen neuen Gesundheitsgefährdungen.

3.1.4 Die »Kindernahrungsmittelindustrie«55 Der Wissenstransfer durch die neuen Haushaltsgeräte wurde spätestens seit den 1890er Jahren von Halbfertigprodukten flankiert, die von einer nun zunehmend selbstbewusst agierenden Nährmittelbranche angeboten wurden. Sie war Teil und Ausdruck der sog. zweiten Industrialisierung und zielte auf eine teilweise Enthäuslichung der Sorge für das Gedeihen des Säuglings. Alltägliches Handeln  – hier Stillen oder die Verfütterung von Tiermilch  – wurde auf Basis objektivierten Wissens über die chemische Zusammensetzung der Nahrung und der Physiologie des Kindes durch ein Produkt ersetzt und dabei zugleich optimiert. Alltagshandeln konnte durch einen Kaufakt rationalisiert werden, vertraute man denn den Unternehmern und Wissenschaftlern. Massenproduktion erlaubte grundsätzlich günstigere Preise, wichtiger noch waren die umfangreichen Investitionen in Absatzstrukturen, Marktpräsenz und eine nicht allein an Ärzte, sondern vorrangig an Konsumenten gerichtete Werbung. Damit gewannen Kunden(innen)wünsche an Bedeutung. Trotz der prekärer Zwischenstellung der künstlichen Säuglingsnahrung zwischen Heil- und Lebensmittel und dem Vertrieb vorrangig über Apotheken und Drogerien markierte dies einen wichtigen Unterschied zu früheren, allein produktorientierten Produkten. Die Marketingorientierung bewirkte immer wieder Brüche zwischen Ärzten und Industrie. Erstere machten die Wendung hin zum Verbraucher nicht wirklich mit. »Individualisierung« war für sie eher problematisch, ging es doch lediglich um die Spezifizierung und Differenzierung allgemein gültiger Grundsätze. Im Denken der Ärzte war die Industrie nicht Verbündeter, sondern vorrangig Dienstleister, dem eigenes Wissen nicht zugebilligt wurde, sondern einzig ein 53 Meyer, Ed.: Ueber Barlow’sche Krankheit, BKW 33, 1896, 85–86; Hamburg: Ueber die Zusammensetzung der Dr. Riethschen Albumosemilch und deren Anwendung bei Kindern und Erwachsenen, BKW 33, 1896, 785–790, hier 787–788. 54 Heubner, O[tto]: Lehrbuch der Kinderheilkunde, Bd. I, Leipzig 1903, v. a. 67. 55 Villaret, 1883, 734.

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angemessenes Entgelt. Gerade Wissenschaftler, die mit der Industrie kooperierten, sahen in den Werkhallen der Unternehmen vergrößerte Laboratorien, in denen ihre Ideen umgesetzt und verbreitet wurden.56 Sie reflektierten weder den mit Wachstum einhergehenden Machtgewinn der Unternehmen, noch die impliziten Handlungsprogramme der neuen Produkte. Die ersten Produkte der späteren Kindernahrungsindustrie entstanden in den 1860er Jahren. Abermals lassen sich Milch- und Mehlprodukte vonein­ ander trennen. Kondensmilch wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA hergestellt, das Grundprinzip aber schon in den 1830er Jahren in England entwickelt.57 Gleichwohl wird gemeinhin 1866 als Geburtsdatum der europäischen Produktion genannt, als in Zürich die Gebrüder Page die spätere Anglo-Swiss ­Condensed Milk Company gründeten.58 Die Produktion stieg seit 1867 stark an, erreichte ihren Höhepunkt Mitte der 1880er Jahre, nahm dann wieder ab.59 Kondensmilch galt als eine Art Essenz der Milch, auch wenn Zucker als Konservierungsmittel zugesetzt wurde. Entsprechend wurde sie anfangs auch als Kinderernährung eingesetzt  – nicht zuletzt empfohlen von Liebig.60 Einen gleichwertigen Ersatz bot sie allerdings nicht. Kondensmilch wich noch stärker als Kuhmilch vom Ideal der Muttermilch ab. Klinische Versuche machten schnell klar, dass ihre alleinige Verfütterung an Säuglinge fahrlässig wäre. Dies wurde seinerzeit auf den verwandten Rohrzucker zurückgeführt, doch handelte es sich abermals um akuten Vitaminmangel. Trotz ihrer Keimfreiheit nutzte man Kondensmilch daher einzig als Beikost, zumal die Schweizer Produktionsstätten wegen mangelhafter Milchkontrolle und fehlenden Betriebschemikern scharf angegriffen wurden.61 Als Bestandteil von Kindermehlen wurde Kondensmilch gleichwohl ein wichtiges Zwischenprodukt.

56 Vgl. etwa den Lobpreis fabrikatorischer Herstellung bei Backhaus, [Alexander]: Ueber Herstellung von Kindermilch, BKW 32, 1895, 561–563, 589–593, hier 562. 57 Vgl. etwa schon Doebereiner, Franz: Nahrungsmittellehre für Jedermann, Dessau 1857, 74. 58 Vgl. Fischer, Manuel: Kondensmilch. Vom Kindernährmittel zum vielseitigen Halbfabrikat der Nahrungsmittelindustrie, 1866–1900, in: Gilomen, Hans-Jörg u. a. (Hg.): Innovationen. […], Zürich 2001, 279–303. Zur Firmengeschichte s. Fenner, Thomas: Flaggschiff Nescafé – Nestlés Aufstieg zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt, Baden o. J. (2015), 53–66. 59 Vgl. die Produktionsziffern bei Steiner, Hermann: 100 Jahre Nestlé. Zur Geschichte der ersten europäischen Kondensmilchfabrik in Cham (gegründet 1866), Zug 1966, 31. Demnach stieg die Produktion von 1867 2.850 Kisten (á 48 Büchsen) über 13.950 1870, 95.453 1875, 174.964 1880 auf 370.171, während 1890 dann nur noch 168.136 Kisten hergestellt wurden. 60 Vgl. etwa die Anzeige in Kladderadatsch 22, 1869, 6. S. n. 192. 61 Steiner, 1966, 49; Liebig, Herm[ann] v.: Ueber den Werth der condensirten Milch als Säuglingsnahrung, Blätter für Genossenschaftswesen 26, 1879, 70.

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Anders verlief dagegen die Entwicklung der wesentlich von der Firma Nestlé geprägten Kindermehlindustrie.62 Der Chemiker und Gas- und Kunstdünger­ fabrikant Henri Nestlé war fest im stofflichen Denken seiner Zeit sozialisiert. Angeregt durch Liebigs Malzsuppe und getragen vom Problembewusstsein seines persönlichen Umfeldes, probierte er verschiedene Mischungen von Milch und dann Mehlen aus, ehe er sein Kindermehl auf den Markt brachte. Es bestand aus mit Zucker versetzter Kondensmilch, der er pulverisiertes Weizenmehl zumengte und dieses mit Kaliumbicarbonat mischte. Doch der Schweizer Unternehmer kombinierte nicht nur Nahrungsmittel zu einem neuerlichen Muttermilch-Analogon. Er nutzte zugleich das durch positive Wirkungen in der eigenen Familie entstandene Image des »Wundermittels« sowie die romantisierte Idylle von Schweizer Milch und Alpen, verband sie mit unternehmerischem Kalkül und Finanzkraft und investierte systematisch in Maschinenpark und Werbung. Apotheker und Ärzte, die er auch für werbende Gutachten gewann, standen dabei im Mittelpunkt. Seinen chemischen Hintergrund vermarktete Nestlé gezielt, unterstützte so den Anspruch, eine wissenschaftliche Ersatznahrung anzubieten. Das Kindermehl wurde in 500 g-Büchsen mit einheitlicher Etikette und klarem Markenbild angesetzt. Der Vertrieb erfolgte über Depots und Agenturen, die engen Grenzen des Schweizer Marktes konnten rasch überschritten werden. Die Expansion sicherte schließlich 1875 die Gründung einer Aktiengesellschaft finanziell ab. Seit 1868 im deutschen Markt präsent, nahmen die Absatzmengen vor allem zwischen 1871 und 1876 schnell zu. 1870 lagen sie bei 113.185 Büchsen, überschritten 1875 die Millionengrenze, erreichten 1880 1,7 Mio. und 1890 2,9 Mio. Büchsen.63 Ungefähr die Hälfte davon wurde im Deutschen Reich abgesetzt. Dieser Erfolg wurde dort von Beginn an auch skeptisch bewertet. Das Kindermehl schien leicht »verdaulich, gutschmeckend und gut nährend, aber zu theuer.«64 Vergleichende chemische Kontrollen ergaben jedoch bessere PreisLeistungs-Verhältnisse bei deutschen Anbietern.65 Die Konkurrenz nahm daher 62 Vgl. Gholamiasllari, Gholam Hossein: Zur Geschichte der Entwicklung der künstlichen Säuglingsernährung in Mitteleuropa dargestellt am Werdegang verschiedener Milchund Nährmittelfirmen, Med. Diss. Erlangen-Nürnberg 1975, 10–26; Pfiffner, Albert: Henri Nestlé. Vom Frankfurter Apothekergehilfen zum Schweizer Industriepionier 1814–1890, Vevey 1995. 63 Angaben n. Pfiffner, Albert: Henri Nestlé (1814–1890). Vom Frankfurter Apothekergehilfen zum Schweizer Pionierunternehmer, Zürich 1993, 241. 64 Richter, Hermann Eberhard: Das Geheimmittel-Unwesen. Nebst Vorschlägen zu dessen Unterdrückung, Bd. 2, Leipzig 1875, 122. 65 Kindermehl-Fabrikate, Industrie-Blätter 13, 1876, 221. Vgl. die entsprechenden Berechnungen von Baron, 1895, 699 bzw. Schmidt, Ad.: Diätetische Küche und künstliche Nährpräparate (Wissenschaftliche Grundlagen, Indikationen, praktische Durchführung.), in: Leyden, Ernst v./Klemperer, Felix (Hg.): Die deutsche Klinik am Eingange des zwanzigsten Jahrhunderts in akademischen Vorlesungen, Bd. XIII, Berlin/Wien 1911, 293–324, hier 320.

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Anstoß an Werbeslogans Nestlés, in dem er »das anerkannt beste Ersatzmittel der Muttermilch«66 anpries, das er zugleich »als das billigste Nahrungsmittel dieser Art in geneigte Erinnerung«67 bringen wollte. Gleichwohl etablierte sich Nestlés Kindermehl als klarer Marktführer. Grund hierfür war nicht zuletzt der angenehm süße Geschmack des Produktes, der den Säuglingen offenbar zusagte. Auch der Branchenprimus geriet seit der Mitte der 1880er Jahre zunehmend unter Druck, als dextrinierte Kindermehle Bedeutung gewannen, ebenso die sog. Nährzwiebäcke. Diese stetig wechselnde Konkurrenz war typisch für den deutschen Markt, auf dem sich nur wenige Produkte dauerhaft etablieren konnten.68 1914 gab es mehr als einhundert Kindermehle.69 Für die deutschen Unternehmen waren zwei Faktoren charakteristisch. Erstens blieben sie klein. Die Deutschen Milchwerke in Zwingenberg wiesen etwa nur eine niedrige zweistellige Mitarbeiterzahl auf, obwohl sie mit den Biedertschen Kindernährmitteln ein Pionierprodukt vermarkteten.70 1882 zur Produktion von pharmazeutisch-chemischen Präparaten gegründet, kooperierten sie seit Anfang der 1890er Jahre mit dem Pädiater, produzierten und vermarkteten dann die Biedertsche Rahmkonserve. Ihnen gelang der Weg in den Markt, deutlich etwa an der Umbenennung des Kernproduktes in den Markenartikel Biederts Ramogen. In den Folgejahren wurde das Sortiment um Spezialprodukte ergänzt, ferner gängige Innovationen aufgenommen (Biederts Somatose-Milch, Bu-Co, Dr. Thomas Buttermilch-Kindermehl sowie die Anämose-Milch). Obwohl die Deutschen Milchwerke zunehmend auch in Publikumszeitschriften warben, erreichten sie weder die Präsenz noch die Aufmerksamkeit des Konkurrenten Nestlé. Künstliche Säuglingsernährung schien dem Arzt vorbehalten, ihre Werbung entsprach stärker der für Heilmittel als für gängige Konsumgüter. Angesichts der zahlreichen Innovation insbesondere während der 1890er Jahre, als mit der Albumosenmilch eine neue Produktkategorie geschaffen wurde, war dies erst einmal verwunderlich. Doch schon die Namen der Produkte, etwa Voltmersche oder Backhaussche Milch, Riethsche oder Hartmannsche Albumosenmilch, verweisen auf die enge Beziehung von Wissenschaftlern und ihrem jeweiligen Produkt. Die Innovationen verpufften letztlich im Markt, da die Ärzte mit der großen Zahl von Innovationen überfordert waren, stattdessen an den bewährten Präparaten festhielten und auf kommerzielle Moden zunehmend ablehnend reagierten. 66 Vgl. etwa BKW 15, 1878, 344. 67 BKW 20, 1883, n. 528. 68 Fürst, L[ivius]: Ueber amylumhaltige Milchconserven, BKW 33, 1896, 727–728, 7­ 50–751, hier 727. 69 Klotz, Max: Die Bedeutung der Getreidemehle für die Ernährung, Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 8, 1912, 593–696, hier 682. 70 Vgl. Die Deutschen Milchwerke und ihre Stellung zur Kinderernährung, Zwingenberg 1906.

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Andere Beispiele zeigen allerdings zweitens, dass deutsche Anbieter durchaus Marktchancen durch forschungsbasierte Innovationen hatten. Soxhlet gelang es 1893 etwa, Milchzucker zu isolieren, den er dann als Markenprodukt und – unterstützt von intensiver Reklame  – als »natürlichen« Zucker für Säuglinge im Markt positionierte und der zugleich die Basis für neue Präparate bildete.71 Der »Milchzuckerrummel«72 endete mit dem Auslaufen des Patentes, doch 1902 brachte Soxhlet einen neuen »Nährzucker« auf den Markt, abermals begleitet von intensiver und letztlich erfolgreicher Werbung.73 Soxhlet blieb jedoch eine Ausnahme. Seine strikte Marktorientierung erschien den meisten Ordinarien als ungehörig. Die eigentliche Expansionsphase der Kinderernährungsindustrie lag in den 1890er Jahren. Kurz darauf machte sich die langsam verbesserte Milchqualität, vor allem aber die sich intensivierende Stillpropaganda bemerkbar. Ausgaben für die hieraus resultierenden neuen Produkte und Dienstleistungen – man denke an die in Säuglingsküchen zubereitete Milch, an Schulungskurse, aber auch an den wachsenden Markt von Stärkungsmitteln und die Milchproduktion anregende Präparate – fehlten in den Kassen der Nährmittelproduzenten. Selbst der Branchenprimus Nestlé blieb davon nicht verschont. Dessen Diversifizierung nach der Jahrhundertwende ist auch vor diesem Hintergrund zu verstehen. Etablierung und Bedeutungsgewinn industrieller Unternehmen bedeuteten generell die Etablierung einer eigenständigen kommerziellen Sphäre abseits wissenschaftlich definierter Notwendigkeit. Die wachsende Kritik vieler Ärzte an der Kommerzialisierung der Säuglingsernährung kann mit dieser Ausdifferenzierung systemischer Logiken erklärt werden. Sie verstanden sich nicht mehr länger als Partner der Industrie, sondern wurden zunehmend deren Kritiker. Zugleich aber reichte ihre Autorität vielfach nicht mehr aus, um die von der Wirtschaftswerbung kreierten Vorstellungswelten aufzubrechen. Der Überzeugung, »Kindermehle seien für jedes Alter ein vollwertiger Ersatz der Muttermilch«74 war in kleinen, aber wachsenden Konsumentengruppen etabliert.

71 Zur fachlichen Diskussion vgl. Neumann, H.: Bemerkungen über Milchzucker, BKW 30, 1893, 535; Kahnt, [Karl]: Beitrag zur Milchzuckerfrage, ebd., 817–820. 72 Czerny, 1939, 74. 73 Vgl. Frucht, 1902; Rommel, Otto: Der Soxhletsche Nährzucker in der Ernährungstherapie kranker Säuglinge, MMW 50, 1903, 240–245. 74 Baron, 1895, 699.

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3.1.5 Ärztliches Ethos und die Praxis des Stillens Die steigende Zahl und erhöhte Qualität künstlicher Säuglingsnahrungen bewirkten keine Abkehr der Pädiater vom Ideal der Muttermilch.75 Im Gegenteil – nach der Jahrhundertwende gab es, getragen von breiter gelagerten Vorstellungen kulturellen und biologischen Niedergangs, einen ersten Höhepunkt der Stillpropaganda und den Auf- und Ausbau von Säuglingsküchen sowie leistungsfähiger pädiatrischer Abteilungen. Muttermilch schien ein Hort der Natur in einer Umwelt, die funktional und fremdbestimmt war. Max Rubner, skeptisch und mitfühlend zugleich, sah hierin die Ursache für die um die Jahrhundertwende wieder intensiver geführte Debatte um gesunde Lebensmittel, »die durch fremde Kunst keinen Eingriff erlitten haben«, und hob zugleich hervor, dass dies »zu einer Art Verehrung der Wunderkräfte der Natur, ihrem mystischen Kräuterschatz und anderen Dingen« führe, die zwar verständlich, naturwissenschaftlich aber höchst fraglich sei.76 Für das Hochhalten »natürlicher« Ernährung durch die Mehrzahl der Ärzte gab es drei Gründe: 1. Wenngleich die erfahrungsgesättigte ärztliche Kunst im späten 19. Jahrhundert zunehmend zu einer naturwissenschaftlich begründeten Profession mutierte, galt die Pädiatrie doch als eine Teildisziplin, in der »stets ›Probiren über Studiren‹ geht.«77 Dies betraf zwei Ebenen: Die enge Fixierung der Fabrikanten auf eine der Muttermilch ähnliche künstliche Kost führte erstens dazu, die Indikationen für die Anwendung der Nährmittel zu präzisieren. Die ärztliche Praxis erforderte Hilfsmittel für eindeutig definierte Krankheitsbilder. Genau dies leisteten die universell einsetzbaren Nährmittel aber nicht. Die Umsetzung in die Praxis verblieb bei den Ärzten, die somit die Einsatzfelder der einzelnen Präparate erkunden und benennen mussten. Hilfestellungen für die kleinen Patienten erforderte ein Ausprobieren an ihnen, am lebenden Objekt. Das gelang zumeist, auch wenn insbesondere die Physiologen diese auf Erfahrung und nicht auf Laboratoriumswissen gründende ärztliche Praxis kritisierten.78 Zweitens galt der ärztliche Blick, trotz eines heute vielfach befremdlichen Umgangs mit dem Material Mensch79, der Unterscheidung individueller Be 75 Leider nur pointilistisch ist Seichter, Sabine: Erziehung an der Mutterbrust. Eine kritische Kulturgeschichte des Stillens, Weinheim/Basel 2014, 68–87. 76 Rubner, M[ax]: Ueber Volksgesundheitspflege und medizinlose Heilkunde, Berlin 1899, 26. 77 Baginsky, Adolf: Noch einige Bemerkungen der Kuhmilchnahrung und Milchsterilisirung, BKW 32, 1895, 384–385, hier 385. 78 Vgl. etwa Liebig, 1884, 628. 79 Vgl. etwa das Forschungsdesign der Menschenversuche in Cronheim, W[alter]/Müller, Erich: Versuche über den Stoff- und Kraftwechsel des Säuglings mit besonderer Berücksich-

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dürfnisse der Säuglinge. Ärztliches Erfahrungswissen konnte Leben retten, zu weit getriebener Schematismus dieses aber auch gefährden. Zugleich schuf das Beharren auf der individuellen ärztlichen Kunst eine entscheidende Wissensschnittstelle, um erstens die Gruppe der Ärzte gegenüber anderen Naturwissenschaftlern abzugrenzen und ihr Wissen zweitens nochmals gegenüber dem Alltagswissen der Frauen zu stärken und durchzusetzen: »Natürliche« Ernährung mit Muttermilch musste tendenziell auch gegen den erklärten Wunsch der Frau durchgesetzt werden, erschien es doch als »die heilige Pflicht jeder Mutter, ihr Kind selbst zu stillen.«80 Ärzte nahmen den selbst so bezeichneten »Kampf gegen die Unwissenheit der Mütter« auf, ließen ihnen »eine sachgemäße Belehrung zuteil werden«, um so den Stillwillen zu stärken. Zugleich aber behielten sie sich die Entscheidung vor, ob künstliche Ernährung angemessen sei.81 Nicht die Konsumenten und Unternehmer sollten Markthoheit besitzen, sondern die Ärzte. Die Definitionsmacht über die Säuglingsernährung war angesichts der schnell wachsenden Zahl staatlicher Vor-, Für- und Nachsorgeeinrichtungen wichtig für die Dominanz der Ärzte im Gesundheitswesen.82 2. »Natürliche« Ernährung wurde auch deshalb propagiert, weil die künstlichen Präparate offenkundige Defizite besaßen, Gesundheitsgefahren nicht ausgeschlossen waren und weder Chemie noch Physiologie ein befriedigendes und widerspruchsfreies Bild der Präparate und ihrer Wirkungen zeichnen konnten.83 Differenzen über einzelne Nährstoffe und deren Wirkung mündeten in jeweils unterschiedliche Nährmittel und etablierten eine vom Laien (und vielen Ärzten selbst) nicht mehr aufzulösende Kakophonie objektivierten Wissens.84 Das Problem wurde durch die Vitaminforschung nochmals vergrößert, tigung des organisch gebundenen Phosphors, Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie 6, 1903, 24–44, 92–114. 80 Bendix, Bernhard: Lehrbuch der Kinderheilkunde für Ärzte und Studierende, 7. durchges. u. verb. Aufl., Berlin/Wien 1916, 23. Viele Ärzte sahen die Ursachen für die Säuglingssterblichkeit »in der endemischen Verbreitung der künstlichen, der unnatürlichen Ernährung« (Peiper, Erich: Säuglingssterblichkeit und Militärtauglichkeit, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 36, 1907, 605–620, hier 610). 81 Beide Zitate n. Frey, [Gottfried]: Beitrag zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in ländlichen Bezirken, Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Medizinalverwaltung 2, 1913, 707–720, hier 715. 82 Kirstein, Fritz: Über die Organisation und Verwaltungsmaßnahmen der lokalen Verwaltungsbezirke, insbesondere der Städte, auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege, Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Medizinalverwaltung 2, 1913, 619–648, hier 640. 83 Biedert, [Philipp]: Die Versuchsanstalt für Ernährung, eine wissenschaftliche, staatliche und humanitäre Nothwendigkeit, in: Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. 71. Versammlung zu München, Th. 2, II . H., Leipzig 1900, 261–265 (inkl. Disk.), hier 262. 84 Biedert, [Philipp]: Ueber den jetzigen Stand der künstlichen Säuglingsernährung mit Milch und Milchpräparaten, TM 11, 1897, 633–641.

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die zwar viele Krankheitsbilder erklären half, die aber die Unsicherheit über die chemische Zusammensetzung von Milch und künstlicher Kost erhöhte und die bisherigen physiologischen Forschungen großenteils entwertete. Entsprechend war der Verweis auf die Muttermilch und das Stillen auch Konsequenz mangelnden Wissens. Ärzte nutzen die Wertschätzung der Muttermilch im Alltag, um eine Einheitlichkeit an den Tag zu legen, die wissenschaftliche Forschung so nicht produzieren konnte. 3. Die mit der begrenzten Vermarktung verbundene Werbung wurde von vielen Ärzten abgelehnt, da sie einer grundsätzlich anderen Logik folgte als die Wissenschaftler. Was in den 1880er Jahren noch ein Unbehagen war, wurde nach der Jahrhundertwende mehrheitsfähig. Neue Drucktechniken und eine andere Werbesprache führten zu »in wilder Reklame angepriesenen«85 Kinder­ mehlen. Die Ärzte etablierten sich daher nicht allein als Sachwalter einer gesunden, »natürlichen« Ernährung, sondern auch als Schutzmacht gegenüber der Kommerzialisierung der Säuglingsernährung.86 Dies hinderte allerdings nur wenige der führenden Pädiater, ihren Namen für Präparate herzugeben, die wissenschaftliche Kontrolle dieser Produkte zu übernehmen oder werbeträchtige Empfehlungsschreiben auszustellen. Insgesamt belegt die Entwicklung der künstlichen Säuglingsernährung die große Kraft des Stoffparadigmas für die Umgestaltung wichtiger Felder der Alltagsernährung. Auf Basis chemischer Analytik und physiologischen Modelldenkens wurde ein wachsender Markt von neuen Produkten geschaffen, die sämtlich auf wissenschaftlichem Kalkül gründeten, die ihre Position im Markt nicht vorrangig über Geschmack oder Gebrauchswert, sondern über einen abstrakten Gesundheitswert errangen. Grundprinzipien objektiven Wissens wurden über Apparate und Präparate in den Haushalten verankert. Doch angesichts offenkundiger Defizite in der Zusammensetzung und Handhabung dieser Innovationen sowie ihrer die Mehrzahl der Bevölkerung ausgrenzenden Preise, blieb ihr Erfolg begrenzt. Obwohl die Vorstellung einer stofflich zusammengesetzten Milch auch und gerade bei der Säuglingsernährung vermittelt wurde, dominierten nicht differenzierte Kenntnisse, sondern einfache Gut-Böse-Schemata. Die Ärzteschaft verbreitete sie, da die statistische Evidenz eindeutig für »natürliche« Ernährung sprach und zugleich der innere Zusammenhalt und die herausgehobene Position der Medizin durch diese einfache Volkspädagogik gefördert wurden. Künstliche Säuglingsernährung konnte sich letztlich nicht vom Odium des Notbehelfs befreien, wenngleich ihr von vielen Frauen geschätzter Gebrauchswert schon auf künftige Markterweiterungen verwies.

85 Schlesinger, 1908, 149. 86 Hierzu detailliert Hoffa, Theodor: Die Nährmittelreklame als Feindin des Säuglings, Zeitschrift für Säuglingsfürsorge 4, 1911, 10–14.

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3.2 Konzentrierte Nahrung: Militärverpflegung im Spannungsfeld von Wissenschaft, Markt und Alltagswissen Mit der Durchsetzung der allgemeinen Wehrpflicht im frühen 19. Jahrhundert wandelte sich das Militär zur viel beschworenen »Schule der Nation«. Doch dieses Wissenssystem war begrenzt, diente vorrangig dem Erlernen des Kriegshandwerks bzw. der individuellen Einordnung in ein Herrschafts- und Destruktionssystem. Die Grundbedürfnisse des Soldaten traten demgegenüber in den Hintergrund, waren vielfach noch nicht strikt geregelt. Mit der Durchsetzung einheitlicher Uniformen im 18. Jahrhundert begann jedoch eine janushafte Sorge von Landesherren und Staat für ihre Soldaten, mit der sie für ihre Primäraufgabe freigesetzt wurden, die zugleich aber auch ihrer Entindividualisierung diente. Die Kasernierung zumindest der Gemeinen und der meisten Unteroffiziere folgte im 19. Jahrhundert. Demgegenüber verblieb das Essen noch lange Zeit in der Verfügung des Einzelnen – zumindest in Friedenszeiten. Soldaten hatten ihre tägliche Verpflegung in der Regel von ihrem Sold zu bestreiten, sie galt als Privatsache. Die Integration der Ernährung in den Sorgebereich des Staates begann erst im späten 18. Jahrhundert, als zunehmend eine tägliche Brotportion ausgegeben wurde. In Preußen setzten diese Lieferungen 1799 ein, doch das Brot stammte zumeist von Privatanbietern. Geregelt wurde dabei das Gewicht (561 g täglich), während die Art des Brotes an die regionalen Geschmacksvorlieben angepasst war. Mangels Kasernierung und zentraler Verpflegungseinrichtungen mussten die Soldaten ihre Brotportion jedoch nicht essen, verkauften sie vielmehr häufig, um sich andere Lebensmittel, teils auch helleres Brot zu kaufen. Erst in den 1830er und 1840er Jahren setzte sich eine zweite sog. »Beköstigungsportion« durch, die vornehmlich aus Fleisch, Reis, Graupen oder Hülsenfrüchte bestand. Sie wurde ursprünglich nur im Marsch- oder Kriegsfalle ausgegeben, prägte dann aber mehr und mehr den Alltag der Soldaten. Die Zubereitung war zumeist Aufgabe der Soldaten, wenngleich sie diese vielfach an Wirte, Zukoch- oder Ehefrauen delegierten. Auch im Kriegs- oder Marschfall war die Regulierungsdichte eher gering. Der Staat übernahm die Beschaffung der wichtigsten Lebensmittel, doch zubereiten mussten die Soldaten ihr Essen im Regelfall selbst. Für das preußische Heer sah die Kriegsverpflegungsportion von 1859 durchweg lagerbare Lebensmittel des alltäglichen Bedarfs vor. Kartoffeln (1,5 kg) bzw. Brot resp. Zwieback (ca. 430 bzw. 470 g) dominierten mengenmäßig, doch insbesondere die Fleischportion lag deutlich über dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verzehr (250 g Fleisch bzw. 330 g Räucherfleisch bzw. 150 g Speck). Ferner wurden Reis, Graupen/Grütze sowie Leguminosen bzw. Mehl verabreicht. Branntwein und Salz rundeten die Tagesverpflegung ab, die durch Gemüse ergänzt werden

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konnte.87 Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gründete die »Schule der Nation« demnach auf der erlernten Alltagspraxis, auf den individuellen Kochkünsten der Soldaten.

3.2.1 Normsetzung abseits physiologischer Optimierung Die Art der Zubereitung wurde kaum diskutiert, da es an einem verbindlichen Optimierungsmodell mangelte. Die Ausgabe von Grundnahrungsmitteln zielte auf eine zu ergänzende Basisverpflegung. Der Einzelne, so die implizite Annahme, kannte seine Vorlieben und seinen Geschmack am besten. Grundsätzlich teilten auch Mediziner und Ernährungsphysiologen diese Einschätzung, doch angesichts offenkundig bestehender individueller Fehlernährung sowie nicht kontrollierbarer Ernährungsweisen plädierten sie für eine wissenschaftliche Normsetzung. Das galt erst einmal für die Menge der ausgegebenen Nahrungsmittel resp. Stoffe. Liebig hatte schon Kostnormen für die Großherzoglich hessische Leibkompagnie ausgearbeitet, doch eine erste umfassende Anwendung des Stoffparadigmas auf die Militärverpflegung bot 1856 der Berliner Stabsarzt Wilhelm Hildesheim. Seine Kombination der chemischen Zusammensetzung der Lebensmittel einerseits, der Stoffwechselphysiologie anderseits deckte bestehende Defizite der preußischen Militärverpflegung auf: Brot- und Beköstigungsportionen enthielten zu wenig Eiweiß und Fett.88 Dieses wissenschaftlich deduzierte Wissen war jedoch nur die eine Seite der Medaille. Hildesheim wandte die »Nährformeln« auch positiv an, um neue optimierte Verpflegungssätze zusammenzustellen.89 Darin kombinierte er die gängigen Grundnahrungsmittel anders, um insbesondere den Eiweißgehalt der Rationen zu erhöhen. Diese aber waren für das preußische Militär zu teuer. Der Berliner Arzt steht für zahlreiche Wissenschaftler, die Mitte des Jahrhunderts versuchten, die bestehende Militärverpflegung zu analysieren und zu optimieren. In Frankreich und dem Vereinigten Königreich wirkte der Krimkrieg als zusätzlicher Katalysator.90 Im Deutschen Bund wurden die dortigen hohen und erhöhten Fleischrationen sowie der Einsatz von (Fleisch-)Konserven aufmerksam verfolgt. Erfahrungsbezogener Pragmatismus erschien unzureichend: Nicht die nachträgliche Auswertung von Sanitätsberichten und »normalen« Haushaltsbudgets stand im Vordergrund, sondern das experimentelle Arsenal 87 Bernoulli, René: Geschichte der Soldatenernährung der militärisch wichtigsten Völker Europas, Med. Diss. Basel, Zofingen 1943, 21. 88 Hildesheim, 1856, 61 und v. a. 84. 89 Vgl. Ebd., 86 (vorheriges Zitat ebd., 82). 90 Einen begrenzten Vergleich ermöglicht Bernoulli, 1943.

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von Chemie und Physiologie. Mit Hilfe verbesserter Analytik und des Respirationsapparates konnten Körper- und Militärmaschinerie in ein neues Verhältnis gesetzt werden. Carl von Voit stellte entsprechende Untersuchungen in den 1860er Jahren mit Unterstützung des bayerischen Militärs an.91 Die geringere Beanspruchung im Frieden lasse sich mit täglich 119 g Eiweiß, 56 g Fett sowie 485 g Kohlenhydraten – also dem Voitschen Kostmaß – optimal bewältigen, während im Einsatzfall Kohlenhydrate zugunsten von Eiweiß und Fett zurückzutreten hatten. In Bayern sollten dann 145 g Eiweiß, 100 g Fett und 447 g Kohlenhydrate pro Tag als Schmierstoff für die Militärmaschinerie dienen: »Das im Leibe eines Soldaten sich zersetzende Material liefert die lebendige Kraft, mit der er nach aussen Wirkungen ausübt.«92 Die verausgabte Friedenskost enthielt zwar genügend Kohlenhydrate und auch Eiweiß (486 bzw. 108 g), wies jedoch nur sehr geringe Fettmengen auf (13 g). Ohne den üblichen Zukauf wären die bayerischen Soldaten glatt verhungert. Voit forderte beredt die Fürsorgepflicht des Staates ein: Wer die Kraft seiner Arme einsetze, müsse dessen Erhaltung garantieren. Die »Zusammensetzung der Leiber«93 sei eine staatliche Aufgabe, die man nicht für Pferde akzeptieren, für Menschen aber ablehnen könne. Der Soldat müsse verpflegt werden, müsse diese Kost aber auch essen. Die Resonanz auf derartig experimentell belegbare Analysen war groß, doch ihre realen Auswirkungen blieben gering. Ihre Umsetzung hätte die Militärbudgets deutlich belastet, ein heikles Problem, nicht nur in den 1860er Jahren. Zudem wäre eine andere Lager- und Konservierungstechnik notwendig geworden. Requirierung von Frischware schien demgegenüber praktikabler. Entsprechend beließ man es in deutschen Landen bei kleinen Veränderungen. In Preußen wurden nach dem Krieg gegen die österreichisch geführte Koalition die Fleischrationen moderat erhöht, nachdem zuvor die Branntwein- durch eine Kaffeeportion ersetzt worden war. Dies entsprach den Forderungen der Ernährungsphysiologen, die Genussmittel trotz ihres geringen Nährwertes hoch schätzten, da sie für Abwechslung im eintönigen Versorgungsalltag sorgten. Entsprechend gehörten Kaffeemühlen und -brenner zur Standardausrüstung im deutsch-französischen Kriege. Die Soldaten führten Kochgeschirr und eiserne Rationen mit sich, während Proviantwagen und Rinderherden den Verpflegungstross bildeten. Mangels ausreichender Grundversorgung wurden sie durch privat betriebene Marketenderwagen ergänzt. Die nur moderaten Änderungen resultieren auch aus dem Mangel an Wissensträgern innerhalb der Armeen. Ein eigenständiges Sanitätsoffizierskorps wurde in Preußen erst 1873 gebildet, und es

91 Voit, 1876, 20. 92 Ebd., 28. 93 Ebd., 32.

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dauerte bis 1896, ehe alle Divisionen Planstellen für Divisionsärzte erhielten.94 Eigenständige Wissensproduktion erfolgte erst seit Ende der 1880er Jahre, als in Berlin das hygienisch-chemische Laboratorium des Friedrich-Wilhelms-Instituts seine Arbeit aufgenommen hatte und die Soldatenkost systematisch analysierte.95 Zuvor war man auf Expertise außerhalb des Militärsektors angewiesen, die sich auf Apotheker, Hygieniker und Ernährungsphysiologen erstreckte, aber auch auf Unternehmer in der Suche nach einem Absatzmarkt. Warum wurden auch nach dieser Professionalisierung von Ärzten und Apothekern die Normen des Voitschen Kostmaßes zwar diskutiert, nicht aber umgesetzt?96 Neben den Kosten lassen sich zwei innerwissenschaftliche Argumente anführen: Zum einen ergaben nicht nur Haushaltsrechnungen, sondern seit den 1880er Jahren auch experimentelle Arbeiten einen deutlich geringeren Eiweißkonsum.97 In dieser Eiweißminimumdebatte wurde nur unzureichend unterschieden zwischen dem physiologischen Minimum, also der für das Überleben notwendigen Menge von Eiweiß, und dem physiologischen Optimum, also der Menge, bei der ein Körper am besten funktioniert. Die seitens des preußischen Militärs breit rezipierten Versuche des Arztes und Reserveoffiziers Felix Hirschfeld bestätigten schon in den 1880er Jahren die Unterversorgung der Truppen mit verdaulichem Eiweiß. Hirschfeld argumentierte auf Basis zahlreicher Minimumversuche aber auch, dass die Normwerte für Eiweiß viel zu hoch angesetzt seien, sodass die Militärverpflegung insgesamt ausreichend sei.98 Zum anderen interpretierte man das Isodynamiegesetz, nach dem sich Fette und Kohlenhydrate kalorisch wechselseitig ersetzen können, im Sinne einer faktischen Substituierbarkeit dieser Stoffgruppen. Die dominierende Kalorienrechnung belegt eine Verwissenschaftlichung des Blickes auf die Nahrung, die durch die Anweisungen in der Friedens-Sanitätsordnung nochmals unterfüttert wurde. Danach hatten die Truppenärzte regelmäßig – das hieß zumeist einmal pro Quartal  – den Nährwert der Lebensmittel und Speisen festzustellen, das Ergebnis zu melden und bei Mängeln Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten. Die Sanitätsordnung legte auch fest, dass ein Sechstel der ca. 3.000 Kcal. mit 94 Vgl. Matuschka, Edgar Graf v.: Organisationsgeschichte des Heeres 1890 bis 1918, in: Meier-Welcker, Hans/Groote, Wolfgang v. (Hg.): Handbuch der deutschen Militärgeschichte, Bd. 3, Abschn. V, Frankfurt a. M. 1968, 155–358, hier 191–194. 95 Vgl. als eine der ersten Untersuchungen Plagge, [Wenzeslaus Heinrich]/Lebbin, Georg: Ueber Feldflaschen und Kochgeschirre aus Aluminium, Berlin 1893. 96 Vgl. etwa Die Verpflegung des Soldaten, Correspondenz-Blatt des Niederrheinischen Vereins für oeffentliche Gesundheitspflege 7, 1878, 96–98. 97 Vgl. Hirschfeld, [Felix]: Betrachtungen über die Voit’sche Lehre von dem Eiweiss­bedarf des Menschen, Pflügers Archiv für die gesammte Physiologie 44, 1889, 428–468; Studemund, [Julius]: Ein Beitrag zur Lehre vom Eiweissbedarf des gesunden Menschen, ebd. 48, 1891, 578–591. 98 Vgl. zusammenfassend Hirschfeld, Felix: Die Ernährung der Soldaten vom physiologischen und volkswirthschaftlichen Standpunkt, DVÖG 35, 1903, 597–616.

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Eiweißstoffen gedeckt werden musste und enthielt erstmals Nährwerttabellen der wichtigsten Lebensmittel. Insgesamt aber blieb die Struktur der Militärverpflegung kaum verändert: Die Trennung von Brot- und Beköstigungsportion wurde beibehalten, haltbare Grundnahrungsmittel bildeten das Fundament, grundlegende Veränderungen unterblieben vor dem Ersten Weltkrieg.99 Um 1900 lag der Verpflegungssatz bei täglich 750 g Brot bzw. 400 g Zwieback, 375 g frischem oder 200 g geräuchertem Fleisch, 125 g Reis/Graupen oder 250 g Hülsenfrüchte oder 150 g Gemüsekonserven (oder 60 g Dörrgemüse), 25 g Salz, 25 g gebranntem Kaffee oder 3 g Tee sowie 17 g Zucker.100 Auch wenn im neuen Jahrhundert eine weitere Ausdifferenzierung in eine große und eine kleine Beköstigungsportion erfolgte, die wiederum zwischen Friedens- und Kriegszustand variierte, dominierten doch Kohlenhydrate die zwischen 2.938 und 3.667 Kcal. enthaltenden Rationen, während ihr Eiweißgehalt zwischen 78,5 und 120,5 g lag.101 Butter, Schmalz, Dauerwurst, Schinken, Käse, Bier, Kakao, Schokolade, Tee, kondensierte Milch, Wein, Essig und Gewürze mussten dagegen privat zugekauft werden, wofür eng an die regionalen Preisstrukturen angelehnte Zuschüsse gezahlt wurden.102 Die 37 Pfennige, die 1910 pro Mann und Tag für Lebensmittel aufgewendet wurden, reichten jedoch nicht für eine auskömmliche Vollverpflegung.103 Die Optimierungsbestrebungen der Ernährungsphysiologie führten im Militär nicht zur Dominanz wissenschaftlichen Wissens – und die einschlägigen Taktiklehrbücher widmeten der Versorgung der Pferde nach wie vor mehr Raum als der der Menschen.

99 Vgl. Kirchner, A[lfred]: Unterkunft, Ernährung, Bekleidung und Ausrüstung des Soldaten, in: Deutscher Militärärztlicher Kalender für die Sanitätsoffiziere der Armee, der Marine und der Schutztruppen für das Jahr 1900, Berlin 1900, 135–157, hier 149–150. Vgl. Messerschmidt, Manfred: Die preußische Armee, in: Forstmeier, Friedrich/Meier-Welcker, Hans (Hg.): Handbuch der deutschen Militärgeschichte, Bd. 2, Abschn. IV,2, München 1976, 9–225, hier 186–188. 100 Vgl. etwa Balck, [Wilhelm]: Taktik, Bd. 4: Die angewandte Taktik, 3. verm. u. verb. Aufl., Berlin 1903, 264. 101 Bischoff, H[ans]: Verpflegung des Soldaten, in: Ders./Hoffmann, W[ilhelm]/Schwiening, H[einrich] (Hg.): Lehrbuch der Militärhygiene, Berlin 1910, 390–424, hier 391–394. 102 Schumburg, W[ilhelm]: Hygiene der Einzelernährung und Massenernährung, Leipzig 1913 (Handbuch der Hygiene, hg. v. Th[eodor] Weyl, 2. Aufl., Bd. 3, Abt. 3), 437. 103 Bischoff, 1910, 395.

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3.2.2 Versorgungsprobleme und Kraftnahrung: Verpflegung im deutsch-französischen Krieg 1870/71 Dieses Zwischenresümee verdeckt allerdings die vielfältigen Debatten über eine andere Soldatenernährung, überlagert auch die Veränderungen in den Strukturen und Mentalitäten der heterogenen Akteure. Ihren Bezugshorizont bildete in der Regel der deutsch-französische Krieg von 1870/71. Dessen Verlauf war weniger glorreich als es der Mythos der deutschen Einigungskriege lange Zeit nahegelegt hat. Die kollektive Vorstellung einer schnellen erfolgreichen Mobilisierung, des effizienten Einsatzes der Eisenbahn und einer allgemeinen nationalen Begeisterung der Soldaten überdeckt kaum die Defizite der Waffentechnik, die hohen Verluste und die unzureichenden Sanitätsstrukturen der deutschen Heere.104 Die verpflegungstechnischen Vorbereitungen waren unzureichend. Die Getreidevorräte deckten nur einen siebenmonatigen Friedensbedarf, der gelagerte Feldzwieback reichte gar nur drei Tage. Konserven sollten, so die Planung, zentral von der Privatindustrie beschafft werden, doch diese war völlig überfordert.105 Stattdessen griffen die Armeekorps dezentral auf lokale Anbieter zurück, um zumindest die Versorgung in den Feldlazaretten zu gewährleisten. Die Kriegsplanung zielte generell auf Requirierungen, also die Versorgung aus den jeweiligen Operationsregionen. Trotz an sich günstiger Rahmenbedingungen – Erntezeit und die überdurchschnittliche Produktivität der nordfranzösischen Gebiete – ergaben sich jedoch schwerwiegende Probleme aus der Ungleichmäßigkeit der Versorgung.106 Der immense Bedarf  – 100.000 Personen benötigten täglich 75 t Brot, 50 t Fleisch, 25 t Dörrgemüse, je 2,5 t Kaffee und Salz sowie 11.450 l des im Kriege zusätzlich verabreichten Branntweins107 – warf beträchtliche Probleme der Lagerhaltung auf, zumal der Aufbau der Magazinstrukturen in der Etappe keineswegs klar geregelt war. Hinzu kamen erhebliche Qualitätsprobleme, da die Nahrung beim Transport vielfach litt und die lokal requirierten Mengen vielfach unterhalb der gängigen Qualitätsanforderungen lagen. Akute Versorgungsprobleme gab es angesichts der »Bahnverstopfung«108 104 Zum Kriegsverlauf vgl. Wawro, Geoffrey: The Franco-Prussian War. […], Cambridge u. a. 2003; zur Organisation s. Sukstorf, Lothar: Die Problematik der Logistik im deutschen Heer während des deutsch-französischen Krieges 1870/71, Frankfurt a. M. u. a. 1994. 105 Angaben n. Engelhard, Wilhelm: Rückblick auf die Verpflegungsverhältnisse im Kriege 1870/71, Militär-Wochenblatt, Beih. 1901, 483–552. 106 Vgl. hierzu Roth, W[ilhelm]: Beiträge zu den Fragen der Militär-Gesundheitspflege aus dem gegenwärtigen Feldzuge, DVÖG 3, 1871, 62–72. 107 Künstliche Präparate als Verpflegungsmittel im Felde. I. Fleischextrakt, Fleischmehl, Fleischzwieback, Neue Militärische Blätter 4, 1874, 367–373; 5, 1875, 49–52, hier 368. 108 Engelhardt, 1901, 510.

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v. a. Anfang September 1870, als sich Tausende mit Brot, Mehl und Getreide beladene Eisenbahnwaggons in der Etappe stauten, da es an Personal zum Entladen mangelte und Lagerräume kaum bestanden.109 Im Regen stehend verdarb der Proviant rasch. Ähnlich kritisch war die Lage Anfang Januar 1870, als die Versorgung durch Schnee und Eis teils zum Erliegen kam. Die tradierten Versorgungsbemühungen erwiesen sich als wenig geeignet für den raschen Bewegungskrieg. Die Mobilisierung der Truppen ging einher mit der Mobilisierung großer Rinderherden. Bestanden anfangs nur Probleme des schnellen Nachführens und der Qualitätsprobleme frischen Fleisches – dieses muss zumindest ein, zwei Tage abgehangen werden, um schmackhaft und gut verdaulich zu sein – so rafften nach kurzer Zeit Rinderseuchen große Bestände hin. Das ebenfalls mitgeführte Pökelfleisch musste erst längere Zeit gewässert werden, wurde von den Soldaten vielfach nur mit Widerwillen verzehrt, konnte zudem nur für kurze Zeit verabreicht werden, da andernfalls Skorbut drohte.110 Schließlich offenbarte der längere Kriegseinsatz auch, dass es nicht ausreichte, Nahrungsmittel an die Soldaten auszugeben, sondern dass diese auch zubereitet werden mussten. Mangels Kochfertigkeiten war das Abkochen der Männer eine Gesundheitsgefährdung besonderer Art. Je länger, je häufiger, machte sich »Abgegessenheit« bemerkbar. Das Einerlei der wenig schmackhaften Feldkost konnte durch Marketenderangebote nur gemildert, nicht aber grundsätzlich beseitigt werden. In dieser Gemengelage boten sich gute Möglichkeiten für neue Lebensmittel, für künstliche Kost. Vorreiter derartig neuer Präparate wurde die sog. Erbswurst. Dabei handelte es sich um eine Mischung von getrocknetem Erbsenmehl, Speck, Salz, Zwiebeln, Paprika und weiteren Gewürzen, die vorgekocht und in Naturdärme gezogen wurde. Sie war Ergebnis längerer Vorarbeiten des Berliner Konservenunternehmers Johann Heinrich Grüneberg, der 1867 die Fabrikation begann. Während bei der Säuglingskost das Ideal der Muttermilch Pate stand, zielte das neue Präparat auf das Ideal einer ausreichend Eiweiß und Fett bietenden Mahlzeit. Die Erbswurst war ein preiswerter Suppengrundstoff mit hohem Nährwert, der nur zerkleinert und mit Wasser aufgekocht werden musste.111 Als Militärlieferant hatte Grüneberg gute Kontakte zur Heeresverwaltung, interessierte diese für sein neues Produkt, das eine gut schmeckende, einfach zuzubereitende und relativ leichte Erbsensuppe ergab. Angesichts der bestehenden und durchaus absehbaren Versorgungsprobleme waren Rezept und Know-how 109 Balck, 1903, 299. 110 Künstliche Feldverpflegungsmittel. II . Pökelfleisch, geräuchertes Fleisch, Speck, Fleischpräserven, Neue Militärische Blätter 5, 1875, 369–372, hier 369. 111 Mit 16,02 % Eiweiß, 11,94 % Kohlenhydrate und 29,70 % Fett enthielt sie zu viel Fett und zu wenig Kohlenhydrate. Voit empfahl eine Kombination mit Zwieback. Vgl. Ganser: Wie lässt sich am besten der sogenannte eiserne Bestand für Truppen im Felde herstellen?, Archiv für Hygiene 3, 1885, 500–520, hier 509.

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der preußischen Regierung 1870 37.000 T. wert.112 Die Produktion wurde Mitte Juli durch die Armeeintendantur eigenmächtig in einer neu etablierten ArmeePräserven-Fabrik mit einer Tageskapazität von 7 t gestartet und stieg während des Krieges bis auf 65 t an. Grüneberg selbst übernahm die technische Leitung der Fabrik, die insgesamt ca. 5.000 t Erbswurst an die kämpfende Truppe lieferte, also etwa 40 Mio. Portionen.113 Ende 1870 waren 1.900 Personen beschäftigt, die zudem auch Büchsen- und Dauerfleisch herstellten, um so den Ausfall durch Viehseuchen zu substituieren.114 Parallel baute die Armeeintendantur eine Konservenfabrik in Gustavsburg bei Mainz auf, die sich zuerst auf Erbswurst­herstellung konzentrierte und ab 1874 vornehmlich Büchsenkonserven für den Heeresbedarf produzierte. Kleinere Fabriken entstanden ferner in Frankfurt a. M. und Hamburg.115 Bohnen- und Linsenwurst wurden ebenfalls erprobt, Geschmack und Nährwert überzeugten jedoch nicht. Das Eiweiß-FettProdukt diente vornehmlich dazu, Lieferschwierigkeiten von Frischfleisch zu überbrücken. Zugleich aber galt es auch als »Universal-Nahrungsmittel«116. Das »Volksnahrungsmittel für unsere Armee«117 wurde anfangs gern gegessen, doch ihr massiver Einsatz insbesondere bei der Belagerung von Paris führte bald zu »entschiedenem Widerwillen«118. Grund hierfür war nicht allein der Geschmack, sondern auch die Folgen längerer Lagerung. Die Erbswurst wurde schnell ranzig und musste gleichwohl verzehrt werden. Der hohe Kochsalzanteil bewirkte zusätzlichen Durst. Daher wurde bei Kriegsende die Armeeproduktion eingestellt, wenngleich Grüneberg sie 1871 in eigener Regie wieder aufnahm. Dabei vertraute er nicht allein gutem Geschmack und einem mit 9 Sgr. erschwinglichen Preis, sondern kündigte explizit »einen von wissenschaftlichen Autoritäten festgestellten amtlichen Bericht über mein Präparat«119 an. Erbswurst wurde während des Krieges zu einer Art patriotischer Speise, die auch von Privatfirmen angeboten wurde.120 Eine größere Bedeutung erlangte sie jedoch 112 Die Erbswurst-Fabrik in Berlin, Dinglers Polytechnisches Journal 128, 1870, 181–182; Die Erbswurst, Der Materialist 21, 1900, Nr. 41, 13. 113 Die Erbswurst, Konsumgenossenschaftliches Volksblatt 8, 1915, 61. 114 Engelhardt, 1901, 513. 115 Beckerhinn, Carl: Die conservirten Nahrungsmittel und deren Werth für die Ver­ pflegung operierender Armeen, Organ der militärwissenschaftlichen Vereine 14, 1877, 1–66, hier 13. 116 Ebd., 4. 117 Gaehde, [Franz]: Ueber Conserven und deren Bedeutung für die Volksernährung, in: Verhandlungen und Mittheilungen des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege Magdeburg, H. 12, Magdeburg 1884, 1–6, hier 4. 118 Kirchenberger, [Salomon]: Carne pura. Eine neue Fleisch-Konserve und ihre Verwendbarkeit im Felde, Neue Militärische Blätter 26, 1885, 224–233, hier 224. 119 Kladderadatsch 24, 1871, 9. S. n. 216. 120 Vgl. Anzeige von Jacobi-Scherbening & Wiedermann, Kladderadatsch 23, 1870, 3. S. n. 216.

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Abb. 6: Anzeige für »zivile« Erbswurst 1871

in den 1870er Jahren nicht, erst der mit veränderter Rezeptur produzierten Erbswurst der Firma Knorr gelang seit 1889 ein Durchbruch in den Massenmarkt.121 In der Militärverpflegung wurde sie nur noch vereinzelt und mit anderer Rezeptur eingesetzt, gleich bezeichnete Produkte anderer Armeen wiesen eine deutlich andere Zusammensetzung auf.122 Der Krieg manifestierte offenkundige Defizite bei der Verpflegung. Die Erbswurst zeigte aber trotz ihrer Mängel, dass eine auf wissenschaftlichen Prinzipien gründende künstliche Kost einen wichtigen Unterschied zwischen verschiedenen Armeen ausmachen konnte. Dies galt nicht zuletzt, da ihre Zubereitung technisch einfach war. Wissenschaftlicher Konzepte gewannen daher für die Militärverpflegung an Bedeutung. Als aufgrund der immensen Produktionsmengen Naturdärme kaum mehr erhältlich waren, konnte die Armeeintendantur auf anders ausgerichtete Vorkriegsversuche zurückgreifen, Kunstdärme auf Grundlage von in Schwefelsäure eingetauchtem Papier herzustellen. Als Techniker während des Krieges zudem einen funktionsfähigen Klebstoff erstellt hatten, konnte die künstliche Kost auch in künstlichen Därmen verabreicht werden.123 Am Ende des Krieges stand ein Gestaltungsoptimismus, der auf neuen Erkenntnissen von Wissenschaftlern und Praktikern gründete und der ins­ besondere von Fabrikanten genutzt wurde, um ihre Präserven und Konserven dem Militär anzubieten.

121 Geschichtlicher Rückblick der C. H. Knorr GmbH, Knorr-Archiv 5.3.2/5. 122 Vgl. etwa Die russische Erbswurst, Neue militärische Blätter 4, 1874, 49–50, die aus Mehl, Fleisch und Sauerkraut bestand. 123 Engelhardt, 1901, 502.

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3.2.3 Marktangebote und Verpflegungsstandards: Debatten über die eiserne Ration Zwei Ebenen der Diskussion müssen dabei auseinandergehalten werden, nämlich die allgemeine Optimierung der Militärverpflegung und die Zusammensetzung der sog. eisernen Ration. Letztere war die Kampfesnahrung par excellence. In der preußischen Armee bedeutete dies seit dem Verpflegungsreglement von 1867 eine Drei-Tages-Portion, »bestehend in Brod resp. Zwieback, in Reis resp. Graupen resp. Grütze, in Salz und Kaffee […], welche der Soldat auf dem Marsche mit sich zu führen hat.«124 Sie konnte und wurde zumeist durch Speck oder Salzfleisch ergänzt. Ihr Gewicht betrug fast 3 kg, die zusätzlich zur ca. 30 kg schweren Ausrüstung im Feldtornister mitgeführt werden mussten und nur auf Befehl verzehrt werden durften. Die Schwächen dieser an die Alltagskost angelehnten Verpflegungsform traten während des Krieges gegen Frankreich offen hervor.125 Schon die Aufbewahrung stellte die Soldaten vor große Probleme, waren die Tornister doch schlicht zu klein. In ihnen staute sich die Hitze, Zwieback und insbesondere Speck verdarben binnen kurzer Zeit. Vielfach wurden sie daher unbenutzt weggeworfen. Nachschubprobleme machten einen regelmäßigen Ersatz unmöglich, zudem konnten die Nährmittel häufig nicht zubereitet werden. Der Geschmack ließ zu wünschen übrig, und seitens der Ärzte wurde der zu geringe Eiweiß- und insbesondere Fettgehalt kritisiert. Seit Ende 1870 reichte man statt der eisernen Ration vielfach Erbswurst und Presskaffee, doch auch deren Akzeptanz schwand.126 Entsprechend setzte nach dem Krieg eine Debatte ein, wie diese Defizite zu beseitigen seien. Die Anforderungen an die neue Kost waren hoch, sollte die eiserne Ration doch »eine Speise darstellen, welche ohne alle Zubereitung jeden Augenblick genossen werden kann und diese Speise muss schmackhaft und appetit­reizend sein.«127 Zudem sollte sie haltbar, leicht, kompakt, preiswert und ernährungs­ physiologisch ausgewogen sein. Analoge Ideen hatten schon Ernährungswissenschaftler der Jahrhundertmitte propagiert, Ziel war »ein compendiöses Nahrungsmittel, eine Art Nahrungs-Quintessenz«128, die dem Körper alle Nährstoffe zuführen, ihm zugleich aber »die Belastung mit unverdaulichen Stoffen ersparen«129 sollte. Liebig empfahl seinen Fleischextrakt  – doch angesichts der Nährstofflosigkeit dieses und anderer Suppengrundstoffe waren die ver 124 Ganser, 1885, 501. 125 Vgl. Engelhardt, 1901, passim, v. a. 492 und 508. 126 Vgl. Bernoulli, 1943, 24–25. 127 Ganser, 1885, 505. 128 Hildesheim, 1856, 90. 129 Ebd., 93.

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antwortlichen Militärs zu Recht skeptisch. Fleischextrakt wurde zwar in den 1870er Jahren noch als Notbehelf für die Militärverpflegung empfohlen130, die eiserne Ration aber musste einen hohen Nährwert haben. Entsprechend begannen schon in den 1860er Jahren, etwa in der sächsischen Armee, erste Versuche mit in Wasser aufzukochendem Fleischgrieß – einer Mischung aus getrocknetem Fleisch, Weizengrieß, Kräutern und Pfeffer131 –, die für die 1870er und 1880er Jahre Vorbildcharakter besaßen. Ziel war es, konzentrierte und konservierte Nahrung herzustellen, die seinerzeit unter dem Begriff »Konserven« diskutiert wurden. Er lässt sich nicht auf Büchsenkonserven reduzieren, denn deren Herstellung war in den 1870er Jahren noch nicht mechanisiert und umgriff vornehmlich Gemüse. Büchsenkonserven standen nach dem Krieg gegen Frankreich im Mittelpunkt der Diskussionen, hatte man sie doch in der zweiten Kriegsphase eingesetzt, nutzte man ferner bis 1872 die Erfahrungen der französischen Armee in der okkupierten Konservenfabrik in Nancy.132 Wie auch in den späteren deutschen Konservenfabriken, zielte man hier auf eine mechanisierte Produktion, die Standardisierung der Hitzesterilisierung, ein breiteres Speiseangebot und besseren Geschmack. Je mehr die Zeitgenossen vom militärischen Alltag wussten, umso stärker gewichteten sie die Schmackhaftigkeit des Essens. Konserven konnten nicht einfach eingeführt werden, sondern hier mussten Gewohnheiten gebrochen und »das Vorurtheil vor allem durch die Kunst erzeugten oder her­gerichteten Nahrungsmitteln« überwunden werden.« Die »Conservenscheuen«133 mussten über die Vorteile der Kampfesnahrung aufgeklärt werden. Vermittlungsbemühungen dieser Art gab es jedoch kaum. Die Debatte war vielmehr durch militärstrategische bzw. ernährungsphysiologische Überlegungen geprägt. Militärs sahen in den Konserven vornehmlich einen Beschleunigungsfaktor. Konserven boten im Idealfall einen mobilen Kraftvorrat, der die Truppen unabhängiger von den rückwärtigen Diensten machte, der offensive Operationen förderte und zugleich die Planungskompetenz der Stäbe stärkte. Standardisierte Nahrung schien in standardisierte Leistung zu münden und die effiziente Nutzung technologisch-physiologischen Wissens höhere Destrukti 130 Vgl. etwa Perl, Leopold: Ueber die Conservirung der Nahrungsmittel vom sanitäts­ polizeilichen Standpunkte, Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin und öffentliches Sanitätswesen NF 20, 1874, 109–162, hier 143. 131 Bernoulli, 1943, 32. Auch hier gab es Vorläufer, doch diente der Verweis auf »Fleischmehle« in der fridericianischen Armee eher der Legitimation späterer Vorschläge. Bedeutung gewannen sie ab der Mitte des Jahrhunderts als sog. Fleischzwieback. Vgl. hierzu Siemens: Ueber die Bereitung des Fleischzwiebacks, Dinglers Polytechnisches Journal 123, 1852, 458–461. 132 Das Königl. Preußische Kriegsministerium 1809–1909, hg. v. Kriegsministerium, Berlin 1909, 227. 133 Beide Zitate n. Beckerhinn, 1877, 53.

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onskraft zu ermöglichen.134 Konserven waren jedoch aufgrund der Rohware und vor allem der Konservenbüchse zu teuer.135 Anfang der 1870er Jahre wurde daher ernsthaft vorgeschlagen, Konserven aus dem neutralen Ausland preiswert zu importieren.136 Die wenigen deutschen Konservenfabriken erzeugten beträchtliche Mengen  – in Mainz wurden 1880 in drei Monaten ca. 500.000 150 g-Portionen Fleisch- und 600.000 Portionen Gemüsekonserven (genauer Suppenmehle) sowie Presskaffee hergestellt137 – doch diese reichten nicht aus, um relevante Vorräte für einen längeren Waffengang anzulegen. Die Konserven wurden vielmehr während der jährlichen Herbstmanöver verbraucht. In die eiserne Ration fanden sie noch keinen Eingang. Die seitens des Militärs durchgeführten Versuche verbesserten jedoch das Prozesswissen. Die Qualitätskontrolle der Konserven war wesentlich ausgeprägter als in der Privatwirtschaft: Undichte oder mit Lötzinn verunreinigte Büchsen konnten so größtenteils verhindert, Botulismus fast gänzlich vermieden werden.138 Während Büchsenkonserven aufgrund höherer Qualitätsansprüche innerhalb der Militärwirtschaft verblieben, bildeten Präserven, insbesondere Fleischund Suppenmehle, eine Domäne der Privatwirtschaft. Ausgehend vom Voitschen Kostmaß bzw. der damaligen Ernährungsphysiologie boten in den 1870er Jahren zahlreiche in- und ausländische Fabrikanten ihre Produkte den Heeresleitungen an, um analog zu Grünebergs Erbswurst in die Großproduktion einzusteigen. Zahlreiche Spezialprodukte wurden offeriert.139 Ihre Rohmaterialien waren häufig Neben- und Abfallprodukte der Fleischproduktion, die zumeist mit kohlenhydrat-, vielfach auch mit eiweißhaltigen Nahrungsmitteln ergänzt wurden. Meist würzte man sie, um den an sich schwachen, teils aber auch einseitigen Geschmack angenehmer zu gestalten. Die Armeen der europäischen

134 So etwa der Chef des Generalstabes, Helmuth v. Moltke, in seiner Reichstagsrede v. 11.03.1878, vgl. Berges, 1937, 35. 135 Vgl. etwa Scheller, Theodor: Ueber Fleischconservirungsmethoden und deren Verwendbarkeit für Heereszwecke, Med. Diss. Berlin 1883, 26–27. 136 Vgl. Ochsenfleisch-Conserven aus Texas, Deutsche Militärische Blätter 6, 1875, 93–94; Senftleben, Hugo: Die Einfuhr präservirten Fleisches und der Zollvereinstarif, DVÖG 4, 1872, 399–404, hier 403. 137 Meinert, C[arl] A[lphons]: Armee- und Volksernährung, Th. 2, Berlin 1880, 319. Ein kleiner Teil wurde von der Marine gebraucht. Vgl. Reincke: Ueber Schiffshygiene, DVÖG 13, 1881, 51–89 (inkl. Disk.). Teuteberg, Hans-Jürgen u. a.: Kleine Geschichte der Fleischbrühe. […], Münster 1989, 106 macht aus den Meinertschen Angaben eine Jahresproduktion. 138 Der Einsatz neuer Konservierungsmittel wurde entsprechend zwar breit diskutiert, doch aufgrund ihrer möglichen negativen Auswirkungen wurden sie im Regelfall nicht eingesetzt. Vgl. Präservirung von Lebensmitteln, Neue Militärische Blätter 6, 1875, 248–249; Scheller, 1883, 16–19. 139 Naumann, L[ouis]: Der eiserne Bestande des Soldaten im Felde, Dresden 1877, 10; Scheller, 1883, 10–12. Auch hier stand die französische Armeeverpflegung Pate.

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Mächte testeten derartige Produkte ausgiebig, doch ihre nur geringe Haltbarkeit und ihr Geschmack überzeugte nur selten, zudem blieben sie zu teuer.140 Angesichts eines noch nicht entwickelten Markenartikelwesens sowie einer dominanten Produktorientierung der Nahrungsmittelhersteller waren die Anbieter Pioniere in ihrem Sektor. Ein gutes Beispiel ist hierfür die Vermarktung des Carne pura, eines Patent-Fleischpulvers von Prof. Franz Hofmann.141 Dieser hatte sich schon seit längerem mit der Fleischkonservierung beschäftigt und verband die Liebigsche Idee der Nutzung südamerikanischer Fleischreserven mit Anforderungen an die eiserne Ration, nämlich hohem Nährwert, Preiswürdigkeit, Geschmack und Abwechslung.142 Nach längeren Vorarbeiten des späteren technischen Beirates Carl Alphons Meinert wurde 1881 die »Carne Pura Patent Fleischpulver-Fabrik« mit einem Stammkapital von 600.000 Mark als Aktiengesellschaft in Hamburg gegründet, deren Sitz dann nach Bremen und 1885 nach Berlin verlegt wurde.143 Getragen von hanseatischen Kaufleuten, produzierte die Firma das Fleischpulver in Buenos Aires, bewarb es dann als nahrhaften Fleischextrakt für Groß- und Privathaushalte.144 Das reine Fleischpulver bestand zu drei Vierteln aus Eiweiß145 und wurde zusammen mit anderen Mehlen zu Suppenpräparaten verarbeitet. Entsprechend breit war die Erbsen, Bohnen, Linsen, Graupen, Gries, Nudeln, Mehl und anderes umfassende Produktpalette. Für 20 Pfg. pro Portion ließ sich eine durchaus nährende Suppe kochen. Das Fleischpulver selbst kostete weniger als die Hälfte frischen Fleisches.146 Es wurde auch zu Cakes verbacken, ferner mit Kakao und Schokolade vermischt. Der Vertrieb präsentierte Carne pura einerseits als wissenschaftliches Produkt.147 Die in Papphüllen mit aufgedruckten und garantierten Nährwert­gehalten gepackten Tafeln wurden anderseits zielgruppennah präsentiert. Für die Privathaushalte bedeutete dies praktische Kochproben148, während das Militär auf großen Ausstellungen angesprochen wurde. Während der Berliner ­Hygiene-Ausstellung 1883 präsentierte man Carne pura als ideale eiserne 140 Beckerhinn, 1877, 55. 141 Umfassend hierzu Meinert, C[arl] A[lphons]: Armee- und Volksernährung, Th. 1, Berlin 1880, 244–505. 142 Hofmann, Franz: Die Bedeutung der Fleischnahrung und Fleischconserven mit Bezug auf die Preisverhältnisse, Leipzig 1872. 143 Leonhard, Volkmar: Geschichte der »Ersten Fabrik condensirter Suppen von Rudolf Scheller Hildburghausen/Thüringen« 1871–1947, Hildburghausen 1995, 100–101. 144 Carne Pura, Concordia 5, 1883, 620. 145 Ganser, 1885, 513. 146 Meinert, 1880, Th. 2, 312. 147 Umfassend hierzu Stinde, J[ulius]: Special Catalog für den Pavillon Carne pura. […], Berlin 1882. 148 Vgl. hierzu KUX , Auguste: Carne pura-Kochbuch. Erste populäre Anleitung, naturhafte, schmackhafte und billige Speisen aus den Carne pura-Nahrungsmitteln zu bereiten, 5. Aufl., Berlin 1883.

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Ration.149 Die Resonanz war beträchtlich, noch nach mehr als einem Vierteljahrhundert erinnerten sich Stabsärzte an diesen Werbeauftritt.150 Doch dieses Mal scheiterte das neue Produkt an seinem – so ein Konkurrent – »höchst unangenehmen aasartigen Geruch und einem nicht weniger unangenehmen Geschmack.«151 Dies mag übertrieben gewesen sein, doch der Erfolg des Carne pura blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das Militär nahm es nicht in die eiserne Ration auf und die Firma endete 1891. Die gescheiterte Firmengründung steht beispielhaft für die ambivalente Stellung einschlägiger Nahrungsmittelproduzenten zum Militär. Auf der einen Seite stand ein Massenbedarf, dessen auch nur teilweise Deckung eine lukrative Marktchance bot. Auf der anderen Seite war die Konzentration auf die eiserne Ration wenig attraktiv, da für diesen nicht absehbaren Fall keine Kapazitäten aufgebaut und vorgehalten werden konnten. Zudem unterschieden sich die Ansprüche der Militärs von denen ziviler Kunden, hatte man sich doch an einem Durchschnittsgeschmack zu orientieren, musste die Produktdifferenzierung – und damit auch die Wertschöpfung  – daher in engeren Grenzen verbleiben. Zwei Beispiele können dieses ambivalente Verhältnis veranschaulichen. Die Hildburghausener Firma Rudolf Scheller stellte seit 1872 »condensierte Suppen« her. Die Pionierprodukte waren Resultat der Tüftelei des ausgebildeten Apothekers Scheller, der Ende 1870 begann, die Erbswurst durch nahr- und schmackhafte Suppenkonserven zu ersetzen. Anfang 1871 stellte er seine Produkte dem preußischen Kriegsministerium vor. Sie beeinflussten die Konservenfabrikation in Mainz, Aufträge erhielt er jedoch nicht.152 Stattdessen begann der etablierte Meerschaumfabrikant Scheller mit der Eigenproduktion seiner Erfindungen. Die »verdichteten« Suppentafeln bestanden aus Rindertalg, Gemüse und Gewürzen, denen dann Reis-, Grieß-, Weizen- oder Leguminosenmehle zugemengt wurden. Sie konnten in Wasser aufgekocht werden, waren nahrhaft, mit 25 Pfg. pro Portion relativ preiswert und wurden vornehmlich von einer bürgerlichen Kundschaft gekauft. Trotz intensiver Bemühungen setzte Scheller aber erst seit 1874 unregelmäßig Waren an einzelne Truppenteile ab, vornehmlich zur Manöververpflegung. 1875 erweiterte er sein Angebot um ein »Erbsen-Purée«, eine verbesserte Erbswurst, deren Werbung explizit auf den insbesondere gegenüber Fleisch deutlich höheren Eiweiß- und Kalzium 149 Villaret, [Albert]: Von der Hygiene-Ausstellung, BKW 21, 1884, 14–15, 46–48, 78–79, hier 47. 150 Bernhard: Ref. v. Lassablière: Les pudres de viande. Leur valeur alimentaire et thérapeutique, Archive de Médicine experimental 1909, 299 ff., Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 39, 1910, 592. 151 Leonhard, 1995, 101 (Rudolf Scheller). 152 Schreiben v. Rudolf Scheller jr. an die Fa. Otto & Kaiser v. 14.04.1905, zit. n. Leonhard, 1995, 11–12, hier 11. Die folgenden Ausführungen nach den in dieser Arbeit veröffentlichten Quellen.

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gehalt verwies.153 Dennoch gelang es Scheller nicht, die Armeelieferanten für sein Produkt zu gewinnen. Die Direktwerbung ergab zwar zahlreiche Bestellungen, doch deren Wert lag 1876 durchschnittlich unter 100 M. Den Schwerpunkt bildeten sächsische Einheiten, denen 1876/77 mehr als 2,2 t Suppen geliefert wurden. Doch größere und regelmäßige Bestellungen blieben aus, auch der Plan der Errichtung einer Heeressuppenfabrik in Russland zerschlug sich 1877. Scheller pries die Vorzüge seiner Produkte analog zum Ideal der eisernen Portion: Sinnvolle Nährstoffkomposition, geringes Gewicht, haltbare Verpackung, einfache und schnelle Zubereitung sowie ein deutlich unter Fleischkonserven liegender Preis. Grundsätzlich war der Thüringer Unternehmer auch bereit, vertraglich die für die Mobilmachung erforderlichen eisernen Rationen vorrätig zu halten, knüpfte dies aber an die Bedingung, einer wöchentlichen regulären Verwendung seiner Produkte in der Truppe.154 Derartige Sukzessivlieferverträge wurden jedoch seitens der Militärverwaltungen nicht geschlossen. Währenddessen sank Umsatz der Firma Scheller kontinuierlich. 1878 hatte er mit 82.062 M bereits einen Höhepunkt erreicht, doch 1882 wurden nur noch 38.191 M, 1886 18.132 M und 1890 6.263 M erlöst.155 Die konsequente Orientierung auf die Militärverpflegung hatte sich als verfehlt erwiesen. Scheller verkaufte zwar weiterhin seine Produkte an Militäreinrichtungen, doch der spätere Aufschwung der Firma gründete vornehmlich auf Produkte für den Zivil­ gebrauch, insbesondere Dörrgemüse und Würzen. Gänzlich anders entwickelte sich die Heilbronner Firma C. H. Knorr, die Anfang der 1870er Jahre noch deutlich kleiner war als der Hildburghausener Konkurrent. Sie startete 1838 mit der Produktion von Ersatzkaffee, konzentrierte sich ab 1840 aber immer stärker auf den Großhandel mit Nährmitteln und Dörrobst. Seit 1870 nahm man die Produktion von Leguminosenmehlen auf, die seit 1873 auch mit gemahlenem und getrocknetem Gemüse resp. Gewürzen gemischt wurden.156 Der Umsatz war jedoch gering, nur wenige Mitarbeiter produzierten die neuen Convenienceprodukte. Erst mit der gezielten Erweiterung der Produktionsanlagen durch Alfred Knorr seit 1880 begann ein schneller Wachstumsprozess, der auf der Fabrikation von Hafermehl für Kinder, Dörrgemüse sowie Suppenmehlen gründete. Alfred Knorr hatte während des Krieges 1870/71 im Sanitätskorps gedient, doch sog. Gemüsekonserven bot er der Württembergischen Armee erst seit Anfang der 1880er Jahre an.157 Vom etablierten Großhändler wurden seit 1884 gepresste Patronen aus Leguminosen­ 153 Vgl. den Werbezettel v. März 1875 in Ebd., 43–44. 154 Werbezettel v. November 1889 in Ebd., 74–77, sowie die folgenden Werbezettel. 155 Angaben n. der Zusammenstellung in Ebd., 316–317. 156 Geschichtlicher Überblick der C. H. Knorr GmbH, o. J., Knorr-Archiv 5.3.2/5; Knorr, Alexander: Knorr Chronik 1838 bis 1959, Bd. I, 1–6; Knorr-Archiv 5.5.2. 157 C. H. Knorr’s Nahrungsmittel-Fabriken Heilbronn am Neckar, Heilbronn 1898, 10, Knorr-Archiv 5.4.1.

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mehl, Fleischextrakt resp. Fleischmehl sowie Fett, Gewürzen und Trockengemüse regelmäßig geordert. Sie wurden für die eiserne Ration, die allgemeine Feldverpflegung, aber auch als Marketenderware angeboten. Ihr Vorteil lag insbesondere in der einfachen Zubereitung durch Aufkochen mit Wasser. Die Kapazitäten sollen 1889 für eine Tagesproduktion von 40.000–50.000 Portionen ausgereicht haben, doch die Mehrzahl dieser Waren wurde an Zivilisten abgesetzt.158 Die Gemüsekonserven prägten ganz wesentlich die Manöververpflegung des Württembergischen Armeekorps, ferner versorgte Knorr Truppenund Lazarettküchen mit Dörrgemüse, Suppenmehlen, Erbswurst und Nudeln.159 Seit den 1890er Jahren lieferte die Firma wiederholt Dörrgemüse an die deutsche Armee, insbesondere an die Schutztruppen der deutschen Kolonien.160 Insgesamt aber blieb die Bedeutung des Militärgeschäftes für die rasch wachsende, seit 1899 als Aktiengesellschaft agierende Firma Knorr gering, auch wenn es gut zur Werbung für »Kraft«-Suppen und -Mehle passte. Privat hergestellte Gemüsekonserven konnten sich zwar einen Platz in der eisernen Ration erobern, doch dies blieb im Deutschen Reich eine Ausnahme. War das Ergebnis der langwierigen Debatten also gering? Die grundlegenden Ideen für eine künstliche Kraftnahrung hatten sich verbreitet und festsetzt. Ihre Umsetzung scheiterte vornehmlich an Kosten, Praktikabilität und dem Geschmack. Aufgrund wiederholter Vorschläge wurde 1886 zudem ein in Militärbäckereien zu produzierender Fleischzwieback in die eiserne Ration integriert. Er bestand aus Weizenmehl, frischem Rindfleisch, Speckfett und Gewürzen, also einem Gemenge mit nur geringer Haltbarkeit, dessen Produktion allein für den Mobilisierungsfall vorgesehen war. Bis 1894 änderte sich am herkömmlichen Feldzwieback nichts, auch wenn er in Würfelform ausgegeben wurde.161 Auf Grundlage militärinterner Versuche wurde dann ein verbesserter Feldzwieback eingeführt, der aus Weizen- und Kartoffelmehl sowie Zucker bestand, der jedoch – ebenso wie der Fleischzwieback – 1901 durch einen sog. Eierzwieback, einem aus Weizen- und Kartoffelmehl, Zucker, Eiern resp. getrocknetem Eigelb sowie Milch hergestelltem Präparat, ersetzt wurde. Dies war, ebenso wie die mit der Kriegsverpflegungsvorschrift von 1901 erfolgte Einführung von Fleisch- und Gemüsekonserven, Ausdruck und Resultat der wachsenden Bedeutung ernährungsphysiologischen und -technologischen Wissens innerhalb des Militärs. Seither bestand die eiserne Ration aus drei Tagesportionen

158 Angaben n. Die Konservenfabrik von C. H. Knorr in Heilbronn, in: Hirschfeld, Paul: Württembergs Großindustrie und Großhandel, Leipzig 1889, 158–161, Knorr-Archiv, 5.1.3/1a. 159 Zeugnis der Intendantur des 13. Kgl. Württembergischen Armeekorps v. 17.05.1899; Schreiben der Intendantur des XIII . Kgl. Württembergischen Armeekorps v. 13.05.1905 an die C. H. Knorr AG , beide Knorr-Archiv 5.2.1/26. 160 Nahrungsmittel-Fabriken, 1898, 18–19. 161 Kriegsministerium, 1909, 227.

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zu je 250 g Eier- oder Feldzwieback, 200 g Fleisch- und 150 g Gemüsekonserven, 25 g Salz und 25 g Kaffee.162 Die eiserne Ration blieb eine Notnahrung mit reflektierten Defiziten.

3.2.4 Interne Wissensbildung: Testreihen und Optimierungsbestrebungen in der kaiserlichen Armee Die stete Argumentation mit wissenschaftlichen Konzepten seitens gewerblicher Anbieter war also kommerziell keineswegs erfolgreich. Die Debatten über die eiserne Ration verweisen auf stete Abwägungsprozesse, in denen wissenschaftliches Wissen präsent, aber keineswegs dominant war. Auch scheinbar einfache Aufgaben, wie die einer physiologisch auskömmlichen Verpflegung, erhielten mit dem Stoffparadigma eine neue Komplexität, die insbesondere Sanitätsoffizieren Alltagsprobleme bereitete: Die Voitschen Forschungen wurden zwar rezipiert und akzeptiert, doch damit Unsicherheit geschaffen. Wollte man die Humanressource Soldat optimal einsetzen, musste man sie optimal ernähren. Dieses hätte etwa eine allgemeine Menagenverpflegung voraus­gesetzt, doch schon die Gestaltung der jeweiligen Speisepläne führte zu einer steten Abwägung zwischen bestehenden Alltagsroutinen und deren wissenschaftlich begründeter Veränderung.163 Kaffee etwa hatte sich, vornehmlich in Form von Surrogaten und Mischungen, allgemein durchgesetzt, doch die preiswerten und nährenden Morgensuppen waren physiologisch an sich sinnvoller. Gleichwohl wollte man nicht gegen einen allgemeinen Trend und habituelle Abhängigkeit vorgehen. Die Konsequenz war eine interne, auf die spezifischen Anforderungen des Militärs zugeschnittene Wissensbildung. Sie war Teil der allgemeinen Veränderungen innerhalb des Wissenssystems des kaiserlichen Deutschlands, insbesondere der Spezialisierung der Fragestellungen. Seit den 1860er Jahren hatten sich Sanitätsoffiziere zu lokalen Vereinen zusammengeschlossen, die ein wissenschaftliches Vortragswesen organisierten.164 Dies ging einher mit der Öffnung hin zur zivilen Fachwissenschaft, deutlich sichtbar etwa an den seit 1869 eingerichteten Sektionen für Militärsanitätswesen auf den Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte. Dort präsentierte Forschungsarbeiten hingen jedoch von der Initiative einzelner Ärzte ab, zentrale Forschungsinstitute waren nicht vorhanden. Erst in den späten 1880er Jahren wurde ein gesondertes hygienisch 162 François, [Hermann] v. (Hg.): Feldverpflegungsdienst bei den höheren Kommandobehörden, T. 2: Stillstand der Operationen und Rückzug, 2. Aufl., Berlin 1909, 192. 163 Beispiele für Wochenspeisepläne finden sich in Meinert, 1880, Th. 1, 507–530. 164 Bischoff, [Hans]: Festschrift zur 50jährig. Stiftungsfeier der Berliner militärärztlichen Gesellschaft am 20. Februar 1914, Berlin 1914, 10. Eine Übersicht der 1914 bestehende militärärztlichen Vereine findet sich ebd., 67–75.

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chemisches Laboratorium im Königlichen Friedrich-Wilhelms-Institut in Berlin eingerichtet, in dem Ärzte, Chemiker und Apotheker auch Fragen der Verpflegung systematisch untersuchen konnten. Es war zugleich Teil des Studiums der Sanitätsoffiziere, die später auch Lebensmittel und Verpflegung der Soldaten kontrollieren mussten.165 Die seit 1895 Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen genannte Ausbildungs- und Forschungsstätte lud ebenso wie militärärztliche Vereine regelmäßig führende Fachwissenschaftler ein, sodass eine Verbindung zwischen Chemie, Physiologie und Medizin gegeben war. Abseits dieser naturwissenschaftlichen Professionalisierung wurde die »Umsetzung der Nährmittel in Wehrkraft«166 zunehmend auch bei der Kriegsplanung berücksichtigt. Klar war, »dass der Ausgang eines Krieges von der guten Organisation des Verproviantierungsamtes«167 abhing. Gleichwohl gab es keine systematischen Vorkehrungen für längere Kriege, sondern lediglich einen strukturierten Pragmatismus, der auf Requirierungen, Magazinverpflegung und Einkäufe im In- und Ausland setzte.168 Nicht die Optimierung der Verpflegung stand im Mittelpunkt, vielmehr wurde gefragt, wie die Mobilität auch der rückwärtigen Dienste gewährleistet werden konnte bzw. deren Offensivgeist zu fördern war.169 Trotz Regelungsdichte der Feldverpflegungsvorschriften nahm zu, doch Taktiklehrbücher schulten mehr den Blick für die Situation als das Verständnis für Fragen der Nahrungsmittelproduktion, ihrer Zusammensetzung, Haltbarkeit und Zubereitung. Das unzureichende Wissen, insbesondere vieler Generalstabsoffiziere, konnte durch die zwar wissenschaftlich reflektierten, keineswegs aber durchweg praktizierten Vorschriften kaum überdeckt werden.170 Doch nicht das mit neuem Wissen verbundene Konfliktpotenzial, sondern vielmehr dessen Produktion gilt es kurz zu beleuchten. Zuerst einmal zielte die Arbeit im Berliner Laboratorium darauf, schon länger diskutierte Themen aufzugreifen und sie eigenständig unter den Maßgaben der Militärverpflegung zu überprüfen. Drei umfangreichere Untersuchungen wurden seit Ende der 1880er Jahre durchgeführt: Angebote, die aus Blech und Glas gefertigten Feldflaschen und Kochgeschirre durch solche aus dem leichteren Aluminium zu ersetzen, mündeten erstens in 165 Der Fleischbeschau erfolgte allerdings – wie auch im Zivilleben – durch Veterinärärzte. 166 Frölich, H[ermann]: Die Ernährung des Deutschen Reichsheeres und insonderheit diejenige seines Sanitätspersonals, Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin und öffentliches Sanitätswesen NF 30, 1879, 310–326, hier 326. 167 Die Verpflegung des englischen Heeres im Krieg, Die Umschau 4, 1900, 467–469. 168 Vgl. etwa Balck, 1903, v. a. 261–262. 169 So etwa Taubert, Franz: Verpflegungstaktik dargestellt in 8 Aufgaben, Berlin 1912, v. a. XIII . 170 Vgl. François, [Hermann] v. (Hg.): Feldverpflegungsdienst bei den höheren Kommandobehörden, T. 1: Vormarsch, 3. umbearb. u. erw. Aufl., Berlin 1913, 45–46, der die Missachtung der Planung durch die Praktiker beredt beklagte.

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ausführliche Testreihen, um die Frage möglicher Giftigkeit eventuell gelöster Stoffe zu beantworten.171 Die Materialprüfungen wurden ergänzt durch mehrmonatige Tier- und über anderthalb Jahre laufende Menschenversuche an den beiden Laboratoriumsdienern. Das Resultat war günstig, der neue Werkstoff schien zumindest chemisch-physiologisch für Militärzwecke geeignet zu sein. Während parallel laufende Versuche des Reichsgesundheitsamtes hier stehen blieben, fanden beim Militär weitere Trageversuche sowie praktische Erprobungen statt.172 Eine Einführung unterblieb daraufhin. In der Tradition der intensiven Debatten über die Zusammensetzung der eisernen Ration standen zweitens die Prüfungen der bestehenden Fleischkonservierungsarten. Dazu wurden nicht weniger als 664 Patentschriften des Inund Auslandes herangezogen, und die Praktikabilität der Konservenproduktion durch Trocknung, Kühlung, Luftabschluss und Konservierungsstoffe überprüft.173 Das Fazit war ernüchternd: Mangelnder Geschmack, geringe Haltbarkeit, technische Probleme, hohe Kosten, geringe Wirksamkeit und auch Gesundheitsschädigungen wurden moniert, einzig Büchsenkonservierung schien akzeptabel. Die Militärverwaltung konzentrierte sich daher vornehmlich auf die Prozessoptimierung der selbst produzierten Fleisch- und Gemüsekonserven, für deren Bewertung umfängliche Kriterienkataloge erarbeitet worden waren.174 Drittens untersuchten die Militärs das sog. Soldatenbrot, das den »eigentlichen Grundstock der täglichen Soldatenkost«175 bildete. Es führte jedoch häufig zu Darmbeschwerden, waren viele Soldaten an ein hoch ausgemahlenes Roggenbrot schlicht nicht gewöhnt. Zahlreiche kommerzielle Anbieter nutzten dies zu Verbesserungsvorschlägen, die zumeist auf andere Rezepturen und Zumengungen eiweißreicher Mehle und Präparate zielten.176 Aber auch erste Nährpräparate, wie das aus konzentriertem Weizenkleber bestehende Aleuronat, wurden auf Veranlassung der Militärverwaltung überprüft.177 Die Verbesserung des Brotes durch Zumengung preiswerter vornehmlich eiweißhaltiger Abfallprodukte wurde gleichfalls getestet. Trotz teils positiver Einschätzungen war das Gesamtergebnis negativ. Neben den teils höheren Kosten schmeckten die neuen 171 S. Plagge/Lebbin, 1893. Die Materialprüfungen wurden durch das 1887 erlassene Gesetz, betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen in Gang gesetzt. 172 Vgl. Feldflaschen und Kochgeschirre aus Aluminium, Prometheus 4, 1893, 125–126. 173 Plagge, [Wenzeslaus Heinrich]/Trapp, [Friedrich August Wilhelm]: Die Methoden der Fleischconservirung, Berlin 1893. 174 Vgl. Bernegau, L[udwig]: Chemische Streifzüge durch das Konservengebiet unter besonderer Berücksichtigung von Konserven für Massenverpflegung, Apotheker-Zeitung 10, 1895, 508–510, 524–526, 558–560, 615–617, v. a. 558–559 bzw. 615–616. 175 Plagge, [Wenzeslaus Heinrich]/Lebbin, [Georg]: Untersuchungen über das Soldatenbrot, Berlin 1897, 1. 176 Bernoulli, 1943, 30. 177 Vgl. hierzu Dornblüth, Fr[iedrich]: Aleuronat-Mehl und Aleuronat-Brod, Illustrirte Frauen-Zeitung 18, 1891, 40.

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Brote häufig schlecht, die Zusätze ergaben vielfach ein krümeliges resp. labberiges Brot. Die Verantwortlichen empfahlen daher keine künstliche Kost, sondern ein teureres Brot mit geringerem Kleiegehalt. Die Ergebnisse waren Anlass für Kritik sowohl durch frühe Brotreformer (Kap. 3.6.3) als auch durch Physiologen, die die positive Wertung des Roggenbrotes nicht einfach hinnehmen wollten. Obwohl das Brot innerhalb der Armee kaum verändert wurde, man sich in der Folgezeit eher auf den ebenfalls untersuchten Militärzwieback der eisernen Ration konzentrierte178, mündete die Expertise des Militärs daher in wissenschaftliche Debatten über das richtige und angemessene Brot. Die Untersuchungen der 1890er Jahre überprüften die vorheriger Debatten mit gewerblichen Anbietern und Wissenschaftlern. Die nur begrenzte Nutzung künstlicher Kost ließ sich nun wissenschaftlich seriös aus den spezifischen Anforderungen und Problemlagen des Militärs begründen. Zugleich aber sah sich das Militär als Vorreiter für den zivilen Sektor. Die internen Forschungskapazitäten erlaubten neue Nahrungsmittel. Anfangs dominierte die Konservenproduktion. Die semantische Illusion »Konserve« verdeckt, dass hinter diesem Begriff historisch sehr unterschiedliche Produkte standen. Durch wissenschaftliche Expertise und praktische Optimierung in den heereseigenen Fabriken wurden immer wieder neue, immer wieder bessere »Konserven« produziert. Im Gegensatz zu den fast ein kg schweren Normalkonserven der gewerblichen Industrie waren die Fleischkonserven deutlich leichter und daher bequemer zu verzehren.179 Doch auch die Heeres­ konserven hielten nur 2,5 bis 3 Jahre, denn bis dahin hatten sich die Fette zersetzt, wurden die Konserven also ranzig.180 Konserven mussten daher regelmäßig verzehrt werden, konnten auch vor dem Ersten Weltkrieg nicht in wirklich großen Mengen gelagert werden. Lagerung bis kurz vor Ende der Haltbarkeit führte jedoch zu einer wachsenden »Abneigung der Truppen gegen Konserven«181. Parallel experimentierte man nicht nur an der Konservierungstechnik, sondern verbreiterte auch das Speisenangebot. Rindfleisch in Bouillon, Gulasch sowie erste Schweinefleischkonserven wurden für Mannschaften produziert, für die Stäbe gab es zudem auch kleine Mengen von Zungen. Die Fleischstücke, die noch per Hand in die Büchsen gesteckt wurden, waren allerdings nicht alle gleich weich gekocht, häufig waren sie durch die Hitzeeinwirkung auch zer­ 178 Vgl. Lott, [Karl]: Ueber Militärzwieback, in: Plagge/Lebbin (Bearb.), 1897, 163–173. 179 Die Verwendung von Gemüse- und Fleischkonserven in den Armeen der Grossmächte, Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie 5, 1902, 612–615, hier 614; Bischoff, H[ans]: Nahrungs- und Genussmittel, in: Ders./Hoffmann, W[ilhelm]/Schwiening, H[einrich] (Hg.): Lehrbuch der Militärhygiene, Berlin 1910, 261–390, hier 319. 180 Witzleben, v.: Die Verpflegung der Armeen im Feld, Die Woche 5, 1903, 1823–1825, hier 1824; Bernegau, 1895, 509. 181 Schreiner: Die Herstellung von Fleisch- und gepreßten Gemüsekonserven im Weltkriege 1914–1918, Zeitschrift für die Heeresverwaltung 1, 1936, H. 3, 26–29, hier 27.

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Abb. 7: Büchsenstopf- und Konservierungsraum der Armee-Konservenfabrik Spandau 1909

fasert.182 Das war immer noch besser als gekochtes, nicht abgehangenes Frischfleisch. Die Kooperation von Sanitätsoffizieren und Praktikern implementierte komplexe Produktionsweisen in den großen Heeresfabriken, durch die es auch möglich war, die von Interessengruppen geforderte Dezentralisierung der Konservenfabrikation abzuwehren.183 Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei der Gemüsekonservenproduktion nachweisen. Bei ihnen handelte es sich um Leguminosenmehle, die mit Fett, Fleischextrakt und Gewürzen gemischt und zu Würfeln gepresst wurden, die dann in Pergament- bzw. Ceresinpapier verpackt wurden. Die Heerespräparate unterschieden sich nicht wesentlich von den Produkten der gewerblichen Wirtschaft.184 Gleichwohl aber wurde in der Kaiser-Wilhelm-Akademie sowohl die Ausnutzung von Leguminosenmehlen als auch die Substituierbarkeit der Fleisch- durch Hefeextrakte am Menschen überprüft.185 Ziel derartiger Forschungen waren nicht allein verbesserte oder preiswertere, sondern vielmehr schmackhaftere Suppenpräparate: Gemüsekonserven dienten ebenso wie die nach der Jahrhundertwende zunehmend georderte Maggi-Würze als Würzstoffe

182 Bischoff, 1910, 317. 183 Marcuse, Alfons Ernst: Die deutsche Konservenindustrie mit besonderer Berücksichtigung der Halberstädter Industrie, Phil. Diss. Leipzig, Berlin 1918, 29. 184 Zur intensiveren Grundlagenforschung des Militärs vgl. Bernegau, 1895, 525–526. 185 Wintgen, M[ax]: Ueber die Ausnutzbarkeit von Leguminosenmehlen, in: Arbeiten aus den hygienisch-chemischen Untersuchungsstellen, T. I, Berlin 1905, 37–55; Wintgen, M[ax]: Ueber die Bedeutung von Fleisch- und Hefeextrakten für die Ernährung, in: ebd., 56–98.

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in einer insgesamt eher fad schmeckenden Verpflegung.186 Würzpräparate und Bouillonwürfel dienten als Kräuterkonserven, um die sich langsam abbauende Würzkraft natürlicher Produkte zu strecken.187 Ferner investierte die Militärverwaltung in eine verbesserte Trocknungstechnik, zumal als nach 1911 die Vitaminlehre zumindest in Grundsätzen rezipiert wurde.188 Taten sich bei Interessenidentität damit sehr wohl neue Kooperationsfelder von Militär und Privatindustrie auf, so erlaubte die interne Wissensbildung zugleich die Entwicklung neuer Präparate, um die Leistungsfähigkeit der Truppe gezielt zu fördern. Tabletten aus getrocknetem Magermilchpulver und Eigelbpulver, Zucker in unterschiedlichen Darreichungsformen oder Tabletten aus Magermilchpulver, Rohrzucker, Kakao und Zitronensäure wurden produziert und im praktischen Einsatz erprobt.189 Dazu griff man auch auf Mineralstoffe zurück, etwa mit der Entwicklung phosphorsäurereicher Milchtabletten.190 Parallel verfolgten und analysierten Sanitätsoffiziere die wachsende Zahl von kräftigenden und stärkenden Eiweißpräparaten. Wissenschaftliche Untersuchungen fielen vielfach positiv auf, ihre Anwendung im Kriegsfall wurde angekündigt, erfolgte dann aber letztlich nicht.191 Die Militärverwaltungen nutzten allerdings die Kolonialkriege bzw. die Erfahrungen der Schutztruppen, um künstliche Kost auch unter Extrembedingungen zu testen.192 Die interne Wissensbildung in der deutschen Armee gründete auf der Professionalisierung von Ärzten, Chemikern und Apothekern und führte zu einer breit gelagerten Durchsetzung des Stoffparadigmas und seiner Effizienz steigernden Verfahren.193 Nährwertberechnungen prägten zunehmend die Ver 186 Reischauer: Die Verpflegung der Feldheere, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 39, 1910, Vereinsbeilage, 4*. 187 Varges, J[ohannes]/Rabenhorst/Dufeldt: Zur Truppenernährung im Kriege und Frieden, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 38, 1909, 793–813, hier 798. 188 Vgl. Musehold, 1922, 92–93. 189 Varges, [Johannes]: Einiges über Truppenernährung, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 31, 1902, 251–253, hier 253. 190 Hierauf bauten Empfehlungen während des Ersten Weltkrieges auf, aus Salzen bestehende »Elektrolyt«-Tabletten einzuführen. Vgl. Hoesslin, H[einrich] v.: Die Ernährung des Soldaten, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 218–224, hier 220. 191 Varges/Rabenhorst/Dufeldt, 1909, 795. 192 Laymann, [Heinrich]: Die Ernährung der Millionenheere des nächsten Krieges, Berlin 1908, 14–20; Schmidt, Georg: Kriegs-Verpflegungsvorschrift (K. V. V.) vom 28.8.09, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 39, 1910, 98–99, hier 98. Vgl. auch Franz: Erfahrungen über Skorbut während des südwestafrikanischen Krieges, Deutsche militärärztliche Zeitschrift 36, 1907, 977–985; Bofinger: Einige Mitteilungen über Skorbut, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 39, 1910, 569–582. 193 Vgl. auch Schumburg, [Wilhelm]: Die Berechnung und Beurtheilung des Nährwerths der Soldatenkost, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 30, 1901, 522–524; Schmidt, [Georg]: Zur Nährwerthberechnung der Soldatenkost, Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 30, 1901, 622–624.

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pflegungssätze und Speisenzusammensetzung im Frieden, bestimmten die Ernährung im Kriege. Künstliche Kost wurde untersucht und vielfach in eigener Verantwortung eingeführt und optimiert. Neue Einsatzfelder, wie das der Leistungssteigerung durch Nährtabletten, konnten so angegangen und erforscht werden. Gleichwohl war die wesentliche Leistung der Wissensträger innerhalb des Militärs nicht die einseitige Umsetzung des stofflichen Wissens. Vielmehr agierten gerade die Wissensträger als Vermittler zwischen dem objektivierten Wissen über Nahrung und Stoffwechsel einerseits, den Restriktionen und besonderen Anforderungsprofilen des Militärs anderseits. Die interne Wissens­ bildung führte so einerseits zu einer Verbreiterung stofflich begründeten Wissens, mündete anderseits aber in dessen Relativierung, symbolisiert etwa in dem geringen Fettanteil der deutschen Verpflegungssätze.

3.3 Geschmack, Nährwert, Bequemlichkeit: Suppen- und Würzpräparate Suppen waren im 18. und frühen 19. Jahrhundert vielfach Grundlagen der täglichen Kost. Anders als heute waren sie (zäh-)flüssige, meist warme Speisen, die zu allen Tageszeiten gegessen und aus praktisch allen verfügbaren Nahrungsmitteln zubereitet werden konnten.194 Auch wenn der Wandel der Suppe von einer Grund- zu einer Vorspeise in der bürgerlichen Küche sicherlich schon seit dem späten 18. Jahrhundert eingesetzt hatte und die absolut dominierenden Milch-, Bier-, Obst- und Wassersuppen gegenüber den stark aufkommenden Fleischbrühen bzw. der darauf beruhenden Suppen schon an Bedeutung verloren, waren Mitte des 19. Jahrhunderts Innovationen in diesem Bereich doch zentral für eine Verbesserung der Ernährung. Bemühungen um stofflich bilanzierte und industriell hergestellte Suppenpräparate zielten entsprechend nicht auf eine Vorspeise. Die Einführung künstlicher Kost in diesem Segment galt vielmehr einem Kernbereich der Esskultur. Adaption und Akzeptanz der neuen Speisen waren direkt mit der des Stoffparadigmas verbunden. Sie materialisierten eine andere Vorstellung vom richtigen und guten Essen, von der Art des Kochens und der Hierarchie alltäglicher Handlungen, schließlich auch des Geschmacks.

194 Vgl. Spiekermann, Uwe: Suppe im Wandel. Zur Karriere einer Alltagsspeise, Historicum 1995, Herbst-Ausg., 15–21.

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3.3.1 Klassiker ohne Nährwert: Liebigs Fleischextrakt Daher ist es kein Zufall, dass Liebigs Fleischextrakt bis heute allgemeine Bekanntheit genießt. Er war ein neuartiges Markenprodukt, Ausdruck globaler Arbeitsteilung, vor allem aber materielles Resultat objektivierten Wissens der modernen chemischen Wissenschaft. Vorläufer gab es viele. Leim- und Bouillonprodukte wurden insbesondere von französischen Forschern in der ersten Jahrhunderthälfte gefordert und entwickelt. Doch sie zielten auf begrenzte Problemlagen, etwa der Armenkost oder der Gefängnisverpflegung, blieben meist regional begrenzt und bildeten keine universell angebotenen Markenprodukte.195 Das änderte sich auch 1847 noch nicht, als Justus Liebig die Herstellung eines Rindfleischextraktes propagierte, durch den es möglich sein sollte, die Essenz des bisher ungenutzten und billigen Fleisches südamerikanischer Rinderherden für den europäischen Markt zu nutzen.196 Die Tiere wurden damals relativ frei in großen »estancias« gehalten, zweimal jährlich zu Herden zusammengetrieben und geschlachtet. Nachfrage bestand vorrangig für die Häute und das Fett der Tiere, mangels Konservierungsmöglichkeiten wurde das Muskelfleisch weggeworfen. Obwohl Liebig im Militär einen wichtigen potenziellen Abnehmer sah, stand es bei ihm – anders als bei seinen französischen Vorgängern Joseph Louis Proust und Antoine Parmentier – nicht im Mittelpunkt. Liebigs Ziel war stattdessen die Verbesserung der Volksernährung.197 Angesichts der Pauperisierung breiter Bevölkerungsschichten sollte das neue Nahrungsmittel die wichtigsten Bestandteile des Fleisches preiswert verfügbar machen und so einen Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden leisten.198 Der direkte Erfolg blieb jedoch aus. Fleischextrakt blieb eine Münchener Apothekerware, die nach Pettenkofers 1850–1852 ausgetüftelter Methode hergestellt wurde.199 Erst 1862 erzielte Liebig eine Übereinkunft mit dem Hamburger Eisenbahningenieur Georg Christian Giebert, der Produktion, Transport und Absatz von »Liebig’s Fleischextract« organisierte, während Liebig, später auch sein Sohn Hermann, Pettenkofer, Voit, Rubner, 195 Einen kursorischen Überblick bietet Teuteberg, Hans-Jürgen u. a.: Die Rolle des Fleischextrakts für die Ernährungswissenschaften und den Aufstieg der Suppenindustrie. Kleine Geschichte der Fleischbrühe, Stuttgart 1990, 3–9. 196 Liebig, Justus: Ueber die Bestandtheile der Flüssigkeiten des Fleisches, Annalen der Chemie und Pharmacie 62, 1847, 257–369, v. a. 360–365. 197 Liebig, J[ustus] v.: Extractum carnis, Annalen der Chemie und Pharmazie 133, 1865, 125–130, hier 127. 198 Näheres enthält Volhard, Bd. II, 1909, 201–213. 199 Zu Details der Herstellung von Fleischextrakt in München vgl. Zur Geschichte des Fleischextraktes, Die Umschau 3, 1899, 76–77; Hildebrand, Otto: Herstellung von Fleisch­ extrakt, Bouillonwürfeln, Suppenwürfeln und Suppenwürze. […], Wien/Leipzig 1917, 111.

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Abb. 8: Fleischextraktfabrikation in Fray Bentos um 1900

Max Gruber und Sir Henry Roscoe die Endkontrolle der schon zuvor chemisch getesteten Ware übernahmen.200 1863 wurde in Fray Bentos, Uruguay, einer kleinen Hafenstadt nördlich von Buenos Aires, der Grundstein der späteren Londoner Liebig’s Extract of Meat Company, Ltd. gelegt.201 Das verfügbare Rindfleisch wurde hier zerkleinert, erhitzt und der Fleischsaft extrahiert. Diesen füllte man in 50 kg-Dosen und sandte ihn ins Generaldepot nach Antwerpen, wo die Ware, nach einer Stichprobenkontrolle der Chargen in München, schließlich in weiße, mit Korken und Staniolkapsel verschlossene Steingutbüchsen mit blauem Schriftzug umgefüllt wurde. Die chemische Zusammensetzung war standardisiert, schwankte nur in engen Grenzen.202 Der Markterfolg war beträchtlich – trotz eines Preises, der deutlich über Liebigs Vorstellungen lag. 200 Vgl. Schreiben von Max v. Pettenkofer an den Präsidenten des Reichsgesundheit­samtes v. 02.07.1900, BA R86 Nr. 3442. 201 Das Kapital kam vornehmlich aus dem Deutschen Reich, vgl. Grempe, P. M[ax]: Die Fabrikation von Fleischextract, Prometheus 12, 1901, 518–524, 538–541, hier 520. Zur Produktion vgl. Das Fleisch und seine Benutzung, in: Das neue Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, 7. verm. u. verb. Aufl., Bd. 5, Leipzig/Berlin 1878, 232–248, hier 236–238. Zur Firmengeschichte s. Brooke Bond Liebig Ltd. (Hg.): The Liebig Story, o. O. o. J. 202 Liebig, Justus v.: Ueber den angeblichen Kochsalzgehalt des Extractum Carnis americanum, Annalen der Chemie und Pharmazie 140, 1866, 249–253; Ders.: Ueber den Kochsalzgehalt des Extractum carnis, ebd. 162, 1872, 369–373.

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Die Produktion stieg von 146 t 1867 auf 456 t 1872.203 Zwischen 1868 und 1908 verneunzehnfachte sich die Zahl firmeneigener Rinder von 12.000 auf mehr als 224.000.204 Weitere Werke wurden gegründet. Konkurrenzfirmen etablierten sich vornehmlich in Argentinien und Australien, konnten im Deutschen Reich aber die Marktführerschaft von Liebigs Fleischextrakt bis zum Ersten Weltkrieg nicht gefährden. Trotz globaler Präsenz wurden auch nach 1900 nur ca. 1,5 t täglich hergestellt.205 Der raschen Wachstumsphase folgte eine Konsolidierung auf dennoch beachtlichem Niveau. Die Bedeutung des Extraktes in der Entwicklung künstlicher Kost liegt jedoch nicht primär im ökonomischen Erfolg. Die in wissenschaftlichen Journalen und auch Familienzeitschriften geführte Diskussion über das neue Produkt bündelte vielmehr Themenstellungen und Problemlagen, die auch bei späteren Innovationen wieder und wieder auftauchten: Erstens eine innerwissenschaftliche Debatte über den Wert des Neuen, zweitens ein öffentlich geführter Risikodiskurs über eventuelle negative Folgen der künstlichen Kost und drittens schließlich die Frage der sozialen Positionierung des Produktes. Für die frühe Ernährungswissenschaft ging es in der um 1870 geführten Debatte über den Nährwert des Fleischextraktes vornehmlich um den Stellenwert der Nährstoffe im Rahmen der täglichen Kost. Liebigs Vorstellung einer konzentrierten Essenz des Fleisches erwies sich nämlich schnell als Chimäre. In München analysierte Carl Voit 1869 den Fleischextrakt: Er besaß keinen Nährwert, sondern lediglich einen hohen Gehalt von kalorisch irrelevanten Mineralstoffen.206 Liebig widersprach trotzig, wollte das objektivierte Wissen der chemischen Analyse nicht anerkennen. Erst Vermittlungsbemühungen seitens Pettenkofers erlaubten einen formalen Kompromiss, der die anregende Wirkung der Mineralstoffe hervorhob.207 Vor diesem Hintergrund akzeptierte der Altmeister das Verdikt der Analyse, nach der sein Produkt dann als ein »Genußmittel der hervorragendsten Art«208 propagiert wurde. Obwohl die genaue Struktur und Funktion der »Nährsalze« unbekannt waren, schrieb man ihnen doch eine wichtige Stoffwechselfunktion zu. Damit wurde Fleischextrakt zu einem nützlichen, die Funktion der Biomaschine Mensch einfacher und effi 203 Wagner, Curt: Konserven und Konservenindustrie in Deutschland, Jena 1907, 97. 204 The Lancet Special Commission on the Origin, Manufacture, and Uses of Extract of Meat, Lancet 175, 1908, 1233–1244, hier 1234. 205 Wagner, 1907, 97. Die Fleischextraktausfuhr Uruguays betrug 1901 678 t, von denen 306 t nach Belgien versandt wurden, vgl. Ebd., 100. 206 Näheres enthält Teuteberg u. a., 1990, 23–26. 207 Liebig, Justus v.: Fleischextract ein Genussmittel, in: Ders.: Reden und Abhandlungen, Leipzig/Heidelberg 1874, 148–155, hier 148. 208 Pettenkofer, Max v.: Ueber Nahrungsmittel im Allgemeinen und über den Werth des Fleischextracts als Bestandtheil der menschlichen Nahrung insbesondere, Braunschweig 1873, 5.

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zienter gestaltenden Produkt. Seine Fabrikation diente dem Ersatz der belebenden, die Mahlzeit einleitenden Fleischbrühe durch ein preiswerteres, einfacher und schneller zuzubereitendes Produkt.209 Das »erste künstliche Genussmittel«210 öffnete zugleich Vermarktungschancen für weitere Nährsalzprodukte, die als Zusätze etwa zur Säuglingskost oder in Schokoladen, Kakaos oder Kaffees offensiv angepriesen wurden. Liebigs Idee eines nährenden Volksnahrungsmittels war zwar gescheitert, das Stoffparadigma aber wurde bestätigt und ausdifferenziert. Als neues Produkt wurde Liebigs Fleischextrakt jedoch nicht nur auf seinen Nährwert, sondern auch auf seine physiologischen Wirkungen hin untersucht. Wissenschaftliche Tierversuche ergaben seit Ende der 1860er Jahre Besorgnis erregende Ergebnisse.211 Nach Fütterung mit Fleischextrakt steigerte sich die Stoffwechselaktivität, die Tiere wurden zunehmend reizbar, einzelne verstarben. Die Konsequenz schien einfach zu sein: Fleischextrakt sei tendenziell giftig, potenziell gar tödlich. Nachuntersuchungen an Mensch und Tier ergaben dagegen »völlige Unschädlichkeit«212. Diese Debatten wurden auch in der breiten Öffentlichkeit rezipiert und diskutiert.213 Die Nährsalze des Fleischextraktes, insbesondere das Kalium, erschienen nun als Gesundheitsrisiko, das Wissenschaftler verschieden bewerteten. Liebig wetterte energisch gegen die »Schein-Versuche«214 der ausländischen Wissenschaftler, deren Zielsetzung er vehement kritisierte. Die Dosierung des Fleischextraktes sei völlig unangemessen, die Tiere teils allein mit Fleischextrakt gefüttert worden. Mangels Nährwert war ihr Tod vorprogrammiert. Die Versuche stellten damit Grundfragen nach dem Referenzmaß für die Bewertung von Nahrungs- und Genussmitteln. Während die »Giftfraktion« darauf zielte, die möglichen Gesundheitsgefährdungen exakt zu ermitteln, orientierte sich die Mehrzahl der Physiologen und Chemiker an ihrer Wirkung im Rahmen der Alltagskost. Theorie und gelebte Praxis standen sich klar entgegen, in der öffentlichen Debatte über die »Giftigkeit« des

209 Vgl. etwa das Werbeblatt von 1873 bei Leonhard, 1995, 19. 210 Beerwald, K[arl]: Fleischextrakt und Hefepräparate, Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie 6, 1903, 232–234, hier 232. 211 Vgl. etwa Kemmerich, E[duard]: Untersuchungen über die physiologische Wirkung der Fleischbrühe, des Fleischextractes und der Kalisalze des Fleisches, Archiv für die gesammte Physiologie des Menschen 2, 1869, 49–93; Kemmerich, Ed[uard]: Ueber die Wirkungen, den Ernährungswerth und die Verwendung des Fleischextracts (Schluss), Deutsche Klinik 22, 1870, 150–154. 212 Bunge, Gustav: Ueber die physiologische Wirkung der Fleischbrühe und der Kalisalze, Archiv für Physiologie 4, 1871, 235–282. Vgl. auch Lehmann, Karl Bernhard: Ueber die Wirkung des Liebig’schen Fleischextracts mit besonderer Berücksichtigung seiner sogenannten Giftigkeit, Archiv für Hygiene 3, 1885, 249–290. 213 Vgl. etwa Fleischextract, Industrie-Blätter 9, 1872, 242; Pettenkofer, 1873, 13–14. 214 Liebig, 1874, 149.

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Fleischextraktes zeigte sich jedoch, dass sich diese Wissenssphären im Regelfall überlappten.215 Liebigs Fleischextrakt war als »Volksnahrungsmittel« konzipiert worden, dessen kräftigende und belebende Wirkung ihn zum »Arzneimittel«216 im Krankheitsfalle zu prädestinieren schien. Sein hoher Preis, 1869 wurden 3 Taler und 5 Silbergroschen für das Pfund gefordert217, begrenzte den Vertrieb jedoch auf bürgerliche Schichten. Bestrebungen von Konsumvereinen, das Produkt preiswerter anzubieten, scheitern am Widerstand mittelständischer Kleinhändler.218 Im Rahmen unternehmerischer Sozialfürsorge wurde die »Einführung des Fleischextrakts in die Hauswirthschaft«219 zwar propagiert, nicht aber gefördert. Mangels Nährwert galt er Anfang der 1870er Jahre als »Luxusartikel für Reiche«220, von dessen Kauf den Arbeitern eher abgeraten wurde. Statt des teuren Markenproduktes sollten sie auf hausgekochte Fleischbrühe setzen.221 Dass sich Fleischextrakt im Gegensatz zu vielen anderen Produkten gleichwohl durchsetzen konnte, lag zum einen an seiner gezielten Vermarktung als hochwertiges und schmackhaftes Produkt mit gewissem gesundheitlichem Mehrwert, zum anderen aber an seiner Zweitverwendung als Würze. Während des deutschfranzösischen Krieges diente er als Liebesgabe für Soldaten aus besserem Hause, symbolisierte Sorge und virtuelle Häuslichkeit auch im Felde.222 Wenngleich damals noch nicht von »Weltgeltung«223 gesprochen werden konnte, so verkörperte der vom Bürger zum Baron aufgestiegene Liebig doch nicht allein ein Sozialprogramm nach unten, sondern war auch Vorbild für Angehörige seiner Schicht. Sein Produkt fand sich an bürgerlichen Orten der Moderne wieder, in den sich etablierenden Hotels und Restaurants, auf den großen Ozeandampfern, in den langsam aufkommenden Eisenbahnspeisewagen, auf den Privatstationen der Krankenhäuser sowie in den Küchen der Begüterten. Bis zur Jahrhundert 215 Das veränderte Produktionsverfahren rief auch Rückfragen nach möglichem Rheumatismus bzw. Gicht hervor. Vgl. Hübers, G.: Die gewerbliche Gewinnung der Eiweissstoffe des Fleisches, Prometheus 14, 1903, 523–524, hier 523. 216 Liebig, 1865, 125. Vgl. auch Liebig, Justus: Eine neue Fleischbrühe für Kranke, Annalen der Chemie und Pharmacie 91, 1854, 244–246. 217 Kladderadatsch 22, 1869, n. 112; 4. S. n. 192. 218 Bericht über den achten ordentlichen Verbandstag der Consumvereine der Provinz Schlesien, abgehalten in Altwasser den 27. Mai 1877, Blätter für Genossenschaftswesen 24, 1877, 114–115, hier 115. 219 Versammlung des Mittelrheinischen Fabrikanten-Vereins am 9. Dezember 1874, Mitt­ heilungen für den Mittelrheinischen Fabrikanten-Verein 1875, 819–822, hier 821 (Dyckerhoff). 220 Bunge, 1871, 281. 221 Beerwald, K[arl]: Die Bedeutung der Fleischbrühe im Haushalt, BVGP 1, 1901, 4­ 53–455, hier 455. 222 Vgl. die Anzeige in Kladderadatsch 23, 1870, 3. S. n. 164. 223 So die Charakterisierung in Senftleben, Hugo: Die Einfuhr präservirten Fleisches und der Zollvereinstarif, DVÖG 4, 1872, 399–404, hier 399.

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wende zielte die Werbung implizit auf ein bürgerliches Publikum.224 Die Preise wurden nur moderat gesenkt, obwohl Technik und Produktionsvolumen eine stärkere Verbilligung ermöglicht hätten. Fleischextrakt bildete bis zum Ersten Weltkrieg einen eisernen Bestand bürgerlicher Küche.225 Wie entscheidend diese soziale Positionierung war, verdeutlichen auch die Mitbewerber. 1904 gab es ca. ein Dutzend Markenfleischextrakte, deren Mehrzahl seit den 1870/80er Jahren angeboten wurde.226 Sie verkauften zwar im Regelfall preiswerter, doch setzten sie in der Werbekommunikation ebenfalls auf wissenschaftliche Gutachten und Qualitätsgarantien, hoben ferner Wohlgeschmack und die leichte Zubereitung hervor.227 Der Bezug auf wissenschaftliche Autoritäten war wichtig, da es sich um Vertrauensprodukte par excellence handelte, deren Zusammensetzung noch nicht gekennzeichnet werden musste.228 Hierin lag ein wesentlicher Grund für die lang andauernde Marktführerschaft des Pionierproduktes. Daneben dürfen die würzenden Funktionen nicht übersehen werden. Fleischextrakte bildeten küchentechnische Universalprodukte, die vielfach zum Verfeinern anderer Speisen genutzt wurden. Nicht nur einfache Mehl- oder Gemüsesuppen variierte man, sondern auch Gemüse, Reis, Nudeln oder Kartoffeln. Fleischextrakt wurde auch als Brotaufstrich verwandt.229 Der konstant hohe Preis lässt sich vor diesem Hintergrund gut erklären, lag er doch nicht über dem handelsüblicher Kolonialgewürze. Gleichwohl hatte der Fleischextrakt als käufliches Markenprodukt seinen Höhepunkt um 1900 überschritten.230 Die Gründe lagen in der Substitutionskonkurrenz, die zum einen von den spezialisierten Würzen und Bouillon­ präparaten ausging, zum anderen aber von Fleischextraktersatz. Künstliche Kost wurde durch preiswertere künstliche Kost ersetzt. Dies betraf erst einmal Hefeextrakte, die nach 1900 aufkamen.231 Markenwürzen wie Siris, Ovos, Wuk, Obron, Bios oder Sitogen wurden mittels Auto 224 Vgl. allgemein Finlay, Mark R.: Early Marketing of the Theory of Nutrition: The­ Science and Culture of Liebig’s Extract of Meat, in: Kamminga, Harmke/Cunningham, Andrew (Hg.): The Science and Culture of Nutrition, 1840–1940, Amsterdam/Atlanta 1995, 48–74. 225 Fleischextrakt, Der Materialist 35, 1914, Nr. 12, 18–19. 226 Graff, J.: Über die Zusammensetzung einiger neuen [sic!] Speisewürzen, ZUNG 7, 1904, 389–392, hier 389. Zur Marktlage Anfang der 1880er Jahre vgl. Villaret, 1884, 47. 227 Vgl. etwa die Werbung für Buschenthal’s Fleischextrakt in Kladderadatsch 25, 1872, 2. S. n. 52. 228 Vgl. etwa Was ist Cibilis?, DVÖG 16, 1884, 543 bzw. Noch einmal Cibilis, ebd. 17, 1885, 192. Das Kaiserliche Gesundheitsamt war schon 1883 mit Untersuchungen dieses Präparates beschäftigt, vgl. BA R86, Nr. 3442. 229 Klemperer, G[eorg]: Ueber Nährpräparate, in: Leyden, E[rnst] v. (Hg.): Handbuch der Ernährungstherapie und Diätetik, Bd. 1, Leipzig 1898, 282–304, hier 287. 230 Dagegen stieg seine Bedeutung als Zwischenprodukt für die Bouillonwürfel- resp. Würzenherstellung noch deutlich an. 231 Beerwald, 1903, 232–233.

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lyse von Hefen produziert. Ihre Herstellung bildete eine praktische Anwendung der Theorie der zellfreien Gärung des späteren Nobelpreisträgers Eduard Buchner.232 Angesichts der deutlich niedrigeren Rohstoffpreise waren sie erheblich preiswerter, auch wenn die anfangs noch geringe Haltbarkeit ihrer Verwendung Grenzen setzte. Insbesondere die Brauereien versuchten, ihre Presshefebestände erfolgreich zu vermarkten, nachdem sie Bäckereien und Backwarenindustrie aufgrund schlechterer Qualität als Abnehmer an die Müllereiindustrie verloren hatten.233 Die Fleischextraktanbieter reagierten auf diese absehbare Konkurrenz – entsprechende Forschungsbemühungen reichten bis in die 1880er Jahre zurück – mit einer Doppelstrategie.234 Zum einen intensivierte man die Nutzung der Nebenprodukte.235 In Fray Bentos etwa errichtete die Liebig Company Konservenfabriken für Büchsenkonserven und getrocknetes Fleisch, eine Fettschmelze konzentrierte sich auf Talgproduktion, eine andere auf Speisefette. Deren Reste bereitete man in einer Fettextraktionsfabrik auf, während Abfälle rohstoffabhängig entweder zu Guano oder aber zu Fleischmehl verarbeitet wurden. Mit Mageninhalten und Eingeweiden züchtete man Fische, deren Fett zur Gasherstellung in der Fabrik diente. Für Knochen, Häute und Därme bestanden weitere spezialisierte Verarbeitungsfabriken, deren Verfahren sämtlich auf verbessertem Wissen über die stoffliche Zusammensetzung des Schlachtgutes basierten.236 Abseits des Namen gebenden Kernproduktes – das durch weitere Extrakte, Würzen und Suppenpräparate, etwa der Dachmarke »Oxo«, ergänzt wurde – entwickelte sich die Firma zu einer Stoffumwandlungsmaschinerie des Rohstoffs Rind.237 Dies erlaubte eine gezielte Mischkalkulation, durch die sich 232 Hierzu detailliert Ukrow, Rolf: Nobelpreisträger Eduard Buchner (1860–1917). Ein Leben für die Chemie der Gärungen und – fast vergessen – für die organische Chemie, Phil. Diss. Berlin 2004. 233 Graff, 1904, 390. Zum Gesamtkomplex vgl. den Überblick von Winckel, Max: Die wirtschaftliche Bedeutung der Hefe als Nahrungs-, Futter- und Heilmittel, München 1916. 234 Zu beachten sind auch die Auswirkungen des Fleischbeschaugesetzes von 1900, das langwierige Debatten über die veterinärmedizinische Kontrolle nach sich zog. 235 Vgl. Kaerger: Der Betrieb in der Liebig’schen Fleischextraktfabrik in Fray Bentos. Bericht an den Reichskanzler Fürst v. Hohenlohe-Schillingsfürst v. 01.05.1899, BA R 86, Nr. 3442. 236 Grempe, 1901, 522. Ähnliche Strukturen finden sich bei allen großen Anbietern. Aggressive gegen die Liebig Company gerichtete Werbekampagnen wurden Mitte der 1890er Jahre auf Basis des Nährwertarguments insbesondere von der Firma Bovril gefahren. Vgl. die Werbezettel in BA R86, Nr. 3442. 237 Dies betraf vornehmlich das Fleischmehl, dessen Produktion Liebig noch angeregt hatte (vgl. Eisbein, C. J[ulius]: Das Fleischfuttermehl als willkommene Beihülfe bei der Ernährung der landwirtschaftlichen Nutztiere, Berlin/Neuwied 1886), das aber spätestens um 1900 als »Kadavermehl« und potenzieller Seuchenträger zunehmend kritisch beäugt wurde. Der Name Liebig ermöglichte ein Dachmarkenkonzept, das insbesondere nach der Jahrhundertwende die Diversifizierung in den Suppenpräparatemarkt erlaubte.

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Abb. 9: Marktchance Teuerung: Werbung für Fleischextrakt 1912

Fleischextrakt auf dem umkämpften Zwischenproduktemarkt dank gesenkter Preise zumindest behaupten konnte. Wichtiger aber war die Umstellung des Produktionsverfahrens, durch das auch der Fleischextrakt trotz gleichen Namens ein anderes Produkt wurde. Analysen hatten Ende der 1890er Jahre zunehmend Eiweiß im Fleischextrakt gefunden.238 Während Liebig noch das Zerkleinern, Sieden, Abschäumen und Eindampfen des Fleisches empfohlen hatte239, wurde nun ebenfalls autolytische Verfahren angewandt. Mittels verschiedener Salze und Salzsäure behandelte man das Fleisch vor.240 Dadurch stieg der Extraktertrag, zugleich aber veränderte sich dessen Zusammensetzung und Farbe. Aus der hellgelben »zur Honigconsistenz eingedampfte, leim- und fettfreie Bouillon«241 wurde ein dunkelbraunes, eiweißhaltiges Produkt, dessen Würzwert nochmals erhöht worden war.242 Dies erlaubte weitere moderate Preissenkungen, sodass Liebigs Fleischextrakt während der verschiedenen Fleischteuerungen der Vorkriegszeit als preiswerte Alternative zum Frischfleisch angeboten wurde. 238 Zur Untersuchung von Fleischextracten und Fleischpepton, Zeitschrift für analytische Chemie 36, 1897, 723–729; Klemperer, 1898, 288. 239 Liebig, J[ustus] v.: Ueber den Werth des Fleischextractes für Haushaltungen, Annalen der Chemie und Pharmazie 146, 1868, 133–140, hier 135–136. 240 Hildebrand, 1917, 115. 241 Perl, Leopold: Ueber die Conservirung der Nahrungsmittel vom sanitätspolizeilichen Standpunkte, Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin und öffentliches Sanitätswesen NF 20, 1874, 109–162, hier 142. 242 Röttinger, 1949, 24. Der Eiweißanteil stieg in den Folgedekaden nochmals deutlich an, lag Mitte der 1950er Jahre bei ca. 60 % (100 Jahre Fleischextrakt. Eine segensreiche Erfindung, Kochpraxis und Gemeinschaftsverpflegung 3, 1955, Nr. 8, 25).

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Technische Innovationen ermöglichten somit, an den Liebigschen Traum einer preiswerten Alternative zum Fleisch zumindest anzuknüpfen. Doch dieses Feld war mittlerweile schon von Produkten aus pflanzlichen Grundstoffen besetzt.

3.3.2 Eiweiß für die Massen. Leguminosenmehle zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum Leguminosen galten schon lange vor der Etablierung des Stoffparadigmas als nährende und zugleich preiswerte Nutzpflanzen.243 Ihre Bedeutung für die Bodenverbesserung und als Futterpflanze hatte im frühen 19. Jahrhundert einen Höhepunkt erreicht, und ihr Stellenwert in der Armenkost fand plakativen Ausdruck in der bis heute bekannten Rumfordschen Armensuppe sowie den Erbsenversuchen an Büchners Woyzeck.244 Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ihr Eiweißreichtum chemisch nachgewiesen, benannt und ihre Stellung als preiswerte Alternative zum Fleisch wissenschaftlich belegt – auch wenn die höhere Wertigkeit des animalischen Proteins sie zugleich zum billigen Ersatz degradierte.245 Dies galt allerdings nur für Gebiete südlich des Mains, denn in Nordund Mitteldeutschland spielte der (Leguminosen-)Eintopf nicht zuletzt aufgrund der anderen Küchentechnik eine zentrale Rolle.246 Es waren entsprechend Süddeutschland und die Schweiz, in denen Mediziner, Physiologen und Unternehmer versuchten, Leguminosen wieder stärker in die Alltagskost zu integrieren. Die andere Küchen- und Speisentradition ließ zugleich eine »Rationalisierung« der häuslichen Praxis durch industriell vorgefertigte Präparate besonders erfolgreich erscheinen. Die Konzentration der Forschung auf die späteren Massenanbieter Maggi und Knorr darf allerdings nicht verdecken, dass Leguminosenmehle erstens schon in den 1870er Jahren als Lebensmittelzusätze genutzt wurden. Unter Liebigs werbeträchtigem Namen bot man damals Gesundheitsschokoladen an, die mittels der Hülsenfrüchte ein Kompaktnährmittel bildeten. Das Prinzip der Mischung nährender und haltbarer Komponenten drang Anfang der 1880er Jahre mit »Baron Liebig’s Malto-Leguminosen-Mehl« auch in die häusliche Pra 243 Reich, 1860, 172–177. 244 Graf Rumford galt als einer der Stammväter der modernen Hygiene, vgl. etwa Rubner, M[ax]: Die Geschichte der Hygiene, in: Ders./Gruber, M[ax] v./Ficker, M[artin] (Hg.): Handbuch der Hygiene, Bd. I, Leipzig 1911, 17–40, hier 29–31. Neben Erbsen bestand die RumfordSuppe aus Graupen, Kartoffeln und Mehl. 245 Vgl. etwa Majer, C[arl]: Ueber die Nährfähigkeit einzelner Nahrungs-Mittel und über die Normalverpflegung der Armen, Aerztliches Intelligenz-Blatt 13, 1866, 442–444, v. a. 444. 246 Zur regionalen Struktur vgl. Wiegelmann, Günter: Alltags- und Festspeisen. Innovationen, Strukturen und Regionen vom späten Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, 2. erw. Aufl., Münster u. a. 2006.

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xis ein.247 Die Dresdner »Fabrik diätetischer und med. diätetischer Präparate« J. Paul Liebe hatte schon 1880 ein lösliches Kraftsuppenmehl angeboten, dessen höhere Nährstoffdichte es für die Krankenernährung zu prädestinieren schien. Sein Preis lag mit 2,25 M pro Kilogramm allerdings zu hoch, um von Arbeitern gekauft zu werden. Handelte es sich hierbei durchweg um wissensbasierte Produkte auf Basis reflektierten stofflichen Wissens, entwickelten sich spätere Großbetriebe zweitens aus einer handwerklichen Praxis, die erst nach und nach mit Hilfe wissenschaftlicher Expertise umgestellt wurde. Die Heilbronner Firma C. H. Knorr (Kap. 3.2.3) hatte sich ursprünglich auf den Nahrungsmittelgroßhandel konzentriert, ehe sie Anfang der 1860er Jahre zunehmend Suppengrundstoffe für die häusliche Zubereitung vertrieb.248 Der expandierende Markt einfacher Suppenmehle aus getrockneten Grünkern, Erbsen, Bohnen, Linsen und Tapioka führte zu wachsender Eigenproduktion. Die billigen Eiweißträger mussten lediglich mit Wasser oder Fleischbrühe verrührt und dann gekocht werden. Der Geschmack ließ jedoch zu wünschen übrig und musste in den Haushalten nachgebessert werden. Erst zwischen 1873 und 1875 ging Knorr dazu über, Gewürze und Gemüse zuzumischen.249 Gleichwohl blieb der Absatz gering, die niedrige zweistellige Zahl der Beschäftigten arbeitete für einen engen regionalen Markt. In der Folgezeit erhöhte man die Zahl der Produkte allerdings beträchtlich, 1884 waren es über einhundert Mehle und Kombinationsprodukte. Vertiefung und Verbreiterung der Produktionspalette liefen parallel. Eine Massenproduktion begann bei Knorr jedoch erst mit der Herstellung von Suppentafeln, also in Form gepresster Fleischbrühmehle, sowie der 1889 einsetzenden Erbswurstproduktion. In den 1870er und frühen 1880er Jahren gab es im Deutschen Reich ein knappes Dutzend einschlägiger Anbieter von Suppenmehlen, deren Bedeutung für die Alltagskost allerdings gering war.250 Entsprechend relativiert sich die in der Forschung so hervorgehobene Bedeutung der 1882 gehaltenen Rede des Schweizer Arztes und Fabrikinspektors Fridolin Schuler »Ueber die Ernährung der Fabrikbevölkerung und ihre Män-

247 Vgl. die einschlägigen Anzeigen für Baron Liebig’s Malto-Leguminosen-Chocoladen in BKW 17, 1880, n. 396 bzw. Aerztliches Intelligenz-Blatt 27, 1880, 464. Die von der Stuttgarter Firma Starker & Pobuda produzierten, mindestens 4 M/kg teuren Markenartikel wurden in Form von Tafeln, Pastillen und Pulver über Apotheken, Konditoreien sowie den Kolonialwarenhandel abgesetzt. 248 Details enthalten Frei, Alfred G. (Hg.): Habermus und Suppenwürze. Singens Weg vom Bauerndorf zur Industriestadt, Konstanz 1987 und insbesondere Knorr, Alexander: Knorr Chronik 1838–1959, Bd. 1: 1838–1938, Hamburg o. J. (1959) sowie die im Kapitel 3.2 ange­ gebenen Arbeiten. 249 Teuteberg u. a., 1989, 59. 250 Vgl. die Zusammenstellung der Konkurrenten der Firma R. Scheller aus dem Jahre 1882 in Leonhard, 1995, 93–100.

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gel«.251 Sie bildete nicht den Startpunkt einer neuen Industriebranche, sondern ist ein erstrangiges Zeugnis für eine anvisierte »Verwissenschaftlichung der Alltagspraxis«252. Ausgangspunkt seiner Analyse der Alltagskost war eine als grundstürzend wahrgenommene Umgestaltung der täglichen Kost, die zu Vertrauensverlusten geführt habe. Die damalige Situation unterschied sich von heute lediglich auf Ebene der Produkte, nicht aber in struktureller und konzeptioneller Hinsicht. Die Ordnungsaufgabe wissenschaftlichen Wissens war unverzichtbar.253 Schuler kombinierte Kontextwissen mit genauen Beobachtungen der Fährnisse von Arbeiterexistenz und -ernährung. Das enge, durch die Arbeitsordnungen der Fabriken vorgegebene Zeitregime, die Arbeit der Frauen sowie mangelhafte, insbesondere dem neuen Lebensumfeld nicht angepasste haushälterische Kompetenz erforderten gezielte Aus- und Fortbildung, etwa in Haushaltsschulen, vornehmlich aber indirekte Hilfestellungen der gebildeten Stände. Die Arbeiter sollten mit dem objektivierten Wissen der Ernährungswissenschaft vertraut gemacht, ihnen zugleich Nahrungsmittel empfohlen werden. Dabei zielte Schuler keineswegs primär auf Leguminosen, sondern auf Fleisch, Molkereiprodukte, Fett und besseres Brot.254 Hülsenfrüchte wurden in Anlehnung an die Ergebnisse der Münchener Schule, insbesondere Voits, zwar als »Nahrungsmittel von hervorragendem Werthe«255 empfohlen, doch erst ab 1883 standen sie kurzfristig im Mittelpunkt ändernden Bemühens.256 Schulers Rede steht paradigmatisch für viele andere, die auf Basis des Stoffparadigmas der Verdrängung subjektiven durch objektiviertes Wissen das Wort redeten – und dabei die »früher« bedeutendere Stellung der Leguminosen als Argument nutzten.257 Erziehung und Ordnung bildeten Leitwerte für eine Optimierung des individuellen Stoffwechsels und des gesellschaftlichen Volks­ körpers. Träume preiswerter fleischlicher Nähr- und Eiweißträger waren zu 251 Zu Person und historischem Kontext vgl. Tanner, 1997a. Als Beispiel für den Kurzschluss Schuler  – Maggi  – Nährmittelindustrie s. Seidel, Brigitta: MarkenWaren. Maggi, Odol, Persil & Co. erobern den ländlichen Haushalt, Husum 2002, 50. 252 Wolfensberger, Rolf: Hülsenfrüchte, Physiologie und Sozialpolitik. Zur Rolle der Schweizer Ärzte bei der Popularisierung der experimentellen Physiologie, in: Siegenthaler, Hansjörg (Hg.): Wissenschaft und Wohlfahrt. […], Zürich 1997, 59–75 (= 1997a), hier 69. 253 Schuler, [Fridolin]: Sociale Aufgabe der Lebensmittelchemie, Correspondenz-Blatt für Schweizer Aerzte 15, 1885, 567–571, hier 567. 254 Schuler, [Fridolin]: Ueber die Ernährung der Fabrikbevölkerung und ihre Mängel, Zürich 1883, 11–12. 255 Schuler, 1883, 43. 256 Vgl. Die Leguminosen als Volksnahrung, Correspondenz-Blatt für Schweizer Aerzte 15, 1885, 275–276 (inkl. des Vertrags zwischen Maggi und der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft). 257 Vgl. etwa Schönborn, Th[eodor]: Die ökonomisch-sozialpolitische Seite der Ernährungsfrage, Vierteljahresschrift für Volkswirthschaft, Politik und Kulturgeschichte 21, 1883, 205–217.

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dieser Zeit angesichts des bedingten Scheiterns des Fleischextraktes oder auch diverser Fleischkonserven als Volks- und Militärnahrungsmittel zerstoben, während Präparate auf vegetabiler Grundlage, wie die Erbswurst, lediglich an Geschmack, Haltbarkeit und immer noch zu hohen Preisen zu kranken schienen. Entscheidend für die Wirkungsmächtigkeit von Schulers Rede war, dass die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft sie veröffentlichte, zugleich aber Fabrikanten einwarb, die einzelne Vorschläge umsetzen sollten. Der Müller J­ ulius Maggi begann in Kooperation mit der Gesellschaft ab 1883 mit intensiven Versuchen an Leguminosenmehlen.258 Maggi war seit 1872 Gesellschafter der neu gegründeten Kollektivgesellschaft J. Maggi & Co., die in Kemptthal eine Müllerei betrieb und mit Mehl handelte. Das Unternehmen florierte und expandierte.259 Doch Anfang der 1880er Jahre führten technische Innovationen, insbesondere die Einführung des Walzensystems und die Konkurrenz aus den USA bzw. Russland zu einer veritablen Müllereikrise. Als Müller wusste Maggi um die umformende Qualität der Nahrungsaufschließung, hatte praktische Kompetenz im Umgang mit Mehlen unterschiedlicher Qualität. Als Unternehmer antizipierte er zugleich die mit dem neuen Produkt verbundenen Marktchancen, schien Diversifizierung doch eine sinnvolle Strategie, um die Firma durch die Krise zu führen. Maggis Leistung bestand erst einmal in der prozesstechnischen Verbesserung der Leguminosenmehlproduktion. Die Rohware wurde gründlich gereinigt und dann in einer neu konstruierten Pfanne geröstet. Dadurch konnte nicht allein ihre Mahlfähigkeit erhöht, sondern Stärke in besser verdauliches Dextrin und Zucker überführt werden. Dank der Vorverarbeitung hielten sich die unter Zusatz von Getreide geröstet vermahlenen Leguminosen länger, und die nötige Kochzeit verkürzte sich auf höchstens eine halbe Stunde – Konkurrenzprodukte erforderten mindestens 45 Minuten, während bei häuslicher Zubereitung die getrockneten Hülsenfrüchte zumindest über Nacht gewässert werden mussten. Das Maggische Verfahren bildete keinen einsamen Geniestreich, sondern war Resultat zweijährigen reflektierten Probierens und Testens. Dabei bediente sich der Kemptthaler Unternehmer der Expertise von Agrarwissenschaftlern, Chemikern und Physiologen. Rohware und Produkte wurden chemisch ana­ lysiert, die Veränderungen im Prozess begutachtet. Kleinteilige Verbesserungen 258 Schmid, Susanne B.: Julius Maggi. Singens würziger Weg zur Industriestadt, in: Frei (Hg.), 1987, 111–143, 258, v. a. 112–118; Vinçon, Hartmut: Das Unternehmen Maggi, in: Ders. (Hg.): Frank Wedekinds Maggi-Zeit. Reklamen/Reisebericht/Briefe, Darmstadt 1995, 177–246; Schärer, Martin R.: Ernährungsanalyse, Lebensmittelindustrie und Produktinnovation: Der Fall der Leguminosenmehle, Lebensmittel-Technologie 29, 1996, 591–601; Wolfensberger, 1997a; Ders.: Die Normierung des Stoffwechsels, in: Mesmer, Beatrix (Hg.). Die Verwissenschaftlichung des Alltags. […], Zürich 1997, 133–176, 266–277 (= 1997b), v. a. ­163–168; Tanner, 1999, 106–107. 259 Daten aus der Entwicklung der Maggi-Unternehmung, o. O. o. J. (1983).

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Abb. 10: Pionierprodukt in der Originalpackung: Leguminose Maggi von 1884

griffen auf allen Ebenen der Produktion. Angesichts der Zielgruppe Arbeiterschaft testete man die Mehle parallel in der Gemeinschaftsverpflegung und führte zudem regelmäßige Geschmackstests durch. Das Ergebnis waren 1884 neun verschiedene Leguminosenmischungen, die als Herstellermarke angeboten wurden und noch mit Buchstabenkombinationen bezeichnet waren. Die Verpackung bestand aus einfachem Papier, fettere Sorten waren innen mit Pergamentpapier ausgekleidet. Niedrige Preise zeichneten die Mehle aus, die auch für Arbeiter erschwinglich waren. Mit 0,90 Franken pro Kilogramm lagen sie mehr als ein Fünftel unter dem der »allbekannten«260 Leguminose Hartenstein bzw. um ein Drittel unter der Leguminose Knorr und hoben sich von den in gleicher Preisklasse angebotenen »Sparsuppenmehlen« durch die bessere Aufschließung des Eiweißes hervor. Die Werbung erfolgte mit Hilfe der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, die zugleich für Seriosität und Qualität bürgte. Der Vertrieb lief teils über die Mit 260 Von der internationalen Ausstellung für Volksernährung und Kochkunst, Leipzig, Industrielle Rundschau 1, 1887, passim, hier 62.

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glieder der Gesellschaft, Lehrer und Pfarrer verkauften die Leguminosenmehle teils direkt. Wichtiger, insbesondere in den urbanen Konsumzentren, waren die Kleinhändler, deren Gewinnmargen mit 10–12,5 % allerdings relativ niedrig lagen. Parallel setzte man Degustationen ein, ließ also die Kunden das Neue schmecken.261 Systematisch wandte man sich ferner an die zunehmend gegründeten Haushaltsschulen, zielte also auf die angeleitete Kochpraxis der angehenden Hausfrauen.262 Das Ergebnis all dieser Bemühungen blieb aber hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück: 1885 wurden 212 t Maggi-Mehl abgesetzt, im Folgejahr nur noch 110 t, 1887 133 t und 1889 470 t. Dies bedeutete 13 g pro Schweizer und Jahr, also etwa einen Teller Leguminosensuppe. Schlimmer noch war, dass die Kunden vornehmlich aus dem Kleinbürgertum kamen. Das Projekt einer wissensbasierten Umgestaltung der Arbeiterkost war gescheitert – trotz guter Argumente und eines vorteilhaften und preiswerten Produktes. Gründe lassen sich viele anführen: Das unausgebildete Absatzsystem und die mangelnde Anreizstruktur der Einzelhändler bildeten Schwachstellen. Leguminosensuppen galten in dieser Nicht-Eintopf-Region zudem nicht als Alltagskost. Der Geschmack einer ohne Zusatz reizarmen Mehlmasse war daher doppelt gewöhnungsbedürftig. Während Eintopf in der häuslichen Praxis seinen Geschmack durch Gewürze, Speck, Würste und anderes erhielt, suggerierten die Suppenmehle ein als solches fertiges Produkt, das aber in der angebotenen Form mit vielem brach, was üblich war. Die wissenschaftliche Expertise zielte auf die Zufuhr von Stoffen, nicht aber auf das umfassende Geschmackserlebnis, das auch in einer einfachen Mahlzeit steckte bzw. – aus Sicht der Arbeiter – stecken sollte. Dekonstruktion bestehender Mahlzeitenstrukturen und deren rationaler Ersatz durch Neukombination von zum Teil optimierten Einzelkomponenten; das widersprach der kargen Praxis subjektiven Wissens. Diese Wissensdifferenz wurde durch die wohlmeinenden bürgerlichen Herren auf die Stumpfheit und mangelnde Bildung der Zielobjekte zurückgeführt, nicht aber auf deren eigensinnigen Umgang mit knappen Ressourcen und anders ausgerichteten Lebensprioritäten. Die Leguminosenmehle waren demnach nicht mehr »als eine Episode der Pionierzeit«263 der Nährmittelindustrie.

261 Die Durchschlagskraft war allerdings begrenzt, da ein Netzwerk von mit TaschenKochapparaten und zumeist sechs Dutzend Suppentassen bewehrten Reisenden erst aufgebaut wurde. Diese waren Absatzmultiplikatoren: »Erst wenn der Wiederverkäufer von der Vorzüglichkeit und Zweckmäßigkeit unserer Erzeugnisse praktisch überzeugt ist, wird er ein richtiger Apostel des Maggi-Evangeliums werden.« (Direktionsschreiben von Maggi, zit. n. Vinçon (Hg.), 1995, 162). 262 Wolfensberger, 1997b, 166–167. 263 Heller, Andreas: Alchimie im Suppentopf. Die Revolutionierung der Küche durch die Nahrungsmittelindustrie – am Beispiel Nestlé, NZZ -Folio 1993, Nr. 2, 6–14, hier 10.

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Maggi selbst zog aus dem bedingten Scheitern allerdings richtige und zukunftsweisende Schlüsse. Er setzte die Produkttests fort, nutzte dazu auch die Expertise des Hygienischen Instituts in München.264 Und er versuchte, wie schon Knorr und andere Produzenten, den geschmacksarmen Leguminosenmehlen Gewürze und andere Zutaten zuzusetzen. Paradoxerweise war das Resultat erst einmal ein weiteres eindimensionales Produkt, nämlich eine Würze.

3.3.3 Konzentrierter Geschmack. Würzen für den Massenmarkt Angesichts der zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung und ihrer »Ver­ wohlfeilung«265, also langsam sinkender Preise, nahm der Konsum von Importgewürzen im Kaiserreich relativ stetig zu. Von 1880 stieg der Prokopfkonsum von Pfeffer von jährlich 50 auf ca. 75 g 1913, Piment und Zimt stagnierten bei je etwa 20 gr. Moderates Wachstum findet man bei Muskatnuss (von ca. 6 auf ca. 8 g) und bei Kardamom (von 0,8 auf ca. 1 g), während Nelken (von ca. 6 auf 15 g) und insbesondere Vanille (von 0,3 auf ca. 1,5 g) deutliche steigende Konsummengen aufwiesen, insgesamt aber unbedeutend blieben.266 Wesentlich wichtiger war der statistisch vor 1914 nicht erfasste einheimische Gewürzanbau, der sich im Harz-Vorland, Mittel-Thüringen und Franken konzentrierte. Häusliche Gärten werden mengenmäßig wahrscheinlich noch größere Erträge gehabt haben.267 Noch stärker wuchs der Markt für gewerblich hergestellte Gewürzmischungen. Auch wenn Senf vielfach noch häuslich aus Senfsamen, Essig und Gewürzen zubereitet wurde, nahm vorfabrizierter Senf zuerst im Restaurant- und Gaststättenwesen, nach der Etablierung von Zinntuben nach 1900 auch im häuslichen Bereich schnell an Bedeutung zu.268 Wichtiger war Essig, der im Haushalt nicht nur zum Würzen, sondern auch zum Konservieren diente. Die Herstellung von »natürlichem« Essig auf Basis der Fermentation etwa von Wein oder Äpfeln wurde schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch »künstliche« Schnellessigverfahren ergänzt. Die biologisch-chemischen Abläufe wurden erst Ende der 1860er Jahre von Louis Pasteur geklärt. Seitdem optimierte 264 Ausstellung, 1887, 63. Die dortigen Resorptionsversuche wurden durch Karl Bernhard Lehmann unter Anleitung von Voit und Pettenkofer durchgeführt. 265 Franke, Erwin: Kakao, Tee und Gewürze, Wien/Leipzig 1914, 198. 266 Angaben auf Basis der Auswertungen von Wieneck, Bettina: Das Würzen in Deutschland im Spiegel regionaler und schichtenspezifischer Kochbücher 1850–1930, Mag.-Arbeit Münster 1994 (Ms.), 37–46. 267 Vgl. Seitz, Paul: Der Gemüse- und Kräuteranbau und die Speisepilzerzeugung seit dem 18. Jahrhundert, in: Franz, Günther (Hg.): Geschichte des deutschen Gartenbaues, Stuttgart 1984, 365–454. 268 Einiges über den Senf, DNR 4, 1906, 124–126.

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und mechanisierte man die nicht nur für den Haushalt, sondern insbesondere für die Textil-, Farb- und Photographie-Industrie wichtige Produktion von Essigsäure.269 Speiseessig wurde über den Essigsäuregehalt definiert, das Stoffparadigma auch hier schnell zur Leitidee. Die schwierige, vom Konzentrationsgrad abhängige Grenzziehung zwischen Chemikalie und Würze führte jedoch zu zahlreichen Todesfällen mit Essigessenz, die teils in den Haushalten unzureichend verdünnt wurde, teils qualvolle Selbstmorde ermöglichte. Essig war Gegenstand sowohl wissenschaftlicher Erörterung als auch öffentlicher Sensationsgier.270 Strikte Kennzeichnungspflichten waren die Folge, 1909 wurde gar ein Verbot breit diskutiert.271 Dies unterblieb, doch die öffentliche Skepsis gegenüber dem billigeren künstlichen »Holzessig« blieb vor dem Ersten Weltkrieg beträchtlich, wovon der »natürliche« Gärungsessig profitierte. Auch die Ernährungsphysiologie reagierte auf die wachsende Marktbedeutung von Gewürzen und Gewürzzubereitungen. Die lang zurückreichenden Lehren und Ratschläge der Diätetik wurden auf Basis der Stoffwechselphysiologie überprüft und teils neu geordnet. Würzen bzw. aromatische Substanzen galten als »Luxusgegenstände«272 ohne Nährwert, die als Anregungsmittel allerdings eine wichtige Funktion erfüllten. Gerade Mediziner spekulierten über unbekannte positive Wirkungen der Würzstoffe auf den Organismus, insbesondere auf schwer quantifizierbare Faktoren wie Wohlbefinden und Appetit.273 In der rationalen Ökonomik der Ernährung fungierten Würzen als Genussmittel, die wie Katalysatoren die Resorption und damit die körperliche Gesundheit steigern konnten, auch wenn vor Übermaß oder einseitiger Sinnesreizung stets gewarnt wurde.274 Im Rahmen der Entwicklung künstlicher Kost nahmen die Gewürzextrakte eine wichtige Brückenfunktion ein. Sie kamen in den 1870er Jahren auf und sollten – wie die Gewürzzubereitungen – vornehmlich die häusliche Praxis ver­ einfachen.275 Die Arbeit mit den im bürgerlichen Haushalt üblichen Gewürzreiben und -mörsern wurde von gewerblichen Anbietern übernommen, die standardisierte Qualitäten anboten und gegen die vielfach vorkommenden Ver 269 Detailliert hierzu Heinzelmann, R.: Die Erfindungen auf dem Gebiet der Essigfabrikation, Die deutsche Essigindustrie 18, 1914, passim. 270 Vgl. etwa Brandt: Ein Todesfall in Folge Vergiftung mit Essigessenz, Aerztliche Sachverständigen-Zeitung 8, 1902, 272–273; Bleibtreu, Leopold: Ueber die Gefahren der Verwendung von sogenannter Essigessenz (80proz. Holzessigsäure), MMW 55, 1908, 1987–1988; Selbstmordversuch durch Essigessenz, Die deutsche Essigindustrie 18, 1914, 61–62. 271 Verkehr mit Essigsäure. Deutsches Reich. Verordnung vom 14. Juli 1908, ZÖC 14, 1908, 280–281; Witte: Essig und Kunstessig, ZÖC 15, 1909, 181–187. 272 Liebreich, 1904, 66. 273 Sternberg, Wilhelm: Die Schmackhaftigkeit und der Appetit, Zeitschrift für Sinnesphysiologie 43, 1909, 224–239, v. a. 224–225. 274 Beerwald, 1901, 455. 275 Vgl. Wieneck, 1994, 51.

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fälschungen von Gewürzen mit Echtheitsgarantien argumentierten.276 Die Gewürzextrakte wurden aus natürlicher Rohware gewonnen, die teils mehrere Wochen in einer Extraktionsflüssigkeit aus Spiritus und Wasser lagen. Diesen Sud filterte man und füllte den Extrakt schließlich in Fläschchen. Durch Rekombination dieser Substanzen konnten zahlreiche neue Würzen gewonnen werden, die von den in Deutschland – im Vergleich etwa zu Großbritannien – relativ unbedeutenden Soßenherstellern genutzt wurden.277 Im Deutschen Reich war die 1872 vom Chemiker Carl Louis Naumann gegründete Fabrik für Gewürzsalze und Extrakte in Plauen Pionierunternehmen und Marktführer. Dr. Naumanns »conservirte Gewürze« wurden maschinell extrahiert. Extraktionsmittel dienten zur Lösung der aromatischen Stoffe, Über- und Unterdruck halfen bei der Gewinnung von Produkten, denen »die ganze Frische des Rohmaterials«278 innewohnen sollte. Die Werbung richtete sich einerseits an Institutionen der Gemeinschaftsverpflegung, zielte anderseits auf den bürgerlichen Haushalt. Dabei verfolgte man ein klares Nutzen­ kalkül, bei dem die Bequemlichkeit besonders betont wurde. Dieses Convenienceprofil erstreckte sich über ein breites Angebot. Schon Mitte der 1870er Jahre bot die Firma mehr als einhundert in kleine Glasfläschchen abgepackte »conservirte Gewürze« an, die sich je zur Hälfte in Gewürzextrakte und Gewürzextraktmischungen aufspalteten.279 Erstere umfassten neben heimischen und Importgewürzen auch konzentrierte Fruchtessenzen, etwa von Ananas, Beerenobst, Orangen, Pfirsichen und Quitten. Fisch- und Fleischgewürzmischungen standen neben Gewürzkompositionen zum Kochen und Backen sowie für Getränke. Noch stärker anwendungsorientiert waren die Gewürzsalze, bei denen Gewürze mit getrockneten Zwiebeln oder Wurzelgemüse gemischt wurde.280 Die Gewürzextrakte konnten einzeln, in Holzkästen oder Gewürzschränken gekauft werden. Sie wurden mit einer Gebrauchsanweisung versehen, ferner mit einem Messapparat angeboten, um das »geeignete Quantum«281 abzuwiegen. Naumann schuf ein Paralleluniversum des Geschmacks, das über das in Mitteldeutschland weit verbreitete Kochbuch von Emma Allestein gezielt vermarktet wurde.282 276 Vgl. etwa Hosaeus, A.: Zur Verfälschung der Lebensmittel, Die Gegenwart 11, 1877, 377–378; Hilger, A[lbert]: Verfälschung der Nahrungs- und Genussmittel, in: Handbuch der Hygiene und der Gewerbekrankheiten, Th. 1, Abth. 1, Leipzig 1882, 237–308. 277 Franke, 1914, v. a. 284; Evers, F[erdinand]: Der praktische Nahrungs- und Genuß­ mittel-Fabrikant, Bd. II, 5. verm. u. verb. Aufl., Lübeck 1922. 278 Gewürzsalze, 1877, 20. 279 Naumann, L[ouis]: Systematik der Kochkunst, Dresden 1886, 532–533. Vgl. auch die Preisliste von 1892 bei Leonhard, 1995, Beil. 280 Naumann, 1886, 534. 281 Ausstellung, 1887, 89. 282 Vgl. Wieneck, 1994, 52. Naumanns Gewürzextrakte wurden von Allestein als mögliche Alternative zu allen »natürlichen« Gewürzen propagiert.

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Abb. 11: Würzen für die experimentierende Hausfrau. Karikatur 1887

Diese Angebotspalette veränderte sich später kaum noch.283 Stattdessen diversifizierte das Unternehmen seit 1879 in die Produktion von Suppenmehlen und verzehrsfertigen Fleischkonserven, sog. haltbaren Speisen.284 Glaubt man Firmen-PR und auch wissenschaftlichen Veröffentlichungen, wurde dieser Markt Ende der 1880er Jahre durch einen Pionierunternehmer grundlegend neu gestaltet, nämlich Julius Maggi. Diese Vorstellung eines schöpferischen Erfinder-Unternehmers hat einen wahren Kern: Nach den langwierigen Versuchen mit seinen Leguminosenmehlen und vor dem Hintergrund der 283 Vgl. das fast analoge Angebot in Naumann, L[ouis]: Systematik der Kochkunst, 3. Aufl. Dresden 1900, 525. 284 Vgl. Leonhard, 1995, 99.

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schwierigen Lage der Müllerei richtete Maggi sein Unternehmen neu aus. Er verkaufte das Mühlengeschäft und konzentrierte sich auf die »Konservenfabrikation«. Maggi verblieb in Kemptthal und richtete die 1886 in die KG Julius Maggi & Co. umgewandelte Firma auf »Fabrikation und Handel von Volksnahrungsmitteln, Spezialitäten und medizinischen Produkten« aus.285 Dieses institutionelle Neuarrangement ging einher mit intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit, die seinerzeit jedoch als kostenträchtiges »Pröbeln« bzw. »Experimentiersucht« gedeutet wurde.286 Das Ergebnis war eine beträchtliche Ausweitung der Angebotspalette. Die Zahl der Suppenmehle stieg bis 1889 auf 23. Handelte es sich hierbei um ein Neuarrangement bereits bestehender Produkte, war auch die später scheinbar einzig dastehende MaggiWürze Resultat des Weges auf schon beschrittenen Wegen. Maggi zielte auf die Geschmacksverbesserung seiner Suppen und experimentierte deshalb mit Gewürzen verschiedener Provenienz. Fleischextrakt war für ihn sowohl Suppen­ grundstoff als auch Würze. Ab 1887 bot er daher einen Bouillonextrakt als salzlose Essenz Schweizer Rinder und zugleich unter dem gleichen Begriff drei verschiedene Geschmacksrichtungen an.287 Von seinem Kräuterextrakt hieß es, er besäße »das Aroma der feinsten Suppenkräuter und qualificirt sich infolgedessen besonders zur Würzung von Suppen.«288 Maggi beobachtete sehr genau den Markt, auf dem etwa Rudolf Scheller seit 1884 eine SuppenkräuterEssenz anbot, die aus den aromatischen Bestandteilen »des Sellerie, der Rübe, des Lauchs überhaupt derjenigen Suppengemüse, welche allgemein als Würze der Fleischsuppe benutzt werden«289, komponiert war. Maggi orderte die 1885 nochmals verbesserten Schellerschen Produkte Anfang 1886.290 Auch hier erscheint der Schweizer Unternehmer nicht als Erfinder, vielmehr lehnten sich seine Produkte durchweg an bestehende Angebote an, während er sich um kleinteilige Verbesserungen und Substitutionen bemühte.

285 Daten aus der Entwicklung der Maggi-Unternehmung, o. O. o. J. (1983). 286 Treichler, Hans Peter: Die stillen Revolutionen. Arbeitswelt und Häuslichkeit im Umbruch (1880–1900), Zürich 1992, 98–99. 287 In der Denkschrift der Firma Julius Maggi & Co. für den VI. internationalen Congress für Hygiene und Demographie in Wien September 1887, BA R86 Nr. 3442, lautete die Überschrift des ersten Kapitels »Fleisch-Extracte als Würzen«. Die ebenfalls angepriesenen Leguminosenmehle traten hier schon zurück. In der Denkschrift der Firma Julius Maggi & Co. für den X. internationalen medicinischen Congress in Berlin August 1890, BA R86 Nr. 3442 wurde die Würze immer noch als Fleischextrakt präsentiert, während die Leguminosenmehle, anders als die parallel ebenfalls hergestellte Pepton-Nahrung, nur kurz erwähnt wurden. 288 Ausstellung, 1887, 80. Vgl. auch die Werbung b. Schmid, 1987, 128. 289 Werbeschreiben von Mitte 1883, zit. n. Leonhard, 1995, 110. 290 Vgl. Schreiben v. R. Scheller an Fa. Maggi & Co v. 22.02.1886, 06.03.1886 und 24.03.1886, in: Leonhard, 1995, 129–130.

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Bei den zeitgenössisch durchgeführten chemischen Untersuchungen fiel das Präparat als Fleischextrakt erst einmal durch. Mangels Konkurrenzfähigkeit im eigentlichen Einsatzfeld der Suppenpräparate fokussierte Maggi sich auf die­ Nische eines Spezialproduktes: »Dieser Extract soll in erster Linie zum Würzen von Suppen, Ragoûts, Braten, Eierspeisen, sowie von Saucen und Salaten etc. benutzt werden.«291 Dergestalt positioniert und bald als »Maggi-Würze« bezeichnet, stieg der Absatz langsam an. Die Kosten für die Produktentwicklung, das wachsende Vertriebsnetz, die internationalen Niederlassungen und erste Lohnfertigungen im Ausland, ab 1887 im württembergischen Singen, ließen den Kapitalbedarf aber weit stärker steigen, sodass das Gründungskapital der seit 1890 bestehenden Aktiengesellschaft ein Jahr später schon zur Hälfte verbraucht war. Erst 1892 verbesserte sich die Lage, als der Umsatz die Eine-Million-FrankenGrenze überschritt und erstmals ein Gewinn in Höhe von knapp 50.000 Franken erzielt werden konnte.292 Mit der Etablierung einer Schutzmarke 1894, kontinuierlichen Investitionen in den Maschinenpark sowie der systematischen Internationalisierung des Unternehmens begann ein fulminantes Wachstum. »Maggi-Würze« war dabei sowohl Imageträger als auch Cash-Cow, während das Unternehmen parallel vor allem im Suppenmarkt expandierte. Technologisch bewegte sich Maggi auf Wegen, die von der chemischen Grundlagenforschung schon früh beschritten worden waren. Schon 1831 vermerkte der schwedische Chemiker Jöns Jakob Berzelius fleischbrühähnliche Gerüche nach der Neutralisierung von hydrolysiertem Fleischeiweiß. Maggi und seine praxisorientierten Vorläufer nutzen allerdings preiswerteres pflanzliches Eiweiß. Die chemische Aufklärung dieses Prozesses gelang erst Emil Fischer im Rahmen seiner Aminosäurenversuche (Kap. 2.2.1). Sie erlaubten nach einer fast 15 Jahre währenden Quasi-Monopol-Stellung der Maggi-Würze auch eine Reihe von preiswerteren Nachahmerprodukten, die auf der Hydrolyse erst von Kasein, dann auch von Weizenkleber und Bierhefe beruhten.293 Die Marktposition gründete allerdings auch auf vertraglichen Absprachen der führenden Anbieter, in denen Maggi 1893 die alleinige Verwendung des Begriffs »Suppenwürze« zugebilligt wurde, nachdem Carl Knorr der Betriebsspionage beim Wettbewerber überführt worden war.294 Das Herstellungsverfahren war patentrechtlich allerdings nicht abgesichert, blieb vielmehr ein Fabrikationsgeheimnis.295 Entsprechend ist es auch nicht klar, inwieweit bzw. in welchem Umfang Veränderungen an der Rezeptur der Würze vorgenommen wurden. Wichtig war jedenfalls, dass sie durch die Nutzung pflanzlicher Rohwaren zu einem 291 Suppen- und Speisewürze. Bouillon Maggi, Werbevorlage Mitte der 1880er Jahre, zit. n. Vinçon (Hg.), 1995, 136. 292 Treichler, 1992, 101. 293 Daneben wären Firmen wie Wend oder Maether zu nennen. 294 Teuteberg u. a., 1989, 65. 295 Hildebrand, 1917, 159.

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Abb. 12: Substitution des Würzens durch die Würze. Werbeanzeige 1902

Preis angeboten werden konnte, »der ihr selbst in die ärmste Hütte Eingang verschaffte«296. Der immense Erfolg der Maggi-Würze wurde seinerzeit unterschiedlich bewertet. Der Markenartikel entwickelte sich durch die erst Mitte der 1890er Jahre einheitliche Fläschchenverpackung – zuvor gab es sechs verschiedene Formen – und die rotgelbe Farbe zu einem Referenzprodukt, das für Würze an sich stand. Der »künstliche« Charakter ging langsam verloren, Maggi-Würze erschien zunehmend als bequeme Verarbeitung »natürlicher« Gewürze, was insbesondere durch den werbeträchtigen Bezug auf das vermeintliche »Maggigewürz« Liebstöckel symbolisiert wurde.297 Doch ihre soziale Positionierung sowohl im Bürgertum als auch in der Arbeiterschaft führte zu Rückfragen der Verfechter häuslicher Kochfertigkeiten. Der Berliner Arzt und Publizist Wilhelm Sternberg verwies auf den mit der Verwendung der neuen industriellen Würze einhergehenden Verlust sensorischer Differenzierungsfähigkeit bzw. haushälterischer

296 Beerwald, 1903, 232. 297 Vgl. Kemptthal einst und heute, Kochkunst 7, 1905, 126–128.

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Abb. 13: Konkurrenz für den Marktführer. Werbung für Knorr-Sos 1909

Kompetenz. Schon früh wurde die geschmackliche Prägung durch künstliche Aromen thematisiert, zumindest aber damit einhergehende Lern- und Handlungsroutinen benannt.298 Auf der anderen Seite wurde Maggi-Würze regelmäßig in der Diätetik eingesetzt. Der milde Gewürzextrakt reizte nicht besonders, steigerte jedoch den Appetit.299 Auswirkungen auf den Stoffwechsel und den Blutdruck wurden physiologisch exakt untersucht, was sein Renommee als Tonikum des Tisches nochmals steigerte.300 Seit Mitte der 1900er Jahre entstanden zunehmend Konkurrenzprodukte, die nochmals preiswerter waren, da sie zumeist auf Basis von Abfallprodukten der Getreide-, Milch- und Bierherstellung hergestellt wurden.301 Diese Würzen dienten erst einmal als Zwischenprodukte, insbesondere für die schnell wachsende Nährmittelindustrie. Der Endkundenmarkt wurde erst 1908 neu gestaltet, als die Würze »Knorr-Sos« mit einem Werbeaufwand von 100.000 M eingeführt wurde. Auch wenn Maggi-Würze mit weitem Abstand Marktführer blieb, bemühte man sich zuerst um Absprachen, die 1911 allerdings scheiterten. Daraufhin begann Maggi systematisch Knorr-Aktien aufzukaufen, ohne allerdings durch das Investment von 1,3 Mio. Franken wirklichen Einfluss auf die Geschäftspolitik des Heilbronner Unternehmens nehmen zu können.302

298 Gleichwohl wurde Maggi auch und gerade in der damaligen Restaurationsküche genutzt. Vgl. Widmer, J.: Der Eindringling, Kochkunst 7, 1905, 45–48. 299 Liebreich, 1904, 68. 300 Vgl. Ein Gutachten über die Maggiwürze, Kochkunst 6, 1904, 127. 301 Graff, 1904, 392. Zu einzelnen Produkten s. Serger, 1914, 382 bzw. den Überblick bei Scherer, 1919, 443–452. 302 Teuteberg u. a., 1989, 70–71.

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Der intensivierte Wettbewerb der Markenwürzen mündete zugleich in wichtige Regelungen des Markenrechtes und der Produktgarantie.303 Schon im Kampf mit den Regionalanbietern kam es immer wieder vor, dass die in den Geschäften vielfach noch »offen« aus 1-Liter-Behältern in Originalflaschen abgefüllte Maggi-Würze durch preiswerte Produkte ersetzt wurde.304 Mit KnorrSos verschärfte sich dieses Problem.305 Künstliche Würzen bedurften konkreter Kennzeichnungen oder aber Kontrollinstanzen mit Sanktionsgewalt, um Unterschiebungen zu verhindern. 1909 wurden die Rechte von Markenartikelanbietern nicht nur an ihren Verpackungen, sondern auch an deren Inhalt verbindlich garantiert.306 Damit geriet der marktregulierende Staat als vermeintliche Partei über den Parteien stärker in die Pflicht. Was dies bedeuten konnte, hatten Anbieter synthetischer »Würzen« schon erfahren können. Saccharin, ein Derivat der Benzoesäure mit hoher Süßkraft, wurde 1878 von dem Chemiker Constantin Fahlberg entdeckt, 1879 beschrieben und seit 1884 hergestellt.307 Im selben Jahr synthetisierte Joseph Berlinerblau den Süßstoff Dulcin, der als Sucrol nur in geringen Mengen vertrieben wurde.308 Anders dagegen das Saccharin, dessen Produktion 1901 trotz des 1898 erfolgten Verbotes im Endverbrauchermarkt 175 t betrug, und das die Produktion von Bier, Wein, Fruchtsaft, Konserven und Likören zu dieser Zeit beträchtlich verändert hatte. Auf Druck der Zuckerlobby, aber auch aus wettbewerbsrechtlichen und gesundheitspolitischen Gründen verbot man seine Herstellung 1902; lediglich Diabetiker durften Sacharin weiter in Apotheken kaufen. Dagegen blieb »künstliche Vanille«309 erlaubt, da es kein Gewürz verdrängte, sondern neue preiswerte Geschmacksmöglichkeiten eröffnete. 1874 wurde es von den Holzmindener Chemikern Ferdinand Tiemann und Wilhelm Haarmann aus dem Rindensaft von Nadelhölzern synthetisiert, konnte sich aufgrund seines von der Vanilleschote sehr wohl abweichenden Geschmacks aber 303 Vgl. allgemein Spiekermann, 1999, 523–530. 304 Wassermann, Martin: Der Kampf um die Marke. III . Maggi G.m.b.H., Markenschutz und Wettbewerb 5, 1906, 61–63. 305 Fuld, [Ludwig]: Wettbewerbsgesetz von 1909 § 15. Einführung von »Knorr-Sos« in eine Flasche der Maggigesellschaft, wenn der dieselbe vorweisende Kunde Maggiwürze verlangt, Markenschutz und Wettbewerb 9, 1909/10, 350. 306 Beschluss d. Vereinigten Strafsenate v. 24.11.1909, in: Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. 43, Leipzig 1910, 87–121. 307 Grundlegend hierzu Merki, 1993. Zur internationalen Rezeption s. Pena, Carolyn de la: Empty Pleasures. The Story of Artificial Sweeteners from Saccharin to Splenda, Chapel Hill 2010, 13–28. 308 Strahlmann, Berend: Lebensmittelverarbeitung im 19. Jahrhundert – neue technische Verfahren und chemische Zusätze, in: Heischkel-Artelt, Edith (Hg.): Ernährung und Ernährungslehre im 19. Jahrhundert, Göttingen 1976, 198–204, hier 202. 309 Künstliche Vanille, Hannoversche Monatsschrift. »Wider die Nahrungsfälscher!« 3, 1880, 84.

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nur langsam durchsetzen.310 Abseits der Verwendung als Zwischenprodukt fand es seinen Weg in den Haushalt vornehmlich als preiswerter Vanillinzucker, der ab 1894 von der Bielefelder Firma Dr. Oetker als Kuchen- aber auch Küchengewürz populär gemacht wurde.311 Die »Kunstwürzen« verdeutlichen, dass staatliche Eingriffe zu dieser Zeit noch nicht die Regel waren. Künstliche Kost galt allen Unbehagens zum Trotz als Teil eines Fortschrittsgeschehens, das peu à peu alle Felder der Ernährung verändern und verbessern würde: »Die Chemie ist die Wissenschaft der unbegrenzten Möglichkeiten; sie kann alles, man muß ihr nur Zeit lassen.«312 Trotz bestehender Lebensmittelkontrolle und Rahmen setzender Regulierungen entwickelte sich zumindest der Suppenmarkt im Wechselspiel eines wissensbasierten technischen Fortschritts und dem Wettbewerb relativ weniger Großanbieter.

3.3.4 Der Weg zum Kunden. Produktdifferenzierung im Suppenmarkt Mit Fleischextrakt, Leguminosenmehlen und Würzen lagen Ende der 1880er Jahre die Basisinnovationen vor, mit deren Hilfe sich der Suppenmarkt in den 1890er Jahren, vor allem aber nach der Jahrhundertwende zu einem Massenmarkt entwickelte. Industriell gefertigte, wissensbasierte Nahrungsmittel, die Geschmack und Bequemlichkeit koppelten, waren Grundlagen des Erfolges. Doch nicht die Pionierprodukte trugen diese Entwicklung: Der Fleischextrakt blieb relativ teuer, während Leguminosenmehle und Würzen zwar günstig waren, die Kunden sich bei ihnen aber zugleich zwischen nährenden oder aber geschmacksintensiven Produkte entscheiden mussten. Der Markterfolg der Suppenpräparate aber setzte beides voraus, günstige Preise einerseits, Nährwert und Geschmack anderseits. Das Erfolgsrezept lag in der Rekombination von noch separierten Produkteigenschaften. Diese Marktchance nahmen seit den späten 1880er Jahren Unternehmen wahr, die Grundideen des Stoffparadigmas nutzten, zugleich aber pragmatische Kompromisse mit den Bedürfnissen eines nicht nur defizitären, nicht allein zu optimierenden Alltags schlossen. Abseits der Basisinnovationen finden wir fünf verschiedene Arten von Suppenpräparaten, die vielfach parallel angeboten wurden und die auch von den An 310 Tiemann, Ferd[inand]/Haarmann, Wilh[elm]: Ueber das Conifern und seine Umwandlung in das aromatische Princip der Vanille, Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 7, 1874, 608–623; zur Kritik am Geschmack vgl. Villaret, 1884, 14–15. Zur Unternehmensgeschichte s. Kuhse, Björn Bernhard: Wilhelm Haarmann auf den Spuren der Vanille. Forscher, Unternehmer und Pionier der Riechstoffe, Holzminden 2012, 22–30, 42–79. 311 Conrad, Hans-Gerd: Werbung und Markenartikel am Beispiel der Markenfirma Dr. Oetker von 1891 bis 1975 in Deutschland, Berlin 2002, v. a. 57. 312 Hasterlik, 1913, 332.

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bietern nicht immer begrifflich präzise auseinandergehalten wurden. Schließlich galt es auch, eingeführte und den Kunden bekannte Präparatbezeichnungen bewusst zu pflegen. Die Entwicklung ging generell von den Suppentafeln über die Bouillonkapseln, die Bouillonwürfel und die gekörnte Bouillon hin zu den Suppenwürfeln. Die Herstellung von Suppentafeln reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Es handelte sich bei ihnen um eine eingedickte und in rechteckiger Form verpackte Fleischsuppe.313 Frankreich war das Ursprungsland, nicht zuletzt, da französische Wissenschaftler im Leim, also dem gekochten und geronnenen Bindegewebe, lange Zeit die eigentliche Nähressenz des Fleisches vermuteten. Praktische Versuche ergaben das Gegenteil, und spätestens mit dem Aufkommen der Stoffwechselphysiologie wurden diese Vorstellungen widerlegt.314 Suppentafeln aus hochwertiger Rohware, insbesondere Muskelfleisch, konnten gleichwohl ihren Zweck erfüllen, auch wenn Fragen der Haltbarkeit und möglicher Verfälschun­ gen immer wieder aufkamen.315 Sie dienten als Suppenkonserve, waren leicht und schnell zuzubereiten. Gleichwohl setzten sie sich weder in der Gemeinschaftsverpflegung noch im Haushalt durch. Während des frühen Kaiserreichs gab es grundsätzlich zwei Arten der vornehmlich durch lokale Anbieter hergestellten Suppentafeln. Echte Suppen- oder Bouillontafeln aus Muskelfleisch bzw. sog. unechte Bouillontafeln aus langwierig gekochten Rinder- und Schweineknochen unterschieden sich in Farbe und Preis.316 Auch Knorr und Maggi boten Suppentafeln an, doch reduzierten beide den Fleischbrühanteil und gaben zugleich Mehle hinzu.317 Zu dieser Zeit waren sie schon Auslaufmodelle, denn 1888 führte der italienischen Unternehmer Julius Quaglio die mit Gelatine ummantelte Bouillonkapsel ein.318 Er nutzte ein Mitte des Jahrhunderts entwickeltes Verfahren, Arzneimittel mit einer Kapsel gegen Umwelteinflüsse zu schützen. Nun aber wurde sie mit Fleischextrakt oder aber gewürzter und getrockneter Fleischbrühe gefüllt. Die Suppen konnten so exakt vorportioniert werden, zudem löste sich die Verpackungsfrage auf elegante Weise. Bouillonkapseln hatten einen hohen

313 Bouillon-tafeln [sic!], in: Pierer, H[einrich] A[ugust] (Hg.): Encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, Bd. 4, Altenburg 1825, 183. 314 Vgl. hierzu umfassend Voit, Carl: Ueber die Bedeutung des Leims bei der Ernährung, Zeitschrift für Biologie 8, 1872, 397–487. 315 Fleisch, 1878, 238. 316 Hildebrand, 1917, 189. 317 Maggis Fleischbrühsuppentafeln waren 1888 in den Sorten Haferschleim, Grünkern, Geröstete Mehlsuppe mit Kümmel, Erbsen- und Linsensuppe, Reis-Julienne und GrünerbsKräutersuppe erhältlich und konnten nach einer Kochdauer von drei bis sieben Minuten verzehrt werden (Maggi’s Fleischbrüh-Suppentafeln, Industrielle Rundschau 2, 1888, 269). 318 Vgl. Quaglio’s Pepsin-Bouillon-Kapseln [Werbezettel von 1890], BA R86 Nr. 3442.

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Convenience­grad, blieben aber relativ teuer. In den frühen 1890er Jahren waren sie modisch, die größeren Anbieter führten sie durchweg.319 Bouillonwürfel bildeten die dritte Produktgeneration, die seit Mitte der 1890er Jahre angeboten wurde. Die Kernmasse der Bouillonkapseln presste man nun maschinell in Quader- oder Rollenform, und mischte dem Fleischextrakt weitere Gewürze oder Kräuter zu.320 Obwohl es sich immer noch um Fleischsuppen handelte, konnte ihr Geschmack durch die Zusätze doch systematisch variiert werden. Sie galten als »Symbol einer neuen Ära in der einfach-bürgerlichen Kochkunst«321 und vereinten Bequemlichkeit und Respektabilität, da sie preiswert an die Tradition der Fleischsuppe als »Präludium der Tischsymphonie«322 anknüpften. Einen wichtigen technologischen Fortschritt stellte viertens die gekörnte Bouillon dar, die seit 1905 verfügbar war. Sie bestand aus einer praktisch wasserfreien Kombination von Fleischextrakt und Suppengemüse. Die »bis zur Trockenheit kondensierte Fleischbrühe in Körnerform«323 vereinigte hohen Conveniencegrad und eine wesentlich erhöhte Haltbarkeit. Das von Maggi patentrechtlich geschützte Verfahren erlaubte zugleich, individuell zu dosieren. Am Ende der Entwicklung im Kaiserreich standen schließlich die Suppenwürfel. Sie schlossen, ebenso wie die Konkurrenzprodukte der Maggi-Würze, an die Fischerschen Arbeiten über Aminosäuren an (Kap. 2.2.1). Eiweiße preiswerter Herkunft wurden hydrolysiert, dann mit Fleischextrakt vermischt.324 Dadurch ließ sich der teure Fleischextraktanteil deutlich reduzieren, bei Maggi etwa von 25 auf 10 %.325 Trocknungstechnik und Hydrolyse erlaubten zugleich eine wesentlich einfachere Zumischung von pflanzlichen Komponenten. Dies war ein wesentlicher Schritt für die Verwissenschaftlichung des Produktionsprozesses selbst, denn nicht mehr handwerkliches Geschick, sondern das abstrakte Wissen des Chemikers bestimmte das Produktionsergebnis, mochte die Werbung auch anderes suggerieren.326 Er verband in einem Produkt das Prinzip der Würzenherstellung mit Fleischextrakt als Geschmackskomponente zu einem preiswerten Präparat. Mit dem Suppenwürfel, der schon vor 1914 ein

319 Maggi führte sie 1892 ein, vgl. Schmidt, 1987, 138 sowie Epplen, A.: Am Hohentwiel, Kochkunst 8, 1906, 219–223, 236–240, hier 222. 320 Scherer, 1919, 435. 321 Der Bouillonwürfel, Konsumgenossenschaftliches Volksblatt 7, 1914, 53. 322 Sernitz, Erich: Suppen als winterliches Heiz- und Nahrungsmittel, Kochkunst 5, 1903, 30–31, hier 30. 323 Fürst: Fleischbrühe in Gestalt einer trockenen Konserve, Zeitschrift für Krankenanstalten 1, 1905, Sp. 246–249, hier 247. 324 Zu Produkten und Technologie s. Hildebrand, 1917, 197–210. 325 Teuteberg u. a., 1990, 70. 326 Röttinger, August C.: Die Suppenindustrie, Wien 1949, III .

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durchschlagender Erfolg war327, erreichte künstliche Kost nicht nur einen Massenmarkt, sondern konnte auch eine zentrale Komponente der Alltagskost verbilligen, ihre Zubereitung beschleunigen und das langwierig Gekochte tendenziell ersetzen.328 Wissen schuf Märkte, Märkte diffundierten Wissen und veränderten so Handeln. Mangels detaillierter Absatz- und Konsumstatistiken ist der Marktwandel quantitativ kaum nachzuzeichnen. Bis in die 1890er Jahre blieb Liebigs Fleischextrakt die wichtigste Einzelmarke, behauptete sich sowohl gegenüber billigeren Fleischextrakten als auch Suppenpräparaten. Seitdem begann ein zweigeteilter Substitutionsprozess hin zu preisgünstigeren, nahrhaften und vegetabilischen Produkten. Liebigs Fleischextrakt verlor seine dominante Stellung im Bereich der Würzmittel an Maggi-Würze, im Felde der Bouillons und Suppen an Maggi (Suppenmehle, Bouillonkapseln, gekörnte Fleischbrühe), an Knorr, aber auch an Konkurrenz aus dem eigenen Haus, vorrangig an Oxo-Bouillon.329 Hatte der Fleischextrakt zu Beginn die wenigen diätetischen Fleischsäfte wegen eines relativ günstigeren Preises, seiner wissenschaftlichen Aura sowie der standardisierter Zusammensetzung verdrängen können, so beschnitten nun die nahrhafteren, einfacher einzusetzenden, geschmacklich variableren und v. a. billigeren Convenienceartikel die Marktchancen des Pionierproduktes. Das teure Universalpräparat musste den billigen Kombinationsprodukten weichen, auch wenn diese nach wie vor Fleischextrakt als Zwischenprodukt enthielten. Zu beachten ist zudem die wachsende wissenschaftliche Kontrolle dieses Marktsegmentes, die schließlich in von Industrie und Nahrungsmittelchemikern einvernehmlich beschlossene Normen mündete.330 Gerade die wachsende Heterogenität des Feldes ließ die Unterschiede zwischen den Produkten der Großbetriebe und klein- oder heimgewerblicher Anbieter wachsen, sodass staatliche Regulierungen schon vor dem Ersten Weltkrieg begannen.331 Die Konsum 327 Vgl. die Angaben bei Spiekermann, 1995, 18, nach denen sich der Absatz von Bouillonwürfeln im Spar- und Konsumverein Stuttgart zwischen 1911 und 1913 auf mehr als 400.000 verdreifachte, während mehr als 200.000 Suppenwürfel verkauft wurden. 328 Erwerbstätigen Frauen wurde etwa geraten, »einen kleinen Vorrat an Konservenbüchsen, Obst sowohl als Gemüse, zu halten, ferner eine Auswahl Suppentafeln, ein Dutzend Bouillonwürfel, einige Dosen Fischkonserven« (Schnellküche für erwerbstätige Frauen, Die praktische Berlinerin 10, 1913/14, H. 4, IV-V, hier IV). 329 Der Absatz von Fleischextrakt im Stuttgarter Spar- und Konsumverein halbierte sich zwischen 1891 und 1913, vgl. Spiekermann, 1995, 18. 330 Vgl. III . Auflage des Deutschen Nahrungsmittelbuches. Sitzungen des Deutschen Bundes der Nahrungsmittelfabrikanten und -Händler. Sitzung vom 23. März 1914, vormittags, DNR 1914, 103–108, 115–123, 131–135, 159; Serger, H[ermann]: Herstellung, Untersuchung und Begutachtung der Bouillonwürfel, ZÖC 20, 1914, 81–88, 101–109. 331 Vgl. Herstellung und Einwickelung von Bouillonwürfeln. Erlaß des Ministers des Innern und für Handel und Gewerbe vom 19. Juni 1913, Zeitschrift für Medizinalbeamte 26, 1913, Anhang, 180.

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genossenschaften setzten angesichts bestehender Qualitätsunterschiede parallel aber auch auf den mündigen Konsumenten: »Hier müssen die Hausfrauen sehr gut aufpassen und sich gegen jede derartige Benachteiligung des Konsums energisch verwahren.«332 Dieser Blick auf die Konsumenten erfordert einen Perspektivenwechsel: Wie wurde dieses Angebot von den Kundinnen wahr- und angenommen? Welche Bedeutung hatte es für das Wissen und Handeln von Hausfrauen im Kaiserreich? Antworten hierauf sind gewiss nur näherungsweise und indirekt zu geben. Die Analyse von insgesamt 66 zwischen 1868 und 1914 erschienenen Kochbücher bzw. hauswirtschaftlicher Literatur mit Suppenrezepten erlaubt jedoch zumindest grundsätzliche Aussagen über den Widerhall der neuen Produkte im zentralen gedruckten Medium hauswirtschaftlicher Wissensvermittlung. Dabei zeigt sich eine gewisse Zeitverzögerung zwischen der Einführung neuer Suppen und Würzen einerseits und deren Erwähnung und Verwendung anderseits. Während die auch in der bürgerlichen Öffentlichkeit geführte Fachdebatte über den Fleischextrakt schon kurz nach 1865 einsetzte, wurde er in den Kochbüchern auch nach Beginn der industriellen Produktion 1868 noch nicht erwähnt.333 Eine Auftragspublikation  – Henriette Davidis 1870 erschienene Broschüre »Kraftküche von Liebigs Fleischextrakt«  – änderte diese Situation. In ihr mischen sich überschwängliches Lob und der klare Blick der erfahrenen Hauswirtschaftlerin: Fleischextrakt blieb der feineren Küche vorbehalten, während er »den unbemittelten Hausfrauen« lediglich »anstatt Arznei«334 empfohlen wurde. Fleischextrakt erschien als wichtiges zeitsparendes Hilfs- und Stärkungsmittel, auch wenn er Fleisch nicht ersetzen konnte, sondern immer nur mit anderen Nahrungsmitteln gereicht werden sollte. Das neue Markenprodukt fand anschließend auch Eingang in einige bürgerliche Kochbücher, Autorinnen wie Wilhelmine Rührig und  – natürlich  – Henriette Davidis sind zu erwähnen.335 Beide waren professionelle Hauswirtschaftlerinnen, die ihren Käufer/innen das jeweils Neueste boten, die sich ihre Vermittlerrolle aber auch von den Firmen vergüten ließen. Ein direkter Schluss auf eine vermeintliche breite Verwendung des Fleischextraktes in der privaten Küche geht daher sicherlich fehl, denn Kochbücher der folgenden Jahre enthielten weder Rezepte, noch Anpreisungen oder Verdammungen des neuen Ge 332 Bouillonwürfel, 1914. 333 Prato, Katharina: Die süddeutsche Küche, 7. verb. Aufl., Gratz [sic!] 1870 stellte Fleischextrakt vielmehr als häusliches Produkt dar. 334 Davidis, 1870, III . 335 Davidis, Henriette: Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 16. verm. u. verb. Aufl., Bielefeld 1871; Rührig, Wilhelmine: Praktisches Frankfurter Kochbuch, 4. verm. u. verb. Aufl., Frankfurt a. M. 1871 enthält einen Beitrag über den Fleischextrakt von Dr. med. Heinrich Walter, gewürzt mit Klagen über die mangelhafte Qualität vieler Produkte.

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nussmittels.336 Die Anwendungsgebiete lagen bis mindestens Mitte der 1870er Jahre vorrangig in der Gemeinschafts- und Krankenverpflegung. Seitdem aber kann man von einer festen Verankerung des Liebigschen Fleischextraktes zuerst in der allgemeinen Kochbuchliteratur, dann auch in der privaten Küche sprechen.337 Andere Suppen-, Würz- oder Nährpräparate finden sich damals lediglich in der Krankenküche.338 Das änderte sich Ende der 1880er Jahre, als die neuen Suppen- und Würzpräparate ihren Siegeszug in den Kochbüchern begannen. Knorr-Suppenpräparate erschienen erstmals 1887, Maggi-Suppentafeln 1891, Maggi-Würze 1894 und Maizena-Produkte dann seit 1904. Die Zeitverzögerungen zwischen Markt­ einführung und Erwähnung in den Kochbüchern betrugen demnach drei bis acht Jahre, spiegeln damit recht genau die zögerliche Absatzentwicklung. Dies veränderte sich erst im frühen 20. Jahrhundert, als die Vertriebsnetze etabliert waren und die Kapitalkraft der Firmen breit angelegte Werbekampagnen ermöglichte. Vor allem Maggi nahm parallel mehr und mehr Einfluss auf die hauswirtschaftliche Literatur, nun finden sich auch zahlreiche Werbeanzeigen in den Büchern. Die Zeitverzögerungen schwanden deutlich, Produktnamen tauchten immer häufiger in den Kochbüchern auf, erstickten viele Rezepte in exzessiver Werbung.339 Angesichts der von Beginn an engen Kooperation 336 Schünemann, W[ilhelm]: Neuestes Frankfurter Kochbuch, 8. verm. u. verb. Aufl., Frankfurt a. M. 1871; Fellger, Friederike: Kochbuch oder theoretisch-praktische Anweisung zur bürgerlichen und feineren Kochkunst, 3. verb. u. verm. Aufl., Stuttgart 1874; Hommer, Sophie Charlotte: Neues Hamburger Kochbuch für alle Stände, 10. verm. u. verb. Aufl., Hamburg 1874; Prato, Katharina: Die Süddeutsche Küche, 11. verb. Aufl., Gratz (sic!) 1876. 337 Die Kochbücher weisen 1877 als eigentliche Zäsur aus: Davidis, Henriette: Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 22. verm. u. verb. Aufl., Bielefeld/Leipzig 1877 weitet den bisher kargen Rezeptteil deutlich aus. Halm, Anna: Neues, praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 2. Stereotyp-Aufl., Reutlingen 1881 (1. Aufl. 1877); Ritter, Friederike: Illustriertes Kochbuch für alle Stände, 19. Aufl., Bremen 1877; Scheibler, Sophie Wilhelmine: Allgemeines Deutsches Kochbuch für alle Stände, 23. verb. u. bedeutend verm. Aufl., Leipzig 1877 und bedingt Wiel, Josef: Diätetische Behandlung der Krankheiten des Menschen, Bd. 1: Tisch für Magenkranke, 4. gründlich renovirte Aufl., Karlsbad 1877 stellen Fleischextrakt erstmalig vor, ebenso Kux, Auguste: Gründliche Anleitung für Jedermann die Speisen im Manöver und Felde mit den gegebenen Mitteln möglichst wohlschmeckend und nahrhaft zuzubereiten, Berlin 1878 und Universal-Lexikon der Kochkunst, 2 Bde., Leipzig 1878. 338 Weil, 1877 stellt u. a. Pankreatin von Savory/Moor, Sanders Fleischpepton und die Leube-Rosenthalsche Fleischsolution vor. 339 Ein Beispiel für die geringeren Rezeptionszyklen bietet die seit 1906 angebotene Gekörnte Fleischbrühe von Maggi, die in Erhardt, Mathilde/Mathis, A.: Großes illustriertes Kochbuch für den einfachen bürgerlichen und den feineren Tisch, 35. verb. u. verm. Aufl. Berlin 1908 (das Buch wurde von Maggi gesponsert) sowie Hannemann, Elise: Winke für die diätetische Küche, in: Strauss, H[ermann]: Vorlesungen über Diätbehandlung innerer Krankheiten vor reiferen Studenten und Aerzten, 2. verm. u. verb. Aufl., Berlin 1909, 281–372, erwähnt wurde. Als Beispiel für die Werbeflut kann Davidis, Henriette: Praktisches Koch-

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mit Hauswirtschafts- und Kochschulen bedeutete dies aber auch, dass stärker auf abstrakte, breit wirkende Werbemedien gesetzt wurde, während die direkte Werbung relativ an Bedeutung verlor. Trotz der schnellen Folge von Produktinnovationen waren diese nicht mehr so erklärungsbedürftig und mussten nicht mehr erst mühselig in die häusliche Praxis eingebürgert werden. Die Anbieter konnten auf ein gewisses Vorwissen der Haushalte setzen, das allerdings stärker durch Gebrauchsvorteile, günstige Preise und auch einen zwar vorgefertigten, mittels Würzen und einfach zu ergänzenden Zutaten aber leicht zu individualisierenden Geschmack geprägt war. Die Konsumenten, auch und gerade aus der Arbeiterschaft, passten sich »erwiesenen Vortheilen«340 durchaus an. Es handelte es sich dabei aber vielfach nicht um die von Ernährungswissenschaftlern und Produzenten definierten Vorteile, sondern um solche eigenen Rechts und eigenen Wissens.

3.4 Nischen- statt Massenmarkt: Eiweiß- und Nährpräparate um die Jahrhundertwende Der Suppen- und Würzenmarkt gründete auf der wissenschaftlichen Idee der stofflichen Konzentration von Eiweiß und Geschmack, doch seine Ausgestaltung und Dynamik waren wesentlich auf die Brückenfunktion von Unternehmern zurückzuführen. Diese wissenschaftlichen Laien materialisierten in ihren Produkten Grundgedanken der Ernährungswissenschaft, ohne Anspruchshaltungen ihrer Kunden zu vernachlässigen. Einfache Zubereitung, bezahlbare Preise und ein klar umrissenes Geschmackerlebnis charakterisierten ihre Angebote. Dies galt grundsätzlich auch bei der Produktion von Eiweiß- und Nährpräparaten, doch hier ging man einen Schritt weiter. Ernährungswissenschaftler und Chemiker waren nicht allein Ideengeber, sondern integraler Bestandteil der Produktion. Sie hielten vielfach Patente, verkauften ihre Expertise an Unternehmen oder machten sich gar selbständig. Die soziale Dimension einer Umgestaltung der Alltagskost war hierin nach wie vor präsent, ging es den Wissensproduzenten doch um eine Teilhabe aller an den Möglichkeiten der neuen industriellen Welt. Die Optimierung des Alltags durch neue kommerzielle Angebote war eingebettet in ein liberales Grundverständnis von Gesellschaft, zielte auf den individuellen Bürger als Mitbürbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, neu bearb. u. hg. v. Luise Holle, 43. verm. Aufl., Bielefeld/Leipzig 1907 dienen, in dem u. a. Liebigs Fleischextrakt und Fleischpepton, OxoBouillon, Hoffmanns Speisemehl, Zeanin, Mondamin, Aleuronat, Erbsmehl, Knorr-Suppeneinlagen und -Suppenpräparate, Maggi-Würze und Hohenlohesche Suppentafeln erwähnt werden. Daneben finden sich zahlreiche Markenprodukte, etwa von Dr. Oetker, Palmin usw. 340 Aus dem Bereiche militärischer Verpflegung, Neue Militärische Blätter 41, 1892, 307–311.

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ger und Kunden. Mochte die Vermarktung auch auf kulturelle Vorstellungen von »Kraft«, »Reinheit« und »Stärkung« gründen sowie in der Tradition wissenschaftlicher Wissenshierarchisierung stehen, war der Kauf selbst doch immer ein Akt individuellen Einkaufens, war der Konsum (noch) nicht Ausdruck individueller Arbeit im Dienste eines kollektiven Volkskörpers. Nicht Vorstellungen kollektiver Dekadenz standen hier Pate, sondern das Ideal einer freien Bürgergesellschaft, die auf Grundlage wissenschaftlichen Wissens neue Werte schaffte.

3.4.1 Wissenschaftliche Kost. Gestaltungsträume der Produzenten Die Ausdifferenzierung der Inhaltsstoffe führte zu utopischen Vorstellungen von neuartigen wissensbasierten Nahrungsmitteln (Kap. 2.2.4). Objektiviertes Wissen bot die Folie für Gestaltungs- und Machbarkeitsträume. Die seit den frühen 1890er Jahren aufkommenden Eiweiß- und Nährpräparate lassen sich daher nicht auf ihre begrenzte Funktion und ihren unmittelbaren Gebrauchsnutzen reduzieren. Definitionen von künstlichen Nährpräparaten als »fabrikatorisch hergestellte Substanzen, meist Modifikationen oder Derivate natürlicher Nahrungsmittel, durch welche der Mensch in Krankheiten und Schwächezuständen zweckmässiger und gefahrloser als durch gewöhnliche Nahrungsmittel ernährt werden«341 kann, überdecken die Gestaltungsträume der Produzenten und deren Widerhall in einer breiteren Öffentlichkeit. Hier muss vielmehr der Begriff des Künstlichen fallen, waren die Nährpräparate doch Produkte, »welche aus bisher zu Nahrungszwecken wenig geeigneten Materialien dargestellt, künstlich in eine zur menschlichen Ernährung geeignete Form gebracht wurden.«342 Die Präparate materialisierten schaffenden Intellekt und bildeten Vorboten einer von der Nahrungsmittelproduktion und -zubereitung befreiten Gesellschaft, deren Mitglieder sich anderen Tätigkeiten zuwenden konnten. In einer von Klassenunterschieden und Unterversorgung geprägten Gesellschaft verhieß künstliche Kost, »den Hunger endgültig zu besiegen.«343 Die stoffliche Fokussierung erlaubte die Nutzung scheinbar wertloser Abfall- und Reststoffe in neuen nutritiven Zusammenhängen. Machbarkeitsoptimismus dominierte, es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis »die Technik auch die Frage der künstlichen Bereitung von Nahrungsmitteln lösen und eine neue

341 Klemperer, G[eorg]: Über künstliche Nährpräparate, in: Leyden, E[rnst] v.: (Hg.): Handbuch der Ernährungstherapie, 2. umgearb. Aufl., Bd. 1, Leipzig 1903, 336–362, hier 362. 342 Eichengrün, A[rtur]: Die chemsichen [sic!] Nährmittel der Neuzeit, Die Umschau 4, 1900 (= 1900a), 267–271, hier 270. 343 Berghoff, Hartmut: »Dem Ziele der Menschheit entgegen«. Die Verheißungen der Technik an der Wende zum 20. Jahrhundert, in: Frevert, Ute (Hg.): Das Neue Jahrhundert. […], Göttingen 2000, 47–78, hier 60.

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Industrie auf diese Errungenschaft von Wissenschaft und Technik sich aufbauen wird.«344 Diese Industrie war erstens eine Veredelungsindustrie par excellence. Ihr sollte es gelingen, scheinbar Minderwertiges zu adeln, damit aber die Nahrungsgrundlage des Menschen zu verbreitern. Das Stoffparadigma schuf neue Werte, erlaubte erhöhte Wertschöpfung. Rückstände der Ölindustrie, etwa von Rapsoder Baumwollsamen, dienten als Grundstoff für Nährmittel, ebenso die Nebenprodukte der Stärkefabrikation.345 Rückstände mussten nun nicht mehr teils kostenpflichtig entsorgt werden, dienten vielmehr als gewinnträchtiger Rohstoff für neue Produkte. Getreidekeime, Baumwollsaat, Rinderblut, Magermilch, Fischmehl, Fleischmehl und anderes wurden nicht mehr länger allein an Tiere verfüttert, sondern dienten der direkten Ernährung von Menschen. Die wissenschaftliche Aura der Produkte erinnerte jedoch weniger an die Abfallgrube als an das Laboratorium, in dem überlegenes Wissen neuartige Produkte kreierte. Diese reinen Präparate bildeten zweitens einen wissenschaftlich pragma­ tischen, kommerziell gleichwohl lukrativen Zwischenschritt: Zielsetzung blieb einerseits die Nachbildung einer vollwertigen Kost mit chemisch-technischen Mitteln. Die Präparate wurden nicht allein chemisch präzise analysiert, sondern der Bewertungsmaßstab war der von Universallebensmitteln, die alle »zum Gesamtaufbau und zur Erhaltung des menschlichen Organismus nötigen Baustoffe«346 enthielten. Anderseits aber reagierten die Produzenten auf ihr relatives Scheitern, eine solche bilanzierte Nahrung schaffen zu können.347 Neben allgemeine Nährpräparate traten daher spezialisierte Eiweißpräparate, deren Ziel es war, dem Kunden lediglich eine Stoffgruppe zur Nahrungsergänzung anzubieten. Gerade die innere Differenzierung der Sammelkategorie »Eiweiß« durch die Benennung und Synthese der Aminosäuren erlaubte Präparate, die diese Spaltprodukte in einer resorbierbaren Form enthielten, aus denen dann die Natur, also der individuelle Körper, »sein Eiweiß synthetisch aufbauen kann.«348 Nahrungsmitteltechnologie und stoffliches Wissen dienten als Hilfsmittel für die geschwächte Natur insbesondere des kranken oder darbenden Menschen. Die Übernahme der wissenschaftlichen Utopie und deren Transformation in das Marktgeschehen wurden in der Öffentlichkeit enthusiastisch begrüßt, zu 344 Bericht über die Feier der Einweihung der Neubauten und der Aula am 17., 18. und 19. Mai 1899, Karlsruhe 1899, 5–6 (Engler). 345 Wintgen, M[ax]: Ueber einige neue Nährmittel auf Pflanzenprotein, ZUNG 3, 1902, 289–301, hier 289. 346 Keibel, Martin: Über Anwendung des »Hygiama« bei Tuberkulose, TM 18, 1904, ­107–108, hier 108. 347 Dieses Scheitern betont etwa Heddenhausen, Georg: Ueber einige neue Eiweißprä­ parate, Med. Diss. Göttingen 1897, insb. 36 348 Frank, Franz/Schittenhelm, Alfred: Über die klinische Verwertbarkeit von tief ab­ gebautem Eiweiß, TM 25, 1911, 415–421, hier 415.

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gleich aber vielfach spöttisch kommentiert. Doch auch die Geringschätzung der modernen »Ernährung mit künstlichen Tablettchen«349 setzte sie als möglich voraus. Vor 1914 leugneten auch Köche nicht die Kraft des Ideals, mochten sie auch den grundlegenden Unterschied zwischen Präparat und Speise klar benennen: Praktisches Wissen um Zubereitung und Geschmack machte demnach den Unterschied, objektiviertes Wissen schien nicht in der Lage, dieses zu verdrängen.350 Als Alltagsutopie hatte sich künstliche Kost damals längst etabliert; kein geringerer als August Bebel verfolgte gebannt die Forschungen von Berthelot und Fischer, Löb, Willstädter und Benz und träumte darüber ähnlich wie Forscher und Fabrikanten: »Was die Pflanzen bisher taten, werde die Industrie tun, und vollkommener als die Natur. Es werde die Zeit kommen, wo jedermann eine Dose mit Chemikalien in der Tasche trage, aus der er sein Nahrungsbedürfnis an Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate befriedige, unbekümmert um Tages- und Jahreszeit, um Regen und Trockenheit, um Fröste, Hagel und verheerende Insekten.«351 Die kommerzielle Praxis war demgegenüber deutlich pragmatischer und bescheidener.

3.4.2 Produktlawinen. Eine Marktübersicht Die Produktion von Nähr- und Eiweißpräparaten besaß zwei charakteristische Merkmale. Erstens galt es Lebensmittelinhaltsstoffe zu definieren und zu isolieren, also chemisch möglichst rein darzustellen. Diese Zwischenprodukte mussten in der Regel haltbar gemacht werden, wozu sie meist zu Pulver getrocknet oder aber zu zähflüssigen Pasten eingedampft wurden. »Reine« Präparate, für die hier die Eiweißpräparate beispielhaft stehen, mussten dann lediglich abgewogen und verpackt werden. Die große Mehrzahl wurde zweitens jedoch mit weiteren Inhaltsstoffen zu einem Nährpräparat rekombiniert. Sie dienten der Ergänzung, tendenziell auch dem zeitlich begrenzten Ersatz tradierter Nahrung. »Reine« Präparate hatten dagegen speziellere Aufgaben, indem sie entweder Nährstoffe für Kranke, Geschwächte oder »Nervöse« bereit hielten oder einzelne Lebensmittel ersetzen sollten. Nähr- und Eiweißpräparate bildeten Vorreiter des Markenartikels, sie hatten feste Preise und waren durchweg verpackt. Die Markennamen entstammten zumeist dem wissenschaftlich-chemi 349 Sternberg, Wilhelm: Kunst der Küche und künstliche Nährmittel, KT 12, 1910, 183– 184, hier 183. 350 So hieß es etwa bei Schmitz, G[eorg]: Künstliche Nahrungsmittel, KT 14, 1912, ­333–335, hier 335, »der phantastische Traum von der konzentrierten ›Nahrung der Zukunft in Pillenform‹ wird ewig ein Traum müßiger Propheten bleiben«. 351 Bebel, August: Die Frau und der Sozialismus, 5. Aufl., Frankfurt a. M. 1985, 435–436. Das Folgende folgt Spiekermann, Uwe: Die gescheitere Neugestaltung der Alltagskost. Nährund Eiweißpräparate im späten Kaiserreich, Technikgeschichte 78, 2011, 187–209.

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schen Diskurs, betonten so einerseits das Neuartige dieser Produkte, drückten anderseits aber aus, dass es Artikel neuen Typs waren, mit denen wissenschaftliches Wissen vom Laboratorium in den Alltag vordrang. Wie heutiges Functional Food positionierte man die Präparate sowohl als Heil- als auch als Nährmittel. Folgerichtig wurden sie sowohl über Apotheken und Drogerien als auch über den Kolonialwarenhandel vertrieben. Auch diese Produktgruppe lässt sich hinsichtlich der prinzipiellen Produktionsidee bis auf Liebig und seine Zeitgenossen zurückführen. Bei der Produktion von Fleischextrakt fielen als Quasi-Abfall große Mengen ausgekochten Muskelfleisches an, deren Eiweißgehalt für die menschliche Ernährung zumindest indirekt nutzbar gemacht wurde. Vermahlen und mit Phosphat resp. Kalzium versehen, dienten sie seit den frühen 1870er Jahren als Fleischmehl für Tiere.352 Während eine direkte Nutzung dieser Produktionsrückstände in den 1880er Jahren im ersten Anlauf scheiterte (Kap. 3.3.3), wurde das Prinzip der Mischung und Optimierung von Nahrungsmitteln schon früh propagiert und erfolgreich in neuen Nischenmärkten angewandt (Kap. 3.1.4). Doch das Prinzip strahlte über die Grenzen dieser Branche hinaus. Insbesondere die aufstrebende Schokoladenindustrie erlaubte Experimente, an deren Ende keineswegs zwingend die uns heute geläufige Tafelschokolade als Kombinationsprodukt von Zucker, Milch und Kakao, also aller drei Nährstoffgruppen stehen musste, sondern in denen immer wieder an die Heilmitteltradition von Kakao und Schokolade angeknüpft wurde. Liebig etwa propagierte in den 1860er Jahren fortifizierte Nährschokoladen, die man später auch unter seinem Namen vermarktete. Sie wurden von kleinen Spezialanbietern offeriert, doch das Konzept fand sich auch bei den Marktführern.353 Im Deutschen Reich war es insbesondere die 1871 gegründete Kölner Firma Gebr. Stollwerck, die vor dem Hintergrund der Apothekerwaren der seit 1839 reüssierenden »Mürbe­bäckerei« Franz Stollwerck systematisch die Kombinationsmöglichkeiten von Kakaoprodukten nutzte.354 Nicht allein Süßwaren wurden angeboten, sondern in der Preisliste von 1888 fanden sich auch »Sanitäts-Chokoladen zum Kochen«.355 Daneben produzierte das Unternehmen süße »Sanitäts-Chocoladen«, also Mischungen von Zucker, Kakao und Mineralstoffen, wie Eisen oder 352 Justus Liebig an Friedrich Wöhler v. 01.11.1872, in: Lewicki (Hg.), 1982, T. II, ­348–349, hier 349 bzw. dass v. 26.01.1873, in: ebd., 354. Zur Einordnung vgl. Spiekermann, Uwe: »Fleisch giebt Fleisch«. Zur Geschichte der Tiermehlverfütterung in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg, Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 2001, 7–9. 353 Bock: Zur Nahrungssorge. Das (nicht der) Liebig’sche Fleischextract.-Concentrirte Milch.-Malzextracte., Die Gartenlaube 1868, 185–187. 354 Vgl. Loiperdinger, Martin: Film & Schokolade. Stollwercks Geschäfte mit lebenden Bildern, Frankfurt a. M./Basel 1999, 16–17. 355 Fincke, H[einrich]: 50 Jahre Chemikertätigkeit in der deutschen Schokoladen-Industrie. Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen des Chemischen Laboratoriums der Gebrüder Stollwerck, A.-G. Köln, Köln 1934, 26.

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Magnesium, bzw. Nährmehlen, etwa Eichel- oder Tamarindezubereitungen.356 Seit 1894 wurden diese Produkte nicht mehr im Kolonialwarenhandel, sondern ausschließlich über Apotheken vertrieben. Dies diente auch der Bündelung aller pharmazeutisch-diätetischen Produkte der Firma, die seit 1884 Dr. Kochs Fleischpepton und seit 1885 Dr. Michaelis Eichelkakao mit beträchtlichem Erfolg produzierte und vertrieb. Seit Mitte der 1890er Jahre kamen zahlreiche neue diätetische Schokoladen hinzu, denen sowohl Eiweißpräparate als auch Mineralstoffe zugemengt worden waren.357 Dieses Spezialsortiment belegt nicht nur die Dynamik bei der kommerziellen Umsetzung des Stoffparadigmas, sondern verweist auch auf das Problem, diese Branche quantitativ zu umreißen. Zeitgenossen betonten immer wieder, dass die Zahl der Präparate »ungeheuer groß«358 sei. Die Branche habe »in kurzer Zeit grosse Bedeutung erlangt und hat innerhalb weniger Jahre eine solch grosse Zahl von Früchten gezeigt, wie wohl noch keine Richtung chemischer Forschung zuvor.«359 Doch es fehlen Angaben zur Zahl der Präparate oder Hersteller, zu Größenordnungen der Beschäftigten und Umsätze. Die Warenzeichenstatistik untergliedert die zahlenmäßig bedeutsamste Kategorie der Arzneimittel ebenso wenig wie die der Nahrungs- und Genussmittel.360 Doch selbst derartige Informationen würden nicht weiterhelfen, um die zahlreichen Mischungen der markenrechtlich geschützten Grundprodukte mit Mineralstoffen oder Zwischenprodukten angemessen wiederzugeben. Das gilt umso mehr, als die Produkte vielfach nur kurzfristig angeboten wurden, die Zusammensetzung der Produkte vielfach variierte und die Namen sich schneller veränderten als die eigentlichen Präparate.361 Geht man – konservativ geschätzt – von mehr als 100 in wissenschaftlichen Studien analysierten Markenartikeln aus, so dürfte die Zahl der Produkte inkl. der Kombinationspräparate vermutlich im niedrigen Tausenderbereich gelegen haben.

356 Paradoxerweise dokumentiert dies den Wandel der Schokolade hin zur Süßigkeit, diente sie doch nunmehr als Trägersubstanz für die eigentlichen »gesunden« Inhaltsstoffe. 357 Als Trägersubstanz wurde auf Anregung des Reichskolonialamtes auch Colanüsse untersucht, doch im Gegensatz zu anderen Herstellern nutzte Stollwerck diese nicht, vgl. Fincke, 1934, 26. 358 Noorden/Salomon, 1920, 62. 359 Eichengrün, 1900a, 268. 360 Von 1894 bis 1913 wurden 24.627 Warenzeichen in der Kategorie Arzneimittel und 42.983 für Nahrungs- und Genussmittel angemeldet (Übersicht der angemeldeten, eingetragenen, abgewiesenen und zurückgezogenen, gelöschten und erneuerten Warenzeichen nach Klassen getrennt, Blätter für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 20, 1914, 102–108, hier 102 und 105). 361 Zu diesen Marktpraktiken s. Hoffa, 1911, 13 bzw. Kleeberg, Julius/Behrendt, Hans: Die Nährpräparate mit besonderer Berücksichtigung der Sauermilcharten, Stuttgart 1930, 13.

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Abb. 14: Produktproduktion durch Kombination der Zutaten: Werbung für Kola-Produkte 1898

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Eine Marktübersicht kann daher nur exemplarisch erfolgen.362 Neben Apothekerwaren für einen regionalen Markt lassen sich vor allem drei Formen der industriellen Produktion künstlicher Kost unterscheiden: Den Anfang machten erstens seit Mitte der 1880er Jahre kleinere und mittlere Firmen, die interne Lösungen ihrer Abfallprobleme suchten. Die Reststoffe wurden gezielt untersucht, ihr Wert taxiert, technische Verfahren entwickelt, das Nährpräparat chemisch und physiologisch untersucht – und dann das Produkt eingeführt. Dieses Verfahren wurde zweitens seit den frühen 1890er Jahren von den schnell wachsenden pharmazeutischen Großbetrieben aufgegriffen. Ihre Produkte galten jedoch als Quasi-Arzneimittel und zielten vornehmlich auf die Nische der Stärkungsund Kräftigungsmittel, die von den Peptonpräparaten nicht mehr erfolgreich abgedeckt werden konnte. Drittens schließlich entstanden in den 1890er Jahren kleinere und mittlere Spezialanbieter, die sich vielfach auf innovative Kernprodukte konzentrierten, die ihr Sortiment durch Kombination mit wertgebenden Stoffen aber schnell erweiterten. Sie verkörperten die vertikale Ausdifferenzierung der Nahrungsmittelbranche, kauften sie ihre Rohwaren doch im Regelfall ein, boten somit Alternativen für die vertikale Integration des Reststoffproblems der ersten Form. Zugleich versuchten sie die Nische diätetischer Präparate zu verlassen, zielten bewusst auf einen zu gewinnenden Massenmarkt. Ein Beispiel für die erste Gruppe war die Stärkefabrik R. Hundhausen aus Hamm. Sie entstand in den 1860er Jahren, und produzierte seit 1869 vornehmlich Weizenstärke, ein wichtiger Grundstoff für die Backwaren-, Würzen- und spätere Puddingpulverindustrie, der auch im Haushalt für Backwaren, Nachtische sowie Säuglings- und Kleinkinderspeisen verwandt wurde. Die Kleber-, also Eiweißreste der Stärkeproduktion wurden anfangs vielfach als Viehfutter verkauft. Dies änderte sich, nachdem der Betrieb 1881 von Robert Hundhausen auf seinen Sohn Johannes überging. Dieser hatte in der Schweiz neben Jura auch Chemie studiert, kannte die Firma Nestlé und begann mit intensiven Forschungen, um das Eiweiß möglichst gut zu isolieren. Mitte der 1880er Jahre erhielt er erste Patente für ein Aleuronat genanntes Präparat363, das seit Ende der 1880er Jahre gezielt beworben wurde, nachdem es im Voitschen Labor in München physiologisch getestet worden war.364 Eine marktbezogene Zwecksetzung fand sich erst danach: Anfangs wurde Aleuronat vor allem für den Alltags­ 362 Gute Überblicke der wichtigsten angebotenen Produkte enthalten Heim, Max: Die künstlichen Nährpräparate und Anregungsmittel, Berlin 1901 sowie Noorden/Salomon, 1920, 622–671, mit weiterführender Literatur. Für die Situation zur Jahrhundertwende vgl. Marcuse, Julian: Kritische Uebersicht über die diätetischen Nährpräparate der Neuzeit, TM 14, 1900, 257–261; Eichengrün, A[rtur]: Die chemischen Nährmittel der Neuzeit, ZAC 13, 1900 (= 1900b), 261–269. 363 Der Name selbst spiegelt die noch rudimentären Kenntnisse der Struktur der Eiweißzelle, handelte es sich doch um Klebereiweiß, nicht aber um das der Aleuronzellen. 364 Dornblüth, 1891. Vgl. auch Ausstellung, 1887, 108.

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Abb. 15: Marktnische Diabetes: Werbung für Lizenzprodukte aus Aleuronat 1898

gebrauch im Haushalt empfohlen, sollte insbesondere Suppen und Brote gehaltvoller machen. Doch das neuen Präparat scheiterte an zu hohen Preisen und am Geschmack. Auch in der Militärverpflegung konnte sich Aleuronat nicht etablieren365, doch fand es seit 1892 seine Nische als Präparat für Diabetiker.366 Die Produktionstechnologie, insbesondere das Trocknungsverfahren, wurde daraufhin gezielt verändert, so der Stärkegehalt weiter verringert, die bräunliche Farbe aufgehellt sowie der anfangs fünffach über dem von Weizenmehl liegende Preis beträchtlich verringert.367 Doch nicht zuletzt der als »kratzend oder sandig«368 bezeichnete Geschmack sowie die relativ begrenzte Quellfähigkeit ließen einen Ausbruch aus der Marktnische nicht zu, auch wenn die Lizenznehmer der Firma Hundhausen zahlreiche Kombinationspräparate entwickelten, um insbesondere den Geschmack zu verbessern. Während Aleuronat seine Konsumenten erst finden musste, zielte die von der Firma Bayer, Leverkusen seit 1893 hergestellte Somatose – als Beispiel für die zweite Herstellergruppe – von Beginn an auf die Krankenernährung. Es handelt sich um ein Albumosenpräparat, eine Weiterentwicklung der frühen Pepton 365 Vgl. Plagge/Lebbin, 1897, 38–52. 366 Ebstein, Wilhelm: Vorschriften zur Herstellung eines eiweissreichen Brotes im eigenen Hause, DMW 19, 1893, 413–415. 367 Vgl. hierzu Frentzel, Johannes: Ernährung und Volksnahrungsmittel, Leipzig 1900, 86–87. 368 Wintgen, 1902, 290.

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Präparate (Kap. 2.2.1), deren Ziel die Anregung der Verdauung und eine einfachere Resorption des quasi vorverdauten Eiweißes war. Diesem »richtigem Pepton«369 haftete weder der bittere Geschmack noch der säurige Geruch der Vorgängerprodukte an. Es war gut verdaulich und konnte auch in relevanten Mengen verzehrt werden. Gleichwohl war die Einführung von Kritik vieler Ärzte begleitet, die nach den schlechten Erfahrungen mit Pepton-Präparaten einerseits traditionelle Krankenspeisen, insbesondere »fein geschabtes Rindfleisch«370 empfahlen und die anderseits darauf verwiesen, dass der Produktionsprozess beträchtliche Gesundheitsrisiken berge.371 Somatose bestand aus mit schwachen Laugen und Wasserdampf behandelten Fleischabfällen. Der Praxistest verlief jedoch erfolgreich.372 Wenngleich die Menge des resorbierbaren Eiweißes eng begrenzt blieb, handelte es sich doch um ein gut lösbares, der Krankenkost einfach zumengbares und appetitanregendes Präparat ohne Eigengeschmack. Somatose war teuer – 1897 kostete es 48 M pro kg –, seine Verwendung daher sozial begrenzt. Bayer konzentrierte seine Werbeaktivitäten auf die Ärzteschaft und ein zahlungskräftiges Publikum.373 Das Pharmaunternehmen produzierte anfangs das Präparat und ausgesuchte Mineralstoffmischungen, vergab aber lukrative Lizenzen für Kombinationsprodukte, etwa an die Deutschen Milchwerke (Biedert’s Somatose-Milch) (Kap. 3.1.4) und die Gebr. Stollwerck (Somatose-Schokolade- und -Kakao-Bisquits), aber auch für Medizinalweine und Nährkakao.374 Als Premiumhersteller bemühte sich Bayer allerdings um bequemere Darbietungsformen. Da Somatose vor allem mit Milch, Kakao oder Suppe verabreicht wurde, bot man seit 1909 zudem »flüssige Somatose« an, sowohl herb als auch – für Kinder – gesüßt. Ein Dachmarkenkonzept scheiterte allerdings am geringen Erfolg der aus Kasein hergestellten »Milch-Somatose«. Gleichwohl bildete das Eiweißpräparat ein lukratives, das Image Bayers als Produzent wirksamer pharmazeutischer Produkte unterstützendes Kunstprodukt, das seine Herkunft aus Fleischrückständen vergessen machte. Die dritte Unternehmensform, den Spezialanbieter, charakterisiert die Tropon GmbH, deren Nährpräparat Anspruch und Kraft künstlicher Kost gleicher-

369 Hildebrandt, H.: Ernährung mit einem geschmack- und geruchlosen Albumosenpräparate, DMW 19, 1893, 877. 370 Neumeister, R[ichard]: Ueber »Somatosen« und Albumosenpräparate im allgemeinen, DMW 19, 1893, 866. 371 Neumeister, R[ichard]: Nochmals über »Somatosen«. […], DMW 19, 1893, 1169–1170, hier 1169. 372 Zu den Menschenversuchen in Kliniken s. Heddenhausen, 1897, 10–14. 373 In den führenden medizinischen Fachzeitschriften wurde regelmäßig »seriös« geworben, vgl. etwa BKW 32, 1895, n. 24; dass. 33, 1896, n. 48. Dagegen rückte in auflagenstärkeren Medien die Verpackung in den Mittelpunkt, vgl. etwa Das Land 6, 1897/98, 295; Die Umschau 2, 1898, v. 803; dass. 3, 1899, v. 339. 374 Noorden/Salomon, 1920, 651.

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maßen spiegelte.375 Bekannt ist heute jedoch nicht mehr das Produkt, sondern vielmehr die Werbung des belgischen Jugendstilkünstlers Henry van de Velde, dessen erstes Tropon-Plakat 1898 bezeichnenderweise zuerst in der Kulturzeitschrift »Pan«, nicht aber an Litfaßsäulen veröffentlicht wurde.376 Die kulturelle Innovation von Design und Gebrauchsgraphik war aber seinerzeit vornehmlich funktionales Beiwerk einer anvisierten grundlegenden »Reform der Ernährung«377. Tropon sollte die Bindung an traditionelle Lebensmittel durchbrechen und erschloss dazu neuartige Eiweißquellen. Idee und Konzept stammten von dem Bonner Physiologen Dittmar Finkler, der sich seit Mitte der 1870er Jahre mit Stoffwechselfragen experimentell beschäftigt hatte. Die Diskussion über die soziale Frage hatte ihn Anfang der 1890er Jahre in konsequenter Fortführung Liebigscher Konzepte dazu gebracht, eine Arbeitsgruppe jüngerer Wissenschaftler zu etablieren, deren Aufgabe es vornehmlich war, ein Nährpräparat aus Liebigschem Fleischmehl zu kreieren. Auf der Weltausstellung in Chicago 1893 repräsentierte er nicht allein die deutschen Universitäten, sondern präsentierte auch ein erstes Fleisch-Albuminat, dass jedoch faktisch durchfiel, da die Backfähigkeit gering und die Herkunft anrüchig erschien.378 Auch im Deutschen Reich wurde das Präparat als neue Variante des Carne pura-Fleischmehls getestet, doch konnte es sich etwa in der Militärverpflegung nicht durchsetzen.379 Während die Carne pura AG aber an Folgeinnovationen scheiterte, intensivierte die Finklersche Arbeitsgruppe ihre Forschung, indem sie weitere preiswerte Abfallprodukte mit Eiweiß­gehalt erschloss und versuchte, die verschiedenen Eiweißzwischenprodukte zu einem neuen Produkt zu verbinden.380 Das Fleischmehl wurde ergänzt durch ­Eiweiß aus Magermilch und Fischabfällen, insbesondere aber durch pflanzliches E ­ iweiß aus der Reis- und Weizenstärkefabrikation sowie Leguminosen.381 Stoffpara­ 375 Andere Beispiele wären etwa die Plasmon GmbH in Neubrandenburg (Plasmon, ein Magermilchpräparat), die Sanatogenwerke Bauer & Co. in Berlin (Sanatogen, ein Kaseinpräparat) oder die Nährmittelwerke H. Niemöller in Gütersloh (die 1899 das schon 1889 erfundene Roborat (ein Getreidestärkeprodukt) »fabrikmäßig« produzierten, vgl. Dreyer, 1902, 31). 376 Föhl, Thomas: Henry van de Velde und Eberhard von Bodenhausen. Wirtschaftliche Grundlagen der gemeinsamen Arbeit, in: Sembach, Klaus-Jürgen/Schulte, Birgit (Hg.): Henry van de Velde. […], Köln 1992, 169–203, hier 175. »Pan« wurde 1895 unter Federführung Eberhard v. Bodenhausens, des späteren Geschäftsführers der Tropon GmbH, gegründet. 377 Finkler, [Dittmar]: Eiweissnahrung und Nahrungseiweiss, DMW 24, 1898, 261–269, hier 268. 378 Finkler, [Dittmar]/Lichtenfelt, [Hans]: Das Eiweiss in Hygiene und Wirthschaft der Ernährung, Bonn 1902, 13. 379 Plagge/Lebbin, 1897, 74–76. 380 Zum zeitgenössischen Kontext vgl. Zuntz, N[athan]: Welche Mittel stehen uns zur Hebung der Ernährung zu Gebote?, DMW 19, 1893, 466–468. 381 Blut wurde ebenfalls getestet, doch für die Tropon-Herstellung nicht schwerpunktmäßig genutzt. Entsprechend fraglich sind die auch ansonsten höchst luftigen Ausführungen von Krätz, Otto: »Eiweiss-Cakes« und Hundekuchen. Tropon – wider die Fleischnot, Die

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digma und sozialer Impetus führten dazu, die billigsten Rohmaterialien zu kombinieren, damit aber explizit neue Nahrungsquellen zu erschließen, das Eiweiß also nicht »aus schon vorhandenen Nahrungsmitteln darzustellen.«382 Ziel war es, Nahrung »beinahe kostenlos« zu liefern und damit »den Keim zu einer ganz anderen sozialen Gliederung« zu legen.383 Das Eiweiß des neuen Präparats stammte zu ca. einem Drittel aus anima­ lischen und zu zwei Dritteln aus vegetabilen Rohstoffen.384 Resorption, Bekömmlichkeit, Geschmack und Farbwirkung wurden mittels Tier- und Menschenversuchen systematisch überprüft. Diese »Troponfütterung«385 ergab eine mit Fleisch vergleichbare Ausnutzung, auch größere Testgruppen – junge Mädchen einer Bonner Haushaltungsschule sowie Patienten in Finklers Krankenanstalt  – bestätigten dies. Konzeptionell noch wichtiger war der niedriger als Fleisch liegende Preis. Verglichen mit den medizinischen Eiweißpräparaten handelte es sich bei Tropon um einen Preisbrecher.386 Wichtig war ferner, »dass es leicht haltbar ist, keinen Geschmack besitzt, leicht verdaulich in grossen Mengen genossen werden kann und selbst keiner Zubereitung bedarf.«387 Der Finklerschen Arbeitsgruppe gelang auch der Sprung vom Laboratoriumszum Großbetrieb. Im April 1897 wurde die Proton GmbH gegründet, doch verzögerte sich der Produktionsbeginn durch Probleme mit dem Markenschutz – anstelle des nicht schützbaren »Proton« entstand 1898 durch Buchstabentausch der Marken- und dann auch Firmenname »Tropon« – sowie der nicht unbedingt zielführenden Arbeit des Geschäftsführers Eberhard von Bodenhausen und der Familie Douglas. Erst im März 1898 wurde ein 30.000 m² großes Gelände einer stillgelegten Chemiefabrik in Mülheim a.Rh. erworben, die Produktion lief gar erst Mitte April 1899 an.388 Chemie in unserer Zeit 39, 2005, 318–325, insb. 319–320. Später wurde auch Lupineneiweiß genutzt, vgl. Noorden/Salomon, 1920, 626. 382 Finkler/Lichtenfelt, 1902, 16. 383 Tropon-Werke, in: Historisch-biographische Blätter: Industrie, Handel und Gewerbe 3, 1900, zit. n. Langnickel, Hans: Henry van de Velde und die Mülheimer Tropon-Werke. Die Geschichte eines Plakates, Rechtsrheinisches Köln 12, 1986, 170–176, hier 172. 384 König, J[oseph]: Ueber die Zusammensetzung des Tropons und einiger Tropon-Gemische, ZUNG 1, 1898, 762–764, hier 763. 385 Finkler, 1898, 267. Zu Details vgl. Finkler, D[ittmar]: Verwendung des Tropon in der Krankenernährung, BKW 35, 1898, 657–659, 686–689, 712–714, 733–735. 386 Dieses wurde in der Fachpublizistik stets betont, vgl. etwa Strauss, H[ermann]: Ueber die Verwendbarkeit eines neuen Eiweisspräparats »Tropon« für die Krankenernährung, TM 12, 1898, 241–244: Demnach kostete ein Kilogramm Tropon (der Eiweißgehalt lag anfangs bei ca. 83 %, im Laufe des Jahres 1898 dann bei knapp 90 %) 4,00 M, während die gleiche Menge Peptonpräparate zwischen 20 und 61 M und Somatose 50 M erforderte. Tropon-Eiweiß war damit billiger als Milcheiweiß. 387 Finkler, 1898, 268. 388 100 Jahre Troponwerke: Wandel eines Kölner Unternehmens, Trophos – Medizin und Ernährung 6, 1997, Nr. 5, 8–9.

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Das Firmenkapital von ca. einer Mio. M wurde jedoch nicht nur in die Produktionskapazitäten und die Bezahlung von mehreren hundert Beschäftigten gesteckt, sondern insbesondere in systematische Werbeaktivitäten. Van de Velde entwarf zwischen 1898 und 1900 ca. ein Dutzend unterschiedlicher Verpackungsdesigns, drei Plakatversionen, einheitliche Firmensignets, Briefpapier und Teile der Büroeinrichtungen in Mülheim sowie dem Berliner Haupt­ geschäftssitz.389 Auch wenn diese seit 1898 geschalteten Anzeigen und Plakate den Kern der werblichen Präsenz ausmachten, beschäftigte die Firma doch parallel weitere Graphiker, deren Bemühungen durch eigenständige Anzeigen der Firmenvertretungen ergänzt wurden.390 Werbung war Erziehung. Es ging um den Transfer der Wissensideale Finklers, genauer um die Überzeugung des Publikums von dessen Konzept eines preiswerten Nahrungsmittels neuen Typs. Entsprechend begann die Werbung als »Aufklärungsreklame« lange vor Produktionsbeginn.391 Sie war viergeteilt: Erstens sandte man Tropon an zahlreiche Ärzte und Chemiker und förderte Analysen und klinische Studien, über die in einschlägigen Fachzeitschriften berichtet wurde.392 Zweitens nutzte Bodenhausen seine Kontakte im Presse- und Kunstwesen, um redaktionelle Reklame über die Bedeutung des Eiweißes sowie einschlägiger Präparate zu verbreiten. Drittens wandte man sich systematisch an Einzelhändler und Vertreter, betonte den pekuniären Nutzen des Tropons und stellte Werbematerialien für Schaufenster-, Laden- und Direktwerbung zur Verfügung. Viertens schließlich zielte die Firma mittels Anzeigen, Zeitungen beigelegten Flugblättern in Millionenauflage sowie einem Kochbuch und Rezepten direkt auf den Endverbraucher. Parallel zum Produktionsbeginn schaltete man dann eine Erinnerungsreklame, deren Mittelpunkt der Slogan »Tropon schafft Mark und Kraft« bildete. Praktisches Wissen vermittelte man über Kochvorführungen und befriedigte ethische Bedürfnisse durch die Gründung eines »Tropon-Genesungsheims«, in dem blutarme und bleichsüchtige Mädchen mit Tropon und sonstigen Speisen unentgeltlich gepflegt wurden.

389 Föhl, 1992, 176. 390 Frühe van de Velde-Anzeigen finden sich etwa in Die Umschau 3, 1898, 2. S. v. 803 bzw. n. 878. Ein Beispiel einer 1898 entstandenen Farblithographie von Georg Eineck enthält Ulmer, Renate: Ernährungsreform und Vegetarismus, in: Buchholz, Kai u. a. (Hg.): Die Lebensreform. […], Bd. II, Darmstadt 2001, 529–538, hier 538. 391 Die Darstellung folgt Lemcke, Johannes (d. i. Peter Friesenhahn): Handbuch der Reklame, Berlin 1901, v. a. 100–107 und 217–238. 392 Vgl. als Beispiel das Referat von vier Studien durch Hermann Strauss in Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie 4, 1901, 77–78. Finkler präsentierte Tropon der Fachöffentlichkeit auf einem internationalen Mediziner-Kongress in Madrid, erreichte damit eine beträchtliche öffentliche Resonanz, vgl. Bornstein, [Karl]: Ueber die Möglichkeit der Eiweissmast, BKW 35, 1898, 791–795, hier 791.

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Abb. 16a+b: Werbeanzeigen für Tropon 1899/1900

Trotz beträchtlicher Aufträge brach der Absatz jedoch schon Mitte 1899 ein. Auch der Ausbau des diätetischen Nebensortiments, etwa von Eisen- oder Nährsalz-Tropon konnte die Wertschöpfung nicht entscheidend verändern. Das Kernprodukt Tropon wurde von der Mehrzahl der Konsumenten ebenso verschmäht wie die Tropon-Suppenmehle, -Gebäcke oder -Schokolade.393 Die Rezession von 1900/01 verschärfte die Probleme, sodass die Firmenleitung 1901 erst die Löhne kürzte, dann 250 Arbeiter entließ, die GmbH schließlich liquidierte und in eine Auffanggesellschaft überführte. Diese produzierte seit 1902 wieder, doch konzentrierte sie sich nun stärker auf Kombinationspräparate für Kranke und Rekonvaleszente, teils in Form fortifizierter Gebäcke und Schokolade, teils als Nährstoffträger von Mineralstoffpräparaten. Die Gründe für dieses grandiose Scheitern wurden seinerzeit vornehmlich im Produkt selbst gesehen. Der Geschmack des hellbraunen, in Wasser nicht löslichen Pulvers war sandig, nach längerem Genuss wurde man seiner überdrüssig.394 Hinzu kamen erhebliche organisatorische Probleme. Die lange Anlaufzeit 393 Vgl. zu deren deutlich anderer Zusammensetzung König, 1898, 763. 394 Vgl. etwa Dreyer, Oskar: Ueber neuere Eiweisspräparate, Med. Diss. Göttingen 1902, 25.

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fraß erhebliche Teile des Kapitals schon im Vorfeld auf. Zentral aber blieb das Scheitern des simplen Beglückungsmodells Finklers, dessen kommerzielle Aufklärung eben von den zentralen Bedeutungsebenen alltäglicher Lebensmittel, insbesondere von Fleisch, abstrahierte. Diese waren nicht primär Eiweiß-, sondern Symbolträger, eingebunden in alltägliche Routinen, in denen sich soziale Stellung, Geschlecht und Herkunft manifestierten. Auch wenn versucht wurde, den Konsumenten Alternativen zur alltäglichen Zubereitungspraxis zu weisen, erschöpften sich diese Bestrebungen doch vornehmlich in einer Verdrängung subjektiven durch objektiviertes Wissen. Da zudem Zusammensetzung und Rohstoffgrundlage von Tropon regelmäßig wechselten, wurden Fragen nach der »eigentlichen« Zusammensetzung der Präparate zunehmend lauter.395 Auch Hersteller eines relativ preiswerten Produktes hätten die verschiedenen, in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch bewerteten Überteuerungen und Verfälschungen im Felde der Nähr- und Eiweißpräparate aufgreifen und in Kommunikationsstrategien ummünzen müssen. Diese Interaktion mit dem Verbraucher gelang nicht, war auch nicht gewollt. Die Anbieter schafften es, künstliche Kost ins allgemeine öffentliche Bewusstsein zu heben  – im Brockhaus wurde Tropon Seit an Seit mit Margarine als Nahrungsmittel vorgestellt396 –, doch deren Geheimgebaren und einseitig physiologisch-chemische Wissensbasis führten nicht nur zum Scheitern im Massenmarkt, sondern auch zu wachsendem öffentlichem Misstrauen, das auch von Wissenschaftlern geteilt wurde.

3.4.3 Gegenwissen. Markttransparenz durch Nahrungsmitteluntersuchung Nähr- und Eiweißpräparate waren neue industriell gefertigte Produkte auf Grundlage des Stoffparadigmas. Doch ihre wissenschaftliche wie öffentliche Rezeption war geprägt durch weit ins 19. Jahrhundert zurückreichende Debatten über sog. »Geheimmittel«. Dieser Begriff nahm Stellung, positionierte das grundsätzlich transparente Wissen von Medizin, Pharmazie und Physiologie gegen das nicht objektivierbare Heilsversprechen der Präparate von nicht approbierten »Pfuschern«. Die Scheidung von Arznei- und Nährpräparaten von »Geheimmitteln« war allerdings keineswegs so eindeutig, wie der hohe Anspruch der Ärzteschaft vermuten lässt.397 395 Scherer, 1919, 294. 396 Nahrungsmittel, in: Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 14. vollst. neubearb. Aufl., Bd. 12, Berlin/Wien 1903, 158–159, hier 159. 397 Vgl. hierzu die Regionalstudie von Hesse, Martin: Die Rolle des »Allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen« in der Auseinandersetzung mit Kurpfuscherei und Geheimmittelunwesen in Thüringen nach Einführung der Gewerbeordnung 1869, Med. Diss. Jena 2002 (Ms.) sowie allgemein Huerkamp, Claudia: Der Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert. Vom gelehrten Stand zum professionellen Experten. Das Beispiel Preußens, Göttingen 1985.

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Die seit den 1860er und 1870er Jahren strikt und unerbittlich geführte Auseinandersetzung resultierte aus zwei Grundproblemen. Die Gewerbefreiheit führte einerseits zu einem intensivierten Wettbewerb im Gesundheitswesen, den die Ärzte reguliert wissen wollten, ging es doch um die Gesundheit der Bevölkerung und die Lebensfähigkeit ihres Standes. Zum anderen schuf die zunehmende Trennung von Heilkunde und Pharmazie neue Arkanbereiche, in die Anbieter von »Geheimmitteln« systematisch hineinstießen. Das objektivierte Wissen der Fachleute wurde gegen den kleinlich-kommerziellen Eigennutz der »Geheimmittelkrämer« gesetzt, zugleich aber beredt die Gefahren des Selbstkurierens beschworen. Auch in Hochzeiten des Liberalismus sollte der Einzelne im Krankheitsfalle dem Wissen des Arztes vertrauen, Wahlmöglichkeiten also begrenzt sein. Liberale Ärzte vertrauten demgegenüber nicht auf Staatshilfe, wohl aber auf die der Bildung der Massen durch Schule und Presse.398 Standesvertreter urteilten häufig pointierter. Für Hermann Eberhard Richter, Geschäfts- und Schriftführer des von ihm wesentlich initiierten Deutschen Aerztevereinsbundes, waren Geheimmittel Vorboten einer wissenschaftswidrigen Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Anfang der 1870er Jahre zählte er pro Ausgabe der Gartenlaube ca. 16 Geheimmittelanzeigen, die doch sämtlich nur die Produkte verteuern würden.399 Genaue Untersuchungen über die angebotenen Produkte fehlen, doch nicht repräsentative Auszählungen ergaben Anfang der 1870er Jahre 67 Abführmittel, 45 Stärkungsmittel und 41 Genussmittel.400 Neben Kräuter-Präparaten und Alkoholika wurden seit den späten 1860er Jahren zunehmend auch Nährmittel angeboten, insbesondere Mehle und Bonbons sowie Mineralstoffpräparate v. a. auf Basis von Eisen. Die Kritiker monierten, dass die Wirksamkeit dieser Präparate einzig postuliert werde, dass sie aber durch keine wissenschaftliche Analytik nachgewiesen sei. Zudem würden die gewinnsüchtigen Anbieter pharmazeutisches Grundwissen und Vorurteile des Publikums koppeln, um so einfach an Geld zu kommen, zugleich aber »die Lust am Wunderbaren«401 zu nutzen. Wissenschaft erschien als im Grundsatz antikommerziell und gemeinwohlorientiert, während die Geheimmittelproduzenten gleichsam über Leichen gingen: »Statt des hülfreichen Arztes kommt dann leider nicht selten der knöcherne Sensenmann, der bekanntlich das entscheidende Schlußattest ausstellt.«402 Überlegenes Wissen 398 Hoyer, Egb[ert]: Die medizinischen Geheimmittel. […], Hannover 1866. 399 Richter, 1875, 171. Gegen diese Kooperation von Verleger und Geheimmittelproduzent wurde intensiv angeschrieben, vgl. etwa Jacobsen, Emil: Offener Brief an Herr Ernst Keil, Verleger der Gartenlaube in Leipzig, Industrie-Blätter 9, 1872, 134–135; Der Wundersaft, Industrie-Blätter 9, 1872, 149–150. 400 Richter, Hermann Eberhard: Das Geheimmittel-Unwesen. Nebst Vorschlägen zu dessen Unterdrückung, Leipzig 1872. Vgl. auch die Darstellung von Hoyer, 1866 und Richter, 1875. 401 Krause, W.: Die sogenannten Geheimmittel, Göttingen 1866, 9–10. 402 Ebd., 12.

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müsse sich daher zum Wohle der Menschen durchsetzen: »Wo immer die Wissenschaft ihre Fackel voranträgt, schwindet der Nebel des Geheimnisvollen; die Schäden liegen dem sorgfältig prüfenden Auge des wissenschaftlichen Arztes offen, und auf die Erkenntnis folgt die Heilung.«403 Derart überbordender Pathos verdeutlicht den gleichsam missionarischen Eifer der Ärzte dieser Zeit, der nicht allein auf das Verdrängen missliebiger Konkurrenz reduziert werden kann. Manichäisches Denken prägte die Debatte: Die Reinheit der eigenen Präparate wurde gegen Finsternis und Schmutz der Geheimmittel gesetzt404, exakte Diagnostik und Therapie konkurrierte mit bestenfalls folgenlosem Herumprobieren der Quacksalber. Deren Botschaften wurden als »Pflanzschule der Volksverdummung«405 verstanden, die eigenen Lehren dagegen als Beitrag zum intellektuellen Fortschritt der Zeit. Die intensive Lobby-Arbeit der Ärzte führte zu zahlreichen Einschränkungen des Geheimmittelvertriebs – doch Pathos half wenig, wenn es denn galt, rechtlich verbindliche Abgrenzungen von Geheim- und Arzneimitteln, von Nähr- und Wirkstoff zu treffen. Medizinische Kausalanalytik stand noch in den Anfängen, und Zulassungsverfahren im modernen Sinne mussten erst etabliert werden. Entsprechend blieben viele Regulierungen vage, sodass juristische und publizistische Auseinandersetzungen an der Tagesordnung waren. Auch die Regulierung der Werbung blieb Stückwerk: Der preußische Ministerial-Erlass v. 20. Januar 1898 betr. die Ankündigung von Geheimmitteln406 wurde von der Presse intensiv bekämpft und wies zahlreiche Abgrenzungsprobleme auf, die auch durch die Neufassung von 1901 kaum beseitigt wurden.407 Eine strikte Scheidung von Nahrungs- und Arzneimitteln erfolgte nicht, und konnte angesichts des dualen Charakters jeder Nahrung auch nicht erfolgen – die spätere Entwicklung und Vermarktung von Functional Food (Kap. 7.4) belegt dies nur zu deutlich. Die Nähr- und Eiweißpräparate standen einerseits in der Tradition der Geheimmittel, arbeiteten sie doch mit vagen Vorstellungen von »Kraft« und Essenzialität. Zugleich aber waren sie explizit wissenschaftliche Produkte, deren Stoffgehalt die Vermarktung ebenso prägte wie die Person des akademisch gebildeten Erfinder-Unternehmers. Polemisch, aber nicht zu Unrecht, bezeichnete der Pädiater Philipp Biedert die Nährpräparate als »illegitime Kinder der modernen Ehe zwischen Wissenschaft und Geschäft.«408 403 Ebd., 16. 404 Vgl. Richter, 1872, 57–58. 405 Ebd., 64. 406 Abdruck in Schmidt, Gustav: Die öffentliche Ankündigung der Arznei- und Geheimmittel und die Gesetzgebung, Hannover 1901, 16–17. 407 Abdruck in Griebel, C[onstant]: Geheimmittel und ähnliche Mittel, in: Bames, E[rnst]/ Bleyer, B[enno]/Grossfeld, J[ohann] (Hg.): Handbuch der Lebensmittelchemie, Bd. 9, Berlin 1942, 221–359, hier 354–357. 408 Zit. n. Noorden/Salomon, 1920, 623.

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Die Produktlawinen der Präparate müssen daher auch mit parallel laufenden wissenschaftlichen Objektivierungsbemühungen gekoppelt werden. Die neuen Produkte erregten insbesondere die Aufmerksamkeit der Nahrungsmittelchemi­ ker, die vielfältige Nachweisverfahren entwickeln mussten, um etwa die Herkunft der Rohmaterialien bestimmen und die Preiswürdigkeit dieser Produkte fundiert bewerten zu können.409 Die Produktion künstlicher Kost mündete also in die Professionalisierung und Ausdifferenzierung ebenfalls stofflich fokussierten »Gegenwissens«. Die Eiweiß- und Nährpräparate materialisierten demnach nicht allein die reduktionistischen Grundideen des Stoffparadigmas, sondern mit ihrer Marktpräsenz forcierten sie auch die Durchsetzung und Hierarchisierung wissenschaftlichen Wissens im Nahrungsmittelsektor. Das Gegenwissen der Nahrungsmittelchemiker konzentrierte sich dabei vorrangig auf drei Problemfelder. Die Ermittlung der chemischen Zusammen­ setzung bildete erstens die Kernkompetenz der Nahrungsmittelchemiker. Doch dabei handelte es sich nicht allein um folgenlose Datensammlungen. Die vielfach ermittelte »wechselnde Zusammensetzung des Präparates«410 trieb Standardisierungsbestrebungen der Produzenten wesentlich voran, stand deren Werbung mit Stoffgehalten doch immer auf dem Prüfstand. Die heterogenen Inhaltsstoffe der Nährpräparate, insbesondere aber die hygienisch heiklen Fleisch- und Milchbestandteile forcierten die Entwicklung auch bakteriologischer Untersuchungsmethoden. Relative Keimfreiheit war anzustreben, konnten Abweichungen doch publik gemacht werden.411 Fragen innerbetrieblicher Hygiene traten dadurch stärker in das Bewusstsein der Produzenten und der Öffentlichkeit.412 Zweitens erlaubte die Rückführung der Präparate auf ihre Stoffgehalte einen einfachen Nenner für die Preiswürdigkeit der in unterschiedlichen Verpackungen, Darreichungsformen und Konsistenzen angebotenen Markenartikel. Die Chemiker nahmen das Ideal ernst, »an Stelle teurer Naturprodukte billigere, aber gleich nahrhafte Kunstprodukte zu setzen«413. Ihre Arbeit sensibilisierte für die breiten Spannen dieses Feldes, in denen der Kilogrammpreis von Eiweiß um den Faktor 60 variierte.414 Konsumenten bot dies objektivierte Bewertungsoptionen abseits alltäglicher Billigkeitsmaßstäbe. Die Koppelung von Preis und 409 Typisch ist Beythien, A[dolf]: Einige neuere Erfindungen der Nahrungsmittelindustrie, ZUNG 12, 1906, 467–473. 410 Rubner, M[ax]: Bemerkung zur vorstehenden Notiz des Herrn St. Darby über Fluid Meat, Zeitschrift für Biologie 16, 1880, 212–214, hier 213. 411 Vgl. die Ausführungen in Ehrmann, C[lara]/Kornauth, K[arl]: Ueber neuere Nähr­ präparate, ZUNG 3, 1900, 736–739, v. a. 737. 412 Das Kaseinpräparat Plasmon wies anfangs eine hohe Keimbelastung auf, vgl. Prausnitz, [Wilhelm]: Ueber Plasmon, ein neues Eiweisspräparat, Hygienische Rundschau 10, 1900, 101–102; Wirtgen, 1902, 296. 413 Schmitz, 1912, 333. 414 Vgl. etwa den Überblick bei Dreyer, 1902, 38 bzw. Nachtrag, 1.

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Stoffgehalt intensivierte zugleich Bestrebungen, möglichst preiswerte Rohmaterialien einzusetzen und abseits des Stoffparadigmas bestehende Qualitätsunterschiede gering zu gewichten. Naturwissenschaftliches Wissen konnte und sollte Zukunft gestalten. Gleichwohl blieb das Scheitern vieler Produkte nicht ohne Folgen, orientierten sich die Chemiker drittens zunehmend auch am Geschmack der Produkte. Ihre Urteile waren anfangs noch stark subjektiv, so bei der Beurteilung der Peptone: »Es riecht unangenehm und selten ist Jemand im Stande, es ohne Widerwillen zu essen; nach meinem Geschmack ist es ekelhaft, riecht zum Theil wie Tischlerleim, zum Theil wie fauler Käse, scharf und sauer.«415 Mochten derartige Einschätzungen auch zutreffen, so wurde doch zunehmend versucht, derartige Eindrücke zu objektivieren. Auf der einen Seite traten insbesondere in klinischen Studien die Eindrücke der Essenden stärker in das Blickfeld, wurde die Erfahrungswelt der Konsumenten also ein relevanter Faktor bei der Beurteilung von Präparaten.416 Auf der anderen Seite bemühten sich insbesondere Chemiker um Methoden der »objektiven« Einschätzung von Geschmackseindrücken. Die Folgen dieser erweiterten Perspektive waren zweigeteilt: Einerseits finden wir eine neue Wertschätzung einfacher Naturprodukte und eines vermeintlich natürlichen Geschmacks.417 Anderseits aber wurde die Nachbildung eben dieser »Natur« zum Problem und zur Aufgabe für die Hersteller. Künstliche Kost mochte tendenziell widerwärtig schmecken und als Dauernahrung ungeeignet sein.418 Doch dies schien nicht die Konsequenz des Konzeptes zu sein, sondern nur Zwischenresultat vorläufiger Verfahren und eingeschränkten Wissens. Schlechter Geschmack verwies zwar auf den guten Geschmack angestammter »natürlicher« Nahrungsmittel, doch die Aufgabe schien kein »Zurück zur Natur«, sondern ein »Vorwärts!« hin zu besseren Präparaten.

3.4.4 Der Weg in die Nische. Marktsegmentierung und Verbraucherskepsis Dieser Weg wurde nicht beschritten. Die Eiweiß- und Nährpräparate hatten nach der Jahrhundertwende, nach dem relativen Scheitern von Tropon, ihren Höhepunkt überschritten. Mochten die neuen Erkenntnisse der Eiweiß- und Fettchemie auch immer wieder Vorstellungen preiswerter Präparate als »Volksnahrungsmittel« anheizen, so positionierten die Anbieter ihre Produkte doch 415 Pepsin und Pepton, Hannoversche Monatsschrift »Wider die Nahrungsfälscher!« 3, 1880, 161–162, hier 162. 416 Vgl. etwa Ewald, C[arl] A[nton]/Gumlich, G.: Ueber die Bildung von Pepton im menschlichen Magen und Stoffwechselversuche mit Kraftbier, BKW 27, 1890, 1016–1020, hier 1016. 417 Schmidt, 1911, 313. 418 Vgl. Sternberg, 1914, 346–347.

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zunehmend im sichereren und durchaus lukrativen Markt der Krankenkost und der Stärkungsmittel. Ambitionierte Versuche einer umfassenden Umgestaltung der Alltagskost unterblieben erst einmal, zumal durch die Entdeckung der Vitamine solche Ideen nochmals komplizierter machte.419 Der Weg in die Nische war auf der einen Seite Resultat eines Lernprozesses. Unternehmen konnten an wissenschaftlich fundierten Konzepten nicht mehr festhalten, wenn der Absatz kollabierte. Auf der anderen Seite findet man eine zunehmende Distanzierung von dieser Produktgruppe – sowohl seitens vieler Wissenschaftler als auch seitens »reeller« Unternehmer. Grund hierfür war die sich nach der Jahrhundertwende – analog zur künstlichen Säuglingsernährung (Kap. 3.1.5)  – intensivierende Kritik an der Kommerzialisierung der Krankenernährung speziell, industriell hergestellter Nahrungsmittel allgemein. Während in den 1890er Jahren Verbraucherskepsis kaum artikuliert wurde, es vielmehr einzelne Ärzte waren, die auf eine individualisierte Behandlung ihrer Patienten drangen, die durch standardisierte Präparate nicht zu gewährleisten sei, so veränderte sich diese Haltung nach der Jahrhundertwende unter dem Eindruck sowohl der Kommerzialisierung als auch der Ergebnisse der Nahrungsmittelkontrolle. Ein öffentlich breit diskutierter »Skandal« der Jahrhundertwende kann die langsamen Veränderungen und die beträchtlichen Probleme einer effizienten Bekämpfung von neuartigem Betrug verdeutlichen: Der Fleischsaft »Puro« wurde 1898 vom Medizinisch-chemischem Institut Dr. Scholl eingeführt und war trotz gewöhnungsbedürftigen Geschmacks und eines hohen Preises – 2,5 M für 150 ml – recht erfolgreich. Er galt als kräftigende Medizin für Rekonvaleszente, denen er in Suppenform, als Brotaufstrich oder aber aufgelöst in Heißgetränken gereicht wurde.420 Die Münchener Firma behauptete, ihr Produkt bestehe aus hochkonzentriertem Ochsenfleisch, böte insbesondere das Fleischeiweiß rein und natürlich dar. Eine Analyse des Wiesbadener Instituts Fresenius bestätigte einen hohen Eiweißanteil. Der Fleischsaft wurde Ende 1906 von einem in Kairo tätigen Göttinger Eiweißforscher als Testmittel verwandt, doch genuine Rindereiweißstoffe konnte er nicht nachweisen. Der darauf angeschriebene Hersteller betonte trotzdem, dass zur Herstellung von Puro »nur Rindfleisch«421 ohne Anwendung von Chemikalien verwandt würde. Doch neuerliche Untersuchungen an anderen Insti-

419 Natürlich gab es auch nach der Jahrhundertwende Ausnahmen, etwa das Nährmittel Odda, eine Mischung von dextriniertem Weizen- und Hafermehl, Eidottern und Kakao­ butter sowie Molke. Vgl. Klemperer, 1903, 360 bzw. Müller, Erich: Kasuistischer Beitrag zur Ernährung von Kindern mit Odda, TM 17, 1903, 340–343. 420 Dreyer, 1902, 6–8. 421 Schreiben d. Instituts Dr. H. Scholl v. 18.07.1907, zit. n. Schmidt, W. A.: Woraus besteht der »Fleischsaft Puro«?, MK l 4, 1908, 800–802, hier 801.

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tuten bestätigten die Skepsis.422 Statt der Essenz des Ochsen wurde eine Kombination industriell hergestellter Zwischenprodukte vertrieben. Der Fall blieb nicht verborgen. Der Münchener Physiologe Max von Gruber, seinerseits in der Nachfolge Liebigs Endkontrolleur von dessen Fleischextrakt, machte den Fall an prominenter Stelle publik, brandmarkte so den Fälscher.423 Der Widerhall war beträchtlich, bestätigten sich doch wieder einmal Befürchtungen vieler Ärzte und breiter Teile der Öffentlichkeit. Misstrauen gegenüber den Herstellern künstlicher Kost brach sich beredt Bahn, in führenden medizinischen Zeitschriften forderte man, nun »alle derartigen Präparate amtlich zu prüfen«424. Die chemische Analyse ließ Zweifel offenbar nicht zu, und die Kritiker fanden im Bund deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und -Händler einen gewichtigen Fürsprecher. Der Tatbestand der Täuschung schien jedenfalls unumstößlich.425 Das Oberste Landesgericht verurteilte den Fabrikanten Dr. Scholl »wegen fortgesetzten Vergehens und Betrugs zu 1 Monat Gefängnis und 3000 Mk. Geldstrafe.426 Doch dieser legte Revision beim Reichsgericht ein. Schließlich kaufe das Publikum sein Produkt doch wegen der guten Erfahrungen beim Verzehr des Fleischsaftes – dieses Wissen sei entscheidend, nicht aber die dem Präparat ohnehin erst später beigefügten Werbezettel. Eine wirkliche Täuschung liege demnach nicht vor, zumal die stoffliche Zusammensetzung von hochkonzentriertem Fleischsaft und von »Puro« recht ähnlich sei. Diese Logik erschien verwerflich, wurde entsprechend kommentiert: »Das Präparat Puro ist und bleibt gerichtet.«427 Unerträglich schien, dass für Puro weiter geworben wurde und die Firma ihr Herstellungsverfahren beibehielt. Dr. Scholl erschien als Täuscher, der »Aerzten und Kranken eine Mischung von Fleischextrakt und Hühnereiweiß als echten Fleischsaft angeboten und geliefert hat.«428 Nur vereinzelt wurde über die Verschreibungspraxis der Ärzte nachgedacht429, und die Eigenverantwortlichkeit der Konsumenten erörterte man 422 Horinchi, T.: Diätetische Nährpräparate vor dem Forum der spezifischen Präzipitation, MMW 55, 1908, 900–902. 423 Gruber, M[ax]: Ueber die Fleischsäfte »Puro« und »Robur«, DMW 34, 1908, 791–792. 424 Kleine Mitteilungen, DMW 34, 1908, 792. Nach den Unterlagen in BA R86 Nr. 3442 wurde das Kaiserliche Gesundheitsamt dann aktiv. 425 Der Fleischsaft »Puro«, DNR 6, 1908, 165. 426 Fleischsaft »Puro«, DNR 9, 1910, 22–23, hier 23. 427 Neustätter, Otto: Zu der »Aufklärung der Firma Puro-Dr. Scholl«, DMW 34, 1908, ­931–932, hier 932. 428 Geret, L[udwig]: Puro, DMW 34, 1908, 1150–1151, hier 1151. Geret wurde 1910 Mitarbeiter der Liebig-Gesellschaft, war zuvor Assistent am Hygienischen Institut der Universität München. 429 Staehelin, R[udolf]: Über Eiweißpräparate, TM 23, 1909, 634–638, hier 637, rief die Ärzte dazu auf, sich der Wirkung der von ihnen verschriebenen Eiweißpräparate stets bedacht zu sein.

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nicht. Schließlich wäre Puro auch ohne die Verfälschung ein überteuertes Präparat gewesen, das im Haushalt einfach und deutlich preiswerter hätte zubereitet werden können. Das Reichsgericht hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies das Verfahren an das Landgericht München. Angesichts der positiven gesundheitlichen Wirkungen und der relativen Analogie der Stoffe könne von einer Vermögensschädigung – und damit von Betrug – nicht ausgegangen werden. Dies sei entscheidend, nicht aber die falsche Angabe des Herstellungsverfahrens. Angesichts der nicht eindeutigen Bezeichnung »Fleischsaft«, die nun auf Grundlage von Handelsbräuchen definiert wurde, sei zudem ein gewisser Ermessensspielraum vorhanden. Scholls Strafe wurde daher deutlich reduziert: er habe zwar getäuscht, im Grundsatz aber ein ähnliches Produkt angeboten. Der Unternehmer zahlte die geringe Geldstrafe, die Firma änderte ihre Werbeaussagen und Puro wurde weiterhin angeboten. Die rechtliche Normierung wurde nun auf ein neues Niveau gehievt.430 Verfeinertes Wissen um die stoffliche Zusammensetzung schien das probate Mittel, um unangemessene Anwendungen des Stoff­ paradigmas einzudämmen – obwohl die Grenzen analytischer Beweisführung gerade im Prozess deutlich wurden. Das Beispiel zeigt eine zeittypische Furcht vor Überteuerung und Betrug. Max Rubner etwa kritisierte die »künstlichen Präparate«: »Ihr Dasein pflegt meist von kurzer Dauer zu sein, auf ein überschwängliches Lob der neuen Erfindung folgt sich steigernder Zweifel über die Wirksamkeit, dann die Klagen über die schädlichen Folgen, und damit verschwinden sie vom Schauplatze.«431 Innerhalb der medizinischen Profession prangerte man die vielfältigen Gefälligkeitsgutachten an und forderte wissenschaftsimmanente Regeln im Umgang mit der Nährmittelindustrie.432 Das Sponsoring der Industrie wurde benannt und kritisiert433, ebenso die indirekten Wirkungen der Werbung für die Verschreibungspraxis.434 Dokumentierte sich hierin eine kritische Selbstreflexion der Wissenschaft, grenzte diese Debatte jedoch den Endkonsumenten aus, galt doch als ausgemacht, »daß Arzt und Fabrikant die Personen sind, zwischen denen die Sache sich abspielt«.435 430 Micko, Karl: Über die Untersuchung von Fleischsäften, ZUNG 20, 1910, 537–564. 431 Rubner, 1899, 22. 432 Vgl. Zum Kapitel der Reklameartikel, BKW 45, 1908, 626–628, wo zudem belegt wurde, dass für das Nährpräparat Visvit mit fast gleichartigen Anpreisungen wie 1899 für Hygiama geworben wurde. Vgl. auch Nochmals »Zum Kapitel der Reklameartikel«, Ebd., 859–860. 433 Vgl. Heubner, W[olfgang]: Über Reklame durch Sonderabdrücke, TM 24, 1910, ­169–171; Ders.: Nochmals über Reklame durch Sonderabdrucke. Erwiderung an Herrn Prof. G. Klemperer, ebd., 24, 1910, 281–284. 434 Etwa Staehelin, 1909, 635. 435 Voigt, J[ulius]: Reklame für pharmazeutische Präparate durch Sonderabdrücke und ähnliches, TM 24, 1910, 739–740, hier 740.

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Die Konsumenten selbst sind leider nur indirekt zu fassen. Doch in den Zeitschriften der Konsumgenossenschaften und der politischen Arbeiterbewegung wurden Nahrungsmittelverfälschungen und -überteuerungen systematisch thematisiert und konsequent angeprangert. Die Vorstellung, im Alltag betrogen zu werden, war allgemein verbreitet. Die Rohstoffbasis vieler Nähr- und Eiweißpräparate ließ sie besonders virulent werden. Schon die Anlage von Rieselfeldern mündete in den 1890er Jahren in öffentliche Kritik an »Jauchegemüse«, »Kloakenfische« oder aber der Qualität der dort gewonnenen Milch.436 Die »Kadavermehl«-Verfütterung an Schweine wurde öffentlich skandalisiert und auch die preiswerten Eiweißquellen der Präparate problematisiert.437 Der Weg in die Marktnische war für viele Anbieter auch ein Versuch, dieser öffentlichen Debatte zu entgehen. Krankenkost wurde anders bewertet, ihr wohnte die »Zauberkraft«438 der Arznei inne. Den Präparaten wurden teils heilende Wirkungen zugeschrieben, die weit über die indirekten Resultate ihrer Nährkraft hinausgingen.439 Doch auch hier veränderten sich Zuschreibungen  – zumindest auf Seiten der Ärzte. War in der Privatarztpraxis die Verschreibung von Nähr­ mitteln um 1900 gängig, erfolgte in den Folgejahren eine neuerliche Rückkehr zur individualisierten Diagnose und Therapie. Getragen von wachsender Verbraucherskepsis gab es vor 1914 eine Rückbesinnung auf gute und wohlschmeckende Krankenspeisen.440 Neben diesen unmittelbar produktbezogenen Debatten ist schließlich die indirekte Wirkung der zunehmend im öffentlichen Raum diskutierten Frage künstlicher Kost nicht gering zu schätzen. Gerade im breiten Feld der Lebens­ reform finden sich zahllose Zeugnisse, in denen die Präparate zum Symbol einer fehlgeleiteten Moderne wurden, die es durch Renaturierung neu zu gestalten gelte. Ähnliches galt auch im Bürgertum. Die Frage nach dem Glück und der Zukunft des modernen Menschen bewegte die Zeitgenossen, die sich mit immer wieder neuen, immer wieder andersgleichen Innovationen auseinander zu setzen hatten. Apokalyptisch vermerkte 436 Vgl. dazu etwa Discussion über den Vortrag des Herrn Th. Weyl: Beeinflussen die Rieselfelder die öffentliche Gesundheit!, BKW 32, 1895, 1103–1106; Schoenichen, W[alther]: Fischzucht auf Rieselfeldern, Prometheus 16, 1905, 181–184; Rieselgras und Milchqualität, MDLG 24, 1909, 669. 437 Vgl. allgemein Haefcke, H[ermann]: Die technische Verwerthung von thierischen Cadavern, Cadavertheilen, Schlachtabfällen u.s.w., Wien/Pest/Leipzig 1899. 438 Cahn, 1893, 566. 439 Dreyer, 1902, 14, berichtete etwa vom populären Glauben, Sanatogen könne gegen Rachitis helfen. Somatose sollte demgegenüber die Manneskraft befördern (Staehelin, 1909, 638). 440 Allerdings betonten gerade Diätärzte die positiven Dienste der Präparate, vgl. etwa Noorden/Salonon, 1920, 622–626 (mit einem Kriterienkatalog für sinnvolle Produkte). Selbstverständlich gab es auch strikte Befürworter, vgl. etwa Bornstein, Karl: Qualität oder Quantität?, BKW 45, 1908, 1807–1810, hier 1807.

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etwa Werner Sombart: »Die natürliche, lebendige Welt ist in Trümmer geschlagen, damit auf diesen Trümmern eine kunstvolle Welt aus menschlicher Erfindungsgabe und toten Stoffen sich erhebe«441.

3.5 Moden der Konsumgesellschaft: Light- und Diätprodukte Die bisherigen Beispiele belegen, dass neues objektiviertes Wissen eine beträchtliche Erweiterung der Nahrungsmittelpalette ermöglichte, auch wenn gering verarbeitete Grundnahrungsmittel die Alltagskost nach wie vor klar dominierten. Der wirtschaftliche Erfolg künstlicher Kost blieb auf Nischenmärkte begrenzt. Doch wissenschaftliches Wissen mündete nicht nur in mehr, sondern zunehmend auch in andere Produkte. Die tradierten Nahrungsmittel standen nicht nur in Konkurrenz zu neuartigen Produkten, sondern das Stoffparadigma erlaubte Erzeugung, Produktion, Transport, Distribution, Konsum und Entsorgung des Bestehenden spezifisch zu verändern. Gleich bezeichnete Produkte wurden in rückwärtigen Sektoren verändert, ohne dass dies für den Konsumenten direkt ersichtlich war. Ein gutes Beispiel ist der Zucker, dessen Produktion im 19. Jahrhundert durch den erheblich gesteigerten Zuckergehalt der Rüben und neue, höhere Ausbeuten ermöglichende Verarbeitungstechniken grundlegend umgestaltet wurde.442 Doch neben diesem dominanten Trend nach mehr Ertrag und gehaltvolleren Produkten gab es auch einen gegenläufigen Trend, der sich insbesondere seit den 1890er Jahren zuerst zu einem relevanten Forschungsfeld, dann auch zu einem Markt entwickelte. Der Trend nach weniger Gehalt und damit anderen Stoffprofilen zielte allerdings weniger auf Nahrungs-, sondern stärker auf Genussmittel. Dies war Folge der hohen Wertschätzung des Nährwertes in einer Zeit, in der elementarer Hunger zwar überwunden, Unterversorgung der »minderbemittelten« Schichten aber noch ein Breitenphänomen war.443 Es war aber auch Ausdruck begrenzten chemischen und technologischen Wissens, insbesondere bei der Fettchemie (Kap. 2.2.2). Genussmittel boten sich aber auch an, da deren als zu hoch und verderblich angesehener Konsum mit besonderen, vielfach sozial überlagerten Problem 441 Sombart, Werner: Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen, München/Leipzig 1913, 427. 442 Müller, Hans-Heinrich: Zur Geschichte und Bedeutung der Rübenzuckerindustrie in der Provinz Sachsen im 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Magdeburger Börde, in: Rach, Hans-Jürgen/Weissel, Bernhard (Hg.): Landwirtschaft und Kapitalismus, Halbbd. 2, Berlin (O) 1979, 9–61. 443 Vgl. dazu als Fallstudie Dehne, Harald: Die fremde arme Welt in der heilen Stadt. Ernährungsdefizite im Übergang, bürgerlicher Missionseifer und die Einbildungen des Berliner Magistrats 1871–1914, in: Kühberger, Christoph/Sedmak, Clemens (Hg.): Aktuelle Tendenzen der historischen Armutsforschung, Münster 2004, 127–163.

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lagen verbunden war und einfache, kurzfristig angelegte Gegenmaßnahmen regelmäßig scheiterten. Eingriffe in die stoffliche Substanz sollten die innere Struktur der Genussmittel verändern, ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre alimentäre Position jedoch beibehalten. Nicht Genussfeindschaft wurde propagiert und praktiziert, sondern anderes Genießen ermöglicht: Es galt, andere Produkte zu konsumieren, nicht aber sein Konsumverhalten grundsätzlich umzustellen. Der Wunsch nach weniger wurde vorrangig von Bürgern getragen, die ihren Genussmittelkonsum auf eine vermeintlich höhere, kultiviertere Ebene heben wollten. Ihr Kulturideal des Maßhaltens und des Schicklich-Angemessenen wurde durch andersartige Produkte gestützt, so zugleich das Arsenal ihrer Erziehungs- und Bildungsmission gegenüber den »minderbemittelten« Schichten um wichtige Hilfsmittel ergänzt. Folgeprobleme freien Konsums sollten durch andersartige Produkte vermindert werden. Der Markt sollte also helfen, gesellschaftliche Probleme vernünftig zu regeln. Lightprodukte waren demnach reflektierte Antworten auf die Schwächen der Genüsslichen, erlaubten zugleich aber die Bildung von Lebensstilmärkten. Um dieses in der Forschung vielfach auf die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verengte Geschehen genauer analysieren zu können, widmen wir uns im Folgenden zwei Beispielen, der Entgiftung der Genussmittel einerseits, des Übergangs von diätetischen Körperpraktiken zu einem käuflichen Sortiment von Diätpräparaten anderseits.

3.5.1 Entgiftung. Anspruchshaltungen und Umsetzungen Der wachsende, wenngleich höchst unterschiedlich verteilte Wohlstand während der Hochindustrialisierung erlaubte nicht zuletzt einen steigenden Konsum von Genussmitteln.444 Doch der Wachstumsprozess verlief keineswegs gradlinig und brach vielfach ab. Selbst der deutlich steigende Kaffeekonsum – 1836/40 wurden im Zollvereinsgebiet ca. 0,9 kg pro Kopf und Jahr konsumiert, 1900/05 lag dieser Wert im Deutschen Reich bei 3,0 kg445 – hatte seinen Höhepunkt 1909 erreicht, sank dann auf nurmehr 2,5 kg 1913.446 1870 wurden pro Kopf 1,8 kg Tabak verbraucht, der Wert sank dann kontinuierlich auf 1,4 kg, stieg 444 Der Begriff war im 19. und frühen 20. Jahrhundert deutlich breiter besetzt. Vgl. annähernd Hengartner, Thomas/Merki, Christoph Maria: Für eine Geschichte der Genussmittel, in: Dies. (Hg.): Genussmittel. Ein kulturgeschichtliches Handbuch, Frankfurt a. M./New York 1999, 7–21. 445 Ballod, Carl: Grundriss der Statistik enthaltend Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Finanzund Handelsstatistik, Berlin 1913, 151, 159 (Tabak). 446 Die Grundlagen einer laufenden Statistik des Verbrauchs an Nahrungs- und Genußmitteln, Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs 46, 1937, I.47-I.60, hier I.57.

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wieder auf den Ausgangswert, um sich 1912/13 bei knapp 1,6 kg einzupendeln. Beim Alkohol finden wir im frühen 19. Jahrhundert parallel zum Niedergang der alten zünftigen Bierkultur einen dramatischen Anstieg des Spirituosenkonsums auf 8 l reinen Alkohol pro Kopf in Preußen während der »Branntweinpest« der 1830/40er Jahre. Auch wenn dann ein Einbruch erfolgte, stieg der Konsum sowohl der Spirituosen als auch des danach zunehmend untergärigen Bieres von 1850 bis 1887 kontinuierlich an. Erst die drastische Branntweinsteuererhöhung von 1887 führte zu einem erst schlagartigen, dann moderaten Rückgang des Spirituosenkonsums, während der Bierkonsum bis 1900 langsam stieg, dann aber auf etwa mehr als 100 l pro Kopf zurückging.447 Die fehlende direkte Korrelation zwischen Genussmittelkonsum und Wohlstandsentwicklung resultierte nicht zuletzt aus den kämpferisch geführten Debatten zwischen Genussmittelproduzenten und der breit gelagerten Temperenzbewegung.448 Deren anfangs vornehmlich auf Moral, Sittsamkeit und haushälterische Vernunft zielende Argumentation wurde durch die chemische Reindarstellung etwa von Ethanol, Koffein oder Nikotin um eine neue Wissensdimension erweitert. Die Existenz giftiger, den Körper direkt schädigender Stoffe führte zu einer rigideren Kritik, da die Wirkung der »Genussgifte« über Stoffwechselprozesse zu objektivieren war und sich die Schädigungen in Abhängigkeit, Organschädigungen oder aber Tod manifestierten.449 Disziplin und Abstinenz boten Alternativen. Das Stoffparadigma erlaubte jedoch eine weitere Lösung: Genuss- und Giftwirkungen ließen sich auf Stoffe und Stoffwechselprozesse zurückführen. Ebenso wie man sich bemühte, etwa die Geschmacksstoffe in Fleischextrakt und Würzen zu konzentrieren, musste es doch auch möglich sein, schädigende Stoffe auszuschalten, zumindest aber ihren Anteil auf ein erträgliches Maß zu vermindern.450 Wissen um die stoffliche Struktur machte einen folgenlosen Genuss grundsätzlich denkbar, zumin­dest 447 Tappe, Heinrich: Alkoholverbrauch in Deutschland. Entwicklung, Einflussfaktoren und Steuerungsmechanismen des Trinkverhaltens im 19. und 20. Jahrhundert, Der Bürger im Staat 52, 2002, 213–218, hier 213–214. 448 Hierzu detailliert und kenntnisreich Tappe, Heinrich: Auf dem Weg zur modernen Alkoholkultur. Alkoholproduktion, Trinkverhalten und Temperenzbewegung in Deutschland vom frühen 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg, Stuttgart 1994. 449 Vgl. auch Radkau, Joachim: Industrialisierung des Bewußtseins und moderne Nervosität: Zur Mythologie und Wirklichkeit der Neurasthenie im Deutschen Kaiserreich, in: Milles, Dietrich (Hg.): Gesundheitsrisiken, Industriegesellschaft und soziale Sicherungen in der Geschichte, Bremerhaven 1993, 37–52. 450 Das Prinzip funktionierte natürlich auch umgekehrt: Genussmitteln, vorrangig Schokolade und Alkoholika, wurden positiv besetzte Stoffe mit möglichen Gesundheitswirkungen hinzugefügt, um den Nährwert im Rahmen der Krankenernährung zu erhöhen, um zugleich aber vom positiven Image der Genussmittel zu profitieren. Peptonbiere, Peptonschokolade oder Somatosewein blieben jedoch Einzelerscheinungen, auch der Zusatz anderer abgebauter Eiweißarten wurde nicht üblich. Vgl. Klemperer, 1903, 352.

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aber konnten die Konsequenzen individuellen Fehlverhaltens minimiert werden. Diese Option wurde auch von der vermeintlichen Indolenz der Trunken­ bolde, Tabakschlote und Kaffeetanten gefördert, die für die wachsende Palette von Substituten nur Hohn, ja Verachtung aufbrachten. Drei strukturelle Entwicklungen begünstigten die Umsetzung der Entgif­ tungsvorstellungen in reale Konzepte: Erstens finden wir schon im späten 19. Jahrhundert, besonders aber während der unmittelbaren Jahrhundertwende, einen Gesundheitsdiskurs, der individuelles Konsumverhalten und den vermeintlichen Niedergang des Volkskörpers miteinander verband. Anders als bei der Säuglingsernährung (Kap. 3.1.5) waren die Erwachsenen hier direkt gefragt. Alkohol, Nikotin und Koffein erschienen als ein »Hauptfaktor der zunehmenden Nervosität unserer Zeit«451, als kausales Element wachsender Gesundheitsprobleme. Entgiftung schien eine praktikable Antwort. Eine zweite Entwicklung war unmittelbar mit dem Vordringen des Stoff­ paradigmas in die Öffentlichkeit verbunden. Das Wissen über die Existenz von Gift- und aromatischen Stoffen ließ eine Trennung denkbar werden. In der Alltagsrationalität wurde Bier-, Zigarren- und Kaffeegenuss vorrangig situativ und sensorisch, also über gewisse Gerüche und Geschmäcke definiert, nicht jedoch über die untergründig sehr wohl präsenten toxischen Stoffe. Da die schon in den Debatten über den Fleischextrakt immer wieder diskutierte Katalysatorenfunktion der Genussmittel durchaus populär war, erschien ein Verzicht auf die vielfältigen stimulierenden Inhaltsstoffe kaum sinnvoll, wohl aber die Separierung negativ wirkender Giftstoffe. Drittens schließlich bestand um die Jahrhundertwende ein schon im Rahmen der Eiweiß- und Nährpräparate angesprochener Gestaltungsoptimismus. Die lange Zeit unüberwindbar scheinende Hürde kausaler Wirkungsweisen einzelner Genussmittelinhaltsstoffe wurde nun als zu erforschende Aufgabe betrachtet. Natur schien gestaltbar, entsprechend visierte man zumindest Teillösungen an. Skeptiker bemängelten zwar, dass gerade bei Genussmittel besondere Vorbehalte »gegen das Künstliche«452 beständen und die neuen Produkte immer nur Surrogate sein würden. Doch der gestaltende Optimismus von Wissenschaftlern und Unternehmern überwog.

451 Reinhardt, Ludwig: Der Wert der verschiedenen Fleischprodukte für den Menschen, KT 11, 1909, 284–288, hier 284. 452 Walter, Erich: Die alkoholfreie Industrie, ihr Ziel und ihre Auswüchse, Die Umschau 14, 1910, 563–564, hier 563.

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3.5.2 »Kein Surrogat«. Lightprodukte zwischen Innovation und Ersatz Genussmittel sind und waren stets Gegenstand von Risikodiskursen. Wo die Gefahr lauert, sind Entgiftungsbestrebungen nicht fern. Ihr Schwerpunkt lag allerdings bei Genussmitteln mit einerseits übersichtlicher stofflicher Struktur, insbesondere vermeintlich eindeutigen Wirk- resp. Giftstoffen. Anderseits konzentrierten sich Forschung und Produktgestaltung auf Genussmittel mit – im damaligen Verständnis – moderatem Schädigungspotenzial und hoher Alltagsrelevanz. Bier, Zigarren und Kaffee bildeten die wichtigsten Anwendungsgebiete. Bier wurde auch seitens der vom 1883 gegründeten »Deutschen Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke« angeführten Temperenzbewegung nicht durchweg abgelehnt. Hochprozentige Spirituosen wurden bekämpft, Bier als Mittel gegen den Branntwein jedoch teils geduldet. »Enthaltsame« standen gegen »Mäßige«, 1903 sollte die Antialkoholbewegung an dieser Frage ihre institutionelle Einheit verlieren.453 Entsprechend geriet das mit einem Alkoholgehalt von 3–4,5 % relativ schwache Bier vergleichsweise spät in das Blickfeld der Entgifter. Stattdessen wurden noch in den 1880er Jahren zahlreiche »Gesundheitsbiere« angeboten, deren Alkoholgehalt im üblichen Rahmen schwankte.454 Sie zeichneten sich durch einen besonders hohen Malzgehalt aus, in der Werbung wurde solches »Kraftbier« aufgrund seines spezifisch aufgeschlossenen Eiweißes angepriesen.455 Derartige Biere waren relativ teuer, bildeten Pendants zu den wesentlich weiter verbreiteten Medizinalweinen. Doch Bedeutung hatten sie nur in der Nische der Krankenernährung. Zudem gab es mit den seit den 1870er Jahren vermehrt produzierten »Malzbieren« alkoholarme Getränke mit ca. ein Prozent Alkoholgehalt, die aus Hopfen, Malz, Hefe, Zucker und vielfach Zuckercouleur produziert wurden.456 Die vermeintlich kräftigende Wirkung führte zu ärztlichen Empfehlungen, gerade Schwangeren diente sie zur Stärkung.457 Mangels klarer Begriffsdefinition und Kennzeichnungen war es für Zeitgenossen jedoch schwierig, die sehr unterschiedlichen Qualitäten in diesem Marktsegment angemessen zu beurteilen. 453 Vgl. Spode, Hasso: Alkohol und Zivilisation. Berauschung, Ernüchterung und Tischsitten in Deutschland bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 1991, 169–193; Ders.: »Der Charakter des Rausches hatte sich total verändert«. Historische Voraussetzungen der Alkoholismusprävention: Deutsches Reich, Bundesrepublik und DDR , in: Roeßiger, Susanne/Merk, Heidrun (Hg.): Hauptsache gesund! […], Marburg 1998, 103–119, v. a. 103–106. 454 Villaret, 1883, 767. 455 Klemperer, 1898, 296. 456 Vgl. Zusatz von Zucker bei der Bierbereitung, DNR 4, 1906, 195–196. 457 Vgl. Klemperer, 1898, 301.

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Abb. 17a+b: Der Übergang von der Spezialität zur Alternative um 1900

Markenanbieter wie die spätere Malzbierbrauerei Groterjan hoben daher wieder und wieder hervor, dass es sich um kein »aus den Bieren anderer Brauereien eingekochtes Fabrikat« handele, ebenso nicht um »ein aus Würze u. künstlicher Kohlesäure fabricirtes Getränk«458. Zugleich gab es auch ärztliche Kritik an dem zu hohen Zuckergehalt der Malzbiere.459 Alkoholfreie Biere kamen im Deutschen Reich erst in den späten 1890er Jahren auf. Sie enthielten zumeist die Grundstoffe Hopfen und Malz, doch beschritt man verschiedene Wege, die Alkoholbildung zu unterdrücken bzw. dem Getränk Alkohol zu entziehen. Drei Verfahren lassen sich unterscheiden: Erstens wurden Biere erhitzt oder aber in einen Wasserdampfstrom geleitet, um Alkohol derart abzukochen. Zweitens versuchte man die Malzauszüge keimfrei zu machen, und drittens setzte man anstelle der Hefe andere Mikroorganismen und Enzyme ein, um Milch- oder Zitronensäure statt Alkohol zu produzieren.460 458 Malzbierbrauerei Christoph Groterjan, Das Rothe Kreuz 20, 1902, 384. Zu Groterjan, einem Betrieb mit 1930 500 Beschäftigen, vgl. Malzbierbrauerei Groterjan & Co Aktien­ gesellschaft, in: Die deutsche Brauindustrie der Gegenwart, Mannheim 1930, 271 bzw. Borkenhagen, Erich: 125 Jahre Schultheiss-Brauerei. Die Geschichte des Schultheiss-Bieres in Berlin von 1842 bis 1967, Berlin (W) 1967, 169. 459 Marcus, Julian: Zur Frage der alkoholfreien Ersatzgetränke, BKW 37, 1900, 427–428. 460 Beythien, A[dolf]: Welche Anforderungen sind von der amtlichen Nahrungsmittelkontrolle an die alkoholfreien Getränke zu stellen?, ZUNG 14, 1907, 26–33, hier 28.

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Weitere Einzelverfahren experimentierten insbesondere vor der Einführung des Reinheitsgebotes im nordwestdeutschen Braugebiet mit Zuckern, so das 1897 patentierte Lappsche alkoholfreie Bier, das Wegbereiter vieler weiterer Produkte war.461 Daneben aber gab es eine Reihe von Anbietern, die im Sinne des Stoffparadigmas versuchten, alkoholfreie Biere mit Kohlensäure, Teerfarbstoffen, Phosphorsäure und Malzextrakt gleichsam künstlich nachzubauen.462 Abseits derartiger Trittbrettfahrer etablierte sich kurz nach 1900 ein wachsendes reelles Marktsegment von »entgifteten« Bieren, die nur wenig teurer waren als konventionelle Biere, aber deutlich billiger als »Gesundheitsbiere« und Malzextrakte.463 Die Temperenzbewegung begrüßte und förderte die neuen Produkte jedenfalls, auch wenn sie stärker auf Mineralwässer und die zur Jahrhundertwende langsam aufkommenden Limonaden setzte.464 Gleichwohl wiesen auch die patentierten Qualitätsprodukte Defizite auf. Teils erinnerten sie geschmacklich an die schwach eingebrauten »Einfachbiere«, die Brauereien für Arme und Frauen herstellten. Teils hatten sie einen geringen Malzgehalt, der durch Zuckercouleur kaschiert wurde.465 Vielfach lag ihr Alkoholgehalt deutlich über 1 %. Kritisch hieß es 1910: »Alles was bisher als Bierersatz auf den Markt kam, schmeckt nicht.«466 Das Kernproblem der Entgiftung blieb, dass mit dem Alkohol vielfach auch aromatische Stoffe entfernt wurden, während zugleich vollmundiges Bier den Referenzgeschmack bot. Alkoholfreies Bier boten zudem meist kleine Nischenproduzenten an, die zwar vielfach über naturwissenschaftliche Kenntnisse verfügten, selten aber über eine profunde Brauerausbildung. Die Brauereien produzierten zumeist kein »alkoholfreies« Bier. Diese Konkurrenzstellung bedeutete, dass es in den zumeist an Brauereien gebundenen Gaststätten und Restaurationen nicht erhältlich war, man somit auf die qua Verpackung teureren Vertriebswege des Flaschenbierhandels bzw. des Versandhandels angewiesen war.467 Alkoholfreie Biere wurden in der Öffentlichkeit als neuartige »Kunstprodukte«468 wahrgenommen. Ihre Einordnung in die bestehende Palette der Nahrungsmittel bereitete sowohl Konsumenten als auch den Nahrungsmittelchemikern beträchtliche Probleme, da die Entfernung des Alkohols sehr un 461 Anwendung intensiver Kälte bei der Herstellung alkoholfreier Biere, ZKI 5, 1898, 92. 462 Apotheker Laeuens alkoholfreies Bier, Wochen-Bericht der Grosseinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine 7, 1900, Nr. 13, 12. 463 Fehsenfeld, Georg: Die alkoholfreien Ersatzgetränke vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege, MK l 11, 1915, 483–487. 464 Flade, [Erich]: Ref. v. Hirschfeld/Meyer: Ueber alkoholfreie Ersatzgetränke, BKW 1899, Nr. 48, Hygienische Rundschau 10, 1900, 462. 465 Beythien, 1907, 29. 466 Meyer, Semi: Entgiftung der Genußmittel, Zeitschrift für physikalische und diäte­ tische Therapie 13, 1910, 424–429, hier 428. 467 Walter, 1910, 564. 468 Mezger, O[tto]: Über alkoholfreie Getränke, ZUNG 15, 1908, 14–19, hier 17.

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Abb. 18: Präsent und doch fremd: Alkoholfreie Produkte in der Karikatur 1913

terschiedlich erfolgte und eine Definition über nicht Vorhandenes kaum praktikabel war. Entgiftete Biere galten als Ersatzprodukte, nicht aber als eine neue Produktkategorie eigenen Rechts. Sie wurden vornehmlich auf ärztlichen Rat getrunken und erreichten, anders als die späteren »near beers« in den USA, trotz beträchtlicher technologischer Innovationen nicht den Massenmarkt.469 Der Zigarrenmarkt bot demgegenüber günstigere Voraussetzungen für Entgiftungsbestrebungen. Tabak galt als sehr gefährliches Genussmittel, Nikotin wurde der Blausäure gleichgesetzt.470 Rauchen, so die Mehrzahl der publizierenden Ärzte, schädige Herz, Kreislauf und Verdauungsorgane, der Qualm reize zudem Schleimhäute und Atemwege. Allerdings gab es auch zahlreiche anders lautende Stimmen: Ein Teil des Nikotins gehe im Rauch auf, die gesamte Rauchware werde nicht genutzt, zudem nicht alles Gift resorbiert. Demnach wirke nur ein Bruchteil, »das ist aber so gut wie nichts!«471 Die Tabakindustrie lenkte den Blick vom Wirkstoff auf die »Unmäßigkeit mancher Raucher«, also individuel 469 Paproth, H.: Ernährungswirtschaftliche und sozialhygienische Bedeutung des Bieres, in: Die deutsche Brauindustrie der Gegenwart, Mannheim 1930, 236–248, hier 236; Spiekermann, Uwe: Marketing Milwaukee: Schlitz and the Making of  a National Beer Brand, ­1880–1940, Bulletin of the German Historical Institute 53, 2013, 55–67, hier 62–64. 470 Reinhardt, Ludwig: Wie ernähren wir uns am zweckmäßigsten und billigsten?, Stuttgart 1909, 87. 471 Straub, W.: Die Nikotinfrage beim Rauchen, Die Woche 4, 1902, 612–613, hier 613.

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les Risikoverhalten. Zugleich verwies man auf die anregende Wirkung des Rauchens und die durch die Bakteriologie bestärkte Vermutung, dass Tabakgenuss »einen gewissen Schutz gegen ansteckende Krankheiten gewähre«472. Dieses Wechselspiel der wissenschaftlichen Argumente reichte bis in die frühe Neuzeit zurück. Später bemühten sich Zigarrenhersteller, die natürliche Variationsbreite des Tabaks zu nutzen. Schon in den 1870er Jahren wurde von dem Fabrikanten Carl Mündner eine »Gesundheitszigarre« aus schwach nikotinhaltigen Tabakblättern hergestellt, und sein Sohn Richard versah Zigarren mit einem Mundstück.473 Bestanden damit grundsätzlich Wahlmöglichkeiten für die Raucher, so erhöhte die in den 1890er Jahren systematisch betriebene Analyse unterschiedlicher Tabake und auch Zigarren die Transparenz auf Seiten der Tabakwarenanbieter und -konsumenten.474 Es ist nicht sicher, ob die zu dieser Zeit einsetzende Verlagerung des Absatzes auf leichtere, also nikotinärmere Zigarren eine unmittelbare Folge dieses erhöhten Wissens um Risiken war. Sicher aber ist, dass um 1900, etwas später als bei alkoholfreiem Bier, eine wachsende Zahl von Verfahren zur Entnikotinisierung von Tabak und Rauchwaren patentiert wurde und zuerst neue »Gesundheits-Zigarren«, dann auch »nikotinfreie« bzw. »nikotinarme« Zigarren angeboten wurden.475 Grundsätzlich gab es vor 1914 drei Arten der Entnikotinisierung: Entweder wurde das Nikotin durch Auslaugen des Tabaks entfernt, durch Zusatz von Chemikalien gebunden resp. gelöst oder aber nachträglich durch Erhitzung entfernt.476 Auch körpernahe Entgiftung war möglich. Zum einen wurden Tabletten entwickelt (etwa das Präparat Nicomor), die während des Rauchens gelutscht wurden und als eine Art Gegengift dienen sollten. Zudem setzte man Zigarrenfilter ein, meist aus Watte bestehend, teils mit bindenden Chemikalien ergänzt.477 Das ausgefeilteste Entgiftungssystem wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg von der Entnikotinisierungsanstalt August Falk in Wien eingeführt, in Deutschland wandte es (mit leichten Verbesserungen) die »Nea« 472 Bresler, Joh[annes]: Die Einwirkung des Tabakgenusses auf den menschlichen Körper, in: Wolf, Jacob (Hg.): Der Tabak und die Tabakfabrikate, Leipzig 1912, 225–238, hier 238 (auch für das vorherige Zitat). 473 Koenig, Paul: Die Entdeckung des reinen Nikotins […], Bremen 1940, 22. 474 Vgl. etwa Frölich, H[ermann]: Gesundheitspflege für Tabakraucher, Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege 16, 1897, 459–497. 475 Details enthält Hermann, F.: Entgiftete Genußmittel, Die Umschau 13, 1909, 570–573, hier 572. Vgl. Wendt’s Patent-Cigarren und Cigaretten, Der Materialist 25, 1904, Nr. 27, 21; Unsere Cigarren D. R. P. No. 98598, Simplicissimus 9, 1904/05, n. 380; Fast nicotinfrei, Jugend 11, 1906, 781. 476 Beer, Herbert: Über die Verminderung der Schädlichkeit des Tabakrauches bei Anwendung von Bonikot, Nikoton und Wattefiltern, Med. Diss. Leipzig 1931, 7; Hermann, 1909, 572. 477 Ditmar, Rudolf: Entnikotinisierung von Tabak, Die Naturwissenschaften 1, 1913, 433–436, hier 434.

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Abb. 19: Erklärung und Anpreisung für den empfindlichen Konsumenten 1904

Nikotin-Entziehungs-Anstalt GmbH in Berlin an. Fertige Rauchwaren erhitzte man hier nachträglich in speziell konstruierten Apparaten und reduzierte dadurch den Nikotin-, aber auch Ammoniakgehalt um ca. 50 %, ohne das Aroma zu zerstören. Mehrfach angewandt erhielt man so Zigarren mit sehr geringem Nikotingehalt.478 Angesichts derartiger Verfahren überrascht nicht, dass einige der Produkte erhebliche Defizite aufwiesen. Kontrollen ergaben vielfach kaum verringerte Nikotingehalte.479 In der Öffentlichkeit gerieten die nikotinfreien Zigarren dadurch 1906/07 in die Defensive, zumal viele Raucher die Präparate nutzten, um ihrer Sucht nun besonders zu frönen. Generell galt, dass kundige Konsumenten aus dem konventionellen Angebot sehr wohl Zigarren aus besonders nikotin 478 Vgl. Grafe, Viktor: Gärung und alkoholfreie Getränke, Prometheus 22, 1911, 516–519, hier 515; dort auch eine Abbildung des Apparates. 479 Vgl. Die Schäden des Tabak-, Tee- und Kaffeegenusses, VW 40, 1907, 92; Röhrig, Armin: Bericht über die Tätigkeit der Chemischen Untersuchungsanstalt der Stadt Leipzig im Jahr 1906, ZÖC 13, 1907, 297–300, 318–320, hier 320.

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armen Sorten wählen konnten, deren Giftgehalt deutlich niedriger war als bei vielen als »nikotinfrei« bezeichneten Produkten.480 Mangels Kennzeichnungspflichten waren Verbraucher aber nach wie vor auf Zusatzinformationen angewiesen. Entgiftete Präparate schufen zwar eine Kunstwelt der Reinheit, doch abseits der Werbeversprechen taten die Hersteller wenig für die Transparenz ihrer Imaginationen. Gleichwohl reduzierten die meisten Verfahren den Nikotingehalt der Zigarren nicht unerheblich. Schließlich war auch die Tabaklauge der meist kleinen spezialisierten Anbieter eine begehrte Ware, die als Pflanzenschutzmittel v. a. im Wein- und Obstbau eingesetzt wurde. Vor dem Hintergrund der Entwicklung dieser beiden Teilmärkte war es nicht absehbar, dass ausgerechnet der Kaffeemarkt zum Durchbruch »entgifteter« Lightprodukte werden sollte. Auch hier gab es kausales Wissen über das »Nervengift«481 Koffein, das 1820 von Friedlieb Ferdinand Runde entdeckt worden war. Carl Voit hatte schon früh Koffeinwirkungen an Hunden und Fröschen erforscht, gleichwohl waren die Kenntnisse über die Koffeinwirkungen noch um die Jahrhundertwende gering; trotz einer weit zurückreichenden diätetischen Tradition. Die harntreibende und anregende Wirkung des Kaffees war offenkundig, unklar aber war, ob dies das Koffein oder andere Inhaltsstoffe bewirkten.482 Die zahllosen Warnungen an Nervöse, Frauen und Kinder und zahllose behauptete Auswirkungen auf Physiologie und Geschlechtstrieb gründeten meist auf Vorurteilen, weniger auf objektiviertem Wissen.483 Kaffee galt um die Jahrhundertwende als an sich entbehrliches Luxusgetränk, doch insbesondere aufgrund des mengenmäßig bedeutsameren Ersatzkaffees war er als Teil der Alltagskost nicht zu ersetzen. Seine anregenden Eigenschaften waren schon seit den späten 1870er Jahren Anlass, um die Wirk- und Aromastoffe in bequemer Konzentration als Presskaffee resp. Kaffeeextrakt anzubieten. Angesichts der noch üblichen Angebote grüner, ungerösteter Bohnen, die dann dem Geschick der Hausfrau anheimgegeben wurden, schien dies eine Marktchance zu sein. Die Suppentafelproduktion diente als Vorbild: K ­ affee wurde gekocht, anschließend filtriert und zur gewünschten Konsistenz eingedampft, Tafeln von 50–150 g Gewicht in verschiedenen Qualitätsstufen angeboten.484 Ihre Marktbedeutung aber blieb gering, nicht allein wegen der hohen 480 Das galt auch noch zwei Dekaden später, vgl. Petri, W.: Zur Beurteilung des Nicotin­ gehaltes der Tabake, ZUL 60, 1930, 123–136 (inkl. Disk.). 481 Nicolai: Der Kaffee und seine Ersatzmittel. Hygienische Studie, DVÖG 33, 1901, ­294–346, 502–538, hier 315. 482 Zur Diskussion vgl. Nicolai, 1901, 319–322. 483 Vgl. hierzu die breit angelegte, allerdings oberflächliche Arbeit v. Bersten, Ian: ­Coffee, Sex & Health. A History of Anti-Coffee Crusaders and Sexual Hysteria, Sydney 1999. Für Deutschland vgl. die Einwürfe v. Nicolai, 1901, v. a. 328. 484 Franke, Erwin: Kaffee, Kaffeekonserven und Kaffeesurrogate, Wien/Leipzig 1907, 100–111. Vgl. beispielhaft Ausstellung, 1887, 99.

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Preise, sondern auch wegen des deutlich besseren Geschmacks des einfach zuzubereitenden selbst gebrühten Kaffees. Dieser blieb ein Genussmittel par excellence, dessen Absatz sich deutlich von dem des seit den frühen 1890er Jahren dynamisch wachsenden Malzkaffees unterschied, der als Markenartikel und mittels einer gesundheits- und bequemlichkeitsbezogenen Werbung angeboten wurde.485 Nicht die Röster, sondern Großhändler dominierten lange Zeit das Geschehen, deren relative Ferne zum Konsumgütermarkt seit den 1880er Jahren eine Einbruchsschneise für Versandgeschäfte einerseits, Massenfilialisten anderseits bildete.486 Diese ungewöhnliche Marktkonfiguration führte zu anderen Strukturen bei der Entgiftung des Kaffees. Die ersten intensiven Forschungen wurden Anfang der 1890er Jahre im neu eingerichteten Laboratorium des Ersatzkaffeeproduzenten Kathreiner in München angestellt, dessen 1889 entwickeltes Hauptprodukt mit dem Hydrotherapeuten und katholischen Lebensreformer Sebastian Kneipp beworben wurde. Vorbild war der entfettete Kakao nach dem von C ­ oenraad J. und Casparus van Houten schon 1828 patentierten Verfahren. Die unter Leitung von Heinrich Trillich, des damals führenden Experten für Kaffee­surrogate, experimentierenden Chemiker zielten auf ein bearbeitetes, als Genussmittel aber nicht beeinträchtigtes Produkt. Dazu wurde der Kaffee imprägniert, kräftig abgekühlt und dann mit Wasserdampf behandelt. Der Koffeingehalt konnte so von 1,5 auf 0,6 % reduziert werden. Die Forschungsgruppe entwickelte mehrere Produkte, und Kathreiner brachte 1895 den entkoffeinierten, aber erfolglosen »Hansa-Kaffee« auf den Markt. Weitere Verfahren wurden von Einzelforschern ausprobiert, der Nicolaische koffeinfreie Kaffee steht beispielhaft für weitere Produkte. Die Produzenten nutzten zudem die unterschiedlichen Rohwaren, um den Koffeingehalt niedrig zu halten.487 Die unterentwickelte Grundlagenforschung erschwerte jedoch die Produktentwicklung, zumal es innerhalb der Physiologie umstritten blieb, ob die »Kaffeewirkung« an das Koffein gebunden war oder ob die große Zahl der »Röstprodukte« giftig resp. anregend wirkte.

485 Zur Ersatzkaffeeindustrie vgl. Rossfeld, Roman: »Ein Mittel Kaffee ohne Kaffee zu machen«: Zur Geschichte der Schweizerischen Zichorien- und Kaffeesurrogat-Industrie im 19. und 20. Jahrhundert, in: Ders. (Hg.): Genuss und Nüchternheit. […], Baden 2002, 226–255 sowie Teuteberg, Hans J.: Zur Kulturgeschichte der Kaffee-Surrogate, in: Ball, Daniela U. (Hg.): Kaffee im Spiegel europäischer Trinksitten, Zürich 1991, 169–199. 486 Entsprechend waren Verfälschungen des Rohkaffees ein besonderes Problem der frühen Nahrungsmittelchemie bzw. der Kaffeekonsumenten. Die fehlenden, im Schokoladeoder aber Kakaomarkt durchaus vorhandenen Produktionsgarantien resultierten auch aus einer auf den Kenner ausgerichteten Markt- und Wissensstruktur, die angesichts der zahl­ losen Provenienzen sowie der in den in den 1870er Jahren aufkommenden »künstlichen«, speziell zur Verfälschung hergestellten Kaffeebohnen jedoch zunehmend obsolet wurde. Zu letzteren vgl. Franke, 1907, 50–53. 487 Vgl. Ein Kaffee ohne Kaffein, Die Umschau 2, 1898, 813–814.

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Die aus heutiger Sicht so erfolgreiche, 1904 beginnende Kooperation der Bremer Kaufleute und Kaffeehändler Ludwig Roselius, Christian Detlefsen und der Chemiker Karl Wimmer und Johann Friedrich Mayer, war entsprechend eine von mehreren, um einen aromatischen entkoffeinierten Kaffee herzustellen.488 Die vielfach gepflegten Mythen um »König Ludwig« Roselius dürfen nicht überdecken, dass es sich erst einmal um chemische Grundlagenforschung handelte, die vorrangig Wimmer leistete.489 Sie wurde angeregt vom Thumschen Verfahren, das auf der Behandlung der eingeweichten Bohnen beruhte. Es galt, durch eine Vorbehandlung die Zellen einem Lösungsmittel zugänglich zu machen, »ohne jedoch die Form der Bohne zu zerstören und das Aussehen zu schädigen.490 Dies erforderte langwierige Tests, mit vielen Hunderten von Extraktionen, die sich über fast zwei Jahre hinzogen. Am Ende der Entwicklungsarbeit stand jedoch ein im Januar 1906 patentiertes Verfahren, das die Wissensbasis für die mit 1,5 Mio. M Grundkapital im Juni 1906 gegründete Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft bildete.491 Technisch handelte es sich bei der Entkoffeinierung um die »Extraktion des mit Dampf durchfeuchteten Rohkaffees mit Benzol«492. Neben der nicht im Prinzip, wohl aber im Detail, innovativen Großtechnik gehörte die Anwendung einer Taylorschen Betriebsorganisation zum Erfolgsrezept des Unternehmens. Das Produkt überzeugte mit einem Koffeingehalt von nur 0,1–0,2 % und einem nah am üblichen Kaffee angesiedelten Geschmack. Entscheidend aber war die virtuose Markenbildung.493 Markenartikel waren im Rohkaffeemarkt unüblich, hier dominierten entweder Händlermarken oder aber Sortenbezeichnungen. Kaffee HAG war geröstet und abgepackt. Packungen, Plakat- und Anzeigengestaltung hoben sich durch das dominante Weiß von dem meist grell-farbigen Erscheinungsbild der frühen Markenartikel klar ab, gleichwohl bot das stets in Rot gehaltene Markenzeichen »Rettungsring« einen dezent wirkenden Ankerpunkt, der die Gesundheitsbotschaft des Produktes nochmals unterstützte.494 488 Hagiographisch dagegen Spang, Günter: Rotes Herz und Brauner Trank, Bremen 1956, 18. Vgl. generell Rossfeld, Roman: Produktinnovationen als Grenzüberschreitungen. Kaffee Hag als Beispiel, in: Dietrich, Eva/Ders. (Hg.): Am Limit. Kaffeegenuss als Grenzerfahrung, Zürich 2001, 88–105. 489 Zum Entstehungsmythos s. Kirsch, Paul G.: Kaffee Hag. Dem »Herzen« verpflichtet. Ludwig Roselius, der Erfinder des Koffeinfreien, Der Volkswirt 21, 1967, 782, 784, hier 782. Fakten und Wissenschafts-PR koppelt Oldenbüttel, Lars: Ludwig Roselius, in: 100 Jahre­ KAFFEE HAG . […], hg. v. Kraft Foods Deutschland, Bremen 2006, 9–31. 490 Wimmer, K[arl]: Koffeinfreier Kaffee, Die Umschau 12, 1908, 210–211, hier 210. 491 Vgl. hierzu Schug, Alexander: 100 Jahre Kaffee-Handels-Gesellschaft, in: 100 Jahre KAFFEE HAG . […], hg. v. Kraft Foods Deutschland, Bremen 2006, 33–61, v. a. 34–38. 492 Graßl, 1913, 590. 493 Hierzu detailliert Vetter, Nicola: Ludwig Roselius. Ein Pionier der deutschen Öffentlichkeitsarbeit, Bremen 2002. 494 Vgl. Böcher, Hans-Georg: Die Marke Kaffee Hag: 100 Jahre Corporate Identity, in: 100 Jahre KAFFEE HAG . […], hg. v. Kraft Foods Deutschland, Bremen 2006, 225–261.

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Abb. 20a+b: Vorbild und Imagetransfer: Werbung für koffeinfreien Kaffee 1908 und für Ersatzkaffee 1909

»Koffeinfrei« wurde zum Alltagsbegriff, den selbst Ersatzkaffeeprodukte übernahmen. Der Werbeplan von 1906 war modern, stützte sich auf Marktanalysen und zielte auf klar segmentierte Käufergruppen.495 Das Gesamtprodukt Kaffee HAG erhielt zudem einen steinernen Ausdruck in dem vom Architekten Hugo Wagner geplanten Firmensitz, einem Eisenbetonbau mit Schiffs- und Eisenbahn­ anbindung. Kaffee HAG zielte anfangs vorrangig auf Kranke und »Nervöse«, versandte daher Proben vorrangig an Mediziner. Sie bestätigten vielfach den offensiv vermarkteten guten Geschmack, chemische Analysen die behauptete Entgiftung.496 Wichtig war ferner der gegenüber konventionellem Kaffee nicht höhere Preis, Folge auch des vornehmlich verwandten preiswerten Santos-Kaffee. Zudem konnte der »Giftstoff« als Pflanzenschutzmittel lukrativ weiterverkauft werden.497 Die breite Präsenz der Werbematerialien in Straßen und Zeitschriften darf jedoch nicht überdecken, dass sich auch Kaffee HAG nur langsam im Markt etablierte. Die Firma schrieb anfangs Verluste. Erst 1911 brachte die Wende: Im Inland durchbrach man offenkundig die Grenzen der Nische eines »entgifteten« Präparates, denn auch Nicht-Kranke kauften es. Parallel wurden wichtige Auslandsmärkte erschlossen, insbesondere die USA .498 Als 1913 das 495 Spang, 1956, 26. 496 Vgl. Reinhardt, 1909, 82 bzw. Rabenhorst, W./Varges, J[ohannes]: Koffeinfreier Kaffee. […], MK l 4, 1908, 1612–1613. Ein Unterschied im Aroma war gleichwohl schmeckbar, vgl. Petri, 1930, 136 (Petri). 497 Bongard, Willi: Kaffee Hag. Rotes Herz – Brauner Trank. L. Roselius: »Beherrschung der Massen durch Umklammerung«, in: Ders.: Fetische des Konsums. Portraits klassischer Markenartikel, Hamburg 1964, 40–50, hier 42. 498 In den USA firmierte Kaffee HAG nach der Patentgewährung v. 01.09.1908 im Jahre 1910 zuerst unter dem Markennahmen Dekafa, dann als Dekofa, schließlich ab 1914 als Kaffee HAG (Ukers, William H.: All about Coffee, New York 1922, 473). Zur Internationalisierung vgl. Kuntze, Svenja: Das US -Geschäft von Kaffee Hag bis Sanka, in: 100 Jahre KAFFEE HAG . […], hg. v. Kraft Foods Deutschland, Bremen 2006, 103–123.

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Werk an seine Kapazitätsgrenze von täglich ca. 12,5 t stieß und erweitert werden musste, arbeiteten 130 Arbeiter und 80 Angestellte in Bremen, brachten zudem 40 Reisende Botschaft und Produkt an Händler, Restaurateure und Krankenhäuser. Festzuhalten bleibt, dass man im Betriebslabor nicht nur regelmäßige Qualitätstests durchführte, sondern auch an Verbesserungen der bestehenden Verfahren arbeitete. Hier bestand eine »learning base« für weitere pfadgebundene Entwicklungen, die Kaffee HAGs Stellung als bedeutendster deutscher Kaffeeproduzent bis weit in die Zeit der Bundesrepublik hinein sichern half. Dies war auch erforderlich, denn an neuen Verfahren der Entkoffeinierung wurde parallel eifrig gearbeitet.499 Angeregt durch Kaffee HAG, intensivierten Nahrungsmittelchemiker die Grundlagenforschung an der Rohware und den Prozessveränderungen beim Rösten.500 Diese Ausdifferenzierung des stofflichen Wissens war Teil grundsätzlicher Rückfragen an das Stoffparadigma und die darauf gründende Strategie der »Entgiftung«. Angesichts des insgesamt enttäuschenden Ergebnisses der zahlreichen Verfahren wurde sehr wohl hinterfragt, ob »Wohlgeschmack«501 resp. Genuss vorrangig stofflich-materiell zu betrachten sei bzw. welche Rolle den situativen und kommunikativen Momenten des Genusses zukäme. Da die Wissenschaftler versuchten, diese Fragen im Rahmen des Stoffparadigmas zu beantworten, intensivierte sich die physiologische und psychologische Forschung. Zudem schuf die »Entgiftung« weiteren Forschungsbedarf, so etwa, um die gesundheitlichen Folgen der Lösungsmittel genauer zu erkunden.502 Auch »unschädlicher« Genuss hatte Folgewirkungen, die neues Wissen erforderten, um neue Risiken einschätzen und ihnen begegnen zu können.

3.5.3 Formbilder des Körpers. Diäten und Diätärzte Das »zu viel« der Stoffaufnahme war jedoch nicht auf Genussmittel begrenzt. Schon im Kaiserreich bildete zu reichliches Essen ein wichtiges Problemfeld. Als 1882 ein führender Diätarzt eine Gesamtdarstellung über die Korpulenz vorlegte, vermerkte der Rezensent lapidar: »Die Zahl der Fettleibigen ist so gross, der Wunsch der meisten derselben ›dünner‹ zu werden ein so energischer, dass jede neue Schrift über die Fettleibigkeit und ihre Behandlung sicher sein kann,

499 Vgl. etwa Görbing, Joh[anne]s: Ueber ein neues Verfahren der »Kaffee-Entgiftung« auf physikalischer Grundlage, ZÖC 20, 1914, 202–216, 222–229. 500 Vgl. Pritzker, J./Jungkunz, Rob[ert]: Beiträge zur Kenntnisse des natürlichen und coffein­f reien Kaffees, ZUL 51, 1926, 97–114. 501 Meyer, 1910, 424. 502 Vgl. als Beispiel Esser, A./Kühn, A.: Die tödlichen Nicotinvergiftungen und ihre Zunahme seit Einführung der nicotinhaltigen Schädlingsbekämpfungsmittel, Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 21, 1933, 305–324.

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die allseitigste Beachtung zu finden«503. Die Ernährung einer beträchtlichen Zahl war offenbar zu üppig, damit verbundene Probleme des Herz-Kreislaufsystems und der Diabetes wurden zunehmend thematisiert, kuriert und medikalisiert.504 In einer Wissens- und Marktgesellschaft bedeutet dies immer Intensivierung der Forschung und Bildung von Wissenseliten. Dem »zu viel« konnte man nicht allein mit Ratschlägen und Handlungsanweisungen begegnen. Diese mussten zudem auf wissenschaftlichem Wissen basieren, um »objektiv« falsche Alltagspraktiken grundsätzlich in Frage stellen zu können. Derartige Wissensmärkte wurden bald schon ergänzt durch Wissensinstitutionen und marktgängige Produkte. Am Beispiel der Bekämpfung der Fettsucht kann man untersuchen, wie ein Wissensfeld etabliert wurde, wie versucht wurde, Veränderungen der Lebenspraxis der Betroffenen in Gang zu setzen, wie dieses Bemühen an Grenzen der Umsetzung stieß und dann zusätzlich auf Institutionen, Präparate und Produkte übertragen wurde. Die Entwicklung ging von einer direkten Anleitung durch die Experten für nur wenige hin zu einer über den Markt vermittelten Nutzung wissensbasierter Produkte durch viele. Am Beginn der Verwissenschaftlichung des Körperfeldes stand erst einmal die Problemdefinition. Was zu viel, wer zu dick ist und wo die Grenzen verlaufen, ist abhängig vom gewählten Referenzsystem. Hier lassen sich grob zwei Perspektiven unterscheiden: Die erste konzentrierte sich auf die inneren Funktionen des Körpers. Die zweite verglich den Einzelkörper dagegen mit der Durchschnittsentwicklung der Gattung und nutzte dazu äußerliche Körpermaße. 1. Seit den 1840er Jahren wurde der durchschnittliche Bedarf an Kalorien, an Eiweiß, Kohlenhydraten und Fetten berechnet und auch experimentell an Menschen überprüft. Die Folge waren zunehmend differenzierte Kostmaße, die sich lange nur auf männliche Erwachsene konzentrierten. Um 1900 wurden sie durch Untersuchungen von Babys und Kleinkindern, dann auch von Frauen und Älteren spezifiziert (vgl. Kapitel 2.34). Das implizierte wissenschaftliche Körpermodell reduzierte den Körper auf seine Materialität resp. Funktionsfähigkeit und damit auf eine medizinisch-naturwissenschaftliche geprägte Scheidung von gesund und krank. Während im Alltag Körper in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zumeist mit Differenzen von wohlhabend versus arm, von emotional versus rational, von Jugend und Alter versehen waren, gewann seit dem späten 19. Jahrhundert die duale Logik der Naturwissenschaften an Bedeutung.505 503 Ref. v. Ebstein, W.: Die Fettleibigkeit (Corpulenz) und ihre Behandlung nach physiologischen Grundsätzen, Wiesbaden 1882, BKW 20, 1883, 57. 504 Zur internationalen Einordnung vgl. Schwartz, Hillel: Never Satisfied. A Cultural History of Diets, Fantasies and Fat, New York/London 1986 bzw. Stearns, Peter N.: Fat History. Bodies and Beauty in the Modern West, New York/London 1997. 505 Vgl. Thoms, Ulrike: Körperstereotype. Veränderungen in der Bewertung von Schlankheit und Fettleibigkeit in den letzten 200 Jahren, in: Wischermann, Clemens/Haas, Stefan (Hg.): Körper mit Geschichte. […], Stuttgart 2000, 281–307.

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Die Orientierung auf Stoffwechselprozesse bedeutete, dass ein »zu viel« als Abweichung von natürlich vorgegebenen Gesetzmäßigkeiten galt, dem sich auch das Kulturwesen Mensch letztlich zu beugen hatte.506 Die auf die Rückkehr zum »natürlichen« Geschehen zielende Aufgabe des Arztes schien einfach: Erhöhung des Stoffverbrauchs und Reduktion der Stoffzufuhr.507 Den behandelnden Experten waren die Umsetzungsschwierigkeiten der Patienten sehr wohl bewusst, doch führten sie diese bei »Faulheitsfettsucht«508 auf einen negativen Regelkreis der Natur zurück, den es zu durchbrechen galt. »Fett ist Kapital und trägt Zinsen, mangelnde Bewegung und Wärmeabgabe.«509 Ziel musste die dauernde, langfristig beizubehaltende Änderung der Lebensweise sein, also die angeleitete Renaturierung des Kulturwesens Mensch.510 Um das zu erreichen, galt es die Patienten mit den Konsequenzen ihres unnatürlichen Verhaltens zu konfrontieren. Fettleibigkeit sei kein Schönheitsfehler, sondern ein pathologischer Zustand. Adipöse seien »Kolosse auf thönernen Füssen«511, deren rosiges Äußeres die innere Krankheit nur überdecke. Die Konsequenz war eine spezifische Sprache, ein rationales Argumentieren, getragen von der Überzeugungskraft objektivierten Wissens. Und doch: Dieses Modell geriet schon früh an seine Grenzen, da individuelle Unterschiede nicht zu übersehen waren. Neben falscher Ernährung und Bewegungsmangel wurden im späten 19. Jahrhundert erbliche Anlagen zunehmend als Ursache für Fettsucht und die damit verbundenen Folgekrankheiten anerkannt.512 Das Stoffwechselgeschehen konnte daher keine vollständige Erklärung der Fettsucht bieten, andere Typologien wurden notwendig. Die Konsequenzen waren zweigeteilt: Einerseits wurde versucht, die Ursachen pathologischer Entwicklungen der inneren Sekretion im Detail zu erforschen.513 Auf der anderen Seite aber richtete man den Blick weg von der inneren Gesetzmäßigkeit des Körpers hin auf die körperlichen Gesetzmäßigkeiten der Gattung. 506 Oertel, M[ax] J.: Wesen und Behandlung der Fettleibigkeit, TM 11, 1897, 183–193, ­249–259, hier 184. 507 Niemeyer: Die Behandlung der Korpulenz nach dem sogenannten Bantingsystem. Ein populär-wissenschaftlicher Vortrag, Berlin 1866, 29. 508 Haussleiter, Heinrich: Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht und seine Beeinflussung durch Nahrungsaufnahme, Arbeit und Arzneimittel, Med. Diss. HalleWittenberg, Berlin 1915, 3. 509 So der Münchener Physiologe Friedrich Müller, zit. n. Matthes, M.: Fettleibigkeit und Entfettungskuren, Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 13, 1914, 82–137, hier 89. 510 So etwa Ebstein, Wilhelm: Die Fettleibigkeit (Corpulenz) und ihre Behandlung nach physiologischen Grundsätzen, Wiesbaden 1882, 21. 511 Kisch, E. Heinrich: Entfettungscuren, Berlin 1901, 25. 512 Hirschfeld, Felix: Ueber Beziehungen zwischen Fettleibigkeit und Diabetes, BKW 35, 1898, 211–213. 513 Vgl. etwa Lichtendorf, Manfred: Stoff- und Energiestoffwechsel bei der Fettsucht, Med. Diss. München, Würzburg 1933.

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2. Schon mit dem Aufkommen einer modernen naturwissenschaftlich ausgerichteten Medizin waren seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert Versuche verbunden gewesen, den körperlichen Zustand des Menschen »objektiv« einzuschätzen. Der Körper war »raumerfüllende Materie […] die beobachtbar und einer mathem. Metrik unterwerfbar ist«514. Körperformeln entstanden schon im Rahmen der frühen Biologie, in der etwa der französische Zoologe GeorgesLouis Leclerc de Buffon erste »Gesetze« über die menschlichen Körper aufstellte.515 Stand hier noch die Einordnung des Menschen als Naturwesen im Mittelpunkt, wurde seine Stellung als soziales Wesen erst seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts im Rahmen einer »Physik der Gesellschaft« empirisch exakt ausgelotet. Normen eines menschlichen Durchschnittskörpers waren vor allem für die frühen Statistiker zentral, um einerseits die Folgen der Industrialisierung auf die Unterschichten und das »Volk« genauer benennen, um anderseits Kulturen miteinander zu vergleichen. Anthropologen und Statistiker extrapolierten dazu aus bestehenden Körperdaten zunehmend mathematische Formeln: Der Einzelkörper galt als Bruchteil der Gattung, der Blick wurde vom Einzel- auf den Volkskörper gelenkt. Damit sollten erstens sozialpolitisch relevante Abweichungen festgestellt werden, waren die schwachen und kränklichen Körper der arbeitenden Schichten doch schließlich Argumente im Kampf um soziale Reform und nationale Stärke. Normwerte erlaubten zweitens den Vergleich verschiedener Bevölkerungsgruppen, der Geschlechter, Regionen und »Rassen«. Vom Hauptvertreter dieser Richtung, dem belgischen Sozialstatistiker Adolphe Quetelet, stammt auch die erste Fassung des heute in Europa durchgehend verwandten Body-Mass-Index, der damals allerdings als unbrauchbar abgelehnt wurde.516 Biologische und sozialstatistische Arbeiten dieser Art drangen allerdings nur langsam in die sich im späten 19. Jahrhundert erst konstituierende naturwissenschaftliche ärztliche Praxis ein, zumal die Zahl valider und vergleichbarer Messungen und Wägungen begrenzt war. Ausnahmen bildeten vorrangig Musterungsunterlagen der Militärärzte, seit den 1880er Jahren dann regional begrenzte Erhebungen einzelner Schulärzte sowie Unterlagen der Versicherungsmedizin. Derartige Daten wurden in Deutschland seit den 1890er Jahren zu 514 Art. Körper, in: Der Große Brockhaus, 15. völlig neubearb. Aufl., Bd. 10, Leipzig 1931, 483. 515 Angaben n. Guttmann, Max: Ist eine objektive Beurteilung des Ernährungszustandes des Menschen möglich?, Archiv für Kinderheilkunde 72, 1923, 23–49. 516 Buffon schlug Körpergewicht/Körperlänge³ vor, während Quetelet eine große Zahl unterschiedlicher Formen aufstellte und mittels statistischen Materials empirisch untersuchte. Neben dem BMI und dem sog. Zentimetergewicht (Gewicht/Länge) war mit seinem Namen vor allem die Formel Körpergewicht²/Körperlänge5 verbunden. S. Quetelet, Adolphe: Über den Menschen und die Entwicklung seiner Fähigkeiten oder Versuch einer Physik der Gesellschaft. Deutsche Ausgabe v. Victor Adolf Riecke, Stuttgart 1838.

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Tabellen von Länge und Gewicht durchschnittlicher Menschen verdichtet, um die Körperentwicklung empirisch beschreiben und in Formeln fassen zu können.517 Normalgewicht und Normalkörper wurden dadurch zu gängigen Topoi. Damit gewannen abstrakte Formeln an Bedeutung. Mit Hilfe realer Körperdaten konnten nämlich Reihen »normaler« Entwicklung berechnet werden, mit denen es möglich war, Abweichungen einzelner Menschen und Menschengruppen vom Durchschnitt in relativen, also vergleichbaren Zahlen auszudrücken.518 Das Ideal war klar und der ärztlichen Praxis entlehnt: »Wir sehen einen Menschen an und erkennen ohne Betastung seines Körpers oder Bestimmung des Gewichts, ob der Betreffende gut, mäßig oder schlecht genährt ist.«519 Diese Logik der ärztlichen Praxis wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg mittels einer Vielzahl von möglichst einfach zu ermittelnden und handhabbaren Längenund Gewichtsformeln objektiviert.520 Namen wie Livi, Rohrer, Noorden, Oppenheimer, Oeder, Pignet und Pirquet standen für Körperformeln, die allesamt den Anspruch hatten, das Äußere des Körpers in ein System zu bringen und damit implizit auf den gesundheitlichen Zustand der Individuen schließen zu können.521 An die Stelle des differenzierenden und individualisierenden Blickes des Mediziners auf den (korpulenten) Körper trat ein abstraktes Wissen um die Körpernorm, die Basis für Rat und Intervention wurde. Der Arzt, zunehmend aber auch der Einzelne, hatte damit Referenzwerte für »Rassen«, Alter und Geschlecht. Die Abweichung, das Adipöse, konnte einfach benannt, dann auch behandelt werden. Körpernormen und Stoffwechselphysiologie stehen für den langsamen, gleichwohl grundlegenden Wandel des Wissenssystems, der innerhalb der Medizin erst einmal die Balneologie betraf, die sich unter dem Eindruck des Stoffparadigmas seit den 1850er Jahren zunehmend vernaturwissenschaftlichte. An die Stelle tradierter humoralpathologischer Erklärungsansätze trat Gesetzes 517 Vgl. hierzu Munk, Immanuel: Einzelernährung und Massenernährung, Jena 1893 (Handbuch der Hygiene, hg. v. Theodor Weyl, Bd. 3, Abt. 1), 94–96. 518 Einen guten Überblick bietet Buschan, G[eorg]: Körpergewicht, in: Real-Encyclopädie der gesamten Heilkunde, 3. gänzl. umgearb. Aufl., Wien/Leipzig 1897, 517–550; Ders.: Körperlänge, in: ebd., 550–573. 519 Oppenheimer, Karl: Ein Versuch zur objektiven Darstellung des Ernährungszustandes, DMW 35, 1909, 1835–1838, hier 1835. 520 Vgl. etwa Oeder, G[ustav]: Das Körpergewicht des erwachsenen Menschen bei normalem Ernährungszustand und seine Berechnung, Zeitschrift für Versicherungsmedizin 2, 1909, 2–12, 33–41. 521 Vgl. zur Formelvielfalt Berliner, Max: Normalgewicht und Ernährungszustand, BKW 58, 1921, 58–60; Kaup, I[gnaz]: Ein Körperproportionsgesetz zur Beurteilung der Längen-, Gewichts- und Index-Abweicher einer Populations-Altersgruppe, MMW 68, 1921, 976–978, 1021–1023. Ältere Formeln stammten zudem von Broca, Bornhardt und Robin. Aller Objektivierung zum Trotz lagen den »Normalmaßen« Wertvorstellungen zugrunde, die um die Jahrhundertwende eng an das griechische Körperideal gekoppelt waren. Vgl. hierzu Kries, Heinrich: Die Ursache der Fettleibigkeit und ihre Behandlung, Med. Diss. Bonn 1931, insb. 4.

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wissen, das zwar noch auf die Individualität der zumeist bürgerlichen Patienten achtete, diese aber zunehmend vor dem Hintergrund des Stoffwechselgeschehens deutete. Zugleich zielte die Ernährungstherapie zunehmend auf die richtigen »Proportionen«522 – so ein von Liebig beeinflusster Kernbegriff des Marburger Balneologen Friedrich Wilhelm Beneke – bei der Ernährung speziell und der Diätetik allgemein. Trinkkuren gewannen dadurch an Bedeutung, da ihr Mineralstoffgehalt Körperphysiologie und Krankheitsverlauf offenbar wesentlich mitbestimmten. Neben die Entfettungs- und Heilkuren traten seit den 1860er Jahren zunehmend Diätratschläge einzelner Ärzte, die damit heimische Kuren unter Aufsicht anleiten wollten. Sie reduzierten die kalorische Zufuhr und ordneten die Nahrungsmittelauswahl auf physiologischer Grundlage.523 Die in den 1860er Jahren populäre, aus England stammende Banting-Diät setzte fast ausschließlich auf eiweißhaltige Nahrungsmittel, während die in den 1880er Jahren propagierten Oertelsche bzw. Schweningersche Kuren Fett- und Flüssigkeitszufuhr verminderten. Die damals ebenfalls modische Ebstein-Diät zielte dagegen auf die Reduktion der Kohlenhydrate, erlaubte aber Fette. Andere Diäten stellten einzelne Nahrungsmittel in den Mittelpunkt, populär waren zeitweilig insbesondere Milch- und Kartoffelkuren.524 Trotz ihrer wissenschaftlichen Grundlagen gerieten diese Diäten aber spätestens in den 1880er Jahren in die Schusslinie vieler Ärzte. Die Einseitigkeiten schienen tendenziell unphysiologisch, die Diäten ergäben »lebhafte Nachtheile, das Leben bedrohende Störungen, ja tödtliche Erkrankungen«525. Dieser Risikodiskurs resultierte aus praktischen Erfahrungen, gründete aber auch auf den Implikationen des Isodynamiegesetzes. Obwohl die benannten Diäten in allen einschlägigen Fachbüchern auch der Jahrhundertwende erwähnt wurden, setzte man zu dieser Zeit primär auf den allgemein gültigen Kaloriengehalt und lehnte Einseitigkeiten bei den Nährstoffen ab.526 Zugleich wandten sich die Mediziner strikt gegen Diäten ohne ärztliche Kontrolle: »Kein Laie darf darin sein eigener Ratgeber sein.«527 Diese strukturelle Auseinandersetzung zwischen ärzt 522 Vgl. Schmitter, Annette: Friedrich Wilhelm Beneke (1824–1882) […], Med. Diss. Aachen 1986, 38. 523 Richter, P[aul] F[riedrich]: Ueber Entfettungskuren, Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie 1, 1898, 300–311. 524 Vgl. auch die materialreiche, zugleich aber keine Distanz zu den Quellen haltende Arbeit von Merta, Sabine: Wege und Irrwege zum modernen Schlankheitskult. Diätkost und Körperkultur als Suche nach neuen Lebensstilformen 1880–1930, Stuttgart 2003, v. a. 218–278. 525 Rosenfeld, G[eorg]: Die Gefahren der Entfettungskuren, Stuttgart 1886, 6. 526 Noorden, Carl v.: Über die Wahl von Nahrungsmitteln in Krankheiten, TM 27, 1913, 8–15, hier 8. 527 Ebstein, Wilhelm: Entziehungs- und Mastkuren, Die Umschau 1, 1897, 273–278, hier 273.

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lichen Wissen und Alltagspraxis verschärfte sich um die Jahrhundertwende, da Diäten weniger unter gesundheitlichen Gesichtspunkten erfolgten, sondern zunehmend vom »Standpunkte moderner Schönheitsanschauung«528. Die Ärzte standen vor dem Dilemma, einerseits passgenaue, individualisierte Diäten ausarbeiten zu müssen, um den Ansprüchen an die Körpermodellierung zu genügen. Anderseits sahen sie sich einem wachsenden Marktangebot von Entfettungsmitteln gegenüber, das frei erwerbbar und somit der ärztlichen Kontrolle zunehmend entzogen war.529 Die Diäten hatten in den 1880er Jahren einen ersten Höhepunkt erreicht, waren Ausdruck individuellen Gestaltungswillens des aufstrebenden Bürgertums. Parallel zu individuellen Praktiken nahm die Bedeutung der schon im 18. Jahrhundert aufstrebenden Badeorte zu.530 Sie aber spezialisierten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ebenso wie viele Privatkliniken, auf die Bekämpfung einzelner Krankheiten: Stoffwechseldefizite und Fettleibigkeit traten zunehmend in den Blickpunkt. Über Marienbad mit seinen um 1900 jährlich etwa 30.000 Kurgästen hieß es unprätentiös: »Diese geistigen Arbeiter, welche als Cultursklaven ihre Nerven abnützen und durch gezwungene unzweckmässige Lebensweise auch viel Talent zur Adipositas bekunden, bilden das Gros unserer Stammgäste.«531 Während der Kur wurden die Patienten einem strengen Regime von Diät, Trinkkuren, Bewegung und physikalischer Therapie unterzogen, nahmen so innerhalb weniger Wochen mehrere Kilo ab. Problem aber blieb, dass die »Gewöhnung an eine Lebensweise, welche der Patient längere Zeit innezuhalten vermag«532, im Regelfall misslang. Sobald der relative Zwang des Ortes des Abnehmens entfiel, verfielen die Patienten wieder in den alten Trott. Dies war zwar funktional im Sinne der Badeorte, deren Marktchancen durch allzu gesunde und schlanke Gäste tendenziell minimiert worden wären. Doch im Sinne des balneologischen Ethos gab es zwei Konsequenzen: Die eine war rigide, zielte auf die strikte Durchsetzung objektivierten Wissens, nämlich Diätkuren in geschlossenen Anstalten und unter ständiger ärztlicher Kontrolle.533 Da dies nicht durchsetzbar und auch nicht finanzierbar war, galt es, zumindest Teile der Kur in Produkten zu verdichten, um eine häusliche Verlängerung zu ermöglichen. Marienbad etwa war bekannt für seine heißen Bäder, intensive

528 Kisch, E. Heinrich: Entfettungskuren, 2. Aufl., Berlin 1912, III . 529 Kisch, 1901, 6. 530 Vgl. hierzu die Studien in Borsay, Peter/Hirschfelder, Gunther/Mohrmann, Ruth-E. (Hg.): New Directions in Urban History. […], Münster u. a. 2000. 531 Löwy, Emil: Ueber die Entfettung durch die Marienbader Cur, TM 12, 1898, 185–190, hier 187. Vgl. auch Kisch, 1912, 110–121. 532 Richter, 1898, 310. 533 So etwa Lohmüller, Lore: Ueber Entfettungs- und Mast-Kuren, Med. Diss. Bonn 1930, 33.

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Abb. 21: Promenade während der Kur 1905

Bewegung und seine Glaubersalzquellen.534 Während die Praktiken nur anzuraten, bestenfalls durch gewerblich hergestellte Schwitzkästen oder aber frühe Trainingsgeräte zu unterstützen waren, konnte Mineralwasser als Diätgetränk dagegen einfach weiter konsumiert werden. Im späten 19. Jahrhundert gab es eine reflektierte Renaissance dieses »natürlichen« Gesundheitsgetränks, das nun immer stärker auf wirkende Substanzen hin untersucht wurde.535 Wasser war wegen seiner Durchdringungsfähigkeit des menschlichen Körpers, seines Auflösungsvermögens und der variablen Temperatur ein vorrangiges Heilmittel.536 Mittels Wasserkuren, etwa der Schroth-Kur, sollte der Körper wieder an seinen vermeintlichen Naturzustand zurückgeführt werden. Während aber im frühen 19. Jahrhundert äußere Anwendungen erfolgten, verlagerte sich das Heilgeschehen je länger, je mehr auch in das Körperinnere. Natürliches Mineralwasser war schon seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ein wichtiges Handelsgut, doch der Krugversand war nicht nur aufwendig und teuer, sondern

534 Schmiedl, Hugo: Die Indicationen für Marienbad, TM 14, 1900, 178–180, hier 180. 535 Vgl. zu der bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Tradition des Wasserversandhandels Spiekermann, Uwe: Grundlagen der modernen Getränkekultur. Ein historischer Rückblick, in: Was wir so alles trinken – Getränke in der Ernährung, hg. v.d. Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Sektion Baden-Württemberg, Stuttgart 1996, 15–36, hier 21–24. 536 Vgl. allgemein Krauss, Wolfgang: Über das Wasser in der Medizin, in: Das Bad. Körperkultur und Hygiene im 19. und 20. Jahrhundert, Wien 1991, 19–29.

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verminderte auch Geschmack und Stoffgehalt.537 Seit den frühen 1820er Jahren erweiterte sich der Markt durch erste »künstliche« Mineralwässer, doch der Zusatz von Kohlensäure war aufwändig und das verwandte einfache Wasser stofflich nicht klar zu bestimmen. Auch wenn »künstliche« Mineralwässer als bürgerliche Erfrischungsgetränke in den 1840er Jahren eine erste Konsumspitze aufwiesen, blieb der Heilwasserkonsum doch auf Heilquellen angewiesen und war daher zu Hause kaum attraktiv.538 Das änderte sich seit den frühen 1870er Jahren, als einige führende Quellen ihren Erzeugnissen vermehrt Kohlensäure zusetzten und zugleich begannen, intensive Werbung für ihre Markenprodukte zu betreiben. Diese manipulierten Produkte schmeckten spritziger und erfrischender. Apollinaris, Rhenser oder Emser Wasser wiesen hohe Steigerungsraten auf, insgesamt stieg der Mineralwasserversand preußischer Quellen von 1870 4,589 Mio. Flaschen auf 1890 23,053 Mio. und 1900 69,35 Mio.539 Die anfangs noch aufwändige Technik wurde Anfang der 1880er Jahre entscheidend vereinfacht, nachdem Kohlensäure flüssig hergestellt werden konnte, v. a. aber Apparate konstruiert wurden, um Wasser mit flüssiger Kohlensäure zu imprägnieren.540 Der Aufschwung der Quellwässer hing zugleich aber eng mit Entdeckungen der physikalischen Chemie zusammen. Die späteren Chemie-Nobelpreisträger Jacobus van t’Hoff und Svante Arrhenius fanden 1887, dass nicht allein die Menge der Mineralstoffe wichtig war, sondern insbesondere deren stereochemische Positionierung.541 Chemisch Gleiches konnte dennoch andere Wirkungen haben. Dies war ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für die Heilquellen, da ihre Produkte nicht »künstlich« nachgebaut werden konnten. Quellwässer klassifizierte man nach ihren Stoffgehalten, den Patienten wurde somit ein breites Spektrum möglicher Wirkstoffe angeboten. In Marienbad etwa ordnete man die dortigen Säuerlinge nach Quellen und Gehalten, die dann als Quasi-Markenartikel dienten.542 Auf diesem stofflichen Niveau konkurrierten die Produkte, die viel beworbene Wildunger Helenenquelle erschien etwa als preiswerteres deutsches

537 Umfassend hierzu Eisenbach, Ulrich: Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Niederselterser Brunnenbetriebes bis zum Ende des Herzogtums Nassau, Wiesbaden 1982. 538 Vgl. Eisenbach, Ulrich: Mineralwasser. Vom Ursprung bis heute. Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der deutschen Mineralbrunnen, Bonn 2004. 539 Angaben n. Broesike, Max: Die Bäder und Heilquellen im preussischen Staate während der Jahre 1896 bis 1900, Zeitschrift des Königlich Preussischen Statistischen Bureaus 43, 1902, 113–171, hier 142–143. Während des Untersuchungszeitraums stieg die Zahl der Versandquellen deutlich. 540 Zur Branchenentwicklung vgl. Jauernig, Julius: Die Entwicklung und Organisation der deutschen Mineralwasserindustrie, RStwiss. Diss. Halle-Wittenberg, Mikultschütz 1931. 541 Baumstark, Robert: Der Einfluss der Mineralwässer auf Verdauungs- und Stoffwechsel-Krankheiten, Halle a.S. 1909, 6–7. 542 Schmiedl, Hugo: Die Indicationen für Marienbad, TM 14, 1900, 178–180, hier 178.

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Substitut der Marienbader Rudolfsquelle. Diese Wässer erlaubten die Fortsetzung der Entfettungskuren zu Hause, symbolisierten dort zugleich die Expertise der Ärzte. Produkte traten an die Stelle direkter Arzt-Patient-Beziehungen. Die Mineralwässer wiesen jedoch ein entscheidendes Problem auf: Abseits der »Beschleunigung der Peristaltik des Magens«543 gab es nur wenige objektivierbare Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Dessen Steigerung bedeutete nicht, dass mehr Nährstoffe »verbrannt« wurden.544 Doch auch hier entwickelte man konzentrierte Produkte. Da die Mineralstoffe als Wirkstoffe galten, wurden diese schon seit den 1870er Jahren, verstärkt aber vor der Jahrhundertwende, durch Erhitzung gelöst und zu Pastillen und Tabletten verdichtet. Emser oder Sodener Pastillen waren in Deutschland beliebte Gesundheitsprodukte. Nach der Jahrhundertwende wurden diese Präparate zudem mit Anis-, Pfefferminzöl oder Menthol versetzt, sodass Gesundheit nicht nur bequem zu lutschen war, sondern auch noch anregend schmeckte.545 Von der Diät, gar einer Umstellung der Lebensweise war hier kaum zu sprechen, auch wenn deren symbolische Bedeutung präsent blieb. Die Präparate verwiesen auch auf die Marktchance, die Produkte besaßen, die mehr als begrenzte Entfettungswirkungen hatten. Sie kamen seit Mitte der 1890er Jahre auf den Markt, Konsumfolgen konnten nun zunehmend mit Präparaten und dann auch künstlicher Kost begegnet werden.

3.5.4 Markenartikel zum Glück. Diätprodukte und Abführmittel »Wenn die mageren Zeiten, für welche das Fett bestimmt ist, nicht selbst kommen, dann muß man sie künstlich hervorrufen.«546 Diese Maxime eines führenden österreichischen Diätarztes kündet optimistisch von Gestaltungswillen und -kraft eines Wissenden. In der ärztlichen Praxis aber überwogen kritische, ja resignative Stimmen. Drei Problemfelder wurden immer wieder angesprochen: Erstens wurden die Ärzte »nicht prophylaktisch consultirt«547, konnten ihr Wissen um Körperfunktionen und das Ebenmaß also nicht an Gesunden, sondern zumeist nur an schon Kranken anwenden. Gegen ihre Funktion als re 543 Wendriner, Berthold: Wirkung des Neuenahrer Sprudels auf die Magenverdauung, BKW 35, 1898, 507–509, hier 509. 544 Vahlen, E.: Ueber den Einfluss des Friedrichshaller Bitterwassers auf die Resorption des Fettes, TM 12, 1898, 130–132, hier 132. Zum Wissensstand vgl. umfassend Heubner, Wolfgang: Der Mineralstoffwechsel, in: Dietrich, [Eduard]/Kaminer, [Siegfried] (Hg.): Handbuch der Balneologie, medizinischen Klimatologie und Balneographie, Bd. II, Leipzig 1922, 181–284. 545 Rößler, Oskar: Über Quellprodukte, TM 27, 1913, 199–202, hier 202. 546 Gaertner, Gustav: Diätetische Entfettungskuren, Leipzig 1913, 17. 547 Löwy, 1898, 186.

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aktive Reparaturmediziner wetterten sie jedenfalls beredt, mochte es sich auch um einen lukrativen Folgeschädenmarkt handeln. Diesen Zustand führten viele Ärzte zweitens auf im Grundsatz nicht fundierte Alltagsvorstellungen über den Wert bestimmter Nahrungsmittel zurück. Vorstellungen über deren vermeintlich »verstopfende« resp. »abführende« bzw. »schlackenbildende« Wirkungen mündeten in einer verfehlten und letztlich krank machenden Auswahl.548 Der Kulturmensch erschien als unwissend, vielfach lustorientiert, der trotz Fettsucht und Verstopfung unaufgeklärt an subjektivem Wissen festhielt, nicht aber der Fackel aufklärender Wissenschaft folgte. Dazu gehörte auch die Fehleinschätzung, Fettansatz als etwas Gesundes zu verstehen.549 Drittens schließlich sahen sich die Ärzte einem immensen Marktdruck durch Entfettungspräparate ausgesetzt, auf den sie reagieren mussten, den sie aber unmittelbar nicht selbst bestimmen konnten. Auch wenn ein beträchtlicher Teil davon Resultat medizinischer Forschung war, so erschienen diese Produkte doch vielfach im Kontext der Geheimmittel und drängten schon durch ihre Zahl die individualisierende ärztliche Expertise in den Hintergrund.550 Drei Produktgruppen – Hormonpräparate, Abführmittel und erste Lightprodukte im Nahrungsmittelsektor – prägten das Feld. Sie verdeutlichen den langsamen Übergang von medizinischen Präparaten mit Stoffwechselwirkungen über die Zufuhr von Essenzen zur Regulierung des Magen-Darmtraktes hin zu neu gestalteten Nahrungsmitteln. Die ersten wirksamen Mittel gegen Fettsucht bildeten die Schilddrüsen­ präparate. Störungen der Hormonproduktion hatten offenbar Auswirkungen auf das Körpergewicht: Die Unterfunktion Myxödem war fast durchweg mit Übergewicht, die Überfunktion Morbus Basedow dagegen mit Abmagerung verbunden. Behandelte man ersteres mit aus tierischen Schilddrüsen gewonnenen Präparaten, so nahmen die Patienten rasch ab. Darauf aufbauend empfahlen 1894 erst in Großbritannien, dann auch im Deutschen Reich Fachärzte deren

548 Vgl. hierzu etwa Agéron, [Eduard]: Zur Pathogenese der Obstipation. Allgemeine Bemerkungen zur Behandlung derselben, Archiv für Verdauungs-Krankheiten 17, 1911, 584–601. 549 Skulsky, Michel: Spezialitäten und Geheimmittel gegen die Fettsucht, Med. Diss. Berlin 1912, 13. 550 In der Fachzeitschrift »Therapeutische Monatshefte« wurden seit 1912 neue Entfettungsmittel regelmäßig in der Rubrik »Spezialitäten, Nährpräparate, Geheimmittel« aufgelistet. Präzise Marktdaten fehlen. Eine nicht repräsentative Durchsicht von 105 Zeitschriften, Zeitungen und Kalendern im ersten Quartal 1908 zählte 3.470 Anzeigen von »Stärkungsund Arzneimitteln« (Dräseke, Johannes: Kurpfuscherei, Geheimmittelschwindel und Geschlechtsleben in den Annoncen, Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform 7, 1910/11, 229–234, hier 230). Zwischen 10 und 20 % davon waren Anzeigen für Nähr-, Stärkungs-, Fettansatz- bzw. -entziehungsmittel. Die Anzeigen für Mast- und Entfettungsmittel hielten sich etwa die Waage.

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Anwendung in der Entfettungstherapie.551 Nach der Einnahme sank das Körpergewicht bei der Mehrzahl der Patienten rapide. Zu frei erhältlichen Tabletten verdichtet, wurden sie Mitte der 1890er Jahre ein großer Erfolg. Die Diätärzte waren von den Wirkungen überrascht, doch stellten sie parallel erhebliche Nebenwirkungen der Hormone fest, vorrangig »Müdigkeitsgefühl, ziehende Schmerzen im Rücken und den Extremitäten, Zittern, Appetitverminderungen, Uebelkeit, Herzklopfen«552. Die Körpermaschine schien kurzfristig auf Touren zu kommen, ihre Verbrennungsaktivitäten zu erhöhen, um insgesamt aber Schaden zu nehmen. Zudem war die Wirkung keineswegs vorhersehbar, da sie von individuellen Prädispositionen abhing. Der Risikodiskurs der Ärzte war physiologisch wohl begründet. Zugleich spiegelte er Auseinandersetzungen zwischen Experten, Anbietern und Laien. Nicht nur die Produkte wurden kritisiert, sondern auch, »dass sich die Laien der Sache bemächtigt haben und ohne ärztliche Kontrolle Schilddrüsen-Tabletten als Entfettungskur«553 nutzen würden. Dabei argumentierten sie durchaus einvernehmlich mit den Produzenten, die ihre im Grundsatz gefährlichen Produkte auch unter die Aufsicht der Ärzte stellten, nicht zuletzt, um so etwaige Schadensersatzansprüche zu minimieren. Die Londoner Firma Borroughs, Wellcome & Co., neben E. Merck in Darmstadt Hauptproduzent, warnte ihre Kunden jedenfalls einschlägig. Gleichwohl entwickelte sich eine duale Marktstruktur, in der einerseits Laien diese Präparate eigensinnig nutzten, in der anderseits Ärzte sie in ihr Heilarsenal aufnahmen. Ein beträchtlicher Teil der frei käuflichen Entfettungspillen und -tabletten, die im Deutschen Reich vielfach französische Anbieter offerierten, enthielt Schilddrüsenpräparate, deren Zusammensetzung und Dosierung unklar blieb.554 Weitere Hormonpräparate folgten, etwa aus Hypophysen oder Keimdrüsen sowie Neuauflagen älterer Mineralstoffprodukte, etwa JodEisen-Kombinationen.555 Körpermodellierung war möglich, die Risiken aber waren ungewiss. Während Schilddrüsenpräparate auf die Steigerung des Stoffwechsels zielten, diente die wachsende Zahl von Abführmitteln erst einmal der optimalen Funktion des Darmtraktes. Das Angebot war enorm breit, da »kaum ein zweiter Präparatenkreis aus so mannigfachen Quellen«556 stammen konnte, sowohl von mineralischen als auch von pflanzlichen Rohstoffen. Bei Letzteren wurden Anthracenderivate, Drastika und Öle unterschieden, von denen salinische Laxantien 551 Vgl. detailliert Kisch, 1901, 129–137. 552 Ebstein, Wilhelm: Bemerkungen über die Behandlung der Fettleibigkeit mit Schilddrüsenpräparaten, DMW 25, 1899, 1–3, 23–26, hier 2. 553 Mehler, [L.]: Fettleibigkeit. – Tuberkulose, Die Umschau 3, 1899, 92–93, hier 92. 554 Gaertner, 1913, 29. 555 Vgl. Skulsky, 1912, 21 556 Hammer/Vieth: Aperitol, ein schmerzlos wirkendes Abführmittel, MK l 4, 1908, 1410– 1413, hier 1410.

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sowie Galle und Schwefelpräparate abzugrenzen waren.557 Die erste Gruppe steigerte die Darmperistaltik, wodurch die Nahrung rasch aus dem Körper herausbefördert wurde. Dagegen behinderten die anderen Laxantien die Resorption von Flüssigkeit, hielten den Nahrungsbrei so beweglich und regten durch diese Masse die Peristaltik indirekt an. Diese Präparate wurden zuerst einmal zur Bekämpfung der Darmverstopfung genutzt, die nach der Jahrhundertwende zu einer »Zivilisationskrankheit« des sitzenden und Fleisch verzehrenden Städters gedieh.558 Lag hier schon der Konnex zur Ernährung, so stellen die salinischen Laxantien, etwa das weit verbreitete Karlsbader Salz, einen direkten Bezug zu den Mineralwässern dar.559 Sie ersetzten zunehmend die Brunnenkur.560 Während die schon in den 1880er Jahren angewandten Drastika nicht nur Gewichtsverlust, sondern auch eine spürbare Schwächung des Körpers mit sich brachten, schien der Gebrauch »natürlicher« Salze mit geringeren Risiken behaftet.561 Ihre wiederholte Anwendung reduzierte das Gewicht, insofern waren sie zur Entfettung grundsätzlich geeignet. Dieser Verlust speiste sich aber nicht vorrangig aus Depotfett, vielmehr verlor der Körper zudem Wasser und Eiweiß.562 Entsprechend warnten Ärzte und Physiologen vor einer faktischen Unterernährung bei Anwendung dieser Produkte. Zudem führte die regelmäßige Einnahme zu habituellen Funktions­ störungen und dauerhaften Schädigungen des Darms.563 Aus medizinischer Sicht hatten Abführmittel auch als Entfettungsmittel ihren Sinn, doch nur im Rahmen einer professionell angeleiteten Diätkur. Gleichwohl besaßen die Abführmittel den Charme des Wirksamen. Das durch das Stoffparadigma unterfütterte kausale Wirkungsmodell ließ komplexere Wirkungsmechanismen aus dem Horizont insbesondere vieler junger Frauen treten: »Nach Herzenslust essen zu können und mit einem Abführtee oder dergleichen diese und auch frühere Ernährungssünden ungeschehen zu machen, das wäre wohl eine herrliche Lösung der Frage!«564 Diese Vorstellungen wurden seitens der Werbung gezielt geschürt.

557 Vgl. den Überblick bei Lang, S.: Die Beeinflussung der Darmmotilität durch Abführund Stopfmittel, Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 13, 1914, 250–312, hier 289. 558 So etwa Singer, Gustav: Die atonische und die spastische Obstipation. Ihre Differen­ tialdiagnose und Behandlung, Halle a.S. 1909, 13. 559 Richter, 1898, 309. 560 Richter, Paul Friedrich: Indikationen und Technik der Entfettungskuren, Halle a. S. 1908, 31. 561 Vgl. Ebstein, 1882, 26, der gewerbsmäßigen Gebrauch dieser Abführmittel im Rahmen von Entfettungskuren brandmarkte. 562 Kisch, 1900, 75. 563 Singer, 1909, 12. 564 Gaertner, 1913, 31

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Abb. 22: Beispiel eines Entfettungsproduktes aus Rizinusöl 1906

Eine Reihe der ›Fettreductionspillen‹ oder ›entfettenden Pillen‹ bestand aber schon um die Jahrhundertwende aus Drastika bzw. eingedampften Mineral­ salzen. Entfettungstees überschritten schon die nicht ganz trennungsscharfe Linie zu den Nahrungsmitteln. Auch hier standen insbesondere die praktischen Ärzte vor einem Dilemma, denn anders als Balneologen und Diätärzte verfügten sie nicht über die für die Beurteilung dieser Stoffklassen notwendigen Grundkenntnisse. Unter dem Nachfragedruck der Patienten, die ja auch frei käufliche Produkte erwerben konnten, verschrieben sie Abführmittel im Regelfall jedoch freizügig.565 Dies geschah aber auch, um dem Wildwuchs der Hausmittel Einhalt zu gebieten, ihn zumindest in wissenschaftlich solidere Bahnen zu lenken. Die »Volksmedizin« bot traditionell ein reiches Arsenal von Abführ- und Entfettungsmitteln, sei es Honig, Fruchtmarmeladen, Obstsuppen und -kompotte. Insgesamt nahm die Werbung für Abführmittel seit Mitte der 1900er Jahre signifikant zu. Die Illustrierten enthielten zudem nicht mehr vorrangig kleine Anzeigen, sondern auch großformatige, kunstvoll gestaltete Vorlagen, die folgenarmen Konsum durch Konsum propagierten. Doch der Körper wurde nicht nur zum Testfeld der Stoffe. Schon während des Kaiserreichs begann schließlich eine Neugestaltung von Lebensmitteln, die möglichst wenige Kalorien enthalten sollten. Zwei Entwicklungslinien sind dabei zu unterscheiden. Zum einen kombinierte man Restprodukte mit anderen Stoffen zu neuen Lebensmitteln. Molke und Magermilch ersetzten vielfach fetthaltige Vollmilch, ergaben dann einen fettarmen »Kunstkäse«.566 Eier wurden getrocknet, Eiweiß und Eigelb voneinander getrennt und so Zwischenprodukte gewonnen, mit denen der Kaloriengehalt leicht modifiziert werden konnte. Ähnliches galt für erste Flüssigeipräparate. Die zweite Entwicklungslinie knüpfte an 565 Agéron, 1911, 597. 566 Torka, Johann: Die Wunder der Technik. Eine illustrierte Geschichte der Erfindungen. Neu hg. v. Rudolf Mewes, Berlin o. J. (1915), 185.

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die neu benannten Vitamine an. Diese Lebensstoffe wurden schon frühzeitig in Produkten verdichtet, die einen geringen Kalorien-, aber einen hohen Vitamingehalt besaßen.567 Mochte es sich in beiden Fällen auch erst um Einzelprodukte handeln, so zeichneten sich doch schon vor 1914 Angebote ab, die auf Basis des Stoffparadigmas und vor dem Hintergrund verbesserten technologischen Wissens passgenau auf Dicke und Dünne zugeschnitten werden konnten. Schon vor dem Ersten Weltkrieg bestand ein um den Körper und seine Wahrnehmung herum entwickelter Markt, der Produkte und Lebensstilstützung bot. Im Alltag brauchte man vor dem Ersten Weltkrieg ein gewisses Gewicht, um wahrgenommen zu werden, um etwas zu gelten: Entsprechend breit war der Markt auch von Kräftigungsmitteln, die nicht nur Nahrungsstoffe zuführen, sondern auch knochige und übellaunige Männer und Frauen in fleischige und lebenslustige Wesen verwandeln sollte.568 Nähr- und Nervennahrungen dominierten um die Jahrhundertwende, auch wenn man sie vielfach als Reste des fehlgeschlagenen Versuches einer Umgestaltung der täglichen Kost auf Basis von Nährpräparaten sehen muss. Diätpräparate und Entfettungsmittel wurden schon in den 1860er Jahren in großer Zahl vertrieben. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Versicherungsmathematik gingen viele Anbieter nach der Jahrhundertwende zu einem »death marketing« über, in dem die Schock­ wirkung den potenziellen Kunden aufrütteln und zum Kauf bewegen sollte.569 Essen galt hier nicht länger als Genuss, sondern als Mittel zur Modellierung des eigenen Körpers, als Problemhort und Sünde. Essen verband sich paradoxerweise mit Verfall, mit Tod. Subtiler und letztlich erfolgreicher waren jedoch Anbieter, die Alltagserfahrungen und -ängste der Verbraucher mit den Wohltaten der Angebote verbanden. Gerade der auch damals schon als immer intensiver wahrgenommene Arbeitsalltag und der zu dieser Zeit offenkundige Wettbewerb um Stellung und Arbeitskräfte ließ Hilfsmittel auch für Männer akzeptabel erscheinen. Die Körperanforderungen divergierten geschlechtlich: Beim Mann schienen Leistungsfähigkeit und Kraft, bei Frauen dagegen ein attraktiver junger Körper und Nerven­stärke erforderlich. Anforderungen an den Haushalt und die urbane Konsum- und Arbeitswelt wurden wichtiger. Die Produkte wurden entsprechend positioniert, der Markt weiter segmentiert. Abführmittel zielten insbesondere auf Kinder, Frauen und Ältere, erschienen als einfache Möglichkeit, das Wohlbefinden zu steigern und auch das Körpergewicht zu modellieren. Gleichwohl: Die gängige Darstellung eines um 567 Beispiele waren etwa die Vitamose (Klopfer) oder das Orypan (Chemische Werke­ Rudolstadt), vgl. Juckenack, A[dolf]: Unsere Lebensmittel vom Standpunkt der Vitaminforschung, Berlin 1923, 47. 568 Vgl. etwa die Werbeaussage in Simplicissimus 17, 1912/13, 352. 569 Fliegende Blätter 125, 1906.

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Abb. 23: Körper und Leistungsfähigkeit in der Werbung 1912

fassenden Umschwungs hin zu einem schlanken, tendenziell gertenschlanken Körper570 findet sich weder vor noch unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Stattdessen wirkten antike Vorbilder nach.571 Auch sie stützten sich auf wissenschaftliche Referenzsysteme und wurden durch eine Spezialindustrie bedient und genutzt.

3.6 Alternativen ohne Alternative: Lebensreform und Reformwarenwirtschaft Die Selbststilisierung der Alternativen als Alternative ist bis heute ein gern geglaubter, aber nur selten hinterfragter Topos. Dabei sollte gerade die Nutzung von Begriffen wie »Leben« oder »Natur« Rückfragen in Gang setzen, nicht nur 570 Vgl. etwa Blimlinger, Eva/Sturm, Margit: Vom Korsett zum Knäckebrot. Zur Genese des hegemonialen Körperkonzepts, Zeitgeschichte 16, 1988/89, 446–457. 571 Vgl. hierzu Möhring, Maren: Marmorleiber. Körperbildung in der deutschen Nacktkultur (1890–1930), Köln/Weimar/Wien 2004; Wedemeyer-Kolwe, Bernd: »Der neue Mensch«. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Würzburg 2004.

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die politische und gesellschaftliche Dimension der Lebensreformbewegung in den Blick zu nehmen, sondern auch die Stellung der Alternativen im Rahmen der Umgestaltung des Wissensfeldes Essen und Ernährung. Warren Belascos Befund, dass die US -amerikanischen Alternativbewegungen in den 1960/70er Jahre spätere Massenprodukte austesteten und etablierten572, gilt auch für die Anfänge der Lebensreformbewegung im Deutschen Reich. Die historische Forschung hat die Überlappungslinien zwischen etablierter und alternativer Wissenschaft durchaus hervorgehoben. Die vegetarische Diät ist hierfür ein gutes Beispiel.573 Die hier zu diskutierende These geht jedoch noch weiter: Lebensreform und Reformwarenwirtschaft waren Vorreiter »künstlicher Kost« und auch des Stoffparadigmas. Es gab keine Alternative seitens der Alternativen, sondern sie bedienten Marktnischen des einen großen Marktes verarbeiteter Nahrungsmittel. Hierzu gilt es sich natürlich von den Aussagen der Zeitgenossen frei zu machen, die sich von der geltenden Ernährungsphysiologie stets distanzierten und »natürliche« Produkte an die Stelle der vermeintlich verderblichen modernen künstlichen Kost setzen wollten. Denn genau wie der Kampf gegen das Fleisch vielfach in Fleischersatzprodukten mündete, so war der nimmermüde Kampf gegen das »Eiweißdogma« nicht nur dessen negative Beschwörung, sondern setzte die grundsätzliche Akzeptanz des Stoffparadigmas voraus. Der Verweis auf »Vitalität« oder »energetische Potentiale« in den Nahrungsmitteln zielte auf eine Differenzierung bzw. Neuakzentuierung des Stoffparadigmas, nicht aber auf dessen Ersatz. Gerade die Vitaminlehre wurde seitens der Lebensreformer schnell und als Bestätigung ihres eigenen antizipierenden Wissens aufgegriffen.574 Das Ideal besserer, bekömmlicherer und natürlicher Produkte führte zu anderen Herstellungsweisen, doch gerade deren Technologie, Standardisierung und Qualitätssicherung nahmen analoge Entwicklungen in der konventionellen Nahrungsmittelindustrie vielfach vorweg. Trockenobst, Frühstückflocken, Hafergrieß, Nussmus, Vollkornbrot und Obstsäfte waren sämtlich verarbeitete und haltbar gemachte Produkte. Die Kritik am neuen Wissen der Ernährungswissenschaft unterstrich die Ordnungskraft des Stoffparadigmas, an dem sich selbst seine Kritiker orientierten. Die Sprache des Wissens lenkte die Gespräche sowohl der Wissenden als auch ihrer Kritiker. Gerade in der Kritik von als »unmöglich« verstandenen alternativen Forderungen, deren Umsetzung ein ande 572 Belasco, Warren J.: Appetite for Change. How the Counterculture took on the Food Industry, 1966–1988, New York/Toronto 1989. 573 Buchholz, Kai: Lebensreform und Lebensgestaltung. Die Revision der Alltagspraxis, in: Ders. u. a. (Hg.): Die Lebensreform. […], Bd. I, Darmstadt 2001, 363–368. Zur internationalen Entwicklung vgl. Whorton, James C.: Nature Cures. The History of Alternative Medicine in America, Oxford 2002. 574 Geschälter Reis und Beri-Beri, VW 46, 1913, 72; Horn: Die Vitamine und ihre Bedeutung für die Ernährungsfrage, VW 47, 1914, 218–219, 228–229.

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res Leben und ein anderes Wirtschaften erforderten hätten, wird man zugleich sensibilisiert für die Kraft des Stoffparadigmas selbst. Auch und gerade in der Alternativwirtschaft materialisierte es sich in einzelnen Produkten und spezifisch gedeuteten Inhaltsstoffen, von denen man Heil und Gesundheit, Wohlgeschmack und Lebensfreude erwartete. Gerade weil hier Gesinnung und Markt, Ideal und Broterwerb eine dynamische Verbindung eingingen, gab es in der bürgerlich geprägten Alternativwirtschaft ein umso intensiveres »Pröbeln« und Forschen, Tüfteln und Probieren. »Sanfte« Verarbeitung erforderte in Gewerbe und Haushalt, im Handel und den Restaurants nicht eine vorrangig andere, sondern eine vorrangig intensivere Orientierung an Produkten und Stoffen.

3.6.1 Ethik und Standardphysiologie. Das Stoffparadigma als negative Orientierung Alternative Ernährung muss begründet werden, um sie so der Mehrheit zur Kenntnis zu bringen. Das folgert nicht allein aus dem schwachen Status einer Minderheit, deren Existenz für die Mehrzahl der Essenden irritierend ist, da sie im Elementaren abweicht. Die Begründungen erfolgen vielmehr im Bewusstsein starker, potenziell mehrheitsfähiger Argumente. Der Alternative isst im Bewusstsein besseren Essens. Information und Aufklärung sind für ihn Dienst an seinen Mitmenschen. Missionarisches Handeln ist eine häufige, nicht aber zwingende Folge. Versucht man, die Begründungen für eine Abkehr vom Haupttrend der Ernährung zu bündeln, so fehlte im Kaiserreich die heutzutage gängige ökologische Dimension. Auch repräsentative Lebensstilargumente galten nichts in einer Zeit, in der es vorkam, dass Vegetarier auf Geisteskrankheit hin untersucht wurden.575 Stattdessen standen sowohl ethische als auch gesundheitliche Begründungen im Mittelpunkt der Kulturmission der Alternativen.576 1. Ethische Begründungen erweiterten erst einmal die Perspektive des einzelnen Essenden. Er wurde in Bezug zu seinen Mitmenschen, seinen Mitgeschöpfen, zum gemeinsamen Raum und der gemeinsamen Zeit gesetzt. Nicht Essen an sich, sondern Essen in einem normativen Kontext stand im Mittelpunkt. Das hatte Folgen. Ethisch begründete Ernährungsweisen interessieren sich vorrangig für die mit dem Nahrungsakt verbundenen Vorleistungen und Folgen. 575 Vgl. Keidel, J[ohn E.]: Eine Besprechung mit Dr. med. Albu, VW 34, 1901, 171–172, hier 172. Zur Perzeption der Vegetarier in der zeitgenössischen Karikatur vgl. Spiekermann, Uwe: Gesunde Ernährung im Spiegel von Karikaturen der Jahrhundertwende. Das Beispiel der »Fliegenden Blätter«, in: Gesunde Ernährung zwischen Natur- und Kulturwissenschaft. […], Münster 1999, 61–82, hier 75–77. 576 Vgl., auch zum Folgenden, Spiekermann, Uwe/Schönberger, Gesa U.: Wie alternativ ist alternativ. Ernährungsweisen als Ausdruck gesellschaftlichen Wandels, EU 48, 2001, ­4 42–444, 446.

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Im organisierten Vegetarismus zeigte sich dies vornehmlich am Nahrungsmittel Fleisch, das Symbol für das Rohe, das Ungeschlachte, das Gewalttätige und Zerstörerische war. Verzicht hierauf diente der Befriedung der Gesellschaft und der Harmonisierung der natürlichen Umwelt. Wer anders esse, werde auch anders handeln, denn er werde nicht töten, werde nicht sein eigen Fleisch verzehren. Der Alternative stellte seine niederen Bedürfnisse zurück, um höhere Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei gründete er auf Annahmen von der Natur der Dinge und der Natur selbst, die empirisch nicht zu überprüfen waren. Entsprechend eng war die Verbindung zu religiösen Formen alternativer Ernährung, zu Fasten und Askese, wie sie etwa Eduard Baltzer repräsentierte.577 Doch Entbehrung und Leibesverklärung hatten klare soziale Funktionen. Als Vorbild hoben sich die Einzelnen von der Mehrzahl ab, leiteten sie zugleich zu anderem, zu ethisch »richtigem« Verhalten an. Ethische Begründungen greifen aber nur, wenn ethisch analog gedacht wird. Das kann in einer pluralen Wissensgesellschaft nur bei Grundsatzfragen der Fall sein. Die Selbsterhebung der Alternativen war immer von Isolation begleitet. 2. Entsprechend waren Zusatzbegründungen nötig, um mehr als bekehren zu können und kommunikativ Brücken zur Mehrheitsgesellschaft zu schlagen. Gesundheitliche Begründungen traten zuerst im Kontext naturheilkundlicher Kuranstalten auf, entwickelten sich im Kaiserreich aber zum dominanten Diskussionsstrang.578 Wichtig war, dass sie trotz einer immer auch auf die Gattung bzw. das Volk gerichteten Dimension vorrangig auf den Einzelnen zielten, vor allem den individuellen Nutzen einer bestimmten Ernährungsweise hervorhoben. Der Mensch wurde im Kontext der Natur auf seine Körperlichkeit verwiesen, alternative Ernährung sollte diese optimal ausbilden. Die Argumente griffen den dominanten Diskurs der Medizin und Ernährungsphysiologie auf, richteten sich stärker kognitiv aus, zielten auf Teilhabe am wissenschaftlichen Diskurs, stellten sich tendenziell auch wissenschaftlichen Kriterien der Überprüfbarkeit, waren zudem diskursiv und institutionell anschlussfähig. Hier, und nicht auf der ethischen Begründungsebene, finden wir das eigenartige und im Regelfall unterschätzte Begegnungsfeld von dominanten und alternativen Vorstellungen des richtigen Essens und gesundheitlich zuträglicher Produkte. Alternativ sein bedeutete, sich an den dominanten gesundheitlichen Erklärungsansätzen abzu­

577 Vgl. Baltzer, Eduard: Öffentliche Vorträge über die natürliche Lebensweise, Frankfurt a. M. 1911. Zu den auch hieraus gezogenen Konsequenzen s. Baltzer, Eduard: Die Reform der Volkswirtschaft vom Standpunkt der natürlichen Lebensweise, Rudolstadt 1882. 578 Hahn, Theodor: Die Ritter vom Fleische. Offene Briefe über die Ernährungsfrage. Zugleich ein Beitrag zur Lösung der sozialen Frage, Berlin 1869. In der Anklage werden die strukturell ähnlichen Konzepte hierarchisierenden Wissenstransfers gleichwohl transparent. Vgl. allgemein Heyll, Uwe: Wasser, Fasten, Luft und Licht. Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland, Frankfurt a. M./New York 2006, v. a. 59–108.

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arbeiten, wodurch die stoffliche Zusammensetzung der Nahrungsmittel und das Stoffwechselgeschehen selbst zum Referenzwissen wurden. Die besondere Dynamik der Lebensformbewegung entsprang der Koppelung ethischer und gesundheitlicher Begründungsstränge, durch die individuelle Gesundheit für den Alternativen »zum innerweltlichen Gnadenbeweis«579 wurde. Die isolierte Gesundheitsdimension aber erlaubte sowohl Wirkung über Sektenbildung hinaus als auch die Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten, die auch von denen konsumiert werden konnten, die den ethischen Argumenten nicht aufgeschlossen gegenüberstanden. Diese abstrakten Überlegungen müssen belegt, müssen konkretisiert werden. Dazu hilft ein 1897 vorgelegter Programmentwurf der naturheilkundlichen Bewegung, bei dem die Ernährungsfrage im Mittelpunkt stand. Schon die Reihenfolge der Forderungen lässt aufhorchen. Die Bevorzugung pflanzlicher Kost stand erst an vierter und die »Bekämpfung der Liebigschen Eiweisstheorie« an fünfter Stelle. Dagegen hieß es: »1. Schulunterricht über Stoffverbrauch durch Arbeit und Stoffersatz durch Ernährung, über die Ernährungsgrundstoffe und den Nährwert der pflanzlichen und tierischen Nährmittel. 2. Anbringung von Ernährungstabellen und Vorschriften in allen Küchen-, Speise- und Gastzimmern.«580 Die Lebensreformer lehnten die Ausrichtung der etablierten Ernährungsphysiologie ab, insbesondere deren Fokussierung auf das animalische­ Eiweiß. Aber sie teilten, propagierten und forcierten das Stoffparadigma selbst, das sie für ihre Zwecke glaubten nutzen zu können. Diese Adaption resultierte auch aus den spätestens seit den 1880er Jahren bestehenden Alternativentwürfen einer stofflich gedeuteten Natur und Nahrung, für die insbesondere naturwissenschaftlich ausgebildete Alternative stehen, etwa Julius Hensel und Heinrich Lahmann. Anders als die »Propheten« der Konstituierungsphase der Lebensreformbewegung, deren Weg meist über die erfolgreiche Bekämpfung eigener Krankheiten zu anderen, mit ethischen und gesundheitlichen Argumenten gleichermaßen umfriedeten Lebensweisen führte, die sie dann zu eigenen Lehren und Lehrgebäuden verdichteten, begründeten sie ihre Vorstellungen weniger aus den eigenen Erfahrungen, sondern verstanden sich als Naturforscher.581 Während Hensel seine Mineralstoffarbeiten noch in mythische Evolutionstheorien einbettete und nicht nur mit seinem »Steinmehl«  – vermahlenen Steinen, deren Mineralgehalt als gehaltvoller Dünger 579 Spode, Hasso/Barlösius, Eva: Der Kreuzzug der »Kohlrabi-Apostel«. Wie der Mensch durch Fleischverzicht selbstbeherrschter, friedlicher und glücklicher werden sollte, NZZ -Folio 1997, Nr. 4, 24–30, hier 30. 580 Hirschfeld, [Felix]: Ein Programmentwurf für die deutsche Naturheilbewegung, Der Naturarzt 25, 1897, 129–133, 167–169, 202–204, 238–240, hier 131. 581 Einen guten Überblick der Gesamtentwicklung bietet Barlösius, Eva: Naturgemäße Lebensführung. Zur Geschichte der Lebensreform um die Jahrhundertwende, Frankfurt a. M./ New York 1997.

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dienen sollte – in Konflikt mit dem geltenden Recht kam582, machte Lahmann eine glänzende Karriere, die mit dem Besuch des Prinzen Waldemar von Preußen in seiner Kuranstalt 1902 gleichsam geadelt wurde. Heinrich Lahmann, Sohn aus einem Familiennetzwerk Bremer Kaufleute und approbierter Mediziner, war Gründer des Privatsanatoriums »Weißer Hirsch« bei Dresden, Künder einer neuen stofflich fundierten Mineralsalzlehre, Produzent zahlreicher Broschüren und populärer Hausbücher sowie erfolgreicher Lizenzgeber »natürlicher« künstlicher Kost.583 Er steht für die bedingte Verwissenschaftlichung des alternativen Sektors, dessen Wissensproduktion Ergebnisse abseits der herrschenden Meinung der Schulmedizin bzw. der staatlich und privatwirtschaftlich alimentierten Ernährungsforscher hervorbrachte. Es war eben kein Zufall, dass die ersten deutschsprachigen Überblicksdarstellungen zu Mineralstoffen und Vitaminen just aus diesem alternativen Milieu stammten.584 Lahmanns Sanatorium wurde 1888 eröffnet und zeichnete sich gegenüber anderen naturheilkundlichen Kuranstalten durch soziale Exklusivität aus.585 Das Ambiente wurde um eine 1891 veröffentlichte exklusive Lehre ergänzt: Lahmann ging vom Stoffparadigma aus, stellte es jedoch gleichsam auf den Kopf: Während man Pflanzen Mineraldünger zuführe, damit diese gedeihen, sorge man sich beim Menschen primär um das Eiweiß, nicht aber um die »Nährsalze«. Umgekehrt sei es richtig: »Das bisschen Eiweiss, das wir gebrauchen, enthalten alle Nahrungsstoffe schon zur Genüge, während man heute irrtümlicherweise umgekehrt sagt: das, was wir an Mineralstoffen gebrauchen, ist wohl schon in allen Nahrungsmittel gleichmässig enthalten.«586 Eine rationale Kost gründe demnach auf der richtigen Mischung der Mineralstoffe. Sei diese gewährleistet, so seien auch die anderen Stoffe in genügender Menge vorhanden. Durch die Kulturentwicklung, die »Degeneration«, sei die natürliche Nahrungsmittelauswahl allerdings verändert worden, eine Dysämie, eine »Blutentmischung, Blutentartung«587 sei die Folge. Andere Prioritäten, geordnet nach der Hierarchie 582 Vgl. Neßler, J[ulius]: Hensel’sches Steinmehl oder Straßenstaub als Dünger, Wochenblatt des Landwirthschaftlichen Vereins im Großherzogthum Baden 1894, 555–556; Verurtheilung des Chemikers Julius Hensel, ebd., 310. 583 Zur Lebensgeschichte vgl. Brauchle, Alfred: Naturheilkunde in Lebensbildern, Leipzig 1937, 293–312; Grote, L[ouis] R.: Heinrich Lahmann. Zum Gedächtnis des 100. Geburtstages am 30. März 1860, Hippokrates 31, 1960, 240–242; Lienert, Marina: Zum 100. Todestag von Heinrich Lahmann, Ärzteblatt Sachsen 2005, 379–382. 584 Vgl. Kapitel 2.3.3 sowie Berg, Ragnar: Die Vitamine. Kritische Übersicht der Lehre von den Ergänzungsstoffen, Leipzig 1922. 585 Vgl. Lienert, Marina: Naturheilkundliches Dresden, Dresden 2002; Rummel, 2003, 40–41. 586 Lahmann, Heinrich: Die diätetische Blutentmischung (Dysämie) als Grundursache aller Krankheiten. Ein Beitrag zur Lehre von der Krankheitsdisposition und Krankheitsverhütung, 7. verm. Aufl., Leipzig 1897, 181. 587 Ebd., 33.

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und Harmonie des Nährsalzgehaltes, seien daher unabdingbar. Nicht Fleisch müsse im Mittelpunkt täglicher Sorge stehen, sondern vorrangig Gemüse und Früchte. Eine derartige Ernährungsweise bedürfe einer arbeitsintensiven Gartenbaulandwirtschaft, die Deutschland autark versorgen könne. Nährsalze seien dabei keine anorganischen Stoffe, sondern besäßen im Rahmen des Körpers, dort im Wortsinne organisiert, eine spezifische Vitalität. Stofffluss bedeutete demnach regelmäßigen Verlust und Neuersatz der Nährsalze. Bei Störungen bildeten sich dagegen Kohlensäureschlacken, die nicht mehr in ausreichender Menge abtransportiert wurden.588 Krankheiten seien die Folge. Lahmanns Theorie bildete eine originelle Mischung der dominanten Stoffwechselphysiologie und der Humoralpathologie, die sich insbesondere in einer Lehre der Lebensalter niederschlug sowie in einer Therapie, die neben der richtigen Diät vornehmlich auf die Stärkung der Selbstheilungskräfte setze. Entsprechend waren in seiner Kuranstalt Hydro-, Licht- und Bewegungstherapie üblich, ebenso individuelle Heilpläne für die zahlungskräftige Klientel. Doch Lahmann begnügte sich nicht damit, das »Salz der Aufklärung«589 über Schriften und seine ökonomisch stetig expandierende Heilanstalt zu verbreiten. Auf der einen Seite institutionalisierte er wissenschaftliche Grundlagenforschung. 1895 gründete er im »Weißen Hirsch« ein chemisch-physiologisches Laboratorium, das sich anfangs auf Stoffwechseluntersuchungen im Kontext der Bewegungs- und Ernährungstherapie konzentrierte, das nach Lahmanns frühem Tod dann aber unter Carl Röse und Ragnar Berg systematische chemische Grundlagenarbeit über den Mineralstoffgehalt der gängigen Nahrungsmittel leistete.590 Für Lahmann war dies essenziell, ging es doch im eng materia­ listischen Sinne um die »diätetische Aufbesserung der Körperqualität«591 durch die richtige Mischung der »Nährsalze«, qualitativ aber um die Züchtung eines neuen, schönen Menschengeschlechts. Wissen aber musste praktisch, musste über Produkte verbreitet werden. Lahmann wurde zum Ideen- und Lizenzgeber für eine Vielzahl von Produkten, aus denen die vegetabile Milch und die Nährsalzpräparate herausragten. Sie waren – ähnlich wie im parallelen Falle John Harvey Kelloggs – wichtige Alltagsmarker, die nicht unwesentlich zur Popularität des Unternehmens »Weißer Hirsch« beitrugen, in dem Ende der 1920er Jahre mehr 350 Personen beschäftigt waren. 588 Hierzu detaillierter Lahmann, Heinrich: Die Kohlensäurestauung in unserem Körper (Carbonacidaemie und Carbonavidose). Ein Beitrag zum Verständnis des Wesens innerer Krankheiten, Stuttgart 1905. 589 Simons, Gustav: Tod der Nahrungsmittelindustrie!, VW 38, 1905, 273–285, hier 275. 590 Der etablierten Wissenschaft schien das nicht machbar zu sein: »Es ist dies ein ungeheures Gebiet. Man denke nur, was es heissen will, die Zusammensetzung der Aschen sämtlicher Nährstoffe nur einigermassen genau zu kennen!« (Hoffmann, 1903, 495–496). 591 Lahmann, Heinrich: Das Naturheilverfahren und die Reform der Medizin, Die Woche 4, 1902, 43–45, hier 44.

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Abb. 24: »Neues Leben« und »Gesundheit« als Marktstrategie. Anzeige 1914

Lahmann teilte das Ideal der Muttermilch (Kap. 3.1.2), da sie der Mineralstoffzusammensetzung des Gesamtorganismus optimal entspräche. Auf Grundlage chemischer Analysen konzipierte er aus Mandeln, Nüssen und Zucker eine Kindermilch, die keine »Mehlschäden« hervorrufen konnte, die aber eine kalziumund natriumreiche Ernährung ermöglichte. Fabriziert von der Kölner Schokoladefabrik Hewel & Veithen, wurde sie 1893 über große Hygiene-Ausstellungen dem Fachpublikum vorgestellt und etablierte sich schnell als Marktführer des Nischenmarktes vegetabiler Kindermilch.592 Die fließenden Grenzen zwischen konventionellen und alternativen Angeboten verkörperten in noch stärkerem Maße die Lahmannschen Nährsalzpräparate, die schon seit Ende der 1880er Jahre von Hewel & Veithen produziert wurden.593 Das Prinzip der Kombination von Wert gebenden Stoffen und Geschmacks- bzw. Nährstoffträgern unterscheidet sich in nichts von den Nährund Eiweißpräparaten. Produktionsverfahren und Rohstoffe blieben unklar, sodass innerhalb der vegetarischen Bewegung darüber gemutmaßt wurde, dass die Nährsalze eben nicht aus teuren Früchten, sondern aus »den Drogen- oder Materialwarenhandlungen« stammten. Wichtiger aber schien, dass die aus ihren 592 Höck, Heinrich: Ueber die Anwendung von Dr. Lahmann’s »vegetabiler Milch«, Wiener Medizinische Wochenschrift 46, 1896, Sp. 436, 439, 494–496, 539–542. 593 Vgl. Nährsalz-Präparate, Monika 22, 1890, 186. Ihr Zusatz zu Speisen wurde mit den Nährwertverlusten durch das Kochen gegründet.

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organischen Kontext herausgelösten Nährsalze ihre »Vitalität« verloren hätten, sodass auch diese Präparate nicht zu empfehlen seien.594 Diese Debatte nahm vorweg, was seit den 1930er Jahren am Beispiel synthetischer Vitamine neuerlich diskutiert wurde (Kap. 5.1.3). Konventionelle und alternative Produktwelten entwickelten sich parallel und waren eng miteinander verflechtet. Dem entspricht eine durchaus differenzierte Rezeption der Eiweißpräparate in der vegetarischen Bewegung, zumal des aus Kasein gewonnen Plasmons.595 Ferner führte der leider nicht quantifizierbare Erfolg der Lahmannschen Präparate zu zahlreichen Nachahmungen innerhalb der Lebensreformwirtschaft, boten doch andere Kuranstalten, etwa die von Gustav Just in Ilseburg (Harz), ähnliche Produkte an. Der seinerzeit berühmteste Naturheilkundler Friedrich Eduard Bilz ließ Nährsalzpräparate in Lizenz produzieren.596 Nicht nur Balneologen sondern auch Naturheilanstalten erweiterten ihre Alltagspräsenz durch haltbare und konzentrierte Präparate. Ähnlich wie in der etablierten Wissenschaft, die ihre Lehren immer auch über breite institutionelle und personelle Netzwerke, sei es in der Hauswirtschaftslehre, sei es in der populären Wissenschaftsliteratur, verbreitete, finden wir gerade in der Alternativbewegung viele publizistisch rege Adepten, die es sich teils aus ideellen, teils aus materiellen Gründen zur Aufgabe gemacht hatten, die Lehren der großen »Heroen« zu verbreiten – auch wenn sie stärker zu eigenständigen Ergänzungen neigten. Ein gutes Beispiel ist der heutzutage unbekannte Berliner Vegetarier Heinrich Bauernfeind, der auf Basis der Grundwerke vornehmlich Hensels und Lahmanns deren Lehren eigenständig verbreitete. Von Beruf ein kleiner Angestellter, konzentrierte er sich Mitte der 1890er Jahre auf vegetarische Athletik und der dazu passenden Körpermodellierung auf Mineralstoffbasis. Bauernfeind kombinierte 1898 Ergebnisse chemischer Grundlagenforschung mit den alternativen Lehren. Das Resultat war ein Überblick der gängigen Nahrungsmittel anhand ihrer Nährstoffgehalte. Die Stan-

594 Spohr, [Peter Harmuth]: Die vegetarischen Lebensmittel, ihre Verwertung und Verwüstung, als ein Teil der sozialen Frage betrachtet. Grundsätze einer vegetarischen Diätetik. V., VW 43, 1910, passim, hier 160 (auch für die beiden vorherigen Zitate). Ähnlich die Kritik an den Wirkungsimaginationen bei Grabley, Paul: Zur Literatur und Kasuistik der Mineralsalztherapie, Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie 19, 1915, 353–369, hier 354. 595 Hering, E.: Gedanken und Beobachtungen über Eiweissnahrung, VW 32, 1899, 328–330. 596 Auch hier bestanden ähnliche stofforientierte Konzepte, vgl. etwa Bilz, F[riedrich] E[duard]: Nährsalzreiche Nahrung. Ein Beitrag zur Hebung der Volksgesundheit, Die Lebenskunst 3, 1908, 490–491, 509–511, 532–533, 557–559. Zum Angebot vgl. Helfricht, Jürgen: Friedrich Eduard Bilz. Naturheiler, Philosoph, Unternehmer, Radebeul 2012, 105–107. Bekannte Marken waren zudem Dr. Pragers Nährsalz-Kakao sowie das Pflanzen-NährsalzPulver Sala.

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dardphysiologie schien einen Weg hin zur Natur zu ermöglichen.597 Derart grundgelegt präsentierte er dann Nährstofftabellen für Vegetarier, übertrug also die frühen Versuche der Ernährungsphysiologie auf die Alternativbewegung.598 Bauernfeinds fünf Kosttabellen entsprachen Kostformen, die in einer Art Stufenlehre zu durchschreiten waren, um sich durch Gewöhnung vom üblichen Verzehr hin zu einer optimalen vegetarischen Kost zu entwickeln. Diese normierenden Vorgaben differenzierte Bauernfeind anschließend aus, schuf so eine detaillierte Nahrungsmittelhierarchie auf Basis der Wert gebenden Stoffe.599 Nicht Fleisch, sondern Ganzkornbrot stand an der Spitze seiner Nahrungsempfehlungen, die ein Paralleluniversum zur Standardphysiologie bildeten; formal adäquat, doch von anderen Prämissen ausgehend. In den Folgejahren differenzierte Bauernfeind seine Vorstellungen weiter aus, der konzeptionelle Kern aber blieb unverändert.600 Innerhalb der Lebensreformbewegung gab es sehr wohl Kritik und Spott über derartige Bestrebungen einer stofflich begründeten Normierung und Optimierung der Vegetarierkost, wobei insbesondere ethisch Bewegte die materialistische Eindimensionalität monierten.601 Gerade seitens der individualisierenden Naturärzte stand die Kritik an den einengenden »Schemen, die von Gelehrten durch Untersuchungen aufgestellt sind«602 hoch im Kurs, um doch anschließend eigene strenge Ernährungsregimes auf Erfahrungsbasis aufzustellen. Bauernfeind stand nicht allein, andere, etwa der vegetarische Siegesmarschierer und spätere Inhaber der Berliner Gesundheits-Zentrale, Karl Mann, vertraten ähnlich normierende Konzepte.603 Die zahllosen Schimpfkaskaden, die seitens vieler Vegetarier gegen die etablierte Physiologie geschleudert wurden, und die vielfach ebenso schrill und unkontrolliert beantwortet wurden, dürfen nicht verdecken, dass in Lebensreform und Vegetarismus nicht nur Erfahrungsempathie herrschte, sondern auch Wissenschaftsgläubigkeit.

597 Bauernfeind, Heinrich: Die polare Verteilung der Mineralstoffe in den verschiedenen Nährmitteln, VW 31, 1898, passim (10 Teile). 598 Ders.: Tabellen einer vegetarischen Normalkost, VW 31, 1898, 306–308; 32, 1899, 7–9. 599 Ders.: Zur Reform der Körner-Ernährung, VW 32, 1899, passim; 33, 1900, 8–10, 32–35, hier 32. Grundlage bildeten die Analysen Joseph Königs. 600 Ders.: Ammoniak- und Aschen-Geschöpfe, VW 33, 1900, 255–260, 297–298; Ders.: Gesunde oder naturgemässe Ernährung, ebd., 361–365; Ders.: Zur reinen Obst-Ernährung, ebd. 34, 1901, 217–223, 244–247, 270–272. 601 So ironisch Amfels, Georg: Im Speisehause »Zur Tabelle«, VW 33, 1900, 107–109, ­135–138, hier 137. 602 Just, Adolf: Kehrt zur Natur zurück! Die Heilweise der Natur nach ewigen Gesetzen, 12. Aufl. völlig neu bearb. u. hg. v. Rudolf Just, Blankenburg i.H. 1930, 178. 603 Die von mir von 1898 bis 1933 komplett ausgewertete »Vegetarische Warte« enthielt nicht weniger als 166 Artikel (von knapp 1.700 ausgewerteten), in denen die chemische Zusammensetzung der Nahrungsmittel explizit angesprochen wurde.

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Wissenschaft war der Kommunikationsmodus, an den man anknüpfen musste, um massenwirksam zu werden. Die Lebensreformbewegung setzte allerdings zugleich auf eine erweiterte Wissenschaft, in der auch die praktische Erfahrung und das subjektive Wissen des Alltags ihren Platz hatten. Sie setzte dazu schon vor dem Ersten Weltkrieg auf dynamisierende Begriffe wie »Leben«, »Natur«, »Volk« oder »Erfahrung«. Ohne Kontext inhaltsleer, diffundierten sie insbesondere während der 1930er Jahre in die Schulmedizin und den Massenmarkt.

3.6.2 Siedlung und Vermarktung. Die Obstbaukolonie Eden Während um Konzepte und Theorien gerungen wurde, bemühten sich viele Lebensreformer parallel darum, die Welt praktisch zu verändern. Zur Einschätzung der Alternativwirtschaft kann sicherlich ein Blick auf das ambitionierteste und langfristig vielleicht wirkungsmächtigste Projekt lebensreformerischen Lebens und Wirtschaftens helfen, die 1893 gegründete »Vegetarische Obstbaumsiedlung Eden«.604 Ihr Anspruch war beträchtlich: »Durch unser Beispiel hoffen wir beizutragen zur Hebung der Volksgesundheit und Wehrkraft, Verminderung der Auswanderung durch Kolonisation im deutschen Vaterlande, zur Verpflanzung der Industrie aufs Land und damit Bewahrung der Großstädte vor Uebervölkerung und Arbeitslosigkeit und des Landes vor Entvölkerung und Arbeitsmangel.«605 Die Genossen siedelten seit 1894 in zuerst ca. 80 je 2.800 m² großen Heimstätten am Stadtrand von Oranienburg. Bald schon zeigten sich typische Anfangsprobleme: Sandiger Grund, hohe Frostwahrscheinlichkeit, schlechte Bewässerung waren mit klingenden Parolen wie »Spatenwirthschaft anstatt Ochsenwirthschaft« nicht zu bewältigen. Das »Gegengewicht gegen Alkoholismus, Socialismus, Materialismus«606 schien am Eigengewicht zu zerbrechen. Hier setzt nun vielfach »die legendäre Geschichte«607 Edens ein, die Aktivisten und Charaktere ehrt und zugleich die problemlose »Eingliederung« der Genossenschaft 1933 kaum angemessen reflektiert. Anders als vergleichbare 604 Überblick und Selbstthematisierungen bieten: 75 Jahre Eden 1893–1968, hg. v.d. Eden Waren GmbH, o. O. 1968; Von Eden nach Eden. Neunzig Jahre – Weg einer Idee, Bad Soden 1983; Baumgartner, Judith: Ernährungsreform – Antwort auf Industrialisierung und Ernährungswandel. Ernährungsreform als Teil der Lebensreformbewegung am Beispiel der Siedlung und des Unternehmens Eden seit 1893, Frankfurt a. M. u. a. 1992. 605 Schreiben a.d. Vorstand der Versicherungsanstalt zu Brandenburg, zit. n. Die Vegetarische Obstbau-Kolonie »Eden« zu Oranienburg, Blätter für Genossenschaftswesen 41, 1894, 306–307, hier 307. 606 Obstbau-Kolonie, 1894, 307. 607 So die durchaus ernst gemeinte Charakterisierung von Segert, Astrid/Zierke, Irene: Auf der Suche nach Eden. Die lebensreformerische Genossenschaft Eden an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Münster u. a. 2001, 10.

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vegetarische Siedlungen608 zerbrach Eden an den ersten Schwierigkeiten eben nicht. Grund hierfür war eine begrenzte Professionalisierung  – Kompetenzeinwerbung durch erfahrene Landwirte und Obstbauern – sowie die bedingte Abkehr von unrealistischen ausgrenzenden Idealen – etwa der Erlaubnis, dass auch Nicht-Vegetarier Genossen werden durften, inklusive der Tilgung des Begriffes »vegetarisch«.609 Die 1895 knapp 80, 1898 fast 150 Siedler arbeiteten hart, verbesserten insbesondere die Bodenqualität. Wissend um die Bedeutung mineralstoffreichen Bodens, setzten die Genossen ihrer Erde binnen zehn Jahren 1.500 t Straßenkehricht, aber auch große Mengen Dung und Kalk zu. Neu angelegte, bis heute prägende Hecken verminderten die Erosion der Sandböden.610 Nun sahen Besucher wieder »den Keim der in Gemeinschaft schaffenden Gemeinde der Zukunft«611. Nicht zuletzt auf Grundlage des sich langsam intensivierten Kulturlebens und zahlreicher Unterstützer aus dem Umfeld bürgerlicher Avantgarde, schien wohlmeinenden Besuchern klar: »Es ist hier in Eden eine neue Welt im Werden begriffen, nach gerechteren Grundsätzen als denen brutaler Selbstsucht geordnet.«612 Dies bedeutete nicht zuletzt Abkehr von einer als menschenverachtend gedachten Konkurrenzgesellschaft. Gedacht war ursprünglich an eine moderate Selbstversorgungsgemeinschaft. Überschüsse im Obstanbau sollten verkauft, damit notwendige Anschaffungen finanziert werden. Lebensreformerische Ideale drückten sich im Nein zu »Schlächtereien, Fabrikations- und Verkaufsbetriebe für Fleischwaren, Fische, Alkohole jeder Art und Tabakwaren«613 aus. Schlachtvieh durfte nicht gehalten werden, wohl aber Milchvieh und Hühner für den Eigenbedarf. Güteraustausch wurde durch eine Konsumgenossenschaftsfiliale erleichtert. Die Siedlungsgemeinschaft selbst errichtete 1898 ein »genossenschaftl. Kaufhaus für Nahrungsmittel«614, um eigene Produkte abzusetzen. Schon 1896 hatte man frische Beeren an Großhändler verkauft, 1899 waren es 10 t. In der 1898 gegründeten Obstverwertungsstelle wurden Obst und Gemüse eingekocht, Fruchtsäfte nach dem kurz zuvor entwickelten gärungslosen Verfahren hergestellt, ferner begann man Obstmus, dann auch Marmeladen

608 Vgl. Oertel, Fr.: Konkurs der Obstbaugenossenschaft Heimgarten, VW 40, 1907, 11; Fellenberg, Fr.: Heimgarten, VW 40, 1907, 98–99, 132–134, 155–157, 180–183. 609 Zur Begründung s. Sponheimer, J.: Eden. Bericht über die VII. ordentliche Generalversammlung am 24. Februar 1901, VW 34, 1901, 105–110, hier 107–108; Schirrmeister, Paul: Obstbau-Kolonie »Eden«. Begründung ihrer Umformung, ebd. 34, 1901, 127–130. 610 Scholz, Joachim Joe: »Haben wir die Jugend, so haben wir die Zukunft«. Die Obst­ bausiedlung Eden/Oranienburg als alternatives Gesellschafts- und Erziehungsmodell (1893– 1936), Berlin 2002, 27. 611 Krecke, Hermann: Vegetarische Lebensgemeinschaft, VW 31, 1898, 191–194, hier 193. 612 Mann, Karl: Ein Tag in Eden, VW 32, 1899, 95–98, hier 97. 613 Eden, Gesundes Leben und Harmonische Kultur 9, 1911/12, 175–176, hier 176. 614 Vegetarische Obstbau-Kolonie »Eden«, VW 31, 1898, 71–74, hier 74.

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herzustellen.615 Während die unverarbeiteten Produkte anonym vertrieben wurden, koppelte man bei den verarbeiteten Produkten den Namen Eden mit einer gezielten Nutzung des lebensreformerischen Netzwerkes. Allerdings machten diese verarbeiteten Produkte zu Beginn nur einen kleinen, wenngleich lukrativen Teil des Absatzes aus. 1903 wurden 41,2 t Obst verkauft, zudem 32,9 t Gemüse sowie 41,5 t Kartoffeln frisch abgesetzt. Die Menge der verarbeiten Produkte betrug dagegen erst 5,4 t Fruchtsäfte, Marmeladen und Gelees.616 Eden war damals ökonomisch gesichert.617 Die Obstverwertungsstelle bemühte sich um qualitativ hochwertige Produkte und eine möglichst »natürliche« Verarbeitung. Es galt den Eigengeschmack der Früchte zu bewahren und Konservierungsmethoden mit nur geringen Geschmackseinbußen zu finden.618 Die zahlreichen Auszeichnungen der Eden Produkte belegen eine Qualitätsund Preisführerschaft.619 Von 1902 bis 1907 expandierte Eden beträchtlich, der freie Obstverkauf stieg etwa von 23,2 t 1902 auf 69 t 1907, während die selbst verbrauchte Menge sich in diesem Zeitraum auf 50,7 t verneunfachte.620 Ökonomisch wichtiger aber war die überdurchschnittliche Entwicklung der verarbeiteten Produkte einerseits und die Ausweitung der Angebotspalette anderseits. Eden expandierte, indem die Genossenschaft Regiebetriebe »nach vegetarischen Grundsätzen und eigenen Rezepten besonders gute und einwandfreie Waren«621 herstellen ließ, so etwa die unter Mitwirkung Heinrich Lahmanns entstandene Pflanzenfettmagarine »Eden«. Der Absatz erfolgte über das eigene Verkaufs- und Versandgeschäft, orientierte sich am regionalen Markt, nutzte 615 Zur Geräteausstattung s. Rietz, H.: Obstbau-Kolonie »Eden« (e.G.m.b.H.), Wochenbericht der Grosseinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine mit beschränkter Haftung zu Hamburg 9, 1902, 745–747, hier 746. 616 Jahresbericht der Obstbaukolonie »Eden« in Oranienburg, VW 37, 1904, 177–179, hier 178. 617 Vgl. Obstbau-Kolonie »Eden« (e.G.m.b.H.) in Oranienburg bei Berlin, VW 35, 1902, 152–156, hier 154; Sponheimer, J.: Eden. Bericht über die VII. ordentliche Generalversammlung am 24. Februar 1901, VW 34, 1901, 105–110, hier 105–106. Zur Überwindung der Krise vgl. Eden, VW 34, 1901, 370–373. 618 Vgl. Baumgartner, Judith: Die Anfänge der Obstbau-Kolonie »Eden« E. G.m.b.H. in Oranienburg (1893 bis 1914), Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 35, 1990, 154–165, hier 159. 619 Vgl. Baumgartner, 1992, 182–183. Zu dieser Zeit war Marmelade noch kein Alltagsprodukt, vgl. Müller-Diemitz: Die hauptsächlichen Verwertungsarten des Obstes im privaten und genossenschaftlichen Betriebe, MDLG 17, 1902, 36–38. Zugleich geriet die gewerbliche Produktion durch den Zusatz von Stärkezucker unter Druck, vgl. Härtel, F.: Über Marmeladen. Zur Begründung meiner Leitsätze, ZUNG 16, 1908, 86–92 (inkl. Disk.). 620 Jackisch, Otto u. a.: Die Obstbau-Kolonie Eden, VW 42, 1909, 256–258, hier 257. Die Siedlungsfläche stieg derweil um 36  Morgen (Obstbaukolonie »Eden«, VW 38, 1905, 253–255). 621 Speetzen, 1942, 61.

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aber ebenso das entstehende Netzwerk von Reformhäusern und lebensreformerischen Versandgeschäften. 1908 wurde zudem eine aus Getreide, Leguminosen und Kräutern bestehende Fleischersatzmasse als Edener Kraftnahrung »Gesunde Kraft«, vermarktet, um so den Käufern tendenziell ein Komplettangebot bieten zu können. Die Masse musste mit Wasser gekocht werden und ergab dann ein kompendiöses Gemenge, das wie Hackfleisch weiter zubereitet werden konnte.622 Billiger als Fleisch und Butter, sollten beide Produkte auch konventionelle Käufer gewinnen.623 In Eden führte der ökonomische Erfolg zu wachsendem Unbehagen innerhalb der Genossen. Die Kommerzialisierung unter der Geschäftsführerschaft Otto Jackischs wurde strikt kritisiert.624 Dagegen wurde die Rückkehr zu den Idealen der Anfangszeit gefordert, die seitens des Vorstandes strikt abgelehnt wurde.625 Die Folge der internen Richtungsdiskussion war die klare Ausrichtung Edens auf den Markt. Die Umsätze zogen insbesondere unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg deutlich an, auch wenn die Gewinne überschaubar blieben.626 1912 wurde das Betriebsgebäude der Obstverwertungsstelle wesentlich vergrößert, parallel baute man »Gesunde Kraft« zur Dachmarke aus, unter der nun auch Wurstersatz in verschiedenen Geschmacksrichtungen vermarktet wurde. Zugleich musste man erstmals Obst aus der Umgebung zukaufen, um die nötige Rohware zu erhalten. Mischfruchtmus erweiterte das Angebot ab 1912. Der unmittelbare Marktabsatz blieb gleichwohl dominant, das 1913 von fünf Angestellten betriebene Konsum- und Versandgeschäft setzte nur knapp 70.000 M um.627 Zu dieser Zeit war Eden jedoch nicht mehr allein als ein Ort neuer Kultur bekannt, sondern das 1914 von dem Künstler Ernst Haake geschaffene Edenwappen symbolisierte mit seinen drei Bäumen nicht nur die Boden-, Wirtschafts- und Lebensreform, sondern auch die Transformation einer ideellen Selbstversorgergemeinschaft in ein erfolgreiches Unternehmen von neuartigen Qualitätsprodukten, die Teil einer Verbesserung der Alltagskost waren. Qualitäts- und Konzeptführerschaft zeichnete Eden aus, das sich zum Vorbild für andere Produzenten, zumal von Fruchtsäften und Marmeladen, entwickelt hatte.

622 Eden, 1983, 33. 623 Vgl. Baumgartner, 1992, 188–192. 624 Pötzsch, Otto: Die Obstbaukolonie Eden, VW 42, 1909, 243–245, hier 245. 625 Jackisch u. a., 1909; Dagegen Pötzsch, Otto: Die Obstbau-Kolonie Eden, VW 42, 1909, 270–272. 626 Eden, 1968, o.P. 627 Baumgartner, 1990, 160.

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3.6.3 »Natürliche« Präparate. Angebot und Vermarktung von Reformwaren Die gewerbliche Produktion von Nahrungsmitteln vollzog sich im späten 19. Jahrhundert größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das 1879 erlassene Nahrungsmittelgesetz gab einen allgemeinen Rahmen vor, der sich vorrangig am Schutz von Leib und Geldbeutel orientierte. Die Art der Herstellung war dagegen kaum bekannt, Kennzeichnungspflichten bestanden nicht und nur vereinzelt bemühten sich Hersteller, über Qualitätsgarantien und dann auch Markenartikel, rudimentäre Markttransparenz zu schaffen. Diese Ausgrenzungspraxis kam bei Skandalen und Vergiftungsfällen immer wieder auf die öffentliche Agenda (Kap. 3.4.3). Die Reformwarenwirtschaft war eine Antwort auf diesen Zustand, der einerseits Folge der Produktorientierung der Anbieter war, anderseits aber Konsequenz eines sich überlegen und gleichsam alternativlos setzenden wissenschaftlichen Wissens. Während die organisierte Arbeiterschaft und sozial motivierte Bürger einen Ausweg in der Stärkung preiswerter Massenproduktion von Grundnahrungsmitteln sahen, orientierte sich die Reformwarenwirtschaft an Anderem, Höherem.628 Ihre zunehmend »breite Warenpalette«629 war auch Resultat ihrer Ideologie der reflektierten Askese. Fleisch, Alkohol, Tabak und Kaffee waren verpönt, weitere Produkte, insbesondere Zucker und tierische Fette sollte der »Vollvegetarier«630 möglichst meiden. Dies führte einerseits zur systematischen Suche nach Substituten, anderseits zu intensivierten Bemühungen, die erlaubten Nahrungsmittel höchst verschieden zu be- und verarbeiten, um so eine abwechslungsreiche »gesunde« Reformkost anzubieten. Schließlich standen die Alternativen immer im realen, vor allem aber imaginären Wettbewerb mit der »verderblichen« Nahrungsmittelindustrie, deren Angebot man zuerst qualitativ, letztlich aber auch quantitativ übertreffen und überwinden wollte. Festzuhalten ist, dass die Herstellung »gesunder« und »natürlicher« Alternativen stets auf Essenzen des Gesunden und der Natur zurückwies, also auf Wert gebende Grundstoffe. Konventionelle Anbieter nutzten dieses, finden sich in den vegetarischen Zeitschriften doch zahllose Anzeigen hoch verarbeiteter Markenartikel, die aber weder tierische Ingredienzien enthielten noch »Genussgifte«. Das technisch aufwändig produzierte Pflanzenfett Palmin galt als garantiert »reines Naturprodukt«631, Kathreiners Malzkaffee, Kaffee HAG oder alkoholfreie Getränke wurden in ähnlicher Weise vegetarisiert. Andere Anbieter, 628 Zur Eigenproduktion der Konsumgenossenschaften vgl. Spiekermann, 1999, 270–275. 629 Wedemeyer-Kolwe, 2004, 424. 630 Selss, G[ustav]: Die Philosophie des Fleischessens, VW 38, 1905, 85–86, hier 85. 631 Palmin, Der Naturarzt 25, 1897, Nr. 11, VII.

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etwa Maggi und Knorr, boten gezielt Vegetarier-Suppen an, versuchten also über die Wahl der Rohstoffe einen Nischenmarkt zu erobern.632 Künstliche Kost war Teil des Vegetarieralltags, vorausgesetzt, es handelte sich um pflanzliche Produkte.633 Innerhalb der vegetarischen Bewegung blieben diese Entwicklungen nicht unwidersprochen, insbesondere die ethische Richtung mokierte sich über den »Magenvegetarismus«634, der einzig den dualen Logiken animalisch/vegetabil bzw. giftig/natürlich verpflichtet sei, der aber nicht frage, ob diese Engführung nicht eine Abkehr von der Mission der Lebensreform sei. »Leben« wurde breiter verstanden. Fragen des Geschmacks, der Saisonalität und der individuellen Bekömmlichkeit seien zu beachten, ebenso die gerade für den Reformer wichtige Lust am Essen. Doch diese Debattenbeiträge brachen sich auch an dem einfachen Umstand, dass die Reformwarenwirtschaft ein Produktionsund Vertriebsnetz erst aufbauen musste, um die Küchenpraxis ihrer Anhänger mit dann zwingend verarbeiteten Produkten zu bereichern. Das Vegetarierdasein stand unter dem Dilemma, aus dem Gegebenen wählen zu müssen, zugleich aber Vorstellungen ganz anderer Produkte und Speisen zu hegen. Diese indirekte Abhängigkeit von der konventionellen Nahrungsmittelherstellung sollte – analog zum Aufbau einer konsumgenossenschaftlichen Eigenproduktion – durch eine eigene Reformwarenwirtschaft abgebaut und mittelfristig durchbrochen werden. Die Produktionsbetriebe begannen im Regelfall mit einem oder wenigen Produkten, die entweder um ein Nahrungsmittel oder aber um eine konzeptionelle Idee herum gruppiert waren. Beispiele müssen genügen, um die Konturen des vermeintlich alternativen Strebens der Alternativen einschätzen zu können. Brot bildete neben den »natürlichen« Kartoffeln die Grundlage der Ernährung im späten 19. Jahrhundert. Am Beispiel des Liebigschen Backpulvers und der Bemühungen um ein nährstoffreiches und haltbares Soldatenbrot (Kap. 3.2.4) zeigte sich schon, dass die Bäckerei nicht nur durch verbesserte Öfen und andere Teigführungen, sondern auch durch industriell gefertigte Treibmittel und Zusätze verändert wurde bzw. werden sollte. Ziel war dabei nicht nur eine erhöhte Prozessqualität, sondern immer auch eine bessere Stoffausnutzung. Blieben die unmittelbaren Veränderungen in der Bäckerei vergleichsweise gering, spielten sich die eigentlichen Veränderungen im vorgelagerten Bereich der Müllerei ab. Sie wurde in den 1880er Jahren endgültig zu einer Großindustrie mit kapitalintensivem Maschineneinsatz und einer Anbindung an internationale Rohstoffmärkte und Transportnetze. Gegen diesen Maschinisierungs- und 632 Vgl. etwa die Anzeige in Die Lebenskunst 2, 1907, 29. Zur positiven Rezeption vgl. Ebert, Clara: Eine vegetarische Neuheit, VW 39, 1906, 179. 633 Als Beispiel eines »gesunden« Suppenwürfels kann dienen Viandal-Pflanzen-Bouillon-Würfel, VW 45, 1912, v. 31. 634 Lentze, Karl: Eine Neujahrsbetrachtung, VW 36, 1903, 1–3, hier 1.

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Kommerzialisierungsprozess wandten sich sog. Brotreformer.635 Das Getreide konnte nun preiswert von der Kleie befreit und zu Feinmehl verarbeitet werden. Da die Kleie überdurchschnittlich viel Eiweiß, Fett und insbesondere Mineralstoffe enthielt, schien dies eine Sünde wider die Natur zu sein. Vor dem Hintergrund des damaligen sozialdarwinistischen Diskurses galt die Brotfrage als elementare Lebensfrage der Volkskraft der Deutschen. Für die Brotreformer war klar: Die Nahrungsmittelindustrie beraube die Menschen ihrer angestammten Kost. Mochten die führenden Physiologen der Zeit auch deutlich auf die Defizite des üblichen Brotes hinweisen636, mochten sie auf Ausnutzungsversuche verweisen, die belegten, dass hoch ausgemahlene Mehle deutlich schlechter resorbiert wurden als Feinmehle. Für die Brotreformer war der Rat, die Kleie an Tiere zu verfüttern und die Nährwerte dann über das Fleisch zu verzehren ein nicht zu tolerierender Irrweg.637 In feinen, hellen und weichen Broten sahen sie die »Hauptquelle neuzeitlicher Degeneration«638. Ohne die wertvollen Inhaltsstoffe des vollen Korns sei die Gesundheit gefährdet, Niedergang unabänderlich. In der Denktradition Lahmanns hieß es: »Bleichsuchtsbrot macht eben Bleichsuchtsblut.«639 Das Publikum sei zum Verzehr anderer Brote zu erziehen, nicht länger dürfe gelten, dass äußerlicher »Schein beim Mehle und Brote […] vollständig über den wahren Wert, den Nährwert«640 triumphiere. Reform bedeutete, die Stoffe zu bewahren, also ein »ganzes«, ein »volles« Brot zu produzieren. Gegen den neuzeitlichen »Brotjammer«641 setzten die Reformer ihre Brote als Garanten für Gesundheit und Wohlbefinden. Seit den 1890er Jahren wur 635 Vgl. hierzu Baumgartner, F[erdinand]/Graf, L. (Hg.): Handbuch des Mühlenbaues und der Müllerei, Bd. II: Müllerei, Berlin 1904; Luther, Gerhard: Die technische und wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Mühlengewerbes im 19. Jahrhundert. […], Leipzig 1909. 636 Vgl. hierzu Lehmann, K[arl] B[ernhard]: Reformen auf dem Gebiete der Brotbereitung, DVÖG 26, 1894, 47–61 (inkl. Disk.). 637 Grundlegend hierfür Rubner, Max: Ueber den Werth der Weizenkleie für die Ernährung des Menschen, Zeitschrift für Biologie 19, 1883, 45–100. Zur damaligen Methodenkritik s. Weigmann, H.: Ueber den Werth der Weizenkleie für die Ernährung des Menschen, Landwirthschaftliche Zeitschrift für Westfalen und Lippe 40, 1883, 241–242. Ein Forschungsüberblick findet sich in Neumann, R[udolf] O[tto]: Die im Kriege 1914–1918 verwendeten und zur Verwendung empfohlenen Brote, Brotersatz- und Brotstreckmittel unter Zugrundlegung eigener experimenteller Untersuchungen, Berlin 1920. Vergleichende Ausnutzungsversuche von Vollkornbrot und üblichem Brot führte Lehmann, K[arl] B[ernhard]: Hygienische Untersuchungen über Mehl und Brot. XI., Archiv für Hygiene 45, 1903, 177–211, durch. 638 So der Brotreformer Alfred Kuhnert in: Diskussion zum Vortrage des Herrn Röhmann: Ueber den Nährwert des Vollkornbrotes, BKW 53, 1916, 94–97, hier 95. Hier fiel auch der gängige Begriff des »Totmahlens« des Mehles (Ebd., 95). 639 Simons, 1899, 287. 640 Steinmetz, Stefan: Zeitgemäßes Mehl und Brot. Der Grundstein zum Aufbau neuer Volkskraft, Freiburg i. Br. 1917, 6. 641 Kauffmann, Heinrich: »Simons-Brot.«, Wochenbericht der Grosseinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine mit beschränkter Haftung zu Hamburg 8, 1901, 500–501, hier 501.

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den immer neue, komplizierte Fertigungsverfahren ersonnen, um ein natürliches, gesundes und kleiereiches Brot herzustellen.642 Graham-, Felke-, Steinmetz- und Simonsbrot wurden in den 1890er Jahren marktgängig, es folgten bis zum Ersten Weltkrieg Schlüter-, Finkler- und Klopferbrot. Stefan Steinmetz steht prototypisch für »Brotreformer«, die eine neue »natürliche« Produktgruppe schufen, das sog. »Vollkornbrot«.643 Während Julius Maggi durch die neue Technik der Walzenmüllerei zu einer Diversifizierung seiner Produktpalette angeregt wurde (Kap. 3.3.3), kritisierte Steinmetz die damit verbundene »Verfeinerung« des Mehles, die zu sehr auf die Gehaltstoffe des Korns blickte, darüber aber die Reinigung des Rohproduktes vernachlässige. 1890 stellte der Reformer eine »Steinmetz-Nass-Enthülsungs-Anlage« vor, deren Grundlage die Vorbehandlung und optimierte Reinigung der Getreidekörner bildete.644 Eine Implementierung dieser alternativen, später mittels mehrerer Patente gesicherten Technologie stand jedoch in Konkurrenz zu der etablierten, mit hohem Kapitalaufwand aufgebauten Großmüllerei. Steinmetz relatives Scheitern führte ihn zunehmend ins alternative Milieu: Ende der 1890er Jahre hob der Reformer als Ergebnis intensiver Forschungen die besonderen Kräfte des Keimes bzw. des in der Waben- und Samenhaut enthaltenen Mehles hervor. Hygiene- und Gesundheitswert des Getreides mündeten in einer drängend empfundenen »Brotreform«. Steinmetz selbst wurde zum unermüdlichen Propagandisten seiner Ideen und Produkte.645 Sein Berliner Betrieb produzierte Vollmehl, Vollkornbrot, Getreidenährmittel und Müllereimaschinen. Sein langfristiger Erfolg gründete nicht allein im Verfahren, dem Produkt und dem charismatischen Künder, sondern insbesondere auf seiner durch Schulungen und Werbung institutionalisierten Wissensvermittlung. Diversifizierung und Marktorientierung war dabei ein Erfolgskriterium, die alternative stoffliche Botschaft eine andere. Erfolg aber hatten nur wenige der Reformer, deren Kapitalkraft anfangs durchweg gering war, die aber sowohl in Forschung & Entwicklung, neuartige Maschinen sowie besonders in die »Aufklärung« des Publikums investieren mussten. Gustav Simons vermerkte fatalistisch: »So wird es 642 Zur Unterscheidung der Arten vgl. Glatzel, Hans: Nahrung und Ernährung. Altbekanntes und Neuerforschtes vom Essen, 2. verb. u. erw. Aufl., Berlin (W)/Göttingen/Heidelberg 1955, 36–37 bzw. Kugl, Joseph: Die Vollkornbrote. Ihre Bedeutung für die Ernährung und ihre Herstellung, Nürnberg o. J. 643 Vgl. Spiekermann, 2001, insb. 91–95. Andere führende Vertreter waren etwa Gustav Simons oder Volkmar Klopfer. Wie sehr etabliertes wissenschaftliches Know-how die Brotreform prägte, zeigte sich nicht nur in den schon erwähnten Debatten über die Militärverpflegung, sondern auch im Finkler-Brot, das auf ein Verfahren des schon als »Erfinder« des Tropon benannten Physiologen Dittmar Finkler zurückgeht. Als besten zeitgenössischen Überblick vgl. Rubner, Max: Untersuchungen über Vollkornbrote, Archiv für Physiologie 1917, 245–372. 644 Vgl. Speetzen, 1942, 72–74. 645 Vgl. Steinmetz, Stefan: Praktische Aufklärungsarbeit, VW 46, 1913, 28.

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Regel, dass sich die jedesmal Ersten verbluten.« Die Brotreformer waren Paradebeispiele für allein produktorientiertes Marketing, deren Fehlschlag sie selbstbezüglich auf den »leidige[n] Stumpfsinn der Massen«646 zurückführten. Doch der Versuch, Konsumenten – und sei es überzeugte Reformer – über Produkte zu einem »gesunden« Konsum- und Lebensstil zu motivieren, teilten nicht alle Anbieter. Das 1899 in Karlsruhe gegründete »Werk gesunder Nahrung« von Carl Mauterer verdeutlicht die Verbreiterung der lebensreformerischen Produktpalette. Auch hier stand persönliche Krankheit am Beginn der unternehmerischen Tätigkeit, auch hier wurden traditionelle Kompetenzen in einen andersartigen Kontext übertragen.647 Carl Mauterer war gelernter Konditor, doch nach dem glücklich überstandenen Damaskuserlebnis kombinierte er Konditorei und Gesundheit, Müllereiprodukte und Früchte, Laden-, Versand- und Produktionsbetrieb. Sein Angebot verdeutlicht, dass Reformwaren sehr wohl delikat sein konnten, dass er zugleich aber bestrebt war, durch die Rekombination von traditionellen Süßwaren mit alternativen Rohwaren und Nahrungsmittelzusatzstoffen der konventionellen Industrie entgegenzutreten. Mauterer stand für die integrative Handhabung von Produktion und Distribution seitens der Hersteller. Die geringe Zahl der Konsumenten forcierte den Aufbau von Versandhandlungen, während Ladengeschäfte nur in größeren Städten etabliert werden konnten.648 Gleichwohl gab es eine schleppende Institutionalisierung in Form von vegetarischen Restaurants bzw. Reformhäusern, also Ladengeschäften.649 Viele machten ihren Hauptumsatz mit dem Versandgeschäft. Ihren Kunden boten sie einen Querschnitt der schnell breiter werdenden lebensreformerischen Produktpalette. Die folgende Anzeige gibt einen rudimentären Überblick der Schwerpunkte des Angebotes und dokumentiert zugleich erste Filialbildungen, betrieb Carl Braun 1912 doch schon zehn Läden in Berlin und Brandenburg. Zu dieser Zeit gab es schon nationale Zusammenschlüsse, insbesondere die 1909 gegründete »Vereinigung deutscher Reformhäuser«. Deutlich wird hier eine nachholende Organisationsbildung, deren Vorbild das institutionelle Arrangement der Konkurrenz war. Mochten viele Reformer auch deutschtümelnd und schollengebunden argumentieren, war der Alternativsektor doch zugleich ein Bereich der zeitgenössisch kontrovers diskutierten Amerikanisierung. Hierfür stand nicht nur das auf den US -amerikanischen Prediger und Lebensreformer Sylvester Graham zurückzuführende Graham-Brot. Viel wichtiger waren Produktion und Absatz der 646 Simons, Gustav: Zur Brotreform, VW 38, 1905, 177. 647 Vgl. Speetzen, 1942, 86–87. 648 Vgl. Ahr, Hans: Das Reformhaus, seine Entwicklung und seine Stellung im Einzel- und Großhandel, VE 2, 1927, 85–87, 138–140. 649 Vgl. hierzu den rudimentären Überblick bei Fritzen, Florentine: Gesünder leben. Die Lebensreformbewegung im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2006, 44–47 sowie Baumgartner, 1992, 115–116, 120–121.

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Abb. 25: Verarbeitete und konservierte Nahrungsmittel. Werbung 1913

Abb. 26: Basis der Alternativgesellschaft. Angebotspalette eines führenden Versandgeschäftes 1913

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Reformprodukte John Harvey Kelloggs, die nicht mit denen der späteren Firma seines Bruders verwechselt werden dürfen.650 Aufgrund hoher Einfuhrzölle konnten weder das Battle Creek Sanitarium, noch die damit engstens verbundenen Sieben-Tage-Adventisten größere Mengen der konzentrierten Reformprodukte Kelloggs in das Deutsche Reich einführen. Erdnußbutter, Nußbutter (also Margarine), Bromose und Protose (vegetabile Aufstriche) oder aber Granose/Granola (ungesüßte Vollkornflocken aus Weizen) waren zwar bekannt, wurden aber vor 1900 kaum verzehrt.651 Dies änderte sich mit der 1899 erfolgten Gründung der Missionsschule der Adventisten in Friedensau bei Magdeburg.652 Dort versuchte man nicht nur, ein deutsches Pendant zum Kelloggschen Sanitarium aufzubauen, in dem Reformprodukte Teil des Heilungsprozesses waren, sondern gründete 1900 auch den »Deutschen Verein für Gesundheitspflege«, der die Produktion und den Vertrieb der Kelloggschen Präparate systematisierte.653 Die Spezialmaschinen wurden aus den USA importiert, das religiöse Netzwerk erlaubte Technologietransfer zum Selbstkostenpreis. Der von Beginn an kaufmännisch beratene Betrieb wandte »amerikanische« Absatzstrategien an – seit 1903 auch unter der Dachmarke De-Vau-Ge –, während die Werbung gezielt die Vorteile der Kelloggschen Präparate hervorhob.654 Sie zeichnete eine hohe Energiedichte, leichte Verdaulichkeit durch Vorverarbeitung sowie unmittelbare Verzehrsfähigkeit aus. Die Werbung zielte nicht primär auf den Lebensreformer, sondern auf alle Konsumenten.655 Entsprechend legte man besonderen Wert auf ansprechende Verpackungen und werbliche Präsenz im Reform- und Feinkostgeschäft. Die 1911 erfolgte Verlegung der Firma nach Hamburg spiegelte ihre erfolgreiche Entwicklung zu einem der größten Anbieter alternativer Produkte vor dem Ersten Weltkrieg. Eine detaillierte Analyse der Reformwarenwirtschaft ist mangels fundierter Zahlen und auch brauchbarer Einzelstudien nur annähernd möglich.656 Deut 650 Zu der Auseinandersetzung von John Harvey und William Keith Kellogg vgl. Carson, Gerald: Cornflake Crusade, New York/Toronto 1957 (mit Bezug zur weiteren Marktentwicklung); Schwartz, Richard: John Harvey Kellogg, M. D., Nashville 1970 (mit starker Sympathie für den Reformer); Whorton, James C.: Crusaders for Fitness. The History of American Health Reformers, Princeton 1982 (mit Betonung der Naturheilkunde); Wilson, Brian C.: Dr. John Harvey Kellogg and the Religion of Biologic Living, Bloomington 2014, 129–132. 651 Zu Kelloggs Programm s. Wirz, Albert: Die Moral auf dem Teller […], Zürich 1993. 652 Dr. Kelloggs Nährmittel, VW 32, 1899, 325. 653 Erste Produkte wurden schon 1899 angeboten, vgl. Dr. Kelloggs Nährmittel, VW 32, 1899, 325 bzw. Battle-Creek-Nährmittel, ebd. 33, 1900, 273. 654 Das Angebot umfasste 1900 »Gute Gesundheitsbiskuits« aus verschiedenen Mehl­ arten, Nussin (Margarine aus Mandeln, Erd- oder Haselnüssen), Bromose, Protose, Granola und Granose, vgl. Dr. J. H. Kellogg’schen Nährmittel, VW 33, 1900, Nr. 9, V. 655 Dies führte selbstverständlich zu Debatten im inneren Zirkel, vgl. Germer, Paul: Kelloggs Präparate, VW 38, 1905, 313; Vaugeois, K./Vaugeois, A.: Kelloggs Präparate, ebd., 449. 656 Die Darstellung folgt Speetzen, 1942, 106–118.

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Abb. 27: Moderne Produkte für den langen Marsch zur Gesundheit. Anzeige 1913

lich aber zeigt sich eine um die Vorstellung »gesunder« und »natürlicher« Nahrungsmittel kreisende Anbietergruppe von ca. 30 spezialisierten mittelständischen Unternehmen. Ihre Entstehungszeit reicht vereinzelt bis in die 1870er und 1880er Jahre zurück, in der Mehrzahl aber entstanden sie um 1900. Auch wenn einzelne Unternehmen sich aus dem handwerklichen Sektor heraus entwickelten, wurde die Mehrzahl als Spezialanbieter für Reformwaren gegründet. Sie setzten nicht allein auf das langsam wachsende Netz von Reformhäusern, sondern kombinierten zumeist Produktions- und Versandgeschäft. Reichsweite Marktpräsenz konnte so gewährleistet werden, zumal ein beträchtlicher Teil der »gesunden« Produkte abseits der engeren, vereinsmäßig organisierten vegetarischen resp. naturheilkundlichen Bewegung abgesetzt wurde. Die Reformwarenhersteller bildeten zumeist Einzelunternehmungen, ein knappes Viertel war in Form einer GmbH organisiert, Aktiengesellschaften fehlten durchweg. Dies erlaubte eine enge Koppelung von Produkten und glaubwürdigem Pionierunternehmer – Basis für die überdurchschnittlichen Preise der vielfach hoch, weil »sanft« verarbeiteten Markenprodukte. Die Betriebsgröße lag zumeist deutlich unter 100 Beschäftigen. Maschineneinsatz war üblich, nicht patentierte Spezialmaschinen dominierten, zumal Maschinenarbeit Reinheit symbolisierte. Damit konnten die Herstellungsverfahren als einzigartig dargestellt werden. Die Betriebe konzentrierten sich zwar auf bestimmte Markt- und Rohstoffsegmente, doch die Leitprodukte wurden zunehmend – zumindest bis in die 1920er Jahre hinein – in breitere Produktpaletten eingebettet. Was also blieb vom Anspruch der Alternativen? Die fortschreitende Industrialisierung erfuhr Ende des 19. Jahrhunderts grundsätzliche Kritik durch

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die bürgerliche Lebensreformbewegung, die dem vermeintlichen Materialismus und der Kommerzialisierung das positive Gegenbild einer ursprünglichen, im Einklang mit der Natur stehenden Lebensweise entgegen stellte. Gerade der Vege­tarismus etablierte eine Kultur reflektierter Askese, die jedoch nicht nur den Verzicht auf Fleisch und Genussmittel vorsah. Parallel gelang der Aufbau einer eigenen alternativen Reformwarenproduktion, deren meist kleingewerblich hergestellten Produkte vornehmlich seit den späten 1890er Jahren über Versandgeschäfte reichsweit vertrieben wurden. Spätestens seit der Jahrhundertwende entstanden immer mehr Firmen, die Reformwaren auch in größeren Mengen herstellten. Ihre Produkte setzten Trends, die wichtige Impulse für den Kernmarkt gaben, da ihr Absatz in der Regel mit überdurchschnittlichen Gewinnmargen verbunden war. Die Reformwarenwirtschaft war schon vor 1914 Vorreiter für getrocknete Bananen und Soja, für Dörrobst und Feigenkaffee, für Marmeladen und Obstsäfte, für Vollkornbrot und Joghurt, für Getreide- und Nussprodukte.657 Die begrenzte und versprengte Zahl von Abnehmern erforderte eine längere Haltbarkeit und damit den Einsatz von Konservierungsverfahren. Unter dem Label von Natur und Gesundheit vertrieb man hoch verarbeitete Qualitätsprodukte, die später in größeren Mengen und zu niedrigeren Preisen von den industriellen Wettbewerbern hergestellt und verkauft wurden. Die Produkte verwiesen immer wieder auf ihre Wert gebenden Stoffe bzw. eine stofflich definierte Natur verwiesen. Entgegen ihrer eigenen Rhetorik war die Alternativwirtschaft Wegbereiter und Beschleuniger künstlicher Kost.

657 Vor diesem Hintergrund sind Ausführungen über den kleinen Soja-Hype Ende der 1920er Jahre, so Fritzen, Florentine: Gemüseheilige. Eine Geschichte des veganen Lebens, Stuttgart 2016, 29–31, nur Ausdruck der vielfältigen dieses Büchlein kennzeichnenden Verkürzungen.

4. Eisernes Dreieck: Wissenschaft, Staat und Wirtschaft 1914–1945

Die begrenzte Vermarktung künstlicher Kost vor dem Ersten Weltkrieg resultierte aus der Kombination neuen stofflichen Wissens, seiner Umsetzung durch Unternehmer und eines vorrangig am Gesundheitsschutz der Bürger, nicht aber an der Regulierung der Nahrungsmittelbranche interessierten Staates. Auf Reichsebene bedeutete dies in den zwei Dekaden vor 1914 lediglich zwei Weingesetze, zwei Süßstoffgesetze, eine breit angelegte Schlachtvieh- und Fleischbeschauordnung, ein Gesetz über den Fettsektor inklusive der Margarine, die mehrmalige Novelle der Alkoholbesteuerung, diverse Zollvorschriften, ferner ergänzende Verordnungen zur bestehenden Gesetzgebung.1 Die Produktion künstlicher Fette und Süßstoffe wurde reguliert, teils verboten, erhöhte Rechtssicherheit für finanzpolitisch relevante Branchen, zugleich wurde die deutsche Landwirtschaft gegen Konkurrenz gesichert. Das Stoffparadigma hatte noch keine wirkliche legislative Ordnungskraft erlangt, mochten Nahrungsmittelchemiker und Physiologen seine Leistungsfähigkeit auch immer wieder unterstreichen. Blickt man zwei Dekaden weiter, so hatte sich die Szenerie grundlegend geändert. Gewerbevertreter klagten über eine »viel zu üppige Gesetzesmacherei«2, deren Anforderungen kaum mehr umzusetzen seien. Und während des NS -Regimes nahm der Staat nach Auskunft eines führenden Ernährungswissenschaftlers »entscheidenden Einfluß« auf die Entwicklung der Wissenschaft, prägte ihr »wesentliche Züge«3 auf. Offenbar hatte sich der Staat in der Zwischenkriegszeit zu einer wesentlichen Regulierungsinstanz des Lebensmittelsektors entwickelt, hielt zunehmend die Zügel in der Hand, um die Art der Lebensmittelproduktion und der Ernährung zu bestimmen. Im Rahmen einer Wissensgeschichte interessieren die epistemologischen Grundlagen für diese wachsende Aktivität des Staates. Die im folgenden Kapitel zu untersuchende These ist, dass der Lebensmittelsektor während der Zwischenkriegszeit durch eine zunehmend engere und wechselseitig funktionale Kooperation eines »eisernen Dreiecks« von Wissenschaft, Staat und Wirtschaft gekennzeichnet war. Das naturwissenschaftliche Wissensmodell bot den eigentlichen Inhalt, den Stoff 1 Juckenack, A[dolf]: Die Ausbildung des Nahrungsmittelchemikers, ZUNG 28, 1914, 472–482 (inkl. Disk.), v. a. 473. 2 Reidel, Rudolf: Entwurf einer Verordnung zur Kennzeichnung von Eiern, DNR 1931, 95–97, hier 95. 3 Täufel, K[urt]: Die Lebensmittelchemie als Grundlagenwissenschaft, DLR 1944, 57–59, hier 57 (beide Zitate).

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für die Ordnung eines durch Forschung und (internationalen) Wettbewerb zunehmend komplexer werdenden Marktgeschehens. Davon hatte jede der beteiligten Gruppen Vorteile: Die Wissenschaftler konnten ihre gesellschaftliche und professionelle Stellung sichern und ausbauen, um so im Sinne eines von ihnen definierten Verbraucherschutzes tätig sein. Die Wirtschaft gewann einen klaren, Transaktionskosten senkenden Ordnungsrahmen für ihr Markthandeln, gewann Vertrauen gegenüber den Konsumenten, während sich der Wettbewerb innerhalb klarer Grenzen vollzog. Der Staat profitierte nicht allein von der Glaubwürdigkeit und dem Renommee der Wissenschaft, sondern konnte mittels des Modells einer stofflich definierten Nahrung Defizite bestehender Versorgungsstrukturen aufdecken und begrenzen. Mit der Kooperation des »eisernen Dreiecks« war die Durchsetzung objektivierten Wissens und die relative Ausgrenzung des subjektiven Wissens der Vielzahl von Verbrauchern verbunden. Das Ideal einer »gesunden« und »preiswerten« Nahrungsmittelversorgung und die von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat gleichermaßen betonte Gemeinwohlorientierung ihrer Arbeit ließen diese Hierarchisierungsleistung allerdings kaum problematisch erscheinen. Das hier verwandte Konzept des »eisernen Dreiecks« entstammt den US amerikanischen Politikwissenschaften. In den späten 1960er Jahren erstmals formuliert, wurde es in den 1980er und 1990er Jahren in der Policy-Forschung genutzt, um das Zusammenspiel von Kongress, Bürokratie und Interessengruppen oder allgemeiner von Gesetzgebung, Verwaltung und Wirtschaft zu untersuchen. Ähnliches galt für die Agrar- und Rüstungspolitik, auch geschichtswissenschaftliche Untersuchungen wandten es an.4 In Deutschland diente es bisher zur Analyse der Agrarpolitik sowie der Ernährungs- und Verbraucherschutzpolitik.5 Diese Studien versuchten, organisierte Interessen und Akteursgruppen formal und funktional voneinander zu scheiden. Unterschiede zwischen den Gruppen wurden auf Grundlage der rechtlich vorgegebenen Aufgaben ausgemacht. Damit gerieten die Arbeiten aber in Gefahr, die Kooperationsmechanismen zu stark normativ herzuleiten, ihre durchaus bestehende Effizienz zu gering zu gewichten, vor allem aber die Wissensgrundlagen innerhalb funktionierender »eiserner Dreiecke« zu gering zu gewichten. In der Lebensmittelbranche erlaubte erst die gemeinsame Basis des Stoffparadigmas den Akteuren eine über utilitaristische Momente hinausgehende Kooperation. Vorteile, Privilegien oder ein »standesgemäßes Einkommen« waren erlaubt, weil es hier um die Veranke 4 Adams, Gordon: The Iron Triangle. The Politics of Defense Contracting, New York 1981, 19–29. 5 Barlösius, Eva: Soziologie des Essens. Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung, Weinheim/München 1999, 215–220; Waskow, Frank/ Rehaag, Regine: Ernährungspolitik nach der BSE -Krise – ein Politikfeld in Transformation, Köln 2004, insb. 4–6.

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rung und Durchsetzung überlegenen Wissens ging. Die Hierarchien des Wissens wurden von den Akteuren geglaubt: »Die wenigsten verstehen die innere Bedeutung dessen, was denkende Köpfe zu ihrem Wohl ersinnen. Ueber den Wert allgemeiner Einzelbelehrung soll man sich keinen allzu großen Hoffnungen hingeben. Der großen Masse muß ihre Gesundheit gewissermaßen durch die öffentliche Organisation aufgezwungen werden.«6 Über objektiviertes Wissen zu verfügen bedeutete, um Risiken, aber auch um Lösungsmöglichkeiten zu wissen; und es implizierte dessen Institutionalisierung qua Recht und Produktwelt: »Was im Versorgungssektor geplant, durchgeführt und geleistet wird, ist für die menschliche Ernährung eine gegebene Tatsache, an der jedenfalls Wesentliches nicht mehr geändert werden kann.«7 Die Stärke und Überzeugungskraft des Stoffparadigmas war vornehmlich in seiner Materialität begründet, in der dadurch möglichen Fokussierung auf die vermeintlich wesentlichen Dinge, seien es Betriebs- oder Wirkstoffe, seien es Biokörper oder deren Arbeitsleistungen. Es wurde von einer zahlenmäßig nicht sehr großen Gruppe von Wissenschaftlern, von Physiologen und Nahrungsmittelchemikern getragen.8 Nur ca. 500 waren 1929 in den verschiedenen Untersuchungsanstalten tätig, von denen ca. 400 unmittelbar in der Lebensmittelkontrolle arbeiteten.9 Diese Zahl war gegenüber der Vorkriegszeit (Kap. 2.1.3) nicht gestiegen, während die Gesamtzahl aller Nahrungsmittelchemiker – also inklusive der in Unternehmen, als Apotheker und als selbständige Handelschemiker tätigen Akademiker – 1933 auf bis zu 800 geschätzt wurde.10 Verglichen mit den mehr als 5.000 in der Fleischbeschau tätigen Veterinärmedizinern war dies eine nur kleine, dafür aber umso einflussreichere Gruppe.11 Sie gründeten auf einem durch ihr Wächteramt entwickeltes Selbstbewusstsein und eine professionelle Interessenvertretung, aber auch auf dem in den 1920er Jahren vollzogenen Wandel der Lebensmittelchemie zu einer Querschnittswissenschaft, die nicht 6 Rubner, [Max]: Die Mitarbeit von Reichsgesundheitsamt und Reichsgesundheitsrat an der Wohlfahrt des deutschen Volkes in den letzten fünfzig Jahren, DMW 52, 1926, 1522–1524, 1562–1566, hier 1564–1565. 7 Ertel, [Hermann]: Über Ernährungsforschung, FD 14, 1942, 243–249, hier 247. 8 Zahlenmäßig bedeutsamer waren natürlich die Mediziner. Sie nutzten allerdings vornehmlich physiologische Modelle bzw. kombinierten diese  – etwa im Bereich der Diätetik – mit der Expertise der Nahrungsmittelchemiker. Gleichwohl gab es vielfach Kritik an der »Chemisierung« des Ernährungsfeldes, vgl. etwa pointiert Pfaundler, [Meinhard]: Rez. v. Berg, Ragnar: Die Vitamine. […], MMW 74, 1927, 333–334, hier 334. 9 Merres, [Ernst]: Bemerkungen zur Berufsbezeichnung »Chemiker«, ZAC 43, 1930, 108–114, hier 112. 10 Fincke, Heinrich: Begriff und Aufgaben der Lebensmittelchemie, ihre Beziehungen zu anderen Wissenschaften, ihre Bedeutung für die Volksgesundheit und die Volkswirtschaft und ihre Geschichte, in: Bömer, A[loys]/Juckenack, A[dolf]/Tillmans, J[osef] (Hg.): Handbuch der Lebensmittelchemie, Bd. 1, Berlin 1933, 1–94, hier 62. 11 Merres, [Ernst]: Zur Entwicklung der Lebensmittelkontrolle, RGBl 5, 1930, 430–447, 607, hier 447.

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nur chemische, sondern zunehmend auch physikalische, botanische und biologische Fragestellungen aufgriff und im Sinne des Stoffparadigmas deutete.12 Bis zur Konstituierung des eisernen Dreiecks, bis zur Kooperation im »Kampfe um Reinheit von Speise und Trank«13 sollte allerdings noch ein längerer und konfliktreicher Weg zurückzulegen sein. Denn im Ersten Weltkrieg gelang es im Lebensmittelsektor nicht, Wissenschaft, Wirtschaft und Staat zu einer effizienten Zusammenarbeit zusammenzuführen.

4.1 Der Krieg als Lehrmeister: Nahrungsknappheit und Versorgungsaufgaben 1914–1918 Schon vor dem Ersten Weltkrieg war die Verzahnung von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat eine zentrale Forderung der Ernährungswissenschaften. Max Rubner, als Direktor des Berliner Physiologischen Instituts und des 1912 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie ihr führender Repräsentant, hatte schon 1907 auf die »Pflichten des Staates« hingewiesen und kritisiert, dass Ernährung »für weite Kreise der Politiker ein Noli me tangere«14 sei: Das dem Stoffparadigma zugrunde liegende Gleichheitsmoment habe leider das Vorurteil weit verbreitet, »daß die Wissenschaft höchstens zur Aufregung der Massen beitrage, indem sie unter utopischen Zielen für jeden Menschen eine Luxusernährung verlange, die sich nie realisieren lasse.«15 Dies verkenne die Leistungsfähigkeit einer Kooperation von Wirtschafts- und Ernährungswissenschaften. Förderung durch den Staat und Institutionalisierung in einer zentralen Forschungsanstalt vorausgesetzt16, könnten beide gemeinsam die Mechanismen von Körper- und Wirtschaftskreislauf erforschen und dadurch Gesellschaft und Wirtschaft fördern. In den USA seien entsprechende Stellen schon eingerichtet worden, um dem »offenkundigen Mangel an objektiv gesichertem Wissen«17 abzuhelfen. Staatliche Wissenschaftsförderung war erforderlich, um positives Wissen experimentell und statistisch zu ermitteln, das 12 Vgl. Ebd., 437. Die 1928 veränderten Prüfungsordnungen sahen entsprechend ein naturwissenschaftliches Querschnittsstudium und eine dann folgende Spezialisierung vor, vgl. Wrede, K.: Das Studium des Lebensmittelchemikers, ZAC 41, 1928, 568–569. 13 Tillmans, J[oseph]: Über die Vertretung des Faches Lebensmittelchemie an den deutschen Universitäten und Technischen Hochschulen, ZUL 58, 1929, 12–16 (inkl. Disk.), hier 14. 14 Rubner, Max: Die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Armenkost, in: Ders.: Volksernährungsfragen, Leipzig 1908, 43–143, hier 140. 15 Ders.: Wandlungen in der Volksernährung, Leipzig 1913, 5. 16 Nationale Forschungseinrichtungen für den Ernährungssektor wurden schon länger gefordert, vgl. etwa Biedert, [Philipp]: Die Versuchsanstalt für Ernährung, eine wissenschaftliche, staatliche und humanitäre Nothwendigkeit, München 1899; Biedert, 1900; Volksernährungsfragen, DNR 6, 1908, 148–150. 17 Rubner, 1913, 8.

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wiederum Grundlage einer langfristig angelegten Ernährungsaufklärung sein müsse. Dies zeichnete für Rubner eine sich kulturell entwickelnde, für Gemeinwohl und Humanität arbeitende Nation aus. Das gewonnene neue Wissen verpflichte alle Beteiligten: »Die Volksernährung muß daher als ein konkretes Problem der Ernährungslehre aufgefaßt werden und auf Grund unseres Wissens auf diesem Gebiete entschieden werden.«18 Auch die Wirtschaft profitiere hiervon, könne sie doch auf dessen Basis nicht nur Produkte entwickeln, sondern ebenfalls sozialen Ausgleich und Wohlstand fördern – Homöostase in Körper und Gesellschaft. Der Erste Weltkrieg bedeutete keinen Bruch mit solchen Vorstellungen, im Gegenteil. Das Vaterland war in Gefahr! Die Funktionseliten hatten zu kooperieren, insbesondere die weltweit führende Nahrungsmittelchemie und Ernährungsphysiologie war gefordert. Aktiv agierten Wissenschaftler, boten ihre Expertise zur Regelung grundlegender Probleme der Kriegszeit an: Den Aufbau eines sowohl effizienten als auch gerechten Rationierungssystems, die optimale Versorgung der Truppen, Sorge für die Gesundheit der Bevölkerung und neue Lebensmittel zur Milderung bestehender Engpässe  – Aufgaben für Wissenschaftler schien es mehr als genug zu geben, der Krieg war Bewährungsprobe und Experimentierfeld zugleich. Um diese anzugehen, waren praktisch ausgerichtete Kooperationen mit staatlichen Instanzen und – wenngleich eher indirekt  – mit Nahrungsmittelproduzenten und -händlern notwendig. Die Kernfrage der folgenden Unterkapitel wird entsprechend sein, ob resp. wie sich im Ersten Weltkrieg Konturen des eisernen Dreiecks im Ernährungssektor entwickelten.19

4.1.1 Doppelter Traditionalismus. Wissenschaft und Rationierungspolitik Zahlreiche Teuerungskrawalle, wichtiger aber noch das beträchtliche Anwachsen der Konsumvereinsbewegung verdeutlichen den wachsenden Stellenwert der Konsumenten in der Wilhelminischen Zeit. Zugleich aber kann von einer elaborierten Konsumentenpolitik vor dem Ersten Weltkrieg kaum geredet werden, einzig die Sozialdemokratie setzte hier klare Akzente.20 Entsprechend ist 18 Ebd., 28. 19 Zur Forschungsentwicklung vgl. allgemein Winter, Jay/Prost, Antoine: The Great War in History. Debates and Controversies, 1914 to the Past, Cambridge/New York 2005; Watson, Alexander: Ring of Steel. Germany and Austria-Hungary in World War I, New York 2014; Leonhard, Jörn: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkrieges, 4. durchges. Aufl., München 2014. 20 Vgl. Nonn, Christoph: Verbraucherprotest und Parteiensystem im wilhelminischen Deutschland, Düsseldorf 1996.

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es nicht verwunderlich, dass zu Beginn des Weltkrieges – in bedingtem Gegensatz zur Frage der machtpolitischen Kriegsziele – keine relevante Planung für den Konsumsektor bestand. Während der Agrar-Industriestaatsdebatte war die relative Blockadefestigkeit des Deutschen Reiches immer wieder erörtert worden, und die hohen Kosten des 1879 implementierten Agrarprotektionismus konnten nun Rendite abwerfen.21 Der Heldenmut des pommerschen Musketiers und die Strategie des Generalstabes sollten einen schnellen Sieg garantieren, während die Blockademaßnahmen durch Kooperation mit neutralen Staaten sowie die Kampfkraft der eigenen Hochseeflotte zumindest teils unterlaufen werden sollten.22 Beide Annahmen wurden in der öffentlichen Publizistik schon vor dem Ersten Weltkrieg kritisch hinterfragt, ohne aber zu Vorbereitungen zu führen.23 Die Ausblendung elementarer Ressourcenfragen mündete in eine Kriegsführung, die einseitig auf einen schnellen Erfolg im Westen setzte und die entsprechend seit Ende 1914 – wie Falkenhayn und Ferguson gleichermaßen betonten – im strategischen Sinne zugunsten der Alliierten entschieden war.24 Die unzureichende Vorbereitung war sicher auch eine Folge der von Rubner kritisierten Unterfinanzierung von Wirtschaftslehre und Ernährungswissenschaft vor Kriegsbeginn – auch wenn Deutschland den alliierten Mächten hier nichts nachstand.25 Und doch überrascht die Kontinuität der Untätigkeit. Nach Kriegsbeginn konzentrierte sich die Reichsregierung auf außenwirtschaftliche Regelungen, ehe dann 1915 preispolitische Maßnahmen in den Vordergrund rückten. Staatliche Instanzen arbeiteten sich an Aufgaben ab, deren Dimensionen unklar waren. Außenwirtschafts- und Produktionsstatistik gaben zwar

21 Vgl. hierzu Harnisch, Hartmut: Agrarstaat oder Industriestaat. Die Debatte um die Bedeutung der Landwirtschaft in Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands an der Wende vom 19. und 20. Jahrhundert, in: Reif, Heinz (Hg.): Ostelbische Agrargesellschaft im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Berlin 1994, 33–50 sowie Petersson, Niels P.: Das Kaiserreich in Prozessen ökonomischer Globalisierung, in: Conrad, Sebastian/Osterhammel, Jürgen (Hg.): Das Kaiserreich transnational, Göttingen 2004, 49–67. 22 Vgl. Osborne, Eric W.: Britain’s Blockade of Germany, 1914–1919, London u. a. 2004, 55–56. 23 Vgl. etwa Laymann, [Heinrich]: Die Mitwirkung der Truppe bei der Ernährung der Millionenheere des nächsten Krieges, Berlin 1907; Fröhlich, Georg: Deutsche Volksernährung im Kriege, Jahrbücher für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche NF 26, 1912, 575–594; Müller, J. U[lrich]: Die deutsche Volksernährung unter dem Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Kriegsbereitschaft, Berlin 1913. 24 Zur Ressourcenverteilung vgl. Ferguson, Niall: Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, München 2001; Broadberry, Stephan/Harrisson, Mark: The Economics of World War I. An Overview, in: Dies. (Hg.): The Economics of World War I, Cambridge/New York 2005, 3–40. Zur historischen Einordnung vgl. Leonhard, 2014; Münkler, Herfried: Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918, 5. Aufl. Berlin 2014. 25 Corni, Gustavo: Ernährung, in: Hirschfeld/Krumreich/Renz (Hg.), 2003, 461–464, hier 461.

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Größenordnungen an, doch detailliertes Wissen über die deutsche Ernährungsbilanz gab es nicht. Es waren Wissenschaftler, die unter Nutzung staatlicher Informationen versuchten, auf eigene Initiative hin dieses Wissensdefizit nach Kriegsbeginn ansatzweise auszugleichen. Getreu der Burgfriedensmetapher arbeiteten auf Anregung von Paul Eltzbacher, des Rektors der Berliner Handels-Hochschule, seit August 1914 Statistiker (wie Karl Ballod und Robert Kuczynski), Agrarwissenschaftler (wie Friedrich Aereboe und Otto Lemmermann), Physiologen (wie Max Rubner und Nathan Zuntz) sowie eine »erfahrene Hausfrau« (Hedwig Heyl) zusammen, um die Ernährungssituation zu analysieren und Vorschläge für eine Kriegsernährungspolitik zu formulieren.26 Schließlich handelte es sich bei Nahrungsmitteln um relativ unelastische Güter, deren Konsum nicht aufschiebbar war und die sich – angesichts des noch niedrigen Anteils künstlicher Kost – durch relativ geringe Haltbarkeit auszeichneten. Vor dem Hintergrund der Blockade deutete die Expertengruppe den Krieg als »Vernichtungskampf«27 gegen das deutsche Volk: »England« versuche, die Deutschen auszuhungern – und es sei nun die Frage zu beantworten, was zu tun sei, um im Krieg »beliebig lange zu wirtschaften«28. Am Beginn stand eine IstAnalyse, um den »wirklichen Bedarf«29 zu ermitteln. Nicht Nahrungsmittel standen dabei im Mittelpunkt, sondern Stoffträger. Die Deutschen wurden auf ihre Körperfunktionen reduziert:30 »Wir müssen einerseits berechnen, wie gross der gesamte Nährstoffbedarf unseres Volkes ist und werden diesen, wie es üblich ist, in Calorien ausdrücken, unter der berechtigten Voraussetzung, dass es für die Energiedeckung des menschlichen Organismus gleichgültig ist, ob wir ihm die Zufuhr in Form von Eiweisskörpern, von Fetten oder von Kohlehydraten geben. Getrennt davon müssen wir den Eiweissbedarf behandeln. Hier versagt die Calorienrechnung, da ja eine gewisses Maass von Eiweiss für den Menschen als Baustoff unentbehrlich ist und durch nichts anderes ersetzt werden kann.«31

26 Eltzbacher, Paul (Hg.): Die deutsche Volksernährung und der englische Aushungerungsplan. Eine Denkschrift, Braunschweig 1914. 27 Eltzbacher, Paul u. a.: Ernährung in der Kriegszeit. Ein Ratgeber, DVÖG 47, 1915, ­87–102, hier 87. Koautoren waren Hedwig Heyl, Carl Oppenheimer, Max Rubner und Nathan Zuntz. 28 Eltzbacher (Hg.), 1914, III . Wie stark dieses Denken wirkte, zeigte sich auch im symbolischen Überschuss künstlicher Kost. Liebig’s Fleischextrakt galt seither nicht mehr als Pionierprodukt eines deutschen Genies, sondern als »englische Ware« (Noorden, Carl v.: Über Knochenextrakt als Fleischextraktersatz, TM 32, 1918, 173–175, hier 175). 29 Oppenheimer, Carl: Die Anpassung der deutschen Volksernährung an die Kriegslage, BKW 52, 1915, 25–28, 52–56, hier 26. 30 Zur Maschinenmetapher Eltzbacher (Hg.), 1914, 17–18. 31 Oppenheimer, 1915, 26.

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Der Bedarf wurde physiologisch ermittelt, erwachsene Männer bildeten die Referenzgröße. Die Daten der Produktions- und Außenhandelsstatistik rechnete man parallel anhand der gängigen chemischen Analysen der Grundnahrungsmittel um. Die Bilanz stimmte grundsätzlich hoffnungsfroh:32 Die deutsche Bevölkerung benötigte vor dem Krieg 56,75 Mrd. Kalorien, konsumierte aber 88,65 Mrd. Durch die Blockade – die Autoren rechneten mit einem kompletten Ausfall der Nahrungsmittelimporte –, den wegfallenden Erträgen der Hochseefischerei, der Ernten in Elsass-Lothringen und Ostpreußen sowie den Verlust von landwirtschaftlichen Arbeitern, Transport- und Düngemitteln, Maschinen und Produktionskapazitäten würde man 1914/15 deutlich weniger zur Verfügung haben, mindestens aber 67,68 Mrd. Kcal. Diese 2.727 Kcal. pro Kopf seien zwar an sich ausreichend, doch müsse das lebenswichtige Eiweiß gesondert berücksichtigt werden. Hier ergab die Gesamtrechnung ein zwar geringes, langfristig aber spürbares Defizit gegenüber dem Grundbedarf. Auch wenn der »Luxusverbrauch in Friedenszeiten«33 einen beträchtlichen Puffer böte, so seien doch Umstellungen unabdingbar, um blockadefest zu sein. Die Expertengruppe formulierte dazu zahlreiche Vorschläge, insbesondere »Vermeidung jeder Vergeudung, Verbot jeder Ausfuhr von Lebensmitteln, Intensivierung unserer Produktion mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, Verbot jeder Verwendung menschlicher Nahrungsmittel zu industriellen Zwecken, soweit nicht diese, wie z. B. die Spiritusproduktion, zu motorischen Zwecken wiederum für die Produktion absolut notwendig sind, und schliesslich das Verbot jeder Verwendung von menschlichen Nahrungsmitteln zur Viehfütterung.«34 Die Schlachtung von einer Mio. Milchkühen (10 % des Bestandes) und neun Mio. Schweinen (35 %) schien dazu erforderlich. Einschneidende Maßregeln dieser Art seien durch Gesetze, durch Verwaltungsvorschriften und durch »Belehrung des Publikums«35 umzusetzen. Wissenschaftliche Expertise schuf demnach überlegenes, unmittelbar handlungsrelevantes Wissen, das es mittels staatlicher Maßnahmen, der Kooperation von Landwirtschaft und Industrie sowie nicht zuletzt der Überzeugungskraft rationaler und nationaler Argumente umzusetzen gelte. Das eiserne Dreieck erlaube es, eine vorrangig vegetarische Lebensweise durchzusetzen, um knappe Ressourcen, vorrangig Fleisch und Fett, zu sparen. Je eher und umfassender diese auch als Adaption der süddeutschen resp. österreichischen Küche propagierte Gemeinschaftsanstren 32 Die deutschen Quellen verzichteten auf die folgende, aus einer britischen Publikation stammenden Visualisierung. Die Daten finden sich gebündelt bei Eltzbacher (Hg.), 1914, 194. Die britische Fachöffentlichkeit wurde über die Ergebnisse der Denkschrift unmittelbar nach Erscheinen unterrichtet, vgl. die konzise Zusammenfassung: The Food-Supply of the German People, The Lancet 188, 1915, 389–399. 33 Oppenheimer, 1915, 27. 34 Ebd., 28. 35 Eltzbacher (Hg.), 1914, 77.

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Abb. 28a+b: Die deutsche Ernährungsbilanz im Spiegel der Experten 1914

gung umgesetzt werden würde, um so geringere Zwangsmaßnahmen seien nötig. Konsequent formulierten die Experten daher Ratschläge, um die Alltagskost zu optimieren.36 Durch die Kooperation von Staat und Wissenschaft sowie das Funktionieren der Wirtschaft und der Konsumenten sollte auch ein langer Krieg durchgestanden werden. Die Eltzbachersche Denkschrift, die noch in den 1920er Jahren als Referenzpol der amtlichen Statistik galt37, war dringlich und beruhigend zugleich. Beruhigend, weil sie auch bei Untätigkeit der Akteure eine fast ausgeglichene Ernährungsbilanz suggerierte und dringlich, weil sie klare Aufgaben benannte, die 36 Eltzbacher u. a., 1915. Dem diente auch das in fünf Regionalausgaben und sechsstelliger Auflage herausgegebene Kriegskochbuch von Hedwig Heyl, dessen Kosten staatliche Instanzen trugen. Zudem gab es umfangreiche Besprechungen und Paraphrasierungen der Denkschrift. 37 Vgl. Kuczynski, R[obert René]: Deutschlands Ernährungs- und Fütterungsbilanz, Berlin 1927, 1–11.

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vielfach gegen den Widerstand von Staat, Wirtschaft und Verbrauchern hätten durchgesetzt werden müssen. Ebenso wichtig aber war, dass Wohl und Wehe der deutschen Ernährung an wissenschaftliche Parameter gebunden wurden, die zwar erprobt und experimentell ermittelt waren, deren Aussagewert aber vielfach offen war. Schon die Produktions- und Handelsdaten unterschlugen beträchtliche, kaum vermeidende Verluste. Sie betrugen im Haushalt ca. 8 %, zu denen höhere Margen bei Verarbeitung, Transport und Lagerung hinzukamen. Die Nahrungsmittel bewertete man auf Basis vielfach zu hoch angesetzter chemischer Gehalte.38 Qualitätsverschlechterungen wurden kaum berücksichtigt. Auch die Bedarfsmengen waren fraglich. Dies galt nicht unbedingt für den zentralen Eiweißkonsum, sondern eher für die Fette, von denen man annahm, dass sie grundsätzlich durch Kohlenhydrate substituierbar seien.39 Obwohl es noch keinen modernen Begriff von Essenzialität gab, hatten doch zumindest die Vitaminforschungen der späten 1900er Jahre (Kap. 2.3.1) ergeben, dass bestimmte Fette resp. mit Fett unmittelbar verbundene Stoffe lebensnotwendig seien.40 Die Fokussierung auf die Makronährstoffe bedeutete zudem, Vitamine und Mineralstoffe tendenziell auszugrenzen, ebenso Geschmacksstoffe und Gewürze – die Wissensbasis der führenden Experten war demnach traditionell.41 Die aggregierten Ziffern führten schließlich dazu, bestehende bzw. durch die Prioritäten der Versorgungspolitik geschaffene Abweichungen vom Durchschnitt zu gering zu gewichten. Da die Experten sich am Volksganzen orientierten, blieben Sicherheitsmargen für potenziell gefährdete Gruppen ansatzweise ausgegrenzt. Diese Schwächen wissenschaftlicher Expertise waren offenkundig. Doch die Kritik zielte stärker auf die Perzeption und Anwendung der Denkschrift als auf die Experten selbst, die wunde Punkte ihrer Argumentation vielfach transparent hielten. Zu einfachen Maßnahmen verdichtet, wurden differenzierende Hinweise aber kaum beachtet. Wissenschaftler gaben eine Vorlage, doch ihre Nutzung konnten (und wollten) sie kaum mehr bestimmen.42 38 Dies kritisierte seit 1916 insbesondere der Ökonom René Ernst May, vgl. etwa MAY, R[ené] E[rnst]: Der Nährwert des deutschen Volkskonsums, Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche NF 41, 1917, 657–777, insb. 693. 39 Vgl. etwa Rubner, Max: Unsere Ernährung, in: Deutsche Volkskraft nach zwei Kriegsjahren, Leipzig/Berlin 1916, 2–12, hier 8 resp. Arnold, Julius: Über Ernährungsfragen im Kriege, Wiesbaden 1916, 17. 40 Zusammenfassung bei Stepp, 1911. Diese Ergebnisse wurden auch während des Krieges publiziert und wissenschaftlich diskutiert. 41 So die Kritik an der Denkschrift durch Noorden, C[arl] v.: Rez. v. Lipschütz, A.: Probleme der Volksernährung, Bern 1917, TM 32, 1918, 182. 42 Schon Anfang 1915 hatte sich die Situation deutlich verschlechtert, sodass Ballod, Carl: Die Volksernährung in Krieg und Frieden, Jahrbücher für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft NF 39, 1915, 77–112, hier 99, nicht nur die durchschnittlichen Werte der Kriegsernährung auf 63,5 g Eiweiß, 36 g Fett und 2.360 Kcal. reduzierte, sondern auch energischere staatliche Maßnahmen forderte.

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»Die Entwicklung einer Heimatfront kam unerwartet«43 – und doch orientierte sich die heterogene, von Militär-, Reichs-, Landes- und Kommunalinstanzen sowie Unternehmen geprägte Ernährungspolitik nicht an den Kooperationsappellen wissenschaftlicher Expertise.44 Während in der Propaganda Bilder des wohlgenährten Reiches und des zunehmend unter Druck geratenden Empires dominierten, begann im Januar 1915 mit der Beschlagnahme und Verteilung von Brotgetreide und Mehl die eigentliche Rationierung. Dazu wurde die Reichsgetreidestelle geschaffen, die für die Beschaffung und Verteilung zuständig waren. Doch auch Kommunalverbände konnten selbst aktiv werden, und das Militär blieb nicht nur bevorzugter Versorgungsempfänger, sondern mächtiger Akteur. Der Übergang zur Rationierung war Folge einer Anfang August 1914 einsetzenden, nur auf einzelne Nahrungsmittel zugeschnittenen Höchstpreispolitik. Folgen dieser partiellen Eingriffe in die Preisgestaltung waren Fehlallokationen, wurden doch anschließend Waren gehortet, über schwarze Märkte abgesetzt bzw. zu nicht intendierten Zwecken eingesetzt. Das Paradebeispiel für derartig kurzatmige und unkoordinierte Politik war der sog. »Schweinemord« Anfang 1915, der wissenschaftlich allgemein gefordert wurde.45 Durch die Schlachtung von schließlich ca. neun Mio. Schweinen sollte die Speisekartoffelversorgung gesichert und die Fleischmenge erhöht werden. Aufgrund unzureichender Statistik hatte man jedoch die Bestände insbesondere Ostelbiens deutlich unterschätzt. Durch mangelnde Lagermöglichkeiten und vermehrte Fütterung denaturierten Zuckers sanken die Kartoffelpreise erheblich, ihr Anbau wurde entsprechend gedrosselt. Derweil stiegen die Schweinepreise enorm, sodass man nun auch Getreide verfütterte. Höchstpreise für Getreide und Kartoffeln, nicht aber für Fleisch, waren die Folgen. Dadurch wurde es noch attraktiver, Verfütterungsverbote zu umgehen. Der Druck auf die Alltagsversorgung nahm zu.46

43 Horne, John: Ein Laboratorium für den totalen Krieg – Heimatfronten 1914 bis 1918, in: Rother, Rainer (Hg.): Der Weltkrieg 1914–1918. Ereignis und Erinnerung, Wolfratshausen 2004, 50–57, hier 50. 44 Einen wichtigen Überblick der hier natürlich nicht detailliert zu behandelnden Kriegsernährungspolitik liefert Skalweit, August: Die deutsche Kriegsernährungswirtschaft, Stuttgart/ Berlin/Leipzig 1927. Die bis heute beste Studie ist  – trotz der regionalen Schwerpunktsetzung – Roerkohl, Anne: Hungerblockade und Heimatfront. Die kommunale Lebensmittelversorgung in Westfalen während des Ersten Weltkriegs, Stuttgart 1991 (= 1991a). Vgl. zudem Offer, Avner: The First World War. An Agrarian Interpretation, Oxford/New York 1989, v. a. 23–38. 45 Vgl. hierzu MAY, R[ené] E[rnst]: Das Schwein als Konkurrent der menschlichen Ernährung. (Ein Kapitel zur Frage der »Kriegsernährung« und der Uebergangswirtschaft.), BKW 54, 1917, 277–283. 46 Aereboe, Friedrich: Der Einfluss des Krieges auf die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1927, 50–51.

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1915 und 1916 wurden immer mehr Nahrungsmittel reguliert, vielfach erst durch Höchstpreise, dann auch durch Beschlagnahme und Rationierung. Für eine wachsende Zahl von Nahrungsmitteln gab man nun Lebensmittelkarten aus, die sich einerseits nach der Verfügbarkeit richteten, die im Grundsatz aber kalorisch austariert waren. Konsumregelung bedeutete Konsumregulierung. Nicht der soziale Status entschied, sondern das physiologische Grundbedürfnis einerseits, die Relevanz für die Kriegswirtschaft anderseits.47 Durch die schwindende Zahl frei erhältlicher Nahrungsmittel stieg die Abhängigkeit von der staatlichen Versorgung, mündeten Defizite und mangelnde Koordinierung der Kriegsernährungspolitik schließlich in Schwarzmärkte und insbesondere das sog. Hamstern, also die Beschaffung von Nahrungsmitteln abseits der Rationierung direkt beim Produzenten.48 Obwohl die nährstoffreichen Nahrungsmittel 1916 sämtlich rationiert waren, erfolgte ein Drittel der Ausgaben außerhalb des Rationierungssystems. Zugleich aber bildeten Nahrungsmittelrationen, insbesondere über das Mitte 1916 etablierte Zulagensystem für sog. »Schwerund Schwerstarbeiter«, einen wichtigen Anreiz für kriegswichtige Industrien.49 Die Bildung des Kriegsernährungsamtes im Mai 1916 und die Etablierung Adolf v. Batockis als »Lebensmitteldiktator« konnten zwar einige Koordinierungsprobleme mildern, doch das strukturelle Problem einer vergleichsweise rückständigen, arbeitsintensiven und untermechanisierten Landwirtschaft, der Unterbindung der bisherigen Importe durch die nun »effizient« wirkenden Blockade50, die dreigeteilte Versorgung von Militär, Selbstversorgern und Rationenempfängern sowie die schlechte Ernte konnten ebenso wenig beseitigt werden wie die unzureichende Wissensgrundlage der Ernährungspolitik.51 Deren Charakteristika waren erstens Handeln ohne vorherige Situationsanalyse, zweitens die Nichtberücksichtigung von Fern- und Nebenwirkungen der 47 Roerkohl, Anne: ›Viel Suppe gab’s und wenig Brot‹. Die Erschließung neuer Nahrungsmittelquellen während der Hungersnot im Ersten Weltkrieg in Westfalen, Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 36, 1991 (= 1991b), 69–89, hier 70. 48 Seit 1916 handelte es sich um ein seitens der Kommunalverbände kaum bekämpftes Massenphänomen. Vgl. aber schon Hamster, Mitteilungsblatt der Großeinkaufs-Gesellschaft 2, 1914, 38; Gegen gemeingefährliche »Hamsterei«, Korrespondenz des Bundes der Landwirte 1915, Nr. 50 v. 16.12.; Rieder, Josef: Die Hamsternatur des Menschen, Prometheus 27, 1916, 554–557. 49 Näheres enthält Lenz, Richard: Die Lebensmittel-Zulagen für die schwerarbeitende Bevölkerung in der Kriegsernährungswirtschaft des Reiches, in: Stegerwald, A[dam]/Ders./ Wiernik, Luc[ian]: Die Schwerarbeiterfrage, Berlin 1917, 11–41. Zur Praxis vgl. Rabich, P.: Zulagenwesen und Zulagenverteilung an die schwerarbeitende Bevölkerung im Stadtbezirk Cöln, Beiträge zur Kommunalen Kriegswirtschaft 1, 1916/17, Nr. 49, 3–6. 50 Vgl. die Importdaten bei Ritschl, Albrecht: The pity of peace: Germany’s economy at war, 1914–1918 and beyond, in: Broadberry/Harrison (Hg.), 2005, 41–76, hier 58. 51 Entsprechend ist es fraglich, hier vom »Beginn einer staatlichen Konsumentenpolitik« zu reden, so Kluge, Ulrich: Deutsche Agrarpolitik im 20. Jahrhundert zwischen Protektionismus und wirtschaftlicher Modernisierung. Ausklang des Agrarischen?, in: Münkel, Daniela (Hg.): Der lange Abschied vom Agrarland. […], Göttingen 2001, 289–314, hier 298.

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eigenen Maßnahmen, drittens ein mangelhaftes Verständnis des Prozessablaufes einmal eingeleiteter Verfahren, viertens ein unhinterfragter Methodismus, der Maßnahmen solange beibehielt, wie sich keine negativen Effekte zeigten, fünftens eine sich ausweitende Organisation der Organisation sowie sechstens schließlich die Entwicklung zynischer Reaktionen, die für ein autoritäres System wie das des kaiserlichen Deutschlands ohnehin charakteristisch war.52 Diese seit Beginn des Krieges bestehenden, vorwiegend 1915 und 1916 verfestigten Pfadabhängigkeiten gründeten nicht allein auf unkoordinierten und teils widersprüchlich agierenden Institutionen, sondern auf beträchtlichen Wissensdefiziten. Nicht nur wurden die von der Eltzbacherschen Arbeitsgruppe empfohlenen Maßnahmen nur halbherzig umgesetzt. Auch ökonomisches Fachwissen blieb außen vor: Erst während des Steckrübenwinters im Januar 1917 zog man etwa eine Kommission von Hochschullehrern der landwirtschaftlichen Betriebslehre heran, um »Vorschläge für eine die landwirtschaftliche Produktion fördernde Preispolitik zu machen.«53 Die zunehmende Ausmergelung der auf Rationen angewiesenen Bevölkerung wurde wahrgenommen, doch medizinische Expertise führte nicht zu wirklichen Veränderungen. Schon 1916 diskutierte man öffentlich, die Ernährungspolitik vollständig auf die Kalorienlehre54 umzustellen, doch an der Zwangswirtschaft als »Kette von momentanen Notmaßnahmen und Notbehelfen«55 änderte dies nichts. Das galt auch angesichts der desaströsen Ergebnisse der Volkszählung 1916, nach der die Zahl der Kartenempfänger die der Berechtigten um mehrere Millionen übertraf. Die traditionelle Verwaltung war von den gestellten Aufgaben überfordert, strukturelle Bevorzugung der Produzenteninteressen und mangelndes Wissen gingen eine unheilige Allianz ein. Eine Durchsetzung wissenschaftlicher Rationalitätskriterien in der Kriegs­ ernährungspolitik misslang demnach. Gleichwohl aber erfüllten Wissenschaftler wichtige Funktionen an der Heimatfront, die ihre künftige Stellung im eisernen Dreieck wesentlich beeinflussten: Aus Sicht staatlicher Gremien stand erstens Legitimation im Vordergrund. Die Behörden zu unterstützen, war gerade nach Kriegsbeginn nicht nur Ausdruck »edelsten Gemeinsinns«56, sondern auch Teil der Bestrebungen, wissenschaftliche Expertise in die Entscheidungsprozesse zu integrieren. Das Ja zum Ganzen erlaubte schließlich auch Verbesserungen im Detail. Beispiel hierfür waren etwa Beratungen der führenden Berliner Mediziner und Physiologen über die Auswirkungen des höher ausgemahlenen und mit Kartoffeln versetzten Brotes im Januar 1915. Gewisse Be 52 So Rund, Jürgen: Ernährungswirtschaft und Zwangsarbeit im Raum Hannover 1914 bis 1923, Hannover 1992, 333, mit Bezug auf Arbeiten Frederic Vesters. 53 Aereboe, 1927, 53. 54 Vgl. Köhler, Franz: Die Reichskalorienkarte. Ein Vorschlag zur einheitlichen Regelung und Lösung der Ernährungsfrage (Ein Fragment), München 1916. 55 Aereboe, 1927, 103. 56 Arnold, 1916, 4.

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denken, insbesondere bei Magen-Darmerkrankungen, wurden zwar geäußert, insgesamt aber die »wohldurchdachten Verordnungen«57 positiv bewertet. Die etablierten Wissenschaftler übten den Schulterschluss mit einer Regierung, die auch unpopuläre Maßnahmen angehe: »Jetzt müssen die Leute kauen.«58 Nicht Rücksichtnahme auf Einzelne stand im Vordergrund, sondern Gesundheitsförderung für die Mehrzahl. Obwohl spätestens seit 1916 massive gesundheitliche Schädigungen offenkundig waren, fanden sich dennoch bis Kriegsende zahlreiche Weißwäscher, die auf sich positiv verändernde Krankheitsbilder und insbesondere den erzieherischen Einfluss der Kriegserfahrung verwiesen (Kap. 4.1.3). Abseits der Fachdiskurse wurden zudem nicht nur zu Kriegsbeginn zahlreiche patriotische Reden gehalten, die wissenschaftlichen Anspruch, Durchhalteparolen und Ressentiments miteinander verbanden. Selbst besonnene Köpfe, wie Max Rubner, teilten und propagierten nationalistische Propagandabilder.59 Empirieproduktion bildete ein zweites wichtiges Arbeitsfeld der Wissenschaftler.60 Das Individuum galt als »Nährobjekt«61, der Weltkrieg als ein großes Experiment. Parallel analysierten Chemiker vielfach den Nährwertgehalt von Nahrungsmitteln und Speisen, wobei die neu eingerichteten Volksküchen gute Ansatzpunkte boten.62 Hinzu kamen physiologische Untersuchungen, insbesondere zu Resorption und Verträglichkeit.63 57 Verhandlungen über die Bekömmlichkeit der Kriegsbackwaren, DMW 41, 1915, 408– 419, hier 409 (Rosenheim). 58 Verhandlungen, 1915, 414 (Klemperer). 59 Rubner, 1916. Zu dessen Wirken vgl. Schmidt, Daniel: Zwischen Expertise und Propaganda. Max Rubner und die Kriegsernährung im Ersten Weltkrieg, in: Plesser, Theo/Thamer, Hans-Ulrich (Hg.): Arbeit, Leistung und Ernährung. […], Stuttgart 2012, 237–262. 60 Es handelt sich um mehr als einhundert einschlägige Untersuchungen. Vgl. beispielhaft Lichtwitz, L[eopold]: Untersuchungen über die Ernährung im Kriege. I. Ueber die Ernährungsverhältnisse der Göttinger Bevölkerung in den Monaten Mai und Juni 1916, BKW 53, 1916, 937–940; Küster, E[rnst]/Wolff, H.: Betrachtungen und Versuche über Kriegsernährung, Schmidts Jahrbücher der in- und ausländischen gesamten Medizin 328, 1918, 1–9; Bach, F[ritz] W[erner]: Untersuchungen über die Lebensmittelrationierung im Kriege und ihre physiologisch-hygienische Bedeutung, auf Grund der Lebensmittelversorgung in Bonn während der Zeit v. 1. Juli 1916 bis 28. Dezbr. 1918, München 1918. 61 Rubner, Max: Die Ernährung des deutschen Volkes, in: Braun, Fr[iedrich] Edler v./ Dade, H[einrich] (Hg.): Arbeitsziele der deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege, Berlin 1918, 115–142, hier 116. 62 Fendler, G[eorg]/Frank, L./Stüber, W[alter]: Untersuchungen über den Nährwertgehalt von Mittagsmahlzeiten aus Berliner Notstandsspeisungen und Volksküchen im Winter 1914/15, Archiv für Hygiene 85, 1916, 199–236; Behre, A[lfred]/Frerichs, K.: Hat die Kriegszeit und insbesondere der Futtermangel Einfluß auf die chemische Zusammensetzung der Milch und der Milcherträge?, ZUNG 35, 1918, 471–475. 63 Noorden, Carl v./Fischer, Ilse: Neue Untersuchungen über die Verwendung der Roggenkleie für die Ernährung des Menschen, DMW 43, 1917, 673–676; Grote, L[ouis] R.: Der Einfluß des Krieges auf die Magensaftabsonderung, Zentralblatt für innere Medizin 38, 1917, 579–584.

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Abb. 29: Reduktion der Durchschnittskost: Rationen 1914 und 1918

Schon während des Krieges erlaubten diese Studien klare Aussagen über die gesundheitlichen Auswirkungen der rationierten Kost. Die Diskrepanz zwischen Norm und realer Versorgungslage war klar und deutlich. Lag die durchschnittliche ausgegebene Ration im Ruhrgebiet 1916 bis 1918 bei ca. 1.500 Kcal., so sank sie im März 1917 unter 1.100 Kcal.64 Derartige Studien wurden vielfach mit Forderungen gegenüber den staatlichen Instanzen verknüpft. Wissenschaftler legitimierten nicht nur die Ernährungspolitik, sondern übten drittens auch offene Kritik, die zumal seit 1917 durch nationale Rücksichtnahmen und den Beamtenstatus nur eingedämmt, nicht aber unterdrückt werden konnte. Zudem liefen innerwissenschaftliche Kontroversen weiter. Vegetarier kritisierten die Ausgrenzung von Vitaminen und Mineralstoffen, die Eiweiß-Minimum-Debatte wurde nicht zuletzt durch zahlreiche deutschsprachige Publikationen des dänischen Physiologen M ­ ikkel Hindhede weiter geführt, und gegen Kriegsende forderten führende Ernährungswissenschaftler die Rückkehr zum »vegetarischen Regime«65 der tradierten ländlichen Kost.66 Zielten diese Debatten auf die wissenschaftliche 64 Roerkohl, 1991a, 290–291. Es gab auch weniger schlecht gestellte Städte, vgl. Chickering, Roger: The Great War and Urban Life in Germany, Freiburg, 1914–1918, Cambridge/New York 2007 sowie als Blick über den deutschen Tellerrand Bonzon, Thierry/Davis, Belinda: Feeding the cities, in: Winter, Jay/Robert, Jean-Louis (Hg.): Capital cities at war. Paris, London, Berlin 1914–1919, Cambridge/New York/Melbourne 1997, 305–341. 65 Pirquet, [Clemens] v.: Reform der militärischen Kostordnung, Der Militärarzt 52, 1918, Sp. 25–28, hier 27. 66 Vgl. Wenk, Walther: Wissenschaft?, VW 48, 1915, 70–71 bzw. Hindhede, M[ikkel]: Eiweiß­minimum bei Brotkost, Die Umschau 19, 1915, 145–148; Ders.: Die Ernährungsfrage, BKW 53, 1916, 445–449, 471–475, 501–505, 534–541.

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Grundlage der Ernährungspolitik, so kritisierten führende Physiologen und Ökonomen die Ausprägungen des Rationierungssystems auch direkt. Rubner etwa attackierte Anfang 1918 öffentlich das Kopfquotensystem, durch das Familien mit kleinen Kindern bevorzugt wurden, während Alleinstehende oder Schwergewichtige klare Nachteile hatten.67 Demgegenüber empfahl er ein flexibles, stärker individualisierendes Rationierungssystem, das sowohl regionale Ernährungstraditionen als auch den physiologischen Bedarf der Einzelnen berücksichtigen sollte. Die »Gleichmacherei«68 stand seit 1916 in der Kritik vieler Experten, doch angesichts bestehender Schwierigkeiten, die von Stadt zu Stadt, von Land zu Land ohnehin unterschiedlich bemessenen Rationen überhaupt zu verteilen, blieb dies ohne unmittelbare Resonanz. Gerade das Auseinandertreten von staatlichen Maßnahmen und wissenschaftlicher Publizistik war ein wichtiger Anlass für die wachsende Kooperationsbereitschaft im Rahmen der Weimarer Demokratie, unterminierte es doch die Glaubwürdigkeit staatlicher Instanzen. Zeigte sich in der Kritik beträchtliches Selbstbewusstsein der »Wissenden«, prägte dieses viertens auch die stete Auseinandersetzung von Wissenschaft und Hauswirtschaft. Der Haushalt trat darin als wesentlicher Teil der Heimatfront ins Bewusstsein, weniger dagegen die Relevanz subjektiven Wissens für die Effizienz des Gesamtsystems. Die damit verbundene eigensinnige und eigenständige Versorgung schien nicht sinnvoll zu sein, galt doch die Hausfrau als konservativ und inkompetent.69 Demgegenüber setzte man auf ein »Trommelfeuer der Aufklärung«70, durch das die Festung Haushalt genommen und objektiviertes Wissen alltagsrelevant werden sollte. Trotz immenser Anstrengungen von Hauswirtschaftlerinnen und engagierten, vornehmlich bürgerlichen Frauen scheiterte die Rationalisierung der Heimatfront jedoch. Auch Experten konzedierten, dass spätestens seit Herbst 1916 geordnetes Kochen kaum mehr möglich war.71 Die stete Anklage der Hausfrau wurde gegen Kriegsende leiser. Aus den Debatten des Weltkrieges entsprang ein Professionalisierungsschub haushaltswirtschaftlicher Institutionen und Publikationen während der Weimarer Republik, der bis in die Universitäten führen sollte. Die Wissenskämpfe des Weltkrieges blieben nicht folgenlos, auch wenn angesichts der praktischen Probleme im noch lange nicht überwundenen Jahrzehnt der Ernährungskrise unmittelbare Konsequenzen auf sich warten ließen. 67 Rubner, 1918, 127. 68 Calwer, Richard: Die Ernährung der städtischen Bevölkerung im Winter 1916/17, Berlin 1916, 29. 69 Paul, Theodor: Wie können wir aus unseren Lebensmitteln besseren Nutzen ziehen? Eine Forderung unserer Zeit, München 1917 (=1917a). 70 Langstein, L[eo]: Die künftige Gestaltung der Ernährung gesunder und kranker Kinder bis zum zweiten Lebensjahre, TM 31, 1917, 292–297, hier 297. 71 Rubner, 1928, 10.

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Für die Wissenschaftler blieb das Rationalitätsdefizit der Kriegsernährungspolitik eng mit ihrer nur dienenden Rolle verbunden. Die Lehre konnte nur sein, die eigene Expertise enger an das staatliche System zu binden. Es galt, das eiserne Dreieck zu schmieden. Trotz der relativen Beratungsresistenz staatlicher Instanzen während des Krieges waren mit der Errichtung eines eigenständigen Ernährungsministeriums, der nun allseits akzeptierten Relevanz des Themas und einer breit gefächerten wissenschaftlichen Expertise wichtige Grundlagen geschaffen. Wissenschaft und Forschung wurden generell unabdingbar für die Kriegsführung, doch dies betraf vornehmlich den Produktions- und Destruktionssektor. Im Felde des Konsums drang objektiviertes Wissen dagegen nur verzögert vor, auch wenn – wie die nachfolgenden Unterkapitel zeigen werden – künstliche Kost sehr wohl präsent war und wurde. Dies galt auch für den Sektor der Kriegsernährungspolitik, der am direktesten zu lenken war, die Militärverpflegung.

4.1.2 Abgemagerte Helden. Militärverpflegung Die »Rationierungspolitik« betraf unmittelbar zwar drei Viertel der deutschen Bevölkerung, umgriff aber nur wenig mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel. Die ländliche Bevölkerung stand als »Selbstversorger« großenteils außerhalb der Rationierungswirtschaft, und die Armee mobilisierte bis 1915 mehr als acht Millionen Männer, die bevorzugt versorgt wurden.72 Während der »Nährstand« damit die relativ größten Freiheiten besaß, war der »Wehrstand« unmittelbar abhängig von einer effizient arbeitenden Verproviantierung und dem Wissen der Sanitätsoffiziere und Verwaltungsfachleute. In den 1890er und 1900er Jahren hatte es zahlreiche Versuche gegeben, neue, verbesserte Nahrungsmittel in die Feldportionen zu integrieren (Kap. 3.2.4), doch einzig die Militärkonservenfabriken produzierten künstliche Kost in größeren Mengen. Die Einführung der mobilen Feldküche seit 1908 vollzog sich nur schleppend, Chancen und Probleme der Verpflegung der Millionenheere wurden zwar erörtert, nicht aber wirklich angegangen.73 Es mangelte an ausgebildeten Köchen und Zubereitungskompetenz der Mannschaften. Die Vitaminlehre blieb für die deutsche Militärverpflegung unbedeutend.74 Die Rationen orientierten sich normativ am Voitschen Kostmaß, stärker aber noch am kargen Budget. 72 Chickering, Roger: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 2002, 56. 73 Gesche, Paul: Heeresverpflegung und Zusammenbruch im großen Kriege, Kassel 1928, 15. Die Zahl der eingesetzten Soldaten stieg bis Kriegsende auf über 13 Mio. 74 Dies galt aber auch für die alliierten Streitkräfte, vgl. Smith, David F.: Nutrition Science and the two World Wars, in: Ders. (Hg.): Nutrition in Britain. Science, scientists and politics in the twentieth century, London/New York 1997, 142–165, v. a. 143–144, 148.

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Letzteres änderte sich mit Kriegsbeginn: »Oberster Grundsatz ist stets, daß das Beste für die Truppe gerade gut genug ist«75. Das Heer versorgte sich seit Ende Juli 1914 aus bestehenden Vorräten, die Einberufenen wurden lokal von Frauen- und Kriegervereinen unterstützt und die Ressourcen der Aufmarschgebiete systematisch herangezogen. Der Vormarsch im Westen war auch ein Griff nach den Nahrungsressourcen Belgiens und Nordfrankreichs, die bis Oktober, teils auch bis November 1914 die eigentliche Grundlage für die Alltagskost der deutschen Armeen bildeten76: »Der Soldat, der uns Schlachten gewann, gewann uns auch auf feindlicher Erde wertvolle Nahrung.«77 Die Truppenverpflegung erfolgte auf Basis der Kriegsverpflegungsvorschrift von 1909, die eine tägliche Brotportion von 750 g und eine Beköstigungsportion vorsah, die vornehmlich aus Fleisch, Nährmitteln bzw. konserviertem Gemüse sowie Salz und Kaffee/Tee bestand.78 Dies bedeutete täglich ca. 3.200 Kcal., eine kalorisch mehr als reichliche Verordnung, die durch Zukauf und zugesandte Nahrungsmittel nochmals erhöht werden konnte. Dieser hohe Standard ging zu Lasten der städtischen und gewerblich arbeitenden Bevölkerung, die auf diesen Aderlass von Nahrungsressourcen im Sinne nationaler Verpflichtung eingeschworen wurde. Doch die Verpflichtung war beiderseitig: »Der Soldat dankt es der Heimat mit seinem Blut!«79 Gleichwohl aber wurde es zunehmend schwieriger, die Rationen vorschriftsgemäß zu beschaffen. Strukturelle Einschnitte gab es schon 1915: Einerseits wurde das Kommissbrot höher ausgemahlen (92 statt 85 %), anderseits nutzte man die Substitutionsmöglichkeiten der Vorschriften, ersetzte dabei vielfach frische Nahrung durch Nährmittel. Obwohl die kalorische Zufuhr auf Normhöhe blieb, zeigten sich schon im Frühjahr 1915 Grenzen einer solchen qualitativen Verschlechterung. An der Westfront trat aufgrund des Wegfalls frischer Kartoffeln Skorbut auf.80 Diese Vitaminmangelkrankheit zog seit 1917/18 tausende Soldaten an der Ostfront in Mitleidenschaft und war insbesondere in den dor 75 Erckelens, van: Die Verpflegung des Heeres im Felde, Die Gartenlaube 1914, 940–944, hier 940. 76 Vgl. Merkel: Landwirtschaft und Truppenernährung im französischen Operationsund Etappengebiet im Aisne- und Oise-Abschnitt, MDLG 30, 1915, 120–121. 77 Hartmann, Fritz: Die Heeresverpflegung, Berlin 1917, 3. 78 Vgl. Kriegs-Verpflegungsvorschrift (K. V. V.) vom 28. August 1909, Berlin 1909 bzw. Peltner, 1994, 30–35. 79 Hartmann, 1917, 27. Prosaischer ausgedrückt, standen 1914 für die Verpflegung 1,40 M pro Tag und Soldat zur Verfügung, eine Summe, die angesichts der nur unzulänglich zurückgestauten Inflation im November 1915 auf 1,50 M und im März 1917 dann auf 2 M erhöht wurde (Backhaus, [Alexander]: Die Ernährung des deutschen Volkes, in: Braun, Fr[iedrich] Edler v./Dade, H[einrich] (Hg.): Arbeitsziele der deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege, Berlin 1918, 143–158, hier 153). 80 Korbsch, R[oger]: Ueber Skorbut im Felde, DMW 45, 1919, 185–186, beschreibt eine Epidemie an der Westfront im Frühjahr 1915 mit 51 Fällen, über die während des Krieges nicht berichtet werden durfte.

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tigen Kriegsgefangenenlagern weit verbreitet.81 Frische Kost konnte kaum entbehrt werden. Seit 1916 aber erfolgten – auch unter dem Eindruck der prekären Versorgungslage der Zivilbevölkerung  – systematische Reduktionen der Verpflegungsportionen.82 Während die Fronttruppen aber nach wie vor kalorisch ausreichend versorgt wurden, fielen bis August 1917 die Rationen für die sog. immobilen Truppen in der Etappe bzw. in der Verwaltung und den Lazaretten unter die zur Erhaltung des Körpergewichtes notwendigen Mengen. Frontsoldaten galten als Schwerarbeiter, die sonstigen Soldaten und Zivilarbeiter dagegen als Normalbevölkerung. Die Nahrung verschlechtere sich zudem qualitativ.83 Die derart reduzierten Rationen schwächten die physische Substanz der deutschen Truppen, deren Ruhephasen mit Unterversorgung und Abmagerung einhergingen. Die Kampfkraft der Reservetruppen schwand entsprechend. Dies unterminierte nicht allein die Widerstandskraft, sondern minimierte auch operative Möglichkeiten: Die deutschen Frühjahrsoffensiven 1918 verfehlten ihre Ziele nicht allein wegen der überlegenen Waffentechnik der Alliierten, sondern auch, weil sich zahlreiche deutsche Angriffswellen im Plündern der wohlgefüllten alliierten Proviantlager und Feldküchen erschöpften.84 Gleichwohl ist Differenzierung nötig; schon allein wegen der vielfach anders gearteten Verpflegungsformen an der Ostfront, wo der Bewegungskrieg ganz andere logistische Herausforderungen aufwarf und die Versorgung aus dem okkupierten Lande heraus wesentlich höhere Bedeutung hatte. Darüber hinaus müssen Versorgungsgruppen genauer auseinandergehalten werden: Zum einen blieb die Versorgung der Offiziere, gerade auch in der Etappe und in den größeren Stäben, außerhalb des Feldverpflegungssystems. Sie mussten ihre Versorgung selbst regeln, und dazu setzten sie nicht zuletzt Beziehungen und Machtstellungen ein. Diese Privilegien unterminierten das Propagandabild einer einheitlich kämpfenden deutschen Nation.85 Deutlich anders entwickelten sich die Kostsätze der Kriegsgefangenen.86 Ihre Zahl lag schon Anfang 1915 bei knapp 600.000 Menschen, bis Kriegsende stieg 81 Vgl. Arneth, [Joseph]: Ueber Skorbut im Felde, DMW 44, 1918, 509–513; Klein, Rudolf: Skorbuterkrankungen unter unseren Kriegsgefangenen in Rußland, MK l 15, 1919, 182–186. 82 Musehold, 1922, 101. Zum Kostsatz für mobile Truppen im August 1917 s. Berges, 1937, 48–49. 83 Konrich, [Friedrich]: Die Ernährung im Kriege und ihre Lehren, MMW 81, 1934, ­1190–1195, hier 1191. 84 Münkler, 2014, 703–709. 85 Vgl. etwa die ausgewählten Speisekarten bei Marchionini, Karl: Sieben Jahre deutscher Hungerkrieg, Leipzig o. J. (1921), 37–38, der die Kritik der Arbeiterbewegung dokumentiert sowie Hettling, Manfred: Heeresmissstände, in: Hirschfeld/Krumreich/Renz (Hg.), 2003, 547–549. 86 Hierzu detailliert Hinz, Uta: Gefangen im Großen Krieg. Kriegsgefangenschaft in Deutschland 1914–1921, Essen 2006, 203–249. Zu Bedeutung und Stellenwert der Gefangennahme vgl. Ferguson, 2001, 335–367.

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sie auf über 2,5 Mio. an.87 Sie wurden – wie auch auf Seiten der Alliierten – auf ein »zweckmäßiges Minimum« gesetzt, dass bis Oktober 1915 85 g Eiweiß, 40 g Fett und 475 g Kohlenhydrate, also ca. 2.700 Kcal. umgriff.88 Diese Normen bedeuteten vornehmlich bei den zahlenmäßig klar dominierenden Russen die obere Linie, während Briten und Franzosen umfangreiche Heimatsendungen erhielten, die Zusatzversorgungen von ca. 1.000 Kcal. ermöglichten.89 Deutlich früher als bei den eigenen Truppen begann aber die qualitative Verschlechterung. Ungebräuchliche Bohnen, Blut, Lupinenmehl, Nährhefe und Klippfisch wurden eingesetzt, führten zu Verdauungskrankheiten und permanenten Klagen über den Geschmack. Auch freie Fettsäuren und Fettsäureäthylester in Margarineform gab man aus.90 Die Kriegsgefangenenernährung war ein erstes Testfeld für künstliche Kost, Massenspeisungen und Ersatzmittelwesen folgten im Zivilsektor. Damit wurden zugleich die geltenden Rahmenregelungen der Haager Landkriegsordnung von 1907 unterlaufen, nach der Gefangene analog zu den eigenen Truppen zu verpflegen waren. Zudem sanken die Rationen seit Herbst 1915 auf Hungerwerte, deren Folge Unterernährung, erhöhte Morbidität, Skorbut, Hungerödeme und auch Todesfälle waren.91 Von einem bewussten Hungersterben kann im Ersten Weltkrieg gleichwohl nicht gesprochen werden; schon der kleinteilige Einsatz der ca. 1,5 Mio. Arbeitskräfte an 750.000 Arbeitsstellen erforderte dezentrale Unterbringung und vielfach auch Verpflegung.92 Die arbeitenden Kriegsgefangenen, die seit 1915 in Landwirtschaft und Bergbau zu unentbehrlichen Arbeitskräfte wurden, erhielten seit Ende 1917 wieder höhere Rationen, um ihre Arbeitskraft aufrecht zu erhalten.93

87 Genaue Angaben enthält Oltmer, Jochen: Unentbehrliche Arbeitskräfte. Kriegsgefangene in Deutschland 1914–1918, in: Ders. (Hg.): Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkriegs, Paderborn u. a. 2006, 67–96. 88 Gigon, Alfred: Über rationelle Massenernährung, Ergebnisse der Hygienebakteriologie, Immunitätsforschung und experimentellen Therapie 3, 1919, 164–220, hier 211. 89 Konrich, 1934, 1192. Die Heimatlieferungen für die russischen Soldaten erreichten nur ca. 200 Kcal./Kopf und Tag. Die individuellen Unterschiede zwischen den Gefangenen waren entsprechend groß. Vgl. hierzu die physiologischen Untersuchungen von Lichtwitz, L[eopold]: Untersuchungen über die Ernährung im Kriege. II . Ueber die Ernährungsverhältnisse der Kriegsgefangenen im Kriegsgefangenenlager zu Göttingen, BKW 53, 1916, 1121– 1126, deren Resultate fast um den Faktor 1:3 variierten. 90 Vgl. hierzu Albrecht, Gerhard: Die Ernährung der Kriegsgefangenen, in: Schjerning, Otto v. (Hg.): Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918, Bd. VII, 139– 161, hier 145–146. 91 Vgl. etwa Hülse, Walter: Die Oedemkrankheit in den Gefangenenlagern, MMW 64, 1917, 921–925. Zu den physiologischen Grundfragen vgl. Backhaus, [Alexander]: Die Ernährung der Kriegsgefangenen, Hamburgische medizinische Überseehefte 1, 1915, 541–547. 92 Oltmer, 2006, 84. 93 Vgl. Thiel, Jens: »Menschenbassin Belgien«. Anwerbung, Deportation und Zwangs­ arbeit im Ersten Weltkrieg, Essen 2007, 151–156, 255–256.

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Angesichts dieser langsamen Auszehrung der körperlichen Substanz der Soldaten stellt sich die Frage nach dem Stellenwert objektivierten Wissens und künstlicher Kost besonders drängend. Hierzu fehlen fundierte Vorarbeiten, sodass nur auf einige Grundzüge eingegangen werden kann.94 Festzuhalten ist, dass das deutsche Militär im Verpflegungssektor nicht nur unzureichend auf die Versorgung eines Millionenheeres vorbereitet war, sondern dass gerade zu Beginn des Krieges Expertise fehlte, um eine optimale Nutzung der Nahrungsressourcen zu gewährleisten. Im August 1914 wurde zwar plangemäß die Berliner Zentralstelle zur Beschaffung der Heeresverpflegung gegründet, um die wichtigsten Mengengüter zu beschaffen. Der Einkauf der sonstigen Nahrungs- und Futtermittel erfolgte jedoch unkoordiniert durch die Intendanturen der Korps bzw. der jeweiligen Truppenteile. Eine große und schnell wachsende Zahl von Proviantämtern, Depots, Magazinen und Viehsammelstellen trat in Wettbewerb um die knappen Nahrungsressourcen. Erschwerend kam hinzu, dass die Zuständigen vielfach nicht aus kaufmännischen oder gar ernährungswirtschaftlichen Berufsfeldern kamen, sondern zumeist einen verwaltungstechnischen Hintergrund aufwiesen. Geld spielte angesichts des angestrebten schnellen Sieges keine dominante Rolle, ebenso wenig die dadurch bedingten Marktverwerfungen insbesondere für die Zivilbevölkerung. Diese Probleme der Anfangszeit wurden nicht zuletzt durch den Übergang zum Stellungskrieg im Westen minimiert, erlaubten sie doch sich einspielende Versorgungsstrukturen und eine Konsolidierung der rückwärtigen Produktionsbetriebe, insbesondere der Schlächtereien und Bäckereien. Dadurch konnte die anfangs unzureichende Versorgung mit mobilen Feldküchen überbrückt und Transportprobleme besser gehandhabt werden.95 Trotz der effektiven Nutzung der Eisenbahn spielten Pferde eine zunehmend geringere Rolle für den Transport, langsame Ochsen- und Büffelgespanne prägten das Bild.96 Normierte Verpackungs- und Transportmittel fehlten, beträchtlicher Schwund war die Folge. Die Lagerhaltung stellte besondere Probleme. In der Etappe herrschte eine permanente Konkurrenz von Soldaten, Tieren, Waffen und Nahrungsmitteln um angemessene Unterkünfte und Lagerflächen. Entsprechend schwanden Petroleum- und Weinvorräte schnell dahin, verloren Essig, Gewürze und

94 So fehlen in der über tausend Seiten umfassenden »Enzyklopädie Erster Weltkrieg« Informationen zur Verpflegung der insgesamt mehr als 70 Mio. eingesetzten Soldaten. Für Großbritannien vgl. Duffett, Rachel: The stomach for fighting. Food and the soldiers of the Great War, Manchester/New York 2012. 95 Vgl. zur Normlage Erckelens, 1914. 96 Lemmel, [Gerhard]: Denkschrift über die vom Königlich Preußischen Kriegsministerium – insbesondere von der Kriegsverpflegungsabteilung – in den Kriegsjahren 1914–1918 zur Verpflegung des Feldheeres in der Heimat getroffenen Einrichtungen, 5. Fortsetzung, Zeitschrift für die Heeresverwaltung 4, 1939, 97–102, hier 99.

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Fette rasch an Güte.97 Auch konservierte Nahrungsmittel, wie Rauchfleisch und Dörrgemüse, stellten teils neuartige Aufgaben für die Lagerhaltung, die auf Kosten beträchtlichen Verderbs gleichsam in der Kriegspraxis erkundet wurden. Die in der gewerblichen Praxis vielfach übliche, in mehreren Grenzfestungen auch schon erprobte Gefriertechnik wurde während des Weltkrieges nicht wirklich weiterentwickelt, obwohl gerade die deutsche Maschinenbauindustrie hierfür die nötige Expertise besessen hätte.98 Entsprechend wurden zu Kriegsbeginn den Menschenheeren Viehherden nachgeführt. Doch schon zu Beginn des Krieges rafften Viehseuchen insbesondere Schweineherden weg.99 Erst 1915 wurden durch Heranziehung von Veterinärmedizinern Fleischversorgungsstrukturen geschaffen, die insbesondere die hygienischen Gefahren für die Truppe minimierten.100 Hygieneprobleme bestanden aber auch bei anderen Lebensmitteln. Seuchen wie Cholera, Typhus und Ruhr wurden mit kontaminiertem Wasser übertragen, dessen Entseuchung zu einer wichtigen Aufgabe wurde.101 Die Masse des Wassers wurde vor dem Trinken abgekocht, klares Wasser blieb im Moder der Schützengräben eine Ausnahme. Im Ernährungssektor war Hygiene gewiss elementar, doch gerade für die Moral war der Geschmack der Speisen wesentlich. Die relative Eintönigkeit der aus nur wenigen Komponenten zusammengesetzten Kost blieb ein Grundproblem.102 Das lag nicht nur an der begrenzten Zahl von Standardgerichten in den Dienstordnungen, die in den zumeist nur über Kochkessel verfügenden mobilen Feldküchen relativ sicher gelangen. Es fehlte schlicht an Humankapital. Erst Ende der 1900er Jahre begann die moderate Professionalisierung der Militärküche, also die fundierte Ausbildung von Wirtschaftsoffizieren einerseits, Köchen anderseits. Kochen war für die Mehrzahl der Männer Frauensache. Auch die gelernten Köche waren nicht auf die besonderen Herausforderungen der Massenverpflegung eingerichtet.103 Dies bildete auch die Hürde für die seit 1916 für Küchendienste eingespannten sog. Hilfsdienstfrauen. Kochkurse für­ 97 Vgl. Lemmel, 1939, 97–98. 98 Diese wurde zu Kriegsbeginn auch offensiv angeboten. Vgl. etwa Die Kälte-Industrie und die Versorgung der Heere im Kriegsfall, ZKI 21, 1914, 164–165; Die künstliche Kälte und ihre praktische Verwendbarkeit, BVGP 16, 1916, 117–121. 99 Vgl. Lemmel, 1939, 97. Ca. 1 Mio. Schweine wurden in den ersten beiden Kriegsjahren in den Feldschlächtereien verarbeitet (Hartmann, 1917, 6). Rindfleisch dominierte jedoch deutlich, da dieses gekocht werden konnte. 100 Zeeb, H[einrich]: Einrichtung und Betrieb von Feldschlächtereien nach den Erfahrungen des Krieges 1914–1917, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 26, 1918, 160–161. 101 Schacht, A[lfred]: Die Trinkwasserversorgung unseres Heeres, Die Umschau 19, 1915, 129–132. 102 Peyer, W.: Winke für die Ernährung im Felde, MMW 62, 1915, 634–635, hier 634. 103 So das nachträgliche Urteil von Nachtigall, Otto/Konrich, Friedrich: Die Verpflegung der immobilen Truppen im Kriege, in: Schjerning (Hg.), 1922, 110–138, hier 112–113.

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Soldaten wurden schon zu Kriegsbeginn vereinzelt von Frauenvereinen angeboten, um »einfache Gerichte schnell und nahrhaft zu kochen sowie Krankennahrung – schleimige, leichte Suppen – zuzubereiten«104. Seit Januar 1915 richtete man derartige ehrenamtliche Kurse in vielen Garnisonsstädten ein. Trotz einschlägiger Vorschriften beherrschte die Mehrzahl der Soldaten weder feldmäßiges Kochen, noch hatte sie rudimentäre Zubereitungskenntnisse.105 Für die sog. Liebesgaben-Industrie eröffnete dieses Wissensdefizit eine wichtige Marktnische, denn Feldkocher und Warmhalteeinrichtungen wurden in einem Miniaturisierungswettbewerb zu Dutzenden neu entwickelt, sollte sich der Feldgraue auf seinem »Feld-Piccolo« doch zumindest etwas Warmes zubereiten können.106 Für die militärische Leitung aber bedeutete dies nachträgliche Schulung. Schon 1915 wurden in jedem Korpsbezirk Kochlehrkurse institutionalisiert.107 Dennoch blieben Kochen und der Umgang mit Nahrung vom Militär wissenschaftlich vernachlässigte Themenfelder. Die Lehrkurse konzentrierten sich vorrangig auf die praktische Seite, streiften Fragen der wissenschaftlichen Bromatik, also der Küchenökonomik, der Lagerhaltung und der Ernährungslehre, nur an der Oberfläche.108 Forderungen nach Errichtung eigener Militärkochschulen auf Korpsebene wurden nicht umgesetzt, ebenso ergänzten keine beamteten Köche die Sanitätsoffiziere auf Bataillons- oder Regimentsebene.109 Mochten die Soldaten auch hungern, die Professionalisierung des Verpflegungssektors wurde seitens der Militärs nur auf unterer Ebene vorangetrieben. Verbesserungen erfolgten kleinteilig, vor allem im Rahmen der unmittelbaren Versorgungsleistungen. Neben die mobilen Feldküchen traten immer mehr Lebensmittelwagen, die in neu entwickelten Transportbehältern und in der altbekannten Kochkiste warme Mahlzeiten von der Etappe an die Front brachten.110 Spirituskocher wurden seit 1915 auch offiziell verteilt, um in den Unterständen Essen zubereiten zu können.111 Von einer Verwissenschaftlichung der Militärverpflegung lässt sich aber nicht reden.

104 Kriegskochkurse für Soldaten, Die Frau 22, 1914/15, 439. 105 Berges, 1937, 52. 106 Hermann, F[elix]: Kriegsindustrie, Die Umschau 19, 1915, 132–135, 153–155, hier ­154–155. Auch der Buchhandel blieb nicht außen vor, wurden Soldatenkochbücher doch rasch auf den Markt geworfen, auch wenn sie angesichts der hohen dreistelligen Zahl von Kriegskochbüchern für die Heimatfront an Bedeutung zurücktreten. Vgl. etwa Werder, Hans: Kochbuch für den Schützengraben, Berlin 1915. 107 Nachtigall/Konrich, 1922, 114. 108 Zum Konzept s. Hasterlik, Alfred: Bromatik, Blätter für Volksgesundheit 19, 1919, 97–99. 109 So Paul, 1917a, 8. 110 Vgl. Born, F.: Kriegsverpflegungsanstalten, Die Gartenlaube 1917, 507–508; Hartmann, 1917, 35. 111 Gigon, 1919, 213.

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Dies gilt umso mehr als die uniforme Anwendung der Verpflegungsnormen tendenziell zur Durchsetzung von »urbanen« Ernährungsweisen führte. Militärkost war Fleischkost, versorgte insbesondere die aus ländlichem Umfeld oder der Arbeiterschaft stammenden Soldaten mit zuvor unbekannten Portionen. Auch wenn mengenmäßig  – nach den Futtermitteln112  – Brotgetreide und Zwieback die Proviantierung dominierten, bildete Fleisch doch den mit Abstand wichtigsten Kostenfaktor. Die Hochschätzung des animalischen Eiweißes und die tradierte Vorstellung von Fleisch als Nahrung des Kämpfers führten zu Fleischrationen, die über den Empfehlungen vieler Ernährungswissenschaftler lagen.113 Eine frühere Substitution durch andere Eiweißträger wäre möglich gewesen und hätte insbesondere die Zivilbevölkerung entlastet. Die innere Paradoxie eines strikt gehandhabten Rationensystems zeigte sich ebenso bei den Genussmitteln. Branntwein sollte vorschriftsgemäß nur selten eingesetzt werden, insbesondere bei schweren Marschleistungen. Doch die Ergebnisse physiologischer Forschungen wurden zunehmend beiseite gedrückt, die Branntweinportion wurde vielfach zur Hebung der Stimmung und vor Beginn kollektiver Tötungshandlungen ausgegeben.114 Gehobener Stimmung fiel der Gemeine auf dem Felde der Ehre. Tabak gehörte anfangs nicht zur Feldverpflegung, war vielmehr Bestandteil der Marketenderwaren. Doch an der Front galten andere Regeln: Raucher und Nichtraucher erhielten im Sinne der Gleichbehandlung gleichermaßen täglich entweder zwei Zigarren oder 30 g Rauchtabak oder 35 g Kautabak oder 5 g Schnupftabak. Als Konsequenz wurden nicht nur erhebliche Ressourcen verschwendet, sondern Millionen junge Männer zu Rauchern erzogen.115 Gegen den Rat vieler Mediziner stand Einführung in die Sucht auf dem Lehrplan der vermeintlichen Schule der Nation. Wurden somit ernährungsphysiologische Ratschläge nicht genutzt, um Ressourcen zu sparen bzw. optimal einzusetzen, konnte künstliche Kost während des Krieges auch auf der Produktebene nicht wirklich überzeugen. Drei Felder lassen sich hierbei unterscheiden, nämlich Liebesgaben, Konserven und Ersatzmittel: Unter Liebesgaben verstand man Feldpostsendungen von der Heimat an die Soldaten. Da Platz und Gewicht möglichst gering zu halten waren, dominierten abseits der Wurstpakete komprimierte Genussmittel: Alkohol und Kaffee, Rauchwaren und Kakao, Tee und Stärkungsmittel. Neben den Originalwaren 112 Grunddaten bis 1916 enthält Statistisches zur Heeresverpflegung, Deutsches Statistisches Zentralblatt 9, 1917, Sp. 190–191. 113 Durch die mobilen Truppenküchen stieg der Anteil des verfügbaren Eiweißes nochmals an, so dass diese Technisierung eine geringere Fleischration ermöglicht hätte, vgl. Gesche, 1928, 47. 114 Vgl. als Beispiel der äußerst breiten Debatte Schwalbe, J[ulius]: Alkohol im Felde, DMW 40, 1914, 1988–1989. 115 Konrich, 1934, 1192.

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Abb. 30 a+b: Liebesgaben für Kanonenfutter. Werbeanzeigen 1914

nahm die Zahl der Pulver und Tabletten, der Extrakte und Convenienceprodukte schnell zu. Viele dieser Liebesgaben verbanden Anregung und Bequemlichkeit, koppelten also männliche und weibliche Anspruchsprofile, knüpften dergestalt ein Band zwischen Heimat und dem unheimeligen Feld. Da die Angebote an bestehende Produktionsstrukturen anknüpften (Kap. 3.5.1 und 3.5.2), waren die meisten Produkte »zweckentsprechend und preiswert«.116 Lebensmitteltechnologie wurde genutzt, um ein Surrogat von Heimat, um Stärkung und Anregung angesichts lebensbedrohlicher Umstände zu bieten. Erst Ende 1914 nahmen Warnungen zu, dass der Gehalt einiger annoncierter Inhaltsstoffe zu gering sei. Ein eigentlicher »Liebesgabenschwindel«117 setzte jedoch erst 1915 ein, begleitet von Forderungen nach staatlicher Regulierung und effektiven Strafbestimmungen. Zu dieser Zeit wurde Frauen und Familien, aber auch die vielfach gegründeten Vereine für Versendung von Liebesgaben an Familienlose ermahnt, die Sendungen möglichst einzustellen, da die Soldaten ja eine auskömmliche Verpflegung erhielten. Diese verwaltungstechnisch sinnvolle Vorgabe wurde selbstverständlich nicht umgesetzt, doch tendenziell sank die Zahl der Liebesgabensendungen. Stattdessen begann spätestens 1916 »ein Mitleben der Nichtkämpfer aus Zuwendungen und Gaben der Feldgrauen«118. Die Liebesgabenindustrie wandte sich vielfach der Ersatzmittelproduktion zu, nachdem die Vorräte tradierter Genussmittel zur Neige gingen.

116 Hermann, 1915, 134. 117 Kühl, Hugo: Trockenmilchpräparate als Liebesgaben. […], Hygienische Rundschau 25, 1915, 693–696, hier 693. 118 Lebensmittel von uns zur Front, oder von der Front zu uns?, Zf VE 9, 1917, 160–163, hier 162.

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Wesentlich größere Bedeutung gewann Konservennahrung, für deren Herstellung ja mehrere Armeefabriken eingerichtet waren (Kap. 3.2.4). Naturalien wurden zwar bevorzugt, doch galt die Konserve als »›rechte Hand‹ der Naturalverpflegung«119, mit der einerseits die eiserne Portion bestückt wurde, die aber gerade für den Bewegungskrieg unverzichtbar war. Plangemäß wurden diese Fabrikationsstätten nach Kriegsbeginn aufgestockt, in Spandau stieg die Zahl der Beschäftigten rasch von 90 auf 3.600 Arbeiter/innen.120 Die Militärbehörden requirierten systematisch Autoklaven, sicherten sich eine regelmäßige Zufuhr neuer Konservierungsmaschinen, investierten in Kühlanlagen und Transportinfrastruktur. Zudem griff die Militärverwaltung auf die private Konservierungsindustrie zurück. In Braunschweig etwa wurden bis Anfang 1915 für knapp 28 Mio. M Fleischkonserven an die Zentralstellen des Heeres geliefert, hinzu kamen Aufträge vom 9. Armee-Korps (4 Mio. M), der Marine (8 Mio. M) sowie der Zentraleinkaufsgenossenschaft (12 Mio. M).121 Nachdem so die Verpflegung sichergestellt und zudem beträchtliche Reserven angelegt werden konnten, wurde die Produktion seit Ende Dezember 1914 wieder eingeschränkt und die Kontrakte mit den privaten Anbietern im Februar 1915 gekündigt. Im April 1915 ging man angesichts von gelagerten 200 Mio. Fleisch- und 60 Mio. Gemüseportionen zum Friedensbetrieb über, fuhr dann die Produktion im Sommer aber wieder hoch. Die Armeefabriken bildeten den Produktionskern, die Privatindustrie wurde zur Ergänzung herangezogen. Wie schon zu Friedenszeiten lag die Qualität dieser Ware jedoch vielfach unter dem Armeestandard. Daher baute die Armeeverwaltung auch zwecks Transportkostendegression zunehmend neue Konservenfabriken auf bis deren Zahl 1918 bei ca. 30 lag.122 Zudem wurden die Militäraufträge mit unmittelbaren Eingriffen in die Produktion gekoppelt, wobei die Vergabe von Weißblech den wichtigsten Hebel bildete. Dies wurde unterfüttert von einem seit Februar 1916 geltenden Verbot der Fleischkonservierung für die Zivilbevölkerung. Die im Frühjahr 1916 noch ca. 100, dann nur noch 70 Betriebe wurden mit Proviantamtspersonal besetzt, das Qualität und Verbleib der Produkte kontrollierte. Das unmittelbare Aufsichtspersonal bildete man fort. 1918 lag ihre Zahl bei ca. 900, denen ca. 11.000 Handwerkern und Arbeiter/innen gegenüberstanden.123 Militär und Unternehmen kooperierten in neu eingerichteten Ausschüssen sowie in der Kriegsver-

119 Berges, 1937, 51. 120 Schreiner, 1936, 27. 121 Voigt, Gerhard: Die Braunschweiger Konservenindustrie in der Kriegswirtschaft (1914/ 1919), Phil. Diss. Jena o. J. (1922) (Ms.), 69. Eine Pfund-Dose kostete 1,20 M, die meist gebräuchliche 4-Pfund-Dose 5,60 M. 122 Marcuse, 1918, 88. 123 Schreiner, 1936, 29.

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pflegungsabteilung, die immer wichtigere Marmeladenproduktion lastete die Kapazitäten dieser traditionellen Saisonindustrie nun auch besser aus.124 Wissenschaftliches Know-how war anfangs kaum gefragt, doch angesichts von Defiziten in der Haltbarkeit der Konserven, verstärkten Klagen über deren Geschmack sowie Arbeitskräftemangel beschritt man während des Krieges neue Wege.125 1916 endete das arbeits- und energieintensive Vorkochen des Fleisches durch den Übergang zum Roheinbüchsverfahren. Konsistenz und Nährstoffgehalt verbesserten sich dadurch. Seit 1915 wurden auch neue Qualitätskontrollverfahren institutionalisiert. Herausgehende Chargen beließ man stichprobenmäßig längere Zeit in heißem Wasser, konnte dadurch Fehlproduktionen einfacher erkennen. Diese Prozessoptimierungen gingen von den Armeefabriken aus, wurden dann aber auf die Privatindustrie übertragen. Während des Krieges testeten Lebensmitteltechnologen auch neue Konservierungsverfahren. Das Milchpulver »Kuh in der Tüte« oder aber das Magermilchtrockenpräparat »Krieger-Heil« basierten auf getrockneten Grundstoffen, verdarben aber relativ schnell.126 In den zentralen Berliner Laboratorien wurden neue Trocknungstechniken entwickelt, die auf der Zerstäubung flüssiger Nahrungsmittel, wie Eiweiß oder Blut, gründeten. Gut lösliches Ei- und Blutpulver war das Ergebnis, Geschmack und auch Vitamingehalt überzeugten, doch fehlten die Produktionskapazitäten für eine Massenproduktion.127 Trotz dieser beträchtlichen Verbesserungen sank die Bedeutung der Büchsenkonserven im Laufe des Krieges. Von den Proviantdepots wurde 1914/15 142,999 Mio. 200 g-Portionen an das Feldheer geliefert, 1915/16 126,571, 1916/17 nur noch 63,189, 1917/18 dann wieder 97,228, und schließlich im Aug.-Okt. 1918 22,803 Mio. Portionen.128 Auch die Zahl der Gemüsekonserven folgte diesem Rhythmus mit 111,512 Mio. 150 g-Portionen 1914/15, und 81,945, 40,019, 54,139 bzw. 9,747 Mio. in den Folgejahren. Die Verpflegungslücken wurden hier durch das geschmacklich wenig überzeugende Dörrgemüse, dem sog. »Drahtverhau«, gestopft, dessen Abgabe sich gegenüber den ca. 3.000 t 1914/15 1916/17 und 1917/18 fast vervierfachte.129 Verabreicht wurden auch schnell erschöpfte 124 Bericht über die Tätigkeit der Gemüsekonserven-Kriegsgesellschaft zu Braunschweig m.b.H. 1916–1919, o. O. o. J.; Marcuse, 1918, 81. 125 Konrich, 1934, 1191; zu den vorwiegend bei den heterogenen Lieferungen der Privatfirmen auftretenden Qualitätsmängeln s. Gesche, 1928, 45. 126 Kühl, 1915, 694–695. 127 Musehold, 1922, 93. 128 Lemmel, [Gerhard]: Denkschrift über die vom Königlich Preußischen Kriegsministerium  – insbesondere von der Kriegsverpflegungsabteilung  – in den Kriegsjahren 1914– 1918 zur Verpflegung des Feldheeres in der Heimat getroffenen Einrichtungen, 9. Fortsetzung, Zeitschrift für die Heeresverwaltung 5, 1940, 1–7, hier 4. Danach auch die folgenden Angaben. 129 Vgl. hierzu Die Gründungswut in der Dörrgemüse-Industrie, DNR 14, 1916, 67–69; Schmidt, Rudolf: Die Trocknungsfragen der Gegenwart, ZAC 32,1, 1919, 108–113.

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Bestände von Büchsengemüse aus früheren Zivilbeständen  – und hohe Mengen Frischgemüse, vornehmlich Kohl- und Wurzelgemüse. Sie spiegeln zugleich den wachsenden Mangel an Weißblech. Ersatzmaterialien wie Schwarzblechdosen waren noch nicht ausgereift, erhöhte Verluste an Rohware die zwingende Folge.130 Die Konservenproduktion hing unmittelbar von den vorhandenen Ressourcen ab, und es gelang nur ein kurzfristiger, nicht aber ein mehrjähriger Zeitensprung. Künstliche Kost bewährte sich im Bewegungskrieg und bei unmittelbar im Kampf stehenden Truppen. An der prekären und sich verschärfenden Verpflegungssituation änderte die Kooperation von Militär, Unternehmen und Wissenschaftlern jedoch nur wenig. Dies gilt auch angesichts der wachsenden Bedeutung von Ersatzmitteln seit etwa 1916. An die Stelle von Frischwaren traten tausende von Tonnen Gersten-, Kartoffel- und Weizenflocken. Dörrzwiebeln dienten dem Geschmack, Kunsthonig als Brotaufstrich und Fettsparer. Kaffee wurde zunehmend durch Zichorienkaffee gestreckt und ergänzt, Tabak mutierte vielfach zu »deutschem« Tabak, Tee zu »deutschem« Tee. Anders als im Zivilsektor (Kap. 4.1.4) handelte es sich bei den Ersatzmitteln in der Heeresverpflegung um Substitute aus anderen Rohstoffen bzw. mit geringerem Geschmack bzw. Genusswert. Die Proviantämter schotteten die Soldaten gegenüber unlauterer Alltagskost im Wesentlichen ab. Während die allgemeine Ernährungspolitik zunehmend kritisiert und trotz Zensur auch öffentlich diskutiert wurde, wurden die Schwerpunktsetzungen der Militärverpflegung kaum hinterfragt. Hohe Eiweiß- und Fleischportionen entsprachen den Vorstellungen der Öffentlichkeit von kräftigender Kost, und auch die Eiweißminimumdebatte innerhalb der Physiologie zielte vornehmlich auf Zivilisten, grenzte die Soldaten fast durchweg aus. Und doch gab es grundlegende und auch öffentlich präsente Kritik an der Art der Militärverpflegung. Sie wurde von Vegetariern artikuliert und dokumentiert deren enge Koppelung an das Stoffparadigma.131 Fasst man zusammen, so gelang es den deutschen Machthabern, die Versorgung und körperliche Leistungsfähigkeit der Armee trotz zunehmend schwierigerer Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten. Dies war angesichts unzureichender Vorbereitungen nicht selbstverständlich, waren die physiologischen Grundlagen und die fachliche Umsetzung der Verpflegungsvorschriften doch 130 Vgl. hierzu Broistedt, Fr[itz]: Die Ursachen und die Entwicklung des Gemüsebaus und der Konservenindustrie im Braunschweiger Bezirk, Agrarwiss. Diplomarbeit Göttingen o. J. (1921) sowie Sammlung und Verwendung alter Konservendosen, Illustrierte Zeitung für Blechindustrie 46, 1917, 364. 131 Vgl. hierzu auch die allerdings teils oberflächliche Studie von Fritzen, Florentine: »Unsere Grundsätze marschieren« – Die deutsche Naturheilbewegung im Ersten Weltkrieg: Die Krise einer Institution des Wissens, in: Kretschmann, Carsten/Pahl, Henning/Scholz, Peter (Hg.): Wissen in der Krise. […], Berlin 2004, 157–176.

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vielfach nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.132 Von einem eingespielten eisernen Dreieck kann nicht gesprochen werden, doch der Kooperations­ bedarf von Militär, Wirtschaft und Wissenschaft wurde doch deutlich. Die Versorgung erfolgte schließlich nach Sätzen, die auf Basis des Stoffparadigmas erstellt waren, die Kalorie galt als Maß gerechter Versorgung.133 Moderne Technologie, insbesondere zur Nahrungsmittelkonservierung, wurde genutzt, vielfach auch Forschung in Dienst genommen. Die Schwächen der Logistik, der Lagerhaltung und der Zubereitung eröffneten künstlicher Kost aber kaum mehr als ergänzende Funktionen. »Nährgewalt schafft Wehrgewalt, schafft Heldgewalt, schafft Weltgewalt«134 – so lautete eine gängige Gleichung. Im Weltkrieg wurde deutlich, dass Gewalt deren wichtigster Bestandteil war, eine Gewalt, die auch und gerade die eigene Bevölkerung in der »Heimat« betraf.135

4.1.3 Unterernährung, Hunger, Tod. Größenordnungen und Auswirkungen Das Wunder an der Marne fand nicht statt. Große Teile der Öffentlichkeit und des Militärs hatten einen schnellen Sieg der deutschen Waffen erwartet, zumindest aber erhofft – nicht aber einen mörderischen Stellungskrieg im Westen, der mit Abstand wichtigsten Kriegsregion. Die Folgen der militärischen Lage wurden »in der Heimat« erst realisiert, als rapide Preissteigerungen und zunehmende Lebensmittelknappheit den Alltag in Mitleidenschaft zogen. Bis 1914 hatten steigende Löhne und verbesserte Versorgungsstrukturen zu einer im Ganzen auskömmlichen Ernährungssituation geführt. Trotz vereinzelter Unterernährung und einer beachtlichen Bedeutung von Mangelkrankheiten war im Deutschen Reich Hunger selten, der Hungertod praktisch beseitigt. Das änderte sich nun. Die imperial ausgerichtete deutsche Politik hatte wirtschaftlich den Krieg nur unzureichend vorbereitet, den vorrangig sie in der Julikrise ermöglicht hatte. Durch die völkerrechtswidrige Blockade der Mittelmächte wurde die Abhängigkeit vom Welthandel zunehmend spürbar.136 Das Deutsche Reich 132 So auch Gesche, 1928, 47. 133 Für viele Lebensmittel waren die Kalorienwerte und Nährstoffzusammensetzungen allerdings nur in Grundzügen bekannt. Vgl. etwa Dienemann, [Franz]: Calorien, Beiträge zur Kommunalen Kriegswirtschaft 1, 1916/17, Nr. 48, 7–9. 134 Lemcke, 1901, 117. 135 Diese Ebene struktureller Gewalt wird in den Historiker-Debatten vielfach ausgeblendet, vgl. etwa Schumann, Dirk H.: Gewalterfahrungen und ihre nicht zwangsläufigen Folgen. Der Erste Weltkrieg in der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, in: Große-Kracht, Klaus/Ziegeldorf, Vera (Hg.): Wirkungen und Wahrnehmungen des Ersten Weltkrieges, Berlin 2004, 7–27. 136 Zu den v. a. seit 1916 greifenden alliierten Maßnahmen vgl. Osborne, 2004, Kap. 4 und 6.

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war auf Nahrungs- und Futtermitteleinfuhren angewiesen.137 Faktisch fehlten zwanzig Prozent der Kalorien. Der Landwirtschaft wurden zudem Arbeitskräfte, Zugpferde und Maschinen entzogen. Dennoch richtete sich die frühe Kriegsernährungspolitik nicht auf den absehbaren Mangel ein, obwohl Physiologen und Mediziner rigide Einschnitte forderten (Kap. 4.1.1).138 Seit Januar 1915 begann dann, verstärkt durch die folgende Einführung der Brotrationierung, ein langsamer körperlicher Verfall großer Teile der Zivilbevölkerung. Die begrenzte Abmagerung wurde anfangs kaum als Gefahr angesehen, viele Ärzte begrüßten vielmehr die Abkehr von der »Luxuskonsumption« der Vorkriegszeit, und Kriegskochbücher priesen immer wieder die Vorteile der einfachen Kost.139 Übergewicht, Obstipationen und Alkoholismus nahmen ab, ebenso Diabetes und Gicht. Der Krieg erschien vielen Ärzten als Jungbrunnen, als Rückkehr zu ungekünstelter Kost.140 Niedrigere Eiweißmengen, von Ernährungsreformern wie Chittenden und Hindhede gefordert, schienen plötzlich akzeptabel, eine fleischarme, mit Andacht gegessene Kost schien Grundlage einer kräftigen und einigen Nation.141 Diese moderate Akzeptanz änderte sich spätestens Mitte 1916, als fast alle wichtigen Nahrungsmittel rationiert wurden und v. a. animalische Nahrungsmittel kaum mehr verfügbar waren. Die Abmagerung nahm deutlich zu, lag bis Mitte 1917 bei mindestens 15 %, in vielen Industrieregionen deutlich höher. Max Rubner, der sich als pflichttreuer Patriot strikt an die von ihm selbst empfohlenen Rationen gehalten hatte, verlor bis Mitte 1917 knapp 21 % seines Körpergewichtes und litt unter andauernder Müdigkeit und hochgradigem Frostgefühl.142 Entsprechend veränderte sich das körperliche Erscheinungsbild. Der Sozialhygieniker Alfred Grotjahn vermerkte schon im

137 Zu Zahlenangaben s. Eltzbacher (Hg.), 1915, 33–63. 138 Hervorzuheben sind Gruber, Max v.: Mobilisierung des Ernährungswesens, Süddeutsche Monatshefte 11,2, 1914, 858–872; Rubner, [Max]: Die Volksernährung im Kriege, Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 11, 1914, 745–753; Zuntz, N[athan]: Einfluß des Krieges auf Ernährung und Gesundheit des deutschen Volkes, MK l 11, 1915, 1176–1181, 1204–1207. 139 Vgl. etwa Wundt, Emma: Badisches Kriegskochbüchlein. […], Karlsruhe 1915; Heyl, Hedwig: Kriegskochbuch. Anweisungen zur einfachen und billigen Ernährung. Ausgabe für Mitteldeutschland, 57. Aufl., Berlin 1915. 140 Vgl. etwa Heinsheimer, F[riedrich]: Einiges über Diätkuren in der Kriegszeit, TM 32, 1918, 326–328; Feilchenfeld, Leopold: Über den günstigen Einfluß unserer Kriegsnahrung auf Diabetes und Arteriosklerose, MK l 14, 185–187. 141 Vgl. Herter, [Max]: Zur Sicherstellung der Volksernährung, MDLG 30, 1915, 25–28 sowie Hindhede, M[ikkel]: Die Ernährungsfrage, BKW 53, 1916, 445–449, 471–475, 501–505, 534–541; Chittenden, Russell H[enri]: Ökonomie in der Ernährung, 2. Aufl., München 1916. Vor dem Krieg fanden diese Untersuchungen positiven Widerhall vornehmlich im lebens­ reformerischen Milieu. 142 Rubner, Max: Der Gesundheitszustand im Allgemeinen, in: Bumm, F[ranz] (Hg.): Deutschlands Gesundheitsverhältnisse unter dem Einfluss des Weltkrieges, Halbbd. I, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1928, 63–86, hier 21.

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März 1916 ein »mongolisches Aussehen« der Berliner Bevölkerung, bei dem die Backenknochen hervortraten und die entfettete Haut sich in Falten legte.143 Entwicklungsrückstände bei Neugeborenen sorgten Pädiater und Mütter, die allgemeine Sterblichkeit stieg beträchtlich an.144 Das Rationierungswesen wirkte dabei vielfach als Selektionsraster. Während die ländlichen Selbstversorgergebiete lange Zeit kaum Einschränkungen erlebten, konzentrierten sich die gesundheitlichen Schäden auf die Bevölkerung industrieller Gebiete und großer Städte.145 Doch auch hier waren einzelne Gruppen sehr unterschiedlich betroffen.146 Diejenigen, die nur die Grundration, nicht aber Zulagen bekamen, also die Alten, Insassen von Anstalten oder körperlich leicht Arbeitende, waren zu langsamem Hungertod verurteilt, beschafften sie sich nicht überteuerte Waren im immer enger werdenden freien Handel bzw. per Schleichhandel.147 Drastisch zeigte sich dies in Altenheimen, Gefängnissen und insbesondere in Anstalten für geistig und körperlich Behinderte. Hier starben die Insassen 1916/17 zu Tausenden, ja Zigtausenden, warteten stumm, mit wachsgelben aufgedunsenen Gesichtern auf den Tod.148 In den geschlossenen Anstalten erlaubten die wissenschaftlich begründeten Rationen, deren Ergänzung von den meisten Ärzten mit Bezug auf die notwendige Umschichtung hin auf die Leistungsfähigen abgelehnt wurde, Tötung ohne Gefahr rechtlicher Folgen. Allein in Preußen lag die »Übersterblichkeit« bei mehr als 42.000 Menschen. Die Rationen symbolisierten Gleichheit und Gerechtigkeit, höhlten diese Begriffe aber zugleich aus.149 143 Grotjahn, Alfred: Erlebtes und Erstrebtes. Erinnerungen eines sozialistischen Arztes, Berlin 1932, 169. 144 Vgl. Bendix, Bernhard: Ueber die »Kriegsneugeborenen«, Zeitschrift für Säuglingsschutz 8, 1916, 335–343; Momm: Hat die eiweiß- und fettarme Nahrung einen Einfluß auf die Entwicklung der Frucht?, Zeitschrift für Gynäkologie 40, 1916, 545–550 sowie – gleichsam amtlich – Maron, Richard: Der Einfluß der Ernährungsverhältnisse im Kriege auf den körperlichen Entwicklungszustand der Neugeborenen, Berlin 1918. 145 Grundlegend hierzu Roerkohl, 1991a, 287–315. 146 Rubner, [Max]: Einfluss der Kriegsverhältnisse auf den Gesundheitszustand im Deutschen Reich. (Ein Bericht aus dem Jahre 1917, als Beitrag zur Wirkung der Hungerblockade.), MMW 67, 1920, 229–242, hier 232. 147 Dies war das Ergebnis etwa der Versuche von Neumann, R[udolf] O[tto]: Die »Kriegsernährung« in Bonn im Winter 1916/17 auf Grund experimenteller Untersuchung. […], Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen 3.F. 57, 1919, 1–70. 148 Vgl. Müller, Friedrich v.: Die Lehre von der Ernährung auf Grund der Kriegserfahrungen und der neueren Forschungen, in: Medizinische Wissenschaft und werktätiges Volk, Berlin o. J. (1926), 93–126, v. a. 100–101 sowie die eindringliche Arbeit von Faulstich, Heinz: Hungersterben in der Psychiatrie 1914–1949, Freiburg i. Br. 1998, v. a. 34–68, der auch die Kontinuität zwischen Kriegs- und NS -Zeit auf Basis der Vorstellung des »unnützen Essers« klar herausarbeitet. Vor diesem Hintergrund berührt die Aussage von Ferguson, 2001, 267, dass bisher kein Beweis dafür erbracht sei, »daß irgend jemand verhungerte«, einzig peinlich. 149 Vgl. Dehio: Das Verhalten des Körpergewichts und die Ernährungsverhältnisse der männlichen Verpflegten der sächsischen Landesanstalt Colditz während der Kriegsjahre 1915–1919, Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen 3.F.

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Neben diesen schutzbefohlenen Minderheiten waren gerade die Alten betroffen, d. h. die über 60-Jährigen. Ihre Sterblichkeit stieg rapide an, allein von 1916 auf 1917 um fast 20 %. Die sogenannte Übersterblichkeit lag zwischen 1914 und 1918 bei insgesamt ca. 424.000 Menschen, wobei auch der Kohlemangel zu berücksichtigen ist.150 Die Unterernährung bewirkte häufig eine steigende Morbidität, und Infektionskrankheiten oder allgemeine Erschöpfung führten dann zum Tode.151 Die Folgen der Mangelernährung zeigten sich jedoch nicht allein bei der Mortalität, sondern in einer allgemeinen Schwächung und einer wachsenden Apathie der Zivilbevölkerung. Hunger lähmte, nur in Grenzsituationen schlug er in aktiven Widerstand um, etwa bei Lebensmittelunruhen oder Streikaktionen.152 Generell verlangsamten sich die Bewegungen der Menschen, Fußgänge wurden seltener, die öffentlichen Verkehrsmittel immer häufiger benutzt, an die Stelle der Geselligkeit der Gaststätten trat die stumme Reihung in der Lebensmittelschlange. Die Spiele der Kinder verlagerten sich ins Haus, das lärmende Ballspiel wurde zur seltenen Ausnahme. Nahrungsmangel und objektiv unzureichende Rationen resultierten in einer mentalen Perspektivenverengung. Rechtsbruch wurde nicht mehr als solcher wahrgenommen, sondern durch das Vorbild der Anderen gerechtfertigt. Das Sterben an der Front, das sichtbare Elend ringsum und die langsame Verschlechterung aller Lebensbereiche führten zu einer mentalen Ausblutung auch national gesinnter Kreise, wie etwa die Kriegschronik Gertrud Bäumers anschaulich belegt.153 So bedeutsam das Leid des Einzelnen auch war, es erhielt seine spezifische Wendung stets durch die Wahrnehmung und Erfahrung des Mangels anderer, durch deren Umgang mit dem Mangel. Die vielfältigen sozialen und immer noch ständischen Unterschiede, die Unterschiede zwischen Stadt und Land, 60, 1920, 27–50. Die Mehrzahl deutscher Ärzte sah in ihren Patienten nur »Material«, reduzierte sie auf ihre Körperlichkeit, auf ihre Leistungsfähigkeit. 150 Roesle, [Emil]: Die Geburts- und Sterblichkeitsverhältnisse, in: Bumm (Hg.), 1928, 1–61, hier 28. Die bei Kriegsende verbreiteten Zahlen von ca. 800.000 zusätzlichen Sterbefällen schließen die Grippetoten mit ein, vgl. Schädigung der deutschen Volkskraft durch die feindliche Blockade. Denkschrift des Reichsgesundheitsamtes Dezember 1918, o. O. o. J. (1919), 17. 151 Differenzierte Angaben bei Roesle, [Emil]: Die Geburts- und Sterblichkeitsverhältnisse, in: Bumm (Hg.), 1928, 1–61, hier 22–61. 152 Vgl. hierzu Davis, Belinda Joy: Home fires burning: Politics, identity and food in World War I Berlin, 2 Bde., Ann Arbor 1992; Geyer, Martin H.: Teuerungsprotest und Teuerungsunruhen 1914–1923, in: Gailus, Manfred/Volkmann, Heinrich (Hg.): Der Kampf um das tägliche Brot. […], Opladen 1994, 319–345. 153 Sie erschien zwischen 1914 und 1919 monatlich in der Zeitschrift »Die Frau«. Zum Forschungszusammenhang vgl. Molthagen, Dietmar: Das Ende der Bürgerlichkeit? Liverpooler und Hamburger Bürgerfamilien im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2007, insb. 30–36.

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zwischen Regionen, Geschlechtern, Altern und Versorgungsstrukturen führten zu einem äußerst heterogenen Bild, in dem es immer Gruppen gab, die strukturell bevorzugt waren. Der Verlust von Wohlstand und Bequemlichkeit war anfangs nur graduell und wurde doch schon früh als bedrohlich wahrgenommen und erfahren. Und teilweise führte die Not des Krieges zu demonstrativem Luxus, zum opulenten und repräsentativen Umgang mit Nahrung. Der Mangel der Mehrzahl wurde deutlicher spürbar, als die alten Eliten trotz Revolution keine gravierenden Einbußen erlitten, als schon vor der Inflationszeit Neureiche und Kriegsgewinnler sich protzend in der Öffentlichkeit zeigten.154 Das Rationierungssystem transzendierte in seiner formalen Gleichheit die soziale Ordnung der Gesellschaft, gerade in den mittleren Klassen fanden Niedergangsszenarien daher einen breiten Nährboden. Der Soziologe Georg Simmel sprach schon 1915 vom »Rückgängigmachen einer Entwicklung von Jahrhunderten«155, da der Übergang von einer Natural- zu einer Geldwirtschaft und von Ge- und Verbrauchsgegenständen in Waren nun wieder ins Gegenteil verkehrt werde. Die neue Zeit sei keine, in der man Geld sparen müsse, sondern vielmehr Dinge, insbesondere Lebensmittel. Der Nahrungsmangel ließ die Schwäche der staatlichen Organe und den mangelnden Gehalt nationaler Propaganda deutlich werden. Zugleich nahm die Krankheitsdisposition allgemein zu, schwand doch die Widerstandsfähigkeit, wirkten die bis dato bewährten Medikamente immer weniger.156 Allgemein verbreitet, aber meist nicht lebensbedrohlich waren Verdauungsbeschwerden bzw. Magen- und Darmkrankheiten. Häufiges Bettnässen der Kinder, verstärkter Harndrang auch des Nachts, permanente Blähungen betrafen das Alltagsleben tiefgreifend, Brechdurchfälle nahmen stark zu. Daneben bewirkte die Mangelernährung neuartige Hungerkrankheiten, die in dieser Form zuvor kaum bekannt waren. Hungerödeme traten seit 1916 zuerst in geschlossenen Anstalten, dann immer stärker auch unter der Zivilbevölkerung auf.157 Sie bildeten sich v. a. aufgrund unzureichender, wässeriger Kost. Dagegen entstanden Hungerosteopathien bzw. Hungeroleomalazien vornehmlich als Folge einer qualitativ unzureichenden Ernährung, die zu wenig Mineralstoffe und Vitamine enthielt. Dadurch veränderte sich vielfach die Stützfähigkeit des Skelettes, wurden die Knochen weich und mürbe, brachen schnell und 154 Ein Beispiel im hungernden Wien war die neu eingerichtete Bar »Parisien«. Vgl. dazu: Kraus, Karl: Moriz und Max, Die Fackel 21, 1920, Nr. 521–530, 3–6. 155 Simmel, Georg: Geld und Nahrung, Der Tag 1915, Nr. 74 v. 28.03., Ausg. A, Illustr. Teil. 156 Vgl. Zernik, Franz: Kriegsunterernährung und Arzneimittelwirkung, DMW 45, 1919, 858. Allgemeiner Überblick in Determann, H[ermann]: Die Bedeutung der Kriegsernährung für Stoffwechsel und Gesundheit, Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie 23, 1919, 1–14, 49–65, 92–108, 137–148, v. a. 92–108, 137–148; Hungerblockade und Volksgesundheit, Berlin 1920. 157 Maase, C[arl]/Zondek, H[ermann]: Das Hungerödem. Eine klinische und ernährungsphysiologische Studie, Leipzig 1920.

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ohne größere Belastung.158 Auch Skorbut trat auf, zuerst in östlichen Kriegsgefangenenlagern, dann aber auch in vielen Großstädten des Deutschen Reiches. Diese Situation änderte sich mit Kriegsende nur wenig, einzelne Krankheitsbilder erreichten gar erst 1919 ihren Höhepunkt. Die Blockade wurde schließlich bis Juli 1919 weitergeführt, auch das Rationierungssystem beibehalten.159 Erst 1921 verbesserte sich die Ernährungslage deutlich, nur um sich 1922 abermals zu verschlechtern.160 Während der Hyperinflation 1923 waren wiederum Hunderte von Hungertoten zu beklagen, ehe mit der Stabilisierung von Währung und Wirtschaft das Jahrzehnt der Ernährungskrise 1924 endete.161 Der Mangel der frühen Jahre bildete jedoch den Erfahrungshintergrund für die gesamte Weimarer Republik. Mit dem Ende des Weltkrieges begann allerdings, gründend auf detaillierten Berichten und Untersuchungen der deutschen Ernährungssituation, eine breite Auslandshilfe auf privater Grundlage, die sich v. a. um die vielfach geschädigten Kinder sorgte.162 Kalorische Defizite galt es zu bekämpfen, Entwicklungsrückstände der Biokörper zu minimieren. Not war ein Rechenexempel, Hilfe ebenso. Viele Kinder kamen zur Auffütterung ins neutrale Ausland, aber auch die ehemaligen Kriegsgegner halfen, die hungernde Bevölkerung zu versorgen. Hervorzuheben ist insbesondere das Speisungswerk der amerikanischen Quäker, durch das allein im Deutschen Reich bis 1925 ca. 700 Mio. Zusatzmahlzeiten ausgegeben werden konnten.163 Diese waren kalorisch klar definiert, die Auswahl der zu Speisenden erfolgte auf Grundlage von Massenuntersuchun 158 Näheres bei Knochenkrankheiten als Folge der Hungerblockade, BA Potsdam 61 Re 1 2439, 1. Zahlenreihe, Bl. 64; Blencke, Hans: Zur Frage der Hungerosteopathien, Berlin 1920. 159 Zur Entscheidungssituation auf Seiten der Alliierten vgl. die Quellensammlung von Bane, Suda Lorena/Lutz, Ralph Haswell (Hg.): The Blockade of Germany after the Armistice 1918–1919, Stanford/Oxford 1942 sowie Vincent, C. Paul: The Politics of Hunger. The Allied Blockade of Germany, 1915–1919, Athens/London 1985, v. a. 145–151. Zur deutschen Position vgl. Rubner, M[ax]: Von der Blockade und Aehnlichem, DMW 45, 1919, 393–395. 160 Denkschrift über die gesundheitlichen Verhältnisse des deutschen Volkes in den Jahren 1923 und 1924, in: Verhandlungen des Reichstags. III . Wahlperiode 1924. Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. 406, Berlin 1926, Nr. 1725, 11. Vgl. auch Böß, [Gustav]: Die Not in Berlin. Tatsachen und Material, Berlin 1923. 161 Zur Situation in der direkten Nachkriegszeit vgl. u. a. Eschbach, Walter: Kinderelend=Jugendnot. Auch eine Bilanz des Krieges, völlig neu bearb. Aufl. Berlin 1925; Rubner, 1928, v. a. 81–86. Das Berliner Statistische Amt listete für 1922 und die ersten zehn Monate 1923 88 Tote aufgrund von Unterernährung und 15 explizite Hungertote auf (Gohde, G.: Eine Veröffentlichung des Berliner Statistischen Amtes, Zeitschrift für Gesundheitsfürsorge und Schulgesundheitspflege 37, 1924, 184). 162 Starling, Ernest H.: Report on the Food Conditions in Germany […], London 1919; Hibhouse, Emily: Au Pays de la Faim: Situation comparée de Vienne et de Leipzig, Revue International de la Croix-Rouge 2, 1920, 473–486. 163 Hintergründe bei Henriques, Clara: Organisation und Durchführung in Deutschland, in: Dies. (Hg.): Kinderspeisung, Weimar 1926, 62–93; Kilian, Lothar: Die unbekannte Winterhilfe. Die großen Nothilfesammlungen in den Krisenjahren der Weimarer Republik, Pader­

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Abb. 31: Gespeiste Kinder mit den gereichten Nahrungsmittelmengen 1922

gen und den daraus ermittelten Körperindizes.164 Die straff organisierten Quäker rekrutierten deutsche Ärzte und Physiologen, nutzten bestehende Institutionen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, nahmen diese in die Pflicht bei der Umsetzung eines zuvor auf Basis wissenschaftlicher Expertise entwickelten Hilfsplanes.165 Nicht allein die damit verbundene Striktheit bewirkte, dass Massenspeisungen nicht nur im Sinne der Völkerverständigung wirkten. Viele Deutsche sahen hierin nur eine Reaktion weniger ausländischer Gerechter auf die unrechtmäßige »Hungerblockade« der Alliierten, also eine Abschlagzahlung auf das den Deutschen zugefügte Unrecht.166 Durch unbedachte Reparationsforderungen, etwa der Auslieferung von 140.000 Milchkühen 1919167, sowie durch die wenig versöhnliche Politik v. a. Frankreichs gewannen derartige Opferszenarien an kollektiver Plausibilität. Die dankbaren Kinder und Mütter bildeten kein Geborn u. a. 2013, 60–102; Eckart, Wolfgang U.: Medizin und Krieg. Deutschland 1914–1924, Paderborn 2014, 400–409. 164 Tugendreich, Gustav: Die ärztlichen Grundlagen für die Durchführung des Werkes, Zeitschrift für Schulgesundheitspflege 35, 1922, 181–196. 165 Größe und Gewicht der Schulkinder und andere Grundlagen für die Ernährungsfürsorge, hg, v, Deutschen Zentralausschuss für die Auslandshilfe E. V. durch dessen Ärztlichen Beirat, Berlin 1924. 166 Piller, Elisabeth: German Child Distress, American Humanitarian Aid and Revisionist Politics, 1918–1924, Journal of Contemporary History 51, 2016, 453–486. 167 Vgl. beispielhaft Uhlenhuth, [Paul]: Zur Auslieferung unserer Milchkühe, DMW 45, 1919, 1280; Kaup, [Ignaz]: Protest gegen die Ablieferung von Milchvieh, MMW 68, 1921, 78–80.

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gengewicht für die große Zahl der Erwachsenen, die bei der Rückbesinnung an die Ernährungskrise 1914 bis 1923 in Rachegedanken schwelgten, ohne die Limitierungen der deutschen Rationierung und Ernährungspolitik sachlich zu analysieren. Nur wenige Stimmen diskutierten auch die eigene, die deutsche Verantwortung an der desaströsen Versorgungssituation selbstkritisch. Die an der »Heimatfront« Gefallenen wurden nachträglich vielmehr als Blutopfer instrumentalisiert, um so die deutsche Opferrolle umso besser ausfüllen zu können.168 Die gesundheitlichen Folgen der Mangelernährung, die es in ähnlicher Form auch in anderen Krieg führenden Staaten gegeben hat, führten nicht zu einer grundsätzlichen Besinnung, zu einem Vermächtnis der Opfer für neue Formen innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Umgangs. Vielmehr dienten sie in Deutschland einer findigen Schar von Medizinern und Verwaltungsbeamten als Basis für rationalere Kriegsvorbereitung und Kriegsernährungspolitik, wie sie dann im Zweiten Weltkrieg umgesetzt wurde (Kap. 5.5).169 Für die Stellung objektivierten wissenschaftlichen Wissens war diese Bilanz des Krieges erst einmal desaströs. Die Not erforderte eine Verpflichtung der Hausfrau und ihres praktischen Wissens, eine Erfahrung, von der Hausfrauen noch lange zehrten. Doch Chemiker und Physiologen verwiesen nicht auf ein zu viel, sondern auf ein zu wenig an wissenschaftlicher Expertise. Dies betraf nicht allein die Ernährungspolitik selbst, sondern auch die Produkte. Wissenschaftliches Wissen sei sehr wohl in der Lage, Knappheiten zu reduzieren und die Nahrungsgrundlage durch Ersatzmittel zu verbreitern. Entsprechend groß waren zu Kriegsbeginn die Hoffnungen gegenüber künstlicher Kost.

4.1.4 Ausgeburten stofflicher Vernunft. Ersatzmittel »Die Surrogate bedeuten überhaupt alles im Leben, und sind recht eigentlich die letzte Weisheitsessenz.«170 Als Theodor Fontane 1882 die Kunstwelt des Bürgertums derart charakterisierte, verwiesen Pressglas, Furniermöbel und Gussimitate auf den Widerspruch zwischen Sein und Schein.171 In der bürgerlichen 168 Dies schon der Tenor in Die Aushungerung Deutschlands, BKW 56, 1919, 1–9. Vgl. insbesondere Schädigung, (1919); Siegmund-Schulze, Friedrich: Die Wirkungen der englischen Hungerblockade auf die deutschen Kinder, Berlin 1919; Schwalbe, J[ulius]: Englische »Berechnungen« über die gesundheitlichen Schädigungen der Hungerblockade, DMW 45, 1919, 438–439. 169 Beispiele sind Konrich, 1934 bzw. Weiß, H[ans]: Körperlich-seelische Beeinflussung durch die Ernährungsminderung im Weltkrieg, Wissen und Wehr 18, 1937, 733–746. 170 Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow, in: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 1, Berlin 1915, 369. 171 Vgl. Gabler, Wolfram: Surrogate. Material- und Technikimitation des 19. Jahrhunderts, in: Packeis und Pressglas. Von der Kunstgewerbebewegung zum Deutschen Werkbund, Gießen 1987, 115–126.

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Welt traten Wert und Preis der Dinge auseinander und Geld schien dem Schriftsteller schon früh ein Ersatz für Sinn und Substanz.172 Im weiten Feld der Nahrung hätte Fontane die Bedeutung von Surrogaten und Ersatzmitteln schon früher und in anderen Schichten verorten können. Ersatzkaffee und Rübenzucker traten am Beginn des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug an, und als Fontane seine Sentenz niederschrieb, wurden auf Basis des Stoffparadigmas Fleischextrakt, Margarine, Saccharin und Suppenmehle Alltagsprodukte. Im Gegensatz zu Einrichtungsgegenständen und Kleidung gelang es den Nahrungsersatzmitteln jedoch nur vereinzelt, den Bannstrahl des Billigen abzustreifen. Wissenschaftlicher Expertise zum Trotz hielt der gute Geschmack zumeist fest am Hergebrachten. Nur das Echte auf der Tafel diente der Repräsentation. Nahrungsersatz hatte vor 1914 dann eine Marktchance, wenn es sich um einen Ersatzstoff eigener Qualität handelte (Margarine, Kaffee-Ersatz) oder Bequemlichkeit und Geschwindigkeit gesteigert werden konnten (Backpulver, Puddingpulver, Suppenwürfel, Würzen). Andere Ersatzmittel, etwa die auf umfassende Änderungen der Alltagskost zielenden Eiweiß- und Lightprodukte, blieben dagegen auf Nischenmärkte beschränkt (Kap. 3.4 und 3.5). Die Nahrungsmittelindustrie widmete sich vorwiegend der Verarbeitung und »Veredelung« tradierter Nahrungsmittel, die Kunstwelt auf dem Tische war kein Ziel, sondern ein lukratives Ergänzungssortiment.173 Dies änderte sich im Ersten Weltkrieg. Abgeschnitten vom Weltmarkt zerstob das ausreichende Angebot der Vorkriegszeit. Ressourcenarmut verwies auf Stoffarmut, Stoffarmut wiederum auf Substitute. Das vermeintlich überlegene Wissen deutscher Wissenschaftler und Techniker konnte und musste nun nicht allein für die Kriegsführung, sondern auch für die Versorgung der Bevölkerung eingesetzt werden. Die Idee des Ersatzes setzte sich vornehmlich auf drei Ebenen durch: Erstens sollten die Deutschen ihre Ernährungsgewohnheiten selbst ändern. Rationaler, auf Grundlage physiologischer Kostmaße klar abgesteckter Konsum erlaubte nach Maßgabe von Wissenschaft und dann auch Politik eine ausreichende Versorgung Aller, erlaubte die nationale Tischgemeinschaft im Angesicht der Bedrohung von außen. Auf Fleisch, Milch, Butter, Schmalz und Weizenbrot galt es zu verzichten, stattdessen wurden Magermilch, Hülsenfrüchte, Zucker, Roggenbrot und Kartoffeln propagiert.174 Diese freiwillige Sub 172 Eine positive Bewertung dagegen bei Bausinger, Hermann: Surrogate, Surrogate, in: »Die Hauptstadt der Cichoria«. Ludwigsburg und die Kaffeemittel-Firma Franck, Ludwigsburg o. J., 1–7. 173 Vgl. Juckenack, A[dolf]: Lebensmittelsurrogate, DVÖG 42, 1910, 657–662; Binz, A[rthur]: Chemische Industrie und Volksernährung. Festrede, Berlin 1913. 174 Näheres bei Rubner, [Max]: Die Volksernährung im Kriege, Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 11, 1914, 745–753; Schumacher, Hermann: Häusliche Verhaltensvorschriften für die Kriegszeit, Konsumgenossenschaftliches Volksblatt 7, 1914, 180–181.

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stitution fand jedoch wenig Widerhall. Die nationale Begeisterung endete am heimischen Kochtopf, objektiviertes Wissen drang kaum durch. Staatliche Lenkungs- und Zwangsmaßnahmen wurden im Grundsatz begrüßt, die Konsequenzen aber vielfach abgelehnt. So scheiterte das seit 1914 herzustellende KBrot, ein hoch ausgemahlenes Roggenbrot mit Kartoffelzusatz, sowohl an der mangelnden Verbraucherakzeptanz als auch an der unausgereiften Technik der Kartoffeltrocknung.175 K-Brote waren klumpig und nass, verdarben vielfach oder wurden ganz verschmäht, die Stoffbilanz war entsprechend negativ. Stoffersparnis wurde jedoch nicht allein auf Ebene der Produkte angestrebt. Auch Zubereitungsweisen sollten energieärmer, die Lebensmittelauswahl ressourcenorientierter und das Mahl in größerer Runde eingenommen werden, um Skaleneffekte zu erzielen.176 Elementare Esshandlungen galt es stofforientiert zu verändern: Das sog. Fletchern, also vom US -Physiologen Horace Fletcher empfohlenes intensiviertes Kauen, diente dem Ziel optimaler Ausnutzung sämtlicher Nahrungsmittelinhaltsstoffe und wurde zumal in der ersten Kriegshälfte Ausdruck nationaler Gesinnung.177 Doch wegbrechende Futter- und Düngemittelimporte, Arbeitskraftverluste im ländlichen Raum und Defizite in Transport, Lagerhaltung und Verwaltung erforderten Ersatz in weit größerem Maße.178 Immense Preissteigerungen, durch Schleichhandel und Produktionsverlagerungen ausgehebelte Höchstpreise, die 1915 einsetzende, 1916 schließlich umfassende Rationierung der Grundnahrungsmittel sowie die sinkende Produktion mündeten in eine Zwangslage, in der eine dominant pflanzliche, kohlenhydratdominierte Kost alternativlos war.179 Die Steckrübe wurde seit dem Winter 1916/17 Sinnbild für die zwingende Kraft

175 Zur Brotfrage vgl. Neumann, M[ax] P[aul]: Die Brotversorgung des deutschen Volkes während des Krieges, MDLG 29, 1914, 592–596; Schilling, F[riedrich]: Verdaulichkeit des Kartoffel-Cerealiengebäckes, Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie 19, 1915, 140–143; Dombrück, Peter: Im Zeichen des »K«-Brotes. Eine epikureische Betrachtung, BVGP 16, 1916, 9–10; Skalweit, 1927, 30–35. 176 Umfassend hierzu Roerkohl, 1991a, 216–226. 177 Borosini, A[ugust] v.: Die Eßsucht und ihre Bekämpfung durch Horace Fletcher, 4. Aufl., Dresden o. J. (1912); Piokowski, Max: Das Fletchern. Ein Beitrag zur Ernährungsfrage, Berliner Tageblatt 1915, Nr. 90 v. 18.02., BA Potsdam 61 Re 1 2439, 2. Zahlenreihe Bl. 40; Trott, M.: Die durch die Kriegskost bedingte veränderte Lebensweise. Ratschläge, Hannoversche Hausfrau 15, 1917/18, Nr. 4, III . Fletchern war vor dem Weltkrieg Ausdruck lebensreformerischen Bewusstseins, vgl. Atzenroth, G[ustav]: Erst veracht’ man’s und verlacht man’s, dann beacht’ man’s, schliesslich macht man’s, Die Lebenskunst 7, 1912, 531–534. 178 Daten hierzu bei Aereboe, 1927. 179 S. etwa die mehrjährigen Budgets bei Patschoky, Franz: Untersuchungen über die Lebenshaltung bayerischer Familien während des Kriegs (Teil II), Zeitschrift des K. Bayerischen Statistischen Landesamts 50, 1918, 592–626. Zur allgemeinen Entwicklung vgl. Skalweit, 1927; Huegel, Arnulf: Kriegsernährungswirtschaft Deutschlands während des Ersten und Zweiten Weltkrieges im Vergleich, Konstanz 2003.

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staatlich verordneter Ersatzmittel (hier für die Kartoffel), das Kriegsmus stand ihr in Symbolgehalt und Würgequalität kaum nach.180 Als die Illusion vom kurzen Krieg verflogen war, begann parallel zu verschärften Bewirtschaftungs- und Rationierungsmaßnahmen spätestens seit 1915 zweitens die Suche nach neuen Nahrungsquellen. Fett- und Eiweißträger standen im Mittelpunkt, Flora und Fauna wurden auf Grundlage von Stoffgehalten neu bewertet. Der Kleingarten galt nun als Lebensacker, das Kaninchen als hochwertiges Fleischvieh.181 Sonnenblumen- und Obstkerne, Kastanien, Holzsamen wurden gesammelt, Öl daraus gewonnen.182 Lupinen und Flechten, Algen und Schlachtblut sollten helfen, die klaffende Eiweißlücke zu schließen. Charakteristisch für die damit verbundene Ressourcenallokation war das Sammeln von »Bucheckern«, das seit 1915 vom neu gegründeten Kriegsausschuß für Öle und Fette propagiert wurde. Schulklassen zogen in die Wälder, sammelten dort in Eimerchen kleine Samenkörper. Einfacher wäre die Schweinemast im Walde gewesen, doch diese wurde 1916 gesetzlich verboten. Zeitgleich aber fehlte Arbeitskraft im niedergehenden Hackfrüchteanbau, wo man der Unkräuter kaum Herr werden konnte.183 National verbrämtes Gemeinschaftserlebnis und die unmittelbare Suche nach dem Nahrungsstoff Fett waren wichtiger als eine effiziente Nutzung von Humankapital. Die breit posaunende Publizistik konnte den geringen Ertrag an Nährwerten denn auch kaum überdecken.184 Auch neue Futterpflanzen gerieten in den Blick, etwa die noch nicht entbitterten Lupinen oder Innovationen wie die Rangoonbohne. Eine indirekte Entlastung während des Krieges bewirkten sie allerdings nicht, denn sie enthielten giftige, Mensch und Tier schädigende Stoffe.185 Die Züchtungsanstrengungen reduzierten ihren Gehalt nur unwesentlich, erst 1928 gelang Reinhold von Sengbusch mit der sog. »Süßlupine« ein Durchbruch, die seit 1930 als Futterpflanze

180 Zur staatlichen Begründung s. Die deutsche Ernährungswirtschaft im Kriege. Vortragsstoff. Hg. v. Nachrichtendienst des Kriegsernährungsamts, Leipzig 1917. Vgl. auch Kühl, Hugo: Marmelade – Mus – Gelee im Kriege, Öffentliche Gesundheitspflege 2, 1917, 413–418. 181 Vgl. detaillierter Stein, Hartwig: Inseln im Häusermeer. Eine Kulturgeschichte des deutschen Kleingartenwesens bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt a. M. u. a. 1998, 342–395. 182 Zu den schulischen Sammlungen s. Kronenberg, Martin: Kampf der Schule an der »Heimatfront« im Ersten Weltkrieg. Nagelungen, Hilfsdienste, Sammlungen und Feiern im Deutschen Reich, Hamburg 2014, 69–85. 183 Aereboe, 1927, 58. 184 Vgl. Roerkohl, 1991b. 185 Zur Diskussion vgl. Schönfelder, Br[runo]: Die Lupine, eine Pflanze der Zukunft, Kosmos 15, 1918, 155–158; Jonscher, A[lbert]: Zur Kenntnis und richtigen Einschätzung der Rangoon-Bohne, ZÖC 26, 1920, 26–31. Lupinen wurden auch als Kaffeeersatz sowie als Zusatz zu Brot und Margarine genutzt.

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in wachsendem Maße genutzt wurde.186 Stattdessen wurden, im Anschluss an die Verfahren der »Entgiftung« von Genussmitteln, zahlreiche Patente zur nachträglichen Entfernung der bitteren und giftigen Alkaloide vergeben.187 Die dezentral notwendigen Maschinen und chemischen Bindemittel bildeten jedoch Kostenfaktor und Flaschenhals zugleich, sodass diese Verfahren mit der Rekonstitution der Weltmarktanbindungen seit 1924 ihre Bedeutung für die Ersatzfuttermittelproduktion verloren.188 Punktuell erfolgreicher waren dagegen Recyclingstrategien, insbesondere die Nutzung von Küchenabfällen und Tierkadavern als Futtermittel.189 Erstere wurden insbesondere in den Großstädten erfolgreich zur kommunalen Schweinezucht verwendet. Die Kadaververwertungsanstalten konnten die Tiermehlproduktion steigern, doch mangels Personal und Kohle schafften sie es nicht, den Anfall an Tierkörpern vollständig zu verarbeiten.190 Auch im Recyclingsektor gab es zahlreiche Initiativen, bei denen Aufwand und Ertrag auseinanderklafften. Der breit diskutierte Einsatz von Fettabscheidern in den Abwässerreinigungsanstalten oder aber die Sammlung von Kaffeesatz sind hierfür Beispiele.191 Auch die umfassende Nutzung des Eiweißträgers Blut als Wert steigernder Nahrungsmittelzusatzstoff blieb hinter den Erwartungen der insbesondere seit 1915 geführten Debatten zurück.192

186 Wieland, 2004, 181–182. Bis zur Einführung der neuen Sorte wurden im KWI für Züchtungsforschung 1,2 Mio. Pflanzen untersucht. Umfassend hierzu, trotz der einseitig naturwissenschaftlichen Perspektive, Hondelmann, Walter: Die Lupine. Geschichte und Evolution einer Kulturpflanze, Braunschweig 1996. 187 Winckel, Max: Die Technik der Lupinenentbitterung, Die Technik in der Landwirtschaft 1, 1919/20, 396–404, 540–542. 188 Vgl. Völtz, W[ilhelm]: Die Verfütterung der Lupinen, MDLG 37, 1922, 248–252 (inkl. Disk.); Zörner, [Hans]: Inwieweit ist die Milderung des Eiweißmangels durch verstärkten Lupinenanbau möglich und rentabel?, MDLG 39, 1924, 267–273. 189 Vgl. Cohn, Robert: Fetterzeugung und Fettersparnis, ein Rückblick auf die Kriegsernährung, ZAC 32, 1919, 193–198; Schindler, Thomas: Ernährung in der Krise. Anmerkungen zur Ersatzmittelbewirtschaftung in Marburg während des Kriegsjahres 1916, Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte 111, 2006, 266–284, hier 228–230. 190 Vgl. etwa Hausmüllverwertung, Die Umschau 20, 1916, 588, 590–591; Fleck: Die Verwertung der Küchenabfälle in Dresden, Die Städtereinigung 9, 1917, 111–114; Fürsorge für die Ernährung, Kommunales Jahrbuch 7, 1919, 201–365, hier 216–217; Gradenwitz, Alfred: Fleischabfallverwertung. Die Fleischvernichtungsanstalt der Stadt Berlin, Prometheus 28, 1917, 552–554. 191 Fettgewinnung aus städtischen Abwässern, Konsumgenossenschaftliches Volksblatt 10, 1917, 36; Gehre, [Fr.]: Die Sammlung des getrockneten Kaffeesatzes, Die Städtereinigung 9, 1917, 100–101. 192 Zur Debatte vgl. Salkowski, E[rnst]: Ueber die Verwendung des Blutes der Schlachttiere als Nahrungsmittel, BKW 52, 1915, 597–599; Blum: Blut als Nahrungsmittel, BKW 52, 1915, 730–731; Kobert, R[udolf]: Über die Benutzung von Blut als Zusatz zu Lebensmitteln. Ein Mahnwort zur Kriegszeit, 4. wiederum verm. u. zeitgem. umgearb. Aufl., Stuttgart 1917.

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Daneben bemühte sich die Ernährungsindustrie drittens um innovative verarbeitete Produkte, um künstliche Kost als Alternative zur Zivilkost. Die Zahl derartiger Ersatzmittel blieb aber gering: Trockenmilchpulver, Stärkemehle, Kunsthonig, Nährhefe, Fischfleisch, Fisch- und Hefeextrakte waren die wichtigsten reellen Produkte, die auch nach Ende des Krieges weiter produziert wurden.193 Die Defizite lagen weniger im Konzeptionellen. Derartige Produkte gründeten auf dem Stoffparadigma, und der Verkäufermarkt konnte helfen, die Nischen der Vorkriegszeit zu durchbrechen. Limitierungen bildeten vielmehr mangelhafte Technologien, für deren Auf- und Ausbau es nur unzureichende Ressourcen gab. Die erfolgreichen Ersatzprodukte knüpften entsprechend an Vorkriegserfahrungen an: Kunsthonig etwa war ein schon um 1900 verfügbarer preiswerter Ersatz für Bienenhonig. Er bestand aus Invertzucker, Wasser, Honigaroma und Farbstoffen, vielfach auch aus Stärkesirup.194 Chemisch war er mit Bienenhonig vergleichbar, entsprechend häufig wurde er zu dessen Verfälschung genutzt. Normierungen setzten früh ein, konzentrierten sich zuerst auf die Sicherung des »Naturhonigs«, seit 1911 dann auf Standards für den künstlichen Ersatz.195 Während des Krieges ging es aber nicht primär um den Ersatz von Honig, dessen Konsum damals bei ca. einem Drittel kg/Kopf und Jahr lag. Vielmehr sollte es als »Volksnahrungsmittel«196 Fettaufstriche substituieren, da Zucker noch in großer Menge vorhanden war. Neben die gewerbliche Produktion traten insbesondere seit 1916/17 zudem hauswirtschaftliche Ratschläge, Kunsthonig aus Zucker, Wasser und Zitronen bzw. Zitronenaroma selbst herzustellen. Parallel wurden Kunsthonigessenzen entwickelt und angeboten. Auch der Ersatz von Ersatzmitteln bot einen lukrativen Markt.197 Nach dem Ersten Weltkrieg blieb

193 Einen Überblick enthält Güstrau, Eva-Maria: Die medizinische Beurteilung der Ersatzlebensmittel im und nach dem Ersten Weltkrieg, Med. Diss. Berlin (W) 1968, 17–25; Allgemein s. Kühl, Hugo: Über Ersatzmittel unserer Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände im Kriege, Öffentliche Gesundheitspflege 1, 1916, 283–289 bzw. Fendler, G[eorg]/ Schikorra, G./Stüber, W[alter]: Ersatzmittel für Nahrungsmittel, Surrogate und ähnliche Erzeugnisse, Öffentliche Gesundheitspflege 1, 1916, 377–392, 441–450. 194 Vgl. Denkschrift über den Verkehr mit Honig. Ausgearb. i. Kaiserlichen Gesundheitsamt, Berlin 1902. 195 Entwürfe zu Festsetzungen über Lebensmittel. Hg. v. Kaiserlichen Gesundheitsamt, H. 1: Honig, Berlin 1912. 196 Paul, Theodor: Die Bedeutung des Kunsthonigs als Volksnahrungsmittel. KunsthonigMerkblatt, BVGP 17, 1917, 5–9. Während des Krieges wurden ca. 600 Kunsthonigfabriken neu gegründet (Paul, Theodor: Das Studium der Lebensmittelchemie nach dem Kriege, ZAC 32, 1919 (= 1919a), 105–108, hier 105). 197 Dies galt nicht nur für Produkte, sondern auch für Dienstleistungen, vgl. etwa Geheime Fabrikations-Rezepte und Herstellungs-Vorschriften »Aus der Praxis für die Praxis«. Chemische-Fabrik »Perozon« Senftenberg N.-L., o. O. o. J., BA Potsdam 36.01–750, Fol. 8–14.

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Abb. 32: Gewerbliches Angebot für den häuslichen Ersatz des Ersatzproduktes – Werbeanzeige 1917

Kunsthonig – neben Marmelade – ein preiswerter, breit verwendeter und häufiger als Bienenhonig konsumierter Brotaufstrich.198 Nahrungsinnovationen von Ersatzmitteln erfolgten aber auch bei Zusatzstoffen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war es Forschern am Berliner Institut für Gärungsgewerbe gelungen, Hefe zu trocknen und sie als »Nährhefe« zu propagieren. Nur ein Viertel der deutschen Brauereihefe wurde damals als Backhilfsmittel sowie für Hefeextrakte verwendet, der Rest blieb Abfall. Die Trocknung erlaubte nun einerseits den Absatz als Futtermittel, anderseits aber schien es nach der Entfernung von Bitterstoffen möglich, sie auch für die menschliche Ernährung zu nutzen.199 Schließlich enthielt das preiswerte Produkt – 100 kg kosteten ca. 150 M – mehr als 50 % Eiweiß.200 Entsprechend wurde es zu Beginn des Krieges systematisch als Ersatzmittel für Fleisch propagiert. Die wissenschaftlich erprobten Rezepte zielten jedoch eher auf die Beimengung zu Suppen und sonstigen Speisen, da die »Schmackhaftigkeit in einzelnen Fällen zweifellos zu wünschen übrig«201 ließ. Der Tenor in Öffentlichkeit und Wissenschaftspubli 198 Beythien, A[dolf]: Über Kunsthonig, ZUNG 41, 1921, 300–321 (inkl. Disk.). 199 Hayduck, F[ritz]: Neuere Bestrebungen zur Verwertung der Hefe zu Ernährungs-, Fütterungs- und Heilzwecken, Kosmos 10, 1913, 102–104. 200 Fendler, G[eorg]/Borinski, P[aul]: Nährhefe als Nahrungsmittel, DMW 42, 1916, 670– 671, hier 670. 201 Heinze, B[ertold]: Die Hefe als Heilmittel, Nahrungsmittel und Futtermittel, MDLG 30, 1915, 262–266, hier 263. Einen Überblick der Technik und der Produkte enthält Winckel, 1916.

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zistik grenzte solche praktischen Fragen aus, lobte stattdessen deutsche Geisteskraft. Seit 1915 konnte im Berliner Institut für Gärungsgewerbe auch eine »Fetthefe« mit 17 % Fettanteil gezüchtet werden, deren Geschmack »an frisches Schmalz oder Sahne«202 erinnerte. Zentrale Ernährungsprobleme schienen mittels künstlicher Kost regelbar zu sein, wobei explizit an die wissenschaftlichen Träume Berthelots oder Emil Fischers angeknüpft wurde (Kap. 2.2.4).203 Planungen im Herbst 1915 zielten auf sechs bis acht Großbetriebe mit Kapazitäten von je ca. 10.000 t Trockenhefe, doch diese scheiterten an den Investitionskosten, an Arbeitskräften und an fehlenden Zuckerkontingenten zur Fütterung der »Fettpilze«.204 Wichtiger aber war der Geschmack der neuen Produkte: Die Nährhefe schmeckte bitter, erinnerte vielfach an schlechtes Bier. 1915 angestellte Versuche in Strafanstalten, Krankenhäusern und Schulspeisungseinrichtungen zeigten die Grenzen der künstlichen Kost klar auf. Gleichwohl gingen kommunale und private Träger vor allem während des Hungerwinters 1916/17 dazu über, Nährhefe in den Massenspeisungsanstalten als Fleischersatz zu verwenden. Das Ersatzmittel mit hohem Nährwert wurde selbst angesichts elementaren Hungers verschmäht.205 Es konnte die Erwartungen als »Volksnahrungsmittel« auch nicht ansatzweise erfüllen, auch wenn es zu einem wichtigen Zwischenprodukt von Suppenpräparaten wurde. Waren hier Akzeptanzprobleme offenkundig, galt dies weniger für die dritte Ebene des Ersatzes, nämlich für Ersatzmittel, bei denen Bezeichnung und realer Gehalt kaum mehr übereinstimmten. Anfangs hatte sich die eher kleinbetriebliche »Ersatzmittelindustrie« auf Liebesgaben wie Presskaffee oder Punschwürfel konzentriert, also auf Nahrungsmittel für die kämpfende Truppe.206 Parallel zum Aufbau der Rationierung fokussierte sie sich jedoch immer stärker auf die Nachfrage der Zivilbevölkerung, die diese Produkte markenfrei erwerben konnte. Als Ausgeburten produzierender Vernunft suggerierten die Ersatzmittel käufliche Abhilfe in der Not. Ihr hoher Preis setzte Grenzen vorrangig in der Arbeiterschaft, nicht jedoch im Bürgertum: »Die Bevölkerung hungerte und kaufte alles, was in ihr die Hoffnung erregte, den Hunger zu stillen, zu jedem Preise der ihr abverlangt wurde.«207 Doch die Hoffnung trog. Ersatz-Würste bestanden 202 Lindner, Paul: Neue Wege zur Fettgewinnung, Kosmos 13, 1916, 7–10, hier 10. 203 Günther, Hans: Chemische Nahrung, BVGP 17, 1917, 159–164. 204 Vgl. hierzu Follenius, Robert/Feßmann, Karl: Der Zucker im Kriege, Berlin 1917. Zu beachten ist, dass Zucker seinerseits seit 1916 durch Saccharin resp. geringere Mengen Dulcin ersetzt wurde, wobei eine Kennzeichnung in der Regel unterblieb. 205 Gotschlich, 1919, 952. 206 Stadlinger, Hermann: Missstände im Verkehr mit »Liebesgaben«, ZÖC 21, 1915, ­113–119; Rühle, J.: Über Liebesgaben, Die Umschau 19, 1915, 1025–1027. 207 Kerp, [Wilhelm]: Versorgung mit Ersatzlebensmitteln, in: Bumm, F[ranz] (Hg.): Deutschlands Gesundheitsverhältnisse unter dem Einfluss des Weltkrieges, Halbbd. II, Berlin/ Leipzig 1928, 77–122, hier 92.

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schon 1917 vielfach nur aus Wasser, Salz und ein wenig Stärke, der stete Konsum von Bierersatz führte zur langsamen Akzeptanz von Wasser. Ei-Ersatz erinnerte nurmehr in Farbe und rudimentärer Bindequalität an das Original, Salatölersatz bestand nicht aus Fett, sondern vielmehr zu 98 %-99 % aus Wasser mit etwas Pflanzenschleim. Die Namen täuschten phrasengleich: »Kamerad Henkel, der Feuerpunsch!« war gefärbter und gewürzter Kirschsaft, »Hausmacher Eiernudeln« ein eiloses Gemisch aus Mehl und Färbemittel.208 Das Ersatzmittelwesen war eine Kommerzialisierung der Not. Es bildete das großstädtische Pendant zur vielfach kühl kalkulierenden Landwirtschaft. Standen Ersatz und Surrogat ehedem für erhöhtes Sozialprestige aufstrebender Klassen, so ging es nun um erhöhte Profite von Industrie und Landwirtschaft. Hunger war durchaus profitabel: Schon 1916 wurde ein knappes Achtel aller Nahrungsmittelausgaben für die weite Kategorie Ersatzmittel und Konserven verwandt, ein Jahr später lag dieser Wert bei einem Siebtel bis einem Sechstel.209 »Künstliche« Lebensmittel und Ersatzstoffe, also die neuen Produkte, erschienen schließlich als engere, gesonderte Ausgabenkategorie in den Haushaltsrechnungen des Kriegsausschusses für Konsumenteninteressen und lagen bei knapp einem Prozent des Nahrungsmittelbudgets.210 Die auf dem Stoffparadigma gründenden Ideen des Ersatzes beruhten auf einem Wechselspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat. Doch schon in den vorherigen Unterkapiteln wurde deutlich, dass das eiserne Dreieck keineswegs eingespielt war und insbesondere der Staat seine regulierenden Aufgaben lange Zeit nur unzureichend wahrnahm, obwohl wissenschaftliche Expertise diese dringend einforderte. Die zeitweilige »Herrschaft der Surrogate«211 gründete in einem Ordnungsmodell, das trotz der umfassenden Regulierung des Ernährungswesens immer noch Freiraum für unternehmerische Initiative belassen wollte. Noch 1917 betonte das Kriegsernährungsamt: »Hauptsache ist und bleibt es, dass das Publikum sich selbst durch Vorsicht beim Einkauf von Ersatzmitteln gegen Ueberteuerung und Verkauf von wertlosen Fabrikaten schützt.«212 Diese Delegation von Verantwortung an die Hungernden stand seit spätestens 1915

208 Diese und weitere Beispiele in Schwalbe, J[ulius]: Gegen den Schwindel mit Lebensmittelersatz, DMW 43, 1917, 20–23. 209 Zimmermann, Waldemar: Die Veränderungen der Einkommens- und Lebensverhältnisse der deutschen Arbeiter durch den Krieg, in: Meerwarth, Rudolf/Günther, Adolf/Ders.: Die Einwirkung des Krieges auf Bevölkerungsbewegung, Einkommen und Lebenshaltung in Deutschland, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1932, 281–474, hier 454–455. 210 Beiträge zur Kenntnis der Lebenshaltung im vierten Kriegsjahre. Auf Grund einer Erhebung des Kriegsausschusses für Konsumenteninteressen bearb., Berlin 1919, 72. 211 Rubner, 1926, 1563. 212 Zit. n. Neustätter, Otto: Gegen den Ersatzmittelschwindel, MMW 64, 1917, 1073–1076, hier 1075.

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in der Kritik einerseits lokaler und Landespreisprüfungsstellen213, anderseits zahlreicher öffentlich alimentierter Nahrungsmittelchemiker. Letztere dokumentierten und analysierten eine wachsende Zahl überteuerter bzw. täuschender Ersatzmittel, doch mangels klar definierter Straftatbestände wurden die Produzenten vielfach freigesprochen bzw. erhielten marginale Geldstrafen.214 Die Konsumenten begrüßten und forderten derartige Kontrollarbeit, während staatliche Instanzen wegen ihrer Nähe zu gewerblichen Interessen trotz bestehender Pressezensur öffentlich kritisiert wurden.215 Angesichts der Positionierung der Nahrungsmittelchemiker als Garanten des Konsumenten darf aber nicht übersehen werden, dass sie sich parallel auch als Garanten für lautere und ihre Funktion erfüllende Ersatzmittel anboten. Eine derartig eigenständige Rolle wollten die Reichsinstanzen diesen Experten jedoch nicht einräumen, ging es ihrer Ansicht nach doch um eine dezentrale Ausnutzung bestehender Rohstoff- und Produktionskapazitäten, die durch eine zu strikte Normierung nur eingeschränkt worden wäre. Entsprechend wurde im Mai 1916 lediglich eine zentrale Auskunftsstelle für Ersatzlebensmittel im Reichsernährungsamt eingerichtet, deren Aufgabe die Erfassung und Dokumentation der neuen Produkte war.216 Erhöhte Transparenz versprach man sich zugleich von der ersten Kennzeichnungsverordnung vom Mai 1916, deren Verbindlichkeit durch die im Folgemonat erlassene »Bekanntmachung gegen irreführende Bezeichnung von Nahrungs- und Genußmitteln« erhöht wurde.217 Die Mehrzahl der verpackten Waren musste nun Angaben über den Produzenten, die Inhaltsmenge, das Herstellungsdatum und den Preis enthalten. Den Konsumenten empfahl man strikte Wachsamkeit, die nachgeordneten Behörden sollten diese und weitere branchenspezifische Regulierungen »entschieden« anwenden.218 213 Stadthagen, Hans: Entstehung und Erlaß der Bundesratsverordnung über die Genehmigung von Ersatzlebensmitteln vom 7. März 1918, in: Ders. (Hg.): Die Ersatzlebensmittel in der Kriegswirtschaft, Berlin 1919, 37–43, hier 37. 214 Seel, Eugen: Über die durch den Krieg hervorgerufenen Veränderungen in der Herstellung und Zusammensetzung von Lebens- und Futtermitteln sowie einigen Gebrauchsgegenständen, ZUNG 32, 1916, 43–52; Kraus, A.: Über die Tätigkeit der beamteten Chemiker im Dienste der Kommunen, Beiträge zur Kommunalen Kriegswirtschaft 1, 1916/17, Nr. 26, 11– 12; Rühle, J[ohannes]: Die Nahrungsmittelchemie im Jahre 1916, ZAC 30,1, 1917, 253–258, 261–268, 271–272, 280. 215 Allerlei Ersatzschund in Hannover, Hannoversche Hausfrau 15, 1917/18, Nr. 11, 1; Nahrungsmittelchemie und Nahrungsmittelfälschung, Konsumgenossenschaftliches Volksblatt 9, 1916, 89. 216 Bis Kriegsende wurden hier mehr ein 1.000 Ersatzmittel dokumentiert, eine Zahl, die vornehmlich die Lückenhaftigkeit des Informationsflusses veranschaulicht (Zahl der zugelassenen und abgelehnten Ersatzmittel, DNR 17, 1919, 59–60, hier 59). 217 Abdruck in Holthöfer, H[ugo]/Juckenack, A[dolf]: Lebensmittelgesetz, Berlin 1927, 229–230. 218 Einen Überblick bietet Behre, A[lfred]: Die Nahrungsmittel-Gesetzgebung und -Kontrolle während der Kriegszeit, ZUNG 41, 1921, 244–259.

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Da viele Ersatzmittel aber Innovationen waren und die Gewinne zudem in relativ kurzer Zeit erwirtschaftet wurden, blieben diese Verordnungen stumpfe Waffen. Folgerichtig erließen seit Mitte 1916 mitteldeutsche, hessische und rheinische Großstädte sowie süd- und mitteldeutsche Länder auf Basis des Preiskontrollrechtes gesonderte Regulierungen für Ersatzmittel. Sie wurden regional und lokal genehmigungs-, zumindest aber anmeldepflichtig. Da aber auch etablierte Nahrungsmittel wie Kaffee- oder Fettersatz Ersatzmittel waren und die definitorischen Unterschiede zwischen den einzelnen Konsumzentren ihren Absatz erschwerte, wurden reichseinheitliche Regelungen notwendig, um Marktsicherheit herzustellen. Nachdem die Ende 1917 im Reichsgesundheitsamt unter Beteiligung der regionalen Genehmigungsbehörden, von Nahrungsmittelchemikern und Gewerbetreibenden erlassenen »Richtlinien für die Beurteilung von ErsatzLebensmitteln«219 erste Normierungen enthielten, wurden diese im März 1918 durch die »Verordnung über die Genehmigung von Ersatzlebensmitteln« sowie deren Folgeverordnung dann rechtsverbindlich. Sie verankerten eine Genehmigungspflicht, etablierten ein reichsweites Netzwerk von schließlich fast vierzig Ersatzmittelstellen, schufen Straftatbestände und umrissen mittels einer sehr weit gefassten Positivliste die »Ersatzmittel« selbst.220 Ziele waren der Schutz der Gesundheit der Verbraucher, die optimale Nutzung der Nahrungsmittelressourcen und die Förderung reeller Gewerbetreibender – doch um diese effizient anzugehen, hätten die staatlichen Stellen deutlich früher tätig werden müssen. Die Verordnungen erlaubten vorrangig eine Verwaltung, keineswegs aber eine Ordnung des Ersatzmittelwesens. Dessen Bedeutung trat nun akten­kundig hervor, waren bis Ende 1919 doch mehr als 12.000 Ersatzprodukte genehmigt worden.221 Darunter befanden sich mehr als 800 Wurstersatzmittel, über 1.000 Suppenwürfelsubstitute, mehr als die Hälfte aller Produkte bot Alternativen zu Alkoholika und nicht alkoholischen Getränken.222 Proteste über deren geringe Qualität waren allgegenwärtig, doch nicht justiziabel.223 Einschrän 219 Richtlinien für die Beurteilung von Ersatz-Lebensmitteln vereinbart im Kaiserlichen Gesundheitsamte mit Vertretern der Ersatzmittelstellen und anderen Sachverständigen, ZUNG 35, 1918, 183–187. 220 Zum Inhalt vgl. Schuster, B.: Das Recht der Ersatzmittel nach der Verordnung vom 7. März 1918, in: Stadthagen (Hg.), 1919, 44–63; Beythien, [Adolf]: Was ist unter Ersatzmittel für Nahrungs- und Genußmittel im Sinne der einschlägigen Verordnungen zu verstehen?, ZUNG 35, 1918, 4–18 (inkl. Disk.). 221 Im August 1919 waren bei den Preisprüfungsstellen 11.181 Ersatzlebensmittel registriert, weiteren 2.180 Produkten wurde die Zulassung verweigert, 973 wurden vorläufig genehmigt (Neubronner, G. F.: Die Organisation der derzeitigen Ersatzmittelregelung. Kurzer statistischer Überblick über die hierdurch erfaßten Ersatzmittel und ihre Industrie, in: Stadthagen (Hg.), 96–145, hier 123). 222 Vgl. die Liste bei Skalweit, 1927, 60–61. 223 Zu Lernprozessen der Verbraucher vgl. Hannoversche Frauen im Winterkampf, Hannoversche Hausfrau 17, 1919/20, Nr. 9, 1.

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kungen gelangen 1918/19 nur in Süddeutschland, da hier die Ersatzmittelstellen eng mit den Nahrungsmitteluntersuchungsämtern kooperierten. Das aber war keineswegs die Regel, »erhöhter Verbraucherschutz«224 wurde nur ansatzweise erreicht. Insbesondere in Mitteldeutschland und Preußen war der Kontrolldruck niedrig, zwischen genehmigten und vertriebenen Produkten bestanden erhebliche Unterschiede. Die Nahrungsmittelchemiker klagten über ihre Ausgrenzung, gewerbliche Interessenten und fachlich nicht versierte Beamte dominierten die Genehmigungspraxis.225 Die durch zahlreiche überlappende Zuständigkeiten der zwangswirtschaftlichen Institutionen in ihrer Wirksamkeit begrenzten Ersatzmittelstellen hatten sich spätestens 1919 überlebt. Sie wurden aber erst Anfang Oktober 1920 aufgehoben, nachdem die Verwaltung durch die Kombination von Inflation und Preisgenehmigung faktisch lahmgelegt war und aufgrund der weiten Begriffsdefinition der Absatz von tradierten Ersatzmitteln wie Margarine, Limonaden, Mineralwässer, Holzessig oder Ersatz­kaffee stockte.226 Fasst man zusammen, erstaunt erst einmal die ineffiziente Kooperation von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat. Trotz runder Tische in den Berliner Zentralinstitutionen und vieler dezentraler Preisprüfungs- und Ersatzmittelstellen war das eiserne Dreieck auch bei Kriegsende noch nicht etabliert. Anders als im Felde der Großchemie, wo nicht zuletzt aufgrund der Leistungsfähigkeit des Haber-Bosch-Verfahrens eine enge Kooperation von Staat/Militär, Industrie und Wissenschaft einsetzte, hatten sich die Akteure zwar angenähert, konnten ihre Interessen aber noch nicht gemeinsam bündeln.227 Die staatlichen Instanzen agierten in einer formalistischen Wunschwelt, in der Legitimation durch Verfahren, nicht aber auf Grundlage von Interessenausgleich und überlegenen objektivierten Wissens erfolgte. Auch die Wirtschaft konnte ihre Interessen nicht bündeln, denn insbesondere die klein-, bestenfalls mittelbetrieblichen Anbieter von Ersatzmitteln waren in Verbänden kaum organisiert, nutzten vielmehr die Chancen des Kriegsalltags, während seitens der Branchenverbände der dadurch bewirkte Vertrauensverlust aller Nahrungsmittelproduzenten beklagt wurde. Wissenschaftler im Reichsgesundheitsamt und den Nahrungsmitteluntersuchungsämtern regten zwar zahlreiche effiziente, weil flexible Regelungen an, doch setzten diese sich nicht durch, da sie die mit nahrhafter und schmack 224 Juckenack, [Adolf]: Empfiehlt es sich, auf Grund der in den Nahrungsmittelunter­ suchungsämtern bisher gesammelten Erfahrungen die Ersatzmittelgesetzgebung ab- oder weiter auszubauen?, ZUNG 41, 1921, 280–293 (inkl. Disk.), hier 283. 225 Beythien, A[dolf]: Ersatzmittelverordnung oder Nahrungsmittelgesetz?, ZUNG 41, 1921, 336–352, hier 338. 226 Juckenack, A[dolf]: Zur Reform der Lebensmittelgesetzgebung, ZUNG 41, 1921, 3­ 22–336, hier 323–325. 227 Zur Kooperation in der Großchemie vgl. Szöllösi-Janze, Margit: Fritz Haber 1868–1934. Eine Biographie, München 1998, insb. 263–316.

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hafter künstlicher Kost gerade in dieser Notzeit verbunden Hoffnungen im Grundsatz teilten und immer wieder neu schürten. Demgegenüber waren die Erträge der Nahrungsmittelforschung während des Krieges begrenzt, brachten nur bei Süßstoffen, der Fetttechnologie, der Obstkonservierung sowie bei Ei-­Ersatz bzw. Brotaufstrich neue Erkenntnisse und erfolgreiche Produkte hervor.228 Die Gefriertechnik wurde technisch vorangetrieben, blieb aber noch ohne größere Bedeutung.229 Künstliche Kost drang während des Krieges vor, doch es waren blanker Hunger und der Wille nach etwas Geschmack und Abwechslung, die Widerwillen, ja Ekel zum Trotz Ersatzmittel in die tägliche Kriegskost eindringen ließen. Für die Nachkriegszeit bildete dies eine schwere Hypothek.

4.2 Die Normierung des stofflichen Blickes: »Vereinbarungen«, Lebensmittelgesetz und Handelsklassen Die misslungene Etablierung des eisernen Dreiecks während des Ersten Weltkrieges darf nicht überdecken, dass schon zuvor Kooperationen von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat bestanden. Hier aber ging es nicht um das Ganze, um Gedeih und Verderb des Vaterlandes, sondern um kleinteilige Definitionen dessen, was ein Nahrungsmittel ist und wie es beschaffen sein sollte. Derartiges findet sich schon in der Frühen Neuzeit.230 Und ohne Normierungen wären etwa die immensen Beschleunigungen im Transportwesen der Frühindustrialisierung nicht möglich gewesen. Neu aber war zum einen die Dringlichkeit dieser Aufgabe, die sich in einer stark wachsenden Zahl gewerblich verarbeiteter Nahrungsmittel und neuartiger künstliche Kost manifestierte. Neu war zum anderen die Sprache, in der Übereinkünfte festgelegt wurden. Während lokaloder branchenspezifische Vereinbarungen zumeist äußere Merkmale hervorhoben, erlaubte das Stoffparadigma innovative Möglichkeiten der Objektivierung.

228 Ein resümierender Überblick der Erträge der Forschung fehlt. Vgl. beispielhaft Paul, Theodor: Die Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in München. II . Jahres­ bericht, München 1922, 13; 50 Jahre Institut für Obst- und Gemüseverwertung in BerlinDahlem, IOGV 38, 1953, 345–348, hier 346. 229 Plank, R[udolph]: Über die Behandlung des Schweinefleisches beim Einfrieren, Lagern und Auftauen, ZKI 22, 1915, 53–60, 67–72, 84–88; Plank, R[udolph]/Ehrenbaum, E[rnst]/ Reuter, K[arl]: Die Konservierung von Fischen durch das Gefrierverfahren. I. A. d. ZentralEinkaufsgenossenschaft ausgeführte Untersuchungen, Berlin 1916. 230 Vgl. Engel, Alexander: Von Commodities zu Produkten. Die Transformation des Farbstoffmarktes im 18. und 19. Jahrhundert, in: Berghoff, Hartmut (Hg.): Marketinggeschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt a. M./New York 2007, 61–86, hier 66–70.

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4.2.1 Verbindlichkeitskonstruktionen. Nahrungsmitteldefinitionen zwischen Experten, Handelsbräuchen und Staat In der wirtschaftshistorischen Forschung gilt Vertrauen als entscheidende Variable für den Markterfolg.231 Vertrauensgenese wird dabei vielfach institutionenökonomisch analysiert, also auf Basis von Netzwerkbildungen, kommerziellen Vertrauenswächtern, Selbstverpflichtungsregimen oder Rechtsnormen. Eine gemeinsame Sprache der verschiedenen Akteure wird dabei vielfach vorausgesetzt, obwohl es gerade bei Innovationen und Marktbildung nicht einfach ist, sie zu finden. Vertrauen hängt immer von Wissen ab. Die Frage aber, welches Wissen der Vertrauensgenese zugrunde liegt, ist unmittelbar abhängig von Branchen und Produkten. Im Nahrungsmittelsektor setzte sich seit der Hochindustrialisierung das Stoffparadigma durch.232 Doch handelte es sich keineswegs um einen konfliktfreien Lernprozess, also um die Ausbildung neuen Wissens durch Naturwissenschaftler einerseits, seiner Adaption durch Gewerbetreibende anderseits. Vielmehr nutzte man früh die gleiche Sprache, tat dies aber mit unterschiedlichen, teils konträren Intentionen.233 Erst durch das Eingreifen, genauer das Hereinziehen des Staates in die Auseinandersetzungen zwischen Wissenschaft und Industrie, wurden gemeinsam getragene Regelungen möglich, durch die Verbindlichkeit und Vertrauen im Markt geschaffen wurden. Die Etablierung des eisernen Dreiecks setzte schon vor 1914 ein, eine gemeinsame Vertrauensbasis entstand jedoch erst während der Weimarer Republik. Um diesen Wandel zu verstehen, ist ein Rückblick erforderlich: Mit dem Entstehen überregionaler Märkte und dem Vordringen erklärungsbedürftiger, sich qualitativ deutlich unterscheidender Nahrungs- und Genussmittel war es für die Anbieter essenziell, Qualitätsstandards nicht allein aufrecht zu erhalten, sondern sie auch zu kommunizieren. Wissen wurde so zum wichtigen Wettbewerbsfaktor – nicht allein auf Seiten der Händler als Experten des Konsums, sondern auch und gerade beim Konsumenten. Hochwertige Güter standen am Beginn.

231 Berghoff, Hartmut: Die Zähmung des entfesselten Prometheus? Die Generierung von Vertrauenskapital und die Konstruktion des Marktes im Industrialisierungs- und Globalisierungsprozess, in: Ders./Vogel, Jakob (Hg.): Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. […], Frankfurt a. M./New York 2004, 143–168. 232 Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich die Vorstellungen der Konsumenten entsprechend änderten. Vgl. hierzu Tanner, Jakob: Bedenkenlos essen oder leerschlucken? Unsicherheit, Vertrauen und die Rolle des Wissens für die Ernährung, Hauswirtschaft und Wissenschaft 52, 2004, 70–75. 233 Diese Wissensdimension ist zu gering gewichtet in Hierholzer, 2010.

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Die veränderten naturwissenschaftlichen Deutungsmuster nahm man in der Schokoladenindustrie schon seit den 1850er Jahren wahr:234 Der Rohstoff Kakao wurde in Warenkunden zwar nach wie vor nach Herkunft, äußerem Erscheinungsbild und Sinneskontrollen vorgestellt, doch das abstrakte Wissen um die chemische Zusammensetzung der Kolonialware war den Händlern und Produzenten bekannt.235 Spätestens seit den technologisch einschneidenden 1870er Jahren hatte es praktische Konsequenzen. Qualitätsverbesserungen standen neben -manipulationen.236 Die stoffliche Aufgliederung von Kakao erlaubte die gezielte Substitution einzelner Inhaltsstoffe durch kostengünstigere Alternativen. Teure Kakaobutter wurde durch preiswerte tierische Fette ersetzt, zugleich Stärkeprodukte, vielfach Mehl hinzugefügt.237 Neues Wissen und Gewerbefreiheit desintegrierten die bestehende Produktwelt, ersetzten tradierte Produktionsweisen und begünstigten substituierende Verfahren. Mangels staatlichen Schutzes – ein reichseinheitliches Nahrungsmittelgesetz wurde erst 1879 erlassen und regelmäßige Lebensmitteluntersuchungen waren in vielen Regionen Deutschlands erst um die Jahrhundertwende üblich238 – erschien »Selbsthilfe« als angemessene Antwort. Nicht die Konsumenten, sondern vielmehr die Produzenten setzten im sich differenzierenden Markt auf einheitliche und klar erkennbare Normierungen.239 Die neuen Billigprodukte führten nämlich nicht nur zu einer Ausdifferenzierung der Produktpaletten, sondern zu einem intensiven Preis- und Qualitätswettbewerb. Die Antwort hierauf war prototypisch deutsch240: Die führenden Produzenten schlossen sich 1876 zum »Verband deutscher Chocolade-Fabrikanten e. V.« mit Sitz in Dresden zusammen. 234 Zum Stellenwert im 19. Jahrhundert vgl. Rossfeld, Roman: Schweizer Schokolade. Industrielle Produktion und kulturelle Konstruktion eines nationalen Symbols 1860–1920, Baden 2007, 72–90. 235 Wagner, Hermann: Kakao und Chokolade, Vorwärts! Magazin für Kaufleute NF 2, 1861, 105–112, hier 111. 236 Vgl. hierzu Rossfeld, Roman: Die Innovation der Milchschokolade und der Aufstieg der schweizerischen Schokoladeindustrie, 1880–1920, in: Gilomen, Hans-Jörg u. a. (Hg.): Innovationen. […], Zürich 2001, 121–248; Rossfeld, 2007, 90–103. 237 Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags [Bd. 44], 3. Legislaturperiode, II . Session 1878, Bd. 3, Anlagen, Berlin 1878, 766–830, hier 797. 238 Juckenack, A[dolf]: Die Nahrungsmittelkontrolle in Deutschland, ihre Entstehung und Entwickelung, und ihr Einfluß auf den Verkehr mit Lebensmitteln sowie die Volks­ ernährung, DVÖG 37, 1905, 678–688. 239 Zur Entwicklung vgl. allgemein Kuntze, Kurt: Die Kakao- und Chokoladeindustrie, in: Handbuch der Wirtschaftskunde Deutschlands, Bd. III, Leipzig 1904, 801–810. 240 Vgl. zum deutschen Produktionsregime heuristisch anregend, in den Details sicher zu differenzieren, Abelshauser, Werner: Umbruch und Persistenz: Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive, Geschichte und Gesellschaft 27, 2001, 503–523 sowie Berghoff, Hartmut: Moderne Unternehmensgeschichte. Eine themen- und theorieorientierte Einführung, 2. aktualisierte Aufl. Berlin/Boston 2016, v. a. 87–107.

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Abb. 33: Reinheit dank chemischer Untersuchung – Kakaogütemarke

Der korporative Kapitalismus zielte auf verbindliche Kennzeichnungsverordnungen und einheitliche Kontrollmechanismen. Den gemeinsamen Nenner der Verbandsnormierung bildete das Wissen um die stoffliche Zusammensetzung der Waren. An die Stelle der Sinnesprüfung trat tendenziell die chemische Analyse, die wissenschaftliche Suprematie wurde 1878 beschlossen: »Die Mitglieder des Verbandes unterwerfen sich dem Urtheile des Verbandschemikers«241. Gleichwohl gelang es nicht, staatliche Instanzen bzw. das zuständige Kaiserliche Gesundheitsamt für eine rechtlich verbindliche Realdefinition zu gewinnen. Wichtiger für die Diffusion des Stoffparadigmas war aber eine eigene Verbandsmarke, die sowohl in der Gemeinschaftswerbung verwandt als auch auf die einzelnen Verpackungen gedruckt wurde. Sie garantierte Mindestgehalte von Kakao und dem noch teuren Zucker. Bei dem Reichsadler handelte es sich um ein Vorrecht des Marktführers Gebr. Stollwerck, der das Bildzeichen dem Verband zur Verfügung stellte.242 Die In 241 Greiert, Carl: 1876–1926. Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Verbandes deutscher Schokolade-Fabrikanten e. V. Dresden, o. O. 1926, 8. 242 Kuske, [Bruno]: Ausführliche Firmengeschichte mit Archiv-Ergänzungen von Direktor G. Laute 1941–1944, Stollwerck-Archiv, Bl. 243. Für die Überlassung einer Kopie danke ich Roman Rossfeld.

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dustriellen standen mit ihrem Renommee für Qualitätsnormen, die mittels chemischer Analyse kontrollierbar und verifizierbar waren. Bis 1901 wurden 93 Mio., bis 1911 147 Mio. Kakaowaren mit dem Verbandszeichen versehen.243 Diese erste Normsetzung basierte allerdings noch auf unzuverlässigen Untersuchungsmethoden. Verband und Verbandschemiker investierten in diese Möglichkeiten abgesicherter Normierung, konnten so insbesondere neue Verfälschungen, etwa durch Zufuhr neuer Fette oder »Mehle«, eindämmen und anklagen.244 Die relativen Erfolge am Markt und die glaubwürdige Werbung für »reine« und »geprüfte« Waren führten zu einer immer stärkeren Verwurzelung des stofflichen Denkens auf Seiten der Produzenten. Zugleich machten sie auch die Konsumenten mit diesem Denken vertraut.245 Die kontinuierlichen Bemühungen »um gesetzliche Regelung des Verkehrs mit Cacaowaaren«246 führten zwar zu keinem Ergebnis, doch wurden die Gütedefinitionen des Verbandes zumindest 1902 in den »Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurtheilung von Nahrungs- und Genussmitteln sowie Gebrauchsgegenständen für das Deutsche Reich« festgeschrieben.247 Die verbandsinterne Normierung der Kakaowaren bot Marktsicherheit und einen klaren Wettbewerbsrahmen für die Marktführer, erlaubte verlässliche Qualität und attraktive Preise. Sie schaltete den Wettbewerb nicht aus, verlagerte diesen jedoch auf höhere Qualitäten und teurere Ware. Hier lag der eigentliche Sinn des Markenartikels, der sich nach dem Markenschutzgesetz von 1894 im Nahrungsmittelsektor schnell durchsetzte und vor 1914 fast ein Viertel des Warenangebotes umfasste.248 Normierte Qualität wurde jedoch allein vom jeweiligen Hersteller oder Händler gewährleistet, ein unmittelbarer Rechtsanspruch des Konsumenten bestand nicht. Im Kakaowarenmarkt intensivierte sich der Wettbewerb um 1900. Zum einen nahm die Zahl der verfügbaren und technisch handhabbaren Fremdfette zu, entwickelte die organische Chemie doch neue Fettsparer, vornehmlich »künstliche« auf der Rekombination chemischer Stoffe beruhende Zwischenprodukte. Zum anderen nahm – parallel zur Zuckerverbilligung nach 1900 – 243 Ebd., 17. 244 Vgl. Filsinger, [Fritz]: Zur Untersuchung und Begutachtung der Kakaofabrikate, ZÖC 9, 1903, 6–13 (inkl. Disk.) sowie Stollwerck, Walter: Der Kakao und die Schokoladenindustrie. Eine wirtschafts-statistische Untersuchung, Jena 1907, 76–77. 245 Vgl. Schwädke, Walter: Schokoladenfabrik Mauxion m.b.H. Saalfeld-Saale, Berlin 1931, 16–22. 246 Zipperer, Paul: Fortschritte in der Fabrikation von Chocoladen und diesen verwandten diätetischen Producten, Chemiker-Zeitung 19, 1895, 452–454, hier 452. 247 Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurtheilung von Nahrungsund Genussmitteln sowie Gebrauchsgegenständen für das Deutsche Reich. […], H. 3, Berlin 1902. 248 Detailliert hierzu Spiekermann, Uwe: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850–1914, München 1999, 522–534.

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der Konsum insbesondere in den mittleren und ärmeren Schichten zu, sodass preiswerte Substitute wachsende Marktchancen besaßen. Die Billiganbieter argumentierten, dass diese neuen Stoffe keineswegs gesundheitsschädlich seien, und zu einer Demokratisierung des Konsums führen würden.249 Der Verband deutscher Schokolade-Fabrikanten präzisierte und schärfte daraufhin seine Bestimmungen, hielt am Hergebrachten aber fest.250 Die wirtschaftsinternen Debatten machen deutlich, dass sich grundsätzlich gleichberechtigte Interessen gegenüber standen, die im Rahmen des Stoffparadigmas artikuliert und jeweils von Experten vertreten wurden – ein typischer Zustand in einer Wissensgesellschaft, in der sich die Frage nach der Hierarchisierung des Wissens, nach der Normierungsinstanz stetig und in immer neuen Konfigurationen stellt. Für die Qualitätsanbieter wurde es dringlicher, ihre Qualitätsanstrengungen nicht nur mittels Gütemarke, sondern auch mit transparenten Begriffen zu dokumentieren. Dazu mussten diese Begriffe aber nicht nur definiert, sondern ihre Geltung auch rechtlich einklagbar sein. Chemische Analytik bildete eine hilfreiche Wissensgrundlage, aber ohne die Sanktionsmöglichkeiten staatlicher Rechtssetzungen blieb sie relativ schwach. Analoge Entwicklungen lassen sich in mehreren Branchen nachweisen (Kap. 3.1.4 und 3.3.4). Doch auch Wissenschaftler, insbesondere die Nahrungsmittelchemiker, zielten immer stärker auf den Staat als Rechtssetzungsinstanz. Schon die eigentliche Professionalisierung der Nahrungsmittelchemie, insbesondere aber der Nahrungsmittelkontrolle wurde durch das Nahrungsmittelgesetz von 1879 wesentlich begünstigt (Kap. 2.1.3).251 Dessen Strafandrohungen blieben zwar moderat, waren aber schärfer als die des Strafgesetzbuches von 1872.252 Normen und einheitliche Bewertungsmaßstäbe gewannen so an Bedeutung. Ohne wissenschaftliche Wissensproduktion blieb der Markt ein Feld des unlauteren Kampfes. Seit Beginn der 1880er Jahre wurden entsprechend – von Bayern ausgehend – erste fachintern gültige Vereinbarungen über Analysen einzelner Nahrungsmit 249 Zur Beurteilung zuckerreicher Schokoladen nach den »Reichsvereinbarungen«, DNR 2, 1904, 45–46. 250 Bestimmungen des Verbandes deutscher Schokoladefabrikanten über den Verkehr mit Kakao, Schokolade und Schokoladewaren. (Neue Fassung vom 16. September 1907.), ZÖC 14, 1908, 233–234. Die Normsetzung erfolgte durch Grenzzahlen, Realdefinitionen und stoffliche Ausschlusskriterien. Dies betraf fremde Fette, Kakaoschalen und -abfälle, nicht gekennzeichnetes Mehl, Farben sowie die »sogenannten Fettsparer, wie z. B. Targant, Gelatine, Dextrin« (ebd., 234). 251 Zu den Diskussionen im Umfeld des Gesetzgebungsprozesses vgl. Spiekermann, Uwe: Warenwelten. Die Normierung der Nahrungsmittel in Deutschland 1880–1930, in: Mohrmann, Ruth-E. (Hg.): Essen und Trinken in der Moderne, Münster u. a. 2006, S. 99–124, hier 111–112. 252 Juckenack, A[dolf]: Was will der Entwurf des neuen Lebensmittelgesetzes?, BVGP 25, 1925, 208–209, hier 208.

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tel beschlossen, da zwischen den Untersuchungsergebnissen selbst von Grundnahrungsmitteln beträchtliche Differenzen bestanden, die auch durch das QuasiReferenzwerk Joseph Königs nur überdeckt, nicht aber verbindlich geregelt wurden. Dabei zeigte sich, dass »ein wahrer Augiasstall zu räumen«253 war, galt es doch erst einmal die Objektivierungsmethoden zu vereinheitlichen und zu standardisieren. Parallel begann 1892 eine Zusammenarbeit mit dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, also einer staatlichen, gleichwohl durch wissenschaftlichstoffliches Denken geprägten Institution. Ziel war es, fachinterne Normierungen rechtsverbindlich zu verankern.254 Dies gelang nicht. Die 1897–1902 erschienenen »Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurtheilung von Nahrungs- und Genußmitteln« besaßen nur empfehlenden Charakter und wurden von der »Freien Vereinigung Deutscher Nahrungsmittelchemiker« vielfach abgelehnt.255 Die Produzenten, die ihre Kräfte im 1901 gegründeten »Bund Deutscher Nahrungsmittelfabrikaten und -Händler« gebündelt hatten, stellten sie ebenfalls in Frage. Diese gewichteten regionale Handelsbräuche weitaus höher als universell angelegte Vereinbarungen.256 Daher schlugen sie regelmäßig lokale Sachverständige vor.257 Nationale Märkte wurden seitens der Wirtschaft zwar im Grundsatz begrüßt, zugleich aber sollten die lokalen Besonderheiten bewahrt bleiben. Die universell argumentierenden Chemiker lehnten dies ab.258 Der Kampf um die Normierung der Lebensmittel verschärfte sich, als der Bund 1905 sein »Deutsches Nahrungsmittelbuch« vorlegte.259 Trotz partieller Kooperation mit den organisierten Nahrungsmittelchemikern wurden hierin eigene Vorgaben festgeschrieben. Auch sie orientierten sich an Inhaltsstoffen 253 Sendtner, 1890, 398. 254 Vgl. May/Maercker 1896, 193. 255 Zur Vorgeschichte vgl. Entwürfe zu Festsetzungen über Lebensmittel. Hg. v. Kaiserlichen Gesundheitsamt, H. 3: Essig und Essigessenz, Berlin 1912, III . 256 In den gängigen, auf einen Binnendiskurs zielenden Warenkunden bzw. einzelnen Fachzeitschriften des Lebensmittelhandels, etwa der weit verbreiteten »Der Materialist«, treten Handelsbräuche wesentlich stärker hervor als in den Publikationsformen, die auf andere Expertenkreise zielten (wie etwa die »Deutsche Nahrungsmittel-Rundschau«). Vgl. allgemein Beythien, A[dolf]: 25 Jahre Verein Deutscher Nahrungsmittelchemiker, ZUL 54, 1927, 10–21, v. a. 14–18. Ähnliche Debatten wurden auch im Bereich der Landwirtschaft geführt, wo es vornehmlich um Futter- und Düngemittel ging. Vgl. Bericht über die Tätigkeit des Ausschusses für Handelsbräuche, Archiv des Deutschen Landwirtschaftsrates 36, 1912, 467–491. 257 Vgl. Behördliche Anordnungen, die Hinzuziehung gewerblicher Sachverständiger bei Anklagen wegen Nahrungsmittelfälschung betreffend, DNR 1, 1903, 41–42; Eingabe an das Reichsamt des Innern, die Hinzuziehung gewerblicher Sachverständiger bei einer Neubearbeitung der sogenannten Reichsvereinbarungen betreffend, DNR 3, 1905, 171–172. 258 König, J[oseph]: Ueber die Bedürfnisse der deutschen Nahrungsmittelgesetzgebung, in: Bericht über den XVI. Internationalen Kongress für Hygiene und Demographie Berlin, 23.–29. September 1907, hg. v.d. der Kongressleitung, Bd. II, Berlin 1908, 306–322, hier 321. 259 Vgl. Anträge für die Beratungen zur Herausgabe eines Deutschen Nahrungsmittel­ buches vom 14. bis zum 29. November 1904 in Frankfurt a. M., DNR 2, 1904, Nr. 21, Beil.

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und chemischer Analytik, doch nutzten sie diese nicht allein zur Präzisierung, sondern vielfach zur Ausweitung der jeweils üblichen resp. zulässigen Zusammensetzung verarbeiteter Nahrungsmittel. Sie boten zwar einen Minimalkonsens, doch für die meisten Mitglieder der Freien Vereinigung sprach dies ihren Bestrebungen um Treu und Glaube im Nahrungsmittelverkehr Hohn. Die Nahrungsmittelchemiker kritisierten entsprechend nicht allein die Realdefinition einzelner Lebensmittel, sondern zugleich die mangelnde Deklaration der stofflichen Bestandteile, die Zulassung vieler Farbstoffe und Konservierungsmittel sowie den Einsatz preisgünstiger Substitute. Künstliche Kost war für sie eben nicht primär Ausdruck kultureller Evolution, sondern unlauteren Wettbewerbs und des Verzichts auf Produktkommunikation. In dem nun aufflammenden Kleinkrieg waren die strittigen Punkte im Regelfall überschaubar, doch ging es stets um die Hegemonie wissenschaftlicher oder wirtschaftlicher Ansprüche.260 Wie viele Eier müssen in Eierteigwaren sein, um von solchen sprechen zu können?261 Was ist Honig, und wie viel Zucker darf Bienen zugefüttert werden? Was ist Kaffee angesichts der Heterogenität »natürlicher« Kaffeesorten? Welche Konservierungsstoffe sind zulässig? Welche Farb- und Aromenstoffe sind erlaubt? Solche und zahlreiche ähnliche Fragen wurden vor 1914 debattiert, Abweichungen vor Gericht gebracht, der Kontrolldruck erhöht. Diese Phase der Konfrontation erbrachte für die Nahrungsmittelchemiker einen immensen Imagegewinn. Wächteramt und Untersuchungspraxis entsprachen sich auch im Spiegel der Öffentlichkeit. Peu à peu setzte sich in zermürbenden Detaildebatten die Expertise der Mehrzahl der Chemiker gegen die der Händler und Produzenten durch. Sie wussten, dass dies eine schwere Aufgabe war, denn »die Auffassungen über die Natur und die Reinheit eines Nahrungs- und Genußmittels sind verschieden und ändern sich mitunter je nach den zeitlichen Markt- wie Herstellungsverhältnissen.«262 Doch ihr chemisches Wissen, das sie ja als Ausdruck der wahren Natur der Dinge verstanden, schien ihnen gerade unter wirtschaftlichen Aspekten unabdingbar. Da unmittelbare Gesundheitsgefährdungen durch vergiftete oder verdorbene Nahrung eher eine Ausnahme bilde und damit die einfache Scheidung von gesund und krank im Markt kaum mehr Bedeutung habe, wäre nun die Zeit für neue Kriterien gekommen, für eine verbindliche Normierung auf chemischer Grundlage. Produzenten von Qualitätsprodukten, aber auch standardisierter Massenartikel 260 Wichtig waren parallel zunehmend intensive Kooperationen zwischen Nahrungsmittelchemikern und Branchenverbänden, die seit 1906 auch an den Jahresversammlungen des Vereins deutscher Nahrungsmittelchemiker teilnahmen, vgl. Beythien, A[dolf]: Die Entwicklung des deutschen Lebensmittelrechts, DNR 1935, 1–6, 15–16, hier 4–5. 261 Juckenack, A[dolf]: Die Beurtheilung der Teigwaaren des Handels im Sinne der bestehenden Gesetzgebung, ZUNG 5, 1902, 998–1008; Sendtner, R[ichard]: Die Untersuchung der Teigwaaren des Handels, ZUNG 5, 1902, 1008–1018. 262 König, 1908, 321.

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unterstützten sie, und langsam konnten auch staatliche Instanzen, vornehmlich das Reichsgesundheitsamt, für diese Wissenssicht eingenommen werden. Dies galt auch für eine wachsende Zahl von Gerichten. Obwohl Strafen und Verurteilungen in der Regel moderat ausfielen, gelang dadurch eine judikative Normierung vieler Produkte auf Basis stofflichen Denkens. Die wachsende Zahl strikter Konfrontationen ließ staatliche Stellen ihre bisherige Praxis moderater Empfehlungen immer stärker überdenken.263 Hunderte von Gerichtsverfahren hatten öffentliche Relevanz, wurden in der Arbeiter- und Konsumvereinspresse regelmäßig aufgegriffen und schienen zu verdeutlichen, dass das Kaisertum die Nöte des Alltags nicht ernst nahm. Nach längeren internen Vorarbeiten begann das Kaiserliche Gesundheitsamt 1912 »mit rechtsverbindlichen Festsetzungen über die Beschaffenheit und Beurteilung der einzelnen Lebensmittel die unleugbar vorhandenen Mißstände«264 zu bekämpfen. Für ein neues Nahrungsmittelgesetz, das den Fachleuten, also den stofflich Denkenden in Wissenschaft, Wirtschaft und Reichsgesundheitsamt, dringend erforderlich schien, bestand im Reichstag zwar noch keine Mehrheit.265 Die Normierung selbst führte aber Wissenschaft und Wirtschaft an einen Tisch. Erste rechtsverbindliche Normierungen entstanden für Honig, Speisefette, Essig, Käse, Kaffee und Kaffeeersatz. Begriffliche Definitionen wurden festgelegt, ebenso Beurteilungsgrundsätze, die dann in chemische Untersuchungsverfahren umgemünzt wurden. Bis 1914 hatten die Wissenschaftler grundsätzlich sowohl relevante Kreise der Wirtschaft als auch führende Vertreter des staatlichen Gesundheitswesens von ihrer Art der Normierung überzeugt. Der Deutsche Handelstag beklagte 1914 den »Mangel an positiven Normen.«266 Ordnung könne nur vom Staat kommen. »Die Regierung kann nur unterstreichen, dass es bedauerlich ist, dass positive Normen für die Rechtsprechung fehlen. Sie ist aber bemüht, hier Abhilfe zu schaffen.«267 Der Krieg ließ anderes auf die Tagesordnung treten, Mangel und Qualitätsverschlechterungen dominierten und das Nahrungsmittelgesetz geriet zur Chimäre.268 Die viel zu spät einsetzende, gleichwohl aber erfolgte 263 Kerp, [Wilhelm]: Übersicht über die Lebensmittelgesetzgebung und Lebensmittelkontrolle im Deutschen Reiche, in: Ders. (Hg.): Nahrungsmittelchemie in Vorträgen, Leipzig 1914, 1–30, hier 23. 264 Entwürfe H. 1, 1912, IV. Bis 1915 wurden sechs derartige Hefte mit Normierungen vorgelegt. 265 Vgl. Abel, [Rudolf]: Die Überwachung des Nahrungsmittelverkehrs, ZUNG 21, 1912, 449–476 (inkl. Disk.); Schneider, Martin: Regelung des Nahrungsmittelverkehrs durch das Reich, Die Woche 14, 1912, 1535–1537; Juckenack, A[dolf]: Zu der in Aussicht genommenen Änderung des Nahrungsmittelgesetzes, ZUNG 26, 1913, 488–497. 266 Die Nahrungsmittelkontrolle in Preussen, ZÖC 20, 1914, 93–95, hier 95 (Grund). 267 Nahrungsmittelkontrolle, 1914, 94 (Abel). 268 Wolff, Kurt: Die Verschlechterung der Nahrung in der Nachkriegszeit, Zeitschrift für Hygiene 98, 1922, 48–67, insb. 66.

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Regelung des Ersatzmittelwesens (Kap. 4.1.4) verdeutlichte jedoch, dass mit der Stabilisierung der Nahrungsmittelversorgung das eiserne Dreieck Gestalt annehmen würde.

4.2.2 Neues Wissen und Expertise. Der Ausbau der Grundlagenforschung Stabilisierung bedeutete aber nicht allein die Verbesserung der Alltagsversorgung. Sie implizierte auch und gerade eine Professionalisierung der ernährungswissenschaftlichen Forschung. Die Angebote der Experten zielten immer auch auf die materielle Sicherung und den Ausbau ihrer Wissensproduktion. Objektivierung und Normbildung hatten ihren Preis, den nach Ansicht der Wissenschaftler vorrangig der Staat, zunehmend aber auch die Wirtschaft zahlen sollte.269 Vier Felder sind dabei auseinander zu halten. Erstens: Für die Bildung zentraler Institutionen der Grundlagenforschung steht die im April 1918 als Stiftung des öffentlichen Rechts in München eröffnete Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie. Sie ging wesentlich auf die Vorarbeiten des Pharmazeuten und Chemikers Theodor Paul zurück. Als früherem Direktor im Reichsgesundheitsamt, als Mitglied des Reichsgesundheitsrates, als Gutachter und Berater in Bayern und im Reich war er Repräsentant des öffentlichen Gesundheitswesens. Als Nachfolger Adolf Hilgers auf dem Münchener Lehrstuhl für Pharmazie und angewandte Chemie und als Leiter der dortigen Untersuchungsanstalt forschte er unmittelbar zu Fragen des Geschmacks, der Konservierung und der Prozessoptimierung.270 Die wachsenden Probleme im Weltkrieg waren für ihn Folge forschungspolitischer Versäumnisse.271 Grundlagenforschung sei aber unabdingbar, um die dem Reich zur Verfügung stehenden Nahrungsmittelressourcen optimal nutzen zu können. Die stofflichen Veränderungen während der Konservierung und der Zubereitung seien vorrangig zu analysieren, da ohne rationale Lagerhaltung sparsame Produktion und verlustarme Zubereitung nicht möglich schien.272 Neben der Abfallvermeidung sei auch die Abfallverwertung detailliert zu erforschen. Diese 269 Vgl. allgemein Szöllösi-Janze, Margit: Die institutionelle Umgestaltung der Wissenschaftslandschaft im Übergang vom späten Kaiserreich zur Weimarer Republik, in: Bruch, Rüdiger vom/Kaderas, Brigitte (Hg.): Wissenschaften und Wissenspolitik. […], Stuttgart 2002, 60–74. 270 Vgl. Fischler, F[ranz]: Theodor Paul †, MMW 75, 1928, 1889–1890; Täufel, Kurt: Theodor Paul zum Gedächtnis, ZUL 57, 1929, 265–268. 271 Paul, Theodor: Aufruf zur Errichtung von Stiftungen für die Gründung einer Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittel-Chemie in München. Eine Forderung der neuen Zeit, ZÖC 23, 1917, 266–267. 272 Paul, Theodor: Aufruf zur Gründung einer deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie. Eine Forderung der neuen Zeit, o. O. 1917 (Ms.).

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noch allgemein gehaltenen Ziele konkretisierte Paul in Aufrufen und Schreiben 1917/18, mit denen er nicht nur virtuos Sponsorensuche betrieb, sondern auch Wissenschaft, Wirtschaft und Staat in ein Boot holen wollte.273 Unmittelbar anzugehen seien Analysen der sich verändernden Nahrungsmittel sowie der Streckungsmittel im Brot. Gewerbliche Abfallstoffe sollten erforscht werden, um künstliche Kost zu schaffen, wie etwa das von Paul entwickelte Zervesinmehl aus Biertreber. Dies betraf auch neue Würz- und Genussmittel als Ersatz für Fleisch, insbesondere Hefepräparate. Neue Ersatzstoffe sollten helfen, Zucker bei der Weinproduktion zu sparen und Abfallstoffe der Nahrungsmittelindustrie Seifen substituieren.274 Chemische Wissenschaft wurde als Rationalisierungsinstanz von Wirtschaft und Alltag positioniert, der Staat als Garant des Gemeinwohls hierzu in die Pflicht genommen. Nachdem anfangs die Mittel eher spärlich flossen, folgten nach Kriegsende größere Summen, insbesondere von der Bayerischen Staatsregierung (1 Mio. M), dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (0,5 Mio. M) und der Sächsischen Staatsregierung (30.000 M).275 Die Wirtschaft hatte sich jedoch bedeckt gehalten, einzig die Berliner Chemische Fabrik J. D. Riedel AG spendete Sachmittel in Höhe von ca. 40.000 M. Spitzenverbände verhandelten zwar mit der Forschungsanstalt und der Vorsitzende des Bundes deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und -Händler betonte 1918, »daß es von großer Wichtigkeit für das gesamte Nahrungsmittelgewerbe sein wird, daß der Bund einen gewissen Einfluß auf dieses Institut gewinne und die Möglichkeit schaffe, die Interessen der Mitglieder zu wahren und zu fördern.«276 Gleichwohl verhallten die Aufrufe erst einmal ungehört, einzig Privatpersonen, wie etwa Carl Bosch, konnten als Stifter gewonnen werden.277 Entsprechend blieben die Aktivitäten der Forschungsanstalt weit hinter den Zielen zurück, obwohl eine Reihe von Forschern unentgeltlich kooperierte. Fragen der Backfähigkeit, neuer Süßmittel, der Weinproduktion sowie analytische Grundlagenarbeit standen zu Buche, doch parallel mussten zunehmend Zeit und Energie für die Beschaffung von Finanzmitteln aufgewandt werden.278 Die 273 Bemerkenswert sind etwa die fast fünfzig speziell auf einzelne Branchen oder Institutionen zugeschnittenen 4-seitigen Informationsblätter, die 1917/18 von Paul und seinem Mitarbeiter Leo Grünhut verfasst wurden. 274 Paul, Theodor: Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in München. Aufgaben, die zunächst erledigt werden sollen, DNR 16, 1918, 7–8. Vgl. auch Paul, Theodor: Die neu errichtete Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in München. I. Jahresbericht, München 1919 (= 1919b), 4–5. 275 Angaben n. Paul, 1922, 6–7. 276 Bund deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und -Händler. Generalversammlung am 8. April 1918 in der Handelskammer zu Berlin, DNR 16, 1918, 43–45, hier 44. 277 Zum Wiederaufbau der deutschen Lebensmittel-Industrie. Aufruf zur Förderung der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in München, DNR 1918, 91–92. 278 Vgl. die Publikationslisten in Paul, 1922, 10–17.

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Kapitalbasis wurde durch die Inflation aufgezehrt, sodass »die Lage der Anstalt namentlich in den Jahren 1923 bis 1927 eine äußerst schwierige war.«279 Grundlagenforschung wurde zwar weiterhin geleistet, doch erst seit 1930 und dann vor allem während des Nationalsozialismus erlaubten wachsende Zuwendungen der öffentlichen Hand die Arbeit neuerlich auszuweiten.280 Zweitens: Klagen über eine fehlende nationale Forschungseinrichtung der Ernährungswissenschaften müssen vor dem Hintergrund verstärkter Investitionen in die agrarwissenschaftliche Forschung verstanden werden. Schon Voit hatte in den 1860er Jahre bemängelt, dass der Staat vornehmlich die Pflanzenund Tierernährung erforsche, nicht aber die der Menschen (Kap. 3.2.1). Und in der Nachkriegszeit galt dies umso mehr, nachdem 1917 die Forschungsanstalt für Landwirtschaft gegründet worden war, um die sinkende Produktivität des primären Sektors zu erhöhen.281 Diese Institution war ein Reflex auf die langsam fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft, die bei Züchtung, Düngung, Maschineneinsatz und Ausbildung zunehmend auf wissenschaftliches Know-how, auf die »Erhöhung der Erzeugung durch Geistesarbeit«282 angewiesen war. Das breite Netzwerk von landwirtschaftlichen Versuchs- und Lehranstalten garantierte zwar die Kontrolle eingesetzter Betriebsmittel, vermittelte auch Grundzüge der rationellen Landwirtschaft, doch fehlte es an Institutionen, die Grundlagenforschung im Kontext der Zeit betrieben. Die Kriegserfahrung machte den relativen Rückstand des Deutschen Reiches offenkundig. Ein Wiederaufstieg musste auf einer erweiterten Wissensbasis gründen, um sich möglichst umfassend aus eigener Produktion versorgen und um die verfügbaren Ressourcen optimal nutzen zu können.283 Die Ressourcenfrage wurde zu einer Bildungsfrage, sodass der Staat in der Pflicht zu stehen schien. Und dieser handelte: 1920 wurde das Institut für Seefischerei in Geestemünde errichtet, ebenso eine Anstalt für Fischereiuntersuchungen in Langenhagen. 1922 folgten die Kieler Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft, die Süddeutsche Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft in Weihenstephan sowie die Versuchs- und Forschungsanstalt für Tierzucht in 279 Bleyer, Benno: Die Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in München, in: Brauer, Ludolph/Mendelssohn Bartholdy, Albrecht/Meyer, Adolf (Hg.): Forschungsinstitute. […], Bd. 2, Hamburg 1930, 136–138, hier 137. 280 Vgl. die Publikationslisten in Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie. Stiftung des öffentlichen Rechts, München 1918–1978, Garching o. J. (1978), 50–84. Eine Kontextualisierung dieser Arbeiten insbesondere als Teil der NS -Rüstungs- und Gesundheits­ politik fehlt. 281 Rubner, Max: Die Lage der Ernährungswissenschaft in Deutschland, Die Naturwissenschaften 9, 1921, 340–342, hier 341. 282 Eisinger, Otto: Die Ernährung des deutschen Volkes eine Organisationsfrage der Erzeugung, Berlin 1921, 112. 283 Paul, Theodor: Fortbildung und Freijahr der Nahrungsmittelchemiker. Beitrag zur Neugestaltung der Lebensmittelversorgung Deutschlands, ZAC 32,1, 1919 (= 1919c), 283–286.

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Tschechnitz. Trotz Hyperinflation folgten 1923 die Berliner Versuchs- und Forschungsanstalt für Getreideverarbeitung sowie die Bayerische Landesanstalt für Tierzucht in Grub bei München und schließlich 1924 die Preußische Versuchsund Forschungsanstalt in Potsdam bzw. Geisenheim. Dies waren beträchtliche Investitionen sowohl in die Landwirtschaft als auch in die Sicherung der deutschen Ernährungsgrundlagen. In Preußen stiegen die gesamten Aufwendungen für landwirtschaftliche Bildung von 1913 bis 1927 von 6,028 Mio. auf 12,198 Mio. RM und wuchsen damit stärker als die für den gewerblichen Unterricht resp. die technischen Hochschulen.284 Die neu gegründeten Forschungsinstitutionen standen ebenso wie eine nationale Forschungsanstalt der Ernährungswissenschaften seit langem in der Diskussion. Die Vorgeschichte etwa der Kieler Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft reichte bis 1903 zurück, 1907 wurden erste offizielle Gesuche der Produzenten an den preußischen Landwirtschaftsminister gestellt.285 Intensiven Erörterungen zum Trotz führten erst die immensen Versorgungsprobleme seit 1917 dazu, dass die verschiedenen Interessengruppen zusammenfanden. Doch es dauerte noch mehr als vier Jahre bis anstelle der geplanten Reichsanstalt eine preußische und eine süddeutsche Forschungseinrichtung gegründet wurden.286 In Kiel bedeutete dies sechs Institute, in denen Milch als das wirtschaftlich wichtigste Nahrungsmittel chemisch, bakteriologisch und physikalisch analysiert wurde, ebenso aber die Milcherzeugung, -verwertung und das Maschinenwesen.287 Grundlagenforschung und Anwendungsorientierung wurden so miteinander verbunden, Lehrgänge, Vorführungen und eine breite Klaviatur von Publikationen dienten der Vermittlung des Wissens an die Produzenten. Die Selbstversorgung mit Milch nahm dadurch zu. Entstanden im Kriegskontext, diente Wissen als Waffe im Frieden: »Wir führten nicht nur einen Krieg mit Soldaten, Gewehren, Kanonen und Munition, wir führten auch einen Krieg mit den Leistungen unserer gesamten Volkswirtschaft, in welchem Pflug und Sense, Butterfaß und Zentrifuge zu wichtigen Waffen wurden.«288

284 Ohlmer, W[aldemar]: Die Bedeutung der Landwirtschaftswissenschaft für die Volksernährung, Fortschritte der Landwirtschaft 3, 1928, 169–172, hier 172. 285 Vgl. Bünger, [Heinrich]: Die Entwicklung der Preußischen Versuchs- und ForschungsAnstalt für Milchwirtschaft in Kiel im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens 1922–1932, in: Zehn Jahre Preußische Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft, Kiel, 1922–1932, Hildesheim 1932, 5–36, hier 6–7. 286 Zu Weihenstephan vgl. Milchwirtschaftliches Institut, Staatliche Molkereischule, Süddeutsche Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft, Milchwirtschaftliche Forschung 5, 1928, 471–504. 287 Bünger, [Heinrich]: Die Preußische Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft in Kiel, MZBl 53, 1924, 20–22. 288 Teichert, [Kurt]: Die Bedeutung der milchwirtschaftlichen Forschungsanstalten für die Praxis, Süddeutsche Molkerei-Zeitung 50, 1929, Festschrift, 70–71, hier 70.

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Abb. 34: Orte des Wissens. Gebäude der chemischen, bakteriologischen und physikalischen Institute der Kieler Versuchs- und Forschungsanstalt

Während die Kieler Anstalt auf Anregung von Produzenten und Wissenschaftlern vom Staat Preußen finanziert wurde, handelte es sich bei anderen agrarwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen um Kooperationen mit Branchenverbänden. Staatliche Förderung war notwendig, da die Wirtschaft vielfach nicht die Mittel aufbringen konnte (und wollte), um Grundlagenforschung und Lehrtätigkeit sicherzustellen.289 Das eiserne Dreieck war im Agrarsektor seit langem etabliert, doch erst in der unmittelbaren Nachkriegszeit gewann die Grundlagenforschung neue Qualität. Dies erlaubte nicht nur Produktinnovationen in einzelnen Gütermärkten, sondern auch eine intensivere Kooperation zwischen ehedem getrennten Fachdisziplinen einerseits, zwischen der Agrarwirtschaft und den Ernährungswissenschaften anderseits. Drittens: Nach Kriegsende verschärften letztere ihre Kritik an der »Gleichgültigkeit« der politisch Verantwortlichen: »In Deutschland fehlte es bisher an jedem staatlichen Interesse für die Fragen der Volksernährung überhaupt.«290 Stattdessen forderte Max Rubner die »Pflege der Wissenschaft um ihrer selbst willen«. Angesichts der kurzfristigen Attraktivität von Selbstversorgungsszenarien, 289 Vgl. etwa Preußische Versuchs- und Forschungsanstalt für Getreideverarbeitung und Futterveredelung, VE 3, 1928, 113–114. 290 Rubner, 1921, 341 (auch für das vorherige und nachfolgende Zitat).

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der 1920 erfolgten Gründung eines eigenständigen Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und der weiterhin schwierigen Versorgungsaufgaben gewannen diese Forderungen an Resonanz. Der zweite Ernährungsminister, Andreas Hermes, war promovierter Agrarwissenschaftler, hatte bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft sowie dem Internationalen Landwirtschaftsinstitut in Rom gearbeitet und war zur Kriegszeit im Bereich der Fettwirtschaft tätig gewesen. Seit 1920 im Amt, stand nicht allein der Abbau der Rationierungswirtschaft auf seiner politischen Agenda, sondern auch der Umbau des eigenen Ressorts. Die Kooperation mit der Ernährungswissenschaft bildete dabei ein wichtiges Element, der im Juli 1921 etablierte Reichsausschuss für Ernährungsforschung war ihre wichtigste institutionelle Innovation. Die Bündelung von Wissensressourcen zur Erschließung künstlicher Kost stand seither auf der Tagesordnung. Nicht nur Makronährstoffe galt es zu beachten, Hermes selbst benannte vielmehr explizit Mineralstoffe, Vitamine und Enzyme.291 Die Ausschussmitglieder sollten zum einen das Ministerium beraten, zum anderen aber Auftragsforschung betreiben. Nach heutiger Sprache handelte es sich um einen interdisziplinären Kreis: Allgemeine Chemie (Beckmann, Hofmann, Willstätter), Ernährungsphysiologie (Abderhalden, Rubner), Pflanzenphysiologie (Baur, Haberlandt), Nahrungsmittelchemie (Heiduschka, Juckenack, Paul), Agrikulturchemie (Lemmermann), Ernährungshygiene (Neumann), klinische Medizin (Müller) und Ernährungsstatistik (Kuczynski) waren vertreten.292 Im Vergleich etwa zur Eltzbacherschen Arbeitsgruppe dominierten nun die Naturwissenschaftler, während ökonomisches und haushaltswissenschaftliches Wissen faktisch außen vor blieb. Das Ministerium orientierte sich dabei an ausländischen, namentlich US -amerikanischen Vorbildern, stellte zudem den Beiratsmitgliedern 500.000 M an Forschungsmitteln zur Verfügung.293 Die Forschungsfragen zielten auf die Rationalisierung der vorhandenen Produktion und Konsumtion.294 Zeitgenossen erschien dies als eine »wissenschaftliche Volksernährung«295, auch wenn die Projekte kleinteilig ausgerichtet waren. Brot, synthetische Fette, Eiweiß, Sojabohnen und Erdnüsse, Zucker aus Holzabfällen, die Nutzung hornartiger Stoffe sowie die Ernährungsphysiologie der Wirkstoffe – der Arbeitskranz las sich wie eine Fortführung der Ersatzmittelwirtschaft mit öffentlicher Förderung.296 Gewiss, die Inflationszeit und die 291 Hermes, [Andreas]: [Einleitung], in: Neumann, R[udolf] O[tto]: Das Brot, Berlin 1922, 3–8. 292 Beirat am Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, ZÖC 27, 1921, 179. 293 Denkschrift über die Förderung ernährungswissenschaftlicher Forschungstätigkeit durch das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, ZUNG 43, 1922, 21–23. 294 Juckenack, A[dolf]: Über Ernährungsfragen vom Standpunkte der Wissenschaft, Wirtschaft und Gesetzgebung, ZUNG 43, 1922, 9–24. 295 Wissenschaftliche Volksernährung, Die Umschau 25, 1921, 418. 296 Die deutsche Volksernährung, Zf VE 13, 1921, 124–126.

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andersartigen Versorgungsprobleme nach der Währungsstabilisierung ließen die realhistorischen Auswirkungen des Beirates für Ernährungsforschung überschaubar bleiben; und doch manifestierte sich in seiner Arbeit das Stoffparadigma als einigendes Band von Staat und Wissenschaft. Ferner zeigte sich ein wachsendes, von Forderungen und Verheißungen der Forscher getriebenes Engagement der öffentlichen Hand in der Grundlagenforschung, um so ernährungspolitische Grundsatzfragen erfolgreich angehen zu können. Viertens: Trat damit »Ernährungsforschung« langsam in den Kranz öffentlicher Aufgaben, so veränderten sich in den 1920er Jahren auch Ausbildungsschwerpunkte und Forschungsaufgaben der Nahrungsmittelchemie. Nach wie vor definierten sich ihre Vertreter als Garanten des Gemeinwohls. Doch zugleich erforderten Vitamine sowie Geschmacks- und Geruchsstoffe einen erweiterten stofflichen Blick, der auch physiologische Arbeiten erforderte.297 Vorkriegsund Kriegserfahrungen führten dazu, Fragen der Beratung der Exekutive und der Mitwirkung bei Gesetzgebung und Rechtsprechung stärker zu gewichten.298 Der Staat hatte während des Weltkrieges an Glaubwürdigkeit verloren, das Wissen der Wissenschaftler sollte und konnte helfen, diese ansatzweise zurückzugewinnen. Damit veränderte sich deren Stellung folgenreich: Die nachträgliche Kontrolle sollte durch präventive Maßnahmen ergänzt werden. Dazu war ein genaues Wissen über die gängigen Technologien und eine engere Kooperation mit der Wirtschaft nötig. Da parallel zunehmend Chemiker in der Lebensmittelindustrie tätig waren (Kap. 4.3), traten die Konturen des eisernen Dreiecks klar hervor. Auch institutionell nahm in den 1920er Jahren die »Verstaatlichung«299 der Nahrungsmittelkontrolle zu. Die 120 Mitte der 1920er Jahre bestehenden amtlichen Anstalten mit ihren mehr als 400 Nahrungsmittelchemikern wurden vornehmlich von Städten, Kreisen, Provinzialverbänden und Ländern getragen, doch teils betrieben auch landwirtschaftliche Kooperationen bzw. Privatunternehmer diese Institutionen.300 Während die Zahl der Anstalten bis Ende der 1920er Jahre auf 137 anstieg, nahm die der nicht staatlichen Einrichtungen weiter ab.301 Engere Bezüge zu staatlichen Entscheidungsgremien, die vermehrte Präsenz in Unternehmen und eine wachsende Zahl von Einrichtungen und Be 297 König, J[oseph]: Entwickelung und Aufgaben des Vereins Deutscher Nahrungsmittelchemiker, ZUNG 80, 1925, 8–13, hier 11–12. 298 Paul, 1919c, 284. 299 Behre, 1921, 256. 300 Beythien, A[dolf]: Die amtliche Überwachung des Lebensmittelverkehrs, in: Gottstein, A[dolf]/Schlossmann, A[rthur]/Teleky, L[udwig] (Hg.): Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, Bd. 5, Berlin 1927, 374–399, hier 387. 301 Angaben n. Böttger, Hugo: Entwurf von Grundsätzen für eine einheitliche Durchführung des Lebensmittelgesetzes, DNR 1930, 110–114, hier 111. Gleichwohl gab es auch damals Regionen resp. größere Städte (allein 17 mit mehr als 50.000 Einwohnern), in denen keine Untersuchungsanstalten bestanden.

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diensteten bedeuteten, dass das Stoffparadigma auf allen Ebenen des eisernen Dreiecks vordrang. War es vor dem Krieg vorrangig um einheitliche Beurteilungskriterien und Normen für die Überwachung des Marktes gegangen302, so handelte es sich im Rahmen präventiver Aufgaben immer weniger darum, bestimmte Produktionsverfahren zu untersagen, sondern »positive Vorschriften über die Herstellung und die Beurteilung der wichtigsten Nahrungsmittel«303 an ihre Stelle treten zu lassen. Die Sprache dazu lieferte die Chemie, das rechtliche Instrumentarium vornehmlich die Novelle des Lebensmittelgesetzes 1927, die »den Erfordernissen der modernen Lebensmittelchemie entsprechend gestaltet ist und in seinen Ausführungsbestimmungen feste Begriffe für alle Waren schaffen«304 sollte. Ihre Formulierung war begleitet von einer intensiveren Kooperation von Staat und einer breit gefassten Ernährungswissenschaft, bei der die Wirtschaft vielfach integriert war. Die Wissenschaftler konnten ihr Wissen so stärker verankern. Zugleich aber war dieses immer stärker von ernährungsphysiologischen und chemischen Erklärungsmodellen geprägt, während ernährungsökonomische oder aber haushaltswissenschaftliche Ansätze an Bedeutung verloren, kultur- und handlungsbezogene Referenzen kaum mehr geknüpft wurden.

4.2.3 Konfrontation und Kooperation. Das Lebensmittelgesetz von 1927 Eine Novelle des Nahrungsmittelgesetzes von 1879 stand schon während des Kaiserreichs mehrfach zur Diskussion. Seine Mängel waren unübersehbar: Äußerst moderate Strafen, fehlende Kontrollrechte an den Produktionsstätten, keine Handhabe gegen Täuschung ohne Verfälschung, undefinierte Rechtsbegriffe sowie fehlende Realbestimmungen über die Nahrungsmittel.305 Einst Vorbild für die Institutionalisierung der Nahrungsmittelkontrolle für viele andere Staaten, war das Gesetz durch den Produkt- und Marktwandel überholt worden. Die frühen Ausprägungen künstlicher Kost fanden entsprechend in einem kaum regulierten Umfeld statt. 302 Vgl. Über die Bedürfnisse der Nahrungsmittelgesetzgebung auf dem XIV. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie in Berlin, DNR 5, 1907, 194–198, 212–215, hier 195 (Leitsätze von Abel). 303 Beythien, 1921, 347–348 (Abel). 304 Beythien, A[dolf]: Die Entwickelung der modernen Nahrungsmittelchemie, ZUNG 50, 1925, 14–21, hier 19. 305 Vgl. Tretau, E[mil]: Öffentliche chemische Untersuchungsämter im Jahre 1902 oder 1902/03, Statistisches Jahrbuch deutscher Städte 13, 1906, 203–217, hier 209–212; Juckenack, A[dolf]: Hat sich bei der Durchführung des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 das Bedürfnis herausgestellt, wesentliche Bestimmungen dieses Gesetzes zu ändern?, ZUNG 27, 1914, 290–296.

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Eine Novellierung misslang vor 1914.306 Die Unzahl von Kriegsverordnungen verschärfte die Grundprobleme der Vorkriegszeit nochmals: Rechtsunsicherheit allenthalben, ebenso Qualitätsschwankungen, Täuschungen und Verfälschungen. Der »Ausbau einer modernen Lebensmittelgesetzgebung«307 wurde daher nach Kriegsende gerade von der Wirtschaft gefordert. Wie schon vor dem Weltkrieg schien dazu ein allgemein gehaltenes Mantelgesetz nebst »labilen Ausführungsbestimmungen« für die einzelnen Branchen opportun. Doch wie zuvor sollten die Verhandlungen nur im Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft erfolgen. Hatten im Ersten Weltkrieg die großen Interessenverbände auch im Nahrungsmittelsektor ihre Stellung stärken können, so wollten sie diese nun behaupten. Das Argument einer möglichst rationalen Nutzung der vorhandenen Ressourcen durch das praktische Wissen der Hersteller wurde dazu stetig bemüht. Der im August 1921 vorgelegte, vom Reichsgesundheitsamt ausgearbeitete Gesetzesentwurf knüpfte hieran an, führte aber im Wesentlichen die Vorkriegsüberlegungen weiter. Neuerlich waren die Verbände der Wirtschaft eingeladen, Stellungnahmen abzugeben. Zugleich war die Frage zu beantworten, wie künftig die Interessen von Handel, Industrie und Verbrauchern gebündelt werden sollten.308 Die von den Chemikern immer wieder beschworene Gemeinwohlorientierung trat immer stärker in den Vordergrund. Im Januar 1922 antwortete hierauf der Bund Deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und -Händler als »Zentralvertretung der am Lebensmittelverkehr beteiligten gewerblichen Kreise«309. Normierungen sollten erfolgen, ihre chemische Ausformulierung war unumstritten. Nach wie vor forderte man engste Kooperation bei der Formulierung von Beurteilungskriterien und bei der Kontrolle selbst, ferner ein gesetzlich festgelegtes Mitbestimmungsrecht.310 Dazu solle ein zentrales Gremium geschaffen werden, dem aber nun neben den Vertretern von Industrie, Gewerbe, Handel und Verbrauchern auch Repräsentanten »der amtlichen Lebensmittelkontrolle und selbständigen öffentlichen Chemiker«311 angehören sollten. Auch wenn in der Folgezeit noch intensiv um deren Gewich 306 Vgl. Juckenack, A[dolf]: Zu der in Aussicht genommenen Änderung des Nahrungsmittel­ gesetzes, ZUNG 26, 1913, 488–497; Beythien, A[dolf]: Die Neuregelung der Nahrungsmittelgesetzgebung, ZUNG 28, 1914, 575–584. 307 Eingabe des Bundes Deutscher Nahrungsmittel-Fabrikanten und -Händler a.d. Preußische Ministerium für Volkswohlfahrt v. 07.04.1920, Die deutsche Essigindustrie 25, 1921, 37–38, hier 38 (auch für das folgende Zitat). 308 Juckenack, 1922, 18. 309 Die Neuregelung des Verkehrs mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, ZÖC 28, 1922, 37–39, hier 38. 310 Gutachten des Bundes Deutscher Nahrungsmittelfabrikaten und -Händler zum vorläufigen Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln und anderen Bedarfsgegenständen, ZÖC 28, 1922, 112–116, 121–126, 133–136, hier 116. 311 Neuregelung, 1922, 38.

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tung sowie die Art der Normierungsinstitutionen gerungen werden sollte312, war doch seither die institutionalisierte Mitwirkung von Wissenschaftlern als Wissenschaftler unumstritten. Der Entwurf wurde im Januar 1923 neuerlich im Reichsgesundheitsrat beraten und ging dann 1925 dem Reichswirtschaftsrat zu.313 Warum aber akzeptierte man nun die Wissenschaftler, warum also etablierte sich das eiserne Dreieck in den frühen 1920er Jahren? Erstens schien – nach Maßgabe der Wirtschaft – ihr berechenbarer Sachverstand zu erlauben, die insbesondere Anfang der 1920er Jahre staatlicherseits forcierte Beteiligung der Konsumenten an Normierungs- und Kontrollverfahren auf ein erträgliches Maß zurückzuführen.314 Die Gewerbevertreter lehnten ja nicht nur weitergehende Kennzeichnungen ihrer Produkte ab, da Verbraucher diese zumeist missverstehen würden. Für sie waren die Aushandlungen auch quasi privatrechtliche Vorgänge, »welche lediglich Handel und Gewerbe betreffen.«315 Die allgemeinen Verbraucherinteressen könnten die Sachverständigen schließlich ebenso vertreten, denn auch sie seien Konsumenten. Zweitens wirkten sich die vertrauensbildenden Maßnahmen der Nahrungsmittelchemiker nun aus. Der Wandel von der konfrontativen Strategie der Vorkriegszeit zu Prävention und Beratung manifestierte sich eben nicht nur vor Ort, sondern wurde insbesondere von führenden Vertretern des »Vereins Deutscher Nahrungsmittelchemiker«, des Nachfolgers der Freien Vereinigung, verkörpert. Der Leiter des Berliner Untersuchungsamtes, Adolf Juckenack, nahm als Ministerialrat im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt vielfach eine moderierende Haltung ein, ebenso der wortgewaltige und publizistisch vielfach präsente Leiter des Dresdener Untersuchungsamtes, Adolf Beythien.316 Da die Novelle auch eine Fabrikkontrolle erlauben sollte, war die Kenntnis der Betriebsgeheimnisse ein besonders sensibles Feld, dem sich die Produzenten nur beugten, weil die Kontrolleure einerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet waren 312 Vgl. hierzu Kauper, [J.]: Zur Aenderung des Lebensmittelrechts durch die im Entwurfe zum Lebensmittelgesetze vorgesehenen bindenden Begriffsfestsetzungen, DNR 1926, 168–172, insb. 169–170. 313 Bericht des 8. Ausschusses (Volkswirtschaft) über den Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen (Lebensmittelgesetz) v. 09.04.1927, in: Verhandlungen des Reichstages, III . Wahlperiode 1924, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. 415, Berlin 1927, Nr. 3349, 1. 314 Vgl. Berghoff, Hartmut/Köhler, Ingo/Wixforth, Harald: Navigation im Meer der Interessen, in: Holtfrerich, Carl-Ludwig (Hg.): Das Reichswirtschaftsministerium der Weimarer Republik und seine Vorläufer. Strukturen, Akteure, Handlungsfelder, Berlin/Boston 2016, 421–516, hier 425–432. 315 Thenen, v.: Der Gesetzentwurf über den Verkehr mit Lebensmitteln und anderen Bedarfsgegenständen, Handelsschutz 22, 1925, 28–29, hier 28. 316 Vgl. biographisch Bames, [Ernst]: Adolf Juckenack zum 60. Geburtstag, MW 4, 1930, 144; Gerlach, [Valentin]: Adolf Juckenack zum Gedächtnis, DLR 1939, 195–196; Souci, S. W[alter]: Adolf Beythien †, ZUL 89, 1949, 431–432.

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und weil anderseits die Nahrungsmittelchemiker ihrerseits Sachverständige der Industrie sehr wohl akzeptierten.317 Neben einschlägige Kontakte auf Verbands- und Gremienebenen traten zunehmend Netzwerke auf lokaler Ebene, in denen trotz klarer Rollenverteilung Kooperationen möglich waren. Wechselseitige Blockademöglichkeiten bestanden, doch deren Kosten schienen zu hoch zu sein. Nun wurde es üblich, dass Nahrungsmittelchemiker während der Jahrestagungen des Bundes zu Worte kamen, während Wirtschaftsvertreter von Anbeginn bei Versammlungen des Vereins Deutscher Nahrungsmittelchemiker präsent waren. Drittens gewannen angesichts des absehbaren Endes des Verkäufermarktes auch die marktbezogenen Argumente der Wissenschaftler an Gewicht. Normierung, Standardisierung und Agrarmarketing waren ohne wissenschaftliche Expertise kaum denkbar. Dänemark, die Niederlande und die USA eroberten Auslandsmärkte vornehmlich durch überlegenes Marktwissen, insbesondere durch wissenschaftlich fundierte Vorstellungen über Produktqualität.318 Die Novelle setzte Mindeststandards, zielte auf eine Orientierung an abstrakten Kriterien und unterstützte damit Rationalisierungsbestrebungen der Gewerbetreibenden.319 Diese wechselseitige Annäherung von Wirtschaft und Wissenschaft war ein wesentlicher Schritt hin zum Lebensmittelgesetz vom 5. Juli 1927, das vor allem einen Kompromiss der Experten von Wirtschaft, Wissenschaft und Staat bildete.320 Nun war es zum einem möglich, »rechtsverbindliche Festsetzungen für die Beurteilung der einzelnen Gruppen von Lebensmitteln«321 zu erlassen. Nicht länger hatten die Gerichte und von ihnen bestellte Sachverständige über die Frage zu urteilen, ob Lebensmittel gesundheitsschädlich, verdorben, nachgemacht oder verfälscht seien. Dies erfolgte nun reichseinheitlich durch Experten des eisernen Dreiecks.322 Irreführende Bezeichnungen für Lebensmittel konnten 317 Vgl. hierzu Neuregelung, 1922, insb. 39; Gutachten, 1922, 125–126 u. 135; Juckenack, A[dolf]: Welche Vorteile wird das neue Lebensmittelgesetz der Industrie und dem Handel bringen?, DHR 1925, 2–3. 318 Ritter, Kurt: Absatz und Standardisierung landwirtschaftlicher Produkte, Berlin 1926. 319 Rohdich, [Otto]: Grundsätzliches zur Beurteilung der Lebensmittel nach dem Lebensmittelgesetz und nach den Qualitätseigenschaften, Jahrbuch des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine 28,3, 1930, 395–411, hier 395. 320 Zellner, Heinr[ich]: Das neue Lebensmittelgesetz, Die Konsum-Genossenschaft 8, 1928, 57, hob positiv hervor, dass das Gesetz eben nicht »per ordre mufti« oder »vom grünen Tisch aus« zustande gekommen sei, sondern durch Kooperation von »Juristen, Nahrungsmittelchemiker[n], Fabrikanten, Händler[n]; kurzum: es war alles vertreten, was auf diesem Gebiet etwas versteht.« Vgl. Das Lebensmittelgesetz im Reichstag, DNR 1927, 113–116, 124–126, 128–130. 321 Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen (Lebensmittelgesetz) v. 20.11.1926, in: Verhandlungen des Reichstages, III . Wahlperiode 1924, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. 411, Berlin 1926, Nr. 2704, 4. 322 Merres, [Ernst]: Zur Entwicklung der deutschen Lebensmittelgesetzgebung, RGBl 3, 1928, 829–843, hier 838.

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verboten, gegen Werbeankündigungen und Produktbezeichnungen nun vorgegangen werden. Das Gesetz stellte die Normalbeschaffenheit in den Mittelpunkt, schuf entsprechend Kennzeichnungspflichten für Abweichungen. Zudem wurden die Kontrollmöglichkeiten beträchtlich ausgeweitet und die Strafmaße erhöht.323 Der Verkauf verfälschter Lebensmittel mit Folge von schwerer Körperverletzung oder aber Tod konnte mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus bestraft werden. Dies sollte die Handlungsfähigkeit des Staates im Sinne des Gemeinwohls dokumentieren und ihm bei Lebensmittelskandalen ein scharfes Schwert in die Hand geben. Die Novelle ersetzte ferner den Begriff »Nahrungsmittel« durch »Lebensmittel«. Letzterer war seit 1917 reichsgerichtlich definiert, und zwar fielen darunter – ganz in der Logik des Stoffparadigmas – »alle zur menschlichen Ernährung dienenden oder geeigneten Stoffe, gleichviel, ob sie fester oder flüssiger Art sind.«324 Da Tabakwaren hier fehlten, entbrannte ein langwieriger Streit um diese Kernbegriffe, der 1927 gesetzlich entschieden wurde. Lebensmittel wurden von den Arzneimitteln separiert, doch zählten diätetische Nähr- und Kräftigungsmittel sowie Genussmittel zum Geltungsbereich des Gesetzes. Der tradierte, allerdings seinerseits ja erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommene Begriff der Nahrungs- und Genussmittel wurde aufgegeben, da zahlreiche Produkte in beide Gruppen fielen.325 Künstliche Kost galt fortan als Lebensmittel. Für die Konsumenten brachte das Gesetz insgesamt Verbesserungen, doch zugleich wurden ihre Beteiligungsrechte an Experten delegiert. Diese empfanden ihr Werk als praktischen Verbraucherschutz, dem sich die Konsumenten allerdings anzupassen hatten.326 Schon die Weimarer Verfassung hatte die Grenzen für Verbraucherschutz eng gefasst, denn Freiheit von Handel und Gewerbe waren zu gewährleisten, und nur überragende »Forderungen des Gemein 323 Mezger, Otto: Was müssen Erzeuger, Händler und Verbraucher vom neuen Lebensmittelgesetz wissen?, VE 2, 1927, 332–333. Über die Art der Probeentnahme entbrannte eine ernste Debatte, vgl. Mezger, Otto: Zur Neugestaltung des Lebensmittelgesetzes, DNR 1927, 67–69; Rustige, H./Fröhlich, Kurt: Zur Neugestaltung des Lebensmittelgesetzes 1927, 94–95 und aus Sicht der Lebensmittelchemiker Juckenack, A[dolf]: Über Bestrebungen, deren Berücksichtigung eine erhebliche Einschränkung des bisherigen Umfanges der Nahrungsmittelkontrolle durch das neue Lebensmittelgesetz zur Folge haben würde, RGBl 2, 1927, 107–109. Gegenstand der Kontroversen waren die Gegenproben, die Verwendung der Strafgelder und die Strafbestimmungen. 324 Urteil des Reichsgerichts v. 27.11.1917, zit n. Juckenack, 1921, 326–327. 325 Vgl. Beythien, 1927, 398. Zur Begriffsgeschichte s. Spiekermann, Uwe: Von der Agricultur zur Ernährungskultur. Eine begriffsgeschichtliche Analyse, in: Ernährungskultur: Land(wirt)schaft, Ernährung und Gesellschaft, Bonn-Bad Godesberg 2004, 38–53, hier 42–43. 326 So die impliziten Aussagen in Was wünschen und erwarten wir im nächsten Jahrzehnt für die deutsche Volksernährung?, Hannoversche Hausfrau 25, 1927/28, Nr. 36, 4; Nr. 37, II, hier Nr. 36, 4 (Büher und Ertheiler).

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wohles« (Art. 152, Abs. 2) erlaubten Einschränkungen. Das Lebensmittelgesetz war – wie etwa die Kartellverordnung oder das UWG – an sich ein Verbraucherschutzgesetz, doch sein Instrumentarium orientierte sich primär an den Interessen des eisernen Dreiecks.327 Die Verbrauchervertreter standen, etwa im Reichswirtschaftsrat, vorrangig für bestimmte politische Interessen. Ein Gegengewicht zum eisernen Dreieck bildeten sie nicht, auch wenn Verbrauchervertreter vor Erlass von Verordnungen zum Lebensmittelgesetz gehört werden mussten. Hier nun, in diesen Verordnungen, lag die zentrale Bedeutung der Novelle. § 6 delegierte nämlich die Arbeit der rechtsverbindlichen Normierung von Lebensmitteln auf Expertengremien, genauer auf den »Reichsgesundheitsrat, verstärkt durch Sachverständige aus den Kreisen der Erzeuger, der Händler, der Verbraucher und der Fachwissenschaft«328. Während der Reichsrat den Verordnungen der Regierung noch zustimmen musste, hatte der Reichstag auf Einflussmöglichkeiten verzichtet.329 Der Grund für ein derartiges Mantelgesetz lag nicht allein im wissenschaftlichen und technischen Wandel, sondern auch in der Heterogenität der zu behandelnden Lebensmittelgruppen. Sie im Detail zu normieren, war Aufgabe des eisernen Dreiecks und führte deren Experten nun regelmäßig zusammen. Sie waren sich 1927 jedenfalls sicher, dass »Deutschland das beste der zur Zeit bestehenden Lebensmittelgesetze erhalten«330 habe. Nach der Novelle kamen die Verordnungen, deren Zahl 1930 auf ca. 50 bis 60 geschätzt wurde.331 Ihre Formulierung erfolgte durch den verstärkten Reichs­ gesundheitsrat, der angesichts einer von Beginn an sehr hohen Zahl von Anträgen auf Teilnahme an den Beratungen seit 1927 ein gestuftes Verfahren praktizierte. Die Entwürfe wurden »zunächst in einem kleineren Kreise von nahrungsmittelchemischen Sachverständigen, zu dem auch Vertreter der Industrie und des Handels zugezogen wurden, vorberaten«332. Diese versandte man dann an die Interessenten, die binnen vier Wochen Kritik äußern konnten.333 Anschließend wurde der Entwurf im verstärkten Reichsgesundheitsrat beraten, zumeist moderat modifiziert und dann verabschiedet. Auch wenn die Wirtschaft

327 Graser, Carl: »Verbraucherschutz« durch öffentliche Maßnahmen, Deutsche Arbeit 15, 1930, 238–246. Vgl. allgemein Geyer, Rolf: Der Gedanke des Verbraucherschutzes im Reichsrecht des Kaiserreichs und der Weimarer Republik (1871–1933), Frankfurt a. M. u. a. 2001, 137–138. 328 Entwurf, 1926, 2. 329 Zur Begründung vgl. Lebensmittelgesetz, 1927, 128 (Melior). 330 Beythien, 1927, 399. 331 Kerp, [Wilhelm]: Grundsätzliches über die Ausführungsbestimmungen zum neuen Lebensmittelgesetz, RGBl 5, 1930, 381–384, hier 382. 332 Kerp, [Wilhelm]: Die Ausführungsbestimmungen zum neuen Lebensmittelgesetz, ZUNG 56, 1928, 10–14, hier 13. 333 Diskussionsbemerkung von Wilhelm Kerp, ZUNG 56, 1928, 15.

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damit ganz wesentliche Einflussmöglichkeiten besaß, waren die Entwürfe doch zunehmend vom Sachverstand der Wissenschaftler geprägt. Dies unterstützte auch die Form der Verordnungen. Die Lebensmittel wurden zunächst definiert, dann in Arten unterteilt, anschließend verwandte Rohstoffe und Zwischenprodukte benannt. Chemische Expertise stand damit am Anfang. Es folgten eventuelle Grenzziehungen, insbesondere Verbote oder Beschränkungen zum Schutz der Gesundheit. Das Ende der Verordnungen bildeten Beurteilungsgrundsätze, vielfach also Vorgaben für die Lebensmitteluntersuchung.334 Damit gab man klare Vorgaben für die gewerbliche Praxis, die Lebensmittelkontrolle und auch die Gerichte, die sich sämtlich an chemisch definierten Normen orientieren mussten. Lebensmittel waren somit rechtlich verbindlich Stoffkonglomerate, die Modellbildung der Experten bestimmte nun ihre »Natur«. Zugleich entwickelten die Verordnungen eine neue Hierarchie gewerblich verarbeiteter Produkte: Eis etwa folgte nun der Abfolge Creme-, Frucht-, Rahm-, Milchspeiseeis, Eiscreme, Einfacheiscreme und Kunstspeiseeis.335 Obwohl die Verordnungen tendenziell Qualitätsware begünstigten, grenzten sie preiswertere Qualitäten nicht aus, sondern versuchten sie präzise zu bezeichnen. Die Alltagssprache wurde durch eine rechtsverbindlich definierte Fachsprache ersetzt, deren Grundlage das Stoffparadigma bildete. Fragen etwa des Geschmacks traten demgegenüber in den Hintergrund. Wichtig war nicht mehr, ab wann eine nikotinarme Zigarette noch schmeckte, sondern dass eine verbindliche Grenzzahl gefunden werden konnte, an der sich die Produktion dann orientieren konnte.336 Die Verordnungen zielten auf den jeweiligen Stand von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft, ermöglichten den Interessengruppen bei Innovationen jedoch Abänderungsanträge. Weitere Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wurden so begünstigt. Die Verordnungsproduktion startete 1930 mit Normierungen von Nitrit­ pökelsalz, Honig, Kunsthonig, Kaffee, Kaffeeersatz- und -zusatzstoffen.337 Lange Zeit strittige Begriffe, wie etwa koffeinarm oder koffeinfrei, wurden nun präzise definiert. Es folgten Verordnungen über Kakao(erzeugnisse), Essig­ (essenz), Obstkonfitüren und Marmeladen, dann über Teigwaren, Bindemittel für Fleischwaren, Speiseeis, Backpulver und Backhefe.338 Peu à peu wurde das

334 Kerp, 1928, 11. 335 Vgl. Merres, E[rnst]: Verordnung über Speiseeis und amtliche Begründung zum Entwurf der Verordnung, 2. umgearb. u. erg. Aufl., Berlin 1939. 336 Vgl. Petri, 1930, 134–135 (Behre, Brückner). 337 Merres, E[rnst]: Die in- und ausländische Lebensmittelgesetzgebung. III ., Archiv für soziale Hygiene und Demographie NF 6, 1931, 164–168. 338 Zum Fortgang vgl. Merres, E[rnst]/Schreiber, W[alther]: Übersicht über die Gesetz­ gebung des Deutschen Reiches auf dem Gebiete des Verkehrs mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen. (Stand vom 1. Oktober 1933.), RGBl 8, 1933, 791–795.

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Lebensmittelangebot normiert, das Stoffparadigma somit rechtlich verbindlich verankert. Dies bedeutete kein Ende von Konflikten zwischen Staat, Wissenschaft und Wirtschaft. Im Gegenteil, gerade die Auslegung der Novelle barg beträchtlichen Zündstoff, etwa in Bezug auf die Ausbildung der Kontrolleure und Sachverständigen, der Stellung privatwirtschaftlich arbeitender Nahrungsmittelchemiker oder der Vollzugspraxis in kleineren Städten oder aber auf dem Lande.339 Interessengegensätze blieben bestehen, doch das Terrain ihrer Austragung verschob sich auf Fachdiskussionen innerhalb der beteiligten Kreise. Gleichwohl bewirkte die Verordnungsmaschinerie auch Kritik an der überbürdenden Regulierung von Nahrung und Leben. Verglichen mit der Kriegszeit war deren Zahl Anfang der 1930er Jahre relativ gering. Nimmt man jedoch das Kaiserreich als Referenzzeit, so ist die wachsende Regulierungsdichte offenkundig, zumal die Verordnungen immer kleinteiliger und präziser in die Lebensmittelproduktion eingriffen.340 Der damit verbundene Bedeutungsgewinn des Staates und des eisernen Dreiecks spiegelt nicht allein die wachsende Arbeitsteilung innerhalb urbaner Versorgungsgebiete, sondern auch strukturelle Notwendigkeiten einer sich etablierenden Wissensgesellschaft. Die Ausdehnung der Versorgungsketten erforderte abstrakte, also ubiquitär anwendbare Regelungen über die Beschaffenheit der Produkte. Produktnormen stützten Systemvertrauen und minderten Transaktionskosten. Expertenwissen dominierte, drängte zugleich subjektives Wissen in den Hintergrund. Neues Wissen erfordert Kommunikation. Entsprechend findet man im Deutschen Reich, trotz beträchtlichen Widerstandes der Wirtschaft, auch erste Kennzeichnungsverordnungen. Eine Wegmarke bildete die Bekanntmachung des Bundesrates über die äußere Kennzeichnung der Waren vom 18. Mai 1916. Auf zahlreichen verpackten Waren mussten nun Name und Adresse des Herstellers sowie Gewicht und Preis angegeben werden. Doch die Preise stiegen, auch wenn sie auf den Waren aufgedruckt wurden. Die Mengen waren korrekt angegeben, die Hersteller bekannt, gleichwohl veränderte sich das Angebot substanziell, schwanden Nährwert und Geschmack. Die Nahrungsmittelchemiker zielten dennoch auf detaillierte Angaben. Erweiterungen der Kennzeichnungspflichten lehnte die Wirtschaft allerdings ab, insbesondere die Angabe eines Herstellungsdatums. Sie befürchtete Absatzstockungen älterer Ware.341 Anfang der 1920er Jahre konnte und wollte der Staat sich hiergegen nicht durchsetzen, die Angaben des Herstellungs­ 339 Auf diese Wissenskämpfe zwischen einzelnen Gruppen kann hier nicht eingegangen werden. Eine Regelung dieser Fragen erfolgte 1934. 340 Vgl. als Überblick Beythien, 1927; Holthöfer, Hugo: Deutsches Lebensmittelgesetz, in: Bömer, A[loys]/Juckenack, A[dolf]/Tillmans, J[osef] (Hg.): Handbuch der Lebensmittelchemie, Bd. 1, Berlin 1933, 1284–1325. 341 Gutachten, 1922, 123.

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datums blieben auf wenige Konserven begrenzt.342 Das Lebensmittelgesetz schuf im Rahmen einer ersten Verordnung im Oktober 1927 dagegen eine neue Orientierungswelt für den Verbraucher. Seitdem galt für die wichtigsten verarbeiteten Produkte: »Auf den Packungen muß in deutscher Sprache sowie für den Käufer leicht erkennbar angegeben sein: Firma und Ort der Hauptniederlassung des Herstellers bzw. Verkäufers, ebenso der Inhalt nach handelsüblicher Bezeichnung und nach deutschem Maß und Gewicht zur Zeit der Füllung oder nach Stückzahl.«343 Hier wurde der Einfluss des Staates deutlich, der – unterstützt von Nahrungsmittelchemikern – rudimentäre Informationen für den Verbraucher festschrieb.344 Die Kennzeichnungspflicht dokumentiert das wachsende Bemühen von Staat und Wissenschaft um Grundinformation der Konsumenten, doch verdeutlicht sie zugleich die strukturelle Diskrepanz zwischen den Wissenden des eisernen Dreiecks und der großen Zahl der primär Aufzuklärenden. Die Normierung des stofflichen Blicks erfolgte durch die Experten, die zugleich darauf setzten, dass die Mehrzahl der Verbraucher ihre Expertise akzeptieren und adaptieren würde.

4.2.4 Wettbewerbsdruck und Rationalisierung. Äußere Normierung durch Handelsklassen Normierungen erfolgten aber nicht allein bei verarbeiteten Lebensmitteln, sondern auch bei landwirtschaftlichen Produkten, insbesondere bei Massengütern. Der Weltkrieg hatte die Schwächen des deutschen Agrarsektors klar aufgezeigt: Zersplitterte und vielfach nicht marktbezogene Produktion, hohe Arbeits- und geringe Kapitalintensität, mangelnde Markt- und Produktkenntnisse, nicht zuletzt aber ein disperses Warenangebot.345 Gehalt, Form und Darbietung der einheimischen Nahrungsmittel waren gegenüber der ausländischen Konkurrenz nicht wettbewerbsfähig und hatten sich gegenüber dem Vorkriegsniveau auch verschlechtert.346 Mit dem Ende des Jahrzehnts der Ernährungskrise lief zudem der für die Landwirtschaft insgesamt ertragreiche Verkäufermarkt aus, während der Wettbewerbsdruck ausländischer Anbieter zunahm. Gerade bei 342 Vgl. Äußere Kennzeichnung von Waren. Deutsches Reich. Bekanntmachung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft v. 19.05.1922, ZÖC 28, 1922, 130–131; Verordnung über die äußere Kennzeichnung von Waren v. 13.07.1922, in: Holthöfer/Juckenack, 1927, 347–348. 343 Mezger, Otto: Die neue Verordnung über die äußere Kennzeichnung von Waren, VE 2, 1927, 366. 344 Zur Umsetzung vgl. Kennzeichnungsverordnung, DNR 1928, 18–20. 345 Vgl. hierzu Köppen, H. v.: Das neuzeitliche Absatzproblem in der deutschen Landwirtschaft, Berichte über Landwirtschaft NF 15, 1931, 491–527. 346 Vgl. Rüße, Norwich: Absatzkrisen und Marketingkonzepte der deutschen Landwirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1996/I, 129–162.

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Veredelungsprodukten, wie Butter, Eier, Obst und Gemüse, deren Konsum in der Nachkriegszeit überdurchschnittlich anstieg, gerieten deutsche Anbieter zunehmend ins Hintertreffen. Hierauf reagierten die Spitzenverbände der Landwirtschaft und auch der mit diesen eng kooperierende Staat nicht allein mit Werbung, um Vorzüge deutscher Waren hervorzuheben und über die volkswirtschaftlichen Folgen wachsender Importe aufzuklären (Kap. 4.4.1). Vielmehr setzten sich spätestens seit 1924/25 zahlreiche landwirtschaftliche Unternehmer mit modernem Agrarmarketing auseinander, setzten dieses insbesondere im Umfeld der Konsumzentren sowie dem von niederländischen und dänischen Importen besonders betroffenen West- und Nordwestdeutschland in Selbsthilfebestrebungen um.347 Ihre Arbeit verdeutlichte, dass der Appell an den Verbraucher mit zahlreichen Veränderungen der betrieblichen Praxis gekoppelt werden musste, um angesichts des Preisverfalls während der 1925 einsetzenden internationalen Agrarkrise im Markt bestehen zu können. Dazu aber bedurfte es neuer Wissensformen, die über die Betriebspraxis der Väter hinausführte. Wissenschaftliche Expertise, vornehmlich der angewandten Agrarwissenschaften und der sich rasch entwickelnden Agrarökonomie, gewann dadurch an Bedeutung, mochte sich die Mehrzahl der Landwirte auch reserviert und ablehnend verhalten.348 Doch Mitte der 1920er Jahre galt, dass Markterfolg ohne Rekurs auf das Know-how der Wissenschaften kaum mehr möglich war. Der Staat förderte diesen Prozess mit beträchtlichen Finanzmitteln (Kap. 4.2.2), nahm durch die 1925 einsetzende Zollpolitik Wettbewerbsdruck von den Produzenten, forcierte aber auch die Rationalisierung von Produktion und Absatz. Das sog. Handelsklassengesetz von 1930 war Teil dieser Bestrebungen. Seine Anfänge lagen jedoch in Selbsthilfebestrebungen der landwirtschaftlichen Erzeuger. In Analogie zur Nahrungsmittelindustrie und ausländischen Vorbildern wurden seit 1923 regionale Markenverbände gegründet, deren Ziel standardisierte Agrarprodukte für den Massenabsatz waren. Butter, Käse und Eier wurden in Schleswig-Holstein und Oldenburg, im Rheinland sowie Bayern und Württemberg mit einer Marke von Landwirtschaftskammern oder Genossenschaften versehen, wenn sie bestimmten Merkmalen entsprachen.349 347 Vgl. Spiekermann, Uwe: »Der Konsument muß erobert werden!«. Agrar- und Handelsmarketing in Deutschland während der 1920er und 1930er Jahre, in: Berghoff, Hartmut (Hg.): Marketinggeschichte. […], Frankfurt a. M./New York 2007, 123–146, v. a. 130–133. 348 Vgl. Klemm, Volker: Agrarwissenschaften in Deutschland. Geschichte  – Tradition. Von den Anfängen bis 1945, St. Katharinen 1992; Schmitt, Günther: Zur frühen Geschichte der landwirtschaftlichen Marktforschung in Deutschland, in: Ders. (Hg.): Landwirtschaftliche Marktforschung in Deutschland, München/Basel/Wien 1967, 17–40. 349 Vgl. etwa Baldewein, Heinz: Die Organisation des genossenschaftlichen Eierabsatzes in Oldenburg und am Niederrhein, Landw. Diss. Bonn-Poppelsdorf 1930; Koch-Weser, Geert: Die Standardisierung in der Milchwirtschaft, Landw. Diss. Berlin, Langensalza 1931 sowie zum Verfahren Müller, L.: Niederrheinische Käsekontrolle, MZBl 52, 1923, 78–82.

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Abb. 35: Standardisierung in der Region: Westfälische Gütemarken 1930

Neu eingerichtete Kontrollstationen überprüften dazu Größe, Gewicht, vielfach auch den Fettgehalt der Produkte, um den Verbrauchern Mindeststandards zu garantieren. Die Markenverbände gewannen teils beträchtliche Marktanteile, auch wenn die meisten regionalen Produkte diesen freiwilligen Kontrollsystemen nicht unterworfen waren. Der Erfolg aber führte in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zur Verbreiterung dieser Bewegung auf Milch, Kartoffeln, Obst, Gemüse, Honig und auch Schweine. Diese Bestrebungen wurden von den Spitzenverbänden der Landwirtschaft, vornehmlich der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und dem Deutschen Landwirtschaftsrat aufgegriffen, die derartige Standardisierungsanstrengungen nicht allein propagieren, sondern möglichst breit verankern wollten. Die Qualitätsdefizite seien nicht allein durch Spitzenprodukte zu beseitigen, vielmehr gehe es um Verbesserungen des gesamten Angebotes. Dazu aber müsse dieses nicht nur produziert, sondern zuvor genau beschrieben werden. Produkttransparenz sei das eigentliche Ziel einer Standardisierung, verstanden als »eine mit Rücksicht auf den Verwendungszweck erfolgende Einteilung von landwirtschaftlichen Massengütern in verschiedene Klassen«350. Das Wissen um die Ware und mögliche Qualitätsabstufungen böten klare Kalkulationsgrundlagen, aufgrund derer der Landwirt dann über die von ihm bedienten Marktsegmente entscheiden könne. Berechenbarkeit und »Kontinuität der Qualität«351 bildeten 350 Schindler, Axel: Die Standardisierung und die Reform des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse, in: Beckmann, Fritz u. a. (Hg.): Deutsche Agrarpolitik im Rahmen der innern und äußeren Wirtschaftspolitik, T. I, Berlin 1932, 743–772, hier 743. 351 Keiser, Fr[iedrich]: Die Standardisierung von Agrarprodukten in Deutschland, Dänemark und Holland, Berichte über Landwirtschaft NF 5, 1927, 573–604, hier 580.

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demnach Arbeitsziele, die gerade angesichts der Heterogenität landwirtschaftlicher Produkte besondere Aufgaben an Züchtung, Betriebsorganisation und Wissensbildung stellten. Innerhalb des weiten Feldes der Standardisierungsmethoden zielten Handelsklassen  – anders als etwa Gütemarken  – vornehmlich auf die rückwärtigen Sektoren der Versorgungsketten. Während Massengüter noch Mitte der 1920er Jahre vornehmlich auf Grundlage von Durchschnittsqualitäten gehandelt wurden, Milch also Milch, Weizen also Weizen war, erlaubten sie eine Qualitätsspreizung und damit eine Preisdifferenzierung. Entsprechend lag ihre Bedeutung nicht allein in der »Konkurrenzabwehr«352, sondern auch in einer Neustrukturierung des Binnenmarktes. Handelsklassen erleichterten und verbilligten die Preisbildung, denn Feilschen über die Warenqualität war nicht mehr nötig, an die Stelle unwägbarer Nachprüfungen trat ein abstraktes Wissen um Parameter der Güter. Die einzelnen Marktteilnehmer konnten sich somit stärker auf ihre Primärfunktionen konzentrieren.353 Handelsklassen begünstigten Massenprodukte, förderten indirekt die Mechanisierung der Landwirtschaft und die Reduktion der angebauten Sorten bzw. gezüchteten Arten. Auch der Handel konnte seine Transaktionskosten deutlich senken.354 Gleichwohl bestand bei den seit 1928 in einzelnen Branchen eingeführten Handelsklassen ein zentrales Problem. Die Einhaltung der Basiskriterien gründete auf privatrechtlichen Verträgen. Staatliche Garantien, inklusive strafrechtlicher Sanktionen konnten daher die Effizienz der Handelsklassen erheblich steigern. Der starke Staat unterstützte mit dem »Druck reichsgesetzlicher Bestimmungen«355 eine Entwicklung, die sich nicht »in langem, mühsamem, privatem Wettbewerbskampf«, sondern unmittelbar durchsetzen sollte. Entsprechend wurde der »Entwurf zur Verbesserung der Marktverhältnisse für deutsche landwirtschaftliche Erzeugnisse«, der im Sommer 1930 dem Reichstag vorgelegen hatte, nicht durch das neue Parlament resp. den Vorläufigen Reichswirtschaftsrat beraten, sondern erhielt als Teil der am 1. Dezember 1930 erlassenen »Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen« Gesetzeskraft.356 Nun konnte die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrates – als regionaler Komponente – Handelsklassen festlegen. Sie waren 352 Rom, Carl-Heinz: Die Standardisierung als eine Grundlage der Absatzregelung von Obst und Gemüse unter besonderer Berücksichtigung südwestdeutscher Anbau- und Absatzverhältnisse, Stwiss. Diss. Heidelberg, Speyer 1938, 7. 353 Vgl. Beckmann, Fritz: Die Marktstellung der Standardwaren im Landbau, Magazin der Wirtschaft NF 4, 1928, 1684–1687, hier 1685. 354 Demuth, F[ritz]: Handelsklassengesetz, Deutsche Wirtschaftszeitung 18, 1931, 169– 171, hier 169. 355 Asmis, [Walter]: Tagesfragen aus dem Gebiete des landwirtschaftlichen Marktwesens, MDLG 45, 1930, 903–905, hier 904 (auch für das folgende Zitat). 356 Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Vom 1. Dezember 1930, Reichsgesetzblatt, T. I, Berlin 1930, 517–604.

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rechtlich verbindlich, bei missbräuchlicher Verwendung gab es strafrechtliche Sanktionen. Wie schon beim Lebensmittelgesetz waren vor Erlass von Handelsklassen Sachverständige der beteiligten Kreise zu hören. Für die Kontrolle sollten Gutachterstellen eingerichtet werden, in denen Experten aus Landwirtschaft, Industrie und Handel arbeiten sollten. Die Verordnungen konnten auch Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften festlegen, um so Markttransparenz zu gewährleisten. Die wichtigsten Interessengruppen beurteilten das Handelsklassengesetz positiv. Reichseinheitliche Geltung, rechtlich verbindliche Gewähr der Einhaltung solcher Handelsklassen sowie freier Marktzugang aller Anbieter waren die wesentlichen Vorteile dieses Mantelgesetzes, das Kritikern zwar gleichermaßen als »Zugeständnis an die Großlandwirtschaft und an den planwirtschaftlichen Sozialismus«357 galt, das aber vorrangig die Kooperation des eisernen Dreiecks vertiefte und auf breitere institutionelle Grundlagen stellte. Handelsklassen- und Lebensmittelgesetz führten in die gleiche Richtung einer Normierung sämtlicher Lebensmittel auf Basis chemischer Expertise und unter vorrangiger Berücksichtigung der Interessen der Wirtschaft und des Staates. Dies war erst einmal ein beträchtlicher Rationalisierungsschub, der eine kostengünstigere Versorgung der Konsumenten ermöglichte. Hygienische Probleme wurden minimiert, Markttransparenz erhöht. Angesichts dieser Vorteile, die während der Weltwirtschaftskrise besonders zu Buche schlugen, war die faktische Ausgrenzung der Konsumenten aus den Entscheidungsprozessen weniger bedeutsam. Und aufgrund vielfach erst noch zu schaffender nationaler Märkte wurde die immer umfassendere Normierung nicht als Uniformierung des Angebotes verstanden. Nach den Erfahrungen der Zwangswirtschaft hatte der liberale Nationalökonom Karl Bücher noch kritisiert, dass er sich den »Menschen der Zukunft, der typisch gekleidet, typisch wohnt und ißt und trinkt […] schwer als freies Wesen«358 vorstellen könne. Um 1930 wurden Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen dagegen höher bewertet, zumal die Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Sorten, Qualitäten und Handelsklassen ja nicht eingeschränkt, sondern lediglich auf ein vom eisernen Dreieck als sinnvoll erachtetes Maß zurückgeführt wurden. Gleichwohl bildeten Lebensmittel- und Handelsklassengesetz nur den Auftakt einer immer tiefer gehenden Normierung und Bereinigung von Sorten, Rassen und Technologien, von Rationalisierungen und Standardisierungen in Lagerhaltung, Verpackung und Kontrollmechanismen. Bei allen war das eiserne Dreieck federführend. Das Wissen dieser Experten bestimmte zunehmend die Art der Produkte. Zugleich aber zerbröselten die klaren Konturen von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft zunehmend, 357 Nahrungsmittel-Politik und -Gesetzgebung im Jahre 1930, DNR 1931, 6–9, hier 7. 358 Bücher, Karl: Spezialisierung, Normalisierung und Typisierung, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 76, 1921, 427–439, hier 436.

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denn wissenschaftliche Expertise drang in das Feld der Wirtschaft vor und bestimmte dort zunehmend die Lebensmittelproduktion.

4.3 Qualitätsversprechen und Innovationschance: Die Verwissenschaftlichung der Lebensmittelproduktion »Die Wissenschaft durchdringt die Produktion«359 – markig klang es Anfang der 1920er Jahre, als Wissenschaftler ihren Anspruch formulierten, durch neues, verbessertes Wissen die Wunden des Krieges heilen zu können. Dabei ging es nicht allein um eine Analyse der Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen, wie sie der Taylorismus propagierte.360 Schon die Forschungen des 1912 gegründeten und von Max Rubner geleiteten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie hatten den Anspruch, durch die gesetzmäßige Erfassung der inneren Abläufe der Körper die Maschinerie von Produktion und Absatz zu neuen Höhen zu führen.361 Im Bereich der Nahrungsmittelproduktion sollte dagegen ein neuer Blick auf die Produkte, auf und in die Dinge selbst, neue Perspektiven für eine umfassende Rationalisierung bieten. Zukunft bedeute Forschung, hieß es seitens der Wissenschaftler. Um Berechenbarkeit und Planbarkeit, diese Chimären von Kriegsführung und Rationierungswirtschaft, im Unternehmen zu implementieren, müsse man der Materie auf den Grund gehen, sich auf die stoffliche Natur der Dinge besinnen, die Produktion darauf gründen. Nicht der Praktiker, auch nicht der Techniker, sondern der Wissenschaftler sollte die Leitgestalt einer ökonomischen Gesundung werden. Beherrschung der Dinge ermögliche Erfolg im Markt. Als seit Ende der 1920er Jahre Wirtschaftswissenschaftler zunehmend auf das »fehlende Wissen«362 über diesen Markt verwiesen, hiergegen Markt- und Bedarfsforschung als wissenschaftlich-rationale Antwort propagierten, standen sie in der Tradition ihrer naturwissenschaftlichen Kollegen. Die Dramatik der Nachkriegszeit relativiert sich, vergegenwärtigt man sich die Entwicklung künstlicher Kost im Kaiserreich. Liebig selbst war ein erfolgreicher Unternehmer, und externe Qualitätskontrollen durch Chemiker waren 359 Eisinger, 1921, 5. 360 Vgl. Hebeisen, Walter: F. W. Taylor und der Taylorismus. Über die Lehre und das Wirken Taylors und die Kritik am Taylorismus, Zürich 1999 sowie allgemein Rabinbach, Anson: The Human Motor. Energy, Fatigue, and the Origins of Modernity, Berkeley/Los Angeles 1992. 361 Atzler, E[dgar]: Aufgaben und Probleme der Arbeitsphysiologie, DMW 50, 1924, 1280– 1282, 1320–1323. Umfassend hierzu Hachtmann, Rüdiger: Ein Kind der Ruhrindustrie? Die Geschichte des Kaiser-Wilhelm Instituts für Arbeitsphysiologie von 1913–1945, Westfälische Forschungen 60, 2010, 73–154. 362 Meyer-Mark, Hans H.: Unternehmer und Marktanalytiker. Ein Beitrag zur Psychologie der Marktanalyse, Die deutsche Fertigware 8, T. B, 1936, 74–77, hier 75.

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schon Anfang der 1880er Jahre vielfach institutionalisiert.363 Landwirtschaftliche Nebengewerbe, wie etwa die Zuckerindustrie, die Müllerei oder das Gärungsgewerbe, waren ohne wissenschaftliche Expertise undenkbar. Die zahllosen Eiweiß- und Nährpräparate, Säuglingsnahrung und Konserven, entgiftete Genussmittel und diätetische Produkte, gründeten alle auf dem Stoffparadigma, wurden vielfach von Medizinern und Chemikern ersonnen, patentiert und produziert. Und doch blieb der Betrieb tendenziell ein Ort der Wissensumsetzung, nicht aber der Wissensproduktion. Die Ideen kamen von außen, durch Ausbildung und neue Technologien. Anders als etwa in der chemischen oder elektrotechnischen Industrie war das »Pröbeln« des Erfinder-Unternehmers Julius Maggi charakteristisch für den Innovationsprozess innerhalb der Nahrungsmittelindustrie. Das änderte sich seit dem Weltkrieg. Der Bedeutungsgewinn der Wissenschaftler außerhalb und innerhalb des eisernen Dreiecks führte erstens zu einem wachsenden Anspruchsprofil an die Qualität und Zusammensetzung der Produkte. Der Kontrolldruck nahm zu, denn Normierungen erlaubten ein effizienteres und auch unmittelbar gerichtsnotorisches Vorgehen der Behörden. Um dem Qualitätsversprechen zu entsprechen, war wissenschaftliche Expertise auch innerhalb der Wirtschaft zunehmend unverzichtbar. Da Wissen aber nicht zu monopolisieren war, ging es dabei auch um die Bildung von Gegenexpertise, um dem Wissen der Kontrollbeamten nicht defensiv ausgeliefert zu sein. Zweitens waren die Verheißungen der Wissenschaftler nicht inhaltleer. Es galt, »first mover advantages« zu erlangen, also durch patentiertes Wissen einen Vorsprung zu gewinnen, »der sich nicht so leicht einholen läßt.«364 Beispiele hierfür gab es, die Münchener Diamalt A. G. entwickelte sich etwa durch das 1902 eingeführte gleichnamige Backhilfsmittel, einem mit Diastase versetzten Malzextrakt, zum Marktführer und veränderte die Praxis der Backwaren­ produktion wesentlich.365 Angesichts der durch die Ersatzmittelproduktion ja offenkundig gewordenen Gewinnchancen schienen sich Investitionen in seriöse eigene Forschung durchaus rechnen zu können. Zugleich veränderte sich in den 1920er Jahren jedoch auch das Wissen der Verbraucher. Normierung und Kennzeichnung schufen nicht nur Transparenz, sondern auch einen an Inhaltsstoffen orientierten Kommunikationsrahmen. Das sich erweiternde stoffliche Wissen, insbesondere aber die Popularisierung von Vitaminen und – in geringerem Maße – Mineralstoffen, erforderte Antwor 363 Stinde, 1882, III . 364 Paul, Theodor: Die Bedeutung chemischer Forschungsarbeit für das Lebensmittel­ gewerbe, in: Buchka, K[arl]: Das Lebensmittelgewerbe, Bd. III, Leipzig 1918, XVII-XL , hier XIX . 365 Hesse, Albert: Überblick über Enzymvorgänge in der Lebensmittelindustrie, in: B ­ ames, E[rnst]/Bleyer, B[enno]/Grossfeld, J[ürgen] (Hg.): Handbuch der Lebensmittelchemie, Bd. 9, Berlin 1942, 399–429, hier 400.

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ten seitens der Unternehmen. Der Lebensmittelmarkt wurde zu einem komplexen Wissensmarkt, in dem selbst zu definierende Wissensressourcen zunehmend bedeutsamer wurden. Die Konsequenz war eine sich beschleunigende Verwissenschaftlichung der Lebensmittelproduktion. Sie erfolgte auf verschiedenen, nun näher zu untersuchenden Ebenen, nämlich erstens dem Wandel des stofflichen Wissens sowie leitender Fragestellungen und zweitens der Institutionalisierung von Wissensorten, einmal innerhalb größerer Unternehmen, zum anderen aber auch und gerade auf Branchenebene. Drittens schließlich erlaubte die Verwissenschaft­ lichung veränderte Produktionsweisen. Dies erfolgte mit Blick auf den Markt und die Konsumenten, dokumentiert aber zugleich eine zunehmend effiziente Kooperation der Experten innerhalb des eisernen Dreiecks.

4.3.1 Das Wissen um die Zubereitung. Bromatik als Herausforderung In der wirtschaftshistorischen Forschung wird die wachsende Bedeutung von wissenschaftlicher Expertise und Wissenschaftlern in den Betrieben vornehmlich aus der Logik des Wettbewerbs abgeleitet.366 Doch auch veränderte Forschungsperspektiven innerhalb der Wissenschaft selbst schufen Anknüpfungspunkte für Unternehmen, da sie den Nutzen eigenständiger Forschung neu justierten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die sog. Bromatik, die Ende der 1910er Jahre engagiert propagiert wurde und auf die sich etablierenden Haushaltswissenschaften einerseits, die Nahrungsmittelindustrie anderseits ausstrahlte. Bromatik war »die Lehre von der Zubereitung der Speisen nach wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Grundsätzen«367. Zeitgenossen diskutierten ebenfalls den Begriff »Aromatik«368, doch da dies der Name eines bekannten Magenbitters war, setzte sich die aus dem griechischen Broma (= Speise) gebildete Nomenklatur durch. Mit dem Begriff war eine veränderte Optik wissenschaftlicher Grundlagenforschung verbunden. Da sich die Physiologie vornehmlich mit Stoffwechselfragen beschäftigte und sich Nahrungsmittelchemiker um die stoffliche Zusammensetzung von Nahrungsmitteln und Produkten kümmerten, war schon seit dem Ersten Weltkrieg immer wieder kritisch moniert worden, dass die eigentlichen Mahlzeiten und die einfachen Speisen wissenschaft 366 Vgl. Marsch, Ulrich: Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Industrieforschung in Deutschland und Großbritannien 1880–1936, Paderborn u. a. 2000. Dies gilt auch für den Wettbewerb zwischen Nationen, vgl. Mowery, David C.: Industrial Research, 1900–1950, in: Elbaum, Bernhard/Lazonick, William (Hg.): The Decline of the British Economy, Oxford 1986, 188–222. 367 Paul, 1919b, 3. 368 Langbein, H.: Ueber den Wärmewert von einigen Nährpräparaten, ZÖC 28, 1922, ­73–76, 85–89, 97–100, hier 75.

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lich vernachlässigt würden. Dabei machten die wenigen Ausnahmen klar – etwa Rubners Untersuchung des Nährwerts der belegten Brote in Berliner Restaurationen, die in deutliche Kritik am damaligen Fastfood mündete369 –, dass Wissenschaft hier eine wichtige alltagsrelevante Aufklärungsfunktion einnehmen konnte. Speisen wurden zwar untersucht, doch vornehmlich im Rahmen der wissenschaftlichen Diätetik, für die eine Bilanzierung der den Kranken zustehenden und zuträglichen Nährstoffe im Mittelpunkt stand.370 Den Geschmack der Speisen beachteten Diätetiker regelmäßig, doch schon aufgrund der zumeist bürgerlichen Patienten konnten sie vielfach aus dem Vollen schöpfen, nutzten entsprechend teure und wohlschmeckende Nahrungsmittel und Speisen. Wilhelm Sternberg, der viele Grundprobleme der Bromatik schon vor 1914 thematisierte, sprach sich etwa vehement für eine anregende Krankenküche aus, die den Vergleich mit der gehobenen Gastronomie nicht scheuen sollte.371 Die Bromatik aber grenzte sich klar von der Hotelküche und der praktischen Expertise der Köche und Gourmets ab. Speisen (und Getränke) stellten einen analytischen Gegenstand dar, galt es doch, bei deren Zubereitung »den größtmöglichen Nutzen in bezug auf Nähr- und Genußwert herauszuwirtschaften.«372 Ziel war eine »Chemische Topographie«, die untersuchte, wie Speisen optimal hergestellt, angerichtet und gelagert werden sollten. An die Stelle statischer Analysen traten nun dynamische Untersuchungen von Herstellungsketten, bei denen der gesamte Prozess der Zubereitung in Küche und Produktionsstätte interessierte. Damit sollten bisher nicht beachtete Alltagstätigkeiten wissenschaftlich analysiert, reproduziert und optimiert werden. Die Bromatik war ein Kind des Krieges. Das Konzept bildete die positive Seite der dauernden Kritik an der vermeintlich unzureichenden haushälterischen Kompetenz der meisten Deutschen. Doch auch die hauswirtschaftliche Aufklärung gründete vielfach auf der »bewährten« Praxis kundiger geschulter Frauen. Angesichts der zunehmenden Versorgungsprobleme regte Theodor Paul im Einklang mit führenden Hausfrauenverbänden an, im Kaiserlichen Gesundheitsamt »Grundsätze für die Aufbewahrung der Lebensmittel und ihre Zubereitung in der Küche« auszuformulieren, die dann gemeinsam mit weiter fortzuschreibenden »Entwürfen zur Festsetzung über Lebensmittel« zu einem 369 Rubner, Max/Schulze: Das »belegte Brot« und seine Bedeutung für die Volksernährung, Archiv für Hygiene 81, 1913, 260–271. 370 Vgl. Hoffmann, F[riedrich] A[lbin]: Diätetische Kuren, in: Leyden, E[rnst] v. (Hg.): Handbuch der Ernährungstherapie und Diätetik, 2. umgearb. Aufl., Bd. 1, Leipzig 1903, ­400–502; Schlesinger, Wilhelm: Vorlesungen über Diät und Küche, Berlin/Wien 1917. 371 Sternberg, Wilhelm: Diät und Küche. Einführung in die angewandte Ernährungs-Therapie, Würzburg 1911; Ders.: Die Physiologie des Geschmacks, Würzburg 1914. 372 Paul, Theodor: Wesen und Bedeutung der Bromatik, d. h. der Lehre von der Zubereitung der Speisen nach wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Grundsätzen, Biochemische Zeitschrift 93, 1919 (= 1919d), 364–383, hier 368 (auch für das folgende Zitat, ebd., 372).

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»Lebensmittelbuch für das Deutsche Reich« vereint werden sollten.373 Ziel war die umfassende Rationalisierung häuslicher und dann auch gewerblicher Lebensmittelproduktion. Nicht der Bauch sollte hier dominieren, sondern der Verstand. Für die Experten war dies Teil einer sozialen Mission. Bromatik war kein »Betätigungsfeld der oberen Zehntausenden, sondern ein noch tiefer zu durchpflügender Acker der unteren Millionen und aber Millionen.«374 Der Bevölkerung sollte durch wissenschaftliche Expertise ermöglicht werden, sich auch mit wenig Geld schmackhaft zu beköstigen. Während des Krieges unterblieb einschlägige Grundlagenforschung. Die zahllosen hauswirtschaftlichen Ratgeber halfen, doch sie entsprangen dem subjektiven Wissen ihrer Verfasserinnen. Auch und gerade die Kriegsküchen hatten es nicht vermocht, aus den sich immer mehr verschlechternden Rohmaterialen schmackhafte Speisen herzustellen. Die Wissenschaftler trauerten der versäumten Rationalisierung nach, als deren Konsequenz sie »genagelte Särge«375 ausmachten. Umso dringlicher schien nun nachholende Grundlagenforschung, die zugleich den Kranz der zu untersuchenden Stoffe ausweiten sollte: Geschmacks- und Geruchsstoffe traten damit in den Fokus der Analyse, Stoffe also, die auch für den Markterfolg wesentlich waren.376 Alltagsphänomenen galt es mit differenzierter Analytik auf den Grund zu gehen, etwa dem Altbackenwerden des Brotes, dem Reifen des Fleisches oder aber dem Verlust des Geschmacks bei Dörrgemüse. Sinnend hieß es: »Was gibt dem baumfrischen Obst, dem erd­frischen Gemüse, der Milch auf dem Lande jenen Wohlgeschmack, den wir Großstädter nur während der Urlaubstage genießen können?«377 Hier stand aber nicht mehr die Hausfrau im Fokus, sondern der Nahrungsmittelhersteller.378 Chemie und Ernährungsphysiologie sollten in den Dienst der Wirtschaft gestellt werden, zugleich aber hofften die Wissenschaftler, dafür staatliche, bedingt auch privatwirtschaftliche Forschungsgelder zu erhalten.379 Unmittelbar nach Kriegsende gelang dies kaum. Die Bromatik aber blieb auf der Tagesordnung: Im Reichsausschuss für Ernährungsforschung wurden entsprechende Projekte finanziert und die agrar­ wissenschaftlichen Forschungsanstalten erweiterten ihren Fokus auch auf Le 373 Paul, 1917a, 12–13. Zur Diskussion vgl. auch Örtliche, oder allgemeine Kochanweisungen? Ein Frauenvorschlag zur Lösung, Zf VE 9, 1917, 45–50. 374 Hasterlik, 1919, 97. 375 Ebd. 376 Hermes, 1921, 6. Die Vegetarier sahen auch hierdurch ihre Lehren bestätigt, da sie Würz- und Anregungsstoffe schon seit langem thematisiert hätten, vgl. Herse, F.: Wie können wir aus unseren Lebensmitteln besseren Nutzen ziehen?, VW 50, 1917, 219–221, hier 220. 377 Hasterlik, 1919, 99. 378 Paul, 1919d, 381. 379 Schweisheimer, W[aldemar]: 86. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Bad Nauheim vom 18. bis 25. September 1920, Öffentliche Gesundheitspflege 5, 1920, ­419–423, hier 422.

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bensmittelzubereitungen. Langsam veränderten sich Forschungsfragen. Vor dem Hintergrund zumal der Vitaminforschung gewann Wissen um die Interaktion von Stoffen sowie deren physiologische Wirkungen neue Dringlichkeit. Die Etablierung etwa der Sensorik als eigenständige, von der materialistischen Psychologie unabhängige Teildisziplin, wurde so erst möglich.380 Wenngleich öffentlich finanzierte Forschungseinrichtungen die Grundlagenforschung bestimmten, traten Fragen der Prozessoptimierung, von Geschmack und Sensorik sowie Probleme der Lagerhaltung immer stärker in den Fokus der Wirtschaft. Mit der Verbesserung der Versorgungslage galt es nicht mehr die Nöte des Alltags zu minimieren, sondern die Chancen des Marktes zu nutzen. Einschlägige Untersuchungen erfolgten vorrangig auf Verbandsebene, wo zentrale Laboratorien zunehmend Grundlagenforschung im Sinne der Bromatik betrieben.381 Doch zugleich erweiterten die bestehenden Laboratorien führender Lebensmittelproduzenten ihr Arbeitsprofil von der Qualitätskontrolle zur Produktentwicklung. Nicht abstrakte Produktideen galt es dabei umzusetzen: Es galt einerseits detaillierte Kenntnisse über die Vielfalt und Interaktion der Inhaltsstoffe von Rohwaren und verarbeiteten Produkten zu gewinnen und anderseits die Veränderungen der Waren zwischen Produktion und Konsumtion zu analysieren.382 Unternehmensinternes Prozesswissen wurde nötig, um im Markt reüssieren und auch bestehen zu können.

4.3.2 Wissensbasierte Produktion. Etablierung betriebsinterner Laboratorien Innerhalb der Wirtschaft begann die Etablierung moderner Laboratorien mit der sog. zweiten Industrialisierung, also der Produktion wissensbasierter Geund Verbrauchsgüter.383 Ausgehend von dem durch Liebig neu strukturierten Universitätslaboratorium war sie gekennzeichnet durch »die wachsende Bedeu 380 Vgl. hierzu Serger, H[ermann]: Sinnenprüfung und chemische Analyse bei Nahrungsmitteln, Die Umschau 16, 1912, 70–73 sowie grundlegend Skramlik, Emil v.: Handbuch der Physiologie der niederen Sinne, Bd. I: Die Physiologie des Geruchs- und Geschmackssinnes, Leipzig 1926. 381 Ein Beispiel sind etwa Forschungen zu Marinaden, vgl. zur Fischwirtschaft Lengerich, Hanns: Die Gründung eines Forschungsinstituts für die Fischindustrie, DNR 1925, 45–46. 382 Täufel, K[urt]: Zubereitung der Lebensmittel, in: Bömer, A[loys]/Juckenack, A[dolf]/ Tillmans, J[osef]: (Hg.): Handbuch der Lebensmittelchemie, Bd. 1, Berlin 1933, 1249–1283, hier 1250. 383 Vgl. allgemein Meinel, Christoph: Tempel der Zukunft. Die Karriere des chemischen Laboratoriums im 19. Jahrhundert, Spiegel der Forschung 15, 1998, Nr. 2, 40–42, 44–48, ­50–53. Vgl. aber auch Cunningham, Andrew/Williams, Perry: De-centring the »Big Picture«: The Origins of Modern Science and the Modern Origins of Science, in: Hellyer, Marcus (Hg.). The Scientific Revolution, Malden u. a. 2003, 218–246.

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Abb. 36: Das Nahrungs- und Genussmittelgewerbe im Deutschen Reich 1925

tung privater Mittel, die Einrichtung von reinen Forschungslaboratorien sowie die zunehmende Größe und Rationalisierung der Laboratorien und ihres Betriebes.«384 Gerade Eiweiß- und Stärkeforschung wurden vornehmlich in öffentlich finanzierten Großforschungsanstalten durchgeführt (Kap. 2.2.3), während die Großlaboratorien der Chemieunternehmen schon allein durch ihre Größe die Nahrungsmittelchemiker faszinierten.385 Ihr Ideal bildeten nationale Zentrallaboratorien, und sie versuchten dieses auch gegenüber den Nahrungsmittelproduzenten zu propagieren. Die Nahrungsmittelindustrie beschäftigte 1925 mit 1,36 Mio. Personen zwar viermal mehr Menschen als die chemische Industrie, doch bei den Betriebs­ 384 Felsch, Philipp: Das Laboratorium, in: Geisthövel, Alexa/Knoch, Habbo (Hg.): Orte der Moderne, Frankfurt a. M./New York 2005, 27–36, hier 29. 385 Dies galt nicht allein für deutsche Wissenschaftler. Vgl. Weatherall, Mark W.: The Foundation and early years of the Dunn Nutritional Laboratory, in: Smith, David F. (Hg.): Nutrition in Britain. Science, scientists and politics in the twentieth century, London/New York 1997, 29–52.

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größen kippte diese Relation.386 Das Nahrungsmittelgewerbe war klein- und mittelbetrieblich geprägt, vielfach noch handwerklich oder heimindustriell organisiert und wies dezentrale Raummuster auf. Die Firmen konzentrierten sich auf klar definierte Branchen, deren Produkte und Bezeichnungen sich noch unmittelbar an den verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten orientierten. Zugleich gab es beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen, die »Verwissenschaftlichung« nahm daher jeweils sehr unterschiedliche Ausprägungen an. Größere Laboratorien schienen nur auf Branchenebene möglich, während Einzelbetriebe, selbst etablierte Markenartikelproduzenten, nur kleinere Einheiten einrichten konnten. Im Nahrungsmittelgewerbe ging es zudem nicht um eine »Schnittstelle von künstlicher Intensivierung und prozessualer Offenheit«387, sondern um eine gerichtete und klar definierte Arbeit im Rahmen einer auf Gewinn ausgerichteten Institution. Erschwerend kam hinzu, dass an deutschen Universitäten zwar Chemiker und Nahrungsmittelchemiker ausgebildet wurden, dass aber – abseits der Ingenieurswissenschaften – Fachleute für das Nahrungsmittelgewerbe fehlten. Für die Rationalisierung der Wirtschaft war dies ein entscheidender Flaschenhals. Die tätigen Wissenschaftler hatten meist eine chemische oder aber pharmazeutische Ausbildung und waren  – spiegelbildlich zu den Nahrungsmittelchemikern – vornehmlich in der Einkaufs- und Produktkontrolle tätig. Theodor Paul regte Anfang 1919 an, das Chemiestudium weiter aufzugliedern, um Betriebslebensmittelchemiker auszubilden. Ziel sollten Spezialisten sein, »die mit den Lehren der modernen chemischen Lebensmitteltechnologie vertraut sind, in der Praxis ihr Wissen und Können in die Tat umsetzen und die Lebensmittelindustrie auf eine ähnliche Stufe der Vollkommenheit heben können, wie dies bei der chemischen Industrie Deutschlands schon lange vor Ausbruch des Krieges erreicht war.«388 Das war innerhalb der tendenziell universalistischen Logik der Wissenschaft stimmig, doch für die Firmen stellte sich mit derartigen Wissensträgern das Prinzipal-Agent-Problem mit besonderer Schärfe. Konnte dies durch eine standesgemäße Entlohnung und Tantiemen für Patente noch entschärft werden, so bestand aus Verbrauchersicht doch die Gefahr, chemisches Know-how gezielt zur analysefesten Produktion minderwertiger Ware zu nutzen. Das Wächteramt der Chemiker wäre so nachhaltig unterlaufen worden. Diese Anregungen trafen auf wenig Resonanz, entsprechende Studiengänge wurden erst – ergänzt um technische Schwerpunkte – 1948 an der TH Karlsruhe und dann auch an anderen Standorten eingerichtet.389 Während der 1920er Jahre 386 Klein-, Mittel- und Großbetriebe im deutschen Gewerbe. Weitere Ergebnisse der Betriebszählung 1925, Wirtschaft und Statistik 8, 1928, 46–49, hier 48–49. 387 Felsch, 2005, 29. 388 Paul, 1919a, 105. 389 Kuprianoff, I[wan]: Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Lebensmitteltechnik, VDI-Zeitschrift 92, 1950, 977–980.

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blieb innerhalb der Nahrungsmittelindustrie die Technikorientierung stärker als die Wissenschaftsorientierung. Die gleichwohl wachsende Zahl von Betriebschemikern musste sich einschlägige Sachkompetenz vielfach vor Ort erwerben, fand hier »nicht stets ein willig eingeräumtes Betätigungsfeld«390 vor. Für die Chemiker war dies enttäuschend, denn angesichts der Fülle praktischer Probleme bot sich ihnen ein zunehmend interdisziplinäres Arbeitsfeld. Um ein scheinbar simples, für den Markterfolg aber entscheidendes Kriterium wie etwa »Frische« zu untersuchen, waren neben chemischen auch physikalische, physikalisch-chemische, kolloid-chemische und biochemische Kenntnisse erforderlich.391 Dies konnte nur in seltenen Fällen erreicht werden und entsprechend blieb die Rationalisierung durch Verwissenschaftlichung – wie auch innerhalb von Industrie und Handel insgesamt – hinter den Verheißungen des Beginns zurück. Gleichwohl aber veränderte sich die Bedeutung wissenschaftlichen Wissens innerhalb der Unternehmen. Dies macht ein Vergleich zweier Branchen deutlich, der Bierbrauerei und der Schokoladenindustrie. Die Bierbrauerei hatte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts grundlegend verändert. Die Aufhebung tradierter lokaler Rechte und der Zünfte, der von Bayern ausgehende Siegeszug des untergärigen Bieres, die durch Kältetechnik und bakteriologische Forschung in den 1870er Jahre Jahren angestoßene Entwicklung hin zu Großbrauereien sowie der mit dem Ausbau von Flaschenbierhandel und eines bis dato unbekannten Netzwerkes von Bierkneipen und Gaststätten verbundene Ausbau des Marktes kennzeichnen wesentliche Veränderungen dieser bis heute unterschätzten Industrie, die um 1900 mehr Umsatz generierte als die gesamte Montanindustrie. Dieser rapide Wandel hatte beträchtliche Auswirkungen auf die Art des Bieres und des Bierbrauens. Der Wegfall der zünftigen Bierproben und neuartige Produkte der organischen Chemie erlaubten neue Biere, denen »bei der Bereitung theils der Wirkung und des Geschmackes wegen, theils auch wegen der Farbe und des Geruches sehr verschiedene Substanzen beigemischt«392 wurden. Glyzerin machte den Geschmack vollmundiger, den Schaum feiner, und Färbemittel gaben dem Ganzen eine angenehme Erscheinung.393 Tradierte Qualitätsstandards, so etwa das über die Malzaufschlagsteuer in Bayern bewahrte sog. »Reinheitsgebot«, bestimmten noch das Image der Getränke, kaum aber mehr deren stoffliche Zusammensetzung. Die Kontroll-

390 Fincke, Heinrich: Ernährungswissenschaft und Nahrungsmittelindustrie, DNR 1930, 180–181, 186–189, hier 181. 391 Täufel, Kurt: Ergebnisse und Ziele der neueren Lebensmittelchemie, DNR 1930, ­168–171, 178–180, hier 168. 392 Michaelis, Curt: Die Bier-Frage, Correspondenz-Blatt des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 5, 1876, 36–39, 37. 393 Nowak: Zur Hygieine des Bieres, Correspondenz-Blatt des Niederrheinischen Vereins für oeffentliche Gesundheitspflege 9, 1880, 73–75, 102–104, hier 75.

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behörden konnten hiergegen nichts ausrichten, denn die neuen Biere schmeckten zwar anders, waren aber nach damaligem Wissen nicht gesundheitsschädlich. Anders als bei der Schokoladenindustrie waren es hier aber nicht die Qualitäts-, sondern die Quantitätsführer, die einen zunehmend akzeptierten Marktstandard setzten. Die Massenproduktion der bayerischen Großbrauereien besaß durch exakte Prozessführung wesentliche Kostenvorteile, die durch die längere Haltbarkeit der Produkte und die damit mögliche Marktausweitung nochmals vergrößert wurden. Damit diese Skaleneffekte griffen, wurde vom »erfahrungsmäßigen Beurteilungsvermögen« des Brauers zunehmend Abstand genommen.394 Malz, Hopfen und dann auch Wasser mussten innerhalb bestimmter stofflich definierter Qualitätsparameter bleiben, um eine kontinuierliche Produktion zu gewährleisten. Hierzu bedurfte es wissenschaftlicher Expertise, die anfangs auf das Äußere der Rohstoffe, dann auf die Beherrschung der Technik, spätestens seit den 1880er Jahren aber vorrangig auf die chemische Zusammensetzung der Rohstoffe und des Endproduktes gerichtet war. Träger dieses Wissens war ein breiter Kranz staatlicher Lehranstalten, die sich dann auch zu Versuchs- und Forschungsanstalten wandelten.395 Sie standen in der Tradition der Förderung landwirtschaftlicher Nebengewerbe, doch wirkten sie nicht nur indirekt über Forschung und Humankapitalbildung – allein in Berlin wurden in den ersten 25 Jahren mehr als 3.000 Studierende ausgebildet –, sondern seit den 1890er Jahren zunehmend auch direkt über Betriebskontrollen in die Brauereien ein.396 Diese erfolgten anfangs sporadisch, um etwaige Hygieneprobleme im Betrieb erkennen zu können, dann aber regelmäßig.397 Dominierten anfangs biologische Kontrollen, stand nach 1900 die chemischtechnische Betriebskontrolle im Mittelpunkt der neu entstehenden und sich binnen einer Dekade bei den größeren Brauereien auch etablierenden Betriebslaboratorien:398 »Der Schlüssel, der uns die Schatzkammer der Natur aufschließt, ist 394 Hayduck, F[riedrich]: Das deutsche Brauereigewerbe im Spiegel der Wissenschaft, Der deutsche Volkswirt 8, 1933/34, Nr. 48, Sdr.-Beil., 8–10, hier 8. 395 Vgl. hierzu Teich, Mikulás: Bier, Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland 1800– 1914. Ein Beitrag zur deutschen Industrialisierungsgeschichte, Wien/Köln/Weimar 2000, 92– 121. Leider geht der Autor nicht auf die betriebliche Ebene ein. Zu den Metamorphosen im 19. Jahrhundert vgl. 100 Jahre Fakultät für Brauwesen Weihenstephan 1865–1965, hg. v. d. Fakultät für Brauwesen an der TH München in Weihenstephan, Nürnberg 1965. 396 Vgl. die informativen Artikel Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin, in: Delbrück, Max (Hg.): Illustriertes Brauerei-Lexikon, Berlin 1910, 817–819; Wissenschaftliche Stationen und Lehranstalten für Brauerei, in: ebd., 850–852 sowie Schulze-Besse, H.: Die wissenschaftlichen Institute und Organe der deutschen Brauindustrie, in: Die deutsche Brauindustrie der Gegenwart, Berlin/Mannheim 1930, 17–23. 397 Vergangenheit und Gegenwart, Deutsche Brau-Industrie 29, 1904, 345–347, v. a. 347. 398 Vgl. Betriebskontrolle, biologische, in: Delbrück (Hg.), 1910, 77–78; Betriebskontrolle, chemisch-technische, in: ebd., 78–79. Der Marktführer Schultheiss beschäftigte zu dieser Zeit in Berlin in drei Laboratorien Chemiker und Biologen, die neben Malz und Gerste vor-

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Abb. 37: Rohstoffkontrolle als Aufgabe: Betriebslaboratorium der Schultheiss AG 1910

die technische Analyse und das Mikroskop«399. Entscheidend wurde dabei die Gerstenanalyse, die neben die Malzkontrolle trat, aber eben nicht beim zu verarbeitenden Endprodukt ansetzte, sondern Qualitätsbestrebungen auch auf die vorgelagerte Produktionsstufe übertrug. Die Laboratorienleiter waren teils Chemiker, meist aber akademisch ausgebildete Brauer. Innerhalb der Brauerei gewannen sie rasch eine wichtige Position und galten vielfach als »rechte Hand eines jeden fortschrittlich denkenden Betriebsleiters.«400 Qualitätskontrolle war ihre Hauptaufgabe und sie garantierten damit »eine sichere Schaffensbasis«401 des Betriebes. Die Durchsetzung der Betriebslaboratorien ging einher mit der des Reinheitsgebotes, das im Norddeutschen Brauereigebiet seit 1909 galt. Durch die neuen Netzwerke des Wissens war es nicht nur leichter, die zahlreichen Surrogate genauer zu bestimmen402 und den selbst gewählten Normierungsrahmen effektiv und glaubwürdig einzuhalten. Betriebslaboratorien symbolisierten vielfach die »Reinheit« des deutschen Bieres.403 Die damit verbundene Vorstellung, Bier sei ein aus wenigen Naturnehmlich Hefen und Wasser untersuchten. Balneologische Forschung wurde hier unmittelbar ökonomisch relevant, während die im Weltkrieg eingesetzte Nährhefe ein Folgeprodukt einschlägiger Kontrolltätigkeit war. 399 Haase, [Georg]: Einkauf der Gerste nach Analyse, Deutsche Brau-Industrie 29, 1904, 107–108, 119–121, 131–133, hier 107. Der Breslauer Kommerzienrat richtete zudem ein Musterlaboratorium ein, das für viele Betriebe Vorbild war. 400 Bauer, Paul: Die Brauerei und Mälzerei, Hannover 1909, 23. 401 Concurrenz und Publikum, Deutsche Brau-Industrie 29, 1904, 465–466, hier 465. 402 Vgl. Mumme, P.: Surrogatverbot und Obergährung, Deutsche Brau-Industrie 29, 1904, 657–658; Zum Surrogat-Verbot, Deutsche Brau-Industrie 29, 1904, 803–804. 403 Vgl. etwa Schultheiss-Patzenhofer Brauerei-Aktiengesellschaft Berlin, in: Brauindus­trie, 1930, 251–258, hier 258; Erste Genossenschaftsbrauerei Berlin-Friedrichshagen E. G.m.b.H., in: ebd., 259–263, hier 262.

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produkten gleichsam ideal komponiertes Getränk, das nicht wirklich zu verbessern sei, führte allerdings auch dazu, dass die Laboratorien der Brauereien kaum mit der Produktentwicklung betraut waren. In der Schokoladenindustrie war dies anders. Schokolade war ein leicht zu transportierendes und grundsätzlich länger haltbares Genussmittel, das vornehmlich auf eine kaufkräftige Klientel zielte, während preiswertere Applikationen den urbanen Massenmarkt bedienten. Qualitätssicherung und -differenzierung waren für den Markterfolg unabdingbar. Zugleich aber war Schokolade form- und mischbar, sodass nicht nur eine große Zahl von Variationen bestand, sondern diese auch von der Kundschaft erwartet wurde. In Kap. 4.2.1 haben wir die frühen Selbsthilfebestrebungen der Kakaofabrikanten gegen Anbieter von Surrogatprodukten analysiert, deren wichtigste institutionelle Innovation ein chemisches Verbandslaboratorium bildete. Dessen Vorbild lag beim Rohstoffe liefernden »Verein der deutschen Zuckerindustrie«, der schon 1855 einen Chemiker einstellte und 1868 ein Berliner Privatlaboratorium mit regelmäßigen Produktkontrollen betraute. Einzelne Zuckerfabriken stellten dazu seit 1862 schon eigene Chemiker ein.404 Auch in der Schokoladenindustrie hatte der seit 1877 tätige Verbandschemiker vornehmlich Kontrollaufgaben, doch sollte er zudem helfen »den Kreis der erzeugten Lebensmittel zu vergrößern.«405 Dies war auch der Anlass für den Marktführer Stollwerck 1884 ein eigenes Laboratorium einzurichten; damals waren in der später größten deutschen Nahrungsmittelfirma 400, um 1900 dann über 2.000 Personen beschäftigt. Die Kölner Firma kooperierte – wie auch die Schweizer Konkurrenz406 – seit 1866 mit einem öffentlichen Chemiker, dessen Aufgabe die hygienische Kontrolle der Fabrikation war. Produktanalysen kamen hinzu, im Rahmen der Verbandsaktivitäten engagierte Stollwerck auch vereidigte Chemiker, um Konkurrenzprodukte chemisch zu untersuchen.407 Doch erst die Entscheidung, einerseits einen Eichelkakao, anderseits ein eigenes Kindermehl zu entwickeln, führten zur Errichtung eines Betriebslaboratoriums. Die Besetzung mit Josef Cossak, dem damaligen Assistenten Joseph Königs, dokumentiert gute Beziehungen zu den Größen der Nahrungsmittelchemie. Cossak entwickelte zahlreiche Kombinationspräparate, insbesondere medizinische Schokoladen und Mischungen von Schokolade und Mineralstoffen. Puderkakao wurde kreiert, Fruchtzubereitungen und Backwaren produziert, zahlreiche Patente angemeldet. Gleichwohl handelte es sich noch um relativ einfache Verfahren, die keine detaillierten Stoffkenntnisse erforderten. Diese wurden durch Grundlagenforschung innerhalb 404 Vgl. zur damaligen Betriebsorganisation Der Zucker, in: Das neue Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien, 7. verm. u. verb. Aufl., Bd. 5, Leipzig/Berlin 1878, 41–68. 405 Fincke, 1934. 406 Vgl. Rossfeld, 2007, 188. 407 Kuske, [1941–44], Bl. 192, Stollwerck-Archiv (auch zum Folgenden).

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Abb. 38: Betriebslaboratorium der Stollwerck AG 1934

des Unternehmens allerdings vertieft und deren Ergebnisse vielfach in Fachzeitschriften veröffentlicht. Dadurch etablierte sich das Laboratorium innerhalb der Firma, auch wenn die Zahl der Innovationen mit der stärkeren Fokussierung auf Kakaoprodukte seit Mitte der 1890er Jahre abnahm. Nur bei Modeprodukten, etwa Schokoladenschallplatten, war chemisches Know-how erforderlich. Im Mittelpunkt stand die Qualitätssicherung, inklusive der möglichen gesundheitlichen Folgen von Verarbeitungsverfahren und Zusatzstoffen.408 Überblickt man die knapp 300 Publikationen der Laboratoriumsleiter – bei denen der seit 1923 tätige Heinrich Fincke klar dominierte –, so werden die sich verändernden Schwerpunkte der Arbeit deutlich.409 Chemische und physikalische Untersuchungsverfahren für Produkte und Rohstoffe sowie Arbeiten zur Beschaffenheit und Zusammensetzung von Kakao und Kakaoprodukten dominierten insbesondere bis 1914. Arbeiten über Qualitätskriterien und Qualitätsbestrebungen standen in der Tradition des von Stollwerck wesentlich geprägten Verbandes Deutscher Schokoladen-Fabrikanten, richteten sich in den 1920er Jahren aber zunehmend auch an ein breites Publikum. Dies war Teil einer ganz neuen Aufgabe des Laboratoriums, nämlich der Public Relations nach Innen und Außen. Die Betriebszeitschrift »Stollwerck-Post« spielte dabei eine wichtige Rolle, ebenso Tageszeitungen und Fachzeitschrif 408 Vereinzelt entwickelten sich schon vor dem Ersten Weltkrieg auch Versuchsküchen, die nicht nur gelingende Rezepte entwickelten, sondern das hauswirtschaftliche Geschehen im Vorfeld simulierten. Vgl. etwa für die 1908 gegründete Versuchsküche bei Oetker. Das Buch der Gefolgschaft, o. O. o. J. (1941), 136–139. 409 Ebd., Bl. 195–222.

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ten. Fincke engagierte sich seit Mitte der 1920er Jahr zuerst gegen vermeintlich übertriebene Schlankheits- und Rohkostbestrebungen, dann seit 1929 gegen Reformbewegungen der Ernährung. Er versuchte diese Herausforderungen mit wissenschaftlicher Expertise zu widerlegen: Schokolade galt als nahrhaftes und anregendes Genussmittel, nicht als Karies fördernder Dickmacher. Ergänzt wurde diese Positiv-PR durch zahlreiche Arbeiten zur Geschichte der Süßwaren, die »Schoko-Fincke« dann insbesondere nach seiner aktiven Zeit fortschrieb.410 Trotz dieser beachtlichen Erträge bestand das Laboratorium stets nur aus dem jeweiligen Leiter, ergänzt durch höchstens zwei technische Assistentinnen und zwei Arbeiter. Gerade während der Weltwirtschaftskrise schloss Stollwerck nicht allein Laboratorien in aufgekauften Werken, sondern dünnte auch das Fachpersonal am Hauptsitz aus.411 Gleichwohl besaßen in den 1930er Jahren die größeren Firmen der Schokoladenindustrie durchweg von Nahrungsmittelchemikern geleitete Betriebslaboratorien.412 Wie wichtig diese für den Markterfolg sein konnten, zeigte in den 1920er Jahren die aufstrebende Saalfelder Firma Mauxion, die seit 1911 eine konsequente Qualitäts- und Markenartikelpolitik betrieb und vornehmlich Schokolade, Kakaopulver und Pralinen herstellte. Modernität war hier Werbephilosophie, das von nur zwei Personen betriebene Laboratorium war Teil des Firmenauftritts.413 Qualitätssicherung und Produktinnovationen prägten gleichermaßen das Profil der wissenschaftlich-wirtschaftlichen Arbeit, deren wichtigstes Ergebnis Ende der 1920er Jahre der sog. Mauxiontrunk war, ein »Kakaotrunk« aus Magermilch, Zucker und Kakao, der in ¼ Liter-Milchflaschen mit Strohhalm angeboten wurde. Eine Weiterentwicklung ersetzte die frische Magermilch durch Kondensmilch, wies einen höheren Zuckeranteil auf und wurde in einer Konservenbüchse als schnell zuzubereitendes Convenienceprodukt unter dem Namen »Schokotrunk« angeboten. Diese Innovationen hoben sich deutlich von den Angeboten lokaler Meiereien ab, die durch Pasteurisierung bei hohen Temperaturen vielfach sehr süß sein mussten, um den veränderten Milchgeschmack zu überdecken.414 Das als Entwicklungsabteilung agierende Mauxion-Laboratorium vermochte diese Probleme jedoch ansatzweise zu regeln, wobei die Ware aufgrund der günstigen Magermilch zum Preis von Milch angeboten werden konnte.415 410 Vgl. zu Person und Werk Dr. Heinrich Fincke zur Vollendung des 85. Lebensjahres, DLR 60, 1964, 167–168; Wendt, W.: Dr. Heinrich Fincke als Fachschriftsteller. Dokumentation und Bibliographie, Gordian 64, 1964, Nr. 1525, 5–16. 411 Fincke, 1934, 19. 412 Riecke, Ernst Lothar: Das Süsswarenlexikon, Berlin 1939, 81. 413 Schwädke, 1931, 30–31. Vgl. auch Streitberger, Claudia: Mauxion Saalfeld, Erfurt 2016. 414 Marktverhältnisse und Produktionsverfahren werden erörtert in Verkauf von Schokoladen- oder Kakaomilch, Milchwirtschaftliche Zeitung 34, 1929, 1770–1771, 1812–1813, 1850–1852. 415 Schwädke, 1931, 33.

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Gleichwohl geriet die Innovation, wie auch der ähnlich zusammengesetzte Miag-Kakao der Wiener Milchindustrie A. G., schnell in die öffentliche Kritik. Dies lag zum einen an dem geringeren Vitamingehalt.416 Zum anderen aber geriet der Mauxiontrunk mit den Normierungen der Nahrungsmittelchemiker unmittelbar in Konflikt. Der Begriff »Schokoladentrunk« sei irreführend, da das Getränk nur Kakao enthalte und bei einem »Kakaotrunk« mehr Kakao als Zucker enthalten sein müsse. Stattdessen wurde der Begriff »Milch mit Kakaogeschmack« vorgeschlagen.417 Kritisch wurde gefragt, ob »in diese vornehme Industrie eine unerwünschte Surrogatwirtschaft«418 einziehen würde. Der Markterfolg gab Mauxion allerdings Recht: Der Markenname »Kakaotrunk« blieb bestehen, die Kennzeichnung wurde verändert, seine Herstellung patentiert und in Lizenz von vielen lokalen Anbietern übernommen.419 Deutlich zeigen sich hier die zunehmend abstrakten Konturen einer Wissensgesellschaft, in der gleichartige Logiken miteinander in Konflikt stehen. Die Betriebslaboratorien schufen je länger, je mehr Produkte und Gegenexpertise, durch die die wissenschaftliche Dominanz der Nahrungsmittelchemiker nicht abgelöst, wohl aber herausgefordert wurde. In den 1920er und 1930er Jahren waren die Branchenlaboratorien allerdings noch wichtiger. Sie boten einerseits eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen neuen Wissens, wurden anderseits der inneren Fragmentierung der Nahrungsmittelgewerbe gerecht.

4.3.3 Problemlösungskompetenz. Die Einrichtung von Branchenlaboratorien Ebenso wie die Geschichte der staatlichen und betrieblichen Forschungseinrichtungen ist auch die der Branchenlaboratorien nicht auf einen einfachen Nenner zu bringen. Der Verbandsbildungsprozess, der in den 1870er und 1880er Jahren Wirtschaft und Nahrungsmittelbranche prägte, erfasste auch die Nahrungsmittelindustrie, doch deren heterogene Interessen ließ keine festen Konturen zu – anders als etwa in der Schwerindustrie.420 Das behinderte gemeinsame Forschungsinstitutionen, zumal sich die Profile der Einzelbranchen im Laufe der Jahrzehnte tiefgreifend veränderten. Während die sich aus landwirtschaftlichen Nebenge 416 Ertl, Moriz: Die Bedeutung des Milchfrühstücks für die Schuljugend, Volksgesundheit 4, 1930, 181–189, hier 187. 417 Nottbohm, F[riedrich] E[rnst]: Zubereitungen aus Milch mit Kakao und Zucker, DNR 1929, 17–18. 418 Beythien, A[dolf]: Beobachtungen der Nahrungsmittelkontrolle über Kakao und Schokolade, DNR 1933, 26–30, hier 26. 419 Mauxion Kakaotrunk, Molkerei-Zeitung 50, 1936, Sdr.-Ausg., Beil. [Werbezettel]. 420 Vgl. allgemein Ullmann, Hans-Peter: Interessenverbände in Deutschland, Frankfurt a. M. 1988.

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werben entwickelnden Branchen, etwa die Zuckerindustrie, die Getreideverarbeitung, die Milchwirtschaft und das Gärungsgewerbe, auf einen breiten Kranz staatlich finanzierter, meist dezentral organisierter Lehr-, Versuchs- und dann auch Forschungsanstalten zurückgreifen konnten, mussten entsprechende Institutionen von Herstellern »neuer« verarbeiteter Produkte erst geschaffen werden. Wie das Beispiel der Schokoladenindustrie zeigte, ging es dabei primär um die Setzung gemeinsamer Normen, um Märkte qua Selbsthilfe zu ordnen. Die Branchenlaboratorien blieben vielfach hierbei stehen, während Aufgaben der Produktinnovation von Betriebslaboratorien übernommen wurden. Doch von diesen einfachen Entwicklungslinien gab es Abweichungen, die eng mit der Struktur der jeweiligen Branche zusammenhingen. Betriebslaboratorien wurden rentabel, wenn es den Herstellern gelang, ihre Produkte als nationale Markenartikel zu positionieren, sie mit einem Qualitätsimage oder spezifischem Zusatznutzen zu verbinden. Wurde die Branche dagegen von anonymer Ware geprägt und der Wettbewerb weniger über die Qualität als vielmehr über den Preis ausgetragen, so waren Investitionen in gemeinsam getragene Institutionen sinnvoller. Die Konservenindustrie ist hierfür ein gutes Beispiel. Wie die moderne Bierbrauerei war sie wissensbasiert.421 Wissenschaftliche und technische Basisinnovationen wurden in Produkte umgesetzt, die Grundnahrungsmittel mit dem einfachen Zusatznutzen der Haltbarkeit versahen, sodass die Käufer Zeitsouveränität gewannen. Die Branche war einerseits unmittelbar technikgetrieben, basierte der Übergang vom Handwerk zur Fabrik doch vornehmlich auf dem seit 1873 eingesetzten Autoklaven sowie einer wachsenden Zahl von Spezialmaschinen, insbesondere der seit 1889 verfügbaren Dosenverschlussmaschine.422 Da die Betriebe auf frische Ware angewiesen waren, entwickelten sie sich anderseits in der Nähe landwirtschaftlicher Produktionsschwerpunkte. Der Warenbezug wurde schon früh vertraglich geregelt, Preise, Lieferbedingungen und Zahlungsmodalitäten präzisiert, vor allem aber die zu liefernde Ware durch »Normativbestimmungen« klar umrissen.423 Diese orientierten sich an äußeren Merkmalen, galten zunehmend für alle Anbieter der Branche und schufen so Sicherheit in einem Markt, der wie kaum ein anderer ein Vertrauensgeschäft war.424 Markenartikel hatten sich nicht etabliert. Im Gegenteil, Konserven waren meist 421 Vgl. Stegemann, F[ranz]: Die Konservenindustrie, in: Handbuch der Wirtschaftskunde Deutschlands, Bd. III, Leipzig 1904, 830–844; Spiekermann, Uwe: Zeitensprünge: Lebensmittelmittelkonservierung zwischen Haushalt und Industrie 1880–1940, in: Ernährungskultur im Wandel der Zeiten, Köln 1997, 30–42. 422 Grundinformationen liefert Seidel, Wolfgang: Die deutsche Gemüsekonserven-Industrie, Wiso. Diss. Köln, Breslau 1927, 8. 423 Vgl. Beratung über einige Fragen der Konservenindustrie und des Konservenhandels in Braunschweig, am 29. Januar 1906, Monatsschrift für Handel und Industrie 16, 1906, 28– 37, 56–63 sowie Seidel, 1927 (mit Beispielen derartiger Verträge). 424 Voigt, o. J. (1922), 47.

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nicht gekennzeichnet, Etiketten fehlten, Füllmenge und Hersteller blieben unbekannt.425 Grund hierfür war zum einen die starke Stellung des Kleinhandels, insbesondere der Warenhäuser, die die früheren »Luxusprodukte« auch als preiswerte Massenprodukte vertrieben, zum anderen aber die Saisonabhängigkeit der Unternehmen, die Investitionen in einen großen Maschinenpark kaum lohnend erscheinen ließen.426 Entsprechend gab es um 1900 ca. 300 kleinere und mittlere Betriebe, die fast durchweg Standardware lieferten. Der langsam steigende Konsum ging jedoch einher mit einem zunehmend schlechteren Image der Konserven, das sich aus vielfach zu geringen Füllgewichten, beträchtlichen Qualitätsschwankungen sowie häufig öffentlich thematisierten Gesundheitsstörungen oder gar akuten Vergiftungen speiste.427 Die meisten Fabrikanten reagierten hierauf mit Versuchen, die Rohware zu verbessern, testeten aber seit den 1870er Jahren auch zunehmend industriell produzierte Konservierungsmittel, insbesondere Salizyl-, Benzoe- und Borsäure (Kap. 5.6.4). Die wachsende ökonomische Bedeutung der Konservenindustrie machte sich auch gegenüber dem Staat bemerkbar. Im sog. »Toleranzerlaß« von 1896 wurde entgegen den Bestimmungen des Farbengesetzes von 1887 die sog. Kupfergrünung erlaubt, also die Färbung von Gemüsekonserven bis zu bestimmten Grenzwerten.428 So rational dies im Sinne der Industrie war, so problematisch erschien dies in Bezug auf die Verbraucher. Gegenüber der Kritik der Lebensreformbewegung immunisierte man sich, Rückfragen an die Produktqualität wurden nicht aufgegriffen.429 Trotz dieser relativen Sprachlosigkeit reagierte die Konservenindustrie, doch es handelte sich um brancheninterne Versuche, Produktion und Produkte zu verbessern. Hierzu aber bedurfte es wissenschaftlicher Expertise. Sie etablierte sich im Zentrum der Gemüsekonservenindustrie, im Lande Braunschweig. Fruchtbare Böden, die gerade für Spargel gut geeignet waren, eine rasch expandierende Maschinenbauindustrie und nicht zuletzt preiswerte Arbeitskräfte boten die Grundlage eines regionalen Clusters. 1899 wurde in Braunschweig das private Untersuchungslaboratorium Dr. Friedrich & Dr. Rossée gegründet, das sich vornehmlich der Rohstoffkontrolle und bakteriolo 425 Vgl. zur Forderungshaltung der Öffentlichkeit Gemüsekonserven mit Datum, BVGP 5, 1905, 109. 426 Vgl. hierzu Seifert, Adolf: Konserven-Industrie und -Handel, KR 4, 1907, 108–110; Lux, Käthe: Studien über die Entwicklung der Warenhäuser in Deutschland, Jena 1910, 73–93. 427 Beythien/Hartwich/Klimmer (Hg.), 1919, 187; Thoms, Henry Ed.: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Obst- und Gemüsekonservenindustrie, Monatsschrift für Handel und Industrie 16, 1906, 337–348, hier 347 (Wertung ohne Beleg übernommen von Stegemann, 1904, 843); Schottelius, Max: Antwort auf den »offenen Brief« des Vereins deutscher Konserven-Fabrikanten betreffend giftige Konserven, BVGP 8, 1908, 1–5. Aus Konsumentensicht s. Gerhardt-Amyntor, Dagobert v.: Warum in meinem Hause keine Konserven genossen werden, BVGP 8, 1908, 33–35. 428 Kupfergrünung der Konserven, Monatsschrift für Handel und Industrie 21, 1911, 70. 429 Vgl. Spiekermann, 2004, 61–63.

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gischen Fragen widmete.430 1900 etablierte sich vor Ort mit der »KonservenZeitung« eine erste Fachzeitschrift, die durch die 1901 erfolgte Gründung des »Vereins deutscher Konserven- und Präservenfabrikanten« auf eine sichere finanzielle Grundlage gestellt wurde. Die Zeitung fungierte als Clearingstelle für Produktions- und Produktprobleme, finanzierte aber auch die parallel eingerichtete Auskunftsstelle für die Konserven-Industrie und ein Speziallaboratorium, die »Versuchsstation für die Konserven-Industrie«, die als Branchenlaboratorium fungierte.431 Dessen Arbeiten konzentrierten sich anfangs auf die Produkte, insbesondere auf die Sortenbereinigung. Dazu wurde ein eigenes Versuchsfeld betrieben und eng mit der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft kooperiert.432 Nach der Übernahme des zwar wesentlich für den Branchenverein tätigen, gleichwohl privat geführten Laboratoriums durch den Chemiker Hermann Serger und den Kaufmann Bruno Hempel wurde 1911 eine Versuchskonservenfabrik errichtet, um Maschinen und Verfahren zu testen, aber auch um Betriebsleiter auszubilden. Die Versuchsstation betrieb ferner Auftragsforschung, führte bakterio­ logische Betriebskontrollen durch und beriet die Produzenten beim Einsatz von Halbfabrikaten und Konservierungsmitteln.433 Außerdem war insbesondere Hermann Serger als Gutachter in zahlreichen Prozessen aktiv. Die Braunschweiger Anstalt entwickelte sich zum Wissenszentrum der Konservenindustrie. Die 1914 gegründete Zeitschrift »Die Konservenindustrie«, das 1921 herausgegebene »Konserventechnische Taschenbuch«434 sowie ein nach Kriegsende gegründeter Fachverlag waren weitere Bestandteile eines erst nationalen, dann auch internationalen Expertisenetzwerkes, das 1929 durch die Umfirmierung der Versuchsfabrik in ein »Konserven-Technikum« und zahlreiche ausländische Fachkräfte einen vorläufigen Abschluss fand.435 Das Braunschweiger Branchenlaboratorium fokussierte sich anfangs insbesondere auf Warenkunde und Betriebstechnik und verkörperte ein isoliertes Wissensideal: »Alle Subjektivität muß ausgeschaltet werden, alles was die Objektivität fördert, ist willkommen.«436 Wissenschaft wurde als Dienstleistung für die Industrie verstanden, Praxis und Theorie sollten sich wechselseitig befruchten.437 Angesichts des wachsenden öffentlichen 430 50 Jahre chem. Laboratorium Dr. Rossée, Braunschweig, IOGV 34, 1949, 60. 431 Hempel, Robert: 50 Jahre Versuchsstation, IOGV 35, 1950, 204–205. 432 Die braunschweigische Spargelkultur, MDLG 20, 1905, 17–18. 433 Schwerpunkte der Arbeit vermittelt Forster, [Arthur]: Jahresbericht 1919 des Laboratoriums der Versuchsstation für die Konservenindustrie Dr. Serger und Hempel, Braunschweig, ZÖC 27, 1921, 10–12, 31–33. Es ist allerdings bezeichnend für die Kriegsernährungspolitik, dass beide Leiter der Versuchsanstalt bei Kriegsbeginn eingezogen wurden. 434 Serger, H[ermann]/Hempel, Bruno: Konserventechnisches Taschenbuch, Braunschweig 1921. 435 H. Serger 70 Jahre, IOGV 38, 1953, 384. 436 Serger, 1912, 70. 437 Serger, H[ermann]: Konserven und Volksernährung, Die Konserven-Industrie 1914, Nr. 1.

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Drucks auf die Qualität der Konserven trug das Branchenlaboratorium einerseits dazu bei, die Produktion »sanfter« zu gestalten, wirkte anderseits aber dabei mit, das Image der Konserven durch Wissenschafts-PR insgesamt zu verbessern. Die Entdeckung der Vitamine war für die Konservenindustrie erst einmal problematisch. Das galt weniger für den vornehmlich am Ende der 1920er Jahre geführten »Kampf Rohkost gegen Konserve«438, sondern stärker angesichts der schon in den 1910er Jahren thematisierten Folgen von Hitzeeinwirkung auf die Vitamine. Die Versuchsstation griff diese Herausforderung unmittelbar auf, transformierte sie erst einmal in ein Optimierungsszenario: »Eine fortschrittliche Konservierungstechnik hat […] die Aufgabe, diese Fehler auf ein Mindestmaß einzuschränken.«439 Veränderungen betrafen vornehmlich das sog. Blanchieren, also das Vorkochen des Konservierungsgutes mit anschließender Kühlung in kaltem Wasser. Dies schien sinnvoll, weil so Obst und Gemüse  – letzteres ja häufig mit Fäkalien gedüngt  – gereinigt wurden, zugleich aber eine bessere Farbe und beständigere Konsistenz erhielten. Dadurch aber wurde das Konservierungsgut »ausgelaugt«, verlor Mineralstoffe und Vitamine. Ersteres belegte schon vor dem Ersten Weltkrieg der Chemiker und Lebensreformer Ragnar Berg, letzteres folgerte aus Einzelstudien. Serger überprüfte dies 1917 und empfahl nach dem Krieg das sog. Huchsche Verfahren, das schon 1914 intensiv diskutiert wurde.440 Kochen wurde durch Dämpfen ersetzt, der Kontakt zwischen Produkt und Temperaturträger damit minimiert. So konnten Stoffverluste reduziert werden. Keimfreiheit und Haltbarkeit sollten auch bei niedrigeren Temperaturen möglich sein.441 Unter Beachtung insbesondere US -amerikanischer Industrieforschung gelang dies. So konnten auch die Erhitzungszeiten verringert werden, um die Vitamine weniger stark zu schädigen.442 Neben derartige Prozessoptimierungen trat aber auch weitere Grundlagenforschung, um aus der argumentativen Defensive gegenüber der Vitaminforschung herauszukommen. Chemische Analysen und Fütterungsversuche ergaben, dass Vitamine keineswegs sämtlich durch Hitzeeinwirkung zerstört wurden, dass vielmehr je nach Vitamin und Konservierungsgut beträchtliche Unterschiede

438 Nehring, Eduard: Forschung und Konservierungstechnik in der Obst- und Gemüseverwertungs-Industrie, IOGV 37, 1952, 66–67, hier 66. 439 Serger, H[ermann]: Moderne Konservierungstechnik, Die Umschau 27, 1923, 769–773, hier 770. 440 Vgl. Huchsches Konservierungsverfahren (D. R. P.), BVGP 14, 1914, 127–128; Huch, Arthur: Altes und Neues über Gemüse und Gemüsekonserven, VW 47, 1914, 14–16; Kochs: Ein neues Konservierungsverfahren, seine Nachprüfung und Beurteilung, VW 47, 1914, 195–196; Serger/Hempel, 1919, 119. 441 Serger, 1923, 772. 442 Vgl. etwa Konservierung und Vitaminzerstörung, Die Volkernährung 4, 1929, 252– 254; Pietsch, Albert: Das Vitamin C in Büchsenkonserven, Die Umschau 29, 1925, 702–703; Voigt, o. J. (1922), 61.

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bestanden.443 Für die Wissenschafts-PR besonders wichtig waren vergleichende Studien zur Haushaltspraxis, nach denen »Nahrungsmittelkonserven die Vitamine in derselben Menge enthalten, wie dieselben Nahrungsmittel, wenn sie auf gewöhnlichem Wege gekocht werden.«444 Für die Wissenschaftler bedeutete dies weiteren Forschungsbedarf, um die stoffliche Zusammensetzung der Rohware zu ermitteln bzw. die Konservierungs- bzw. Sterilisierungstechnik produktspezifisch anzupassen. Zugleich ergaben sich dadurch beträchtliche Anreize für die Pflanzenzüchtung. Die Konservenindustrie, deren Expertise durch das 1925 eingerichtete Forschungsinstitut der deutschen Fleischwaren-Industrie nochmals gestärkt wurde, argumentierte weiterhin mit der hohen Qualität ihrer Produkte, empfahl Konserven jedoch stets im Rahmen einer ausgewogenen Mischkost.445 In der Werbung betonte man den Vitamingehalt auch von Konserven, hob zugleich die Convenienceeigenschaften deutlich stärker hervor und verwies zudem auf die sonstigen, reichlich vorhandenen Nähr-, Geschmacks- und Appetitstoffe. Angesichts des veränderten stofflichen Wissens wurde es für den Markterfolg zunehmend wichtiger, Produkt- und Wissensproduktion durch die Gründung von selbstbestimmten Laboratorien oder aber durch Auftragsforschung in Gleichklang zu bringen.446 Diese Interaktionen zwischen Wirtschaft und Öffentlichkeit resp. Wirtschaft und öffentlich alimentierter Wissenschaft verdeutlichen nicht nur ein weiteres Vordringen des Stoffparadigmas, sondern auch die steigende Komplexität der Wissensmärkte der 1920er Jahre. Für die Laboratorien der Wirtschaft bedeutete dies Grundlagenforschung, die sich nicht mehr allein auf die Technik, sondern auch auf die stoffliche Zusammensetzung der Produkte bezog. Auch offenkundige Problemlagen, etwa bei der Konservenbakteriologie, konnte so angegangen werden. Das damit erworbene neue Wissen war multifunktional: Bestehende Produkte konnten dadurch an veränderte Anforderungen angepasst, neue Produkte entwickelt werden. Qualitätsdifferenzierung ging mit tendenzieller Qualitätshebung einher; auch um dem seit Mitte der 1920er Jahre wachsenden Wettbewerbsdruck ausländischer Anbieter zu begegnen.447 Dadurch konnten neue Verbrauchergruppen gewonnen werden, nahm der Verbrauch von Konserven doch gerade in dieser Zeit deutlich 443 Remy, E[duard]: Konserven und Vitamine, Die Umschau 32, 1928, 484–487. 444 Weitzel, Willy: Das Verhalten der Vitamine bei der Herstellung von Konserven, VE 1, 1926/27, 428–431, hier 428. 445 Schwerdt, [Heinz]: Die deutsche Fleischkonserven-Industrie, VE 1, 1925/26, 427–428, hier 428. 446 Stärker als die Privatindustrie propagierten die Konsumgenossenschaften den Maschineneinsatz. Die moderne Hausfrau solle konsequent auf die »fabrikmäßige Ware« (Saul, H.: Soll die Hausfrau selbst konservieren?, Konsumvereinsbote für Rheinland und Westfalen 20, 1927, 44) setzen, nicht aber selber einmachen. Die Verbrauchervertreter fokussierten sich also auf preiswerte und hygienisch einwandfreie, nicht aber auf besonders vitaminhaltige Lebensmittel. 447 Köppen, 1931, 500.

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zu.448 Zugleich erlaubte die eigene Expertise eine intensivere Kommunikation mit den Verbrauchern: Neben Gebrauchsanweisungen, wie Rezepten und Kochbüchern, traten zunehmend Vorträge und Vorführungen.449 Die Laboratorien wurden so gleichsam Teil des Alltags, Arbeitsorte von Wissenschaftlern, die als Experten ihr Wissen mit der Öffentlichkeit teilten. Die Wirtschaft etablierte damit neues, für den Markt funktionales Wissen. Zugleich wurde sie dadurch interessanter für öffentlich alimentierte Wissenschaftler.450 Beispiel hierfür ist der Ende Juli 1930 gegründete »Fachausschuß für Forschung in der Lebensmittelindustrie«.451 Während 1922 im Reichsausschuß für Ernährungsforschung noch Staat und Wissenschaft kooperierten, um volkswirtschaftlich dringliche Forschungsaufgaben anzugehen, kooperierten nun wissenschaftliche Fachorganisationen miteinander, um sich über betriebswirtschaftlich drängende, volkswirtschaftlich relevante, für die Wissenschaftler aber auch lukrative Forschungsfelder auszutauschen. Im Fachausschuß kooperierten Ingenieure (VDI), Chemiker (Verein Deutscher Chemiker) und Tierärzte (Reichsverband Deutscher Gemeindetierärzte), um »planmäßige Forschung«452 in der Fleisch-, Milch- und Fischwirtschaft in Gang zu setzen. Angesichts der Weltwirtschaftskrise scheiterte die Finanzierung, doch interdisziplinäre Forschung über Fragen wie die »Zusammensetzung und die Abbauprodukte des Fischeiweißes« sowie die »Vervollkommnung der Schnellgefrierverfahren« knüpften nicht allein an Fragestellungen der Bromatik an, sondern verdeutlichten auch, dass Wissen dieser Art unabdingbar für Markterfolg und Versorgungssicherheit geworden war. Entsprechend war es nur konsequent, dass auch die großen Einzelhandelsunternehmen spätestens Ende der 1920er Jahre eigene Laboratorien einrichteten, die vorrangig der Qualitätskontrolle dienten, die aber auch eigene Handelsmarken entwickelten.453 Die Verwissenschaftlichung der Lebensmittelproduktion erweiterte die Spielräume der Wirtschaft, veränderte zugleich aber ihre Richtung. Es ging nicht 448 Vgl. die Daten bei Winkler, E.: Welchen Umfang nimmt die Konserve in unserer Ernährung ein?, ZfE 1, 1931, 307–312. 449 Vgl. Bode, Martha: Die Ernährungssachverständige – ein neuer Frauenberuf, Soziale Medizin 1, 1928, 161–166, hier 164. 450 Nicht zu vernachlässigen sind die öffentlichen Chemiker, die als selbständige Gewerbetreibende kostengünstig Analysen, Gutachten und Kontrollen übernahmen. Vgl. hierzu Popp, H.: Das deutsche Lebensmittelgesetz und seine Bedeutung für die selbständigen öffentlichen Chemiker, DNR 1927, 170–172. Daneben gab es auch Beratungsstellen anderer Branchen, vgl. Lange: »Die Ziele der Zentralstelle für Chemie und Wirtschaft.«, ZUL 52, 1926, 40–41. 451 Vgl. Fachausschuß für Forschung in der Lebensmittelindustrie, ZKI 37, 1930, 156–158. 452 Fachausschuß für die Forschung in der Lebensmittelindustrie, Die Fischwirtschaft 7, 1931, 33–37, hier 33. 453 Vgl. zum GEG -Laboratorium bzw. dem der Berliner Konsumgenossenschaft Ein neues Lebensmittelgesetz, Die Konsum-Genossenschaft 7, 1927, 149. Zur Diffusion analytischer Verfahren vgl. Pöschl, Viktor: Die Warenprüfungen des Einzelhandels, in: Seyffert, Rudolf (Hg.): Handbuch des Einzelhandels, Stuttgart 1932, 655–692, insb. 656–659.

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mehr allein um die einsträngige Sicherung bestehender Märkte, sondern auch um Innovation und Markterweiterung. Zugleich etablierte sich innerhalb der Wirtschaft fachliche Expertise, die meist zu vertiefter Kooperation innerhalb des eisernen Dreiecks führte. Stoffliches Wissen konnte so eine Brückenfunktion übernehmen: Die Logik künstlicher Kost führte Wirtschaft, Wissenschaft und auch den Staat zu gemeinsamen Aktivitäten zusammen.

4.4 Umstrukturierung des primären Sektors: Agrarmarketing als Rationalisierungsinstrument Künstliche Kost wird in der Regel mit industrieller Produktion assoziiert. Doch Landwirtschaft und ländliche Verarbeitungsindustrien produzierten schon vor 1914 vielfach marktbezogen und orientierten ihre Arbeit nicht nur an bestimmten chemisch definierten Parametern, etwa dem Fettgehalt der Milch, sondern profitierten über Saatgut, Dünge- und Futtermittel auch von den Agrarwissenschaften. Wenngleich der Mechanisierungsgrad noch gering war, gab es 1909 doch ca. 70 landwirtschaftliche Versuchsanstalten, in denen ca. 300 Chemiker tätig waren.454 Diese standen für eine systematische und reflektierte Entkontextualisierung und Neudefinition der Agrarproduktion – also den Übergang zu künstlicher Kost.455 Die Rationalisierung der Landwirtschaft war nach den Kriegserfahrungen unabdingbar. Die Agrarwirtschaft war auch während der Weimarer Republik ein Faktor von Gewicht und trotz der Gebietsabtretungen aufgrund des Versailler Vertrages ökonomisch weitaus wichtiger als die meisten der gemeinhin von Wirtschaftshistorikern thematisierten Branchen.456 Die Milchwirtschaft setzte 1930 mehr um als Stahlindustrie und Bergbau zusammen. Im Juni 1933 waren im primären Sektor 9,0 Mio. Personen erwerbstätig, in Industrie und Handwerk trotz wieder anziehender Konjunktur dagegen nur noch 8,9 Mio.457 454 König, 1909, 181. Vgl. allgemein Harwood, Jonathan: Technology’s Dilemma. Agricultural Colleges between Science and Practise in Germany, 1860–1934, Oxford u. a. 2005;­ Uekötter, 2010, 146–159. 455 Vgl. zu den inneren Differenzen Spiekermann, Uwe: Der Agrarbetrieb, in: Geist­hövel/ Knoch (Hg.), 2005, 109–117. 456 Ambrosius, Gerold: Agrarstaat oder Industriestaat  – Industriegesellschaft oder Dienstleistungsgesellschaft? Zum sektoralen Strukturwandel im 20. Jahrhundert, in: Spree, Reinhard (Hg.): Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, München 2001, 50–69. Diese relative »Rückständigkeit« galt Tooze, Adam: Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007, 202–203, als Beleg für die »schwache« Ökonomie des Deutschen Reiches. Er unterschätzte dabei die beträchtlichen strukturellen Veränderungen seit Mitte der 1920er Jahre. 457 Berufszählung. Die berufliche und soziale Gliederung der Bevölkerung des Deutschen Reichs, H. 2: Die Erwerbstätigkeit der Reichsbevölkerung, Berlin 1936 (St DR , Bd. 453,2), 2/11.

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Die Landwirtschaft – und mit gewisser Zeitverzögerung auch die nachgelagerte Produktion  – befand sich im Gefolge der Überproduktion nach dem Ersten Weltkrieg allerdings in einer strukturellen Krise, die sich seit 1925/26 in dramatisch fallenden Preisen, schwindender Rentabilität sowie einem wachsenden Importdruck niederschlug.458 Die deutschen Einfuhrzölle waren aufgrund des Meistbegünstigungsrechts der Waffenstillstandsverträge sowie durch den Zwang, durch Fertigwarenexporte Devisen zu erwirtschaften, relativ gering. Die Zollerhöhungen 1925, 1928 und dann vor allem 1930 bis 1932 erschienen den Zeitgenossen zwar beträchtlich, doch blieben sie immer noch unter dem Bülow-Tarif und wiesen geringere Steigerungsraten auf als in vielen anderen Staaten.459 Vor diesem Hintergrund war eine institutionelle Reform im Inneren nicht nur sinnvoll, sondern unabdingbar. Werbung für die eigenen Produkte war Ausdruck dieser Reform. Dabei lassen sich klare Akzentverschiebungen feststellen, die mit den Begriffen Aufklärung, Erziehung und Führung charakterisiert werden können. Im Folgenden bedeutet Aufklärung die Vermittlung von objektiviertem wissenschaftlichem Wissen an Individuen zwecks Wissenstransfers. Der Begriff Erziehung zielt weiter und reicht tiefer, denn er umfasst Wissensvermittlung an Individuen und segmentierte Zielgruppen mit dem Ziel, praktisches Wissen und Handeln qua Einsicht zu optimieren. Führung schließlich beinhaltet autorative Vermittlung wissenschaftlichen Wissens an Gruppen durch politische oder politisch unmittelbar rückgebundene Institutionen, um so deren praktisches Wissen und Handeln gezielt zu verändern. Die Entwicklung der Agrarwerbung ging zwischen 1924 und 1939 von der Aufklärung über die Erziehung hin zur Führung.460 Sie spiegelt zugleich eine wachsende Verbindlichkeit des Wissens des eisernen Dreiecks für die darin nicht institutionalisierten Konsumenten. Im Zusammenhang mit der Ausbildung des eisernen Dreiecks akzentuiert die Typologie die wachsende Vernetzung der Akteure. Aufklärung beinhaltete vorrangig die Vermittlung objektivierten Wissens, Erziehung integrierte im Regelfall wirtschaftliche Akteure, Führung zudem staatliche Institutionen. Die Fokussierung der folgenden Analyse auf Agrarprodukte, also tendenziell geringer verarbeiteter Waren, verdeutlicht auch, dass und wie objektiviertes Wissen nun auch in Branchen vordrang, in denen zuvor traditionelle, subjektive Wissensformen dominierten.

458 Paulsen, Sigurd/Siemon, Hans: Hand in Hand. Ein Nachschlagebüchlein über die wichtigsten Vorzüge deutscher Waren für jeden, der mithelfen will, Essen o. J. (1933), 2. 459 Zum Gesamtproblem detailliert Schiller, Karl: Marktregulierung und Marktordnung in der Weltagrarwirtschaft, Jena 1940. 460 Allerdings gab es schon zuvor Forderungen nach Führung, vgl. Bieber, E.: Die Wichtigkeit der Qualität unserer landwirtschaftlichen Erzeugnisse, MDLG 41, 1926, 412.

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4.4.1 Kopfwissen. Institutionen einer neuen Werbewelt Während der Frühphase der Weimarer Republik stand – abseits der hier nicht zu behandelnden Werbung der Markenartikel- und Konsumgüterindustrie bzw. des Einzelhandels – Aufklärung des Publikums im Mittelpunkt der noch recht begrenzten Aktivitäten.461 Ausstellungen bildeten dabei Höhepunkte: Auf der national indifferenten Grundlage der organischen Chemie und der Physiologie klärten sie über den Wert der Lebensmittel auf, propagierten daher auch später umstrittene Produktgruppen wie Südfrüchte, Gefrierfleisch oder Margarine.462 Sie erreichten Abermillionen; allein die Düsseldorfer Gesolei besuchten 1926 ca. 7,5 Millionen Menschen.463 Das Kernproblem der Agrarwerbung lag aber weniger im ernährungswissenschaftlichen Grundwissen, sondern in der Struktur des Angebotes und des Marktes. Die Aufklärung des Konsumenten über physiologische Körpernormen und die Zusammensetzung der Lebensmittel war wichtig, Erziehung des Konsumenten hin zum Kauf deutscher Produkte setzte aber ein konkretes Angebot voraus. Der Agrar- und Ernährungsmarkt stellte jedoch immense Koordinierungs- und Wissensaufgaben: Es handelte sich 1933 um einen Markt von mehr als drei Mio. Produzenten, von denen weit über 2 Mio. unmittelbar marktbezogen produzierten.464 Massenproduktion war die Ausnahme, obwohl es sich vorrangig um Massenprodukte handelte.465 Trotz einheitlicher Namen – etwa »Getreide« oder »Kartoffeln« – waren die Produkte höchst heterogen und wiesen große regionale Unterschiede auf. Ihr Differenzierungsgrad war gering, zumal präzise Kennzeichnungen nicht vorgeschrieben waren.466 »Milch« etwa wurde mittels Fettgehalt definiert, doch dieser unterschied sich von Milchregulativ zu Milchregulativ, von denen es im Deutschen Reich mehr als 1.200 gab.467 Die Landwirtschaftskrise machte diese 461 Vgl. zum Aufklärungsdiskurs etwa Das Plakat im Dienste der Aufklärung über Ernährungswerte, Fensterbau und Ladenbau 3, 1927, 2; Winckel, Max: Aufklärung des Städters über die Versorgung der Städte mit Nahrung, VE 5, 1930, 38–39; Die Mitarbeit des Chemikers an der Aufklärung über richtige Ernährung, Zf VED 6, 1931, 129–130. 462 Vgl. Hensel: Schutz und Steigerung der deutschen Erzeugung als Grundlage der deutschen Wirtschaftspolitik, Archiv des deutschen Landwirtschaftsrates 47, 1928, 39–50. 463 Stöckel, Sigrid: Die große Ausstellung über GE sundheitspflege, SOzialfürsorge und LEIbesübungen – Gesolei – 1926 in Düsseldorf, in: Ideologie der Objekte – Objekte der Ideologie. Naturwissenschaft, Technik und Medizin in Museen des 20. Jahrhunderts, Kassel 1991, 31–38. 464 Vgl. Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 54, 1935, 70. 465 Fensch, H[ans] L[udwig]: Bauernbetrieb und Großbetrieb als Versorgung des deutschen Marktes, ADLR 48, 1930, 160–193 (inkl. Disk.), hier 183. 466 Vgl. etwa Beckmann, [Fritz]: »Markt und Landwirtschaft«, MDLG 45, 1930, 520–522. 467 Vgl. allgemein Koch-Weser, 1931.

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Strukturprobleme der Agrar- und Ernährungswirtschaft dramatisch deutlich.468 Mit dem Übergang zum Käufermarkt veränderten sich zudem die Konsum- und Einkaufsgewohnheiten469 – auch auf Basis des Wissens der Neuen Ernährungslehre (Kap. 2.3.2). Agrarökonomen plädierten zunehmend dafür, von den erfolgreichen Absatzbestrebungen der ausländischen Konkurrenz aus Dänemark, den Niederlanden und den USA zu lernen.470 Das führte zu einer doppelten Verwissenschaftlichung des Markthandelns: einerseits wirtschaftswissenschaftlich, anderseits agrar- und ernährungswissenschaftlich. Erst das damit verbundene abstrakte wissenschaftliche Wissen ermöglichte die Koordinierung von Millionen von Anbietern und die Schaffung eines in Abstufungen einheitlichen Angebotes. Werbung stand dabei für mehr als eine kommerzielle Scheinwelt. Sie war strategisch zentral, weil sie nur dann erfolgreich sein konnte, wenn die mit glaubwürdiger Werbung verbundenen Aufgaben bei Produzenten, Großhändlern, Verarbeitern und Einzelhändlern systematisch angegangen wurden. Werbeversprechen wie »gesunde« Kost oder aber normierte Qualität hatten immense Konsequenzen für die Organisation von Produktion und Absatz. Produktwerbung bedeutete daher seit Mitte der 1920er Jahre den Beginn einer umfassenden Marketingorientierung der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Aufklärung, Erziehung und Führung umgriffen nicht allein und nicht primär die Verbraucher, sondern zielten vorrangig auf die Anbieter. Wirtschafts- und Ernährungswissenschaften beherrschten gemeinsam das Feld, verbanden sich zu einer Wissensoffensive bisher unbekannten Ausmaßes. 1924 setzten erste regionale Bestrebungen ein, Markenprodukte zu schaffen und Qualitätsnormen zu vereinbaren (Kap. 4.2.4).471 Sie wurden von landwirtschaftlichen Vereinen oder Kammern getragen und von der wachsenden Zahl wissenschaftlicher Institute unterstützt. Erste Branchenzusammenschlüsse zur Werbung für einheimische Agrarprodukte entstanden 1926, der Reichsmilch-

468 Vgl. Sering, M[ax]: Die internationale Agrarkrise, Berichte über Landwirtschaft NF 2, 1925, 259–304; Zörner, [Hans]: Die Ursachen der Agrarkrise und die für die Landwirtschaft daraus zu ziehenden Folgerungen, MDLG 41, 1926, 1075–1080 (inkl. Disk.). Systematisierend hierzu Rüße, 1996. 469 Wie später in den 1950er Jahren sprach man vom Übergang »von der Massennahrung zur Qualitätsnahrung«, »von den Kohlenhydraten zum Eiweiß« und »von der Mischmaschware […] zur Standardware mit gleichmäßiger Verpackung« (Beckmann, F[ritz]: Die Stellung der deutschen Landwirtschaft auf dem Binnenmarkt, MDLG 43, 1928, 818–820, hier 818). 470 Schindler, [Axel]: Marktbeobachtung und Betriebserfolg in der Landwirtschaft, MDLG 43, 1928, 166–178. Vgl. auch Paulsen, Sigurd: »Denk deutsch. Kauf deutsch«. Ein Reisebericht über deutsche Heimat und heimische Waren, Berlin o. J. (1933). 471 Details und Kontext finden sich in Die Lage der deutschen Milchwirtschaft. Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses für Landwirtschaft (II . Unterausschuß), Bd. 15, Berlin 1931.

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ausschuss agierte wegweisend.472 Finanziell entscheidend war jedoch die massive staatliche Unterstützung der Absatzorientierung seit dem landwirtschaftlichen Notprogramm 1928.473 Dieses pumpte u. a. jährlich 31 Mio. RM in den Aufbau von landwirtschaftlichen Werbeausschüssen. Tab. 1: Landwirtschaftliche Werbeausschüsse 1930 Produkte

Organisation

Milch/-erzeugnisse

Reichsmilchausschuß, Berlin

Geflügel, Eier

Reichsausschuß für Geflügel- und Eierverwertung, Berlin

Obst, Gemüse

Reichsverband des deutschen Gartenbaues, Abt. Werbung, Berlin

Kartoffeln

Deutsche Kartoffelbaugesellschaft, Berlin Vereinigung der Markenkartoffelverbände

Zucker

Verein der deutschen Zuckerindustrie, Berlin

Honig

Reichsausschuß zur Förderung der Bienenzucht, Berlin

Fleisch

Hauptausschuß für deutsche Fleischerzeugung/-verwertung, Berlin

Seewasserfische

Reichsausschuß für Seefischpropaganda

Süßwasserfische

Propagandaausschuß für Karpfen und Schleie, Breslau

Roggenprodukte

Nachrichtenstelle beim Deutschen Landwirtschaftsrat, Berlin Institut für Bäckerei und Müllerei, Berlin

Wein

Reichausschuß für Weinpropaganda, Berlin Propagandaverband der preußischen Weinbaugebiete, Bonn

Bier

Deutscher Brauerbund, Berlin

Zusammengest. n. Nachrichtenstelle, Archiv des Deutschen Landwirtschaftsrates 49, 1931, 268–293, hier 272–273.

Das Nebeneinander verschiedener Institutionen, die allesamt auf ähnliche Konsumentengruppen zielten, ergab allerdings erhebliche Kannibalisierungseffekte. Daher etablierten Staat und Agrarverbände Dachorganisationen, deren Aufgabe 472 Vgl. etwa Die Aufklärungs- und Werbetätigkeit des Reichsausschusses für Förderung des Milchverbrauchs (Reichsmilchausschuß), MZBl 59, 1930, 405–409; Richter: 5 Jahre Reichsmilchausschußbewegung, MZBl 60, 1931, 171–172 sowie insbesondere zu Vorgeschichte und Kontext Orland, Barbara: Milchpropaganda vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Konvergenzen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Ernährungsreform, in: Rasch, Manfred/Bleidick, Dietmar (Hg.): Technikgeschichte im Ruhrgebiet, Essen 2004, 909–933. 473 Vgl. Perlitius: Das Notprogramm der Reichsregierung, Ernährungswirtschaft 2, 1928, 105–106.

Umstrukturierung des primären Sektors  

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Abb. 39a+b: Moderne Werbeformen – Beispiele aus der Arbeit des Reichsmilchausschusses

die Koordinierung der Branchenwerbung war. 1930 wurden sowohl der Volkswirtschaftliche Aufklärungsdienst als auch der Ständige Werbeausschuß des Deutschen Landwirtschaftsrates gegründet. Ziel ihrer Aktivitäten war die koordinierte Werbung für Inlandsware, sei es allgemein »deutscher Ware«, spezifischer Produktgruppen oder aber einzelner Lebensmittel. Ein Blick auf die Werbemittel macht deutlich, dass auf allen von der späteren Marketingtheorie vorgeschlagenen Ebenen vorgegangen wurde. Der Konsument wurde nicht mehr allein aufgeklärt, sondern man versuchte zunehmend ihn zu erziehen. Die Kernbotschaften vermittelte man dazu nicht allein medial, sondern immer auch praktisch, direkte Kommunikation und Erlebnisgehalte waren integrale Bestandteile der Agrarwerbung. Der Reichsmilchausschuß nutzte Werbeformen, die Experten in die USA kennengelernt hatten474: Reichsweit in Läden und an Litfaßsäulen angebrachte Werbeplakate, Luftwerbung, Milchhäuschen auf Sportplätzen und in Neubausiedlungen oder auch karnevaleske Werbefiguren.475 474 Vgl. etwa Lichtenberger, B[erthold]: Die Milchversorgung der amerikanischen Großstädte, Berlin 1926; Trendtel, [Friedrich]: Die Milchpropaganda und ihre Bedeutung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Molkerei-Zeitung 42, 1928, 1967–1971, 2005–2008. 475 Vgl. entsprechende Abbildungen in Hoenow: Vom Provinzialmilchausschuß Hannover, HLFZ 81, 1928, 165–167; MZBl 59, 1930, 421; M[eysahn, Willi]: Wagen für den Flaschenmilch-Vertrieb, MZBl 57, 1928, 314–316.

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Abb. 40a+b: Moderne Werbeformen – Beispiele regionaler Werbearbeit

Regional und lokal fand man kleinteiligere Werbeformen in kundenspezifischer Brechung. Gerade die seit 1930 einsetzenden »Deutschen Wochen« mit ihrer Paraden- und Ausstellungskultur verdeutlichen, dass es hier um die Mobilisierung und um aktivierende Erziehung des Verbrauchers (und der Produ-

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zenten) ging.476 Führung im eigentlichen Sinne gab es zu diesem Zeitpunkt nicht.477 Staatliche Instanzen unterstützten die Agrar- und Ernährungswirtschaft aus interessenpolitischer Verantwortung, während sich der Kaufappell allgemein auf deutsche, nicht aber spezifisch erwünschte Angebote richtete – sieht man einmal ab von den durch die Weltwirtschaftskrise ohnehin naheliegenden Maßhalteappellen.478

4.4.2 Marketing. Konsumentenorientierung und betrieblicher Wandel »Nehmt deutsches Malz, ihr deutschen Brauer! So helfet ihr dem deutschen Bauer.«479 »Vollschlank, das ist heut’ modern, Drum genießt man Schlagrahm gern.«480 – Werbeslogans wie diese sind typisch für die Werbesprache vieler Werbeausschüsse Ende der 1920er Jahre. Angesichts der seit Jahrzehnten elaborierten, schon vor 1914 ästhetisierten Markenartikelwerbung scheint es nur folgerichtig, dass sich die historische Forschung eher auf die Konsumgüterindustrie, v. a. aber auf die Markenartikelproduzenten konzentrierte.481 Diese ist nach wie vor bestimmt von einigen heuristisch anregenden, empirisch aber wenig überzeugenden Stufenkonzepten.482 Fritz Blaichs Unterscheidung von Produktions-, Verkaufs- und Marketingorientierung bzw. Richard Tedlows Differenzierung zwischen Fragmentation, Unification, Segmentation und Hypersegmentation konzentrieren sich einerseits auf die Binnen- und Organisationsperspektiven

476 Kräutle, Karl: Gemeinschaftswerbung für deutsche Erzeugnisse. Landwirtschaft und »Deutsche Woche«, MDLG 46, 1931, 950–951. 477 Das änderte sich seit 1933, vgl. Hoffbauer, Frank: Weinwerbung und politische Propaganda. Zur Entwicklung des Moselfestes zu Winningen in den Jahren 1933–1939, Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 23, 1997, 529–549. 478 Vgl. Absatzankurbelung auf dem Binnenmarkte  – das nationalwirtschaftliche Zukunftsprogramm, Zf VED 6, 1931, 137–139. 479 Hermann, Leonard: Landwirtschaft und Brauwirtschaft in ihrer Beziehung zum Werbewesen, Ernährungswirtschaft 3, 1929, 422–425, hier 424. 480 Lob der Milch, Die Landfrau 1929, Nr. 17, 4. 481 Vgl. Reinhardt, 1993. Dies gilt auch für die internationale Forschung, vgl. etwa Koehn, Nancy F.: Henry Heinz and Brand Creation in the Late Nineteenth Century: Making Markets for Processed Food, Business History Review 73, 1999, 349–393; Strasser, Susan: Satisfaction guaranteed. The Making of the American Mass Market, New York/Toronto 1989. 482 Vgl. den Forschungsüberblick von Rossfeld, Roman: Unternehmensgeschichte als Marketinggeschichte. Zu einer Erweiterung traditioneller Ansätze in der Unternehmensgeschichtsschreibung, in: Kleinschmidt, Christian/Triebel, Florian (Hg.): Marketing. […], Essen 2004, 17–39. Zu den Optionen einer modernen Marketinggeschichte s. Berghoff, Hartmut: Marketing im 20. Jahrhundert. Absatzinstrument  – Managementphilosophie  – universelle Sozialtechnik, in: Ders. (Hg.): Marketinggeschichte. […], Frankfurt a. M./New York 2007, 11–58.

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von Unternehmen, anderseits auf den sekundären Sektor.483 In der Agrar- und Ernährungswirtschaft gab es seit Mitte der 1920er Jahre relevante, hinter den Marketingbestrebungen der Markenartikelproduzenten nicht zurückstehende Veränderungen.484 Dies gilt nicht allein für Produkt-, Produktions-, Absatzund Werbeinnovationen, sondern insbesondere für die Durchsetzung moderner wissenschaftlicher Formen des Wissens in Produktion, Absatz und bei der großen Mehrzahl der Bevölkerung. Die zahlreichen neu eingerichteten Institutionen der Werbewelt brauchten nämlich Inhalte und Orientierungswissen. Hier griffen erst einmal die Wirtschaftswissenschaften. Agrarökonomisches Wissen wurde zunehmend rezipiert und parallel die institutionellen Grundlagen für detaillierte Wissensproduktion gelegt. Trotz zahlreicher Vorarbeiten der landwirtschaftlichen Spitzenverbände war die deutsche Agrarwirtschaft vor 1914 eindeutig produktorientiert. Ausländische Märkte und auch die Konkurrenz wurden zwar beobachtet, doch Konsulatsberichte und auch die einschlägigen Beilagen der »Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft« konzentrierten sich meist auf Produktionsformen, selten auf die Vermarktung landwirtschaftlicher Güter.485 Es waren die Erfolge ausländischer Wettbewerber auf dem deutschen Markt, die schon vor dem Ersten Weltkrieg Rückfragen und auch beträchtlichen publizistischen Widerhall hervorriefen.486 Erst nach dem Jahrzehnt der Ernährungskrise wurde an derartige Vorarbeiten angeknüpft, zugleich aber die Marketingbestrebungen der US -amerikanischen Landwirtschaft systematisch rezipiert. Durch die schnell wachsende Nachfrage nach Agrargütern während des Ersten Weltkriegs hatte sich nicht nur ein effizientes Vermarktungssystem etablieren können, sondern ebenso Expertise der Agrarökonomik.487 Der Wissenstransfer aus den USA wurde ergänzt durch zahlreiche Reisen deutscher Experten in das benachbarte Ausland, v. a. in die Niederlande und nach Dänemark, deren Produzenten die

483 Blaich, Fritz: Absatzstrategien deutscher Unternehmer im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Pohl, Hans (Hg.): Absatzstrategien deutscher Unternehmer, Wiesbaden 1982, 5–46; Tedlow, Richard S.: New and Improved. The Story of Mass Marketing in America, New York 1990. 484 Vgl. hierzu detaillierter Spiekermann, 2007, v. a. 125–135. 485 Vgl. etwa Kühne, Georg: Deutsches und englisches landwirtschaftliches Maschinenwesen, MDLG 18, 1903, 253–255, 258–260, 262–264; Beeck, Alfred: Die Geflügelzucht in Dänemark und Belgien im Vergleich zu Deutschland, ebd. 19, 1904, 225–227, 229–232, 236–239. 486 Vgl. Sajó, Karl: Fortschritte im Obstverkehre, Prometheus 17, 1906, 705–709, 724–727; Hayunga: Die Versorgung des deutschen Marktes mit Gemüse aus dem Auslande und Erfahrungen über Organisation und Verkauf von Gemüse in Holland, MDLG 25, 1910, 391–396, 420–421; Michaelis, H[einrich Julius]: Absatz von Frischgemüse in Deutschland, Berlin 1914. 487 Vgl. etwa Adams, Arthur B.: Marketing perishable Farm Products, New York 1916; App, Frank: Farm Economics. Management and Distribution, Philadelphia/Chicago/London 1924, v. a. 564–596.

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Konsumzentren Rhein-Ruhrgebiet, Hamburg und Berlin mit hochwertiger und standardisierter Ware belieferten.488 Den Resonanzboden des neuen Wissens boten die ersten Institutionen einer agrarwirtschaftlichen Marktforschung, die auf Krisenüberwindung mit marktkonformen Mitteln zielten.489 Einerseits veränderten bestehende Institutionen ihre Forschungsschwerpunkte: Sowohl die 1911 gegründete Marktbeobachtungsstelle des Deutschen Landwirtschaftsrats als auch das 1925 gegründete Institut für Konjunkturforschung widmeten sich spätestens seit 1926 gezielt den Markt- und Absatzstrukturen der deutschen Landwirtschaft.490 Anderseits entstanden neue Institutionen, insbesondere das 1929 gegründete Institut für Marktforschung an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin sowie 1930 die Berliner Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliche Marktbeobachtung.491 Nicht mehr allein Preise, wie in der Agrarökonomik der Vorkriegszeit, sondern Spezifika von Märkten und Konsumentengruppen wurden nun untersucht.492 Fragen nach Warenqualität, Warenpräsentation und bestehenden Vorlieben ergänzten eine quantitativ ausgerichtete Wissensproduktion. Dieses erweiterte Wissen um die Nachfrage und den Bedarf veränderte das Angebot und erhöhte die Absatzchancen; es erforderte zugleich aber eine Umstellung der Betriebe und des Vertriebs. Die Verzahnung der Teilbereiche erfolgte dabei durch die vom eisernen Dreieck zunehmend verbindlich geregelten Mindeststandards, die sowohl Qualitätsbewusstsein als auch ein Wissen um Qualitätsstufen förderten. Diese Maßnahmen dienten primär dazu, inländische Kaufkraft auf inländische Produkte zu lenken. Spätestens seit der Agrarkrise 1925/26 war die Stärkung des Inlandsmarktes international üblich, im Deutschen Reich galten insbesondere Großbritannien bzw. das Commonwealth als Vorbild.493 Weltwirtschaftskrise und Konsumrückgang führten zu einer intensivierten Werbung, auch wenn die Einbrüche im Agrar- und Ernährungssektor unterdurchschnittlich blieben. 488 Vgl. etwa Dammertz, Paul: Die Ringbildung innerhalb der niederrheinischen Milchwirtschaft. Ein Beitrag zur Milchpreis- und -Absatzfrage, Landw. Diss. Bonn-Poppelsdorf, Geldern 1926; Die amtliche Butterkontrolle der Landwirtschaftskammer für die Provinz Schleswig-Holstein, MZBl 53, 1924, 172–174. 489 Vgl. Baade, Fritz: Die Aufgaben der landwirtschaftlichen Marktforschung, MDLG 47, 1932, 76–77. 490 Vgl. Baade, Fritz: Landwirtschaftliche Markt- und Konjunkturforschung, in: Beiträge zur empirischen Konjunkturforschung. […], Berlin 1950, 279–291 bzw. Schindler, [Axel]: Die Preisberichtsstelle, ADLR 44, 1926, 322–328. 491 Vgl. Hopfer, Reinhard: Berliner Agrarökonomen im »Dritten Reich«. Karl Brandt und das Institut für landwirtschaftliche Marktforschung, Berlin 2001, v. a. 10–11. 492 Brandt, Karl: Zur Methodik der landwirtschaftlichen Marktforschung, Ernährungswirtschaft 3, 1929, 81–83, hier 81, führte das neue Wissensfeld explizit auf Professoren »of marketing« der Cornell-Universität zurück. Zur Fachgeschichte vgl. Klemm, 1992. 493 Vgl. Paulsen, Sigurd: Der Kampf um den einheimischen Markt im Ausland, Berlin 1931.

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Abb. 41: »Moralischer Konsum«  – Popularisierung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge 1933

Die Werbestrategen versuchten dabei aber nicht allein Produkte zu verkaufen, sondern zugleich Modelle des volkswirtschaftlichen Kreislaufs zu vermitteln. Agrarökonomen zielten auf eine »Physiologie des Konsums«, klärten Konsumenten damit über die hintergründige Bedeutung des Alltagskonsums auf. Derartige Modelle entsprachen nicht der durch die Weltwirtschaftskrise zunehmend desavouierten Neoklassik, sondern einer im Wortsinne nationalökonomischen Agrarökonomik.494 Konsum wurde so moralisch, hatte jeder Akteur doch seine spezifische Aufgabe zu erfüllen, nicht aber individuelle Präferenzen auszuleben. Der unmittelbare Markterfolg dieser Bemühungen war gering, die erhöhten Zölle und schwindende Kaufkraft begrenzten die Importe wesentlich effizienter. Doch viel wichtiger waren die Folgewirkungen der Werbeanstrengungen. Markenbutter ist hierfür ein gutes Beispiel. Ausgehend von den Hauptmarktgebieten und getragen von Molkereigenossenschaften entstanden seit Mitte der 1920er Jahre zahlreiche regionale Buttermarken.495 Markenbildung aber erforderte die Anpassung der Viehhaltung und der Organisation des Betriebes an die Erfordernisse des Marktes. 494 Vgl. hierzu Ptak, Ralf: Vom Ordoliberalismus zur sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland, Opladen 2004. 495 Vgl. etwa Rheinberger, Eduard: Die deutsche Markenbutter-Bewegung, Blätter für landwirtschaftliche Marktforschung 2, 1931/32, 66–77.

Umstrukturierung des primären Sektors  

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Abb. 42: Normierung der Arbeit hunderttausender Produzenten  – Buttermarken 1933

Marktbehauptung erforderte eine Ökonomisierung, erforderte die Veränderung der Arbeitsweise hunderttausender Unternehmen. Dieses galt peu à peu für alle Branchen der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Die ausländische Konkurrenz bot standardisierte, einheitlich verpackte Waren normierter Qualität an – und deutsche Hersteller passten sich hieran langsam an. Das Handelsklassengesetz von 1930 gab den vielfältigen regionalen Aktivitäten einen gesetzlichen Rahmen (Kap. 4.2.4). Markthandeln und Werbung gründeten jedoch auch auf Wissen, das sich von der kleinteiligen Produktion abhob und abstraktes Wissen über den Markt produzierte. Neues Wissen über die Nachfrage – zunehmend zu Graphiken, Schaubildern und Tabellen verdichtet – veränderte das Angebot, gab klare Ziele für eine erfolgreiche Anpassung vor. Einerseits wurden so Mindestqualitätsstandards si-

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Abb. 43: Das abstrakte Bild des Markts – Marktbeobachtung 1927

chergestellt, anderseits etablierte sich ein Qualitätswettbewerb und intensivierte sich das Qualitätsbewusstsein.496 Für die Milchwirtschaft, deren seit 1930 laufender Umbau durch das Milchgesetz die Reichsnährstandsorganisation schon antizipierte, bedeutete dies nicht allein Sicherstellung hygienischer Standards, sondern auch den Ausbau von Qualitätsangeboten wie Flaschen- oder Vorzugsmilch. Die Werbebotschaften verlangten eine Lenkung der Investitionen in wissensbasierte Bereiche. Diese ging einher mit dem Aufbau umfassender Wirtschaftsberatung sowie von Buchführung.497 Glaubwürdige Werbung erforderte Qualitätsorientierung und Standardisierung, diese wiederum die Schulung lokaler Wissensträger. Und auch die Konsumenten waren gefordert, ihrerseits durch Mittlerpersonen sensibilisiert. Nicht 496 Vgl. Lichtenbergers Arbeiten in Die Milchversorgung der Städte und grösseren Konsumorte, Wien 1931. 497 Vgl. etwa Möring, O[swald]: Wirtschaftsberatung – die Vorstufe zur Wirtschaftsrationalisierung, Ernährungswirtschaft 2, 1928, 304–305; Hamann, H[einz]: Buchführung und Wirtschaftsberatung, MLW 58, 1943, 28–30; Sedlmayr, Ernst C.: Die Systeme der landwirtschaftlichen Buchführung und ihre Bedeutung für die Praxis, Fortschritte der Landwirtschaft 3, 1928, 53–58; Klauder, G[ottlieb]: Entwicklung der Buchführung und des Rechnungswesens in der Landwirtschaft, FD 1, 1936, 177–186.

Umstrukturierung des primären Sektors  

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Abb. 44: Schulung der lokalen Wissensträger – Markenkartoffelprüfung 1928

nur Betriebe und Branchen sollten von innen her verändert, sondern Vertrauensleute wie Ärzte, Lehrer und Geistliche gewonnen werden, die »gleichsam die ›Vitamine‹ darstellen oder […] ›Ergänzungslehrstoffe‹ sein«498 sollten, um nicht nur die Quintessenz des objektivierten Wissens der Agrarökonomik, sondern auch der Ernährungswissenschaften zu verbreiten.

4.4.3 Verbindlichkeitsdiskurse. »Gesundheit« als Führungsmittel Werbung und Marketing für Agrarprodukte sind stets vor dem Hintergrund der Aufklärungs- und Erziehungsbestrebungen von Wissenschaftlern und Ernährungsfachleuten zu verstehen. Der vom individuellen Nutzen ausgehende Duktus wurde spätestens mit Beginn der Weltwirtschaftskrise um nationalwirtschaftliche, dann aber auch zunehmend gesundheitspolitische Argumente ergänzt: »Fast alle Krankheiten gehen auf Ernährungsfehler zurück. Und zwar essen wir meistens viel zu viel, und außerdem falsche Stoffe.«499 Nun hieß es nicht mehr »Trinkt mehr Milch« oder aber »Eßt deutsches Gemüse«, vielmehr trat spätestens seit 1932/33 der individuelle (Gesundheits-)Nutzen immer stärker in den Vordergrund der Werbung für Agrargüter.500 »Gesunde« Kost zu essen setzte jedoch eine Vorstellung über das voraus, was Gesundheit ausmachte. Mit der Machtübernahme der Präsidialkabinette und der Machtzulassung der NSDAP veränderte sich dies folgenreich. 498 Kayser, Curt: Die Presse im Dienste der hygienischen Volksbelehrung, DMW 55, 1929, 491. 499 Goering, R.: Ernährungsfragen, Naturärztliche Rundschau 6, 1934, 239–240, hier 239. 500 Zur Kritik an der imperativen Form der Werbung vgl. etwa Michaelis-Rentsch, J.: Kritik der Landwirtschaftswerbung, Ernährungswirtschaft 3, 1929, 436–438; Schindler, [Axel]: Aufgaben der landwirtschaftlichen Marktpflege, ADLR 48, 1930, 194–211, v. a. 209.

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Während in der Weimarer Republik die Gesundheitsfürsorge im Mittelpunkt stand, war es nun immer stärker die Gesundheitsführung des deutschen Menschen. Nicht mehr Fürsorge, sondern Vorsorge war das Ideal. Die Gesundheit des Einzelnen wurde in einen völkischen Zusammenhang gebracht, Gesunderhaltung war »Mittel zur Steigerung der menschlichen Arbeitsleistung zum Wohle des Volksganzen.«501 Oder, so der neue Präsident des Reichs­ gesundheitsamtes: »Nur der Mensch stellt einen Wert dar, der über eine Leistung verfügt.«502 Diese Gesundheitsdefinition speiste sich nicht allein aus den vermeintlichen Prioritäten von »Volk« und »Nation«, sondern folgerte auch aus der Materialität naturwissenschaftlichen Denkens. Gesundheitsorientierung bedeutete entsprechend auch Abkehr von dominant praktischem, Hinwendung zu stärker objektiviertem Wissen. Gesunde Ernährung war nicht allein persönliches Pläsier, sondern immer auch Dienst am Volke. Dazu aber war Wissen nötig, Wissen, das nicht zuletzt über die Werbung für »gesunde« Ernährung geliefert wurde. Dies gilt in geringerem Maße auch für zahlreiche andere qualitative Werbekonzepte, etwa für »Frische« oder »Geschmack«, die in den 1920er und 1930er Jahren zunehmend ernährungswissenschaftlich operationalisiert, insbesondere auf die Logik eines stofflichen Ansatzes zurückgeführt wurden.503 Werbebotschaften und Angebote sind seit den 1930er Jahren vor dem Hintergrund einer sich ausdifferenzierenden ernährungswissenschaftlichen Grundlagenforschung zu verstehen. Wollte man erziehen, wollte man gar führen, war die wissenschaftliche Begründung zunehmend unverzichtbar: Die unterschiedlichen Zubereitungsarten eines Fischkochbuches wurden nun nicht mehr einfach der Praxis von Hauswirtschaftsexpertinnen überlassen, sondern auch chemisch-physiologisch überprüft.504 Ziel dieser naturwissenschaftlichen Durchdringung war es, zuerst Nahrhaftigkeit und »Kraft« zu begründen, dann aber auch die gesundheitlichen Vorteile eines Produktes glaubhaft zu präsentieren. 501 Kater, Michael H.: Die »Gesundheitsführung« des Deutschen Volkes, Medizinhistorisches Journal 18, 1983, 349–375, hier 351. 502 Reiter, Hans: Ansprache des Präsidenten bei der 2. Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsforschung am 8. März 1937, in: Aufgaben und Ergebnisse zeitgemäßer Ernährungsforschung, Leipzig 1937, 1–6, hier 4. 503 Das »Deutsche Frischei« erforderte Kriterien, um »Frische« kontrollieren und garantieren zu können. Vgl. Rosenbrock, [Ewald]: Handelspolitik, ADLR 47, 1929, 273–315, hier 300–310; Schrempf, A[ugust]: Über den Rechtsschutz des Deutschen Frischeis, DNR 1932, ­10–13 sowie allgemein Freidberg, Susann: Fresh. A Perishable History, Cambridge/London 2010. 504 Scheunert, A[rthur]: Vitamingehalt der Seefische, DFR 60, 1937, 316–320. Zum Hintergrund dieser vom Forschungsdienst geförderten Untersuchungen vgl. Ders.: Die Beeinflussung des ernährungsphysiologischen Wertes der Lebensmittel durch die Erzeugnisverarbeitung, in: Forschung für Volk und Nahrungsfreiheit. […], Neudamm/Berlin 1938, 542–546.

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Abb. 45a+b: Gesunde Deutsche heißt deutsche Lebensmittel und gesunde Inhaltsstoffe. Werbeplakate 1939

Dieses erfolgte durch die Imagination bestimmter gesunder Inhaltsstoffe, etwa der Vitamine (Kap. 5.1), vielfach aber auch des Eiweißes. Auf Basis derartigen Wissens sollte der Konsument seine Lebensmittelwahl reflektieren und eventuell ändern. Die Autorität von Wissenschaftlern wurde gezielt in die Werbung integriert, die Hierarchisierung des Wissens durch kommerzielle Kommunikation verstärkt.505 Aber auch hier ist ein Blick hinter die Werbeplakate nötig, war Werbung für gesunde Kost doch nur ein Element im Marketing-Mix, durch den die Wertschöpfungskette neu organisiert wurde. Die Garantie bestimmter Standards und eines stofflich operationalisierbaren Gesundheitswertes erfolgte durch eine intensivierte und institutionalisierte Kontrolle, die im Regelfall durch die Landwirtschaftskammern, in wachsender Zahl aber auch durch Kontrollinstitutionen von Genossenschaften, Branchenverbänden und regionalen bzw. nationalen Forschungseinrichtungen durchgeführt wurde. Die institutionellen Veränderungen im Rahmen des Reichsnährstandes haben diesen Prozess nicht

505 Entsprechende Forderungen gab es schon lange, vgl. Kräutle, K[arl]: Einzelheiten über die Propaganda für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Ernährungswirtschaft 3, 1929, 363–366, hier 366.

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Abb. 46: Imagebildung mit Inhaltsstoffen – Vorlage für Werbeschaufenster

wesentlich berührt, sondern ihn vielmehr fortgesetzt.506 Der Übergang zu einer Werbung für gesunde Kost war demnach auch ein Erziehungs- und Führungsprojekt für die Anbieter. Dies bot neue Chancen für künstliche Kost. Die bisherige Fokussierung auf gering verarbeitete Grundnahrungsmittel darf nicht vergessen machen, dass dies nur ein zeitbedingter Übergangsprozess war, der sich vor allem aus den noch relativ geringen technologischen Möglichkeiten sowie der noch begrenzten Aufnahmefähigkeit des Marktes erklärt. Die Werbung spiegelt einen Verwissenschaftlichungsprozess, der der Reduktion von Grundnahrungsmitteln auf Rohstoffe und weiterer zu verarbeitender Grundstoffe entscheidenden Vorschub leistete. Die Rationalisierung der Landwirtschaft bedeutete nicht allein vermehrte Marktchancen und eine effizientere Versorgung, sondern auch die Reduktion der Landwirtschaft auf einen Rohstofflieferanten.

506 Vgl. umfassend Corni/Gies, 1997; Frank, Claudia: Der »Reichsnährstand« und seine Ursprünge. Struktur, Funktion und ideologische Konzeption, Phil. Diss. Hamburg 1988 sowie zum Werberecht: Rücker, Matthias: Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus. Rechtliche Ausgestaltung der Werbung und Tätigkeit des Werberats der deutschen Wirtschaft, Frankfurt a. M. 2001.

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Abb. 47a+b: Gesunde Kost durch stete Kontrolle der Experten

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Abb. 48: Die Landwirtschaft als Rohstofflieferant – Aufklärungsplakat 1929

Schon in den Lehrbüchern der 1920er Jahre wurden landwirtschaftliche Produkte zunehmend auf kombinations- und rekombinationsfähige Stoffe und Stoffkonglomerate zurückgeführt. Dies spiegelte die Werbung kaum, hier standen Fragen von Nährwert, Kraft, Geschmack oder Genuss im Vordergrund. Das veränderte sich seit den späten 1920er Jahren, vor allem aber in den 1930er Jahren, als der Staat im eisernen Dreieck an Bedeutung gewann. Ressourcen wurden nun wehrwirtschaftlich zentral.507 Dies zeigt sich insbesondere angesichts der seit dem Vierjahresplan 1936 systematisch einsetzenden Führung. Die für die Kriegsfähigkeit des Deutschen Reiches strategisch zentrale Verbrauchslenkung508 knüpfte an die Institutionen der Weimarer Republik bzw. die damals entwickelten Werbemittel an. Sie war zugleich aber nur die Konsequenz einer auf Stoffstromanalysen gründenden Untersuchung der deutschen Ernährungslage, die von Agrarökonomen und Ernährungswissenschaftlern in Kooperation mit den staatlichen Instanzen durchgeführt wurde.509 507 Paulsen/Siemon, o. J. (1933). 508 Vgl. Berghoff, Hartmut: Methoden der Verbrauchslenkung im Nationalsozialismus. Konsumpolitische Normensetzung zwischen totalitärem Anspruch und widerspenstiger Praxis, in: Gosewinkel, Dieter (Hg.): Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, Frankfurt a. M. 2005, 281–316; Heidel, Wolfgang: Ernährungswirtschaft und Verbrauchslenkung im Dritten Reich 1936–1939, Phil. Diss. Berlin (W) 1989. 509 Weiss, Hans: Der deutsche Ernährungshaushalt und seine wehrwirtschaftliche Unabhängigmachung, o. O. 1937 (Beiträge zur Wehrwirtschaft, Bd. V), BA Berlin R 16 RNS 1299.

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Wissenschaftliche Expertise setzte eine Struktur der Verbindlichkeit, in der ein volkswirtschaftlich und volksbiologisch erwünschter Konsum wachsende Bedeutung gewann, der nicht allein auf die erwünschten heimischen Produkte, sondern zunehmend auch auf neu entwickelter künstlicher Kost gründen sollte.

4.5 Stoffliche Unabhängigkeit als Ideal: Autarkiepolitik in der Zwischenkriegszeit Die Agrarwirtschaft veränderte nicht nur ihren inneren Zuschnitt; sie sah sich in der Zwischenkriegszeit vielmehr auch einem sich noch stärker wandelnden Anspruchsprofil ausgesetzt: Die mit der Scheidung von primären und sonstigen Wirtschaftssektoren einhergehenden sektoralen Zuschnitte zerbröselten zunehmend. Angesichts der integrierten ländlichen Lebensmittelproduktion waren sie schon im 19. Jahrhundert irreführend, doch nun veränderte sich sowohl der wissenschaftliche als auch der politische Rahmen. Die Grundlagenforschung des Agrarsektors, der Physiologie und der Nahrungsmittelchemie unterschieden sich konzeptionell immer weniger, lag ihr Fokus doch auf strukturell ähnlichen, nämlich stofflich-physiologisch definierten Arbeitsfeldern. Die Politik vollzog diesen Perspektivwechsel mit und unterstützte ihn. Schon während des Ersten Weltkrieges war klar, dass an die Stelle einer Agrarpolitik eine Ernährungspolitik treten müsse, um der wachsenden Komplexität im Nahrungsmittelsektor gerecht werden und Versorgungsaufgaben erfüllen zu können. Ressourcenpolitik konnte nur mit Wissen um gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge betrieben werden.510 Diese Perspektiverweiterung gründete auf dem Stoffparadigma, denn es erlaubte neues Wissen um Stoffströme und damit die Integration der Agrarwirtschaft in nicht allein sektorale, sondern volkswirtschaftliche Kreislaufmodelle.511 Innerhalb des eisernen Dreiecks wurden so abstrakte Ideale wie »Selbstversorgung« handhabbar und konnten in konkrete Planungsszenarien nebst Aktivitäten in Forschung, Regulierung und Produktion umgemünzt werden. Dadurch gewannen Experten Handlungswissen, das es mittels Erziehung zu vermitteln galt, das zugleich aber Kooperationen zwischen Bereichen mit unter-

510 Entsprechend greift die Forderung von Gessner, Dieter: Marktregulierende Agrarpolitik in Deutschland 1924/25 bis 1967: Entwicklung, Ziele, Alternativen und Handlungsspielräume, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 93, 2006, 131–171, die Agrarpolitik (und hier vorrangig die außenwirtschaftlichen Problemstellungen) als Ressourcenpolitik aufzufassen, zu kurz – auch wenn der mit letzterem vorgeschlagene Perspektivwechsel nur zu begrüßen ist. 511 Vgl. zum Wandel der Wirtschaftsstatistik Tooze, J. Adam: Statistics and the German State, 1900–1945: The Making of Modern Economic Knowledge, Cambridge/New York 2001.

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schiedlichen Rationalitäten erforderte und demnach einen veränderten institutionellen Ordnungsrahmen nahelegte.512 Das folgende Kapitel wird zuerst das neue Wissen um Versorgungsströme darstellen, wird dieses dann in den Kontext der langwierigen Selbstfindungsdebatten über die relative Autarkie des Deutschen Reiches einbetten. Die das eiserne Dreieck weiter institutionalisierende Reichsnährstandsordnung bot den Rahmen für Erziehungs- und Führungsaufgaben im Sinne einer Mobilisierung der deutschen Ernährungswirtschaft für Grundversorgung und Kriegsführung. Zugleich wird mittels zweier Beispiele, dem Ausgreifen auf die Kolonie des Meeres und der verstärkten Nutzung von Abfallstoffen, verdeutlicht, wie Experten des eisernen Dreiecks versuchten, die Limitierungen der deutschen Ressourcenbasis zu durchbrechen.

4.5.1 Selbstversorgung als Chimäre. Versorgungsziele und Versorgungsströme Das Deutsche Reich konnte sich spätestens seit den 1870er Jahren nicht mehr selbst ernähren. Dies war eine Folge internationaler Arbeitsteilung, war Getreide doch im Ausland billiger anzubauen, fehlten für viele Produkte, insbesondere Ölsaaten und Kolonialwaren, schlicht die klimatischen Voraussetzungen. Daran hatte sich nach Aufhebung der alliierten Blockade 1919 nichts geändert. Das Deutsche Reich musste Nahrungs- und Futtermittel importieren, war zugleich aber auf Exporte angewiesen, um die notwendigen Devisen zu erwirtschaften. Dieses Modell implizierte die Einordnung in ein zunehmend von den USA dominiertes internationales System, also die Akzeptanz der Position einer Mittelmacht. 1918 zielte der Tenor der führenden Naturwissenschaftler aber auf die Behauptung nationaler Unabhängigkeit und die Option einer neu zu definierenden Großmachtrolle. Derartige Forderungen aufzustellen war leicht. Um sie aber umzusetzen, bedurfte es fundierten Wissens. An dieser Aufgabe war die Verwaltung des Kaiserreichs gescheitert. Aber Zwangswirtschaft, Hungererfahrung sowie die Kritik seitens Physiologen und Statistikern seit spätestens 1917 hatten zumindest die Bedeutung dieser Wissensproduktion klargemacht. Nationale Selbstversorgung im 20. Jahrhundert war ohne dieses Wissen nicht möglich.513 512 Merkel, Hans: Die Marktordnung des Reichsnährstandes, FD 1, 1936, 334–338, hier 338. 513 Vgl. zum Konzept Echterhoff, Fritz: Wirtschaftliche Selbstversorgung, Leipzig/ Wien 1935 sowie Gudermann, Rita: »Bereitschaft zur totalen Verantwortung« – Zur Ideen­ geschichte der Selbstversorgung, in: Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. […], Paderborn u. a. 2003, 375–411, die allerdings vorrangig die häusliche Dimension thematisiert.

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Es verwundert daher nicht, dass die Grundlagenforschung etwa der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie oder aber des Reichsausschusses für Ernährungsforschung Stückwerk blieben. Ohne wirtschaftswissenschaftliche Marktforschung fehlte ein innerer Zusammenhang der Maßnahmen. Mitte der 1920er Jahre veränderte sich diese Situation jedoch folgenreich. Die Gründung des Instituts für Konjunkturforschung 1925 zielte auch auf Analysen des deutschen und internationalen Agrarmarktes. Daten zur landwirtschaftlichen Produktion, der gewerblichen Verarbeitung, des Einzelhandels und des Durchschnittskonsums wurden nun systematisch erhoben und zunehmend miteinander verkoppelt. Erwähnenswert sind insbesondere Arbeiten zum Zusammenhang von Futterimporten und Produktionsstandorten, zum saisonalen Rhythmus des Konsums sowie zur Verbrauchselastizität.514 Dominierten in diesen Arbeiten neben den Zahlen immer häufiger Graphiken, durch die Kausalitäten visualisiert wurden, nahm parallel die Bedeutung von regional differenzierenden Karten deutlich zu. Dies galt nicht allein für die engere Marktforschung, sondern ebenso für die Wirtschaftsenquete der späten 1920er Jahren, zahlreiche Arbeiten des Statistischen Reichsamtes sowie einzelner Wirtschaftsverbände, insbesondere der hier sehr innovativen Düngemittelproduzenten.515 Dieses wirtschaftswissenschaftliche Wissen wurde seit Anfang der 1930er Jahre zunehmend mit ernährungswissenschaftlicher Expertise gekoppelt. Die zumeist auf einzelne Nahrungsmittel bzw. Branchen zugeschnittene agrarökonomische Marktforschung unterstützte sektorale Maßnahmen der Agrarpolitik. Das neue Wissen umgriff dagegen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen und dem Konsum, förderte somit ernährungspolitische Anstrengungen.516 Es diente der Aufklärung von Experten, der Erziehung von Ernährungsfachleuten und der Führung der Bevölkerung. 514 Vgl. etwa Paetzmann, Hermann: Standortfragen der nordwestdeutschen Schweinehaltung, Berlin 1930; Die Konjunkturbewegung des Bierverbrauchs, Wochenbericht des Instituts für Konjunkturforschung 1, 1928, 135–136; Die Elastizität des Verbrauchs im Arbeiterhaushalt, Wochenbericht des Instituts für Konjunkturforschung 2, 1929, 130–131; Bauer, Willy: Einkommen und Fleischverbrauch, in: Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung, Sdrh. 18, Berlin 1932, 20–42. 515 Vgl. beispielhaft Die Verwertung der deutschen Kartoffelernten, T. 1. Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses für Landwirtschaft (II . Unterausschuß), Bd. 5, Berlin 1928; Der Viehbestand im Deutschen Reich am 1. Dezember 1927, Wirtschaft und Statistik 8, 1928, 86–88; Landwirtschaftliche Überschuß- und Bedarfsgebiete Deutschlands, ein Beitrag zur deutschen Wirtschaftsgeographie, Die Ernährung der Pflanze 26, 1930, 282–288. 516 Entsprechende Entwicklungen finden sich auch im Bereich der Haushaltsökonomik, doch hier gab es einschlägige Vorläufer während des Ersten Weltkrieges. Vgl. Tyszka, [Carl] v.: Lebenshaltung und Ernährungslage des deutschen Volkes in der Gegenwart gegenüber der Vorkriegszeit, KW 8, 1929, 1289–1293, 1337–1341; Ders.: Die Ernährungslage deutscher Arbeiter und Arbeitsloser im Winter 1932/33, KW 12, 1933, 889–896; Tyszka, Carl v.: Ernährung und Lebenshaltung des deutschen Volkes. Ein Beitrag zur Erkenntnis des Gesundheitszustandes des deutschen Volkes, Berlin 1934.

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Einschlägige Bestrebungen setzen erst nach der nationalsozialistischen Neugestaltung des Ernährungssektors ein. Die Marktordnung gründete auf administrierten Verkaufspreisen, benötigte daher ergänzende Informationen zur adäquaten Einschätzung der wirtschaftlichen und gesundheitlichen Lage. Stimmungsberichte wurden seitens der Bauernschaften eingeholt, doch für die politischen Maßnahmen waren quantitative Daten kaum weniger wichtig. Auf Grundlage der Daten des Instituts für Konjunkturforschung berechnete etwa Wilhelm Ziegelmayer 1934 die Selbstversorgung des Deutschen Reiches mit Fett und Eiweiß.517 Der junge Chemiker, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des 1928 gegründeten »Reichsvereins Volksernährung« und Mitherausgeber der 1930 gegründeten interdisziplinär angelegten Zeitschrift »Die Ernährung«, stellte damit Stoffbilanzen für die Hauptnährstoffe vor.518 Dadurch wurde das Gesamtproblem deutlich: Bei einem auf Basis physiologischer Durchschnittswerte errechneten Fettbedarf von 1,335 Mio. t fehlten in den bis 1932 währenden Berechnungen jährlich ca. 750.000 t. Beim Eiweiß war die Relation günstiger (4,5 Mio. t bzw. 1 Mio. t), doch die Aufgabe quantitativ umfangreicher. Ziegelmayer empfahl schon 1934 einschneidende Umstellungen, die er dann 1936 in seinem für die NS -Ernährungspolitik grundlegenden, mehrfach überarbeiteten Werk »Rohstoff-Fragen der deutschen Volksernährung« zu einem Gesamtprogramm verdichtete. Ziegelmayers Blick auf Stoffströme abstrahierte erst einmal von den Lebensmitteln, erlaubte somit die Gleichsetzung und Substitution von Produkten, die in der agrarwissenschaftlichen Forschung eben noch sektoral voneinander getrennt waren. Dieser Blick von oben bedeutete zugleich, dass anders als im Ersten Weltkrieg die mengenmäßig relevanten Maßnahmen von Beginn an in den Mittelpunkt traten, während Bestrebungen mit nur geringem Mengeneffekt tendenziell ausschieden. Ernährungspolitik als Ressourcenpolitik war für ihn zugleich eine Aufgabe des eisernen Dreiecks, denn »nur durch vereinte Zusammenarbeit der Landwirtschaft, Wissenschaft und Wirtschaft«519 sei es möglich, die bestehenden Versorgungsbilanzen zu verbessern. Ziegelmayers Berechnungen umgriffen schon den Bedarf von Mensch und Tier. Dieser Zugriff wurde im Institut für Konjunkturforschung durch den Agrarökonomen Hans von der Decken systematisiert und auf Basis neuer Visualisierungstechniken auch in Stoffstromanalysen umgesetzt. Sie entsprachen 517 Ziegelmayer, Wilhelm: Die Selbstversorgung Deutschlands mit Fett und Eiweiß, Zf VE 9, 1934, 231–234. Eine kalorische Gesamtbilanz enthält schon Decken, Hans v.d./Hahn, Walter: Deutschlands Nahrungs- und Futtermittelversorgung, Berlin 1933, ein Kooperationsprojekt des Instituts für Konjunkturforschung und des Instituts für Weltwirtschaft. 518 Eine Biographie Ziegelmayers, einem der wichtigsten Ernährungswissenschaftler des NS -Regimes und der SBZ , ist ein Desiderat. Grundinformationen enthält Wilhelm Ziegelmayer † 18.1.1898 bis 4.1.1951, Natur und Nahrung 4, 1950, Nr. 23/24, 1–2. Zum Reichsverein Volksernährung vgl. Programm des Reichsvereins Volksernährung, VE 3, 1928, 257–259. 519 Ziegelmayer, 1934, 234.

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Abb. 49: Kalorische Stoffstromanalyse Deutschlands 1936

den in der Forschung vorrangig an Fragen der Rassenhygiene und der Geschlechtskonstruktionen diskutierten Biologismen.520 Sie machten zudem Zusammenhänge und Größenordnungen transparent. Ausgehend vom Gesundheitsideal des NS -Staates setzten sie aber zugleich klare Pflichten für alle beteiligten Kreise.521 Die Landwirtschaft hatte ihre Produktion zu rationalisieren und qualitativ zu verbessern, Ärzte und Ernährungswissenschaftler dagegen die stofflichen Kenntnisse der Bevölkerung anzuheben. Kalorientafeln 520 Vgl. hierzu Eidenbenz, Mathias: »Blut und Boden«. Zu Funktion und Genese der Metaphern des Agrarismus und Biologismus in der nationalsozialistischen Bauernpropaganda R. W. Darrés, Bern u. a. 1993. 521 Decken, Hans v.d.: Ziele und Aufgaben der deutschen Volksernährung im Vierjahresplan, Zentralblatt für innere Medizin 58, 1937, 561–571.

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sollten allseits verbreitet werden, Kenntnisse über notwendige und verzehrte Nettokalorien ebenso. Wirtschaft und Wissenschaft standen im Dienst der Gemeinschaft, Reichsnährstand und Reichsgesundheitsamt galten als eine institutionelle Doppelspitze, um die Verbraucher zu führen. Wissen müsse Folgen haben, es sei eine »selbstverständliche nationale Pflicht«, die »Anweisungen der Regierung […] zu befolgen.«522 Zahlen waren für Decken demnach Grundlagen der Produktions- und Verbrauchslenkung, wenngleich er auf ihre begrenzte Aussagefähigkeit und Sicherheitsmargen beim nicht beliebig manipulierbaren physiologischen Bedarf verwies.523 Auch die chemische Zusammensetzung der Lebensmittel, Fragen nach den sog. »Vollpersonen« sowie die beträchtlichen regionalen Konsumunterschiede wurden benannt und im Sinne einer verbesserten Verbrauchsstatistik zu Forderungen nach stärkerer Professionalisierung der Experten verdichtet.524 Schließlich veränderte sich mit der forcierten Aufrüstung auch die räumliche Perspektive einschlägiger Forschung. Im Vorgriff auf künftige Eroberungen wurden die Ernährungsbilanzen der Nachbarstaaten systematisch analysiert.525 Decken und der Agrarökonom Hans-Jürgen Metzdorf, der bis in die 1970er Jahre entsprechende Studien zur Bundesrepublik und der EWG anfertigte, analysierten auch während des Krieges die großdeutsche und europäische Ernährungslage, legten damit Wissensgrundlagen für die systematische Ausplünderung der Ernährungsressourcen dieser Länder.526 Auch abseits des Instituts für Konjunkturforschung wurde über den in- und ausländischen Konsum geforscht, etwa im Arbeitswissenschaftlichen Institut der DAF. Während dort sozialtechnologische Fragen Anlass für Untersuchungen bildeten, zielten die Arbeiten des Chemikers Hans Adalbert Schweigart, der von 1928 bis 1933 das Betriebslaboratorium der Schokoladenfabrik Mauxion (Kap. 4.3.2) geleitet hatte, auf Perspektiven für die Grundlagenforschung. Über 522 Ebd., 570. 523 Vgl. etwa Decken, Hans v. d.: Verbrauchsstatistiken als Grundlage der Produktionsund Verbrauchslenkung in der Ernährung, Die Ernährung 3, 1938, 213–221. 524 Decken, Hans v.d.: Die Verschiebungen beim Nahrungsmittelverbrauch seit der Vorkriegszeit. Über die Notwendigkeit verschärfter Kritik bei der Auswertung von Statistiken, Die Ernährung 2, 1937, 113–123 525 Decken, Hans v. d.: Der Ernährungshaushalt Österreichs, Die Ernährung 3, 1938, ­117–125; Decken, [Hans] v. d./Metzdorf, [Hans-Jürgen]: Der Nahrungsraum Großdeutschlands nach der Eingliederung des Protektorats Böhmen und Mähren sowie des Memellandes, Zf VE 14, 1939, 109–112; Decken, [Hans] v.d.: Die Ernährungslage der europäischen Völker. Die Lebensmittelversorgung in Holland und Belgien, ebd. 15, 1940, 271–273; Ders.: Erzeugung und Verbrauch von Lebensmitteln in den nordischen Ländern, ebd. 15, 1940, 220–221, 238–240. 526 Decken, [Hans] v.d.: Ernährungswirtschaftliche Perspektiven und Probleme im europäischen Wirtschaftsraum, Zf VE 17, 1942, 49–51; Decken, Hans v. d./Metzdorf, Hans-Jürgen: Europas Ernährungswirtschaft, Hamburg 1943; Decken, Hans v. d.: Die Versorgung Europas mit Nahrungsmitteln, Hauswirtschaftliche Jahrbücher 1944, 17–29.

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Abb. 50a+b: Der deutsche »Ernährungshaushalt« 1936

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den Reichsmilchausschuss und mit Hilfe einer Parteikarriere wurde er 1935 Direktor des Berliner Instituts für Milchwirtschaft und 1937 des dortigen Instituts für Vorratspflege und Landwirtschaftliche Gewerbeforschung. 1938 stellte er, u. a. in Kooperation mit Ziegelmayer, den Kriegswehrmachtsernährungsplan neu zusammen.527 In seiner Habilitationsschrift legte Schweigart nicht nur eine differenzierte Ernährungsbilanz des deutschen Reiches für 1936 vor, sondern benannte explizit Maßnahmen, wie die bestehenden Problemlagen bei der Fett- und Eiweißversorgung abzustellen seien.528 Aufgrund seiner Stellung als Vorsitzender der Reichsarbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliche Gewerbeforschung waren diese vielfach forschungsleitend. Neben Umstellungen innerhalb der landwirtschaftlichen Produktion zielte die stoffliche Optik jedoch auf einen breiten Kranz von Nährstoffsubstituten, bei der Verfahren intensivierter Abfallverwertung (Kap. 4.5.5), Herstellung synthetischen Futters und neue Surrogate dominierten. Dienten derartige Ernährungsbilanzen zur Begründung ernährungswissenschaftlicher Grundlagenforschung, wurde die Kombination wirtschafts- und ernährungswissenschaftlicher Daten seit Mitte der 1930er Jahre auch regelmäßig auf die Ebene einzelner Lebensmittel heruntergebrochen, um dadurch Produzenten den Stellenwert ihrer Aufgaben vor Augen zu führen und um Verbrauchern die Logik der Verbrauchslenkung näherzubringen. Zugleich erlaubte die Verbindung von Karten, Daten und Stoffen, ein abstraktes Bild der Versorgungsstrukturen im Deutschen Reich zu zeichnen. Dadurch war ein Vergleich mit »rationalen« Raumordnungsmustern möglich, die in dieser Zeit zunehmend an Bedeutung gewannen.529 Während Versorgungsbilanzen und Stoffstromanalysen allgemeine Aufgaben akzentuierten und visualisierten, konnte auf dieser Grundlage regional vergleichend vorgegangen werden. Das neue Wissen diente der Erziehung und der Führung. Seine Vertreter zielten auf eine rationale Ordnung der Versorgung, auf eine Modernisierung von Lebensmittelproduktion und -konsum. Auch wenn die Studien in der Regel die Prioriätsentscheidungen der politischen Führung nicht hinterfragten, zeigten sie doch deren Widersprüchlichkeiten deutlich auf. Eine Verminderung des Zugviehs durch eine forcierte Maschinisierung der Landwirtschaft hätte etwa beträchtliche Produktivitätsgewinne und einen verminderten Futtermit-

527 Heupke, W[ilhelm]: Hans Adalbert Schweigart Universitätsprofessor, Dr. phil. Habil., Diplom-Chemiker zum 60. Geburtstag, Vitalstoffe – Zivilisationskrankheiten 5, 1960, ­90–95, hier 91. 528 Schweigart, Hans Adalbert: Der Ernährungshaushalt des deutschen Volkes, Berlin 1937, insb. 140–150. Die Daten wurden allerdings scharf attackiert, vgl. Decken, H[ans] v. d.: Zur Ernährungsbilanz 1936 – Entgegnung, FD 5, 1938, 505–513. 529 Vgl. Waldhäusl, F[riedrich] W[ilhelm]: Aufgaben und Stand der Landwirtschaftlichen Raumforschung, FD 1, 1936, 492–497.

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Abb. 51: Abstraktes Wissen zur Setzung von Planungsprioritäten

telbedarf nach sich gezogen530, war aber angesichts von Devisenmangel und Rüstungsprioritäten nicht möglich. Die planerische Ebene grenzte das subjektive Wissen der Mehrzahl aus, degradierte sie zur Übernahme des überlegenen Wissens des eisernen Dreiecks: »Der totalitäre Staat kann es aber nicht dulden, daß ein Teil seiner Glieder durch unvernünftige Ernährung seine Leistungsfähigkeit und damit auch die des ganzen Staates schwächt.«531 Wenngleich Mitte der 1930er Jahre, etwa im Bereich der Ernährungspsychologie532, auch differenziertere Methoden der Verbraucheraufklärung empfohlen wurden, blieb der Appell an die Einsicht in das gesundheitlich Zuträgliche doch bis weit in den Krieg hinein die Quintessenz der Ernährungsführung der Deutschen, während Versorgungsbilanzen und Stoffstromanalysen in den erobertem Gebieten zugleich den Weg hin zu Vertreibungen, Hungersterben und zum Generalplan Ost wiesen.

4.5.2 Krisenerfahrung und nationale Selbstbesinnung. Ideen der Autarkie Das abstrakte Wissen über Ernährungsbilanzen und Versorgungsströme zielte vornehmlich auf binnenwirtschaftliche Aufgaben. Es glich damit strukturell dem agrarwirtschaftlichen Marketing der späten 1920er Jahre, das kleinteilige Veränderungen rückwärtiger Produktions- und Arbeitsbereiche in Gang setzte. 530 So Decken Hans v.d.: Entwicklung der Selbstversorgung Deutschlands mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Berlin 1938, 19. 531 Wachholder, Kurt: Überlieferung, Instinkt und Wissenschaft einer richtigen natur­ gemäßen Ernährung, Rostock 1939, 24–25. 532 Weiß, H[ans]: Ein Beitrag zur Ernährungspsychologie. Geschmacksgewohnheiten  – Nahrungsform – Einkommen, MB 37, 1937, Nr. 10, 1–3.

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Damit unterscheiden sich beide Felder erst einmal deutlich von der Debatte über die Autarkie Deutschlands, die am Ende des Ersten Weltkrieges und dann vor allem während der Agrar- und Weltwirtschaftskrise intensiv geführt wurde. Hier dominierten außenwirtschaftliche Fragen, besaß der Staat doch das Instrumentarium, um Importe und Exporte zu lenken.533 Während des Ersten Weltkrieges stand eine künftige Abschottung vom Weltmarkt nicht zur Debatte, wohl aber eine reflektierte Stärkung der »Nationalwirtschaft«534. Für die meisten Agrarökonomen bedeutete dies Erziehung zu einem stärker auf heimischen Nahrungsmitteln gründenden Ernährungsstil und eine Modernisierung der Landwirtschaft. Deren Art aber war umstritten, denn Agrarlobbyisten forderten unter Verweis auf die staatswirtschaftlichen Ideen des schwedischen Ökonomen Rudolf Kjellén sowie des Ruhlandschen Konzepts einer »organischen Wirtschaftspolitik« eher Bestandsschutz und staatliche Subventionen.535 Moderne Technik und Industrie könnten zwar Nahrungsmittel umarbeiten, nicht aber erzeugen – entsprechend sei eine starke Landwirtschaft Garant für die politische Freiheit der Nation.536 Nach der Niederlage änderte sich die Szenerie, schien eine von Deutschland wesentlich bestimmte »Weltwirtschaft« doch fern. Angesichts der Versorgungsprobleme waren (Nahrungsmittel-)Importe unabdingbar. Selbst die deutsche Landwirtschaft konzedierte, dass sie nicht in der Lage sei, die Versorgung sicherzustellen. Ernährungswissenschaftler entwickelten parallel jedoch schon Aufgabenprofile, um sich der »Sklaverei des Lebensmittel-Weltmarktes«537 weitgehend zu entziehen. Der bedeutendste Diätetiker des Deutschen Reiches, der in Frankfurt a. M. tätige Carl v. Noorden538, deklinierte die für eine möglichst umfassende Eigenversorgung notwendigen Maßnahmen. Wissenschaft und Technik waren für ihn – anders als für die Agrarier – die zentralen Ressourcen des Deutschen Reiches, entsprechend galt es Düngung und Züchtung zu intensivieren, insbesondere aber Konservierungs-, Verarbeitungs- und Lagerungsverfah-

533 Vgl. Teichert, Eckart: Autarkie und Großraumwirtschaft in Deutschland 1930–1939. Außenwirtschaftliche Konzeptionen zwischen Wirtschaftskrise und Zweitem Weltkrieg, München 1984, 75–104. 534 Skalweit, August: Weltwirtschaft oder Nationalwirtschaft?, MDLG 30, 1915, 641–648. 535 Kjellén, Rudolf: Der Staat als Lebensform, Leipzig 1917; Ruhland, Gustav: System der politischen Oekonomie, 3 Bde., Berlin 1903–1908. Letzterer diente insbesondere dem Reichslandbund als theoretischer Kopf, wurde dann im Nationalsozialismus zum Referenzpol ständischer Bauerntumsideologie. 536 Vgl. Eichhorn, K[onrad]: Nationale Selbstversorgung, Hildesheim/Leipzig 1917, v. a. 1–2. 537 Noorden, Carl v.: Ernährungsfragen der Zukunft, Berlin 1918, 55 (auch für das Folgende). 538 Zur Biographie vgl. Hauk, Joachim: Carl Harko Hermann Johannes von Noorden (1858–1944). Sein Leben und Werk unter besonderer Berücksichtigung seiner Theorien über die Ursachen des Diabetes mellitus, Med. Diss. Mainz 1980.

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ren zu optimieren. Sein Programm umgriff auch die systematische Erziehung der Konsumenten zu einer wissenschaftlichen reflektierten Ernährungsweise und zu einer rationalen Hauswirtschaft. Das hier geschnürte Forderungsbündel benannte zahlreiche dann in den 1930er Jahren umgesetzte Maßnahmen, die aber unverbunden und ohne innere Hierarchie blieben. Anfang der 1920er Jahre jedoch war die Reintegration Deutschlands in die Weltwirtschaft, nicht zuletzt aufgrund von Ernährungskrise und Reparationsverpflichtungen, alternativlos. Die Agrarwissenschaft unterstützte 1924 »einhellig« die Einbindung der Landwirtschaft in den Weltmarkt, lehnte den nach Ende der Versailler Bindungen nun wieder möglichen Zollschutz ab.539 Der Preisverfall an den internationalen Märkten, insbesondere bei Getreide, setzte der durch die Hyperinflation besonders gebeutelten deutschen Landwirtschaft jedoch beträchtlich zu. Angesichts der sinkenden Einkommen konnten auf­ genommene Kredite kaum mehr bedient werden, erschienen die gestiegenen Steuern nicht mehr tragbar.540 Die landwirtschaftlichen Interessenverbände, vorrangig der Reichslandbund, forderten Schutz, die kleine Zolltarifsnovelle vom August 1925 wurde von der DNVP wesentlich forciert.541 Sie war noch sektoral angelegt, zielte über höhere Getreidezölle und Exportsubventionen auf die Unterstützung vorrangig der ostelbischen Großproduzenten.542 Auch wenn innerhalb der Landwirtschaft zunehmend Interessengegensätze zwischen den auf Basis preiswerter Futtermittelimporte produzierenden Veredelungsbetrieben Nord- und Westdeutschlands und den Massengüterproduzenten im Osten aufbrachen, gab es den Konsens, dass Staatshilfe nötig sei. Ziel des Reichslandbundes war schon 1925 »Nahrungsfreiheit«543, also die Substitution aller Importwaren, falls sie auch in Deutschland produziert werden konnten. Zölle sollten diese Umstellung unterstützen.544 Seitens der Agrarökonomik und der allgemeinen Nationalökonomie wurden diese Bestrebungen zumeist kritisiert. Der Verein für Socialpolitik hatte schon 1924 klar gegen Zollerhöhungen Stellung genommen, stattdessen empfohlen, die landwirtschaftliche Produktion von Massengütern auf Veredelungsprodukte

539 Beckmann, Fritz: Agrarkrise und Agrarzölle, Berichte über Landwirtschaft NF 2, 1925, 397–451, 525–570, hier 397. Darin eine detaillierte Darlegung der agrarwissenschaftlichen Fachdebatte. 540 Vgl. zu den Auseinandersetzungen Becker, Heinrich: Handlungsspielräume der Agrarpolitik in der Weimarer Republik zwischen 1923 und 1929, Stuttgart 1990, 311–344. 541 Merkenich, Stephanie: Grüne Front gegen Weimar. Reichs-Landbund und agrarischer Lobbyismus 1918–1933, Düsseldorf 1998. 542 Vgl. Klauke, Paul: Die deutsche Fett-, Getreide- und Futtermittelpolitik seit 1933 und ihre Auswirkungen hinsichtlich der Selbstversorgung Deutschlands mit Nahrungsmitteln, WiSo. Diss. Köln, Neuß 1937. 543 Landbund und Hebung der landwirtschaftlichen Erzeugung, Berlin 1925, 3. 544 Landbund und deutsche Selbstbehauptung (Wirtschafts-Autarkie), Berlin 1926, 6.

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umzustellen.545 Die Wirtschaftswissenschaftler verwiesen auf die durch die internationale Arbeitsteilung möglichen Wohlfahrtssteigerungen, warnten ferner vor staatlichen Eingriffen in Wettbewerb und Preisgestaltung, um so den Zollschutz abzustützen.546 Nahrungsfreiheit, Selbstversorgung und Autarkie schienen ihnen vornehmlich Kampfmittel gegen eine marktwirtschaftliche Ordnung zu sein.547 Ihre Umsetzung hieße sinkender Lebensstandard und letztlich Hunger.548 Die neoklassische Fokussierung auf den Preismechanismus führte dazu, dass liberale Ökonomen den Ruf nach Autarkie noch 1932 als »politische Eintagsangelegenheit«549 einordneten. Ihre Analysen verkannten, dass ihr umstrittenes Spezialwissen in einer umfassend wahrgenommenen Krisensituation nicht ausreichte, um Entwicklungen zu bremsen, bei denen nationale, soziale und kulturelle Aspekte sicher ebenso bedeutsam waren wie ökonomische.550 Selbstkritik blieb selten, auch wenn man wusste, »mit handelsstatistischem Kleinkaliber läßt sich seelische Haltung nicht niederstrecken.«551 Autarkie war längst ein politisches Mobilisierungsprogramm geworden. Gerade während der Weltwirtschaftskrise erschien sie weit über die Grenzen der Agrarwirtschaft hinaus als »Notforderung«552, die in etwas »organisch Neues, volksmäßig Freies« münden sollte. Schließlich diskutierte man damals intensiv neuerliche Wachstumseinbußen der Heranwachsenden bzw. eine drohende Hungersnot und schickte Stadtkinder wieder zur Auffütterung auf das Land.553 Auch die Quintessenz der Autarkie, die Reagrarisierung, wurde er­ örtert, jedoch schnell verworfen.554 545 Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik in Stuttgart 1924, München/Leipzig 1925, 139–242 (mit Referaten von Sering, Eckert, Harms und Gothein). 546 Liebich, Bruno Hermann: Das Problem der Autarkie, RStwiss. Diss. Breslau 1930, v. a. 31–34. 547 Weinbrenner, Karl Theodor: Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen der landwirtschaftlichen Selbstversorgung Deutschlands. Grundsätzliches und Tatsächliches zum Problem der Autarkie, Phil. Diss. Gießen 1938, 14. 548 Kluge, Franz: Autarkie?, Deutsche Arbeit 17, 1932, 37–42, hier 41. 549 Gerloff, Wilhelm: Autarkie als wirtschaftliches Problem, in: Autarkie. Fünf Vorträge, Berlin 1932, 13–35, hier 33. 550 Treichel, Walter: Autarkie als wirtschaftspolitisches Ziel, RStwiss. Diss. Innsbruck, Leipzig 1934, 7. 551 Hoffmann, Friedrich: Der Ruf nach Autarkie in der deutschen politischen Gegenwartsideologie, Weltwirtschaftliches Archiv 36, 1932, 496–511, hier 502. 552 Lammers, Clemens: Autarkie, Planwirtschaft und berufsständischer Staat?, Berlin 1932, 7 (auch für das folgende Zitat). 553 Wolff, Georg: Krieg und Wirtschaftskrise in ihrem Einfluss auf das Schulkinderwachstum, Gesundheit und Erziehung 45, 1932, 443–451, 501–506; Rudloff, [Ludwig]: Droht in Deutschland eine Hungersnot? Gefahren für unsere ernährungswirtschaftliche Selbstversorgung!, Zf VED 7, 1932, 81–86, 140–141; Stadtkinder aufs Land, Das Land 41, 1932, 257–258. 554 Borsig, Ernst v.: Reagrarisierung Deutschlands? Eine Untersuchung über ihre Möglichkeiten und Grenzen, Jena 1934; Held, Hans-Joachim: Die Möglichkeiten der Reagrarisierung Deutschlands, RStwiss. Diss. Breslau, Würzburg 1936.

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Abb. 52a+b: Kalorienverbrauch und Selbstversorgungsgrad des Deutschen Reiches (jeweiliges Gebiet) 1913 und 1924–1934

Gegenüber dieser Gemengelage von Forderungen und Erwartungen blieben die Maßnahmen der Präsidialregierungen ohne Kontur, zumal der Außenhandel nicht nur dramatisch einbrach, sondern zunehmend vom strategischen Kalkül einer Beendigung der Reparationszahlungen überlagert wurde. Die Lebensmittelimporte sanken wertmäßig von 1929 5,5 Mrd. RM auf 1933 3,6 Mrd. RM, ihr Anteil am gesamten Außenhandel von 40 auf 38,8 %. Wurden 1929 unter Berücksichtigung der Futtermittel 72 % der Kalorien im Inland produziert, so lag dieser Wert 1933 bei 81 %.555 Doch dies war vorrangig auf Konsumverlagerungen aufgrund schwindender Kaufkraft sowie die Rationalisierungsbestrebungen der Agrarwirtschaft zurückzuführen. Die strikten Befürworter einer Autarkie, die vornehmlich in den Spitzenverbänden der Landwirtschaft sowie dem publizistisch regen Tat-Kreis zu finden waren, verstanden dies als Gesundungskur, die heilend auf die »Über-

555 Ebd., 53.

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steigerung der Wünsche«556 wirke. Angesichts der Krise forderten sie einerseits eine strikte Kontingentierung der sog. »Luxusimporte« von Südfrüchten, Kakao oder Kaffee, zielten anderseits auf eine konsequente Umstellung auf inländische Produkte.557 Auslandsware sollte möglichst verboten werden: In deutsches Bier nur deutsche Gerste, Marmelade nur aus deutschem Obst.558 Die Reichsregierungen gaben dem ansatzweise nach, seit 1929 wurde die Vermahlung von Inlandsweizen vorgeschrieben, Margarine sollte seit 1930 immer auch deutsches Fett enthalten, und 1931–1934 wurden Backwaren mit 4–5 % deutschem Kartoffelstärkemehl und Magermilch veredelt. Beihandelszwänge, also Sortimentsund Absatzquoten für Einzelhandelsgeschäfte, wurden diskutiert, nicht aber umgesetzt.559 Auch Normierungen, etwa die bestehenden Kennzeichnungspflichten, lenkten den Blick auf die Herkunft der Produkte. Doch selbst die strikten Autarkisten waren zu Konzessionen an den Verbrauchergeschmack bereit, setzten dazu aber auf Wissenschaft und Technik. Nicht einseitiger Konsumverzicht und perspektivlose Reduktion des Lebensstandards war ihre Parole, sondern Intensivierung durch Düngung, Züchtung und Technisierung. Um »das Höchste aus dem Boden herauszuholen«560 sollten die bestehenden agrar- und ernährungswissenschaftlichen Forschungsinstitute möglichst ausgebaut werden, dadurch auch die Akademikerarbeitslosigkeit reduziert werden. Wissenschaftler, insbesondere Chemiker und Ingenieure, sollten helfen, die heimische Erzeugung an den Verbrauch und den Verbrauch an die Erzeugung anzupassen. Mochten diese ständischen, um Selbst- und Fremdverpflichtungen kreisenden Utopien auch in längst vergangene Zeiten zurückverweisen, sahen sich die strikten Autarkisten doch keineswegs als Antimodernisten, sondern als eine Avantgarde neuer nationaler Gemeinschaften, die ohne die Wissensproduktion der Ernährungswissenschaften nicht denkbar waren. Die NSDAP, deren agrarpolitischer Apparat nicht nur zu den erfolgreichsten Mobilisierungsinstrumenten der Partei gehörte, sondern dem auch eine große Zahl von Agrarökonomen und Agrarwissenschaftlern angehörte561, forderte 556 Fachmann, Kurt: Die Versorgung mit Gemüse und Obst, Blumen und Zierpflanzen, in: Danielcik, Hans Peter (Hg.): Deutschlands Selbstversorgung, München 1932, 147–175, hier 165. 557 Danielcik, Hans Peter: Der Weg zur Selbstversorgung, in: Ders. (Hg.): Deutschlands Selbstversorgung, München 1932, 32–46, 54–89. Diese Vorschläge wurden wissenschaftlich zerrissen, erreichten gleichwohl ein bürgerliches Massenpublikum, vgl. Berkenkopf, P[aul]: Rez. v. Danielcik (Hg.), 1932, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 141, 1935, 370–372. 558 Zur Persiflage dieser Forderungen Wrobel, Ignaz: Deutscher Whisky, Die Weltbühne 26,I, 1930, 330–331. 559 Treichel, 1934, 24. 560 Danielcik, 1932, 35 (auch für die folgende Forderung). 561 Gies, Horst: R. Walther Darré und die nationalsozialistische Bauernpolitik in den Jahren 1930 bis 1933, Phil. Diss. Frankfurt a. M. 1966.

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ebenfalls eine wachsende Selbstversorgung des Deutschen Reiches. Für sie war dies ein Sammlungsbegriff, der eine Anstrengung verkörperte, deren Ziel im Rahmen des bestehenden Staatensystems nicht zu erreichen war.562 Die wehrwirtschaftliche Dimension der Autarkie wurde stets propagiert, sie galt als »eine nicht minder wichtige Verteidigungswaffe, wie Luftschutz und eine schlagfertige, gut bewaffnete Armee.«563 Zwischen den landwirtschaftlichen Eliten, strikten Autarkisten und Nationalsozialisten waren neue Großraumstrukturen, etwa ein »kontinentaler Freundschaftsblock Deutschland-Österreich-Ungarn, Italien-Rumänien-Bulgarien«564 von Beginn an unstrittig. Darin sollte unter deutscher Hegemonie arbeitsteilig gewirtschaftet werden. Eine vollständige landwirtschaftliche Selbstversorgung stand dagegen weder vor noch nach der Machtzulassung auf der Agenda der Machthaber. Sie war schlicht zu teuer, hätte zu hohe Investitionen erfordert und damit die Aufrüstung konterkariert.565 Autarkie blieb vielmehr eine dynamische Idee, um die Produktion des ländlichen Raumes stärker ausschöpfen und zugleich die Konsumenten zu reflektiertem Konsum anhalten zu können. Sie erlaubte ferner ein dynamisches Zusammenspiel des eisernen Dreiecks, dessen Kooperation während des NS -Regimes eine neue Qualität erhielt: Die Autarkie Deutschlands sollte nicht allein durch Extensivierung, sondern stärker noch durch Intensivierung erfolgen. Hier hatte künstliche Kost einen wichtigen Platz. Lebensmitteltechnologie und Konservierung, Lagertechnik und Verpackungswesen, nutritive Prävention und Wirkstoffversorgung wurden nun ansatzweise systematisiert, und mit Hilfe neuen abstrakten Wissens um Versorgungsströme aufeinander bezogen.566 Um die militärische und ökonomische Effizienz im Kriegsfalle zu gewährleisten, setzte das Regime auf eine Umstellung von Wirtschaft und Ernährung schon zu Friedenszeiten.567 Die Marktordnung etablierte dafür funktionale Institutionen.

562 Volkmann, Hans-Erich: Deutsche Agrareliten auf Revisions- und Expansionskurs, in: Ders.: Ökonomie und Expansion. Grundzüge der NS -Wirtschaftspolitik, München 2003, 323–364, insb. 349–351. 563 Bickel, Adolf: Volksernährung und nationale Außenpolitik, Zf VE 9, 1934, 34–35, hier 34. Vgl. auch Klemm, Volker: Antikrisenprogramm oder Kriegsvorbereitung? Akzente und Aspekte der Agrarpolitik des deutschen Faschismus, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1987/I, 169–183. 564 Hübener, Walther: Neuorientierung der deutschen Öl- und Fettwirtschaft, DVW 2, 1933, 115–120, hier 115. 565 Corni, Gustavo/Gies, Horst: Blut und Boden. Rassenideologie und Agrarpolitik im Staat Hitlers, Idstein 1994, 47. Treffend auch Tyszka, [Carl] v.: Die Zukunft der Selbstversorgung Deutschland, DÄBl 65, 1935, 116–118. 566 Vgl. hierzu Täufel, Kurt: Ergebnisse und Ziele der neueren Lebensmittelchemie, DNR 1930, 168–171, 178–180; Fincke, 1933a. 567 Weiss, o. J. (1937).

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4.5.3 Marktordnung. Reichsnährstand und regulierte Außenwirtschaft »Ordnung verging, Ordnung soll wieder werden.«568 Der Reichsnährstand war ein vielfach begrüßter Zwangszusammenschluss der Ernährungswirtschaft.569 Obwohl die Landwirtschaft klar dominierte, handelte es sich nicht um ein »gewaltiges Bauernsyndikat«570, sondern um ein institutionelles Arrangement zur staatlich verpflichteten Kooperation der Primärproduktion, des verarbeitenden Gewerbes und des Einzelhandels. Forciert wurde sein Aufbau insbesondere vom Leiter des agrarpolitischen Apparates der NSDAP, dem »Reichsbauernführer« R. Walther Darré, seit dem 30. Juni 1933 auch Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft.571 Im September 1933 entstand der Reichsnährstand als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts, die einerseits an die Stelle der vorherigen landwirtschaftlichen Spitzenverbände trat, anderseits aber auch nach Lebensmitteln geordnete Wirtschaftsgruppen in sich vereinigte. Aufbau und Aufgaben wurden bis Februar 1934 in vier »Aufbauverordnungen« präzisiert.572 Seine Hauptaufgabe war die Regelung von Erzeugung, Absatz, Preisen und Preisspannen sämtlicher Ernährungsgüter. Der Reichsnährstand kontrollierte damit direkt und indirekt mehr als 25 % des deutschen Bruttoinlandsproduktes, überwachte einen Absatz von mehr als 30 Mrd. RM, war somit »die größte Wirtschaftseinheit der Welt.«573 Ca. 30.000 Beschäftigte begannen eine intensive Regulierungstätigkeit, binnen zweier Jahre wurden ca. 250 Gesetze und Verordnungen erlassen.574 Der Reichsnährstand stand für einen klaren Bruch mit marktwirtschaftlichen Prinzipien.575 Alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse erhielten Festpreise, zugleich legte man die Preisspannen zwischen den Absatzstufen fest. Für die NS -Funktionäre bedeutete dies »Beseitigung der Marktanarchie«576 und Pla 568 Lammers, 1932, 5. 569 Zur Institutionengeschichte vgl. Frank, 1988. Dornheim, Andreas: Rasse, Raum und Autarkie. Sachverständigengutachten zur Rolle des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in der NS -Zeit, Bamberg 2011 (Ms.), 72–84 570 Corni/Gies, 1994, 28. 571 Zur Biographie vgl. Bramwell, Anna: Blood and Soil. Richard Walther Darré und Hitler’s ›Green Party‹, Bourne End 1985. 572 Vgl. Der Reichsnährstand, RRDV 31, 1934, 144–145. 573 Tooze, 2007, 226. 574 Grundlegend zur Organisationsgeschichte Corni/Gies, 1997, 79–250. Innerhalb des Reichsnährstandes nahm die Zahl der Diplom-Landwirte, nicht zuletzt gefördert vom Führer des Reichsbundes der deutschen Diplom-Landwirte, Heinrich Himmler, bis Kriegsbeginn zu. 575 Einen Überblick bietet Diehl, Markus Albert: Von der Marktwirtschaft zur nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. […], Stuttgart 2005, 86–96. 576 Reischle, Hermann: Die Wirtschaftslenkung durch den Reichsnährstand, Der Vierjahresplan 1, 1937, 205–206, hier 206.

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nungssicherheit für die Erzeuger. Während der Bauer der Weimarer Republik, »der Periode der Preisstützung oder subventionierten Marktwirtschaft«577, als Quasi-Rentner verstanden wurde, sollte die Marktordnung ihn nun wieder »auf den Weg der Selbstverantwortung« leiten. Erhöhte Produktion führte nicht zu sinkenden Preisen, sondern zu steigendem Einkommen. Da fast alle Preise angehoben wurden und 1933 eine Rekordernte eingebracht werden konnte, etablierte sich das System relativ schnell. Auch wenn die strikten Regulierungen vielfach auf Widerspruch stießen und Kritik am »Nährstandsimperialismus«578 spätestens seit 1935 weit verbreitet war, ließ die Ernährungspolitik im Rahmen der jeweils ausgegebenen Parolen Freiraum für Eigeninitiative. Typisch für die NS -Ernährungspolitik war die stete Mobilisierung der Bauern, der dauernde Appell an Idealismus, Einsatzbereitschaft und Leistungswillen. Den Reichsnährstandsfunktionären sollte entgegengearbeitet werden, dann war subjektives Wissen erwünscht.579 Der Reichsnährstand unterstützte die Diffusion agrarwissenschaftlichen und chemischen Wissens.580 Zugleich aber nahm die Vermarktungsorganisation den Bauern die Verantwortung für den Absatz ihrer Produkte ab. Sie sollten sich auf ihre Produktionsfunktion konzentrieren, wurden trotz anderslautender Propaganda zu Rohstofflieferanten reduziert. Der sich insbesondere in der Reichserbhofgesetzgebung niederschlagende Rassismus der tragenden Bauerntumsideologie ging in die gleiche Richtung, waren die qua Ariernachweis hochwertigen Nachkommen »deutschen Blutes« doch nur funktionale Pendants zum »deutschen Rindvieh«, dessen Qualität Rinderleistungsprüfungen absicherten.581 Die Marktordnung zielte ebenso auf die Konsumenten. Sie waren von den Preiserhöhungen direkt betroffen, doch dafür erhielt sie – so die Propaganda – gute Ware zu gerechten Preisen. Die sichere Versorgung galt als Wert, Normierungen deutete man im Sinne des Verbraucherschutzes.582 Die Kombination von Erzeuger- und Verbraucherschutz wurde immer wieder hervorgehoben.583 577 Lützow, Wolfgang: Neugestaltung der Agrarpolitik. Reichsnährstand und Getreidekartell, Soziale Praxis 42, 1933, Sp. 1145–1151, hier 1148 (auch für das folgende Zitat). 578 Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 2, 1935 (ND Salzhausen/Frankfurt a. M. 1980), 265. 579 Backe, Herbert: Rede bei der Eröffnung der Reichsnährstandsschau in Frankfurt a. Main am 17. Mai 1936, in: Ders.: Volk und Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland, Berlin 1936, 37–45, hier 42. 580 Wirtschaftskreise und Stufen der Selbstversorgung, München 1935, 11. 581 Vgl. Freudenberger, Hermann-Heinrich: Die volkspolitische Bedeutung des Reichserbhofgesetzes, Zf VE 9, 1934, 18–19 sowie Mai, Uwe: Gesteuerte Tradition. Recht als Lenkungsinstrument in der Agrar- und Siedlungspolitik während des Nationalsozialismus, in: Bär, Johannes/Banken, Ralf (Hg.): Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2006, 423–441. 582 Zink, W[illy]: Reichsnährstand und Verbraucher, RRDV 31, 1934, 309–311, hier 311. 583 Vgl. Merkel, 1936, 335.

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Die Konsumenten sollten sich an den Zielsetzungen der Ernährungspolitik orientieren, man erzog sie zum Konsum deutscher Waren und führte sie hin zu gesunden Produkten. Preisstabilität und hohe Qualität wurden von der Propaganda hervorgehoben – obwohl der Alltag vielfach von grauen Märkten, Versorgungsschwierigkeiten und Qualitätsmängeln geprägt war.584 Dennoch darf die stabilisierende Funktion der Marktordnung auch für die Verbraucher nicht unterschätzt werden. Die Reichsnährstandsorganisation sollte nach den Vorstellungen Darrés und vieler seiner Anhänger die »Voraussetzung für eine allgemeine nationalsozialistische Wirtschaftsweise«585 schaffen. Dies erfolgte nicht, die anwachsende Bürokratie, die zahllosen Fehlallokationen sowie die Konflikte im polykratischen NS -System ließen sie nicht als Vorbild für andere Branchen erscheinen. Marktwirtschaftliche Prinzipien blieben dort im Rahmen eines kooperativen Korporatismus bestehen. Dies galt allerdings nicht für die Außenwirtschaft. Die seit Ende 1932 wieder anziehende Konjunktur konfrontierte die Reichsregierungen mit einem Nachfragedruck, der angesichts der desolaten Devisenlage mit dem etablierten Instrumentarium von Schutzzöllen und Einfuhrverboten nicht mehr zu bewältigen war.586 Steigende Importe hätten zudem die Selbstversorgungsanstrengungen wieder zurückgeworfen und die Aufrüstung behindert. Entsprechend wurden schon vor Erlass des Neuen Plans im September 1934 der Außenhandel bilateralisiert, die Importe auf das vermeintlich volkswirtschaftlich Notwendige reduziert, devisenträchtige Ausfuhr subventioniert und zugleich der räumliche Schwerpunkt von den Westmächten auf Südosteuropa und Südamerika verlagert. Diese Maßnahmen galten vornehmlich für die Beschaffung strategisch wichtiger Rohstoffe und Investitionsgüter. Im Lebens- und Futtermittelsektor wurde rigider vorgegangen: Nachdem unter Ernährungsminister Hugenberg strikte Kontingentierungen vorgeschrieben wurden, errichtete Darré seit Sommer 1933 sog. Reichsstellen, die nicht dem Reichsnährstand, sondern dem Reichsernährungsministerium unterstanden. Hierbei handelte es sich um branchenbezogene Körperschaften des öffentlichen Rechts, die den Import und die Preisgestaltung landwirtschaftlicher Güter regelten.587 Sie kooperierten unmittelbar mit den im Rahmen der Reichsnährstandsorganisation errichteten 584 Vgl. etwa Ilchmann, Otto: Aus der Tätigkeit des Reichsnährstandes, DHR 29, 1936, 908–911; Backe, 1936, 40. Während des Krieges wurde immer wieder die hohe Qualität deutscher Waren beschworen, vgl. Morgenroth, Edgar: Auch im Krieg Anspruch auf gute Ware. Wie schützt der Reichsnährstand den Verbraucher, Zf VE 15, 1940, 142–143; faktisch wurden insbesondere viele verarbeitete Produkte seit Mitte der 1930er Jahre systematisch schlechter. 585 Lützow, Wolfgang: Der Aufbau des Reichsnährstandes, Soziale Praxis 43, 1934, Sp. 183–190, hier 190. 586 Tornow, Werner: Chronik der Agrarpolitik und Agrarwirtschaft des Deutschen Reiches von 1933–1945, Hamburg/Berlin (W) 1972, 183 sowie Weinbrenner, 1938, 32. 587 Vgl. Simon, Rolf: Die Reichsstellen in der Marktordnung. Ziele und Mittel, RStwiss. Diss. Breslau, Bleicherode a. H. 1937.

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Wirtschaftlichen Vereinigungen, faktischen Zwangskartellen von Landwirtschaft und verarbeitendem Gewerbe, die Preise, Marktkontingente und Qualitätsnormen für einzelne Branchen festlegten. Die Importe mussten über die Reichsstellen erfolgen, die dann die Preise dieser Waren eigenständig festlegten.588 Damit verteuerten sie sich auch über die Zollsätze hinaus, de facto bestand ein Einfuhrmonopol. 1933/34 wurden vier Reichsstellen für Getreide und Futtermittel, für Milcherzeugnisse, Öle und Fett, für Eier und Tiere und tierische Erzeugnisse errichtet.589 Ziel war zugleich, den internationalen Preisdruck zu minimieren. Nicht Autarkie wurde anvisiert, sondern ein reguliertes Außenhandelssystem, dessen man sich bedienen konnte, wenn es binnenwirtschaftlich und strategisch notwendig war. Dieses gründete vielfach auf Vorarbeiten der Präsidialkabinette, radika­ lisierte und systematisierte diese jedoch. Das verdeutlicht der sog. Fettplan, den Hugenberg zwischen März und April 1933 in Gang gesetzt hatte. Angesichts des starken Anstiegs und des Strukturwandels des Fettkonsums – von 1913 bis 1932 hatte sich der Margarinekonsum von 197.000 t (3 kg pro Kopf/Jahr) auf 530.600 t (8,5 kg) erhöht, war der Anteil am Gesamtfettverbrauch von 22,9 % auf 41,4 % gestiegen590 – galt es zum einen die einheimische Fettproduktion zu forcieren, zum anderen die devisenträchtigen Importe zu reduzieren. Der Plan sah Verwendungsquoten für deutsche Fette vor, verteuerte mittels einer Fettsteuer von 50 Pfg./kg den Konsum erheblich, etablierte eine Reichsstelle für Öle und Fette zur Importkontrolle und kontingentierte die Margarine- und Speiseölproduktion auf 50 % der Menge des letzten Quartals 1932.591 Diese Maßnahmen hatten begrenzte Erfolge, der Selbstversorgungsgrad stieg von 1932 44 % auf 1933 51 %, 1934 dann 56 %.592 Doch das Regime konnte die Verdoppelung der Fettpreise für die ärmere Bevölkerung nicht lange aufrechterhalten.593 Schon im September 1933 wurde 50 % der Margarine als »Haushaltsmargarine« zu stark subventionierten Preisen auf den Markt gebracht, ca. 20 Mio. Deutsche profitierten hiervon.594 Das Margarinekontingent war schon zuvor auf 60 % erhöht worden. Der Fettplan blieb weit hinter den selbst gesetzten Zielen zurück, doch die beträchtlichen Preissteigerungen ließen den Fettkonsum erst einmal sinken.595 Dennoch bestand nun ein institutionelles 588 Vgl. Huegel, 2003, 268. 589 Deutschland-Berichte, 1935, 259–260. 590 Daten n. Manns, Liesel: Deutschlands Selbstversorgung mit Speisefetten, WiSo. Diss. Köln 1937, 14–16. 591 Vgl. die Auflistung der Maßnahmen bei Tornow, 1972, 25–28. 592 Decken, Hans v.d.: Deutschlands Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen unter besonderer Berücksichtigung der Auslandsabhängigkeit, Berlin 1935, 73. 593 Deutschland-Berichte, 1935, 270–271. 594 Fettverbilligung für Minderbemittelte, Soziale Praxis 42, 1933, Sp. 1435–1436. 595 Vgl. Heil, Arthur: Ein Jahr Fettbewirtschaftung, RRDV 31, 1934, 296–297; Hunck, J[oseph]: Der Fettplan, ebd., 677–679.

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Instrumentarium, das in den Folgejahren weiter genutzt und ausdifferenziert wurde. Der Fettplan zeigte die Grenzen einer einfachen Dekretierungspolitik auf, verweigerten viele Bauern doch Eingriffe in ihre Produktion.596 Gleichwohl wurden Milchwirtschaft und Schweineproduktion weiter forciert und sollten Widerstände später mittels wissenschaftlich ambitionierter Großprojekte gebrochen werden (Kap. 4.5.4 und 5.5.2). Die Fettversorgung blieb in der Folge stets prekär, Lieferschwierigkeiten traten insbesondere im Winter 1935/36 auf. Daraufhin wurden einerseits die »Importventile«597 geöffnet, anderseits kam es zu weiteren Konsumregulierungen und ersten Bewirtschaftungsmaßnahmen. Nachdem vereinzelt schon seit Ende 1935 Kundenlisten für einzelne Fette angelegt und Bezugsscheine ausgegeben wurden, führte das Regime im November 1936 für alle Fette Kundenlisten bei Einzelhändlern und Metzgern ein.598 Parallel wurde die Herstellung von Wurst und Schinken zeitweilig untersagt, die Fettkäseproduktion strikt limitiert und die Herstellung von Schlagsahne kontingentiert.599 Letztere verschwand seit dem Winter 1936/37 zunehmend aus dem freien Handel.600 Die Reaktionen der Verbraucher waren teils heftig: »So gings im Kriege los; bald kommen die Brotkarten, die Reihenfolge kennen wir schon«601. Doch nach dem Schimpfen folgte Gewöhnung, breiter angelegte Proteste unterblieben. Für das Regime waren dies propagandistische Schlappen, die mit Kampagnen gegen »Muckertum« beantwortet wurden. Zugleich aber legte man so die institutionelle Grundlage für das spätere Rationierungssystem. Zu dieser Zeit schien »Nahrungsfreiheit« kaum mehr zu erreichen. 1936 mussten für 3,1 Mrd. RM Agrargüter eingeführt werden, das entsprach 35,5 % der Gesamtimporte.602 In seiner Denkschrift zum Vierjahresplan vermerkte Hitler: »Das Ergebnis unserer landwirtschaftlichen Produktion kann eine wesentliche Steigerung nicht mehr erfahren.«603 Gleichwohl blieb ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad unabdingbar für eine forcierte Aufrüstung. Die neu errichteten Vierjahresplaninstitutionen zielten zwar vorrangig auf die industrielle Ressourcenallokation, doch wurde »der Ernährungssektor von Plan

596 Deutschland-Berichte, 1935, 1155, 1162. 597 Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 3, 1936 (ND Salzhausen/Frankfurt a. M. 1980), 1058. 598 Ebd., 1405–1406. 599 Deutschland-Berichte, 1935, 1114. 600 Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 4, 1937 (ND Salzhausen/Frankfurt a. M. 1980), 49. 601 Ebd., 47. 602 Barkai, Avraham: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Ideologie, Theorie, Politik 1933–1945, Frankfurt a. M. 1988, 235. 603 Treue, Wilhelm: Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 3, 1955, 184–210, hier 206.

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zu Plan immer gewichtiger.«604 Als Hitler während des NSDAP-Parteitages 1936 hervorhob, dass Deutschland binnen vier Jahren »in allen jenen Stoffen vom Ausland gänzlich unabhängig sein [müsse, US], die irgendwie durch die deutsche Fähigkeit, durch unsere Chemie und Maschinenindustrie sowie durch unseren Bergbau selbst beschafft werden können«605, bezog er sich eben nicht allein auf Buna oder synthetisches Benzin, sondern auch auf künstliche Kost, auf Holzzucker und synthetische Fette, auf Walöl und Austauschstoffe, auf Verbesserungen von Gefriertechnik und Lagerhaltung. Für die seit 1934 von einer »Erzeugungsschlacht« zur nächsten eilende Landwirtschaft bedeutete der Vierjahresplan eine weitere Intensivierung.606 Wenngleich noch nicht von einer umfassenden Verwissenschaftlichung agrarwirtschaftlicher Tätigkeit gesprochen werden kann, intensivierte die Reichsnährstandsführung seit 1936 doch eine Produktion auf Basis wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse. Vergleicht man die Parolen des Reichsnährstandes mit den seit 1934/35 laufenden Forschungen des Forschungsdienstes, zeigen sich enge Bezüge: Es ging um die Erschließung neuer Flächen durch Meliorationen, Flurbereinigung und die Umwidmung von Wiesen- zu Ackerland, um eine Steigerung der Intensität durch zusätzliche künstliche Düngung, Lupinenbau und Silage. Parallel sollten Obst- und Gemüsebau, Ölsaaten sowie Hackfrüchte zu Lasten von Grünfutter-, aber auch ertragsarmen Getreideflächen erweitert werden. Auf dem Felde sollten ertragsreiche Sorten ertragsarme ersetzen, im Stall schlechte Futterverwerter aus den Beständen getilgt werden. Der Bauernhof sollte technisiert und besser in effiziente Verarbeitungs- und Absatzstrukturen eingebettet werden.607 Auf diese Art wollte man die beträchtlichen 604 Petzina, Heinz Dietmar: Der nationalsozialistische Vierjahresplan von 1936. Entstehung, Verlauf, Wirkungen, Wiwi. Diss. Mannheim 1965, 98. 605 Zit. n. Gerhardt/Höfner, 1942, 24. 606 Wagner, Josef: Preispolitik und Landwirtschaft, Der Vierjahresplan 1, 1937, 206–208, hier 206. Vgl. Degler, Stephanie/Streb, Jochen: Die verlorene Erzeugungsschlacht. Die nationalsozialistische Landwirtschaft im Systemvergleich, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2008/1, 161–181. 607 Treibende Kraft war Staatssekretär Hermann Backe. Vgl. hierzu und zur Biographie Lehmann, Joachim: Faschistische Agrarpolitik im zweiten Weltkrieg. Zur Konzeption von Herbert Backe, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 28, 1980, 948–956; Alleweldt, Bertold: Herbert Backe. Eine politische Biographie, Berlin 2011; Gerhard, Gesine: Nazi Hunger Politics. A History of Food in the Third Reich, Lanham u. a. 2015, 65–84. Die vielfach vorgenommene Scheidung des vermeintlichen »Agraromantikers« Darré und des »Technokraten« Backe führt allerdings in die Irre. Backe war ein überzeugter Antisemit, der die Blut- und Boden-Ideologie stets mitdachte, vgl. etwa Backe, Herbert: Rede auf dem 3. Reichsbauerntag in Goslar am 16. November 1935, in: Ders.: Volk und Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland, Berlin 1936, 23–36, insb. 28–33; Ders.: Gesunde Agrarpolitik Voraussetzung einer gesunden Ernährungswirtschaft, Vierjahresplan 6, 1942, 314–318. Hierzu überzeugend Gies, Horst: Reagrarisierung oder Industrialisierung? Programmatik und Realität in der national­sozialistischen Agrar- und Wirtschaftspolitik, Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 48, 2000, 145–160.

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Arbeitskraftverluste der Landwirtschaft wettmachen und – unterstützt durch veränderte Konsummuster – letztlich doch Selbstversorgung erreichen.608 Trotz der Restriktionen durch Rüstungsprioritäten wurden die Düngemittelpreise deutlich gesenkt, binnen zweier Jahre stieg der Kunstdüngereinsatz um mehr als 20 %.609 Die Ausgaben für Maschinen und Ackergeräte erhöhten sich von 210 Mio. RM 1933/34 auf 583 Mio. 1938/39, ihr Anteil an den Gesamtausgaben parallel von 3,5 % auf 7,4 %.610 Im Vergleich zur angelsächsischen Landwirtschaft, insbesondere den USA, war das wenig. Defizite sollten aber durch verbesserte Forschung und Entwicklung abgemildert werden.611 Dies bezog sich auf die Vorratswirtschaft, deren Ausbau von der Vierjahresplanbehörde unterstützt wurde und auf die ein beträchtlicher Anteil der bis 1938 auf 5 Mrd. steigenden Lebensmittelimporte zurückzuführen ist. Beträchtliche Fortschritte der Futterwirtschaft wurden durch den Silobau erreicht. Der »Einsatz des geistigen Kapitals der vom Staat getragenen chemischen und technischen Wissenschaft«612 betraf aber vornehmlich Pflanzen- und Tierzucht sowie den Maschinenbau. Die damit verbundene Effizienzsteigerung der Agrarwirtschaft blieb dennoch weit hinter den Erwartungen zurück. Mangelnde Ressourcen und immer weniger Arbeitskräfte ließen Selbstversorgung zur Chimäre werden. Daran änderte auch das intensive Zusammenspiel des eisernen Dreiecks kaum etwas. Die Intensivierung der agrarwirtschaftlichen Produktion war jedoch nur eine Seite des Strebens nach Selbstversorgung. Das eiserne Dreieck zielte stets auch auf den Verbraucher, dessen Konsumentscheidungen qua Verbrauchslenkung optimiert werden sollten. Auf Basis der Versorgungsbilanzen waren die Aufgaben klar. Staatssekretär Backe forderte vorrangig eine Reduktion des bisherigen Fettkonsums um 25 %, also auf den Stand des Jahres 1913.613 Die 1937 einsetzende Deckelung des Bezugsrechtes für verbilligte Konsummargarine auf 10 kg/Kopf und Jahr war dafür funktional614, doch strikte Maßnahmen dieser 608 Corni/Gies, 1994, 56. 609 Vgl. die Daten bei Hanau, Arthur/Plate, Roderich: Die deutsche landwirtschaftliche Preis- und Marktpolitik im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1975, 21. 610 Petzina, 1965, 105. 611 Zur Entwicklung in Übersee vgl. Olmstead, Alan L./Rhode, Paul W.: Reshaping the Landscape: The Impact and Diffusion of the Tractor in American Agriculture, 1910–1960, Journal of Economic History 61, 2001, 663–698. Zur Forschung s. Backe, Herbert: Rede anläßlich der ersten Sitzung des Forschungsrates, FD 1, 1936, 3–8; Ders.: Technische und wirtschaftliche Voraussetzungen der ernährungswirtschaftlichen Leistungssteigerung, Braune Wirtschafts-Post 7, 1938, 1258–1262. 612 Bente, Hermann: Deutsche Bauernpolitik, Stuttgart/Berlin 1940, 18. 613 Backe, [Herbert]: Warum wurde eine Neuregelung des Fettverbrauchs und Fettbezugs notwendig?, Der Vierjahresplan 1, 1937, 4–8, hier 7–8. 614 Vgl. Reith, Reinhold: »Hurrah die Butter ist alle!«. »Fettlücke« und »Eiweisslücke« im Dritten Reich, in: Pammer, Michael/Neiß, Herta/John, Michael (Hg.): Erfahrung der Moderne. […], Stuttgart 2007, 403–426, hier 411.

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Art waren nicht typisch für die nationalsozialistische Konsumpolitik. Sie setzte auf Überzeugung, auf die gemeinsame völkische Wertgrundlage, die reflektierten Verzicht zur Pflicht machte und die damit verbundenen gesundheitlichen Vorteile hervorhob. Seitens des Instituts für Konjunkturforschung wurden in Zusammenarbeit mit dem Reichsgesundheitsamt Richtlinien formuliert, deren Befolgung nationale Unabhängigkeit garantieren sollte.615 Diese sog. Reichsspeisekarte zielte auf weniger Eiweiß und insbesondere Fett, plädierte zugleich für eine saisonal variable Kost. Sie stand im Einklang mit den Forderungen führender Ernährungswissenschaftler, war Prototyp gesunder Kost. Für die Berichterstatter der Sopade erinnerte diese Mobilisierung wissenschaftlichen Wissens an den Ersten Weltkrieg.616 Dabei übersahen sie, dass diese Richtlinien wissenschaftlich wesentlich besser fundiert waren als während der Kriegszeit, die Debatten über Rohkost und Vitamine aufgriffen und diese propagandistisch nutzten. Zugleich konzedierte die sozialdemokratische Opposition begrenzte Anpassung: »Und das Volk läßt sich auch auf diesem Gebiet ›lenken‹; nicht ganz ohne Widerstand, aber doch bereitwilliger, als man früher angenommen hätte.«617 Ein Grund für diese größere Akzeptanz lag gewiss in der kooperativen Struktur des Reichsnährstandes. Anders als im Ersten Weltkrieg gelang es, den Einzelhandel in die Verbrauchslenkung zu integrieren, den Laden als »Aufklärungskanzel«618 zu nutzen. Händler/innen setzten die Kundenregistrierung um, vermittelten staatliche Anspruchshaltungen, schieden zwischen gesunden und weniger gesunden Lebensmitteln. Die Fachzeitzeitschriften des Handels enthielten nicht allein NS -Propaganda, sondern auch ernährungswissenschaftliches Grundwissen. Wirtschaft agierte als Vermittlungsinstanz der Wissenschaft und stand vielfach im Dienste staatlicher Politik. Auch wenn die Konsumentwicklung die Grenzen derartiger Kooperation innerhalb des eisernen Dreiecks aufzeigten, waren die Effekte doch nicht zu unterschätzen. Der Selbstversorgungsgrad stieg zwar nur moderat, doch für kommende Kriege waren wichtige Strukturen und Funktionszusammenhänge institutionalisiert worden.

615 Volksernährung aus deutschem Boden. Richtlinien für die Verbrauchslenkung auf dem Gebiete der Ernährung, Wochenbericht des Instituts für Konjunkturforschung 9, 1936, 195–196. 616 Deutschland-Berichte, 1937, 43. 617 Ebd., 133. 618 Borrmann, Fritz: Der Laden ist Aufklärungskanzel, DHR 29, 1936, 978. Zur Rolle des Handels vgl. Lüdecke, Hellmut: Die Sicherung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit Großdeutschlands (Ein Beitrag zur Klärung des Autarkieproblems), Handelswiss. Diss. Wien, Würzburg 1939, v. a. 102–108 sowie Einzelhandel und Versorgungslage, o. O. 1938.

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4.5.4 Die deutsche Kolonie. Fett und Eiweiß aus dem Meer Reichsnährstandsorganisation und Verbrauchslenkung waren Führungsinstrumente, um den Selbstversorgungsgrad des Deutschen Reiches hochzuhalten bzw. zu erhöhen. Die begrenzten landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, die aufgrund des wachsenden Wehrmachtsbedarfs und der wenig effektiven Flurbereinigung kaum erweitert werden konnten, limitierten Extensivierungsmaßnahmen jedoch deutlich. Entsprechend nahm seit 1934, spätestens aber seit der Versorgungskrise im Winter 1935/36 das Meer als »Deutschlands gegenwärtig einzige Kolonie«619 eine wachsende Bedeutung für die Lebensmittelversorgung ein. In den Analysen der Ernährungsfachleute erschien es als unerschöpfliche Quelle von Fett und Eiweiß, Seefische galten seit langem als »›Schätze des Meeres‹, die geerntet werden können, ohne daß gesät zu werden braucht.«620 Möglich wurde dies aber nur, wenn einerseits beträchtliche Investitionen in eine Fangflotte, eine verarbeitende Industrie sowie ein effizientes Lagerungs- und Absatzsystem getätigt wurden. Anderseits galt es Vorurteile gegen Fisch bei den Verbrauchern zu überwinden, insbesondere über den vermeintlich geringen Nährwert aufzuklären sowie seine besonders im Sommer geringe Qualität zu heben. Schon vor 1914 hatte der Deutsche Seefischerei-Verein daher Gemeinschaftswerbung betrieben und aufgrund des hohen Eiweißgehalts »Fisch statt Fleisch« propagiert, während parallel Seefischkochkurse die Vorurteile der Binnenländer gegen Frischfisch beseitigen sollten.621 Diese Branchenwerbung wurde 1926 nach Gründung des »Ausschusses für Seefischpropaganda« neu aufgenommen, wobei Aufklärung über den Nährwert und Erziehung hin zu deutscher Ware die kommerzielle Kommunikation dominierte. Man nutzte früh US -amerikanische Werbemethoden, arbeitete mit Filmen, Plakaten, Broschüren und alltagspraktischen Kochkursen.622 Gleichwohl blieb der erhoffte Erfolg aus, 619 Hoffmann, K. H.: Deutschlands gegenwärtig einzige Kolonie  – das Meer, Zf VE 14, 1939, 93–95, 187. 620 Reichert-Facilides, [Walter]: Die Bedeutung des Seefisches für die Volksernährung, Hannoversche Hausfrau 25, 1927/28, Nr. 10, VI-VII, hier VII. Vgl. insbesondere Ziegelmayer, Wilhelm: Rohstoff-Fragen der deutschen Volksernährung. Eine Darstellung der ernährungswirtschaftlichen und ernährungswissenschaftlichen Aufgaben unserer Zeit, Dresden/Leipzig 1936, 99–113. 621 Bericht über die Seefischkochkurse des Deutschen Seefischerei-Vereins, Fischerei-Wochenblatt 2, 1912/13, Nr. 9, 1, Nr. 10, 1, Nr. 11, 1; Die Propaganda des Deutschen SeefischereiVereins, BVGP 13, 1913, 23 sowie Lieberich, Fritz: Die Absatzwerbung für den deutschen Seefisch, Wiwi. Diss. München 1943, 55–56. 622 Habisch, Willi: Betrachtungen über die Fischwirtschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Die Fischwirtschaft 4, 1928, 3–6, 33–41, 81–85; Straßburger, Egon H.: Der propagierte Seefisch, Ernährungswirtschaft 4, 1930, 555–556.

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konnte insbesondere keine standardisierte Qualitätsware geliefert werden. Das seit 1913 verfügbare Ottesensche Gefrierverfahren wurde in Deutschland nur von wenigen Anbietern genutzt. Fisch blieb ein hygienisch heikles Produkt, das zumeist in verarbeiteter Form als Marinade, Räucherware oder Konserve angeboten wurde.623 Fisch war gleichwohl eine Saisonware mit regional sehr unterschiedlichem Konsum, der in den Küstenregionen dreimal höher lag als in Süddeutschland.624 Die Maßnahmen der deutschen Fischwirtschaft führten zu wachsenden Marktanteilen der Inlandsware und während der Weltwirtschaftskrise auch zu absoluten Konsumsteigerungen.625 Verglichen mit den skandinavischen Ländern oder Großbritannien lag der deutsche Pro-Kopf-Fischkonsum mit ca. 10 kg aber noch recht niedrig, entsprechend groß schien Ernährungsfachleuten der mögliche Zusatzgewinn für die deutsche Ernährungsbilanz. Doch noch dominierten Aufklärung und Erziehung die Werbung, mussten die Grundlagen für eine Ernährungsführung erst gelegt werden. 1933/34 wurde vorrangig auf günstige Preise verwiesen, zugleich die arbeitsmarktpolitische Trommel geschlagen. Doch trotz Plakataktionen, aufklärenden Vorträgen, fahrbaren Lehrküchen und einer großen Spezialausstellung auf der Berliner »Grünen Woche« galt: »Die Erfolge dieser Anstrengungen lassen […] zu wünschen übrig.«626 In den Fokus des eisernen Dreiecks trat der Rohstoff Fisch erst, als zum einen der organisatorische Umbau der Fischindustrie abgeschlossen war und zum anderen die Versorgungskrise des Winters 1935/36 die enge Ressourcenbasis nochmals verdeutlichte und Aufrüstungsmaßnahmen in Ge-

623 Das Ottesen-Verfahren beruhte auf dem Gefrieren in einer Salzlösung, geschmackliche Beeinträchtigungen waren die Folge. Vgl. Die patentierte Ottesensche Gefriermethode, Die Kälte-Industrie 11, 1914, 200–202 sowie Plank, R[udolph]/Kallert, E[duard]: Neue Untersuchungen über die Konservierung von Fleisch und Fischen durch das Gefrierverfahren. 7. Mitteilung: Die neue Schnellgefriermethode von A. Ottesen (Glyzerin-Sole-Methode von 1922) […], ZKI 31, 1924, 65–73, 77–80. In Deutschland arbeitete vor allem die Kühlfisch AG mit dieser Technik, vgl. Schlienz, Walter: Die Kühlfisch-Aktiengesellschaft Wesermünde, Berlin 1930. 624 Vgl. Spiekermann, Uwe: Regionale Verzehrsunterschiede als Problem der Wirtschaftsund Sozialgeschichte. Räume und Strukturen im Deutschen Reich 1900–1940, in: Teuteberg, Hans Jürgen/Neumann, Gerhard/Wierlacher, Alois (Hg.): Essen und kulturelle Identität, Berlin 1997, 247–282, hier 251. Zu den Saisonschwankungen durch unterschiedliche Fangperioden vgl. Metzdorf, Hans-Jürgen: Saisonschwankungen in der Erzeugung und im Verbrauch von Nahrungsmitteln, Die Ernährung 3, 1938, 21–30, hier 28–29. 625 Voß, Irmgard: Wandlungen im Fischkonsum Deutschlands in der Nachkriegszeit unter besonderer Berücksichtigung des Seefischkonsums, Wiwi. Diss. Nürnberg, Wesermünde 1939, 52 gibt den Pro-Kopf-Verbrauch 1930 mit 5,0 kg aus deutscher, 4,6 kg aus ausländischer Produktion an. Die Werte betrugen 1933 dann 5,7 resp. 3,2 kg. Mengenberechungen sind bei Fisch aufgrund des hohen Abfallanteils besonders schwierig, diese Daten beziehen sich auf die verfügbare Menge. 626 Gloy, Hans: Die deutsche Fischwirtschaft, DVW 4, 1935, 314–315, hier 314.

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fahr brachte.627 Ende 1936 sah der Vierjahresplan eine Verdoppelung der deutschen Fischfänge bis 1940 vor, Fangflotten und Fischindustrie sollten entsprechend ausgebaut werden.628 Um diese von Stoffbilanzen geprägten Pläne umzusetzen, agierte die gesamte Reichsnährstandsorganisation, förderten der Forschungsdienst und der Fachausschuß für Forschung in der Lebensmittelindustrie zahlreiche Forschungsprojekte zur Warenkunde, Prozessoptimierung und insbesondere zur Gefriertechnik.629 In Wesermünde war schon 1935 eine Außenstelle des Karlsruher Instituts für Lebensmittelfrischhaltung errichtet worden, das dortige Institut für Seefischerei zielte stärker auf biologische und chemische Grundlagenforschung.630 Die Rohware Fisch musste analysiert werden. Ebenso wichtig war es jedoch, die Produktions- und Distributionsstrukturen umzugestalten und insbesondere die Einzelhändler zu Propagandisten zu machen. Die ca. 10.000 Fischspezialgeschäfte reichten für die geplanten Veränderungen nämlich nicht aus, Fisch musste vielmehr ein Angebot auch der üblichen Lebensmittelfachgeschäfte werden.631 Parallel wurden Restriktionen gegenüber Massenfilialgeschäften, insbesondere dem Marktführer »Nordsee« zurückgefahren, da deren effiziente Arbeit nun erwünscht war.632 Seit Ende 1935 finden sich in den Fachzeitschriften des Einzelhandels zunehmend Tipps zur sachgemäßen Behandlung von Fisch.633 Anfang 1936 setzten dann koordinierte Werbemaßnahmen ein. Neben dem christlich geprägten Freitag galt es einen weiteren regional variierenden Fischtag zu etablieren. Die Verbraucher sollten nicht überfordert, gleichwohl ein kontinuierlicher Ab 627 Anfang 1934 wurde die Wirtschaftliche Vereinigung der deutschen Fischwirtschaft gegründet, der am 01.04.1935 die Hauptvereinigung der deutschen Fischwirtschaft folgte (Neue Marktordnungen. Für die Fischwirtschaft, DVW 4, 1935, 398–399). Der werbetreibende Reichsseefischausschuß wurde Ende 1937 durch die Reichsfischwerbung ersetzt, die strikt absatzbezogen agierte, um so den Eiweiß- und Fettkonsum zu erhöhen (Reichardt, Fritz: Die Fischwirtschaft im Vierjahresplan, Braune Wirtschafts-Post 7, 1938, 509–511). 628 Ziel war ein reichsweiter Pro-Kopf-Konsum von 20 kg pro Jahr. Vgl. Mosolff, Hans: Steigerung der deutschen Seefischversorgung und ihre Grundlagen, DVW 6, 1937, 1051–1056, 1087–1089; Ahlff, R.: Die deutsche Hochseefischerei im Vierjahresplan, DFR 60, 337–340. 629 Bückmann, A[dolf]: Der Fischbestand als Produktionsgrundlage. […], DFR 60, 1937, 274–277. 630 Vgl. programmatisch Heiß, R[udolf]: Einrichtungen und Aufgaben der Außenstelle des Kältetechnischen Instituts in Wesermünde, DFR 1935, 554–557. Zu Forschungsprofilen s. Plank, R[udolph]: Gemeinschaftsarbeit bei der Frischhaltung von Fischen, ZKI 43, 1936, 15–17; Forschungen um den Seefisch. Aus der Tätigkeit des Instituts für Seefischerei in Wesermünde, Der deutsche Chemiker 3, 1937, 32–34. 631 Angabe n. Fischverkauf in Lebensmittelgeschäften, DHR 29, 1936, 235. 632 Abkommen über Neueröffnungen von Verkaufsfilialen der »Nordsee«. Erlaß des Reichs- und Preußischen Wirtschaftsministers vom 18. Februar 1936, DFR 1936, 170. 633 Vgl. etwa Reichert-Facilides, [Walter]: Seefische im Lebensmittelgeschäft?, DHR 28, 1935, 1183–1184; Brenning, Otto: Grundregeln für das Fischgeschäft, ebd., 1185–1186.

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satz gesichert werden. Diese Führungsmaßnahmen wurden durch das Deutsche Frauenwerk sowie Veröffentlichungen in Tageszeitungen und Hausfrauenzeitschriften begleitet. Der Handel hatte die nötige Absatzstruktur vor Ort sicherzustellen, mit Verweis auf die deutsche Devisenlage, aber auch die gesundheitlichen Vorzüge von Fisch in die Pflicht genommen.634 Das Ergebnis blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück, Probleme bestanden beim Verkauf gerade in Nicht-Spezialgeschäften.635 Die staatlich festgelegten Handelsspannen waren niedrig, der Verderb hoch, und die Verbraucher wurden von qualitativ geringwertiger Ware in ihrer Reserviertheit gegenüber dem Produkt Fisch bestätigt. Dagegen halfen auch keine weiteren Werbekampagnen.636 »Die Fische sind aber oft schlecht und das WHW brät dann riesige Fischmengen, um das Material im letzten Augenblick vor dem völligen Verderb zu schützen.«637 Der von 1933 bis 1936 um knapp 3 kg gestiegene Pro-KopfKonsum erhöhte sich zwischen 1936 und 1938 nur noch moderat um ein Pfund, auf Filetgewicht berechnet stagnierte er gar. Auch die regionalen Verzehrsunterschiede verringerten sich kaum.638 Die Verbrauchslenkung hatte sich im Kern als Fehlschlag erwiesen, die Versorgungsengpässe bei Fleisch Anfang 1939 zeigten dies mehr als deutlich.639 Die parallel teils entwickelten, teils ver­ besserten Angebotsformen, also Fischklöße, -frikadellen, -pasten, -puddings, -extrakte oder aber -würste, verdeutlichten Grenzen der Innovation künstlicher Kost, wenn diese während des Krieges an Bedeutung gewinnen sollte.640 Darauf wurde reagiert, etwa unter dem Slogan »Ueber den Geschmack entscheidet die Tunke« versucht, Fische noch stärker als Fertigspeisen zu vermarkten.641 Doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges konnte die Kolonie Meer ohnehin nicht mehr unbehelligt genutzt werden. Das Beispiel verdeutlicht, wie stark Ernährungsgewohnheiten kulturelle Selbstorganisationsformen sind, die durch Aufklärung, Erziehung, Führung 634 Förderung des Seefischabsatzes durch Fischtage, DHR 29, 1936, 179–180. 635 Vgl. hierzu Spiekermann, Uwe: L’approvisionnement dans la Communauté du peuple. Approches du commerce »allemand« pendant la période national-socialiste, Le Mouvement Social 206, 2004, 79–114. 636 Vgl. Fischfang tut not, DHR 29, 1936, 1085 (mit Werbeslogans); Planvolle Verbrauchslenkung schafft volkswirtschaftliche Werte!, Die Genossenschaftsfamilie 31, 1938, Nr. 5, 13. 637 Deutschland-Berichte, 1937, 51. 638 Angaben n. Grupe, D[ieter]: Die Nahrungsmittelversorgung Deutschlands seit 1925. Eine Auswertung der einschlägigen Statistiken zu vergleichbaren Versorgungsbilanzen, T. B, Hannover 1957, 74–75; Spiekermann, 1997, 252. 639 Vgl. Deutschlands wirtschaftliche Lage in der Jahresmitte 1939. Überreicht von der Reichs-Kredit-Gesellschaft Aktiengesellschaft Berlin, o. O. o. J. (1939) (Ms.), 16. 640 Vgl. Fischwurst – der große Artikel der Zukunft, DFR 1938, 26–27; Winkler, Hans: Ernährungsprobleme und Fischwirtschaft, KR 1950, 181–182. Viele dieser »Innovationen« gab es schon während des Ersten Weltkrieges. 641 Laurinat, Karl: Erfreuliche Fortschritte in der Fischkonservenherstellung. […], DHR 31, 1938, 939–940, hier 940.

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und auch durch neue Produkte nur langfristig umgestaltet werden können. Die von den Experten vielfach angenommene Allmacht werblicher Kommunikation erwies sich als Chimäre. Angesichts von Vollbeschäftigung und wachsenden Einkommen fiel den meisten Deutschen die Wahl zwischen mehr Fleisch oder mehr Fisch leicht. Die Ernährungsfachleute zogen hieraus eine einfache Lehre: Ernährungsumstellungen bei Grundnahrungsmitteln waren weniger erfolgreich als Veränderungen der chemischen Zusammensetzung entsprechender Produkte. Dies zeigte sich sowohl bei der Margarine als auch bei Eiweißersatzmitteln. Margarine bestand während der 1920er Jahre, der »Ära der gehärteten Öle«642, vorwiegend aus pflanzlichen Fetten. Während die Bedeutung der ehedem dominierenden tierischen Fette weiter sank, gewann gehärteter Waltran aber kontinuierlich an Bedeutung: Sein Anteil stieg von 9,8 % 1924 auf 15,9 % 1928.643 Die daraus hergestellte Margarine war im Wortsinne härter, schmolz langsamer und erforderte höhere Verdauungsarbeit, doch war sie zugleich preiswerter. Diese neuerliche Veränderung eines der erfolgreichsten künstlichen Nahrungsmittel beruhte auf technologischen Innovationen, nämlich der sog. Fetthärtung (Kap. 2.2.2). Waltran diente um 1900 insbesondere als Leuchtstoff, während gegen seine Verwendung als Speisefett »große Widerstände«644 bestanden, die von den relativ kleinen deutschen Anbietern unterstützt wurden, da vorrangig die multinationalen britischen und niederländischen Anbieter den neuen Rohstoff nutzten. Jurgens produzierte Margarine aus gehärtetem Waltran seit 1912 in Emmerich, doch das neue Produkt durfte erst ab Juli 1914 im Deutschen Reich angeboten werden, nachdem Untersuchungen im Reichsgesundheitsamt seine gesundheitliche Unbedenklichkeit belegt hatten.645 Während des Krieges war norwegischer Tran eine begehrte Importware und setzte sich in den 1920er Jahren vor allem als Rohstoff für preiswertere Margarine durch. Auch wenn Autarkiebefürworter »die Abhängigkeit dieses Ersatznahrungsmittels von ausländischen Stoffen«646 sowie die Dominanz des »MargarineTrusts« scharf kritisierten – die Marktführer Jurgens und Van den Bergh hatten sich 1928 zur Margarine-Union zusammengeschlossen, die 1930 dann mit Le 642 Die Deutsche Margarineindustrie. Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses für allgemeine Wirtschaftsstruktur (I. Unterausschuß) 5. Arbeitsgruppe (Außenhandel), Bd. 8, Berlin 1930, 52 (Juckenack). 643 Margarineindustrie, 1928, 47. 644 Landgraeber, Fr. W.: Walfang und Walfettgewinnung einst und jetzt, Braune Wirtschafts-Post 6, 1937, 482–484, hier 482. Vgl. Verbot der Verwendung von Waltran für Speisezwecke, DNR 1914, 89–90. 645 Die Öl- und Fettlücke, DAF-Rohstoff-Dienst 1939, 977–1045, hier 1008 (zu Jurgens) sowie Pelzer-Reith, Birgit/Reith, Reinhold: Innovationen in der Margarinefabrikation bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in: Schürmann, Astrid/Weiss, Burghard (Hg.): Chemie – Kultur – Geschichte. […], Berlin/Diepholz 2002, 293–304, hier 304, Anm. 50. 646 Danielcik, Hans Peter: Margarineversorgung, in: Ders. (Hg.), 1932, 179–180, hier 179.

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ver zu Unilever fusionierte647 –, lag das eigentliche Problem eher in der knappen Verdreifachung des Margarinekonsums gegenüber der Vorkriegszeit. Die insbesondere während der Weltwirtschaftskrise immens steigenden Walölimporte waren immer noch preisgünstiger als die entsprechenden Mengen pflanzlicher Öle. Weder der seit 1930 gültige Beimischungszwang für deutsche Fette, noch der Fettplan 1933 bremsten den Übergang zum Walöl. Im Gegenteil forcierte gerade der Neue Plan die Importe aus Norwegen, da Clearing-Geschäfte hier, anders als etwa mit den Ölexporteuren in der Mandschurei oder Indien, in größerem Maße möglich waren.648 1933/34 stand deutscher Walfang allerdings noch nicht auf der Agenda des Reichsnährstandes. Es ging vielmehr um die Konsolidierung der nach Bildung der Wirtschaftlichen Vereinigung der Margarine- und Kunstspeisefettindustrie im Juli 1933 staatlich strikt regulierten Branche. Die NS -Agrarpolitik zielte mittels Anbauprämien und hohen Festpreisen auf einen intensivierten Ölsaatanbau, forcierte zudem die Milchfettproduktion: »150 bodenständige Bauernhöfe sind uns wichtiger als ein einziger überflüssig eingeführter Walfisch.«649 Doch nicht nur angesichts des 1934 einsetzenden japanischen Walfangs, durch den die jahrzehntelange Dominanz Norwegens und Großbritanniens herausgefordert wurde, trat die »für alle Völker freie Kolonie Antarktis«650 in den Fokus deutscher Ernährungspolitik. Vorrangig die Fischwirtschaft, namentlich der Deutsche Seefischerei-Verein, unterstützte neuerlichen deutschen Walfang. Sie knüpfte nicht nur an die Tradition vieler Hansestädte in der frühen Neuzeit an, sondern stärker noch an imperialistische Vorläufer. Die 1903 und 1904 auslaufenden, vom Deutschen Seefischerei-Verein finanziell geförderten Dampfer der Hamburger Walfang- und Fischindustrie AG wurden genannt, ebenso die 1914 gegründete Deutsch-Südwestafrikanische Walfang AG, deren Schiffe allerdings nicht mehr zum Einsatz kamen.651 Eigene Bestrebungen scheiterten 1927 an der Finanzierung.652 Die Fischindustrie mochte die Werbetrommel rühren, die Investitionsmittel lagen jedoch bei der fettverarbeitenden Industrie: Eine Fangflotte mit Mutter- und Fangschiffen erforderte Anlageinvestitionen von 647 Vgl. zur Frühgeschichte Stange, Willy: Die Margarine-Industrie in Deutschland, der Kampf um die Vertrustung, ihre Konjunkturempfindlichkeit und die neue deutsche Fettwirtschaft, Rwiss. Diss. Jena, Aschersleben 1934 sowie Jones, Geoffrey: Renewing Unilever. Transformation and Tradition, Oxford/New York 2005, dessen Schwerpunkt allerdings auf den Veränderungen der letzten vierzig Jahre liegt. 648 Schwalling, O[skar]: Die Margarine, RRDV 32, 1935, 648–651, hier 651; W[inckel, Max]: Deutschlands Beteiligung am Walfang. Das Walöl-Kompensationsgeschäft mit Norwegen, Zf VE 9, 1934, 384. 649 Fettwirtschaft, o. O. 1936, 9. Zum Ölfruchtbau vgl. Klauke, 1937, 47–52. 650 Hugo, Otto: Deutscher Walfang, Ruhr und Rhein 17, 1936, 528–530, hier 528. 651 Vgl. Schnakenbeck, W[erner]: Der Walfang, Stuttgart 1928, 32. 652 Peters, Nicolaus: Kurze Geschichte des Walfanges von den ältesten Zeiten bis heute, in: Ders. (Hg.), Der neue deutsche Walfang, Hamburg 1938, 6–23, hier 20.

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ca. 12 Mio. RM, hinzu kamen pro Expedition 4–5 Mio. RM für Sachmittel und die über 400 Beschäftigten.653 Die Branche hatte sich anfangs zurückgehalten, doch spätestens als 1934 die Weltmarktpreise wieder anzogen, bot der Walfang gute Gewinnchancen, aber auch Möglichkeiten, sich innerhalb des regulierten Fettsektors gewisse Freiräume zu schaffen.654 Angesichts der begrenzten Erfolge der ersten Erzeugungsschlacht stützte ihn auch der Reichsnährstand, denn ab Dezember 1934 musste Margarine zu mindestens 50 % aus Walöl bestehen, da die Clearing-Geschäfte mit Norwegen die deutsche Devisenbilanz entlasten halfen. 1934 wurde aus Fischereikreisen die »Erste Deutsche Walfang-Gesellschaft« in Wesermünde gegründet, die im folgenden Jahre vom Seifenproduzenten Henkel übernommen wurde.655 1935 folgte der mit der NSDAP gut liierte Margarine- und Ölproduzent Walter Rau mit der Walfang AG, ebenso weitere Firmen, bei denen Unilever vielfach dominierte.656 Die erste Flotte fuhr 1936 in die Antarktis aus, in der Saison 1938/39 waren es schließlich sieben. Deutscher Walfang war ein propagandistisches Ereignis, bei dem der Kampf des Menschen gegen die größten lebenden Tiere und der Kampf um »Rohstofffreiheit«657 zum Sinnbild eines ewigen Kampfes um das Dasein verschmolzen.658 Er war aber auch ökonomisch erfolgreich, sowohl für die meisten Einzelfirmen als auch für die deutsche Fettbilanz. 1936/37 wurden 33.000 t Walöl, 1937/38 91.850 t und 1938/39 schließlich 84.170 t angelandet. Das war ein knappes Fünftel der Gesamtproduktion. Etwa ein Viertel des damaligen deutschen Rohstoffbedarfs für

653 Schultze, Wilhelm: Strukturwandel des Walfanges, Der deutsche Volkswirt 13, 1938/39, 718–722, hier 718. 654 Zur Debatte vgl. Fettversorgung und Walfang, DFR 1934, 57. 655 Vgl. detailliert Bohmert, Friedrich: Der Walfang der Ersten Deutschen Walfang Gesellschaft. Ein Beitrag zur Geschichte des Unternehmens Henkel, Düsseldorf o. J. (1982); Ders.: Vom Fang der Wale zum Schutz der Wale. Wie Henkel Wale fing und einen Beitrag zu ihrer Rettung leistete, Düsseldorf 1982. Einen Überblick bietet Sparenberg, Ole: »Segen des Meeres«: Hochseefischei und Walfang im Rahmen der nationalsozialistischen Autarkiepolitik, Berlin 2012, 256–297. 656 Vgl. Fiedler, Martin: Die Fetthärtung, die Margarine und der Walfang. Ökologische Folgen des Massenkonsums in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. […], Paderborn u. a. 2003, 465–487, hier 479–481. 1938/39 betrug der Unilever-Anteil am Walfang 40–45 %, Walter Rau folgte mit ca. 18 % (Schultze, 1938/39, 719). Die Investitionen des multinationalen Konzerns hingen eng mit den devisenrechtlichen Restriktionen zusammen, die auch weitere Diversifizierungen des Unternehmens, etwa in die Marmeladenproduktion, nach sich zogen. 657 Gerhardt, Hans/Höfner, Albert: Deutsche Roh- und Werkstoffe, 3. erw. Aufl., Frankfurt a. M. 1942, 24. 658 Wegener, [Karl August]: Die deutsche Kolonie in der Antarktis, in: Peters (Hg.), 1938, 1–5. Auch innerhalb der Wirtschaftskreise begrüßte man diesen Schritt zur »Eigenversorgung«, vgl. Deutscher Walfang, Rhein und Ruhr 17, 1936, 780.

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Margarine konnte so gedeckt werden.659 Kaum weniger wichtig waren die indirekten Folgen: Der rigide, durch das Londoner Abkommen zur Regelung des Walfangs vom Juni 1937660 kaum gemilderte Raubbau an den Walbeständen ließ das international verfügbare Fettvolumen beträchtlich ansteigen, wodurch die Preise auch der konkurrierenden Ölsaaten beträchtlich sanken. Angesichts der mit dem Vierjahresplan intensivierten Vorratswirtschaft verminderte sich der deutsche Devisenaufwand. Unter Aspekten der Kriegsvorbereitung erlaubte dies den Aufbau einer Fettreserve, Anfang 1939 lagerten ca. 200.000 t Tran in größtenteils neu errichteten Tanks der ölverarbeitenden Unternehmen.661 Diese Anstrengung wäre ohne die Kooperation innerhalb des eisernen Dreiecks nicht möglich gewesen. Walfang war nicht allein ein finanzielles Wagnis, sondern erforderte umfangreiche technologische und wissenschaftliche Vorarbeiten, um die Meeressäuger ökonomisch verwerten zu können. Die Mutterschiffe hatten Ähnlichkeit »mit einer modern eingerichteten chemischen Fabrik.«662 Unterhalb des Schlachtdecks befand sich ein komplizierter Maschinenpark, dessen Verfahrenstechnologie seit den frühen 1930er Jahren neu gestaltet wurde.663 Zuvor war es üblich gewesen, alle Teile des Wales ohne Zerkleinerung in die Kochapparate zu werfen. Darin erfolgte eine mechanische Zerkleinerung, anschließend wurden die einzelnen Teile mit ihren unterschiedlichen Ölarten und -gehalten voneinander geschieden.664 Dies war aufwändig und zielte auf einen Durchschnittstran. Seit 1933/34 ging man zuerst auf den in deutschen Werften gebauten norwegischen Mutterschiffen, dann auch bei ihren deutschen Nachfolgern dazu über, die einzelnen Bestandteile des Wales im Vorfeld voneinander zu trennen und dann in gesonderten Apparaturen zu kochen. Dadurch wurden, gestützt von chemischen Analysen an Bord, unterschiedliche Ölqualitäten gewonnen. 659 Öllücke, 1939, 1010–1011. Die Planungen lagen allerdings noch höher, sollte doch der Walfang auf mittlere Sicht den Rohstoffbedarf der Margarineproduktion decken, vgl. Lücke, Fritz: Fischfangsteigerung – ein Mittel zur Nahrungssicherung, in: Aufgaben und Ergebnisse zeitgemäßer Ernährungsforschung, Leipzig 1937, 21–27, hier 25. 660 Vgl. zu den Regelungen Ahlbrecht, Bernhard: Internationale Walfangabkommen, deutsches Walfanggesetz und Reichstarifordnung, in: Peters (Hg.), 1938, 24–45. Die Fang­ saison 1937/38 bildete mit insgesamt 43.100 erlegten Walen (gegenüber einem Durchschnitt von 26.000 Tieren zwischen 1928 und 1935) einen dann nicht mehr erreichten Höhepunkt, sodass 1938/39 die Kapazitäten der insgesamt 34 Fangflotten nicht ausgenutzt werden konnten (Hoppe, Hans: Statistische Zahlentafeln, in: Peters (Hg.), 1938, 208–226). 661 Tätigkeitsbericht der Wirtschaftsgruppe Lebensmittelindustrie zur Leistungssteigerung, DLR 1939, 151–152, hier 151. 662 Schultze, 1938/39, 718. Genaueres bei Keysler, C.: Fangdampfer und Kocherei im neuzeitlichen Hochseewalfang, in: Peters (Hg.), 1938, 134–142 663 Ders.: Die Bearbeitung und Verwertung der Wale an Bord der Kocherei, in: Ebd., 152–167. 664 Fachgebiet Fettchemie. Sitzung vom 8. Juli 1937, Angewandte Chemie 50, 1937, ­625–626, hier 626 (Fauth).

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Obwohl die Fettgewinnung im Mittelpunkt der Jagd stand, nahm zudem die Nutzung der sonstigen Bestandteile zu. Ein Blauwal von 100 t Gewicht ergab ca. 28–30 t Öl, zudem Barten und Innereien. Die beträchtlichen Fleischmengen wurden lange Zeit wieder ins Meer gekippt. »Geruch und Geschmack, das dunkle Aussehen und das schnelle Verderben des Fleisches«665 sprachen gegen seine Verwendung, doch damit gingen immense Mengen Eiweiß verloren. Seit Ende der 1920er Jahre begannen zuerst norwegische Forscher, dann auch deutsche Chemiker und Ingenieure mit Grundlagenforschung und Arbeiten zur Verfahrenstechnik.666 Der Mannheimer Unternehmer Karl-Heinz Fauth, etablierter Anbieter von Anlagen zur Tierkörperbeseitigung und Tiermehlgewinnung, entwickelte leistungsfähige Geräte für die Walmehlproduktion667, während die Kochverfahren des Leiters des Hamburger Chemischen Staatsinstituts, Hans Schmalfuß, Walfleisch zudem als Lebensmittel für den Menschen erschließen sollten. Die deutschen Flotten produzierten 1936/37 2.500 t und 1937/38 4.000 t Walmehl mit 85 % Eiweißgehalt.668 Dies aber war nur ein Anfang. Die Forschung zum Rohstoffträger Wal erfolgte durch die einzelnen Firmen, durch Branchenlaboratorien, aber auch durch öffentlich finanzierte Institutionen. 1937 wurde in Hamburg die staatlich betriebene Reichsstelle für Walforschung gegründet. Bis zur Übernahme durch die Reichsanstalt für Fischerei 1939 gehörten ihr zehn Wissenschaftler und drei technische Kräfte an. Ihre Aufgaben lagen zum einen in der Walbiologie, zum anderen aber in praktischen Fragen der Walverwertung. Forscher der Reichsstelle begleiteten die meisten deutschen Fangflotten.669 Besondere Fortschritte machte die Fettforschung. Die Einführung gehärteten Waltrans führte 1914/15 zu Grundlagenforschung sowohl zur Physiologie als auch zur chemischen Zusammensetzung des keineswegs einheitlichen Fettes.670 Analytik betrieben vorrangig die Betriebslaboratorien der Margarineproduzen­ 665 Schmalfuß, Hans/Werner, Hans: Walfleischverwertung, in: Peters (Hg.), 1938, ­183–189, hier 184. 666 Pohlmann, W[alther]: Die Waltranproduktion und das Walgefrierfleisch, Die KälteIndustrie 28, 1931, 60. 667 Parallel dazu wurden vom Reichsernährungsministerium Untersuchungen über Tiermehle, darunter auch Waltiermehl, finanziert. Vgl. Honcamp, F[ranz] (Hg.): Die tierischen Abfallstoffe Blutmehl, Fleischmehl, Tierkörpermehl und Waltiermehl in bezug auf ihre Zusammensetzung, Verdaulichkeit und ihren Wert als Futtermittel in der landwirtschaftlichen Nutzviehhaltung, Berlin 1932, 59–60, 80–88. 668 Die früheren Verfahren lieferten Mehle mit Eiweißgehalten zwischen 25 und 41 %, vgl. Honcamp (Hg.), 1932, 88. 669 Piegler, Hanns: Deutsche Forschungsstätten im Dienste der Nahrungsfreiheit, Neudamm 1940, 321. 670 Vgl. Bürger, Otto: Über die Verwendung des gehärteten Trans in der Margarinebutter-Fabrikation, Naturwissenschaftliche Wochenschrift 30, 1915, 197–198; Süßmann, Philipp O.: Sind die gehärteten Fette für den menschlichen Genuß geeignet?, Archiv für Hygiene 84, 1915, 121–145; Heiduschka, A[lfred]: Öle und Fette in der Ernährung, Berlin 1923.

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ten, doch diese diente vorrangig der Qualitätssicherung. Die insbesondere von der Ersten Deutschen Walfang-Gesellschaft forcierte Grundlagenforschung analysierte die Fette wesentlich differenzierter, war ein hoher Reinheitsgrad doch entscheidend für die Lagerfähigkeit.671 Die 1936 gegründete Deutsche Gesellschaft für Fettforschung, aber auch deren Vorsitzender, der Münsteraner Chemiker Hans Paul Kaufmann und die Arbeitsgruppe Öl- und fettwirtschaftliche Forschung des Forschungsdienstes, unterstützten diese privatwirtschaftlichen Arbeiten mit ähnlich gelagerter Grundlagenforschung.672 Die genaueren Kenntnisse der stofflichen Zusammensetzung des Walöls dienten nicht allein für seine gezieltere Verwendung, sondern erweiterten das Wissen auch für andere Felder der Fettwirtschaft, nicht zuletzt der Synthetisierung (Kap. 5.5.2). Für Wirtschaft, Staat und Wissenschaft gleichfalls wichtig war die Verarbeitung der immensen Mengen von Walfleisch. Walmehl bot an sich nur die zweitbeste Lösung, galt es doch Verfahren zu entwickeln, um Lebensmittel für den Menschen zu produzieren. Im Wesermünder Institut für Seefischerei wurden zahlreiche Konservierungsverfahren – Pökeln, Hitzesterilisierung, Gefriertechnik – und auch Konservierungsgefäße erprobt, sodass mit der Saison 1938/39 auch Walfleischprodukte für den Heeresbedarf und den Massenmarkt hergestellt wurden.673 Deutsches und englisches Steak, falscher Hase, Frisch- und Dauerwurst, aber auch Lachsschinken wurden aus Walfleisch hergestellt, ohne allerdings einen nennenswerten Beitrag zur deutschen Fleischversorgung zu leisten. Parallel zum Aufbau der Gefriertechnologie schienen sich die Weidegründe Deutschlands jedoch immens zu weiten: »Etwa 115000 t erstklassiges Gefrier-Walfleisch warten auf ihre Verarbeitung in Deutschland zu schmackhaften Fleisch- und Wurstwaren.«674

671 Dietrich, R[udolf]: Walfang und Walverarbeitung, Angewandte Chemie 51, 1938, ­715–718, hier 717. Vgl. auch Ludorff, Walter: Deutscher Walfang. Ein Sammelreferat, Die Ernährung 3, 1938, 168–171, hier 169. 672 Hodt, Alfred/Hugel, Ernst: Walöl, in: Peters (Hg.), 1938, 175–182; Kaufmann, H[ans] P[aul]: Neuere Ergebnisse der Fettforschung, in: Forschung für Volk und Nahrungsfreiheit. […], Neudamm/Berlin 1938, 546–551; Greitemann, Georg: Blau- und Finnwalöl für Ernährungszwecke, Gewinnung und Weiterverarbeitung, in: Lebensmittel und Rohstoffe vom Wal, bearb. v.d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Dresden/Leipzig 1939, 1­4–19; Kaufmann, Hans Paul: Über Pottwalöl, in: ebd., 19–25. Zur Biographie des letzteren, dem wichtigsten Fettforscher des NS -Regimes und Leiters der 1941 gegründeten Reichsanstalt für Fettforschung, vgl. Klämbt, Nils: Hans Paul Kaufmann (1889–1971). Leben und Werk zwischen Pharmazie und Fettchemie, Stuttgart 2013. 673 Dietrich, R[udolf]: Walfang und Walverarbeitung, Angewandte Chemie 51, 1938, ­715–718, hier 176. Einschlägige Vorarbeiten gab es auf norwegischer Seite, wo Walfleisch seit Anfang der 1930er Jahre auch eingedost wurde, vgl. Hudtwalcker, Carl Heinrich: Der Walfang als volkswirtschaftliches Problem, Wiwi. Diss. München, Forchheim 1935, 107. 674 Schwieger: Walfang und Walprodukte für die menschliche Ernährung, VLF 1, 1938, 488–494, hier 492 (Angabe der Produkte, ebd., 494).

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Doch die Arbeiten des eisernen Dreiecks zielten nicht allein auf die Substituierung bestehender Lebensmittel, sondern auch auf die Optimierung eingeführter künstlicher Kost. Die Vitaminierung der Margarine wurde schon seit Ende der 1920er Jahre diskutiert, in einigen Ländern auch praktiziert (Kap. 5.1.1). Die Walleber enthielt beträchtliche Mengen Vitamin A, während die Margarine, anders als ihr Vorbild und Konkurrent Butter, nahezu vitaminlos war. Schon 1937/38 gab es Kooperationen zwischen der Margarinefabrik Isserstedt, dem Hamburger Chemiker Hans Schmalfuß und dem Leipziger Vitaminforscher Arthur Scheunert, um ein wirksames Verfahren zu entwickeln.675 Die Forschung des Freiburger Mediziners Christian Bomskov wurde von der Vierjahresplanorganisation finanziert. Man hoffte, allein aus dem Walfang die Margarine vitaminisieren zu können.676 Dies war nicht allein ein gesundheitspolitisches Problem, sondern angesichts der Abhängigkeit von Schweizer Importen auch eine Devisenfrage. Scheunert, damals einer der einflussreichsten Ernährungswissenschaftler des NS -Regimes, schlug jedenfalls Anfang 1939 während einer Arbeitssitzung der Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung vor, »die Margarine […] mit Vitamin A in ähnlichem Umfang zu versehen, wie es die Butter enthält.«677 Billige Walölmargarine würde der minderbemittelten Bevölkerung somit doppelt nutzen, würden Fett- und Vitaminbedarf doch durch Produkte der deutschen Kolonie gedeckt werden können.678 Doch auch hierbei blieb die Forschung nicht stehen, vielmehr sollte Walöl auch in der Lebensmittelverarbeitung Butter ersetzen. Am Berliner Institut für Bäckerei fanden seit 1936 Versuche statt, um die Backeigenschaften des Trans genauer zu bestimmen, zugleich aber auch Höchstmengen für die Beimischung festzulegen.679 Während geringe Zusätze kaum Auswirkungen hatten, schmeckten Gebäcke mit größeren Mengen »tranig und fade«680. Die Forscher entwickelten gleichwohl eine Reihe von Rezepten, in denen Walöl in Kombination mit anderen Fetten einsetzbar war. Herbert Backes Ideal vom »Öl in billigster Form«681 veränderte auch die Backwaren deutscher Konditoreien. Stärker als von solchen Alternativfetten wurde die Backwarenbranche nach dem Vierjahresplan jedoch von neuartigen Substituten verändert, die ebenso 675 Schmalfuß, H[ans]: Zur Walfleischverwertung, VLF 1, 1938, 392–395, hier 394. 676 Bomskov, Chr[istian]/Unger, Fritz: Die Verwertung von Drüsen und Organen der Wale, in: Peters (Hg.), 1938, 190–203, hier 202. 677 Die Walerzeugnisse in der menschlichen Ernährung, Zf VE 14, 1939, 105–106, hier 106. 678 Scheunert, Arthur: Die Deckung des Vitamin-A-Bedarfs durch Fette unter Berücksichtigung von Walerzeugnissen, in: Lebensmittel, 1939, 34–40, hier 40. 679 Pelshenke, P[aul]/Zeisset, A[dolf]: Backeignungsprüfung einiger Pflanzenfette und -öle und gehärteter Waltrane, MB 37, 1937, Nr. 1, 1–3. 680 Hofmann, Werner: Die Fetteinsparung bei Fettgebäcken. II . Mürbeteige (2. Bericht), MB 37, 1937, Nr. 9, 3–4, Nr. 11, 4–6, Nr. 13, 3–4, Nr. 17, 3–4, hier Nr. 9, 3. 681 Backe, [Herbert]: Warum wurde eine Neuregelung des Fettverbrauchs und Fettbezuges notwendig?, Der Vierjahresplan 1, 1937, 4–8, hier 6.

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wie das Walöl nicht unmittelbar zu schmecken waren und deren Verwendung auch nicht deklariert werden musste. Bei Zwischenprodukten war bei akzeptablem Geschmack keine Ablehnung durch die Konsumenten zu befürchten. Künstliche Kost gewann daher in den Verarbeitungsprozessen an Bedeutung. Ihre Existenz wurde keineswegs verheimlicht, vielmehr wurden viele der neuen Produkte sowohl in der Werbung als auch in der staatlichen Propaganda als Beleg »deutschen Erfindertums« präsentiert (Kap. 5.5.2). Das wichtigste aus Fischrohstoffen hergestellte neue Präparat war das von der eigens hierfür Anfang 1935 gegründeten Hamburger Eiweiss-Gesellschaft mbH entwickelte »Wiking Eiweiss«. Hierbei handelte es sich um »Fisch in Pulverform«682, genauer um 94 %iges Trockeneiweiß, das aus Fischfilets gewonnen wurde. Die Fische, vorrangig Kabeljau, dann aber auch Seelachs, Kattfisch, Seewolf und Langfisch, wurden getrocknet und mittels Salz- und Schwefelsäure hydrolysiert.683 Technologisch war es besonders schwierig, die Aromastoffe des Fisches zu beseitigen, um so ein möglichst geschmacks- und geruchsneutrales Produkt herstellen zu können. Abseits der technischen Details war es das ernährungsstrategische Ziel, durch die »Zusammenarbeit von Wissenschaft, Technik und Organisation«684 sog. Magerfische, also fettärmere Arten, sowie unverkäufliche Frischfische in die Verwertungsketten zu integrieren und dadurch zugleich Ei- und Eiweiß­ importe zu reduzieren. Bei der mehrjährigen Entwicklung des Präparates kooperierten insbesondere das Altonaer Forschungsinstitut für die Fischindustrie und das Hallenser Physiologische Institut. Das Reichsgesundheitsamt überprüfte die künstliche Kost und empfahl sie auch für die menschliche Ernährung. Entgegen der Propaganda hielten sich die nachgelagerten Gewerbe jedoch erst einmal zurück, denn frühere Fischeiweißpräparate scheiterten zumeist an ihrem Geschmack und Geruch. In der Backwarenindustrie sah man Wiking­ Eiweiss anfangs vorrangig als Rohstoff zur Gebrauchsgüterherstellung, insbesondere für Kunstfasern, Kunstharze und Waschmittel.685 Doch nachdem nicht zuletzt vom Berliner Institut für Bäckerei bestätigt wurde, dass die Endprodukte geschmacklich nicht beeinträchtigt waren, drang das gegenüber Frischeiern nicht wesentlich preisgünstigere Wiking Eiweiss seit 1937/38 auch in die Backstuben vor, ersetzte dort Eiweiß und sparte Fett.686 682 Rudolph, Willi: Nahrung und Rohstoffe aus dem Meer, Stuttgart 1946, 94. 683 Abderhalden, Emil: Eiweiß von Seefischen als Nahrungsmittel. Ein Beitrag zur Lösung der Frage des Eiweißbedarfs im Inland, DFR 1936, 193–194. 684 Hiltner, Peter Paul: Ein wichtiges deutsches Forschungsergebnis: Trocken-Eiweiß aus Seefischen, DFR 1936, 1–3, hier 1. 685 Wie steht es um das Fisch-Eiweiss?, MB 37, 1937, Nr. 50, 10–11, hier 11. 686 Die Bäcker wurden durch Proben und Schaukochen gewonnen, ein eigener Schulungsdienst präsentierte das Produkt vor Ort. Vgl. Segen des Meeres. […], DFR 62, 1939, 238–250, hier 248–249. Details finden sich bei Sparenberg, 2012, 243–247.

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Zielsetzungen, die Hälfte der hier verbrauchten Eier zu ersetzen, erfüllten sich zwar nicht, doch 1939 betrug die tägliche Produktion drei Tonnen und gewann als hochwertiger Austauschstoff während des Krieges weiter an Bedeutung.687 Seine Haltbarkeit war gerade bei Transportmittelknappheit ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Wiking Eiweiss konnte sich auch nach 1945 im Markt behaupten, war ab 1948 »wieder erhältlich«688 und diente bis in die 1960er Jahre als Hilfsmittel für Back- und Konditorenwaren bzw. Cremes und Mayonnaisen.689 Fasst man zusammen, so belegt die Erschließung der Kolonie Meer eine grundsätzlich sehr wohl effiziente Kooperation des eisernen Dreiecks, durch die zusätzliche Nähr- und Wirkstoffe mit vergleichsweise akzeptablen Kosten erschlossen werden konnten. Sie blieb allerdings deutlich hinter den Zielsetzungen der politischen Führungsebene und auch den Träumen der Experten zurück. Gerade der Walfang zeigte, dass man auch die Weltallmende Meer nicht beliebig nutzen konnte. Eine Überdehnung der Ressourcengrundlagen war ebenso bei der Hochseeflotte und der Küstenfischerei sichtbar. Das Beispiel zeigt zugleich, dass innerhalb dieses relativ engen Rahmens Technologie und Wissenschaft den Wirkungsgrad der Fangflotten und der Tierverarbeitung beträchtlich erhöhen konnten. Künstliche Kost war in dieser Hinsicht effizient, verringerte entsprechend Fett- und Eiweißlücken, auch wenn sie diese nicht ansatzweise schließen konnte.

4.5.5 Kreislaufwirtschaft. Abfallnutzung im Dritten Reich Das Stoffparadigma erlaubte auch einen genaueren Blick auf binnenwirtschaftliche Stoffkreisläufe und führte zu einer Neudefinition des Abfallbegriffes. Ein genauer Blick auf die Materie schien zu erlauben, »Wertvolles aus Wertlosem«, ja, »Millionenwerte aus dem Nichts«690 zu schaffen. Dieses Ideal wurde nicht 687 Zur Zielsetzung s. Lübke, Anton: Das deutsche Rohstoffwunder. Wandlungen der deutschen Rohstoffwirtschaft, Stuttgart 1938, 453; Produktion nach Tätigkeitsbericht, 1939, 151. 688 Wiking Eiweiss, Bäcker-Zeitung für Nord-, West- und Mitteldeutschland 2, 1948, Nr. 29/30, 10. 689 Olden, J. H.: Fischmehle für die menschliche Ernährung, Die Fischwaren- und Feinkostindustrie 34, 1962, 112. 690 Wertvolles aus Wertlosem, Wochenblatt der Landesbauernschaft Hannover 90, 1937, 181; Millionenwerte aus dem Nichts, ZGV 9, 1939, 186. Es mutet eigenartig an, dass diese für moderne Konsumgesellschaften zentrale Fragen bei Stokes, Raymond G./Köster, Roman/ Sambrock, Stephen C.: The Business of Waste. Great Britain and Germany, 1945 to the Present, New York 2013, qua Periodisierung gleichsam entnazifiziert werden. Das gilt bedingt auch für Köster, Roman: Abfall und Gesellschaft in Westdeutschland 1945–1990, Göttingen 2017, 96–100. Zu den Perspektiven entsprechender Forschung vgl. Flachowsky, Sören/Hachtmann, Rüdiger/Schmaltz, Florian: Wissenschaftspolitik, Forschungspraxis und Ressourcenmobilisierung im NS -Herrschaftssystem, in: Dies. (Hg.): Ressourcenmobilisierung. […], Göttingen, 2016, 7–32.

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zuletzt vom Fachausschuss für die Forschung in der Lebensmittelindustrie propagiert. Für die Experten bedeutete dies erst einmal Forschung zu Konservierungs- und Lagertechniken, also angewandte Bromatik. Doch mit dem Denken in Stoffbilanzen und Versorgungsströmen war das Ideal einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft verbunden, in der Rohstoffverluste minimiert und unvermeidbare Abfälle möglichst wiederverwertet werden sollten.691 Das Stoffparadigma wurde gesamtgesellschaftlich geweitet, der Einzelne in die Materialität eines nationalen Stoffwechsels eingebunden. Dies entsprach der damals aufkommenden ökologischen Wissenschaft und den Fortentwicklungen der Hygiene.692 Ziel der NS -Kreislaufwirtschaft war Ressourcenmobilisierung für Aufrüstung und nationale Machtentfaltung. Sie sollte Devisen sparen und den Selbstversorgungsgrad der Binnenwirtschaft erhöhen. Zugleich aber diente sie dazu Menschen für die Ziele des Regimes zu mobilisieren. Mit Hilfe wissenschaftlich fundierter staatlicher Vorgaben sollten sie ihren Alltag rationalisieren. Die gemeinsame Fokussierung auf deutsche Ressourcen diente immer auch der Konstituierung einer virtuellen Volksgemeinschaft, wurde vielfach zum Prüfstein für völkische Verlässlichkeit und Treue zum Regime. Vom Staat seit Mitte der 1930er Jahre unterstützt, sollten Wissenschaftler vielfach im Ersten Weltkrieg etablierte Verfahren mit besserer Organisation und Technik zu mengenmäßig relevanten Ergebnissen führen. Angesichts der angespannten Ressourcenlage wurde dann auch die Propaganda umgestellt und in eine Recyclinginfrastruktur investiert.693 Wissenschaftlich begründete Propaganda richtete sich erst einmal an die Konsumenten. Resteverwertung war bis zum Ersten Weltkrieg eine Selbstverständlichkeit der Haushaltspraxis, zahllose Ratgeber und Kochbücher gaben Winke und Rat, erzogen Hausfrauen zur Sparsamkeit. Doch selbst im Ersten Weltkrieg gründeten derartige Appelle vornehmlich auf subjektiven Erfahrungen, auf plausiblem, nicht aber wissenschaftlich überprüftem Wissen. Die Bromatik sollte hier Abhilfe schaffen, doch die Haushaltswissenschaften der 1920er Jahre richteten ihr Augenmerk weniger auf die Stoffflüsse, sondern stärker auf Arbeitsaufwand, Zeitstrukturen und Normierung der »Fabrik der Hausfrau«.694 Systematische wissenschaftliche Analysen der Abfallverluste bei der Lebensmittelzubereitung finden sich erst Ende der 1920er Jahre, blieben aber

691 Gerhard/Höfner, 1942, 32. 692 Vgl. etwa Kollath, Werner: Grundlagen, Methoden und Ziele der Hygiene, Leipzig 1937. 693 Vgl. Reith, Reinhold: Recycling  – Stoffströme in der Geschichte, in: Hahn, Sylvia/ Ders. (Hg.): Umwelt-Geschichte, Wien/München 2001, 99–120, v. a. 111–113. 694 Vgl. etwa Witte, Irene M.: Der Haushalt der klugen Frau, in: Schmidt-Beil, Ada (Hg.): Die Kultur der Frau, 9.–10. Tausend, Berlin-Frohnau 1931, 463–477.

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Aus­nahmen.695 Für die Hauswirtschaftslehre und die Ernährungsaufklärung war dies jedoch ausreichend, um in den frühen 1930er Jahren Abfallvermeidung und werterhaltende Kochweisen zu propagieren.696 Deren Träger, insbesondere der Reichsausschuß für Volksernährung bzw. die NS -Frauenschaft, waren denn auch wichtige Initiatoren für die 1936 im Rahmen des Vierjahresplans einsetzende Kampagne »Kampf dem Verderb«.697 Sie gründete nicht auf hauswirtschaftlicher Expertise, sondern war eine Deduktion der wirtschaftswissenschaftlichen Versorgungsbilanzen. Das Ziel war eine umfassende Rationalisierung der Hauswirtschaft hinsichtlich Einkauf, Zubereitung, Konservierung, Einkellerung und Resteverwertung.698 Dazu lancierte man drei aufeinander abgestimmte »Werbefeldzüge«. 1936/37 wurden das Schlagwort und die grundlegenden Prinzipen bekannt gemacht, 1937/38 drei Schwerpunktaktionen, nämlich »Brot ist kostbares Volksgut«, »Richtig Verbrauchen« und »Kampf dem Verderb – so gut wie Erwerb« gefahren und im Sommer 1938 dann »Groschengrab, das Ungeheuer« aus dem Müllbehälter gezogen.699 Die Propaganda gründete auf einer plausiblen, wissenschaftlich jedoch nicht abgesicherten Rechnung, dass beim Weg von der Produktion zum Verbraucher 750 Mio. RM Verluste aufträten und die gleiche Summe nochmals im Haushalt vergeudet würde. Es galt nun, den »Kampf um 1 ½ Milliarden« zu führen, den sog. »Volksfeind Nr. 4« zu bekämpfen.700 Einfache Gut-Böse-Schemata domi 695 Die wichtigste Studie stammt von Neumann, R[udolf] O[tto]: Die animalischen und vegetabilischen Nahrungsmittel und ihre Verluste bei der küchentechnischen Zubereitung, Ergebnisse der hygienischen Bakteriologie, Immunitätsforschung und experimentellen Therapie 10, 1929, 1–188. Aufbereitungen waren Ders.: Wodurch verderben unsere Nahrungsmittel. Eine Aufklärung für weite Bevölkerungskreise, BVGP 30, 1930, 164–166, 182–184; Ders.: Wirtschaftlichkeit in der Küche. Betrachtungen über den Markt- und Küchenabfall und den Nährgeldwert der vegetabilischen und animalischen Nahrungsmittel, VE 5, 1930, 277–280, 300–305. 696 Vgl. Asmus, Marie: Sparsame Wirtschaft im Haushalt, Blätter des Deutschen Roten Kreuzes 11, 1932, 538–546; Nothnagel, Margarethe: Ernährungsfragen beim Hilfswerk »Mutter und Kind«, Nationalsozialistischer Volksdienst 1, 1933/34, 295–298; Richert, Annie Julie: Kochsünden der Hausfrau, Zf VE 9, 1934, 103–104; Eine Unterrichtsstunde in der »Schule der Ernährung«, Zf VE 10, 1935, 110–112. 697 Zur Einordnung vgl. Stephenson, Jill: Propaganda, Autarky and the German Housewife, in: Welch, David (Hg.): Nazi Propaganda. The Power and its Limitations. London/Canberra/Totowa 1983, 117–142; Reagin, Nancy R.: Marktordnung and Autarkic Housekeeping: Housewives and Private Consumption under the Four-Year Plan, 1936–1939, German History 19, 2001, 162–184. 698 Vgl. Kampf dem Verderb, Ernährungs-Dienst 11, 1936, 6–16. 699 Vgl. etwa Kampf dem »Groschengrab«!, MB 38, 1938, Nr. 23, 13; Groschengrab geht wieder um!! II, ZGV 10, 1939, 248. Daneben wurde mit weiteren Comicfiguren gearbeitet, etwa mit gereimten Vierbildserien von Roderich dem Leckermaul und seiner Gemahlin Garnichtfaul. Vgl. Der deutsche Volkswirt 13, 1938/39, 919, 971, 1019, 1056. 700 Vgl. Borkenhagen, Erich: Kampf um 1½ Milliarden, DHR 29, 1936, 888; Wer ist »Volksfeind Nr. 4«?, Wochenblatt der Landesbauernschaft Hannover 89, 1936, 1679.

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nierten: Auf deren einer Seite stand Achtung vor der Bauernarbeit und der Heiligkeit des Brotes, auf der anderen dagegen ein imaginärer Feind, gegen den es zu streiten galt. Nicht umsonst verkörperten in der Ausstellung »Volksfeind Nr. 4« Ritter die Ziele des Regimes. »Kampf dem Verderb« war eine koordinierte Aktion des Reichsnährstandes, der wichtigsten Reichsministerien, zentraler Parteiorganisationen, aber auch von Fachgesellschaften, wie dem Reichsausschuß für Volksernährung, der Reichsarbeitsgemeinschaft für Schadensverhütung oder dem Verein Deutscher Ingenieure.701 Wissenschaft und Wirtschaft kooperierten mit dem Staat für ein gemeinsames Ziel, vermittelten objektiviertes Wissen in Gebotsform an die Zielobjekte.702 Wie schon beim Fischabsatz übernahmen wiederum Einzelhändler eine wichtige Vermittlungsaufgabe. Nach interner Schulung  – zeit­genössisch hieß dies »einhämmern«703 – sollten sie ihr Beraterideal in den Dienst der Kampagne stellen und vermitteln, »welche Waren jeweils am zweckmäßigsten und wertvollsten zu verbrauchen sind.« Dabei sollten insbesondere die »oft unbedachten Verbraucherschichten« angesprochen werden. Auch diese Vorgehensweise war typisch: Aufgabenverteilung und Führungsfunktion gingen einher mit Selbstdisziplinierung und Mitarbeit. Schließlich waren Einzelhandel und Gemeinschaftsverpflegung wichtige Bereiche für eine Reduktion von verdorbener Ware und Küchenabfall.704 Und es wurden nicht allein eine Mio. Broschüren »Deutsche Frau merk auf« an die Käuferinnen verteilt, sondern auch 500.000 Broschüren »Kaufmann hilft mit« produziert.705 Die sozialdemokratische Opposition vermerkte vornehmlich den Mobilisie­ rungseffekt der Kampagne: »Der Gesamteindruck des ›Kampfes gegen den Verderb‹ ist bei der Bevölkerung der, daß man sich bereits mitten in der seligen Kriegswirtschaft befinde.«706 Diese Handlungsdimension bedeutete aber auch einen Bruch mit tradiertem Haushaltshandeln, eine Abkehr von den »Gewohnheiten der Mütter und Großmütter«.707 Die »Hunderte von Versammlungen, Lichtbildervorträge und Filmvorführungen«708 dienten der Diffusion natur 701 Müller, Karl: Kampf dem Verderb, RRDV 33, 1936, 530–531, hier 530. 702 10 Gebote Kampf dem Verderb, Zf VE 11, 1936, 382. 703 Mit allen Kräften: Kampf dem Verderb, DHR 26, 1936, 727 (auch für die folgenden Zitate). 704 Vgl. Der Lebensmittelkaufmann im Kampf gegen den Verderb! Werbeaktion gegen die Verschleuderung von Nahrungsgütern, DHR 29, 1936, 648; Besondere Richtlinien für den Kampf dem Verderb in der Hauswirtschaft, insbesondere in der Massenspeisung, Zf VE 12, 1937, 370–372. 705 Dabei nahm Vorratsschutz eine besondere Rolle ein, vgl. Borkenhagen, Erich: Der Lebensmittelkaufmann im »Kampf dem Verderb«, DHR 29, 1936, 1053–1054; Zacher, Friedrich: Kampf dem Verderb – im Kolonialwarenhandel, ebd., 1168–1169. 706 Deutschland-Berichte, 1936, 1426. 707 Ziegelmayer, 1936, 261. 708 Deutschland-Berichte, 1937, 77.

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wissenschaftlicher Erklärungsmodelle und eines stofflichen Verständnisses von Mensch und Umwelt.709 Die Kampagne »Kampf dem Verderb« stellte Abfallvermeidung in den Mittelpunkt, war jedoch mit zahlreichen Sammelaktivitäten verbunden. Diese wurden 1936 im Rahmen der »1. Anordnung zur Erfassung von Altmaterialien in den Haushalten« systematisiert und zentralisiert.710 Die Sammelaktionen dienten der Überwachung und Kontrolle, forderten auch die zum Mitmachen auf, die dem Regime reserviert oder kritisch gegenüberstanden. Um die engen Bezüge zwischen Mobilisierung und Kreislaufwirtschaft genauer einfangen zu können, bieten sich zwei Beispiele an, nämlich die Errichtung des Ernährungshilfswerks und die Sammlung von Knochen: Ziel eines stofflich reflektierten Lebensstils war vorrangig die vollständige Nutzung der Nahrung: »Restloses Leeressen der Teller ist eine Erziehungsfrage.«711 Gleichwohl waren Küchenabfälle insbesondere in Großküchen nicht zu vermeiden, zumal bei der Zubereitung durchschnittlich über 20 % Abfall anfielen.712 Diese Küchenabfälle sollten nach Maßgabe des Vierjahresplanes nicht länger unkoordiniert verschwendet, sondern im Sinne der Selbstversorgung genutzt werden. Im November 1936 gründete die NS -Volkswohlfahrt dazu das »Ernährungshilfswerk«. Anfangs sollten Schweinemastanstalten nur in Gemeinden über 40.000 Einwohner eingerichtet werden, doch seit 1937 wurden auch kleinere Gemeinden einbezogen.713 Die Sammlung der Abfälle war Aufgabe der Bevölkerung. Die NS -Volkswohlfahrt stellte sog. »Hauskübel« auf, Sammeldienste insbesondere der Hitlerjugend brachten sie dann zu den Anstalten. Deren Einrichtung musste von den Gemeinden unterstützt, Grundstücke und Gebäude vielfach unentgeltlich überlassen werden.714 Sie wurden dafür mit Schweinefleisch versorgt, eventuelle Gewinne an das Hilfswerk »Mutter und Kind« abgeführt. Die Küchenabfälle, vorrangig Kartoffelschalen und Gemüsereste, wurden in den Anstalten gedämpft, teils siliert, anschließend verfüttert.715 Die Mastanstal­ 709 Vgl. Wagner, E.: Über den Verderb von Nahrungs- und Genußmitteln, DHR 30, 1937, 681–682. Dies galt auch für die verarbeitende Industrie, bei der »Wertesicherung« als »staatspolitische Pflicht« galt (Mundhenke, P[aul]: Markenfirma im »Kampf gegen den Verderb«, in: Markenartikel in Krieg und Frieden, Berlin-Charlottenburg 1940, 66, 68, 70, hier 70). 710 Zur Organisation vgl. Huchting, Friedrich: Abfallwirtschaft im Dritten Reich, Technikgeschichte 48, 1981, 252–273. Zum ideologischen Gehalt Köstering, Susanne: »Pioniere der Rohstoffbeschaffung«. Lumpensammler im Nationalsozialismus, 1934–1939, Werkstatt Geschichte 17, 1997, 45–65. 711 Fett aus Abwässern, Zf VE 9, 1934, 286. 712 Ziegelmayer, 1936, 262. 713 Gemeinden und »Ernährungshilfswerk«, Soziale Praxis 46, 1937, Sp. 1485. Vgl. auch Deutschland-Berichte, 1937, 45. 714 Huchting, 1981, 268. Der Runderlass v. 20.11.1936 findet sich in RGBl 12, 1937, 17–18. 715 Rachor, C.: Das Ernährungshilfswerk der NS .-Volkswohlfahrt, Der Vierjahresplan 1, 1937, 737–738.

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ten umgriffen meist einige hundert, in den Metropolen auch über tausend Schweine. Deren Fleisch entlastete die Versorgung, mengenmäßig hatten sie aber kaum Bedeutung – zumal die Abfälle vielfach im Kleingarten fehlten. Die propagandistische Verwendung des Schweinespecks diente vielmehr der steten Erinnerung an rationales Verbraucherverhalten und bot denen Bestätigung, die aktiv teilnahmen. In Hamburg wurden 1939 ca. 1.400 Schweine mit Abfällen aus Küchen und Hafen gemästet, doch mahnend galt, dass bei »totaler« Erfassung auch 10.000 Tiere gefüttert werden könnten.716 Während des Krieges wurde das Ernährungshilfswerk professionalisiert, nachdem im Oktober 1939 die Abfalltrennung gesetzlich vorgeschrieben wurde.717 Doch über Ergänzungsfunktionen kam es nicht hinaus. Um die Fettlücke zu schließen, verwertete man ferner den Rohstoff Knochen. Knochenmehl war vor dem Ersten Weltkrieg ein weit verbreitetes Düngemittel.718 Während des Ersten Weltkrieges extrahierte man zunehmend Knochenfett, nutzte dieses dann in der Wurstfabrikation.719 Als Futtermittel wurde Knochenschrot allerdings durch Kalk und Phosphatdünger abgelöst, während Knochenfett lange Zeit nur bedingt für den menschlichen Verzehr geeignet erschien. Das änderte sich Mitte der 1930er Jahre. Ein Gutachten des Reichsgesundheitsamtes vom Dezember 1934 bestätigte, dass Knochenfett für den menschlichen Verzehr geeignet war, forderte jedoch dessen Kennzeichnung.720 Und tierphysiologische Untersuchungen ergaben 1935, dass fein vermahlener Knochenschrot von Nutztieren verwertet werden könne.721 Angesicht eines jährlichen Knochenaufkommens von deutlich über 300.000 t erschienen Erträge von 18.000 t Fett und 20.000 t Kraftfutter möglich.722 Mit der »Kampf dem Verderb«-Kampagne setzte 1936 eine beträchtliche Sammeltätigkeit von Schulen und Haushalten ein. Mengenmäßig bedeutsamer war jedoch die Knochensammlung im ländlichen Raum. Sie erfolgte über Alt 716 Millionenwerte, 1939. 717 Ausbau des Ernährungshilfswerkes, Ärzteblatt für Mitteldeutschland 1939, 60. 718 Holdefleiß, Fr[riedrich]: Das Knochenmehl, seine Beurteilung und Verwendung, Berlin 1890. 719 Beratung über die Fragen 1. der Verarbeitung von Schweinen auf Schmalz oder Schmalzersatz durch die Gemeinden, 2. der Speisefettgewinnung aus Knochen, 3. der Verwertung von Schlachthofabfällen zur Tiermast […], Beiträge zur Kommunalen Kriegswirtschaft 1, 1916/17, Nr. 10, 1–14. 720 Zu der Frage der Eignung von Knochenfett aus frischen Knochen für den menschlichen Genuß, ZFMH 45, 1934/35, 117. 721 Fingerling, G[ustav]: Bedeutung der Schlachthofabfälle für die Fütterung, MLW 50, 1935, 968–969. Die Qualität dieses Futters blieb allerdings umstritten, vgl. Werner, A.: Mehr Wahrheit über Futterknochenmehl!, Wochenblatt der Landesbauernschaft Hannover 90, 1937, 1024. 722 So Ott, M[aximilian]: Altes und Neues zur Frage der Knochenmehldüngung, FD 6, 1937, 526–551, der hierin zudem die Verwendung als Dünger systematisch untersuchte.

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Eisernes Dreieck: Wissenschaft, Staat und Wirtschaft 1914–1945 

materialienhändler. Auch in diesem Fall folgte eine schnelle Verrechtlichung, durch die der Sammelgegenstand nicht nur normiert und die Art der Verarbeitung vorgeschrieben wurden, sondern auch eine Entfettungspflicht galt.723 1938 wurden von den ca. 350.000 t Knochen 120.000 t wiederverarbeitet. Dies ergab ca. 12.000 t Fett, 18.000 t Futtermittel und zusätzliche Düngemittel.724 Höhere Verwertungsquoten wurden angestrebt, wegen vielfach fehlender Knochenmühlen bzw. Verwertungskapazitäten aber nicht erreicht. Auch in diesem Fall gingen die Sammlungen im Krieg unvermindert weiter.725 Beide Beispiele verdeutlichen, dass allein mit einer Mobilisierung wenig gewonnen war. Es bedurfte stets auch einer Wiederverwertungsinfrastruktur, die hohe Investitionen erforderte und sich nur mittelfristig amortisieren konnte. Entsprechend blieben viele ergänzende Vorschläge Makulatur, verdeutlichen aber die stets prekäre Ressourcenlage des Deutschen Reiches. Laboratoriumsversuche ergaben etwa, dass aus Kaffeesatz beträchtliche Mengen Öle, Wachse und Harze wiedergewonnen werden konnten.726 Betriebliche Umsetzungen unterblieben aus Kostengründen. Dagegen wurden Fettabscheider vielfach eingesetzt, um aus Abwässern technische Fette zu gewinnen. Auch hier lockte ein rechnerischer Ertrag von bis zu 50.000 t, doch wie im Ersten Weltkrieg waren die realen Erträge gering, rechneten sich nur vereinzelt.727 Im gewerblichen Sektor blieb die Verwendung von Hausmüll als Düngemittel deutlich hinter den Erwartungen zurück.728 Wesentlich erfolgreicher war die Tiermehlproduktion. Auch hier finden wir eine noch bis Liebig zurückreichende Tradition der Verwertung von Konfiskaten und Fleischabfällen zur Futtermittelproduktion.729 Sie waren im Futtermittelgesetz von 1927 normiert worden, hatten gegenüber der Vorkriegszeit aber an Bedeutung verloren, da die Qualität der vornehmlich importierten Fleischmehle in den 1920er Jahren deutlich nachließ.730 Tiermehl wurde auch in Deutschland produziert, doch angesichts eines Gesamtanfalls von über 500.000 t war die Produktion 1933 723 Gewinnung von tierischen Fetten aus Knochen. Anordnung 13 der Überwachungsstelle für industrielle Fettversorgung v. 25. Februar 1936, ZFMH 46, 271–272; Allgemeine Verordnung der Reichsbeauftragten für Chemie, für industrielle Fettversorgung und für Waren verschiedener Art über die Knochensammlung, den Knochenhandel und die Knochenverarbeitung. Vom 13. August 1937, RGBl 12, 1937, 608–609. 724 Öllücke, 1939, 1033. 725 Wer sammelt die meisten Knochen?, Die freie Stunde 34, 1941, Nr. 3, 7. 726 Die wirtschaftspolitische Parole 3, 1938, H. 13, 392 ff. zit. n. Braun, 1939, 69. 727 Fett aus Abfall. Nutzbarmachung geringwertiger Fettrohstoffe, Zf VE 14, 1939, 322; Öllücke, 1939, 1031; Bourmer: Die Verwendung der Schlachthofabfälle, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 47, 1939, 533–535, hier 535. 728 Vgl. etwa Tritt, A.: Die Verwertung des Hausmülls, Angewandte Chemie 51, 1938, 61–65. 729 Vgl. Spiekermann, 2001. 730 Heyck: Über Tiermehl, Tierkörpermehl, ZFMH 45, 1934/35, 206–209.

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mit 5.817 t Fett und 10.459 t Tiermehl relativ gering.731 Seit Mitte der 1930er Jahre drängten Veterinärmediziner jedoch, die »unberechtigte Voreingenommenheit«732 gegenüber diesem Futtermittel aufzubrechen. Schließlich habe sich Fischmehl in der Zwischenzeit in der Tiermast etabliert, und fortgesetzte Untersuchungen bestätigten, dass Tiermehl bei richtiger Verarbeitung ein hochwertiges Eiweißfuttermittel sei.733 Parallel wurde der Rohstoff Tierkadaver systematisch analysiert und rationellere Verwertungsmöglichkeiten für Blut, Haut und Borsten entwickelt.734 Bis 1937 konnte der Ertrag der Tierkörperbeseitigungsanstalten auf 7.071 t Fett und 15.255 t Tiermehl gesteigert werden735, doch auch diese Werte waren enttäuschend. 1939 wurde daher im neu erlassenen Tierkörperbeseitigungsgesetz eine Verwertungspflicht vorgeschrieben, parallel das vielfach noch übliche Vergraben der Kadaver mit spürbaren Strafen versehen.736 Die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft bewirkte eine Mobilisierung von Wissenschaft, Wirtschaft und Bevölkerung im Sinne der staatlicherseits propagierten Idee der Autarkie. Abfallvermeidung und -verwertung verminderten in der Summe bestehende Versorgungsengpässe, konnten insbesondere die Futtermittelversorgung beträchtlich steigern. Diese Maßnahmen rechneten sich jedoch nur vor dem Hintergrund der kostenlosen Arbeitskraft von Kindern und Jugendlichen und den verzerrten Notwendigkeiten eines im Rahmen der Kriegsvorbereitung strikt regulierten Versorgungssystems. Der Entsorgungssektor blieb unterfinanziert, auch intensive wissenschaftliche Forschung konnte keine Millionenwert aus dem Nichts schaffen. Gleichwohl aber zeigt sich auch hier ein aktivierendes Zusammenspiel des eisernen Dreieckes, dessen Verheißungen Millionen und Abermillionen in den Bann zogen.

731 Öllücke, 1939, 1032. 732 Mögle, E[rich]: Schlachthofabfälle und Verwertungsanlagen, ZFMH 46, 1935/36, ­214–215, hier 214. Agrarwissenschaftler verwiesen stattdessen auf den geringen Eiweißgehalt des Fleischfutters, vgl. Lehmann, Franz: Fleischmehl und Knochenschrot als Futtermittel, MLW 52, 1937, 192–193. 733 Kallert, E[duard]: Ergebnisse der fleischwissenschaftlichen Forschung, in: Forschung für Volk und Nahrungsfreiheit. […], Neudamm/Berlin 1938, 531–537, hier 536–537; Fißmer, E.: Tiermehl als Eiweißfutter, MLW 53, 1938, 845. 734 Bourmer, 1939. 735 Öllücke, 1939, 1032. 736 Brügmann, A[lbert]: Tierkörperbeseitigungsgesetz vom 1.  Februar 1939, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 47, 1939, 185–187, 217–219, 328–329; Ostertag, R[obert] v./Moegle, E[rich]: Die Tierkörperbeseitigung nach Maßgabe des Tierkörperbeseitigungsgesetzes vom 1. Februar 1939, Berlin 1940.

5. Wachsende Verfügbarkeit: Künstliche Kost 1925–1950

Die Kooperation von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat im Rahmen des eisernen Dreiecks war eine spezifisch deutsche Form der Rationalisierung. Sie zielte auf eine physiologisch optimierte Lebensmittelproduktion, die das sich ausdifferenzierende stoffliche Wissen aufgriff und zu neuen, nicht mehr allein nährenden, sondern auch »gesunden« Produkten verdichtete. Dies implizierte eine grundlegende Veränderung der täglichen Kost und die Bereitschaft der Konsumenten, die zunehmend verfügbare künstliche Kost anzunehmen. Das erschien rational, da die Ressourcenlage Deutschlands als bedrückend wahrgenommen wurde und man zugleich das Kapital in den Köpfen nutzen wollte. Will man die Zumutung dieser Idee genauer verstehen, muss man sie in den Kontext der für die Weimarer Republik zentralen Debatte über die Rationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft stellen.1 Während die Erfolge in Industrie und Handel eher bescheiden blieben, faszinierte die Vorstellung einer rationalen, zumindest aber rationaleren Welt die meisten Menschen dieser Zeit. Doch hinter dem schillernden Begriff Rationalisierung verbargen sich sehr unterschiedliche Konzepte, die sich teils gegenläufig entwickelten und von jeweils anderen Gruppen getragen wurden.2 Rationalisierung war eine Weltanschauung – gerade bei Wissenschaftlern.3 Zwischen Mensch und Natur trat der schaffende, planende und bewusst verändernde Intellekt. Nicht mehr nur der forschende Wissenschaftler, nein, jeder Mensch war Teil einer neuen Beziehung zu den eigenen Lebensbedingungen. Die Umwelt wurde dadurch zu etwas Unfertigem, zu Bändigendem, dessen man Herr werden konnte, ja musste, um einen zivilisatorischen Auftrag zu erfüllen. Diese Form der Rationalisierung war ein typisch westliches Produkt: Abbilder fand man in den Plantagenwirtschaften in der Karibik, den USA und dem eigenen Kolonialreich. Hier agierte ein effizienter, rationaler europäischer Geist im Sinne neuer, billigerer Nahrungsmittelangebote, während parallel die kulturellen

1 Vgl. hierzu einführend Peukert, Detlev: Die Weimarer Republik 1918–1933. Die Krisenjahre der klassischen Moderne, Frankfurt a. M. 1987; Kluge, Ulrich: Die Weimarer Republik, Paderborn u. a. 2006, v. a. 129–148. 2 Vgl. Rauecker, Bruno: Rationalisierung als Kulturfaktor, Berlin o. J. (1928). 3 Zum Forschungskontext vgl. Etzemüller, Thomas (Hg.): Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009; Raphael (Hg.), 2012.

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Traditionen der Einheimischen als rückständig galten.4 Der Gedanke der Rationalisierung stützte hier eine kulturelle Hierarchie und stärkte ein ausbeutendes Zugriffsrecht. Doch Rationalisierung wurde auch als Teil einer allgemeinen Freiheitsbewe­ gung verstanden. Maschinen und Organisation sollten die tägliche Fron erleichtern und das Wohlstandsniveau heben. Die Welt schien ungebunden, Utopien gewannen durch technisch begründete Rationalisierung konkrete Gestalt: »Beständiger Hunger zieht durch das Leben, nur er zwingt zur Fron, dann erst zwingt die Peitsche.«5 Wachsender Wohlstand – so insbesondere Liberale und Linke – könnte die Grenzen nationaler Identität transzendieren. Die armen Kaffeebauern in Brasilien und die Plantagenarbeiter in Mittelamerika wurden so Teil eines emanzipatorischen Lebensgefühls, Teil einer anzustrebenden Tischgemeinschaft dieser Welt, die jedem zumindest den täglichen Bissen sichern sollte, damit er sich als freier Mensch ausbilden könne. Der Mehrzahl der Experten des eisernen Dreiecks schien dies illusionär zu sein und dem Wettbewerb der Völker nicht zu entsprechen. Doch Rationalisierung bewegte sich nicht nur auf derart hohen Zinnen, sondern konnte auch sozialintegrativ wirken: Die etwa von August Bebel vorgeschlagenen Gemeinschaftsküchen oder die bürgerlich geprägten, im Berlin der Vorkriegszeit mit geringem Erfolg auch erbauten Einküchenhäuser waren Rationalisierungsutopien zur effizienteren Zubereitung der täglichen Kost.6 Doch während Bebel die Rationalisierung noch als solidarische Tat einer Klasse verstand, verlor sich diese Vorstellung schon in den frühen 1920er Jahren. Die Rationalisierung der Ernährung, sei es bei Speisenauswahl, sei es bei Speisenzubereitung, wurde individualisiert. An die Stelle kollektiver Nahrungsmittelbeschaffung, die noch von den Volksküchen der späten Kriegsjahre offiziell propagiert wurde, trat der Einkauf Einzelner gemäß ihrer jeweils speziellen Nahrungsvorlieben. Zugleich propagierte die aus den USA stammende HomeEconomics-Bewegung die Rationalisierung der Hauswirtschaft, die eine formale Individualisierung wesentlich vorantrieb.7 Unter Anwendung der Naturgesetze sollten die Hausfrauen ihre Zubereitungspraxis verändern, sollten sie beschleunigen und so Zeit für andere Arbeit und Muße gewinnen. Dieses 4 Als Beispiel kann dienen Jöhlinger, Otto: Das deutsche Farmkapital und die koloniale Farmwirtschaft, Prometheus 24, 1913, 433–437, 453–457. 5 Bloch, 1985, 547. 6 Bebel, 1985, 510–511; Braun, Lily: Frauenarbeit und Hauswirthschaft, Berlin 1901, v. a. 21–26; Das Einküchenhaus und seine Verwirklichung als Weg zu einer neuen Heim-Kultur, hg. v.d. Einküchenhaus-Gesellschaft der Berliner Vororte u.d. Gesellschaft für Neue HeimKultur zur Reform des Wohnungs-Haushaltungs- und Erziehungswesens, Berlin o. J. (1908); Adolph, Robert: Einküchenwirtschaft als soziale Aufgabe, Berlin 1919. 7 Vgl. Frederick, Christine: Die rationelle Haushaltführung. Betriebswirtschaftliche Studien, Berlin 1921.

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Konzept universell geltender, aber individuell umzusetzender Rationalisierung wurde gestützt durch technische Innovationen, v. a. durch Klein- und Kleinstmaschinen. Es zielte nicht nur auf individuelle Arbeitserleichterung bzw. die Vermarktung von Küchentechnik, sondern auch auf die Aneignung völlig neuer Arbeitsweisen und eine enttraditionalisierte Hauswirtschaft. Die meisten Hausfrauen blieben jedoch auf Distanz, sie kombinierten, wenn überhaupt, einzelne Elemente des Neuen mit ihrem subjektiven Wissen. Technisierung und der langsame Wandel von der Wohn- zur Arbeitsküche trieben die wissenschaftlichen Formen rationaler Hauswirtschaft jedoch voran, auch wenn die Einzelnen sie stets in ihrem Sinne interpretierten und handhabten. Die Technik, die die Welt bewegte, war damit auch im Hause präsent, hier besaß frau Anteil an einer weltbewegenden Kraft. Der besondere Statuscharakter der Küchengeräte bewirkte zugleich einen Alltagswettbewerb, der auf Vorstellungen von Effizienz, Modernität und Bequemlichkeit gründete. Die Rationalisierung bezog sich aber auch auf die Nahrung selbst, führte zur wachsenden Verfügbarkeit künstlicher Kost. Die Begriffsbestimmungen, Qualitätskriterien, Typen und Handelsklassen einzelner Nahrungsmittel (Kap. 4.2) sollten die Marktchancen v. a. einheimischer Produkte erhöhen und dem Konsumenten die Gesundheitswerte der Heimat erschließen. Der Einzelne sah sich jedoch einer immer stärker schematisierten Warenwelt gegenüber, in der an die Stelle praktischer Warenkenntnisse ein Wissen um abstrakte Gütekriterien, insbesondere Stoffgehalte trat. So wurde subjektives Wissen entwertet und durch inkorporiertes objektiviertes Wissen ersetzt, zugleich aber die Grundlagen für weitere Veränderungen gelegt. Sie betrafen gleichermaßen Forschung und Technik. Der wachsende Maschineneinsatz, der zunehmende Vertrieb von Handels- und Fabrikmarken in immer häufiger hygienisch verpackter Form schuf zwar preiswerte standardisierte Produkte, doch deren Qualität war für die Käufer nicht mehr direkt zu kontrollieren. An die Stelle eines konkreten Warenvertrauens trat ein vielfach durchbrochenes Marken- bzw. Systemvertrauen, das auf dem Stoffparadigma gründete. Der Lebensmitteleinkauf gewann zunehmend symbolische Qualität, praktische Kenntnisse wurden vom Erfahrungsraum abstrahiert. Nationale und internationale Märkte erweiterten den Kenntnishorizont beständig, doch sie entstammten immer mehr der zweiten Hand, dem über Vermittlungsmedien kolportiertem objektivierten Wissen der Experten des eisernen Dreiecks.8 Die sich durch rationalisierte Großhandels- und Industriestrukturen einerseits, die neuen naturwissenschaftlichen Kenntnisse über Nahrung anderseits erweiternde Warenwelt besaß für den Einzelnen weit reichende Konsequenzen. War ihm – bei entsprechenden finanziellen Mitteln – ein individueller Ernäh 8 Dazu schon Gerhardt, J[ohannes]: Rationalisierung in der Konsumwirtschaft, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., Ergbd., Jena 1929, 806–817.

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rungsstil zunehmend möglich, verstand er doch zugleich immer weniger von dieser alltäglich präsenten Nahrung, die zur Ware ohne Geschichte wurde und daher eines neuen ästhetischen Images bedurfte. Als Ordnungs- und Orientierungsfaktoren gewannen Experten an Bedeutung für die Konsumenten.9 Wenngleich ihre hierarchische Wissensvermittlung nur begrenzten Erfolg hatte, setzte sich zumindest das Wissen um das Wissen der Experten allgemein durch. Auch ohne präzise Kenntnisse veränderte dies die Praxis täglicher Ernährung bzw. des Gespräches hierüber. Abstrakte Ordnungsmächte gewannen Macht über die tägliche Kost, objektiviertes Wissen wurde Anlass eines schlechten Gewissens oder aber von Indifferenz. Speisenzubereitung und -zusammenstellung sowie das Essen selbst standen unter stetem Rechtfertigungsdruck. Dies war eine Chance für künstliche Kost als materielles Substrat der Rationalisierungsstrategie des eisernen Dreiecks. Sie wurde in der Zwischenkriegszeit aber vornehmlich dadurch verfügbar, dass die Arbeiten des eisernen Dreiecks Inhaltsstoffe, Gebrauchswerte, Konservierungs- und Produktionstechniken immer genauer erkundeten und systematisch aufeinander bezogen. Das folgende Kapitel hebt fünf zentrale Veränderungen hervor, nämlich die Vitaminlehre, Convenienceprodukte, Verpackungen, Konservierungstech­ niken sowie neuartige Austauschprodukte. Stetig kritisiert begründeten sie die wachsende Verfügbarkeit künstlicher Kost schon lange vor der Wirtschaftswunderzeit.

5.1 Vitaminrummel: Imagination und Realität einer synthetisch verfügbaren Stoffgruppe Vitamine wurden seit den 1930er Jahren zur symbolträchtigsten Stoffgruppe: Sie standen für eine »gesunde« Ernährung und eine neue helfende Ernährungswissenschaft. Dieser in den 1920er Jahren entstandene Anspruch der Wissenschaftler führte zu vielfältigen Irritationen, die im schillernden Begriff des Vitaminrummels mündeten. Er wurde auch noch in den 1930er Jahren verwandt, doch nun schien sich wagendes objektiviertes Wissen peu à peu Bahn zu brechen: »In dem Maße, wie die wirkliche Vitamin-Wissenschaft fortschreitet, wie sie Entdeckungen über Entdeckungen häuft, verlieren die geschäftstüchtigen Afterwissenschaftler und Nutznießer übertriebener Ängstlichkeit an Boden«10. Die Vitaminlehre war seit den Nobelpreisen der späten 1920er Jahre zu 9 Vgl. Tanner, Jakob: Ernährungswissenschaft, Esskultur und Gesundheitsideologie. Erfahrungen, Konzepte und Strategien in der Schweiz im 20. Jahrhundert, in: Schaffner, Martin (Hg.): Brot, Brei und was dazugehört. […], Zürich 1992, 85–103. 10 Venzmer, Gerhard: Lebensstoffe unserer Nahrung. Was jeder von den Vitaminen wissen muß, Stuttgart 1935, 17–18.

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einem etablierten Arbeitsfeld für Chemiker und Mediziner geworden und bot beträchtliche Marktchancen für Lebensmittelindustrie und forschungsstarke Pharmaunternehmen. Sie zog auch Staaten in den Bann, deren Gesundheitspolitik sich zunehmend an den durch die neue Ernährungswissenschaft formulierten Ratschlägen orientierte. Aus wagenden Anfängen hatte die Wissenschaft ein neues, aus ihrer Sicht erweitertes, stofflich differenziertes Bild der »richtigen« Ernährung und des Stoffwechsels entworfen, das Mitte der 1930er Jahre neuerlich Chancen für eine dauerhafte Ernährungslehre bot, die klare Richtlinien für die Optimierung der Alltagskost und die Substitution subjektiven Wissens geben konnte.11 Nicht der »Vitaminiker«12, der ängstliche, stetig auf den Stoffgehalt schielende Mensch war dazu erforderlich, sondern ein moderner Zeit- und Volksgenosse, der auf Basis objektivierten Wissens die Angebote deutscher Lebensmittelproduzenten konsumierte und die Vorgaben der nationalsozialistischen Gesundheitsführung und Ernährungslenkung umsetzte. Dies war ehrgeizig, denn die praktischen Probleme der Vitaminforschung waren auch in den 1930er Jahren, trotz allgemeiner Akzeptanz der neuen Stoffe und ihrer begrifflichen Fixierung, keineswegs ausgeräumt.13 Im Gegenteil, innerhalb der Wissenschaft bestanden zahlreiche Bewertungsprobleme, nicht zuletzt bei der Abgrenzung zu weiteren Stoffgruppen. Die Arbeitsfelder von Chemie, Medizin und Biologie überlappten, waren schwierig voneinander zu scheiden. Um diese Entwicklung zu verstehen, gilt es erst einmal die Leistungen der Forschung und der sie stets begleitenden Imagination einer gesunden und besseren Rasse/Gesellschaft zu analysieren. Während die medizinische Forschung zunehmend vitaminreiche Kost empfahl, erlaubte die Klärung der chemischen Struktur der neuen Lebensstoffe präzise Wirkungsanalysen und dann kommerziell lukrative Nachbildungen. Die Gleichsetzung von Gesundheit und Vitaminen verschaffte dem Stoffparadigma neue Verbindlichkeit, führte – begleitet von staatlich geförderter Ernährungsführung – zu einer wachsenden Inkorporierung des neuen stofflichen Wissens, durch das die kommerzielle Kommunikation von Lebensmitteln neu austariert werden musste. Wie sehr die Wissenschaft nicht nur wissend, sondern auch wagend mit den Vitaminen umging, verdeutlicht sich an den Suchprozessen der Analytik und Diätetik 11 Pointiert hierfür Kollath, Werner: Grundlagen einer dauerhaften Ernährungslehre, Wiener Medizinische Wochenschrift 91, 1941, 157–161. Vgl. allgemein Thoms, Ulrike: Vitaminfragen – kein Vitaminrummel? Die deutsche Vitaminforschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit, in: Nikolow, Sybilla/Schirrmacher, Arne (Hg.): Wissenschaft und Öffentlichkeit als Ressourcen füreinander […], Bielefeld 2007, 75–96. 12 Konrich, Friedrich: Einführung in die Wehrhygiene, Stuttgart 1943, 6. 13 Vgl. hierzu Werner, Petra (Hg.): Vitamine als Mythos. Dokumente zur Geschichte der Vitaminforschung, Berlin 1998; Werner, Petra: Vitamine als kollektiver Mythos, Dahlemer Archivgespräche 2, 1997, 140–157; Carpenter, Kenneth J.: A Short History of Nutritional­ Science: Part 3 (1912–1944), Journal of Nutrition 133, 2003, 3023–3032.

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der Zwischenkriegszeit. Wirtschaft und Wissenschaft schufen zugleich neue Dringlichkeiten, denen sich der Staat nicht entziehen konnte, die vielmehr in die Vitaminpolitiken der Kriegszeit mündeten.14 Künstliche Kost setzte sich in den 1930er Jahren, begünstigt durch heterogene, keineswegs immer gleichläufige Aktivitäten der Akteure des eisernen Dreiecks durch, bereitete damit zugleich den Weg für eine Vitaminphilie, die bis heute anhält und den Alltag prägt.

5.1.1 Synthese. Die chemische Nachbildung der Natur Die Benennung der Vitamine bildete für die Mehrzahl der Forscher erst einmal eine beträchtliche Irritation. Bisher gesichert scheinende Wissensbestände gerieten ins Wanken, an die Stelle der Klarheit tradierter Kostmaße traten unbestimmte Empfehlungen. Der stoffliche Blick mochte richtig sein, seine Tiefenschärfe aber war neu zu justieren. Die intensivierte, insbesondere in den angelsächsischen Staaten vorangetriebene Forschung wurde nicht nur von dem immer wieder betonten Streben nach effektiven Waffen gegen die sog. Avitaminosen angetrieben. Vielmehr galt es erst einmal innerhalb der eigenen Reihen Klarheit über die neuen Stoffwelten zu gewinnen. Das Feld der Vitamine – dieser Sammelbegriff setzte sich in der Wissenschaft erst in den frühen 1920er Jahren durch  – war disparat, wies beträchtliche Abgrenzungsfragen auf und sprengte die bisher etablierten Grenzen naturwissenschaftlicher Disziplinen. Stoffliche Strukturen und physiologische Wirkungen standen zur Debatte, mussten zugleich nicht mehr auf der Ebene von Makronährstoffen, sondern von Mikrowirkstoffen beantwortet werden. Neuartige Analyseverfahren waren erforderlich und veränderten die Praxis der Forschung tiefgreifend (Kap. 2.3.2). Angesichts dieses Wandels wurde Vereinfachung angestrebt, neues geltendes Wissen als »die Erlösung aus banger Qual gegenüber den neuzeitlichen, an und für sich hervorragenden Forschungsergebnissen«15 verstanden. Die neue Komplexität veränderte auch die Träume der Wissenschaftler. Die Prophezeiungen des späten 19. Jahrhunderts von einem goldenen Zeitalter, in dem es der »Chemie einst gelingen werde, Stärke, Zucker und Eiweiß künstlich herzustellen« erwiesen sich als Chimäre: »Durch solche Spekulationen zieht die Natur einen dicken Strich. Heute sind wir von diesem vermeintlichen Ideal weiter entfernt denn je.«16 Die von ihnen selbst modellhaft konstruierte »Natur« der 14 Hierzu umfassend Stoff, Heiko: Wirkstoffe. Eine Wissenschaftsgeschichte der Hormone, Vitamine und Enzyme, Stuttgart 2012, insb. 25–63. 15 Müller, Erich: Grundsätzliche Fragen zur Ernährung des Kindes, KW 6, 1927, ­1313–1317, hier 1317. 16 Dekker, Hermann: Lebenswichtige Begleitstoffe der Nahrung. Eine Umschau über die Ergebnisse der Vitaminforschung, Kosmos 22, 1925, 173–181, hier 180 (auch für das vorige Zitat).

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Abb. 53: Die Relevanz der Stoffgesamtheit für den Ernährungserfolg

Nahung und der Menschen umgriff immer mehr aufeinander einwirkende und voneinander abhängige Faktoren. Führende Physiologen betonten in den 1940er Jahren tautologisch: »Jedes Abrücken vom natürlichen Ernährungssystem ist unmöglich«17. Diese Abkehr von der großen Lösung, von künstlicher Kost als komprimierter Alternative zur tradierten Alltagskost, führte jedoch nicht dazu, das Ideal einer nachbildenden Verbesserung der täglichen Kost fallen zu lassen. Parallel zum sich ausdifferenzierenden Wissen um die Stoffe wurden die Träume greifbarer. An die Stelle großer Lösungen trat eine kleinteilige, aber praktisch wirksame Ergänzung mit einzelnen Stoffen. Deren Nachbildung, deren Synthese bedeutete somit nicht allein neue(rliche) Klarheit, sondern war auch Basis für zielgenauere Alltagsträume. Die Spezialforschung, die nun zur Teildisziplin der Vitaminforschung mutierte, arbeitete mit einer zunehmend präzisierten Fachsprache an sehr kleinteiligen Aufgaben. In den 1930/40er Jahren bestanden weltweit ca. 20 Arbeitsgruppen, die biochemische Vitaminforschung betrieben  – in der Mehrzahl

17 Kraut, H[einrich]: Die Aussichten der Synthese von Nahrungsmitteln, Die Chemie 55, 1942, 15.

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angesiedelt an öffentlich finanzierten Universitäts- und Forschungsinstituten, doch zunehmend auch in der pharmazeutischen Industrie.18 Sie verfolgten  – je später, desto eindeutiger  – aufeinander aufbauende Arbeitsziele: Zu Beginn wurde versucht, das Vitamin als Wirkstoff zu isolieren. War dies gelungen, galt es, die chemische Konstitution in Form der Strukturformeln zu ermitteln. Auf dieser Wissensbasis konnte dann versucht werden, die Vitamine synthetisch herzustellen. Dazu bediente man sich anfangs noch »natürlicher« Vitaminträger als Ausgangsmaterial, nutzte später dann zunehmend preiswertere Massenprodukte. Das Vitaminpräparat wurde schließlich klinisch angewendet und dadurch nochmals getestet. Diese vier Schritte klingen einfach, doch gab es beträchtliche Probleme bei der Messung, Trennung und Wirkungsanalyse. Die Forscher stießen in den Milli-, ja Mikrogrammbereich vor. Während heutzutage chemisch-physikalische Nachweisverfahren mit Chromatographen, insbesondere dem HPLC , relativ einfach durchzuführen sind, entwickelten die Vitaminforscher vornehmlich indirekte biologische Nachweisverfahren, indem sie das Wachstum von Versuchstieren untersuchten. Deutlich schnellere mikrobiologische Verfahren, die das Wachstum von Bakterien in Nährlösungen nutzten, wurden erst seit den späten 1930er Jahren eingesetzt, ohne aber die Tierversuche zu verdrängen. Mit den neuen Verfahren verloren zugleich Stoffwechselversuche an Menschen und größeren Tieren in der Tradition der Münchener Schule an Bedeutung.19 Vitaminforschung war vorrangig Forschung an Tiermodellen, entsprechend schwierig war die Rückführung der Ergebnisse auf den Menschen. Die Forschergruppen etablierten Standardtiere, um die vom Menschen vielfach abweichende Physiologie der Tiere einschätzen zu können: Ratten eigneten sich für Vitamin B-, nicht aber für Vitamin A-Forschungen. Vitamin C konnte dagegen besser an Meerschweinchen erforscht werden. Ferner galt: »Mit Tieren lässt sich aber nicht wie mit dem Reagenzglas arbeiten.«20 Nicht Mitleid mit den für den Tod gezüchteten Versuchstieren war hier gemeint, sondern die Dauer der Versuche. Die Versuchsreihen währten mindestens einen Monat, teils deutlich länger. Trotz einer wachsenden Zahl international akzeptierter Standardkostformen war es Ausdruck experimenteller Kunst, die Ernährung der Tiere so zu gestalten, dass allein der untersuchte Nahrungsstoff den Unterschied ausmachte. Angesichts der beträchtlichen Zahl anderer unbekannter Wirkungsstoffe21 war dies Her 18 Schmaltz, Florian: Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie, Göttingen 2005, 482. 19 Dazu schon Röhmann, 1916, 2. Ein Zwischenresümee bietet Kreitmair, H[anns]: Unsere heutige Kenntnis von der Biologie der Vitamine, ZVF 3, 1934, 105–107, hier 105–106. 20 Bakke: Vitaminkontrolle für die industriell hergestellten Nahrungsmittel, Zf VED 6, 1931, 48–49, hier 48. 21 Vgl. etwa Kohler, Robert E.: The Enzyme Theory and the Origin of Biochemistry, Isis 64, 1973, 181–196.

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Abb. 54: Reine Lebensstoffe – synthetisiertes Cebion

ausforderung und zugleich Fehlerquelle. Dies galt umso mehr, da sich seit Mitte der 1920er Jahre die ursprüngliche Annahme als hinfällig erwies, dass die Vitamine Katalysatoren seien. Vitamine erfüllten vielmehr bestimmte Funktionen im Stoffwechsel, mussten daher dauernd in gewissen Mindestmengen zugeführt werden.22 Eine genaue Darstellung der Entdeckung, Konstitution und Synthese der einzelnen Vitamine ist von der Medizingeschichte schon mehrfach präsentiert worden – wenngleich über die Priorität mancher Forschungstat bis heute Unklarheit herrscht, da Anspruch und Realgehalt vieler Originalarbeiten deutlich auseinanderklafften.23 Die Reindarstellung begann mit der Gewinnung des Ergosterins durch den Göttinger Chemiker Adolf Windaus im Jahre 1925.24 1926 folgte Vitamin B1, 1928 Vitamin C, 1931 Vitamin D2 , 1933 die Vitamine B2 und A, 1937 die Vitamine D3 und E, schließlich die Vitamine B 6 , »das Antipellagravitamin

22 Reyher, P[aul]: Der gegenwärtige Stand der Vitaminforschung, VE 4, 1929, 66–69, hier 68. 23 Vgl. trotz mangelnder Kontextualisierung Frankhauser, 1997; Hanses, 1995. 24 Detailliert hierzu Bächi, Beat: Vitamin C für alle! Pharmazeutische Produktion, Vermarktung und Gesundheitspolitik (1933–1953), Zürich 2009; Haas, Jochen: Vigantol. Adolf Windaus und die Geschichte des Vitamin D, Stuttgart 2007; Wolf, George: The Discovery of Vitamin D: The Contribution of Adolf Windaus, Journal of Nutrition 134, 2004, 1299–1302.

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und die Vitamine K1, K 2 und Pantothensäure«25. Die chemische Konstitution folgte mit Abstand einiger Jahre, dann die Synthese: Den Anfang machte 1933 das Vitamin C. Unter dem Markennamen Cebion von Merck in Deutschland aus frischer Paprika gewonnen, war es das erste synthetische Vitaminpräparat.26 Seit September 1933 wurde es zur klinischen Erprobung an Ärzte versandt, anschließend begann der Vertrieb. Im Oktober 1933 patentierte dann die Schweizer Firma Hoffmann-La Roche ein preiswerteres Syntheseverfahren, dessen Ausgangsprodukt Traubenzucker war. Synthetische Vitamine bildeten von Beginn an einen lukrativen Markt, der durch Forschung neu geschaffen wurde.27 Seit 1935 konnte auch Vitamin B2 künstlich hergestellt werden, es folgten 1936 Vitamin B1, 1937 Vitamin A, dann auch E-, D-, K-Vitamine sowie verschiedene Vertreter des Vitamin-B-Komplexes. 1939 waren die meisten Vitamine synthetisch verfügbar, auch wenn ihre Rohstoffgrundlage vielfach noch aus »natürlichen« Lebensmitteln bestand.28 Obwohl die Synthesen sicherlich die Höhepunkte des sog. goldenen Zeitalters der Vitaminforschung bildeten, veränderte sich mit der grundsätzlichen Verfügbarkeit der Lebensstoffe nochmals die Ausrichtung der Forschung.29 Dies hatte nicht zuletzt Folgen für die Schwerpunktdisziplinen der Ernährungsforschung. Die Biochemie bündelte Struktur- und Funktionswissen und gewann ebenso wie die Medizin Terrain gegenüber der Chemie. Die Ernährungswissenschaft emanzipierte sich durch die Vitaminforschung langsam von ihren disziplinären Traditionen, ohne aber vom Stoffparadigma zu lassen. Die erfolgreiche Synthese war für die Wissenschaftler zugleich eine Bestätigung ihrer Funktion als letztlich entscheidende Wissensproduzenten. Ihr kreativer Geist schien es gerade vor dem Hintergrund der Versorgungsprobleme mit Frischwaren zu ermöglichen, künstliche Kost zum Wohle der Kultur tragenden Völker einzusetzen: »Was die Vitaminerzeugung betrifft, so ist der Siegeszug der chemischen Synthese in den letzten 15 Jahren so überwältigend gewesen, daß man diejenigen Vitaminmengen, welche man dem Boden noch nicht in genügenden Mengen abgewinnen kann, auf industriellem Wege weitgehend wird ergänzen können.«30 Doch anders als während der Jahrhundertwende war die 25 Vogel, Hans: Chemie und Technik der Vitamine, 2. umgearb. Aufl., Stuttgart 1943, 3. 26 Vgl. Wintermeyer, Ursula/Lahann, Holm/Vogel, Roland: Vitamin C. Entdeckung, Identifizierung und Synthese – heutige Bedeutung in Medizin und Lebensmitteltechnologie, Stuttgart 1981. 27 Vgl. die nobelpreisträchtige Darstellung bei Reichstein, T[hadeus]/Grüssner, A[ndreas]: Eine ergiebige Synthese von l-Ascorbinsäure (C-Vitamin), Helvetica Chimica Acta 17, 1934, 311–328. 28 Vgl. Vogel, 1943, 4. 29 Flößner, Otto: Aufgaben der Deutschen Ernährungsforschung, Die Ernährung 1, 1936, 12–18. 30 Euler, Hans v.: Erfahrungen und Probleme in der Vitaminforschung, Die Gesundheitsführung. Ziel und Weg 1942, 155–160, hier 159.

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Begeisterung eher verhalten. Die Vitaminforschung hatte deutlich gemacht, wie stark die Lebensmittelverarbeitung und -zubereitung den Stoffgehalt und damit den Ernährungswert der Produkte veränderte. Künstliche Kost wurde immer mehr zu einer Kompensation für einen sich von seinen natürlichen Ursprüngen lösenden Menschen: »Mit der fabrikatorischen Herstellung dieser lebenswichtigen Stoffe hat die Technik in gewissem Sinne das wieder gut gemacht, was sie durch Eingriffe in die ursprüngliche Ernährungsweise der Menschen an Schuld auf sich geladen hatte.«31 Der Tenor der Forschung mochte defensiv klingen, doch schufen Wissenschaftler so zugleich eine neue Dringlichkeit für den Konsum künstlicher Kost und damit einen neuen Massenmarkt.

5.1.2 Gesundheit pur. Die Vermarktung eines realen Traums Ende der 1920er Jahre war die Vitaminlehre zwar wissenschaftlich allgemein akzeptiert, doch ältere Forscher bewerteten sie weiterhin skeptisch, gelegentlich fand sich ihr gegenüber gar eine »ausgesprochen feindselige Haltung«32. Trotz immenser Anstrengungen fand sich die Wissenschaft wieder in der Rolle des Zauberlehrlings. Wie schon im Kaiserreich, bei künstlicher Säuglingskost und Nährpräparaten, agierte die Wirtschaft nicht seriös-bedächtig, sondern griff die expliziten und impliziten Versprechungen der Wissenschaft auf, um Aufmerksamkeit und Gewinn zu erzielen.33 Viele Anbieter spielten bewusst mit der Differenz von Krankheit und Gesundheit, von Avitaminose und käuflichem Produkt, schürten daher Vorstellungen stofflicher Unterversorgung. »Vitaminangst« ging um: »Ein Teil der Nahrungsmittelindustrie bemächtigt sich aus allzu naheliegenden Gründen des neuen Schlagwortes, übertriebene und voreilige volkstümliche Berichte aus dritter Hand tun als ihre – und schon geht’s ganz ähnlich wie ein paar Jahrzehnte früher mit der sogenannten ›Bakterienangst‹.«34 Dieser viel beschworene »Vitaminrummel« wurde anfangs insbesondere von der Lebensreformbewegung forciert, die ihr Kostregime durch die neue Stoffgruppe bestätigt sah. Die Reformwirtschaft warb schon Anfang der 1920er Jahre intensiv mit dem Vitamingehalt ihrer Produkte, doch Begriffe wie »Sonnenenergie« und »Lebenskraft« wurden seit Mitte der 1920er Jahre zunehmend auch von konventionellen Anbietern aufgegriffen.35 Der Zauberbegriff 31 Kuhn, R[ichard]: Vitamine und Arzneimittel, Die Chemie 55, 1942, 1–6, hier 1. 32 Reyher, 1929, 66. 33 Vgl. resümierend Diller, [Hans]: Der Vitamingehalt unserer Lebensmittel und die Verluste in Industrie und Küche, Zf VE 14, 1939, 157–167, hier 157. 34 Venzmer, 1935, 17. 35 Das vielfach voreilige und irreführende Marketing wurde auch innerhalb der Reformgruppen deutlich kritisiert, vgl. etwa Balzli, H[ans]: Kunst und Wissenschaft des Essens. Gesundheit und Volkswohlfahrt durch basische Ernährung, Stuttgart 1928, 183.

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Abb. 55: Popularisierung einer neuen Stoffgruppe – Lebertranwerbung 1926

»Vitamin« sicherte Aufmerksamkeit, auch wenn es sich noch nicht um neue Produkte handelte. Die Strahlkraft der neuen Stoffe war derart groß, dass nicht allein die menschliche Kost, sondern auch das Tierfutter kritisch analysiert und optimiert wurde.36 Das wachsende Wissen um Vorkommen und Struktur der Vitamine, insbesondere aber die Gewinnung des Ergosterins 1925, führten die Vermarktung der Vitamine auf eine neue Stufe. Während es zuvor darum ging, den Vitamingehalt tradierter Produkte hervorzuheben, schien es nun möglich, auch vitaminarme Waren zu fortifizieren. Debatten und Umsetzung konzentrierten sich auf die Margarine: Sie hatte schon im späten 19. Jahrhundert das »Naturprodukt« Butter preiswert ersetzen sollen, bot dazu aber allein preiswerteres Fett, nicht aber die Vitamine des Milchproduktes. Während die Öffentlichkeit Vitaminzugaben offenbar unterstützte, waren die meisten Wissenschaftler anfangs skeptisch. Vitaminisierung sei etwas für die Geheimmittelindustrie, nicht für die Lebensmittelproduktion. Führende Margarineproduzenten aber schritten zur Tat. Margarine schien nun ein wirkliches Substitut für Butter werden zu können.37 Die vorrangig zu Kontrollzwecken eingerichteten Betriebslaboratorien versuchten anfangs, aus 36 Müller, Erich: Zur Ernährung des Kleinkindes, KW 1, 1922, 1212–1216, hier 1215. Vgl. als Überblick Müller-Lenhartz, [Wilhelm]: Eiweiß, Mineralstoffe und Vitamine in der Ernährung unserer Haustiere, HLFZ 81, 1928, 937–939; Scheunert, [Arthur]: Stand der Mineral- und Vitaminversorgung beim Milchvieh, MDLG 46, 1931, 361–362, 392–393. 37 Das Folgende n. Margarineindustrie, 1928, 95 (Juckenack).

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Obst und Tomaten Konzentrate herzustellen, die der Margarine zugefügt wurden. Der Vitamingehalt konnte dadurch signifikant erhöht werden, doch zugleich verschlechterte sich der Geschmack. Ähnliches galt für Konzentrate auf Lebertranbasis. Eigelb-Extrakte ergaben bessere Ergebnisse, waren jedoch deutlich teurer. Praktisch verwertbare Ergebnisse erzielte die Hamburger Firma Alfred Voß mit bestrahltem Lezithin, das sie in Kooperation mit der dortigen Universität entwickelte. Trotz beträchtlicher Reklame scheiterte das neue Produkt jedoch. Vitaminkonzentrate hatten in den späten 1920er Jahren gleichwohl eine kurze Konjunktur, denn auch Speiseölproduzenten versuchten damals, ihre Rohstoffe lukrativer zu nutzen. Den größten Erfolg hatte allerdings das aus Eigelb hergestellte Vitamin A-Präparat Heliozitin der A. G. für Medizinische Produkte, mit dem u. a. »Rama im Blauband« »vitaminhaltig« gemacht wurde.38 Andere Präparate, so Vitmargarin oder das von der Hamburger Hansamühle produzierte Vitamina, nutzten Sojabohnen als Grundstoff. Diese Konzentrate beeinträchtigten Geschmack und Geruch kaum, doch ihr Vitamingehalt variierte teils beträchtlich und im Produktionsalltag warfen sie beträchtliche Kontrollprobleme auf. Dies war ein wichtiger Grund für das frühe Ende der Vitaminisierung während der sich verstärkenden Weltwirtschaftskrise. Die Firmen konnten ihre erhöhten Kosten nicht amortisieren, die Konsumenten bevorzugten »natürliche« Vitaminquellen oder aber medizinische Präparate. Die umfassende Vitaminisierung der Margarine wurde erst 1941 als Teil der NS -Vitaminpolitik neuerlich aufgenommen (Kap. 5.1.4). Höher konzentrierte Angebote wurden erstens in Nischenmärkten der Reformwarenwirtschaft entwickelt und auch erfolgreich vermarktet. Beispielhaft für den wissensbezogenen Wandel der Vermarktung steht Vitam-R, ein Hefe­ extrakt, der Ende der 1920er Jahre als »Fleischextrakt des Vegetariers«39 vermarktet wurde. Das Präparat wurde 1925 von der Stettiner Rückforth AG entwickelt und als ein »allgemeines Volksnahrungsmittel« beworben, das »eine vernunftgemäße Zufuhr der unbedingt notwendigen Ergänzungsstoffe bewirkt.«40 Als derart universales Nährpräparat scheiterte es jedoch, zumal Nahrungsmittelchemiker Mindergewicht und hohen Salzgehalt monierten. Das Patent wurde daraufhin an die neu gegründete Hamelner Vitam Fabrik biologischer Präparate GmbH verkauft. Diese stellte den Vitaminreichtum von Vitam-R besonders heraus, präsentierte es als Würze und Brotaufstrich und hob immer wieder dessen »Natürlichkeit« hervor. Als eine »von der Natur geschaf 38 Scheunert, A[rthur]: Zum Vitamin-A-Gehalt der Margarine, KW 9, 1930, 1247–1248. Zur Analyse s. [Hahn, Friedrich Vincenz v.]: Vitaminhaltig? III . Heliozitin, VE 5, 1930, 9–10. 39 VW 62, 1929, 109. 40 Massatsch, [Carl]: Zur Kritik der modernen Nährpräparate und ihrer Untersuchungsmethoden, DNR 1925, 235–237, 250–253, hier 252.

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fene Komposition«41 gewann das Produkt in den 1930er Jahren auch Kunden abseits der Reformer und konnte sich insbesondere in der Gemeinschaftsverpflegung als würzender und vitaminisierender Zusatz etablieren. Zweitens wurden erst Konzentrate, später dann auch synthetische Vitamine ausgesuchten Nährmitteln zugefügt, um die Grundversorgung zumal von Kindern zu verbessern. Insbesondere Puddingpulver und Kindermehle fortifizierte man zuerst mit Vitaminkonzentraten, dann auch mit synthetischen Vitaminen.42 Künstliche Kost diente als Brückenkopf für weiter optimierte Kost, deren Stoffprofil sich gemäß wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Möglichkeiten fortentwickelte. Die zahlreichen neuen Produkte und Präparate, die Ende der 1920er Jahre auf den Markt kamen, waren nicht nur indirekte Folge des neuen komplexeren Wissens über die Grundstoffe der Ernährung. Sie verwiesen zugleich auf unzureichende Kenntnisse über die genauen Wirkungen und Bedarfsziffern sowie beträchtliche Defizite bei der Kontrolle des Vitamingehaltes. Schließlich fehlten damals noch basale analytische Daten über viele Nahrungsmittel bzw. verarbeitete Lebensmittel.43 Angesichts der immer stärker auf den Vitamingehalt ausgerichteten Ernährungsaufklärung war ein rigides Einschreiten gegen die neuen Angebote nicht möglich, zumal sie die Importe von Frischprodukten zumindest begrenzen konnten. Während die chemischen Untersuchungsanstalten vielfach zu einschlägigen Kontrollen technisch nicht in der Lage waren, übernahmen vereinzelt physiologische Institute diese Untersuchungen. Weit rezipiert wurden die unter dem provokanten Titel »Vitaminhaltig?« veröffentlichten Arbeiten des Hamburger Physiologen Friedrich Vinzenz v. Hahn: Demnach erwiesen sich die Mehrzahl der als »vitaminreich« beworbenen Orangensäfte als praktisch vitaminlos, ebenso kontrollierte Zitronensäfte.44 Einzelne Anbieter gingen gegen Hahns Analysen vor, doch seine Expertise behauptete sich vor Gericht.45 Nach anderen Untersuchungen waren viele Deklarationen schlicht falsch, wobei jedoch teils 41 Hemdb, Kurt: Zur Bewertung der Hefe und ihrer Heilfaktoren (Vitamin R), VE 4, 1929, 22–25. 42 Zum Konzept vgl. Glanzmann, E[duard]: Ernährung als Krankheitsursache und Heilfaktor in der Paediatrie, ZVF 3, 1934, 102–105. 43 Vgl. etwa Csik, L[ajos]/Bencsik, J.: Versuche, die Wirkung von B-Vitamin auf die Arbeitsleistung des Menschen festzustellen, KW 6, 1927, 2275–2278, hier 2275. 44 Hahn, V[incenz] F[riedrich] v.: Vitaminhaltig? IV. Der C-Vitamingehalt von Orangeaden, VE 5, 1930, 89–91; Ders.: Vitaminhaltig? V. Ersatzmittel für Zitronensaft, VE 5, 1930, 124. Die Arbeiten erschienen ausführlicher auch in der Zeitschrift für Untersuchung der Lebensmittel. 45 Ders.: Vitaminhaltig?, VE 4, 1929, 278–280; Ders.: Vitaminhaltig?, 5. Cenovis-Vitaminextrakt und Spezial-Vitamin-Nährhefe, VE 5, 1930, 295–297. Dagegen aber Lindemann: Vitaminhaltig, VE 5, 1930, 383–384. Vgl. auch Scheunert, A[rthur]/Schieblich, M[artin]/ Reschke, Joh[anne]s: Über den Vitamingehalt von Eviunis (Vitophos), ZUL 66, 1933, 271–278.

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Abb. 56: Optimierte Zusammensetzung  – Fortifiziertes Puddingpulver 1940

zu geringe, teils zu hohe Werte angegeben wurden.46 Da insbesondere Kindermehle hochsensible Produkte waren, schien die Etablierung umfassender Kontrollen bzw. ein staatliches Einschreiten unabdingbar. Die Firmen reagierten auf diese Ergebnisse vielfach mit technologischen Änderungen, denn häufig wurde die schnelle Zersetzung insbesondere der B- und C-Vitamine unterschätzt. Dies war ein wichtiger Anstoß für die weitere Verwissenschaftlichung der Produktion. Teilweise aber behaupteten insbesondere kleinere Anbieter in der Werbung Vitamingehalte, »ohne sich auf authentische Nachprüfungen zu stützen.«47 Bevor sie von Gerichten gestoppt wurden, hatten sie ihre Gewinne schon längst realisiert. 46 Gehlen, 1932, 102–103. 47 Schultz, Ottokarl: Die D-Vitamin-Einheit, Zeitschrift für Kinderheilkunde 47, 1929, 449–485, hier 450. Es handelte sich um das Vitaminpräparat Jemalt.

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Anders agierten die Pharmaanbieter. Vitaminpräparate waren für sie Heilmittel, entsprechend genau mussten die Dosierungen sein. Das seit 1927 angebotene erste »natürliche« Ergosterinpräparat Vigantol durchlief zahllose Tierversuche, und regelmäßige Kontrollen sicherten die gleichmäßige Wirksamkeit.48 Die Anbieter kooperierten mit Vitaminforschern und den pharmazeutischen Fachgesellschaften, um ihre Präparate international zu standardisieren. Parallel fanden im Reichsgesundheitsamt umfassende Forschungen zu Vitamintestverfahren statt, die schließlich 1938 einen Quasi-Standard für die Kontrolle im Deutschen Reich setzten.49 Zu diesem Zeitpunkt gab es allerdings noch keine staatliche Regulierung. Vorreiter waren vielmehr die Schweizer Behörden, deren Pharmaunternehmen den Vitaminsektor zunehmend dominierten. Die Ergänzung der Eidgenössischen Lebensmittelverordnung vom 22. Juli 1930 beschränkte die Werbung mit dem Begriff »Vitamin« auf Produkte, deren »Vitamingehalt, verglichen mit Lebensmitteln der gleichen Art, durch besondere Zusätze oder besondere Behandlungsarten erheblich erhöht worden ist.«50 In der Schweiz wurden daraufhin Kontrollgruppen aufgebaut, die vielfach an Universitäten angegliedert waren. Im Deutschen Reich wurde diese Regelung seitens der Lebensmittelchemiker positiv aufgegriffen und in Forderungen umgemünzt, um den »Vitaminrummel« einzuhegen.51 Hahn legte 1933 schließlich einen Entwurf einer Verordnung über den Verkehr mit vitaminhaltigen Nahrungsmitteln vor, der sich an den Schweizer Vorbildern orientierte.52 Doch die Regierung Hitler griff diesen Vorschlag nicht auf, standen ihr kurz danach mit dem Deutschen Werberat und dem Reichsnährstand doch Hebel zur Verfügung, die brancheninterne Regelungen forcierten. Sie berücksichtigten das Schweizer Prinzip, dass Vitaminwerbung nur dann zulässig sei, wenn der Vitamingehalt erheblich über den normaler oder natürlicher Produkte läge. Das Primat stofflich-wissenschaftlicher Expertise wurde nochmals verankert.53

48 Vgl. Ders., 455 49 Schormüller, J[osef]: Die Vitamine und ihre Bestimmung, RGBl 13, 1938, 405–411, 449–456. 50 Zit. n. Jung, A[lbert]: Richtlinien zur praktischen Bewertung von vitaminhaltigen Lebens- und Heilmitteln auf Grund des Bedarfes an Vitaminen. 1. Mitteilung, ZVF 1, 1932, 105–115, hier 106. 51 Vgl. etwa Schülein, [Julius]: Kontrolle der vitaminhaltigen Erzeugnisse der Lebensmittel-Industrie, DNR 1931, 184; Kontrolle der vitaminhaltigen Erzeugnisse der LebensmittelIndustrie, Die Ernährung 2, 1932, 115–116. 52 Hahn, F[riedrich] V[inzenz] v.: Ist die Bekämpfung des Vitaminschwindels möglich?, Zf VED 8, 1933, 83–86. 53 Vgl. beispielhaft Werbung für Kindernährmittel, DLR 1939, 79–80, hier 80. S. auch Richtige Säuglingsernährung, Nationalsozialistischer Volksdienst 8, 1941, 100, mit einer Anzeige für vitaminisiertes Dr. Oetkers Vita-Gustin.

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Abb. 57: Der Kinderwunsch erfüllbar  – Werbung für ein Multivitaminpräparat 1942

Die fehlende staatliche Regulierung führte allerdings zu Abgrenzungsproblemen zwischen Arznei- und Lebensmitteln, die im deutschen Recht relativ strikt voneinander geschieden waren. Dies galt insbesondere angesichts möglicher Überdosierungen, wie sie schon früh bei Vitamin D festgestellt worden waren. Gerade die Rachitistherapie wies ein breites Spektrum vitaminhaltiger Präparate auf (Kap. 2.3.2).54 Vitaminisierte Lebensmittel erlangten auch nach 1945 nur begrenzte Bedeutung, Frischware wurde grundsätzlich bevorzugt.55 Dies lag im Rahmen der Ernährungsrichtlinien der Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung bzw. der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Grund hierfür war aber auch, dass 54 Zur Frage der Rachitis-Prophylaxe und Therapie mit bestrahlten Nahrungsmitteln (Mehl und Milch), ZVF 4, 1935, 329–353, hier 343 (Rominger). 55 Fuhrmann, Walter: Vitaminisierung von Lebensmitteln, IOGV 38, 1953, 9.

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die Begriffe »Vita« resp. »Vitamin« nicht mehr zu starken Marken verdichtet werden konnten, da sie im Rahmen des Vitaminrummels und einer kaum regulierten Vermarktung ihre Trennschärfe verloren hatten.56 Was blieb, war die diffuse Gleichsetzung von Vitaminen mit gesunden Stoffen – und Wirkungsversprechen, die angesichts des additiven Charakters dieser Produktgruppen letztlich kaum überprüft werden konnten.

5.1.3 Funktionserkundung. Vitamine in Analytik und Diätetik Trotz chemischer Nachbildung der Vitamine und ihrer breit gefächerten Vermarktung seit spätestens Mitte der 1920er Jahre waren die Wirkungsmechanismen der neuen Stoffe vielfach unklar. Der eindeutig fokussierende Begriff »Avitaminosen« und die darauf bezogenen populären Vitaminnamen, etwa Antiskorbutvitamin, verdeckten vielfach den wagenden Charakter derartiger Kausalitätshypothesen. Die Strukturanalysen produzierten keineswegs Eindeutigkeit, sondern – auch aufgrund der beträchtlichen methodischen Probleme – Widersprüche und neue offene Fragen.57 Die Konsequenz war eine sich ausweitende klinische, dann auch epidemiologische Vitaminforschung, ein enges Wechselspiel von Theorie und Praxis. Dies galt nicht zuletzt angesichts von Kritikern, die zwar die wissenschaftliche Relevanz der Neuen Ernährungslehre akzeptierten, ihre praktische Bedeutung aber in Frage stellten, »weil die natürlich gewählte Mischkost den geringen Vitaminbedarf überreich deckt.«58 Die Funktionserkundung der Vitamine diente auch und gerade der Professionalisierung der Vitaminforschung. Das zeigte sich schon während der Weltwirtschaftskrise. Die kalorische Versorgung der Arbeitslosen ging zurück, war aber im Sinne der tradierten Ernährungslehre noch auskömmlich. Die Vitaminforscher ließen dies jedoch nicht gelten. Sie verwiesen  – in der Tradition der »Nährschäden« des Ersten Weltkriegs – auf die qualitativen Veränderungen der Alltagskost und warnten vor den »Spätfolgen«59 einer vitamin- und mineralstoffarmen Ernährung. Während die Avitaminosen eindeutige körperliche Gebrechen zur Folge hatten, handelte 56 Zur Frage der warenzeichenrechtlichen Übereinstimmung von Abwandlungen der Bezeichnung »Vita«. »Vitaline« verwechselbar mit »Vitalis«, Tageszeitung für Brauerei 38, 1940, 28–29. 57 Abwägend hierzu der Forschungsüberblick von Reyher, 1929. 58 Kleeberg/Behrendt, 1930, 149. 59 Funk, C.: Die Ernährungsmöglichkeit der Minderbemittelten, DMW 79, 1932, 1340. Vgl. zur Begründung Kollath, Werner: Theoretische und praktische Folgerungen aus der modernen Vitaminforschung, MW 7, 1933, 1525–1527. Entsprechende Implikationen setzten sich auch auf internationaler Ebene durch, vgl. La Crise Économique et la Santé Publique. Mémoire préparé par la Section d’Hygiène, Bulletin Trisemestriel de l’Organisation d’Hygiène de la Societé des Nations 1, 1932, 441–495, insb. 470–476.

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es sich bei Unterversorgungen um unspezifische Krankheitsbilder. Mit genauerem Wissen über den Vitamingehalt der Lebensmittel und deren Umrechnung auf durchschnittliche Zufuhrdaten wurde spätestens seit Mitte der 1930er Jahre deutlich, dass derartige Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht auf Krisenzeiten begrenzt waren.60 Dies galt insbesondere während des Frühjahrs, da konservierte und länger gelagerte Lebensmittel beträchtliche Vitaminverluste aufwiesen und die Importe von vitaminhaltiger Frischware aus Gründen der »Nahrungsfreiheit« begrenzt blieben.61 Demnach gab es im Deutschen Reich weit verbreitete »Vitamin-Unterernährungen«62, die saisonal die gesamte Bevölkerung betrafen und bestimmte besonders belastete oder sich falsch ernährende Gruppen in Mitleidenschaft zogen. In Analogie zum spätestens seit 1927 für die gesundheitsgefährdende Überversorgung geprägten Begriff der Hypervitaminose63 etablierte sich für entsprechende Unterversorgungen der Begriff der Hypovitaminose. Ende der 1930er Jahre sprach man zudem von Polyhypovitaminosen, verstand darunter den gleichzeitigen Mangel mehrerer Vitamine.64 Damit wurden nicht allein klinisch beobachtbare Phänomene begrifflich gebündelt und in kausale Beziehung zur Ernährung gebracht, sondern die Relevanz der eigenen Forschungen nochmals unterstrichen und Dringlichkeit für wissenschaftliche und insbesondere staatliche Interventionen geschaffen. Eine ernährungsbedingte Schwächung des »Volkskörpers« konnte nicht hingenommen werden, zumal es mit einfachen Mitteln möglich schien, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der meisten Deutschen zu verbessern. Die Vitaminforschung unterstützte die aus machtpolitischen Gründen angestrebte Umstellung auf eine dominant pflanzliche, regionale und saisonale Kost.65 Zugleich bildete sie die Wissensgrundlage für zahlreiche hauswirtschaftliche Ratschläge für eine veränderte Speisenwahl während der Frühjahrszeit.66 So konnten nicht allein Ernährungsdefizite gemildert, sondern auch kontinuierliche Angriffe von

60 Schroeder, H[ermann]: Über die jahreszeitliche Bedingtheit von Vitamin-Mangelzuständen und die Möglichkeiten ihrer Überwindung, Hippokrates 8, 1937, 25–29, hier 25. Vgl. auch Militärärztlicher Abend in Wiesbaden, Der Deutsche Militärarzt 4, 1939, 242–243 (Kühnau). 61 Vgl. dazu die Fallstudie von Stümbke, Vera: Bestimmung des Vitamin-C-Gehaltes der Nahrung von 6 Rostocker Familien im März 1938, Die Ernährung 4, 1939, 36–42. 62 Vogel, 1943, 314. 63 Vgl. Bickel, A[dolf]: Avitaminose und Hypervitaminose, VE 5, 1930, 240–241. 64 Pies, R.: Polyvitaminosen und Polyhypovitaminosen, Vitamine und Hormone 1, 1941, 273–281. 65 Vgl. Vitaminquellen für die Volksernährung, MZBl 68, 1939, 19–23. 66 Vgl. etwa Heses, Elli: Kritische Wochen für den Küchenzettel?, Zf VE 10, 1935, 93–94; Raunert, Margarete: Frühlingskuren, Zf VE 10, 1935, 104–105; Hanse, Gertrud: Das neuzeitliche Kochbuch. Schollengebunden, jahreszeitlich bedingt und biologisch wertvoll, Stuttgart/ Leipzig 1937.

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Chemikern gegen die übertriebene »Betonung der sogenannten Vitamine«67 abgewehrt werden. Um die neu benannten Krankheiten genau einschätzen und auch behandeln zu können, war jedoch mehr erforderlich als Hinweise auf bestehende Versorgungsdefizite. Gesundheitspolitische Interventionen setzten Bedarfsstrukturen ebenso voraus wie eine klare Benennung der Wirkstoffe. Die internationalen Vitaminkonferenzen von 1931 und 1934 hatten zwar grundlegende Normierungen geschaffen (Kap. 2.3.4), doch angesichts der weiter fortschreitenden Wissensproduktion stand deren Verbindlichkeit immer wieder in Frage. In den 1930er Jahren etablierten sich vor allem in der angelsächsischen Fachliteratur vornehmlich sog. »chemische« Begriffe, die im naturwissenschaftlichen Sinne präziser, jedoch Nicht-Experten unverständlich erschienen. Kein geringerer als Casimir Funk sprach 1937 vom »chaotic state« der Begriffsverwendung und forderte »terms like cevitamic acid, ascorbic acid, calciferol, lactoflavin, oryzanin and others«68 möglichst nicht weiter zu verwenden. Er drang damit jedoch nicht durch, stattdessen etablierten sich diese Begriffe seit den 1950er Jahren auch in Deutschland. Gleichwohl gelang im klinischen Bereich ein Durchbruch, den nicht zuletzt die Pharmaindustrie förderte. Der Vitamingehalt sämtlicher Präparate wurde an bestimmte Parameter gebunden, sodass es möglich war, allgemein verbindliche internationale Einheiten auszuloben. Damit war eine Dosierung im klinischen Alltag grundsätzlich möglich. Den nach wie vor bestehenden Schwierigkeiten zum Trotz, standardisierte Testverfahren zu entwickeln, sicherte die wissenschaftliche Gemeinschaft die Normierung mit einfachen Verfahren, indem sie etwa Publikationen ohne Angabe dieser internationalen Einheiten ablehnte. Pharmaindustrie und seriöse Anbieter vitaminisierter Lebensmittel kennzeichneten ihre Produkte entsprechend, auch wenn sie staatlicherseits dazu nicht gezwungen waren.69 Gleichwohl handelte es sich weniger um exakte Zahlenangaben als vielmehr um Mindestgehalte, denn natürliche Schwankungen und unterschiedliche Untersuchungsmethoden forderten weiterhin ihren Tribut.70 Die stofflichen Normierungen gingen seit den frühen 1930er Jahren einher mit international geführten Debatten über physiologische Normen, insbesondere über Vitaminbedarfszahlen. Derartige Referenzgrößen waren unabdingbar, wollte man das Ausmaß der Hypovitaminosen einschätzen und diese gezielt 67 Fincke, Heinrich: Über allgemeinen Inhalt, Grundgedanken und -Verordnungen sowie über die Beziehungen zur Ernährungslenkung, ZUL 84, 1942, 1–15, hier 1. 68 Funk, Casimir: The Vitamin Nomenclature, ZVF 6, 1937, 337–339, hier 338. Zur Semantik der Vitamine vgl. Williams, Peter: The missing vitamin alphabet, Nutrition & Dietetics 73, 2016, 205–214. 69 Jung, A[lbert]: Richtlinien zur praktischen Bewertung von vitaminhaltigen Lebensund Heilmitteln auf Grund des Bedarfes an Vitaminen. 3. Mitteilung, ZVF 1, 1932, 294–313, v. a. 312. 70 Diller, 1939, 157.

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bekämpfen. Sie waren aber auch nötig, um machtpolitisch relevante »Volks­ ernährung« für den Krisenfall steuern zu können. 1940, also vor Festlegung der »Recommended Dietary Allowances« in den USA, lagen in Deutschland optimale Tagesdosen für die meisten Vitamine vor.71 Wie schon in der Eiweißminimumdebatte des späten 19. Jahrhunderts wurde zusätzlich zum Optimalbedarf auch nach Minimalzufuhren geforscht, um die Spannbreite menschlicher Toleranzen auszuloten bzw. um später Zwangsarbeitern möglichst geringe Mengen der Lebensstoffe zuführen zu müssen.72 Daneben gab es, wie schon zuvor bei anderen Lebensmittelinhaltsstoffen, innerwissenschaftliche Debatten über die Höhe der optimalen Zufuhren.73 Trotz einer großen Zahl einschlägiger Debatten legten Standardisierungsbestrebungen und Bedarfsziffern spätestens seit Mitte der 1930er Jahre die Grundlagen für präzisere Stoffwechselversuche und ein genaueres Verständnis der Wirkungsmechanismen der Vitamine.74 Es wäre jedoch verfehlt, die expandierende Vitaminforschung unvermittelt mit dem Vordringen künstlicher Kost in eins zu setzen. Denn gerade das anwachsende Wissen über die »Lebensstoffe« führte zu strikten Debatten über die Wirksamkeit isolierter, gar synthetisierter Stoffe. Die Wirksamkeit der neuen synthetischen Präparate wurde seit 1933 jedenfalls immer wieder mit der von »natürlichen« Lebensmitteln einerseits, mit Präparaten aus »natürlichen« Konzentraten anderseits verglichen. Chemisch und physiologisch vorgebildete Vitaminforscher kamen in der Regel zu unmittelbar vergleichbaren, teils völlig übereinstimmenden Wirkungen.75 Im Deutschen Reich traf dies insbesondere für die Leipziger Forschergruppe um Arthur Scheunert sowie die Münchener um Wilhelm Stepp und Hermann Schröder zu.76 Mediziner, Hygieniker, Reformer 71 Nach Vogel, Hans: Chemie und Technik der Vitamine, Stuttgart 1940, 241–242, betrugen die Werte: Vitamin A (Karotin) 3–5 mg, Vitamin B1 0,5–1(-2) mg, Vitamin B2 1–3 mg Lactoflavin, Vitamin B2 -Komplex unbekannt, Nicontinsäureamid 50–100  mg, Vitamin B 6 1–2,5 mg, Vitamin C 50 mg sowie Vitamin D 0,01 mg. Für die Vitamine E, H, K und P gab es keine exakten Angaben, doch war hier kein Mangel zu befürchten. Bis 1943 hatte sich wenig verändert, vgl. Vogel, 1943, 314. 72 Vgl. als Überblick etwa Nylund, C[arl] E./With, Torben K.: Über den Vitamin-A-Bedarf der warmblütigen Tiere und des Menschen. Eine kritische Übersicht, erweitert durch eigene Untersuchungen, Vitamine und Hormone 2, 1942, 7–20, 126–142. 73 Vgl. die gegensätzlichen Arbeiten von Rietschel, [Hans]: Wie groß ist der C-Vitamin­ bedarf des Menschen? (Prinzipielle Bemerkungen zur C-Vitaminfrage), DMW 84, 1938, 1382–1385 sowie Stepp, W[ilhelm]/Schroeder, H[ermann]: C-Vitaminbedarf und C-Hypo­ vitaminose […], KW 18, 1939, 414–418. 74 Vgl. beispielhaft Jeanneret, Rudolf: Die Vitamine in der Zahnheilkunde. Bericht über die Jahre 1934–1936, ZVF 6, 1937, 250–264. 75 Vgl. etwa György, P[aul]: Ueber die Wachstumswirkung synthetischer Falvinpräparate, ZVF 4, 1935, 223–226. 76 Beispiele sind Scheunert, A[rthur]/Reschke, Joh[anne]s: Über die Wirkung von natürlichem und synthetischem Vitamin C im Tierversuch, Vitamine und Hormone 1, 1941, 195–217.

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und auch breite Teile der NS -Gesundheitsführung konnten dies nicht nachvollziehen. Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti plädierte 1939 jedenfalls für Demut gegenüber der »Natur«. Die Verwendung synthetischer Vitamine war für sie nur ein Notbehelf, kein Quantensprung in der Krankheitsbehandlung. Sie rieten, »die übermässige Vitaminanwendung in der Therapie einzuschränken«77 und Vitamine »am besten in ihrer natürlichen Form in Nahrungsmitteln«78 zu verabreichen. Die Vitaminforschung konnte demnach auch die Rückkehr zu einer verlorenen »natürlichen« Ernährungsweise bedeuten, wie sie etwa in der damals formulierten Variante der Kollathschen Vollwerternährung vorgeschlagen wurde.79 Ihren Höhepunkt erreichte diese Debatte 1941. Der frühere Düsseldorfer Kliniker Alter veröffentlichte eine furiose Philippika gegenüber der bisherigen Vitaminforschung und auch der angelaufenen Vitaminpolitik des NS -Staates. Seine Argumente waren biologistisch begründet. Die synthetischen Vitamine seien daher nur »vitaminähnliche Körper«, sog. »Vitaminoide«, nutzlos und minderwertig.80 Und pointiert stellte er die laufende Vitaminprophylaxe in Frage: »Cebionbonbons sind kaum mehr wert als stark saure Fruchtbonbons.« Gegen diese »mystische[n] Spekulation[en]« wandten sich Wilhelm Stepp und Hermann Schröder mit kaum geringerer Verve. Sie widersprachen der Scheidung von Vitaminen und Vitaminoiden, betonten die absolut gleichartige Wirkung synthetischer Vitamine und den »aus den Naturstoffen isolierten« und bedauerten die durch derartige Artikel bewirkte Irritation von Ärzteschaft und Öffentlichkeit. Die Debatte schwelte gleichwohl weiter, wurde in den 1950er Jahren nochmals intensiv durchgefochten (Kap. 6.5.3) und ist bis heute nicht abschließend geklärt.81 Die Frage nach der Wertigkeit künstlicher resp. »natürlicher« Vitamine war jedoch nur eine von vielen Forschungsdebatten.82 Für die Wissenschaftler war es eine Zeit voller Entdeckungen, die sie kleinteilig mitgestalteten und die zu-

77 Kollath, Werner: Unheilbare Ernährungsschäden und ihre Verhütung, MMW 88, 1941, 946. 78 Heupke, Wilhelm: Vitamine in der Therapie, Jahreskurse für ärztliche Fortbildung 32, 1941, H. III, 18–27, hier 26. 79 Kollath, Werner: Die Ordnung unserer Nahrung. Grundlagen einer dauerhaften Ernährungslehre, Stuttgart 1942; Kollath, Werner: Zur Einheit der Heilkunde, Stuttgart 1942. 80 Alter: Vitamine und Vitaminoide, MMW 88, 1941, 779–780, hier 779 (auch für das folgende Zitat). 81 Seitens der Chemiker und Physiologen wurde durchaus konzidiert, dass in Lebensmitteln noch weitere wirksame Stoffe enthalten sein konnten. Doch die Vitaminwirkung sei als solche identisch; vgl. resümierend Wagner, [Karl-Heinz]: Die Vitaminisierung von Margarine und Fetten, zugleich Bekanntgabe von Vitaminanreicherungsmöglichkeiten anderer Grundnahrungsmittel, DLR 49, 1953, 113–115 (inkl. Disk.), hier 115 (Wagner). 82 Vgl. den Überblick bei Werner (Hg.), 1998.

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gleich »mit der Spannung eines Kriminalromans«83 vergleichbar schien. Für die weitere Nutzung der Vitamine in künstlicher Kost war besonders der Mitte der 1930er Jahre erfolgte Übergang von der Einzel- zur Interdependenzanalyse wichtig. Sie fügt sich ein in die breite, vom schwedischen Nobelpreisträger Hans v. Euler-Chelpin in Gang gesetzte Diskussion über sog. Antivitamine, nach der es eine Konkurrenz von Vitaminen und anderen chemischen Substanzen um die Wirkmöglichkeiten gäbe – Sozialdarwinismus auch im stofflichen Milieu.84 Dagegen ging man innerhalb der Vitaminforschung seit den frühen 1920er Jahren von einem harmonischen Stoffgefüge aus.85 Demnach gab es Synergismen zwischen den einzelnen Vitaminen, wirkten Vitamine im Verband, sodass es keine absolute, sondern nur eine relative Vitaminwirkung gab. Daher war eine »vernünftig ausbalancierte Ernährung, in der alle Faktoren in ihren natürlichen Verhältnissen zu einander stehen«86 einer einseitigen Zufuhr von Vitamin­ präparaten stets vorzuziehen. Diese Vorstellung einer Interdependenz der Vitaminwirkungen wurde auf Basis umfangreicher Rattenversuche 1940 von Arthur Scheunert strikt abgelehnt.87 Seiner Meinung nach wirkte jedes Vitamin einzeln. Seine Stoffwechselfunktionen waren daher vorhersehbar, entsprechend einfach war nach einer korrekten Anamnese die Therapie. Galt dies nicht, so schienen Bedarfszahlen für einzelne Stoffe dagegen unsinnig. Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten: Führende Physiologen verwiesen strikt auf die zahlreichen bestätigenden Versuche zu stofflichen Wechselwirkungen und betonten kühl, dass der Vitaminbedarf »in der Tat [eine] variable Größe«88 sei. Zugleich aber boten sie als Kompromissformel an, dass die synergetischen Beziehungen der Vitamine die antagonistischen deutlich übertreffen würden. Der Zusatz von Vitaminen war demnach in der Regel wirksam und positiv zu bewerten, auch wenn das Stoffwechselgeschehen offenbar komplexer war als dessen Simulation in Rattenversuchen. 83 Scheer, Kurt: Kinderkrankheiten (ohne Infektionskrankheiten) und Ernährungslehre, Dresden/Leipzig 1935, 75. 84 Vgl. hierzu Schmaltz, 2005, 484 sowie abwägend Somogyi, J[ean] C.: Die Antivitamine, in: Verzár, F[ritz] (Hg.): Gegenwartsprobleme der Ernährungsforschung, Basel/Stuttgart 1953, 187–190. 85 Jusatz, H[elmut] J.: Das synergistische und antagonistische Verhalten der Vitamine im Organismus, ZVF 3, 1934, 268–279, hier 269. 86 Schelewa, Schiwka: Der Einfluß der Lebensweise der Mutter auf die Entstehung der Zahn-Karies beim Kinde, Med. Diss. Erlangen, Erlangen-Bruck 1937, 11. 87 Scheunert, A[rthur]: Bestehen Wechselwirkungen zwischen den Vitaminen?, Die Naturwissenschaften 28, 1940, 297–300. 88 Schroeder, Hermann/Kühnau, Joachim: Grundsätzliche Bemerkungen zur Frage der Wechselbeziehungen der Vitamine, MMW 88, 1941, 954–955, hier 955. Vgl. auch Drigalski, Wolf v.: Vitaminbedarf und Vitaminantagonismus, Wiener Medizinische Wochenschrift 46, 1940, 334–335.

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Zusammenfassend zeigt sich, dass die zu Beginn der Vitaminära gehegten Träume, klar definierbare Lebensmittelinhaltsstoffe gegen klar definierte Krankheitsbilder einsetzen zu können, zerstoben waren. Wie schon zur Zeit der interpretativen Dominanz der Münchener Schule zerstörte die Detailforschung die einfachen Annahmen der frühen Zeit und zerfiel die ehedem einheitlich gedachte Vitamingruppe rasch in eine wachsende Zahl chemisch recht heterogener essenzieller Stoffe. Hans Reiter, der Präsident des Reichsgesundheitsamtes, kommentierte süffisant: »Immer weiter vermehrt sich heute die Zahl der Vitamine, wir wissen nicht, wo das Ende sein wird!«89 Gerade die Fortschritte der Vitaminforschung ließen vor dem Hintergrund biologistischen Denkens Skepsis gegenüber einer sich immer weiter vom Leben und Menschen entfernenden stofflichen Detailforschung aufkeimen.90 Diese Skepsis aber änderte jedoch weder die Art der Forschung, noch die Dominanz des Stoffparadigmas. Wie schon nach der Jahrhundertwende, als die Kalorienlehre zunehmend als zu eng verstanden wurde, verbreiterte und vertiefte sich die Ernährungswissenschaft auch vor und während des Zweiten Weltkriegs, indem sie zusätzlich in neue stoffliche Bereiche vordrang und im Rahmen der Qualitätsforschung, der Werkstoffkunde, der Prozessanalyse und der Bromatik das innere Gefüge der Lebensmittel und Speisen immer neu und immer gleich ziselierte und analysierte. Während es sich bei der Vitaminforschung um kommerziell nutzbare Grundlagenforschung handelte, waren diese neuen Gebiete unmittelbar anwendungsrelevant, ging es im Rahmen von Aufrüstung und Kriegsführung immer auch um eine möglichst optimale Ernährung der eigenen Klientel. Doch auch die Vitaminforschung wurde Teil des totalen Krieges, Hilfswissenschaft für die Mobilisierung aller Leistungsreserven.

5.1.4 Vitaminpolitik. Abdämpfung der Kriegsfolgen Der Markterfolg synthetischer Präparate und zunehmende wissenschaftliche Kenntnisse ließen Vitamine im NS -Staat in das Blickfeld der Ernährungspolitik treten. Während die Anstrengungen zur Schließung der Fett- und Eiweißlücken letztlich nur begrenzten Erfolg hatten, Einschränkungen im Kriegsfalle also unabdingbar waren, schien hier den internen Debatten zum Trotz Fortschritt garantiert: »Im Vergleich zu den Jahren des Weltkrieges kann die deutsche Wissenschaft der politischen Führung im gegenwärtigen Kriege ungleich schärfere

89 Reiter, 1937, 5. 90 Neue Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Vitamintherapie, Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 36, 1939, 699. Auch angelsächsische Forscher schlugen in die gleiche Kerbe: Vgl. Vitamin E falls from Grace, The Lancet 241, 1941, 219–220.

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Waffen in die Hand geben.«91 Künstliche Kost in Form synthetischer Vitamine sollte helfen, die gesundheitlichen Schäden durch die bewusst in Kauf genommene stoffliche Unterversorgung der deutschen Zivilbevölkerung zu minimieren. Der Kriegsernährungsplan vom 1. April 1939 ging beispielsweise davon aus, dass zwar genügend Kalorien verfügbar wären, die Fett- und Eiweißwerte aber unterhalb der »Mindestforderungen«92 liegen würden. Davon wäre vorrangig die urbane Bevölkerung betroffen gewesen, die schon im zweiten Kriegsjahr nur noch 2.100 bis 2.200 Kcal. pro Kopf und Tag zur Verfügung haben würde. Die Kriegsplaner waren zunächst bestrebt, eine ausreichende Vitaminversorgung mittels »natürlicher« Lebensmittel zu erreichen. Ende 1938 forderte etwa der Hamburger Physiologe Joachim Kühnau, nach dem Weltkrieg einer der wichtigsten westdeutschen Ernährungswissenschaftler, schon in Friedenszeiten eine kriegsgemäße Organisation der Ernährung mit besonderer Beachtung der Lebensstoffe. Vitamin A-Träger wie Spinat, Salat, Karotten, Kürbis und Leberwurst seien entsprechend zu propagieren, ebenso ein ausreichendes Angebot der Vitamin B1-Lieferanten Schwarzbrot, Schweinefleisch, Nüsse, Feigen oder Trockenpflaumen. Wichtig sei ferner eine angemessene Küchen- und Lagertechnik. »Aufklärung, geeignete Preispolitik und richtige Nahrungsmittelverteilung«93 standen im Mittelpunkt, reichten nach Kriegsbeginn angesichts der Knappheit der Nahrungsressourcen aber nicht mehr aus. Da »natürliche« Vitaminquellen, insbesondere von Vitamin C, nicht zu erschließen waren, wäre es jedoch eine »Unterlassungssünde ersten Ranges«94 gewesen, auf künstliche Zusatzkost zu verzichten. Als 1940 die Vitaminpolitik Gestalt annahm, argumentierten die Verantwortlichen noch defensiv. Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti betonte etwa im März 1940, dass synthetische Vitamine nicht den »Schlußstein der Erkenntnis« bilden. Doch angesichts der Verwerfungen im Ersten Weltkrieg müsse auf diese »Kraftstoffe« zurückgegriffen werden. Auch wenn erst »ein Teil der wirksamen Kraft in der Retorte gefaßt worden« sei, so sei es nicht möglich, auf diese Stoffe zu verzichten, »weil sie bestimmt unschädlich sind und weil sie zur Verfügung stehen und in einfacher Form gegeben werden können«95. Vor dem Hintergrund einer für 1938 hochgerechneten Vitaminbilanz Großdeutschlands wurde insbesondere die Versorgung mit Vitamin A, B1 und C spätestens 91 Ertel, Hermann: Zu den gegenwärtigen, vorsorglichen Maßnahmen zur Sicherung der Vitaminversorgung, Die Ernährung 6, 1941, 105–107, hier 105. 92 Häfner, Kurt: Materialien zur Kriegsernährungswirtschaft 1939–1945, o. J. (Ms.) (auch für die folgende Angabe). Ich danke Günter Schmitt für die Überlassung dieses umfangreichen Manuskriptes. 93 Abend, 1939, 243 (Kühnau). 94 Ertel, 1940, 105. Vgl. auch Ertel, H[ermann]: Über prophylaktische Maßnahmen zur qualitativen Sicherung der Ernährung, FD 12, 1941, 125–130, insb. 126. 95 Conti, [Leonardo]: Vortrag vor dem NSD.-Ärztebund, Gau Berlin, am 19. März 1940, im Berliner Rathaus, DÄBl 70, 1940, 145–153, hier 151 (auch für die vorherigen Zitate).

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seit 1940 zu einer »Kardinalfrage«96 der Ernährungspolitik. Drei Felder der Vitaminpolitik gilt es dabei auseinander zu halten, nämlich erstens die RachitisProphylaxe, zweitens die Vitaminisierung von Lebensmitteln sowie drittens verschiedene Vitaminaktionen für besonders relevante Bevölkerungsgruppen. 1. Während der 1930er Jahre wurde die Rachitisprophylaxe nur halbherzig vorangetrieben. Die NS -Gesundheitspolitik räumte der Prävention und Therapie dieser am weitesten verbreiteten Vitaminmangelkrankheit keine Priorität ein, setzte vielmehr auf dezentrale Aktivitäten der Gesundheitsämter und Mütterberatungsstellen sowie die vermeintlich »natürliche« Auslese der stärkeren Säuglinge. Trotz grundsätzlich verfügbarer Heilmittel nahm die Zahl rachitiöser Säuglinge und Kleinkinder daher nicht ab. Spätestens seit 1937 aber begann ein Umdenken innerhalb des eisernen Dreiecks, wurde im Rahmen der Kriegsvorbereitungen »Menschenmaterial« doch immer wichtiger. Lokale Aktionen zielten entsprechend nicht mehr vorrangig auf eine verringerte Säuglings- und Kindersterblichkeit, sondern zudem auf eine rassenpolitisch erwünschte »Verhütung von Krüppeltum« und die »Stärkung der Wehrfähigkeit unseres Volkes«97. Dabei hing es allerdings noch von den lokalen Ärzten ab, ob die Prophylaxe mit Vitaminpräparaten, Lebertran oder aber bestrahlter Milch durchgeführt wurde. Gerade Lebertran als »natürlicheres« Präparat hatte Mitte der 1930er Jahre wieder an Wertschätzung durch die Ärzteschaft gewonnen, während die Vitaminpräparate immer noch mit dem Odium möglicher Überdosierung verbunden waren (Kap. 5.6.3). Die Rachitisprophylaxe wurde damals vielfach nicht von den Krankenkassen gezahlt. Das traf gerade Kinder aus den Unterschichten. Außerdem war das Netzwerk der Gesundheitsämter vielfach löcherig, sodass insbesondere in ländlichen Regionen Prävention zumeist unterblieb. Die Ärzte forderten daher strikte Führung. Diese unterblieb während der Vorkriegszeit. Stattdessen wurden umfassende Maßnahmen im Rahmen eines Regionalversuchs getestet – ein für die NS -Gesundheitspolitik typisches Verfahren.98 In diesem Falle nutzte das Regime die Anfang Oktober 1938 erfolgte Annexion von Teilen der Tschechoslowakei zu einer propagandistisch wirksamen Rachitisbekämpfung. Nachdem Hitler bei der Eröffnung des Winterhilfswerks am 5. Oktober 1938 zum Feldzug gegen die 96 Scheunert, Arthur: Betrachtungen zur Vitaminversorgung, in: Die Ernährung im Kriege, bearb. v.d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Leipzig 1941, 11–15, hier 11. Der Durchschnittskonsum betrug demnach 4.300 I. E. Vitamin A, 750 I. E. Vitamin B1 und 80 I. E. Vitamin C. 97 Beide Zitate n. Berendes, Joh.: Rachitisprophylaxe in Dortmund in den Wintermonaten 1935/36 und 1936/37, ÖG 3, Teilausg. B, 1937/38, 808–816, hier 808. 98 Vgl. zu dem der Reichsvollkornbrotpolitik vorausgehenden regionalen Testlauf in Sachsen Spiekermann, Uwe: Vollkornbrot in Deutschland. Regionalisierende und nationalisierende Deutungen und Praktiken während der NS -Zeit, Comparativ 11, 2001, 27–50, hier 38–42.

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Rachitis aufgerufen hatte, stellten IG Farben, Leverkusen und E. Merck, Darmstadt im November 1938 eine sog. Vigantol-Spende von 100.000 Fläschchen mit Vitaminpräparaten zur Verfügung.99 Hitlers plakative Forderung, in wenigen Jahren kein rachitisches deutsches Kind mehr sehen zu wollen, sollte mittels der Planungen des Mitte 1939 gebildeten Fachausschusses zur Rachitisbekämpfung im Rahmen der Reichsarbeitsgemeinschaft Mutter und Kind angegangen werden.100 Im »Sudetenland« galt beinahe jeder Säugling als rachitisch gefährdet, die vollständige Erfassung aller Säuglinge (und die damit verbundene Erfassung der Bevölkerung) konnte als wohlmeinende Sorge für die lange vernachlässigte Gesundheitsprophylaxe der »Volksdeutschen« dienen.101 Säuglinge mussten nun im Alter von drei Monaten bei den Gesundheitsbehörden vorgestellt werden und erhielten dort regelmäßig zu nehmende Vigantoldosen. Das Ergebnis waren sinkende Rachitisprävalenzen und Forderungen, diese Politik auch im gesamten Reich durchzusetzen. Der Runderlass des Reichsministers des Innern, betr. Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Rachitis vom 9. November 1939 zielte darauf, die Volkskrankheit Rachitis »auszurotten«102. Alle Mütter Großdeutschlands sollten demnach von den Gesundheitsämtern zu einem Beratungstermin vorgeladen werden und ein Merkblatt und Vigantolfläschchen erhalten. Dem Kind waren täglich fünf Tropfen des Präparates in das Essen zu mengen, was durch »Fürsorgekräfte« des Staates und der NSV kontrolliert werden sollte. Rachitisprophylaxe bedeutete die alternativlose Durchsetzung objektivierten Wissens gegenüber dem als unmaßgeblich denunzierten subjektiven Wissen der Mütter.103 Die zehn Kubikzenti­ liter enthaltenen Fläschchen reichten einen Monat, anschließend war der Säugling wieder vorzuführen, um nach Bedarf weiteres Vigantol zu erhalten. Drei Monate nach Beginn der Intervention endete diese mit einer Abschlussuntersuchung. Die Kosten wurden bei der versicherten Bevölkerung von der Sozialversicherung, bei der nicht versicherten von der NSV getragen. Die »Rachitisaktion« führte zu einer Vereinheitlichung und Systematisierung der Rachitisprophylaxe von jährlich mehreren hunderttausend Säuglingen. Das aber war bestenfalls ein Drittel der Neugeborenen, da der Erfassungsgrad auch 99 Vgl. Sudetendeutsche Vigantol-Spende, Ärzteblatt für Mitteldeutschland 1938, 288. 100 Dieser bestand aus allen »beteiligten Stellen«, nämlich Kinderärzten, Reichsgesundheitsamt, Wissenschaftlern sowie der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, vgl. Rachitisbekämpfung durch Vorbeugung, DÄBl 69, 1939, 145–146. 101 Der Feldzug gegen die Rachitis, Ärzteblatt für Mitteldeutschland 1939, 83. 102 Bernsee, [Hans]: Großkampf gegen die Rachitis, DÄBl 69, 1939, 684. Zu Zielen und Ablauf vgl. Runderlaß des Reichsministers des Innern, betr. Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Rachitis. Vom 9. November 1939, RGBl 14, 1029–1031. 103 Dem diente insbesondere das verbindliche »Merkblatt zur Verhütung und Heilung der englischen Krankheit«, vgl. Rott, [Fritz]: Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Rachitis, DÄBl 69, 1939, 697–699.

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auf dem Lande durchweg gering blieb.104 Der NS -Staat setzte seine selbst gesetzten Ziele nicht um. Obwohl angesichts des vielfach nicht gesicherten Vigantol­ bezugs Lebertranpräparate und vereinzelt auch bestrahlte Milch verabreicht wurden, etablierten sich Vitaminpräparate als »die gegenwärtig […] beste Waffe im Kampf gegen die«105 nun zunehmend wieder englische Krankheit genannte Rachitis. Die auf billige Produkte eigener Scholle zielende NS -Gesundheitspolitik betonte zugleich aber, »daß die gewaltigen Heilkräfte der Natur, daß Sonne und vernünftige Ernährung nicht durch synthetische Präparate verdrängt werden dürfen.«106 Diese doppelte Aufgabe wurde auf die Mütter übertragen. Sie sollten die Vitaminlehre inkorporieren, aus dem Verfügbaren eine möglichst vitaminreiche Kost zubereiten und zusätzlich auf künstliche Ergänzungskost zurückgreifen.107 Gesundheitsführer Conti feierte dagegen die Experten des eisernen Dreiecks: »Eine wirkliche Blockade gibt es nicht mehr. Deutschland ist dank seiner Ärzte, Chemiker, Techniker und Unternehmer in der Lage, die lebenserhaltenden feinstofflichen Energieträger, die Vitamine, zur Gesundheitsvorbeugung bei Kindern und Jugendlichen in großem Umfange zur Anwendung zu bringen.«108 So richtig diese Maßnahmen auch aus heutiger Sicht sein mögen, so darf man doch dreierlei nicht vergessen: Erstens lag die Dosierung zu Beginn offenbar zu niedrig, um prophylaktisch wirken zu können. Ab 1941 wurde sie deutlich erhöht und mit Vigantol forte auch ein wirksameres Präparat verabreicht.109 Außerdem gab man parallel die sog. Stoßtherapie frei, also die gezielte Behandlung mit einer hohen Dosis Vigantol.110 Beschaffungsprobleme führten allerdings zur Zerfaserung der Maßnahmen. Zweitens nahmen die Experten angesichts der konstant hohen moderaten Rachitisfälle immer stärker die Mütter in die Pflicht.111 Wissenschaftlich definierte Mutterpflichten wurden gegen die Alltagspraxis dieser Frauen gerichtet, da sie die Anweisungen nicht präzise umsetzen würden. Drittens war die Rachitisprophylaxe immer auch Ausdruck der rassistischen Grunddoktrin. Im Warthegau und in anderen besetzten Gebieten

104 Vgl. Gaumitz: Die Durchführung der planmäßigen Rachitisbekämpfung auf dem Lande, DÄBl 69, 1939, 700–701, ein typisches propagandistisches Vorzeigeprodukt. 105 Ertel, 1941, 129. 106 Der deutsche Arzt und die innere Front. […], DÄBl 70, 1940, 95–96, hier 96 (Blome). 107 Stein, Hanni: Die Winterernährung des Säuglings und Kleinkindes im Kriege, Zf VE 17, 1942, 12–14, hier 12. 108 Der Kampf um die Gesundheit unserer Kinder, DÄBl 70, 1940, 128–129, hier 128. 109 Hofmeister, Kurt: Verstärkung der Vitamin D-Dosierung bei der Rachitisbekämpfung, DÄBl 71, 1941, 333. Zur fachlichen Diskussion vgl. Vogt, H.: Bemerkungen zur Rachitisbekämpfung, MW 14, 1940, 915–916. 110 Rachitisprophylaxe. RdErl. d. RmdI. vom 30. XI. 1942, ÖG 9, 1943, 126–127. 111 Vigantol für unsere Säuglinge, Deutsche Dentistische Wochenschrift/Dentistische Reform 1944, 215–216.

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schied die Teilnahme an der Prophylaxe »Volksdeutsche« und Nichtdeutsche.112 Vigantolöl war immer Symbol der deutschen Herrenrasse, mochte seine Anwendung auch weit hinter den angestrebten Zielen zurückbleiben. Gerade bei dieser ohne überbürdenden Aufwand einfach möglichen Präventionspolitik zeigt sich zugleich, dass das NS -Regime keine »Gefälligkeitsdiktatur« gewesen ist, sondern bei der Versorgung auf halbem Wege stehen blieb. 2. Gleichwohl war eine ausreichende Versorgung der arbeitenden deutschen Bevölkerung notwendig, um deren Leistungsfähigkeit zu bewahren. Ihre Konturen aber wurden wissenschaftlich definiert. Die Arbeitsphysiologie lieferte das Rüstzeug, nicht Herkommen und Mutters Küche: »Der Instinkt hat versagt.«113 Diese wohlmeinende Politik hatte auch eine soziale Komponente, nämlich die Unterversorgungen mit Vitamin A bei Familien mit geringeren Einkommen. Arthur Scheunert propagierte daher für einen neuerlichen Versuch, Margarine mit Vitamin A zu fortifizieren und so der Butter anzugleichen. Einschlägige Vitaminuntersuchungen der Butter hatte zuvor der Forschungsdienst finanziert.114 Schon 1936/37 experimentierte er mit vitaminisierter Importware aus den Niederlanden und Schweden, doch angesichts der Devisenlastigkeit von Fischleberimporten empfahl er die preiswertere »Herstellung eines CarotinVitamin A-Konzentrats aus grünen Pflanzen.«115 Die Vorbereitungen für vitaminisierte künstliche Kost griffen jedoch weiter: Versuchsreihen an der Universitätsklinik Königsberg zielten etwa auf die Anreicherung der wichtigsten pflanzlichen Lebensmittel mit Vitamin C und eine Vitaminisierung verarbeiteter Trockenprodukte.116 Während derartige Arbeiten vorrangig um technologische und physiologische Probleme kreisten, stellte sich zugleich aber die Frage nach der Menge einer etwaigen Vitaminisierung. Rattenversuche ergaben angesichts der andersartigen Physiologie der Nager nur grobe Anhaltswerte, und auch Versuche, Vitaminbilanzen auf Grundlage von Haushaltsrechnungen bzw. Verbrauchsziffern zu errechnen, waren nicht exakt genug. Schon vor dem Krieg begannen zusätzliche Menschenversuche.117 Von Scheunert angeregt und umgesetzt von einer

112 Bartelt, Käthe: Erlebnisse und Erfahrungen aus der NSV.-Arbeit im Wartheland, Nationalsozialistischer Volksdienst 8, 1941, 89–94. 113 Scheunert, [Arthur]: Volksernährungsfragen der Gegenwart und ihre experimentelle Beantwortung, MK l 33, 1937, 1282. 114 Scheunert, 1938, 544. 115 Scheunert, Arthur: Zur Frage der Vitaminisierung der Margarine, Die Ernährung 2, 1937, 49–55, hier 55. Zur Vitaminisierung s. allgemein Stoff, 2012, 253–276. 116 Falke, Berthold/Lemmel, Gerhard: Vitaminisierung von Nahrungsmitteln, Die Ernährung 4, 1939, 317–325. 117 Die rechtlichen Anforderungen an Menschenversuche, die bei künstlicher Säuglings­ ernährung weit verbreitet waren, waren eng gefasst und setzten Freiwilligkeit und Transparenz der Folgen voraus. Beides war hier offenbar nicht gegeben. Vgl. Richtlinien für Experi-

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Arbeitsgruppe seines Instituts wurden mit Genehmigung des Reichsministers für Justiz im größten sächsischen Zuchthaus Waldheim langfristige VitaminA-Mangelversuche an Häftlingen durchgeführt.118 Diese erhielten eine kalorisch mehr als ausreichende, jedoch Vitamin A-freie Grundkost. Vier Monate entwickelten sich die Versuchsobjekte positiv, dann stagnierte der Gewichtszuwachs, seit dem 6. Monaten traten deutliche Gewichtseinbußen ein, die von »schwersten klinischen Allgemeinerscheinungen begleitet«119 waren, durch die nicht allein die Sehfähigkeit wesentlich litt, sondern auch die generelle Leistungsfähigkeit. Nach mehr als einem halben Jahr wurden die Objekte dieser verbrecherischen Menschenversuche mit Vitaminzugaben wieder aufgepäppelt. Damit war die Bedeutung von Vitamin A-Unterversorgungen für die Arbeitsfähigkeit belegt worden. Die Frage der Margarinevitaminisierung mit der kriegsbedingten Reduktion des Frischgemüse-, -obst- und Seefischkonsums sowie der Fettreduktion der Milch stand ab 1940 auf der Tagesordnung. Zugleich aber hatten Ernährungswissenschaftler deutlich gemacht, dass sie zwischen Ratten und Menschen nicht mehr zu unterscheiden wussten. Gleichwohl gab es zu Beginn des Krieges beträchtlichen Widerstand gegen derartige künstliche Kost, der Kombination eines verarbeiteten Produktes mit einem Vitaminkonzentrat oder einem synthetischen Vitaminpräparat. Die staatlichen Gesundheitsinstanzen bemühten sich zu Kriegsbeginn um einen Ausgleich zwischen einer auch kommerziell attraktiven »Vitaminsucht«120 und dem leistungsbewahrenden Einsatz neuer Produkte. Letzterer aber war 1939/40 kaum möglich, da das Deutsche Reich weder über die Rohstoffe noch über die Produktionskapazitäten für eine umfassende Vitaminisierungspolitik verfügte. Die Versuche, Vitaminkonzentrate aus Walleber herzustellen, wurden zu Kriegsbeginn eingestellt. Allerdings bot die Kriegsführung neue Optionen. Der Angriff auf Norwegen im April 1940 sicherte nicht allein Erz- und Metallimporte aus Schweden und die deutsche Hegemonie über die Ostsee, sondern ermöglichte es auch, »die

mente am Menschen, MKl 4, 1930, 751 sowie die präzisierenden Hinweise bei Schloßmann, Arthur: Die Zulässigkeit ärztlicher Versuche an gesunden und kranken Menschen, MMW 78, 1931, 958–961. Zur Vorgeschichte vgl. Neswald, Elisabeth: Food Fights: Human Experiments in Late Nineteenth-Century Nutrition Physiology, in: Dyck, Erika/Stewart, Larry (Hg.): The Uses of Humans in Experiment. […], Leiden/Boston 2016, 170–193. 118 Baumgärtel, Tr[augott]: Zur A-Vitaminisierung der Margarine, Zf VE 15, 1940, 136, 138, hier 138. Zur Durchführung s. Wagner, Karl-Heinz: Die experimentelle Hemeralopie des Menschen, Zeitschrift für klinische Medizin 137, 1940, 639–647 (darin auch weitere Ergebnisse dieser Menschenversuche) bzw. Ders.: Der Tagesbedarf des gesunden Menschen an Vitamin A- und β-Carotin, Die Ernährung 5, 1940, 105–111. Wagner, der betonte, dass die Probanten »freiwillig« teilnahmen, wurde nach dem Krieg Professor in Gießen. 119 Ebd., 138. 120 Ertel, 1940, 107.

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nötigen Mengen an Fischlebern heranzuorganisieren«121. Nach der Besetzung Norwegens wurden die dort vorhandenen Vitamin-A-Konzentrate aus Fischund Wallebern durch Karl Heinz Wagner, einem 1939 frisch habilitierten Vitaminexperten und Leipziger Mitarbeiter Scheunerts sowie einem Vertreter der Reichsfettstelle begutachtet.122 Sie bildeten die Grundlage für die Anfang 1941 einsetzende Vitaminisierung der Margarine. Im Laufe des Krieges wurde auf weitere Ressourcen zurückgegriffen, auf italienische, dann türkische Thunfischlebern, Vitamin A-Konzentrate aus Südspanien und Marokko sowie Beutegut von britischen Walfangmutterschiffen.123 Die deutsche Bevölkerung profitierte von dieser Ressourcenbeschaffung bis in die Nachkriegszeit. Während in Norwegen Grundstoffe unmittelbar übernommen werden konnten, erlaubte die Besetzung Dänemarks die Übernahme von Know-how, denn Margarine wurde hier schon länger mit Karotin, dem Provitamin A, vitaminisiert.124 Mohrrüben dienten als Ausgangsmaterial, die deutschen Experten setzten zudem Palmöl aus französischen Kolonien ein. Die Margarine wurde somit nicht nur vitaminreicher, sondern erhielt auch eine butterähnliche gelbe Färbung, wodurch die bisher verwandten kanzerogenen Teerfarben substituiert werden konnten. Seit 1943 nutzte man Karotin auch für Butter, nicht zuletzt, um deren schwindende Qualität zu verbessern.125 Nachdem die technologischen Probleme der Konzentrat-Zumischung geregelt waren, begann am 15. Januar 1941 eine bis Ende April währende Vitaminisierung der Margarine, die in den folgenden Jahren wiederholt wurde.126 Das Vitamin A diente der Grundversorgung vornehmlich der arbeitenden Bevölkerung, doch blieb ihre prophylaktische Wirkung schon aufgrund der mit Kriegsbeginn auf ein Drittel reduzierten Margarinemengen begrenzt.127 Im Gegensatz zu einzelnen Vitaminaktionen diente sie auch nicht einer breiter getragenen Propaganda, sondern wurde als eine Art »stumme Prophylaxe« durchgeführt. 121 Waldeck: Vitaminisierung der Margarine im Kriegswinter 1940/41, Zf VE 15, 1940, 365. 122 Rothe, W[alter]: Über Vitaminaktionen in Deutschland, Ernährung und Verpflegung 1, 1949, 137–140, hier 138 (auch für das Folgende). 123 Zusätzlich wurde erforscht, ob UV-bestrahlte Getreidekeime verwendbar waren, doch erwiesen sich diese als nicht haltbar, vgl. Thaler, H[elmut]/Schulte, K[arl] E[rnst]: Zur Frage der Vitaminisierung der Margarine, VLF 4, 1941, 264–269, hier 265. 124 Unger, F.: Die Vitaminisierung der Margarine und die Herstellung von Vitaminkonzentraten, Angewandte Chemie 54, 1941, 402. 125 Vitaminisierung von Butter, MB 43, 1943, 129. 126 Zur Vitaminisierung der Margarine, Zf VE 16, 1941, 87; Vitaminisierung der in den Verkehr gelangenden Margarine, Die Ernährung 8, 1943, 48. 127 1941 begann man mit 20 I. E., erhöhte diese Marge bei verfügbaren Konzentraten jedoch, da die Forschung tendenziell höhere Bedarfsmengen ermittelte, vgl. Drigalski, Wolf v.: Bestimmung des Vitaminbedarfs (A, B1, C) durch Mangelversuche am Menschen, DMW 68, 1942, 605–608, hier 606–607. Vitaminforscher, wie etwa Kuhn, wiesen schon 1939 auf die Bedeutung guten Sehens gerade angesichts der Verdunkelung hin, vgl. Pelzer/Reith, 2001, 96.

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Die Öffentlichkeit informierte man erst fünf Wochen nach Beginn der Vitaminisierung, nicht zuletzt, da diese Margarine möglichst als Brotaufstrich dienen sollte, nicht aber zum Backen und Braten.128 Dies geschah mit Blick auf die Küchenpraxis, aber auch, um etwaigen Ängsten gegenüber solchen »Apothekermitteln«129 entgegenzuwirken. Die ambivalente Haltung der staatlichen Behörden gegenüber der durch die Vitaminisierung geöffneten Büchse der Pandora zeigt sich auch in der Regulierung dieses Produktionssektors im September 1942. Die Verordnung über vitaminisierte Lebensmittel wandte sich strikt gegen die Einschätzung, dass diese Produkte besser seien als konventionelle Ware.130 Sie mussten nun beim Reichsgesundheitsamt gebührenpflichtig angemeldet werden, vielfach war vorher ein Gutachten der neu gegründeten Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung in Leipzig erforderlich. Der Vitamingehalt war zu standardisieren und zu kennzeichnen. Künstliche Kost wurde als gleichberechtigte Erweiterung der bestehenden Lebensmittelpalette eingeführt, zugleich die Suprematie des eisernen Dreiecks festgeschrieben. Die Verordnung verdeutlichte zugleich, dass zahlreiche weitere vitaminisierte Lebensmittel produziert wurden. Dabei versuchten zahlreiche Anbieter ebenfalls nicht einfach synthetische Präparate zuzusetzen, sondern bemühten sich um Vitaminkonzentrate aus »natürlichen« Vitaminquellen. Sanddorn oder Hagebutten wurden zu wichtigen Grundstoffen, auch wenn die daraus hergestellten Produkte vornehmlich in der Wehrmachtsverpflegung eingesetzt wurden.131 Trotz Vollkornbrotpolitik war für 1944/45 die B1-Vitaminisierung des Brotes geplant, akzeptable Ernten verhinderten dieses.132 Die Vitaminisierungspolitik konturierte einen Markt neuer Produkte, der sich den 1950er Jahren nochmals erweiterte (Kap. 6.4.2). 3. Bei der Rachitisprophylaxe und der Vitaminisierung handelte es sich um die Fortführung, Systematisierung und Umsetzung von Ansätzen, die schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg diskutiert und praktiziert wurden. Dagegen betraten die 1940 einsetzenden Vitaminaktionen Neuland. Angesichts wahrgenommener bzw. bestehender Versorgungsdefizite wurden nun klar definierten Bevölkerungsgruppen synthetische Vitamine kostenlos zur Verfügung gestellt. 128 …und verbesserte Lebensmittel, Der deutsche Volkswirt 15, 1940/41, 793. Vgl. auch Rothe, 1949, 139. 129 Waldeck, 1940, 365. 130 Vgl. Ertel, Hermann/Rothe, Walter: Erörterungen zur Verordnung über vitaminisierte Lebensmittel, Die Ernährung 7, 1942, 273–279; Verordnung über vitaminisierte Lebensmittel. Vom 1. September 1942, Braunschweigische Konserven-Zeitung 1942, Nr. 39/40, 11–12. 131 Vgl. Ott, [Maximilian]: Vitaminkonzentrate, erläutert am Beispiel der Sanddornbeere, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 18–20. 132 Egger, F[ritz]: 5. Vollsitzung des Wissenschaftlichen Direktoriums für Ernährungs­ fragen an der Universität Hamburg am 14. Dezember 1949, ZUL 91, 1950, 37–38, hier 38 (Harmsen); Rothe, 1949, 139.

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Diese Maßnahmen knüpften an verschiedenen Vermarktungsformen der populären »Lebensstoffe« an, popularisierten zugleich deren Mythos als entscheidende Wirkstoffe. Die Vitaminaktionen propagierten das Bild eines sorgenden Staates, der nicht nur Selbstversorgung und Blockadefestigkeit garantierte, sondern die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzte. Auch wenn im Reichsernährungsministerium das Hauptgewicht nach wie vor auf die Grundversorgung mit den Makronährstoffen Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett gelegt wurde, gewannen Vitamine nicht zuletzt dank ihrer regelmäßigen Propagierung ein Eigengewicht, dem sich niemand entziehen konnte. Abseits der Wehrmachtsverpflegung (Kap. 6.1.3) lassen sich drei Zielgruppen unterscheiden, nämlich Schulkinder, Säuglinge und Mütter sowie Bergleute und Rüstungsarbeiter. Die Vitaminaktionen zielten somit auf Personengruppen, die für die biologische Reproduktion und militärische Machtentfaltung entscheidend waren. Da diese schon die Rationengestaltung begünstigte, handelte es sich bei den Vitaminaktionen um eine Art doppeltes Netz, das insbesondere von parteinahen Institutionen geknüpft wurde. Der polykratischen Grundstruktur des Regimes entsprechend, gab es keine Koordinierung der einzelnen Maßnahmen, wohl aber ein dezentrales Streben nach möglichst optimaler Prophylaxe für die jeweiligen Großgruppen im Rahmen kriegswirtschaftlicher Möglichkeiten. Schließlich war das Deutsche Reich bei synthetischem Vitamin C und B1 fast vollständig abhängig von den patentierten Schweizer Verfahren, insbesondere der Firma Roche. Eine Zusatzversorgung mit synthetischem Vitamin C gab es schon vor dem Krieg in einzelnen Zechen.133 Doch die erste breit angelegte Vitaminaktion galt Schulkindern. Deren optimale Vitaminversorgung stand seit Mitte der 1930er Jahre nicht nur auf der Agenda des Völkerbundes, sondern auch der deutscher Ärzte. Umrechnungen von Versorgungsbilanzen sowie Einzelstudien ergaben regelmäßig Unterversorgungen insbesondere mit Vitamin C.134 Der Mangel an frischem Obst und Gemüse in der rationierten Ernährung musste diese Situation verschärfen. Dieses Wissen, aber auch »volksbiologische« Gründe führten im Reichsgesundheitsamt und dem Reichsministerium des Innern dazu, von März bis Mai 1940 10–13-jährige Schulkinder mit Zusatzstoffen zu verpflegen.135 Diese Altersgruppe stand im Übergang vom Schul- zum Erwerbsleben und war vollständig im NS -System sozialisiert worden. Die Experten zielten jedoch nicht auf eine Komplettversorgung, denn dafür waren weder ausreichende 133 Vitamin-Aktion einzelner Betriebe, Der Vertrauensrat 8, 1941, 76. 134 Vgl. Morgenroth, K[onrad]: Zahnfleischerkrankungen bei C-Hypovitaminosen, Deutsche Zahnärztliche Wochenschrift 41, 1938, 872–873; Rietschel, [Hans]: Sicherung der CVitaminversorgung des deutschen Kindes, in: Verhandlungsbericht über die erste wissenschaftliche Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene vom 3. bis 6. Oktober 1938, Berlin 1938, 137–142. 135 Durchführung einer Vitamin C-Prophylaxe, Die Ernährung 5, 1940, 66.

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Finanzmittel noch genügend Vitamintabletten vorrätig. Mangels einer regional differenzierenden Vitaminbilanz konzentrierten sie sich auf Industriebezirke und Großstädte, aber auch auf die okkupierten Gebiete des früheren Österreichs und des »Sudetenlandes«.136 Um derartige prophylaktische Maßnahmen für »zukünftige Friedenszeiten«137 umzusetzen, waren allerdings zahlreiche Probleme zu regeln. Die Vitaminpräparate wurden von Merck auf Grundlage eines Lizenzvertrages mit Roche produziert, da »natürliche« Vitamin C-Träger nicht zur Verfügung standen.138 »Kindgerecht« handelte es sich beim sog. Cebionzucker um mit Rübenzucker verarbeitete Askorbinsäure, die wie ein Bonbon unmittelbar verzehrt werden konnte. Die Präparate wurden von der Reichsarbeitsgemeinschaft »Mutter und Kind« zentral beschafft, die Kosten für die 60 Mio. verteilten 50 mg-Tabletten Vitamin C trugen das Innenministerium, die Sozialversicherungsträger und die NSV.139 Cebionzucker wurde von Lehrern und Ärzten, die zuvor mittels Merkblättern über Sinn und Zweck der Aktion unterrichtet wurden, an insgesamt 1,6 Mio. Kinder verabreicht.140 Eine wissenschaftliche Evaluation unterblieb, die dennoch eingegangenen Berichte verwiesen jedoch auf schwindende Appetitlosigkeit und Frühjahrsmüdigkeit sowie den Rückgang von Zahnfleisch­ blutungen. Die erste Schulkinderaktion hatte noch beträchtliche organisatorische Mängel, zumal aufgrund der Kriegsführung im Westen eine regelmäßige Versorgung vielfach nicht möglich war.141 Die zweite Aktion vom 1.2. bis 31.5.1941 wurde einerseits beträchtlich ausgeweitet, denn nun erhielten 2,13 Mio. Schulkinder 202 Mio. Stück Cebionzucker.142 Anderseits wurde die Lehrerschaft nun 136 Flößner, [Otto]/Rott, [Fritz]/Ertel, [Hermann]: Eine Vitamin-C-Prophylaxe bei Schulkindern, ÖG 6, Teilausg. B, 1940/41, 51–54, hier 53–54. 137 Durchführung, 1940, 66. 138 Bertholdt, Ute: Die Vitaminaktionen und ihre Ergebnisse unter besonderer Berücksichtigung der Vitaminaktion der Deutschen Arbeitsfront 1942/43, Zahnmed. Diss. Berlin 1945, 3. Zu den Geschäftsbeziehungen zwischen Roche und Merck vgl. Straumann, Lukas/Wildmann, Daniel: Schweizer Chemieunternehmen im »Dritten Reich«, Zürich 2001, 218–220. Die Darmstädter Firma zahlte 1940 1,05 Mio. Franken Lizenzgebühren an Roche, 1943 wurde mit 1,91 Franken der Spitzenwert erreicht, 1944 waren es noch 0,99 Mio. Franken. Roche selbst produzierte, nicht zuletzt in dem 1940 im badischen Grenzach errichteten Werk, zudem unter der Marke Redoxon Vitamin C-Präparate, deren Umsatz 1940 2,2 Mio. und 1943 4,2 Mio. Franken betrug (Ebd., 219). 139 Vitamin-C-Aktion für Schulkinder, Zf VE 15, 1940, 124. 140 Vitamin-C-Aktion für Schulkinder – eine kriegswichtige Maßnahme, Wiener Medizinische Wochenschrift 46, 1940, 636–637, hier 637. 141 Ertel, [Hermann]: Beobachtungen und Erfahrungen bei der Vitamin-C-Prophylaxe bei Schulkindern, ÖG 6. Teilausg. B, 1940/41, 306–307, hier 307; Vitamin-C-Prophylaxe bewährte sich, DÄBl 70, 1940, 452–453. 142 Ertel, [Hermann]: Über den Verlauf der Vitamin-C-Prophylaxe in Schulen und in der Säuglingsfürsorge im Frühjahr 1941, ÖG 7, Teilausg. B, 1941/42, 321–324, hier 323.

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Abb. 58: Verteilung von Cebionzucker ca. 1941

schon im Vorfeld eingebunden, drangen Kenntnisse über Vitamine im Unterricht zunehmend vor.143 Die Verantwortlichen beauftragten zudem Mediziner der Universitäten München und Berlin mit Vitamin C-Blutspiegelreihenuntersuchungen, aufgrund derer zusätzliche Vitamingaben insbesondere an die großstädtische Bevölkerung ratsam schienen. Derartige Prophylaxe war zugleich Teil rassistischer Herrschaftspolitik. Im besetzten Generalgouvernement schied seit 1941 die Vitamin-Gabe strikt zwischen »volksdeutschen« und nichtdeutschen Kindern.144 Die Schulkinderaktionen der Jahre 1942–1944 waren analog angelegt und erreichten ähnliche Größenordnungen.145 Sie dienten in den eingegliederten Ostgebieten des Großdeutschen Reiches einer Germanisierungspolitik146, mil 143 Vgl. Stundenbild. Warum zusätzliche Versorgung mit Vitamin C? Notwendige Belehrungen im zeitigen Frühling, Die Deutsche Schule 45, 1941, 68–69. 144 Vitamin C im Generalgouvernement, Die Gesundheitsführung. Ziel und Weg 1941, 150. 145 1942 wurden 186 Mio. Stück Cebionzucker an 2,2 Mio. Schulkinder verabreicht (Ertel, Hermann: Die Vitamin C-Prophylaxen im Frühjahr 1942, ÖG 8, Teilausg. B, 1942, B317-B320). 146 Vitamin-C-Prophylaxe in Schulen, Die Ernährung 8, 1943, 48–49, hier 48.

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derten ansonsten die Folgen der Kriegsernährung für Kinder in Industriezentren ab. Nicht weiter evaluiert, standen die Aktionen unter dem Eindruck fortlaufender Debatten über den Vitamin C-Bedarf.147 Damals ging man von ca. 40–60 mg/Kopf und Tag aus, doch zunehmend wurde ein erhöhter Sicherheitspuffer gefordert, da besondere Anstrengungen der Kriegszeit, Kälte und allgemeiner Fettmangel zu berücksichtigen seien.148 Dies unterblieb vorrangig aus Kostengründen. Trotz wachsender Unsicherheit war die Zusatzversorgung von täglich 50 mg jedoch auch aus heutiger Sicht ausreichend. Dies galt ebenso für die sog. Säuglingsaktionen, die Mitte Dezember 1940 einsetzten. Sie wurden vom Reichsinnenministerium und Reichsgesundheitsamt geleitet, die Kosten übernahmen die Rentenversicherungsträger und die NSV. Anlass waren »Witterungsschäden«149, also Versorgungsprobleme mit Frischware Ende 1940. Drei Monate lang erhielten nun Säuglinge, stillende Mütter und Schwangere ab dem siebten Monat täglich eine Cebiontablette mit 50 mg Vitamin C. Damit sollten Unterversorgungen ausgeglichen und zugleich die Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionskrankheiten, insbesondere Erkältungen, erhöht werden. Es galt, zumindest an der Heimatfront, Humanverluste zu minimieren. Die Durchdringungstiefe war beträchtlich, 1940/41 erfassten die Gesundheitsbehörden 1,57 Mio. Mütter und Säuglinge und verabreichten ihnen 155 Mio. Vitamintabletten. Die Säuglingsaktion diente der Prophylaxe, zugleich aber der Gesundheitsführung der Mütter.150 Sie hatten sich die Präparate bei den Mütterberatungsstellen der Gesundheitsämter, aber auch bei anderen Institutionen der Gesundheitspflege, teils auch in den Rathäusern abzuholen.151 Dort erhielten sie 30 Tabletten und ein Merkblatt, das ihnen die Bedeutung der Vitamine erläuterte und erklärte, wie das Präparat dem Säugling gegeben werden sollte und wie möglichst vitaminschonend gekocht werden könne.152 Die Mütter wurden zugleich zum Stillen angehalten, sollten dann die Cebiontabletten selbst einnehmen. Nach dem ersten Monat mussten Mütter und Säuglinge abermals vorstellig werden und erhielten bei Bedarf dann eine weitere zweimonatige Dosis. Die Resonanz war beträchtlich. Die Berichte der Ärzte und Fachkräfte betonten eine starke psychologische Wirkung, eine Verlängerung über den April 147 Widenbauer, F.: Über die Erfolgsaussichten der Vitamin C-Prophylaxe, ÖG 8, Teilausg. B, 1941/42, B320-B322. 148 Euler, Hans v.: Erfahrungen und Probleme in der Vitaminforschung, Die Gesundheitsführung. Ziel und Weg 1942, 155–160. 149 Ertel, Hermann: Eine Vitamin-C-Prophylaxe im Rahmen der Säuglingsfürsorge, Die Ernährung 5, 1940, 285–286, hier 285. 150 Vgl. Ertel, Hermann: Der Verlauf der Vitamin-C-Prophylaxen im Frühjahr 1941, Die Ernährung 6, 1941, 269–273. 151 Berthold, 1945, 7. 152 Verabfolgung von Cebionzucker in der Säuglingsfürsorge. Merkblatt über die Vitamin C-Versorgung der Säuglinge, DÄBl 70, 1940, 551.

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hinaus wurde gefordert. Die Gesamtbefindlichkeit verbesserte sich. Für das Regime ebenso wichtig war die stärkere Erfassung der Säuglinge, insbesondere im ländlichen Raum, die nicht zuletzt für die parallel laufende Rachitisprophylaxe genutzt wurde. Trotzdem blieb eine Grundskepsis gegenüber den synthetischen Präparaten, da viele Mütter »natürliche« Lebensmittel bevorzugten. Die Verantwortlichen gingen hierauf ansatzweise ein: Vitaminpräparate seien wirksam und gesundheitlich unbedenklich. Conti fasste dies in die prägnante Formel: »Auf jeden Fall schaden die Tabletten nicht, und da es nicht möglich ist, jedem Kind täglich einen Salatkopf zu geben, so muß man mit dem Erfolg des künstlichen Vitamins zufrieden sein.«153 Obwohl innerhalb der Wissenschaft kontrovers diskutiert, war künstliche Kost letztlich alternativlos. Vereinzelt gemeldete Durchfälle und Erbrechen wurden wahrgenommen, doch nicht kausal mit dem Vitamin C verbunden.154 Die schwindende Qualität der rationierten Kost führte vielmehr dazu, dass mit der dritten Säuglingsaktion 1942/43 nicht nur die Zahl der Begünstigten auf 1,75 Mio. Mütter und Säuglinge erhöht und die Abgabe auf über 264 Mio. Tabletten gesteigert wurde, sondern man zusätzlich auch mit Kalzium fortifizierte Vitamintabletten verabreichte.155 Insgesamt gelang dem Regime mit den Säuglingsaktionen eine beträchtliche »volksbiologische« Mobilisierung der Mütter, durch die das Stoffparadigma breiter verankert und der symbolische Wert der Vitamine neuerlich hervorgehoben wurde. Während Schulkinder- und Säuglingsaktionen Investitionen in die Zukunft bildeten, dienten die sog. Betriebsaktionen unmittelbar der Rüstungsproduktion. Sie standen nicht im Mittelpunkt staatlicher Propaganda, waren jedoch von Konzeption und Umfang her deutlich ambitionierter angelegt. Hier hatte die Deutsche Arbeitsfront die Federführung. Sie förderte eigene Forschung und setzte auf ein konkurrierendes Vitaminpräparat, das den Anforderungen der Arbeiter besser entsprechen sollte. Vitamultin, entwickelt und propagiert von Hitlers Privatarzt Theo Morell, bestand aus 27,5–30 mg Vitamin C, 0,6 mg Vitamin B1, Getreidekeimen, geriebenen Zitronen, Zucker und Kalziumphosphat und wurde exklusiv für die Deutsche Arbeitsfront produziert.156 Es sollte in kriegswichtigen Unternehmen eingesetzt werden, während Bergleute gesondert untersucht wurden. Finanziert von der Reichsknappschaft, gewann man 153 Zit. n. Stein, 1942, 13. 154 Vgl. Ertel, [Hermann]: Die Verabfolgung von Cebionzucker in der Säuglingsfürsorge im Winter 1941/42. Erläuterungen zu dem Runderlaß des RmdI. vom 31. X. 41, ÖG 7, Teilausg. B, 1940/41, 394–396, hier 395. 155 Vgl. Runderlaß des Reichsministers des Innern, betr. Verabfolgung von Cebionzucker in der Säuglingsfürsorge. Vom 3. November 1942, RGBl 17, 1942, 891–892; Erneute Durchführung einer Vitamin-C-Prophylaxe in der Säuglingsfürsorge, Die Ernährung 8, 1943, 27. 156 Morell hatte seine Vitaminforschungen seit 1938 intensiviert, vgl. Morell, Th[eo]: Ein neuer biologischer Vitamin B1-Test, DMW 64, 1938, 1722–1723; Ders.: Über die Bedeutung der physiologischen Darmflora für den Vitaminhaushalt, DMW 64, 1938, 1649–1650; Ders.: Über den Vitamincharakter des Nikotinsäureamids, DMW 65, 1939, 1126–1127.

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dafür Franz Wirz, Leiter des Hauptamtes für Gesundheit der NSDAP. Er stellte ein strukturelles Defizit von 50 mg pro Tag fest, das durch Vitamindrops ausgeglichen werden sollte.157 Zudem unterstützte die DAF nach Anlaufen der Vitaminaktion umfassende Menschenversuche. Die Leipziger Vitaminforscher Karl Heinz Wagner und Arthur Scheunert führten von November 1942 bis Juni 1943 Vitamin C-Versuche an »mehreren Tausend Versuchspersonen«158 durch, darunter vielfach Zwangsarbeiter. Sie ergaben mit 125 mg/Kopf und Tag niedrigere Werte als die Forschungen von Wirz, lagen aber beträchtlich über den zuvor angenommenen Normen. Die Betriebsaktionen starteten Ende 1940. Bergleute erhielten pro Schicht zwei Vitamindrops, während die DAF in 3.900 Betrieben mehr als 50 Mio. Vitamultinplätzchen verteilte. Die positive Resonanz der Betriebsärzte und die begleitende wissenschaftliche Forschung mündeten seit Ende 1941 in wesentlich ambitionierteren Maßnahmen. Während die Vitamin C-Prophylaxe der Bergarbeiter abermals mit 800.000 RM aus den Kassen der Bergbauwirtschaft und der Reichsknappschaft finanziert wurde, womit alle unter Tage arbeitenden Bergleute von Februar bis Mai 1942 kontinuierlich versorgt werden konnte, weitete die DAF ihre Aktion auf 11.600 Betriebe aus, in denen mehr als 390 Mio. Vitamultinplätzchen abgegeben wurden.159 Diese, nach dem Grad der »Arbeitsbeanspruchung«160 ausgewählten Firmen, waren grundsätzlich berichtspflichtig, zudem fand eine breit angelegte wissenschaftliche Evaluation der Maßnahmen statt. In 30 Betrieben wurden je 100 Beschäftige mit einer eigens entwickelten Methodik auf ihren Vitamin C-Status untersucht.161 Angesichts niedriger Grundwerte erwies sich die Zugabe von Vitaminen als notwendig, wenngleich 157 Bergmänner erhalten zusätzlich Vitamin C. […], Reichsarbeitsblatt T. V 1941, V54-V55. 158 Ziegelmayer, W[ilhelm]: Arthur Scheunert 70 Jahre alt, Ernährung und Verpflegung 1, 1949, 65–70, hier 69. Melzer, 2003, 204, sprach von 4.000 Betroffenen. Diese und zahlreiche andere NS -Forschungen von Scheunert und seinen Arbeitsgruppen haben bis dato nicht dazu geführt, dass die Arthur-Scheunert-Allee, an der das Deutsche Institut für Ernährungsforschung liegt, umbenannt wurde. Vgl. Thimme, Roland: Carl Arthur Scheunert. Ein Naturwissenschaftler im nationalsozialistischen und real-sozialistischen Herrschafts­system, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 60, 2012, 5–27; Joost, Hans-Georg: Carl Arthur Scheunerts Ernährungsversuche am Menschen 1938–1943: Grenzüberschreitungen eines Wissenschaftlers im Nationalsozialismus, Medizinhistorisches Journal 47, 2012, 296–334; Thimme, Roland: Ein Wissenschaftler im Zwielicht: Die Diskussion um Carl Arthur Scheunert, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 61, 2013, 642–654. 159 Runderlaß des Reichsarbeitsministers, betr. Verstärkte Gesundheitsfürsorge im Bergbau. Vom 4. November 1941, RGBl 17, 1942, 43–45; Berthold, 1945, 10. 160 Zweite Vitamin-Aktion (1941/42) der DAF., Der Vertrauensrat 8, 1941, 101–102, hier 102. 161 Hierzu umfassend Bommer, S[igwald]/Dittmar, E[rnst]: Die Vitaminaktion der Deutschen Arbeitsfront 1941/42, Stuttgart 1943. Zur Methodik s. Dittmar, Ernst: Eine neue Vitamin C-Blutbestimmungsmethode zu Reihenuntersuchungen, Archiv für Dermatologie und Syphilis 184, 1943, 282–285.

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der allgemeine Gewichtsverlust der Belegschaften damit natürlich nicht verhindert werden konnte.162 Die evaluierenden Wissenschaftler der Universität Berlin erprobten zudem unterschiedliche Präparate, darunter vitaminisiertes Tropon und diverse Mono- und Kombinationspräparate. Die Mehrzahl der Arbeiter begrüßte die Zusatznahrung, teilweise aber verweigerten sich ganze Belegschaften, da sie nach Einnahme Magen-Darm-Beschwerden, Hauterkrankungen und ein zunehmendes Hungergefühl vernahmen.163 Physiologisch stieg der Vitaminspiegel allerdings auf das notwendige Maß. Seitens der Knappschaft und der DAF intensivierte man die Betriebsaktionen dennoch weiter. Anfang 1943 wurden ca. 600 Mio. Vitamultinplätzchen abgegeben, für die Aktion 1944 mehr als 750 Mio. Tabletten produziert – nun teilweise auch in Form preiswerterer Monovitamindragees. Angesichts des intensivierten Bombenkrieges der Alliierten weitete man die Aktionen auf Handwerksbetriebe, die Binnenschifffahrt sowie auf besetzte Gebiete aus. Leistungserhaltung stand im Vordergrund, sodass auch kriegswichtig eingesetzte ausländische Arbeiter die Drops der vermeintlichen Herrenmenschen erhalten konnten.164 Neben den Hauptaktionen im Bergbau und der DAF gab es zahlreiche dezentrale Betriebsaktionen. Seit 1941 wurden Gemeinschaftslager mit Vitaminpräparaten versorgt, zahlreiche Großbetriebe gingen eigenständig vor.165 Dadurch kam es vielfach zu Koordinierungsproblemen, teils zu Mehrfachversorgungen durch Betriebe, Knappschaft und DAF.166 Fasst man zusammen, so erscheint die Vitaminpolitik des NS -Regimes als eine breit angelegte und wirksame Maßnahme, mit der die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch eine quantitativ enge, qualitativ vielfach unzureichende Kriegsernährung zumindest abgemildert wurden. Auch wenn das Regime »natürliche« Vitaminquellen grundsätzlich bevorzugte, griff man doch systematisch auf synthetische Vitamine zurück – trotz der damit verbundenen Lizenzzahlungen. Die Aktionen wurden teilweise propagandistisch präsentiert, dienten insgesamt der engen Koppelung zwischen den Experten des eisernen

162 Im Untersuchungszeitraum 1941/42 verloren ca. drei Viertel der Beschäftigten Gewicht, 1942/43 immerhin noch die Hälfte (Berthold, 1945, 10). Vgl. Kroener, Bernhard R.: Die personellen Ressourcen des Dritten Reiches im Spannungsfeld zwischen Wehrmacht, Bürokratie und Kriegswirtschaft 1939–1942, in: Ders./Müller, Rolf-Dieter/Umbreit, Hans: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 5/1, Stuttgart 1988, 691–1001, hier 953–954. 163 Bommer/Dittmar, 1943, 41. 164 Vitamine – wirklich wichtig. An 15. Januar wieder Vitamin-Aktion der DAF, Arbeitertum 12, 1943, Folge 24, 2. 165 Vitaminaktion für Gemeinschaftslager, DÄBl 71, 1941, 105; Die Vitamin-Aktion für den deutschen Arbeiter, Der Vertrauensrat 8, 1941, 25–27, hier 26; Vitamin-Aktion Betriebe, 1941. 166 Vgl. Grossegger, Liane: Die Betriebspolitik der Deutschen Arbeitsfront am Fallbeispiel des Fohnsdorfer Braunkohlenbergbaus, Mag.-Arbeit Graz 1996 (Ms.), insb. 95.

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Dreiecks und den Zielobjekten der Vitaminpolitik. Auch wenn durchweg moderater Widerstand gegen die Ernährung mit Pillen bestand, verankerten die Maßnahmen doch den Mythos der Vitamine als entscheidende »Lebensstoffe« in der breiten Bevölkerung. Die Vitaminpolitik war integraler Bestandteil der Expansions- und Rassenpolitik des Deutschen Reiches. Cebionzucker und Vitaminplätzchen zielten nicht nur auf »volksbiologisch« und militärstrategische entscheidende Bevölkerungsgruppen, sondern schieden regelmäßig Deutsche und Nichtdeutsche voneinander.167 Auch dies inkorporierte der Vitaminmythos.

5.2 Enthäuslichung: Convenienceprodukte zwischen Wochenende und Haushalt Convenienceprodukte sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Die Zeitschriften und Läden des späten 19. Jahrhunderts offerierten schon hunderte »praktischer« Innovationen, die versprachen, die häusliche Praxis einfacher, sauberer und schneller zu gestalten. Deutlich vor den Rationalisierungsdebatten innerhalb der Industrie war der bürgerliche Haushalt ein Ort, an dem die Hausfrau Zeit und Arbeit einsparen sollte, um sich dem »demonstrativen Müßiggang«, aber auch vielfältigen zivilgesellschaftlichen Pflichten widmen zu können. Handelte es sich anfangs vornehmlich um Haushaltsgeräte, so gewannen gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch verarbeitete Lebensmittel an Bedeutung.168 Säuglingsernährung und Bouillonwürfel sind hier zu nennen, Backhilfen und Geliermittel, Puddingpulver und Würzpräparate. Schon vor dem Ersten Weltkrieg drangen Convenienceprodukte auch abseits von kleinen Zwischenmahlzeiten vor. Fertige Konservengerichte und Backmischungen stehen für das Bestreben der Nahrungsmittelproduzenten, die Zubereitung von Haupt- und Repräsentationsspeisen für den Verbraucher zu vereinfachen und dadurch ihre Wertschöpfung zu erhöhen. Wenn dennoch eher die 1920er Jahre zur Durchbruchszeit der Bequemlichkeitsprodukte wurden, hat dies zum einen mit dem während des Kaiserreichs bis weit ins Arbeiter­ milieu bestehenden Ideal der Hausfrau als kompetenter Köchin zu tun. Die Vertreterinnen des »neuen Mittelstandes« waren zu dieser Zeit, trotz hoher Beschäftigtenziffern und einer sich ausbildenden urbanen Repräsentationskultur

167 Vgl. Anfrage des Staatlichen Gesundheitsamtes Weimar an den Reichsstatthalter v. 10.10.1944, zit. n. Moczarski, Norbert/Post, Bernhard/Weiß, Katrin (Hg.): Zwangsarbeit in Thüringen 1940–1945, Erfurt 2002, 134, in der um Klärung gebeten wurde, ob Kinder »gutrassischer« Zwangsarbeiterinnen an der Rachitisprophylaxe resp. der Ausgabe von Cebionzucker teilnehmen dürften. 168 Hildebrand, 1917, III .

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Abb. 59a+b: Backen leicht gemacht – Convenienceprodukte 1904 und 1914

noch keine dominante Kraft, für deren Bedürfnisse passgenaue Produkte hergestellt und vermarktet wurden.169 Zum anderen setzte deren Produktion beträchtliches Wissen voraus. Das galt gemäß der These der doppelten Verwissenschaftlichung für die Prozesstechnik und die Vermarktung. Die meisten Convenienceprodukte des Kaiserreichs waren länger haltbare, vielfach getrocknete Waren, deren Vorverarbeitung sich vielfach an häuslichen Praktiken orientierte. In den 1920er Jahren wuchsen vor dem Hintergrund eines sich ausdifferenzierenden stofflichen Wissens die Ansprüche an Gesundheitswert und Geschmack. Zudem drangen seit Mitte der 1920er Jahre Marketing und Marktforschung vor, deren zunehmende Segmentierung gesellschaftlicher Milieus eine wichtige Grundlage für Convenienceprodukte bildete. Aufgrund der inneren Vielgestaltigkeit dieser zeitsparenden und vorgefertigten Produkte und Speisen kann das Thema nur exemplarisch behandelt werden. Nach einer stärker theoretisch gehaltenen Einleitung zum Stellenwert des Konsumenten bei der Forcierung künstlicher Kost folgt die Analyse eines um das Wochenende und die Suppen- und Würzenbranche entstandenen Lebensstil-

169 Vgl. etwa Silbermann, J[osef]: Die Ausgaben der Handlungsgehilfinnen für den Lebensunterhalt, Archiv für Frauenarbeit 2, 1914, 89–115.

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marktes. Damit werden viele »Arbeit- und Zeitsparer«170 der Zwischenkriegszeit nicht einmal angerissen. Die wachsende Verfügbarkeit künstlicher Kost erfordert bereits ein kursorisches Vorgehen.

5.2.1 Enthäuslichung. Ein Blick auf die aktive Rolle der Verbraucher Die Veränderungen der Ernährung im Gefolge der Urbanisierung, insbesondere das Vordringen künstlicher Kost und außerhäuslicher Verpflegung, wurden um die Jahrhundertwende zu Bildern allgemeiner Fremdversorgung verdichtet. Der Nationalökonom Werner Sombart antizipierte schon 1902: »Der Schwerpunkt der Bedarfsbefriedigung, mehr und mehr auch der des Nahrungsbedarfs, wird aus den Küchen und Stuben der Einzelhaushalte in die Speisehäuser und Cafés verlegt, was aber noch im Hause consumirt wird, kommt schon in fast völlig gebrauchsfertigem Zustand in die Familienwirtschaft.«171 Die moderne Konkurrenzwirtschaft schien tradierte Ernährungsweisen abzuschleifen und in einer rationalen Uniformierung des Geschmacks zu münden. Sombart, voll Verachtung gegenüber der Masse und schon auf der Suche nach Helden und Führern, sah darin eine einseitige Entmündigung, galt doch, »dass die Mitwirkung des Consumenten dabei auf ein Minimum beschränkt bleibt, dass vielmehr die treibende Kraft bei der Schaffung der modernen Mode der capitalistische Unternehmer ist.«172 Wirtschaft als Herrschaft über Konsum und Konsument; diese hierarchische Fiktion wird seither gerade im Ernährungssektor immer wieder verwandt, um Innovationen alternativlos erscheinen zu lassen, um Entscheidungsprozesse und Verantwortungen zu simplifizieren und insbesondere die Eigenverantwortung des Konsumenten – auch und gerade gegenüber der Expertise und der Macht der Akteure des eisernen Dreiecks – zu negieren. Vor dem Hintergrund einer Wissensgeschichte erscheinen Szenarien à la Sombart schlicht als irreführend, grenzen sie doch die steten Auseinandersetzungen zwischen subjektivem und objektiviertem Wissen aus. Wechselseitige Lernprozesse, die immer nur zu begrenzten Inkorporationen führten, nie aber zur langfristigen Dominanz einer Akteursgruppe, gleiten so durch das analytische Raster. Derartige Szenarien entspringen Übermächtigungsvorstellungen, die nicht erlauben, die unterschiedlichen Rationalitäten der Akteure als jeweils in sich stimmige rationale Konstrukte ernst zu nehmen. Will man dies vermeiden, so sind die Veränderungen im Ernährungssektor, insbesondere die neuen 170 Zwei Briefe und tausend Wünsche, Hannoversche Hausfrau 25, 1927/28, Nr. 11, 2–3, hier 3. 171 Sombart, Werner: Wirthschaft und Mode. Ein Beitrag zur Theorie der modernen Bedarfsgestaltung, Wiesbaden 1902, 5. 172 Ebd., 19.

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Bequemlichkeitsprodukte, erst einmal im Wechselspiel unternehmerischer und haushälterischer Rationalitäten zu verstehen, also im Wechselspiel von Kommerzialisierung einerseits, Enthäuslichung anderseits. Kommerzialisierung ist ein vielfach kulturpessimistisch verwandter Prozessbegriff, der das Vordringen gewinnorientierter Handels- und Verkaufsinteressen in gesellschaftliche Bereiche benennt, die zuvor frei oder relativ frei von marktwirtschaftlichen Mechanismen waren. Gesamtgesellschaftlich ist damit der Übergang von tendenziell subsistenzorientierten zu marktorientierten kapitalistischen Wirtschaftsweisen verbunden. Güter und Dienstleistungen wurden zu handelbaren, im Wertmaßstab des Geldes vergleichbaren Waren. Handel und kommerzielle Kommunikation traten hervor. Diese Kommerzialisierung war eng mit den Veränderungen der Produktionsweisen durch die Industrialisierung verbunden. Die zunehmend arbeitsteilige Lebensmittelproduktion führte im 19. Jahrhundert zum Entstehen eines modernen Konsumenten, der von den käuflichen Gütern abhängig und Gegenstand umfassender Vermarktungs­ anstrengungen wurde. Der Begriff der Kommerzialisierung verweist den Haushalt in die Defensive, reserviert dem Haushalts- und Ernährungshandeln das nicht bezahlte und beziehungsintensive Tun. Wie sehr man diesen Sektor dennoch schätzt, zeigt sich nicht zuletzt an dem Begriff der Verhäuslichung. Er entstammt dem Umfeld der Zivilisationstheorie von Norbert Elias, deren Zielsetzung die verbindende Erklärung von Soziogenese und Psychogenese einer Gesellschaft war und ist. Sein Fokus liegt gegenwärtig jedoch weniger auf dem Wechselbezug zwischen Individuum und Gesellschaft, sondern auf der Reintegration gesellschaftlich notwendiger, monetär jedoch nicht finanzierbarer Tätigkeiten. Würde man bei diesem Begriff verweilen, so würde man das in problematischen Dualitäten wie privat und öffentlich oder Markt und Haushalt steckende Überlappungspotenzial nicht angemessen nutzen.173 Er muss vielmehr um den Begriff der Enthäuslichung erweitert werden. Sein Fokus ist nicht der Haushalt als Restgröße einer noch nicht umfassenden Kommerzialisierung, sondern der Haushalt als Ort selbstbewusster Wahrnehmung, Deutung und Handlung in einer kommerzialisierten Gesellschaft. Er deutet auf einen potenziell aktiven, deutenden und handelnden Menschen, der in der Lage ist, die Chancen der Marktgesellschaft zu nutzen. Ausgangspunkt ist dabei sein subjektives Wissen, doch nutzt er gezielt und reflektiert auch objektiviertes Wissen. Enthäuslichung in Bezug auf Essen und Ernährung meint dessen bewusste Nutzung zur Arbeitserleichterung, Lebensstilstützung und Lebensqualitätserhöhung, schließt damit selbst 173 Zur Kritik vgl. etwa Orland, Barbara: Öffentlichkeit und Privatheit  – Erfahrungen im Umgang mit der Verwendung dieses Denkschemas in der sozialwissenschaftlichen Forschung, in: Schultz, Irmgard/Weller, Ines (Hg.): Gender & Environment. […], Frankfurt a. M. 1995, 153–171.

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bewusste eigensinnige Ablehnung, Verweigerung und grundsätzlich auch Ignoranz mit ein.174 Die Begriffswahl erlaubt einen Wandel der Blickrichtung. Nicht die einseitige Kommerzialisierung oder aber die verkannten Leistungen der Haushalte sollen im Mittelpunkt stehen, sondern das selbstbewusste Handeln und Deuten von Menschen in Haushalten stets mit bedacht werden. Durch diesen Perspektivenwechsel wird es möglich sein, zum einen die gängigen (gedachten) Hierarchien von Marktgesellschaft und Haushalt am Beispiel der Ernährung zu hinterfragen. Zum anderen soll damit ein realistischeres Verständnis des essenden und sich ernährenden Menschen als Ausgangspunkt genommen werden – eines Menschen, der eben in beiden Bereichen gleichermaßen aktiv ist, deren Wissen kennt und miteinander in Bezug bringt. Grundsätzlich lassen sich dabei drei Ebenen voneinander scheiden, nämlich materieller, mentaler und habitueller Wandel. Unter materiellem Wandel ist die Objektwelt des Haushalts zu verstehen. Hier dominiert in der Forschung die Analyse der Technisierung resp. Kolonisierung der Haushalte  – und der Analyse ihrer Grenzen.175 Doch zugleich ist auch an Lebensmittel und Speisen zu denken, insbesondere an den Umgang mit künstlicher Kost bzw. von Convenience Food: Geld dient hier dem Kauf von Zeit. Dynamik gewinnt diese materielle Ebene besonders durch die kombinierte Analyse des Wandels von Geräten und Lebensmitteln/Speisen. Derartige Objekte sind Vorentscheidungen. Einmal im Haushalt vorhanden, verändern sie Wahrnehmungs- und Denkweisen und ermöglichen mentalen Wandel. Die Wunschvorstellung direkter Triebbefriedigung gewinnt an Kontur, wenn entsprechende Produkte angeboten werden und damit verfügbar sind. Dadurch entsteht Nachfrage, also eine Sogwirkung, der sich sowohl Konsumenten als auch Produzenten – hinter denen immer auch Wissenschaft und Wissenschaftler stehen – kaum entziehen können. Die Analyse von Produzenten und Produkten, deren Logik von Enthäuslichungsprozessen geprägt, zumindest aber wesentlich beeinflusst wird, erlaubt andere Einblicke in das Funktionsgefüge von 174 Ersteres, nicht aber letzteres, wurde von Hauswirtschaftslehre der 1920er Jahre gesehen. Vgl. Meyer, Erna: Der neue Haushalt. Ein Wegweiser zu wirtschaftlicher Hausführung, 28. Aufl., Stuttgart 1927, insb. 178. Skepsis war eine rationale Folge des Nicht-Wissens und der inneren Fragilität der Ernährungswissenschaft: »Aus dieser Sachlage ergibt sich für die Hausfrau die wenig erfreuliche Folge, daß sie sich durch ein Labyrinth hindurchzufinden hat, wenn sie überhaupt den Versuch zur Erneuerung der Ernährung und Küche wagen will« (Ebd., 121). 175 Vgl. Thoms, Ulrike: Changes in kitchen range and the changes in food preparation techniques in Germany, 1850–1950, in: Schärer, Martin R./Fenton, Alexander (Hg.): Food and Material Culture, East Linton 1998, 48–76; Heßler, Martina: »Mrs. Modern Women«. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung, Frankfurt a. M./New York 2001; Gerber, Sophie: Küche, Kühlschrank, Kilowatt. Zur Geschichte des privaten Energiekonsums in Deutschland, 1945–1990, Bielefeld 2015.

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Konsumgüter- und Dienstleistungsmärkten. Neben Produktions- werden über den Einzelhandel auch Dienstleistungssektoren integriert. Künstliche Kost, und hier wiederum besonders Convenience Food, ist immer auch Dienstleistung, materialisiertes Wissen um Erwartungshaltungen und Handlungsroutinen anderer. Der mentale Wandel von einer Logik der Praxis hin zu einer Logik der Dienstleistung setzt Zeitressourcen frei und erlaubt eine effizientere Nutzung vorhandener materieller Ressourcen. Er gründet auf einer wechselseitigen Reflexion der jeweiligen Wissensbestände. Dabei zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede innerhalb des eisernen Dreiecks, ohne damit die grundsätzlichen Interessenidentitäten in Frage zu stellen. Während die Wissenschaft ihrer Binnenrationalität folgt, die Wissensvermittlung daher als geistige Nachfolge und vernunftgeleitete Umsetzung versteht, ist die Wirtschaft – und auch die Politik – viel eher bereit, auf Kundenwünsche einzugehen, sobald sie deren Primat für einen Markterfolg verstanden hat. Habitueller Wandel schließlich ist Ausdruck der Inkorporation des neuen Wissens. Er mündet in neue Formen subjektiven Wissens und neue Erwartungshaltungen gegenüber Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Im Conveniencebereich finden wir die Adaption von Enthäuslichungsprozessen seitens der Wirtschaft in den 1920er Jahren. In der wirtschaftshistorischen Forschung wird dieser Übergang gemeinhin mit dem Wandel von der Produkt- zur Konsumentenorientierung beschrieben. Diese Formel fängt zwar die Veränderungen im Felde des Marktwissens ein, also insbesondere Veränderungen der Marktforschung und des Marketings. Es unterschätzt jedoch die andere Seite der doppelten Verwissenschaftlichung, nämlich fachspezifische Wissensbestände; in unserem Fall also vornehmlich das stoffliche Wissen der Ernährungswissenschaft. Die drei Anzeigen für Frühstücksflocken verdeutlichen erst einmal den Wandel von der Produktorientierung Anfang der 1920er Jahre (Abb. 60a–c) zur Verbraucherorientierung am Ende der Dekade. Für die Marketinglehrbücher dieser Zeit ist dies Folge einer »Vervielfältigung unserer Bedürfnisse«, durch die »jeder Artikel, welcher größere Bequemlichkeit oder Zeitersparnis bietet, sich auch eine ungewöhnlich kräftige Position auf dem Markt erringt. Man spart an der Zeit, um anderen Bedürfnissen genügen zu können.«176 Doch ökonomische Expertise dieser Art unterschätzt die Wissensbasis der­ artiger Veränderungen. Die Granola-Flocken (Kap. 3.6.3) sind eingebunden in einen lebensreformerischen Kontext, in dem die Kraft des Hafers auch in Kontrast zur üblichen animalischen Kraftnahrung steht. Die Rapidflocken richten sich an ein Massenpublikum, werben entsprechend mit allgemeinen Vorteilen

176 Kropff, H[anns] F. J./Randolph, Bruno W.: Marktanalyse. Untersuchung des Marktes und Vorbereitung der Reklame, München/Berlin 1928, 161.

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Abb. 60a–c: Annäherung an den Verbraucher – Flockenwerbung 1921 und 1928

der Haushaltspraxis, binden diese jedoch zurück an Mineralstoffe und Vitamine, die Modestoffe dieser Zeit. Sie zielen auf einen Kaufakt (materieller Wandel) mittels Anknüpfung an praktische Vorteile und ein stoffliches Wirkungsprofil (mentaler Wandel). Vergleicht man entsprechende Werbungen der 1950er Jahre, so finden sich auch im Massenmarkt nicht länger Detailinformationen und genaue Gebrauchsanweisungen, sondern nun, wie ansatzweise bei den schon länger angebotenen Granola-Flocken, allgemeine Verweise auf Kraft und Gesundheit. Hier bestand ein inkorporiertes Produktimage, das lediglich zeichenhaft zu bestätigen war, weil die Konsumenten ohnehin wussten, was und warum sie dies kauften (habitueller Wandel).

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5.2.2 Wochenendausflug und Camping. Materielle Garanten für Naturgenuss Derartige Enthäuslichungstendenzen lassen sich am Beispiel der in den 1920er Jahren neu entstehenden Lebensstilmärkte gut analysieren. In dieser Dekade veränderten sich die Freizeitaktivitäten deutlich, Folge einerseits reduzierter Arbeitszeiten, anderseits einer kommerziellen Populärkultur. Sie manifestierte sich vornehmlich in den neuen Medien Kino, Grammophon und dann Radio, aber auch in der wachsenden Bedeutung des Sportes, sei es aktiv, sei es in Form des Zuschauens.177 Zeitlich konzentrierte sich diese kommerzialisierte Freizeitgestaltung auf das Wochenende, das seit Mitte der 1920er Jahre zum Schlagwort und zur massenhaften Praxis urbaner Konsumenten wurde. 1926 zog die Berliner Ausstellung »Das Wochenende« Hunderttausende von Besuchern an, propagierte den Besitz von Wochenendheim, Faltboot, Radio, Spirituskocher und vieler anderer Dinge.178 Materieller Wandel wurde angestoßen, der mentale Wandel hin zu einer Wochenendkultur manifestierte sich in einer Vielzahl heterogener Produkte und Praxen, und der habituelle Wandel wurde durch die Massenorganisationen und die organisierte Freizeit während der NS -Zeit wesentlich vorangetrieben. So schwierig auch Quantifizierungen sind, so macht der Anstieg der von der Reichsbahn ausgegebenen Sonntagsrückfahrkarten um über 60 % von 1925/26 bis 1928/29 die Bedeutung der Wochenendbewegung doch ansatzweise deutlich.179 Marktbildung stand jedoch nicht in deren Mittelpunkt. Sozialhygieniker verstanden sie vielmehr als gesunde Reaktion auf eine Alltags- und Wohnsituation, die sich von natürlichen Grundlagen längst verabschiedet hatte.180 Das Wochenende erlaubte eine Differenzerfahrung.181 Mochte es auch eine Innovation 177 Vgl. einführend Sywottek, Arnold: Freizeit und Freizeitgestaltung – ein Problem der Gesellschaftsgeschichte, Archiv für Sozialgeschichte 33, 1993, 1–19; Bittner, Regine (Hg.): Urbane Paradiese. Zur Kulturgeschichte modernen Vergnügens, Frankfurt a. M./New York 2001. Für das Kaiserreich vgl. Abrams, Lynn: Freizeit, Konsum und Identität deutscher und britischer Arbeiter vor dem Ersten Weltkrieg, in: Siegrist, Hannes/Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen (Hg.): Europäische Konsumgeschichte. […], Frankfurt a. M./New York 1997, 267–281. 178 Stargardt, Herta: Was die Ausstellung »Das Wochenende« bringt, Die Praktische Berlinerin 24, 1926/27, H. 9, 2. Vgl. auch Langen, Gustav: Das Wochenende und sein Heim. Eine kulturpolitische Betrachtung, Westermanns Monatshefte 142, 1927, 533–540. 179 Lage und Aussichten des deutschen Gastgewerbes, Wochenbericht des Instituts für Konjunkturforschung 10, 1937, 221–224, hier 222. 180 Aust, Oskar: Die Bedeutung der Wochenend-Bewegung für Volksgesundheit und Volkswirtschaft, VE 2, 1927, 161–163 181 Staewen-Ordemann, Gertrud: Menschen in Unordnung. Die proletarische Wirklichkeit im Arbeitsschicksal der ungelernten Großstadtjugend, Berlin 1933, z. B. 103. Spaziergänge, Fahrten sowie Kleingärten dominierten die Freizeit, weit vor Kinobesuchen (Krolzig,

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der Weimarer Republik sein, die Sehnsucht nach Naturerfahrung und Gemeinschaftserlebnis abseits der vielbeschworenen grauen Mauern hatte schon vor 1914 nicht nur die Wandervogelbewegung in Bewegung gesetzt, sondern auch breite Teile des Bürgertums. Sie orientierten sich nicht allein beim Five o’clock Tea an britischen Vorbildern, sondern übernahmen auch Teile der PicknickKultur.182 Seit 1900 produzierten Konservenfabrikanten zunehmend Feinkostwaren, sog. Luxusfleischkonserven, für diesen repräsentativen Markt. Abseits von gebratenem Wild und Rehrücken, Rebhuhn und Hammelragout wurden auch schon sog. Massenfleischkonserven produziert, vornehmlich Corned beef, sowie eingedoste Speisen, etwa Rauchfleisch mit Sauerkohl oder Rotwurst mit Linsen.183 Diese Picknick-Angebote, offeriert auch durch lokale Metzger und Feinkostläden, erlaubten, in der Natur zu speisen. Trotz relative hoher Preise, wuchs das nicht zuletzt per Versandgeschäft vertriebene Angebot während des späten Kaiserreichs beträchtlich an. Die Fabrik haltbarer Speisen Charlotte Erasmi in Lübeck bot beispielsweise sieben verschiedene Ragouts, 14 mit Butter zubereitete Gemüse sowie mehr als 60 konservierte Gemüsesorten an, ferner drei Dutzend Fleischspeisen mit Gemüse, vielfältige Pasteten, Pains, Suppen sowie mehr als 50 Braten- und Fleischspeisen. Sie mussten vor dem Verzehr nur noch erwärmt werden.184 Diese Produkte wurden auch während der Weimarer Republik weiter angeboten, ergänzt insbesondere durch die Massenprodukte der Konsumgenossenschaften, die einfachere Speisen auch einer Arbeiterklientel offerierten.185 Verändertes bürgerliches Freizeitverhalten führte schon früh zu neuen Convenienceprodukten. Weite Beachtung fanden etwa die 1904 erstmals angebotenen Konserven der Berliner Calorit GmbH.186 Sie besaßen einen doppelten Boden, der mit einem Nagel durchbohrt werden musste. Dadurch reagierten Kalk und Wasser, die Speise war binnen fünf bis zehn Minuten verzehrsfähig erhitzt. Eigene Drahtgestelle zum Umhängen unterstützten die Vermarktung für Reisende, doch angesichts von Dosenpreisen in Höhe von ca. 3–4 M blieb der Absatz verhalten. Das Prinzip aber sollte später für die Wehrmachtsverpflegung Günter: Der Jugendliche in der Großstadtfamilie. Auf Grund von Niederschriften Berliner Berufsschüler und -schülerinnen, Berlin 1930, 126). 182 Vgl. etwa Jastrow, Henriette: Five o’clock tea. Plauderei, Die Woche 10, 1908, 362–363 bzw. Hallberg, Fritz: Picknick. Plauderei, Die Woche 4, 1902, 1003–1004; Rosa, Rio: Automobil-Picknicks, KT 9, 1907, 251–252. 183 Voigt, o. J. (1922), 56–57. 184 Jahre, 1965, 271–274. 185 Vgl. etwa Für das Wochenende, Die Konsum-Genossenschaft 9, 1929, 94; GEG -Mischkonserven, Konsumgenossenschaftliches Volksblatt 25, 1932, Nr. 10, 16. Statistische Ausdifferenzierungen fehlen, doch stieg der Absatz der preiswerteren Gemüsekonserven deutlich schneller als der von Wurst- und Fleischkonserven, unter die auch Fertigspeisen fielen. Vgl. die Angaben bei Winkler, 1931. 186 Gries, P.: Calorit-Konserven, Die Umschau 8, 1904, 537.

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aufgegriffen werden.187 Auch weitere Anbieter entdeckten den Picknickmarkt: Sie veränderten ebenfalls nicht ihre Produkte, sondern investierten in bequemere Verpackungen. Liebigs Fleischextrakt wurde etwa zusätzlich in Zinntuben angeboten und als Bouillon in der Westentasche beworben.188 Trotz derartiger Angebote blieb die Bedeutung von Convenienceprodukten für das Picknick und das Essen auf Wanderung vor 1914 noch gering.189 Dies änderte sich in den 1920er Jahren. Nun standen verarbeitete Massenprodukte im Mittelpunkt: »Fleisch-, Gemüse-, Fisch- und Fruchtkonserven sind die bevorzugte Nahrung unterwegs. Daneben spielen Trockengemüse und Trockenobst eine nicht unwesentliche Rolle, da sie billiger und ebenso nahrhaft wie die oft teuren Konserven sind. Würfel für Suppen und Speisen ergänzen das Mahl, Kaffee-Extrakt erspart Arbeit und Geschirr, Milchkonserven, Orangeade und Fruchtsäfte bringen Abwechselung in den Speisezettel.«190

Doch derartig »praktische« Vorschläge waren keineswegs unumstritten. Erstens setzten bürgerliche Kreise auch nach der Inflation auf eine stärker repräsentative Wochenendkultur, in deren Mittelpunkt häuslich zubereiteter Schmorbraten, gekochte Eier, Salate, Obst und Kuchen standen und bei der auf die zierende Tischdecke nebst Pappteller nicht verzichtet werden durfte.191 Zweitens waren Convenienceprodukte nach wie vor relativ teuer, die breite Mehrzahl der Bevölkerung griff daher nur selten zu. Drittens gab es beträchtliche Auseinandersetzungen um die »Frage einer Wochenend-Kultur«192, die sich positiv von ausländischen, insbesondere US -amerikanischen Vorbildern abheben sollte. Statt den »Tempotaumel«193 des Alltags in die Freizeit zu verlängern, sollte das Wochenende Ruhe und Einkehr ermöglichen. Eine schnelle, bequeme Küche schien dem nicht zu entsprechen: »Man geht nicht auf die Wanderschaft, um zu essen.«194 Entsprechend gab es Mitte der 1920er Jahre, insbesondere unter dem Einfluss der Neuen Ernährungslehre, eine Rückbesinnung auf eine »natürliche« Ernährung im Freien: »Der Vegetarier steckt sich die Taschen voll Obst, Nüsse

187 Vgl. Buttenberg, P[aul]: Konserven mit Heizvorrichtung, ZUNG 8, 1904, 335–357; Humbert, 1997, 114. 188 Seidel, 2002, 14. 189 Vgl. Picknick im Freien, Die Praktische Berlinerin 10, 1913/14, H. 44, 2. 190 Stargardt, 1926/27, 2. Schöne Bilder bietet Huttenlocher, Kristina: Appel Feinkost. Ein Familienunternehmen im Wandel der Zeit, Springe 2013, v. a. 125–131, 182–190. 191 Picknick im Freien, Die Praktische Berlinerin 24, 1926/27, H. 10, 17. Ähnlich auch Köppen, 1931, 501. 192 Langen, 1927, 535. 193 Biging, Curt: Tempo! Tempo!, Der freie Angestellte 35, 1931, 210–211, hier 210. 194 Wermuth, O[lga]: Wegzehrung der wandernden Jugend, Zf VED 7, 1932, 161–162, hier 162.

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und Schwarzbrot und zieht los«195. Für Fleischesser empfahl man einfache, gesunde Speisen, nämlich einen Laib Brot, Butter oder Marmelade, Würste, zunehmend Salate, Eier, Eierkuchen und Obst. Doch dabei blieb es nicht. Hauswirtschaftslehrerinnen und Ernährungswissenschaftler regten an, zudem auch »schnell zu bereitende Suppenpäckchen (Maggi, Knorr usw.)« sowie Tomatenmark in Dosen in den Rucksack zu packen, nicht aber vitaminarme Konserven. Auch Hafer­f locken, Knäckebrot sowie die neuen Hefeextrakte wurden um 1930 vielfach empfohlen.196 Die Vorteile derartig gesunder Convenienceprodukte waren offenkundig, denn sie waren teils verzehrsfähig, teils auf Spirituskochern einfach zu erwärmen, während häuslich zubereitete Speisen, etwa belegte Brote, durch die Reise litten und nach wenigen Stunden unansehnlich waren. Gleichwohl veränderte sich dieser Normdiskurs spätestens seit der Weltwirtschaftskrise. Parallel zu den staatlichen Forderungen nach einer einfachen, schollengebundenen Kost, finden sich in den Empfehlungen einzig noch Suppenpräparate und Haferflocken.197 Diese Entwicklung deckte sich jedoch nicht mit der Marktentwicklung, stemmte sich dieser vielmehr entgegen. Das Marktsegment »Wochenendverpflegung« wurde während der 1920er und auch 1930er Jahre systematisch gepflegt. Die Süßwarenindustrie setzte seit Mitte der 1920er Jahre spezielle Wochenendverpackungen ein und produzierte Plakate und Werbematerialien, die Angebote und Wochenenderlebnis miteinander koppelten. Neue Produkte erleichterten das Essen im Freien: Gebrauchsfertige Tubensahne erlaubte verfeinerten Kuchen- und Obstgenuss, aromatisierte Trinktabletten ergaben durch Wasserzusatz einfache, geschmacksintensive Getränke.198 Auch Bockwürstchen, von denen der Marktführer Heine 1933 allein 10 Mio. Dosen herstellte, gewannen an Bedeutung.199 Parallel zu Bemühungen um vitaminreichere Konserven wurden »Touristen- und Wochenendkonserven« gezielt auch einem Massenpublikum angeboten, neue Speisen, etwa serbisches Reisfleisch und Rinderschmorbraten mit Makkaroni, spielten mit bürgerlicher Esskultur und der Imagination ferner Länder.200 Trotz umfänglicher redaktioneller Werbung gelang es aber nicht, das schlechte Image der Konserven nachdrücklich zu verbessern. 195 Lüderitz-Ramelow, Adele: Vorschläge für zweckmäßige Verpflegung am Wochenend, VE 2, 1927, 163–164, hier 163 (auch für das folgende Zitat). 196 Wachsmuth, 1932, 162. 197 Vgl. etwa W[inckel, Max]: Was essen wir im Wochenendhaus und auf der Wanderung?, Zf VE 9, 1934, 168; Stein, H[anni]: Kostzettel fürs Wochenende, Zf VE 13, 1938, 165–166. 198 Hubers Tubensahne war ein seit den 1930er Jahren vielfach beworbener Marken­ artikel, vgl. beispielhaft Edeka DHR 27, 1934, Nr. 1, 9; Frigeo Trinktabletten wurden 1925 entwickelt, vgl. Der Materialist 49, 1928, Nr. 9/10, 10. 199 Halberstädter Wurst- und Fleischkonservenwerke Heine & Co., A.-G., Halberstadt, Edeka DHR 27, 1934, Nr. 2, XVI. 200 Vgl. die Rezepte in Kirchhof, Hans: Ratgeber für Dosen-Konservierung im Haushalt und Kleinbetrieb. 260 Rezepte, Braunschweig 1936, 126–135.

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Die eigentliche Scharnierfunktion für die Vermarktung spielte jedoch nicht die Industrie, sondern zunehmend der Einzelhandel. Er sah das »Wochenendfieber«201 vorrangig als Chance, sein Geschäft zu beleben, wusste aber zugleich, dass dies Service und Kommunikation erforderte. Dies bedeutete nicht allein eine einschlägige Schaufensterwerbung, sondern auch fertig verpackte Waren und Wochenendpakete, schnelle Bedienung und kleine Aufmerksamkeiten, wie etwa Servietten. Neue schnelle Produkte wurden vorrätig gehalten und werblich besonders hervorgehoben. Produkte des tradierten Sortiments der Kolonialwarenläden schnitt man auf die Freizeitbedürfnisse hin zu: Schokolade und Bonbons, Kekse und Suppenpräparate, Kaffee und Konserven wurden in verschiedenen kleinen Portionen verkauft und teils zu Sonderangeboten gebündelt. Warenhäuser und mittelständische Betriebe packten für feste Preise Proviantpakete mit Convenienceprodukten.202 Freitagmittag wandelten sich in den Großstädten die Schaufenster, wurden mit Picknickkörben oder mit Wochenendidyllen ausgeschmückt.203 Diese Dienstleistungen ändern sich in den 1930er Jahren wenig, verbanden sich vielmehr mit den vor den Ferien und im Sommer gepflegten Reiseschaufenstern und -angeboten zu einem Standardthema. Anders als in den Ernährungsratschlägen setzen die praktischen Ratschläge des Einzelhandels kontinuierlich auf Kolonialwaren und Convenienceprodukte. Es ging jedoch nicht allein um Produkte, galt es doch zusätzlich, sich »individuell auf die Bedürfnisse des Publikums einzustellen, die Wünsche der Verbraucher zu erforschen, Anregungen zu geben für den Einkauf dieser oder jener Waren.«204 Hier behauptete der Einzelhandel ein gewisses Eigengewicht abseits der ansonsten immer strikteren Indienstnahme für das NS -Regime.205 Rücksichtnahmen auf Importrestriktionen und auch die Ernährungslenkung finden sich nur vereinzelt. Wochenende und Urlaub waren Zeiten abseits des Alltags, erlaubten entsprechend auch andere Lebensmittel. Convenienceprodukte gewannen so ein positiveres Image, Freizeiterlebnisse vermochten die Geschmacksdefizite und die nach wie vor vielfach bestehenden Gebrauchswertdefizite ansatzweise zu überdecken.

201 Wochenendausstellungen und Wochenendangebote. Ein neues Propaganda- und Werbemittel, Der Materialist 48, 1927, Nr. 31, 3. 202 Vogt, G.: Anzustrebende Ziele in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, DNR 1928, 89–90, hier 90. 203 Das Wochenend-Fenster, Der Materialist 49, 1928, Nr. 19, 4. 204 Anregungen für den Verkauf des Reise- und Wander-Bedarfs, DHR 29, 1936, 597–598, hier 597. 205 Dies schließt moderate Veränderungen, etwa den gewünschten Hinweis auf Fischkonserven mit ein: Illing, Margreth: Kalte Küche zum Wochenende, DHR 30, 1937, 655–656.

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5.2.3 Würzen, Suppen, Soßen. Marktdifferenzierung und Diffusion Während die Wochenendbewegung seit Mitte der 1920er Jahre neue situative Anforderungen an Lebensmittel stellte, gewannen Würzen und geschmacksintensive Suppen- und Soßenpräparate schon im Ersten Weltkrieg wesentlich an Bedeutung. Angesichts der alliierten Blockade waren sie abseits der heimischen Gewürzkräuter wichtige Geschmacksträger einer zunehmend faden Kriegskost. Der Schwerpunkt wissenschaftlicher Wissensproduktion lag eher bei den Geruchsstoffen, nicht zuletzt gefördert durch die Parfümindustrie. Dies galt trotz einiger erfolgreicher künstlicher Geschmackstoffe, etwa dem Vanillin, und der Erforschung der stofflichen Struktur der ätherischen Öle. Die Weltkriegserfahrung führte jedoch zu einem langsamen Umdenken, zumal Forschungen an Hefeextrakten das Potenzial stofflicher Grundlagenforschung aufgezeigt hatten.206 Nicht der Staat, sondern vor allem die Marktführer im Aromenmarkt sowie einzelne Wissenschaftler investierten in diesen Sektor. Letztere interessierten sich vornehmlich für die Physiologie der Geschmacksstoffe, namentlich der von ihnen bewirkten »Resorptionsbeschleunigung«207, die für die Diätetik neue Einsatzfelder erschloss.208 Auch im Rahmen der Bromatik bzw. der Kolloidchemie wurden die verschiedenen Arten der Geschmacksstoffe analytisch voneinander geschieden. Sie konnten sich durch Erhitzung bilden oder aber durch technische Verfahren, wie Gärung oder Reifung, fanden sich zudem als pflanzliche Würzstoffe oder in Gestalt ätherischer Öle. Mineralwürzen, wie Salz und Zucker, und synthetische Geschmackstoffe rundeten das damalige Spektrum ab.209 Öffentlich finanzierte Forschungen nahmen nach der Machtzulassung der Nationalsozialisten an Bedeutung zu. Es galt einerseits durch gezielte Erkundung und den vermehrten Anbau deutscher Würzpflanzen devisenträchtige Importe zu verringern, anderseits im Rahmen der Militärverpflegung blockadefesten Geschmack abzusichern.210 Mitte der 1930er Jahre standen ent 206 Zur Lage nach dem Krieg vgl. Roland, J.: Theorie und Praxis des Küchenbetriebes auf wissenschaftlicher Grundlage, Dresden/Leipzig 1919, 59–62. 207 Trurnit, H[ans] J[oachim]: Welche Rolle spielen die Gewürze in der menschlichen Ernährung?, Zf VED 8, 1933, 102–103, hier 103. 208 Vgl. hierzu Weitzel, Willy: Die Bewertung der Gewürze in der Kost der Gesunden und Kranken, Zf VED 7, 1932, 87–89, 127–130; Fickenscher, Lisette: Die Verwendung einheimischer Gewürzpflanzen in der Diätküche, ZfE 3, 1933, 72–81. 209 Ziegelmayer, 1933, 34. 210 Schenck, E[rnst] G[ünther]/Lucass, R[udolf]/Wegener, G[eorg] G[ünther]: Allgemeine Heilpflanzenkunde. Grundlagen einer rationellen Gewinnung, Verarbeitung, Anwendung und Erforschung der Heil- und Gewürzpflanzen, Dresden 1938. Insbesondere die SS forcierte den heimischen Anbau, nicht zuletzt in ihrem Stammlager Dachau. Vgl. hierzu Kopke, Christoph: Das KZ als Experimentierfeld: Ernst Günther Schenck und die Plantage in Dachau, in: Gabriel, Ralph u. a. (Hg.): Lagersystem und Repräsentation, Tübingen 2004, 13–28.

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sprechend zahlreiche Gewürzpulver, Gemüsemehle und Kräuterwürzen als Ersatz für ausländische Gewürze zur Verfügung, auch wenn Importgewürze nach wie vor dominierten.211 Parallel ergab die detaillierte Kenntnis der industriell hergestellten Würzen, dass diese, wenngleich in kleinen Mengen, doch essenzielle, vom Körper nicht zu bildende Aminosäuren enthielten. Die Forschung während des Zweiten Weltkrieges wurde nicht nur im Rahmen der intensivierten Qualitätsforschung vorangetrieben, sondern auch aus Gründen basaler Stoffversorgung.212 Die Marktführer (Kap. 3.3.4) behaupteten ihre Stellung. Ausgefeiltes Marketing und systematische Betriebsforschung erlaubten kontinuierliche Produktinnovationen und weiteres Wachstum. Maggi, das 1921 allein im Singener Hauptwerk 1.500 Personen beschäftigte213, etablierte 1919 eine erste gebundene braune Bratensauce, verbreiterte systematisch die Sortenpalette der Suppenpräparate und bot seit 1930 eine erste klare Sauce an. 1935 folgte mit der Flädlisuppe die erste Tütensuppe ohne Kochzeit, 1936 dann eine Fleischsuppe in Tablettenform und 1938 flüssige Dosensuppen.214 Wie sehr die wachsende Sortenpalette den Erwartungen der Konsumenten entsprach, zeigte sich in hohen Gewinnen und in Empfehlungen von Ernährungswissenschaftlern, durch eigenständige Mischungen unterschiedlicher Sorten eigene Geschmackswelten zu kreieren.215 Produktqualität, Perzeption von Konsumentenbedürfnissen und gezielte Kooperation mit Ärzten und Ernährungswissenschaftlern führten zur Etablierung von Speisewürzen und Suppenpräparaten als »Volksnahrungsmittel«. Ernährungswissenschaftler konzentrierten sich auf den Vitamingehalt und durch Vorverarbeitung erhöhte Resorptionsraten der Produkte, Marketingspezialisten intensivierten die Marktforschung und freiwillige Kontrollen durch unabhängige Wissenschaftler unterstützten ein breit kommuniziertes Qualitätsimage.216 Doch auch innerhalb der gesamten Branche gab es in der Zwischenkriegszeit beträchtliche Innovationen. Die Massenproduktion künstlicher Kost setzte vermehrt Standards für den Alltagsgeschmack, ließ vereinzelt gar über die

211 Es handelte sich um Pulver von Majoran, Julienne, Zwiebel, Meerrettich, Knoblauch, Sellerie, Spinat, Suppengrün, Petersilie, Porree, Schnittlauch, Liebstöckel, Schalotten, Dill, Kerbel, Pilz, Steinpilz und Tomate, s. Ziegelmayer, 1936, 179. 212 Süßenguth, A[rmin]: Zur Beurteilung der Speisewürzen, Zf VE 15, 1940, 189–190. 213 Die Fabrikindustrie in Baden vor und nach dem Kriege. 7. Die Nahrungs- und Genußmittelindustrie, Statistische Mitteilungen über das Land Baden NF 11, 1922, 149–151, 163– 165, hier 149. 214 Angaben n. Daten aus der Entwicklung der Maggi-Unternehmung, o. O. o. J. (1983), 5. 215 B[ornstein], K[arl]: Hygienische Plauderei! Helfer der Hausfrau!, BVGP 24, 1924, 84–86, hier 86. 216 Müller: Ueber Ernährung bei Sport, Turnen und Wandern, VE 4, 1929, 170–171, hier 170; Beyerling, Magdalene: Qualitätskontrolle im Markenartikelbetrieb, Der Markenartikel 7, 1940, 119–120, 122–128, hier 126.

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»Phrase von individuellem Geschmack«217 lamentieren. Die zunehmende Produktdifferenzierung machte stattdessen klar, dass das immer breitere Angebot geschmacksintensiver Convenienceprodukte heterogene Geschmacksvorlieben der Konsumenten nachbildete und hervorkitzelte. Dies betraf nicht zuletzt standardisierte und gebrauchsfertige Saucen, die vor dem Ersten Weltkrieg vornehmlich Importartikel aus Belgien und Großbritannien oder aber Feinkostware waren. Die neuen Saucenwürfel glichen Bouillonwürfeln. Gelöst in warmem Wasser und mit etwas Mehl sämig gemacht, substituierten sie einerseits eigens zubereitete Saucen, anderseits die vielfach schon übliche Nutzung von Stärkepräparaten, etwa Maizena oder Kartoffelstärke, die halfen, Bratenflüssigkeit zu einer gehaltvollen Sauce zu verdichten.218 Convenienceprodukte erlaubten eine schnellere, vielfach auch nuancenreichere Zubereitung.219 Dies galt auch für Ketchup, einer in den angelsächsischen Ländern schon längst massenindustriell produzierten Tomatensauce, die vor dem Ersten Weltkrieg lediglich in der gehobenen bürgerlichen Küche verbreitet war, nun aber, parallel zum Bedeutungsgewinn von Tomaten und Tomatenmark, die Alltagsküche geschmacklich bereicherte.220 Parallel nahmen während der Zwischenkriegszeit Variationsbreite und Alltagsbedeutung von Suppenpräparaten zu, sodass Standardsuppen zunehmend industriell vorgefertigt waren. Auch Ernährungswissenschaftler konstatierten, dass sie sachkundig produziert wurden und insbesondere weniger solvente Konsumenten an die bürgerliche, gesundheitlich positiv zu bewertende Küchentradition heranführen könnten.221 Diese hohe Wertschätzung spiegelte sich auch in zahlreichen Innovationen, mit denen die Variationsbreite der Universalspeise Suppe nochmals unterstrichen wurde. Die Reformwarenwirtschaft brachte zahlreiche Früchtesuppen auf den Markt, etablierte mit dem Vollkornprodukt Brotary einen Suppengrundstoff, der als Diätspeise eine breite Kundschaft gewann.222 Trockensuppen wurden ergänzt durch Flüssigbouillons, dann

217 B[ornstein], 1924, 85. 218 Hildebrand, 1917, 195. 219 Kritik an den üblichen Tunken war weit verbreitet, vgl. etwa Süssenguth, A[rmin]: Wissenschaft in der deutschen Küche, insbesondere im Hinblick auf die Frage wohlfeiler Ernährung mit vorwiegend deutschen Erzeugnissen, DMW 59, 1933, 1471–1473, hier 1473. 220 Vgl. zu den Anfängen Roßmann, H.: Moderne Zubereitungsweise von Tomaten-Mus, Die deutsche Essigindustrie 18, 1914, 500–501; Hildebrand, 1917, 214–215, 219. Zu beachten ist allerdings, dass Ketchup damals vorrangig mit Essig haltbar gemacht und mit Muskat und Nelken verfeinert wurde, also vom heutigen vorrangig gezuckerten Fertigprodukt deutlich abwich. Vgl. Hauswirtschaft und Küche, Zf VE 14, 1939, 137–138. 221 Wahrheiten und Klarheiten über technisch hergestellte Nahrungsmittel, VE 5, 1930, 139–141, hier 141. 222 Vgl. etwa Fructomal. Früchtesuppe vom Natura-Werk, Die Lebensreform 7, 1930, 322 sowie Winckel, Max: Brotary, VE 2, 1927, 173.

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Abb. 61: Fertigsuppe zum Aufkochen. Anzeige 1936

auch durch Fertigsuppen in Dosen.223 Im Rahmen der NS -Ernährungspolitik gewannen Fischsuppen auch in Würfelform an Bedeutung, konnten so Fischfleischreste verwertet werden.224 Damals zeigten sich jedoch auch die Grenzen vorrangig von den Rohwaren ausgehender Produktinnovationen. Das 1933 als »neues Volksnahrungsmittel« gepriesene Närmil, ein mit Lezithin und Mineralstoffen angereichertes Magermilchpulver, scheiterte trotz hohen Nährwertes.225 Es konnte mit süßen, aber auch herben Zutaten schnell zu Suppen verarbeitet werden. Dennoch blieb das ungewohnte weiße Universalpulver den Hausfrauen fremd. Begrenzte Erfolge gab es lediglich in der Großküchenverpflegung, doch auch hier dominierten von Fachleuten so bezeichnete »Vorurteile und Mißtrauen«226, sodass andere Produkte in den späten 1930er Jahren Närmil ersetzten (Kap 5.5.3). Auch wenn der Suppenmarkt durch das in den USA entwickelte Glutamat als Würzstoff und Geschmacksverstärker nach 1945 nochmals beträchtlich verändert wurde227, hatten Suppenpräparate in der Zwischenkriegszeit die früher übliche häusliche Zubereitung zumindest in den urbanen Ballungsgebieten grundsätzlich abgelöst. Auch der Fleischextrakt veränderte sich in der Zwischenkriegszeit wesentlich. Hefeextrakte traten hervor, waren sie doch preiswerter und hatten einen hohen Vitamingehalt.228 Die erste rechtliche Regulierung dieses Teilmarktes stempelte sie 1917 noch zum Fleischextraktersatz, ab 1924 entfiel diese Bezeich 223 Prototyp hierfür war Liebig Flüssig, eine fertig gewürzte konzentrierte Fleischbrühe. Vgl. hierzu Liebig Flüssig ist etwas Einzigartiges, Der Materialist 48, 1927, Nr. 1, 5 bzw. Einen unsichtbaren Vertrag, Der Materialist 49, 1928, Nr. 5/6, 8. 224 Ziegelmayer, 1936, 113. 225 Detailliert hierzu Ziegelmayer, Wilhelm: Ein neues Volksnahrungsmittel, Die Umschau 37, 1933, 115–116. 226 Ziegelmayer, 1936, 146. 227 Vgl. hierzu Waldvogel, Erwin: Von der Abpackstelle zum Weltunternehmen, in: 50 Jahre Knorr Thayngen 1907–1957, Thayngen 1957, 73–87, hier 80–81. 228 Remy, E[duard]: Vergleichende Untersuchungen über fleisch- und vitaminhaltige Hefe­extrakte unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-physiologischen sowie bak-

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nung.229 Die Forschungen während des Ersten Weltkrieges hatten ergeben, dass grundsätzlich alle eiweißhaltigen Rohstoffe sich zur Extraktproduktion eigneten. Entsprechend erweiterte sich die Angebotspalette, umgriff Pilz-, Weichkäse-, Magermilch-, Knochen- und Fischextrakte.230 Obwohl Fleischextrakte importiert werden mussten, wurden sie im gewerblichen Sektor nur teilweise durch die ernährungsphysiologisch wertvolleren Hefeextrakte und sonstige preiswertere Extrakte ersetzt, da Suppenwürfel nach wie vor einen 7,5 %igen Anteil Fleischextrakt aufweisen mussten. Im Großküchenbereich setzten sich die neuen Extrakte jedoch als »Nachfolger«231 des Fleischextraktes durch. Im Würzenmarkt dominierte Maggis Würze. Auf Basis von medizinischer Forschung und Marktforschung wurde das Sortiment jedoch erweitert. Während die schnell wachsende Zahl von Salzsubstituten die Diätetik vor allem von Diabetikern beträchtlich vereinfachte, veränderten gebrauchsfertige Würzen auf Zitronensäurebasis die Zubereitung der immer populäreren grünen Salate.232 Gewannen Fertigwürzen damit auch im Haushalt an Bedeutung, so verdrängten sie im gewerblichen Bereich zunehmend »natürliche« Gewürze. Backund Süßwaren, alkoholfreie Getränke, aber auch Spirituosen wurden vermehrt mit Hilfe einfach zu dosierender Gewürzextrakte und -konzentrate produziert. Da die Konsumenten bei diesen Massengütern keine Qualitätsdifferenzen wahrnahmen und beklagten, rechneten sich deren Gebrauchswertvorteile unmittelbar. Trotz derartiger Fortschritte im Conveniencebereich gelang es aber nicht, eine von den Konsumenten akzeptierte Würzen-, Suppen- oder Soßenproduktion auf »deutscher« oder aber synthetischer Grundlage zu etablieren. Die Mehrzahl der Deutschen akzeptierte und begrüßte vielfach die Gebrauchswertvorteile der Bequemlichkeitsprodukte. Dennoch gelang es dem NS -Regime trotz intensiver Forschung, hohen Investitionen in den Ausbau der einschlägigen Industrie und insbesondere der landwirtschaftlichen Gewürzproduktion nicht, ausländische Gewürze und Geschmacksstoffe umfassend zu substituieren. Convenienceprodukte waren Vorreiter einer breiteren Tendenz, in der Gemeinteriologisch-serologischen Verhältnisse, Archiv für Hygiene und Bakteriologie 101, 1929, ­27–38. Allerdings variierte der Vitamingehalt der einzelnen Präparate anfangs noch stark. 229 Behre, A[lfred]/Schünemann, E.: Neue Fleischbrüherzeugnisse des Handels, DNR 1931, 73–75, hier 73. 230 Martell, P.: Ueber Fleischextrakt, Konsumgenossenschaftliche Praxis 15, 1926, 59–60, 82–83. Vgl. auch Evers, F[erdinand]: Der praktische Nahrungs- und Genußmittel-Fabrikant, Bd. II, 5. verm. u. verb. Aufl., Lübeck 1922, 61–62. 231 Ziegelmayer, 1936, 128. Schon 1934 wurden auch Walfischextrakte untersucht, vgl. Die deutsche Einfuhr und Ausfuhr von Fleischextrakt, Zf VE 9, 1934, 14. 232 Zu den seit 1928 aufkommenden Substituten vgl. Weingarten, Richard: Über Kochersatzmittel, MMW 79, 1932, 137–139; Pawlowski, Emanuel: Über kochsalzfreie Diät und Kochsalzersatzmittel, Naturärztliche Rundschau. Physiatrie 5, 1933, 169–172.

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Abb. 62: Fertigwürze mit Zusatznutzen. Anzeige 1934

Abb. 63: Rationalisierung in den Produktionsstätten – Gewürzextrakte 1929

schaftsverpflegung und »im Haushalt mehr und mehr zu ›fertigen‹ bzw. zu immer verbrauchsreiferen Erzeugnissen überzugehen.«233 Dies wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg als Enthäuslichung rezipiert. Dieser Begriff impliziert zugleich aber auch beträchtlichen Eigensinn. Subjektives Geschmacksempfinden und Erwartungen an die Frische auch vorverarbeiteter Produkte führten dazu, dass etwa Hülsenfrüchte und Kaffee nach wie vor selbst gemahlen wurden.234 Bei flüssigen Salatwürzen vermisste man vielfach die individuelle Note, kritisierte ferner ihren hohen Preis. Angesichts geringer Opportunitätskosten bereiteten Hausfrauen diese lieber selbst zu. Auch fertige Backmischungen wur 233 Sonderbeobachtungen, Markt und Verbrauch 11, 1939, 137–138, hier 137. 234 Zum Thema: Umwälzungen im Haushalt, Markt und Verbrauch 11, 1939, 234–236, hier 234.

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den vorrangig aus Neugierde gekauft: »Heute aber sind sie Ladenhüter geworden. Die Hausfrauen bezeichnen diese Mischungen als zu teuer und finden, daß die Mehrarbeit, die Kuchen nach eigenem Rezept und Geschmack zuzubereiten, wirklich nicht viel größer ist.«235 Dagegen etablierten sich Convenienceprodukte, wenn sie preiswert waren, die Zubereitungsarbeit signifikant senkten (Fertignudeln) und in nicht repräsentativen Verzehrssituationen eingesetzt wurden. Auch während des NS -Regimes war künstliche Kost Gegenstand von Aushandlungsprozessen. Mentaler oder gar habitueller Wandel konnten nicht erzwungen werden.

5.3 Schutz und Distanz: Die Durchsetzung der Lebensmittelverpackung Künstliche Kost war und ist zumeist verpackt. Die innere Durchdringung der stofflichen Materie implizierte Verarbeitung und Wertschöpfung, Schutz durch Verpackung war daher schon aufgrund von Kostenerwägungen notwendig. Dadurch entstand zugleich eine neue Distanz zum Produkt. Die Verpackung zielte auf eine möglichst optimale Qualität des Endproduktes, trennte somit Produktion und Konsum, entzeitlichte und enträumlichte beide. Künstliche Kost wurde auch dadurch fremd, musste dem Konsumenten daher immer wieder nah gebracht werden. Der Einsatz von Verpackungen erforderte neue kommunikative Anstrengungen. Werbung mit Anzeigen oder Plakaten schuf ein Image, vermittelte den Gebrauchswert und lud das Produkt mit symbolischen Qualitäten auf. Parallel übernahm die Verpackung – je länger, je mehr – kommunikative Auf­ gaben: Sie sollte einerseits basales Wissen über ihren Inhalt vermitteln. Neben den Mengenangaben trat dabei der Stoffgehalt zunehmend in den Vordergrund. Anderseits aber sollte sie das abstrakt geschaffene Wissen über die Ware bestätigen, somit also eine ästhetisch-symbolische Qualität besitzen, die zum Kauf einlud, indem sie als Erinnerungsanker und Bestätigungssymbol diente.236 Der Gebrauchswert eines Lebensmittels wurde durch die Experten des eisernen Dreiecks auf seine stoffliche Zusammensetzung zurückgeführt. »Gesund« war ein Lebensmittel, wenn es ein entsprechendes wissenschaftlich definiertes Stoffprofil aufwies. Die Verpackung unterstützte derartige Rückbezüge auf wissenschaftliches Wissen. Sie galt als Ausdruck hygienischer Produktion, zumal mit dem vermehrten Einsatz von Verpackungsmaschinen. Hygiene paarte sich mit Effizienz, das Ideal einer die dezentrale Zubereitungspraxis der Haushalte vereinfachenden und wesentlich preiswerteren massenindustriellen Lebensmit 235 Häusliche Vorratswirtschaft, Markt und Verbrauch 11, 1939, 444–453, hier 450. 236 Vgl. allgemein Cross, Gary S./Proctor, Robert N.: Packaged Pleasures. How Technology & Marketing Revolutionized Desire, Chicago/London 2014.

Schutz und Distanz  

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telproduktion nahm Gestalt an. Dieses aber setzte Vertrauen im Elementarbereich von Leib und Leben voraus. Verpackungen standen zwischen der Skepsis gegenüber Fremdversorgung und den Versprechungen von Produzenten und Experten. Sie trennten Produkt und Konsument, zielten zugleich jedoch darauf, dem Konsumenten den Wert der Ware vor Augen zu führen, ihn im Wortsinne transparent zu machen: »Es ist ein alter Sehnsuchtstraum des Verbrauchers, besonders aber der Hausfrau, daß man immer sehen will, was man kauft.«237 Das »Packungskleid«238 materialisierte zugleich Zeitstimmungen und Zukunftshoffnungen. Anfangs vorrangig von Praktikern in den Unternehmen gestaltet, professionalisierte sich auch dieser Bereich spätestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert durch betriebsinterne Reklameabteilungen und passgenaue Angebote der Verpackungsindustrie. Regulierungen setzten relativ spät ein. Im 19. Jahrhundert zielten Verbote – weit zurückreichend – vorrangig auf Metallverpackungen. Der Einsatz synthetischer Farben wurde zunehmend reguliert, gebündelt im Farbengesetz von 1887. Lebensmittelchemiker kritisierten vor 1914 vorrangig irreführende Verpackungen sowie offenkundige Täuschungen durch viel versprechende, dieses aber nicht haltende Etiketten.239 Die ersten Kennzeichnungsverordnungen waren der Not des Krieges geschuldet, implizierten zugleich aber einen Verpackungszwang für die aufgelisteten Produktgruppen. Sie wurden 1927 und dann 1935 erweitert, während die Experten des eisernen Dreiecks angesichts wachsender Möglichkeiten stofflicher Eingriffe einen Verpackungszwang für immer mehr Produkte diskutierten.240 Schon lange vor der Durchsetzung der Selbstbedienung setzte sich die Verpackung als Standard für alle verarbeiteten Lebensmittel durch, einzig Frischwaren und Landesprodukte standen noch außen vor. Diese Entwicklung ging einher mit einer beträchtlichen Verbreiterung verfügbarer Verpackungsmaterialien, die einerseits die stoffbewahrenden Eigenschaften optimierten, die zugleich aber die kommunikativ-ästhetischen Funktionen zunehmend besser abdeckten.241

237 Bergler, Georg: Glas gegen Dose, Markt und Verbrauch 11, 1939, 181–190, hier 184. 238 Flügge, Walter: Mit Optimismus in die Zukunft, Der Verbraucher 23, 1969, Nr. 1, 8–9, hier 8. 239 Beythien, 1929, 142. 240 Vgl. Verpackung von Lebensmitteln, Verpackungszwang für Brot angestrebt, Der Weckruf 16, 1929, 1344; Nahrungsmittel-Politik, 1930, 6; Verordnung über die äußeren Kennzeichnungen von Lebensmitteln (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung) vom 8. Mai 1935, Edeka DHR 28, 1935, 522, 524. 241 Ansprechend hierzu die Darstellung der Entwicklung in der Schweiz von Schilder Bär, Lotte/Bignens, Christoph (Hg.): Ver Packungs Design. Hüllen füllen. Verpackungsdesign zwischen Bedarf und Verführung, Zürich 1994.

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5.3.1 Markenartikel oder Von der losen zur (papier-)verpackten Ware Künstliche Kost war als solche nicht bekannt, Gehalt und Nutzen mussten daher erläutert werden. Entsprechend verwundert es nicht, dass sie zu den Pionieren der Markenartikel gehörte. Liebigs Fleischextrakt, Nestlés Kindermehl oder Naumanns Gewürzsalze kamen in den 1860er Jahren auf und koppelten ein Produkt mit einem wissenschaftlich ausgewiesenen Experten, verknüpften dies zugleich mit Bildern der Ferne, sei es der Pampa, der Alpenwelt oder asiatischer Gewürzregionen. Sie erschienen gebändigt, eingehegt in speziell ausgetüftelte Verpackungen, die aus unterschiedlichen Materialien, aus Steingut, Pappe und Glas bestanden. Erst seit den 1870er Jahren emanzipierten sich Marken­ artikel langsam von den Wissenschaftlern und Unternehmern und entwickelten eine eigenständige begriffliche Qualität: Maizena, Saccharin oder Vanillin stehen für diese Entwicklung, allesamt verpackte Kunstprodukte, Konzentrate von Nährwert und Geschmack. Begünstigt durch das »Gesetz zum Schutz von Waarenbezeichnungen« vom Mai 1894, etablierten sie sich. Die historische Forschung hat sich mit der Ästhetik und Formsprache dieser neuen kommerziellen Kommunikation vielfach auseinandergesetzt, ohne aber quellenkritisch grundlegende Fragen nach der Relevanz von Plakatkunst und Werbegraphik zu stellen.242 Damit wird nicht allein ein falsches Bild der Konsumgütermärkte der Jahrhundertwende gezeichnet, die vielfach noch regional ausgerichtet waren. Die Bedeutung der Markenartikelproduzenten wird insgesamt überschätzt, erlitt der von ihnen gebildete Markenverband doch schon vor dem Ersten Weltkrieg empfindliche Niederlagen gegen Konsum- und Einkaufsgenossenschaften. Die Alltagswerbung war und ist von Einzelhändlern geprägt – auch wenn eine im schönen Schein schwelgende Werbeforschung dieses schlicht negiert.243 Künstliche Kost aber bildet eine wichtige Ausnahme, steht sie doch für die Innovationskraft der Industrie, für die an lokale Geschmacksvorlieben anknüpfende Handelsmarken kein gleichrangiges Substitut bildeten. Zugleich aber konzentriert sich die kulturwissenschaftliche Werbeforschung einseitig auf Botschaften und Bilder, während die Materialität kommerzieller Kommunikation – und damit nicht zuletzt die Verpackungen – aus dem Blickfeld geraten.244

242 Vgl. hierzu Spiekermann, 1999, 530–549. 243 Vgl. etwa Knop, Karin: Zwischen Werbung und Propaganda: Werbewesen und Werbemedien von 1910 bis 1920, in: Faulstich, Werner (Hg.): Das Zweite Jahrzehnt, München 2007, 173–184. 244 Vgl. etwa Haas, Stefan: Sinndiskurse in der Konsumkultur. Die Geschichte der Wirtschaftswerbung von der ständischen bis zur postmodernen Gesellschaft, in: Prinz, Michael (Hg.): Der lange Weg in den Überfluss. […], Paderborn u. a. 2003, 291–314; Böcher, Hans-

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Verpackungen hatten für die Hersteller zuerst einmal einen praktischen Zweck zu erfüllen, nämlich den Schutz der Ware zu gewährleisten. Gerade im späten 19. Jahrhundert stand hier die »Pröbelei« der Produzenten am Anfang. Produktentwicklung bedeutet immer auch die Suche nach angemessenen Verpackungen. Diese boten Orientierung und Ordnung im Einkaufsalltag. In grellen Farben gehalten, setzten sie vor dem Ersten Weltkrieg nur selten auf facettenreiche Nuancierungen. Sie waren differenzierungsstark und unterschieden sich darin deutlich von der Alltagskleidung und Inneneinrichtung der breiten Bevölkerung. Doch die Verpackung wurde von der Ware und ihren Produkteigenschaften her ausgewählt. Körnerhaltige Kaffeesurrogate wurden grundsätzlich anders verpackt als pressbare Pulver.245 Entsprechend wählte man vorgefertigte Papierhülsen unterschiedlicher Grundform bzw. verschiedene Packungsstärken. Vor der Jahrhundertwende waren Handpaketierapparate üblich, automatische Abfüllmaschinen wurden nur in wenigen größeren Betrieben eingesetzt. War Schutz bei derartig trockenen Produkten noch relativ einfach, da »nur« das Austrocknen der Waren verhindert werden musste, so stellen fettige und flüssige Waren schwierigere Aufgaben, deren Regelung teurer war. Das galt einmal für die Verpackung selbst. Bouillonwürfel etwa wurden in eine erste Lage Wachspapier und eine zweite Lage Pergamentpapier gewickelt, um die dann der bedruckte Außenumschlag gehüllt wurde. Zum anderen aber komplizierte dies den Maschineneinsatz, zumal dieses Produkt druckempfindlich war.246 Papier-, Papp- und Holzverpackungen wurden vielfach in den Firmen selbst produziert, ebenso die Endverpackung. Bei Knorr waren 1898 nicht weniger als 240 Beschäftige »in emsiger Thätigkeit, zahllose Pakete in allen möglichen Formaten, Grössen und Farben zu füllen, teils zu schliessen und zu etikettieren oder in kleinere Kistchen zu packen.«247 Die eigenen Paketiermaschinen konnten bis zu 100.000 Pakethüllen täglich liefern, bei Versandraten von 40–50.000 Paketen täglich. Neben die Verkaufspackung trat demnach noch eine materialintensive Transportverpackung, zumal, wenn Großhändler nicht eingeschaltet wurden. Die praktischen Arbeiten der Fabrikanten führten in den einzelnen Branchen peu à peu zu branchentypischen Verpackungen, die sich in Farbe und Größe, seltener aber in Material und Form unterschieden. Der Staat schritt hier nur selten ein, die strikten Verpackungsvorschriften im Margarinegesetz 1897 blieben eine Ausnahme. Vor dem Ersten Weltkrieg scheiterten zudem in fast allen Branchen Bestrebungen für normierte Verpackungen. Bier etwa wurde in von Ort zu Ort, von Georg: Kulturgut Verpackung. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte eines künstlerischen Mediums, o. O. 1999. 245 Franke, 1907, 204. 246 Hildebrand, 1917, 211. 247 Nahrungsmittel-Fabriken 1898, 20.

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Brauerei zu Brauerei unterschiedlichen Flaschenarten und -größen angeboten, letztere schwankten zwischen 0,25 und 0,75 l.248 Einheitliche Verpackungen verursachten erst einmal Kosten, die Rationalisierungseffekte wurden auch durch technische Probleme begrenzt, wirklich gleichartiges Material zu produzieren. Verbindliche Selbstverpflichtungen speisten sich aus vielen Quellen: Die Materialengpässe im Jahrzehnt der Ernährungskrise, der mit Kennzeichnungsverordnungen einhergehende Verpackungszwang und vor allem die Kooperationen im Rahmen des eisernen Dreiecks bewirkten ein Umdenken in einer wachsenden Zahl von Branchen. Die Schokoladenindustrie reduzierte 1925/26 die Zahl möglicher Tafeln auf acht, unterband zugleich jegliche lose Ware.249 Gerade dadurch wurde es einfacher, die Qualität der verarbeiteten Markenprodukte besonders zu bewerben und die Gemeinschaftswerbung zu stärken.250 Nach der Stabilisierung der Währung setzte zudem ein vom neuen Käufermarkt getriebenes Nachdenken über die Verpackung ein. Auch im Bereich der Markenartikelindustrie findet man eine doppelte Verwissenschaftlichung. Verpackungsmaschinen wurden optimiert, nicht zuletzt durch die vermehrte Verwendung von Elektrizität.251 Wichtig war zudem die integrierte, teils schon automatisierte Nutzung von Waagen, wodurch die Toleranzen bei den Füllmengen deutlich sanken.252 Verpackungsmaterialien bildeten ein immer wichtigeres Forschungsfeld, Chemiker und Werkstoffspezialisten ersetzten zunehmend Praktiker.253 Zahl und Qualitätsdifferenzierungen der Werkstoffe nahmen entsprechend zu.254 Die neu aufkommende wissenschaftliche Marktanalyse erlaubte zudem, die Erwartungshaltung der Konsumenten aufzugreifen.255 Eine ansprechende »Aufmachung« wurde allgemein üblich, schuf für die breite Mehrzahl der Bevölkerung ästhetisierende Produktwelten, die über die Verarbeitung und die stofflichen Eigenschaften der Produkte hinauswiesen.256 Künstliche Kost wurde so schöner und attraktiver. Die Leerstellen, die die mit ihrer Produktion einhergehende Entkontextualisierung hinterließ, wurden verstärkt mit neuen kommerziell gefertigten Ersatzwelten gefüllt. Vor dem Hintergrund einer in den 1920er Jahren insgesamt steigenden Bedeutung der Markenartikel – ihr Anteil betrug vor dem Ersten Weltkrieg etwa ein Viertel, 1934 dagegen 44 % des 248 Zur Aichung der Bierflaschen, Deutsche Brau-Industrie 27, 1902, 79–80, hier 79. 249 Vgl. Greiert, 1926, 76–78, 167–168, 177–178. 250 Bericht über die Gemeinschaftswerbung für Kakao und Schokolade, DNR 1928, 87–88. 251 Vgl. Weicken: Die Wissenschaft von der Verpackung, Die Umschau 32, 1928, 212–215. 252 Massenverpackung-Abfüllwaagen, DNR 1927, 204–205. 253 Üblich waren Detailstudien, wie etwa Wolff, A./Mau: Zur Beurteilung des Pergamentpapiers, MZBl 55, 1926, 185–187. 254 Vgl. Kretschmer, Kurt: Verpackungsmaterial und Verpackungsarten für Käse, Die Käse-Industrie 2, 1928/29, 205–207. 255 Paradigmatisch hierfür Kropff/Randolph, 1928, insb. 142–166. 256 Zu dieser von der GEG forcierten Entwicklung vgl. Spiekermann, 1995.

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Umsatzes der Edeka-Geschäfte257 – waren die Chancen für die Durchdringung einer wachsenden Zahl von Branchen also gegeben. Auch hier aber wurde die Entwicklung im Konsumgütermarkt durch die Weltwirtschaftskrise und dann vorrangig die Autarkie- und Aufrüstungspolitik des NS -Regimes abgebrochen. Im Rahmen der Rationalisierungsbestrebungen galt dies vor allem für materialsparende Systemlösungen im Großhandels­ bereich: Holzkisten wurden in den späten 1920er Jahren zunehmend durch Stark- oder Wellpappe ersetzt, ihr Inhalt normiert.258 Damals dominierte jedoch eine betriebswirtschaftliche Durchdringung der Absatzstrukturen einzelner Firmen und Branchen, während die späteren NS -Bestrebungen volkswirtschaftlich ausgerichtet waren, auf staatliche Institutionsbildung und Adaptionsleistungen der Unternehmen setzten.259 Markenartikelindustrie und Einzelhandel standen schon während der Weltwirtschaftskrise unter öffentlichem Druck, den Verpackungsaufwand möglichst gering zu halten.260 Spätestens seit 1934 wurden regelmäßig Kampagnen gefahren, um Packmaterialien aus »deutschen Rohstoffen«261 zu bevorzugen und zu sparen. Seit spätestens 1936 führten die Importrestriktionen zu Versorgungsengpässen. Industrie und Handel mussten auf neue Ersatzprodukte, wie Ersatz-Pergament und insbesondere Hartpapierbecher ausweichen.262 Im Rahmen der »Kampf dem Verderb«-Aktionen wurden Umverpackungen angegriffen und die mehrfache Verwendung von Verpackungen angeregt.263 In Firmen und Läden prangten Plakate, die »zu einem aktiven Einsatz gegen überflüssigen Luxus bei der Verpackung«264 anspornten. Markenartikel und auch künstliche Kost mussten in zunehmend einfacheren Verpackungen präsentiert werden.

257 Angaben n. Spiekermann, 1999, 530–534; Bericht der Edekazentralorganisationen über das Geschäftsjahr 1934, Edeka DHR 28, 1935, Sdr.-Nr., 25–57, hier 49 (inkl. Tabak­waren, ohne Eigenmarken). 258 Vgl. Schmidt-Bachem, Heinz: Tüten, Beutel, Tragetaschen. Zur Geschichte der Papier, Pappe und Folien verarbeitenden Industrie in Deutschland, Münster u. a. 2001, 91–99. 259 Ein gutes Beispiel bietet Greifelt, Kurt: Rohstoffersparnis durch rationelle Verpackung. Zum Problem eines »Kisten-Clearings«, DVW 8, 1939, 748–752. 260 Auch hier ging es nicht allein um eine staatspolitisch erwünschte Sparsamkeit, sondern um wissenschaftlich fundierte Effizienzsteigerungen, vgl. Maul, Franz: Wie werden unsere Markenartikel eingepackt?, Hauswirtschaftliche Jahrbücher 6, 1933, 60–64. 261 Kampf gegen Material-Verschwendung, Edeka DHR 27, 1934, 638. 262 Bericht der Edeka-Werbedienst GmbH, DHR 30, 1937, Sdr.-Nr., 37–39, hier 38. 263 Die Einsparung von Verpackungsmaterial. Richtlinien für die Fachgruppe Nahrungsund Genußmittel, DHR 30, 1937, 617. 264 Propagandaplakate für Packpapierersparnis, DHR 30, 1937, 974.

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5.3.2 Wissen und Vertrauen. Die Entwicklung der Konservendose Markenartikel gründeten auf dem Versprechen gleichmäßiger Qualität, und ihre Verpackung erlaubte vielfach Rückschlüsse auf Inhalt und Füllmenge. Für Dosenkonserven galt dies nicht. Ihr Kauf setzte Wissen um übliche Produkteigenschaften voraus und in noch stärkerem Maße Vertrauen in Hersteller und Händler. Der Kauf einer Konservendose war ein Vertrauensvorschuss und zugleich Ausdruck der Akzeptanz der kommerziellen Spielregeln einer arbeitsteiligen Industrie- und Wissensgesellschaft. Konserven waren per definitionem künstlich, sie durchbrachen die »natürlichen« Schranken von Raum und Zeit. Die Konservendose selbst entstand während der frühen Industrialisierung. Während der sog. »Vater« der Hitzesterilisierung, François Appert, seine Versuche noch in Glasbehältnissen durchführte, war der Einsatz von gewalzten, gelöteten und mit Boden und Deckel versehenen Dosen eine englische Innovation.265 Die Dosenproduktion war jedoch mühselige und – aufgrund der Bleilötmasse – gefährliche Handarbeit. Noch in den 1840er Jahren, als erste neu gegründete deutsche Konservenfabriken das Verfahren übernahmen, produzierte ein Löter nur etwa fünf Dosen pro Arbeitsstunde.266 Erst die Mechanisierung der Produktion durch den seit 1873 eingeführten Autoklav und die seit 1889 genutzten automatischen Dosenverschlussmaschinen schufen die Grundlagen für einen im bürgerlichen Milieu alltagsrelevanten Konsum, der vor dem Ersten Weltkrieg allerdings jährlich zwei Kilogramm pro Kopf nicht überschritten haben dürfte.267 Bei der Darstellung der Armeeverpflegung (Kap. 3.2 und 4.1.2) wurde schon deutlich, dass die Qualitätsanforderungen des Militärs an Konserven und Dosenmaterial von den Zivilproduzenten vielfach nicht erreicht wurden. Gleichwohl hatte sich schon vor dem Ersten Weltkrieg im Zusammenspiel von Produzenten, Wissenschaftlern und auch schon des Staates die Konservendose aus warmgewalztem feuerverzinnten Weißblech als Standardverpackung durchgesetzt.268 Damals wurden nach US -Vorbild auch erste automatische Löt-

265 Vgl. Cowell, Norman D.: Who Introduced the Tin Can? – A New Candidate, FT 49, 1995, Nr. 12, 61–64. 266 Vgl. Flick, Hermann: 150 Jahre Konservendose, IOGV 45, 1960, 86–100, insb. 98. 267 Vgl. detailliert Spiekermann, 1997. Angesichts dieser relativ geringen Konsummengen kann nicht davon die Rede sein, dass »die Konservenbüchse eine gewaltige Herrscherin im Reiche der Küche geworden« (Bechstein, O[tto]: Von der Konservenbüchse, Prometheus 20, 1909, 698–699, hier 699) sei, wie dies auch vereinzelt Historiker tun, die meinen, im 19. Jahrhundert eine »Konservenrevolution« beschwören zu müssen. 268 Zum maschinellen Herstellungsverfahren vgl. Stegemann, 1904, 840. Einzig die Längsnähte mussten damals noch per Hand zugelötet werden. Allerdings produzierten viele Konservenfabriken noch Dosen in Eigenregie, um so eine Stammbelegschaft abseits des Saisongeschäftes beschäftigen zu können. Vgl. auch Humbert, 1997, 103–117.

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maschinen mit einer Kapazität von 50 Dosen pro Minute eingesetzt, wodurch die Einwegverpackung Blechdose relativ preiswert wurde.269 Die Prozessorientierung der Konservenfabrikanten ließ möglichen Verpackungsalternativen, etwa Glas, von Beginn an kaum Chancen. Verzinntes Eisenblech war relativ korrosionsbeständig, tolerant gegenüber Druck und Temperaturen, zudem leichter als Glas und besser stapelbar. Der frühe Maschinenpark konnte das transparente Material nicht bearbeiten, ebenso waren etwaige Verbraucherwünsche für die vornehmlich mit Großhändlern, Warenhäusern und Institutionen in Kontakt tretenden Fabrikanten kaum relevant. Dies galt ansatzweise auch für die seitens der Lebensreformbewegung schon vor der Jahrhundertwende beschworenen Ängste vor chronischer Vergiftung durch von Säure gelöste Metalle bzw. Lötblei.270 Das Blei-Zinkgesetz von 1887 hatte an sich klare Verbotsregeln aufgestellt, doch trotz des Widerstandes der Lebensmittelchemiker wurde in Preußen, aber auch anderswo, sowohl die Bleilötung als auch die Lösung geringer Zinnmengen toleriert.271 Wissenschaftliche Versuche belegten allerdings, dass insbesondere in Fruchtkonserven gelöstes Zinn bei älteren Konservendosen üblich war und auch zu Verdauungsstörungen führte.272 Tierversuche und Vergiftungsfälle bestätigten dies immer wieder.273 Gleichwohl galt die Konservendose aufgrund ihres hohen Conveniencegrades als eines der »sichersten Kennzeichen der vordringenden Kultur.« Vertrauen entstand in der Regel durch Kauf und Nutzung, auch wenn die noch stark vom Ernteertrag abhängigen Rohwarenqualitäten den Standardisierungsbestrebungen enge Grenzen setzten. Das wichtigste Kommunikationsmittel bildete das Konservenetikett.274 Anfangs handelte es sich hierbei um Kupferplättchen mit Gravierungen, seit den 1870er Jahren setzten sich jedoch immer stärker Papieretiketten durch. Sie waren meist zwei- bis dreifarbig, bronziert und lackiert, um ein Durchrosten zu verhindern. Die Lithographien, die für 269 Nehring, P[aul]: 50 Jahre Konservendose – ein Rückblick und Ausblick, IOGV 50, 1965, 300–305, hier 301. 270 Vgl. Ob Glas oder Blech zum Konservieren zu verwenden ist, VW 31, 1898, 49. 271 Vgl. Die vorschriftsmässige Löthung der Conservenbüchsen, Der Materialist 1899, Nr. 8, 4 sowie Nahrungsmittelbuch, 1922, 429. Dort auch die einschlägigen Preußischen Ministerialerlasse v. 28.07.1899 bzw. 27.12.1899, Ebd., 430–431. 272 Lehmann, K[arl] B[ernhard]: Untersuchungen über die hygienische Bedeutung des Zinns, insbesondere in Konserven, Archiv für Hygiene 45, 1903, 88–115; Katz, J. R.: Eine wichtige Neuheit auf dem Gebiete der Nahrungsmittelkonserven und ihre Bedeutung für Heer und Flotte, Die Umschau 17, 1913, 975–978, hier 975. Das folgende Zitat n. Lehmann, 1903, 89. 273 Vgl. etwa Zinnvergiftung durch Heringskonserven, DNR 9, 1911, 157–158; Zinngehalt von Gemüsekonserven. Gutachten der Kgl. w. Dep. f. d. Medizinalwesen vom 13.V.1914, ZÖC 21, 1915, 32. 274 Vgl. Gruber, Wilhelm: Das Konservenetikett im Wandel der Zeit, IOGV 50, 1965, 294–299.

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Schildetiketten verwandt wurden, gaben meist den Inhalt an und nutzten schon früh graphische Elemente und Bilder, um Waren und Fabrikanten zu erwähnen und zu bewerben. In den 1920er Jahren setzte sich vermehrt der Offsetdruck durch, der bessere Bildwirkungen ermöglichte und die Werbewirksamkeit der Dosen verbesserte. Manteletiketten und Vierfarbdruck finden sich allerdings erst beim Übergang zur Selbstbedienung Mitte der 1950er Jahre. Ebenso wurde der Flachdruck von Blech vor dem Zweiten Weltkrieg nur vereinzelt angewendet, Ausnahmen bildeten seit 1927 vornehmlich Kondensmilchbüchsen.275 So sehr die Etiketten auch um die Verbraucher warben, vertrieb der Handel bis 1916 viele Konserven ohne jede Kennzeichnung. Auch eine andere Form der Vertrauensbildung, nämlich die Normierung der Dosen und ihres Inhaltes, gelang nur teilweise. Während Obst und Gemüse seit 1908 auf Beschluss des Vereins Deutscher Konservenfabrikanten in standardisierten Normaldosen angeboten wurden, erhielt man in der Vor- und Zwischenkriegszeit Fleisch- und Fischkonserven in Hunderten von Varietäten.276 Erst Mitte der 1930er Jahre gelang im Rahmen des Reichsnährstandes eine deutliche Reduktion zugelassener Dosenformate, wodurch die Propagierung gerade von Seefisch vereinfacht wurde.277 Die lange Haltbarkeit heutiger Konserven war in der Zwischenkriegszeit noch nicht üblich. Subjektives Wissen um die Beschaffenheit von Konservendosen spiegelte sich in der hauswirtschaftlichen Ratgeberliteratur der Vor- und Zwischenkriegszeit, insbesondere verdorbene Ware war durch Prüfung auf Bombagen und Geruch relativ einfach zu erkennen.278 Konserven waren grundsätzlich mehrere Jahre haltbar, doch in den 1930er Jahren garantierten die Konservenfabrikanten nur eine Haltbarkeit von sechs Monaten.279 Im Einzelhandel rechnete man damals mit Abverkaufszeiträumen von höchstens zwei Jahren. Während Bombagen auf gesundheitliche Gefahren verwiesen, führten die inneren chemischen Prozesse vielfach zu Verfärbungen oder Verschlechterungen der Konsistenz. Verbesserungen der Produktionstechnik und des Verpackungs­ materials waren im Sinne eines qualitativ höherwertigen Angebotes. In den 1920er Jahren stand aufgrund der Herausforderungen der Vitaminforschung die Prozesstechnik im Mittelpunkt (Kap. 4.3.3). Erhöhte Transparenz ergab vornehmlich die staatliche Kennzeichnungspolitik. Seit 1916 musste der 275 Nehring, 1934, 301. 276 Vgl. Spiekermann, 1999, 521–522; 120 Jahre Gemüse- und Obstkonserven, IOGV 50, 1965, 241–293, hier 250. 277 Normaldosen und Normalpackungen der Wirtschaftlichen Vereinigung der Fischindustrie Deutschlands, DFR 1934, 269–271; Tätigkeitsbericht, 1939, 152. 278 Goebeler, 1901, 1975 bzw. Lerche, [Martin]: Bombagen in Fleisch- und Gemüsekonserven, Die Landfrauenarbeit 1950, 339–341. Zur Objektivierung des Wissens s. Serger, H[ermann]: Die Bombagen bei Dosenkonserven, ZUNG 41, 1921, 49–68. 279 Schlag, Martin: Zur Beachtung beim Verkauf von Konserven, DHR 28, 1935, 1220–1221.

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Abb. 64: Verzehrsfähige Aufreißdosen 1932

Hersteller resp. Händler, Herstellungsmonat und -jahr, Dosengröße, Inhaltsoder Qualitätsbezeichnung, Mindestfüllgewicht und den Einzelhandelspreis auf den Dosen angeben.280 Die Produzenten zielten während der Weimarer Republik vornehmlich auf einfach(er) zu öffnende tischfertige Verpackungen. Aufreißzungen und beigefügte Schlüssel wurden insbesondere bei Fischund Fleischwaren üblich.281 Dem Wunsch nach Transparenz kamen die Hersteller aber nicht nach, durchsichtige Schaudosen aus Blech und Glas blieben Ausstellungen vorbehalten.282 Glasverpackungen wurden von den Konsumenten befürwortet und waren aus Devisengründen staatspolitisch grundsätzlich erwünscht.283 Umfassende Versuche führten jedoch dazu, an Konservendosen aus Blech festzuhalten. Die Verlustraten mit Glasdosen betrugen zwei bis drei Prozent.284 Gleichwohl wurden seit 1939 aus Gründen der Devisenersparnis sogenannte Industrie-Konservenflaschen eingeführt, von denen 1942 vornehmlich für die Wehrmacht ca. 28 Mio. Stück produziert wurden.285 Während sie in Westdeutschland nach dem Krieg schnell verschwanden, lösten sie in der DDR die Konservendose faktisch ab, nachdem Vakuumverschlüsse ihre Haltbarkeit deutlich erhöht hatten.286

280 Seidel, 1927, 23. 281 Ein neues Dosen-Aufreißverfahren, DFR 1933, 419. 282 Verbesserte durchsichtige Konservendosen, DFR 1936, 27. 283 Bergler, 1939. 284 Nehring, Eduard: Die Verwendung metallischer und nichtmetallischer Werkstoffe als Verpackungsmaterial in der Konservenindustrie, in: Wissenschaft und Technik in der Konservenindustrie, Braunschweig 1939, 41–54, hier 44–45. 285 Um die europäische Konservenindustrie, DVW 11, 1942, 602; Müller, Robert: Glas – die ideale Sichtpackung, IOGV 38, 1953, 69–71. 286 Herstellung von Gemüse- und Obstkonserven in der DDR , IOGV 38, 1953, 92–94.

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Materialveränderungen wurden generell durch die Kriege initiiert, während die Industrie Prozessverbesserungen vor allem während der Wachstumsphasen vornahm. Schon während des Ersten Weltkrieges musste das für die Weißblechproduktion notwendige Zinn erst bewirtschaftet, dann substituiert werden. Hartpapierdosen boten keine überzeugende Alternative, stattdessen setzte man auf verniertes, also mit einem eingebrannten Speziallack versehenes Schwarzblech, das seit 1915 mittels von Staat und Konservenindustrie geförderten Forschungen entwickelt wurde.287 Die schwindende Zahl von Dosen bestand aus lackierten Schwarzblechdeckeln und -böden sowie Weißblechrümpfen, da die Speziallacke die Korrosionswirkung der Konservengüter nicht wirklich eindämmen konnten.288 Bis 1921 hatte sich die Versorgungslage wieder normalisiert, doch innerhalb der Konservenindustrie wurden die Dosenqualitäten nun wissenschaftlich objektiviert und den Herstellern Qualitätsvorgaben gemacht.289 Die Konsequenz war einerseits eine umfassende Qualitätskontrolle innerhalb der Zulieferindustrie, anderseits aber ein Festhalten an den bewährten Materialien.290 Durch neue Verzinnungsherde und den Mitte der 1930er Jahre erfolgten Übergang zur Kaltwalztechnik gelang es, den Materialeinsatz zu verringern.291 Aluminium wurde zwar seit Mitte der 1920er Jahre als leichtes und säurefestes Material favorisiert, doch aufgrund der Materialkosten blieb sein Einsatz auf Teile der Fisch- resp. Obst- und Gemüseindustrie begrenzt.292 Schließlich betrugen die Kosten für Dosen, Etikett und Transportkartons bei Gemüsekonserven ohnehin teils über die Hälfte der Gestehungskosten.293 Diese begrenzten Rationalisierungsmaßnahmen wurden durch die Selbstversorgungsbestrebungen des NS -Staates auf eine neue Ebene geführt. Das Deutsche Reich besaß keine nennenswerten Zinnvorkommen und war von Importen insbesondere aus Südamerika und Südostasien abhängig. 1937 wurden 16.800 t Zinn importiert, Devisen im Wert von 30 Mio. RM hierfür aufgewendet. Jede 287 Hartpapierdosen als Ersatz für Büchsen aus Weißblech, Prometheus 26, 1915, 139; Jahre, 1965, 258. 288 Umfassend hierzu Serger/Hempel, 1921, 59–66. 289 Serger, H[ermann]: Die Beschaffung des Weissblechs und sein Einfluss auf die Qualität der Dosenkonserven, ZÖC 27, 1921, 133–139; Serger, H[ermann]: Anforderungen an Metallverpackungen für Lebensmittel, DNR 1927, 198–200. 290 Vgl. Wille, O[tto]: Die Konservendose, ihre Fehler, sowie die an sie zu stellenden Anforderungen, Die Fischwirtschaft 2, 1926, 210–214. Auch hier wurden nun Betriebslaboratorien eingerichtet, die zunehmend Werkstoffkunde betrieben, vgl. Weimann, H.: Die Lubecawerke – Ein Beitrag zur Geschichte der Verpackungsindustrie, Lübeck 1955, v. a. 44–45. 291 Nehring, 1965, 300. Elektrolytische Verzinnung war schon Mitte der 1930er Jahre möglich, wurde in Westdeutschland jedoch erst seit den frühen 1960er Jahren eingesetzt. 292 Serger, 1927, 200; Aluminiumbüchsen statt Zinnkonservenbüchsen, Die Umschau 32, 1928, 120; Konservendosen aus Aluminium, Die Umschau 34, 1930, 195. 293 Verpackungsprobleme in der Obst- und Gemüseverwertungs-Industrie, IOGV 38, 1953, 58, 60, hier 58.

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Dose kostete einen Pfennig Devisen. Die prekäre Versorgungslage spiegelte sich zugleich im deutschen Export verzinnter Konservendosen, der notwendig erschien, um andere Außenhandelsgeschäfte tätigen zu können.294 Diese relative Abhängigkeit wurde den Konsumenten immer wieder vor Augen geführt, insbesondere nachdem seit 1940 neue Austauschstoffe die wegbrechenden Importe ersetzen sollten. Die Forschungen begannen deutlich früher und setzten auf unterschiedlichen Ebenen an. Mitte der 1930er Jahre wurden im Reichsgesundheitsamt umfassende Untersuchungen über die physiologischen Wirkungen unterschiedlicher Metalle und auch Dosenlacke durchgeführt, dabei die bisherigen Toleranzen grundsätzlich bestätigt.295 Im Rahmen des Reichsnährstandes, des Forschungsdienstes resp. der Fachgruppe Obst- und Gemüseverwertungsindustrie galt es erst einmal, die »Erzeugnisse zu verbessern«296. Qualitätsforschung und Rationalisierung zielten auf preiswerte und geschmacklich akzeptable Konservennahrung.297 Seit 1935 begannen im Braunschweiger Branchenlaboratorium der Konservenindustrie sowie in einzelnen Firmen zudem intensive Versuche einerseits zur elektrolytischen Verzinnung von Schwarzblech, anderseits zu verbesserten Kunstharzlacken.298 Breiter angelegt waren Forschungen des 1938 gegründeten Reichsausschusses für Verpackungswesen beim Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit, die auch veränderte Beschichtungen bzw. Löttechniken umgriffen.299 Alle diese Bestrebungen mündeten in praktikable Substitute, nicht aber in einen wirklich »vollwertigen Ersatz«.300 Nach Kriegsbeginn wurde ein »Umstellungsausschuss« der Konservenindustrie gebildet, um die Kampagne 1940 auf Grundlage von Dosensubstituten vorzubereiten. Neue Schwarzblechdosen und Konservengläser standen im Mittelpunkt, zugleich aber setzte man auf verbesserte Trocknungstechnik, die Gefrierindustrie sowie die vermehrte Herstellung von Marmeladen und Salz- bzw. siliertem Gemüse.301 Die Produktionspalette wurde strikt begrenzt, nur noch 294 Vgl. Der Fall Weißblech… und die betroffenen Konservenindustrien, Braunschwei­ gische Konserven-Zeitung 1942, Nr. 17/18, 7–9, hier 7. 295 Merres, [Ernst]: Verpackungsmaterial für Lebensmittel im Lichte der Gesetzgebung, ZKI 42, 1935, 53–55. 296 Kiesel: Geleitwort, in: Wissenschaft und Technik in der Konservenindustrie, Braunschweig 1939, 10–11, hier 10. 297 Meinecke, Walter: Aufgaben und Ziele der Konservenindustrie auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet, in: Wissenschaft und Technik in der Konservenindustrie, Braunschweig 1939, 12–19, insb. 13. 298 Nehring, 1939, 49–54. 299 Zu dessen Aufgabenprofil vgl. Hoffmann, Johannes: Die Forschung im Verpackungswesen, Der Vierjahresplan 5, 1941, 417–418. 300 Fox, H.: Verpackungswerkstoffe und Lebensmittelschutz, Die Umschau 43, 1939, 520–521. 301 Jahre, 1965, 283–284.

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acht Gemüsesorten durften konserviert werden. Insgesamt stieg die Produktion der noch nicht rationierten Waren gegenüber der Vorkriegszeit weiter an: 1941 wurden 141,8  Mio. Dosen/Gläser Gemüse bzw. 14,2  Mio. Dosen/Gläser Obst produziert, 1942 141,3 Mio. bzw. 20,0, und erst 1943 sank der Ausstoß auf 110 Mio. bzw. 23,2.302 Im Wettbewerb der Ersatzdosen zeigten sich schnell die Grenzen der neuen Verfahren. Gebonderte und spritzlackierte Dosen erfüllten die anfangs hohen Erwartungen nicht, denn sie waren korrosionsanfällig.303 Versuche mit PVCFolien und Aluminium ergaben keine wirtschaftlich tragbaren Resultate.304 Walzenlackierte Schwarzblechdosen mit Phenolharzbeschichtung dominierten; insbesondere nachdem es 1942 in einer charakteristischen Kooperation der Braunschweiger Konserven-Versuchsstation, des Dosenherstellers Schmalbach und mehreren ansässigen Konservenfabriken gelungen war, eine zinnlose säurefeste Dose zu entwickeln, deren Gebrauchsqualitäten zumindest akzeptabel erschienen.305 Gleichwohl prägte die dunkle Farbe der Dosen das Image der Konservennahrung negativ. Im häuslichen Bereich, dessen Vorkriegs-Dosenverbrauch vornehmlich auf dem Lande nicht wesentlich hinter dem der Industrie zurückstand, griff man nun jedenfalls stärker auf Gläser zurück, obwohl die Schwarzblechdosen 1940 seitens der Leipziger Versuchsstelle für Hauswirtschaft im Deutschen Frauenwerk überprüft und freigegeben worden waren.306 In der unmittelbaren Nachkriegszeit blieb Schwarzblech bis 1948 alternativlos, erst danach waren verzinnte Bleche wieder frei verfügbar. Nach dem dramatischen Preisverfall und Produktionseinbruch 1949/50 setzten die Konservenproduzenten fast durchweg wieder auf das hochwertige Weißblech und konnten so ihre Absatzziffern bis in die frühen 1960er Jahre mehr als verfünffachen.307 Die Konservendose wurde nun gezielt als Marketinginstrument eingesetzt, fast 500 verschiedene Formen im Fleisch- und Wurstwarensektor belegen einen intensiven Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Konsumenten im Verkaufsregal.308 Insgesamt aber gelang es den deutschen Anbietern nicht, Konservennahrung vom Image einer billigen, qualitativ minderwertigen Mas 302 Ebd., 285. 303 Zu den propagandistisch geförderten Erwartungen vgl. Entwicklung einer zinnfreien Konservendose, Der Vierjahresplan 4, 1940, 279–280; Funk, Werner: Die Umstellung der Blechpackungsindustrie, Der Vierjahresplan 5, 1941, 414–416. 304 Sparsame Verwendung von Verpackungsmaterial in der Nahrungsmittel-Industrie, Braunschweigische Konserven-Zeitung 1942, Nr. 47/48, 11–12. 305 Vgl. Die Konservendose von heute, DVW 11, 1942, 1195; Serger, H[ermann]/Güldenpfennig, F.: Die Neue Konservendose, Die Fisch- und Feinkostindustrie 21, 1949/50, 42–44, hier 42. Umfassend zur Industrieforschung Fürst, Reinmar: Verpackung. Gelobt, getadelt, unentbehrlich. Ein Jahrhundert Verpackungsindustrie, Düsseldorf/Wien 1973, 161–170. 306 Wann können Schwarzblechdosen verwendet werden?, Zf VE 15, 1940, 281–282. 307 Vgl. zu den internen Debatten Weißblech oder Schwarzblech?, IOGV 34, 1949, 116–117. 308 Klenke, Eberhard: Konservendosen gestern und heute, EW 8, 1961, 584–586.

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senware zu befreien, zumal die außenwirtschaftliche Liberalisierung Billigimporte förderte. Dem beträchtlich gewachsenen Wissen um Materialeigenschaften und zahlreichen Verbesserungen ihres Gebrauchswertes zum Trotz trat die nicht transparente Konservendose in den 1950er Jahren neben die für Gemüse immer wichtiger werdende Glasverpackung, und fiel insbesondere hinter die trans­parenten Kunststoffverpackungen zurück.309

5.3.3 Cellophan. Transparente Kunststoffe Der immense Bedeutungsgewinn der Kunststoffverpackungen in den 1950er Jahre und die geschichtswissenschaftlichen Debatten über das sog. 1950er Syndrom, also den Übergang zum »Massenkonsum« auf petrochemischer Grundlage, relativieren frühere Veränderungen des Verpackungswesens.310 Doch nicht allein der Begriff »Kunststoff« wurde schon vor 1914 geprägt, sondern damals wurden neue Werk- und Verpackungsstoffe, wie Viskose, Bakelit und Cellophan, schon großbetrieblich produziert. Dadurch tritt die Zwischenkriegszeit als Phase einer durch politische Prioritätssetzungen zurückgestauten Konsumentwicklung in den Blick.311 Für den Verpackungssektor bedeutsam wurden vorrangig auf Cellulosebasis produzierte Transparentfolien. Das im Rahmen von Forschungen zur Kunstseide seit 1905 bekannte, 1908 dann patentierte Cellophan bildete eine wichtige Innovation, deren offensichtliche Qualität der sprechende Name – durchsichtiger Zellstoff – verdeutlichte. Entdeckt durch den Schweizer Chemiker Jacques E. Brandenberger, war Cellophan ein glatter, glänzender Werkstoff ohne Eigengeruch und -geschmack, zudem staubsicher und nicht fettlöslich. Gleichwohl blieb seine Verwendung vor dem Ersten Weltkrieg noch offen, mussten Einsatzgebiete erst gefunden werden. Der spätere »Zauberer, der Werte erhält«312 wurde bis 1912 noch in Stärken von 0,1 mm produziert, erst dann gelang eine Reduktion auf Foliendicken von 0,02 mm, die Cellophan seine charakteristische Flexibilität bei gleichzeitiger Robustheit gaben. Die Massenproduktion wurde 1913 zuerst 309 Benzinger, Wolfgang: Der Blechpackung zum 150. Geburtstag, EW 7, 1960, 506, 509–510. 310 Vgl. etwa Beutler, Nicole u. a.: Eine Gesellschaft packt aus: Konsum, Verpackung und Abfall, in: Pfister, Christian (Hg.): Das 1950er Syndrom. Der Weg in die Konsumgesellschaft, Bern/Stuttgart/Wien 1995, 405–410 sowie insbesondere Nast, Matthias: Die stummen Verkäufer. Lebensmittelverpackungen im Zeitalter der Konsumgesellschaft, Phil. Diss. Bern, Bern u. a. 1997. 311 Zudem wird vielfach nicht sachkundig argumentiert. Vgl. etwa für Cellophan Teuteberg, Hans J.: Die Rationalisierung der Warenverpackung durch das Eindringen der Kunststoffe, in: Feldenkirchen, Wilfried/Schönert-Röhlk, Frauke/Schulz, Günther (Hg.): Wirtschaft, Gesellschaft, Unternehmen. […], Teilbd. 2, Stuttgart 1995, 721–756, hier 743. 312 Nägler, Kurt: Cellophan, Berlin 1938, 9.

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in Frankreich aufgenommen, der eigentliche Durchbruch lag jedoch in den frühen 1920er Jahren. Seit 1924 produzierte DuPont Cellophan für den US -Markt. Den Betriebschemikern gelang 1927 zudem eine wesentliche Verbesserung der Werkstoffeigenschaften. Durch aufgetragene Wachse wurde Cellophan-Wetterfest wasserdicht. Alterungssensible Lebensmittel, etwa Zigarren oder Kekse, konnten so ihr Aroma deutlich länger erhalten. Eine Zigarettenmarke wie Camel erzielte Ende der 1920er Jahre nicht zuletzt durch die neue »feuchthaltende« Verpackung beträchtliche Zuwachsraten.313 Trotz hervorstechender Materialeigenschaften besaß Cellophan jedoch einen wesentlichen Nachteil: Mitte der 1920er Jahre war es im Deutschen Reich ca. 10–15-mal teurer als Papier, eine Folge auch der seit 1923 bestehenden Preisund Konventionskartelle für Transparentfolien. In Deutschland etablierte sich die Wiesbadener Chemiefirma Kalle als Cellophan-Anbieter. Im Rahmen der Produktionsabstimmungen innerhalb der 1925 gegründeten I. G. Farben hatte sie die Lizenzen als Ausgleich für die bisher dominierende Farbstoff- und Pharmaproduktion von den Farbwerken Hoechst übernommen. Kalle war und blieb Marktführer, doch es gab durchaus erfolgreiche Konkurrenten. Die später ebenfalls zur I. G. Farben gehörige Walsroder Pulver- und Sprengstofffabrik Wolff & Co. musste nach dem Weltkrieg neue Produkte entwickeln, deren wichtigstes das seit 1923 produzierte Transparit war. Seit 1930 etablierte die Feldmühle, Papier- und Zellstoffwerke, Stettin zudem Heliozell, von dem 1931 ca. 200 t hergestellt wurden.314 Alle Transparentfolien wurden aus Zellstoff gewonnen, ihre Rohstoffbasis war nicht Erdöl, sondern Holz.315 In Deutschland dominierten sie den Markt flexibler Verpackungen bis in die späten 1950er Jahre und wurden erst in den 1960er Jahren durch Polyprophylen-Folien abgelöst. Cellophan erlaubte eine neuartige Ästhetisierung von Lebensmitteln. Während Papierverpackungen und Konservendosen vorrangig Schutzfunktionen erfüllten, boten Transparentfolien eine künstliche Nähe zum Lebensmittel, eine Illusion der Unmittelbarkeit, die zuvor nur bei frischen Lebensmitteln bestand. Zugleich aber trennten die Gebrauchseigenschaften des neuen Werkstoffes Konsument und Ware. Der Sehsinn trat einseitig in den Mittelpunkt, Geschmack, Geruch und taktile Elemente blieben dagegen ausgegrenzt. Transparentfolien wirkten analog zu Konservierungsmitteln, denn empfindliche Waren konnten vielfach erst durch sie überregional vertrieben werden. Sie erweiterten so die 313 Vgl. hierzu Gass, Franz Ulrich: Cellophan. Erfindung und Welterfolg, Wiesbaden 1956, 30. 314 Zu Wolff und Feldmühle vgl. detailliert Halama, M[arta]: Transparentfolien (Cellophan, Transparit, Heliozell, Ultraphan usw.), Berlin-Steglitz 1932, 234–240 (= 1932a). 315 Zur Produktionstechnik vgl. Cellophan, Die Umschau 31, 1927, 945–947; Halama, 1932a, 11–76; Halama, Marta: Der heutige Stand der Technik von Viskose-, Azetat- und Gelatinefilmen und ähnlichen Gebilden, Kolloid-Zeitschrift 61, 1932, 240–246 (inkl. Disk.) (= 1932b).

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Verfügungsbreite der Konsumenten, forciert von intensiven Werbefeldzügen der Produzenten, die sich insbesondere an Handel und Industrie richteten.316 War Cellophan in den späten 1920er Jahren noch vorrangig eine zierende Außenverpackung gehobener verpackter Produkte, entwickelte es sich zunehmend zur Haupt- bzw. Alleinverpackung.317 Im Lebensmittelsektor wurde Cellophan in den späten 1920er Jahren nicht vorrangig als schöne, sondern eher als hygienische Verpackung propagiert. Hygiene aber stand für Kulturentwicklung, für eine »stetig wachsende Verfeinerung«318 des Konsumsektors und höhere Ansprüche an die Lebenshaltung. Staub, Kehricht und Insekten mussten von der Ware ferngehalten werden, die normiert und sauber zu sein hatte. Transparentfolien wurden daher nicht nur als Verpackung von Back- und Süßwaren, Schokolade und Trockenfrüchten verwandt, sondern fanden sich auch als Abdeckmaterial in vorbildlichen Schaufenstern. Kunststoffe waren Teil der damaligen Rationalisierungsbewegung, verringerte man, verglichen mit Pappkartons, durch sie den Materialeinsatz doch auf ein Zwanzigstel. Steigende Absatzmengen und die qualitative Differenzierung der Folien führten Anfang der 1930er Jahre zu einem Preisverfall, ein Quadratmeter Cellophan kostete im Großhandel nun ca. 15 Pfg., Cellophan-Wetterfest dagegen das Doppelte.319 Das war immer noch deutlich teurer als Pappe und Papier, doch die Skaleneffekte erlaubten seine Verwendung auch bei preiswerteren Lebensmitteln. Wurden anfangs nur feine Pralinen in Cellophan verpackt, nutzte man es in den aufstrebenden Einheitspreisgeschäften auch für billiges Konfekt, schließlich gar für die Verpackung einzelner Pralinen.320 Ernährungsfachleute begrüßten die durch Verpackung garantierte Hygiene, hoben insbesondere ihre Vorbildfunktion für die Hauswirtschaft hervor. Auch hier sollten Speisen mit Folien abgedeckt werden. Durch Cellophan konnte »Sauberkeit und Hygiene bis in die kleinste Einzelheit unseres täglichen Tuns dringen«321. Der erhöhte Gebrauchswert veränderte Sortimente, Darbietung und Produktion. Die neuen Verpackungen dienten erstens dazu, bestimmte Wareneigenschaften positiv hervorzuheben. Typisch war anfangs etwa die Verwendung gelb bedruckten Cellophans für den Vertrieb von Nudeln. Während Kontrollen und Normierungen künstliche Färbungen unterbanden, sollte nun die Verpackung hohe Eiergehalte suggerieren. Derartige Irreführungen wurden durch die Verordnungen zum Lebensmittelgesetz, aber auch durch Kooperation von Chemi 316 Biegler, Peter: Fortschritt, Die Fisch- und Feinkost-Industrie NF 1934, 38–40, hier 39. 317 Vgl. Gesell, Heinrich: Zellglas im kriegswirtschaftlichen Werkstoffeinsatz, DVW 11, 1942, 771–773, hier 772. 318 »Cellophan« als Verpackungsmittel für Nahrungsmittel, DNR 1927, 203–204, hier 203. 319 Hamala, 1932a, 281. 320 Cellophan im Haushalt, o. O. 1937, 8. 321 Cellophan, 1937, 12.

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kern und Produzenten strikt eingeschränkt.322 Gleichwohl bot das Anfang 1930 in 14 verschiedenen Farben und sechs Stärken angebotene Cellophan weiterhin beträchtliche Möglichkeiten der Produktpositionierung.323 Transparentfolien erlaubten zweitens eine Qualitätssteigerung aromatischer verarbeiteter Lebens- und Genussmittel. Gerupfte Masthühner, »kochfertig u. bratfertig« konnten in urbanen Märkten angeboten werden, ebenso Süßwaren und Naschartikel. Kaffee behielt in der abgeschlossenen Cellophanpackung sein »volles Aroma«324, und Schokolade konnte ohne Angst vor Kakaomotten gekauft und verzehrt werden. Die neuen Kunststoffe schufen drittens auch Märkte für billige Massenprodukte, etwa Sauermilchkäse.325 Eine Rundfrage des Reichsverbandes Deutscher Käse-Industrieller Ende 1930 spiegelte den Marktdruck hin zu gefälligeren Verpackungen.326 Stanniol, seit der Jahrhundertwende vorrangig aus Aluminium hergestellt, war repräsentativ, »atmete« jedoch nicht. Cellophan erlaubte dies, gab zudem den Blick auf die Ware frei. Zugleich unterband es den strengen Geruch vieler Handkäsesorten. Anderseits führten Nachreifen und freier Blick des Konsumenten zu neuen Problemen, zu deren Lösung wissenschaftliche Expertise unabdingbar war. Es galt zum einen Fabrikationsfehler zu minimieren, um insbesondere Maden zu verhindern. Zum anderen aber mussten Farbveränderungen begrenzt werden, denn die Verpackung erforderte eine über lange Zeit ästhetisch attraktive Ware. Viertens schließlich veränderten die Transparentfolien schon lange vor Einführung der Selbstbedienung die Arbeitsabläufe innerhalb des Einzelhandels. Cellophan besaß offenkundige Vorteile für die innerbetriebliche Rationalisierung und die Gewinnung von Kunden. Die Vorverpackung ehedem loser Ware sollte eine effektivere Auslastung des Personals ermöglichen, die Wartezeiten der Kunden verkürzen, ihnen zugleich einen schnellen Überblick ermöglichen. Durch die leistungsstarke Hülle wurde eine distanzierte Nähe geschaffen, die anders als seit den 1960er Jahren noch einen Charme von Exklusivität ausstrahlte. Die Cellophan-Produktion stieg von 1926 300 t über 1930 1.000 t auf 1940 5.000 t, konnte auch während des Krieges weiter zulegen.327 Dies war keineswegs selbstverständlich, denn das Deutsche Reich war Holzimporteur. Die Cello 322 Vgl. Jesser, H[ugo]: Eierteigwaren in gelber Cellophanpackung, DNR 1930, 154–155; Rustige, [Heinrich]/Jesser, [Hugo]: Eierteigwaren in gelber Cellophanpackung, DNR 1930, 175–176. 323 Hamala, 1932b, 233. 324 Edeka DHR 28, 1935, 1070. 325 Vgl. Kretschmer, Kurt: Verpackungsmaterial und Verpackungsarten für Käse, Die Käse-Industrie 2, 1928/29, 205–207. 326 Kretschmer, Kurt: Die vielseitigen Formen und Größen der Sauermilchkäse und ihre Bewertung im Handel, Die Käse-Industrie 4, 1931, 26–28. 327 Gass, 1956, 116 bzw. 48.

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Abb. 65: Ästhetisierung durch transparente Verpackung – Geruchsloser Handkäse 1939

phanproduktion stand Selbstversorgungsidealen entgegen. Entsprechend sollte es nur dort eingesetzt werden, wo es »unter allen Umständen nicht entbehrt werden«328 konnte. Dieser staatliche Druck führte gar zum zeitweiligen Verbot der Zellglas-Produktion im Februar 1937. Doch seitens der Produzenten wurde nicht nur darauf verwiesen, dass einheimische Fichten zur Zellstoffproduktion dienten, sondern zugleich betont, dass Kunststoffe größere Mengen Papier, Pappe und auch Metalle einsparen könnten, die Devisenbilanz daher positiv sei.329 In anderen Bereichen der Materialwirtschaft waren die Vorteile noch offenkundiger. Angesichts der besonderen Vorliebe der Deutschen für Würste aller Art bildeten natürliche Wurstdärme schon während der Weimarer Republik ein wichtiges Importgut. Inländische Schlachtungen deckten nur drei Viertel 328 Lassen: Die Gefrierpackung unter Ausschluß von Paraffin und Cellophan, ZKI 47, 1940, 152–156, hier 154. 329 Nägler, 1938, 2–3.

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Abb. 66: Rationalisierung im Einzelhandel durch Einsatz von Cellophan – Anzeige 1937

Abb. 67a+b: Überzeugungsarbeit für den »natürlichen Fortschritt« – Anzeige 1934 (l.) und 1937 (r.)

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des Darmaufkommens ab, zwischen 1928 und 1934 wurden jährlich zwischen 34.000 und 40.000 t Naturdarm importiert.330 1929 kostete dies 90 Mio. RM, 1933 immerhin noch 40 Mio. RM. Naturdärme waren essbar, schmiegten sich an die Rohwürste an, ließen die Wurst zudem »atmen« und reifen. Doch da sie devisenträchtig waren, pro Meter ca. 2–5 g Kotrückstände aufwiesen, vor der Verwendung ein bis zwei Tage aufbereitet werden mussten und auch die schon in den 1920er Jahren intensivierte Mast zu schlechteren Darmqualitäten führte, wurden Kunstdärme zunehmend beworben und die Grundlagen­forschung im Rahmen des Vierjahresplans auch staatlich gefördert.331 Cellophan diente ab 1928 als Kunstdarmmaterial, doch teilte man sich 1935 den Markt mit vier größeren Konkurrenten, die jeweils verschiedene Systeme und Roh- bzw. Abfallstoffe verwandten.332 Kunststoffe dienten dazu, Zwischenprodukte zu optimieren. Wieder einmal galt es, mit neuem Wissen die »Natur« zu verbessern. Kunstdärme waren billiger und standardisiert, verursachten geringere Warenverluste und ließen sich einfacher lagern, waren sie doch fettfrei.333 Dem standen andere Arbeitsprozesse gegenüber, aber auch Befürchtungen vor künstlichem Geschmack, die durch die – mit Ausnahme des Naturin-Darms – Unverdaulichkeit der Kunstdärme noch unterstützt wurden.334 Entsprechend lehnten Fleischwirtschaft und auch führende Fachwissenschaftler noch Anfang der 1930er Jahre die neuen Hüllen ab.335 Die Rohstoff- und Devisenbewirtschaftung führte jedoch dazu, dass die Fleischwarenindustrie durch die zusätzliche Verwendung von Kunstdärmen nicht mehr auf Importe angewiesen war.336 Transparentfolien veränderten jedoch nicht allein Produktionsbereiche, sondern setzten sich auch im Haushalt durch. »Einmach-Cellophan« war eine der vielen Innovationen der späten 1920er Jahre, um Märkte für den Kunststoff zu kreieren.337 Auch hier dominierte der unmittelbare Gebrauchswert, denn die runden Scheiben waren »geruchsabdichtend, fettdicht, wasserunlöslich und 330 Decken, 1935, 106. 331 Würges, Oswald: Der Kunstdarm hat sich bewährt, DVW 11, 1942, 774, 776–777. 332 Raethel: Über Wursthüllen, die in der Fleischwarenindustrie zur Verwendung gelangen. Anatomisches, Gewerbliches, Geschichtliches und Naturdarmersatz, ZFMH 46, 1935/36, 21–29, 44–48, 65–69, hier 66. Zu nennen sind die Darmverwertungsges. mbH, Fulda (genähte Därme aus Rinderkranzdärmen), Schaub & Co., Hamburg (Naturin aus Resten der Lederherstellung, die allerdings Formaldehyd enthielten), Kalle & Co., Wiesbaden-Biebrich (Cellophan), Wilhelm Sopp, Wuppertal-Elberfeld (Sanipell als Kombination von Seidengewebe mit Hautpartikeln) sowie Brainos & Sohn GmbH, Berlin (Pflanzenfasern). 333 Vgl. etwa die Anzeigen in Edeka DHR 27, 1934, 837; DHR 29, 1936, 376 bzw. 423. 334 Cellophan, 1927, 27–28. 335 Vgl. Ostertag, R[obert] v.: Der »Naturin-Darm«, ein neuer, aus tierischen Rohstoffen hergestellter Kunstdarm, ZFMH 42, 1931/32, 401–403. 336 Tätigkeitsbericht, 1939, 151. 337 Schon 1936 erschien es als »altbewährter Markenartikel«, vgl. DHR 29, 1936, 296 bzw. Nr. 15, III .

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vollkommen steril.«338 Sie boten eine letztlich preiswertere Alternative zum kurz vor der Jahrhundertwende eingeführten Weck-Verfahren, das sich in den 1920er Jahren auch innerhalb der Arbeiterschaft verbreitete. Marmelade, während des Ersten Weltkrieges zum Massenprodukt geworden, konnte mittels »Einmachhaut« einfacher zubereitet und länger aufbewahrt werden.339 Dass während des Zweiten Weltkrieges praktisch alle Verbraucher Lebensmittel einmachten, ist auch auf diese einfachen Hilfsmittel zurückzuführen.340 Zugleich aber dienten die Kunststoffe einer rationalen Ordnung des Haushalts im Sinne von wissenschaftlicher Hygiene und Selbstversorgung. Die wachsende Selbstverständlichkeit von Kunststoffen manifestierte sich aber nicht allein bei Zwischenprodukten und im Haushalt, sondern ermöglichte zugleich Innovationen auf dem für das eiserne Dreieck zentralen Feld der Tiefkühlwirtschaft (Kap. 5.4.1). Sie erforderte eine parallele Entwicklung von Kältemaschinen, neuer Transport- und Lagertechnik, geeignetem Gefriergut und innovativen Verpackungen. Seit 1934 fanden an der TH Karlsruhe, dann seit 1936 am dortigen Reichsinstitut für Lebensmittelfrischhaltung, systematische Forschungen statt.341 Nicht nur bei der Technik standen US -Vorbilder Pate. In Übersee wurden seit den späten 1920er Jahren Verbundpackungen eingesetzt, bei denen Papierschachteln innen und außen mit Cellophan ausgekleidet wurden.342 Feuchtigkeitsschutz und Verkaufsappell erzielte man mittels einer relativ teuren Verpackung, für die im Deutschen Reich Alternativen gefunden werden sollten. Es galt, den Cellophan-Anteil zu minimieren. Auf die glänzende Außenhülle wurde meist verzichtet, zugleich die Materialeigenschaften der Transparentfolie verbessert. Das von Kalle entwickelte Cellophan AST war durch einen Speziallack wasserabstoßend und wasserdampfdicht.343 Da das Material zudem bei niedrigen Temperaturen flexibel blieb und bei Temperaturen gut übertragen konnte, bildeten Verbundkartons mit Cellophan die wichtigste Tiefgefrierverpackung bei Einführung der Gefrierkost in den späten 1930er Jahren.344 Da Cellophan heißklebend war, konnte das Gefriergut in automatischen Produktionsstraßen hygienisch verpackt werden, Massenproduktion wurde möglich. Ähnliches galt für Trockengemüse, das insbesondere vor Nässe geschützt 338 Cellophan im Haushalt, Die Umschau 31, 1927, 3. S. n. 1004. 339 Auch hier gab es weitere größere Anbieter, vgl. die Werbung für Heliozell in Edeka DHR 27, 1934, Nr. 19, Beil. bzw. DHR 29, 1936, 481. 340 Hierzu detailliert Ergebnisse einer Untersuchung über die häusliche Vorratshaltung, Markt und Verbrauch 14, 1942, 49–87. 341 Schoppmeyer, W.: Die Entwicklung der Gefrierpackungen in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Platten-Gefrier-Verfahrens, ZKI 47, 1940, 156–158, hier 156. 342 Vgl. Die Bedeutung des Birdseye-Verfahrens, Blätter für landwirtschaftliche Marktforschung 2, 1931/32, 27–31, hier 29–31. 343 Die wichtigsten »Cellophan« Sorten, DVW 13, 1944, Nr. 5, 3. Umschlags. 344 Zu den Materialeigenschaften vgl. Buchner, H.: Cellophan in der Gefriertechnik, ZKI 47, 1940, 151–152, hier 151.

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Abb. 68: Der schöne Schein des Eingemachten: Hygiene und Materialersparnis im Haushalt

werden musste. Die Forscher tönten, dass die deutschen Spezialverpackungen die US -Vorbilder übertroffen hätten.345 Das Kostenproblem bestand jedoch fort. Und wie in der Konservenindustrie zielte man auf preiswertere, wenngleich weniger ansprechende Ersatzlösungen. 1939 intensivierte Forschungen der Berliner Solo-Feinfrost GmbH bzw. des neu gegründeten »Reichsausschuß für wirtschaftliche Fertigung, Arbeitsgemeinschaft Werkstoffeinsatz im Verpackungswesen« mündeten in den »Verpackungstyp 1940«, in mit Pergament kaschierte Faltschachteln.346 Sie standen in der Tradition der seit Anfang der 1930er Jahre betriebenen Grundlagenforschung an Pergamynen. Die neuen Materialien setzten sich aufgrund ihres niedrigeren Preises und geringen Materialeinsatzes durch, obwohl die Lösungsmittelreste nie vollständig beseitigt werden konnten, das Verfahren technisch also nicht ausgereift war.347 Bei der Wehrmacht, dem Hauptabnehmer von Gefrierprodukten, akzeptierte man diese Nachteile angesichts der insge 345 Gesell, 1942, 773. 346 Lassen, 1940; Hoffmann, Johannes: Die Forschung im Verpackungswesen, Der Vierjahresplan 5, 1941, 417–418; Die Eco-Gefrier-Packung und ihre Herstellung, Braunschweigische Konserven-Zeitung 1941, Nr. 51, 7. 347 Schoppmeyer, 1940, 157–158.

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samt wichtigeren Grundversorgung mit Vitaminen. Cellophan-Verpackungen blieben gleichwohl im Einsatz, denn die neuen Materialien waren nicht säureund zuckerfest.348 Die deutschen Produzenten scheiterten daher an einer Standardverpackung, je nach Gefriergut wurden unterschiedliche Materialien und auch Formen verwandt. Die neuen Kunststoffe hatten sich jedoch als leistungsfähig erwiesen und boten gute Perspektiven für den anvisierten großgermanischen Massenmarkt, in dem die Materialkosten nicht mehr kriegsbedingt niedrig sein mussten.349 Wenig überraschend war Cellophan daher Teil der Kunststoffwelle in den 1950er Jahren. 1955 lag die Produktion fünfmal höher als 1938.350 Kalle erweiterte seine Produktpalette parallel jedoch auch um neue Kunststoffe auf petrochemischer Grundlage. Milchflaschen machten den Anfang, dann auch Verpackungen für Fertiggerichte bzw. neue Umverpackungen.351 Cellophan blieb gleichwohl mehr als ein Jahrzehnt wettbewerbsfähig, wobei die Ausweitung der Angebotspalette auf 60 Sorten Anfang der 1960er Jahre die kontinuierliche betriebliche Forschung spiegelt.352 Gerade im Bereich der Sichtverpackungen für Frischfleisch setzte der Cellulose-Kunststoff noch Mitte der 1950er Jahre Trends im anbrechenden Zeitalter der Selbstbedienung.353 Das Kunststoffzeitalter erreichte neue Höhen, doch seine Grundlagen wurden in der Zwischenkriegszeit gelegt.

5.4 Kombination von Lebensmittelproduktion und -konservierung: Fortschritte der Gefrierund Trocknungstechnik Die Gebrauchswerteigenschaften der Produkte veränderten sich in der Zwischenkriegszeit nicht allein durch vermehrtes Wissen über neue Stoffe, erhöhte Convenienceorientierung sowie zunehmend ästhetisierende Verpackungen. Auch und gerade die Produkte selbst wurden länger verfügbar. Entzeitlichung und Enträumlichung der Lebensmittelproduktion wurden durch technologische Innovationen weiter vorangetrieben. Während über Dekaden die Hitzesterilisie 348 Ueber Austauschverpackungen für Lebens- und Genußmittel, Braunschweigische Konserven-Zeitung 1942, Nr. 21/22, 9–10, hier 10. 349 Vgl. Schoppmeyer, [W.]: Probleme der Verpackungsindustrie im Rahmen der Gefrierwirtschaft, ZKI 51, 1944, 32, der nicht zuletzt auf die Materialrestriktionen hinwies. 350 Kalle-Kaleidoskop 1863–1963, Die Absatzwirtschaft 6, 1963, 560–561, hier 561. 351 Pinten, Peter: Über die heutigen Anwendungsgebiete der Kunststoffe, VDI-Zeitschrift 92, 1950, 345–348, hier 348. 352 Verpackungsfolien – Schwerpunkt von Forschung und Investitionen, Die Neue Verpackung 18, 1965, 1064–1066, hier 1066. 353 Klarsichtpackungen als »Wegweiser«, Die Neue Verpackung 15, 1962, 1124, 1126.

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rung die wichtigste, weil leistungsfähigste Art der Konservierung blieb, etablierten sich in der Zwischenkriegszeit zudem Gefrier- und Trocknungstechniken. Grundlegende Maschinen wurden schon im späten 19. Jahrhundert entwickelt, doch nun erst kam es zu einer Koppelung des Wissens von Maschinenbauern und Ingenieuren mit dem der Chemiker.354 Damit traten Fragen von Massenund Qualitätsproduktion in den unmittelbaren Horizont der Forschung. Genaue Kenntnisse der Verfahrenstechnik und der stofflichen Zusammensetzung waren unabdingbar, denn die neuen Konservierungsverfahren setzten ausgeklügelte Verbundsysteme voraus. Die Hitzesterilisierung war Teil handwerklicher Praxis, neue Maschinen ermöglichten dann Skaleneffekte und schließlich gelangen auf Druck von Großkunden, Kontrollinstanzen und auch Verbrauchern qualitative Verbesserungen der Rohwaren. Die neuen Konservierungstechnologien waren jedoch nur sinnvoll einsetzbar, wenn Innovationen auf den verschiedenen Ebenen der Wertschöpfungsketten parallel erfolgten. Dies bedeutete intensivierte Wissensarbeit, doch das anvisierte Ziel lockte insbesondere die Experten. »Naturfrische« bzw. vom Ballastwasser befreite Produkte schienen möglich; und aus den Rohwaren konnten nun zunehmend handhabbare Zwischenprodukte gewonnen werden, durch die tradierte Produktionsprozesse stofflich-preislich optimiert werden sollten. Haltbare Zwischenprodukte erlaubten zumindest mittelfristig ein beträchtliches Wachstum der Sortimente bzw. neue Qualitätsdifferenzierungen durch den Austausch von Einzelkomponenten. Man hoffte sich weiter von der Herkunft und den Ernte-Rhythmen landwirtschaftlicher Rohwaren emanzipieren zu können, Technik und Prozessanalysen galten als Garanten einer sicheren Versorgung auf Grundlage wissenschaftlicher Entdeckerfreude. Diese kleinteiligeren Gestaltungsträume von Chemikern, Ingenieuren und Unternehmern wurden insbesondere in den 1930er Jahren positiv kommentiert. Auch in Deutschland schien es möglich, den Lebensstandard zu heben, ihn gar an den der USA anzunähern. Künstliche Kost galt als Folge gesellschaftlicher Evolution. Es schien möglich, mittels Technik und stofflichem Wissen »praktisch unabhängig von Jahreszeit und Witterung«355 zu werden. Während die Hitzesterilisierung immer wieder Ängste und Kritik hervorrief, waren die neuen Konservierungstechnologien von Hoffnungen auf eine bessere, einfachere, stofflich und auch geschmacklich optimierte Lebensmittelversorgung begleitet. 354 Hierzu kundig und detailliert Dienel, Hans-Liudger: Ingenieure zwischen Hochschule und Industrie. Kältetechnik in Deutschland und Amerika, 1870–1930, Göttingen 1995. Technikgetriebene Branchen gab es nur wenige, etwa die Großmüllerei. Zumeist dominierte – abseits praktischer Expertise – chemisches und vielfach darauf aufbauendes agrarwissenschaftliches Wissen die Lebensmittelproduktion. Vgl. Heiss, R[udolf]: Die Lebensmitteltechnologie als Grenzaufgabe, DLR 44, 1948, 45–49, hier 45. 355 Fischler, 1940, 5.

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5.4.1 Primat der Großtechnik. Einsatz und Ausdifferenzierung der Kühl- und Gefriertechnik in Deutschland Mitte der 1920er Jahre gab es im Deutschen Reich ein breites Netzwerk unterschiedlicher Kühltechniken, doch diese standen sämtlich in der Tradition Carl von Lindes aus den 1870er Jahren.356 Das Kühlmittel »Natureis« konnte zunehmend durch »Kunsteis« ersetzt werden, und Lebensmittel wurden in Kühl- und Gefrierräumen gelagert.357 Obwohl die deutsche Maschinenbauindustrie mit entsprechenden Großkältemaschinen technisch nach wie vor führend war, ergänzten insbesondere US -Anbieter die Anwendungspalette durch zunehmend leistungsfähigere Kleinkältemaschinen. Während die Kältetechnik im Deutschen Reich vornehmlich von Brauereien, Schlachthöfen, Eisfabriken und Kühlhäusern genutzt wurde, entwickelten sich in Übersee schon vor dem Ersten Weltkrieg prosperierende Konsumgüterindustrien, etwa die Produktion von Speiseeis.358 Die ingenieurwissenschaftliche Fokussierung auf große Maschinen und die geringe Kaufkraft der bürgerlichen Schichten führten zu einem beträchtlichen Rückstand bei der Entwicklung von Kühlgeräten im Haushalt. In den 1930er Jahre waren hierzulande Eisschränke wesentlich häufiger als maschinell betriebene Kühlschränke. Kühltechnik wurde im Deutschen Reich ebenfalls für den Transport leicht verderblicher Waren genutzt, doch auch hier verlor man den Anschluss: Ende der 1920er Jahre standen den ca. 180.000 Kühlwaggons in den USA ganze 2.200 in Deutschland gegenüber.359 Analog betrug die Kühlhausfläche weniger als 1 % der US -amerikanischen Kapazitäten.360 Die Kühlhäuser dienten vornehmlich der kurz- und mittelfristigen Lagerung von Importwaren. Ihre Temperatu 356 Zu Linde vgl. Dienel, 1995, 104–118, 141–199; Dienel, Hans-Liudger: Die Linde AG . Geschichte eines Technologiekonzerns 1879–2004, München 2004, v. a. 35–109. 357 Vgl. Hennig: Die Segnungen der Kälte-Industrie für den Lebensmittelverkehr, ZKI 42, 1935, 195–199. 358 Vgl. Spiekermann, Uwe: Die verfehlte Amerikanisierung. Speiseeis und Speiseeisindus­ trie in Deutschland in der Zwischenkriegszeit, in: Heidrich, Hermann/Kussek, Sigune (Hg.): Süße Verlockung. […], Molfsee b. Kiel 2007, 31–38, hier 33–34. Kühltechnik wurde fast ausschließlich von der Lebensmittelindustrie nachgefragt, vgl. Modersohn, F.: Die Bedeutung der Kälteindustrie für eine Großstadt, insbesondere für Berlin, ZKI 41, 1934, 166–171, hier 166. 359 Angaben n. Dienel, 1995, 62. Vgl. auch Eis mit Stil. Eigenarten deutscher und amerikanischer Kältetechnik, in: Unter Null. Kunsteis, Kälte und Kultur, hg. v. Centrum Industriekultur Nürnberg u.d. Münchner Stadtmuseum, München 1991, 100–111. Noch Mitte der 1930er Jahre wurden die Kühlwaggons der Reichsbahn fast ausschließlich mit Wassereis gekühlt. 360 Hennig, 1935, 197. Kühlanlagen galten dabei vielfach als »Wohlfahrteinrichtungen« der Daseinsfürsorge, vgl. Heiss, [Clemens]: Kühlhäuser, in: Handwörterbuch der Kommunalwissenschaft, Bd. 3, Jena 1924, 197–198.

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ren waren daher vergleichbar hoch, schwankten zumeist zwischen null und wenigen Grad Celsius. Gefrierlagerung war vielfach ausgeschlossen. Hinzu kamen selbst gesetzte Restriktionen: Gefrierfleisch war seit dem Ersten Weltkrieg, als Importware v. a. aber seit 1924 zu einem preiswerten Lebensmittel für die weniger kaufkräftige Bevölkerung geworden, doch auf Druck der Agrarlobby wurden die Importe seit 1927 kontingentiert, 1931 dann eingestellt.361 Angesichts derartig begrenzter Kapazitäten war die Verbrauchslenkung hin zu mehr Fisch (Kap. 4.5.4) nochmals ambitionierter. Gleichwohl gab es gewichtige Gründe für einen Ausbau der Kühltechnik auch im Deutschen Reich. Sie lagen weniger in dem staunend rezipierten Vorbild der USA als der grundsätzlich angestrebten Selbstversorgungs- und Vorratswirtschaft.362 Produktionsüberschüsse und Missernten sollten durch Kühlund Lagertechnik abgemildert, im Idealfall ausgeglichen werden. Ökonomische Planungssicherheit bedeutete aber zugleich eine schrittweise Emanzipation von saisonalen Ernte- und Ertragsrhythmen. Sie wichen je nach Lebensmittel stark voneinander ab. Setzt man die Durchschnittsversorgung gleich 100, schwankten die Rinderschlachtungen in den frühen 1930er Jahren zwischen 90 und 120, die der Schweine zwischen 110 und 90. Die Milchproduktion variierte zwischen 130 und 80, das Marktangebot von Obst und Gemüse zwischen 40 und 180. Mangels einer spezialisierten und großbetrieblichen Hühnerzucht waren die Amplituden bei Eiern besonders ausgeprägt, denn zwischen März und Juni erfolgten 60 % der Erzeugung, derweil im Oktober und November Frischeier nicht verfügbar waren.363 Während der Eiweißbedarf durch unterschiedliche Ernte- und Produktionsrhythmen ganzjährig zu decken war, konnte die Vitaminversorgung ohne Konservierungstechniken nicht sichergestellt werden. Eine gelenkte Lebensmittelversorgung erforderte neue Investitionen, zumal sich die Lagerfristen bei verringerten Importmengen erhöhen mussten. Eine »möglichst verlustlose Lagerung« schien »eine nicht weniger wichtige Voraussetzung für die Ernährung aus eigener Scholle« zu sein, »als die Erzeugung selbst«364. Wollte man das strategische Potenzial der Kühltechnik ausnutzen, war neues Verfügungswissen

361 Vgl. Die Auswirkungen der Gefrierfleischkontingentierung auf die Preisbildung des Gefrierfleisches. Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses für Landwirtschaft (II . Unterausschuß). Sonderveröffentlichung, Berlin 1928; Fleißner, Hermann/Schäfer, W[ilhelm]: Der Kampf um das Gefrierfleisch, KR 28, 1931, 206–208. 362 Mosolff, Hans: Vorratswirtschaft durch Kälte, DVW 8, 1939, 84–86. Vgl. auch Mosolff, Hans: Einsatz der Gefrierwirtschaft für die Vorratswirtschaft, Der Vierjahresplan 4, 1940, 140–144, hier 140–141. 363 Angaben n. Metzdorf, 1938, 21–30. 364 Heiss, Rudolf: Die Aufgaben der Kältetechnik in der Bewirtschaftung Deutschlands mit Lebensmitteln, Bd. A, Berlin 1939, 3. Einen Überblick der damit einhergehenden Maßnahmen bietet Heiss, Rudolf: Anleitung zum Frischhalten der Lebensmittel, 2. verb. u. erw. Aufl., Berlin 1945.

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unabdingbar. Dieses entwickelten erst einmal Ingenieure, dann aber auch Chemiker und Physiologen.365 Diese Aussage spiegelt die schon beträchtliche Blickfeldfokussierung der einzelnen Wissenschaften zu dieser Zeit. Chemiker und Physiologen konzentrierten sich vornehmlich auf Rohwaren und Endprodukte, waren aber abseits weniger Betriebslaboratorien nur selten mit Prozessanalysen betraut. Maschinenbauer und Ingenieure untersuchten und optimierten dagegen die Maschinen selbst, waren jedoch mit den Veränderungen der Lebensmittel während der Verarbeitung kaum vertraut. Gleichwohl findet man seit dem Ende des Ersten Weltkrieges langsame Veränderungen. Die Bromatik sensibilisierte Chemiker und Hauswirtschaftswissenschaftlerinnen, während die von der Vitaminlehre inspirierten Verbraucher vielfach andere Produkte nachfragten (Kap. 4.3.1). Die Entwicklung der Kühl- und Trocknungstechnik veränderte auch die Wissensproduktion der Ingenieure. Paradigmatisch hierfür stand der Maschinenbauer Rudolph Plank.366 Schon während des Ersten Weltkrieges war er nicht nur bestrebt, die deutschen Kühlhauskapazitäten vorrangig für die Fleischlagerung auszubauen und möglichst optimal zu nutzen, sondern arbeitete auch an neuen Verfahren zum Tiefgefrieren von Seefisch.367 Nach dem Wechsel von Danzig nach Karlsruhe im Jahre 1925 gründete Planck dort 1926 das Kältetechnische Institut, das Forschung und Lehre miteinander verbinden sollte. Nicht nur die zu großen Teilen von der Kälteindustrie stammende Grundausstattung legte angewandte Forschung nahe, sondern auch der relative Bedeutungsverlust deutscher Innovationskraft. Planck, durch zahlreiche Studienreisen sensibilisiert, positionierte die Kältetechnik als Grenzgebiet. Diese interdisziplinäre Perspektive schloss volkswirtschaftliche Problemstellungen mit ein und zielte daher bewusst auf Forschungen über die »besten Kaltlagerungsbedingungen für die einheimischen Erzeugnisse«. Dies schien konsumpolitisch einschlägig zu sein: »Der Segen der künstlichen Kälte soll Allgemeingut werden.«368 Für diese Ideen warb Plank in den Folgejahren, band den Deutschen Kälte-Verein, den badischen Staat und viele Unternehmen ein; und doch misslang ein größerer Durchbruch, schien der deutsche Markt doch wenig aufnahmefähig, fehlte es auch an einschlägigen 365 Noch Anfang der 1930er Jahre war vorrangig die chemische Industrie, nicht aber die Lebensmittelchemie im Bereich der Kühltechnik tätig, vgl. Plank, R[udolph]: Die Beziehungen zwischen der Kältetechnik und der chemischen Industrie, ZKI 37, 1930 (= 1930a), 209–212. 366 Vgl. Dienel, 1995, 406–410; Neumeier, Gerhard: Rudolf [sic!] Plank 1886–1973: Pionier der Kältetechnik in Deutschland, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 158, 2010, 447–477. 367 Vgl. etwa Plank, R[udolph]: Kriegsaufgaben der Kühlhäuser, ZKI 23, 1916, 57–64; Plank/Ehrenbaum/Reuter, 1916. 368 Ebd., 167 (auch für das vorherige Zitat).

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Fachleuten. Plank entwickelte engagierte Reformmodelle für die universitäre Ausbildung und neue Berufsbilder, etwa den »Chemie-Ingenieur« bzw. »Lebensmittel- oder Kälteingenieure«.369 Lebensmittelkunde war hierfür unabdingbar, zumal sich die Karlsruher Forschungen nun immer stärker auf die Kaltlagerung von Obst und Gemüse erstreckten. Planks Vorarbeiten und Konzepte fielen schließlich im Reichsnährstand auf fruchtbaren Boden. 1934 begannen intensive Kooperationen, die nicht zuletzt durch die Parteiarbeit seines erst wichtigsten Mitarbeiters und späteren Konkurrenten, des Ingenieurs Rudolf Heiss, im 1936 gegründeten Reichsinstitut für Lebensmittelfrischhaltung mündeten.370 Schon 1935 war eine Außenstelle des Kältetechnischen Instituts in Wesermünde gegründet worden, um Grundlagenforschungen zum Rohstoff Fisch zu bereiten, zugleich aber die Kühlkette für dessen Absatz zu implementieren.371 Auch wenn die Ressourcen der Karlsruher Institutionen überschaubar blieben – 1940 arbeiteten im Kältetechnischen Institut sieben und im Reichsinstitut elf Wissenschaftler372 – initiierten und begleiteten die dortigen Experten doch zahlreiche Unternehmen. Diese Arbeit für den Vierjahresplan zielte nicht nur auf Kälteingenieure, sondern noch stärker auf die Fortbildung von Fachkräften. Zu Beginn des Krieges durchgeführte Kurse besuchten bis zu 700 in- und ausländische Praktiker, das Gefriertaschenbuch des Instituts hatte eine Startauflage von 8.000 Exemplaren.373 Auch wenn sich Plank nach dem Kriege über die im Vergleich zu den USA stets unzureichenden Forschungsmittel echauffierte, handelte es sich doch um beträchtliche, vorrangig staatliche Investitionen in angewandte Forschung, deren Effizienz durch Technologietransfer aus den skandinavischen Ländern und den USA nochmals erhöht wurde.374 369 Plank, R[udolph]: Die Ausbildung von Kälte-Ingenieuren, ZKI 35, 1928, 219–221, hier 219. 370 Plank, R[udolph]: Wissenschaftliche Forschung auf Grenzgebieten. Zur Eröffnung des Reichsinstituts für Lebensmittelfrischhaltung in Karlsruhe, FD 1, 1936, 891–897. Zur »weltanschaulichen« Positionierung von Heiss vgl. insb. Heiss, R[udolf]: Umriß: Wird der Nationalsozialismus die technische Kulturkrise lösen?, in: Ders. (Hg.): Die Sendung des Ingenieurs im neuen Staat, Berlin 1934, 1–11. 371 Heiss, R[udolf]: Einrichtungen und Aufgaben der Außenstelle des Kältetechnischen Instituts in Wesermünde, DFR 1935, 554–557. 372 Piegler, 1940, 376. 373 Plank, R[udolph]: Die Tätigkeit des Kältetechnischen Instituts der Technischen Hochschule Karlsruhe in der Zeit vom 1. April 1939 bis zum 31. März 1942, VLF 5, 1942, 200–209, hier 200; Gefrier-Taschenbuch. Herstellung, Bewirtschaftung und Verbrauch schnell gefrorener Lebensmittel, hg. v. VDI, Berlin 1940. Eine zweite erweiterte Auflage erschien 1944. 374 Vgl. Plank, R[udolph]: Landwirtschaftliche und kältetechnische Probleme bei der Erzeugung von getrocknetem Obst und Gemüse in Amerika, IOGV 34, 1949, 126–132, hier 132. Innerhalb der Konservierungsindustrie wurden die breite naturwissenschaftliche Ausbildung und die »Gemeinschaftsforschung« weiter praktiziert, vgl. Bömmels, Nicolaus: Probleme der Nachwuchsausbildung in der Konserven-Industrie, IOGV 34, 1949, ­82–85;

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Die sich Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend etablierende Kühltechnik diente der Verzögerung von Stoffwechselprozessen, verlängerte so die Haltbarkeit der Lebensmittel. Doch ebenso wie Hitze konnte Kälte nicht beliebig eingesetzt werden. Längeres Lagern bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt zerstörte die Zellstrukturen, damit aber Konsistenz und vielfach auch Geschmack des Gefriergutes. Fleisch bildete eine bedingte Ausnahme, auch wenn der süßlichere Geschmack des Gefrierfleisches gewöhnungsbedürftig war und das aufgetaute Fleisch unmittelbar verarbeitet werden musste. Entsprechend tüftelten schon vor dem Ersten Weltkrieg Praktiker und Maschinenbauer daran, schonendere Gefriertechniken zu entwickeln. Anders als bei der Hitze­ sterilisierung ging es allerdings nicht vorrangig um den Stoffgehalt der Lebensmittel, vielmehr sollten sie erstens längere Zeit der Zersetzung entzogen werden und zweitens ein geschmacklich akzeptables Produkt liefern. Dazu setzte man auf eine nur kurze, intensive Zeitspanne des Gefrierens. Bei diesem »Schnellgefrieren« bildeten sich rasch Eiskristalle, die Zellverreißungen verhinderten, zugleich aber die Flüssigkeit innerhalb des Gefriergutes lokalisierten.375 Ebenso wichtig waren prozesstechnische Vorteile, wurde doch zugleich die Produktionszeit wesentlich verringert. Die technische Umsetzung warf gleichwohl immense Probleme auf. Das erste funktionsfähige Schnell­ gefrierverfahren wurde von dem dänischen Fischgroßhändler Anton Ottesen bis 1911 zur Patentreife entwickelt, kleinere Produktionsbetriebe entstanden schon kurz danach in Skandinavien.376 Großbetrieblich wurde es Anfang der 1920er Jahre in den USA eingesetzt, seit 1925 besaß auch die Wesermünder Kühlfisch AG eine Ottesen-Gefrieranlage mit einer Tageskapazität von 15 t.377 Der Frischfisch wurde nach dem Fang auf 0 °C vorgekühlt, dann in eine unter dem Gefrierpunkt liegende Kochsalzlösung getaucht. Dieser direkte Kontakt mit dem Gefriermittel führte zu geschmacklichen Einbußen, langes Wassern war nötig, um die Fische weiterverarbeiten zu können. Gleichwohl konnte so die Schwundquote wesentlich verringert werden, zumal man seit Mitte der 1920er Jahre Schnellgefrieranlagen auch auf Hochseeschiffen installierte, um »fangfrischen« Gefrierfisch zu ermöglichen.378 Das Ottesen-Verfahren wurde in den Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Obst- und Gemüseverwertungs-Industrie in Braunschweig vom 3. bis 5. Mai 1949, IOGV 34, 1949, 162–167, insb. 165. 375 Vgl. Herrmann, Josef: Lehrbuch der Vorratspflege. Haltbarmachen, Frischhalten und Lagern von Lebens- und Futtermitteln, Berlin (O) 1963, 529. 376 Eine ganz neue Gefriermethode, Die Kälte-Industrie 10, 1913, 85–86; Kuppelmayr, Hans: Das Einfrieren von Fisch in Salzlösung, ZKI 25, 1918, 82–84. 377 Vgl. Schlienz, Walter: Das Ottesen-Gefriersystem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Die Fischwirtschaft 3, 1927, 160–162; Schlienz, Walter: Die Kühlanlagen der Kühlfisch-Aktien-Gesellschaft in Wesermünde, ZKI 37, 1930, 115–120. 378 Fischgefrieren an Bord von Fischdampfern, Die Kälte-Industrie 23, 1926, 81; Plank, R[udolph]: Das Gefrieren von Fischen auf hoher See, Die Fisch-Industrie 3, 1927, 89–93.

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1920er Jahren vielfach verbessert, ca. 200 einschlägige Patente vor dem Zweiten Weltkrieg verdeutlichen die Entwicklungsdynamik.379 Ziel war es, etwa durch Berieselung oder Zerstäubung, die Kontaktzeiten von Sole und Gefriergut zu reduzieren.380 Derartige Verfahren wurden im Deutschen Reich rezipiert und diskutiert, jedoch nicht eingeführt. Anders dagegen das Plattengefrierverfahren des US -Meeresbiologen Birdseye.381 1929 patentiert, trennte es Gefriergut und Kühlmittel. Dadurch blieb der Geschmack von Fisch und dann Fleisch, später auch zahlreicher anderer Lebensmittel, erhalten. Das Gefriergut wurde in Ziegelformen vorgepackt, diese auf Metallplatten gelegt, durch die das Kühlmittel zirkulierte und anschließend im Froster zusammengepresst. Die Kontaktzeit lag teils unter einer Minute. Künstliche Kost mit vollem Vitamingehalt schien möglich. Deutsche Konsumgenossenschafter, Betreiber von Europas größter Fleischfabrik, träumten von neuen Konsumwelten: »Fischfilets, Fleischschnitzel, Steaks usw. werden fortan in kleinen Packungen zu haben sein.«382 Nun schienen Gefrierkonserven ohne Konservierungsmittel und Farbstoffe sowie Massenproduktion auch im Lebensmittelsektor möglich zu sein. Die häusliche Arbeit würde einfacher, und hochwertige Lebensmittel preiswerter werden. Die doppelte Verwissenschaftlichung schien den Weg zu weisen. Gleichwohl sollte es noch bis 1939 dauern, ehe das Birdseye-Verfahren auch in Deutschland genutzt wurde. Die Weltwirtschaftskrise unterminierte nicht nur den Optimismus der Konsumgenossenschaften, sondern verringerte auch Kaufkraft und Investitionsmittel, die für den Aufbau der Produktionsbetriebe und der Absatzstruktur unabdingbar waren. Zugleich hoffte man durch deutsche Entwicklungsarbeit eigene, ähnlich leistungsfähige Verfahren entwickeln zu können, und damit devisenträchtige Lizenzgebühren umgehen zu können. Verfügbare Forschung und Technologie allein reichten nicht aus für die Gründung einer neuen Gefrierindustrie. Schon in den 1920er Jahre hatte sich eine Speiseeisproduktion nach amerikanischem Vorbild im Deutschen Reich nicht etablieren können. Die Vorteile der neuen Produkte waren zwar offen­ kundig, denn sie erlaubten eine vollständige Verarbeitung anfallender Saisongüter, konnten die jahreszeitlichen Versorgungsrhythmen ausgleichen helfen, bewahrten Nährstoffe und Vitamine und – für den Markterfolg besonders wichtig – Geschmack, Geruch, Farbe und Konsistenz des Gefriergutes.383 Doch 379 Ein Überblick gibt Heiss, R[udolf]: Die Entwicklung der Schnellgefrierverfahren für Lebensmittel im Licht der Patentliteratur, ZKI 49, 1942, 82–86, 96–100. 380 Einen Überblick bietet Plank, R[udolph]: Moderne Schnellgefrierverfahren, ZKI 37, 1930, 94–95. 381 Vgl. Kurlansky, Mark: Birdseye. The Adventures of a Curious Man, New York u. a. 2012. 382 Kraemer, Erich: Gefrorene Lebensmittel, KR 28, 1931, 171–173, 196–197, 216–218, hier 217. 383 Vgl. Diemair, Willibald: Gefrorenes Obst, gefrorenes Gemüse, Die Umschau 45, 1941, 459–462, hier 460.

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die vorrangig interessierten Konserven- und Fischverarbeitungsfirmen blieben skeptisch, lagen die Investitions- und Betriebskosten doch deutlich höher als bei der Hitzesterilisierung und der Kühlung.384 Angesichts der strategischen Bedeutung neuer Konservierungsverfahren für die Vorratswirtschaft und insbesondere die Verpflegung der Wehrmacht, trat seit 1937 der NS -Staat zunehmend in den Mittelpunkt des Geschehens. »Kühl- und Gefriertechnik« gehörten zu den »vordringlichsten Aufgaben des Vierjahresplans.«385 Die Vierjahresplanbehörde, vorrangig das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, lockte mit Abnahmegarantien und berechenbaren Festpreisen und garantierte die Belieferung mit Maschinen und Personal: »Wir wollen die Sache zunächst der Privatwirtschaft überlassen.«386 Zugleich ließ man keinen Zweifel daran, dass im Falle der Ablehnung die Gefrierindustrie staatlicherseits aufgebaut werden würde. Entscheidend aber wurde das Drängen des Oberkommandos des Heeres, wo Wilhelm Ziegelmayer und Ernst Pieszczek konsequent auf die neue Konservierungstechnologie, insbesondere auf das Birdseye-Verfahren setzten.387 Sie nutzten nicht allein die Forschungsinfrastruktur der Karlsruher Institute und einzelner Unternehmen, sondern bauten innerhalb der Wehrmacht eigene Expertise auf. Das 1942 in München gegründete, von Rudolf Heiss geleitete Institut für Lebensmittelforschung dokumentiert den Anspruch eigener Wissenshoheit durch leistungsfähige Entwicklungskapazitäten (Kap. 6.1.1).388 Eine Geschichte der deutschen Gefrierindustrie fehlt. Grundsätzlich lassen sich vier Gruppen voneinander scheiden, die auch die Entwicklung des Tiefkühlgeschäftes in der Bundesrepublik dominiert haben.389 Die wichtigsten entwickelten sich aus der Konservierung von Seefischen. Die Hamburger Reemtsma-Gründung Andersen & Co. KG setzte dabei auf deutsche Technologie. Das von Borsig fortentwickelte Heckermann-Verfahren eignete sich vor allem für Massengüter, da die Luftstromkühlung keine Vorverpackung erforderte.390 Es wurde vorrangig auf Fischfangmutterschiffen eingesetzt. Die Nordsee Deutsche Hochseefischerei AG setzte in Kooperation mit der Unilevergründung Solo 384 Berichte über die Forschung in der Lebensmittel-Industrie und des Fachausschusses beim VDI-DKV und VdCh. […], ZKI 45, 1938, 71–78, hier 75 (Linge). 385 Mosolff, 1939, 86. 386 Berichte, 1938, 77 (Schammel). 387 Hilck, Erwin/Hövel, Rudolf auf dem: Jenseits von minus Null. Die Geschichte der deutschen Tiefkühlwirtschaft, o. O. 1979, 34; Ziegelmayer, Wilhelm: Unsere Lebensmittel und ihre Veränderungen. Mit einer Darstellung der Lehre von der Kochwissenschaft, 2. verb. u. verm. Aufl., Dresden/Leipzig 1940, 272. 388 Heiss, R[udolf]: Aufgaben des Instituts für Lebensmittelforschung, in: Erste Arbeits­ tagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 4–6. 389 Vgl. hierzu insbesondere Die zweite Gefrierkonservensaison. Anbauverträge mit der Landwirtschaft, Frankfurter Zeitung 86, 1942, Nr. 102/03 v. 25.02., 5. 390 Zu vergleichenden Untersuchungen s. Paech, K[arl]: Gefrieren von Obst und Gemüse, VLF 1, 1938, 211–216, hier 215–216.

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Feinfrost GmbH (die spätere Iglo) dagegen auf stationäre Birdseye-Froster, die seit 1939 von Linde in Lizenz produziert wurden. Der durch eine 1937 von Unilever sowie Plank und Heiss initiierte Deutschlandreise Birdseyes vorbereitete Technologietransfer erfolgte über die niederländische Unilever-Gruppe. Andersen und Solo Feinfrost erweiterten seit Kriegsbeginn ihre Produktpalette und entwickelten sich zu den führenden Gefrierkonzernen. Fleisch, Obst und Gemüse sowie Eier wurden von Andersen vornehmlich für die Wehrmacht produziert, während Solo Feinfrost auch für die Zivilbevölkerung arbeitete. Andere Fischgefrierunternehmen, etwa die vom Fischhandel gegründete Lohmann & Co. KG, Hamburg, sowie die Gefriertechnische Gesellschaft deutscher Hochseefischereien mbH, Wesermünde, diversifizierten nicht und blieben daher von geringerer Bedeutung. Eine zweite Gruppe gründete auf der Speiseeisherstellung. Die Berliner Grönland GmbH entstand 1925, Jopa-Eis entwickelte sich aus einer 1933 von Josef Pankofer in München eröffneten Eisdiele, 1935 wurde Langnese (seit 1936 im Besitz von Unilever), 1936 Schöller gegründet.391 Auch diese Firmen diversifizierten, insbesondere Jopa entwickelte sich durch systematische Aufkäufe im eroberten Ausland zu einem führenden Anbieter von gefrorenem Obst und Gemüse. Das Wachstum beider Gruppen basierte vielfach auf Lohnfertigung bei Dosenkonservenproduzenten392, die aber insbesondere seit 1940 ebenfalls die neuen Marktchancen nutzten. Zu dieser dritten Gruppe gehörten mittlere Betriebe, wie etwa Dr. Willy Knoll, Nürnberg, die Konservenfabrik W. Zinnert in Potsdam oder die Fa. Sössing in Laufa a.d. Unstrut. Sie schlossen sich 1942 zur Ahena GmbH zusammen, um sich gegenüber den Gefrierkonzernen behaupten zu können. Schließlich gab es viertens auch vertikale Diversifizierungen, da Kühl- und Gefrierhäuser von der Lagerung zur Produktion übergingen.393 Die Produktionsbetriebe stellen dabei nur die Spitze des Eisberges dar, denn die neue Industrie bewirkte beträchtliche Pulleffekte im Maschinenbau und der Fahrzeugtechnik. Leistungsfähige Froster und Transportmittel, Gefrierlager und Tiefkühltruhen waren unabdingbar, um die »naturfrische« künstliche Kost abseits der Fanggründe und Ernteregionen konsumieren zu können.394 391 Vgl. detailliert Reinders, Pim: Licks, Sticks & Bricks. A World History of Ice Cream, Rotterdam 1939, 393–403 sowie jubelnd und detailliert Schöllgen, Gregor: Der Eiskönig. Theo Schöller. Ein deutscher Unternehmer 1917–2004, München 2008. 392 Völz, Walter: Die deutsche Tiefgefrierwirtschaft. Wesen, Weg und Grenze, IOGV 34, 1949, 2–4, hier 3. 393 Es handelte sich vorrangig um die eng mit dem Karlsruher Instituten kooperierende badische Firma Bratzler und das Kühl- und Gefrierhaus »Vitam« Hans Dencke in Neubarim (Gefrierkonservensaison, 1942). Andere Dienstleister bauten Gefrierkapazitäten zur Selbstversorgung auf, etwas die Berliner Aschinger AG . 394 Einschlägige Anbieter waren etwa die Eduard Ahlborn AG , Hildesheim, die Berge­ dorfer Eisenwerke AG , die Astra Werke, Hamburg, Rheinmetall-Borsig AG , Berlin, Brown, Boveri & Co. AG , Mannheim, die Gesellschaft für Linde’s Eismaschinen, Wiesbaden sowie

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Insgesamt wuchs die Tiefkühlindustrie langsam aus verschiedenen Teilbranchen heraus. Die Gefriertechnik wurde vielfach neben anderen Produktionsparten und Konservierungstechniken eingesetzt. Die Spezialisierung war bei Tiefkühlfisch am stärksten ausgeprägt, während im Obst- und Gemüsebereich von der Hauptvereinigung der deutschen Gartenbauwirtschaft geförderte Kooperationsverträge dominierten. Nach technischer Erprobung 1937/38 wurde 1939 mit der Produktion begonnen. 1940 dürften ca. 22.000 t Gefriergüter produziert worden sein, davon 14.000 t Obst und Gemüse, sowie 7.000–8.000 t Fisch.395 Damals waren etwa 100 Tiefgefrierapparate im Einsatz, von denen 74 in Dosenkonservenfabriken aufgestellt wurden.396 Präzise Daten für die Folgejahre fehlen, zumal die Gefrierunternehmen ihre Kapazitäten durch kriegsbedingte Übernahmen in den besetzen Gebieten schnell ausbauten, um so Skaleneffekte zu erzielen und zugleich die Transportkosten gering zu halten. Die Zielmargen für 1942 lagen bei 100–150.000 t, doch angesichts der 255 verfügbaren Gefrieranlagen dürfte etwa die Hälfte realistisch sein. 1942 gingen die Projektionen für 1943 von mehr als 200.000 t aus, doch derartige, erst um 1970 wieder erreichte Werte, lassen sich nicht erhärten.397 Festzuhalten aber bleibt, dass die Gefrierwirtschaft des NS -Staates nach nur kurzer Anlaufzeit signifikante Mengen insbesondere für die Wehrmachtsversorgung produzierte. Nicht sicher ist dagegen, ob diese auch vollständig konsumiert wurden. Ganze Ladungen verdarben aufgrund unzureichender Kühlung, aber auch mangelnder Schulung der Spediteure, Lagerhausverantwortlichen und Händler.398 Nicht die Produktion entpuppte sich als der eigentliche Flaschenhals, sondern vielmehr die Lagerhaltung. Die Tiefkühlhäuser, »die großen Konservenbüchsen der Ernährungswirtschaft«399, erforderten Temperaturen von mindestens −15 bis −25°  C. Im Rahmen der Vierjahresplanaktivitäten wurde die Kühlraumfläche bis Anfang 1939 zwar beträchtlich auf 326.000 m² gesteigert400, doch reichte dies nicht aus, um die Produktionskapazitäten auszulasten. Kühllage­rungsversuche wurden seit 1936 staatlich forciert, bezogen sich andie Gebr. Piersch, Illertissen i. Bayern. Weitere Anbieter kamen aus dem Kühlschrankbereich, so die Deutsche Kühl- und Kraftmaschinen GmbH, Schaffenstein i. Erzgebirge, als Marktführer die Frigidaire GmbH, Berlin, daneben Alfred Teves, Frankfurt a. M., die ›Sümak‹ Süddeutsche Maschinen- und Metallwarenfabrik Wilhelm Beckerle, Stuttgart, K. Queißner, Mannheim sowie die ›Isola‹ K. Gleichmar, Rudolstadt i.Th. 395 Mosolff, Hans (Hg.): Der Aufbau der deutschen Gefrierindustrie. Handbuch der Tiefkühlwirtschaft, Hamburg 1941, 17. 396 Mosolff, 1940, 141; Etwas über die deutschen »feingefrorenen« Nahrungsmittel, Braunschweigische Konserven-Zeitung 1942, Nr. 29/30, 7–8, hier 8. 397 Ebd., 8. Ähnlich Hilck/Hövel, 1979, 44. 398 Heid, J. L.: Aufgaben der Forschungsabteilung in der Nahrungsmittel-Industrie, IOGV 36, 1951, 18–20, hier 19. 399 Mosolff, 1939, 86. 400 Tätigkeitsbericht, 1939, 151.

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fangs aber noch nicht auf Gefrierkonserven, sondern eher auf Massengüter wie Kartoffeln oder Kohl, um deren Schwundquoten zu minimieren.401 Sie ergaben, dass die üblichen Lagertemperaturen nach wie vor zu hoch waren sowie beträchtliche Unterschiede zwischen einzelnen Sorten bestanden.402 Der mit der Selbstversorgungspolitik gelockerte Zwang zur Standardisierung wirkte sich nun negativ aus. Während des Krieges wurde die Landwirtschaft wieder und wieder darauf verwiesen, nur bestimmte Sorten anzubauen und auf deren »Stapelfähigkeit« besonders zu achten.403 An vordergründigen Output-Daten ausgerichtet, unterschätzte man die Probleme der Vertriebs- und Absatzorganisation. Für die Gefrierkonzerne dürften sich die Investitionen der Vierjahresplan- und Kriegszeit insgesamt jedoch gerechnet haben, denn auf Grundlage ihrer »first mover advantages« konnten sie seit 1949 den Markt mit längerem Atem neuerlich erobern.404 Anders sah die Bilanz der zahlreichen Dosenkonservenfabriken aus. Sie stellten ihre anfangs vor allem der Versorgung der Besatzungsmächte dienende Produktion mangels Nachfrage ein und mussten ihre eingelagerten Produkte 1949 weit unter Preis verkaufen.405 Auch wenn Diversifizierungen weiter diskutiert, vereinzelt auch praktiziert wurden406, blieb die mittelständische Dosenkonservenindustrie in der Nachkriegszeit bei ihrem Kerngeschäft. Gleichwohl gab es zwischen der NS - und der Nachkriegszeit – zumindest in Westdeutschland – einen gravierenden Unterschied, nämlich die Stellung der Konsumenten. Für die Experten des eisernen Dreiecks stand Gefrierkost auf gleicher Stufe mit vielen anderen Lebensmittelinnovationen. Sie bildeten Materialisierungen abstrakter volkswirtschaftlicher und volksbiologischer Kalküle: »Ein Volk kann mit Tiefkühlung gesünder und leistungsfähiger werden als es ihm sonst sein Lebensraum erlauben würde«407. Günstige Preise und guter Geschmack schienen notwendig, um die neue Warengattung vom Odium 401 Vgl. Kiermeier, F[riedrich]/Krumbholz, G[ottfried]: Lagerungsversuche mit Kartoffeln mit besonderer Berücksichtigung der Kaltlagerung, VLF 5, 1942, 1–20. 402 Krumbholz, G[ottfried]: Ergebnisse und Aufgaben der Forschung auf dem Gebiet der Kaltlagerung von Kern- und Steinobst, VLF 4, 1941, 209–218, hier 209. 403 S. Mosolff, Hans: Die Bedeutung des Trockengemüses in Kriegs- und Friedenszeiten, in: Schieferdecker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 12–16, hier 12–13. 404 Zur Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. Tiefkühlgemüse und -obst in Deutschland, IOGV 50, 1965, 341–344 sowie Disch, Wolfgang K. A.: Der Groß- und Einzelhandel in der Bundesrepublik, Köln/Opladen 1966, 74–76. 405 Vgl. Schraud, Friedrich: Grundsätzliches zur Frage der Tiefgefrier-Industrie, IOGV 33, 1948/49, 90–91; Völz, Walter: Zur Lage der Konserven-Industrie, IOGV 35, 1950, 193–195 sowie Die Tiefkühl-Industrie in Europa, IOGV 36, 1951, 12–13, hier 13. 406 Gefrorene Lebensmittel in USA , IOGV 38, 1953, 368–372, hier 372. 407 Wirz, [Franz G. M.]: Tiefgekühlte Lebensmittel sind die besten Diener der Gesundheit, in: Mosolff, Hans (Hg.): Tiefkühl ABC , Hamburg 1941, 3–4, hier 4.

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Abb. 69: Kleinverkaufspackungen für Gefriergut 1940

des Billigen des Gefrierfleisches zu befreien. Hierzu setzte man auf systematische Verbrauchererziehung. Zugleich aber musste eine Verzärtelung verhindert werden. Immer und überall frische Erdbeeren zu kaufen, widersprach den Zielen einer schollengebundenen, saisonalen Kost.408 Gesunde Gefrierkost diente der Modellierung des Ariers: »Das Ideal des Menschen der Zukunft ist nicht ein hauptsächlich mit Fleisch und Fett vollgefressener Dickwanst, sondern der in Arbeit und Sport gestählte, gesund und zweckmäßig ernährte leistungsfähige Körper.«409 Wenngleich die neuen Produkte vornehmlich an die Wehrmacht bzw. an Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung geliefert wurden, erhielt auch die Zivilbevölkerung begrenzte Mengen. Geplant waren für 1940 etwa 12.000 t, doch diese, wie auch spätere Planungen, wurden regelmäßig deutlich unterschritten.410 1941 gab es ca. 700 Gefriertruhen in deutschen Einzelhandelsläden, in denen während der vitaminarmen Zeit markenfreies, tiefgekühltes Obst und Gemüse gekauft werden konnte. 1942 wurde unter Rückgriff auf belgische, bulgarische, französische, niederländische und norwegische Ressourcen das Angebot nochmals ausgeweitet.411 Analog zu den Vitaminpräparaten setzte das Regime Ge 408 Berichte, 1938, 71 (Ebert). 409 Mosolff (Hg.), 1941, 7–8. 410 Angabe berechnet n. Mosolff, 1940, 143. 411 Gefrierkonservensaison, 1942. Vgl. auch Ziegelmayer, Wilhelm: Die Ernährung des deutschen Volkes. Ein Beitrag zur Erhöhung der deutschen Nahrungsmittelproduktion, Dresden/Leipzig 1947, 450.

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frierprodukte vornehmlich in urbanen und industriellen Zentren ein. Marken wie Jopa, Solo, Arktis, Vitam oder frosta standen für deutschen Forschergeist und den sorgenden NS -Staat.412 Allerdings beeinträchtigten die Probleme bei Lagerung und Absatz die Qualität der Produkte. Nur ein knappes Viertel der Produkte war erstklassig, ansonsten gab es vielfältige Wertminderungen, insbesondere Geschmackseinbußen.413 Gegen Kriegsende wurde daher die Qualitätsforschung intensiviert und Klassifikationssysteme zur Objektivierung von Geruch und Geschmack entwickelt bzw. erprobt.414 Dies konnte nicht mehr zur Führung von »Volksgenossen« genutzt werden, diente aber in den 1950er Jahren der Produktion geschmacklich standardisierter Tiefkühlkost.

5.4.2 Trocknungstechnik. Pulver, Extrakte und anderes Kühl- und Gefriertechnik erweiterten nicht nur die Palette der Konservierungsarten, sondern sie ermöglichten auch die Kombination konventioneller Produktionstechnik mit Kühlung. Die neuen Techniken bildeten keine einsträngigen Entwicklungslinien, sondern dienten immer auch der Ergänzung und Rekombination tradierter Techniken. Die verfahrenstechnischen Möglichkeiten wurden in den späten 1930er und 1940er Jahren durch verbesserte Trocknungstechniken nochmals erweitert. Hitzesterilisierung und Gefriertechnik zielten auf eine zeitlich gestreckte Verfügbarkeit möglichst »natürlich« gehaltener Lebensmittel. Die Trocknung bedeutete dagegen einen substanziellen Eingriff in die Materie: Wertarme Stoffe wurden beseitigt, es verblieb die Essenz wertvoller Stoffe. Während es sich bei den Konzentraten des 19. Jahrhundert vornehmlich um eingedickte und eingedampfte industriell gefertigte Produkte handelte, stammte die neue künstliche Kost aus Rohwaren. Der verwertende und gestaltende Blick der Experten wurde zunehmend auf »erntefrische« Waren gelenkt. Trocknungstechnik war allerdings schon vor 1914 weit verbreitet. Doch sie zielte vorrangig auf Futterproduktion und Tierernährung. Im Deutschen Reich drang vor allem die Kartoffeltrocknung vor. Befriedigende und wirtschaftliche Verfahren setzten sich seit 1903 durch, nachdem ein Preisausschreiben des Vereins deutscher Spiritusfabrikanten gleich zwei praktikable Trocknungstechniken ergeben hatte. Insbesondere nicht marktgängige Kartoffeln konnten nun unter Einsatz von heißem Wasserdampf zu Flocken oder zu Schnitzeln verar 412 Vgl. Hilck/Hövel, 1979, 44–45. 413 Vgl. Müller, A.: Ref. v. Heiß, K.: Ergebnis der deutschen Gefriergemüse- und Gefrierobstproduktion, IOGV 28, Ausg. A, 1941, 289 ff., Die Ernährung 7, 1942, 236–237. 414 Plank, R[udolph]: Fortschritte in der Herstellung von Gefrierkonserven, ZKI 51, 1944, 15–16, hier 16; Plank, R[udolph]: Ein Bewertungsschema für die Qualitätsprüfung von Obst und Gemüse, ZKI 51, 1944, 65–66.

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beitet werden.415 Die Trockenkartoffeln hatten einen Flüssigkeitsanteil von unter 15 %, benötigten daher deutlich weniger Lagerfläche. Zugleich konnte die gerade im Frühjahr stark ansteigende Schwundquote deutlich verringert werden. Ende 1909 gab es vornehmlich im Osten 199 Trocknereien, Ende 1914 waren es bereits 488.416 Zu dieser Zeit war der Futtermarkt jedoch schon gesättigt, denn insbesondere die Kartoffelschnitzel wurden durch Oxidationsprozesse grau, hart und glasig. Selbst Schweine fraßen sie nur geschrotet. Aber auch die hochwertigeren Flocken waren für den menschlichen Verzehr nicht geeignet, da die Verarbeitung den Geschmack negativ veränderte. Auch als Futter konnten die eiweißarmen Trockenkartoffeln nur einen Zusatz bilden. Während des Ersten Weltkrieges änderte sich die Situation gravierend. Die vollständige Nutzung der Kartoffelernten bildete ein vorrangiges Ziel der kaiserlichen Administration. Schon am 24. Oktober 1914 wurde mit der Teka ein Zwangskartell der Trocknungsindustrie gegründet. Getrocknete Kartoffel­ flocken wurden zu Flocken- oder Walzmehl weiterverarbeitet und mit dem üblichen Brot zum »K-Brot« vermengt. Bis zur Missernte 1916 wurde das Brot zur rationalen Auswertung der Kartoffelernten mit jeweils deutlich über 100.000 t Trockenkartoffeln gestreckt. Der Mensch trat in der Nahrungskette an die Stelle des Schweins. Trockenprodukte wurden auch für die Zubereitung von Suppen, Klößen und Puffern angeboten, doch derartige getrocknete Convenienceprodukte hatten einen schlechten Geschmack, der im Kartoffelbrot größtenteils überdeckt wurde.417 Nach Kriegsende kollabierte die Kartoffeltrocknung. Erst 1922 wurde der Betrieb wieder aufgenommen und 1928 mit 463 Trocknereien der Vorkriegsstand in etwa wieder erreicht.418 Reichsernährungsministerium und Landwirtschaft förderten die technische Entwicklung mit beträchtlichen Summen, denn Trockenkartoffeln dienten als Futtermittel, um die Importe von Futtermais und -gerste einzuschränken. Der 1928 gegründeten Kartoffelflocken-Zentrale, ein neuerliches Produzentenkartell, gelang es ferner, Kartoffelwalzmehl als Backhilfsmittel fest zu etablieren.419 Präsidialregierungen und Landwirtschaft erzwangen trotz umfassender Kritik am »Mischmaschbrot«420 seit 1931 die Beimischung von Kartoffelstärkemehl, später auch von Maisbackmehl, zum Brot. Sie wurde während des Nationalsozialismus nicht nur

415 Zur Technik vgl. Götze, Wilfried: Das deutsche Kartoffeltrocknungsgewerbe. […], Phil. Diss. Berlin 1934, 56–59. 416 Lautenbach, Wilhelm: Die Kartoffeltrocknung im Kriege, Berlin 1919, 6. 417 Vgl. Weinwurm, E[dmund]: Die Trockenprodukte der Kartoffel, Prometheus 27, 1916, 772–775, 789–793, hier 793. 418 Verwertung, 1928, 77. 419 Zu dessen Arbeit vgl. Jany, Wilhelm: 60 Jahre Deutsche Kartoffeltrocknung, Hildesheim 1954, 49–72. Zum Walzmehl Götze, 1934, 119–122. 420 Zit n. Klepzig, Vollrath: Brot mit Kartoffelmehlzusatz, KR 27, 1930, 793–794, hier 793.

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beibehalten, sondern war ab 1937 bei Anteilen unter 10 % auch deklarationsfrei.421 Die Masse der Trockenkartoffeln wurde gleichwohl als Schweinefutter eingesetzt.422 Technische Innovationen erweiterten seit Mitte der 1920er Jahre die Verwendungsmöglichkeiten. Das damals entwickelte Krause-Verfahren setzte  – analog zur Gefriertechnik  – auf kurze intensive Hitzeeinwirkung und möglichst geringem Kontakt von Hitzequelle und Trocknungsgut. Flüssigkeiten wurden dabei einem heißen Luftstrom ausgesetzt, die Trocknung erfolgte mittels der Zentrifugalkräfte.423 Nachdem Probleme der Eiweißgerinnung geregelt werden konnten, waren Trockenmilch und auch getrocknete Fruchtsäfte grundsätzlich verfügbar. Sie dienten nicht zuletzt als Zwischenprodukte für neue künstliche Kost, etwa Puddingpulver, Milchbonbons oder -schokolade und Nährpräparate (Kap. 5.2.3). Weitere Möglichkeiten schien die Gefriertrocknung zu eröffnen. Gefrorenem Material wurde dabei Eis zumeist im Vakuum entzogen. Im Deutschen Reich führte dies erst einmal zu zeittypischen Ingenieurträumen, etwa dem Vorschlag, die Moore Ostpreußens zu trocknen, um damit die folgenden 50 Jahre heimische Energie zur Verfügung zu haben.424 Praktische Anwendungen erfolgten nach Fortschritten in der Vakuumtechnik in den USA . Histologische Präparate, Sera, Blut und Bakterien konnten seit Anfang der 1930er Jahre zunehmend einfach konserviert werden.425 Seit Mitte des Jahrzehnts wurde die Gefriertrocknung in industrielle Maßstäbe übertragen, auch erste hochwertige Lebensmittel, etwa gemahlener Kaffee, in den USA produziert.426 Im Oberkommando des Heeres begann man kurz danach die »Vakuumtrocknung«427 zu erproben, vitaminhaltiges Tomaten- und Apfelmark waren die wichtigsten Resultate. Hier war Neuland zu gewinnen. Wissenschaftler, aber auch Verantwortliche im Reichsnährstand und der Wehrmacht, glaubten zunehmend an Neuformung 421 Die Beimischung von Kartoffelerzeugnissen, Der Wirtschafts-Ring 10, 1937, 1205; Änderung des Brotgesetzes, MB 37, 1937, Nr. 10, 8. 422 Woermann, E[mil]/Sasse-Hillebrandt, [Wilhelm]: Die deutsche Kartoffelerzeugung und die Verwertung der Kartoffelernten, FD 5, 1938, 7–26, hier 22–24. Kartoffeln sollten vornehmlich Roggen als Futtermittel ersetzen. Im März 1936 wurde ein Verfütterungsverbot erlassen und der Kauf von Kartoffelflocken subventioniert. Bis Kriegsende flossen dafür 130 Mio. RM Reichszuschüsse (Jany, 1954, 80). 423 Nahrungsmitteltrocknung nach neuem Verfahren, Der Materialist 46, 1925, Nr. 2, 3–4. 424 Plank, 1930a, 211. 425 Vgl. die historische Einleitung bei Neumann, Karlheinz: Grundriß der Gefriertrocknung, 2. stark erw. Aufl., Göttingen/Frankfurt a. M./Berlin (W) 1955, 11–16. 426 Zugleich wurde hiermit der Weg hin zu einer aseptischen Lebensmittelproduktion geebnet. Vgl. hierzu Kontinuierlicher aseptischer Konservierungsprozeß. Seine Grundlagen, Vorteile und Bedeutung für die Industrie, IOGV 38, 1953, 33–35. 427 Pieszczek, E[rnst]: Die Bedeutung der Trockentechnik für die Versorgung der Wehrmacht mit Lebensmitteln, VLF 4, 1941, 113–117, hier 115.

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Abb. 70: Imagetransfer in der Vorkriegszeit

durch Konservierung: »Trocknung scheint für die Zukunft an erster Stelle der Lebensmittelkonservierung zu stehen.«428 Diese Hochschätzung gründete allerdings nicht im später immer wieder hervorgehobenen Conveniencecharakter der neuen Produkte. Experten des eisernen Dreiecks waren vielmehr an einer vollständigen Sicherung der Ernten und an einer effizienteren Nutzung von Produktions-, Lagerhaltungs- und Transportkapazitäten interessiert. Die Dehydrierung minderte das Gewicht teils um den Faktor 10, entsprechend verringerte sich der notwendige Transport- und Lagerraum. Trockenprodukte benötigten weder Eisenblech noch Cellophan, sondern konnten teils lose, teils in vergleichsweise preiswerten Pappschachteln bzw. -beuteln aufbewahrt werden. Sie waren damit billiger als Dosen- oder Gefrierkonserven. Massenproduktion schien hier einfach möglich zu sein, ebenso der gezielte Aufbau von Verpflegungsreserven.429

428 Ziegelmayer, 1936, 8. 429 Fachmann, W[alter]: Verfahren zur Trocknung von Obst und Gemüse und deren Erzeugnissen, ihre Vor- und Nachteile, VLF 3, 1940, 522–531, hier 522.

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Diese Vorteile deckten sich jedoch nicht mit den Erfahrungen und Erwartungen der Konsumenten. Allein Trockenobst galt als geschmacklich einwandfrei, auch wenn es vor dem Verzehr lange gewässert werden musste.430 Korinthen, Rosinen und Feigen, Pflaumen und Aprikosen, Äpfel und Birnen wurden in großen Mengen importiert: 1913 waren es ca. 106.000 t, ähnliche Größenordnungen wurden in der Weimarer Republik erreicht.431 Die Importe stammten aus Italien, Griechenland und der Türkei, ihr Konsum blieb relativ konstant bei ca. 2 kg/Kopf und Jahr.432 Hinzu kam häuslich zubereitetes Backobst. Allerdings wuchs gegen Ende der 1920er Jahre die Kritik an der fast durchgängigen Schwefelung der Produkte.433 Trockengemüse fand dagegen kaum Abnehmer, hier wirkten die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges nach. Damals wurde »Dörrgemüse« in großem Umfang hergestellt: Die Zahl der Betriebe stieg von 24 1913/14 auf 372 1916/17 mit einem Produktionsvolumen von 30.900 t.434 Da vornehmlich Malzdarren umfunktioniert wurden, schmeckte das Trockenprodukt aufgrund der Oxidationsprozesse durchweg schlecht. Der Markt kollabierte nach Kriegsende.435 Markterfolge waren daher nur aufgrund »wesentlich verbesserter Technik«436 möglich. Daher bildeten Großverbraucher, erst im Rahmen von Arbeitsdienst und dann immer stärker der Wehrmacht, die eigentliche Zielgruppe für die schon 1934 einsetzenden, dann durch den Vierjahresplan seit 1937 wesentlich vorangetriebenen Forschungen. Sie zielten zuerst auf die Verbesserung der Trocknungstechnik, entsprechend dominierten anfangs Ingenieure und Praktiker. Mit Beginn des Krieges band man jedoch zunehmend auch Chemiker und Physiologen ein, um die Qualität zu optimieren. Während 1933/34 erst 315 t Trockengemüse produziert wurden, waren es 1937/38 ca. 1.700 t und 1938/39 2.250  t.437 Die eigentliche Produktionssteigerung aber erfolgte während des Krieges, 1944 wurden schließlich ca. 40.000 t hergestellt.438 430 Winckel, Max: Beurteilung des Trockenobstes, VE 4, 1929, 248–249, hier 249. 431 Angaben n. Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 35, 1914, 187; Gransow: Die Dauerwarenindustrie und der Obstbau, MDLG 42, 1927, 1125–1129 (inkl. Disk.). 432 Grupe, 1957, 46–47. 433 Popp, G[eorg]/Popp, H.: Schwefelungsgrenze bei getrockneten Produkten, DNR 1928, 188–190; Flury, [Ferdinand]: Die Schwefelung getrockneter Produkte vom gesundheitlichen Standpunkte, DNR 1929, 71–73. 434 Fachmann, 1940, 523. 435 Kanter, [Hugo]: Die wirtschaftlichen Aussichten der Konservenindustrie, in: Serger/ Hempel (Hg.), 1921, 3–8, hier 6. 436 Trockengemüse in neuem Aufstieg, DVW 10, 1941, 117. 437 Angaben n. Fachmann, 1940, 523; Schieferdecker, Helmut: Zur Entwicklung der Gemüse- und Obsttrocknung in Deutschland, in: Ders. (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 9–12, hier 10. 438 Ziegelmayer, 1947, 448.

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Das stofflich und geschmacklich verbesserte Trockengemüse wurde seit März 1941 in 100 g-Packungen aus Pappe und Cellophan auch an die Zivilbevöl­ kerung ausgegeben.439 Aufklärungskampagnen der Deutschen Frauenschaft, die auf Kochversuchen der Leipziger Versuchsstelle für Hauswirtschaft gründeten, flankierten seine Einführung. Schließlich quoll Trockengemüse bei Wasserzusatz auf das zehnfache Volumen, musste nur kurz gegart werden, erforderte aber zusätzlich frische Kräuter und Suppengemüse, um »fehlende Frischstoffe zu ersetzen und den Geschmack noch zu verbessern«440. Die Trocknungstechnik war  – wie auch das Tiefgefrieren  – ein Experten­ projekt, das vorrangig den staatlich gesetzten Zielen von Kriegsfähigkeit und »Blockadefestigkeit« diente. Umgesetzt wurde es von einer großen Zahl dezentral arbeitender Privatbetriebe. Sie profitierten von langwierigen Maschinenversuchen, die vornehmlich von der Hauptvereinigung der deutschen Gartenbauwirtschaft und dann der Wehrmacht vorangetrieben wurden. Sie ermöglichten den Übergang vom diskontinuierlichen zum kontinuierlichen Betrieb. Daneben entwickelte man Zerstäubungstechniken fort, ebenso das Vakuumtrocknen.441 Die pluralen Entwicklungswege, die auf jeweils produktspezifische technische Lösungen zielten, ergaben Trockenapparate, die – anders als etwa die US -amerikanischen  – »größte Vielgestaltigkeit«442 auszeichnete. Dies entsprach dem von Beginn an dezentral und erntenah geplanten Einsatz der Geräte443, gründete auch im Anspruch der Ingenieure, jeweils passgenaue Lösungen anbieten zu können. Skaleneffekten setzte es jedoch enge Grenzen. Unter Kriegsbedingungen war dies funktional, doch nach dem Krieg wurde in der Bundesrepublik Deutschland US -Technik übernommen.444 Die technische Entwicklung 439 Lebensmittel, 1940/41, 793; Heese, Joh[annes] W./Schieferdecker, H[elmut]/Suthoff, H[einrich]: Die praktische Gemüsetrocknung, in: Schieferdecker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 16–65, hier 63. 440 Paul, Helene: Die Zubereitung von Trockengemüse und Trockenobst in Haushalt und Großküche, in: Schieferdecker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 107–110, hier 110. 441 50 Jahre Institut für Obst- und Gemüseverwertung in Berlin-Dahlem, IOGV 38, 1953, 345–348, hier 347. 442 Kirschbaum, Emil: Apparate der Lebensmitteltrocknung, VLF 4, 1941, 125–140, hier 140. 443 Ziegelmayer, 1936, 172–176. 444 Das galt etwa für die Trocknung in Stickstoffatmosphäre. Vgl. hierzu Heiss, R[udolf]: Konservierung getrockneter Lebensmittel bei niedrigen Sauerstoffgehalten, VDI-Zeitschrift 92, 1950, 452–456. US -Verfahren wurden bis in die frühen 1940er Jahre übernommen, so etwa das in langjährigen Versuchen am Forschungsinstitut für Kälte- und Trockentechnik an der TH Berlin erprobte und verbesserte Sardik-Verfahren. Vgl. Koeniger, W[alther]: Trocknen von Obstmark, breiig zubereitetem Gemüse und von Obstsäften, in: Schieferdecker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 86–98.

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veränderte zugleich tradierte Bilder von Lebensmitteln. Um den stofflichen Gehalt und den Geschmack des Ursprungsproduktes möglichst zu bewahren, nahmen die Ingenieure Produkte in Kauf, die äußerlich nur noch wenig mit »natürlichen« Lebensmitteln zu tun hatten. Verarbeitete und verpackte Lebensmittel konnten zunehmend anders aussehen, da ihre Verwendung in Großküchen bzw. ihr Absatz in Kleinverpackungen andere Konsistenzen erlaubte.445 Die Schnelltrocknungsapparate gewannen seit 1940 rasch an Bedeutung, 1942 wurden sie von ca. 120 Produzenten genutzt.446 Gleichwohl ersetzen sie die älteren Trockner nicht, die angesichts der allgemeinen Ressourcenknappheit weiterhin eingesetzt wurden. Das führte zu unterschiedlichen Produktqualitäten, zugleich aber Bestrebungen, die Qualität insgesamt zu steigern. Vitaminuntersuchungen Arthur Scheunerts und des Deutschen Frauenwerks hoben schon frühzeitig hervor, dass die wesentlichen Vitamin-Verluste nicht bei der Produktion, sondern bei der Lagerhaltung und der Zubereitung erfolgten.447 1938 bis 1941 führte das Karlsruher Reichsinstitut für Lebensmittelfrischhaltung im Auftrag der Wehrmacht systematische Prozessanalysen durch. Der arbeitswissenschaftliche Blick auf den Produktionsablauf wurde durch einen chemisch-physiologischen Blick auf die Qualitätsveränderungen ergänzt. Die Wissenschaftler simulierten die üblichen Produktions-, Lager- und Pressverfahren. Das ergab nicht nur eine präzise Schwachstellenanalyse, sondern auch kleinteilige Verbesserungsvorschläge. Die Folge dieses Detailwissens war ein reflektierter, stärker in Verbundsystemen verankerter Innovationsprozess, der zwar kleinteiliger ansetzte, der in der Summe aber eine deutliche Verbesserung der stofflichen Zusammensetzung und auch des Geschmacks des Trockengutes ergab. Auch hier wurde über sensorische Verfahren und eine standardisierte Qualitätsforschung versucht, die Anspruchshaltungen des Konsumenten zu simulieren und dadurch im Vorfeld zu erfüllen.448 Dies galt insbesondere für die Wehrmachtsverpflegung, die in der Versorgungshierarchie des Regimes an der Spitze stand.449 445 Koeniger, W[alther]: Ergebnisse der Trocknung von Gemüse und Obst mittels des Sardik-Verfahrens, VLF 4, 1941, 166–170, hier 167. 446 Riese, Hansgeorg: Die Kriegsleistung der Lebensmittelindustrie, DVW 11, 1942, ­627–629, hier 628. 447 Freudel, [Ingeborg]: Ref. v. Scheunert, A./Reschke, J.: Über das Vorkommen von Vitamin C in Trockengemüsen und daraus hergestellten Gerichten, Hauswirtschaftliche Jahr­ bücher 2, 1941, Die Ernährung 7, 1942, 115–116. 448 Vgl. auch Heiss, R[udolf]: Zur Gütesteigerung und Gütebeurteilung, in: Schiefer­ decker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 65–71. 449 Vgl. etwa die am Versuchs- und Forschungsinstitut der Kriegsmarine für Lebensmittelfrischhaltung in Hannover durchgeführten Versuche von Wendland, Günther: Der Einfluß der Trocknungsverfahren auf den Vitamin-A- und Carotingehalt von Eipulver, Vitamine und Hormone 5, 1944, 46–54.

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Insgesamt gelangen den Experten des eisernen Dreiecks technische Innovationen, mit denen geschmacklich ansprechende, farbechte Trockenprodukte möglich wurden. Gemüse und Speisetrockenkartoffeln dominierten mengenmäßig (Kap. 6.1.4).450 Daneben aber wurden zahlreiche neue Trockenprodukte in Pulver- oder Extraktform entwickelt. Zitronen- oder Apfel-, Tomaten- oder Spinatpulver waren technisch möglich.451 Trockenmilch wurde seit 1937 in alltagstauglichen 10-Pfg.-Tütchen verkauft, Milchtabletten folgten.452 Pulver, aber auch konventionelle Trockenprodukte integrierte man zunehmend als Zwischenprodukte in tradierte Produktionsverfahren. Trockengemüse ersetzte in der Suppenpräparateindustrie schon vor dem Zweiten Weltkrieg vielfach Frischgemüse. Qualitätsforschung erlaubte gezielte Verbesserungen und koppelte vorhandene Techniken: Trocknen und Gefrieren, Pressen und Hitzeanwendungen waren nicht mehr länger Spezifika einzelner Lebensmittelbranchen, sondern wurden branchenübergreifend miteinander kombiniert. Diese Entwicklungen innerhalb des eisernen Dreiecks orientierten sich zwar an einem imaginierten Verbraucherbild, doch bestimmten die eigenen Binnenrationalitäten zunehmend Prozesstechnik und Produktinnovationen. Die für die Kriegszeit typische Parallelnutzung unterschiedlicher Techniken führte nicht nur zu zwar verbesserten, aber heterogenen Produktqualitäten, sondern immunisierte die Experten auch gegen intensivere Kontakte mit dem subjektiven Wissen der Verbraucher. In einem qualitativ dispersen Angebot verwiesen sie stets auf die hochwertigen Spitzenprodukte der Gegenwart und die Optimierungschancen der Zukunft, während die Verbraucher vielfach beides nicht nutzen konnten. Das Primat objektivierten Wissens dominierte auch die unmittelbare Nachkriegszeit, als die Kooperationen zwischen Maschinenbau und chemisch-physiologischer Forschung auch die universitäre Ausbildung von Verfahrensingenieuren und Lebensmitteltechnologen veränderten.453 Die neuen Konservierungstechniken brachen – analog zum Begriff des Völkischen in den angewandten Kulturwissenschaften – tradierte disziplinäre Zusammenhänge auf und setzten neue Dynamik frei, deren Resultat ein wachsendes Sortiment künstlicher Kost war.

450 Zur wenig bedeutsamen Obsttrocknung im Deutschen Reich vgl. Fachmann, 1940, 525 sowie Heese, Joh[annes] W./Schieferdecker, Helmut: Die Obsttrocknung, in: Schieferdecker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 71–83. Die kontinuierlichen Importe limitierten Forschungsaktivitäten, untersucht wurde vornehmlich die Trocknung von Säften und Pulpen. 451 Heiss/Wolf, 1941, 165. 452 Deutschlandberichte, 1938, 1235–1236; Ziegelmayer, Lebensmittel, 1940, 286–289. 453 Heiss, 1948, 48.

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5.4.3 Defizite in der Kette. Grenzen der Distribution der neuen Produkte Dieses Zwischenfazit kann neben den offenkundigen Ressourcenschwächen der deutschen Forschungs- und Versorgungsanstrengungen ansatzweise erklären, warum die vorwärtstreibenden Experten einerseits immer neue Wissensbestände erschlossen und die Versorgungsziele anderseits nur teilweise erreicht wurden. Die NS -Konsumpolitik blieb Stückwerk, weil die Experten Neuland erobern wollten und die Mühen der Implementierung neuen Wissens scheuten. Diese Missachtung der Zwischeninstanzen und Praktiker war nicht nur Ausdruck einer im Kriegsverlauf immer stärker ausgeprägten Leugnung der »Realität«, sondern auch der Unfähigkeit, sich auf deren Binnenrationalitäten einzulassen. Umsetzungen wurden befohlen, damit die Verantwortlichkeiten für Fehlschläge festgeschrieben. Dies zeigt sich insbesondere bei der Diffusion der Kühl- und Gefriertechnik. Die Kühlkette folgte einer organisatorisch-technischen Logik und setzte damit Investitions- und Forschungsschwerpunkte. Im Prinzip gelang es bis 1940, diese Kühlkette zu etablieren. 1942 produzierte man 70.000 t Tiefkühlkost, ein Wert, der erst 1961 wieder übertroffen wurde.454 Diese beträchtliche Leistung war nur möglich, weil sie von Beginn an als hierarchisches Projekt geplant war, also auf Großverbraucher, insbesondere die Wehrmacht zielte. Gleichwohl wurde parallel immer auch an der Entwicklung der notwendigen Haushaltsgefrierschränke bzw. Trockeneis-Kühlung gearbeitet, obwohl die dafür erforderliche Kaufkraft auch nicht ansatzweise verfügbar war. Die Wissenschaftler propagierten stattdessen umfassende angewandte Forschung, da mit gesetzgeberischen Maßnahmen bzw. Erziehung kurzfristig keine Effekte zu erzielen waren.455 Das strukturelle Dilemma sahen sie klar: »Die Schwierigkeit […] besteht darin, daß zu den wesentlichen Voraussetzungen z. B. für die Senkung der Verkaufskosten eines Haushaltskühlschrankes die Massenproduktion gehört, während sich anderseits ein Massenkonsum nur einstellen wird, wenn der Verkaufspreis niedriger ist.«456 Die Konzentration auf Großtechnik und ergänzende Grundlagenforschung schien daher funktional zu sein. Schon die erste umfassende Implementierung der neuen Technik im Rahmen der 1934 anlaufenden, seit 1936 dann umfassenden Kampagnen für vermehr-

454 Angaben n. Pabst, Heinrich: Die Bedeutung des Tiefgefrierverfahrens für die Volksernährung, Die Umschau 47, 1943, 73–75, hier 73; Tiefkühlkost in Zahlen, Selbstbedienung und Supermarkt 1970, Nr. 11, 46–48, hier 46. 455 Trotzdem forderte man genau dies, so etwa Heiss, 1939, Bd. A, 34. 456 Ebd., 39.

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Abb. 71: Das Ideal der Kühlkette 1939

ten Fischkonsum führte in systemimmanente Sackgassen.457 Der Einzelhandel besaß damals nur ungenügende Kühlkapazitäten. Um die hochgesteckten Ziele zu erreichen (Kap. 4.5.4), hatte der Ausbau von Fischabteilungen bzw. die Einrichtung neuer Fischspezialgeschäfte kurzfristig Priorität. Dem gesamten Einzelhandel wurde eine Sonderumlage auferlegt, um so Deutschlands »Nahrungsfreiheit« zu dienen.458 Parallel lockerte das Regime die durch das Einzelhandelsschutzgesetz von 1933 bestehende Beschränkung der Sortimente. Wer immer eine räumlich getrennte Abteilung einrichten wollte, um das »Fleisch des 457 Vgl. Schnee, H.: Ein Kühlschrank? Wäre zu überlegen! Frischhaltung der Nahrungsmittel tut not, Edeka DHR 27, 1934, 266–268; Kühlanlagen für Lebensmittelgeschäfte? Eine lehrreiche Unterhaltung mit einem Berufskameraden, DHR 29, 1936, 744–745. 458 Vgl. Hayler, Franz: Kaufleute des deutschen Einzelhandels!, DHR 29, 1936, 1211.

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Abb. 72: Stolz weniger Geschäfte – Schaukühlschränke 1937

Meeres«459 zu verkaufen, der durfte dies tun.460 Die Verteilung der Fördergelder übernahm der Anfang 1937 eingerichtete Förderungsdienst des deutschen Fischhandels, der reichsweit Schulungen anbot.461 Fischkühlschränke wurden verstärkt angeboten, ihr Bezug durch günstige Kredite erleichtert. Anreize gab es auch für Konsumenten: An sozial Schwächere wurden Verbilligungsscheine ausgegeben.462 Die politischen Vorgaben des Vierjahresplans sollten durch ein Netzwerk »sauberer«, hygienisch einwandfreier und fachkundig geführter Spezialabteilungen und -geschäfte umgesetzt werden. Die Hauptvereinigung der deutschen Fischwirtschaft legte Anfang März 1938 Mindeststandards für Fischverkaufsstellen fest, durch deren Raster die Mehrzahl der Händler fiel, die (Frisch-)Fisch nicht einfach räumlich vom sonstigen Absatz trennen konnten.463 459 Marlow, [Franz]: Der Seefisch und der zubereitete Fisch in der Volksernährung und Volkswirtschaft, Norddeutsche Fischerei-Zeitung 28, 1936, 93–96, hier 95. 460 Ilchmann, Otto: Pflegt das Frischfisch-Geschäft, DHR 30, 1937, 27. Vgl. auch Hayler, [Franz]: Frische Fische – gute Fische, RRDV 34, 1937, 473–474. 461 Neue Wege der Absatzförderung im Fischhandel, DHR 30, 1937, 357. 462 Seefische und Fisch-Räucherwaren auf Verbilligungsscheine, DHR 30, 1937, 790. 463 Durchaus kritisch hierzu: Hinzunahme von Fisch jetzt genehmigungspflichtig, DHR 31, 1938, 440. Vgl. schon zuvor Genehmigungspflicht für Fische, DHR 30, 1937, 992–993 bzw. Mindestanforderungen für den Fischverkauf, Die Rundschau 35, 1938, 249–250.

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Das Ideal eines professionellen Spezialhandels, der zwar langwierig aufzubauen war, der dann aber die Vorgaben der Fischwirtschaft präzise erfüllte, war scheinbar wichtiger als die kurzfristige Umsetzung des Vierjahresplans.464 Zwei weitere Punkte sind zu berücksichtigen. Zum einen gelang es der Fischwirtschaft nicht, die Menge der Anlandungen plangemäß zu erhöhen, auch wenn die Steigerung von 1936 bis 1938 20 % betrug.465 Die Aufrüstung der Marine und der parallel intensivierte Walfang ließen das Programm am Mangel von Seeleuten, Schiffen und der Überfischung der Bestände scheitern. Parallel zersplitterte man die Bemühungen um Kühlfisch seit 1939 mit dem Aufbau einer Tiefkühlkette. Angesichts der Leistungsbilanz der Jahre 1937 und 1938, die im gesamten Reich lediglich 222 neu eingerichtete und 316 modernisierte Fischfach­geschäfte, 230 neue Fischverkaufsabteilungen in Lebensmittelgeschäften sowie 1.590 Fischverkaufstische mit einfacher Eiskühlung umfasste, manifestierte sich ein eklatantes Missverhältnis zwischen Konzept und Umsetzungsgeschwindigkeit.466 Die Gefriertechnik erforderte abermals neuartige Apparate in Läden und Warenlagern, die in den Folgejahren nur in mehr als tausend Geschäften eingeführt werden konnten.467 Da die Gefrierkonserven zumindest begrenzt gekühlt werden konnten und ferner der Kühlbedarf im Rahmen der »Kampf dem Verderb«-Kampagnen nochmals anstieg, wurden parallel aber auch weiterhin einfache Kühlapparate produziert.468 Insbesondere die Konsumgenossenschaften investierten, während sich die große Mehrzahl mittelständischer Geschäfte und auch Massenfilial­ betriebe angesichts der beträchtlichen Anschaffungs- und Betriebskosten zurückhielt. Ein kleinerer Schauschrank kostete mit 1.700–1.800 M ein knappes Jahreseinkommen.469 Hinzu kamen beträchtliche Kontrollkosten.470 Noch größere Defizite innerhalb der Kühlkette finden sich im häuslichen Sektor. Angesichts der geringen Verbreitung von Haushaltskühlschränken verstand man Anfang der 1930er Jahre den Einzelhandel noch als letztes Kettenglied, sodass Kühlgut unmittelbar zubereitet werden musste.471 Im Rahmen der 464 Ein Vorbild war dabei sicherlich die »Nordsee«, der größte Fischfilialist im Deutschen Reich. Vgl. Voß, 1939, 60–63. 465 Petzina, 1965, 230. 466 Darré, R. Walther: Rede zur Eröffnung der 1. Deutschen Fischerei- und Walfang-Ausstellung »Segen des Meeres« am 29. April 1939 in Hamburg, DFR 62, 1939, 207–210, hier 208– 209. Die folgenden Angaben nach Ebd., 209. 467 Vgl. Mosolff, Hans: Steigerung der deutschen Seefischversorgung und ihre Grundlagen, DVW 6, 1937, 1051–1056, 1087–1089; Mosolff (Hg.), 1941, 132–159. 468 Vgl. Klöne, [H.]: Die Lücke in der Kühlkette, Die Rundschau 35, 1938, 505–507. 469 Völker, Karl: Warenkühlung – ein Weg zur Leistungssteigerung, Die Rundschau 36, 1939, 589–590, hier 589. Vgl. auch Hillringhaus, F[riedrich] H[erbert]: Unsere Gegenwartsaufgabe: Rationalisierung der Letztverteilung, Die Rundschau 37, 1940, 304–305. 470 Einzelhandel und Versorgungslage, o. O. 1938, 21. 471 Kraemer, 1931, 197.

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Abb. 73: Wissensdiffusion als Ideal der Experten

NS -Konsumpolitik trat das Luxusprodukt Kühlschrank jedoch als »Volkskühl-

schrank« in den virtuellen Konsumhorizont bürgerlicher Schichten.472 Kühlung erfolgte im Haushalt vornehmlich durch Eisschränke oder aber durch »Hausmittel«, also durch kühle Keller, Räume oder Kisten bzw. unmittelbaren Schutz der Lebensmittel.473 Während des NS -Systems stieg die Zahl der Kühlschränke bis 1939 nur auf eine viertel Million, der Gefrierwirtschaft waren daher enge Grenzen gesetzt. Gleichwohl wurde der Volkskühlschrank bis weit in den Krieg hinein intensiv öffentlich diskutiert, obwohl seine Kühlleistung und -kapazität für die neuen Gefrierprodukte zu niedrig war.474 Zeitgleich war die Implementierung der Gefriertechnik mit breit angelegter hauswirtschaftlicher Aufklärung und Führung im Konsumsektor verbunden. Sie ist ein gutes Beispiel für den »virtuellen Konsum«475 während der NS -Zeit: Gefriergut war vorhanden und wurde verkauft, doch war es für den Massenkonsum technisch kaum zu handhaben, sodass die Mehrzahl der Bevölkerung aufgrund systemimmanenter Defizite in der Absatzkette letztlich ausgeschlossen blieb. 472 Grundlegend hierzu König, Wolfgang: Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. »Volksprodukte« im Dritten Reich: Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft, Paderborn u. a. 2005, 137–150; Heßler, 2001, 366–379; Hellmann, Ullrich: Künstliche Kälte. Die Geschichte der Kühlung im Haushalt, Gießen 1990, 109–117. 473 Angesichts der offenkundigen Probleme des Volkskühlschrank-Projektes betonten Fachleute, dass die Kühlleistung eines Eisschranks durchaus vergleichbar sei, so Heiss, 1939, Bd. A, 39. 474 Vorratshaltung durch Kältewirtschaft, MZBl 69, 1940, 9–10, hier 9. 475 Berghoff, Hartmut: Enticement and Deprivation: The Regulation of Consumption in Pre-War Nazi Germany, in: Daunton, Martin/Hilton, Matthew (Hg.): Politics of Consumption. […], Oxford/New York 2001, 165–185, hier 173 (»virtual consumption«).

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5.5 Rekombination der Grundstoffe: Neue Rohstoffe und Austauschprodukte für die »Volksernährung« Die neuen Konservierungstechniken veränderten die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Rohwaren und ermöglichten zahlreiche Produktinnovationen privater Anbieter. Auch wenn vorrangig die Trocknungstechnik die Lebensmittel nicht nur länger haltbar machte, sondern tief in ihre Materie eingriff, gingen Ingenieure und Chemiker doch von den gängigen in Deutschland und dann auch im besetzten Europa verfügbaren Ressourcen aus. Parallel aber arbeiteten die Experten des eisernen Dreiecks zunehmend daran, neue Rohstoffquellen zu erschließen und mittels sog. »Austauschprodukte« die Alltagsversorgung zu sichern. Sie zielten auf neue Lebensmittel, auf qualitativ hochwertige künstliche Kost. Stoffliches Wissen bot hierfür die Grundlage, und Wissenschaftler wurden mehr und mehr zu Heroen des Regimes. Völkerringen und Rassenkrieg war nur auf der Basis überlegenen Wissens zu gewinnen: »Dieser Krieg in den Instituten und Laboratorien spielt sich nicht auf einem Nebenschauplatz ab. Er ist oft von entscheidender Bedeutung für den Sieg.«476 Entsprechend förderte das NS -Regime die Erforschung neuer Nahrungsressourcen mit hohen Mitteln und unterstützte die einschlägig arbeitende Privatwirtschaft mit Festpreisen, sozialpolitischer Flankierung und Abnahmegarantien. Die Mehrzahl der Wissenschaftler stellte sich nicht nur von Anbeginn in den Dienst des Staates, sie bildete auch diesen Staat. Pragmatische Überlegungen über Positionen und Karrieren, Forschungsgelder und Institutionen prägten seit 1933 allenthalben die Wissensproduktion. Doch es waren immer auch die Wissenschaftler selbst, die aktiv gestalteten und die neue Situation nutzten, um ihre Vorstellungen einer Neugestaltung der »Volksernährung« voranzutreiben. Selbstversorgung bot Gestaltungschancen. Es galt, ein neues Reich zu gestalten, die Materie zu zwingen. Auch gestandene Forscher hegten haltlose Planungsträume: »Wir sind in zwei bis drei Jahren in der Lage, alles Eiweiß, das wir brauchen, ohne jede Schwierigkeiten und zu denselben Produktionskosten, wie wir es jetzt vom Ausland kaufen, im Inland zu erzeugen«477 – so kurz vor seinem Tode Erwin Baur, der damals wichtigste Züchtungsforscher.478 Wissenschaftler und politische Führung waren gleichermaßen davon überzeugt, dass Ressour 476 Pflicht und Verdienst in der Wissenschaft. Eine Ansprache des Reichsministers Dr. Goebbels in Heidelberg, Frankfurter Zeitung 87, 1943, Nr. 348/349 v. 11.07., 2. 477 Baur, Erwin: Nationalwirtschaftliche Aufgaben und Möglichkeiten der Pflanzenzüchtung, Zf VE 9, 1934, 19–21, 37–38, hier 19. 478 Vgl. zu Baur detaillierter Heim, Susanne: Research for Autarky. The Contribution of Scientists to Nazi Rule in Germany, Berlin 2001.

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cenfragen immer auch Willensfragen waren, die durch Anstrengung und Kreativität befriedigend gelöst werden könnten.479 Dass dies die Inpflichtnahme der Mehrzahl der Konsumenten bedeutete, schien notwendig und unausweichlich. Trotz eines polykratischen Institutionengefüges und vielfältiger Ressourcenprobleme waren die Konsequenzen für die Versorgungsplanung klar.480 Die­ Eiweiß-, später dann auch die Vitaminversorgung dominierten, da man den Fortschritten der Fettanalytik zum Trotz davon ausging, dass Fett in Grenzen durch Kohlenhydrate ersetzt werden konnte. Die Versorgungspolitik zielte somit auf stofflich ausbalancierte Convenienceprodukte, die trotz industrieller Verarbeitung den Ansprüchen an eine gesunde und »natürliche« Kost entsprachen.

5.5.1 Ressourcenspezialisten. Die »deutsche« Ernährungsforschung Die »nationale Revolution« des Jahres 1933 wurde von der Mehrzahl der Ernährungswissenschaftler freudig begrüßt.481 Die politische und rassische »Säuberung« blieb ohne nachhaltigen Widerstand, und viele Wissenschaftler hofften auf klare staatliche Vorgaben, nicht zuletzt um die kontroversen öffentlichen Diskussionen über »richtige« Ernährung einzudämmen (Kap. 5.6.1).482 Es sollte jedoch  – abseits der Standes- und Hochschulverbände  – mehrere Jahre dauern, bis die Ernährungswissenschaft in neue Institutionen überführt wurde. Lebensmitteluntersuchungsanstalten, Universitätsinstitute und spezialisierte Forschungsinstitute bestanden jedoch weiter und richteten sich auf die neu akzentuierten Ziele der Selbstversorgung und Gesundheitsführung hin aus. Die Gründung des Reichsnährstandes und die umfassende Marktordnung ließen 1933/34 erst einmal die lebensmittelbezogene Agrarforschung in den Vordergrund treten. Die Ernährungswissenschaft trat seit der schlechten Ernte 1934 verstärkt in das Blickfeld des Regimes, denn ohne angewandte Forschung konnte weder die notwendige Grundversorgung sichergestellt noch gar eine etwaige »Nahrungsfreiheit« errungen werden. Dabei sei die Industrie möglichst einzubinden. Die landwirtschaftliche Produktion sollte also nicht nur direkt gefördert werden, sondern auch indirekt durch eine systematische Nutzung der heimischen Lebensmittel.

479 Hunke, Heinrich: Ein Jahrzehnt Kampf für die neuen deutschen Werkstoffe, DVW 11, 1942, 739–741. 480 Ziegelmayer, 1940, insb. 99–100. 481 Vgl. zur Einordnung Spiekermann, 2000. Vgl. Thoms, Ulrike: Ein Forschungsprojekt stellt sich vor: Ernährungswissenschaft und Staat 1933–1964. Kontinuitäten und Brüche, Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 53, 2005, 94–96. 482 Vgl. etwa Winckel, Max: Unser Weg  – bisher und in die Zukunft, Zf VED 8, 1933, ­229–231; Bömer, A[loys]: Ansprache, ZUL 66, 1933, 3–5.

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Abb. 74a+b: Wissenschaft als Ressource im Machtkampf – Karikatur 1940

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Die Zielsetzung »gemäßigte Autarkie« führte dazu, vom deutschen Boden und seinen Erträgen her zu denken.483 Mochten die Ergebnisse auch anfangs nicht überzeugen, so war für die Experten des eisernen Dreiecks doch klar, dass es sich nicht um minderwertige Substitute handeln würde. Die Austauschstoffe bildeten vielmehr innovative Zeugnisse deutschen Erfindergeistes, deutlich abgehoben von den Erfindungen anderer Völker. Objektiv bestehende Qualitätsmängel standen für sie nicht im Vordergrund, denn sie zielten auf kontinuierliche Verbesserung. In den späteren Diskussionen über eine europäische Großraum- und auch die spätere Friedenswirtschaft finden sich kaum Hinweise auf eine Rückkehr zu einer Ernährung ohne die neuen Roh- und Austauschstoffe – bestehende Defizite galt es zu überwinden und nicht zu beklagen.484 Hierin und in der steten Anbindung an die deutsche Scholle ist das ideologische Moment der »deutschen« Ernährungswissenschaft präzise zu greifen. »Totale Wissenschaft«485 bedeutete problemorientierte, von Disziplingrenzen ansatzweise abstrahierende Arbeit, doch diese war immer rückgebunden an einen völkischen Handlungszusammenhang. Die nationalsozialistische Weltanschauung galt als »Quelle der Schöpferkraft«486. Blut entstand aus Boden, war Teil eines ewigen Naturkreislaufes. Während die Physiologie systematisch an »Optimalzahlen«487 arbeitete, um so die arteigenen Rasseausprägungen adäquat zum Ausdruck zu bringen, erlaubte die immer kleinteiliger arbeitende Lebensmittelchemie die genaue Bestimmung der in der Nahrung verfügbaren Stoffe. Sie wirkten nicht allein auf den materiellen Körper, sondern waren Teil geistiger Kräfte, Grundlage spezifisch deutschen Wollens.488 Stoffwechsel und Stoffprofile waren nicht ideologielos, sondern Teil der Suche nach dem »deutschen« Menschen, da »konstitutionelle Momente, Rassenfaktoren hier eine große Rolle spielen.«489 Auch die wachsende Bedeutung der Qualitätsforschung endete daher nicht bei den Lebensmitteln und ihren prozesstechnischen Veränderungen.490 Züch 483 Schloemer, A.: Neuere Entwicklungen auf dem Lebensmittelgebiet in Deutschland, ZUL 86, 1943, 1–15, hier 2; Schweigert, H[ans] A[dalbert]: Aufgaben der landwirtschaftlichen Gewerbeforschung, FD 1, 1936, 87–89. 484 Müller-Lenhartz, [Wilhelm]: Sitzung des Sachverständigenausschusses bei der Zeitschrift für Volksernährung am 23. Januar 1942 in Berlin, Zf VE 17, 1942, 33–37, hier 35 (Winckel). 485 Richter, Heinz: Was bedeutet uns die Wissenschaft?, Monatshefte für NS -Sozialpolitik 9, 1942, 157–158, hier 158. 486 Ungewitter, C[arl]: Erfindungen – »auf Bestellung«?, DVW 11, 1942, 741–744, hier 744. 487 Flößner, Otto: Allgemeine ernährungsphysiologische Fragen, in: Aufklärung! Eine Vortragssammlung, bearb. v.d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Berlin 1936, 10–14, hier 12. 488 Müller-Lenhartz, 1942, 36 (Winckel). 489 Flößner, 1936, 12. 490 Vgl. Ziegelmayer, 1936, 5.

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tung und Auslese der Nahrung zielten immer auch auf Züchtung und Auslese des »deutschen« Menschen. Dessen Rassequalitäten konnten ebenso wie Nahrung veredelt werden. Gesund war der, der seine natürlichen Möglichkeiten umsetzte. Entsprechend musste eine im »deutschen« Sinne verantwortungsvolle Ernährungswissenschaft dem Essenden Grenzen verdeutlichen und einfordern. Eine karge einfache Kost war daher keine Verschlechterung, sondern Ausdruck eines sich selbst bewussten »deutschen« Menschen. Neue Roh- und Austauschstoffe erlaubten wissenschaftlich optimierte Äquivalente für Kostformen, die im Rahmen moderner Zivilisation vielfach nicht mehr möglich schienen. Da Stoffwechsel und Stoffprofile zu objektivieren waren, versuchte man insbesondere während des Zweiten Weltkrieges, auch den Geschmack als zentralen subjektiven Qualitätsfaktor zu objektiveren.491 Produkte wurden an ein Abstraktum gekoppelt, dessen exakte Messung unabdingbar war, wollte man Austauschstoffe nutzen und sie zu neuen Produkten und Speisen verdichten.492 Auch hier standen jedoch nicht konturlose Zielobjekte im Mittelpunkt der Forschung, sondern rassisch klar zuzuordnende Personen. Die »deutsche« Ernährungsforschung zeichnete sich daneben durch institutionelle Innovationen aus, die auch die Wissenschaftslandschaft der deutschen Nachfolgestaaten prägten. Die ideologische Durchdringung und (Selbst-) Gleichschaltung implizierte erst einmal kooperative Strukturen.493 Das Ideal des sog. Gemeinschaftswerkes manifestierte sich vorrangig im 1934 gegründeten, 1935 dann institutionalisierten Forschungsdienst.494 Er bündelte die staatliche Forschung im Landwirtschafts- und Ernährungssektor im Sinne des Regimes, seine 1938 ca. 150 Arbeitskreise dienten der »Überwindung wissenschaftlicher Einzelgängerei«495. Auch wenn die Vorstellung, dass die »Wissenschaft in Reih und Glied im Marsch ist«, sicher die bestehende Heterogenität der Forschungslandschaft nicht adäquat wiedergibt, besaß der Staat durch Mittelvergabe doch ein wirksames Instrument zur Umlenkung der Forschung. Die wachsende Interdisziplinarität der Ernährungswissenschaft wurde dadurch wesentlich gefördert, zugleich ihre Anwendungsorientierung gestärkt.496

491 Vgl. Reinhold, J[ohannes]: Der Geschmack als Qualitätsfaktor, Zf VE 15, 1940, 187–189 (vom Forschungsdienst finanziert). 492 Vgl. Ziegelmayer, Lebensmittel, 1940, 201–203. 493 Vgl. Decken, Hans v.d.: Entwicklung der Selbstversorgung Deutschlands mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Berlin 1938, 5–6. 494 Piegler, 1940, 10–14. Vgl. auch Die Satzungen des Forschungsdienstes (Reichsarbeitsgemeinschaften der Landbauwirtschaftswissenschaft), FD 1, 1936, 14–16. 495 Meyer, Konrad: Drei Jahre Forschungsdienst, in: Forschung für Volk und Nahrungsfreiheit. […], Neudamm/Berlin 1938, 1–8, hier 4. 496 Vgl. dazu Piegler, Hanns: Die Aufbauarbeit des Forschungsdienstes 1935/36, FD 1, 1936, 401–405 und 1. Reichstagung der deutschen landwirtschaftlichen Gewerbeforschung. […], Angewandte Chemie 50, 1937, 948–952.

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Ähnliche Zielsetzungen verfolgte die Ende 1935 gegründete Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung, die vorrangig Physiologen, Mediziner und die disperse Gruppe der Vitaminforscher bündelte.497 Die Initiative ging im Oktober 1935 von Hans Reiter aus, dem Präsidenten des Reichsgesundheitsamtes, der zum einen die Indienstnahme für Staats- und Wehrpolitik hervorhob, zugleich aber die führende Stellung der Chemiker im Ernährungssektor hinterfragte.498 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung erlangte innerhalb der Forschungslandschaft aufgrund ihrer engen Bindung an das Reichsgesundheitsamt und einer wachsenden Zahl konkurrierender Institutionen allerdings nur begrenzte Bedeutung. Die eigentliche Ernährungsführung, also die Präsentation und Vermittlung wissenschaftlicher Expertise, lag dagegen in den Händen der schon 1933 gegründeten Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung. Bei ihr handelte es sich um keine neue, sondern eine überformte und übernommene Institution. Ihre Anfänge lagen im 1928 gegründeten Reichsverein Volksernährung, der die Ambivalenz sozialhygienischer Aktivitäten verdeutlicht.499 Vorangetrieben von Max Winckel500, dem Schriftleiter der »Zeitschrift für Volksernährung«, bildete er eine Dachorganisation einschlägiger Institutionen der Gesundheitsaufklärung, der Hausfrauen- und Wohlfahrtsverbände, aber auch von Wissenschaft, Wirtschaft und Reichsernährungsministerium.501 Der Reichsverein Volksernährung war eine Vermittlungsinstitution für das Wissen des eisernen Dreiecks. Gesundheit erschien als »Staatsbürgerpflicht, wer sich dagegen wehrt, tut ein großes Unrecht an sich, seiner Familie und dem Staat.«502 Zugleich aber zielte sein Arbeitsprogramm auf eine stofflich-physiologisch fundierte Quali 497 Es hat bis 2016 gedauert, ehe die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die doch eine Neugründung ehedem führender NS -Wissenschaftler war, die unmittelbare Kontinuität zu ihrer Vorgängerorganisation bedauernd zur Kenntnis genommen hat (Kap. 6.5.2). 498 Vgl. zur Gründungsgeschichte Ertel, [Hermann]: Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Ernährungsforschung, ÖG 1, Teilausg. B, 1935/36, 615–616. Vgl. auch Reiter, Hans: Begrüßungsansprache anlässlich der Gründungsveranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsforschung am 16. Dezember 1935 im Reichsgesundheitsamt, in: Ders.: Das Reichsgesundheitsamt 1933–1939, Berlin 1939, 76–82; Ertel, Hermann: Gemeinschaftsarbeit auf dem Gebiete der Volksernährung, Praktische Gesundheitspflege 4, 1935/36, 40–42. Paraphrasierend Meyer/Meyer, 1991, 25–27. 499 Zu Zielen und der großen Zahl prominenter Unterstützer s. Jahresbericht über das erste Arbeitsjahr des »Reichsvereins Volksernährung«, VE 4, 1929, 177–179. 500 Vgl. Reinhardt, Dirk/Spiekermann, Uwe: Die »Zeitschrift für Volksernährung« 1925– 1939. Geschichte und bibliographische Erschließung, in: Bodenstedt, Andreas A. u. a.: Materialien zur Ermittlung von Ernährungsverhalten, Karlsruhe 1997, 74–186, hier 75–79 sowie Winckel, Max: Pflichten und Forderungen für die Reorganisation des Unterrichts und der Aufklärung in Fragen der Gesundheitspflege und Volksernährung, VE 2, 1927, 65–69. 501 Vgl. Bericht [über die Gründung eines »Reichsvereins zur Förderung der Volksernährung«], VE 3, 1928, 259–260. 502 Programm des Reichsvereins Volksernährung, VE 3, 1928, 257–259, hier 259.

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tätsoffensive der Lebensmittelproduktion, die auch der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter diente. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise trat die Option Selbstversorgung immer stärker in den Vordergrund. Der seit 1931 als »Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung« fungierende Verein, dessen Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Wilhelm Ziegelmayer schon Anfang der 1930er Jahre die »rationale« Umgestaltung von Produktion und Konsumtion plante, stellte sich 1933 in den Dienst der »nationalen Revolution«. Insbesondere Winckel hoffte, ihn zur entscheidenden Vermittlungsinstitution fortentwickeln zu können.503 Das misslang.504 Stattdessen gingen Winckels Vorarbeiten und Ideen in die im August 1933 neu gegründete Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung ein, die anfangs von der Reichszentrale für Gesundheitsführung, seit 1934 aber vom Reichsgesundheitsamt geführt wurde.505 NSDAP-Institutionen, Reichsministerien und die öffentliche Gesundheitspflege standen hierbei Pate. Die neue Institution betrieb eigenständige wissenschaftliche Forschung, zielte vorrangig jedoch darauf, Ernährungsaufklärung im Sinne des eisernen Dreiecks zu betreiben, um so das subjektive Wissen der Verbraucher staatspolitisch zu optimieren. Im Herbst 1934 wurde die Reichsarbeitsgemeinschaft in den neu gebildeten Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst eingegliedert und diente seither als wichtigstes Führungsinstrument gegenüber Ernährungsfachkräften.506 Zahlreiche staatspolitisch relevante Tagungen bündelten wissenschaftliche Expertise, ebenso Informationsbroschüren und Ernährungsregeln.507 Sie vermittelten allgemeine Grundsätze, während die später aufgenommenen monatlichen Ernährungsvorschauen insbesondere auf eine saisonale Kost zielten, um so Versorgungsspitzen und -engpässe haushälterisch abzufangen.508 Seit 503 Bericht über die Kundgebung der »Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung«, Zf VED 8, 1933, 161–168. 504 Hinter den Kulissen kam es zu beträchtlichen Interessenkämpfen über die Gestaltungshoheit im Ernährungssektor, auf die hier nicht näher einzugehen ist. Einschlägig war etwa das Ende der Fachzeitschriften »Die Ernährung« bzw. »Hauswirtschaftliche Jahrbücher«. 505 Vgl. Ertel, Hermann: Die Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, ihre Gründung und Aufgaben, Die Ernährung 1, 1936, 19–20. Vgl. auch Die Bedeutung der Volksernährung für Volksgesundheit und Volkswirtschaft. Ziel und Aufgaben der Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Naturärztliche Rundschau 6, 1934, 51–57. 506 Denker, [Hans]: Der Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst als Glied des öffentlichen Gesundheitsdienstes, ÖG 1, Teilausg. B., 1936, 322–326. 507 Vgl. etwa Aufklärung! Eine Vortragssammlung, bearb. v.d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Leipzig 1936; Ertel, [Hermann]: Praktische Winke für die Ernährung, 3. erw. Aufl., Leipzig 1937; Zwölf wichtige Regeln für Deine Ernährung, hg. v.d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung im Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst e. V., o. O. 1937 (Ms.)., Archiv des Deutschen Hygiene-Museums, Nachlass Karl Süpfle, S. 95; Die Ernährung im Kriege. Bearb. v.d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Leipzig 1941. 508 Vgl. etwa Ernährungsvorschau für Februar. Mitteilungen der Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Zf VE 14, 1939, 55 sowie allgemein Ziegelmayer, 1940, 12–13.

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1935 wurden verbindliche Schulungsrichtlinien aufgestellt und eine strikte Rednerkontrolle institutionalisiert.509 Nur »richtiges« Wissen sollte und durfte vermittelt werden, wobei schon lange vor Beginn der Verbrauchslenkung einschlägige Empfehlungen ausgesprochen wurden.510 Innerhalb des polykratischen Institutionengefüges bildete die Reichsarbeitsgemeinschaft eine wichtige Speerspitze eines physiologisch-materialistischen Verständnisses von Ernährung, die sich wieder und wieder gegen biologistische und alternative Ansätze wandte.511 Derartige wissenschaftliche Gesellschaften und Vereine wurden seit 1936 durch staatliche Forschungseinrichtungen ergänzt, die sämtlich im Rahmen der Rüstungs- und Kriegspolitik des Regimes zu verorten sind. Tab. 2: Neugründungen staatlicher Forschungseinrichtungen seit 1936 Gründungsjahr

Institution

Ort

1936

Reichsinstitut/-forschungsanstalt für Lebensmittelfrischhaltung

Karlsruhe

1938

Reichsanstalt für Fleischwirtschaft

Berlin-Spandau

Institut für Ernährungslehre

Berlin

Reichsanstalt für Fischerei

Berlin-Friedrichshagen

1939

Reichsschule für Gemeinschaftsverpflegung

Frankfurt a. M.

1941

Institut für Kochwissenschaft

Frankfurt a. M.

Reichsanstalt für Fettforschung

Münster

Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung

Leipzig

Reichsanstalt für Getreideverarbeitung

Berlin

1942

Diese Gründungen waren zugleich Absage an ein umfassendes nationales Spitzeninstitut, dessen Einrichtung Arthur Scheunert seit 1925 gefordert hatte. Sein Leipziger Institut wurde gleichwohl zur Keimzelle erst der Reichsanstalt für Vi 509 Richtlinien für Ernährung, RGBl 10, 1935, 729–730; Ertel, Hermann: Über die Erteilung von Rednergenehmigungen durch die Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, ÖG 3, Teilausg. B, 1937/38, 304–306. 510 Dabei wurde künstliche Kost grundsätzlich gefördert, vgl. etwa Entschließung der Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung zur Ernährung mit Milcheiweiß. Vom 31. August 1936, RGBl 11, 1936, 772; Die Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Zahnärztliche Mitteilungen 33, 1942, 248. 511 Vgl. Entwertung unserer Lebensmittel? Veränderungen der Lebensmittel bei der Gewinnung und Zubereitung. Bearb. v.d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung in Verbindung mit d. Reichsgesundheitsamt, Leipzig 1936; Ertel, Hermann: Die Grundlagen der deutschen Volksernährung. Zugleich ein Überblick über Tagesfragen der Ernährung, Leipzig 1938.

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taminprüfung und Vitaminforschung, dann des 1946 gegründeten Potsdamer Zentralinstituts für Ernährung.512 Die Institutionalisierung der »deutschen« Ernährungsforschung, die durch zahlreiche Wehrmachtsgründungen beträchtlich ergänzt wurde (Kap. 6.1.1), wies vier weitere Charakteristika auf, nämlich erstens die enge Bindung an die Kategorie »Gesundheit«, zweitens den relativen Stellungsverlust der öffentlichen Lebensmittelchemiker bei zunehmend relevanter Industrieforschung, drittens eine intensive Berücksichtigung der Bromatik sowie viertens die stete Auseinandersetzung zwischen einem rassistisch geprägten Biologismus und einem funktional-materialistischen Verständnis des Stoffwechsels. 1. Ernährungsführung war immer auch Gesundheitsführung (Kap. 4.4.3). Sie wurde vornehmlich von medizinisch-physiologisch dominierten Gremien und Institutionen propagiert und praktiziert. Die Ernährungsfachkräfte galten den Verantwortlichen als »Sturmmannschaft der Volksgesundheit«, als »Soldaten der Gesundheitsführung«, während die Ärzte als »Sturmtruppe« Sichtungs- und Leitungsaufgaben hatten, um den Kampf gegen die »Gesundheitsanalphabeten« erfolgreich zu führen.513 Derartiger Verbalaktivismus verdeutlicht das rassistische Grundelement einschlägiger Maßnahmen. Die Gleichsetzung von Ernährung und Gesundheit zielte auf die Inkorporation objektivierten Wissens, Essen wurde zu einem permanenten Plädoyer für oder gegen das Regime. Doch auch die NS -Ärzteschaft realisierte, dass ihre Strategie der Führung gegenüber dem Einzelnen, einer vorbildhaften Selbstzucht und der staatlichen Minimierung von Zivilisationsschäden auf keiner der drei Ebenen wirklich erfolgreich war.514 Entsprechend gewannen indirekte Maßnahmen der Gesundheitsführung an Bedeutung. Neue Rohstoffe und Austauschstoffe erschienen als wichtiges Element der Gesundheitspolitik, denn sie dienten (zunehmend undeklariert) nicht nur der Aufrüstung, sondern zugleich optimierter körperlicher Leistungsfähigkeit.515 2. Dem diente auch eine strikt agierende Lebensmittelkontrolle. Fälscher und Betrüger führte man während der NS -Zeit immer wieder öffentlich vor, um so das Bild des sorgenden Staates zu unterfüttern. Deviantes Verhalten wurde dabei politisch-rassistisch gedeutet, »Volksschädlinge« vornehmlich im ambulanten Handel, bei Juden oder aber missliebigen Betriebsformen des Einzelhandels ausgemacht. Dadurch gewannen die Lebensmittelchemiker symbolische Macht, personell aber verblieben sie auf dem Stand der Weltwirtschaftskrise. Die dezentrale, durch die Verordnungen seit 1930 schon vielfach überformte Struktur der Lebensmittelüberwachung wurde durch wachsende Tendenzen zur »Verreich­ 512 Ziegelmayer, 1949, 70. 513 Zitate n. Schenck, E[rnst] G[ünther]: Arzt, Volksgesundheit und Wissenschaft, in: Dieses Volk will gesund bleiben. […], Stuttgart 1939, 37–48, hier 42. 514 Programmatisch hierzu Bommer, S[igwald]: Das Institut für Ernährungslehre in Berlin, Hippokrates 9, 1938, 988–990, hier 989. 515 Zur indirekten Erringung von »Wehrfreiheit« s. Deutschlandberichte 1936, 117.

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lichung« weiter in Frage gestellt.516 Das moderat novellierte Lebensmittelgesetz von 1936 schwächte die Kontrollrechte gegenüber Produktion und Handel.517 Eine 1939 bezeichnenderweise vom Bund Deutscher Lebensmittelfabrikanten und -Händler durchgeführte Strukturanalyse empfahl zwar die von der Reichswirtschaftskammer gewünschte regelmäßige Kontrolle aller Produktionsbetriebe, doch weitere Empfehlungen zielten auf eine reichseinheitliche Verminderung der Strafbestimmungen sowie kooperatives Konfliktmanagement.518 Dies spiegelt den relativen Bedeutungsverlust der Lebensmittelkontrolle, während vor allem seit dem Vierjahresplan die Industrieforschung immer wichtiger wurde. Innerhalb der Fachgruppen gründete man vielfach Forschungsgemeinschaften und ging ebenfalls Kooperationen mit staatlichen Forschungsinstitutionen ein.519 3. Diese Entwicklung deckt sich mit der spätestens seit 1936 einsetzenden Professionalisierung der Bromatik. 1929 war die Gründung eines Kaiser-Wilhelm-Instituts für die Biochemie der Küche noch am Einspruch Max Rubners gescheitert, und auch Pläne für ein Institut für angewandte Ernährungslehre ließen sich nicht verwirklichen.520 Staatliche Stellen unterbrachen 1935 das Kapitel einer an US -Vorbildern anknüpfenden Haushaltswissenschaft mit der Schließung des Berliner Instituts für Hauswirtschaftswissenschaft und dem Ende der »Hauswirtschaftlichen Jahrbücher«.521 Doch mit dem Vierjahresplan veränderte sich die Szenerie. Seit 1939 erschienen die Jahrbücher wieder, und die Leipziger Versuchsstelle für Hauswirtschaft der Deutschen Frauenschaft stand schon zuvor nicht nur für Rezeptdienste im Sinne der Verbrauchslenkung, sondern auch für umfassende Produkttests im Sinne effizienter Hauswirtschaft.522 516 Petri, W.: Über den zukünftigen Aufbau der Lebensmittelkontrolle, ZUL 68, 1934, ­17–31; Böttger, Hugo: Reform der Lebensmittelüberwachung, DLR 1939, 183–185. 517 Merres, Ernst: Grundsätzliches zum Lebensmittelrecht unter besonderer Berücksichtigung des neuen Lebensmittelgesetzes, Die Ernährung 1, 1936, 74–80. 518 Böttger, Hugo: Stand und Entwicklung der Lebensmittelüberwachung, ZUL 79, 1940, 10–13. 519 Neben den neuen Konservierungsverfahren sowie Verpackungsfragen standen branchenspezifische Detailfragen im Mittelpunkt. Einzelne Forschungsinstitute, etwa die Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in München, bildeten Arbeitsgemeinschaften mit Produzenten, vgl. Tätigkeitsbericht, 1939, 152. 520 Müller-Lenhartz, 1942, 34 (Winckel) sowie Wendelmuth, Gerta: Angewandte Ernährungslehre, ZfE 3, 1933, 8–14; Albrecht, Erna: Zu der Frage »Schaffung eines Instituts für Angewandte Ernährungslehre«, ZfE 3, 1933, 113–115. 521 Vgl. als Überblick das problematische Buch von Harter-Meyer, Renate: Der Kochlöffel ist unsere Waffe. Hausfrauen und hauswirtschaftliche Bildung im Nationalsozialismus, Baltmannsweiler 1999. 522 Einfache Testverfahren reichen bis in Weimarer Republik zurück, zu nennen sind zahlreiche Veröffentlichungen in den »Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft«. Vgl. Burg-Görg, [Emilie]: Die Arbeiten der Sonderausschüsse für Hauswirtschaft und hauswirtschaftliche Geräte, MDLG 42, 1927, 725–726.

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Innerhalb der Wehrmacht und dann auch der Hermann Esser-Forschungs­ gemeinschaft für Fremdenverkehr wurden zentrale Lehr- und Versuchsküchen eingerichtet, die systematisch »Kochwissenschaft« betrieben. Lagerhaltung und Qualitätsforschung erforderten zunehmend Expertise über die stofflichen Veränderungen der Lebensmittel und Speisen.523 Die bromatischen Forschungen etablierten objektiviertes Wissen, das in den Versorgungsketten über Vorschriften und Befehle umgesetzt werden konnte, während die Umsetzung durch kochende Hausfrauen nach wie vor defizitär schien, da deren »Rationalität« grundsätzlich negiert wurde.524 4. Schließlich war die »deutsche« Ernährungswissenschaft durchgängig von Interessengegensätzen und Machtkämpfen zwischen vielfach lebensreforma­ torisch eingestellten biologistischen Fraktionen und der Mehrzahl strikter funktional-materialistisch argumentierenden Forschergruppen gekennzeichnet (Kap. 5.1.3).525 Die Lebensreformbewegung wurde während des Nationalsozialismus nicht nur nicht zerschlagen – verboten und verfolgt wurden nur wenige pazifistische und politisch missliebige Gruppen  –, sondern nach der Selbstgleichschaltung forschungspolitisch aufgewertet. Das spätere kleine Dresdener Forschungsinstitut der Deutschen Lebensreformbewegung zeugt davon.526 Auch wenn die »Neue Deutsche Heilkunde« nur begrenzte Wirkung entfalten konnte und das Dresdener »Rudolf Heß-Krankenhaus« sich nicht zu einer relevanten Forschungsstätte entwickelte, war reformerisches Gedankengut in der NS -Führungsriege doch weit verbreitet.527 Die Durchsetzung künstlicher Kost war daher begleitet von Forderungen nach einer »natürlichen« schollengebundenen Ernährung.528 Der alternative Landbau wurde – trotz des Verbotes des Demeter-Verbandes 1941529 – vielfach unterstützt und erreichte Größenordnun 523 Müller-Lenhartz, 1942, 34 (Winckel). 524 Vgl. beispielhaft die Analyse von Vorwerck, Else: Die Mitwirkung der Frau bei der Aufklärung über Ernährungsfragen, in: Aufklärung! Eine Vortragssammlung, bearb. v. d. Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung, Berlin 1936, 25–28. 525 Detailstark, aber vielfach nicht abgewogen Klee, Ernst: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945, Frankfurt a. M. 2001. 526 Vogel, Martin: Das Dresdener Forschungsinstitut der Deutschen Lebensreformbewe­ gung, Hippokrates 9, 1938, 854–855. Zur Ereignisgeschichte Krabbe, Wolfgang R.: »Die Weltanschauung der Deutschen Lebensreform-Bewegung ist der Nationalsozialismus«. Zur Gleichschaltung einer Alternativströmung im Dritten Reich, Archiv für Kulturgeschichte 71, 1989, 431–461. 527 Darauf wies erstmals systematisch Bramwell, Anna: Was this Man »Father of the Greens«?, History Today 34, 1984, Sept.-H., 7–13; Bramwell, 1985, hin, auch wenn deren historische Kontextualsierung schlicht irreführend ist. Vgl. Gerhard, Gesine: Richard Walther Darré – Naturschützer oder »Rassezüchter«?, in: Radkau, Joachim/Uekötter, Frank (Hg.). Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt a. M./New York 2003, 257–271. 528 Schweigart, 1936, 18. 529 Vgl. hierzu die zu heroische Selbstdarstellung Koepf, Herbert H./Plato, Bodo v.: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise im 20. Jahrhundert. Die Entwicklungsgeschichte

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gen, die erst in den frühen 1990er Jahren wieder überschritten wurden. Reichsernährungsminister Darré schrieb entsprechend 1941: »Mit Justus von Liebig ist vor 100 Jahren ein Retortendenken aufgekommen, welches heute alle Landbauweisen beherrscht und welches alles Lebendige glaubt vom chemischen Laboratorium aus regulieren zu können. Wir werden die Chemie zugunsten der Gesetze des Lebendigen entthronen müssen und werden sie zur Dienerin im Leben unseres Volkes machen.«530 Selbst technokratische Ideologen, wie etwa der Leiter des Forschungsdienstes Konrad Meyer, sahen das »biologische Moment« dem wirtschaftlichen »eingeordnet, ja sogar übergeordnet.«531 Auch wenn sich eine »biologische Ernährungslenkung«532 angesichts der Expansionsprioritäten des Regimes letztlich nicht durchsetzen ließ, so bot sie doch eine wichtige Folie für die NS -Ernährungswissenschaft nach einem Sieg im Kriege. Einer »Pillenernährung« und »künstlichen chemischen Produkten«533 stand die Mehrzahl kritisch, ja ablehnend gegenüber. Auch viele Vertreter funktional-materialistischer Ansätze hegten Sympathie gegenüber »natürlicher« deutscher Kost, auch wenn sie aus Versorgungsverantwortung noch anders optierten. Sie war billig, setzte auf Abhärtung und die Aktivierung der natürlichen Abwehrkräfte.534 Zahlreiche Schattierungen der späteren Vollwerternährung entstanden damals. Beide Gruppen aber trafen sich im Stoffparadigma. Es erlaubte diesen reaktionären Modernisten die Frage still zu stellen, ob technische Innovation und Treue zur völkischen Herkunft miteinander zu vermitteln waren.535 Hier wurde jeweils auf gemeinsam zu erreichende Zukunft verwiesen.

der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, Dornach 200 sowie Vogt, Gunter: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus im deutschsprachigen Raum, Bad Dürkheim 2000, 132–152 530 Rundschreiben Darrés v. 07.06.1941, zit. n. Kaienburg, Hermann: Die Wirtschaft der SS , Berlin 2003, 798. 531 Meyer, 1938, 1. 532 Halden, W[ilhelm]: Biologische Ernährungslenkung, Wiener klinische Wochenschrift 53, 1940, 380–385. 533 Beide Zitate n. Wirz, F[ranz] G. M.: Die Hagebutte als hochwertiger Vitaminspender, ihre Sammlung, Verarbeitung und Verwendung, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 29–42, hier 33. 534 So Betriebe richten Gesundheitshäuser ein, Der Vertrauensrat 9, 1942, 10.  535 Vgl. hierzu Herf, Jeffrey: Der nationalsozialistische Technikdiskurs: Die deutschen Eigenheiten des reaktionären Modernismus, in: Emmerich, Wolfgang/Wege, Carl (Hg.): Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära, Stuttgart/Weimar 1995, 72–93, v. a. 77.

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5.5.2 Deutsche Soja. Die Akkulturation neuer Pflanzen Die »deutsche« Ernährungswissenschaft setzte sich in der Zwischenkriegszeit mit zahlreichen neuen Rohstoffen auseinander. Die Sojabohnenforschung unterstreicht die für künstliche Kost charakteristische Enträumlichung. Mitte des 19. Jahrhunderts noch vornehmlich in der Mandschurei und Japan angebaut, wurden das »uncharismatische Lebensmittel« (Jürgen Osterhammel) zunehmend auch in Südostasien, seit ca. 1910 dann in den USA und Südamerika eingeführt.536 In Mitteleuropa reicht ihre Vorgeschichte bis in die 1870er Jahre zurück. Damals begannen unter der Federführung des Wiener Botanikers Friedrich Haberlandt 1875 erste systematische Anbauversuche, bis Ende der 1870er Jahre waren es mehrere hundert in Österreich-Ungarn und im Deutschen Reich. Als Futterpflanze, aber auch als gekochtes oder püriertes Gemüse schien Soja bestens geeignet, die bestehende Palette der Nahrungsmittel zu erweitern.537 Doch die angekündigte »Acclimatisation«538 gelang nicht, waren die Boden- und Klimaverhältnisse doch vielfach ungeeignet, stand nicht genügend geeignetes Saatgut zur Verfügung und war das fetthaltige Produkt nicht lange haltbar. Leicht bitterer Geschmack und lange Zubereitungszeiten kamen hinzu, ebenso der Tod Haberlandts im Jahre 1878. Zwischenzeitlich schon als »sehr geeignetes Ersatzmittel für Fleisch«539 diskutiert, gab es um 1880 zwar eine Reihe neuer Produkte mit Sojamehl – etwa in Kombination mit Carne pura – doch diese Suchbewegungen im Markt scheiterten rasch. Einzig als importierte Würze bildete sie ein exotisches Aperçu im bürgerlichen Milieu.540 Das änderte sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg als nach dem Sieg Japans gegen Russland und Zollsenkungen Sojaöl schnell an Bedeutung gewann. 1910 begannen die Importe in das Deutsche Reich, bis 1913 schnellten sie auf fast 126.000 t hoch.541 Die vornehmlich in Hamburg extrahierten Öle dienten zuerst technischen Zwecken und nach dem Krieg auch der Margarineherstellung, 536 Vgl. Langthaler, Ernst: Gemüse oder Ölfrucht? Die Weltkarriere der Sojabohne im 20. Jahrhundert, in: Reiher, Cornelia/Sippel, Sarah Ruth (Hg): Umkämpftes Essen. Produktion, Handel und Konsum von Lebensmitteln in globalen Kontexten, Göttingen 2015, 41–66, insb. 43–47. 537 Vgl. etwa Attems, Heinrich Gf.: Die Sojabohne, Fühling’s landwirthschaftliche Zeitung 28, 1879, 349–351 bzw. Wollny, [Ewald]: Anbauversuche mit der Sojabohne (Joa Hispida Mch.), Fühling’s landwirthschaftliche Zeitung 28, 1879, 261–265 (zu Münchener Versuchen). 538 Haberlandt, Friedr[ich]: Die Sojabohne. Ergebnisse der Studien und Versuche über die Anbauwürdigkeit dieser neu einzuführenden Culturpflanze, Wien 1878, 110. 539 Becke, [Wilhelm] v.d.: Die Sojabohne als Feldfrucht, Landwirthschaftliche Zeitung für Westfalen und Lippe 38, 1881, 307–310, hier 310. 540 Japanische Soja, Industrielle Rundschau 2, 1888, 71. 541 Dannenberg, H.: Sojabohne, in: Bott, Karl (Hg.): Handwörterbuch des Kaufmanns, Bd. 5, Hamburg/Berlin 1927, 180–181, hier 181.

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während die Pressrückstände zumeist als Futtermittel abgesetzt wurden. Zugleich aber wurden Sojabohnen insbesondere von der Reformwarenwirtschaft neu entdeckt, galten Japaner und Chinesen doch als leistungsstarke Vegetarier.542 Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden zahlreiche Nährmittel, die als vegetabiles Fleisch dienen konnten.543 Ein Blick auf die »Preußen Asiens« ließ zudem eine breite Palette neuer Geschmäcker und Produkte aufscheinen: »Sojakeime als Gemüse, Sojablättchen als Salat, Sojakonfitüren, Sojamarmeladen und durch Gärungsprozess sogar Sojakäse geben ungefähr einen Begriff über die Vielseitigkeit dieses Produktes.«544 Während der hohe Eiweiß- und Fettgehalt Soja als ideales Nährmittel prädestinierte, sicherte der hohe Lezithingehalt ihr ein Gesundheitsimage.545 Die neuerliche Faszination führte zu zahlreichen Anbauversuchen, die während des Krieges nochmals intensiviert wurden, da nun die Importe wegbrachen.546 Sozialmediziner, landwirtschaftliche Praktiker und staatliche Stellen förderten etwa die 1913 gegründete »Deutsche SojaPflanzungs-Gesellschaft«, doch nach einer ersten Liquidation 1915 kam sie über neuerliche Gründungspläne nicht heraus.547 Abermals scheitere die angestrebte »Umwälzung der Volksernährung«.548 Doch anders als nach 1880 blieben Sojabohnen schon aufgrund des Weltmarktangebotes ein Thema, und ebenso blieb der Anbau von Sojabohnen und Erdnüssen eine wichtige Aufgabe angewandter Ernährungsforschung in der Zwischenkriegszeit.549 Die in Bonn-Poppelsdorf 1920 begonnenen Züchtungsforschungen legten letztlich die Saatgutbasis für den späteren deutschen Sojabohnenanbau.550 542 Kafemann, R.: Aguman. Ein neues Nährmehl aus der Sojabohne, Die Umschau 17, 1913, 1041–1043; Makowski, Max: Ein neues Volksnahrungsmittel, VW 46, 1913, 48; Langworthy, C. F.: Die Sojabohnen als menschliche Nahrung, VW 46, 1913, 128–130. 543 Stölting, Bodo: Das Rätsel der Nervenkraft asiatischer Völker. Ein Beitrag zu seiner Lösung, VW 43, 1910, 61–62. 544 Die Sojabohne, das Nahrungsmittel der Zukunft, Der Materialist 35, 1914, Nr. 20, 16. Vgl. auch Kalle, Fritz: Ein vorzügliches Nahrungsmittel, BVGP 13, 1913, 104–105; Grimme, Clemens: Die Sojabohne und ihre Verarbeitung zu Nahrungs- und Genußmitteln, Die Deutsche Essigindustrie 18, 1914, 116–119. 545 Neumann, Hermann: Die Sojabohne, ihre Bedeutung für den gesunden und kranken Menschen und ihre Verwertungsform, Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie 16, 1912, 129–151. 546 Tritzschler: Zum Anbau der Sojabohne, MDLG 29, 1915, 575–576. 547 Deutsche Soja-Pflanzungs-Gesellschaft, Die Lebenskunst 12, 1917, 8–9; Drews, Joachim: Die »Nazi-Bohne«. Anbau, Verwendung und Auswirkung der Sojabohne im Deutschen Reich und Südosteuropa (1933–1945), Münster 2004, 38–39. 548 Zu den Chancen umfassend Fürstenberg, Maurice: Die Einführung der Soja, eine Umwälzung der Volksernährung, Berlin 1916; Fürstenberg, Maurice: Die Soja, eine Kulturpflanze der Zukunft und ihre Verwertungsmöglichkeiten, Berlin 1917. 549 Juckenack, 1922, 15. 550 Riede, Wilhelm: Die Bedeutung der Sojabohne für Deutschland, Deutschlands Erneuerung 24, 1940, 542–548, hier 546.

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Während der Weimarer Republik stiegen die Importmengen wieder schnell an. 1924 wurden die Vorkriegswerte übertroffen, 1932 lag man mit über 1,2 Mio. t bei fast der zehnfachen Menge.551 Soja war damals die wichtigste Ölfrucht in Deutschland. Dank Fetthärtung wurde sie zunehmend zu Margarine verarbeitet, diente ferner als Mastfuttermittel.552 Zudem wurde die Vermahlung verbessert. Dem Budapester Ernährungswissenschaftler Ladislaus Berczeller gelang es 1923 durch Prozessoptimierung, länger haltbares Sojamehl mit einem kaum mehr bitteren Geschmack herzustellen. Als eiweißhaltiges Edelsoja wurde es anfangs vorrangig in Österreich und Ungarn eingesetzt, diente hier vornehmlich in der Diätkost als preiswertes Nährmittel bzw. als Brotzumischung.553 Weitere Innovationen folgten.554 Im Deutschen Reich verfolgte die ölverarbeitende Industrie, insbesondere die Hamburger Hansa-Mühle, diese aufmerksam.555 Physiologen, darunter auch Max Rubner, erprobten etwa angereicherte Brote.556 Sie boten eine preiswerte Ergänzung der Alltagskost und wurden insbesondere während der Weltwirtschaftskrise empfohlen. Lezithin aus Sojabohnen diente als Zwischenprodukt für die Nudelherstellung.557 Gleichwohl erlangte das neue Produkt nur geringe Bedeutung.558 Eine Ausnahme bildeten weiterhin lebensreformerische Kreise, die nicht nur das Mehl als Grundstoff für Suppen, Brat 551 Allerdings wurde ein beträchtlicher Teil des Sojaöls wieder exportiert. Vgl. hierzu Brandt, Karl: Die neue Lage am deutschen Speisefettmarkt, Blätter für landwirtschaftliche Marktforschung 3, 1932/33, 469–478, v. a. 476–477. 552 Scheunert, A[rthur]/Richter, K.: Der Wert der Sojabohne als Futtermittel, Fortschritte der Landwirtschaft 3, 1928, 1130–1133. 553 Wastl, H[elene]: Das Sojamehl als Nahrungsmittel, Wiener Medizinische Wochenschrift 76, 1926, 1209–1210, 1213–1214; Berczeller, L[adislaus]: Die Bedeutung der Soja für die Volksernährung. […], in: Arbeiten über das Berczeller’sche Sojamehl, Wien 1928, o.P. 554 Vgl. Schneider, Adolf: Die Verarbeitung der Sojabohne in der Ölmühlenindustrie unter besonderer Berücksichtigung des Bollmannschen Verfahrens, in: Soja. Ein Beitrag zur Kenntnis des Wertes der Sojabohne und ihrer Produkte für die Volkswirtschaft, hg. v. d. Hansa-Mühle GmbH, Hamburg 1929, 63–76. 555 Die rationalisierte Ölsaatenverarbeitung als Wirtschaftsfaktor für Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Sojabohne, hg. v.d. Hansa-Mühle GmbH, Hamburg 1927. Zur Branche vgl. Die Ölmühlen- und Ölveredelungsindustrie im Deutschen Reich, Wirtschaft und Statistik 10, 1930, 453–458. 556 Rubner, [Max]: Verdaulichkeit von mit Eiweiß angereichertem Roggenbrot, MW 2, 1928, 4–6; Gutachten des Reichsgesundheitsamts über den Zusatz von Reispudermehl und Sojabohnenmehl zum Roggenmehl, RGBl 7, 1932, 577–578. 557 Die Debatte der Lebensmittelchemiker spiegeln Haupt, H.: Die Verwendung von Pflanzenlecithin bei der Teigwarenherstellung, DNR 1930, 17–20; Rößler: Die Verwendung von Pflanzenlezithin bei der Teigwarenherstellung, DNR 1930, 50–52; Teigwaren und Lezithin, DNR 1930, 70–72; Birkel, Carl: Teigwaren und Lezithin, DNR 1930, 122–123. 558 Vgl. etwa Wendelmuth, Gerta/Kupelwieser, [Ernst]: Über die Soja als Volksnahrungsmittel, Hauswirtschaftliche Jahrbücher 3, 1930, 47–53; Weiß, Hans: Die Sojabohne in der Mandschurei. Die letzte Rettung aus der deutschen Ernährungsnot, Ernährungswirtschaft 6, 1932, 53–54; Sojabohne als Volksnahrungsmittel. Jetzt haben die Fachleute das Wort, Ernährungswirtschaft 6, 1932, 97–103.

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linge, Backwaren und Süßspeisen nutzten, sondern auch Sojamilch in ihre Alltagskost übernahmen.559 Wieder einmal waren die Alternativen Trendsetter für künstliche Kost. Angesichts dieser Vorgeschichte greift es zu kurz, die Sojabohne als »NaziBohne« zu bezeichnen. Die grundlegenden Verfahren waren vor 1933 entwickelt worden. Eine größere Zahl leistungsfähiger Groß- und Mittelbetriebe konnte die neuen Produkte herstellen.560 Der Charme der Sojabohne lag vorrangig in ihrer fast einzigartigen stofflichen Zusammensetzung. Schon ihr Eiweißgehalt war mit ca. 38 % außergewöhn­ lich hoch. Noch bemerkenswerter aber war der mehr als 20 %ige Fettanteil.561 Doch nicht nur die Quantität überzeugte: Sojaeiweiß war biologisch vollwertig, konnte animalische Produkte gleichwertig ersetzen und enthielt zudem keine Harnsäure. Das Lezithin (1,5–2 % Anteil) galt als wichtige, die Geistestätigkeit anregende Fettsäure und dient als Emulgator in der Lebensmittelproduktion. Der Vitamingehalt, insbesondere von Vitamin A, war hoch. Zahlreiche Mineralstoffe, vornehmlich Phosphor und Kalzium, rundeten das Stoffprofil ab.562 Dies lockte die deutschen Ernährungsplaner. Neuerlich sollte die Sojabohne akkulturiert werden, denn nur als heimische Pflanze entlastete sie das Devisenkonto. Im Wissen um die stoffliche Zusammensetzung schien es rational, die Pflanze ins Reichsgebiet zu holen und sie hier anzupflanzen. Künstliche Kost implizierte nicht nur neue Produkte, sondern auch beträchtliche Veränderungen in der heimischen Landwirtschaft und der tradierten Kulturlandschaft. Die Flächenproduktivität konnte deutlich erhöht werden. Während Hülsenfrüchte pro Hektar knapp 40 kg Fett und ca. 500 kg Eiweiß erzielten, waren es bei Sojabohnen etwa 340 kg Fett und 670 kg Eiweiß.563 Nun sollte die Züchtungsforschung brauchbares Saatgut herstellen, um die Planungen Realität werden zu lassen. Erwin Baur, der den Süßlupinenanbau bevor 559 Detailliert hierzu Dr. Gössel’s Soja Volksnahrung erobert die Küche, o. O. o. J. (ca. 1932). Gerade die Neuform vertrieb diese neuen hoch verarbeiteten Produkte. 560 Vollfettes Sojamehl produzierten die Österreichische Edelsoja-Gesellschaft in Wien, die Henselwerke in Magstadt-Stuttgart, C. F. Hildebrandt in Hamburg, die Neue Edelsoja GmbH Berlin/Hamburg sowie die Fortin-Werke Köln/Düsseldorf. Fettfreies, also vorrangig eiweißhaltiges Sojamehl produzierten Fauth in Wiesbaden, die Hansa-Mühle und die Deback in Hamburg sowie Riedel in Frankfurt a. M. Vgl. zu den angewandten Verfahren Kanne­ giesser, Max: Zur Frage der Verwendung von Sojabohnen in der Volksernährung, Med. Diss. Berlin 1940, 24–26. 561 In den NS -Debatten trat der Fettgehalt gleichwohl in den Hintergrund, dominierte vielmehr der Blick auf das vollwertige Eiweiß. Fett schien durch Kohlenhydrate ansatzweise substituierbar. 562 Haken, Werner v.: Wissenswertes über die Sojabohne, MLW 53, 1938, 173–174. 563 Weidlich, Karl: Die Selbstversorgung Deutschlands mit pflanzlichen Ölen und Fetten, WiSo. Diss. Frankfurt a. M., Bückeburg 1937, 86. Vgl. auch Simon, Joseph: Der Anbauwert der Sojabohne, ZfE 3, 1933, 275–279.

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zugte, sah hierin allerdings den entscheidenden Engpass: »Ich warne unter allen Umständen heute davor, Soja, etwa im großen feldmäßig anzubauen. Wir haben noch keine Rasse, die zu uns paßt.«564 Grund hierfür war die Heterogenität des Klimas und der Böden, die eine einfache Adaption der asiatischen Sorten ausschloss. Zugleich aber fehlten wichtige institutionelle Voraussetzungen. Während in der industriellen Sphäre Markenund Patentschutz schon lange Nutzungsrechte und damit Anreize für Innovationen boten, bestand im Deutschen Reich noch kein offiziell anerkanntes Sortenregister, wenngleich die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft eine quasi amtliche Zwischenstellung einnahm.565 Das Mitte der 1920er Jahre einsetzende Agrarmarketing gründete auf sehr heterogenen Varietäten und der sprachlich genährten Fiktion einheitlicher Kulturpflanzen und Tierrassen (Kap. 4.2.4). Dies änderte sich mit der am 24. März 1934 erlassenen Verordnung über Saatgut, die im Rahmen des Normenstaates Rechtssicherheit schuf.566 Innerhalb des Reichsnährstandes wurden Sorten nun geprüft und anerkannt, wertvolle von weniger wertvollen geschieden. Die Naturressourcen konnten nach staatspolitischen Imperativen gelenkt werden. Die Reichssortenliste reduzierte die Zahl verfügbarer Varietäten teils auf nur ein Zehntel.567 Die Gesundheitsführung war unterfüttert von einschlägigen Gestaltungsimperativen der landwirtschaftlichen Planer, die zeitgleich die Zahl der Tierrassen einschränkten.568 Als im April 1934 der Sojabohnenanbau im Reichsernährungsministerium auf der Tagesordnung stand, erschienen den Vertretern von Staat, Reichsnährstand, Wissenschaft und Industrie die Chancen einer deutschen Sojabohne »nicht ungünstig«569 zu sein. Doch vor einer allgemeinen Empfehlung und umfassenden staatlichen Fördermaßnahmen waren weitere züchterische Versuche notwendig. Sie fanden 1934/35 im Rahmen des Reichsnährstandes statt.570 564 Baur, 1934, 20. 565 Vgl. hierzu Drews, 2004, 81–85, der auch für das Folgende grundlegend ist. 566 Umfassend hierzu Spennemann, Fritz (Hg.): Die Neuordnung des deutschen Saatgutwesens, Berlin 1938. Mit Bezug auf die Sojabohnen vgl. Ders.: Die Sortenversuche des Reichsnährstandes, FD 4, 1937, 529–536. 567 Vgl. Allemeyer: Sortenfragen im Kartoffelbau, Wochenblatt der Landesbauernschaft Hannover 90, 1937, 184–186. 568 Vgl. hierzu Schumacher, Arthur: Leistungssteigerung in der Tierzucht, MLW 50, 1935, 92–93. Vergleichende Leistungsprüfungen und künstliche Besamung waren die wichtigsten Maßnahmen, vgl. Krallinger, H[ans] F[riedrich]: Stand und Aufgaben des Leistungsprüfungswesen in der deutschen Tierzucht, FD 1, 1936, 591–593; Olbrycht, Tadeusz: Die künstliche Besamung – Ihr Wert für die Tierzucht, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 47, 1939, 347–348. Parallel begannen schon in den 1920er Jahren Versuche, über Futtermittelzugaben den Fleischertrag zu steigern, vgl. Koch, Walter: Anwendung der Geschlechtshormone in der Tierzucht, Die Umschau 38, 1934, 829–831. 569 Zur Frage des Anbaues der Sojabohne, Zf VE 9, 1934, 127–128, hier 127. 570 Vgl. Peterhänsel: Ergebnisse der Sojabohnenversuche 1934, MLW 50, 1935, 407–408; Dieckmann, A[dolf]: Die deutsche Sojabohne. Ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft, Er-

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Abb. 75: Sortenversuche mit Sojabohnen im Deutschen Reich 1933–1935

Das Ergebnis war ernüchternd, denn die naturräumlichen Restriktionen kamen klar zum Tragen. Allein im Südwesten sowie einem schmalen Streifen in Mitteldeutschland verlief der Anbau zufriedenstellend. Soja war eine arbeitsintensive Pflanze und dies angesichts der Arbeitskraftverluste der Landwirtschaft ein besonderes Problem. Um dem Platzen der Bohnen zuvorzukommen, waren die Erntezeitspannen eng, natürliche Fraßfeinde mussten durch Umzäunungen ferngehalten werden, die Blattlaus erforderte Pflanzenschutz.571 Die Versuche ergaben eine realistischere Problemsicht, nicht aber ein Abrücken vom grundsätzlichen Ziel. Parallel wurde die Grundlagenforschung über die stoffliche Struktur der Sojabohne intensiviert und dazu Verarbeitungsmöglichkeiten nährung und die Landwirtschaft, Berlin 1937, 33–49; Drews, 2004, 85–90. Zur Züchtung selbst s. Riede, W[ilhelm]: Deutsche Sojazüchtung, MLW 50, 1935, 804–805, 829–831. 571 Vgl. hierzu den anschaulichen Bericht von Lehrenkrauß: Erfahrungen mit dem Anbau der Sojabohne, MLW 53, 1938, 513–514.

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ebenso weiter ausgelotet wie Anwendungen in der Diätetik.572 Insbesondere die Heeresverwaltung führte einschlägige Untersuchungen durch. Die strategische Dimension der 1936 dann einsetzenden gezielten Förderung des Sojabohnenbohnenanbaus zeigt sich vornehmlich in der Preisgestaltung. Ab 1936 wurden die garantierten Abnahmepreise auf 16 RM pro Zentner angehoben und lagen damit doppelt so hoch wie der Weltmarktpreis.573 Weitere Steigerungen folgten, 1942 wurden 40 RM gezahlt, 1944 schließlich 60 RM. Grund hierfür war auch die Zielsetzung, deutsche Soja durchweg als menschliches Nahrungsmittel einzusetzen. Damit hob es sich deutlich von der ebenfalls umfassend geförderten Süßlupine (Kap. 4.1.4) ab, deren metallischer Beigeschmack ihre Weiterverarbeitung ebenso einschränkte wie die andere Eiweißstruktur, durch die Nährmittel schon bei 50 °C ausflockten. Soja sollte Öl und Lezithin liefern, zur Brotanreicherung und als Backhilfsmittel dienen und als Sojamehl und Diätetikum im Haushalt sichtbar werden. Die Experten des eisernen Dreiecks dachten mittelfristig an eine Nahrungsinnovation, die ähnlich wie Kartoffeln oder Mais die Ernährung grundlegend verändern würde.574 Stoffliches Wissen und züchterische Kompetenz sollten die häusliche Sphäre neu gestalten.575 Die Preisanreize wurden ergänzt durch eine zentralisierte Organisation. Die 1934 gegründete Maisanbaugesellschaft, Vorreiter einer ertragsstärkeren Futtermittelproduktion, ergänzte man 1937 um eine Abteilung Sojakultur.576 Sie versorgte die Landwirte mit den zugelassenen Hochzuchtsaaten, garantierte Abnahmemengen und zahlte die vereinbarten Festpreise. Das Resultat jedoch war ernüchternd. Die Zahl der für Industrieanbau abgeernteten Flächen stieg im Deutschen Reich von 84 ha 1937 über 185 ha 1938 und 213 ha 1940 auf lediglich 311 ha 1942.577 Angesichts der deutlich niedrigeren Werte für 1939 (107 ha) und 1941 (78 ha) wurde klar, dass die klimatischen und arbeitstechnischen Restriktionen nicht überwunden werden konnten. Die Annexion Österreichs 1938 erlaubte dennoch beträchtlich erhöhte Mengen. Lagen die Industrieanbauflächen hier 1937 erst bei 68 ha, so stiegen sie bis 1940 auf 1.527 ha an und erreichten 1944 mit ca. 2.500 ha ihren höchsten Stand. Auch hier aber gab es beträchtliche 572 Beispielhafte Arbeiten sind Leithe, Wolfgang/Müller, Erika: Die refraktometrische Fettbestimmung in deutsche Soja, Angewandte Chemie 48, 1935, 414–415; Schellong, Fritz/ Kaestner, Madeleine: Die Verwendung der Sojabohne in der Heilkost. Ein Kochbuch für Ärzte und Kranke, Dresden/Leipzig 1935; Dennig, H[elmut]: Die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Eingriffe in den Säurebasenhaushalt, DMW 63, 1937, 733–736. 573 Ziegelmayer, 1936, 87. Zur Weltmarktentwicklung vgl. Woertge, Karl Heinz: Entwicklung und weltwirtschaftliche Bedeutung der Sojabohnenerzeugung und -verarbeitung, Wiwi. Diss. Erlangen, Coburg 1937. 574 Soja-Anpflanzung in der Ostmark, ZGV 11, 1939, 232. 575 Anschaulich hierzu Balzli, Hans: Kleine Soja-Fibel. Geschichte, Anbau und Verwertung einer einzigartigen Nutzpflanze, Zürich/Leipzig 1938. 576 Die Zentralstelle für den Sojabohnenanbau errichtet, DHR 30, 1937, 107. 577 Die Zahlenangaben n. Drews, 2004, 94.

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Ernteschwankungen. Das Großdeutsche Reich expandierte zwar in klimatisch günstigere Regionen, konnte damit aber die eigene Eiweiß- und Fettversorgung nicht substanziell verbessern. Deutsche Soja blieb eine hoch subventionierte Nischenpflanze. Derweil drang der Rohstoff Soja als Importware weiter in die Lebensmittel­ verarbeitung und den Alltagskonsum vor. An der Ladentheke blieben die Erfolge begrenzt, auch wenn die engen Grenzen der Lebensreformbewegung durchbrochen werden konnten. Als führendes Unternehmen setzte die Edelsoja GmbH 1937 ca. 1.350 t ab, dreieinhalb so viel wie 1933 – doch vom erstrebten Durchbruch war man bei derartigen Mengen noch weit entfernt.578 Sojamehl wurde als preiswertes, nahrhaftes Produkt positioniert, doch offenkundig stärkte dies bei den Verbrauchern das Empfinden, ein geringwertiges Ersatzmittel angeboten zu bekommen. Versuche, andere Markenprodukte dann teurer anzubieten, scheiterten an den Preisstoppvorschriften.579 Die Kaufzurückhaltung lag wahrscheinlich nicht am neutralen Geschmack der Waren, bei dem bewusst alle Anklänge an die asiatische Küchenkultur getilgt worden waren.580 Wesentlich aber blieb, dass die Vermarktung als Mehl Backeigenschaften suggerierte, die nicht bestanden. Entsprechend wurde 1939 der unmittelbare Absatz an Letztverbraucher eingestellt. Auch Ernährungswissenschaftler plädierten zunehmend für den indirekten Einsatz über Lebensmittelverarbeitung und Gemeinschaftsverpflegung. Die Diffusion der Sojabohne begann, vom Verbraucher kaum bemerkt, als Zwischen- und teils nicht deklariertes Austauschprodukt. Neue Produkte gründeten anfangs noch auf dem besonderen Stoffprofil der Sojabohne, so etwa die Säuglingsnahrungen Laktoprov oder Sojabasan, durch die Nährstoffverluste kurzfristig effizient ausgeglichen werden konnten.581 In der Gemeinschaftsverpflegung und der mengenmäßig klar dominierenden Wehrmacht (Kap. 6.1.3) diente Sojamehl vorrangig als Fleisch-, Fett-, Ei- und Milchsubstitut, »gewissermaßen ›unsichtbar‹ zur Kräftigung und Zubereitung von Speisen«582. Die verbesserte Vollsoja wurde mittels Fachzeitschriften, Merkblättern und Rezepten propagandistisch beworben. Gleichwohl gab es auch hier Verluste, denn trotz klarer Anweisung vergaßen selbst Ernährungsfachkräfte häufig, dass die »Mehle« vorab in Wasser zu einem Brei angesetzt werden mussten, der dann erst verarbeitet werden konnte.583 Der Verbrauch dürfte während des Krieges 578 Ebd., 149. 579 Drews, Joachim: Die »Gleichschaltung im Stullenverzehr«. Ernährungspsychologie im »Dritten Reich« – zwei Fundstücke, Geschichtswerkstatt 32, 2002, 82–93, hier 91. 580 Ziegelmayer, 1940, 102. 581 Scheer, 1935, 131. 582 Soja-Ei in der Gemeinschaftsküche, ZGV 10, 1939, 142–143, hier 142. 583 Vgl. zu den Problemen Bening, W[illiam]: Das Sojaprogramm 1944. Die Leistungen der Werksküchen bei der Verarbeitung der Vollsoja, Gemeinschaftsverpflegung 1944, 145–146.

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jährlich 3.000 t nicht übertroffen haben.584 Unklar ist, in welchem Umfang Soja als Backhilfsmittel bzw. als Zusatz für Schokolade, Brot und insbesondere von Wurstwaren diente. Doch dass Lebensmittelchemiker noch während des Krieges gesonderte Nachweisverfahren entwickelten, lässt auf eine wachsende Bedeutung schließen.585 In diesen, durch Forschungsanstrengungen seit Mitte der 1930er Jahre gestützten Substitutionsprozessen lag technologisch die wichtigste Erbschaft für die Nachkriegszeit.586 Doch das Streben nach deutscher Soja hat noch einen anderen Aspekt, nämlich den Versuch, das auf deutschem Boden nicht Mögliche im Rahmen einer europäischen Großraumwirtschaft dennoch umzusetzen. Seit dem Übergang zum Neuen Plan lieferten insbesondere Rumänien und Bulgarien im Rahmen von Kompensationsgeschäften Sojabohnen in das Deutsche Reich.587 Die Anfänge dieser Kooperation gingen auf die deutsche Gruppe der Mitteleuropäischen Wirtschaftstagung sowie die IG Farben zurück, die seit 1932 die Strukturen in Südosteuropa systematisch erkundeten. 1934 begannen erste Lieferungen, die nicht nur im Rahmen der Selbstversorgungsdebatten, sondern auch der wirtschaftlichen Durchdringung dieser Region verstanden werden müssen.588 Diese Wendung nach Südosteuropa war erst einmal teuer: Lagen die Importpreise schon deutlich über den Weltmarktpreisen, stiegen die Kosten durch direkte Zuwendungen an die verarbeitende Industrie weiter an. Die rasche Umstellung war auch im informellen Herrschaftsgebiet nur durch attraktive Preise möglich. Die deutsche Nachfragemacht führte in Rumänien und Bulgarien, während des Krieges aber auch in Jugoslawien und Ungarn zu beträchtlichen Umschichtungen der dortigen Landwirtschaft.589 Auf Grundlage der Expertise deutscher Stellen wurden in diesen klimatisch begünstigten Ländern bis 1940 ca. 200.000 ha mit Sojabohnen bepflanzt, im gleichen Jahr er 584 Drews, 2004, 162. 585 Kratz, B./Jesser, H[ugo]: Sojabohnenbestimmung in Wurstwaren, DLR 1943, 33–34; Jesser, H[ugo]/Thomae, E.: Zur Bestimmung von Sojabohnenmehl in Wurst, DLR 1943, 65–66. 586 Vgl. Weiß, H[ans]: Möglichkeiten der Verbesserung der deutschen Eiweißwirtschaft in einem Kriegsfalle, Wissen und Wehr 17, 1936, 717–730; Meyer, Konrad: Unsere Forschungsarbeit im Krieg. […], FD 11, 1941, 253–286. In der SBZ wurden die Forschungen unmittelbar weitergeführt, vgl. etwa Schaffung eines Fleischersatzproduktes unter Verwendung von Soja, Natur und Nahrung 3, 1949, Nr. 9/10, 22. 587 Hierzu grundlegend Drews, 2004, 193–284. 588 Die Akkulturation der Sojabohne wurde als Teil einer deutschen Kulturmission gedeutet, vgl. etwa Grodzinski, P.: Sojabohnen in Europa, Die Umschau 41, 1937, 240–241; Richarz, Hugo: Der Ölsaatenanbau in Europa, Internationale Agrar-Rundschau 41, 1938, 81–84; Wilmowsky, Frhr. v.: Gedanken über den Umbruch der Landwirtschaft Mitteleuropas, DVW 10, 1941, 69–71. 589 Vgl. Schuren, Ernst: Europas Agrarpolitik im Kriege, DVW 11, 1942, 1125–1128, hier 1127 sowie insbesondere Fabris, Peter: Die Bedeutung der Sojabohne für die Wirtschaft Europas, Wiwi. Diss. Prag o. J. (1944) (Ms.).

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reichten die Importe über 100.000 t. Dies war beträchtlich, konnte den Wegfall der asiatischen Importe, die 1939 noch über 700.000 t betragen hatten, aber auch nicht ansatzweise kompensieren. Dennoch wurde Sojaanbau zum Marker deutscher Expansion: In Frankreich begannen Anbauversuche, ebenso in den besetzten Ostgebieten, vornehmlich in der Ukraine.590 Auch wenn die Erträge gering, ja bedeutungslos blieben, und die Importe aus Südosteuropa während des Krieges sanken591, ist die imperiale Komponente deutscher Soja doch offenkundig. Es mutet paradox an: Eine im Deutschen Reich letztlich nur sehr begrenzt akkulturierbare Kulturpflanze wurde in europäischen Ländern als Symbol deutscher Herrschaft verwandt. Enträumlichung und Entzeitlichung künstlicher Kost erlaubten ihre Aufladung mit gänzlich neuen Gehalten.592

5.5.3 Austauschstoffe. Die Neugestaltung der Zwischenprodukte Autarkieideale und die Zwänge der Rüstung mündeten in eine durch den Vierjahresplan entscheidend forcierte Ersatzmittelwirtschaft.593 Doch schon in Kap. 4.1.4 wurde deutlich, dass es sich hierbei um die Quintessenz einer nicht nur im Ersten Weltkrieg erprobten, sondern schon zuvor im Rahmen der chemischen Industrie angelegten Entwicklungslinie handelte. Die Selbstwahrnehmung als rohstoffarmes und von den Ressourcen der Welt tendenziell abgeschnittenes Land war weit verbreitet und führte in eine keineswegs durch den Zweiten Weltkrieg beendete »Flucht in den Käfig«.594 Objektiv ging es hierbei um Mangelwirtschaft und die Arbeit mit zweitklassigen Ersatzmitteln. Doch Wissenschaftler und Planungsbehörden sahen vornehmlich Chancen der Neugestaltung: »Die neuen deutschen Erzeugnisse können vom Beginn der Herstellung an so gestaltet werden, wie es für ihren späteren Verwendungszweck günstig ist.«595 Die wachsende Verfügbarkeit der stofflichen Materie und genauere Kenntnisse von Stoff 590 Vgl. hierzu Frankreich erweitert den Sojaanbau, MB 41, 1941, 211–212; Spannagel: Die Soja in der europäischen Ernährungswirtschaft!, MLW 1943, 358–359, 381–382, 403–404. 591 Vgl. die Importdaten in Häfner, o. J. (Margarine-Rohstoffe in Ölwert). 592 Fast unnötig zu betonen, dass diese Träume weiter trugen, vgl. Ziegelmayer, Wilhelm: Neue Nahrungsquellen. Kommunalpolitische Aufgaben zur Sicherung der deutschen Volksernährung, Berlin 1947, 71–76. Es wäre eine lohnende Aufgabe, die Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR mit Rumänien und Bulgarien in diesem Kontext weiter zu verfolgen. Für Westdeutschland vgl. Svenson, J.: 2. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Getreide­ forschung e. V. in Detmold am 24. bis 27. Juni 1947, ZUL 89, 1947, 32–43. 593 Detailliert hierzu Ziegelmayer, Wilhelm: Rohstoff-Fragen der deutschen Volksernährung. Eine Darstellung der ernährungswirtschaftlichen und ernährungswissenschaftlichen Aufgaben unserer Zeit mit einem Ausblick auf die Großraumwirtschaft, 4. verb. u. erw. Aufl., Dresden/Leipzig 1941. 594 Wengenroth, 2002. 595 Gerhardt/Höfner, 1942, 39.

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profilen und Stoffwechsel ließen passgenaue Lösungen möglich erscheinen. Das neue Wissen erlaubte demnach mehr als Ersatz, nämlich den stofflich gleichwertigen, staats- und gesundheitspolitisch jedoch positiv zu bewertenden Austausch einzelner Stoffe oder Stoffgruppen. Der seit 1938 allseits verwandte Begriff »Austauschstoff« war gewiss Teil propagandistischer Sprachregelung, er war aber immer auch mehr als das. Er stand für den Willen der Wissenden, mit (selbst gesetzten) Restriktionen produktiv umgehen zu können.596 Auch hier ist die Negativerfahrung des Ersten Weltkrieges nicht zu unter­ schätzen. Ersatzmittel als Ausgeburten wissenschaftlicher Vernunft sollten nicht noch einmal als Synonym für Minderwertiges stehen. Die Kriegswirtschaft im Frieden erlaubte prozesstechnische und auch geschmackliche Optimierungen. Mittelfristig schienen auch im Konsumgütersektor »neue Industrien«597 möglich. Die Verachtung der Masse erlaubte zumutende Zwischenschritte. Langfristig sollten ihre Ideale jedoch nicht nur in neuen Produkten materialisiert, sondern auch von den Konsumenten inkorporiert werden. Neugestaltung im Innern und Destruktionskraft nach Außen bedingten sich dabei. Die Austauschprodukte standen für einen wissenschaftlich und technologisch reizvollen Zwischenschritt, der mittels und durch aufgeklärte Volksgenossen schließlich in eine neue Realwelt führen sollte, in der die Fülle der Ressourcen verfügbar war und in der sich nur die wirklich überlegenen Austauschstoffe würden behaupten können.598 Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, die nur kleinteiligen Verbesserungen, aber auch wachsende Kenntnisse der Verbraucherpsychologie ließen es ratsam erscheinen, für die Distribution der Austauschprodukte die Gemeinschaftsverpflegung zu nutzen.599 Im Rahmen der Deutschen Arbeitsfront, insbesondere des Amtes für Schönheit der Arbeit, galt sie als »Sache der nationalsozialistischen Volksführung.«600 Die nicht unbeträchtlichen Verbesserungen 596 Dorn, Karl: Neue deutsche Werkstoffe, Stuttgart/Berlin 1940, 5. 597 Tyszka, 1935, 118. 598 Vgl. hierzu Kohn-Waechter, Gudrun: Ersatzwelt, totale Herrschaft, Risikolust – Elemente eines modernen Technikdiskurses am Beispiel von John Desmond Bernal, in: Emmerich, Wolfgang/Wege, Carl (Hg.): Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära, Stuttgart/ Weimar 1995, 47–71, v. a. 47–48. 599 Fundierte Forschung für das 20. Jahrhundert fehlt, auch die Arbeit von Thoms, Ulrike: Industrial Canteens in Germany, 1850–1950, in: Jacobs, Marc/Scholliers, Peter: Eating Out in Europe. Picnis, Gourmet Dining and Snacks since the Late Eighteenth Century, Oxford/New York 2003, 351–372, endet faktisch vor dem Ersten Weltkrieg. Zu den Potenzialen einer Analyse dieser Institutionen vgl. Tanner, Jakob: Meals in the factory: industrial and family life in Switzerland (1880–1950), in: Schärer, Martin R./Fenton, Alexander (Hg.): Food and Material Culture, East Linton 1998, 187–202 sowie – angesichts des ambivalenten Führungswillens von Lebensumgestaltern – Ackermann, Ute: Das Bauhaus isst, Bonn 2008. 600 Leitz, Gustav: Die sozialpolitische Bedeutung der Gemeinschaftsverpflegung, Monatshefte für NS -Sozialpolitik 7, 1940, 6–9, hier 6.

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in der Gestaltung der Speiseräume und nicht zuletzt der Küchentechnik dienten der symbolischen Integration der Arbeiterschaft in die NS -Volksgemeinschaft, dokumentierten zugleich aber den Führungsanspruch des Regimes, »auch auf die Gefahr hin, daß der Gaumen des Einzelnen manchmal etwas zu kurz kommt.«601 Diese offenkundige Einschränkung persönlicher Freiheit war neben der relativen Eintönigkeit und dem Geschmack der Speisen der wesentliche Grund für die lange Zeit geringe Akzeptanz von Kantinen und anderen Formen der Gemeinschaftsverpflegung. Während des Ersten Weltkrieges wurden sie trotz objektiver Vorteile seit 1916 zunehmend weniger frequentiert und auch während der Weltwirtschaftskrise galten sie als »soziales Schmerzenskind«.602 In der NS -Zeit gewannen sie rasch an Bedeutung, denn die Massenveranstaltungen von NSDAP, Reichsarbeitsdienst und Wehrmacht erforderten eine umfassendere Versorgungsinfrastruktur. Zumindest bis Mitte der 1930er Jahre standen Fragen von Verbrauchslenkung und Gesundheitsführung dabei im Hintergrund, ging es vorrangig um zugleich deftige und preiswerte Speisen.603 Dies galt auch für den propagandistisch aufgeladenen monatlichen Eintopfsonntag.604 Auch der Vierjahresplan änderte hieran nur wenig, zielte er doch anfangs vorrangig auf Veränderungen im Produktionssektor, während breiter angelegte Veränderungen in Betrieben und anderen Großverpflegungseinrichtungen  – die Wehrmacht bildet hier eine Ausnahme (Kap. 6.1.2) – erst 1939 einsetzten. Die DAF-Aktion »Warmes Essen im Betrieb« zielte auf den Aus- und Aufbau von Kantinen und forcierte damit freiwillige Angebote insbesondere innerhalb der Grundstoff- und Rüstungsindustrie, die mit besserer Verpflegung versuchten, Arbeitnehmer an sich zu binden.605 Sozialpolitik und eine rassistisch aufgeladene Gesundheitspolitik gingen ein NS -typisches Amalgam ein, denn während die Unternehmensleitungen unter Druck gesetzt wurden, ihren »Gefolgschaften« zumindest eine Mittagsmahlzeit zu gewähren, wurden die Arbeitnehmer gedrängt, an dieser gesunden und leistungsfördernden Grundernäh-

601 Henselmann, Herbert: »Muß es denn immer Bohnenkaffee sein?«, ZGV 10, 1939, 143. 602 Vgl. Gasteiger, Michael: Die städtische Volksspeisung in München. Ein Kriegsbericht von der Heimatfront, München 1918; Schilling-Voß, Fritz-Adolf: Arbeiterernährung und Massenspeisung im Krieg 1914–1918, Zf VE 12, 1937, 141–150; Banzhaf, Ludwig: Die Fabrikspeisung, ein soziales Schmerzenskind, ZfE 2, 1932, 274–279. 603 Vgl. Deckert, Emil: Küche und Massenspeisung, Zf VE 10, 1935, 107–110; Bechtel,­ Eugen: Wie kocht man billig und gut in den Großküchen?, Zf VE 11, 1936, 184–186. 604 Zum Kontext vgl. Welch, David: Nazi Propaganda and the Volksgemeinschaft: Constructing a People’s Community, Journal of Contemporary History 39, 2004, 213–238; Kinzler, Sonja: Kanonen statt Butter. Ernährung und Propaganda im »Dritten Reich«, Kiel o. J. (2006). 605 Einschlägige Forderungen gab es natürlich schon vor 1939, vgl. etwa Auch dem Arbeiter ein warmes Mittagessen!, Soziale Praxis 42, 1937, Sp. 1050–1052.

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rung teilzunehmen.606 Genaue Zahlen liegen erst nach Kriegsbeginn vor, doch Schätzungen gehen von einer Verdoppelung der Werksküchen in der unmittelbaren Vorkriegszeit aus.607 Anfang 1940 gab es im Reichsgebiet ca. 7­ .000–7.500 Kantinen, in denen bis zu 5 Mio. Beschäftigte verpflegt werden konnten, zudem etwa 1 Mio. »Lagerverpflegte«. Bis Anfang 1942 wurde diese Zahl auf 8.000 Werksküchen, 1.500 Kantinen ohne Küchenbetrieb sowie 800 sog. Fernverpflegungsbetriebe gesteigert, wobei letztere von Zentralküchen aus versorgt wurden. Hinzu kamen insgesamt 12.000 Arbeitslager (sowie die sonstige Anstaltsverpflegung). Durch die wachsende Zahl von Zwangsarbeitern sowie die Auswirkungen des Bombenkrieges nahm der Anteil der Beköstigten bis Ende des Krieges immer stärker zu. 1943 wurden 17.500  Werksküchen und 2.000 Fernverpflegungsbetriebe gezählt, und Anfang 1944 nahmen schätzungsweise 26 Mio. Personen an der Gemeinschaftsverpflegung teil.608 Dies entsprach etwa einem Drittel der Kartenempfänger. Hinzu kamen »Gemeinschaftsverpflegte« ohne Lebensmittelkarten. Ihre Zahl lag 1939/40 bei ca. 2,5 Mio. und stieg dann vor allem durch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter über 3,875 Mio. 1941/42 auf 7,025 Mio. 1944/45 an.609 Die neue Versorgungsinfrastruktur wurde anfangs mit Skepsis aufgenommen, zumal mit Beginn der Rationierung Kartenabgabe und damit Werksverpflegung verpflichtend wurden. Angesichts beträchtlicher Verweigerungsraten lockerte das Regime jedoch schnell wieder die Zügel.610 Die DAF hatte zu diesem Zeitpunkt schon umfassende Richtlinien für eine »gesunde« Verpflegung aus­gearbeitet, die vorrangig auf die ausreichende Versorgung mit Eiweiß und Vitaminen verwiesen.611 Eiweiß bedeutete mehr Magermilch, Magermilch- und

606 Vgl. Meyer, H. E.: Gemeinschaftsverpflegung, in: Verhandlungsbericht der 1. Wissenschaftlichen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene vom 3. bis 6. Oktober 1938, Berlin 1938, 126–129; Thiedemann, Richard: Leistungssteigerung durch betriebliche Sozialpolitik, Der Vertrauensrat 6, 1939, 4–6. 607 Suhr, Otto: Neue Formen der Werksverpflegung, Monatshefte für NS -Sozialpolitik 9, 1942, 215–216, hier 215 (danach auch die folgenden Zahlen). 608 Zahlen aus der Gemeinschaftsverpflegung, Gemeinschaftsverpflegung 1944, 363; Grass­hoff, Hans-Erich: Warmes Essen besser als die Stulle! 20 Millionen [sic!] in Gemeinschaftsverpflegung  – Werks- und Lagerküchen in 43000 Betrieben, Arbeitertum 1944, Folge 18, 7. 609 Angaben n. Häfner, o. J. 610 Die Werksküchenverpflegung im Kriege, Der Vertrauensrat 7, 1940, 3–5; Hasse: Die Gemeinschaftsverpflegung, Reicharbeitsblatt 1940, T. V, V128-V130. Die DAF-Verantwortlichen hatten schon vorab mehrfach Kundenbefragungen durchgeführt, um eine rasche Implementierung der Küchen zu ermöglichen, vgl. Thomas, Rudolf: Gemeinschaftsverpflegung im Urteil des Gastes, ZGV 9, 1939, 101–103. 611 Umfassend hierzu Gemeinschafts-Verpflegung in Lager- und Werksküchen, Berlin 1940.

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Soja­präparate.612 Einer exakten Umsetzung standen jedoch vor Ort beträchtliche Probleme entgegen, insbesondere der Mangel an qualifiziertem Kochpersonal. Die 1939 in Frankfurt a. M. eingerichtete Reichsschule für Gemeinschaftsverpflegung bildete bis 1944 zwar ca. 12.000 »Gemeinschaftsköche« aus, doch Zubereitungskompetenz blieb, ebenso wie effiziente Küchentechnik, ein knappes Gut.613 Vor diesem Hintergrund hatten solche Austauschprodukte die besten Chancen, die entweder anstelle tradierter Lebensmittel eingesetzt werden konnten oder aber einen hohen Conveniencegrad aufwiesen. Angesichts der großen Zahl neuer Produkte ist die Trennung zwischen Austauschstoffen auf natürlicher und auf synthetischer Grundlage hilfreich. Erstere wurden vorrangig von der Lebensmittelindustrie hergestellt und bildeten mengenmäßig relevante Größen. Letztere spiegeln weit stärker die Gestaltungsträume von Wissenschaftlern und staatlichen Instanzen, wurden vornehmlich von der chemischen Industrie produziert, verschlangen hohe Investitionssummen, blieben für die Alltagsernährung abseits der Lager jedoch von vernachlässigbarer Bedeutung. Die Palette möglicher Austauschstoffe war schon Mitte der 1930er Jahre breit gefächert. Es galt erstens ausländische Rohstoffe durch deutsche zu substituieren, zweitens Eiweiß und Fett herauszuziehen und durch preiswertere Nährstoffe zu ersetzen. Drittens wurde von Beginn an darauf geachtet, dass die neuen Produkte durch verbesserte Verarbeitung möglichst geringe Geschmackseinbußen bzw. Konsistenzveränderungen erfuhren.614 Träger dieser Veränderungen war eine neuartige Nährmittelindustrie. Anders als die Pionierunternehmen der Suppenbranche zielte sie auf Produktlösungen, die zwar ein bestimmtes Stoffprofil aufwiesen, aber nicht mehr an bestimmte Rohwaren gebunden waren. Sie agierten als preisgünstige Zulieferer. Diese Veränderungen waren ab 1936 offenkundig: Neue Firmen »schießen wie Pilze aus dem Boden und werfen über Nacht große Überschüsse ab.«615 Drei Beispiele können diesen Wandel verdeutlichen. Erstens wurden Mitte der 1930er Jahre sog. Backhilfsmittel stofflich neu gestaltet. Dabei handelte es sich um Zusätze zum Teig, um eine einheitliche Qualität, gleichmäßiges Ausbacken, einheitliche Porung sowie einen lockeren Teig zu erreichen. Entsprechende Mittel verwendete man vielfach schon vor 1914, 612 Gestaltung einer gesunden Gemeinschaftsverpflegung. Richtlinien des Amtes für Volksgesundheit der DAF, ZGV 11, 1939, 364–365. 613 Leitz, Gustav: Die Aufgaben der Reichsschule für Gemeinschaftsverpflegung, ZGV 8, 1939, 1–2; Grasshoff, 1944. 614 Vgl. etwa Schweigart, 1936, 88–89. Vorläufer bildeten die spätestens 1930 einsetzenden Kampagnen für »deutsche Erzeugnisse«, vgl. Deutschland-Berichte, 1935, 1396 bzw. Paulsen, Sigurd/Biegeleben, Mathilde Freiin v.: Der entscheidende Augenblick. Deutsche Ware – oder Auslandsware, Berlin o. J. 615 Deutschlandberichte, 1938, 1236.

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ihr eigentlicher Durchbruch lag jedoch in den 1920er Jahren. Backmalz, Stärkemehle, Mineralstoffe, eiweiß- und fetthaltige Produkte sowie Teigsäuerungsmittel bildeten die Hauptgruppen. Sie wurden in den 1930er Jahren stofflich systematisch erkundet.616 Die Stärkemehle produzierte man nun verstärkt aus Kartoffelstärke (statt aus Reis- oder Maisstärke), während mittels Sojamehl, Sojalezithin und Magermilch die eiweiß- und fetthaltigen Produkte völlig umgestaltet wurden. »Natürliche« Sauerteige substituierte man durch flüssige Milchsäure bzw. Fertigsauerteig.617 Die neuen Austauschprodukte beschleunigten die Produktion und gaben Brot und Backwaren ein gefälligeres Äußeres.618 Die vielfach industriell hergestellten Brote setzte man vornehmlich über Filialnetze bzw. die Gemeinschaftsverpflegung ab. Auch wenn die Kritik an einer Brotverschlechterung insbesondere aufgrund neuer Ausmahlungskriterien und der schon erwähnten Beimischungen nicht verstummte, wurde dies kaum mit den neuartigen Backhilfsmitteln verbunden. Fettsparende Backhilfsmittel ersetzten erfolgreich Fett durch Zucker, Kapillärsirup und Kunsthonig.619 Den Bäckereien und Brotfabriken schrieb man parallel die Verwendung von Austauschstoffen vielfach vor.620 Zweitens traten neben derartige Zwischenprodukte auch Markenprodukte vornehmlich aus Magermilch. Seit 1939 gab es Milei als »Schlagfähiges MilchEiweiß-Erzeugnis«621. Es bestand aus 90 % Magermilch, 10 % Molke sowie technischen Hilfsstoffen und wurde von der neu gegründeten Milei-Gesellschaft, einer Tochter der Württembergischen Milchverwertung AG, Stuttgart hergestellt. Das trockene Pulver sollte Eier ersetzen, drei Gramm Milei entsprachen einem Hühnereiweiß. Die Charakterisierung als »künstliches Ersatzmittel« lehnte man ab, positionierte das Austauschprodukt vielmehr als »hochwertiges Eiweißprodukt«.622 Anders als etwa Lupineneiweiß war es koch- und backfähig, wurde in Großküchen unmittelbar in Speisen eingerührt, aber auch an Privathaushalte verkauft.623 Die Produktpalette wuchs schnell, die Dachmarke 616 Vgl. etwa Pelshenke, P[aul]: Brotqualität und Fetteinsparung im Bäckereigewerbe, in: Forschung für Volk und Nahrungsfreiheit. […], Neudamm/Berlin 1938, 596–600. 617 Mühlhaus, Albert: Die Bedeutung der Backhilfsmittel in der deutschen Bäckerei, MB 37, 1937, Nr. 47, 1–4. 618 Vgl. Kollath, 1937, 314–321. 619 Vgl. etwa Fettsparende Backhilfsmittel, MB 37, 1937, Nr. 24, 3–4 sowie Pelshenke, Paul: Backfette. Verwendung, Wirkung, Einsparung, MB 38, 1938, Nr. 42, 1–3, Nr. 43, 1–2. Vgl. auch Kap. 4.5.4. 620 Vgl. Hecht: Die Marktordnung auf dem Gebiete der Backhilfsmittel, in: Brotgetreide, Mehl und Brot, Neudamm/Berlin 1938, 106–111. 621 ZGV 9, 1939, 2. S. v. 155. 622 Beide Zitate n. Erweiterung unserer Eiweißbasis. »Milei«, ein neues, hochwertiges Eiweiß­produkt, MZBl 68, 1939, 120–121, hier 120. 623 Vgl. St[einitzer, Fritz]: Austauschstoffe für das Ei in der Küchentechnik, Zf VE 15, 1940, 9–10.

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Abb. 76a+b: Automatische Verpackung und Zubereitungsvariante von Migetti

Milei umgriff seit 1940 auch Austauschstoffe für Eigelb, Grundstoffe für süße Nachtische sowie Zuckersparer.624 Die Firma expandierte während des Krieges beträchtlich und errichtete auch Fabrikationsstätten in den okkupierten Gebieten. Milei wurde zum Prototyp der erfolgreichen Nährmittelinnovation, auch 624 Pirner, Hans: Neue Wege in der Milchwirtschaft, Vierjahresplan 6, 1942, 268–271, hier 269.

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Sopade-Berichterstatter konstatierten, dass es »in Geschmack und Verwendungsfähigkeit einigermaßen dem Original«625 entspräche. Produktionsziffern fehlen, Angaben, dass Ei-Austauschstoffe auf Milchgrundlage 1941/42 jährlich etwa 800 Mio. Eier hätten substituieren können, sind nicht überprüfbar.626 Milei wurde in veränderter Qualität auch in der Nachkriegszeit verwendet und blieb während der 1950er Jahre ein Standardhilfsmittel der Gemeinschaftsverpflegung bzw. der Speiseeisproduktion. Drittens wurde mit Migetti 1939 ein Nährmittel und Fertiggericht aus Molke, Weizen- und Kartoffelstärkemehl auf den Markt gebracht. Mi[lch-Spa]g[h]etti sollte Reis, aber auch Eiernudeln ersetzen, musste daher vorgefertigt sein, um eine kurze Zubereitungszeit sicherzustellen.627 Auf Anregung des Oberkommandos des Heeres628 stellte man in Kooperation zwischen der Bayerischen Milchversorgung GmbH, Nürnberg und der Stuttgarter Milei-Gesellschaft mbH eine aus Chemikern und Praktikern bestehende Entwicklungsgruppe zusammen, die zuerst Laboratoriumsversuche mit Mehl- und Molkemischungen durchführte, um ein ergiebiges, nahrhaftes, wohlschmeckendes, gut aussehendes sowie breit anwendbares Nährmittel zu kreieren. Durch Kombination von Müllerei-, Trocknungs- und Pressmaschinen gelang es, das Verfahren auch großtechnisch umzusetzen.629 Dazu wurden 1939 die Migetti-Werke in Fürth gegründet. Das neue Produkt war körnig und ähnelte Reis. Größe, Farbe und Form des Kornes wurden erst nach langwierigen Verbraucherbefragungen festgelegt, das Produkt selbst vorverpackt und ständig im Betriebslaboratorium überprüft. Materialaufwand, Entwicklungs- und Investitionskosten erlaubten kein Billigprodukt, entsprechend wurden ca. 10–15 % der Kosten für eine Qualitätswerbung beim Verbraucher aufgewandt. Anzeigen für Migetti, »die topffertige Vollkost«, Kochvorführungen sowie ein in Millionenauflage gedrucktes Rezeptbuch sorgten für Publizität und auch Akzeptanz, wie die von der Gesellschaft für Konsumforschung durchgeführte Evaluation der Werbekampagne ergab. Das Austauschprodukt wurde vorrangig an Privatpersonen abgesetzt, diente zugleich aber als Suppen-, Brei- und Auflaufspeise in Großküchen und bei der Wehrmacht. 1941 wurden 1.700 t abgesetzt, 1944 dann 2.346 t. Diese drei Beispiele decken die Breite der Austauschstoffe nicht ab, geben auch nur ansatzweise die realen Produktverschlechterungen wieder, die seit den späten 1930er Jahren insgesamt erfolgten. Sie lenken den Blick jedoch auf die zunehmende technische Verfügbarkeit von Lebensmittelinhaltsstoffen, durch 625 Deutschlandberichte, 1940, 65. 626 Wandlungen der deutschen Milchwirtschaft, Zf VE 17, 1942, 275. 627 Pirner, 1942, 169. 628 Ein neues Nahrungsmittel für die Gemeinschaftsverpflegung, ZGV 11, 1939, 304. 629 Das Folgende nach dem detaillierten Bericht von Schulz, M[ax] E[rich]: Molkenverwertung durch neuartige Erzeugnisse. Beispiel: Migetti, Die Milchwissenschaft 1, 1946/47, 55–66, 77–83, der allerdings den Rüstungs- und NS -Kontext ausblendet.

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die mittels Rekombination neue künstliche Kost möglich wurde: Puddingpulver aus Kartoffelstärke, Würste mit Blutplasma, eine große Menge deklarationsfreier Zumischungen zu Brot, Margarine und der wachsenden Zahl intransparent zusammengesetzter Nährmittel. Diese bildeten Zumutungen für die Verbraucher, derer sich auch die meisten Experten des eisernen Dreiecks bewusst waren. Forschungstechnisch führten sie allerdings zu Geschmacks- und Qualitätsforschung, zu einem wohlmeinendem Vorkosten im Sinne der Verbraucher.630 Das galt nicht für die folgenden drei Beispiele synthetischer Austauschstoffe.631 Sie verdeutlichen auch die human und wirtschaftlich indifferenten Gestaltungsvorstellungen des NS -Regimes und seiner Wissenschaftler. Erstens gab es umfangreiche Bestrebungen, die Stoffbilanz des Deutschen Reiches durch eine veränderte Tierernährung zu verbessern. Durch das 1916 erstmals großtechnisch betriebene Bosch-Meißner-Verfahren war es möglich, Harnsäure in großem Umfang zu synthetisieren. Seitens der IG Farben wurde schon während der Weimarer Republik untersucht, ob diese nicht auch als »künstliches Futtereiweiß«632 genutzt werden könnte.633 Dazu wurde Harnsäure mit Kartoffelflocken oder aber Zuckerrübenschnitzeln vermischt. Diese Amidflocken oder -schnitzel sollten dann einen beträchtlichen Teil des Futtereiweißes ersetzen. Der Forschungsdienst finanzierte umfangreiche Fütterungsversuche.634 Die Ergebnisse waren ermutigend, konnte das Eiweißfutter der Milchkühe doch um bis zu 50 % substituiert werden.635 Die Lagerung des synthetischen Futters und der Widerstand der Tiere blieben jedoch Probleme, sodass keine größeren Rohfuttermengen freigegeben wurden, um sie zu Amidfutter zu verarbeiten.636 Das Projekt verblieb im Versuchsstadium und wurde erst in der DDR praktisch umgesetzt.637 630 Ziegelmayer, 1940, 11–12; Leitz, Gustav: Die Gemeinschaftsverpflegung. Ihre Aufgabenstellung, Entwicklung und Problematik, Gemeinschaftsverpflegung 1944, 213–214, 216. 631 Eine Bestandsaufnahme, die immer noch viel von der technischen Faszination der Experten widerspiegelt, bietet Souci, S. [Walter] (Hg.): Möglichkeiten der Bedarfsdeckung aus synthetischer Erzeugung. […], in: Forschungsberichte der Landwirtschaft, Hamburg/Berlin 1950, 67–133. Ähnlich, jedoch weniger detailliert Lang, Konrad: Ernährung, in: Lehnartz, Emil (Hg.): Naturforschung und Medizin in Deutschland 1939–1946, Bd. 60: Physiologische Chemie, Wiesbaden 1948, 17–33. 632 Gerhardt/Höfner, 1942, 407. 633 Vgl. Scharrer, K[arl]/Strobel, A.: Das Problem des Eiweißersatzes durch Ammoniumsalze und Amidstoffe bei der Tierernährung, ZAC 38, 1925, 601–609. 634 Nehring, K[urt]: Fütterungsversuche mit Amidschnitzeln an Milchkühen, FD 4, 1937, 342–352; Nehring, K[urt]: Fütterungsversuche mit Amidschnitzeln an Milchkühen. II . (Versuchsjahr 1937/38), FD 7, 1939, 86–98. 635 Ziegelmayer, 1940, 123. 636 Vgl. Sanders, D.: Der zweckmäßige Einsatz des Amidfutters, MLW 54, 1939, 1016–1018; Nehring, K[urt]/Schramm, W.: Untersuchungen über die Lagerfähigkeit von Amidfutter, FD 13, 1942, 401–408. 637 Wetterau, H.: Amidschnitzel im Futter für Milchkühe, Die deutsche Landwirtschaft 11, 1960, 41–43.

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Abb. 77: Holzzuckerfabrik in Tornesch/Holstein

Wesentlich wichtiger wurde zweitens die Holzverzuckerung. Wiederum standen Forschungen im Ersten Weltkrieg Pate, auch wenn die eigentlichen Verfahren erst in den 1920er Jahre ausgearbeitet wurden.638 Ziel sowohl des Rheinauverfahrens nach Hägglund und Bergius bzw. des Schollerverfahrens war es erst einmal, Zellulose aus Holz zu gewinnen. Diese behandelte man mit hochkonzentrierter Salzsäure (Rheinauverfahren) bzw. schwacher Schwefelsäure (Scholler), Druck und hohen Temperaturen. Nach Neutralisierung stand am Ende Zuckersirup, also synthetische Kohlenhydrate.639 Beide Verfahren verarbeiteten Abfallholz, doch lagen die Verarbeitungs- und Transportkosten jenseits jeglicher Rentabilität. Im Rahmen des Vierjahresplanes wurden dennoch nicht weniger als 22 Anlagen mit Investitionen von 152 Mill. RM und einer Jahreskapazität von ca. 200.000 t geplant, um ab 1938 die Futterversorgung wesentlich zu entlasten.640 Die Kohlenhydrate sollten nicht zu Glukose weiterverarbeitet werden, auch die Vergärung zu Alkohol schied aus, stattdessen wurde entschieden, 638 Vgl. Fraunholz, Uwe: »Verwertung des Wertlosen«. Biotechnologische Surrogate aus unkonventionellen Eiweißquellen im Nationalsozialismus, Dresdener Beiträge zur Geschichte der Technikwissenschaften 32, 2008, 95–116. 639 Vgl. zum Verfahren Gerhardt/Höfner, 1942, 409–410. 640 Petzina, 1965, 98.

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den Holzzucker an Hefen zu verfüttern, die dann als hochwertiges Futtereiweiß eingesetzt werden sollten. Grundsätzlich konnten 100 kg Holz somit in ­25–30 kg Futtereiweiß überführt werden. Großtechnische Umsetzungen erfolgten seit 1937. Das Rheinau-Verfahren nutzte man für Anlagen in Regensburg und Mannheim, während Produktionsstätten nach Scholler in Dessau, Holzminden und Tornesch errichtet wurden.641 Die geplanten Mengen von bis zu 10.000 t Futterhefe erreichte man jedoch nie. Parallel galt es, die Kosten zu reduzieren, um wirtschaftlicher arbeiten zu können. Als preiswertes Rohprodukt galten die Abwässer der Zellstofffabrikation, sog. Sulfitlaugen.642 Sie besaßen noch ca. 2–3 % vergärbaren Zucker, zudem 5–7 % weitere Kohlenhydrate.643 Aus Holzzucker wurde so ein Eiweißträger. Die Produktion von Futtereiweiß begann 1940 in Waldhof-Mannheim, 1944 wurden dort 5.910 t hergestellt. Andere Zellstofffabriken starteten erst in diesem Jahr die Produktion, ihre Kapazität von über 9.000 t wurde jedoch nur zur Hälfte ausgeschöpft.644 Insgesamt blieb die Holzverzuckerung eine gigantische Fehlinvestition.645 Und mehr als das. Die Hefe-, also Vitamin- und Eiweißgewinnung, führte konsequent von der Futtermittel- zur Lebensmittelproduktion und von ökonomisch wahnwitzigen Verfahren zu Verbrechen und Mord: Nährhefe wurde in umfangreichen, vom Arzt und Ernährungsinspekteur der SS Ernst Günther Schenck geleiteten Menschenversuchen im KZ Mauthausen an Häftlinge verfüttert, wobei von den 370 Probanden 116 während oder kurz nach den Versuchen starben und weitere 48 in einem »Genesungslager« anschließend getötet wurden646. Die Sulfitlaugen dienten ferner als Nährstoffgrundlage der sog.

641 Reith, 2007, 421. 642 Fink, Hermann/Lechner, R.: Über technische Versuche zur Erzeugung von Futterhefe aus Nadelholz- und Laubholz-Sulfitablaugen, VLF 5, 1942, 100–125. Sulfitlaugen wurden auch für die Produktion synthetischer Lebensmittel genutzt. Die Ligrowa Chemische ­Fabrik GmbH, eine Gemeinschaftsgründung von IG Farben, C. F. Boehringer und Hoffman-La Roche produzierte u. a. Vanillin (25 kg je t Zellstoff). Aufgrund des überschaubaren Grundbedarfs blieb die Produktion jedoch gering. 643 Somogyi, J[ean] C.: Die Ernährungsphysiologische Bedeutung der Hefe, Bern 1944, 24. 644 Locke, E. G./Saeman, J. F./Dickerman, G. K.: The Food Production of Wood Sugar in Germany and its Conversion to Yeast and Alcohol, o. O. 1945 (Fiat Final Report, Nr. 499), 22. 645 Gleichwohl endete das Kapitel nicht 1945, vgl. Hemetsberger-Koller, Hildegard: Unternehmen Bergius »Nahrung aus Holz«. Prestigeprojekt der Hungerjahre 1945/46, Zeit­ geschichte 26, 1999, 108–126. 646 Kopke, Christoph: Der »Ernährungsinspekteur der Waffen-SS«. Zur Rolle des Mediziners Ernst Günther Schenck im Nationalsozialismus, in: Ders. (Hg.): Medizin und Verbrechen. Festschrift zum 60. Geburtstag von Walter Wuttke, Ulm 2001, 208–220, hier 214. Eindringlich und präzise: Stahl, Christine: Sehnsucht Brot. Essen und Hungern im KZ -Lagersystem Mauthausen, Wien 2010, 245–308. Zur Person s. Elsner, Gine: Heilkräuter, »Volks­ ernährung«, Menschenversuche: Ernst Günther Schenck (1904–1998). Eine deutsche Arztkarriere, Hamburg 2010.

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Biosyn-Wurst.647 Das ursprünglich für die Verwertung von Molke entwickelte und 1942 patentierte Verfahren nutzte den Fadenpilz Oospora lactis, um daraus einen vegetabilen Brotaufstrich zu produzieren.648 Gutachten der Reichsanstalt für Lebensmittel- und Arzneimittel-Chemie befürworteten 1942 und 1943 seine Verwendung als Lebensmittel, doch Versuche des Wiener Marktamtes belegten gesundheitliche Gefährdungen, woraufhin eine allgemeine Einführung unterblieb. Diese erfolgte allerdings im KZ -System, wo 1943/44 wahrscheinlich mehr als 600 t an ca. 100.000 Häftlinge verfüttert wurden.649 Darmerkrankungen mit zumeist tödlichem Ausgang waren die Folge. Propagandistisch am stärksten genutzt wurde drittens die Fettsynthese, schien es doch möglich Fett aus Kohle herzustellen. Auch hier hatten Forscher und Produzenten anfangs das Ziel, technische Fette zu gewinnen, auch hier endeten die Anstrengungen mit der Verfütterung gesundheitsschädigender Austauschstoffe an Häftlinge.650 Grundlage war die aus den 1880er Jahren stammende Entdeckung, dass Paraffin plus Sauerstoff ein Fettsäurengemisch ergab, das insbesondere für die Seifenproduktion genutzt werden konnte. Das 1925 entwickelte Fischer-Tropsch-Verfahren erlaubte nicht nur die für die NS -Aufrüstung wesentliche Benzin-, sondern auch die Fettsynthese. Der Wittener Chemiker und Unternehmer Arthur Imhausen nutzte das als Nebenprodukt anfallende Gatsch als Ausgangsmaterial.651 1936 gründete er gemeinsam mit Henkel in Witten die Deutschen Fettsäurewerke, die 1937 in Verfahrensgemeinschaft 647 Vgl. grundlegend Reith, 2007, 422–426; Stahl, 2010, 294–308. Daneben gab es weitere Versuche der Eiweißsynthese auf Hefebasis, vgl. als Überblick Food Yeast Production and Utilization in Germany, Report prepared by Headquarters Theatre Service Forces, European Theatre Office of the Chief Quartermaster, London o. J. (B. I. O. S. Miscellaneous Report, Nr. 21). Zu den Forschungen der Hunsa-Forschungs GmbH, einer Kooperation von Oetker, den Hamburger Phrix-Werken und der Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung vgl. Kaienburg, 2003, 855–856 bzw. Ders.: Zwangsarbeit für das »deutsche Rohstoffwunder«. Das Phrix-Werk Wittenberge im Zweiten Weltkrieg, 1999 9, 1994, H. 3, 12–41; Jacobeit, Wolfgang/Kopke, Christoph: Die Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise im KZ . Die Güter der »Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung« der SS von 1939 bis 1945, Berlin 1999, 120. 648 Das auf Molke basierende Biosyn-Verfahren des Weimarer Biosyn GmbH wurde auch nach dem Krieg als beachtliche technische Innovation präsentiert, das Produkt eigne sich »sehr gut als Brotaufstrich, Streckungsmittel für Wurst, für Suppen, Knödel usw.« (Gernert, Georg: Molkenverwertung, Hildesheim o. J. (1949), 15). Vgl. auch Fabel, Karl: Die Anwendung des Biosyn-Verfahrens auf Molke, Die Milchwissenschaft 4, 1949, 203–206. 649 Schenck, Ernst Günther: Draußen geblieben -- bei den Verbannten, in: Diffamierte Medizin im Dritten Reich, Vlotho 1992, 38–40, hier 40. 650 Vgl. zu ersterem Backe, [Herbert]: Warum wurde eine Neuregelung des Fettverbrauchs und Fettbezuges notwendig?, Der Vierjahresplan 1, 1937, 4–8, hier 6; Wegener, 1938, 3. 651 Vgl. hierzu grundlegend Pelzer-Reith, Birgit/Reith, Reinhold: »Fett aus Kohle«? Die Speisefettsynthese in Deutschland 1933–1945, Technikgeschichte 69, 2002, 179–205, v. a. 182–186.

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mit der IG Farben synthetische Fettsäure für technische Zwecke produzierte.652 Das Werk erreichte zwar nicht die öffentlich kolportierte Kapazität von jährlich 50.000 t synthetischer Fettsäure, doch bis zu 20.000 t waren möglich.653 Diese Größenordnungen erreichten auch die 1941 in Oppau sowie dem oberschlesischen Heydebreck errichteten IG Farben-Werke, während ein kleineres in Magdeburg gebautes Werk nicht fertig gestellt wurde. Benzin- und Fettsynthese feierte man öffentlich. Imhausen knüpfte jedoch auch an während des Ersten Weltkrieges begonnene Forschungen an, synthetische Fettsäuren als Lebensmittel nutzen zu können, die parallel innerhalb der IG Farben fortgesetzt wurden.654 Dem Erfinderunternehmer gelang es 1936 einzelne synthetische Fettsäuren mit Glyzerin zu einem Kunstfett zu verestern, das er als »synthetische Butter« propagierte. Öffentlich galt sie als ein hinsichtlich »Bekömmlichkeit, Geschmack und Nährwert«655 »natürlichen« Fetten weitgehend entsprechendes Fett, doch sollte es als Speisefett nicht »in einen Wettbewerb mit den anderen treten«. Seit 1937 hatten das Reichsgesundheitsamt, aber auch die IG Farben sowie verschiedene physiologische Laboratorien untersucht, ob der neue synthetische Austauschstoff auch für die Lebensmittelproduktion zu nutzen sei. Unter Leitung des Physiologen Otto Flößner führte das Reichsgesundheitsamt Versuche an über 6.000 Personen durch, vorwiegend Reichsarbeitsdienstmänner sowie Häftlinge im KZ Sachsenhausen, aber auch Mitarbeiter der Wittener Märkische Seifenindustrie. Parallel erprobte man die Zubereitung des Kunstfettes, das im September 1939 schließlich als Nahrungsmittel zugelassen wurde.656 Die jährlich bis zu 2.000 t wurden in kleinen Mengen unter der Marke Prima als Margarine frei verkauft. Größere Mengen erhielt die Wehrmacht, da das Produkt auch ohne Kühlung lange haltbar war. Es wurde insbesondere in U-Booten, von der deutschen Okkupationsarmee in Nordafrika sowie als Abwurfverpflegung genutzt. Auch in der Gemeinschaftsverpflegung setzte man die synthetische Margarine ein und verabreichte sie schließlich an sowjetische Kriegsgefangene und KZ -Häft 652 Vgl. Klein, Ralph: Arthur Imhausen (1885–1951), in: Weber, Wolfhard (Hg.): Ingenieure im Ruhrgebiet, Münster 1999, 344–372, v. a. 352–366; Klein, Ralph: Fett für Führer, Volk und Vaterland: Die Deutschen Fettsäure-Werke in Witten, Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark 99, 1999, 281–320. Zur zeitgenössischen Präsentation vgl. Öllücke, 1939, 1025–1027. 653 Kampf dem Verderb! Fettgewinnung aus gewerblichen Abwässern, Zf VE 13, 1938, 118. Vgl. auch Die synthetische Fettsäure. Verfahren und Verarbeitung – Neueste Fortschritte der Rohstoffschöpfung, Zf VE 13, 1938, 350–351. 654 Vgl. hierzu die breit gefächerte Arbeit von Franck, Heinrich: Die Verwertung von synthetischen Fettsäureestern als Kunstspeisefett in wirtschaftlicher, physiologischer und technischer Beziehung, Braunschweig 1921. 655 Öllücke, 1939, 1027 (auch für das folgende Zitat). 656 Detailliert hierzu Flößner, O[tto]: Synthetische Fette. Beiträge zur Ernährungsphysiologie, Leipzig 1948, 23–53.

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linge. Während des Krieges führte man die Untersuchungen in allen Institutionen fort, Flößner allein meldete 1943 nicht weniger als 14.000 Tierversuche und über 20.000 physiologisch-chemische Analysen.657 Die optimistische Einschätzung des Reichsgesundheitsamtes wurde derweil nicht mehr geteilt, doch öffentliche Erörterungen hierüber waren untersagt. Die Fettsäurenstruktur der neuen künstlichen Kost war letztlich für den menschlichen Verzehr ungeeignet, denn es fehlten mehrfach ungesättigte Fettsäuren sowie Fettbegleitstoffe. Allerdings schien nach den von der BASF finanzierten Forschungen des Leipziger Physiologen Karl Thomas eine tägliche Zufuhr von bis zu 30 g nicht gesundheitsschädlich zu sein.658 Der Münsteraner Fettchemiker Hans Paul Kaufmann bezeichnete die neuen Fette 1944 als »artfremd« und unwirtschaftlich, auch wenn er zugleich hervorhob, dass durch zusätzliche Linolsäure und Vitamine ein »ernährungsphysiologisch einwandfreies Produkt« grundsätzlich möglich sei.659 Insgesamt handelte es sich bei synthetischem Fett um ein gesundheitlich schädliches und unwirtschaftliches Austauschprodukt. Für jede Fetteinheit musste das sechseinhalbfache an Kohle aufgewendet werden. Dies hinderte Ernährungsphysiologen aber nicht, ihre Syntheseträume auch nach Kriegsende weiter zu verfolgen. Der Dortmunder Physiologe Heinrich Kraut, der im Auftrag von Henkel Fettuntersuchungen durchführte und zudem im Rahmen der sog. Kraut-Aktionen breit angelegte Ernährungsversuche mit Zwangsarbeitern unternahm, plädierte 1949 für weitere Grundlagenforschung und Entwicklungsarbeit.660 Dies erfolgte schon in einer FAO -Publikation und zeigte die deutschen Forscher als Teil einer internationalen Phalanx, für die synthetische Produkte vorrangig Ausdruck von Kreativität und Gestaltungskraft waren.661

657 Flößner, Otto: Ernährungsphysiologische Untersuchungen synthetischer Fette (Vorläufiger Bericht), Die Ernährung 8, 1943, 89–93, hier 91. 658 Schiller, Georg: Synthetische Fette auf der Grundlage von Paraffinfettsäuren. […], ZUL 88, 1948, 174–190, hier 181. Zugleich aber ergaben Rattenversuche Wachstumseinschränkungen bei einem Anteil von mehr als 10 % synthetischem Fett. Vgl. hierzu abwägend Thomas, Karl/Weitzel, Günther: Über die Eignung des Kunstfettes aus Kohle als Nahrungsmittel, DMW 71, 1946, 18–21. 659 Beide Zitate n. Kaufmann, H[ans] P[aul]: Fettversorgung und Fettforschung, Fette und Seifen 51, 1944, 215–221, hier 220. Der regimetreue Kaufmann hat diese fachlich begründete Zivilcourage später zu einem Akt existenzgefährdenden Widerstandes stilisiert, vgl. Kaufmann, H[ans] P[aul]: 25 Jahre Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft (DGF), Fette, Seifen, Anstrichmittel 63, 1961, 890–907, hier 902–903, in der er auch von Relegierungen zweier höherer Beamter berichtet, die sich den Planungen der Vierjahresplanbehörde nicht beugen wollten. 660 Kraut, H[einrich]: The Physiological Value of Synthetic Fats, British Journal of Nutri­ tion 3, 1949, 355–358. Vgl. auch Thoms, Ulrike: Das Max-Planck-Institut für Ernährungs­ physiologie und die Nachkriegskarriere von Heinrich Kraut, in: Plesser, Theo/Thamer, HansUlrich (Hg.): Arbeit, Leistung und Ernährung. […], Stuttgart 2012, 295–356. 661 Mit diesem Tenor endet auch Flößner, 1948, 61.

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5.5.4 Natürlicher Vitaminträger. Süßmost Gestaltungskraft ermöglichte aber auch andere, gleichsam »natürliche« Produkte. In der Zwischenkriegszeit etablierten sich zahlreiche neue Lebensmittel, die einerseits einen hohen Gehalt an Mineralstoffen und Vitaminen aufwiesen, die im Regelfall länger haltbar waren als ihre Vorgänger der Kaiserzeit und eine qua Marketing geschaffene Tradition und Natürlichkeit ästhetisch verkörperten. Sie waren heimische Produkte, durch die Importwaren grundsätzlich ersetzt werden konnten. Vollkornbrot und Mineralwasser waren wichtige Vorreiter662. Unter Aspekten erhöhter Verfügbarkeit ist der Vitamin- und Mineralstoffträger Süßmost aber noch interessanter. Nichtalkoholische Getränke bilden heutzutage schließlich eine der mengenmäßig wichtigsten und innovativsten Branchen des Lebensmittelsektors. In der Zwischenkriegszeit war die Situation allerdings gänzlich anders. Die Herstellung alkoholfreier Weine und Getränke blieb in Deutschland trotz der intensiven Reklame der Antialkohol- und Lebensreformbewegung und trotz einzelner starker Marken, etwa Sinalco, bis weit in die 1930er Jahre hinein von nur geringer Bedeutung.663 Lag die Zahl spezialisierter Unternehmen 1914 noch bei 29 mit 126 Vollbeschäftigten, so sank sie bis 1928 auf 17 (109 Vollbeschäftigte) und 1931 18 (93 Vollbeschäftigte).664 Die Limonaden- und Brausenproduktion war ein Nebenbetrieb der Brauereien. Die süßen, aromatisierten, vielfach auch gefärbten Getränke waren ein saisonales Geschäft, zugeschnitten auf Kinder und Jugendliche. Verlässliche Daten liegen nur für die kurze Besteuerungsphase während der frühen Weimarer Republik vor, der jährliche ProKopf-Konsum variierte damals zwischen 1,5 und 2,5 l.665 662 Spiekermann, Uwe: Brown Bread for Victory: German and British Wholemeal Politics in the Inter-War Period, in: Trentmann, Frank/Just, Flemming (Hg.): Food and Culture in Europe in the Age of the Two World Wars, Houndmills/New York 2006, 143–171 und die dort angegebene Literatur sowie die spannende Studie von Henke, Josef: Der Griff der SS nach dem Apollinaris-Brunnen in Bad Neuenahr. Ein Beitrag zum Verhältnis von SS und Verwaltung während des Zweiten Weltkrieges, Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 8, 1982, 159–198, ferner die einschlägigen Passagen in Schulte, Jan Erik: Zwangsarbeit und Vernichtung. Das Wirtschaftsimperium der SS . Oswald Pohl und das SS -Wirtschafts-Verwaltungshauptamt 1933–1945, Paderborn u. a. 2001. 663 Vgl. zur Marktsituation vor dem Ersten Weltkrieg Fehsenfeld, Georg: Die alkoholfreien Ersatzgetränke vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege, MK l 11, 1915, 483–487; Mendorff, Wilhelm: Die Süßmostbereitung, Zf VED 6, 1931, 170–172, hier 170–171. 664 Hempel, Bruno: Deutschlands Konservierungs- und Nahrungsmittelbetriebe, Die Konserven-Industrie 19, 1932, 230–232, hier 231. 665 Verbrauch von Mineralwässern und künstlich bereiteten Getränken im Rechnungsjahre 1922, Wirtschaft und Statistik 5, 1925, 114–115. Hinzu kommen allerdings noch Säfte aus Sirup bzw. Limonadenessenzen.

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Diese Marktsituation wurde nicht zuletzt von Temperenzlern und Sozial­ hygienikern beklagt, die schon lange versuchten, Alternativen zu Bier, Wein und Schnaps zu etablieren. Fruchtsäfte boten sich hierfür grundsätzlich an, doch ausgepresstes Obst verdarb aufgrund der darin enthaltenen Hefe- und Schimmelpilze rasch. Chemische Konservierungsmittel konnten dies stoppen, verdarben jedoch den Geschmack. Im Deutschen Reich, dessen Obstbau während des Kaiserreichs noch nicht besonders entwickelt war, wurde erst in den 1890er Jahren mit Pasteurisierungsverfahren experimentiert. Wegweisend waren die Arbeiten des Schweizer Pflanzenphysiologen Hermann Müller-Thurgau, der 1895 Fruchtsäfte bei ca. 60–70 °C pasteurisierte. Sein Verfahren ergab sterile Fruchtsäfte mit einem gewissen Kochgeschmack, die bis zum Weingesetz 1909 als alkoholfreie Weine vermarktet wurden. Der Teilerfolg Müller-Thurgaus und die kontinuierliche Unterstützung durch die Temperenzbewegung und später auch führende Landwirtschaftsverbände förderten jedoch technische Innovationen.666 Neben die Pasteurisierung und die Anwendung chemischer Konservierungsmittel trat zum einen seit 1920 die sog. Warmpasteurisierung, deren Grundprinzipien kurze Erhitzungszeiten und minimale Sauerstoffexposition waren (Kap. 4.4.3).667 Seit 1923 wurde die Verfahrenspalette zum andern durch die sog. Kaltentkeimung erweitert. Beide Verfahren wurden in den folgenden Jahren optimiert, letztlich aber setzte sich die Warmpasteurisierung während der 1930er Jahre als Standard durch.668 Parallel gab es in den frühen 1930er Jahre wichtige Prozessinnovationen, etwa in der Presstechnik, der Saftklärung, der Schleudertechnik sowie der Lagerhaltung.669 Die deutschen Süßmoster übernahmen vielfach Anregungen aus der Schweiz, dem eigentlichen Mutterland des Süßmostes, optimierten diese jedoch auf Basis einer sich seit den späten 1920er Jahren weit verzweigenden Lehr- und Forschungsinfrastruktur. In der Anfangszeit bildete das Berliner Institut für Obst- und Gemüse­ verwertung die wichtigste Referenzstelle.670 Abseits dieses staatlich finanzierten Universitätsinstituts steuerten auch die Temperenzler Expertise bei. Sie knüpften ihre Aktivitäten u. a. an den 1912 in Freiburg gegründeten Verein für gärungslose Früchteverwertung, der seit 1919 auch Lehrgänge für Süßmoster unter der Leitung des Erfinders der Warmpasteurisierung, des Obst- und 666 Zur Frühgeschichte vgl. Kochs, [Julius]: Technisches aus dem Gebiete der alkoholfreien Obstgetränke, VE 2, 1927, 246–247. 667 Vgl. umfassend Mehlitz, Alfred: Süßmost. Fachbuch der gewerbsmäßigen Süßmost­ erzeugung, 2. völlig neubearb. Aufl. Braunschweig 1934, 29–157 sowie anschaulich Schiefer­ decker, H[elmut]: Flüssiges Obst, Die Umschau 33, 1929, 758–760. 668 Eckstein, Erich: Über Süßmost und die Verfahren seiner Herstellung, Die Ernährung 5, 1940, 207–213. 669 Zu Details vgl. Ziegelmayer, 1936, 187. 670 Vgl. Jahre, 1953. Insbesondere ab 1936 wurde das Institut unter der neuen Leitung von Alfred Mehlitz eine der wichtigsten Forschungsstätten der Vierjahresplan-Forschungen.

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Garten­baulehrers Josef Baumann, anbot.671 Diese Aktivitäten mündeten in die Gründung der Hauptgeschäftsstelle für gärungslose Früchteverwertung in Berlin-Dahlem672 sowie 1928 der nahe von Bad Homburg v.d.H. gelegenen staatlich anerkannten Lehr- und Forschungsanstalt für gärungslose Früchteverwertung in Obererlenbach. Sie zielte auf Grundlagenforschung und Prozessoptimierung.673 Geleitet von Baumann, dem in der Zwischenkriegszeit wichtigsten Süßmostpropagandisten, diente sie vorrangig der Beratung von Produktionsbetrieben. Bis 1938 bildete man dort 2.000 Personen in Lehrgängen zu Süßmostern aus, vertrieb zudem alle gängigen Maschinen und Hilfsmittel.674 Diese Entwicklung unterstützten im Rahmen des Agrarmarketings die Landwirtschaftsministerien der Länder, die in ihren Gartenbauanstalten Ausbildungs- und Forschungskapazitäten zur Verfügung stellten.675 1930 etablierte sich schließlich der Verband der Deutschen Süßmost-Keltereien. Das so entstandene Kooperationsgeflecht von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat normierte ihre Produkte 1931 in enger Kooperation mit Lebensmittelchemikern und verankerte Kontrollverfahren und Qualitätsstandards.676 Zumindest in den größeren Betrieben wurden Laboratorien üblich. Diese vielfältigen Aktivitäten des eisernen Dreiecks etablierten Süßmost als gehobenes Alltagsgetränk. Der Absatz stieg von 11 Mio. t 1930 über 20 Mio. t 1932 auf 35 Mio. t 1935 und 59 Mio. t 1937. Dies entsprach einem Anstieg des Pro-Kopf-Konsums von jährlich 0,2 l auf 0,9 l.677 Die Süßmostbranche war kleinund mittelbetrieblich strukturiert. 1933 bestanden ca. 1.000 Betriebe, im November 1936 dann 2.070 und 1938 schließlich ca. 2.500.678 Dieses beträchtliche Wachstum wurde allerdings durch die hohen Preise des Süßmostes begrenzt. Auch wenn die Verfechter des neuen Getränks zu Recht auf halbierte Preise gegenüber der Vorkriegszeit verwiesen, kostete die 0,7 l-Flasche Markenapfelsaft – 75 % des Absatzes entfielen auf dieses Kernobst – 1930 95 Pfg. und 1938 immer 671 Vgl. hierzu Winkler, Gerhard: Über die Organisation der Süßmost- und Getränke-Indus­ trie. Leitende Männer und Entwicklungsstufen, IOGV 36, 1951, 114–117, hier 114. Der Aufsatz verdeutlicht auch plakativ, dass es in dieser Branche keine Entnazifizierung gegeben hat. 672 Träger war der Reichsausschuß für gärungslose Früchteverwertung (Gonser, I[mmanuel]: Flüssiges Obst. Gärungslose Früchteverwertung, VE 5, 1930, 347–350, hier 349). 673 Flüssiges Obst, Die Umschau 32, 1928, 695–696. 674 Baumann, Jos[ef]: Süßmost in Deutschland, Zf VE 18, 1938 (=1938a), 178–179, hier 178; Katalog Ausgabe 1938/39. Süßmostgeräte-Zentrale Ober-Erlenbach bei Frankfurt/Main, o. O. o. J. (1938). Vgl. auch Baumann, [Josef]: Ausbildung der Süßmoster, in: Flüssiges Obst, BerlinDahlem 1938, 71–75. 675 Gonser, 1930, 348. 676 Verband der Deutschen Süßmost-Keltereien e. V., Sitz Dresden. Begriffsbestimmungen über Süßmoste, Fruchtsäfte und Zubereitung daraus, DNR 1931, 165–166; Mehlitz, 1934, 159–162d. 677 Der Verbrauch von Süßmost, Wirtschaft und Statistik 18, 1938, 907–908. 678 Baumann, 1938a, 178. Zu den mit dem Wachstum einhergehenden Qualitätsproblemen vgl. Donath, Erhard: Die Süßmostbranche, Die Konserven-Industrie 19, 1932, 755.

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noch 80 Pfg., während Traubensaft gar 1,30 RM kostete.679 Die forcierte Technisierung und Verwissenschaftlichung der Produktion reduzierte Fixkosten, doch angesichts des dezentralen und saisonalen Rohwarenanfalls gelang es nicht, großbetriebliche Strukturen zu etablieren. Warum aber wurde Süßmost während der späten 1920er und dann 1930er Jahre derart forciert? Unter staatspolitischen Gesichtspunkten traten vor allem fünf Aspekte hervor: Erstens ging es um höhere Erträge im Gartenbau. Bei der in Südwestdeutschland und Hessen üblichen alkoholischen Vergärung zu Most ging der Fruchtzucker verloren; Süßmostproduktion bewahrte diesen Nährwert.680 Zweitens bot das neue Produkt Alternativen zu Obst- und Südfrucht­importen, entlastete also das deutsche Devisenkonto. Die Pulleffekte entwickelten zugleich den deutschen Obstbau, erhöhten so die Konkurrenzfähigkeit deutscher Anbieter. Drittens handelte es sich bei der Saftherstellung um die Konservierung verderblicher Rohwaren. Süßmost bildete einen saisonalen Puffer, um Erntespitzen und Versorgungsengpässe abzufedern.681 Viertens ermöglichte das neue Gewerbe eine bessere Reststoffverwertung. Obst, das den Handelsklassen nicht entsprach, oder aber Trauben, die nur Wein geringerer Qualität ergäben hätten, konnten versaftet werden.682 Fünftes ging es schließlich auch um eine erweiterte Ressourcengrundlage. Dies waren vor allem Wildfrüchte, etwa Beerenobst oder Hagebutten. Unter diesen Aspekten stand Süßmost in einer Reihe mit vielen anderen Austauschstoffen und neuen Rohstoffen, die in den 1930er Jahren entwickelt und genutzt wurden, um die deutsche Ernährungsbilanz weniger ungünstig zu gestalten. Doch auch dieses Produkt war nicht planbar, denn es blieb abhängig von den noch beträchtlich schwankenden Ernteergebnissen. Die deutsche Obsternte lag 1936 bei 2,45 Mio. t, erreichte 1937 dann 3,71 Mio. t, während nach der Missernte 1938 lediglich 1,21 Mio. t verfügbar waren.683 Entsprechend brach die Aufwärtsentwicklung der Süßmostbranche 1938 erstmals ab. Die Besonderheit des Austauschstoffes Süßmost lag jedoch auf anderen Ebenen. Drei gilt es hervorzuheben, nämlich die Ästhetisierung als Naturprodukt, die Implementierung in den Haushalt und die enge Koppelung an die Gesundheits- und Rassenpolitik des NS -Regimes. Süßmost war ein technisch hoch verarbeitetes Produkt, dessen Zusammensetzung und Produktion durch intensive wissenschaftliche Forschung in der Zwischenkriegszeit weiter optimiert wurde. Es war stofflich standardisiert, räumlich und zeitlich indifferent, also ein gutes Beispiel für künstliche Kost. Die Markt 679 Verbrauch, 1938, 908. Markenloser Apfelsaft kostete 1938 65 Pfg. pro Flasche. 680 Schieferdecker, 1929, 758. 681 Die Versorgungskrise mit Südfrüchten im Winter 1937/38 konnte so abgemildert werden, vgl. Verbrauch, 1938, 907. 682 Einzelhandel, 1938, 13; Internationaler Weinbaukongreß, DVW 8, 1939, 897. 683 Grupe, 1957, 43.

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implementierung erfolgte jedoch unter der ästhetisierenden Kategorie eines »natürlichen« bzw. »naturreinen« Produktes. Süßmost wurde von Beginn an als »Flüssiges Obst« bezeichnet, das in veränderter Form alle »natürlichen« Inhaltsstoffe enthielt, insbesondere Fruchtsäuren, Mineralstoffe und Vitamine. Ende der 1920er Jahre prasselten Begriffskaskaden auf die Verbraucher nieder, die allesamt dazu dienten, Süßmost ein Naturimage zuzuweisen: »Milch der Reben«, »Eingefangener Sonnenschein«, »Sonnennahrung«.684 Hartgesottene Physiologen nannten Fruchtsaft »veredeltes Obst«685 und die auf ihre eindeutige Sprache stets stolzen Chemiker störten sich nicht an Normativbegriffen wie »naturrein«: Naturwissenschaftler als Naturmystiker. Einzelne Nahrungsmittelchemiker kritisierten derartig inhaltsleeres Schwelgen, doch die Mehrzahl teilte die Sehnsucht nach dem paradiesischen Nektar.686 Von dort war es nur ein kleiner Schritt zum deutschen Gemüt, zu dem »Obstlandschaften, ihre Früchte und die daraus gefertigten Erzeugnisse«687 unbedingt gehörten. Das »trinkfertige« Nass galt zudem als gesund, diente es doch der »Verjüngung und Leistungssteigerung«688. Auch wenn Süßmost letztlich von Männern kaum getrunken wurde, so gelang zwischen 1925 und 1935 doch, das Getränk vom Makel des Ersatzes für Alkoholika zu befreien und es insbesondere über die Sport- und Wochenendbewegung als modernes und »natürliches« Qualitätsprodukt zu positionieren. Dazu diente in den späten 1920er Jahren das gängige Arsenal des Agrarmarketings, insbesondere Broschüren, Plakate, Lichtbilder, Ausstellungen und Lehrfilme.689 Die von der Dahlemer Hauptgeschäftsstelle koordinierten Aktivitäten wurden vom Reichsnährstand und insbesondere der Deutschen Frauenschaft unterstützt. Sie boten institutionelle Förderung, zwischen 1934 und 1936 konnten ca. 1.000 Kurse und weitere 1.000 Lehr- und Werbevorträge gehalten werden.690 Trotz dieser virtuosen Handhabung damals gängiger Werbe- und Kommuni 684 Bames, E[rnst]: »Flüssiges Obst.«, Gesetze und Verordnungen sowie Gerichtsentscheidungen betreffend Lebensmittel. Beilage zur ZUL 25, 1933, 101–103, hier 101. 685 Mehlitz, 1934, 20. 686 Zur Kritik s. Bames, 1933, 103. 687 Brauer, Ernst L.: Der Kölner Kongreß für Süßmost und Obstgetränke, IOGV 38, 1953, 270–273, hier 272 (Bauer). 688 Baumann, Josef/Schliessmann, Carl: Gärungslose Obst- und Beerenverwertung. Herstellung von unvergorenen Obst-, Beeren- und Traubensäften mit besonderer Berücksichtigung ihrer Gesundheitswerte, 4. Aufl., Berlin-Dahlem 1939, 8. Vgl. schon Baumann, [Josef]: Die Werte des Obstes für die Gesundheit und ihre Erhaltung in Dauerwaren mit besonderer Berücksichtigung des Haushaltes, MDLG 44, 1929, 909–913. 689 Gonser, 1930, 350. 690 Vorwerck, [Else]: Die Süßmost-Werbearbeit der Frau, in: Gegen den Mißbrauch – für Besseres!, Berlin-Dahlem 1936, 114–117, hier 117. Zu den Werbeaktivitäten vgl. auch Bauer, Ernst: Neue Werbemöglichkeiten und Werbepflichten, in: Flüssiges Obst, Berlin-Dahlem 1938, 64–70. Sinnenmächtig waren insbesondere »Trinkt flüssiges Obst«-Plakate in den deutschen Bahnhöfen (Sonntag: Neue Erfahrungen in der Süßmostwerbung, in: Gegen den Missbrauch – für Besseres!, Berlin-Dahlem 1936, 26–30, hier 27).

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kationsmedien war die Vermarktung jedoch – ähnlich wie Bierwerbung – von der Vorstellung getragen, dass es sich bei Süßmost um ein hochwertiges Produkt handele, das man nur richtig präsentieren müsse, um es zu verkaufen. Süßmost wurde als »Wertware« positioniert, prozesstechnische Verbesserungen unterfütterten eine wachsende Qualitätsorientierung.691 Deutsche Wissenschaft, Technik und Organisation, so lautete die NS -Botschaft, hätten ein früheres Genussmittel in ein alltägliches Nahrungsmittel transferiert. Süßmost diente zugleich, ähnlich wie etwa Fisch (Kap. 4.4.3), der Popularisierung von Lebensmittelinhaltsstoffen. Stoffparadigma und Naturmystik verbanden sich, sprach man doch von »der wunderbaren, natürlichen Kombination der oben genannten Stoffe […] wie sie niemals ein Mensch oder ein chemische Fabrik in so vollkommener Weise herstellen kann.«692 Das strikte Verbot chemischer Konservierungsstoffe unterstützte dieses Bild stofflicher Harmonie.693 Doch erste Risse waren schon vor dem Zweiten Weltkrieg erkennbar. Zum einen führten hohe Preise und unterschiedliche Produktionsverfahren zu einem differenzierten Angebot. Die betraf nicht nur die einfache Trennung von klaren, blanken und trüben Säften, sondern auch unterschiedliche Zusätze. Süßmost wurde einerseits mit Kohlensäure versetzt, um es spritziger zu gestalten. Auf der anderen Seite wurden »Süßmostgetränke« aus preislichen Gründen vielfach mit Wasser verdünnt. Daneben gab es Rückfragen, etwa zu Rückständen von Pflanzenschutzmitteln, Metallen und schwefeliger Säure. Süßmost stand jedoch nicht nur für die Ästhetisierung qua künstlicher Natürlichkeit. Denn stärker als bei anderen Produkten gelang hier zweitens eine Anbindung und Verpflichtung der Haushalte, ansatzweise gar eine Inkorporierung des staatspolitisch relevanten objektivierten Wissens. Dabei konnte man an die bis zur Jahrhundertwende zurückreichende Tradition häuslicher Hitzesterilisierung anknüpfen. Obst wurde dabei mit viel Zucker konserviert, die Säfte dann mit Wasser verdünnt getrunken.694 Schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine Reihe leistungsfähiger Dampfentsafter, die zwar keine »naturreinen« Produkte erlaubten, wohl aber eine gute Obstverwertung ermöglichten.695 Das 1914 von Josef Baumann empfohlene, sich in der Zwischenkriegszeit dann allgemein durchsetzende Dampfentsaftungsverfahren knüpfte hieran an und erlaubte eine einfache häusliche Saftherstellung.696 691 Baumann, J[osef]: Süßmost in Deutschland, Die Umschau 43, 1939, 726–729. 692 Baumann/Schliessmann, 1939, 8. 693 Vgl. Baumann, Jos[ef]: Aus der Technik und Praxis der gärungslosen Früchteverwertung, in: Gegen den Mißbrauch – für Besseres!, Berlin-Dahlem 1936, 122–128, hier 123. 694 Vgl. etwa Obstsaft, BVGP 4, 1904, 238–239. 695 Vgl. Fruchtsaftseier von J. Weck, Die Umschau 16, 1912, 2. S. v. 469; Johns FruchtsaftApparat »Volldampf«, Die Umschau 17, 1913, 2. S. v. 497. 696 Vgl. Süßmostrezepte und Süßmostherstellung für den Haushalt, hg. v.d. Hauptgeschäftsstelle für gärungslose Früchteverwertung mit Zustimmung des Deutschen Frauen­

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Die Süßmoster machten in den 1920er Jahren nicht den Fehler der Konservenproduzenten, die das objektiv geringwertigere häusliche Produkt denunzierten und stets Fabrikware propagierten. Stattdessen förderten sie einerseits die Lohnmosterei, also die Möglichkeit, kleine Mengen Obst in die Betriebe zu bringen und dafür Saft zu erhalten. Daneben forcierten die Obererlenbacher Anstalt, aber auch die zahlreichen Temperenzlervereine den Absatz einfacher Entsaftungsapparate, während parallel auch teure Elektrogeräte aufkamen.697 Die Nationalsozialisten knüpften hieran an, politisierten jedoch die häusliche Tätigkeit.698 Einsaften galt als Dienst am Volke, der durch hauswirtschaftliche Kurse und teils kostenlos zur Verfügung gestellte Apparate unterstützt wurde.699 Dadurch konnten bisher kaum erfasste Obstsorten ausgenutzt werden, insbesondere Beerenfrüchte, Rhabarber und Kirschen. Seit spätestens 1938, verstärkt dann im Kriege, sollten die Haushalte auch Wildfrüchte sammeln und zu Saft und Marmelade verarbeiten. Für die Frauenführerinnen war dies Arbeit an einem zukünftigen »Hitlerdeutschland von 1960«, das »gesund, natürlich, schön und vernünftig« und »ein Obstland« sein sollte.700 Süßmost wurde in den 1930er Jahren drittens zum Mittel der Gesundheitsführung, der Einschwörung auf das Ideal eines leistungsbereiten deutschen Volksgenossen.701 Dabei konnte man an eine lange Tradition der Diätetik anknüpfen, in der Fruchtsaft als Stärkungs- und Heilmittel galt.702 Für die NS -Ärzteschaft war Süßmost erst einmal Ergebnis einer neuen, für völkische Belange sensiblen Ernährungswissenschaft, die sich der Technik zur Befreiung des Menschen bediene.703 Anderseits entsprach Fruchtsaft ihrer Vorstellung preiswerter und präventiv wirksamer Heilmittel. Das Stoffparadigma war zu dieser Zeit schon längst nicht mehr Ausdruck wissenschaftlicher Modellbildung, sondern werkes Abteilung Volkswirtschaft-Hauswirtschaft, 8. Aufl., Berlin-Dahlem 1940, 5–6. Eine visuelle Darstellung aller Arbeitsschritte bietet Pfleiderer, Hellmut/Muncke, Martha: Süßmost im Haus und Kleinbetrieb, 3. Aufl., Berlin-Dahlem 1940, 10–14. 697 Capelle, E.: Süßmost und seine Herstellung, Hannoversche Hausfrau 29, 1931/32, Nr. 52, (15). 698 Rauchhaupt, Gerta v.: Neue Süßmostarbeiten des Deutschen Frauenwerkes, in: Flüssiges Obst, Berlin-Dahlem 1938, 58–63, hier 58. 699 Sonntag, 1936, 27. 700 Sämtliche Zitate n. Polzer, H[ermann]: Grundlagen und Aufgaben des Süßmostgewerbes, in: Flüssiges Obst. […], Berlin-Dahlem 1938, 25–36, hier 34. 701 Grundlegend hierzu Wirz, 1938. 702 Diese NS -Traditionsbildung erfolgte über die Naturkraft des Süßmosts, die die Kräfte des Volkes erwecken könne. So Neußer, Erich: Süßmost in der ärztlichen Praxis, Berlin-Dahlem 1937. Vgl. auch Heupke, W[ilhelm]: Obst und Obstsäfte in der Behandlung von Krankheiten, in: Reiter, H[ans]/Ders.: Obst und »Flüssiges Obst« in der Volksernährung und Krankenbehandlung, Berlin-Dahlem 1938, 12–19. 703 Reiter, Hans: Obst und »Flüssiges Obst« in der Volksernährung und Krankenbehandlung, in: Ders./Heupke, W[ilhelm]: Obst und »Flüssiges Obst« in der Volksernährung und Krankenbehandlung, Berlin-Dahlem 1938, 5–11, hier 8.

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Abb. 78a+b: Propaganda für Süßmost. 10. Reichskonferenz für gärungslose Früchteverwertung in Frankfurt a. M. 1938

galt auch führenden Wissenschaftlern als Abbild der Realität. Im Süßmost fanden sie daher stoffliche »Bausteinkomplexe, wie sie uns durch die Natur selbst geboten werden.«704 Es ersetzte »chemische« Präparate und unterstützte damit die Naturorientierung der abhärtenden Billigmedizin des NS -Regimes. Entsprechend stimmten die NS -Ärzte ein in den allgemeinen Werbechor für Süßmost. Sie forderten zugleich weitere Fördermittel und preiswertere Säfte, da wirtschaftliche Belange hinter die Gesundheitsführung des deutschen Volkes zu 704 Reiter, 1938, 6.

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rückzutreten hätten. Deutschland dürfe nicht länger ein »obstarmes Land«705 bleiben, sondern müsse in die neuen »natürlichen« Lebensmittel investieren. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Süßmost dennoch ein »Seltenheitsgetränk«706, daran konnten auch Versuche einer stärkeren Technisierung der Produktion nichts ändern.707 Schon Anfang 1941 wurden die verfügbaren Mengen kontingentiert, 50 % für den Bedarf des Heeres, des Roten Kreuzes, der Lazarette und Krankenhäuser reserviert.708 Auch Importe aus den besetzten Gebieten und einschlägige Forderungen von Ärzten konnten nicht verhindern, dass Süßmost immer weniger Zivilhaushalten zur Verfügung stand.709 Gleichwohl wurde er bis Kriegsende noch propagandistisch für Schwerpunktaktionen, etwa für Schwangere, eingesetzt.710 Die Saftlücke konnte ansatzweise mit neuen »künstlichen« Produkten geschlossen werden, die Kriegsbrause Fanta war nur eine von vielen Austauschprodukten.711

5.5.5 Volksgetränke. Die Grenzen der Lebensmitteltechnologie Bei den meisten Austauschprodukten stand das Ausgangsmaterial im Vordergrund, einschlägige Anwendungen schlossen sich an. Doch vereinzelt ging man auch von einer Produktidee aus, die es dann mit Hilfe vorhandener Ressourcen umzusetzen galt. Ein Beispiel hierfür sind die sog. Volksgetränke, die kurz nach Kriegsbeginn auf die Tagesordnung des eisernen Dreiecks traten. Angesichts des relativen Scheiterns der meisten Volksprodukte erscheint es erst einmal überraschend, dass nun ein weiteres Kapitel dieser Art von NS -Konsumgütern aufgeschlagen wurde. Doch die Kriegssituation veränderte den Getränkesektor deutlich. Durch die einsetzende Seeblockade entfielen Kaffee- und Teeimporte, mittelfristig muss 705 Bruns, E[rich]: Nationalsozialistische Gesundheitsführung und Flüssiges Obst, in: Wirz, [Franz G. M.]/Ders.: Nationalsozialistische Gesundheitsführung und Flüssiges Obst, Berlin-Dahlem 1938, 13–19, hier 16. 706 Wirz, F[ranz G. M.]: Obst und flüssiges Obst in der Kriegsernährung, Zf VE 17, 1942, 105. 707 Vgl. Fischer-Schlemm, W[alther] E.: Untersuchungen über die maschinelle Obstverarbeitung bei der Süßmosterzeugung, VLF 3, 1940, 242–252. 708 Tagesgeschichtliche Notizen, MMW 88, 1941, 116. 709 Bauer, Ernst: Ernährung vor Vergährung! [sic!] Die Forderung: Mehr Obst! Mehr flüssiges Obst!, Die Gesundheitsführung. Ziel und Weg 1941, 387–391; Krause, Hans: Obsterfassung, Obstlenkung, Obstverteilung, Zf VE 17, 1942, 105–106. 710 Aktion des Reichsgesundheitsführers. Süßmost für werdende Mütter, MMW 91, 1944, 140. 711 Vgl. Verwendung künstlich verstärkter und künstlicher Essenzen bei der Zubereitung von Brausen mit Fruchtgeschmack und Schankbrause sowie Regelung des Absatzes von Essenzen, DLR 1944, 61.

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ten ca. 6,5 Mrd. Liter substituiert werden. Das Angebot von Milch nahm spürbar ab, und an die Stelle von Bier trat Ende November 1939 Kriegsbier. Schon 1939 betrug der Alkoholgehalt des Einfachbiers nurmehr 1,8 %, ab 1940 wurden die Hopfenanbauflächen eingeschränkt.712 Neben dem nicht zu quantifizierenden Wasser war Ersatzkaffee der eigentliche Gewinner. Schon 1937 dürfte sein Anteil am Getränkekonsum bei etwa 40 % gelegen haben, im ersten Kriegsjahr stieg er auf über 50 %, d. h. jährlich etwa 30 Mrd. Liter.713 Der Druck auf den Gersteanbau nahm dadurch beträchtlich zu. Konsumumschichtungen dieser Größenordnungen konnten durch Süßmost auch nicht annähernd ausgeglichen werden, denn dessen Produktion war auf höchstens 150–200 Mio. Liter zu steigern.714 Die möglichen Konsequenzen wurden in Besprechungen zum Jahreswechsel 1939/40 zwischen Gesundheitsführung, Reichsnährstand, Wehrmacht, Deutschem Frauenwerk, Reichsjugendführung, den Wirtschaftsgruppen sowie verschiedener Ministerien erörtert. Das Ergebnis war der sog. »Contiplan«, dessen Grundzüge der Reichsgesundheitsführer den interessierten Kreisen Ende Februar 1940 während einer Tagung verkündete und der im Juni 1940 als Denkschrift »Bemühungen, ein hygienisches Volksgetränk zu schaffen« an die Wirtschaftsgruppe Brauerei und Mälzerei versandt wurde.715 Das vom Hauptamt für Volksgesundheitspflege, namentlich Franz Wirz und Ernst Günther Schenck, ausformulierte Konzept forderte von Wissenschaft und Wirtschaft ein neues Volksgetränk. Es sollte erstens mundgerecht, bekömmlich, durststillend und erfrischend, aromatisch und wohlschmeckend sein, außerdem Nährwert besitzen. Angesichts der Struktur des Kaltgetränkekonsums müsste es zweitens bierähnlich sein, da der Hopfentrank dieses Segment mit weitem Abstand dominierte. Drittens sollte das neue Volksgetränk preiswert und in großen Mengen produzierbar sein. Um Mengen von mehreren Milliarden Litern stemmen zu können, sollten die vorhandenen Absatzstrukturen von Einzelhandel und Gaststätten genutzt werden. Angesichts der beträchtlichen regionalen Konsumunterschiede zielten die Planer von Beginn an auf Getränke mit unterschiedlichen Geschmacksnuancen. Wie bei anderen Kriegsprojekten stand nicht der Substitutionsgedanke im Vordergrund, sondern die positive Verbrauchslenkung hin zu weniger Alkohol und Cola-Getränken: »aufpeitschende Ermunterungsstoffe« sollten in deutschen Getränken offiziell keinen Platz finden – die

712 Gläß, Theo: Deutsche Arbeit gegen die Alkoholgefahren, Forschungen zur Alkoholfrage 49, 1941, 1–12, hier 6. 713 Kaffee-Ersatz, das führende Getränk, Die Rundschau 37, 1940, 266. 714 Flaig, J[osef]: Der Süßmost im Rahmen der Gesamtbestrebungen zur Schaffung neuer Volksgetränke, Zf VE 16, 1941, 81. 715 S. hierzu die unterschiedlich nuancierten Beiträge v. Lüers, H[einrich]: Zur Frage neuer Getränke, Allgemeine Brauer- und Hopfen-Zeitung 80, 1940, 761–762; Lüers, H[einrich]: Zur Frage neuer Getränke, Zf VE 16, 1941, 4–6, hier 4.

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zeitgleichen Pervitingaben an deutsche Soldaten wurden dabei aus­geblendet.716 Koffeinhaltige Getränke wurden 1939 für Jugendliche, 1941 für die Zivilbevölkerung verboten, und die neuen Volksgetränke sollten peu à peu den Alkoholkonsum reduzieren.717 Nun waren die Unternehmen gefragt, der Privatinitiative schienen Tür und Tor geöffnet.718 Systematische Erkundungen der etwa 50 einschlägigen Patente von Limonaden, Obstgetränken, bierähnlichen Getränken und Leichtbieren ergaben, dass diese entweder zu teuer waren oder aber nicht schmeckten.719 Auch die Höchstgrenze von 0,5 % Alkohol schien problematisch, da dies zu Lasten des Geschmacks ging. Leichtbiere (Kap. 3.5.2) hatten sich schließlich nicht durchgesetzt.720 Auch Anfang der 1930er Jahre aufkommende bierähnliche Erfrischungsgetränke, wie das Markenprodukt Hella oder das ähnlich hergestellte Olympia-Bier, blieben zeitlich oder regional begrenzt.721 Entsprechend stand insbesondere das Braugewerbe den neuen Forderungen »mit einiger Zurückhaltung«722 gegenüber. Doch die Unternehmen wurden im 1940 gegründeten »Leichtbier-Ausschuß« korporativ eingebunden.723 Wissenschaftler der brautechnischen Institute und führende Fachleute der Brauwirtschaft koordinierten hier ihre Aktivitäten. Im Mittelpunkt standen erst einmal bierähnliche Volksgetränke. Die Anforderungen lagen hier besonders hoch, musste das neue Getränk doch die wertgebenden Eigenschaften des Bieres aufweisen, also Durchsichtigkeit, stabile Schaumkrone, einen herben Geschmack und durststillenden Effekt. Zudem sollte es aber bekömmlich sein und deutlich weniger Alkohol aufweisen.724 Das Leichtbier der Radeberger Brauerei basierte auf Prozessoptimierungen, nämlich niedriger Vergärung der Würze und dem Einsatz untergäriger Hefe. Produkt 716 Koffeinhaltige Erfrischungsgetränke. Begründung zur Verordnung der Reichsminister des Innern und für Ernährung und Landwirtschaft über koffeinhaltige Erfrischungsgetränke. Vom 24. Juni 1938. Reichsgesetzbl. I S. 691, Zf VE 14, 1939, 75. Zitat n. Lüers, 1940, 761. 717 Kitzing, Eberhard: Schutz der Jugend vor Genußgiften, Auf der Wacht 57, 1940, ­22–24; Bauer, Ernst: Gesundheitsführung und alkoholfreie Getränke, Auf der Wacht 57, 1940, 24–26. 718 Getränke für das deutsche Volk, Tageszeitung für Brauerei 38, 1940, 309–310, hier 310. 719 Fink, Hermann/Haehn, Hugo: Bemühungen, ein hygienisches Volksgetränk zu schaffen, Wochenschrift für Brauerei 57, 1940, 283–286. 720 Zur rechtlichen Abgrenzung vgl. Siller: Bier und bierähnliche Getränke, Tageszeitung für Brauerei 27, 1929, 231–232. 721 Vgl. Bleyer, B[enno]/Diemair, W[illibald]/Fischler, F[ranz]: Hella, ein alkoholfreies, kalorienreiches Erfrischungsgetränk mit Biercharakter, MMW 79, 1932, 1634–1636; Fink/ Haehn, 1940. 722 Von neuen Volksgetränken, MMW 88, 1941, 87. 723 Fink, Hermann: Bericht über eine Kostprobe von Leichtbier und Vitaminbier an der VLB. am 23. Juli 1941, Wochenschrift für Brauerei 58, 1941, 179. 724 Appel, Walter: Beitrag zur Alkoholfrage und der Einführung alkoholarmer Biere, Med. Diss. Göttingen 1941, 21.

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tests ergaben, dass »es im Aussehen, Geschmack und Bekömmlichkeit den normalen Bieren gleichzusetzen ist.«725 Auch Wiener, Dortmunder und Münchener Brauereien entwickelten entsprechende lokal erfolgreiche Leichtbiere.726 Die Forschungseinrichtungen arbeiteten tiefgründiger, veränderten also nicht nur den Produktionsprozess. Die Berliner Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei knüpfte an 1938 begonnene Vorarbeiten an, ein Malzbier mit vollem Stammwürzegehalt auf Basis einer neuen Spezialhefe zu entwickeln. Dieses »Ludwigbier« war ein dunkles Nährbier, ein erfrischender »Kraftborn«727, das nun um eine helle Variante ergänzt wurde. Die Forscher versuchten, den Stammwürzegehalt zu reduzieren und den dadurch leereren Geschmack durch neu hinzugefügte Geschmackskomponenten wieder zu heben. Das Grundprinzip war, die bekannten und isolierten Einzelkomponenten der Lebensmittel zu etwas Neuem zu rekombinieren. Im Rahmen des Reinheitsgebotes scheiterten die Wissenschaftler, doch durch neue Hefenkulturen gelang es, ein bierähnliches Getränk zu kreieren, das bei einer hochrangig besetzten Verkostung positiv bewertet wurde.728 In der Wissenschaftlichen Station für Brauerei in München und in Weihenstephan wurde dagegen versucht, Bier mit einer mit Aktivkohle behandelten Stammwürze zu verschneiden.729 Der Geschmack dieses durch »Nachgußveredelung«730 geschaffenen Volksgetränks ließ jedoch zu wünschen übrig. Auch hier gelang es unter Verletzung des Reinheitsgebotes den sensorischen Eindruck mittels organischer Säuren, insbesondere Zitronensäure, deutlich zu verbessern.731 Die bayerischen Brauer experimentierten zudem mit der biologischen Säuerung der Würze. Wie tief hier in tradierte Herstellungsverfahren eingegriffen wurde, zeigt sich in parallel laufenden Versuchen, Bier und bierähnliche Getränke zu vitaminisieren. Sie waren schon in den frühen 1930er Jahren angelaufen, doch die Zusätze aus Getreide oder Bierhefe veränderten den Geschmack negativ.732 Trotz erfolgreicher Versuche wurden lediglich Nährbiere 725 Appel, 1941, 31. 726 Volksgetränken, 1941, 87. 727 Haehn, Hugo: Richtlinien und Versuche zur Herstellung eines hygienischen Volksgetränks, Wochenschrift für Brauerei 58, 1941, 63–65, hier 63. 728 Kolbach, P[aul]/Antelmann, H.: Einige Versuche zur Herstellung alkoholfreier Getränke aus Bierwürze, Wochenschrift für Brauerei 58, 1941, 86–88. Zur Frage des Reinheitsgebotes vgl. Ernst, J.: Reinheitsgebot und Bierherstellung, Tageszeitung für Brauerei 38, 1940, 615–616. 729 Lüers, Heinrich: Leichtbierversuche, Wochenschrift für Brauerei 58, 1941, 175–176. 730 64. ordentliche Mitgliederversammlung der wissenschaftlichen Station für Brauerei in München, Tageszeitung für Brauerei 38, 1940, 257–258, 261–262, 266–267, hier 257 (Enders). 731 Ein Beitrag zur Lösung der Leichtbierfrage, Wochenschrift für Brauerei 58, 1941, 181; Schnegg, Hans: Beitrag zur Lösung der Leichtbierfrage, Zeitschrift für das gesamte Brau­ wesen 64, 1941, 97–102. 732 Menzler, Wilhelm: Staatliche Eingriffe in die Rohstoffbeschaffung und Rohstoffverwendung im Braugewerbe, Jur. Diss. Leipzig, Borna-Leipzig 1933, 24.

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während des Krieges als vitaminisierte Malzgetränke mit geringem Alkoholgehalt angeboten.733 Neben den bierähnlichen Produkten stritten auch Molke- und Magermilchgetränke um die Vorherrschaft auf dem virtuellen Markt der Volksgetränke. Auch hier gab es zahlreiche, bis zur Jahrhundertwende zurückreichende Vorläufer, die mit moussierenden oder aromatisierten Produkten den Getränkesektor zu erobern versuchten.734 Unternehmen entwickelten zahlreiche neue Angebote, etwa ein auf Flaschen abgezogenes Fruchtmilchgetränk aus Magermilch und Kohlensäure, das die Kölner Lato KG seit 1941 herstellte.735 Markenartikel, wie Lactrone, ein Molkegetränk mit Zitronengeschmack (Kap. 6.1.3), eroberten regionale Märkte, zumal ihre Qualität durch die 1941 eingeführte Reichsgesundheitsgütemarke garantiert wurde.736 Auch Brauereien rundeten ihr Angebot vereinzelt mit Molkebier ab, die Duisburger König-Brauerei konnte damit den mengenmäßigen Niedergang des Absatzes stoppen.737 Wiederum kamen wichtige Innovationen aus den Forschungslaboratorien. Ein von dem Leipziger Chemiker Georg Roeder seit 1936 entwickeltes Verfahren, Teile des Malzes der Bierproduktion durch vorbehandelte Molke zu ersetzen, wurde im Berliner Institut für Gärungsgewerbe und in Kooperation mit mehreren Brauereien erfolgreich abgeschlossen.738 Insgesamt blieb der Markterfolg der Molkegetränke gering.739 Dies galt auch für die Vielzahl neuer Getränke, bei denen die Gerste durch Schwarzbrot, Kräuter, durch Tomaten, Moosbeeren oder aber Ingwer substituiert wurde.740 Der Contiplan setzte demnach beträchtliche Innovationen in Gang, doch die teils rasch auf den Markt geworfenen Produkte konnten sich nur regional und keinesfalls als »Volksgetränke« etablieren. Die vom Regime gewährten Zeit­ 733 Nagel, Hans-Dieter: Die Vitaminisierung von Nahrungs- und Genussmitteln mit experimenteller Untersuchung über die Haltbarkeit und Verwendungsmöglichkeit eines vitaminreichen Nährbieres, Med. Diss. München 1944. Auch hier gab es doppelgleisige Versuche, einerseits mit synthetischen Vitaminpräparaten, anderseits mit »natürlichen« Vitamin­ extrakten. 734 Teils handelte es sich dabei um Millionen-Projekte, so etwa die gescheiterte Gründung der Kölner »Adsella-Milch-Gesellschaft m.b.H.« 1902, vgl. hierzu Kuske, [1941–44], Bl. 75–76 (Stollwerck-Archiv). 735 D[erstro]ff, [Hanns]: Ein neues kohlensäurehaltiges Fruchtsaft-Milch-Mischgetränk und seine Beurteilung, Zahnärztliche Mitteilungen 33, 1942, 155–156. 736 Pirner, 1942, 269. 737 Chronik der König-Brauerei 1858–1958, Duisburg-Beeck 1958, 42. 738 Die Arbeiten der V. L. B. im vergangenen Jahre, Tageszeitung für Brauerei 38, 1940, 525–529; Roeder, Georg: Ein neues bierartiges Getränk bezw. Spezialbier, hergestellt unter Verwendung von Molke, Zf VE 16, 1941, 15–16; Ott, M[aximilian]: Molke und Molkenver­ wertung, VLF 5, 1942, 227–233, hier 231. 739 Fürst, Th[eobald]: Molke als Nähr- und Heilmittel, Hippokrates 14, 1943, 245–246, hier 245. 740 Schaffung neuer Volksgetränke, Die Umschau 44, 1940, 686.

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fenster erwiesen sich als viel zu klein, um das überdimensionierte Ziel zu erreichen. Die Forscher erfüllten willig die vom Regime gesetzten und von ihnen geteilten Zielsetzungen, und eine große Zahl von Unternehmen zog mit. Doch die Reichsgesundheitsführung zog derweil planerisch weiter, denn Anfang 1942 wurde mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft »Alkoholfreie Ersatzgetränke« zusätzlich die Frage neuer alkoholfreier Heißgetränke angegangen.741 Forschungs- und Entwicklungskapazitäten wurden so weiter aufgesplittert. Das beträchtlich erweiterte Sortiment nicht alkoholischer Getränke konnte sich erst in den 1950er Jahren im Markt bemerkbar machen. Die Erweiterung der Forschungskapazitäten und ihre Konzentration auf neue Rohstoffe und Austauschstoffe standen im Kontext der Elitenperspektiven seit dem Ersten Weltkrieg und fanden im Vierjahresplan ihre konsequente Ausprägung. Wirtschaftliche Kalküle wurden durch imperiale Strategien ersetzt, zweitund drittbeste Lösungen waren für die Zwischenkriegszeit charakteristisch. Die neu erschlossenen Rohstoffe verbreiterten die Einsatzmöglichkeiten insbesondere von Zwischenprodukten und erweiterten die technologischen Verfahren der Lebensmittelproduktion. In strategisch wichtigen Bereichen wurden Fortschritte erzielt, um den lange Zeit beschworenen Ausgriff auf die fruchtbaren Weiten »des Ostens« auch praktisch zu wagen. Diese imperiale Strategie und nicht die zahlreichen neuen Rohstoffe und Austauschprodukte hat schließlich – auf Basis von Millionen von Opfern – die Lebensmittelbasis des vermeintlichen Herrenvolkes im Krieg gesichert. Das dadurch gewonnene Wissen barg gleichwohl viele Anknüpfungspunkte für die reale Erweiterung des Lebensmittelangebotes im Nachkriegsdeutschland (Kap. 6.1.3).

5.6 Die Kehrseite des Fortschritts: Kritik an Zusatzstoffen und »Veredelungsindustrie« Die Zwischenkriegszeit war durch beträchtliche Fortschritte im Wissen um die stoffliche Struktur der Lebensmittel und durch eine wachsende Verfügbarkeit künstlicher Kost gekennzeichnet.742 Insgesamt verbesserte sich die Qualität des Angebotes, sanken doch Anteil und Zahl der beanstandeten Warenproben beträchtlich.743 Todesfälle durch verfälschte oder verdorbene Produkte 741 Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft »Alkoholfreie Ersatzgetränke«, Braunschweigische Konserven-Zeitung 1942, Nr. 7/8, 11–12; Goesch, Friedrich: Alkoholfreie Heißgetränke, Neuland 51, 1942, 4–6. 742 Teile dieses Kapitels mündeten in Spiekermann, Uwe: Die Kehrseite des Fortschritts. Kritik an Zusatzstoffen und »Veredlungsindustrie« in der Zwischenkriegszeit, in: Bala, Christian u. a. (Hg.): Verbraucher in Geschichte und Gegenwart. Wandel und Konfliktfelder in der Verbraucherpolitik, Düsseldorf 2017, 105–128. 743 Vgl. die Dresdener Statistiken von 1898–1926 bei Beythien, 1927, 393.

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kamen kaum mehr vor, und dem Hunger der Inflationszeit und der Weltwirtschaftskrise zum Trotz schien eine basale Grundversorgung gesichert.744 Für die Experten des eisernen Dreiecks war dies Resultat ihrer Grundlagenforschung, ihrer Prozessoptimierung und ihrer Kontrollen. Gewerbliche Lebensmittelproduktion war für sie einerseits alternativlos, anderseits Teil einer »Veredelung« der Rohwaren zu gesunden und schmackhaften Produkten. Der vom Stoffparadigma beförderte und weiter vorangetriebene Zukunftstrend schien klar: »Diese ›Veredelung‹ der landwirtschaftlichen Nahrungs- und Genussmittel wird auf immer mehr Produkte und nach jeder Richtung hin ausgedehnt.«745 Doch diese von Expertensystemen vorangetriebene Entwicklung war stets umstritten. Das galt erst einmal für Kritik in und aus den eigenen Reihen. Der Naturbezug der Ernährungswissenschaftler verwies nicht nur auf Fragen des Könnens, also Grenzen des technologisch Machbaren, sondern auch auf solche des Dürfens, also die möglicherweise nicht absehbaren Folgen künstlicher Kost. Selbst hartgesottene Naturwissenschaftler, wie etwa der Fettforscher Hans-Paul Kaufmann, fragten: »Dürfen wir ohne Kenntnis dieser noch im Dunkel liegenden Zusammenhänge die naturgegebene Nahrung durch eine künstliche ersetzen?«746 Die Mitte der 1930er Jahre vom Rostocker Vitaminforscher Werner Kollath formulierte Parole »Laßt das Natürliche so natürlich wie möglich«747 drückte diese innere Ambivalenz der Wissenschaftler aus, verwies sie doch einerseits auf ein Ideal, schloss die Reihen aber gleich wieder mit dem strikten Hinweis auf die Realität. Befördert durch die Vitamin- und Mineralstofflehren etablierten sich seit Mitte der 1920er Jahre nicht nur neue Teildisziplinen innerhalb der Wissenschaft, sondern auch unterschiedliche Risikobewertungen. Die einfachen Scheidungen zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde bestanden weiter, doch wurden sie ergänzt und überformt durch kontroverse Debatten zwischen etablierten Wissenschaftlern. Objektiviertes Wissen war nicht mehr auf einen Nenner zu bringen, wurde vielmehr reflexiv. Die andauernden Auseinandersetzungen zwischen biologistisch bzw. materiell-physiologisch argumentierenden Experten während des NS -Regimes verdeutlichten, dass die politischen Rahmenbedingungen zwar Terrain und Duktus der Debatten mit bestimmten, dass aber auch die viel beschworene Gemeinschaftsarbeit nicht bei der Erweiterung und Ausdifferenzierung objektivierten Wissens stehen bleiben konnte. Die damit verbundenen neuen Formen kontroverser, sich wechselseitig 744 Einen vergleichenden Überblick erlauben die jährlichen Gesundheitsberichte der Länder. Vgl. auch Der öffentliche Gesundheitsdienst im Deutschen Reich 1937, Berlin 1939. Zu den Hungererfahrungen s. Lüdtke, Alf: Hunger in der Großen Depression. Hungererfahrungen und Hungerpolitik am Ende der Weimarer Republik, Archiv für Sozialgeschichte 37, 1987, 145–176. 745 Ziegelmayer, Lebensmittel, 1940, 322–323. 746 Kaufmann, 1944, 219. 747 Kollath, 1937, 274.

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ausschließender Artikulation von Wissen in der Öffentlichkeit konnten letztlich auch durch die NS -Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik nicht still gestellt werden. Dies galt aber auch und gerade für die Essenden abseits des eisernen Dreiecks.748 Auch sie trieben qua Nachfrage die stoffliche und technologische Entwicklung voran, bewirkten selbst breiter verfügbare künstliche Kost. Doch so praktisch sie für Wochenend und Soßentraum auch war, so ging Enthäuslichung doch spätestens in den 1920er Jahren einher mit Argwohn gegenüber den zahlreichen Veränderungen der Lebensmittel in den sich ausweitenden Wertschöpfungsketten. Schälen, Polieren und Sortieren – das mochten akzeptable Techniken sein, die zeitaufwändige häusliche Mühsal verringerten. Doch galt dies auch für das Bleichen, Paraffinieren und Etuvieren selbst vieler Grundnahrungsmittel? Wie war die Grenze hier zu ziehen? Die Zahl der Zusatzstoffe und Hilfsmittel nahm ebenfalls zu. Ende der 1920er Jahre wurden auch feinere Käsesorten, wie Camembert, Brie, Gervais, zunehmend aus Magermilch hergestellt. Bei Eierteig­waren schwand die Zahl der Eier, Honig enthielt auch Rübenzucker oder Stärkesirup, und reine Gewürze waren angesichts zahlloser werthaltiger Abfallstoffe keineswegs üblich.749 Normierungen regelten und entschleunigten derartige Veränderungen, doch Verbraucherinteressen bedurften der Chemiker als Sachwalter. Diese Experten konnten zugleich erklären, warum längere Versorgungsketten und erhöhte Bequemlichkeit mehr Konservierungs- und Farbstoffe, Emulgatoren oder auch zusätzliche Vitamine erforderten. Doch konnte man ihnen glauben? Den Verbrauchern wurde seit den 1920er Jahren die Ab­hängigkeit von wissenschaftlicher Expertise zunehmend deutlich. Subjektives Wissen bot vielfach noch Entscheidungsgrundlagen, doch die Zahl der Lebensmittel, die nach Herkunft und Augenschein einfach zu prüfen waren, nahm ab. Seit 1930 schwanden durch veränderte Importströme die Wahlmöglichkeiten und da zugleich Agrarmarketing und Gesundheitsführung stoffliche Fragen bevorzugt thematisierten, stärkte dies nochmals die Wissenshierarchie zwischen Experten und Verbrauchern. Stoffprofile und Stoffe wurden in Gut-Böse-­Schemata eingebunden. Mangels schwindender Alternativen artikulierte sich zunehmend Unsicherheit über die Lebensmittelqualität und Kritik an offenkundigen Verschlechterungen und Versorgungsdefiziten. Sie spiegelt sich in den Stimmungsberichten der 1930er Jahre, stärker aber noch in der partiellen Verweigerung gegenüber neuer künstlicher Kost, etwa den ungewohnten Sojaprodukten, sowie im Rückgriff auf Lebensmittel, die von der Verbrauchslenkung eben nicht empfohlen wurden. Verweigerung und Renitenz waren Möglichkeiten, sich gegen

748 Zu analogen Entwicklungen in den USA s. Levenstein, Harvey: Fear of Food. A History of Why We Worry about What We Eat, Chicago/London 2012. 749 Beythien, 1927, 392.

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den dominanten Diskurs des in sich heterogenen objektivierten Wissens zu behaupten und Dissens gebrochen zu artikulieren. Um diese miteinander verzahnten Veränderungen genauer nachzuzeichnen, stehen im Folgenden erst einmal Wissenskämpfe im öffentlichen Raum im Mittelpunkt, ehe mittels dreier Beispiele – der Frage von Zahngesundheit, bestrahlter Milch und Zusatzstoffen  – genauer untersucht werden wird, wie und mit welchen Folgen die Kehrseiten der wachsenden Verfügbarkeit künstlicher Kost thematisiert wurden.

5.6.1 Umstrittenes Wissen. »Natur« und »Chemie« in der Publizistik Mitte der 1920er Jahre befand sich die tradierte Ernährungswissenschaft in der Defensive. Die alten Erklärungsmuster der Münchener Schule waren durch das Desaster der Ernährungspolitik im Ersten Weltkrieg desavouiert. Die Neue Ernährungslehre warf ihre Schatten schon voraus, bestimmte zunehmend den Forschungsalltag, doch ihr Wissen um neue Stoffe blieb noch unklar, vielfach ahnend, da die Vitamine weder isoliert noch synthetisiert waren und im klinischen Alltag kausale Anwendungen selten waren. Und doch veränderten schon die allgemeinen Hinweise auf eine gesundheitlich vorteilhafte stärker pflanzliche und auch weniger erhitzte Nahrung die Alltagskost und auch die Stellung alternativer Ansätze. Kritisiert wurde erst einmal die physiologische Medizin. Mineralstoffe standen im Mittelpunkt alternativer Therapien und Ernährungslehren. Erstens drang die Biochemie vor, deren Präparate einer stets betonten Entmineralisierung der Alltagskost begegnen wollten und die zugleich dem Ideal einer physiologisch determinierten stofflichen Harmonie im menschlichen Körper frönten.750 Ihre Vertreter galten den Schulmedizinern als »Kurpfuscher«, deren Bekämpfung nicht nur intensiv diskutiert wurde, sondern während des Nationalsozialismus auch vorankam.751 Gleichwohl kam das NS Regime kostengünstigen und abhärtenden Naturheilverfahren mit dem Heilpraktikergesetz von 1939 durchaus entgegen.752 Zweitens ergaben Untersuchungen des Kasseler Arztes Max Gerson, dass eine salzfreie pflanzliche Diät 750 Vgl. Hayn, Walter: Biochemie und Wissenschaft! Eine grundlegende Betrachtung zur Frage der Mineralstoffe, Zeitschrift für Biochemie 24, 1925, 27–31, 51–54; Madaus, G[erhard]: »Die Irrlehren der Dr. Schüßlerschen Biochemie.«, Zeitschrift für Biochemie 25, 1926, 149–150. 751 Ueber die Missstände auf dem Gebiete der Kurpfuscherei und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung, Berlin 1927; Der Kampf gegen die Kurpfuscherei. Zehn Vorträge, hg. v.d. Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums, Berlin 1928. Teils wurden die neuen Ansätze auch als produktive Herausforderung verstanden, so etwa Kurpfuscherei?, Süddeutsche Monatshefte 30, 1932/33, 65–68, hier 65. 752 Vgl. Wuttke-Groneberg, Walter: Leistung, Vernichtung, Verwertung. Überlegungen zur Struktur der Nationalsozialistischen Medizin, in: Volk und Gesundheit. Heilen und Vernichten im Nationalsozialismus, Tübingen 1982, 6–59, hier 48–50.

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die Tuberkulosetherapie erweitern konnte.753 Seine diätetischen Erfahrungen wurden durch die Mediziner Ferdinand Sauerbruch und Adolf Herrmannsdorfer überprüft und im Grundsatz bestätigt.754 Seit 1926 stand die SHG -Diät im Mittelpunkt der therapeutischen und insbesondere öffentlichen Diskussion, schien es doch mit einfachen Ernährungsregeln möglich, die wichtigste damalige Krankheit einzudämmen. Auch wenn seit spätestens 1928 zunehmend kritische Ergebnisse dominierten und sich die hochgepeitschten, dann auch auf die Heilung von Krebs ausgeweiteten Hoffnungen nicht erfüllten, traten Fragen der Diätetik und des Mineralstoffhaushaltes doch verstärkt in das Blickfeld medizinischer Forschung.755 Drittens schließlich gewann die Säure-Basen-Therapie, die auf Basis der umfangreichen Mineralstoff- und Stoffwechselversuche von Carl Röse und insbesondere Ragnar Berg im Lahmannschen Laboratorium entwickelt wurde, seit Mitte der 1920er Jahre an Gewicht. Berg kritisierte vehement den Glauben an das tierische Eiweiß, verwies stattdessen auf das dadurch geförderte Säureübergewicht im Stoffwechsel, das unbedingt durch Basen abgesättigt werden müsse, um nicht zur »Schlackenbildung« im Körper zu führen.756 Stattdessen plädierte er für eine dominant pflanzliche Ernährungsweise mit viel Rohkost, die sich an festen Proportionen zwischen den einzelnen Stoffträgern orientieren sollte. Gefördert vom Dresdener Hygiene-Museum und seinem wissenschaftlichen Leiter Martin Vogel, gewann die Säure-Basen-Theorie rasch an öffentlicher und fachlicher Beachtung, wenngleich ihre Alltagsbedeutung trotz einschlägiger Mineralstoffpräparate eher gering blieb.757 Die Mineralstofffrage diente als Forderungsfolie an Schulmedizin und Öffentlichkeit. Da die propagierte veränderte Ernährung stets als gesünder galt, schien die Schulmedizin falsche Wege zu weisen. Herausfordernd war vor allem, 753 Gerson, Max: Die Entstehung und Begründung der Diätbehandlung der Tuberkulose, MW 3, 1929, 1313–1317. Zur Einordnung vgl. Sorgenicht, Wolfgang: Diätformen bei Tuberkulose bis 1950, Med. Diss. Bonn 1977. 754 Sauerbruch, F[erdinand]/Herrmannsdorfer, A[dolf]/Gerson, M[ax]: Ueber Versuche, schwere Formen der Tuberkulose durch diätetische Behandlung zu beeinflussen, MMW 73, 1926, 47–51, 108–112; Herrmannsdorfer, Mimicia/Herrmannsdorfer, Adolf: Praktische Anleitung zur kochsalzfreien Ernährung Tuberkulöser, 2. verb. Aufl., Leipzig 1929. 755 Strauß, H[ermann]: Zur Frage der Diätbehandlung der Lungentuberkulosen, MKl 25, 1929, 1383–1387; Die Bedeutung der von Sauerbruch, Herrmannsdorfer und Gerson angegebenen Diät bei der Behandlung der Tuberkulose. Bericht über die Sitzung eines zusammengesetzten Ausschusses des Landesgesundheitsrats am 28. Februar 1930, Berlin 1930. 756 Berg, Ragnar: Ernährung, Küche und Gesundheit, in: Meng, Heinrich u. a. (Hg.): Das Ärztliche Volksbuch, Bd. I, 2. durchges. u. erw. Aufl., Stuttgart/Leipzig/Zürich 1929, ­245–283; Berg, 1931. 757 Vgl. Berg, Ragnar/Vogel, Martin: Die Grundlagen einer richtigen Ernährung, 7. Aufl., Dresden 1930; Schweisheimer, W[aldemar]: Neue Ernährungslehren. […], Westermanns Monatshefte 147, 1929/30, 273–276; Jansen, W[illy] H[ermann]: Was ist an der Ernährungslehre vom Basenüberschuß?, MMW 79, 1932, 1798–1799; Zabel, Werner: Grenzerweiterung der Schulmedizin, Stuttgart/Leipzig 1934.

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dass die Alternativen zumeist eine ordentliche akademische Ausbildung genossen hatten. Fragen nach der Position der Wissenschaft und verbindlichem Orientierungswissen für den Alltag blieben unbeantwortet, denn das ahnende Wissen machte vor allem bisher nicht bewusstes Unwissen transparent. Die Herausforderer spielten dabei geschickt mit den öffentlichen Medien – indirekte Folge der Ausgrenzung durch Fachorgane –, und fanden insbesondere in zahlreichen Illustrierten und hauswirtschaftlichen Zeitschriften Resonanz.758 Stärker als für die Mineralstoffe galt dies für eine andere scheinbar urtümlich natürliche Speise, für die vitamin- und mineralstoffreiche Rohkost. Auch hier waren es nicht Lebensreformer, etwa die Vertreter der Jungbornernährung759, sondern ein etablierter Wissenschaftler, dessen Arbeiten zum sog. »Anschlagswert« der Nahrung 1927/28 nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Öffentlichkeit große Resonanz erzielten. Ernst Friedberger, Hygieneprofessor aus Berlin, bezeichnete damit den sich in Wachstumskurven von Laborratten niederschlagenden Nährwert von Speisen.760 Die Tierversuche ergaben, dass der Anschlagswert abhängig von der Dauer und Intensität des Kochens war. »Uebergarfutter« ergab schwache Tiere, Rohnahrung dagegen kräftige Ratten. Die Konsequenz schien auf der Hand zu liegen: Rohkost bzw. schonend gekochte Nahrung war »rationeller« und gesünder als die übliche Kost. Die Hausfrau sollte ihr Tun überdenken, der Fachmann müsse es, Rohkost sei als Heilnahrung unabdingbar. Friedbergers Arbeiten wurden unmittelbar fachlich überprüft, Ergebnisse und Konsequenzen fundiert hinterfragt.761 Doch Begriffe und Deutungen etablierten sich. Rohkost wurde damals zum öffentlichen Thema, der vielfach beklagte »Vitaminrummel« um den später so genannten »Rohkostfimmel«762 erweitert. Dies 758 Daneben standen natürlich die breit gefächerte Publizistik der Lebensreformbewegung sowie eigens geschaffene Publikationsforen. Bircher-Benners Präsenz ist ohne seine seit 1922 verlegte Zeitschrift »Der Wendepunkt im Leben und im Leiden« sowie die in sechs­ stelliger Auflage erschienenen Wendepunkt-(Koch-)Bücher nicht zu verstehen. 759 Vgl. etwa Just, Rudolf: Der Jungborn-Tisch. Neu bearb. u. hg., 5. Aufl., Bad Harzburg 1922; Just, Rudolf: Die Jungborn-Ernährung. Rohkost und Jungborntisch, Körperpflege, Ernährung des Kindes und die Zubereitung der Speisen, Bad Harzburg 1927. 760 Friedberger, E[rnst]: Über den Anschlagswert der Nahrung, insbesondere über seine Herabsetzung durch den Kochprozeß, VE 2, 1927, 225–228, hier 225. Der Autor war Direktor des Forschungsinstituts für Hygiene und Immunitätslehre in Berlin-Dahlem. Vgl. auch Friedberger, E[rnst]: Ueber rohes und gekochtes Essen, BVGP 27, 1927, 5–8; Friedberger, [Ernst]: Über Rohkost, VE 3, 1928, 311–312. 761 Vgl. Winckel, [Max]: Rohe oder gekochte Nahrung?, VE 2, 1927, 229–230; Scheunert, Arthur/Wagner, Elfriede: Ueber den Einfluß des Kochens auf den Nährwert und den sogenannten Anschlagswert der Nahrung, MMW 74, 1927, 1134–1138; Die Intensität der Auseinandersetzung spiegelt noch Mangold, Ernst: Irrtümer und Übertreibungen in der Ernährungslehre, Zf VE 15, 1940, 35–40. 762 Schurian: Das Ernährungsproblem im Lichte der Lebensreform, ÖG 5, Teilausg. B, 1939/40, 38–46, hier 44.

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ließ vorrangig die Lehre des Schweizer Arztes Maximilian Bircher-Benners in den Blickpunkt geraten.763 Rohköstler galten noch um 1920 als »Sonderlinge« und auch jetzt wetterten Mediziner gegen »sektierende Fanatiker«764. Trotz deutlicher Kritik wuchs jedoch das Interesse. Der Züricher Hospitalleiter wurde von den etablierten Medizinern und Chemikern allerdings als Haupt einer Laien­bewegung verstanden, die von Einzelfällen auf allgemeine Gesetze schloss, während doch experimentell gewonnenes und überprüftes Gesetzeswissen die Therapie leiten sollte.765 Die Kritik der späten 1920er Jahre konzentrierte sich auf vier Bereiche: Bircher-Benner wurde erstens als geschäftstüchtiger Betreiber eines eleganten Sanatoriums präsentiert, der eine Luxuskost propagiere, die volkswirtschaftlich unverantwortlich und für den Durchschnittsesser unerschwinglich sei.766 Zweitens thematisierte man Gesundheitsschädigungen, vorwiegend Nährschäden von Säuglingen, die mit Rohkost bzw. der Bircherschen Fruchtmilch gefüttert wurden.767 Drittens stellte man den Dekadenz­ vorstellungen Bircher-Benners konkrete Gefahren der Rohkost gegenüber. Es wimmelte in der Fachliteratur nur so von Eingeweidewürmern, patho­genen Keimen und tierischen Parasiten, die Verunsicherung wurde durch Hinweise auf Reste von Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmitteln gezielt geschürt.768 Den eigentlichen Kritikpunkt bildete viertens jedoch die wissenschaftliche Begründung der Lehre Bircher-Benners: »Sonnenwerte« und »Potentiale« trügen rein hypothetischen Charakter, seien schlagkräftige Werbeworte, die in einer sachlich argumentierten Wissenschaft fehl am Platz seien.769 Indus-

763 Vgl. zur Lehre Wirz, 1993 sowie materialreich aber kontextarm Kollenbach, Dorothea: Maximilian Oskar Bircher-Benner (1867–1939). Krankheitslehre und Diätetik, Med. Diss. Köln 1974. 764 Günther, H[ans]: Rohköstlertum und ärztliche Rohkostdiät, Fortschritte der Medizin 47, 1929, 347–349, hier 347. 765 Brauchle, Alfred: Rohkost als Heilnahrung, Die Therapie der Gegenwart 68, 1927, ­505–510, 549–554, hier 506. 766 Beispiele bilden Hartmann, Arthur: Rohkost und fleischlose Ernährung, München 1928, 87–88; Stepp, Wilhelm: Die praktische Bedeutung der Rohkost, in: Verhandlungen der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. […], Leipzig 1929, 175–182, hier 182. 767 Camerer, W[ilhelm]: Rohkost in der Säuglingsernährung, MMW 75, 1928, 1410–1413; Hottinger, A[dolf]: Ueber die künstliche Ernährung des Säuglings, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 59, 1929, 97–105, hier 103; Bäumler, O[tto]: Tetanie bei Rohkost, Monatsschrift für Kinderheilkunde 60, 1934, 336–342. 768 Vgl. als Beispiel Friedberger, E[rnst]: Die Bedeutung der Rohkost, in: Verhandlungen der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. VIII. Tagung, in Amsterdam (12. bis 14. September 1928), Leipzig 1929, 156–166, hier 165. Summarisch Glatzel, H[ans]: Aktuelle Fragen der Volksernährung. II . Für und wider die Rohkost, MW 10, 1936, 1681–1685, hier 1684. 769 Strauss, H[ermann]: Rohkostprobleme, Halle a.S. 1929, 20.

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trievertreter schrieben von »schreibfreudigen Halbwissenschaftlern«, mokier­ten sich über Vorstellungen einer südlichen Sonne und ihrer besonderen Kraft.770 Die Auseinandersetzung um Wissensmärkte wurde seitens der Schulmedizin aufgenommen, wobei man sich seit ca. 1930 auf einen für derartige Debatten vielfach üblichen Kompromiss hinbewegte, der auch die Grundlage für eine andere Rezeption Bircher-Benners während der NS -Zeit bildete. Ein knappes Dutzend medizinischer Dissertationen untersuchte Anfang der 1930er Jahre physiologische Wirkungen der Rohkost. Sie betonten sämtlich den hypothetischen Charakter der Lehre Bircher-Benners771, doch zugleich bestätigten sie, dass Rohkost als diätetische Kost sinnvoll sei. Auf diese Art integrierte man die Außenseiter. Alternative Lehren wurden aus dem von ihnen propagierten Lebenszusammenhang herausgerissen und auf die Bedeutung eines Segmentes reduziert, hier der von Rohkost für die Diätetik. Rohkost wurde von einer »Weltanschauungssache«772 zu einem fachwissenschaftlich handhabbaren Problem. Bircher-Benner wandte sich 1930 energisch gegen diese seine Lehre unter­ laufende Rezeption, gehe es doch nicht primär um Rohkost, sondern handele es sich vielmehr »um die Entdeckung ungeahnter Ernährungsfehler und ihrer unheilvollen Wirkungen.«773 Doch zugleich erlaubte er Differenzierungen, deutete ausschließliche Rohkosternährung als ein Ideal, nicht aber als verbindliches Modell einer Alltagskost.774 Dieser ersten Integration folgten weitere Differenzierungen vermeintlich überbordender Ansprüche und Vorschläge des Schweizers.775 Auch die kontinuierliche Kritik führender Pädiater an der Rohkosternährung von Säuglingen

770 Fincke, Heinrich: Gegen Einseitigkeiten »neuzeitlicher« Behandlung von Ernährungsfragen. Die Frage des Abkochens der Gemüse, DNR 1931, 184–188, 192–195, hier 185–186. 771 Vgl. etwa Voigt, Werner: Die entwässernde Wirkung der Rohkost als therapeutisches Prinzip in der Behandlung der Nephritiden, der Fettsucht und des dekompensierten Kreislaufs, Med. Diss. Marburg, Berlin 1931, 4–5; Paul, Nikolaus: Der Eiweiß-Stoffwechsel unter Rohkost bei gleichzeitigem sportlichen Training, Zahnmed. Diss. Marburg 1931, 7; Thiele, Adolf: Die Ernährung mit Rohkost, Med. Diss. Tübingen 1931, 6; Pöckel, Edelgard: Die Behandlung der Avitaminosen mit Rohkost, Med. Diss. Bonn 1931, 3. 772 Eimer, Karl: Rohkost als Heilnahrung, MW 5, 1931, 181–183, 219–222, hier 181. 773 Bircher-Benner, M[aximilian]: Ernährungsfrage und Rohkost, VE 5, 1930, 150–151, hier 150. 774 »Fortiter in re, suaviter in modu!« hieß es in Bircher-Benner, M[aximilian]: Zum Problem der Ulkusdiät, MMW 82, 1935, 496–501, hier 501, und dieses Kompromissangebot wurde aufgegriffen. 775 Vgl. etwa Heupke, W[ilhelm]: Wirkung und Anwendung der Rohkost, MW 8, 1934, 516–519 (vgl. hierzu auch Bircher-Benner, M[aximilian]: Diätetische Erfahrungen und ihre Perspektiven, Hippokrates 5, 1934, 185–191, 245–253, 280–286, 326–333, hier 332–333);­ Süpfle, K[arl]: Grundfragen der Volksernährung, DMW 60, 1934, 564–567; Lapp, F[riedrich] W[ilhelm]: Praktische Anwendung der Rohkost in der Therapie, Therapie der Gegenwart 77, 1936, 9–15.

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mündete in zunehmend strengere Indikationen.776 1936 summierte der Münche­ ner Mediziner Friedrich v. Müller: »Die Rohkostbewegung ist eine Erscheinung der Mode und des Dogmas.«777 Ihr Höhepunkt war offenkundig überschritten, die Normalwissenschaft übernahm wieder das Zepter. Bircher-Benner wurde so vom Außenseiter zum Wegbereiter einer fundierten wissenschaftlichen Forschung. Adaptionen alternativen Gedankengutes drangen derart isoliert auch in offizielle Ernährungsratschläge, in denen Rohkost einen festen, allerdings ergänzenden Platz hatte.778 In den HJ-Lagern war sie, ebenso wie das BircherMüsli, Standard.779 Doch gerade die Rezeption dieser bis heute bekanntesten Bircher-Speise zeigt, wie zeichenhaft die Rezeption war. Zu Beginn des Krieges finden sich Hinweise auf Rohkost in den gängigen Kochbüchern, doch deren Stellung war eher die einer gesunden Kuriosität.780 Während die Mediziner somit Kritiker vielfach einbanden und schließlich erledigten, waren die Auseinandersetzungen zwischen den Chemikern und ihren Kritikern unerbittlicher. »Chemisch« erschien seit Mitte der 1920er Jahre nicht mehr als Ausdruck von Naturbeherrschung und menschlichem Geist, vielmehr wurden »chemische« Stoffe zunehmend kritisch eingeschätzt. Die Veredelungsindustrie schien Lebensmittel nur »mit Hilfe manches schleichenden Giftes«781 herzustellen, wobei gerade Ärzte auf dessen akkumulierte Wirkung verwiesen. Parallel zu den kontrovers und vielfach ablehnend geführten Debatten über die betriebliche Rationalisierung wandelte sich auch das Bild der Technik. »Man hatte geglaubt, die Natur überlisten zu können und ihre Gesetze durch die Fortschritte einer sogen. ›Kultur‹ gegenstandslos zu machen.«782 Künstliche Kost erschien als Bedrohung, gefördert von einer menschenfeindlichen, allein am Profit ausgerichteten Ernährungsindustrie. Gegen Ende der 1920er Jahre wurden derartig kritische Rückfragen in der Öffentlichkeit debattiert. 776 Vgl. etwa Holtz, K[arl]: Die Ernährung des Säuglings, ÖG 1, Teilausg. B, 1935/36, ­174–182; Hofmeier, Kurt: Gefährdete Säuglinge und Kleinkinder und ihre gesundheitsfürsorgerische Versorgung, ÖG 4, Teilausg. B, 1938/39, 265–271. 777 Müller, Friedrich v.: Über die Diätetik, DMW 62, 1935, 1–5, hier 4. 778 Regeln, 1937. 779 Vgl. Kitzing, Wolfgang Eberhard: Die Verpflegung in den Zeltlagern der HitlerJugend, Leipzig 1938 (mit Bezug auf Bircher-Benner). Beliebt war Rohkost allerdings nicht, vgl. etwa die pädagogischen Argumente in Sollen wir Gras fressen?, Alkoholfreie Jugenderziehung 1, 1939, 49–50. 780 Vgl. Horn, Erna: Der neuzeitliche Haushalt. Ein Führer durch die gesamte Küche und Hauswirtschaft in zwei Bänden, Bd. 1, München-Solln 1940, 237–246, 344; Klein, Ida: Neuzeitliche Küche. Fleischlose Gerichte für alle Verhältnisse, Hamburg 1940, 17, 42–43; Schulze, Ida (Hg.): Davidis-Schulze. Das neue Kochbuch für die deutsche Küche, 11. erw. Aufl., Bielefeld/Leipzig 1941, 97–103. 781 Die Veränderungen unserer Nahrung, Die Umschau 28, 1924, 183–184, hier 183. 782 Schrickel, [Eduard]: Was wir wollen, Forrog-Blätter 1, 1934, Sp. 1–4, hier 1.

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Es waren vor allem drei Bücher, die auf erbitterten Widerspruch des chemischen Establishments stießen. Das erste stammte von dem New Yorker Nahrungsmittelchemiker Alfred W. McCann und lag schon 1922 in deutscher Bearbeitung des Lebensreformers August von Borosini vor, der die Lehre Horace Fletchers im Deutschen Reich popularisiert hatte.783 Das ursprünglich »The Science of Eating« betitelte Werk mutierte allerdings zu »Kultursiechtum und Säuretod. Vollernährung als Schicksalsfrage für die weiße Rasse«. Das Buch war eine fulminante Kampfschrift gegen die vermeintliche Zerstörung des Nahrungswertes durch industrielle Fertigung einerseits, künstliche Zusätze anderseits. Ausgehend von einer einseitigen Mineralsalztheorie addierte McCann Fehlentwicklung zu Fehlentwicklung, sah eine vom Kommerz diktierte Industrie am Werke, die von einer teils gekauften, teils starrköpfigen Wissenschaft geschützt wurde. Entwertete Nahrung würde den Rassenniedergang beschleunigen, wogegen nach McCann einzig eine »natürliche« Lebensmittelproduktion und eine an Mineralstoffen und Vitaminen reiche Auswahl helfen könne. Die erste Auflage wurde abseits der Lebensreformbewegung kaum rezipiert, die wenigen Besprechungen durch Fachchemiker grenzten sich klar ab. Das änderte sich mit der dritten Auflage.784 McCann wurde nun zum Stichwortgeber »wissenschaftlicher« Dekadenzvorstellungen, die kapitalistischen Geist, technische Innovationen und chemische Zusatzstoffe als Entartungsprozess verstanden. Verrottung überall. In der Aussage ähnlich, im Ton aber ganz anders gehalten war das 1928 erschienene umfangreiche Werk des pazifistischen Schweizer Mediziners Hans Balzli über »Kunst und Wissenschaft des Essens«.785 Eine basische Ernährung bot auch hier den Heilsweg. Der Autor stellte systematisch die bestehenden physiologischen Gewissheiten in Frage und feierte die neue Lehre als eine neue höhere Form von Wissenschaft. Das Buch bot durch seinen populären wissenschaftlichen Ton deutlich weniger Angriffspunkte als die aggressiven Wortkaskaden McCanns und führte zugleich die Praxis gegen die Wissenschaft ins Feld. Den Reigen der Herausforderung komplettierte 1931 der Chemiker Curt Lenzner, der sich in den späten 1920er Jahren intensiv mit der Vitamin­ forschung auseinandergesetzt hatte. Nun warf er »Gift in der Nahrung« auf den Markt, ein furioses Pamphlet gegen Zusatzstoffe und künstliche Verarbeitung, als dessen Gegenbild Vegetarismus und Lebensreformwirtschaft aufgebaut 783 McCann, Alfred W.: Kultursiechtum und Säuretod. Vollernährung als Schicksalsfrage für die weiße Rasse. Deutsche Bearb. v. A[ugust] v. Borosini, Dresden 1922. Zur Einordnung in die US -Debatte vgl. Whorton, James C.: Inner Hygiene. Constipation and the Pursuit of Health in Modern Society, Oxford 2000. 784 McCann, Alfred W.: Kultursiechtum und Säuretod. Vollernährung als Schicksalsfrage für die weiße Rasse. Deutsche Bearb. v. A[ugust] v. Borosini, 3. durchges. Aufl. (6. bis 8. Tausend), Dresden 1927. 785 Balzli, 1928.

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wurden.786 Lenzner polemisierte gegen eine nurmehr partielle Vernunft, die nicht durch Gier und Täuschungsabsichten, sondern durch miteinander nicht verbundene kleinteilige Veränderungen den »Weg zur allgemeinen Lebensmittel-Entwertung« beschritt. Insbesondere Städter schienen kaum Alternativen zu besitzen: »Man hat sich so an diese Ernährung gewöhnt, daß einem eine solche künstliche Bearbeitung gar nicht unnatürlich vorkommt.«787 Grund hierfür war, »daß man vergessen hat, daß unsere Nahrung etwas Lebendiges ist«. Lenzner bot damit nicht nur eine Theorie unbeabsichtigter Entartung, sondern legte aufgrund seiner chemischen Expertise auch die Finger in Problemfelder, die seitens der Experten des eisernen Dreiecks sehr wohl kontrovers diskutiert wurden.788 Auch die Chemiker zogen nun das Schwert, galt es doch ihre Sicht zu verteidigen: Heinrich Fincke, der Laboratoriumsleiter von Stollwerck, hielt 1931 reichsweit Vorträge in wissenschaftlichen Gremien, in denen er vor der »Entartung« der Debatte warnte: »Der Mahnruf ›Gift in der Nahrung‹ ist völlig unberechtigt; er gefährdet eine volkswirtschaftlich einwandfreie Ernährung, unterstützt asoziale und unsoziale Instinkte und ist als Grundlage geschäftlicher Werbung besonders verwerflich.«789 Schließlich koche auch die Reformwarenwirtschaft ihr naturreines Süppchen auf lodernder Flamme, um auf Basis der neuen Sach­ bücher zu zeigen, wie man sich »vor der völligen Vergiftung durch die Unheilmittel der chemischen Hexenküche«790 retten könne. Während die Mediziner die Kritiker vielfach erfolgreich teilintegrierten, lehnten die Chemiker derartige strikt ab, da sie bei der Masse der Laien »Beunruhigung« hervorrufen würden, ohne realistische Alternativen aufzuzeigen. Es blieb nicht bei derartigen Verbalschlachten. Angesichts der wachsenden Kritik an Zucker und Kakao gründete 1930 beispielsweise der Verband deutscher Schokolade-Fabrikanten eine »Ernährungswissenschaftliche Zentralstelle«, deren Aufgabe es war, in Medien und Öffentlichkeit Informationen ge 786 Lenzner, Curt: Gift in der Nahrung, Leipzig 1931. Vgl. zu Person und Buch Sperling, Frank: »Kampf dem Verderb« mit allen Mitteln? Der Umgang mit ernährungsbezogenen Gesundheitsrisiken im »Dritten Reich« am Beispiel der chemischen Lebensmittelkonservierung, Braunschweig 2011, 116–123, auch wenn deren Bedeutung eher überschätzt wird. 787 Lenzner, Curt: Gift in der Nahrung, 2. umgearb. u. erw. Aufl., Leipzig 1933, 195 (auch für das folgende Zitat). 788 Vgl. etwa Ders.: Gase in der Nahrungsmittelbereitung, Der Wendepunkt im Leben und im Leiden 9, 1931/32, 612–616; Ders.: Ist Benzoesäure das ›ideale‹ Konservierungsmittel?, Naturärztliche Rundschau. Physiatrie 5, 1933, 18–22; Ders.: Die Rieselfelder und ihre Erzeugnisse, ebd., 231–242. 789 Heinen: Ref. v. Fincke: Gift in der Nahrung, MMW 79, 1932, 1381. Vgl. schon die Breitseite gegen Balzli in Fincke, Heinrich: Ernährungswissenschaft und Nahrungsmittelindustrie, DNR 1930, 180–181, 186–189. 790 Flugblatt der Reformhaus-Organisation »Gift in der Nahrung!«, zit. n. Fincke, Heinrich: Noch einmal: »Gift in der Nahrung«, Kazett 21, 1932, 247–250, hier 249.

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gen die »Pseudowissenschaftler« zu verbreiten und zugleich auf die Vorzüge industriell produzierter Süßwaren hinzuweisen.791 Will man die verbale Härte der Debatten verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass die Chemiker keine fachlichen Rückfragen außerhalb des eisernen Dreiecks gewohnt waren. Sie sahen sich daher in einem »Kampf, der ohne sachlichen Grund gegen ihre Erzeugnisse geführt wird«792. Für die wissensbasierte Wirtschaft begann zu dieser Zeit ein Kampf um die Öffentlichkeit, der vielfach erst in den 1980er Jahren endete. Das NS -Regime schien Chemikern und Kritikern gleichermaßen neue Chancen zu bieten. Seitens der Wirtschaft wurde 1933 der »Ausschuß gegen Irreführung in Volksernährung und Publizistik« gegründet, dessen Aufgabe nicht zuletzt war, »Ernährungspfuscher« gegenüber staatlichen Instanzen zu denunzieren.793 Während pazifistische bzw. sozialistische Lebensreformer verfolgt und ihre Organisationen verboten wurden, hieß es in der Fachpresse über die Kritiker: »Wir möchten empfehlen, sie einzusperren und die Presse nach dieser Richtung der Ernährungslehre unter Zensur zu stellen.«794 Kritik galt als »falsch und blindes Muckertum, ohne Verständnis für menschliche Eigenschaften«795, die Kritiker dagegen als »Fanatiker«, getrieben vom »Haß gegen die ›Lebensmittel-Industriellen‹«796. Wissenschaft und Wirtschaft nutzten das erste kurze Zeitfenster des Maßnahmenstaates, um mit dessen Hilfe Kritiker einzuschüchtern. Der Kampf um Wissen wurde hier zum Kampf auf Gedeih und Verderb. Nach Ende der »nationalen Revolution« veränderten sich Duktus und Interessenvertretung. Begriffspflege wurde wichtiger. 1934 wurde etwa qua preußischen Ministerialerlass die Ausdrücke »Fleisch-, Fisch- oder Wurstvergiftung« durch »bakterielle Lebensmittelvergiftung« ersetzt. Letztere verwies auf eine falsche häusliche Praxis, nicht auf Hygienedefizite während der Produktion.797 Zugleich investierte die Industrie vermehrt in Qualitätssicherungsmaßnahmen, um so möglicher Kritik präventiv zu begegnen. 791 Fincke, 1934, 27. 792 Fincke, Heinrich: Vom Kampf gegen die Schokolade, Kazett 20, 1931, 389–391, hier 389. 793 Vgl. Ausschuß gegen Irreführung und Volksernährung und Publizistik, Angewandte Chemie 46, 1933, 467; Gegen Irreführung in Volksernährung und Volksgesundheit, DNR 1933, 49–50. 794 Raunert, M[argarete]: Ernährungssekten und ihre Auswüchse, Zf VED 8, 1933, ­149–150, hier 150, Anmerkung. Die Aussage bezog sich erst einmal auf die Mazdaznan-Lehre, die dann im November 1935 verboten wurde. 795 Fincke, H[einrich]: Kakao ein rasseverschlechterndes »Erbgift«? Zugleich eine Auseinandersetzung mit übertriebenen Ernährungsreformbestrebungen, Kazett 22, 1933, 639–642, hier 641 (auch für das folgende Zitat). 796 Ders.: Kampf gegen den Krebs oder Kampf gegen die Lebensmittelindustrie?, Kazett 23, 1934, 98–100, hier 100. 797 Nicht mehr »Fleischvergiftung«! Erfreuliche Aufklärung der Verbraucher, Edeka DHR 27, 1934, 622–623.

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Doch auch Teile der selbst gleichgeschalteten Lebensreformbewegung versuchten die NS -Bewegung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Der 1933 in Nürnberg gegründete und 1935 in die Deutsche Volksgesundheitsbewegung aufgegangene »Kampfbund für Deutsche Gesundheits- und Rassenpflege« agitierte mit Verve gegen »jüdische Profitgier«, die für »deutsche« Lebensmittelproduzenten ausgeschlossen wurde. Biologistische Ansätze gewannen bis 1935 rasch an Bedeutung.798 Die Wissenskämpfe gingen auch und gerade innerhalb des polykratischen NS -Systems weiter: »Heroische Weltanschauung steht mit Ueberängstlichkeit und mit Sonderlingsneigungen bei der Ernährung nicht im Einklang.«799 Zusammengefasst zeigt sich, dass gegen Ende der 1920er Jahre die dominierende Wissensproduktion von Schulmedizin und Standardphysiologie seitens wissenschaftlich ausgebildeter Kritiker zunehmend in Frage gestellt wurde. Sie bedienten sich dabei vorrangig zivilisationskritischer Niedergangsszenarien, argumentierten also auf einem Felde, das den meisten Wissenschaftlern nicht fremd, wohl aber für ihre unmittelbare Arbeit selten hilfreich erschien. Zugleich aber nutzten sie ihre Gegenexpertise zu fachlich fundierten Rückfragen an geltendes Wissen bzw. die daraus resultierenden gewerblichen Anwendungen. Die Reaktionen auf diese Herausforderungen waren vielgestaltig. Die Kritik wurde teils integriert und durch partielle Übernahmen entschärft. Schien dies nicht möglich, wurde ein strikter Kampf um Wissenshegemonie geführt, der teils auf Argumenten, teils aber auch Denunziation und Repression beruhte. Früh einsetzende Wissenschafts-PR belegt ferner, dass insbesondere die um die Marktstellung ihrer Produkte besorgte Industrie auf die wachsende Medialisierung von Wissen differenzierter reagierte. Auch während des Nationalsozialismus war die einmal geöffnete Büchse der Pandora nicht wieder zu schließen, die präventive und lenkende Funktion der Ernährungs- und Gesundheitsführung verlagerte die Auseinandersetzung jedoch auf andere Felder.800 Biologistische und materiell-physiologische Ernährungswissenschaft rangen beide auf unterschiedlichen Ebenen um umfassende Erklärungsansätze, durch die sie entweder die alte Wissenshegemonie zurückgewinnen oder aber neuen alternativen Erklärungsweisen zum Durchbruch verhelfen wollten.801 Unumstritten zwischen 798 An dem schon erwähnten Strategietreffen am 7. Dezember 1934, das als Keimzelle eines späteren »Forschungsführerrates« dienen sollte, nahmen mit Ragnar Berg und Wilhelm Kraft Exponenten der wissenschaftlichen Lebensreformbewegung teil, die von Reichsärzteführer Gerhard Wagner sowie Franz Wirz nachhaltig unterstützt wurden. Vgl. Neuordnung, 1934/35, 154. 799 Fincke, 1933, 640. 800 Vgl. hierzu Fincke, H[einrich]: Wissenschaft, Instinkt und Erfahrung in ihrer Bedeutung für die Bewertung der Lebensmittel, ZUL 77, 1939, 113–126; Pfannenstiel, Wilhelm: Der moderne Krieg als Lehrmeister der Hygiene, Oldenburg 1944. 801 Vgl. etwa Stepp, Wilhelm (Hg.): Ernährungslehre. Grundlagen und Anwendung, Berlin 1939 versus Kollath, 1942.

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beiden Ansätzen war und blieb jedoch, dass eine »richtige« Ernährung vorrangig des Wissens der Fachleute bedurfte und kaum des subjektiven Wissens der Konsumenten.

5.6.2 Schleichender Niedergang. Zivilisationspessimismus und Karies Die bisher analysierten Debatten spiegeln die Relevanz kultureller Deutungssysteme für die Ausprägungen ernährungsbezogenen Wissens in Wissenschaft und Öffentlichkeit. Ähnliche Auseinandersetzungen gab es in der Zwischenkriegszeit über die Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten der Karies. Auch sie belegen eindringlich, dass kulturwissenschaftlich nicht reflektierte Naturwissenschaften regelmäßig impliziten Entwicklungs- und Kulturtheorien verpflichtet waren (und sind). Die 1884 im Rahmen der bakteriologischen Forschung durch den Robert Koch-Schüler Willoughby Miller entwickelte Säuretheorie führte Karies auf die Interaktion von Stoffen und Lebewesen zurück. In der Mundhöhle befindliche Bakterien verstoffwechselten demnach Kohlenhydrate zu Säuren, diese griffen den Zahnschmelz an, entkalkten ihn, Bakterien konnten dann in das Zahninnere eindringen, um schließlich hier ihr Zerstörungswerk zu verrichten.802 Die Millersche Theorie erlaubte eine Vielzahl prophylaktischer Optionen. In Deutschland fokussierte man sich vornehmlich auf die Interaktion von Ernährung und Säurebildung. Schon vor dem ersten Weltkrieg wurde die »Zahnfäule« in ein kulturkritisches Niedergangsszenario eingebunden, doch entsprechende Klagen verblieben entweder im Bereich der Alternativkultur der »Brotreformer«803 oder aber in noch nicht mehrheitsfähigen Kulturdeutungen einer eugenisch geprägten Sozialhygiene. Der Weltkrieg mit all seinen gesundheitlichen Verwerfungen schuf einen neuen Resonanzboden für die öffentliche Thema­ tisierung gesundheitlicher Gefährdungen, zugleich aber artikulierten führende Wissenschaftler Dekadenzvorstellungen, die unmittelbar mit dem Wandel der Ernährung und dem Vordringen verarbeiteter Lebensmittel gekoppelt waren. Professionalisierungsbestrebungen der erst seit den 1880er Jahren auch universitär verankerten Zahnheilkunde, eine intensivierte Gesundheitspflege nach den Menschenverlusten des Ersten Weltkrieges sowie die mit ansteigenden Rachitisziffern verbundenen Schädigungen des Gebisses schlugen hier unmittelbar durch. Der Physiologe Gustav von Bunge brachte das schon 1910 auf den Punkt: »Die Menschen verfaulen bei lebendigem Leibe.«804 802 Miller, Willoughby Dayton: Die Mikroorganismen der Mundhöhle. Die örtlichen und allgemeinen Erkrankungen, welche durch dieselben hervorgerufen werden, Leipzig 1889. 803 Vgl. hierzu Spiekermann, 2001, 94–95. 804 Bunge, G[ustav] v.: Die Quellen der Degeneration, Hamburg 1925, 3.

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Ähnliche Entartungsszenarien finden sich im Alkohol- oder auch Tabakdiskurs. Die Debatten über Karies unterscheiden sich aber in zwei zentralen Punkten. Auf der einen Seite erweiterten anthropologische Forschungen an Gebissen aus Steinzeit und Mittelalter die kulturelle Optik bis zu den Anfängen der Menschheit: Mit »dem ersten Zeichen einer primitiven Zivilisation stoßen wir im Mesolithikum auf die ersten von Karies befallenen Menschen, und von jetzt ab haben wir ein fortwährendes Nebeneinander von Zivilisation und Karies, bis wir in unserem Zeitalter der Technik auf die Höchstzahl von 98–100 % stoßen.«805 Die Konsequenz schien klar: »Wir müssen uns wieder artgemäß ernähren.«806 Auf der anderen Seite – und das macht den Fall so spannend – nahmen die Experten hier nicht Stellung gegen neuartige Produkte, etwa Branntwein oder Zigaretten. Karies, so ihre Aussage, hing vielmehr vorrangig mit der Veränderung des Grundnahrungsmittels Brot zusammen, wurde ferner durch erhöhten Zuckerkonsum gefördert. Schleichend, so die in unzähligen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln wiedergekäute Aussage, variiere die moderne Müllerei und die neuere Lebensmittelindustrie die Substanz der Nahrung. Ausländisches Getreide, zumal Weizen, verändere die Konsistenz der Alltagskost. Während die Wertschöpfung erhöht werde, sinke der Wert der angestammten Kost. Diese antikommerzielle Stoßrichtung findet sich insbesondere in mehreren breit rezipierten klinischen Studien von Schweizer Bergtälern, die zwischen dem Vordringen von Weißbrot bzw. Zuckerwaren und dem Zahnverfall eine kausale Beziehung knüpften.807 Und doch greifen die bekannten Deutungsmuster eines Agrarromantizismus hier nicht. Denn der Kariesdiskurs war modern, zielte nicht auf die Rückkehr zur Steinzeit, sondern in eine Zukunft, die aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hatte. Es ging um eine neue Ordnung, um einen Ausgleich von Technik und Körper. Eingreifen bedeutete kein Zurück zur Urkost, sondern die Überwindung der Zivilisationskost durch eine Kulturkost, in der die Gesundheit von Individuum und Volk im Mittelpunkt stand. Diese Geschichtsdeutung teilte schon während der Weimarer Republik die Mehrzahl der Zahnärzte und zu Karies forschenden Ernährungswissenschaftler. Schon deutlich vor der Machtzulassung wurde das Individuum von ihnen im Sinne biologischer Totalität ge-

805 Günther, Erich: Inwieweit ist die Zahnkaries ein Produkt der Zivilisation?, Deutsche zahnärztliche Wochenschrift 38, 1935, 1052–1056, hier 1056. 806 Heine, Clemens: Brotfrage und Karies ein nationales Problem des Deutschen Volkes, Med. Diss. Würzburg, Bautzen 1938, 53. 807 Näheres findet sich bei Roos, Adolf: Die Zahnkaries der Gomser Kinder. Eine kulturhistorische Studie aus den Jahren 1930–1935 als Beitrag zum Kariesproblem in den Hoch­ tälern der Schweiz mit besonderer Berücksichtigung der Ernährung in Vergangenheit und Gegenwart, Zürich 1937.

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deutet, wurden Krankheit und Gesundheit moralisch aufgeladen, orientierte man sich an Prophylaxe als Kosten dämpfende Maßnahme. Zwei Strategien wurden dabei propagiert und in Politiken umgesetzt: Erstens folgerte aus der Gleichsetzung von richtiger Ernährung und gesundem Zahn eine Überprüfung der bestehenden Kost. Im Mittelpunkt stand hierbei die Forderung nach einem anderen, nach einem »natürlichen« Brot, das erst im hoch ausgemahlenen Roggen-, dann im Vollkornbrot gesehen wurde. Parallel wandten sich diese Experten – und mit ihnen Hunderte von populären Schreibern – gegen die sog. Bleichung des Brotes. Diese war vor dem Krieg verboten gewesen, doch mit der Öffnung der Importmärkte nach Kriegsende praktizierten es auch deutsche Müller zunehmend, um mit dem hochfeinen amerikanischen Mehl konkurrieren zu können. Um 1930 betraf dies ein Drittel der deutschen Mehlproduktion. Über diese Bleichstoffe gab es kontroverse Debatten, wobei Chemiker die Risiken als tendenziell gering einschätzten, während Mediziner die nicht völlig zu beseitigenden Zusatzstoffe insbesondere mit Krebs und Karies koppelten.808 Mit »Rücksicht auf sogenannte wirtschaftliche Belange«809 blieb Mehlbleichung erlaubt. Helleres Brot war zugleich tendenziell weicheres Brot; auch dies galt Teilen der Zahnärzteschaft als Risikofaktor für Karies. Moderne Ernährung implizierte ein hastiges Verschlingen von Nahrung, dieses wiederum schädige die Zähne und den Magen-Darmtrakt. Essen war Arbeit am eigenen Körper, richtiges Essen Verpflichtung gegenüber der völkischen Gemeinschaft. Härte der Nahrung und Härte der Gesinnung waren unmittelbar miteinander verbunden. Künstliche Kost wurde abgelehnt, doch die Alternativen waren wissensbasierte und arbeitsintensive Lebensmittel, erforderte Vollkornbrot doch ebenso bessere Ausbildung und verfeinerte Technik wie etwa qualitativ hochwertige Obst- und Gemüsesorten. Die Überprüfung der bestehenden Kost wurde zweitens ergänzt durch eine systematische Prophylaxe. Sie erfolgte wagend, im klaren Bewusstsein nur begrenzter kausaler Wirkungsmechanismen in der Mundhöhle und im Zahnschmelz. In der medizinhistorischen Forschung wurde und wird dies vielfach als Ausdruck der Ablehnung exakter Wissenschaft gedeutet. Stattdessen handelt es sich hierbei um ein strukturelles Problem jeder Wissensgesellschaft. Pro­phylaxe diente der Erhaltung der körperlichen Substanz der Mitglieder der Volksgemeinschaft, entsprechend verstand man die Zahnbürste als »Waffe im Kampfe«810.

808 Strahlmann, 1929, 178; Mehlveredelung, Edeka DHR 27, 1934, 647. 809 Wirz, Franz G. M.: Gesundheitliche Ernährungslenkung, in: Dieses Volk will gesund bleiben. […], Stuttgart 1939, 19–35, hier 33. 810 Heine, 1938, 45.

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Abb. 79: Deutsche Beißer – Zahnbürstenappell bei der Hitler-Jugend

Selbst an Versuchen, »deutsches« Kaugummi einzuführen, ohne Zucker und hart, hat es nicht gefehlt.811 Gegen den vermeintlichen »Vernichtungsfeldzug gegen das Gebiß«, durch »Unwissenheit und Mode«812 setzte man Volksauf­ klärung mittels Vorträgen, Broschüren, Filmen, Ausstellungen und mobiler Propaganda-Kraftzügen. Insbesondere durch den Ausbau der Schulgesundheitszahnpflege bzw. einschlägiger Behandlungen im Rahmen der Hitlerjugend gelang es, die Kariesraten moderat zu verringern. Fasst man diese Debatten und Aktivitäten zusammen, so zeigt sich bei der kleinen Gruppe der Zahnärzte eine gegenüber industriell verarbeiteter Kost grundsätzlich kritische Haltung, die sich insbesondere an vermeintlicher Entwertung des Brotes und an Zusatzstoffen festmachte. Diese Kritik orientierte sich streng am Stoffparadigma, wollte auf dessen Grundlage aber eine neue, gesunde »Kulturkost« etablieren, die preiswert und abhärtend war. Ihr Men 811 Vgl. Lauer, W.: Erste Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Cariesforschung, Hippo­ krates 7, 1936, 672–675, hier 672. 812 Beide Zitate n. Bauer, Carl: Erfolgreicher Kampf gegen die Zahnfäulnis (feuchte Karies), ÖG 2, Teilausg. B, 1936/37, 654–657, hier 654.

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schenbild war funktional und hierarchisch: »Der Zahnarzt der Wegweiser, der Werbefachmann der Wegbereiter, das Volk der Wegbeschreiter.«813 In ihrem Bemühen um einen funktionierenden Volkskörper scherten sie ansatzweise aus den Sprachregelungen des Reichsgesundheitsamts aus. Zugleich aber zeigen die klinischen Forschungen insbesondere der Kriegszeit eine wachsende Orientierung hinein in die Physiologie der Mundhöhle, heraus aus den Widrigkeiten der Lenkung der Volksgenossen.814 Dieser Weg erwies sich Dekaden später als entscheidend für die Reduktion der Karies in Deutschland.

5.6.3 Bestrahlte Milch. Rachitisbekämpfung im Widerstreit Anders als bei Karies sind die Ursachen für Rachitis bis heute nicht vollständig bekannt, doch handelt es sich prinzipiell um eine durch Vitaminmangel ver­ ursachte Störung im Kalzium- und Phosphorstoffwechsel.815 Die Folge war und ist eine verzögerte Verkalkung der weichen Knorpelendungen der Knochen. Das ins Auge springende Resultat sind Knochendeformationen, meist der Extremitäten oder des Brustkorbes, sowie allgemeine Entwicklungsrückstände. Die Mangelernährung im Ersten Weltkrieg führte zu einer nochmaligen Erhöhung der Rachitisanteile, ca. die Hälfte aller Säuglinge und Kleinkinder waren davon betroffen. Als »natürliches« Heilmittel wurde Lebertran genutzt, das die Symptome allerdings nur lindern konnte. Seit der Benennung der Vitamine 1911 schien Änderung möglich, denn Avitaminosen konnten durch die Zufuhr dieser Lebensstoffe offenbar geheilt werden. Doch solange der wirkende Stoff nicht benannt und isoliert werden konnte, war an Vitamintherapien nicht zu denken. Konkurrierende Milieu- und Vererbungs-, Kalk- und Lichtmangeltheorien blieben entsprechend weiterhin präsent. Genau auf einem solchen Seitenpfad gelang ein erster therapeutischer Durchbruch: Rachitis war nicht zuletzt eine saisonale Krankheit der Unterschichten. 1919 experimentierte ein Außenseiter, der Berliner Kinderarzt Kurt Huld­ schinsky, mit Quarzlampen.816 Er stellte fest, dass eine solche Lichttherapie Rachitis heilte, wenn die Kinder über vier bis sechs Wochen regelmäßig einer Höhensonne mit ultraviolettem Licht ausgesetzt waren. Der Nachteil dieser sog. direkten Therapie waren ihre Kosten. Nur bürgerliche Haushalte konnten sich die teuren, im Prinzip schon seit 1904 verfügbaren Apparate leisten, die Kran 813 Heine, 1938, 41. 814 Euler, Hermann: Ergebnisse und Aufgaben der Kariesforschung, Forschungen und Fortschritte 20, 1944, 135–139. 815 Zur Forschungsgeschichte vgl. Böttcher, Andrea Kerstin: Die Geschichte der Rachitis und ihrer Therapie, Med. Diss. Köln 2003. 816 Vgl. Huldschinsky, Kurt: Die Lichttherapie in der Kinderheilkunde, Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 29, 1932, 110–114.

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kenkassen zahlten nur bei schweren Fällen. Forderungen einer allgemeinen Pflichtbestrahlung der Kinder scheiterten aber auch an der hohen Erkältungsgefahr, den über Sonnenbrand vielfach hinausgehenden Hautschädigungen sowie möglichen Veränderungen des Erbgutes.817 Dies galt nicht zuletzt, weil auch noch um 1930 keine standardisierte Therapie bestand, Lampen und Licht­ spektren also nicht normiert waren.818 Hauptprobleme bildeten die direkte Exposition der Kinder und die individuelle, also dezentrale Anwendung der Heilungstechnik. Hier boten amerikanische Forschungen einen Ausweg. Rattenversuche zur Lichttherapie ergaben 1924, dass es ausreichte, Futter zu bestrahlen, um dadurch ähnliche Effekte zu erzielen. Die Folge war eine kurzfristige Strahlungseuphorie: Höhensonnen wurden auf alles gerichtet, was essbar war – und wie von Zauberhand verwandelten sich einfache Lebensmittel in Heilmittel gegen die Rachitis, voraus­ gesetzt sie enthielten Cholesterin: Butter, Eier, Mehl, Bananen, Gemüse, vor allem aber Milch wurden so zu Therapeutika. Doch zum einen lagen die wirksamen Mengen sehr hoch, überschritten vielfach die Verzehrsmöglichkeiten von Kleinkindern. Zum anderen aber fanden Oxidationsprozesse statt, sodass sie »unangenehm kratzend, brandig, geradezu ranzig«819 schmeckten, kurzum kaum genießbar waren. Eine Breitenprophylaxe, eine »Sanierung«820 des »Volkskörpers«, stand damit vor beträchtlichen Hürden, denen sich nun aber eine national und international schnell wachsende Mehrzahl von Forschergruppen widmete. Rachitis trat in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre in den Mittelpunkt klinischer Forschung.821 Es galt, Lebensmittelinhaltsstoffe mit Wirkpotenzial zu finden und diese in anwendbare therapeutische Konzepte zu überführen. Die Öffentlichkeit reagierte fasziniert, zumal zeitgleich die SHG -Diät eingeführt und klinisch erprobt wurde, die den weißen Tod, die Tuberkulose mildern, vielleicht gar einhegen konnte (Kap. 5.6.1). Indirekte Bestrahlung, teils über Trockenmilch, teils über die Tiere und ihr Futter822, sollte das Los der Kranken verbessern und zugleich neue Märkte erschließen. Einschlägige Wirkungen waren messbar, doch

817 Zu letzterem vgl. Fischer, Eugen: Strahlenbehandlung und Nachkommenschaft, DMW 55, 1929, 89–91. 818 Adam, Alfred: Ultraviolettlicht- und »D-Vitamin«forschung in ihrer Bedeutung für die Rachitis, Ergebnisse der Medizinischen Strahlenforschung 4, 1930, 97–230, hier 187. 819 Rohr, Ferdinand/Schultz, Ottokarl: Ultraviolettbestrahltes enteiweisstes Milchfett, ein wirksames, wohlschmeckendes Antirachiticum, KW 6, 1926, 848–853, hier 848. 820 Adam, 1930, 206. 821 Scheer, K[urt]: Zur Pathogenese und Therapie der Rachitis, MK l 24, 1928, 16–18, 59–62, insb. 16. 822 Vgl. Schultz, Ottokarl: Landwirtschaft und Bestrahlung, VE 2, 1927, 34–35; Kroon, H[enri] M[argarethus]: Der Einfluß der ultravioletten Strahlen auf die Milchleistung bei Rindern, MZBl 60, 1931, 237–240, 253–256, 269–273.

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der Heilwert von Ziegenmilch lag auch dann deutlich unter dem direkt bestrahlter Milch, wenn das Tier kahl geschoren und anschließend bestrahlt wurde. Eine Alternative bot seit 1926 jedoch ein neues Verfahren. In einer reinen Kohlenstoffatmosphäre blieb Sauerstoff ausgeschlossen, sodass der Geschmack leidlich erhalten blieb. Für die Milchwirtschaft eröffnete »Höhensonnenmilch« anscheinend einen lukrativen Gesundheitsmarkt.823 Milch schien aktivierbar und aufladbar zu sein. Die Maschinenbauindustrie bot ab 1927 erste Apparaturen für einen »Großbetrieb« mit mehreren tausend Litern täglich.824 Zur Verbreitung wurden Probeapparate an Universitätsinstitute verteilt, um deren Versuche dann werblich nutzen zu können. Schon Ende 1926 diagnostizierten einzelne Forscher Vitamin-C-Schäden in der bestrahlten Milch, die Euphorie erhielt einen ersten Dämpfer.825 Die Apparate erschienen ambivalent und mussten genau eingestellt werden, um nicht andere Krankheiten hervorzurufen  – dieses forderte auch ein erster Ministerialerlass 1928. In der Öffentlichkeit wurde das Image bestrahlter Milch damit beträchtlich geschädigt. In sich auch in die Tages- und Wochenzeitschriften ergießenden Fachdebatten wurde über »Todesstrahlen« lamentiert und über die »Giftigkeit der bestrahlten Produkte« gestritten.826 Die Molkereien stoppten vielfach ihre Produktion, während Agrarwissenschaftler trotzig betonten: »Bestrahlte Milch ist nicht giftig.«827 Das bestätigten zahlreiche Folgeuntersuchungen, Milchbestrahlung galt demnach als »gleichzeitig zuverlässig, bequem und ohne Gefahr«.828 Als im Frühjahr 1928 im Reichsgesundheitsamt über eine allgemeine Rachitisprophylaxe beraten wurde, bewertete man sie positiv. Die Mehrzahl aber setzte auf das neueste Ergebnis chemischer Forschung, dem seit 1928 verfügbaren Vigantol (Kap. 5.1.1). Es galt als Provitamin, das der Körper dann zu Vitamin D weiter umbaute. Die Kur kostete ca. drei Mark, der Heileffekt war klinisch erprobt. 823 Vgl. Scholl, H.: Der Apparat zur Bestrahlung von Milch, Die Umschau 32, 1928, 254–256. 824 Zur Technologieentwicklung vgl. Karsten, A[lfred]: Neue Ultraviolett-Bestrahlungsapparate für die Molkereien, MZBl 63, 1934, 225–228; Diemair, W[illibald]: Milchbestrahlung zur Verhütung der Rachitis, Die Umschau 45, 1941, 38–41. 825 Reyher, P[aul]: Über den Einfluss ultravioletter Strahlen auf den C-Vitamingehalt der Kuhmilch, KW 5, 1926, 2341–2347. Kritisch hierzu Hottinger, A[dolf]: Über den Einfluss des ultravioletten Lichtes auf den C-Vitamingehalt der Milch, KW 6, 1927, 1793–1797. Eine ähnliche Debatte entbrannte Ende der 1930er Jahre vgl. Schroeder, H[ermann]: Schädigt die Ultraviolettbestrahlung der Milch ihren Vitamin-C-Gehalt?, MMW 86, 1939, 821–822. 826 Beide Zitate n. Rheinlaender: Kritische Bemerkungen zur Milchbestrahlung, Fortschritte der Medizin 47, 1929, 132–133, hier 132. 827 Trendtel, [Friedrich]: Ist den Molkereien die Herstellung antirachitischer Kindermilch zu empfehlen?, Molkerei-Zeitung 43, 1929, 10–11, hier 10. Vgl. auch Der derzeitige Stand der Milchbestrahlung, Molkerei-Zeitung 42, 1928, 2497–2498. 828 Wieland, 1929, 672.

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Abb. 80: Wettbewerb der Apparate – Anzeige 1928

Lebertran, Höhensonne, bestrahlte Milch und Vigantol – die Tage der Rachitis schienen gezählt.829 Doch auch beim Vigantol ergab die Laboratoriumsforschung schnell ernüchternde Ergebnisse. Die Verfütterung hoher Dosen verursachte nämlich Sklerose, starke Abmagerung und Tod binnen weniger Wochen.830 Die Vitaminforschung, die ihren rasanten Aufstieg auch auf neue Visualisierungstechniken, insbesondere Vorher-Nachher-Bilder gründete, sah sich nun mit Bildern offenkundiger Toxizität des Vitamin D konfrontiert. Das galt umso mehr, als das Vitaminpräparat frei verkäuflich war, sodass die Einhaltung von Dosierungsvorschriften nicht garantiert werden konnte. Dragee- oder Bonbonpackungen mit Vigantol wurden von Kindern vielfach vollständig verspeist, und dringlich forderten Mediziner, die Präparate »narrenfest«831 zu machen. Es gab demnach vier Therapiemöglichkeiten mit klaren Vorteilen und Risiken. Wie sollte man nun die Krankheit bekämpfen? Genau hier wirkte das Stoffparadigma: Es gab klare und scheinbar einfache Optionen, mit deren Hilfe 829 Vgl. als Ausdruck damaliger Hoffnungen Scheer, K[urt]: Die Bedeutung bestrahlter Milch für die Behandlung und Prophylaxe der Rachitis, Strahlentherapie 31, 1929, 294–302, hier 299, Anm. 1. 830 Richardt, Rudolf: Bestrahlte Milch als Dauernahrung, Med. Diss. Frankfurt a. M. 1936, 4. 831 Trowitzsch, Hans Hugo: Versuch einer Rachitisprophylaxe durch den Zusatz anti­ rachitischer Substanzen zur Frischmilch, Med. Diss. Greifswald 1932, 5.

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Abb. 81: Die delegierte Verantwortung in der Karikatur 1930

breiter angelegte sozialhygienische Maßnahmen ersetzt werden konnten. Was immer im Rahmen dieser Engführung auch gewählt werden würde, die Entscheidung fiel tendenziell zu Ungunsten von hellen Wohnungen, effizienter Daseinsfürsorge, von preiswerten, frischen und durchweg verfügbaren Lebensmitteln. Wissenschaftliche Forschung und auch deren publizistische Spiegelung prägten und verengten Entscheidungen in Richtung auf den Konsum von Expertenwissen bzw. ihrer Produkte. Die Delegation von individueller Verantwortung auf Expertensysteme des eisernen Dreiecks war die unmittelbare Folge. In den 1930er Jahren finden wir jedenfalls die parallele Nutzung aller Therapiemöglichkeiten: Höhensonnen wurden stärker standardisiert, preiswerter und wurden vornehmlich in Waisenhäusern und Kliniken eingesetzt. Lebertran wurde ebenfalls chemisch standardisiert.832 Gerade im Gefolge von Erzeugungsschlacht und Vierjahresplan präsentierte die Werbung Lebertran als »natürliches« Wirkpräparat, der durch Zuckerung und Fruchtsirup an Geschmack gewann. Weit mehr als die Hälfte des Marktes deckten synthetische Vitamine ab.833 Ende der 1920er Jahre wurden auch in den Großstädten allerdings nur ca. 60 % der Kinder im ersten Lebensjahr beraten, höchstens 20 % davon in der therapeu­ tisch sinnvollsten Zeit vor dem vierten Lebensmonat.834 Entsprechend nahm Rachitis in den 1930er Jahren kaum ab. Schwere Formen konnten zwar fast gänz 832 Richardt, 1936, 8. Zur Renaissance des Lebertrans s. Frage, 1935, insb. 353. Die Schwankungsbreite des Vitamin-D-Gehaltes betrug Mitte der 1930er Jahre 1 zu 4 (­Machwirth, Liselotte: Ueber den Einfluß der Ernährung auf die Rachitis, Med. Diss. München 1936, 23). 833 Über die wachsende Zahl der Präparate unterrichtet Müller, Wilhelm: Zur Frage der Dosierung von einigen Vitamin-D-Präparaten bei der Therapie der Rachitis, Med. Diss. Hamburg 1939. 834 Vgl. die Umfrage von Degkwitz, Rudolf: Zur Rachitisprophylaxe, DMW 55, 1929, 1578–1580.

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lich beseitigt werden, doch leichte Formen betrafen immer noch ein Drittel der deutschen Kleinkinder.835 Erst 1938 propagierten Ärzteverbände und Reichsgesundheitsführung, die Rachitis aus dem Volkskörper »auszumerzen«.836 Seit 1939 wurde bei den Gesundheitsämtern und den NSV-Stellen eine allgemeine Rachitisprophylaxe, vorrangig mit Vitaminpräparaten, institutionalisiert, der alle deutschen Säuglinge im dritten Monat unterworfen werden sollten (Kap. 5.1.4).837 Vor diesem Hintergrund wagte die Reichsgesundheitsführung einen neuerlichen Großversuch mit bestrahlter Milch. Diese stumme Prophylaxe umgriff seit 1940 alle Einwohner Frankfurts, dann auch weitere hessische Großstädte.838 Auf Grundlage einer verbesserten »sanfteren« Großtechnik lagen die Kosten bei marginalen Geschmackseinbußen niedrig. Seit 1943 war allerdings auch klar, dass die Dosierung offenbar zu niedrig war, um effektiv wirken zu können.839 Dennoch gab es keine Änderungen. Das Resultat waren nach 1945 die höchsten Rachitisziffern in Hessen. Die Debatte über den Stellenwert der Milchbestrahlung Anfang der 1950er Jahre konnte deren grundsätzliche Wirksamkeit zwar belegen, doch lief diese Art Rachitisbekämpfung in den 1960er Jahren dann aus.840 Das relative Scheitern dieses Großversuchs ließ nach dem Zweiten Weltkrieg die Therapie mittels Vitaminpräparaten endgültig zum Königsweg werden  – auch wenn sie nun teils den Lebensmitteln zugesetzt wurden. Das Beispiel verdeutlicht nicht nur eine immer wieder zwischen Triumph und Skepsis, zwischen Hoffnung und Enttäuschung oszillierende fachliche und öffentliche Debatte, sondern auch eine klare Verengung der Diskussion von Lebensumständen auf Lebensmittel hin zu Lebensmittelbestandteilen. Im Wettbewerb der Therapieformen blickten Forscher, Anbieter und Planer vornehmlich auf deren stete Optimierung, die Konsumenten wurden als funktionierendes Endglied einer Hei 835 Louis, Herbert: Über die Häufigkeit der Rachitis in der Stadt Freiburg und den umliegenden Landbezirken im Winter 1936/37, Med. Diss. Freiburg i. Br. 1939. 836 Vgl. hierzu Heimburg, Jutta v.: Die Rachitis-Prophylaxe mit einer einmaligen großen Dosis Vitamin D, Med. Diss. Göttingen 1941, v. a. 5. 837 Furch, Sophie Emilie: 10 Jahre Rachitis-Prophylaxe mit Vigantol, Med. Diss. Bonn 1938, Bonn 1939. 838 Details und weiterführende Literatur enthalten Mager, Erika: Der Einfluß bestrahlter Milch auf die Rachitishäufigkeit unter Spätwinterkindern einer Großstadt, Zeitschrift für Kinderheilkunde 63, 1943, 631–641; Scheer, K[urt]: Drei Jahre Milchbestrahlung zur Rachitisbekämpfung in Frankfurt a. M., MMW 91, 1944, 44–46. 839 Wagner, Karl-Heinz: Warum bewirkt die molkereitechnische UV-Bestrahlung der Milch keine Vitamin-D-Bildung?, Milchwissenschaft 8, 1953, 379–383, hier 379. 840 Die Kontroverse wurde 1953 und 1954 in der Zeitschrift Milchwissenschaft geführt. Zur Situation in den 1950er Jahren vgl. Souci, S. W[alter]/Schillinger, A[nnelies]: Zur Vita­ minierung von Lebensmitteln. 1. Mitteilung: […], DLR 52, 1956, 49–56, hier 55; Holtz,­ Fr[iedrich]: Zweckmäßigkeit der Milchvitaminierung, EU 5, 1958, 77–78.

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lungsinfrastruktur gesehen, deren Aufbau und Ausgestaltung vom jeweiligen Wissen und den verfügbaren Ressourcen abhing.

5.6.4 Farb- und Konservierungsstoffe. Debatten um selbst geschaffene Risiken Karies und Rachitis waren unmittelbar sichtbare Krankheiten, die vom eisernen Dreieck verhandelt wurden. Die Debatten über Farb- und Konservierungsstoffe in der Zwischenkriegszeit zeigten jedoch ein deutlich anderes Muster. Nun ging es nicht mehr um die Bekämpfung ernährungsbedingter Krankheiten, sondern um den Umgang mit selbst geschaffenen Risiken. Das im Rahmen soziologischer Theoriebildung und Gegenwartsdiagnostik aufgestellte Konzept der Risikogesellschaft lässt sich hier unmittelbar anwenden.841 Während die Nahrungsmittelchemiker vor 1914 strikt gegen Farb- und Konservierungsstoffe agierten, akzeptierten sie in der Zwischenkriegszeit diese Zusatzstoffe. Nicht mehr Verbots- und Zulassungsdiskussionen standen im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen, sondern ein Ringen um Grenzwerte und Risikokalküle. Arbeitsteilige Fremdversorgung war schließlich unverzichtbar. Eine sich peu à peu von räumlichen und zeitlichen Parametern emanzipierende Lebensmittelinfrastruktur bedeutete längere Verweilzeiten der Produkte in der Versorgungskette und andere Präsentationsformen. Angesichts der noch in den Anfängen steckenden Trocknungs- und Gefriertechnologie und den nach wie vor beträchtlichen verfahrenstechnischen Probleme der Hitzesterilisierung schien der Einsatz »chemischer« Konservierungsmittel unvermeidbar.842 Stärkere Absatzorientierung und internationale Konkurrenz erforderten zugleich andere ästhetisierte Produkte, deren Attraktivität nicht nur durch Verpackungen und abstrakter Imagebildung, sondern auch durch ein ansprechendes sinnlich-materielles Erscheinungsbild gewährleistet sein musste. Was den Experten als handhabbares und auszugestaltendes Risiko galt, erschien vielen Verbrauchern als Gefahr. Der Druck der Öffentlichkeit nahm in den späten 1920er Jahren deutlich zu. Die Kritik artikulierte sich erst einmal in Form eines allgemeinen Giftdiskurses. Salpeter und Schwefel erschienen als täuschende und gesundheitsgefährdende Stoffe, deren Resultat vorrangig »eine schleichende Vergiftung mit chemisch bearbeiteten Lebensmitteln«843 zu sein schien. Schleichend war hierbei ein wichtiger Begriff. Zusatzstoffe wirkten nicht 841 Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a. M. 1986; Ullrich, Otto: Risiken und Gefahren verwissenschaftlichter Technologien – Überlegungen zur Technikbewertung, Utopie konkret 90, 1998, 52–57. 842 Umfassend hierzu Sperling, 2011. 843 Strahlmann, 1929, 178.

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unmittelbar, sondern kumulativ. Unmerklich entzogen sie die Lebenskraft, zersetzten Körper und Geist langsam, aber unerbittlich. Dies galt analog für die eindeutig toxischen Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft und die Blausäurepräparate bzw. technischen Gase in den Lagerhallen.844 Wichtig war, dass der regelmäßige Zusatz- und Reststoffkonsum damals immer stärker mit Krebs verbunden wurde. Die Ursachen dieser Geschwulstkrankheit waren kaum bekannt, wurden im Rahmen der Lebensreformbewegung aber schon früh mit den Gefahren der »Zivilisation« und falscher Ernährung verbunden.845 Die Schulmedizin thematisierte diesen Konnex seit Ende der 1920er Jahre.846 Die hohe Sensibilisierung der Öffentlichkeit spiegelt sich in den Reaktionen auf den 1931 nach Rattenversuchen im Genfer Krebsforschungsinstitut aufkommenden Verdacht, Tomaten würden Krebs erzeugen.847 Führende Fachgremien, wie das Deutsche Zentralkomitee zur Erforschung und Bekämpfung der Krebskrankheit, aber auch Lebensreformer sahen sich genötigt, derartige Meldungen klar zurückzuweisen.848 Dennoch setzte sich in der Öffentlichkeit der Eindruck fest, »daß der Krebs eine Zivilisationskrankheit ist, die […] namentlich durch falsche Ernährung und Mangel an lebenswichtigen Stoffen in den raffinierten, präparierten und konservierten Nahrungsmitteln des Kulturmenschen bedingt ist.«849 Vor allem die von Erwin Liek, dem Gründer des »Hippokrates«, der später wichtigsten Fachzeitschrift der Neuen deutschen Heilkunde, vertretene Lehre von Krebs als konstitutioneller Krankheit verband Krebsentstehung und »Denaturierung« der Nahrung durch »chemische« Zusatzstoffe.850 Die meisten Experten konnten dies nicht nachvollziehen. Gefahrendiskurse erschienen ihnen als »Irreführungen des Volkes von seiten

844 Vgl. zum damaligen Einsatz Appel, Otto: Pflanzenschutz, in: Wissenschaft und Landwirtschaft, Berlin 1931, 15–22; Esser/Kühn, 1933; Peters, Gerhard: Blausäure zur Schädlingsbekämpfung, Stuttgart 1933 sowie zur öffentlichen Debatte »Erbgift.«, Zf VE 9, 1934, 27. 845 Vgl. etwa Bell, Robert: Die Geißel des Krebses und ihre Beseitigung, VW 54, 1921, ­33–35, 44–46, 50–51; [Bircher-Benner, Maximilian]: Der Wendepunkt in der Krebsfrage, Der Wendepunkt im Leben und im Leiden 2, 1924/25, 89–95. 846 Erdmann, Rhoda/Haagen, E[ugen]: Ernährung und Krebs, in: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin. Vierzigster Kongress gehalten zu Wiesbaden vom 16.–19. April 1928, München 1928, 48–81 (inkl. Aussprache); Winckel, Max: Krebsprophylaxe und Ernährung, VE 5, 1930, 285–287. 847 Bircher-Benner, M[aximilian]: Die Verdächtigung der Tomate in der Presse, Der Wendepunkt im Leben und im Leiden 9, 1931/32, 365–373, 483–485; Tomate und Krebskrankheit. Tomaten als Heilfrucht, Zeitschrift für Biochemie 32, 1933, 101; Scheunert, A[rthur]/ Schieblich, M[artin]: Zur Frage der Wirkung langdauernder Fütterungen mit Tomaten, ZUL 69, 1935, 127–131. 848 Tomaten und Krebs, DMW 79, 1932, 1179. 849 Strahlmann, 1929, 179. 850 Liek, Erwin: Krebsverbreitung, Krebsbekämpfung, Krebsverhütung, München 1932; Zur Kritik s. Fincke, 1934.

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fanatischer Vertreter einseitiger Ernährungsrichtungen«851. Gefahren entsprangen demnach aus fehlendem objektiviertem Wissen, Laien waren nicht urteilsfähig.852 Gleichwohl, Farb- und Konservierungsstoffe bildeten innerhalb des eisernen Dreiecks ein Risikopotenzial, mit dem umgegangen werden musste. Schließlich entstanden diese »künstlichen« Stoffe seit den 1860er Jahre aus den gleichen epistemologischen Wurzeln wie Nahrungsmittelchemie und Ernährungswissenschaft. Bestimmte Wirkstoffe wurden isoliert und in diesem Falle vielfach synthetisiert. Das Janusgesicht des Stoffparadigmas zeigt sich hier deutlich. Die Färbung von Lebensmitteln veränderte sich seit den 1860er Jahren, denn neben die »natürlichen« Färbestoffe traten einerseits anorganische Mineralfarben, anderseits die synthetischen Teerfarben.853 Das 1887 erlassene sog. Farbengesetz war lediglich ein »reines Abwehrgesetz zur Bekämpfung aufgetretener Mißstände«854. Es schloss die wichtigsten Mineralfarben sowie bestimmte chemische Stoffe für die Färbung aus. Diese Realdefinitionen ließen Gewerbe und Handel relativ freie Hand und waren durch neue Färbestoffe zugleich leicht zu umgehen. Die Nahrungsmittelchemie begann um 1900 ihren Kampf gegen die sich ausweitenden Praktiken, zielte dabei aber stets auf die mit Färbung einhergehende Täuschung des Verbrauchers. An die Stelle von Verboten traten jedoch mehr und mehr Deklarationen und Grenzwerte, da die verarbeitende Industrie ihre Interessen zu wahren wusste.855 Die trotz reichsgesetzlichem Verbot nach wie vor praktizierte Kupfergrünung war dafür nur ein Beispiel (Kap. 4.3.3). Eine Novelle des Farbengesetzes schien sinnvoll, um dieses Feld neu zu ordnen und die offenkundig gesundheitsgefährdenden Teerfarben in die Verbots­diskussion mit einzubeziehen.856 Gleichwohl setzten sie sich in der gewerblichen Praxis durch, waren sie doch farbstark, preiswerter, und in viel mehr Farbrichtungen verfügbar als die vornehmlich auf rot, gelb, grün, braun und schwarz be 851 Was wünschen und erwarten wir im nächsten Jahrzehnt für die deutsche Volksernährung?, Hannoversche Hausfrau 25, 1927/28, Nr. 36, 4, Nr. 37, II, hier Nr. 37, II (Mangold). 852 Zur theoretischen Einordnung vgl. Bechmann, Gotthard/Stehr, Nico: Risikokommunikation und die Risiken der Kommunikation wissenschaftlichen Wissens. Zum gesellschaftlichen Umgang mit Nichtwissen, GAIA 9, 2000, 113–121. 853 Hierzu anregend und kenntnisreich Schmauderer, Eberhard: Wandlungen in der Lebensmittelbeurteilung im 19. Jahrhundert. Modellbetrachtung am Beispiel der künstlichen Färbung, Technikgeschichte 41, 1974, 201–226. 854 Wurzschmitt, Bernhard: Lebensmittelfärbung – ein Problem der Lebensmittelindustrie, ZUL 89, 1949, Beil., 145–155, hier 148. S. Gesetz, betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen. Vom 5. Juli 1887, Reichs-Gesetzblatt 1887, Berlin o. J. (1887), 277–280. 855 Vgl. Das Verbot der Verwendung von Conservierungsmittel und Farbstoffen bei Fleisch und Fleischwaren, ZÖC 8, 1902, 61–84; Zur Kennzeichnung der Färbung von Nahrungsmitteln, DNR 6, 1908, 31–33; Serger, [Hermann]: Künstliche Farbstoffe für Konserven und andere Lebensmittel, ZÖC 19, 1913, 226–232, 245–251. 856 Weyl, Th[eodor]: Zur Revision des Reichsgesetzes betr. die gesundheitsschädlichen Farben, DNR 9, 1911, 92–94, 101–103.

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schränkten »natürlichen« Färbestoffe.857 Produktorientierung war eine potenzielle Gefahr für die Konsumenten. Nach dem Weltkrieg veränderte sich die Szenerie. Auf der einen Seite fokussierten insbesondere die Marktführer der späteren IG Farben ihre Palette angebotener Teerfarbstoffe, während auf der anderen Seite die Nahrungsmittelchemiker zunehmend Abstand von Verbotsforderungen nahmen. Das Lebensmittelgesetz von 1927 enthielt daher keine Verbotsklausel, auch wenn im Rahmen der Folgeverordnungen für eine begrenzte Zahl von Lebensmitteln Färbeverbote erfolgten.858 Die primäre Verantwortung für gesundheitliche Unschädlichkeit lag jedoch immer noch bei den Produzenten und Verarbeitern der Färbestoffe.859 Der Gesundheitsdiskurs wurde durch die sog. Reformbewegung wesentlich vorangetrieben, denn ihre Vertreter kommunizierten Untersuchungen mit den ca. 60 verwandten Teerfarbstoffen.860 Das Gefährdungspotenzial war auch den Experten des eisernen Dreiecks bekannt, wurde von ihnen aber geringer gewichtet.861 Im Reichsgesundheitsamt forderte man die neue »nationale« Regierung 1933 allerdings auf, in einem novellierten Farbengesetz nur gesundheitlich unbedenkliche Stoffe zuzulassen. Dies unterblieb aus Rücksichtnahme auf das verarbeitende Gewerbe. Das dennoch erfolgte endgültige Verbot der Färbung von Eier-Teigwaren von 1934 stand noch in der Tradition der Verordnungen zum Lebensmittelgesetz.862 Zu dieser Zeit erschienen die mit Teerfarbstoffen verbundenen Risiken jedoch immer größer, sodass auch der NS -Staat moderat intervenierte. Die neuen Konservierungstechniken benötigten zumeist keine Färbestoffe, die durch sie bewirkte Zersetzung von Vitamin C konnte also indirekt umgangen werden.863 Der 1936 dann in Japan erfolgte Nachweis, dass Dimethylaminoazobenzol, das sog. Buttergelb, bei Ratten Krebs erregte, wurde auch im Deutschen Reich rezipiert und führte nach fast dreijähriger Prüfung im Reichsgesundheitsamt zum Verbot dieses Azofarbstoffes.864 Dies erfolgte 857 Hildebrand, 1917, 59. 858 Vgl. den Überblick bei Beythien, A[dolf]: Über das Färben von Lebensmitteln, ZUL 70, 1940, 13–18, hier 17. 859 Wingler, A[ugust]: Über Farbstoffe zur Lebensmittelfärbung. Zur Frage der Krebs­ gefährdung, Zeitschrift für Krebsforschung 59, 1953, 134–155, hier 137. 860 Vgl. zu entsprechenden Rückfragen 1929 Rückle, E.: Wie steht es mit der Färbung der Lebensmittel?, Hippokrates 20, 1949, 683–684, hier 683. 861 Ziegelmayer, 1933, 274, Anm. Die spätere Arbeit von Kollath, Werner: Die sogenannte »Schönungs«- u [sic] »Veredlungs«industrie, Reform-Rundschau 7, 1939, 9 ist im Wesentlichen hiervon (ebd., 273–274) abgeschrieben worden. 862 Zudem gab es sehr lange Übergangsfristen, vgl. »Leicht gefärbt!« Letzte Uebergangsfristen, Edeka DHR 28, 1935, 550. 863 Scheunert, A[rthur]/Reschke, Joh[anne]s: Über die Grünung von Gemüsekonserven im Hinblick auf ihren Vitamin C-Gehalt, ZUL 74, 1937, 21–26. 864 Keller: Zur Frage der Lebensmittelfarbstoffe, Die Fleischwirtschaft 5, 1953, 258; entsprechende Verbotswünsche aus dem RGA schon bei Entwertung, 1936, 19.

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aber nur in Form einer Mitteilung an die Produzenten. Bis in die Nachkriegszeit galt trotz offenkundiger Gesundheitsgefährdungen: »Die Färbung ist ein unentbehrliches Hilfsmittel des Lebensmittelgewerbes. Sie muß zwar innerhalb solcher Grenzen gehalten werden, daß dadurch keine Täuschung der Abnehmer erfolgt, sollte aber darüber hinaus nicht unnötig erschwert werden.«865 Erst seit 1949/50 setzte sich innerhalb der Wissenschaft langsam ein anderes Risikoverständnis durch (Kap. 6.4.2).866 Ein ähnliches Bild findet man beim Risikodiskurs über Konservierungsmittel – wenngleich mögliche Gesundheitsgefährdungen hier schon wesentlich früher behandelt und ernst genommen wurden. Die antibakterielle Wirkung verschiedener Säuren wurde Anfang der 1870er Jahre entdeckt, ihre Synthetisierung erfolgte unmittelbar danach. Da Benzoe- und Zimtsäure relativ teuer waren, dominierte anfangs Salizylsäure, von der im Synthesejahr 1874 vier Tonnen produziert wurden, dagegen 1878 schon 25 t.867 Im Rahmen des Nahrungsmittelgesetzes wurden Salizylsäure und Borpräparate thematisiert und im Reichsgesundheitsamt physiologisch überprüft.868 Die kurzfristig angelegten Untersuchungen ergaben keine unmittelbaren Gefahren. Das ändert sich auf Grundlage weiterer Versuche Ende des 19. Jahrhunderts – neue Tiermodelle waren hierfür wesentlich. Die wichtigste Auseinandersetzung wurden um die Konservierung von Fleisch und Fleischwaren geschlagen, wobei sich die Nahrungsmittelchemiker durchsetzten.869 Schon 1902 bewertete man den Umgang mit den risikobehafteten Konservierungsmitteln im Sinne modernen Risikomanagements.870 Ausgangspunkt sollten im Haushalt bewährte Techniken sein, während alle »chemischen« Konservierungsstoffe misstrauisch zu beurteilen seien. Ihre langfristige Unschädlichkeit sei nicht vorauszusetzen und auch die Rechte von Kindern, Kranken und Alten seien zu berücksichtigen. Doch analoge Einschränkungen gab es später nur bei wenigen Produkten, etwa bei Wein oder Bier. Das Argument gewerblicher Anbieter, ohne leistungsfähige Konservierungsmittel in einer arbeitsteiligen Verkehrsgesellschaft nicht wettbewerbsfähig zu sein, wurde staatlicherseits gestützt, hatte Vorrang vor einem umfassenden Risi 865 Beythien, 1940, 18. 866 Diffamierung ernährungswirtschaftlicher Erzeugnisse, IOGV 38, 1953, 53. 867 Strahlmann, 1976, 201. 868 Reichstags-Drucksache Nr. 7, 4. Leg., II . Sess. 1879 zit. n. Juckenack, A[dolf]: Zur Regelung der Verwendung von Konservierungsmitteln im Rahmen des Lebensmittelgesetzes, ZUNG 56, 1928, 16–25, hier 17. Vgl. zu den Auseinandersetzungen über Konservierungsstoffe Ellerbrock, 1987. 869 Vgl. Abel, Rudolf: Zum Kampfe gegen die Conservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika, Hygienische Rundschau 11, 1911, 265–281; Rost, E[ugen]: Borsäure als Konservierungsmittel, Berlin 1903. 870 Technische Begründung des vorstehenden Bundesraths-Beschlusses über gesundheitsschädliche und täuschende Zusätze zu Fleisch und dessen Zubereitungen vom 18. Februar 1902, ZUNG 5, 1902, 333–352, v. a. 334.

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komanagement.871 Die Folge war ein beträchtlich erweitertes Arsenal leistungsfähiger Zusatzstoffe. Zu dieser Zeit wurde eine fehlende gesetzliche Regulierung zunehmend moniert, auch viele Hersteller drangen auf ein normiertes und kontrolliertes Angebot.872 Die Nahrungsmittelchemiker akzeptierten derweil zwar den Anspruch des Gewerbes, chemische Konservierungsmittel einsetzen zu müssen, doch im Rahmen der Novelle des Lebensmittelrechtes optierten sie für ein grundsätzliches Verbot und eine begrenzte Zulassung »unschädlicher« Mittel. Die Sprache der sog. Reformbewegung verurteilten sie zwar, in der Sache aber standen beide Gruppen vielfach Seit an Seit. Die Folgeverordnungen des Lebensmittelgesetzes von 1927 enthielten zahlreiche einschränkende Grenzwerte, doch eine Deklarierung unterblieb zumeist.873 Angesichts vielfach noch ungeklärter Wirkungen der meisten Konservierungsmittel nahm die essende Bevölkerung ohne fundiertes Wissen an einem Großversuch teil, dessen Teilnehmer sie selbst bildeten.874 Zahlreiche im Deutschen Reich zugelassene Mittel waren im Ausland schon längst verboten worden.875 1931 und 1932 wurde dann den interessierten Kreisen ein im Reichsgesundheitsamt ausgearbeiteter Entwurf einer Verordnung über Konservierungsmittel zugeleitet, der den deutschen Regulierungsrückstand beseitigen sollte.876 Er verursachte allgemeine Empörung der Industrie und verdeutlichte so auch Grenzen der Kooperation innerhalb des eisernen Dreiecks.877 Der Entwurf sah nämlich eine allgemeine Deklaration vor, die Bezeichnung »chemisch konserviert« sollte künftig alle Lebensmittelverpackungen mit entsprechendem Inhalt zieren. Für die Industrie war dies eine Morgengabe an die »Reformbewegung«, die nur zur allgemeinen Beunruhigung beitragen und den Niedergang der deutschen Lebensmittelindustrie beschleunigen würde. Eine Deklaration müsse immer die Mehrzahl im Blick behalten.878 Allergiker, Alte und Kinder sollten vielmehr Produkte kaufen, die positiv als »rein« oder »naturrein« ge 871 Buchka, 1914, 631–646, hier 639. 872 Vgl. Rieß, G.: Zur Frage der z. Z. als zulässig zu erachtenden Konservierungsmittel für Lebensmittel, RGBl 2, 1927, 359–361. 873 Vgl. den Überblick bei Lenz, Emil: Ueber Konservierung von Lebensmitteln, Med. Diss. Tübingen, Marbach a.N. 1932, 19. 874 Vgl. Ochsenfarth, Karl: Die Benzoesäure. Ihre Anwendung, Wirkung und Zulässigkeit zur Konservierung von Lebensmitteln, Vet.-med. Diss. Berlin 1932, 5. Zur kontinuierlichen Forschung vgl. Täufel, K[urt]: Zur Frage der chemischen Konservierung der Lebensmittel, DNR 1933, 22. 875 Vgl. etwa den Vergleich bei Waser, E[rnst]: Ueber Konservierungsmittel, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 13, 1932, 49–51, hier 51. 876 Entwurf einer Verordnung über Konservierungsmittel, Berlin 1932. 877 Ohler, Hermann: Konservierungsmittel-Verordnung, Ernährungswirtschaft 6, 1932, 303–304. 878 Eingabe des Bundes Deutscher Nahrungsmittel-Fabrikanten und -Händler betr. Konservierungsmittel, DNR 1933, 17–22, hier 18.

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kennzeichnet waren. Derart gewappnet begannen im Mai 1933 Verhandlungen zwischen Industrie, Reichsgesundheitsamt und Reichsinnenministerium, die zu Kompromissen führten.879 Gesetzeskraft aber erhielt sie nicht, letztlich setzten sich die Bedenkenträger der Industrie durch.880 Parallel scheiterten Brancheninitiativen, etwa in der Fischindustrie, »chemische« Konservierungsmittel möglichst zu minimieren.881 An ihre Stelle traten informelle Regelungen zwischen Industrie und staatlichen Instanzen, bis 1942 auf dem Anordnungsweg die Leipziger Versuchsstelle für Hauswirtschaft des Deutschen Frauenwerks für Unbedenklichkeitsprüfungen chemischer Konservierungsmittel zuständig wurde.882 Die damals ebenfalls eingeführte Deklarationspflicht galt jedoch nur für den Verkehr zwischen Produzent und Verarbeiter. Die Experten des eisernen Dreiecks zielten nicht nur auf eine wachsende Verfügbarkeit künstlicher Kost durch optimierte Stoffzusammensetzung, wachsenden Conveniencegrad, verbesserte Verpackung und leistungsfähiger Konservierungstechnik, sondern auch auf die Regelung selbst geschaffener Probleme. Auch wenn dabei keineswegs immer an einem Strang gezogen wurde und die Stellung der Nahrungsmittelchemiker als Sachwalter des Konsumenten lange Zeit über durchaus substanziell war, wurden das von der Reformbewegung zumindest artikulierte Unbehagen an bestehenden Gefahren im Lebensmittelsektor vielfach negiert. Die hierarchische Art der Risikodiskurse setzte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Politische Ideen und Ideologien mochten sich wandeln, doch die Struktur der Ernährungs- und Gesundheitsführung blieb unverändert. Gefahren wurden innerhalb des eisernen Dreiecks zu Risiken und nach der Logik der scheinbar Wissenden behandelt. Die Folge war eine wachsende Kluft zwischen Experten- und Alltagswelt, die in einer pluralistischen Öffentlichkeit allerdings andere Ausprägungen annehmen musste als in einer polykratischen Diktatur. Festzuhalten ist ein langsamer Übergang von einem Fälschungs- und Täuschungs- zu einem Gesundheitsdiskurs. Die eigentliche Sensibilisierung der Experten erfolgte jedoch vielfach durch Außenseiter. Das eiserne Dreieck nahm innerhalb der selbst geschaffenen Institutionen nach wie vor wissenschaftlich, wirtschaftlich und politisch relevante Risikobewertungen 879 B[öttger], H[ugo]: Verhandlung über die Konservierungsmittelverordnung, DNR 1933, 77–78: Die Deklarationspflicht blieb bestehen, doch der Text sollte nun »Mit gesetzlich zugelassenen Konservierungsmitteln versetzt« lauten. Neue Konservierungsmittel waren weiterhin möglich, allerdings erst nach Großversuchen im Reichsgesundheitsamt. 880 Entwertung, 1936, 14–16. 881 Vgl. etwa Biegler, Peter: »Kühl aufbewahren, zum alsbaldigen Verzehr bestimmt!« Beitrag zur Konservierungsmittelfrage, Fische und Fischwaren 1933, 109–111; Metzner, H[elmut]: Konservierungsmittel in der Fischwirtschaft, DFR 1933, 251–253; Gegen die chemischen Konservierungsmittel, Die Fischwaren- und Feinkost-Industrie NF 1934, 14–15. 882 Vgl. Ziegelmayer, Lebensmittel, 1940, 319–320; Deutsches Reich. Anordnung Nr. 40 der Reichsstelle Chemie über chemische Konservierungsmittel für Lebensmittel. Vom 23. Juli 1942, RGBl 17, 1942, 597–598.

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vor. Weiterhin durch alternative Wissenschaftler und große Teile der Öffentlichkeit herausgefordert, befand es sich seit den 1950er Jahren in der Defensive (Kap. 6.4.2), auf die es mit zielgruppenspezifischer künstlicher Kost und neuen Regulierungen reagierte, um potenzielle Gefahren zu minimieren und die Wissenshierarchien zugleich wieder zu stabilisieren.

6. Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980

Seit den 1940er Jahren wurde künstliche Kost üblich, seit den 1960er Jahren war sie Teil des Massenmarktes. Diese Normalisierung eines ehedem in Nischenmärkten oder in Kriegs- und Notzeiten angewandten Konzeptes bedarf der Erklärung. Schließlich waren viele Nahrungsinnovationen der Zwischenkriegszeit dem teuren Ideal der Selbstversorgung geschuldet und die gesundheitlichen Risiken der »Veredelungsindustrie« steter Anlass von Besorgnis. Auch die neuen Austauschprodukte erschienen nur angesichts bestehender Lebensmittelknappheiten akzeptabel.1 Und doch endete die Zeit künstlicher Kost nicht in der Nachkriegszeit. Im Gegenteil, gerade in der folgenden »Wohlstandsgesellschaft« zeigten sich die Anwendungsmöglichkeiten des Konzeptes. Das erweiterte stoffliche Wissen, die vor und während des Krieges beträchtlich gestiegene technische Verfügbarkeit über diese kleinteilig gedachte Materie, tiefgreifende Veränderungen in den Absatzstrukturen und eine beträchtlich steigende Kaufkraft erlaubten erst mehr, dann andere, schließlich nahezu ubiquitär präsente künstliche Kost. Hinzu kam der Gestaltungsoptimismus der Ernährungswissenschaften, die ihr Ziel nicht aus den Augen verlor, eine vermeintlich blinde, nicht auf den Menschen zugeschnittene Natur zu verbessern. Dieses Kapitel bricht bewusst mit der üblichen Periodisierung, verbindet Zweiten Weltkrieg und Nachkriegskonsum zu einer Einheit. So wenig das 1950er-Syndrom zu leugnen ist und so sehr sich der materielle Stoffwechsel der Nachkriegszeit von den vorherigen Dekaden unterschied, muss doch für den wichtigsten Konsumsektor festgehalten werden, dass zentrale Innovationen der Nachkriegszeit vor und während des Krieges ersonnen und erprobt wurden. Ebenso waren die ernährungsbezogenen Debatten dieser Zeit keineswegs neu, sondern vollzogen sich in den Bahnen der Vorkriegs- und Kriegszeit. Dies bedeutete keinesfalls Restauration, sondern die Umsetzung der Modernisierungsimpulse eines aggressiv expandierenden NS -Systems und einer um Selbst­ behauptung ringenden westlichen Welt. Das folgende Kapitel setzt daher mit der Militärverpflegung der Wehrmacht ein. Durch angewandte Forschung, aber auch dank massiver Schulung wurden hier zahlreiche neue Produkte entwickelt, die während des Krieges beträchtliche Bedeutung besaßen und sich anschließend vielfach sowohl direkt 1 Sachsse, Horst: Künstliche oder natürliche Nahrung?, Natur und Nahrung 2, 1948, Nr. 11/12, 15–16.

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als auch konzeptionell im Massenmarkt behaupten konnten. Die Luftwaffenverpflegung führte künstliche Kost in neue Höhen, gründete dabei auf physiologischer Grundlagenforschung, die das Wissen um menschliche Bedürfnisstrukturen beträchtlich erweiterte. Die wachsenden stofflich-physiologischen Wissensbestände ermöglichten ferner eine allgemeine Risikoeinschätzung der zunehmenden Körperfülle der Deutschen, die aufgrund wachsender Kaufkraft und Nachholeffekten rasch gesundheitlich bedenklich wurde. Verlockungen des konventionellen Lebensmittelangebotes wurden mit neuen Varianten künstlicher Kost gezielt bekämpft. Dadurch entstanden nicht nur neue Gesundheitsmärkte, sondern zugleich wurde das auf Leistungsfähigkeit abgestellte Biokörperideal des eisernen Dreiecks nun massenmarkttauglich. Die 1950/60er Jahre waren nicht nur durch den Übergang von relativem Mangel zu Überfluss gekennzeichnet, sondern zugleich Dekaden intensiver Auseinandersetzungen um die Qualität der Lebensmittel. Das politische System kanalisierte diese Debatten im Rahmen des Lebensmittelgesetzes von 1958 und seiner zahlreichen Folgeverordnungen, doch zur Normalität von relativem Wohlstand und künstlicher Kost gehörten weiterhin kontroverse Debatten um die Art der Ernährung. Das eiserne Dreieck behauptete seine Wissenshierarchie gegenüber den Reformern, setzte sich auch gegenüber Anspruchshaltungen der Öffentlichkeit durch. Die Konsumenten wünschten »natürliche« und »reine« Lebensmittel. Zugleich aber gaben sie die Modernisierungsimpulse, ohne die leistungsfähige Versorgungsinfrastrukturen künstlicher Kost kaum denkbar waren. Seit den 1960er Jahren bestand daher eine paradoxe Situation: Während innerhalb des eisernen Dreiecks Risikoszenarien langsam auf minimierte Modernisierungsfolgen drangen, etablierte sich in der Öffentlichkeit ein Doppelmarkt: Künstliche Kost wurde üblich und umfasste immer größere Teile des Nahrungsbudgets. Zugleich aber gerieten die damit verbundenen Risiken und die Defizite der Versorgungsketten in die Kritik. Das objektivierte Wissen des eisernen Dreiecks wurde im Inneren pluraler, zugleich aber durch den äußeren kommunikativen Druck zusammengehalten.

6.1 Kriegswirtschaft: Militärverpflegung als Schrittmacher des »Konsumsektors« Der Konsumgeschichte der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft liegt vielfach eine Heldengeschichte zugrunde: Widrige Nachkriegsverhältnisse, Finanzhilfen und Know-how aus dem Westen, institutionelle Reformen, Ärmelaufkrempeln, sich füllende Schaufenster und schließlich ein langsam alle sozialen Schichten erreichender Wohlstand. Die totale Niederlage von 1945 und die seit 1944 zunehmende, seit Anfang 1945 dann spürbare Knappheit an Lebensmitteln bildeten bedeutsame Einschnitte. Doch die Kontinuitäten vom NS -System

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zur Bundesrepublik Deutschland (und noch stärker zur von Demontagen und Reparationen härter betroffenen Mangelökonomie der DDR) waren im Bereich des eisernen Dreiecks größer als die bisherige Forschung suggeriert. Wer von der Konsumkultur in West und Ost redet, darf von deutscher Kriegswirtschaft nicht schweigen.2 Entsprechend erfordert eine Geschichte der künstlichen Kost der Nachkriegszeit fundiertes Wissen über die Militärverpflegung.3 Sie war nicht irgendeine Kostform unter vielen, sondern Optimalernährung für die im Sinne des Regimes wichtigste Teilgruppe. Es galt, Rassekrieger mit passgenauen Lebensmitteln zu versorgen. Die in Kap. 5 analysierten Veränderungen von Vitaminlehre, Convenienceprodukten, Verpackungen, Konservierungstechniken sowie die Entwicklung neuartiger Austauschprodukte zielten immer auch auf den Massenmarkt; sie mündeten jedoch stets in der Militärverpflegung. Daher erscheint die in der Forschung immer wieder betriebene Trennung von Konsum- und Rüstungsproduktion als im Grundsatz ahistorisch. Mag der zwischen 1942 und 1944 gleich dreimal ausgerufene »totale Krieg« eine zuvor bestehende klare Trennung suggerieren und Interpretationen einer Blitzkriegsökonomie diese unterstützen, plante die deutsche Seite den Krieg doch von Beginn an als Krieg von »Volk zu Volk«4. Kampf ist Leben, Leben ist Kampf – derartige Grundformeln der NS -Ideologie gilt es ernst zu nehmen. Ernährungsproduktion war immer auch Rüstungsproduktion: Landwirtschaft, Handwerk und Lebensmittelindustrie arbeiteten zielgerichtet für die schließlich mehr als 17 Mio. Soldaten in Heer, Luftwaffe und Marine. Diese waren Prototypen moderner Konsumenten, sollten sie sich doch auf ihre Arbeitsaufgaben konzentrieren, während vorgelagerte Instanzen die Versorgungsaufgaben übernahmen. Die Soldaten verpflegte man bevorzugt, sie erhielten mehr und bessere – und das hieß vielfach – künstliche Kost. Der seit 1927 für die Heeresverpflegung mit verantwortliche Heeresintendant und Chef der Wehrmachtsverpflegungsabteilung Ernst Pieszczek forderte immer wieder, Ernährung und Rüstung gleich­

2 Diese Verbindung negieren Standardwerke wie Wildt, Michael: Am Beginn der ›Konsumgesellschaft‹. Mangelerfahrung, Lebenshaltung, Wohlstandshoffnung in Westdeutschland in den fünfziger Jahren, Hamburg 1994 oder Andersen, Arne: Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt/New York 1997. 3 Die militärgeschichtliche Forschung hat sich der Truppenverpflegung bisher kaum gewidmet. Der Verlust der wichtigsten einschlägigen Akten darf aber nicht als Vorwand dienen, die basale Versorgung dieses Zwangskollektivs zu übergehen. Vgl. einschlägig Müller, RolfDieter: Die Mobilisierung der deutschen Wirtschaft für Hitlers Kriegsführung, in: Kroener, Bernhard/Ders./Umbreit, Hans: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 5,1 […], Stuttgart 1988, 349–689, v. a. 396–405. 4 Ruprecht, Paul: Wesen und Grundlagen des totalen Krieges, Militär-Wochenblatt 121, 1936/37, Sp. 2670–2672, hier 2670.

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zustellen5 – und im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg gelang es, die Wehrmacht bis Anfang 1945 ausreichend zu verpflegen. Die frühzeitige Umstellung der Ernährungswirtschaft auf Kriegswirtschaft (Kap. 4.5) war Ausdruck des »Blockade-Syndroms«6 des eisernen Dreiecks. Nicht nur im Zivilsektor, sondern stärker noch bei den Leistungsträgern mussten Hunger und Unterversorgung ausgeschlossen werden. Der Biokörper des Soldaten hatte optimal zu funktionieren7: Dies bedeutete eine an Beanspruchung und Arbeitsleistung angepasste Kost, die nicht mehr länger zwischen Offizieren und Mannschaften unterschied und auf einem wissensbasierten Zulagenwesen gründete.8 Während das umfassende, unmittelbar vor Kriegsbeginn dekretierte Rationierungssystem für die Zivilbevölkerung vieles änderte, blieben die Rationen für die fremdverpflegten Soldaten gleich.9 Zivil- und Militärsektor wurden gleichermaßen von einer formal einheitlichen Ernährungsführung versorgt, die schon seit Mitte der 1930er Jahre militarisiert war und nach Kriegsbeginn keine grundlegend neuen Strukturen erforderte.10 Die Untersuchung der Militärverpflegung ist aber nicht nur für die Analyse des NS -Regimes, sondern gerade auch für die Entwicklung künstlicher Kost einschlägig. Die systematische Aufrüstung bot Wissenschaft und Wirtschaft Gestaltungschancen bisher unbekannten Ausmaßes, wurden doch spätestens seit 1936 Forschung und Entwicklung für neuartige Lebensmittel und wissens­ basierte Kostzusammenstellungen mit Hochdruck vorangetrieben. Die Resultate aber veränderten nicht nur die Militärverpflegung, sondern insbesondere die Produktpalette der Lebensmittelindustrie in der Nachkriegszeit.

5 Pieszczek, [Ernst]: Zusammenfassung, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 131–135, hier 135. 6 Corni/Gies, 1997, 399. 7 Rasor: Bleib gesund! Das Wichtigste: die Erhaltung der Kampfkraft, Der Anker 4, 1944, 89–90. 8 Vgl. Lenz: Kampftruppenverpflegung im Kriege, Militär-Wochenblatt 121, 1936/37, Sp. 2666–2668. Die Kosten der Tagesration lagen (ohne Brotration) mit 96 Pfg. pro Tag auf der gleichen Höhe wie in der kaiserlichen Armee (Wrase: Die Verpflegung des Soldaten einst und jetzt, ZGV 10, 1939, 283–285, hier 285). 9 Zu den Vorarbeiten vgl. Schmidt, Bernhard: Die Ernährung des deutschen Volkes unter besonderer Berücksichtigung der Ernährung seines Heeres (zugleich ein Beitrag zur Frage der Verschiedenheit der Kostformen in den einzelnen deutschen Landschaften), Berlin 1940. 10 Baumgärtel, Tr[augott]: Kriegserzeugungsschlacht, MZBl 69, 1940, 1–6, hier 3.

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6.1.1 Kampfkraft durch warme Kost. Die Professionalisierung der Heeresverpflegung Die Verpflegung der Reichswehr gründete noch Mitte der 1930er Jahre auf den Vorarbeiten der kaiserlichen Armee (Kap. 3.2.4).11 Das »Lehrbuch der Militär­ hygiene« von 1936 dokumentiert eine nur oberflächliche Rezeption der Neuen Ernährungslehre, insbesondere aber der Vitaminfrage.12 Die Soldatenkost sollte vorrangig kalorisch ausreichend sein, Eiweiß, insbesondere tierischer Herkunft, erschien als wichtigster Nährstoff. Wie in der kaiserlichen Armee bildete das Voitsche Kostmaß einen wichtigen Referenzpol. Entsprechend sollten Brot- und Verpflegungsportion etwa 3.800–4.100 Kcal enthalten und auch die Eiweißmenge mit 100–120 g/Tag über der Alltagskost liegen. Reichswehr und Wehrmacht orientierten sich nicht an den Ratschlägen der Reformbewegung, die deutliche niedrigere Eiweißmengen empfahl.13 Stolz verwiesen die Sanitätsärzte stattdessen auf die meist feststellbare Gewichtszunahme der Rekruten, die ihnen als Indikator für eine »gute« Kost galt. Doch der nach wie vor geringe Verpflegungssatz und die Restriktionen der deutschen Ernährungswirtschaft führten mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im März 1935 zu ähnlichen Problemen wie zuvor Kaiserreich: Physiologisch war der Anteil hochwertigen, tierischen Eiweißes knapp bemessen, ebenso die »Schmierportion« tierischer Fette.14 Die Ernährung der neuen Wehrmacht wies eine relative Eiweiß- und Fettlücke auf. Veränderungen waren daher unabdingbar, um die Leistungsfähigkeit der Soldaten nicht auf Kosten der breiten deutschen Bevölkerung sichern zu müssen. 11 Vgl. allgemein die deskriptive Studie von Peltner, 1994, die den ökonomischen, militärischen und ideologischen Kontext weitgehend ignoriert. Das gilt auch für Lang, Andreas: Lebensmittelchemiker in Uniform. Die Geschichte der Lebensmittelchemie als Teil der Militärpharmazie, München 2006, 175–248. 12 Vgl. Konrich, F[riedrich]/Walther, K[arl]/Schreiner, R.: Ernährung und Verpflegung des Soldaten, in: Waldmann, A[nton]/Hoffmann, W[ilhelm] (Hg.): Lehrbuch der Militär­ hygiene, Berlin 1936, 73–136. Brot, dem wichtigsten Lebensmittel, wurde kein Vitamingehalt zugerechnet (Ebd., 85). Dagegen Scheunert, A[rthur]: Ueber die Bedeutung der Vitamine A, B1 und B2 in der Broternährungsfrage, Forrog-Blätter 3, 1936, 63–66. 13 Einschlägige Debatten wurden 1935/36 geführt, die Olympiade stand dabei Pate. Vgl. Hachez, E[duard]: Ist die Ernährung des Soldaten richtig?, Arzt und Sport 12, 1936, 47–48; Voit, K[urt]: Die Ernährung im Reichsheer (Antwort auf die Frage von Hachez, »Ist die Ernährung des Soldaten richtig?«), Arzt und Sport 12, 1936, 74–75; Danielsen: Ist die Ernährung des Soldaten richtig?, Arzt und Sport 12, 1936, 82–83; Hachez, E[duard]: Ist die Ernährung des Soldaten richtig. Schlußwort zu den Antworten von Voit in Nr. 18 und Danielsen, Arzt und Sport 12, 1936, 83–84. 14 Kittel, W[alther]: Aus der Praxis der Truppenverpflegung, in: Ders./Schreiber, Walter/ Ziegelmayer, Wilhelm: Soldatenernährung und Gemeinschaftsverpflegung, Dresden/Leipzig 1939, 68–111, hier 91.

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Soldatenkost als »Spitzenernährung«15 implizierte dabei nicht nur ausreichend Nährstoffe. Spät, dann aber umso engagierter rezipierten Heeresverwaltung und Sanitätskorps die neueren Entwicklungen der Vitaminlehre (Kap. 5.1.3). Vor allem das neue Krankheitsbild der Hypovitaminose schreckte die Verpflegungsplaner auf. Vitaminverluste bei Lagerung und Zubereitung führten demnach zu eingeschränkter Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, mündeten letztlich also in Material- und Menschenverluste.16 Stichprobenuntersuchungen ergaben nicht allein bei der Mehrzahl der deutschen Bevölkerung, sondern auch bei Soldaten insbesondere im Frühjahr Vitaminunterversorgungen.17 Auch die in der physiologisch-chemischen Forschung kontrovers diskutierte Frage des Synergismus der einzelnen Vitamine bzw. der Interaktion von Vitaminen mit anderen Stoffen wurden innerhalb der Wehrmacht aufgegriffen.18 Trotz offener Forschungslage schien es notwendig, die Kost mit Sicherheitsmargen zu versehen. Parallel hofften zunehmend mehr Verantwortliche durch angewandtes Wissen um Lebensmittelwirkstoffe der eigenen Truppe einen Vorteil gegenüber anderen Armeen zu schaffen. In Großbritannien und Frankreich gab es ähnliche Überlegungen, denen man zuvorkommen wollte.19 Die aus Ressourcenrestriktionen und neuem stofflichen Wissen resultierenden Aufgaben einer Umgestaltung der Soldatenkost waren beträchtlich. Auch die traditionelle Geringschätzung der »weiblichen« Kochkunst und die Fixierung der Militärplaner auf die kämpfende Truppe, also die für deutsche Armeen typische Vernachlässigung von Logistik- und Transportaufgaben, schlugen hier durch. Nicht nur die Waffen-, sondern auch die Lebensmittelproduktion war durch hohe, vielfach überbürdende Ansprüche geprägt: Kalorien und Vitamine, guter Geschmack und lange Haltbarkeit, abwechslungsreiche Mahlzeiten und einheimische Rohwaren, geringer Preis und hoher Conveniencegrad.20 Um diese für eine erfolgreiche Kriegsführung wichtigen Ziele zu erreichen, wurde seit 1933 im Heeresverwaltungsamt gezielt geplant, diese Planungen seit 1935 15 Ziegelmayer, Wilhelm: Die Verpflegung des deutschen Soldaten. Ein Referat, Zf VE 13, 1938 (= 1938b), 282; Der Soldat erhält Spitzenernährung. Zahlenmäßige Feststellungen über die deutsche Heeresverpflegung, MB 38, 1938, Nr. 36, 7. 16 Klodt, Wilhelm: Vitaminbedarf und Soldatenkost, Zf VE 13, 1938, 91–94, hier 92. 17 Vgl. Stutz, Ernst/Reil, Georg: C-Vitaminspiegeluntersuchungen während der Westindienreise der Segelschulschiffe »Horst Wessel« und »Albert Leo Schlageter«, Berlin 1938 (C-Hypovitaminose trotz Zufuhr von täglich 50 mg Redoxon); Rietschel, [Hans]: Zur Frage der C-Hypovitaminose im Heer, Der deutsche Militärarzt 4, 1939, 1–5. 18 Kruttke, H[ans] G[erhard]: Untersuchungen über das Vitamin C-Defizit bei Sto­ matitis, Gingivitis und Paradentose in der Kriegsmarine, Der Deutsche Militärarzt 4, 1939, 300–306, v. a. 302; Kittel, 1939, 82. 19 Vgl. den Forschungsüberblick von Sandoz, L[ouis] M[arcel]: Applications militaires de la diététique et de la pharmacothérapie, Revue Militaire Suisse 1943, 303–317, 355–369 bzw. Orr, John Boyd: Nutrition during War-Time, Nature 144, 1939, 733–735. 20 Konrich, 1943, 7.

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dann konkret umgesetzt und neuen Anforderungsprofilen immer wieder angepasst. Vier eng miteinander verbundene Arbeitsfelder sind zu unterscheiden: Erstens galt es, Institutionen der Wissensproduktion und -diffusion aufzubauen, um so das nötige Humankapital für die wissensbasierte Versorgung einer Millionenarmee zu bilden. Zweitens sollte diese Expertise helfen, die einheimischen stofflichen Ressourcen mittels angewandter Bromatik optimal zu nutzen und dadurch die verfügbare Menge an Rohstoffen zu mehren. Drittens wurden in enger Kooperation mit der gewerblichen Wirtschaft zahlreiche neuartige Lebensmittel produziert. Neue Technologien, insbesondere der Konservierung, und der konsequente Einsatz von Austauschstoffen sollten höhere und zugleich bezahlbare Qualitäten erlauben. Diese breite Palette künstlicher Kost wurde viertens, auch um Kosten zu sparen, für die unterschiedlichen Belastungen unterschiedlicher Truppenteile und Tätigkeitsprofile segmentiert.21 1. Der institutionelle Aufbau des Verpflegungssektors knüpfte anfangs an die Tradition der kaiserlichen Armee an.22 Die durch den Versailler Vertrag gesetzten personellen Höchstgrenzen wurden nach der Machtzulassung rasch durchbrochen, sichtbar an der Gründung der Militärärztlichen Akademie in Berlin am 1. Oktober 1934.23 Als Nachfolgeorganisation der Kaiser-Wilhelm-Akademie zielte sie auf die Ausbildung von Sanitätsoffizieren, war zugleich aber eine zentrale Forschungseinrichtung.24 Acht Institute wurden eingerichtet, darunter die für allgemeine und Wehrphysiologie sowie für physiologische und Wehrchemie, geleitet von Konrad Lang, einem der führenden Physiologen der späte­ ren Bundesrepublik.25 Ernährungswissenschaft verstand man hier interdiszi­ 21 Zu beachten ist, dass die Wehrmacht einen insgesamt geringen Mechanisierungsgrad besaß. Abseits der Eisenbahn blieben Füße und Pferde die wichtigsten Transportmittel. Futtertransporte übertrafen mengenmäßig die von Lebensmitteln. Stofflich optimiertes Futter war eine Antwort, vgl. Beurlen: Frage der Ernährung der deutschen Heerespferde, Zeitschrift für die Heeresverwaltung 4, 1939, 124–128, 177–179. 22 Zum Heeressanitätswesen vgl. allgemein Neumann, Alexander: »Arzttum ist immer Kämpfertum«. Die Heeressanitätsinspektion und das Amt »Chef des Wehrmachtssanitätswesens« im Zweiten Weltkrieg (1939–1945), Düsseldorf 2005. 23 Institutionell ausgerichtet, jedoch affirmativ Fischer, Hubert: Die militärärztliche Akademie 1934–1945, Osnabrück 1975 (ND 1985). Zur forschungspolitischen Einbettung vgl. Neumann, Alexander: Nutritional Physiology in the »Third Reich« 1933–1945, in: Eckart, Wolfgang U. (Hg.): Man, Medicine, and the State. […], Stuttgart 2006, 49–59. 24 Grundlegend Unger, Frank: Das Institut für Allgemeine und Wehrphysiologie an der Militärärztlichen Akademie in Berlin (1937–1945), Med. Diss. Hannover 1991, insb. 20–30. 25 Langs Tätigkeit für den NS -Staat, insbesondere im Bereich der Giftgasforschung oder bei Bilanzforschungen an sowjetischen Kriegsgefangenen, wurde innerhalb der Ernährungswissenschaft bis heute nicht kritisch diskutiert, hier dominieren hagiographische Irreführungen, etwa Bäßler, K[arl] H[einz]: Konrad Lang zum 85. Geburtstag, Zeitschrift für Ernährungswissenschaft 22, 1983, 145–146; Ders./Fricker, A[lfons]: In memoriam Konrad Lang, Zeitschrift für Ernährungswissenschaft 24, 1985, 217–218. Zur Einordnung vgl. dagegen Gausemeier, Bernd: An der Heimatfront. »Kriegswichtige« Forschungen am Kaiser-WilhelmInstitut für Biochemie, in: Schieder, Wolfgang/Trunk, Achim (Hg.): Adolf Butenandt und die

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plinär als ein gemeinsames Tätigkeitsfeld von Physiologen, Chemikern und Hygienikern. Während des Krieges nahm ihr Stellenwert deutlich zu, ersichtlich auch an der Etablierung der Forschungsgruppe »Gebirgsphysiologie« der HeeresGebirgssanitätsschule in St. Johann/Tirol unter Leitung von Hans Diedrich Cremer im Jahre 1941 bzw. der 1943 erfolgten Gründung des Wehrphysio­ logischen Instituts in Gießen.26 1943 wurde das Münchener Ernährungswissenschaftliche Seminar in die Militärärztliche Akademie integriert, diese aber 1944 aufgelöst und in das Forschungsinstitut für Truppenverpflegung eingegliedert.27 Auch die veterinärmedizinische Ausbildung und Forschung wurde institutionalisiert, die Heeres-Veterinärakademie am 1. November 1935 in Berlin gegründet.28 Parallel baute man das Heeresapothekerwesen aus. Hier arbeiteten auch Nahrungsmittelchemiker, die innerhalb der Wehrmacht vornehmlich Kontrolltätigkeiten wahrnahmen.29 Diese zentralen Ausbildungs- und Forschungsinstitutionen ergänzte die Heeresverwaltung durch neuartige Institutionen der Wissensproduktion und -diffu­sion. Neben dem späteren Generalstabsintendanten Ernst Pieszczek trieb sie seit 1933 vornehmlich Wilhelm Ziegelmayer voran, der letztlich wichtigste Organisator der Heeresverpflegung. Während Mediziner, Physiologen, Veterinärmediziner und Chemiker vornehmlich auf Grundlagenforschung und deren praktische Anwendung auf Mensch und Tier zielten, konzentrierte sich die Heeresverwaltung einerseits auf die Verpflegung, anderseits aber auf die Ausbildung des Kochpersonals. 1936 wurde eine Musterküche in Potsdam eingerichtet, die seit Mai 1937 Lehrgänge durchführte. Allgemeine Wehrpflicht und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Wissenschaft, Industrie und Politik im »Dritten Reich«, Göttingen 2004, 134–168. 26 Cremer wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nach längerer Tätigkeit am Mainzer Institut Langs erster Lehrstuhlinhaber für die Ernährung des Menschen in Gießen. Wolfram, Günther: Hans-Diedrich Cremer zum Gedächtnis, EU 42, 1995, 141, ging selbstverständlich nicht auf die enge Nähe der Cremerschen Untersuchungen über den Nahrungsbedarf im Hochgebirge sowie die Zusammenstellung einer »Gebirgssonderkost« zu den Kälteversuchen im KZ Dachau ein. Vgl. Unger, 1981, 4 bzw. 81. 27 Peltner, 1994, 152–153. 28 Zum Profil vgl. König: Vier Jahre Heeres-Veterinärakademie, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 47, 1939, 622–623 bzw. Betzler, M.: Der Heeresveterinärdienst. Allgemeines – Organisatorisches – Aufgaben, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 47, 1939, 623–626. 29 Vgl. hierzu Delp: Nahrungsmittelchemie. Begriff, Aufgaben und Geschichte, in: Festschrift zum 60. Geburtstag des Heeres-Sanitätsinspekteurs im Reichskriegsministerium Generaloberstabsarzt Professor Dr. Anton Waldmann, Berlin 1938, 317–335; Zabler, Paul: Der Dienst des deutschen Wehrmachtapothekers im Heere, in der Kriegsmarine und in der Luftwaffe, Berlin 1942. Diese Expertengruppen erlaubten einen im Vergleich mit dem Ersten Weltkrieg deutlich effizienteren Aufbau interner Kontrollsysteme, vgl. Rummel: Die Ueberwachung von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft im Bereiche der Wehrmacht, Zf VE 17, 1942, 329–331, ebd. 18, 1943, 3–4 bzw. Gemeinhardt, K[onrad]: Die Bedeutung der lebensmittelchemischen Kontrolle in der Wehrmacht, Zf VE 16, 1941, 161–162; Ders.: Vitaminkontrolle in der Wehrmacht, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 85–93.

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personelles Wachstum der Wehrmacht erforderten jedoch großzügigere Lösungen. Im Januar 1938 nahm die Heereslehr- und Versuchsküche in München als Teil der Heeresverwaltungsschule ihren Betrieb auf. Ziel war einerseits die »Ausbildung der Heeresbeamten als Lehrpersonen auf dem Verpflegungsgebiete«30, anderseits aber angewandte Forschung zu Lebensmitteln und Speisen, zur Küchentechnik und Kantinenorganisation sowie die Ausarbeitung von Verpflegungsrichtlinien.31 Dazu wurde 1938 auch eine gesonderte Ernährungswissenschaftliche Forschungsstelle eingerichtet.32 Nach Kriegsbeginn nahm die Zahl zentraler Heereslehrküchen rasch zu. Die 1940 gegründete Heereslehrküche 2 in Frankfurt a. M. erhielt dabei mit dem integrierten und von Ziegelmayer geleiteten Institut für Kochwissenschaft eine völlig neuartige Forschungsinstitution, die Grundlagenarbeit im Bereich der Bromatik leistete.33 Angesichts der zudem im Februar 1940 gegründeten Reichsschule für Gemeinschaftsverpflegung etablierte sich Frankfurt a. M. neben Berlin und München als neuer Kompetenzcluster. Bis 1942 folgten weitere Heereslehrküchen in Hamburg, Wien, Breslau, Pillnitz und Langensulzbach.34 Diese zentralen Einrichtungen wurden durch Musterküchen in den einzelnen Wehrkreisen ergänzt. Dezentral sollte das in Lehrgängen gewonnene Wissen unmittelbar an Kochpersonal weitergegeben und gleichsam multipliziert werden.35 Bis 1942 waren im Deutschen Reich mehr als 50 Musterküchen eingerichtet worden.36 Daneben gründete die Wehrmacht während des Krieges eigene Forschungseinrichtungen für die Entwicklung und Kontrolle der Soldatenkost. Am Anfang stand der Heeres-Versuchs- und Lehrbetrieb für Nahrungsmittel in Mülheim, Ruhr37, wichtiger noch war das in Kooperation mit der Industrie betriebene Münchener Institut für Lebensmittelforschung (Kap. 5.3.3). Insgesamt wurden 1944 vom Heeresverpflegungsamt 44 Forschungsaufträge finanziert.38 Ziel 30 Ziegelmayer, 1938, 270. 31 Zu den Lehrgangsinhalten vgl. Deickert, [Paul]: Truppenküchen im Heer, Zf VE 15, 1940, 112–113; Schönauer: Feldkochunteroffiziere und Gemeinschaftsverpflegung, Zf VE 16, 1941, 111–112. 32 Peltner, 1994, 152. 33 Ebd., 150–152; Das Institut für Kochwissenschaft in Frankfurt a. M., Zf VE 16, 1941, 359–362, 375–379, 398–399, 401; Wissenschaft im Dienst der Soldatenernährung, DLR 1944, 39; Ziegelmayer, W[ilhelm]: Nachruf auf das Institut für Kochwissenschaft Frankfurt am Main, Ernährung und Verpflegung 1, 1949, 54–57. 34 Bein, Fritz: Der Feldkochunteroffizier. Stellung, Dienst, Aus- und Fortbildung, Berlin 1943, 3. 35 Vgl. hierzu Ziegelmayer, 1938, 268–269. 36 Ziegelmayer, 1942, 49. Danach erfolgte eine organisatorische Straffung. 1943 gab es noch 34 Musterküchen, vgl. Peltner, 1994, 147–149. 37 Vgl. Pieszczek, E[rnst]: Neuzeitliche Gedanken auf dem Gebiete der Verpflegung, in: Ders./Ziegelmayer, W[ilhelm] (Hg.): 1. Tagungsbericht der Arbeitsgemeinschaft Ernährung der Wehrmacht, Dresden/Leipzig 1942, 12–18, hier 16. 38 Bein, Fritz: Handbuch der Soldatenverpflegung, Frankfurt a. M. 1956, 10.

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ten die Heeresküchen auf praxisrelevante Grundlagenforschung, ging es in den neuen spezialisierten Institutionen um Forschung unter dem Diktat »der Hetzpeitsche der Zeit, des Krieges, des Feindes«39. Dies betraf vornehmlich neue Lebensmittel, Qualitätsverbesserung und -erhaltung im Kriegsalltag, aber auch Fragen der Verarbeitung und Nutzung der »Produkte der besetzten Ostgebiete«40, also etwa von Hirse, Buchweizen oder Sonnenblumenkernen. Die Heeresinstitute stehen prototypisch für die Kooperation der Experten des eisernen Dreiecks, hier im Dreiklang von »Wehrmacht, Wirtschaft, Wissenschaft!«41, die durch zahlreiche Studiengesellschaften von Wehrmacht und Industrie projektbezogen ergänzt wurden.42 Um die zentrifugalen Folgen der polykratischen Strukturen auch im Ernährungssektor abzumildern und zugleich schneller zu anwendbaren Forschungs­ ergebnissen zu kommen, wurde im August 1940 schließlich die Arbeitsgemeinschaft »Ernährung der Wehrmacht« gegründet, die Militärs und Experten der öffentlichen Ernährungsforschung zur gemeinsamen Diskussion aktueller Ernährungsfragen zusammenführte.43 Zahlreiche Ausnutzungs- und Bilanzver­ suche wurden während der vierteljährlichen Tagungen besprochen, darunter auch Menschenversuche an Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Häftlingen, an Sterbenden und Verhungernden.44 Neben dieser Kooperation mit ausgewählten Fachleuten gab es gemeinsame Projekte mit öffentlichen Forschungseinrichtungen, nicht zuletzt mit dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie in Dortmund.45 Innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne legte man so die institutionellen Grundlagen für eine funktional optimierte wissensbasierte Militärverpflegung, deren Nutzung für Raub- und Vernichtungskriege sich vielfach schon in der Art der Forschungsprojekte spiegelte.46

39 Osterkamp, [Herbert]: Ansprache, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebens­ mittelforschung […], Stuttgart 1942, 2–3, hier 2. 40 Pieszczek, 1942, 4. 41 Theunert, [Hugo]: Ansprache, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 3. 42 Ziegelmayer, 1941, 100. 43 Pieszczek, 1942, 1–6. Die Aussage, »dass die wissenschaftlichen Größen des zivilen Sektors auch auf Dauer nicht beteiligt wurden«, so Thoms, Ulrike: »Ernährung ist so wichtig wie Munition«. Die Verpflegung der deutschen Wehrmacht 1933–1945, in: Eckart, Wolfgang U./Neumann, Alexander (Hg.): Medizin im Zweiten Weltkrieg. […], Paderborn u. a. 2006, 207–229, hier 214, verkennt den Charakter diese Arbeitsgruppe innerhalb des polykratischen NS -Wissenschaftssystems. 44 Detailliert hierzu Unger, 1991, 82–88. Vgl. auch Wissenschaft, 1944, 39. 45 Vgl. Unger, 1991, 101–103 bzw. Neumann, Alexander: Ernährungsphysiologische Humanexperimente in der deutschen Militärmedizin 1939–1945, in: Eckart, Wolfgang U./Ders. (Hg.): Medizin im Zweiten Weltkrieg. […], Paderborn u. a. 2006, 151–170, hier 152–154. 46 Eine Übersicht der deutschen Forschungsinfrastruktur im Frühjahr 1939 bietet Piegler, 1940.

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2. Durch die neuen Institutionen wurde es grundsätzlich möglich, die Speisenzubereitung wissenschaftlich und wirtschaftlich zu optimieren, also die Erkenntnisse der Bromatik praktisch anzuwenden. Gute Zubereitung und die richtige Kombination der Rohwaren sollten helfen, aus den vorhandenen Lebensmitteln möglichst viele Nähr- und Wirkstoffe herauszuziehen.47 Der Körper der Krieger wurde zum Gestaltungsfeld der Planer, die mittels physiologisch durchdachter Speisepläne Lebensmittel so zusammenstellten, dass die Resorption der Stoffe möglichst hoch lag. Dazu war es einerseits nötig, dass die Truppe die zugeteilten Lebensmittel auch konsumierte.48 Militärverpflegung war befehlsabhängig, die Planer konnten damit individuelle Abweichungen grundsätzlich ausschließen. Anderseits nahm der Zwang zu, den Stoffgehalt der Rohwaren trotz Verarbeitung, Lagerhaltung und Zubereitung möglichst zu bewahren. Die brüchige Ressourcenbasis des Deutschen Reiches erforderte daher besondere Investitionen in die Zubereitungskompetenz von Köchen und Zahlmeistern. Während in der kaiserlichen Armee die heimische Küche bzw. das subjektive Wissen der Hausfrauen Pate für die Ausbildung der Köche stand, war es nun objektiviertes Wissen auf Basis der Bromatik.49 Dadurch gerieten auch bisher vernachlässigte Aspekte »guten« Essens in den Blickpunkt, insbesondere der Geschmack der Speisen. Reflektierte Kochkompetenz führte zu besserer Konsistenz, und der systematische Einsatz »deutscher« Gewürze erlaubte Abwechslung und unterstützte die »Stimmung« der Soldaten – mochten diese zumeist auch aus den Gewürzplantagen des KZ Dachau stammen.50 Die grundsätzlichen Überlegungen mündeten in die neue Laufbahn des Feldkochunteroffiziers.51 Schon 1931 war die Verpflegung in den einzelnen Stand­ orten eindeutig zugeordnet worden, 1937 wurde die Leitung der Truppenküchen dann neu gestaltet. Kenntnis der Verwaltungsvorschriften, wirtschaftliche 47 Ziegelmayer, W[ilhelm]: Die Bedeutung des Speisenplanes für die Truppen- und Gemeinschaftsverpflegung, in: Pieszczek, E[rnst]/Ders. (Hg.): 1. Tagungsbericht der Arbeitsgemeinschaft Ernährung der Wehrmacht, Dresden/Leipzig 1942, 89–218. 48 Wacholder, K[urt]: Die »4. Feldkostzusammenstellung« bzw. »4. Speisenzusammenstellung für die im Heimatkriegsgebiet untergebrachten Einheiten des Ersatzheeres« in bezug auf Nähr-, Sättigungs-, Geschmacks- und Genußwert, in: Pieszczek, E[rnst]/Ziegelmayer, W[ilhelm] (Hg.): 1. Tagungsbericht der Arbeitsgemeinschaft Ernährung der Wehrmacht, Dresden/Leipzig 1942, 218–232. 49 Thoms, 2006, 210, stellte diese Ausrichtung auf eine gute Zubereitung als etwas grundsätzlich Neues dar, übersah dabei aber analoge Bestrebungen in der kaiserlichen Armee. 50 Vgl. hierzu Kopke, Christoph: Das KZ als Experimentierfeld: Ernst Günther Schenck und die Plantage in Dachau, in: Gabriel, Ralph u. a. (Hg.): Lagersystem und Repräsentation. Interdisziplinäre Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, Tübingen 2004, 13–28. Weitere Anbaugebiete mit insgesamt 125 ha lagen an der Berg- und Wein-Straße, im Raum von Aschersleben und in Südmähren (Vogel, 1942, 128). Nach Ziegelmayer, 1942, 49 wurden 1941 248 Millionen Portionen deutsche Gewürze ausgegeben. 51 Bein, 1943, 13–19.

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Kompetenz und nun auch Wissen über die notwendigen Lebensmittelinhaltsstoffe waren nachzuweisen.52 Seit 1936 begann eine systematische Ausbildung von Verpflegungsbeamten und Köchen; Kochlehrstäbe betrieben dann die dezentrale Fortbildung.53 Im Mittelpunkt stand dabei die standortgebundene Verpflegung, während die Feldkost mittels eines 1938 neu ausgearbeiteten und regelmäßig mit Rezepten erweiterten Feldkochbuchs angeleitet wurde.54 Damit glaubte die Heeresverwaltung nicht allein den strategischen Anforderungen genügen zu können, sondern auch »dem geänderten Lebensstandard, insbesondere der städtischen Bevölkerung«55. Auch wenn Professionalisierung, Verwissenschaftlichung und die allgemeine Hochschätzung der Diätetik durch die NS -Medizin56 die Stellung der Soldaten am Kochtopf und im Depot insgesamt heben halfen, wurden die Ausbildungsziele bis zum Beginn des Krieges doch vielfach nicht erreicht.57 Schließlich verfügte die Wehrmacht 1939 nur über vier ausgebildete Jahrgänge, die personellen Reserven waren entsprechend gering. Der rasche Vormarsch der motorisierten Truppen zeigte schon während des Angriffskrieges gegen Polen die Defizite der zumeist auf Pferdefuhrwerke und Eisenbahnen angewiesenen Verpflegungstrosse. Nur die kurze Dauer des Feldzuges und die Requirierung polnischer Lebensmittel verhinderte Unterversorgungen. Während des sog. »Sitzkrieges« 1939/40 unterrichteten Lehrstäbe der Heeresverwaltung unmittelbar an der Front, sodass Mitte 1940 immerhin ca. 100.000 Köche und Verpflegungsfachkräfte vorhanden waren, eine Zahl, die bis Mitte 1942 auf ca. 160.000 Feldköche erhöht werden konnte.58

52 Deickert, [Paul]: Leitung der Küchenverwaltung, ZHV 4, 1939, 215–217. 53 Diese bestanden aus zwei Feldköchen und einem Zahlmeister, vgl. Pieszczek, [Ernst]: Die Zubereitung der Feldkost, Militär-Wochenblatt 126, 1941/42, Sp. 400–401, hier Sp. 400. 54 Ziegelmayer, Wilhelm: Das Feldkochbuch der deutschen Wehrmacht, Zf VE 13, 1938, 267–278, hier 271–278; Pieszczek, 1941/42. Ähnliche Entwicklungen gab es auch im Ausland, vgl. Gute französische Küche für unsere Soldaten. Eine Schule für Militär-Köche, Zf VE 13, 1938, 278–281. 55 Schönauer: Ausbildung zum Feldkoch, ZHV 5, 1940, 69–72, hier 69. 56 Vgl. Flößner, O[tto]: Ernährung als gesundheitspolitisches Problem, in: Stepp, Wilhelm (Hg.): Ernährungslehre. Grundlagen und Anwendung, Berlin 1939, 526–589, hier 530–531. 57 Analog gelang es dem Regime nicht, die nötige Zahl und Qualität von Kasernen und Kantinen zu erreichen. Die Zielsetzung dokumentiert Franck, W.: Die elektrische Großküche für Mannschaftsverpflegung, Elektrizitätswirtschaft 35, 1936, 36–40. 58 Zahlen n. Die Verpflegung der Soldaten. Das Wirken der Arbeitsgemeinschaft »Ernährung der Wehrmacht«, DÄBl 70, 1940, 440; Ziegelmayer, Wilhelm: Maßnahmen der Heeresverwaltung zur Sicherung des Vitaminbedarfs und Erhaltung der Vitamine, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 43–74, hier 46. Das Heer war hier Vorreiter, entsprechende dezentrale Lehrküchen wurden in der Marine erst 1942 eingerichtet, vgl. Verheim, [Adolf]: Der Koch und seine Aufgaben, Die Barkass’ 4, 1944, 9–10, hier 10.

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Deren praktische Kompetenzen waren auch deshalb besonders wichtig, weil die Küchentechnik der Wehrmacht nur an wenigen Punkten verbessert wurde. Die Kantinenausstattung litt unter den Verwendungsrestriktionen für Stahl und Kautschuk. Die Feldküchenmodelle des Ersten Weltkrieges wurden modernisiert, nicht aber ersetzt. Neue, allerdings nur langsam bei der Truppe eingeführte Küchen mit Brateinrichtungen erlaubten Speisenvielfalt abseits der nach wie vor dominierenden Eintöpfe. Doch ihre Zahl reichte wie schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs nicht aus und wurde durch tschechische, später dann auch sowjetische Beutemodelle ergänzt.59 Selbstfahrende Feldküchen fehlten, und auch Kostkisten und Feldkochgeräte entstammten konzeptionell noch dem Zeitalter des Grabenkrieges.60 Dennoch entwickelte sich die Militärverpflegung zunehmend zu einer Vollverpflegung, die sich an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Deutschen Reiches und zugleich der Neuen Ernährungslehre orientierte.61 Mehrtopfgerichte wurden üblich, Fleisch portioniert und nicht eingeschnitten. Schon in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurde die Abendverpflegung in der Kaserne obligat, allein das Frühstück bestritt man individuell aus Brotportion und zusätzlichem Aufstrich. Fisch ersetzte zunehmend Fleisch, Speziallehrgänge erlaubten die Zubereitung von mindestens einer wöchentlichen Portion aus der Kolonie Meer.62 Grüne Salate wurden während der Erntezeiten üblich63, dagegen galt das vielfach geforderte frische Obst oder auch Süßmost als »eine Art Luxus«64, der im Rahmen der Verpflegungssätze kaum zu bezahlen war. Während des Krieges erweiterten sich die Versorgungsmöglichkeiten, da sich die Truppe – auf Kosten der einheimischen Bevölkerung – vornehmlich aus den besetzten Gebieten ernähren sollte und konnte. Das bedeutete aber keine dezentrale Beschaffung durch einzelne Truppenteile – mochte dies vielfach auch die Regel gewesen sein –, sondern die Beschaffung, Verarbeitung und Verteilung durch die Heeresverwaltung, um eine physiologisch ausgewogene Verpflegung zu garantieren.65 Zugleich setzten die Planer auf die Zubereitungskompetenz der Feldköche und ihre wissenschaftlich erprobten Rezeptvorlagen. Sie waren für die Moral unabdingbar, materialisierten qua Geschmack immer auch 59 Zu den eingesetzten Feldküchen vgl. detailliert Bein, 1943, 200–253. Vgl. auch Dehoff, Heinz: Probleme der Truppenverpflegung, Zf VE 17, 1942, 299–300. 60 Vgl. Führer durch die Ausstellung Armeen werden versorgt, 2. Aufl., o. O. 1941, 51. 61 Herrmann: Von der Bedeutung der Truppenverpflegung, Die Barkass’ 4, 1944, 64. 62 Vgl. Seefisch bei der Reichswehr, DFR 60, 1937, 320–321; Fischkochkurse für Wehrmacht und Arbeitsdienst, DFR 1938, 107. 63 Ott, [Maximilian]: Neuzeitliche Ernährung beim Heer, Zf VE 13, 1938, 94–95, hier 95. 64 Kittel, 1939, 76. 65 Truppenärzte, Verwaltungsbeamte und Feldköche waren angehalten, Lebensmittel und Speisen nach ihrem Nähr- und Wirkstoffgehalt zu klassifizieren. Vgl. Vitaminreiche Ernährung unserer Soldaten. Die Wissenschaft im Dienste der Wehrmacht, DÄBl 70, 1940, ­59–60, hier 60 (Schreiber).

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ein Stück Heimat.66 Der Feldkoch agierte als verlängerter Arm der Ernährungsplaner. Seine Stellung wurde symbolisch aufgewertet, zugleich aber an völkische Pflichten rückgebunden.67 Die Ernährungsplaner verstanden ihre Aufgabe analog zur wissenschaftlichen Betriebsführung. Nicht mehr die unausgebildete Hausfrau mit all ihren subjektiven Befindlichkeiten stand am Herd, sondern berechenbar agierende Köche. Während die physiologische Forschung die stoffliche Grundlage eines unter verschiedensten Bedingungen und Belastungen optimal funktionierenden Biokörpers ermittelte, erlaubte die bromatische Forschung eine kleinteilige technologische Optimierung auf allen Ebenen der Ernährungskette. Sie zielte nicht nur auf wirtschaftlich machbare und stofflich gehaltvolle Lebensmittel, sondern auch auf Fragen von Geschmack und Ästhetik der dargebotenen Kost.68 3. Sah man den Soldaten nicht allein als Befehlsempfänger, sondern auch als Quasi-Konsument, so musste die Lebensmittelpalette grundlegend umgestaltet werden. Drei Entwicklungen traten dabei besonders hervor: Erstens nahm die Zahl der ausgegebenen Lebensmittel deutlich zu. Mitte 1941 waren es 138, mehr als doppelt so viele wie im Ersten Weltkrieg.69 Bis Oktober 1942 erreichte sie 158 Lebensmittel, von denen nicht weniger als 146 gewerblich verarbeitet waren.70 Auch wenn frische Kartoffeln, Fleisch, Obst und Gemüse mengenmäßig dominierten, prägte künstliche Kost doch zunehmend die Militärverpflegung. Zweitens basierte dieser Wandel auch und gerade auf der systematischen Nutzung von Austauschstoffen. Die Wehrmacht profitierte nicht nur vom Vierjahresplan, sondern setzte diesen im Bereich der Ernährung auch um. Unzureichender »Lebensraum« und klimatische Benachteiligung sollten durch wissenschaftliche Expertise ansatzweise konterkariert werden.71 Trotz einer beträchtlichen Vorratswirtschaft des Heeres, für die von 1934 bis 1938 ca. 240 Mio. RM aufgewandt wurden72, ersetzte man devisenträchtige und im Falle 66 Schreiber, W[alther]: Die Ernährung des Soldaten, in: Handloser, Siegfried/Hoffmann, Wilhelm (Hg.): Wehrhygiene, Berlin 1944, 248–275, hier 253. Zur praktischen Umsetzung vgl. detailliert Ziegelmayer, 1944, 285–291. 67 Verheim, 1944, 9. 68 Vgl. als Überblick Ziegelmayer, 1940 sowie die programmatischen Ausführungen des Leiters der Münchener Ernährungswissenschaftlichen Forschungsstelle Lauersen, [Fritz]: Ueber die rationelle Zubereitung der Kartoffel in der Truppen- und Feldküche, MMW 88, 1941, 1128–1133, hier 1128–1129. 69 Pieszczek, [Ernst]: Zur Verpflegung des Soldaten, Militär-Wochenblatt 125, 1940/41, Sp. 1881–1882, hier 1881. 70 Ders.: Lebensmittelforschung bei der Wehrmacht, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 3–4, hier 3. 71 Ziegelmayer, 1938, 268. 72 Becker: Fünf Jahre Arbeit der Heeresverwaltung in Zahlen, ZHV 4, 1939, 164–170, hier 166.

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einer Wirtschaftsblockade nicht mehr verfügbare Rohwaren durch einheimische Substitute. Dies betraf nicht allein die zahlreichen deutschen Gewürze, sondern auch Küchengrundstoffe wie Sago oder Reisstärke, die durch »deutschen Reis«, also Kartoffelstärke, ersetzt wurden.73 Der wichtigste Austauschstoff war gewiss die Sojabohne, die in den ersten Kriegsjahren als »Nazi-Ernährungspille«74 zum Symbol für die Innovationskraft der deutschen Heeresverwaltung wurde (Kap. 5.5.2).75 Vorangetrieben von dem vielfach als »Sojamonomanen«76 bezeichneten Wilhelm Ziegelmayer, diente sie, je nach Verarbeitungsform, zur Eiweißanreicherung von Dosenwürstchen, als Grund- und Ergänzungsstoff für Suppen, Eintöpfe und Breie sowie als Konzentrat für die Sonderverpflegung von Kampftruppen. Hohe biologische Wertigkeit und eine hohe Nährstoffdichte machten Soja zu einem grundsätzlich idealen Austauschstoff, dessen Einsatz zudem half, Transportmittel zu sparen. Die verarbeiteten Mengen stiegen daher schnell von 3.000 t 1938 auf 18.000 t im Wirtschaftsjahr 1942/43. Dadurch konnten etwa 6 % des Fleischbedarfs der Wehrmacht substituiert werden.77 Der fehlende Eigengeschmack erforderte allerdings den Zusatz von Geschmackskomponenten, förderte also den Einsatz von Würzmitteln, Konzentraten oder Aromen. Austauschstoffe wie Soja wurden jedoch meist als Lebensmittelbestandteile verabreicht, waren demnach nicht zu sehen. Die Ästhetik der Speisen blieb konventionell und wurde an tradierte Vorstellungen für sättigende und stärkende männliche Kost angepasst. Ein Beispiel hierfür ist der Bratling, eine Innovation der vegetarischen Bewegung der Jahrhundertwende, der im Arbeitsdienst und der Wehrmacht seit ca. 1938 eingeführt und als »Westwall-Bulette« (weil uneinnehmbar) bzw. »Leuna-Bulette« bezeichnet wurde.78 Dieser Anklang an die chemische Industrie spiegelt die Perzeption der neuen künstlichen Kost, die faktisch eine Mischung aus Soja-, Getreide- und Milcheiweiß mit diversen Gewürzen war, deren Form aber während des wöchentlich vorgeschriebenen fleischlosen Tages an Fleischstücke erinnerte. 1941 wurden 16.499 t Bratlingspulver konsumiert, 1942 noch deutlich mehr, auch wenn die anvisierten 50.000 t nicht erreicht wurden.79 Zahlreiche weitere Austauschprodukte wurden an die Soldaten verabreicht, etwa Kakaotrunk aus Magermilch, Eiweißersatzmittel wie Wiking Eiweiß oder Milei, Hefeextrakte, Suppen- und Soßengrundstoffe sowie synthetische Fette. Derartige Maßnahmen wurden auch von Hitler begrüßt, der nicht nur gutes und gesundes Essen forderte, sondern auch,

73 Schmidt, 1940, 88. 74 Vgl. Die »Times« und die »Nazi-Ernährungspille«, ZHV 5, 1940, 164. 75 Grundlegend hierzu Drews, 2004, 166–189. 76 Ziegelmayer, 1941, 102. 77 Zahlenangaben n. Drews, 2004, 186. 78 Ziegelmayer, 1941, 103. Zur Zubereitung vgl. Bein, 1943, 50. 79 Ziegelmayer, 1942, 66.

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dass »man diese wichtigen Stoffe zusetzt, damit der Mann auch gesund bleibt.«80 Die Wehrmacht nutzte innovative Produkte der Lebensmittelindustrie, förderte aber je länger, je mehr deren Entwicklung. Die Pull-Faktoren der stetig wachsenden Nachfrage des Millionenheeres waren beträchtlich. Zudem versuchten die Ernährungsplaner die Verpflegung auch auf in Deutschland ausreichend vorhandene Lebensmittel zu lenken: Fisch statt Fleisch, Roggen statt Weizen, Morgensuppen statt Kaffeefrühstück. Derartige Revitalisierungen tradierter Mahlzeitensysteme führten teilweise zu intensiviertem Anbau kaum mehr genutzter Lebensmittel, etwa des Dinkels. Drittens veränderte sich der Stellenwert konservierter Nahrung grundsätzlich. Waren Konserven in der kaiserlichen Armee und der Reichswehr vornehmlich Bestandteile der eisernen Portion, so bildete konservierte Nahrung seit Ende der 1930er Jahre zunehmend die Grundlage der Militärverpflegung. Vorverarbeitete und konservierte Lebensmittel ersetzten vielfach Rohwaren, ersparten Zeit und Transportmittel und ermöglichten damit eine höhere Kampfkraft. Bei Kriegsbeginn war die von den Feldküchen transportierte eiserne Portion auf pro Person 250 g Zwieback/Knäckebrot, 200 g Fleischkonserven, 150 g Wehrmachtssuppenkonserven sowie 20 g Kaffee geschrumpft, reichte damit nur einen Tag.81 Die Soldaten führten dagegen nur eine gekürzte Portion aus 250 g Zwieback/Knäckebrot und 200 g Fleischkonserven mit sich. Die mit der beginnenden Mechanisierung einhergehende Option eines durch die koordinierte Kampfkraft von Panzern, Artillerie, Infanterie und Luftstreitkräften möglichen Bewegungskrieges ließ obligate Notvorkehrungen für alle Soldaten in den Hintergrund treten. Stattdessen wurde spezialisierte Notnahrung für die jeweiligen Truppengattungen üblich (Kap. 6.2.2).82 Während also der tradierte Einsatzort künstlicher Kost an Bedeutung verlor, entwickelte sich die tagtägliche Ver­ pflegung zum Experimentier- und Kampffeld von Ernährungswissenschaft und Lebensmitteltechnologie. Obwohl die Lebensmittelbezeichnungen sich vielfach nicht änderten, veränderten sich die Lebensmittel selbst. Brot etwa, 1939 mit 750 g pro Tag das wichtigste Lebensmittel, auf das vor Kriegsbeginn 40 % der Eiweiß- und 70 % der Kohlenhydratzufuhr entfielen, war Gegenstand zahlreicher Optimierungsversuche der Militärärztlichen Akademie, an deren Ende ein Kompromiss zwischen Stoffgehalt und Gebrauchswert stand.83 Die Reformbewegung forderte vehement ein Vollkornbrot, das 80 Zit. n. Herrmann, 1944, 64. Anlass war die Vorstellung und Verkostung der neuen Truppenverpflegung bei der Besichtigung des Westwalls, vgl. Ziegelmayer, Wilhelm: Der Führer läßt sich die Verpflegung der Festungstruppen vorführen, Zf VE 14, 1939, 285–286. 81 Die eiserne Ration, Zf VE 11, 1936, 301; Bein, 1943, 265–266. 82 Vgl. Luft, U[lrich]: Verpflegung, in: Handloser, Siegfried/Hoffmann, Wilhelm [Hg.]: Wehrhygiene, Berlin 1944, 487–493. 83 Ziegelmayer, W[ilhelm]: Verpflegungs- und Küchentechnik, in: Kittel, Walther/Schreiber, Walter/Ders. (Hg.): Soldatenernährung und Gemeinschaftsverpflegung, Dresden/Leip-

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nicht zuletzt höhere Vitamin- und Eiweißgehalte aufwies als das in der Reichswehr übliche Kommissbrot mit 82 %iger Ausmahlung. Die praktischen Nachteile, nämlich erhöhte Flatulenz, längere Gewöhnungszeit, Probleme bei der Lagerhaltung durch den höheren Fettgehalt und die höheren technischen Anforderungen an das Backen, schienen den Militärs jedoch schwerwiegender zu sein.84 Aufgrund seines hohen Gewichtes und seiner nur begrenzten Haltbarkeit wurde gleichwohl versucht, ein besseres Brot zu entwickeln. Obwohl in der Herstellung deutlich teurer, reichte man seit 1938 ergänzend auch Knäckebrot. Dieses ursprünglich aus dem bäuerlichen Milieu Schwedens stammende, seit 1927 im Deutschen Reich vom Brotreformer Wilhelm Kraft industriell gefertigte Vollkornflachbrot bildete nicht nur ein »nordisches« Lebensmittel, sondern war auch monatelang haltbar und ersparte wegen seines geringen Wasseranteils beträchtliche Transportmittel.85 Allerdings musste es aufgrund seiner Wasser anziehenden Eigenschaften verpackt werden. Militärärzte untersuchten zahlreiche Zumischungen, etwa von Kartoffelwalzmehl, Roggenkeimlingen oder Milcheiweiß, doch nach hunderten von Fütterungs- und Truppenversuchen setzte sich die aus reinem Roggenmehl bestehende Variante durch.86 Knäckebrot diente als Notfallreserve, eiserne Portion und Abwurfnahrung. 1941 wurden 10.500 t, 1942 dann 15.830 t produziert.87 Ferner stellte die Wehrmacht Heeresdauerbrot, Steinmetz-Dauerbrot, das pumpernickelartige Wepu-Dauerbrot sowie den in Cellophan vorverpackten Feldzwieback her, allesamt Brotsorten, die aufgrund ihrer langen Haltbarkeit als Sondernahrung geeignet waren.88 »Brot« war ein vielgestaltiges Lebensmittel geworden. Das galt auch für Fleisch, das von den deutschen Besatzungsarmeen vielfach aus den Beständen der besetzten Gebiete entnommen wurde. Doch auch Frischfleisch wurde häufig eingedost, da es sich um ein hygienisch heikles Lebensmittel handelte und Vorräte angelegt werden mussten.89 Da die Heereskonservenfabriken nach dem Ersten Weltkrieg aufgegeben werden mussten, kauften die Militärs bei der Privatindustrie, verpflichteten diese jedoch mit strikten zig 1939, 112–333, hier 244; Ernährung, 1940, 60. Die Brotportionen des Feldheeres sanken bis Dezember 1940 auf 600 g, ehe sie Mitte 1944 wieder erhöht wurden, um so andere Versorgungsengpässe zu kompensieren. 84 Kittel, 1939, 76–77. 85 Schreiber, 1944, 261. 86 Schreiber, [Walter]: Die Vitamine in der Ernährung des Soldaten, Zf VE 15, 1940, ­45–47, hier 46. 87 Ziegelmayer, 1942, 66. 88 Ziegelmayer, W[ilhelm]: Verpflegung des Soldaten, in: Handloser, Siegfried/Hoffmann, Wilhelm (Hg.): Wehrhygiene, Berlin 1944, 278–294, hier 282. 89 Dies galt insbesondere für Trichinose, vgl. etwa Parrisius, W[alter] u. a.: Erfahrungen während einer Trichinose-Epidemie!, Der deutsche Militärarzt 7, 1942, 198–209; S­ paeth, H[elmtrud]: Die Trichinose. Nach Beobachtungen an mehreren Gruppenerkrankungen, DMW 68, 1942, 912–916.

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Qualitätsvorgaben, deren Einhaltung ebenso wie die Dichtigkeit der Konserven regelmäßig am Produktionsort kontrolliert wurde.90 Das galt auch für Aussehen, Geruch und Geschmack der eingelagerten Konserven, ergänzend wurde eigenständige Forschung betrieben. Aromastoffe untersagte man und stellte die Kupfergrünung in Frage, da sie Vitamin C zersetzte.91 Diese Rahmensetzungen erlaubten nicht nur vergleichsweise hochwertige Fleischkonserven, sondern auch Fertiggerichte aus Fleisch, Gemüse und Kartoffeln, insbesondere für Panzersoldaten. Gemüsekonserven bildeten auch in den 1930er Jahren eine Schwachstelle, da Haltbarkeit und Vitamingehalt trotz neuer Kunststoffverpackungen und dem Zusatz von Hefeextrakten gering waren.92 Dosenkonserven waren unverzichtbar, galten zugleich aber lediglich als »Notbehelfe«93, die durch Frischkost oder vitaminhaltige Konzentrate ergänzt werden mussten. Das zentrale Problem bildete allerdings das Dosenmaterial. Trotz bevorzugter Belieferung wusste man nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, dass der immens anschwellende Bedarf auch durch den Einsatz vernierter Dosen bzw. der neu entwickelten Wehrmachtspritzdosen nicht voll gedeckt werden konnte (Kap. 5.3.2).94 Seit Ende der 1930er Jahre getestete Kunststoffüberzugsmassen waren zu teuer und wirkten sich teils negativ auf den Geschmack der Fleisch­ waren aus.95 Entsprechend investierte das NS -Regime zunehmend in die Gefrier- und Trocknungstechnik. Auch hier dominierte anfangs tradierte Technik. Die Okkupationstruppen von Österreich, dem sog. Sudentenland, der sog. Resttschechei und auch Polens hatten Gefrierfleisch in ihren Versorgungstrossen, dessen Produktion 1940 auf ca. 200.000–300.000 t gesteigert werden sollte.96 Dies misslang wegen der mangelhaften Ausstattung mit Kühlmaschinen und Problemen bei der Rohwarenversorgung. Die parallel mittels Birdseye-Apparaten produzierten »Fleischziegel«, also in große Pappschachteln gefülltes und dann zu stapelfähigen Rechtecken schnellgefrorenes Fleisch, besaßen aufgrund ihrer deutlich tieferen Temperaturen eine durchschnittlich höhere Qualität, doch auch hier fehlte es an Maschinen 90 Anforderungen an das Fleisch und die Prüfung der Haltbarkeit von Heereskonserven, ZFMH 45, 1934/35, 157–158; Konrich/Walther/Schreiner, 1936, 124–125; Stutz, Leopold: Die Herstellung und Beurteilung der Dosenkonserven vom militär-hygienischen Standpunkte, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 549–558; Führer, 1941, 42, 44. 91 Klodt, 1938, 93. 92 Die kombinierten 150 g-Cellophan-Pergamentbeutel aus Getreide- und Leguminosenmehlen sowie Fett und Gewürzen bildeten lediglich zu erwärmende Fertiggerichte, vgl. Konrich, 1943, 29. 93 Kittel, 1939, 84. 94 Vgl. Pieszczek, 1940, 29; Ders.: Zur Schwarzblechdosenfrage, Volksernährung und Kochwissenschaft 19, 1944, 95. 95 Ders.: Haltbarmachung von Lebensmitteln, insbesondere Fleischerzeugnissen durch Tauchverfahren, Ueberzugsmassen und dergl., Zf VE 17, 1942, 205–206. 96 Pieszczek, 1940, 30.

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und Tiefkühllagerräumen.97 1942 wurde etwas mehr als ein Viertel des Fleischbedarfs, ca. 169.000 t, in Dosen konserviert oder aber gefroren.98 Die lebensmitteltechnologischen Fortschritte ließen es seit 1940 allerdings sinnvoll erscheinen, die Gefriertechnik schon aus Gründen einer saisonal ausgeglichenen Nutzung der Aggregate stärker auf nachgeführtes Gemüse und auch Obst zu konzentrieren, Fleisch dagegen insbesondere in Osteuropa direkt aus den dortigen Beständen zu entnehmen.99 Zudem gewann die Vitaminversorgung an Bedeutung. 1941 verbrauchte die Wehrmacht 12.000 t tiefgefrorenes Gemüse bzw. 3.000 t Obst, 1942 stiegen diese Werte auf mehr als das Doppelte, insgesamt ca. 80 Mio. Verpackungen.100 Dieses rapide Wachstum ging jedoch vielfach zu Lasten der Qualität: 1941 durchgeführte Kontrollen ergaben nur etwa ein Viertel »Spitzenerzeugnisse«.101 Die Konsequenz waren intensivierte Forschungsanstrengungen, um die Prozessführung zu verbessern und die für die Gefriertechnik möglichst gut geeigneten Pflanzen zu bestimmen. Zugleich aber begannen das Oberkommando des Heeres, die Geschäftsgruppe Ernährung der Vierjahresplanbehörde und die Gefrierindustrie damit, eine europäische Verbundwirtschaft in der Nähe der Haupterzeugungsgebiete einzuführen, »so für Fische an die Küsten NordNorwegens, für Gemüse nach Holland und in die Gemüseanbaugebiete Frankreichs, für Obst nach Italien und nach den Balkanstaaten.«102 Trotz anfänglicher Produktionssteigerungen kollabierte dieses energieintensive System seit 1943 wegen des Mangels an Gefrieraggregaten, Lager- und Transportmaterial. Entsprechend gewann die Lebensmitteltrocknung im Laufe des Krieges immer größere Bedeutung. Auch wenn die Forschungen spätestens mit dem Vierjahresplan eingesetzt hatten, waren die praktischen Erfolge vor dem Zweiten Weltkrieg gering. Höherwertige Produkte für Soldaten produzierten vor dem Krieg nur fünf Privatbetriebe mit einer Jahreskapazität von 9.500  t. Die Wehrmacht gründete nach Kriegsbeginn zusätzlich eigene Firmen, im Herbst 1941 konnten 20 Betriebe knapp 20.000 t qualitativ hochwertige Trockenkartoffeln herstellen.103 1942 stieg diese Zahl auf 30.000 t, 1944 waren es schließ 97 Heiss, R[udolf]: Die Aussichten der Gefrierdauerwaren, Zf VE 16, 1941, 254–256, hier 255; Ziegelmayer, 1941, 106. 98 Pieszczek, 1942, 3. 99 Vgl. Jacobi: Gefrierkonserven für die Versorgung der Kriegsmarine, ZHV 5, 1940, 72–73. 100 Angaben n. Ziegelmayer, 1942, 66; Nicolaus, H.: Aufgaben der Lebensmittelverpackungsindustrie, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 9–10, hier 10. Noch 1937 glaubte man innerhalb der Ärzteschaft, ohne konserviertes Obst auskommen zu können, vgl. Berichte, 1938, 76–77 (Jungheim). 101 Heiss, R[udolf]: Ergebnis der ersten Qualitätsprüfung der deutschen Gefriergemüseund Gefrierobstproduktion, ZKI 48, 1941, 147–149. 102 Heiss, 1941, 256. 103 Pieszczek, 1941, 116. Zum Stand Mitte der 1930er Jahre vgl. Konrich/Walther/Schrei­ ner, 1936, 116–126.

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lich 85.000 t.104 Die Zivilbetriebe erhielten Abnahmegarantien zu festgesetzten Preisen, konnten durch innerbetriebliche Rationalisierung ihre Gewinne also steigern, während Normativvorschriften und Kontrollen die standardisierte Mindestqualität sicherten.105 Ähnlich verlief die Entwicklung der Trockengemüsefabrikation.106 Die Trocknung ermöglichte eine gegenüber dem Frischgemüse beträchtliche Gewichtsreduktion um den Faktor 6 bis 12. Durch die nachträgliche Pressung sank das Volumen auf teils weniger als ein Zwanzigstel von Frisch- und ein Zehntel von Dosengemüse. Dies reduzierte auch den Verpackungsbedarf. Zugleich handelte es sich um vorgeputzte und geschnittene Kartoffeln bzw. Gemüse, entsprechend verringerten sich die Feldküchenarbeiten ganz erheblich. Zubereitungsarbeit wurde auf die Heimatfront ausgelagert, da die Köche im küchentechnischen Umgang mit diesen Konserven geschult waren. Getrocknete Lebensmittel waren damit auf den Bewegungskrieg und die Schwächen des deutschen Transportsystems zugeschnitten. Allerdings besaßen sie zwei wesentliche Nachteile: Zum einen war der Geschmack gewöhnungsbedürftig, zum anderen wurden durch den Hitzeeinsatz die meisten Vitamine zerstört. Einsatz von Trockenprodukten implizierte daher immer auch die Abgabe von Vitaminpräparaten. Künstliche Kost erforderte weitere künstliche Kost. Die Heeresverwaltung baute parallel umfassende Kontrollsysteme aus, förderte die Grundlagenforschung und regte technische Innovationen der Trocknungstechnik an.107 Doch eine Massenproduktion gehobener Qualitäten gelang kaum, da Vakuumtrockner fehlten und die neuartige Heißwalzentrocknung breiartige Konsistenzen produzierte, die mit dem üblichen Küchenarsenal der Truppe nicht einfach zubereitet werden konnten.108 Auch wenn es durch eine systematische Kontrolle der verarbeiteten Lebensmittel, durch schonendere Trocknungsprozesse, neue Presstechniken sowie verbesserte Lagerung gelang, den Vitamingehalt auf bis zu 50 % des Ausgangsmaterials zu steigern, forderte die immense Produktions-

104 Angaben n. Pieszczek, 1942, 3 und Ziegelmayer, 1947, 448. 105 Vgl. Luithlen, H. sr.: Trockengemüse, ZHV 5, 1940, 47. 106 Vor dem Krieg produzierten 16 Unternehmen 1.600 t, bis 1941 stieg diese Zahl auf 85 mit einer Produktionskapazität von ca. 12.000 t, von denen die Wehrmacht mehr als 9.200 t erhielt. Die Mengen entsprachen einem Verarbeitungsvolumen von ca. 170.000 t Gemüse, also etwa einem Viertel der Gesamtmenge (Pieszczek, 1941, 116–117). 107 Fachmann, W[alter]: Gesetzliche Regelungen, in: Schieferdecker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 129–138, hier 137–138. Die Kontrolltätigkeit des Pharmazeutisch-chemischen Instituts der Militärärztlichen Akademie spiegelt Diller, H[ans]: Über den Einfluß der Trocknung auf den Carotingehalt von Trockengemüsen, VLF 4, 1941, 389–396. 108 Meinecke, W[alter]: Entwicklungsmöglichkeiten der Gemüse- und Obstkonservierungsverfahren, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 12–15.

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Abb. 82a+b: Trockengemüse verpackt und zubereitungsfertig

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steigerung doch ihren Tribut.109 Die Trockenapparate wurden vielfach aus stillgelegten Mälzereien, Brauereien, aus der Fisch- oder Süßwarenindustrie requiriert, entsprechend disparat waren letztlich die Produkte.110 Auf der einen Seite standen innovative Hightechprodukte, wie etwa gefriergetrocknete Gemüsesäfte bzw. Tomaten-, Käse-, Apfel- oder Marmeladepulver, die mit parallelen US -Entwicklungen unmittelbar vergleichbar waren.111 Doch ein großer Teil der Trockenprodukte glich ihren Vorläufern aus dem Ersten Weltkrieg.112 Die höhere Zubereitungskompetenz und bessere Würzmittel erlaubten zwar Speisen mit akzeptablem Geschmack, doch eine Massenproduktion wirklich hochwertigen Trockengemüses gelang nicht. Fasst man die Veränderungen der Lebensmittelpalette zusammen, so weisen zahlreiche Innovationen und Technologien über die Wehrmacht hinaus hin auf den Massenmarkt der Nachkriegszeit. Die reine Zahl der neuen Produkte war erstaunlich, verknüpfte die Wehrmacht doch das bestehende physiologische und lebensmitteltechnologische Wissen mit ökonomischen Anreizen für die Privatwirtschaft und beachtete zugleich die Besonderheiten des militärischen Dienstes. In den angelsächsischen Staaten nahm man bis zur Kriegsmitte den deutschen Rüstungsvorsprung in der Truppenküche überrascht zur Kenntnis.113 Das Wettrüsten der Verpflegungssysteme gewannen Briten und US -Amerikaner jedoch nicht dank ihrer nun auf den Krieg ausgerichteten Forschungskapazitäten, sondern wegen ihrer Fähigkeit, dieses Wissen auch in Massenproduktion umzusetzen. Die Wehrmacht erreichte beträchtliche Verbesserungen gegenüber dem Ersten Weltkrieg und der Reichswehrzeit, doch die physische Leistungsfähigkeit der Soldaten hing in der Phase des Abnutzungskrieges immer stärker von der Lebensmittelbasis der eroberten Gebiete ab. 4. Schließlich veränderte sich die Struktur der Militärverpflegung deutlich. Auch wenn die tradierte Trennung von Brot- und Beköstigungsportion durchweg beibehalten wurde, waren die Soldaten mit der Einführung der obligatorischen Abendverpflegung doch grundsätzlich voll verpflegt. Während des Krieges sorgten die Ernährungsplaner für ein auskömmliches Frühstück, zudem 109 Vgl. das Optimierungsszenario bei Heiss, R[udolf]: Gegenwärtiger Stand und zukünftige Entwicklungsmöglichkeit der Vorratshaltung von Lebensmitteln, ZHV 4, 1939, 217–220 bzw. den Verpflichtungsdiskurs bei Töllner: »Kampf dem Verderb« bei der Heeresverwaltung, ZHV 5, 1940, 131–134. 110 Fachmann, 1940, 524. 111 Ziegelmayer, 1941, 101. Zur Kooperation von Gefrier- und Trocknungsindustrie vgl. Mosolff, 1942, 15. 112 Zu den Defiziten s. Ziegelmayer, W[ilhelm]: Über die Verwendung von konzentrierten Nahrungsmitteln zur Bereitung eines Mittagessens aus einem, zwei und drei Gängen, Volksernährung und Kochwissenschaft 19, 1944, 99–102, 104–106, hier 100. 113 Farnsworth, Helen V.: Wartime Food Developments in Germany, Stanford 1942, 29.

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wurden Zwischenmahlzeiten, zumal ein zweites Frühstück, obligat.114 Auch die Unterscheidung der Kostformen von Feld- und Ersatzheer wurden beibehalten, zugleich aber durch eine zunehmend genauere Differenzierung der Nähr- und Wirkstoffzufuhr nach Beanspruchungsprofil ausgehöhlt. Dies folgte nicht nur Klagen der Rüstungsarbeiter über die reale Begünstigung von aufzufütternden Truppenteilen, sondern ebenso der begrenzten Ressourcenlage des Deutschen Reiches.

6.1.2 Auf der Suche nach künstlicher Natur. Verpflegungsdebatten während des Krieges Die Neugestaltung der Militärkost erschien nach den deutschen Siegen 1939/40 als voller Erfolg.115 Anders als im Ersten Weltkrieg schien das eiserne Dreieck seine Bewährungsprobe bestanden zu haben. Dabei abstrahierte man von zahlreichen Ausbildungsdefiziten, unzureichender Küchentechnik und Transportdefiziten, imaginierte zugleich aber auch eine sichere Wissensbasis:116 »Die Grundlagen für die Soldatenernährung liefert die Wissenschaft. Sie bereitet den Weg zur Nahrungsfreiheit und gibt der Wehrmacht ihre hohe Leistungs­ fähigkeit.«117 Gleichwohl zeigte sich auch und gerade im Zwangskollektiv Wehrmacht, in der Essen Ausdruck von Befehlsgewalt und Gehorsamspflicht war, dass die innere Brüchigkeit des objektivierten Wissens und die Anspruchshaltungen des tradierten Ernährungsalltages ebenso Beachtung finden mussten wie die überstrapazierten Ressourcen. Die Durchsetzung künstlicher Kost stieß allen objektiven Vorteilen zum Trotz an Grenzen. Das galt erst einmal auf Basis der Alltagskost. Diese war regional heterogen.118 Das Stoffparadigma erlaubte, einheitliche Vorgaben aufzustellen, die gewählten Lebensmittel und Speisen jedoch dezentral zu variieren, und so dem tradierten Geschmack der Soldaten und der lokalen Verfügbarkeit bestimmter Lebensmittel zu genügen. Eine Verreichlichung der Soldatenkost war nicht vor 114 Ziegelmayer, 1942, 100–101. 115 Schmidt-Lange, W[alter]: Wasserhygiene im Kriege, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 324–329, hier 324. Vgl. Ziegelmayer, Wilhelm: Die moderne Verpflegung der deutschen Wehrmacht, FD 11, 1941, 99–107. 116 Zur tendenziell unzureichenden Mineralstoffversorgung vgl. Tagungsbericht, 1942, 237 (Lauersen), 240 (Ott); Schreiber, 1944, 271. Neben den Vitaminen stand v. a. das Eiweiß im Mittelpunkt der Debatten, zumal nach Rezeption der grundlegenden Arbeiten Roses, vgl. Konrich, 1943, 15–16; Schreiber, 1944, 258, 269. Zur Einordnung vgl. Carpenter, Kenneth J.: Proteins, in: Kiple, Kenneth F./Orenelas, Kriemhild Coneé (Hg.): The Cambridge World History of Food, Bd. 1, Cambridge u. a. 2000, 882–888. 117 Schmalfuss, Hans: Die Bedeutung der Nährstoffe für die Soldatenernährung, Posen 1944, 11. 118 Vgl. Spiekermann, 1997.

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gesehen. Heimatkost ließ die Soldaten die Trennung von zu Hause leichter verdauen und besaß eine wichtige ideologische Komponente, indem sie den Einzelnen an »Blut und Boden« zurückband. Zugleich traten die feinen Unterschiede der regionalen Mahlzeitensysteme hervor. Während generell eine sättigende und kräftigende Nahrung bevorzugt wurde, lagen die Unterschiede vielfach bei Gewürzen, Beilagen, Brotaufstrichen und den bevorzugten Fetten. Künstliche Kost setzte genau hier an, schuf nachbildend und konservierend Heimatsubstitute. Gerade der Propagierung »deutscher« Gewürze kam hierbei eine Schlüsselrolle zu, würzte man neben Speisen doch auch Brot.119 Feldköche wurden entsprechend ausgebildet.120 Zugleich dokumentierte künstliche Kost aber – etwa in Form der Komprimate der Sonderverpflegung – Sorge für Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Soldaten. Sie begrenzte zugleich eine parallel angestrebte Revitalisierung älterer, eiweiß- und fettärmerer Kostformen. Versuche, Morgensuppen anstelle von Kaffee zu reichen, setzten sich letztlich nicht durch.121 Während des Krieges, insbesondere nach dem Angriff auf die Sowjetunion, zeigten sich allerdings auch negative Folgen der regional disparaten Speisen. Tausende Kilometer fern der Heimat war es kaum mehr möglich, derartiges »Soulfood«122 zu liefern. Mochten Gewürze oder Regionalgerichte des Feldkochbuches auch gegensteuern, so spiegelte sich die Ferne zur Heimat doch nun auch in der Feldkost wider. Heimatsubstitute konnten diese Realität letztlich kaum kaschieren. Die Ernährungsplaner berücksichtigten also durchaus kulturelle Traditio­ nen. Neue Austauschstoffe sowie Konservierungstechniken standen dazu nicht im Widerspruch, denn sie zielten auf bekannte Lebensmittel und Speisen, adaptierten deren Funktion und auch Geschmack und wurden den Soldaten zudem meist in der ästhetisierenden Endform einer Speise vorgesetzt. Die reflektierte Beachtung von Alltagstraditionen und Grundfesten männlicher Ernährungskultur reichten allerdings weiter: Alltagsdrogen, wie Tabak und Alkohol, wurden durch die NS -Gesundheitsführung seit spätestens 1938 bekämpft, die Werbung in der Öffentlichkeit begrenzt und der Konsum insbesondere von Frauen und Jugendlichen diskreditiert.123 Die realen Gesundheitsgefahren auch mäßigen 119 Konrich/Walther/Schreiner, 1939, 110, verwiesen auf Zugaben von Kümmel bzw. Anis. 120 Schönauer, 1940, 70. 121 Henselmann, Herbert: »Muß es denn immer Bohnenkaffee sein?«, ZGV 10, 1939, 143. 122 Vgl. Köstlin, Konrad: Heimat geht durch den Magen. Oder: Das Maultaschen­ syndrom – Soul-Food in der Moderne, Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg 4, 1991, 147–174. 123 Vgl. Merki, Christoph Maria: Die nationalsozialistische Tabakpolitik, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 46, 1998, 19–42; Proctor, Robert N.: The Nazi War on Cancer, Princeton 1999; Fahrenkrug, Hermann: Alcohol and the State in Nazi Germany, 1933–1945, in: Barrows, Susanna/Room, Robin (Hg.): Drinking. Behavior and Belief in Modern History, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1991, 315–334. Petrick-Felber, Nicole: Kriegswichtiger Genuss. Tabak und Kaffee im »Dritten Reich«, Göttingen 2015, blendet das Militär leider aus.

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Trinkens, aktiven bzw. Passivrauchens wurden empirisch dokumentiert und in eugenische Degenerationsszenarien integriert.124 Schussgenauigkeit, Marschleistungen und die Beherrschung von Kraftwagen verschlechterten sich schon nach geringen Mengen Alkohol.125 Tabak wurde weniger strikt bewertet, doch Erkrankungen von Herz, Lunge und Magen waren kausal rückzuverfolgen. Die Militärärzte warnten vornehmlich vor Ausschweifungen, wenngleich im Sinne der NS -Gesundheitsführung ein Verbot konsequent gewesen wäre. Doch wie schon im Ersten Weltkrieg wurde die stimulierende und zugleich beruhigende Wirkung der legalen Drogen höher bewertet.126 Während Alkohol jedoch nur fakultativ ausgegeben wurde, wurden Rauchwaren in die Verpflegungsportionen integriert. Der Zugriff auf südosteuropäischen und deutschen Tabak erlaubte noch 1944 eine tägliche Ration von sechs Zigaretten (oder zwei Zigarren bzw. 12,5 g Rauchtabak), die durch Zukauf um monatlich bis zu 125 Zigaretten ergänzt werden durfte.127 Diese Menge galt – trotz anderslautender Forschungsergebnisse  – den Militärärzten offiziell als »gesundheitlich unschädlich«128, während die psychologischen Auswirkungen, insbesondere der Abbau innerer Spannungen, positiv bewertet wurden. Insgesamt nahm die Zahl der Raucher in der Wehrmacht während des Krieges um zehn Prozentpunkte zu, während sich die konsumierte Tabakmenge um 14 % reduzierte.129 Die Zigarettenwährung der Nachkriegszeit wurde hier vorgeformt. Auch das »Genussgift« Koffein diente der Leistungssteigerung. Die neu entwickelte Schokakola der Firma Theodor Hildebrand enthielt neben dem Theobromin des Kakaos zwei Promille Koffein und wurde insbesondere als Sonderverpflegung ausgegeben.130 Ähnlich 124 Lickint, Fritz: Tabak und Organismus. Handbuch der gesamten Tabakkunde, Stuttgart 1939; Kleine, H[ugo] O[tto]: Die Bedeutung zivilisationsbedingter Ernährungsschäden für die Volksgesundheit, Hippokrates 10, 1939, 1326–1338. 125 Vgl. Kittel, W[alther]: Alkohol und Wehrmacht, in: Waldmann, A[nton]/Hoffmann, W[ilhelm] (Hg.): Lehrbuch der Militärhygiene, Berlin 1936, 608–614, hier 610. 126 Kittel, W[alther]: Genußmittel und ihre Schädigungen, in: Handloser, S[iegfried] (Hg.): Innere Wehrmedizin, Dresden/Leipzig 1944, 549–568, hier 567. Vgl. auch Ders.: Alkohol und Wehrmacht, in: Handloser, Siegfried/Hoffmann, Wilhelm (Hg.): Wehrhygiene, Berlin 1944, 237–241. Das ideologische Bild des kühl und zielbewusst handelnden Rassekriegers wurde hier nicht nur mit dem Plädoyer für die Sterilisierung Alkoholkranker gekoppelt, sondern auch mit einer undogmatischen Haltung zu »kameradschaftlichem« Trinken. 127 Kittel, 1944, 556. So für die Feldkost. Das Ersatzheer erhielt die Hälfte dieser Menge. 128 Ders.: Hygiene des Rauchens, in: Waldmann, A[nton]/Hoffmann, W[ilhelm] (Hg.): Lehrbuch der Militärhygiene, Berlin 1936, 614–620, hier 619. 129 Ders.: Hygiene des Rauchens, in: Handloser, Siegfried/Hoffmann, Wilhelm (Hg.): Wehrhygiene, Berlin 1944, 242–248, hier 245. Die Militärärzte gaben zugleich vermehrt Süßwaren aus, um das Rauchen einzudämmen. 130 Grunske, F[riedrich]: Gesundheitliche Gefahren der Genuß- und Reizmittel bei der Ermüdungsbekämpfung und Leistungssteigerung, in: Handloser, Siegfried/Hoffmann, Wilhelm (Hg.): Wehrhygiene, Berlin 1944, 226–235, hier 229. Zu den damit verbundenen Forschungen vgl. Graf, Otto: Increase of Efficiency by Means of Pharmaceutics (Stimulants), in: German Aviation Medicine World War II, Bd. II, Washington 1950, 1080–1103.

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anregend wirkte die von Sarotti vertriebene Mokka-Glycolade, die Traubenzucker anstelle von Kristallzucker enthielt. Die Palette der Stimulantien umgriff ferner Traubenzuckerpräparate, wie etwa das auch zivil erhältliche DextroEnergen sowie Koffein-Tabletten. Pervitin war bis Kriegsende Teil der Notration der Luftwaffe, während es im Heer seit Kriegsmitte nicht mehr allgemein verteilt wurde.131 Bei den Stimulantien zeigt sich also nicht nur die grundsätzliche Akzeptanz alltäglicher Konsummuster, sondern auch deren gezielte Umsetzung in künstliche Kost. Derartiges Anknüpfen und Überformen charakterisierte ebenso die Debatten der Militärärzte und Ernährungsplaner über Vitamine und Vitaminpräparate. Viele Sanitätsärzte, insbesondere der Militärärztlichen Akademie, argumentierten eher traditionell, da sie bei ausreichender Gesamtversorgung von einer gesicherten Vitaminversorgung ausgingen.132 Die Ernährungsplaner des Heeresverwaltungsamtes verwiesen dagegen vor dem Hintergrund der Debatten über Hypovitaminosen auf mögliche Unterversorgungen und richteten Kochausbildung sowie die Entwicklung neuer Lebensmittel darauf aus, Unterversorgungen präventiv zu begrenzen. Eine Vitaminisierung von Marmelade, Gelees oder Konserven wurde 1938 diskutiert, letztlich aber verworfen.133 Die Kriegserfahrungen 1939 ließen die Waage rasch zugunsten der Vertreter der Neuen Ernährungslehre ausschlagen.134 Die Mehrzahl der Ausfälle resultierte nicht aus Todesfällen und Verletzungen, sondern aus Erkrankungen. Als Konsequenz intensivierte man nicht nur die Ausbildung der Feldköche – das Vitaminmerkblatt gab seit 1939 autorative Anweisungen135 – und die Produktion von Tomatenmark, Knäckebrot und Hefeextrakten, sondern verteilte von Februar bis 1940 auch Vitaminpräparate an die Soldaten. Wöchentlich wurden zweimal 50 »Antiermüdungsbonbons«136 ausgegeben, die aus Traubenzucker, Fett, Molke und einem Milligramm synthetischer Askorbinsäure bestan 131 Unger, 1991, 77–79. Ohler, Norman: Der totale Rausch. Drogen im Dritten Reich, 4. Aufl., Köln 2015 bietet viele Spekulationen und wenig fundierte Analyse. 132 Daraus zu folgern, dass die Wehrmacht insgesamt Bewährtem folgte und »auf ein durchaus konservatives ernährungsphysiologisches Fundament« baute, wie dies Thoms, 2006, 215 konstatiert, ist überpointiert, denn die Verantwortlichen vollzogen die aktuellen Forschungsdebatten unmittelbar nach (Kap. 5.1.3 und 5.1.4). 133 Klodt, 1938, 94. 134 Zur intensivierten medizinischen Forschung vgl. Starfinger, Wilhelm: Beitrag zur Frage: Ist der Caloriengehalt und der Vitamingehalt der Truppenverpflegung ausreichend?, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 158–165; Borgmann, Heinrich Werner: Der Einfluß sportlicher Leistung und des militärischen Dienstes auf den Vitamin C-Spiegel im Blut, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 229–236, die beide Vitaminpräparate empfahlen. Gegen die Idee eines Vitaminmangels votierte Hoesslin, H[einrich] v.: Die Ernährung des Soldaten, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 218–224, hier 223. 135 Vgl. Vitamin-Merkblatt, Zf VE 15, 1940, 5 bzw. Bein, 1943, 80–81. 136 Ernährung, 1940, 60.

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den.137 Sie schmeckten wie saure Drops, wirkten präventiv und reduzierten zudem den Wunsch nach weiteren Stimulantien. Die Erfahrungen wurden während einer dreitätigen Vitaminbesprechung Anfang August 1940 – ein Tag nach Hitlers Entschluss für den Krieg gegen die UdSSR  – in der Münchener Heeresverwaltungsschule zusammengetragen.138 Die Vitaminzusatzversorgung setzte nun schon im Dezember wieder ein. Einerseits war dies Konsequenz der wachsenden Mengen getrockneter Lebensmittel, anderseits zielte die Heeresverwaltung auf eine optimale körperliche Leistungsfähigkeit der deutschen Angriffstruppen. Zur Vitamin A-Versorgung sollte weiterhin vitaminisierte Margarine gereicht werden, zudem begann man mit der Vitaminisierung der synthetischen Fette, die dann an Truppen in Nordafrika, Nordnorwegen sowie U-Boot-Besatzungen geliefert wurden.139 Seit April 1941 hatten Vitaminpräparate die höchste Dringlichkeitsstufe bei der Beschaffung von Arzneimitteln, um den angenommenen Tagesbedarf von einem Milligramm Vitamin A und B1 sowie 30  mg Vitamin C sicher abzudecken.140 Während zeitgleich die Vitaminpolitik an der Heimatfront intensiviert wurde (Kap. 5.1.4), sicherte sich die Wehrmacht die Mehrzahl der verfügbaren Präparate. 1942/43 waren dies 100 von 186 t Gesamtmenge (inklusive Sanitätssektor), 1944/45 dann 70 (ohne Sanitätssektor) von 217 t.141 Diese Priorisierung der Lebensstoffe für die Krieger des NS -Systems ging einher mit einer systematischen Vitaminkontrolle der Militärkost, Umstellungen in Zubereitung und Prozessführung und mündete in Überlegungen, die Bezahlung der Nahrung stärker am Vitamingehalt auszurichten.142 Die deutschen Wissenschaftler fürchteten vor allem den bei sowjetischen Kriegsgefangenen mangels Verpflegung vielfach auftretenden Skorbut, als dessen Vorform Zahnfleischblutungen beson-

137 Zu den Vorarbeiten der Militärärztlichen Akademie s. Schreiber, 1940. Zum Presseempfangs des OKW s. Ziegelmayer, 1949, 66. 138 Vgl. Pieszczek/Ziegelmayer (Hg.), 1942. 139 Rothe, 199, 139. 140 Straumann/Wildmann, 2001, 218, Anm. 197. Zum Bedarf s. Pieszczek, 1942, 5. 141 Angaben für 1942/43 n. Ziegelmayer, 1942, 67 (neben 18 t Importen aus Basel, produzierten Merck 120 t, Hoffmann-La Roche 36 t und IG Farben 12 t), für 1944/45 n. Straumann/ Wildmann, 2001, 221–222. 100 t gingen an das Sanitäts- und Gesundheitswesen, 12 t an die pharmazeutische Industrie bzw. Apotheken, 11 t an die DAF, 7 t an das Reichsministerium des Innern, 5 t an das Hauptamt für Volksgesundheit und 1 t an die SS . 142 Zu letzterem Pieszczek, [Ernst]: Zusammenfassung, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 131–135, hier 133. Vgl. vor dem Hintergrund des Winterkrieges 1941/42 Ziegelmayer, W[ilhelm]: Vitaminhaltige Lebensmittel beim Feld- und Heimatheer, in:­ Pieszczek, E[rnst]/Ders. (Hg.): 1. Tagungsbericht der Arbeitsgemeinschaft Ernährung der Wehrmacht, Dresden/Leipzig 1942, 59–61 sowie Heiss, R[udolf]: Überblick über die Vitaminerhaltung, in: ebd., 61–66. Zu den Methodenproblemen vgl. Gemeinhardt, K[onrad]: Bericht über die Besprechung des Ausschusses zur Festlegung der chemischen Vitamin-Bestimmungsmethoden, in: ebd., 85–88.

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ders ernst genommen wurden.143 Die Durchsetzung der Vitaminpräparate als präventive Nahrungsergänzung war allerdings begleitet von einer kontroversen Debatte über die Wirksamkeit dieser »künstlichen« Präparate. Vitamine seien unabdingbar, doch zugleich »natürliche« Präparate den »künstlichen« deutlich überlegen.144 Statt synthetischer Ascorbinsäure sollten demnach Fruchtmarmeladen, Gemüsesäfte, Kräutermischungen und Vitaminkonzentrate natürlicher Vitaminträger eingesetzt werden. Das nur vorläufige Wissen der Vitaminlehre sollte nicht in eine Abkehr vom »Natürlichen« münden.145 Auch hier forderten führende NS -Ärzte eine Besinnung auf Blut und Boden, statt einseitiges Vertrauen auf die moderne Chemie und Physiologie.146 Im Rahmen des polykratischen NS -Systems hatte dies beträchtliche Folgen. Insbesondere die SS unterstützte die Militärärzte, und investierte seit den späten 1930er Jahren in Versuchsanbauten von Gladiolen im Konzentrationslager Dachau.147 Seit 1941 verarbeitete man sie mittels Vakuumtrocknung zu natürlichen Vitaminkonzentraten, die zur Anreicherung von Marmeladen dienten.148 1942 waren ca. 1.000 Häftlinge für diesen Zweck eingesetzt.149 Die Wehrmacht setzte in Kooperation mit der Reichsgesundheitsführung dagegen auf die Hagebutte, eine wild wachsende Rosenart mit sehr hohem Vitamin C-Gehalt.150 Abhold »jener vergangenen unnatürlichen Zielsetzung einer Pillenernährung und

143 So wurden im Februar 1942 100 sowjetische Kriegsgefangene von der Halbinsel Kertsch nach Berlin gebracht, um sie »hier nach allen Regeln der Wissenschaft untersuchen lassen« (Schreiber, 1942, 82; vgl. zu diesen Menschenversuchen Neumann, 2005, 269). 144 So auch Stutz, Ernst/Weispfenning, Walter: Vitaminuntersuchungen in der Kriegsmarine unter Berücksichtigung der Frage: synthetische und natürliche Vitamine?, Der Deutsche Militärarzt 4, 1939, 212–217. 145 Deutsche Militärärztliche Gesellschaft, Der Deutsche Militärarzt 4, 1939, 147–149, hier 148 (Schreiber). 146 Schreiber, 1944, 251. Untersuchungen in Scheunerts Leipziger Arbeitsgruppe ergaben allerdings keinen Unterschied in der Antiskorbutwirkung von synthetischen Präparaten bzw. Kartoffelpresssaft, vgl. Wagner, 1953, 115 (Wagner). 147 Vgl. Schenck, 1942, 22–25 sowie Kopke, Christoph: Gladiolen aus Dachau. Das Vitamin-C-Projekt der SS , Bulletin für Faschismus- und Weltkriegsforschung 25/26, 2005, 200– 219. Anlass für die Wahl dieser Nutzpflanze waren vorangegangene Vitaminanalysen der Fa. Merck, vgl. Wieters, H.: Über das Vorkommen von Vitamin C in Pflanzen, E. Merck’s Jahresbericht über die Neuerungen auf den Gebieten der Pharmakotherapie und Pharmazie 49, 1935 (1936), 77–92. 148 Schmitz-Scholl, Karl: Neue Wege zur Erschließung natürlicher Vitamin-C-Quellen, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 95–111. 149 Friedrich, Traute: Vitamin-C-Gewinnung aus Gladiolen, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 113–124; Vogel: Die Anlagen der Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung in Dachau, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 125–129. 150 Schroeder, Hermann/Braun, Hans: Die Hagebutte, ihre Geschichte, ihre Biologie und ihre Bedeutung als Vitamin-C-Träger, Stuttgart 1941.

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mißtrauisch gegenüber künstlichen chemischen Produkten«151 setzte man auf deren Kultivierung in Bulgarien, wo man 1940 1.200 t und 1941 3.000 t Hagebutten erntete, ehe weitere Steigerungen durch Wetterschäden vereitelt wurden. Die Hagebutten nutzte man für Marmeladen, Kekse, Brote oder, vermischt mit Milch und Kakaopulver, auch zu Getränken. Die Heeresverwaltung investierte zudem in gekeimte Getreide, verarbeitete heimische Sanddornbeeren und stellte für »bevorzugte Personenkreise«152 Vitamin C-Tabletten aus »natürlichen« Hagebuttengrundstoffen her. Dieser Wettbewerb von Wehrmacht und SS um »natürliche« Vitaminkonzentrate währte bis Kriegsende. Die Vitaminpolitik blieb bis zuletzt umstritten. Da die Wehrmacht kaum Vitaminmangel zu beklagen hatte und der Gesundheitszustand durchweg besser blieb als im Ersten Weltkrieg, erschienen die Vitamine vielfach als überbewertete Stoffe.153 Insgesamt dürfte die hohe physische Kampfkraft der deutschen Einheiten aber auch auf die umfassende Versorgung mit natürlichen und synthetischen Vitaminen zurückzuführen sein. Derartige Debatten verdeutlichen, dass die Verpflegung auch innerhalb des Zwangskollektivs Wehrmacht weder von kulturellen Vorstellungen über »gutes« Essen noch von Wunschbildern nach Urtümlichkeit und »Natur« loszulösen ist. Der in der Forschung vielfach betonte »Wandel vom völkischen Ideal zum technokratischen Realismus«154 lässt sich im Ernährungssektor nicht wirklich nachvollziehen. Wilhelm Ziegelmayer übernahm 1944 Gedanken des Ernährungsreformers Werner Kollath, indem er, die treibende Kraft eines technokratischen Realismus, lapidar konstatierte: »Der ›künstliche Wert‹ der Nahrung ist zu stark betont, ihr ›natürlicher Rang‹ ist zurückgetreten.«155 Die universelle Gültigkeit des Stoffparadigmas stand einem heterogenisierenden rassistischen Denken grundsätzlich entgegen und rief auch daher vielfach Unbehagen empor. Das zeigte sich ebenfalls an der weiteren Ausdifferenzierung der Sonderverpflegungsformen, insbesondere der Abwurfernährung. Während die Heeresverwaltung vornehmlich stofflich-strategisch dachte und den 1939/40 bestehenden lebensmitteltechnologischen Vorsprung durch intensivierte Grundlagenforschung und neue Verarbeitungstechniken halten wollte156, wurde seitens der kämpfenden Truppe eher der taktische Gebrauchswert betont. Die Verpflegung sollte 151 Wirz, 1942, 33 (auch für die folgenden Angaben). 152 Rothe, 1949, 139. Vgl. ansonsten Ziegelmayer, 1941, 105; Lemmerich, E.: Herstellung von nativen Vitamin-Anreicherungen. Verbesserung und Steigerung durch Keimung, in: Pieszczek, E[rnst]/Ziegelmayer, W[ilhelm] (Hg.): 1. Tagungsbericht der Arbeitsgemeinschaft Ernährung der Wehrmacht, Dresden/Leipzig 1942, 66–74. 153 Schreiber, 1944, 251 bzw. – deutlich abgewogener – 262–270. 154 Herbst, Ludolf: Der Totale Krieg und die Ordnung der Wirtschaft. Die Kriegswirtschaft im Spannungsfeld von Politik, Ideologie und Propaganda, Stuttgart 1982, 458. 155 Ziegelmayer, 1944, 4. 156 Pieszczek, 1940, 29.

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grundsätzlich leicht transportierbar sein, unmittelbar nähren und einfach zuzubereiten sein. Die Probleme während des Winters 1941/42 und die relativen Erfolge bei der Versorgung von fast 100.000 deutschen Soldaten im Kessel von Demjansk im Januar bis März 1942 ließen eine Konzentratnahrung sinnvoll erscheinen.157 Mit dem sog. Pemmikan-Landjäger, einer geräucherten und gepressten Mischung aus Fleisch, Fetten und Soja, hatte die Heeresverwaltung schon einen Prototyp derartiger künstlicher Kost entworfen, nun folgten zahlreiche weitere Komprimate. In Notsituationen schienen kulturelle Rücksichtnahmen nicht angebracht, doch Nährstoffdichte, Verträglichkeit und Gewicht waren nicht nach allen Richtungen zugleich zu verändern. Pro Soldat war eine Versorgungsmenge von 800–1.000 g erforderlich: »Die Ernährungspille ist somit nicht möglich.«158 Dies zeigte sich insbesondere während der Kesselschlacht um Stalingrad von November 1942 bis Januar 1943, als es der Luftwaffe trotz intensiven Einsatzes und des Verlustes von fast 500 Transportflugzeugen auch nicht ansatzweise gelang, die mehr als 200.000 deutschen Soldaten zu versorgen.159 Nicht die Heeresverwaltung, sondern die Waffen-SS forcierte nun die Versuche, eine zugleich leichte und Kälteresistenz steigernde Konzentratsernährung zu entwickeln.160 Auch wenn die mehrwöchigen »Ausnutzungsversuche« trotz ausreichender Kalorienzahl zu Gewichtsverlusten führten, präsentierte Ernst Günther Schenck Mitte 1943 ein Komplettsortiment, aus dem die Wehrmacht insbesondere das Kampfpäckchen »Frontkämpfer im Großeinsatz« übernahm, dass neben bekannten Konserven auch Schokakola und Pervitin enthielt. Generell wirkten sich seit 1943 die wachsenden Versorgungsprobleme immer stärker auf die Entwicklungsarbeit der Wehrmacht aus. Ähnlich wie die Arbeiterschaft wurde nun auch die Truppe stärker nach ihrer physiologischen Belastung verpflegt. Kämpfende Fronttruppen erhielten mehr als die schwindenden Reserven in Ruhestellung, das Ersatzheer und die Besatzungstruppen, die fremdländischen Hilfsarbeiter der Armee sowie das weibliche Wehrmachtsgefolge. Während seit 1941 vornehmlich die deutsche Okkupationsarmee in Nordafrika mit spezifischen Produkten beliefert wurde, erfolgte nun eine verpflegungstechnische Trennung der Klimazonen Nord, Mitte und Süd.161 Als im September 1944 mit der Einberufung des Volkssturms zugleich eine Verjüngung und Vergreisung der kämpfenden Einheiten stattfand, konnte die Heeresverwaltung keine entsprechende Entwicklungsarbeit mehr leisten, sondern nur 157 Zur Versorgung in Demjansk vgl. Sydnor, Charles W. Sr.: Soldaten des Todes. Die 3.  SS Panzerdivision »Totenkopf« 1933–1945, 4. Aufl., Paderborn u. a. 2001, 175–210. 158 Schreiber, 1944, 252. Ähnlich schon Pieszczek, 1942, 6. 159 Vgl. Hayward, Joel S. A.: Stopped at Stalingrad. The Luftwaffe and Hitler’s Defeat in the East 1942–1943, Kansas 1998. 160 Unger, 1991, 85. 161 Vgl. Ziegelmayer, Wilhelm: Die Ernährung der Panzerarmee Afrika. Das Feldkochbuch für warme Länder, Zf VE 17, 1942, 233–250.

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Abb. 83: Vorstellung neu entwickelter Konzentratsverpflegung der Waffen-SS 1943

noch den wachsenden Mangel verwalten. 1944 wurde die zuvor autonome Lebensmittelversorgung der vier Teilstreitkräfte in der von Schenk und Ziegelmayer geleiteten Ernährungsinspektion der Wehrmacht zwar noch gebündelt. Doch die Kriegslage konterkarierte die dadurch erreichte bessere Koordinierung der Militärverpflegung.162 Auch wenn die Versorgung der Wehrmacht bis Kriegsende aufrechterhalten werden konnte, sind abschließend doch drei Aspekte zu berücksichtigen, um die Militärverpflegung während des Krieges bewerten zu können. Erstens gab es schon während der Kriege gegen Polen und Frankreich beträchtliche Versorgungsprobleme, die nur durch deren relativ kurze Dauer keine gravierenden Folgen für Gesundheitszustand und Kampfkraft der Truppen hatten. Dagegen brach der Nachschub bei der ersten wirklichen Bewährungsprobe teilweise zusammen, nämlich mit dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie im Herbst 1941. Ab Oktober 1941 gab es enorme Transportprobleme bei der Versorgung der Heeresgruppe Mitte, während parallel, mit Ausnahme von Brot, die Versorgung aus 162 Einschlägige Zentralisierungsdebatten begannen nach Analyse des Krieges gegen Polen im Dezember 1939, doch einigte man sich nur auf einen Modellversuch bei der neu aufgestellten Waffen-SS , deren Ernährungsinspektion seit April 1940 bestand. Vgl. Peltner, 1994, 242–251.

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sowjetischen Quellen wegfiel. Insbesondere vor Moskau gab es vom Dezember 1941 bis Februar 1942 keinen geregelten Nachschub.163 Auch die per Führerbefehl zugewiesenen zusätzlichen Vitaminpräparate erreichten vielfach nicht ihr Ziel. Die Folge von Rationen, die meist 2.600 bis 2.800, teils aber auch nur 1.800 Kilokalorien umfassten, waren Gewichtsverluste, dann offenkundige Unterernährung.164 Erst im Januar 1942 gelang eine Stabilisierung des physischen Status, wenngleich erhöhte Krankheitsneigung sowie C-Hypovitaminosen bzw. Nachtblindheit üblich waren165: Auf 100 Ausfälle durch Waffenwirkung kamen 235 Ausfälle durch Erfrierungen und Krankheiten.166 Getreide und Fleischkonserven bildeten das Rückgrat der Verpflegung, während Kartoffeln, Brot, Fett, Zucker und Marmelade sowie die große Zahl neu entwickelter Versorgungsgüter nicht verfügbar waren. Auch wenn die Versorgungssituation im Frühjahr 1942 wieder stabilisiert werden konnte, und der nicht erfolgte Zusammenbruch der Front auch eine Folge des guten Ernährungs- und Vitaminstatus der deutschen Truppen bei Beginn des Vernichtungskrieges war, zeigten sich die praktischen Defizite der Organisation doch schon früh. Die Kampftruppen blieben vielfach auf sich gestellt und erhielten trotz insgesamt auskömmlicher Versorgung vielfach nicht die ihnen zugedachten neuen stofflich bilanzierten Lebensmittel.167 Zweitens verschlechterte sich die deutsche Heeresverpflegung – ebenso wie die der Zivilbevölkerung – seit spätestens Mitte 1942, als die Folgen von Missernten nicht länger allein auf die besiegten Gegner abgewälzt werden konnten. Die Ausmahlung des Heeresbrotes stieg von 82 auf 95 % 1944, die Brotqualität konnte durch umfassende Schulungen der mehr als 100 Heeresbäckereien und der Privatwirtschaft allerdings auf hohem Niveau gehalten werden.168 Neben die »deutschen« Gewürze und Wildkräuter traten zunehmend künstliche Aromen, mit denen man vornehmlich die nicht mehr verfügbaren Kolonialgewürze substituieren wollte.169 Gestreckte Kost wurde alltäglicher, zumal die Austauschstoffe Soja und Fischeiweiß vielfach nicht mehr ausreichend vorrätig 163 Zur »Winterkrise« vgl. Kroener, 1988, insb. 871–888. 164 Schreiber, 1942, 78 bzw. 81. 165 Schenck, [Ernst Günther]: Erfahrungen über die Vitaminversorgung der Feldtruppe. Maßnahmen der Reichsführung SS zur Sicherstellung ausreichender Vitaminmengen, in: Die Vitaminversorgung der Truppe, o. O. 1942, 7–27, insb. 13–14. 166 Kroener, 1988, 880. 167 Vgl. am Beispiel konservierter Lebensmittel Schenck, E[rnst] G[ünther]: Erhaltung leichtverderblicher Nahrungsmittel, Berlin 1942, 7. Zudem gab es beträchtliche Probleme bei der Versorgung mit Frischkartoffeln, die das Rückgrat der Kohlenhydrat-, Vitamin C- und auch der Eiweißversorgung bildeten, vgl. Schreiber, 1944, 251. 168 Klemt, G[erhard]: Das Heeresbrot im dritten Kriegsjahr, Zf VE 17, 1942, 175–177. 1944 wurde allerdings auch überlegt, Brot präventiv mit Kalzium zu fortifizieren, vgl. Unger, 1991, 99 (Anregung von Konrad Lang). Brot deckte damals mehr als 50 % des Kalorienbedarfs der Wehrmacht. 169 Riese, 1942, 629; Schmalfuss, 1944, 10.

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waren. Marmeladen enthielten Süßstoffe statt Zucker, die Obstqualität nahm deutlich ab. An die Stelle von Wurst und Käse traten seit 1944 Brotaufstriche aus Getreideprodukten.170 Die Variabilität der Speisen sank, Eintöpfe traten in den Vordergrund. Sanitätsärzte befassten sich seit 1943 zunehmend mit Minimalstatt Optimaldosen, ebenso mit Forschungen zu Ernährungsschäden.171 Drittens darf die Ernährung der Wehrmacht insbesondere in den besetzten Gebieten Osteuropas nicht von der dortigen Vernichtungspolitik getrennt werden.172 Trotz wissenschaftlich ausgeklügelter Vorbereitung, trotz neuer stofflich aufeinander abgestimmter Lebensmittel und beträchtlichen Verbesserungen in den rückwärtigen Verarbeitungsbetrieben reduzierte sich der schöne Schein dieser auch propagandistisch präsentierten Welt künstlicher Kost spätestens dann auf seine Funktion, wenn Soldaten den Bauern Vorräte und Saatgut raubten, der hungernden Stadtbevölkerung die Grundversorgung verweigerten und gefangene Soldaten verhungern ließen. Auch wenn sie nicht darin aufging: Die künstliche Kost der Wehrmacht war immer auch Mittel der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik.

170 Schielicke, R[ichard]: Brotaufstrich aus Mühlenprodukten, Volksernährung und Kochwissenschaft 19, 1944, 93; Pieszczek, E[rnst]: Neuartige Brotaufstriche, Volksernährung und Kochwissenschaft 19, 1944, 102. 171 Berg, H[ans] H[einrich]/Berning, H[einrich]: Qualitative und quantitative Ernährungsschädigungen, in: Handloser, S[iegfried] (Hg.): Innere Wehrmedizin, Dresden/Leipzig 1944, 584–596; Neumann, 2005, 266–273. 172 Vgl. einschlägig Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, 2. Aufl., Hamburg 2000, insb. 2­ 33–265. Auf die Debatten über die »Hungerpolitik« bzw. das »Hungerkalkül« der deutschen Planer und Besatzer kann hier nur verwiesen werden. Vgl. Arnold, Klaus Jochen: Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten. Kriegführung und Radikalisierung im »Unternehmen Barbarossa«, Berlin 2005; Kay, Alex J.: Exploitation, Resettlement, Mass Murder. Political and Economic Planing for German Occupational Policy in the Soviet Union, 1940–1941, New York/Oxford 2006; Hürter, Johannes: Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion, München 2006, insb. 490–508; Collingham, Lizzie: The Taste of War. World War Two and the Battle for Food, London 2011, 1­ 80–218; Dieckmann, Christoph/Quinkert, Babette (Hg.): Kriegführung und Hunger ­1939–1945. Zum Verhältnis von militärischen, wirtschaftlichen und politischen Interessen, Göttingen 2015; Gerlach, Christian: Der Mord an den europäischen Juden. Ursachen, Ereignisse, Dimensionen, München 2017, 211–254.

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6.1.3 Mitnahmeeffekte. Adaptionen der Wehrmachtsverpflegung im Massenmarkt der Nachkriegszeit Die künstliche Kost der Wehrmacht hatte Rückwirkungen auf die Alltagskost während des Krieges und insbesondere während der Nachkriegszeit.173 Die Planung zielte über die Wehrmacht auf die Ernährung aller Deutschen: »Was dem Soldaten während des Feldzuges geschmeckt hat, das wird er als Bürger auch im Frieden annehmen, wenn es ein wirtschaftlich durchentwickeltes Verbrauchsgut geworden ist«174. Bei einer genaueren Analyse sind drei Ebenen voneinander zu unterscheiden: Erstens wurde schon während des Krieges die Wehrmachtskost als Leit- und Zukunftskost der Deutschen propagiert. Zweitens sind für die Wehrmacht entwickelte Produkte zu untersuchen, die als Markenartikel dann ihren Weg in den Massenmarkt der Wirtschaftswunderzeit fanden. Drittens knüpften zahlreiche Unternehmen an Forschungs- und Entwicklungsleistungen der Wehrmacht an und produzierten auf dieser Basis erfolgreiche künstliche Kost. 1. Die Wehrmachtsverpflegung zielte auf vorverarbeitete Convenienceprodukte mit langer Haltbarkeit und hoher Nährwertdichte. Soldaten waren Konsumenten in Uniform. Die Planer knüpften somit an ohnehin laufende Veränderungen des Wissens über Stoffe und Produkte an. Zugleich aber forcierten sie auf Basis ihrer Forschungs- und Entwicklungskapazitäten die Enthäuslichung und ersetzten in ihrem Wirkungsfeld subjektives durch objektiviertes Wissen. Männlich konnotiertes Wissen um Strukturen und Veränderungen der Lebensmittel schien in der Lage zu sein, neue Welten künstlicher Kost zu kreieren, mit denen Effizienz und Rationalität zuerst in der Wehrmachts-, dann aber auch in der noch weiblich dominierten Alltagsküche inkorporiert werden konnten. Wehrmachtskost war Alltagskost der Zukunft, sie würde es erlauben, »deutsche« Frauen von der Alltagsfron der Zubereitung zu befreien, um sie für andere Dienste für Volk und Mann freizusetzen. Zugleich aber half das in den neuen Produkten und auch den Handlungsroutinen in Großküchen und Produktionsbetrieben eingewobene Stoffparadigma zu einer im Sinne der Experten des eisernen Dreiecks rationaleren Welt.175 173 Vgl. Spiekermann, Uwe: A Consumer Society Shaped by War: The German Experience, 1935–1955, in: Berghoff, Hartmut/Logemann, Jan/Römer, Felix (Hg.): The Consumer on the Home Front: Second World War Civilian Consumption in Comparative Perspective, Oxford 2017, 301–311. 174 Riese, H[ans] G[eorg]: Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und Industrie in Bezug auf die Volksernährung, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 7–9, hier 8. 175 Ziegelmayer, W[ilhelm]: Die Lebensmittelindustrie als Großküche in der Volksernährung, Volksernährung und Kochwissenschaft 19, 1944, 3–5.

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Abb. 84: Lehrmeister Wehrmacht  – Anzeige für KNÄCKE -Brot 1942

Die Orientierung an der Alltagskost spiegelte sich in der öffentlichen Präsentation der Wehrmachtsverpflegung. Sie wurde Adolf Hitler und auch der Öffentlichkeit im Mai 1939 vorgestellt.176 Nach dem raschen Sieg über die polnischen Streitkräfte folgte eine kommunikative Offensive, die einerseits die wissensbasierten Innovationen feierte, die aber auch keinen Zweifel an deren überlegener Alltagstauglichkeit ließ. Präsentationen vor fremden Militärattachés, Dokumentationen und Wochenschauhäppchen, eine gesonderte Heeresverpflegungsschau auf der Leipziger Messe und nicht zuletzt die doppelgleisige militärische und zivile Nutzung der neuen Produkte erlaubten Teilhabe am Siegesgeschehen 176 Ders.: Der Führer läßt sich die Verpflegung der Festungstruppen vorführen, ZHV 5, 1939, 212–214.

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und dessen alltagspraktische Adaption.177 Der Höhe- und zugleich Wende­punkt dieser Entwicklung wurde Ende 1941 erreicht, als in den Gaststätten zweimal wöchentlich allein Feldkostgerichte gereicht werden mussten. Das propagandistisch unterfütterte hohe Ansehen der Wehrmachtsverpflegung wurde nun genutzt, um Zivilköche mit dem Feldkochbuch vertraut zu machen und Fleisch zu sparen.178 Die Popularisierung der neuen Convenience- und Austauschprodukte begann jedoch nicht unvermittelt nach Kriegsbeginn, sondern war Teil einer umfassenderen Strategie, die Wehrmachtsverpflegung als Vorbild und Wegbereiter für die Volksgemeinschaft zu präsentieren. Dies galt angesichts der Verbrauchslenkung, insbesondere aber im Rahmen der Gesundheitsführung.179 Anders als in der kaiserlichen Armee verband sich dies nicht mit einer sättigenden und überdurchschnittlich viel Fleisch enthaltenden Kost, sondern mit Brot, Kartoffeln, Gemüse und Fisch sowie Grünkern und Graupen, Hefeextrakt und Kartoffelstärke. Mochten Militärärzte und Ernährungsplaner noch über den Stellenwert der Neuen Ernährungslehre diskutieren; propagandistisch schien diese Debatte schon in den späten 1930er Jahren entschieden zu sein. Die Wehrmachtsverpflegung galt als gelungener Kompromiss von Ernährungsreform einerseits, moderner Ernährungsforschung anderseits.180 Dieses Amalgam von Instinkt und Ratio, von Praxis und Theorie hob die deutschen Entwicklungen auch gegenüber denen anderer Armeen ab. Schließlich erforderte die langfristige Perspektive Zivilmarkt besondere Qualitätsanstrengungen, ein mit Frischprodukten vergleichbares Stoffprofil und einen höheren Gebrauchswert.181 Mehr noch: Der Verbraucher erschien immer wieder als argumentativer Bezugspunkt. Ihn galt es überzeugen, ihm war die Perspektive einer gehobenen Warenwelt nach dem siegreichen Ende des Krieges vor Augen zu führen.182 Reale Erfahrungen und Konsumträume verbanden sich dann in Kriegs­gefangenschaft 177 Ders.: Offiziere fremder Mächte an der deutschen Feldküche, ZHV 5, 1940, 45–47; Höhne: Ein Verpflegungsfilm entsteht, ebd., 74–79; Schönauer: Heeres-Verpflegungsschau auf der Leipziger Messe, ebd., 188; Vom Heeresverpflegungsamt zur Feldküche, Die Rundschau 37, 1940, 340–341. 178 W[inckel, Max]: Das Feldküchengericht, Zf VE 17, 1942, 27. Die Höchstmenge für Fleisch lag bei 50 g pro Gericht. Als Ausgleich war die Kalorienmenge größer als üblich, vgl. Feldküchengerichte in der Gaststätte, DVW 16, 1941/42, 556–557. 179 Ziegelmayer, Wilhelm: Die Wehrmacht als Erzieher zur richtigen Verbrauchslenkung und gesunden Ernährung, Zf VE 12, 1937, 13–15, hier 15. 180 Paech, Karl: Die Bedeutung der Gefrierkonserven von Obst und Gemüse für die Volksernährung, Die Umschau 44, 1940, 275–278, hier 275. Vgl. auch Pieszczek, [Ernst]: Neuzeitliche Gedanken auf dem Gebiete der Verpflegung, Zeitschrift für die Heeresverwaltung 5, 1940, 29–31, insb. 29. 181 Pieszczek, 1942, 4. Vgl. auch Schutz dem Neuling, Der Vertrauensrat 8, 1941, 23. 182 Fincke, Heinrich: Über allgemeinen Inhalt, Grundgedanken und -Verordnungen sowie über die Beziehungen zur Ernährungslenkung, ZUL 84, 1942, 1–15, v. a. 13.

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und der »kaloristisch so kargen Zeit«183 der Nachkriegsjahre zu einem Image guter Produkte, an die Lebensmittelproduzenten anknüpfen konnten. 2. Drei Beispiele mögen genügen, um den Weg derartiger Markenartikel in den Massenmarkt der Wirtschaftswunderzeit einschätzen zu können: Als 1959 Wolfgang Staudte in seinem Spielfilm »Rosen für den Staatsanwalt« die allgemeine Verdrängung der NS -Zeit und die Kontinuität der Funktionseliten kritisch spiegelte, setzte er ein vor und nach 1945 gleichermaßen beliebtes Verpflegungsmittel ein, um die Diskrepanz zwischen Maßnahmen- und Normenstaat einzufangen. Der Gefreite Kleinschmidt hatte auf dem Schwarzmarkt zwei Dosen der seit 1935 produzierten Schokakola gekauft, und wurde daraufhin zum Tode verurteilt, konnte jedoch entkommen und traf später dann seinen Quasimörder. 1959 war die zuvor als Sonderverpflegung dienende Koffeinschokolade ein populärer Markenartikel, den bis in die frühen 1970er Jahre mehr als 80 % der Westdeutschen kannten. Der bis in Traumsequenzen wiederholt erscheinende Alltagsartikel war bestens geeignet, die Willkürlichkeit des furchtbaren Richters in eine allseits verständliche und beschämende Bildsprache zu übersetzen. Schokakola steht zugleich für ein wachsendes Angebot ähnlicher Schokoladen, deren Ursprünge in die 1870er Jahre zurückreichen. Die verbesserte Rohstofflage erlaubte es seit den frühen 1950er Jahren zahlreichen kleineren und mittleren Firmen mit Koffein angereicherte Schokoladen anzubieten.184 Die Werbung hierfür basierte auf physiologisch-stofflichen Argumenten, zielte daher auf die Leistung steigernden und anregenden Wirkungen von Kakao und Koffein. Die Essenz der Wehr- und NS -Medizin blieb damit Teil der Werbebotschaft, doch Bildsprache und Anwendungsbereiche transferierten das Produkt zugleich in den zivilen Kontext einer liberalen Wirtschafts- und Konsumgesellschaft. Sport und sozioökonomischer Wettbewerb rückten in den Vordergrund, während die Perzeption der Konsumenten unausgesprochen an Erfahrungen der Kriegszeit anknüpfte. Das galt auch für das Traubenzucker-Präparat Dextro-Energen, das seit 1935 in gepresster Würfelform mit Cellophan-Verpackung von der Hamburger­ Maizena AG, einem US -dominierten Unternehmen, vertrieben wurde. Konzeptionell entstammte es den Debatten über eine stofflich bilanzierte Säuglingsernährung und knüpfte an das seit 1927 über Apotheken verkaufte Dextrum purum sowie die ab 1929 verfügbare Aufbaunahrung Dextropur an. Es war Teil und Ausdruck von Produktdifferenzierung und Marktsegmentierung von Maisstärkeprodukten.185 Dextro-Energen, seit 1936 auch Teil der Wettkampf 183 Gluth, Oskar: Buch meiner Jugend. Erinnerungen eines Münchners, München 1949, 75. 184 Vgl. als Marktüberblick Philippi, K[arl]: Über coffein- und lecithinhaltige Anregungsmittel, DLR 50, 1954, 92–94. 185 Vgl. Vom Mais und seiner Verwendung, VE 4, 1929, 319–320; Mais und seine Verwendung, Zf VE 15, 1940, 133–136.

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Abb. 85a+b: Höchstleistungen im zivilen Wettbewerb  – Cola Sport als Adaption des Wehrmachtskonzentrats Schokakola 1951

verpflegung der Olympischen Spiele in Berlin, konnte vom Körper unmittelbar resorbiert werden. Die Wehrmacht nutzte das süße Produkt als kompakte Sonderverpflegung und Notration. Während des Krieges wurde der Absatz zunehmend auf die Wehrmacht konzentriert, seit 1942 verschwand es aus den Läden.186 Nach dem Krieg gelang es relativ schnell, die Produktion wieder aufzunehmen.187 Auch die Maizena AG knüpfte in ihrer Nachkriegswerbung an das bewährte Leistungsprofil des NS -Markenartikels an, übertrug es aber ebenfalls auf den 186 Erst die Wehrmacht, dann Du! Dextro-Energen, Der Markenartikel 9, 1942, 411. 187 Zur Nachkriegsentwicklung vgl. Corn Products Company. Produkte für jeden Kochtopf. Maizena und Knorr als europäische Umsatzsäulen  – Aktive Expansionspolitik, Der Volkswirt 22, 1968, Nr. 32, 38–39.

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Abb. 86a+b: Leistung in zivilem Umfeld – Werbung für Dextro-Energen 1966 und 1961

zivilen Sektor. Dextro-Energen, Mitte der 1950er Jahre auch in neuen, mit Kakao bzw. Pfefferminz angereicherten Varianten erhältlich, unterstreicht zugleich, wie stark die Vorstellung des Körpers als Stoff verarbeitende Biomaschine war: Der Mensch galt als Kraftwerk, das Energie in Spannkraft umwandelt. Die ideologische Transformation verdeutlicht abermals die mit künstlicher Kost einhergehende Entkontextualisierung, die eine nicht beliebige, wohl aber plurale symbolische Aufladungen ermöglicht. Doch nicht alle Wehrmachtsprodukte hatten dauerhaft Erfolg. Dies gilt insbesondere für Produkte aus Reststoffen der Lebensmittelproduktion, etwa der bei der Käseherstellung anfallenden Molke. Die Produktplanung der wachsenden Zahl größerer, mit Forschungs- und Entwicklungskapazitäten ausgestatteter Milchverarbeitungsunternehmen wurde schon lange vor dem Krieg weitgehend durch die Wehrmacht beeinflusst und zielte darauf, Molke nicht wegzuschütten bzw. zu verfüttern, sondern sie zu »veredeln«. Nährkasein, Milchpulver und

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Milchsäurepasten wurden in Großküchen eingesetzt.188 Parallel prägten Molkegetränke als Biersubstitut zunehmend den Alltag (Kap. 5.5.5). 1943 wurde von den über 4 Mio. t Molke ca. ein Zehntel verarbeitet, um nicht zuletzt die Eiweißversorgung der Wehrmacht zu stabilisieren.189 Ein Beispiel für die zahlreichen Innovationen war Lactrone, ein Getränk, das durch Vergären von Molke mit Kefirpilzen und den anschließenden Zusatz von Aroma- und Süßstoffen entstand.190 Seit 1944 wurde es durch die eigens in Nürnberg gegründete Lactrone GmbH produziert.191 Nach Kriegsende gewannen Molkeprodukte weiter an Bedeutung. In Franken, einer Region mit großen Verarbeitungsbetrieben, fielen 1944 ca. 55.000 t Molke an, von denen 40 % verarbeitet wurden. Aufgrund der deutlich geringeren Milcherzeugung sank der Molkenanfall zwar auf 1948 ca. 42.000 t, doch davon wurden nun 72 % verarbeitet.192 Mediziner, Ernährungsplaner und Molkereibesitzer waren sich einig: »Die Molke gehört auf den Tisch des Menschen.«193 Lactrone, die in der Wehrmacht besonders als eingedickter und damit einfacher transportierbarer Sirup genutzt wurde, war während der Nachkriegszeit Teil dieses Trends. Die Produktpalette der »Naturgetränke«194 wurde um Konzentrate, Sprudel und einen Heißtrank erweitert, zudem weitere Markenprodukte auf Basis getrockneter Lactrone-Grundstoffe entwickelt.195 Der Wiederaufbau der deutschen Milchwirtschaft, die Produktion von Bier in Friedensqualität sowie die wachsende Bedeutung künstlicher Limonaden und Cola-Getränke ließen den Molkemarkt und den Absatz von Lactrone-Produkte jedoch einbrechen. Als »Heilmilch« wurden sie in der Säuglingsernährung eingesetzt, dienten zudem als Zwischenprodukt für Puddingpulver oder Würzen.196 188 Vgl. Schulz, M[ax Erich]: Neue Milcherzeugnisse im Rahmen der Kriegs-Ernährungswirtschaft, in: Erste Arbeitstagung des Instituts für Lebensmittelforschung […], Stuttgart 1942, 15–16. Einen Überblick der Kriegsforschungen bietet Meewes, K[arl] H[einz]/Seelemann, M[artin]/Nottbohm, H[elmut]: Milch, in: Rodenwaldt, Ernst (Hg.): Naturforschung und Medizin in Deutschland 1939–1946, Bd. 66: Hygiene, T. 1: Allgemeine Hygiene, Wiesbaden 1948, 140–156. 189 Möbius, Willy: Molkereierzeugnisse, Natur und Nahrung 3, 1949, Nr. 1/2, 14–15, hier 15. 190 Gernert, Georg: Molken-Verwertung, Hildesheim o. J. (1949), 17–18. 191 Zum Produktionsverfahren vgl. Schulz, M[ax Erich]: Beitrag zur Kenntnis der Kefirpilz-Symbiose, Die Milchwissenschaft 1, 1946, 19–26. 192 Angaben n. Hegg, Moritz/Merk, Emil: Die fränkische Milchwirtschaft nach dem Kriege, Die Milchwissenschaft 4, 1949, 193–202, hier 197–198. Im gleichen Zeitraum sank die Butterproduktion von über 22.000 t auf knapp 10.000 t. 193 Riedel, Paul: Die Molkenverwertung, DLR 43, 1947, 121–123, hier 122. 194 So die Werbung, vgl. Lactrone, Die Milchwissenschaft 2, 1947, H. 5, IV; ebd., H. 8, IV. 195 Skramer, Karl: Molkenverwertungsmöglichkeiten der Gegenwart in molkereieigener Zuständigkeit, Hildesheim 1947, 18. Zur Produktion vgl. Heilstoffe aus Milch, Die Milchwissenschaft 2, 1947, H. 11, IV. 196 Kirchmaier, Heinrich/Zeisel, Hans/Dimmling, Theodor: Lactrone-Heilmilch bei Säuglingsdyspepsien und -toxikosen, Zeitschrift für Kinderheilkunde 66, 1949, 612–619.

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3. Dieser Wandel eines Markenartikels zum Zwischenprodukt verdeutlicht ansatzweise die kaum zu unterschätzenden Auswirkungen der seitens der Militärs forcierten technologischen Entwicklung, an die angesichts anderer Nachfragestrukturen und Rohstoffversorgung seit spätestens 1948/49 erfolgreich angeknüpft werden konnte. Das Beispiel der Kartoffelverarbeitung steht für diesen Übergang. Kartoffelverarbeitung bedeutete innerhalb der Reichswehr vornehmlich Gewichtsreduktion und längere Haltbarkeit. 1934 begannen auf Anregung von Wissenschaftlern und Vertretern der Kartoffelwirtschaft erste Besprechungen zwischen Unternehmern, Vertretern des Reichsernährungsministeriums und des OKHs, die 1936 zur Produktion erster Trockenspeisekartoffeln führten.197 Sie warf nicht nur Fragen der Prozessoptimierung, Qualitätserhaltung und Abfallnutzung auf, sondern traf aufgrund hoher Entwicklungs- und Investitionskosten auf große Skepsis seitens der involvierten Großbetriebe der Stärkefabrikation.198 Der rasche Ausbau der Kartoffeltrocknung nach Kriegsbeginn (Kap. 6.1.1) führte zu heterogenen Qualitäten, die durch Materialengpässe und Arbeitskraftmangel nochmals verschärft wurden.199 Im Mittelpunkt der Optimierungsbestrebungen standen der Vitamingehalt der Trockenprodukte und die Trocknungstechnik.200 Dagegen überzeugten die neuen Produkte küchentechnisch, konnten die Scheibenkartoffeln doch nach zweistündiger Wässerung zu Eintopfgerichten, Bratkartoffeln, Kartoffelsalat, Puffer oder Püree weiterverarbeitet werden. Derartige Convenienceeigenschaften und der Mangel an Kühltechnologie führten zu verstärkten Investitionen in die Trocknungstechnik.201 Das OKH vergab 1942/43 zahlreiche Forschungsaufträge an Privatfirmen, um neue Tro 197 Cronemeyer, H.: Die Trocknung der Speisekartoffeln in Scheiben, VLF 4, 1941, ­171–176, hier 171. 198 Zu den Qualitätsproblemen vgl. Kröner, Waldemar: Physikalische und chemische Fragen bei der Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, VLF 4, 1941, 176–183; zur Kooperation von OKH und Unternehmen s. Jany, 1954, v. a. 81. 199 Dies ergaben nicht zuletzt zwei Untersuchungen des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit. Zu beachten ist, dass parallel die Produktion von Trockenkartoffeln als Viehfutter erheblich ausgebaut wurde. Häfner, o. J., Abschnitt: Entwicklung der Versorgung mit den wichtigsten Nahrungsmitteln, Anhang, gibt 225.000 t für 1943/44 und 533.000 t für 1944/45 an. 200 Vgl. Kröner, Waldemar/Lamel, Herbert: Zur Frage des Vitamin-C-Gehaltes von Trockenspeisekartoffeln, Vitamine und Hormone 1, 1941, 282–291; Scheunert, A[rthur]/Reschke, J[ohannes]: Über den Vitamin-C-Gehalt von Trockenkartoffeln im frischen und zubereiteten Zustand, Vitamine und Hormone 1, 1941, 292–300 bzw. Kröner, W[aldemar]: Die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, in: Schieferdecker, Helmut (Hg.): Das Trocknen von Gemüse und Obst sowie die Herstellung von Trockenspeisekartoffeln, 2. Aufl., Braunschweig 1942, 115–129. 201 Vgl. Heupke, W[ilhelm]: Ernährungsprobleme der Gegenwart, Jahreskurse für ärztliche Fortbildung 34, 1943, H. III, 22–32, hier 27.

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Abb. 87a+b: Trockenkartoffeln in Scheiben- bzw. Schnitzelform

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ckenprodukte, insbesondere in Pulverform, herstellen zu können. Einer davon ging an die Münchner Firma Otto Eckart, die seit ihrer Gründung 1932 exklusiv für das Militär arbeitete.202 Sie bildete ein Tochterunternehmen der 1868 gegründeten Münchener Konservenfabrik von Johannes Eckart, die 1914 auch mit der Kartoffeltrocknung begonnen, diesen Zweig nach Kriegsende jedoch wieder aufgegeben hatte. 1936 stieg die Firma Otto Eckart neuerlich in das Trocknungsgewerbe ein, das schnell vom Sohn des Firmengründers, Werner Eckart, bestimmt wurde. Der von Wilhelm Ziegelmayer persönlich geförderte Forschungsauftrag an die Münchener Firma mündete während des Krieges noch nicht in ein massenindustriell produzierbares Produkt, war dennoch aber der zentrale Anstoß für die seit 1949 dann vertriebenen Pfanni-Produkte.203 In der unmittelbaren Nachkriegszeit arbeiteten die meisten westdeutschen Betriebe für die Zivilbevölkerung, weitere Trockenkartoffeln importierte man insbesondere aus den USA . Die branchenübergreifende Grundlagenforschung setzte seit 1946 wieder ein und rezipierte seither nicht zuletzt die angelsächsische Technologie. Werner Eckart versuchte sich jedoch 1947 erst einmal an einem Soja-Kartoffelprodukt zur Herstellung von Kartoffelpuffern, das aber schnell ranzig wurde und vom Markt zurückgezogen werden musste.204 Praktische Versuche im eigenen Betrieb folgten, deren Ergebnis 1949 ein aus getrockneten rohen und gekochten Kartoffeln bestehendes Produkt war, das zu Puffern und zu Klößen weiterverarbeitet werden konnte. Auch in der Bundesrepublik war Eckart keineswegs alleiniger Anbieter, denn die Gocher Vlinderco-Werke sowie die Nortorfer Brückner-Werke stellten damals schon Kartoffelbreipulver her.205 Pfannis Marktführerschaft gründete auf einer personalintensiven Absatzstrategie, die vornehmlich auf Vertreter und praktische Kochvorführungen setzte.206 Dies war unabdingbar, um die Zubereitung und Gebrauchswertvorteile der Fertigprodukte zu erklären und zugleich den Konnex von Trocken­ 202 Vgl., auch im Folgenden, Wörl, Volker: Pfanni-Knödel – ein neuer Eßbegriff. Das unternehmerische Gespür der Familie Eckart, Der Volkswirt 17, 1963, 505–506. 203 Die von der Wehrmacht geförderten Forschungen führten seit 1943/44 zur Produktion von getrockneten Backflocken in vier deutschen Betrieben, die ein Patent der ungarischen Firma Roswaenge-Holndonner nutzten. Nach Jany, 1954, 86–87 wurden Trockner verbessert und Sortenanalysen des Berliner Instituts für Stärkefabrikation durchgeführt. 204 Alt, Helmut: Von Kartoffeln, Knödeln und Pfanni, München 1959, 40–41. 205 Jany, 1954, 95. Technologisch stand Pfanni hinter zuvor entwickelten britischen Innovationen, etwa den seit 1948 verkauften und auf Zerstäubertrocknung beruhenden POM (Potatoes-one-Minute)  zurück. Zahlreiche Beiträge zum Marketing der Pfanni-Produkte sprechen dagegen irreführend von einem eindeutigen »Pionierprodukt« (so etwa Kitir, Gerhard: Die Pfanni-Produkt-Range mit beschreibenden Namen, in: Brand-News. Wie Namen zu Markennamen werden, Hamburg 1988, 97–103, hier 99). Dies gilt ebenso für Ein Unternehmen für die Verbraucher. 30 Jahre Pfanni-Erzeugnisse, 70 Jahre Konsul Werner Eckart, 110 Jahre Konservenfabrik Johannes Eckart, Bonn 1979, insb. 9 und 11. 206 Einen guten Einblick in die patriarchalische Firmenwelt und das Marketing bietet Schmidmeier, Helmut: Wir und Pfanni, München 1999.

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Abb. 88a+b: Küchenfertig und bequem – Werbung für Pfanni und Poffi

kartoffeln und Krisenzeiten zu durchbrechen.207 Die Werbung knüpfte dabei an das traditionelle Frauenbild an, propagierte aber andere Dienste für Gesellschaft und Mann. Während der 1950er Jahre wurde das preisgebundene und anfangs recht teure Produkt durch intensive Forschung und neue Prozesstechnologien einerseits verbessert, anderseits relativ billiger.208 In den 1960er Jahren dominierte es den Einzelhandelsmarkt fast konkurrenzlos, einzig im Großküchenbereich wurden Firmen wie Maggi, Knoll oder Nähr-Engel nicht völlig abgehängt. 1962 verkaufte man mehr als 50 Mio. Packungen. Angesichts der Skalenerträge der Massenproduktion und parallel steigender Kartoffelpreise war es seither möglich, »der Hausfrau das Essen billiger zu liefern, als sie es selbst in der Küche herzustellen vermag.«209 Die langfristigen Überlegungen der Wehrmachtsplaner fanden im Massenmarkt der Bundes­ republik ihre Erfüllung.

207 Zu Letzterem vgl. Wegner, Hans: Kartoffelpüreepulver und Kartoffelkloßmehl. Herstellung, Eigenschaften und Qualitätsanforderungen, DLR 52, 1956, 199–205, hier 199. 208 Zu den den Wehrmachtsbestrebungen ähnelnden Forschungsanstrengungen s. Die Qualität bei Kartoffel-Veredelungsprodukten, Der Markenartikel 31, 1969, 251–253. 209 Wortmann, O[skar]: Ernährungsindustrie im Spannungsfeld der nationalen und internationalen Marktdynamik, Die Ernährungsindustrie 7, 1960, 304–307, hier 305.

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6.2 Bilanzierte Verpflegung und Hightechprodukte: Flieger- und Astronautennahrung als Modelle Die Heeresverpflegung zielte auf einen universell einsetzbaren Soldaten und konzentrierte sich daher zunehmend auf künstliche Kost. Gleichwohl bestand sie vornehmlich aus »natürlichen« Grundnahrungsmitteln, die vielfach vor Ort aus den besetzten Gebieten entnommen wurden. Dies war nötig, da weder ausreichend Transport- noch Verarbeitungskapazitäten vorhanden waren. Raum und Verpflegung waren noch eng miteinander verbunden. Die allgemeine Motorisierung und der Ausgriff in sehr unterschiedliche Klimazonen führten allerdings zu einer wachsenden Zahl von Sonderverpflegungen. Dies galt insbesondere für die wachsende Zahl von Grenzsituationen, die tradierte Formen der Essenszubereitung und Lebensmittelproduktion von vornherein ausschloss. Das Militär steht für eine allgemeine Tendenz. Im 20. Jahrhundert war eine immer größere Zahl von Menschen Grenzsituationen ausgesetzt. Diese Entgrenzung gebundenen Daseins zeigte sich etwa in der immer schnelleren Überwindung räumlicher Distanzen. Mit der Normalisierung ehemaliger Grenzsituationen, wie etwa der Eisenbahnfahrt oder aber des Fliegens, drängte die Frage nach dem Essen zunehmend ins Bewusstsein, nahm die Dauer dieser abgepufferten Grenzsituationen doch beträchtlich zu. Dies zeigt das Vordringen des Menschen in die Luft. Anfangs war eine Zusatzverpflegung nur Ausdruck von Komfort und Bequemlichkeit.210 Auch die seit Anfang der 1910er Jahre aufgebauten Luftwaffen erforderten keine spezielle Fliegerkost, reichte die stoffliche Speicherkapazität der kämpfenden Körper für die kurze Flugdauer und die noch relativ geringen Geschwindigkeiten doch mehr als aus. Die wachsende Leistungsfähigkeit der Maschinen erlaubte jedoch längere Einsatzzeiten und erforderte von den Besatzungen parallel eine auf den Punkt abrufbare Leistungsfähigkeit. Seit den späten 1930er Jahren wurden daher spezielle Einsatznahrungen für Bomber- und Aufklärungspiloten zusammengestellt. Konzentrierte Nahrung diente der kalorischen Grundversorgung, zugleich aber dem Kampf gegen Ermüdung und Konzentrationsmangel.211

210 Entsprechend ahmte die zivile Luftfahrt anfangs die Restaurantküche nach, vgl. etwa Wie man mit dem neuen »Zeppelin« reisen wird, Die Woche 30, 1928, 914–915; Björnsen, Gerd/Rauer, Herbert: Kulinarische Genüsse für Luftreisende, Die Küche 55, 1951, 75–76. Umfassend und pointilistisch ist Foss, Richard: Food in the Air and Space. The Surprising History of Food and Drink in the Skies, Lanham u. a. 2015. 211 Einen Überblick der unterschiedlichen Forschungen bietet Hoff, Ebbe Curtis/Fulton, John Farquhar: A Bibliography of Aviation Medicine, Springfield/Baltimore 1942.

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6.2.1 Aufstieg der Physiologie. Höhenforschung und Aeronautik Die Ernährungsphysiologie des 19. Jahrhunderts konzentrierte sich vorrangig auf den Stoffwechsel des Menschen in einer »natürlichen« Umwelt. Um 1900 erweiterte sich das Blickfeld der Physiologie jedoch entscheidend: Der technische Fortschritt des Maschinenzeitalters schuf neue Kunstwelten, etwa den beschleunigten Raum innerhalb von schnellen Eisenbahnen und Kraftwagen, und erlaubte das Vordringen in die Tiefe des Meeres und die Weite des Himmels. Physiologisch bedeutete dies neuartige Fragen nach den Abhängigkeiten des Stoffwechsels von Geschwindigkeit, Druck, Beschleunigung oder Sauerstoff.212 Es waren nicht zuletzt Ernährungsphysiologen, die im Hochgebirgslaboratorium im italienischen Monte Rosa mit Klettertouren und Ballonfahrten versuchten, die Grenzen menschlichen Daseins mit Technik zu erweitern.213 Innovationen wie Zeppeline, Flugzeuge und Hubschrauber verdeutlichten schnell die Praxisrelevanz dieser Forschungen. Doch wie schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts, dauerte es wiederum mehrere Jahrzehnte, bis neues Wissen auch in neue künstliche Kost umgesetzt wurde. Daran änderte selbst der Erste Weltkrieg nichts, denn die fast 200.000 produzierten Militärflugzeuge erlaubten meist nur kurze Einsatzzeiten in geringer Höhe. Bei der Fliegerernährung verzichtete man auf Lebensmittel, die Blähungen oder Durchfälle hervorrufen konnten und versuchte ferner, den Alkoholkonsum einzudämmen. Die Zeppeline konnten aufgrund ihrer großen Nutzlast unschwer eiserne Portionen transportieren. Spezielle Ernährungsformen waren nicht erforderlich. Der Versailler Vertrag verbot dem Deutschen Reich ab 1919 Luftstreitkräfte. Gleichwohl wurde seit 1925 in der UdSSR ein fliegerischer Dienst der Reichswehr aufgebaut.214 Mit der Gründung des Reichsluftfahrtministeriums am 27. April 1933 begann dann der Aufbau eines Luftfahrtmedizinischen Forschungsinstituts.215 Weitere neu 212 Vgl. Cüppers, Stefan: Die geschichtliche Entwicklung der Höhenphysiologie und ihre Bedeutung für die Luftfahrtmedizin bis 1961, Aachen 1994, v. a. 54–60; Höhler, Sabine: Luftfahrtforschung und Luftfahrtmythos. Wissenschaftliche Ballonfahrt in Deutschland ­1880–1910, Frankfurt a. M./New York 2001. 213 Mosso, Angelo: Das internationale physiologische Laboratorium auf dem Monte Rosa, Die Umschau 8, 1904, 5–9. Zu den dortigen Forschungen vgl. Gunga, Hanns-Christian/ Kirsch, Karl August: Nathan Zuntz (1847–1920) – A German Pioneer in High Altitude Physiology and Aviation Medicine, Part II: Scientific Work, Aviation, Space and Environmental Medicine 1975, 172–176. 214 Vgl. Roth, Karl-Heinz: Flying Bodies – Enforcing States: German Aviation Medical Research from 1925 to 1975 and the Deutsche Forschungsgemeinschaft, in: Eckart, Wolfgang U. (Hg.): Man, Medicine, and the State. […], Stuttgart 2006, 109–137. 215 Vgl. Unger, 1991, 13–19. Zur Organisationsgeschichte vgl. Knoche, Heinrich: Die Entwicklung und Organisation des Sanitätswesens der deutschen Luftwaffe 1935–1945, Med. Diss. Düsseldorf 1974. Für die vorangegangene Professionalisierung im zivilen Sektor vgl.

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gegründete Einrichtungen untersuchten vor allem die physiologischen Fragen der Extrembelastung des Menschen, wobei Auswirkungen von Beschleunigung, Kälte und Sauerstoffmangel im Mittelpunkt standen.216 Mit der wachsenden Leistungsfähigkeit der Flugzeuge gewann in den 1930er Jahren auch die Ernährung der Piloten an Bedeutung. Damals standen die Sanitätsoffiziere noch im Bann der Weltkriegserfahrungen.217 Ihre Ratschläge orientierten sich an der Sportlerernährung, bei der es auch galt, in klar abgrenzbaren Zeiträumen Leistung abzurufen.218 Daher sollte unmittelbar vor Flugantritt möglichst wenig gegessen und Darmgas bildende Lebensmittel wie Kohl oder Leguminosen sowie Genussmittel wie Alkohol oder Tabak möglichst vermieden werden. Kurz darauf begannen jedoch experimentelle Studien, und Ernährungslehre wurde ein integraler Bestandteil der Luftfahrtmedizin.219 Das Stoffparadigma erlaubte einen Transfer von Maschinen auf die Biokörper: Was dem Flugzeug sein Kerosin, war dem Piloten seine Fliegerkost. Dessen Physiologie wurde unter den zunehmend lebensfeindlichen Einsatzbedingungen mittels neuer Wissensmaschinen, etwa Zentrifugen, Windkanälen oder Unterdruckkammern, simuliert bzw. konkret untersucht.220 Parallel begannen epidemiologische Untersuchungen an Piloten, um die Auswirkungen bestimmter Kostformen zu analysieren.221 Die beträchtlichen Investitionen in angewandte Forschung führten zu immer detailliertem Wissen und zu kurzfristigen Vorteilen der deutschen Luftrüstung.222 Für die Fliegerkost bedeutete dies, dass an die Stelle von negativen Empfehlungen zu meidender Kost nun positive Vorschläge traten. Die physiologischen Untersuchungen bestätigten das Erfahrungswissen des Weltkrieges, erlaubten zugleich aber dessen Objektivierung. Darmgärungen und Blähungen spiegelten die Harsch, Viktor: Das Institut für Luftfahrtmedizin in Hamburg-Eppendorf (1927–1945), Neubrandenburg 2003. 216 Vgl. Strughold, Hubertus: Development of Aviation Medicine in Germany, in: German Aviation Medicine World War II, Vol. I, Washington 1950, 3–11. Die 1945 im Heidelberger Kaiser-Wilhelm-Institut entstandenen Berichte wurden von Hinweisen auf Menschenversuche gereinigt, da die Berichterstatter damals für die US -Air Force arbeiteten. 217 Schubert, Gustav: Physiologie des Menschen im Flugzeug, Berlin 1935, 56. 218 Vgl. etwa Rubner, Max: Die Ernährung des Menschen mit besonderer Berücksichtigung der Leibesübungen, Berlin 1925; Bickel, Adolf: Die einzelnen Nahrungsmittel in ihren Beziehungen zu den Bedürfnissen des Stoffwechsels beim Sport, Zf VE 11, 1936, 212–216. 219 So etwa Ruff, Siegfried/Strughold, Hubertus: Grundriß der Luftfahrtmedizin, Leipzig 1939, 7; Diringshofen, Heinz v.: Medizinischer Leitfaden für fliegende Besatzungen, Dresden/ Leipzig 1939, 177–180. 220 Vgl. etwa Mallison, R[obert]: Magenbeschwerden bei Flugzeugführern, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 411–413, eine Studie, die mit Hilfe der Unterdruckkammer im Luftfahrtmedizinischen Forschungs-Institut des Reichsluftfahrtministeriums möglich wurde. 221 Brauch, Fritz: Zur Frage der Beeinträchtigung der fliegerischen Leistungsfähigkeit durch Magen- und Darmerkrankungen, Der Deutsche Militärarzt 5, 1940, 460–466. 222 In Propagandareden galt dies noch gegen Kriegsende, vgl. Pfannenstiel, 1944, 21–24.

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Verdauung von Stärke und Zellulose, während reichliche Mahlzeiten aufgrund des hohen Energieaufwandes Kräfte banden, die es für die militärische Primäraufgabe freizumachen galt. Die heterogenen Bedingungen der Einsätze erforderten spezialisierte Antworten. Zugleich trat das Wohlbefinden des Fliegers als Basis des Kampferfolges in das Blickfeld der Mediziner.223 Für die Sonderernährung wurden experimentell neue physiologische Anforderungen erstellt, nämlich leichte Verdaulichkeit auch und gerade der Kohlenhydrate, ein hoher Sättigungswert, um Magenleere zu vermeiden, sowie eine geringe Gärfähigkeit der Lebensmittelinhaltsstoffe. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war es wissenschaftlich unabdingbar, Höhen- und Dauerflüge gesondert zu verpflegen.224 Die Konsequenz war eine Tagesration für die Piloten von etwa 3.500 Kcal mit überdurchschnittlichem Eiweiß- (90–130 g/Tag) und Fettgehalt (70–120 g/Tag).225 Während die Mehrzahl der Luftwaffenangehörigen, insbesondere das Bodenpersonal, die Luftabwehrstreitkräfte oder die Fallschirmjäger, die gleichen Portionen wie Heeressoldaten erhielten, standen die besonders belasteten Flieger an der Spitze der Ernährungshierarchie der Wehrmacht. Schon frühzeitig wurde besonderer Wert auf eine vitaminreiche Frischkost gelegt. Abseits der im Heer vorrangig diskutierten Vitamine B1 und C, die allgemeine Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit zu garantieren schienen, trat in der Luftwaffe das Vitamin A in den Vordergrund, da Unterversorgungen die Sehfähigkeiten negativ beeinträchtigten. Physiologische Untersuchungen zielten zudem darauf, durch einzelne Vitamine schwierige Einsatzbedingungen zu kompensieren. Vitamin C sollte etwa die beträchtliche Abgasbelastung in den Flugkabinen mildern.226 Zugleich aber galt es, eine ausgewogene und physiologische optimale Ernährung zu reichen, da vergleichende Zentrifugenuntersuchungen belegten, dass derartig genährte Körper auch in Situationen objektiver Überbelastung kurze, aber entscheidende Zeiten länger aktionsfähig blieben.227 So sehr damit auch die stofflich-physiologische Perspektive dominierte, zielten die Mediziner zugleich auf eine möglichst schmackhafte Kost, denn sie schien für die Einsatzbereitschaft unabdingbar.228 Unter Kriegsbedingungen galt dies für die wichtigsten Kampfverbände der Luftwaffe. Die Zielsetzung blieb optimierte Alltagsernährung. 223 Ruff/Strughold, 1939, 75. 224 Vgl. mit Verweis auf die entsprechenden Erfahrungen der Zivilluftfahrt Flößner, 1939, 549. 225 Hanson, Horst: Nutritional Problems in Aviation, in: German Aviation Medicine World War II, Vol. II, Washington 1950, 1113–1124, hier 1113. 226 Militärärztlicher Abend in Wiesbaden, Der Deutsche Militärarzt 4, 1939, 242–243, hier 243 (Kühnau). 227 Hanson, 1950, 1113. 228 Ähnliche Überlegungen gab es in den USA , doch wurden sie erst seit 1941 in Ernährungskonzepte umgesetzt, vgl. Hamilton, Alissa: World War II’s Mobilization of the Science of Food Acceptability: How Ration Palatability became a Military Research Priority, Ecology of Food and Nutrition 42, 2003, 325–356.

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6.2.2 Erweiterte Räume. Nahrung für Jagd- und Bomberpiloten Bei Beginn des Zweiten Weltkrieges lag das Schwergewicht der deutschen Luftwaffe auf der taktischen Unterstützung des Bodenkampfes. Jäger und leichte bis mittlere Bomber bildeten die Hauptwaffen der bei Kriegsbeginn fast 300.000 Soldaten zählenden Fliegertruppe. Auf Grundlage der physiologischen Forschungen erhielt das fliegende Personal deutlich andere und unmittelbar an den Kampfeinsatz gebundene Rationen. Der tradierte Rhythmus der Mahlzeiten wurde berücksichtigt, doch der Takt der Einsätze überlagerte die Verpflegung der Flieger. Grundsätzlich unterschied man zwischen Start- und Bord­ verpflegung. Die Startverpflegung wurde ca. eine Stunde vor dem Einsatz ausgegeben. Sie sollte Körper und Geist gleichermaßen kräftigen und zugleich nicht belasten. Ihre Zusammenstellung erinnert eher an die Aufbaukost bei Diäten als an die Heeresverpflegung. Eine Mahlzeit enthielt überdurchschnittlich viel Eiweiß (45 g) und Fett (43 g) und deckte etwa 25–30 % des Tagesbedarfs.229 Wie im Heer wurde auch in der Luftwaffe auf eine schmackhafte und abwechslungsreiche Zubereitung besonderer Wert gelegt. Dabei bediente man sich anfangs der Expertise der Heereslehr- und Versuchsküchen, ehe man in Frankfurt a. M. eine eigene Küche der Luftwaffe gründete. Auch wenn die Stimmung der Truppe so gefördert wurde, entsprangen diese Vorkehrungen doch physiologischem Grundlagenwissen. Die Verwissenschaftlichung der Verpflegung manifestierte sich stärker noch bei der ab drei Stunden Flugdauer verabreichten Bordverpflegung. Die Kom­ primate, mindestens sechs Monate haltbar und kälte- und hitzeresistent verpackt, verdeutlichen die Reduktion der Flieger auf Biokörper unter besonderen Einsatzbedingungen. Eine hohe Nährstoffdichte, hoher Sättigungswert bei gleichzeitig geringer Belastung der Verdauungsorgane, Ausschluss gärungs­ fähiger und schlecht verdaulicher Stoffe; dieses Profil folgerte aus Stoffwechseluntersuchungen. Zudem sollte die Bordverpflegung weder Durst, noch Appetit anregen, zugleich aber erfrischen und gut schmecken. Schließlich mussten Form und Verpackung so gewählt werden, dass die künstliche Kost mundgerecht und appetitlich erschien.230 Die Luftwaffe forderte also unmittelbar verzehrsfähige Convenienceprodukte, um Ermüdungen vorzubeugen und die Einsatzfähigkeit hochzuhalten. Seit August 1939 bedeutete dies 50 g Schokakola, 130 g Fruchtschnitten und eine Rolle Pfefferminzdrops.231 Bei mehr als zweimaligem Einsatz am gleichen Tag erhielten die Flieger zusätzlich eine Packung 229 Luft, 1944, 490; Peltner, 1994, 220. 230 Luft, 1944, 490. 231 Peltner, 1994, 221.

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Bahlsen Milchkeks bzw. bei Langstreckenflügen drei Gramm Tee bzw. 20 g Bohnenkaffee (fertig in Thermosflaschen). Die Bordverpflegung war beliebt und teuer zugleich. Die Piloten verstanden sie nicht als physiologische Optimierung, sondern als eine Art Belohnung für den Einsatz. Erst Ende 1942 kam es zu einer größeren Flexibilisierung der Einzelkomponenten. Seither erhielten die Flieger 50 g Schokakola, Glykolade oder Rumstangen sowie 25 g Dextro-Energen oder 80 g Fruchtschnitten, Studentenfutter, Milupabonbons bzw. Biomalzhappen (alternativ auch 50 g Fruchttafeln oder Marzipanwürfel), 30 g Pfefferminz- (oder andere) Drops und schließlich 85–100 g Keks bzw. 80 g Sojagebäck. Dazu kamen Getränke.232 Diese ca. 1.000 Kcal enthaltende Portion bildete die Quintessenz der bisherigen Produktion künstlicher Kost: Konservierung und Fortifizierung, Isolierung von Einzelstoffen und deren Rekombination – all dies mündete vorrangig in komprimierte Süßwaren. Derartige Kampfpausensnacks wurden bei mehr als 10-stündiger Einsatzdauer allerdings weiter ergänzt, nämlich durch 120 g Frischfleisch oder 100 g Frischwurst, 50 g Käse, 500 g Frischobst bzw. 1/3 Dose Obstkonserven und 20 g Kakao oder Kaffee. Diese Rationen wurden auch in Form von belegten Broten ausgegeben. Einzelne Flugzeuge besaßen zudem Küchengeräte zur Erhitzung vorgefertigter Speisen.233 Die Ausweitung des Krieges führte jedoch seit spätestens 1941 zu neuen Anforderungen an Sonderernährungsformen. Einsatzgebiete über Meeren und Wüsten erforderten insbesondere für Bomber und Fernaufklärer eine gesonderte Notverpflegung, um im Falle eines Abschusses oder Unfalls überleben zu können. Noch während des deutschen Luftkrieges gegen Großbritannien Mitte 1940 hatten die deutschen Piloten lediglich Schokakola, Dextro-Energen oder Drops in ihrer Fliegerkombination, entsprechend schnell verdursteten bzw. verhungerten sie, wenn sie nicht vorher an Unterkühlung starben. Als Konsequenz erhielten Bomber und Fernaufklärer ein Rettungsschlauchboot mit 400 g Zwieback, 200 g Schokolade, 50 g Traubenzucker sowie einem Liter Wasser.234 Zudem setzte man Seenotproviantbojen ein. Daneben entwickelte die Luftwaffe Notproviantbehälter für Wüsten bzw. Tropenregionen und einen Notproviantbehälter Winter.235 Während die Nahrung aus den üblichen Komprimaten bestand, trat nun Trinkwasser in den Blickpunkt der Forschung. Auf der einen Seite wurde seit Frühjahr 1942 von Konrad Schäfer (Forschungsinstitut für Luftfahrtmedizin) nach physiologischen Studien ein chemisches Verfahren zur Entsalzung von Meerwasser entwickelt, das seit 1943 auch einsatzbereit war.236 Die IG Farben produzierte die Chemikalien, doch bei Luftrettungen 232 Ebd., 223–224 (auch für das Folgende). 233 Strughold, 1950b, 33. 234 Luft, 1944, 491. 235 Vgl. Hanson, 1950, 1123–1124. 236 Schäfer, Konrad: Thirst and its Control, in: German Aviation Medicine World War II, Vol. II, Washington 1950, 1158–1163.

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wurden sie nicht mehr eingesetzt.237 Auf der anderen Seite zielte der Luftwaffeningenieur Eduard Berka Ende 1943 darauf, mittels eines Vitamin C-Präparates den Geschmack des Seewassers zu überdecken. Dieses Verfahren wurde an KZ Häftlingen im KZ Dachau untersucht und im Nürnberger Ärzteprozess abgeurteilt.238 Das Stoffparadigma half, ethische Fragen aus der wehrwissenschaftlichen Zweckforschung herauszuhalten. Dies zeigt sich auch an entsprechender »Grundlagenforschung« zum Höhenflug bzw. Kältetod, die von Luftwaffenoffizieren im KZ Dachau und anderswo betrieben wurden. Kälte, sinkender Druck und tendenziell bedrohlicher Sauerstoffmangel bildeten eine zunehmend lebensfeindliche Umwelt, die auch durch die Druckkabine nur ansatzweise ausgeglichen werden konnte. Darmgase benötigen in 10.000 m Höhe viermal so viel Platz wie auf Bodenhöhe, entsprechend mussten Lebensmittel mit Ballaststoffen bzw. mit Kohlensäure oder sonstigen Gärstoffen möglichst ausgeschlossen werden.239 Nicht allein die Startverpflegung, sondern möglichst breite Teile der Höhenfliegerkost sollten daher aus Mehlspeisen, Grieß, Reis, Haferflocken, Butter oder magerem Fleisch bestehen.240 Die technische Umgestaltung der Kampfesräume führte zur zunehmenden Umgestaltung auch der Einsatzverpflegung. So wurde das Brot nach langen Untersuchungen in der Kölner Unterdruckkammer neu zusammengesetzt, bestand nun aus einer optimierten Kombination von Weizen, Roggen und Hopfen. Die Ende 1944 eingeführte Höhenfliegerkost enthielt vornehmlich leicht verdauliche Eiweißträger, Kartoffeln, Butter sowie einfach digestierbares Gemüse und Obst.241 Parallel versuchten deutsche Physiologen durch »gute« Ernährung die »Höhenfestigkeit« der Krieger zu erhöhen.242 Die Vitamin A-Versorgung wurde durch synthetische Präparate gesichert.243 Die zielbewusste Fremdbestimmung der Piloten zeigte sich schließlich ebenfalls an den in diesem Wehrmachtsteil besonders intensiv geführten Debatten über den Einsatz von leistungsfördernden Stimulantien. Gerade beim Alkohol standen die Ergebnisse der Physiologie quer zum Selbst- und Fremdbild des 237 Strughold, 1950b, 34–35. 238 Vgl. hierzu den Häftlingsbericht Zámecník, Stanislav: Das war Dachau, Luxemburg 2002, 292–294. 239 Luft, 1944, 489. 240 Vgl. auch Strughold, H[ubertus]: Lufthygiene für den Flieger in der Tropo- und Stratosphäre, in: German Aviation Medicine World War II, Vol. I, Washington 1950, 517–523, hier 519–520. 241 Strughold, 1950b, 34. 242 Vgl. Schütze, U.: Untersuchungen über den Einfluß verschiedener Zuckerarten auf die Höhenfestigkeit fliegender Besetzungen, Luftfahrtmedizin 5, 1941, 97–102; Rühl, A.: Über die Möglichkeiten einer Steigerung der menschlichen Höhenfestigkeit durch therapeutische Maßnahmen, DMW 69, 1943, 25–28. 243 Luftfahrtmedizinisches vom Weit- und Nachtflug, Luftwissen 10, 1943, 61; Hanson, 1950, 1121, 1123.

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lebensfreudigen Fliegers. Das Ideal, das der morphiumsüchtige Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Herman Göring, im März 1939 in Rechtsform goss, war der abstinente Rassekrieger.244 Medizinische Lehrbücher unterstützten dieses, propagierten zugleich aber keinen Bruch mit der Tradition des geselligen Angst- und Komasaufens. Rauchen war dagegen grundsätzlich gestattet, doch sollte es nicht in der Öffentlichkeit bzw. während etwaiger Dienstpausen geschehen. Diese ambivalente Haltung gegenüber legalen Alltagsdrogen ging einher mit intensiven physiologischen Untersuchungen an weiteren pharmakologisch wirksamen Stoffen, mit denen man versuchte, Müdigkeit einzudämmen und die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen. Einschlägige Studien wurden seit 1936 insbesondere am Dortmunder Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie durchgeführt.245 Mittels neu entwickelten »Erschöpfungsversuchen« untersuchte man etwa die leistungssteigernde Koffeinwirkung von Schokakola und gewann dadurch Anregungen für neue Kombinationsprodukte.246 Koffein, Cardiazol und Pervitin standen im Mittelpunkt weiterer Studien, die insgesamt aber keine mittel- und langfristig unschädlichen Effekte ergaben.247 Gleichwohl wurden für kurzfristige Effekte Präparate entwickelt und eingesetzt. Die Seenotproviantbojen enthielten u. a. Dextro-Energentafeln mit Pervitinzusatz.248 Einschlägige Versuche fanden bis Kriegsende statt, wobei synthetische Wirkstoffe, insbesondere Vitamine analysiert wurden. Die konzeptionelle Fortentwicklung der Fliegerkost war spätestens seit 1944 auch von beträchtlichen Versorgungsproblemen und immer neuen Austauschstoffen gekennzeichnet. Im Rahmen einer Wissensgeschichte künstlicher Kost ist jedoch erstens das vor Verstößen gegen verbindliche wissenschaftliche Standards und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht zurückschreckende Vordringen in immer neue Wissensgebiete bemerkenswert, um so Menschen auch in lebensfeindlichem Umfeld versorgen zu können. Gerade die Luftfahrtmedizin des NS -Staates belegt die Faszination eines kontextlosen stofflich-physiologischen Wissens, das sich Aufgaben des »Wie« stellte, ohne Fragen nach dem »Warum« zu erwägen. Zweitens wird am Beispiel der Fliegerernährung nicht 244 Deutsches Reich. Erlaß des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, betr. Alkohol- und Nikotinmißbrauch. Vom 20. März 1939, RGBl 14, 1939, 323. 245 Raehlmann, Irene: Arbeitswissenschaft im Nationalsozialismus. Eine wissenschaftssoziologische Analyse, Wiesbaden 2005, 113–114; Raehlmann, Irene: Forschungen des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie im Nationalsozialismus, in: Buggeln, Marc/ Wildt, Michael (Hg.): Arbeit im Nationalsozialismus, München 2014, 123–138, hier 129–135. 246 Graf, Otto: Zur Frage der spezifischen Wirkung der Cola auf die körperliche Leistungsfähigkeit, Arbeitsphysiologie 10, 1939, 376–395. Dabei wurden Bitterschokolade und Schokakola an Testpersonen verfüttert, die dann nach Vorermüdung über die Leistungsgrenzen hinaus belastet wurden. 247 Ders.: Increase of Efficiency by Means of Pharmaceutics (Stimulants), in: German Aviation Medicine World War II, Vol. II, Washington 1950, 1080–1103, hier 1103. 248 Luft, 1944, 493.

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nur die Bedeutung von Gewalt und Kampf für die Ausbildung später ziviler Produktpaletten klar, sondern hier wurden erstmals physiologische und psychologische Grenzen für die Verbreitung künstlicher Kost offenkundig. Die Startverpflegung der Flieger und die spätere Grundverpflegung der Höhenflieger griffen beide zurück auf tradierte Speisen. Objektiviertes Wissen führte reflektiert zurück zu Alltagsspeisen der leichten Küche der 1920er Jahre, der Diätküche der Jahrhundertwende bzw. der Diätetik des 19. Jahrhunderts. Das Küchenwissen des Alltags musste also eine immanente Rationalität enthalten, die mit dem Stoffparadigma allein nicht zu erkunden war. Und doch handelte es sich bei den gleichartig benannten Lebensmitteln und Speisen nicht mehr um die der Vorfahren. Auch tradierte Kost erhielt seine Wertigkeit erst durch die wissenschaftliche Analyse und wurde über die Vorstellungswelten der Experten des eisernen Dreiecks mit ästhetisierenden Vorstellungen wie »gesund« und »gut verdaulich«, »leistungssteigernd« und »stimulierend« verbunden. Tradierte Kost wurde aus Alltagszusammenhängen und subjektivem Wissen herausgelöst, neu aufgeladen und damit immer mehr eine ästhetische Fiktion ihrer Herkunft, Funktion und Geschichte. Dieses Janusgesicht der Verwissenschaft­ lichung zeigt sich deutlicher noch an der Astronautenkost der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

6.2.3 Unendliche Weiten. Astronautenverpflegung im Wandel Die US -amerikanische Raumfahrt gründete vielfach auf der Expertise deutscher, genauer, nationalsozialistischer Funktionseliten. Das galt nicht nur für Raketentechnik, für die das NSDAP- und SS -Mitglied Wernher von Braun steht, sondern auch für die Verpflegung. Im Rahmen der Operation »Paperclip« kamen ca. 500 führende Ingenieure, Mediziner und Physiologen in die USA und arbeiteten dort vornehmlich in der Grundlagenforschung.249 Obwohl sie Lobbyisten der Raumfahrt waren, dominierte in der unmittelbaren Nachkriegszeit jedoch noch die Versorgung der Jetpiloten. Für die Ernährungsphysiologen war der technologische Sprung von Propellerzu Düsenflugzeugen weniger gravierend, stellten sich die grundlegenden medi 249 Das folgerte auch aus dem Verbot einschlägiger (militärischer) Arbeit in der Nachkriegsdekade. Zu den deutschen Anstrengungen vgl. 25 Jahre Deutsche Forschungsanstalt für Luftraumfahrt e. V. DFL Braunschweig 1936–1961, Braunschweig 1961; 35 Jahre Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. Impressionen eines Forschungsunternehmens, Köln 2004. Vgl. auch Herrmann, Manfred: Project Paperclip. Deutsche Wissenschaftler in Diensten der U. S. Streitkräfte nach 1945, Phil. Diss. Erlangen-Nürnberg 1999. Zur sowjetischen Operation Osoawjachim vgl. Ciesla, Burghard: Der Spezialistentransfer in die UdSSR und seine Auswirkungen in der SBZ und DDR , Aus Politik und Zeitgeschichte 28, 1993, Nr. 49/50, 24–31.

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zinischen Fragen doch bereits im Grenzgebiet tradierter Antriebstechnik. Die durch den Zweiten Weltkrieg binnen weniger Jahre zur führenden Luftmacht der Welt aufgestiegenen USA benötigten für Aufklärungsflüge und dann den Aufbau einer strategischen Atombomberflotte allerdings ausgeklügeltere Ernährungskonzepte als im Zweiten Weltkrieg.250 Im Mittelpunkt der Forschung standen die aus der Überschallgeschwindigkeit und immens gesteigerten Beschleunigungen resultierenden Verdauungsprobleme. Die Ernährung der Jetpiloten folgte grundsätzlich den Prinzipien der Fliegerkost des Zweiten Weltkrieges.251 Bei Einsätzen unter fünf Stunden erhielten die Piloten noch vielfach vorverpackte belegte Brote sowie Getränke in Aluminiumdosen. Das für längere Einsätze genutzte Kampf-Paket IF-2 erhielt dagegen schon Cookies, komprimierte Süßwaren, Kräcker, Gewürze sowie Kaffee resp. Tee in Dosen. Anfang der 1950er Jahre baute man dann auch Erhitzungseinrichtungen in Flugzeuge ein, wodurch heiße Getränke bzw. Fertiggerichte leichter möglich wurden. Hohe Geschwindigkeiten und flüssige Nahrung waren jedoch potenziell gefährlich. Die US -Militärs führten daher Thermoskannen und Kunststoffbehälter ein, deren Inhalt mittels Schläuchen und Trinkaufsätzen gesichert war.252 Lebensmittel wurden ebenso in Tablettenform verabreicht, doch mit Ausnahme von Süß­waren lehnten die Piloten sie ab.253 Wichtige Grundprinzipien der späteren Astronautenkost konnten so schon erprobt wurden. Der Übergang zur bemannten Raumfahrt war bis Mitte der 1950er Jahre keineswegs vorherzusehen. Die Systemkonkurrenz von Ost und West einerseits, die mit dem Abenteuer Raumfahrt verbundene spielerische Faszination von Grenzüberschreitungen anderseits führten jedoch zu einem Umschwung. Gegen jedwede Kostenerwägungen folgten beide Supermächte dem Traum der unendlichen Weiten.254 Raumfahrt stand auch für die naturwissenschaftliche Hoffnung nach dem ganz Anderem  – auch und gerade im Bereich der Ernährung.

250 Zu den US -amerikanischen Vorarbeiten vgl. Mackowski, Maura Phillips: Testing the Limits. Aviation Medicine and the Origins of Manned Space Flight, o. O. 2006, 11–38, 69–86. Darin auch Verweise auf die internationale Kooperation der Forscher in den 1930er Jahren. 251 Dyme, Harry C.: In-flight Feeding Problems in the USAF, Journal of Aviation Medicine 22, 1951, 146–151, hier 147. 252 Diese Erfahrungen mündeten unmittelbar in die Astronautenverpflegung: Gaume, James G.: Nutrition in Space Operations, FT 12, 1958, 433–435, hier 434. 253 Finkelstein, Beatrice: Feeding Crews in Air Vehicles of the Future, FT 12, 1958, 445–448, hier 445. Zu den üblichen Getränkepulvern vgl. Lemke, Kurt: Die amerikanische Soldatenverpflegung, Die Ernährungswissenschaft 2, 1955, 230–233, hier 231–232. Zur Einordnung Moran, Barbara: Dinner Goes to War. The long battle for edible rations is finally being won, Invention & Technology 14, 1998, Summer issue, 10–19. 254 Zur sowjetischen Entwicklung vgl. West, John B.: Historical Aspects of the early Soviet/ Russian manned space program, Journal of Applied Physiology 91, 2001, 1501–1511.

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Die bemannte Raumfahrt wurde seit den späten 1940er Jahren von den deutschen Experten in den USA durch Grundlagenforschung vorbereitet. Während Fragen der Beschleunigung bzw. der Abdichtung und Bestückung der Druck­kabinen grundsätzlich geklärt schienen, war unklar, welche Folgen die kosmische Strahlung und insbesondere die Schwerelosigkeit für Körper und Stoffwechsel des Raumfahrers haben würden.255 Die deutschen Experten knüpften an ihre Vorarbeiten im NS -System an und konnten die zahlreichen mit dem Aufbau strategischer Atomwaffenpotenziale verbundenen Raketentests für neuartige Tierversuche nutzen.256 Da Versuche, Schwerelosigkeit künstlich einzudämmen, technisch nicht praktikabel waren, musste sich die neu zu konzipierende Astronautenkost auf sie einstellen.257 Höhenballonexperimente, insbesondere aber Simulationstechniken verdeutlichten die Gefahren flüssiger und bröselnder Speisen, verwiesen zugleich aber auf eine höhere Nährstoffdichte, da der Energiebedarf und auch der Grundumsatz im Weltall offenbar sanken.258 Chemische und lebensmitteltechnologische Grundlagenforschung wurden daher intensiviert. Dabei ging es erst einmal um die Essenzialität der Lebensmittelinhaltsstoffe. Auch wenn physikalische Einheiten, wie Kalorien, oder tradierte Begriffe, wie Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate, nach wie vor verwandt wurden, verlagerte sich die fachinterne Diskussion doch zunehmend auf die Mikrostoffe. Die lebensnotwendigen Amino- und Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe wurden im Mikro-, ja Milligrammbereich verortet und ihre Stoffwechselfunktionen bzw. die Interaktionen mit anderen Stoffen systematisch erforscht. Die beim Blick zu den Sternen aufkeimenden Kinderträume waren nur auf Kosten einer inhaltlichen und sprachlichen Spezialisierung zu erreichen. Anfang der 1960er Jahre gelang es, die im Rahmen der Krankenernährung, insbesondere von Komapa 255 Vgl. Diringshofen, Heinz v.: Medizinische Probleme der Raumfahrt, in: Gartmann, Heinz (Hg.): Raumfahrtforschung, München 1952, 167–182. Daneben standen Fragen nach dem Zusammenleben auf engstem Raum oder die Entrhythmisierung, s. Lane, Helen W./ Feeback, Daniel L.: History of Nutrition in Space Flight: Overview, Nutrition 18, 2002, ­797–804, hier 801–803. 256 Vgl. Gauer, Otto/Haber, Fritz: Man under Gravity-free Conditions, in: German Aviation Medicine World War II, Vol. I, Washington 1950, 641–644; Haber, H[einz]/Gerathewohl, Siegfried J.: Physics and Psychophysics of Weightlessness, Journal of Aviation Medicine 22, 1951, 180–189. 257 Vgl. Ward, Julian E.: Physiological Aspects of Hypergravic and Hypogravic States, Journal of the American Medical Association 172, 1960, 665–668 bzw. Campbell, Paul A.: Medical Aspects of Ambient Radiations of Extraterrestrial Space, Journal of the American Medical Association 172, 1960, 668–671. 258 Simons, David G.: Nutrition in Space Flight. Ballon Flight Experience, Nutrition 12, 1958, 436–441. Einen Überblick der Grundlagenforschung bietet Hodgson, James G./Tischer, Robert G.: Space Feeding Problems: A Bibliography, FT 12, 1958, 459–463. Lange Raumflüge wurden anvisiert, vgl. Taylor, Albert A.: Present Capabilities and Future Needs for Space­ Feeding, FT 12, 1958, 442–444.

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Abb. 89a+b: Männer im Weltall  – Kosmonautenküche 1961

tienten, angewandten Nährnahrungen entscheidend zu verbessern.259 Künstliche Ernährung auf Basis bilanzierter Stoffe war grundsätzlich möglich.260 Doch auf derartige »künstliche Nahrung«261 wurde nicht zurückgegriffen. Das detaillierte Wissen diente vielmehr den Zielvorgaben der lebensmitteltechnologischen Forschung. Astronautenkost gründete auf präzisem stofflichen Wissen, sollte zugleich aber nicht gar zu erdenfern erscheinen. 259 Vgl. Winitz, Milton u. a.: Evaluation of Chemical Diets as Nutrition for Man-in-Space, Nature 205, 1965, 741–743. 260 Dymsza, H. A. u. a.: Development of Nutrient-Defined Formula Diets for Space ­Feeding, FT 20, 1966, 1349–1352. 261 Maier, Ursula E. C.: Die Ernährung des Menschen im Weltraum, Fortschritte der Medizin 87, 1969, 253–257, hier 256.

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Die lebensmitteltechnologische Entwicklung lässt sich am prägnantesten am Beispiel der einzelnen Weltraumprogramme darstellen. Drei Aspekte gelten jedoch allgemein: Erstens war Astronautenkost von Beginn an ein populäres öffentliches Thema, das die technischen Möglichkeiten der jeweiligen Zeiten widerspiegelte, das zugleich aber – anders als die enteilende Raketentechnologie – den Bezug zum Alltag der Mehrzahl knüpfte.262 Die schon in zahllosen Dokumentationen und B-Pictures der 1950er Jahre präsentierten Lebensmittel bildeten die ästhetisierte Hülle der Forschungsanstrengungen und dienten der PR für die 1958 gegründete NASA und die späteren Milliardenprogramme.263 Die männlich konnotierten Raketenbilder fanden in der Küchenpraxis ihr weibliches Pendant. Zweitens implizierte die Raumfahrtforschung neuartige Hygienestandards. Die Vorarbeiten der deutschen Qualitätsforschung im Zweiten Weltkrieg standen Pate für umfassende Qualitätssicherungs- und Kontrollmaßnahmen, die als HACCP-Standard zuerst in der US -amerikanischen Lebensmittelindustrie, dann über ISO -Normen auch global verbreitet wurden.264 Man band jeden Einzelschritt der Herstellung an zuvor genau definierte und quantifizierbare Parameter, deren Einhaltung man immer wieder mikrobiologisch und chemisch testete. Das betraf grundsätzlich alle Gebrauchsgegenstände des Produktions- und Lagerhaltungsprozesses. Drittens wurde Astronautenkost anfangs sowohl getrocknet als auch bestrahlt.265 Geringes Gewicht, Keim­ freiheit und lange Haltbarkeit konnten so garantiert werden.266 Nach Gründung der NASA bildete bis 1963 das Mercury-Programm den Schwerpunkt der bemannten Raumfahrt der USA . Auch wenn man im Wettbewerb mit der Sowjetunion abermals unterlag, gelang doch 1962 ein erster bemannter Orbitalflug. Die NASA agierte unter öffentlicher Beobachtung planvoll und versuchte insbesondere, das Risiko für die Astronauten möglichst zu minimieren. Die Flugdauer von zumeist deutlich unter einem Tag erforderte an sich 262 Faszination dominierte, doch war auch die Rede von den modernen »Teufelsküchen« (Ein Haus auf dem Mond, Kristall 1959, 1368–1370, 1372, hier 1370). 263 Diese Werbung zielte auch auf Fachleute, nicht zuletzt Mediziner, vgl. Strughold, Hubertus: Der Mensch im Weltraum, Medizin heute 7, 1958, 441–444. 264 Vgl. Bauman, Howard: HACCP: Concept, Development, and Application. What the Hazard Analysis and Critical Control Point system is and how it came about, FT 44, 1990, Nr. 5, 156–158; Surak, John G.: The ISO 9000 Standards. Establishing a Foundation for Quality, FT 46, 1992, Nr. 11, 74, 76, 78, 80. 265 Vgl. Hanson, S. W. F.: Some Observations on the Problems of Space Feeding, FT 12, 1958, 430–432, hier 431. 266 Die gerade zu Beginn der 1950er Jahre intensive Diskussion über Algen als Astronautenkost und Schlüssel zur Lösung des Welthungerproblems wurde dadurch nicht beendet, verlagerte sich jedoch auf Konzepte für Langzeitflüge (Casey, Richard/Lubitz, Joseph A.:­ Algae as Food for Space Travel. A Review, FT 17, 1963, 48–56). Vgl. allgemein Belasco, Warren: Algae Burgers for a Hungry World? The Rise and Fall of Chlorella Cuisine, Technology and Culture 38, 1997, 608–634. Algenforschung war Teil der NS -Autarkiepolitik und wurde in der DDR , nicht aber in Westdeutschland, weiter betrieben.

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Abb. 90 a–c: Konzeptioneller Wandel – Von der Tubenernährung (Mercury) über rehydrierbare Fertiggerichte zu verzehrsfähigen Häppchen (Gemini)

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nur eine Nahrungsergänzung. Doch Essen war erforderlich, zumal nachdem US -Präsident John F. Kennedy am 25. Mai 1961 das Ziel vorgegeben hatte, ein US -Amerikaner solle bis Ende der Dekade als erster Mensch auf den Mond landen. Vorbereitet hatten die Mediziner vorrangig pürierte Lebensmittelkonzentrate in Aluminiumtuben, getrocknete und gepresste Nahrungshappen sowie Milchtabletten mit Malz und Schokolade.267 Im Prinzip handelte es sich hierbei also um Speisen, die es konzeptionell schon um 1880 gegeben hatte (Kap. 3.4.2). Konservierungstechnik, Verpackung und die ernährungsphysiologische Zusammensetzung waren jedoch deutlich elaborierter. Die Astronauten beklagten allerdings mangelnden Geschmack und niedrigen Conveniencegrad. Diese Defizite wurden während des Gemini-Programms im Wesentlichen beseitigt. Die bis zu 14-tägigen Flüge erforderten ausgeklügelte Versorgungskonzepte. Vordergründig bedeutete dies das Aus für die Tubenverpackung. Die Astronauten erhielten einerseits Nahrungshappen verschiedener Zusammensetzung und Geschmacksarten.268 Die 23 Sorten waren gefriergetrocknet und unmittelbar verzehrsfähig, da die Rehydrierung durch den Speichel erfolgte. Ihre Oberfläche bestand aus Gelatine, die Krümel ausschloss. Anderseits traten nun vorgekochte und komprimierte Fertiggerichte in verbesserten Kunststoffbehältern in den Vordergrund. Alle 30 verfügbaren Speisen mussten mit Wasser injiziert und konnten danach mittels Saugvorrichtungen verzehrt werden. Die Lebensmittel hatten mit 30–32 % einen überdurchschnittlichen Fettanteil, auch der Mineralstoffgehalt war angesichts der schwindenden körperlichen Belastung deutlich erhöht. Jeder Astronaut erhielt täglich 2.800 Kcal, weniger also als auf Erden. Die ebenfalls um aromatisierte Getränke erweiterte Lebensmittelpalette war Resultat der Kooperation von US -Armee (Natick Laboratories in Natick, Massachusetts) und NASA (Houston, Texas). Systematischere Forschungsanstrengungen folgten, um Rohstoffe und deren Bindungseigenschaften zu analysieren, Schutzstoffe und Verpackungen präzise zu klassifizieren und die Speisenpalette auszuweiten. Die Lebensmittelentwicklung sollte nicht mehr länger vom Erfahrungswissen der Technologen abhängen, sondern sich aus dem objektivierten Wissen der Chemiker und Bromatiker ergeben. Dadurch gelang es nicht nur, Rehydrierungszeiten zu verkürzen und den Fertigspeisen eine gewisse Konsistenz zu verleihen, sondern mittelfristig das Volumen weiter zu verringern und die Speisenpalette zu erweitern.

267 Vgl. Nutrition of Man in Space, Nutrition Reviews 18, 1960, 325–328, hier 327–328; Klicka, Mary V.: Development of Space Foods, Journal of the American Dietetic Association 44, 1964, 358–361, hier 358–359. 268 Vgl. Klicka, 1964, 360–361; Smith, K. J. u. a.: Nutritional Evaluation of a Precooked Dehydrated Diet for Possible Use in Aerospace Systems, FT 20, 1966, 1341–1345; Klicka, Mary A./Hollender, H[erbert] A./Lachance, P[aul] A.: Foods for Astronauts, Journal of the American Dietetic Association 51, 1967, 238–245.

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Das kam unmittelbar dem von 1966 bis 1972 laufenden Apollo-Programm zugute, dessen Höhepunkte sechs Mondlandungen bildeten. Dem großen Schritt für die Menschheit waren viele kleine Verbesserungen der Ernährung vorangegangen. Die Zahl möglicher Lebensmittel stieg auf zuletzt 80 an, ihr Geschmack verbesserte sich durch einen Wassererhitzer und -kühler beträchtlich, und bei vorsichtigem Essen konnten die aufgeschnittenen Kunststoffbeutel nun auch ausgelöffelt werden.269 Die Grundlagenforschung zielte nicht mehr länger auf die Lebensmittel, sondern immer stärker auf Geschmack und Konsum. Der Blick der Entwickler schwenkte von den Stoffen zu den Stoffverwertern. Das zeigte sich an der Ernährung der seit 1973 eingerichteten Raumstationen Skylab bzw. der sowjetischen Mir.270 Nun musste die Haltbarkeit mindestens ein Jahr betragen, da Raumtransporter erst seit 1981 verfügbar waren. Zugleich erlaubten die Langzeitaufenthalte Forschungen der physiologischen Veränderungen angesichts von Schwerelosigkeit und Bewegungsmangel.271 Kalziumund Knochenstoffwechsel sowie Wasser- und Elektrolythaushalt bildeten bevorzugte Forschungsthemen.272 Eine Raumstation bot allerdings deutlich mehr Platz als ein Raumschiff. Küchentechnik konnte eingebaut, eine Art Speiseraum etabliert werden.273 Die in Plastikbeuteln abgefüllten Fertiggerichte enthielten nun auch separate Wasserbehälter, wodurch das Vermischen einfacher und beschleunigt wurde. Die wesentliche Innovation bildete jedoch das kombinierte Zubereitungs- und Speisegerät. 269 Flentge, R. L. u. a.: How Conventional Eating Methods were found feasible for Spacecraft, FT 25, 1971, 51–54 (Rehydrierungscontainer und Verpackung); Smith, Malcolm: The Apollo Food Program, in: Aerospace Food Technology, Washington 1970, 5–13. 270 Raumstationen waren schon seit langem konzeptionell geplant worden vgl. Finkelstein, Beatrice/Symons, John J.: Feeding Concepts for Manned Space Stations, Journal of the American Dietetic Association 44, 1964, 353–357 (mit Abbildungen später ähnlich entwickelter Koch- und Essutensilien). Zur Entwicklung der Konzepte vgl. Haycock, Christine E.: Apollo Spacecraft to Take Frozen Meals on Upcoming ›Skylab‹ Study Mission, Quick Frozen Foods 1971, Nr. 2, 29; Rambaut, Paul C. u. a.: Some Flow Properties of Foods in Null Gravity. Rheological behavior of food differs in space, requires special testing program, FT 26, 1972, 58–63. 271 Rambaut, P[aul] C./Leach, C. S./Leonhard, J. L.: Observations in energy balance in man during spaceflight, American Journal of Physiology 233, 1977, R208-R212. Diese Fragen sind bis heute offen, vgl. Norberg, Carol (Hg.): Human Spaceflight and Exploration, Berlin/ Heidelberg 2013. 272 Vgl. Heer, Martina: Fernweh. Space Food zwischen technischer Innovation und physiologischer Notwendigkeit, in: Spiekermann, U[we]/Schönberger, G[esa] U. (Hg.): Ernährung in Grenzsituationen, Berlin u. a. 2002, 121–128, hier 123–127; Lane, Helen W./Feeback, Daniel L.: Water and Energy Dietary Requirements and Endocrinology of Human Space Flight, Nutrition 18, 2002, 820–828. 273 Stadler, Connie R. u. a.: Skylab menu development, Journal of the American Dietetic Association 62, 1973, 390–393; Haycock, Christine E.: Frozen Meals Cut Weight Loss of the Astronauts on Skylab, Quick Frozen Foods 1975, Nr. 4, 62–63.

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Abb. 91: Zubereitungs- und Speisegerät im Skylab 1973

Die Fertiggerichte wurden nun auf Adapter gesteckt, dort erhitzt und dann mit magnetischem Besteck oder aber mit Trinkhalmen verspeist. 72 verschiedene Gerichte standen zur Auswahl, zudem gab es frisch gebackenes »Brot«.274 Im Skylab begann eine relative Entstandardisierung der Astronautenernährung. Die alltägliche Esssituation diente auch im Weltall als Vorbild, war sie doch ein für Wohlbefinden und Stimmung der Raumfahrer ganz wesentliches soziales und kommunikatives Ereignis. Im Rahmen einer gesicherten stofflichen Grundversorgung fand eine flexible Spezialisierung der Versorgungsangebote statt. Der einzelne Astronaut konnte aus der vorgegebenen Speisenpalette die Angebote wählen und miteinander kombinieren, die ihm schmeckten.275 Dieses Prinzip galt zuvor übrigens schon auf den sowjetischen Sojus-Raumschiffen. Es wurde ebenfalls im Space Shuttle übernommen, dessen Verpflegung allerdings keine wirklichen Neuigkeiten mit sich brachte.276 Auf der seit 2000 bewohnten 274 Hartung, T. E. u. a.: Application of Low Dose Irradiation to a Fresh Bread System for Space Flights, Journal of Food Science 38, 1973, 129–132. 275 Vgl. im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte Piore, Michael J./Sabel, Charles F.: Das Ende der Massenproduktion. […], Berlin (W) 1985. 276 Vgl. Perchonok, Michel: NASA Food Systems: Past, Present, and Future, Nutrition 18, 2002, 913–920, hier 915–916; Bourland, Charles/Rapp, Rita M./Smith, Malcolm C. jr.: Space Shuttle Food System, FT 31, 1977, Nr. 9, 40–41, 44–45; Bourland, C[harles] T. u. a.: Space Shut-

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International Space Station fanden die angelegten Veränderungen einen vorläufigen Abschluss.277 Die bis heute ca. 150 Mrd. $ teure Raumstation konnte aufgrund ihrer Solarenergieversorgung kein eigenes Wasser bilden, die Versorgung erfolgte daher durch gefrorene Fertiggerichte, die in Mikrowellengeräten erhitzt wurden.278 Ca. 200 Gerichte bieten eine Auswahl, die über der des irdischen Durchschnittskonsumenten liegt.279 Diese Entstandardisierung darf aber nicht zu der Aussage verleiten, dass Astro­nautenkost heutzutage »natürlicher« geworden sei. Auf der einen Seite finden wir lang zurückreichende Versuche, neue Kunstwelten mit »natürlichen« Stoffkreisläufen zu errichten. Geplante Mars-Missionen werden ohne Anbau von Pflanzen und Nutzung der eigenen Ausscheidungen nicht durchgeführt werden können. Autarkiebestrebungen finden in der seit den 1950er Jahren diskutierten Grenzsituation des »closed ecological system«280 eine spannendeigenartige Fortsetzung. Nach wie vor kommen hier Ideale synthetischer Lebensmittelproduktion durch Bakterien zum Tragen.281 Auf der anderen Seite aber spiegelt die veränderte Astronautenkost, dass physiologische und psychologische Forschungen den kulturellen Wert tradierter Kost zunehmend zu schätzen wissen, ihn zugleich aber in ihrem Sinne umdeuten. Geschmacksforschung wurde zur integralen Disziplin. Schon während des Zweiten Weltkrieges lehnten US -Marines die neu eingeführten Fertiggerichte bei Dauereinsatz ab.282 Dem begegneten die Ernährungsplaner durch eine größere Auswahl sowie eine gezielte Aromatisierung.283 Anfang der 1960er Jahre etablierten sich im Anschluss an die Klagen der Mercury-Piloten dann die »Gastronautics«284, um den tle Food Processing and Packaging, Journal of Food Protection 44, 1981, 313–319; Stadler, Connie R. u. a.: Food system for Space Shuttle Columbia, Journal of the American Dietetic Association 80, 1982, 108–114. 277 Vgl. Altman, Philip L./Talbot, John M.: Nutrition and Metabolism in Spaceflight, Journal of Nutrition 117, 1987, 421–427; Bourland, Charles T. u. a.: Designing a Food System for Space Station Freedom, FT 43, 1989, 76–81; Lane, Helen W./Schulz, Leslie O.: Nutritional Questions relevant to Space Flight, Annual Review of Nutrition 12, 1992, 257–278. 278 Zur Forschung vgl. Smith, Scott M./Uchakin, Peter N./Tobin, Brian W.: Space Flight Nutrition Research: Platforms and Analogs, Nutrition 18, 2002, 926–929. 279 Vgl. Perchonok, 2002, 916–917. 280 Shapira, J.: Space Feeding: Approaches to the Chemical Synthesis of Food, Cereal­ Science Today 13, 1968, 58–63, hier 58. Vgl. schon Brockmann, M. C. u. a.: Closed Cylce Biological Systems for Space Feeding, FT 12, 1958, 449–458; Lachance, Paul A./Vanderveen, John E.: Problems in Space Foods & Nutrition. Foods for extended Space Travel & Habitation, FT 17, 1963, 567–570, 572. 281 Hierzu historisch Taub, Frieda B.: Closed Ecological Systems, Annual Review of Ecology and Systematics 5, 1974, 139–160 bzw. Maier, Ursula E. K.: Die Versorgung von Astronauten mit Nahrung, Wasser und Sauerstoff, EU 17, 1970, 189–193, hier 192. 282 Kilbuck, John H.: Foods for the Spaceman, FT 11, 1957, Suppl., 2, 5–6, hier 5. 283 Gaume, 1958, 434. 284 Calloway, Doris Howes: Nutritional Aspects of Gastronautics, Journal of the American Dietetic Association 44, 1964, 347–349, 352.

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Geschmack der stofflich klar definierten Speisen zu optimieren. Die Entwicklungsprogramme wurden um Akzeptanztests erweitert und neue Astronautenund Militärkost seither sensorisch überprüft.285 Die Speisen schmeckten, doch handelte es sich um einen standardisierten Geschmack, um künstliche Natürlichkeit. Die nationalen Ernährungstraditionen, die sich in der Speisepalette der ISS sehr wohl widerspiegeln, erscheinen hier gebrochen. An die Stelle einer heterogenen Ernährungs- und Esskultur trat das symbolische Artefakt, eine Repräsentation auf Basis objektivierten Wissens.286 Heimat ist gerade in unendlichen Weiten unersetzlich, mag sie auch auf künstliche Symbole reduziert sein. Für eine Wissensgeschichte künstlicher Kost zeigen sich demnach selbst und gerade in der Grenzsituation des Weltalls grundlegende Unterschiede zwischen objektiviertem Wissen und den heterogenen subjektiven Deutungen auch ausgebildeter Naturwissenschaftler. Ebenso wichtig sind jedoch die zahlreichen Pusheffekte auf die Lebensmittelproduktion. Dies gilt für die Entwicklung der Kranken- und Altenernährung, von Fertiggerichten und der Konservierungsund Verpackungstechnologie.287 Auch wenn kostengünstigere Entwicklungen sicher möglich gewesen wären, so sind die Folgewirkungen der immensen Investitionsleistungen gerade in den 1960er Jahren doch offenkundig (Kap. 6.4.4). Abseits dieser vornehmlich technologischen Effekte sollte aber der Vorbildcharakter der hier sichtbaren Kreation künstlicher Natürlichkeit nicht unterschätzt werden. Für Ästhetisierung, geschmackliche Optimierung und Gebrauchswertsteigerung bot die Astronautenkost ein anregendes Vorbild.

6.3 Körper von einem anderen Stern: Formula-Diäten und Diätkost Die Astronautenkost sollte leistungsfähige Körper unter Bedingungen von Schwerelosigkeit und Bewegungsmangel sichern. Angesichts der langjährigen Vorbereitung waren die Raumfahrer durchweg normal- oder idealgewichtig. Für 285 Vgl. Nanz, Robert A./Lachance, Paul A.: Acceptability of food items developed for Space Flight Feeding, FT 21, 1967, 1361–1362, 1364, 1367; O’Hara, May J. u. a.: Aerospace Feeding: Acceptability of Bite-Sized and Dehydrated Foods, Journal of the American Dietetic Association 51, 1967, 246–250; Stadler u. a., 1973, 393. Zur Sensorik vgl. Schutz, Howard G.: Evolution of the Sensory Science Discipline, FT 52, 1998, Nr. 8, 42–46; Meiselman, Herbert L./ Schutz, Howard G.: History of food acceptance research in the US Army, Appetite 40, 2003, 199–216. 286 Zur Begründung dieser These vgl. ausführlicher Spiekermann, Uwe: Europäische Küchen. Eine Bestandsaufnahme, in: Köpke, Wulf/Schmelz, Bernd Schmelz (Hg.): Das gemeinsame Haus Europa. Handbuch zur europäischen Kulturgeschichte, München 1999, 801–817. 287 Vgl. Heidelbaugh, Norman D. u. a.: Clinical nutrition application of space food technology, Journal of the American Dietetic Association 62, 1973, 383–386, 388–389; Disante, Evelyn: Giant Steps for Food Technology, FT 31, 1977, Nr. 5, 54–56, 60.

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viele Erdenbewohner galt dies nicht. Schon im Kaiserreich bekämpfte man mit wissensbasierten Produkten und Dienstleistungen die überflüssigen Pfunde (Kap. 3.5.3 und 3.5.4). Ärzteschaft und Physiologen setzten aber vorrangig auf eine dauerhafte Veränderung der Ernährungsgewohnheiten. Einseitige Diäten bzw. Präparate schienen nur bei besonders schweren Fällen ratsam zu sein.288 Im Mittelpunkt des Abnehmens stand eigenes Tun, nicht der Kauf künstlicher Kost. Charakteristisch für die Kaiserzeit war zugleich, dass sich trotz einer wachsenden Palette abstrakter Körpernormen die Mehrzahl der Ärzte an einer Art »Wohlfühlgewicht« orientierte.289 Die Interventionsschwelle war dadurch variabel, schied zudem zwischen Alter und Sozialschicht, Stadt und Land, Mann und Frau. Auf dem Gesundheitsmarkt hielten sich Stärkungsmittel noch die Waage mit der wachsenden Zahl der Schlankheitsprodukte. Dies änderte sich in der Zwischenkriegszeit. Gerade Frauen mittlerer und höherer Schichten wurden von der Werbung nun immer häufiger auf ein vermeintlich zu hohes Gewicht hingewiesen.290 Doch die Wirksamkeit der angebotenen Mittel war begrenzt, die weit verbreiteten Schlankheitstees erzielten noch die besten Ergebnisse. Gleichwohl: Die gängige Darstellung eines umfassenden Umschwungs hin zu einem schlanken Körper findet sich weder vor, noch unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg.291 Die drastische Abmagerung zwischen 1915 und 1923 ließ Magerkeit für die Mehrzahl der Bevölkerung als Ausdruck elementarer Not erscheinen. Sie wollte nicht schlank sein, sondern auskömmlich essen. Das uns bekannte Bild der Frau im engen Kostüm mit Bubikopf galt für breite Bereiche der urbanen Kultur, doch kann man nicht von einem dominanten Schlankheitsideal sprechen. Ökonomisch bedeutete dies segmentierte Märkte. Die Modebeilagen der in sechsstelligen Auflagen vertriebenen Hausfrauenzeitungen boten Vorlagen sowohl für schlanke, als auch für »starke« und  – ein Begriff aus der Mitte der 1920er Jahre – »vollschlanke« Körper an. Die Entfettungsmittel wandten sich zumeist an die klassische Klientel adipöser Kunden, spielten nicht mit dem Ideal gertenschlanker Körper, sondern eher mit Bildern glücklicher und geliebter Frauen. Das Ideal eines attraktiven Körpers war verbunden mit charakteristischer Muskelmasse oder aber mit spezifisch weiblichen Rundungen. Gegen Ende der 1920er Jahre wurde der Markt zunehmend segmentiert: Gleiche Produkte bot man für unterschiedliche Lebenslagen und Konsumentengruppen an, hob jeweils andere Eigenschaften der Präparate hervor. Männer 288 Vgl. etwa Hoffmann, 1903, 432. 289 Vgl. Thoms, 2000. 290 Details enthält Spiekermann, Uwe: Das Deftige für den Mann, das Leichte für die Frau? Über den Zusammenhang von Ernährung und Geschlecht, in: Jahn, Ingeborg/Voigt, Ulla (Hg.): Essen mit Leib und Seele, Bremen 2002, 51–74. 291 Vgl. etwa Blimlinger/Sturm, 1988/89.

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und Frauen, moderne und eher traditionelle Klientele wurden angesprochen, vor übertriebenen Idealen gewarnt, wohl aber auf einen schlankeren Körper hingewiesen. Gleichwohl darf man nicht unterschätzen, dass insbesondere während der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise Nähr- und Aufbaupräparate gefragt waren. Auch während der NS -Zeit wurde dieses figurbetonte Ideal in Werbung und Politik propagiert, galt doch der Körper als optimal, der arbeiten und gebären konnte. Ein wirklicher Bruch der Bildsprache erfolgte in diesem Marktsegment jedoch nicht, auch wenn die ohnehin eher sekundären Bilder modischer urbaner Frauen seltener zu sehen waren.

6.3.1 Mehr Eiweiß, mehr Kalorien. Körperliche Veränderungen im 20. Jahrhundert Will man die Veränderungen im Umgang mit Körper und Übergewicht im 20. Jahrhundert genauer analysieren, so muss sich erst einmal mit »realen«, also dem empirisch erfassbaren Biokörper auseinandersetzen292: Um die Jahrhundertwende waren die Menschen deutlich leichter und kleiner als heutzutage. 20-Jährige Rekruten wogen bei einer ersten umfassenden Messung 1906 durchschnittlich 65 kg, erreichten also das Durchschnittsgewicht heutiger Frauen.293 Bei den Körperhöhen war in Deutschland um die Mitte des 19. Jahrhundert ein relativer Tiefpunkt erreicht. Danach begann eine langsame Aufwärtsentwicklung, die sich in den zwei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg beschleunigte, dann kurzfristig umkehrte, um anschließend in eine Phase beschleunigten Höhenwachstums zu münden. Der bis 1930 aufgetretene Längenzuwachs von mindestens sechs Zentimetern seit 1850 fand seine Entsprechung in einer allerdings etwas geringer ausgeprägten Gewichtsvermehrung. Der Brustumfang vergrößerte sich entsprechend nur leicht. Konsequenz dieser unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten von Gewicht und Höhe war eine sichtbar andere Gestalt des Körpers. Durchschnittlich waren die Deutschen 1930 schlanker als ihre Vorfahren um 1850 bzw. 1880. Zugleich wuchs die durchschnittliche Körperkraft signifikant.294 Das Wachstum erfolgte zudem in immer kürzeren 292 Vgl. detaillierter Spiekermann, Uwe: Übergewicht und Körperdeutungen im 20. Jahrhundert  – Eine geschichtswissenschaftliche Rückfrage, in: Schmidt-Semisch, Henning/ Schorb, Friedrich (Hg.): Kreuzzug gegen Fette. […], Wiesbaden 2008, 35–55, hier 36–39. 293 Schwiening, Heinrich: Körpergröße und Körpergewicht des Menschen, DMW 40, 1914, 498–500, 556–558, hier 557. 294 Zusammengestellt u. ber. n. Rößle, Robert/Böning, Herta: Das Wachstum der Schulkinder. Ein Beitrag zur pathologischen Physiologie des Wachstums, Jena 1925, 24–27; Jaeger, U[we]/Zellner, K[onrad]/Kromeyer, Katrin: Ergebnisse Jenaer anthropologischer Schulkinderuntersuchungen zwischen 1880 und 1985, Anthropologischer Anzeiger 48, 1990, ­239–245, hier 242.

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Zeitspannen: Die Körper der Schüler entwickelten sich schneller, Pubertät und Geschlechtsreife setzten früher ein, endeten aber auch eher.295 Diese Durchschnittsziffern sollten allerdings nicht vergessen lassen, dass die Körper die gängigen Differenzierungskriterien der damaligen Gesellschaft spiegelten und mit konstituierten. Soziale Unterschiede erreichten bei den Körperhöhen fast durchweg mehrere Zentimeter, während sie beim Gewicht weniger ausgeprägt waren und der Brustumfang sich kaum unterschied.296 Das gilt in noch stärkerem Maße für Stadt-Land-Unterschiede297: Stadtbewohner waren tendenziell höher und schwerer als die ländliche Bevölkerung, Ausnahmen bildeten nur Landwirte. Auch der Abstand zwischen den Geschlechtern vergrößerte sich. Stark ausgeprägt waren die regionalen Unterschiede. Das Deutsche Reich wies ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle auf, welches sich leicht gen Osten neigte. Schätzungen für die gesamte Bevölkerung gehen seit 1930 von einem sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland relativ konstantem Längenwachstum aus.298 Dabei vergrößerten sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern allerdings leicht. Die Musterungsunterlagen der Bundeswehr dokumentieren einerseits einen relativ kontinuierlichen Anstieg sowohl des Gewichtes als auch der Höhe junger Männer von 68 kg und 1,74 m 1957 auf 74 kg und 1,80 m in den 1990er Jahren.299 Anderseits wird deutlich, dass für die große Mehrzahl dieser jungen Männer Adipositas kein Thema war. Dieses relativ glatte Bild langfristiger Trends muss zudem zeitlich differenziert werden, um zeitgenössische Wahrnehmungen und Debatten angemessen zu verstehen. Dies gilt insbesondere für Kriegs- und Notzeiten. Im Ersten Weltkrieg begann der Rückgang der Körpergewichte schon 1915. Bis Ende 1917 spitzte sich die Lage dramatisch zu: Das Durchschnittsgewicht aller Deutschen sank von ca. 60 kg 1914 auf 49 kg300 (Kap. 4.1.3). Während bei den Erwach­ senen die Körperhöhen gleich blieben, fraß sich der Krieg in die Körper der Kinder. »Kriegsneugeborene« lagen unter drei Kilogramm und maßen weniger 295 Zur zeitgenössischen Diskussion vgl. Pfuhl, Wilhelm: Topographische Anatomie und äußere Gestalt. Wachstum und Proportionen, in: Peter, Karl/Wetzel, Georg/Heiderich, Friedrich (Hg.): Handbuch der Anatomie des Kindes, Bd. 1, München 1938, 191–292; Koch, Ernst Walther: Über die Veränderungen menschlichen Wachstums im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Ausmass, Ursache und Folgen für den Einzelnen und für den Staat, Leipzig 1935. 296 Vgl. Kenntner, Georg: Die Veränderungen der Körpergröße des Menschen – Eine biogeographische Untersuchung –, Phil. Diss. Saarbrücken, Karlsruhe 1963, 159–166. 297 Vgl. etwa Lubinski, Herbert: Über Körperbau und Wachstum von Stadt- und Land­ kindern, Monatsschrift für Kinderheilkunde 15, 1919, 264–276 bzw. Hecker, R[udolf]: Körperentwicklung des Großstadtkindes, MW 3, 1929, 1352–1354, 1391–1393. 298 Drösser, Christoph: Größe zählt, Die Zeit 58, 2003, Nr. 45 v. 30.11., 27–28, hier 28. 299 Jaeger, U[we] u. a.: Veränderungen von Körpergewicht und Body-Mass-Index (BMI) bei deutschen Gemusterten (erstuntersuchten Wehrpflichtigen), Aktuelle Ernährungs-­Medizin 24, 1999, 249–255, hier 251. 300 Ebd., 235.

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als 50 Zentimeter. Mangelhafte Ernährung und verschlechterte Lebensbedingungen führten zu Entwicklungsunterbrechungen. Die Kinder waren 1919/20 ca. 3–5 cm kleiner als ihre Altersgenossen des Jahres 1914/15.301 Doch dieser Einbruch wurde schnell wieder wettgemacht. Nach der wirtschaftlichen Konsolidierung beschleunigte sich schließlich ab 1926/27 die »Acceleration«302, die auch während der Weltwirtschaftskrise nicht durchbrochen wurde. Während und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg fand ein weiterer Einbruch statt, der insgesamt aber weniger stark war, bei dem auch die Entwicklungsrückstände der Kinder geringer blieben. Doch anders als im Ersten Weltkrieg gab es keinen abrupten körperlichen Verfall der Deutschen, sondern eine moderate Reduktion von durchschnittlich mehreren Kilogramm während des Krieges, sowie eine nochmalige beschleunigte Abnahme bis 1947.303 Lebens­ versicherungsdaten belegen einen Gewichtsverlust von ca. 10 % während und nach dem Zweiten Weltkrieg.304 Ernährungsphysiologen stellten bis 1947 selbst bei Bergarbeitern eine um bis zu 40 % eingeschränkte physische Leistungsfähigkeit fest, Unterernährung war weit verbreitet.305 1945/46 litten etwa zwei Promille der Deutschen an Hungerödemen, ein Wert, der im Winter 1946/47 deutlich überschritten wurde.306 Eine Hungerkatastrophe wurde nur durch die bei aller Kargheit der »Hungerrationen« letztlich großzügige, auf Kosten der eigenen Bevölkerung durchgeführte Versorgung aller Besatzungsmächte verhindert, die durch internationale private Hungerhilfe noch wesentlich ergänzt wurde. Mit der Gründung der Bi-Zone stabilisierte sich die Lage, danach verbesserten sich die Körperproportionen wieder. Spätestens 1954 waren die Vorkriegswerte wieder übertroffen und bis 1965 stieg das Durchschnittsgewicht dieser Männer nochmals um ca. 15 %. Anders ausgedrückt: Binnen 15 Jahren nahm der durchschnittliche Westdeutsche um fast 25 % zu307, die Ostdeut 301 Vgl. als Überblick Schlesinger, Eugen: Wachstum, Gewicht und Konstitution der Kinder und der heranwachsenden Jugend während des Krieges, Zeitschrift für Kinderheilkunde 22, 1919, 79–123. 302 Lenz, Widukind: Die Veränderungen des menschlichen Wachstums, Homo 2, 1951, 20–24, hier 20. 303 Kraut, Heinrich/Bramsel, Herbert: Körpergewichtsentwicklung deutscher Arbeiter von 1937 bis 1947, Arbeitsphysiologie 14, 1951, 394–406, hier 396. 304 Graulich, Josef: Zum Stande der Übergewichtigkeit in der Bundesrepublik aus der Sicht der Versicherungsmedizin, EU 24, 1977, 11–16, hier 12. 305 Trittel, Günther J.: Hungerkrise und kollektiver Protest in Westdeutschland, in: Gailus, Manfred/Volkmann, Heinrich (Hg.): Der Kampf um das tägliche Brot. […], Opladen 1994, 377–391. 306 Vgl. Grafe, Erich: Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten und ihre Behandlung, 2. wes. erg. u. erw. Aufl., Berlin (W)/Göttingen/Heidelberg 1958, 222; Voit, K[urt]: Magerkeit, MMW 93, 1951, Sp. 257–266. 307 Je nach Datengrundlage kann man auch zu höheren Werten kommen. Harth, Victor: Die Behandlung der Korpulenz, Die Heilkunst 75, 1962, 83–84, 87–89, hier 83, gab gar ­35–40  % an.

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schen noch stärker.308 Kollektive Abmagerung und sich rasch wölbende Körper verbreiterten in der Nachkriegszeit rasch die Märkte für Präparate und künstliche Kost.

6.3.2 Einzudämmende Massen. Ernährungswissenschaftliche Deutungen des Übergewichts Die in der deutschen Geschichte einmalige Körperentwicklung der zwei Nachkriegsdekaden war 1945 nicht vorhersehbar. Die physiologische Forschung, für die das Ende des NS -Regimes keinen wirklichen Einschnitt bildete, konzentrierte sich vorrangig auf die Physiologie der Unterernährung.309 Noch Ende 1949 hieß es eindeutig: »Eiweiß, Fett und Futtereiweiß sind die drei deutschen Versorgungsprobleme.«310 Angesichts des Verlustes von ca. 25 % der langwirtschaftlichen Erzeugungsfläche und einer durch Flucht und Vertreibung deutlich gestiegenen Bevölkerungszahl war es für die meisten Ernährungswissenschaftler unabdingbar, zu einer dominant pflanzlichen Ernährung überzugehen. Doch die trotz Arbeitslosigkeit und Inflation letztlich rasche ökonomische Stabilisierung mündete spätestens seit 1950 in einer später als Fresswelle gekennzeichnete »auffallende[n] Gewichtszunahme«311. Für Ernährungswissenschaftler war dies Verschwendung und Gesundheitsgefahr zugleich. Heinrich Kraut gab sich schon 1952 überzeugt, eine »Umerziehung unseres Körpers«312 sei unabdingbar. Vitamine seien wichtig und er riet, mageres »Fleisch, Fisch, Käse, Quark, viel Gemüse, Sauerkraut und Obst zu bevorzugen. Wenig Brot, Kartoffeln, Nudeln und Kuchen essen. Fett und fettes Fleisch meiden, auf Schokolade, Pralinen, Zuckerwerk und Bonbons verzichten. Milch trinken!« Doch das scheinbar überlegene Wissen wies beträchtliche Defizite auf.313 Unklar war erstens, wie das Phänomen Übergewicht präzise zu fassen war. Trotz zahlreicher elaborierter Körperformeln orientierte man sich prag-

308 Tiegel, Werner: Naturheilkundliche Behandlung der Fettsucht, Hippokrates 25, 1954, 109–113, hier 109. 309 Vgl. den Forschungsüberblick bei Grafe, 1958, 203–210, der von 350 einschlägigen Arbeiten ausging. 310 Der Handel und das deutsche Ernährungsproblem, Deutscher Lebensmittelmarkt 1, 1950, H. 1/2, 1–2, hier 1. 311 Schoeneich, Paul: Fettsucht und Kreislaufschäden, Hippokrates 22, 1951, 324–326, hier 324. 312 Kraut, Heinrich: Ernähren wir uns richtig?, hg. i.A. des Verbraucherausschusses für Ernährungsfragen, Hamburg 1952, 57 und 58 für das folgenden Zitat. 313 Zum Forschungsstand vgl. Schoen, R[udolf]: Unterernährung, Fehlernährung und Überernährung, in: Lang, Konrad/Ders. (Hg.): Die Ernährung. Physiologie-Pathologie-Therapie, Berlin (W)/Göttingen/Heidelberg 1952, 196–268.

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matisch vornehmlich am sog. Broca-Gewicht. Lag das Körpergewicht höchstens bei der Kilogrammzahl der um Hundert subtrahierten Körperhöhe, so war es »normal«, während positive Abweichungen von mehr als 10 % als Korpulenz bzw. Adipositas galten.314 Diese strikte Norm bedurfte jedoch des präzisierenden Blicks des Experten, denn Konstitution, Alter, Geschlecht, Knochenbau, Muskelmasse und auch das Herkunftsmilieu wollten angemessen berücksichtigt werden. Zweitens bestanden beträchtliche Probleme, das Krankheitsbild der »Fettsucht« oder »Fettleibigkeit« kausal zu erklären. Anfangs untersuchten Physiologen und Mediziner vornehmlich konstitutionelle Faktoren. Um 1950 dominierten Erklärungsansätze einer zumeist hormonell bedingten Stoffwechselkrankheit, eine Dekade später schien es sich eher um eine Regulationsstörung von Fettgewebe, Bewegung und Grundumsatz zu handeln, ehe in den 1960er Jahre psychologische Deutungen hervortraten.315 Doch bei den meisten Problemfällen – 1958 schätzte man den Anteil der »Fettsüchtigen« auf 4–6 % der westdeutschen Bevölkerung, 1960 schien man gar mit den USA gleichgezogen zu haben316 – handelte es sich offenbar um sog. Mastfettsucht, also um zu hohen Nahrungskonsum. Erklärungsmuster für diese »häufigste körperliche Abnormität«317 fanden die fast durchweg im NS -System sozialisierten Wissenschaftler in kulturellen Deutungen, genauer in einer gegen vermeintliche Vermassung gerichtete Zivilisationskritik. Die Verbraucher erschienen zügellos: »Unbeherrscht wurde in die ödematisch ausgehungerten Leiber hineingefuttert, bis sie aufgedunsen waren und mehr denn je die Krankenhäuser bevölkerten.«318 Die Zivilisation führe zudem zum Verlust des Hungergefühls zugunsten des Appetits, also zum Verlust der »natürlichen« Instinkte.319 Bedeutsamer aber wurde die entgegengesetzte Deutung, wonach sich der moderne Mensch an die Veränderungen von Arbeitswelt und Wohlstand nicht habe anpassen können und sich wie 314 Weissbecker, L[udwig]: Pathogenese, Klinik und Therapie der Adipositas, Die Therapiewoche 9, 1958/59, 294–298, hier 294. 315 Vgl. Bansi, H[ans] W[ilhelm] u. a.: Beiträge zum Problem der Fettsucht, MW 20, 1951, 1161–1165, 1202–1205; Jahnke, K[arl]: Praktische Probleme der Überernährung, EU 7, 1960, 171–174; Jores, A[rthur]/Freyberger, H.: Die psychologischen Voraussetzungen der Fettlebigkeit [sic!], EU 10, 1963, 34–36, 57–60. 316 Angaben n. Weissbecker, 1958/59, 296; Jahnke, 1960, hier 171. Valide Datengrundlagen fehlen. Zu den Versicherungsdaten vgl. Kaufmann, F[ritz]: Fettleibigkeit und Lebenserwartung, Zeitschrift für Präventivmedizin 1, 1956, 344–352. Vgl. als Überblick Komlos, John/Kriwy, Peter: The Biological Standard of Living in the Two Germanies, German Economic Review 4, 2003, 459–473. 317 Geller, L[uise]: Die Fettsucht als Krankheitsursache, Das Reich der Landfrau 72, 1957, 56. 318 Zerwick, K[urt]: Gedanken zu einem übergeordneten Recht des Lebensmittelgesetzes, DLR 51, 1955, 1–11, hier 8. 319 Weissbecker, 1958/59, 296.

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seine körperlich hart arbeitenden Vorfahren ernährte.320 Naturwissenschaftler wurden zu Kulturtheoretikern, die auf Basis ihrer stofflich-physiologisch Expertise apokalyptische Szenarien der gesundheitlichen Folgen des Massenübergewichts ausmalten. Diese waren allerdings beträchtlich: Hoher Blutdruck, degenerative Herzerkrankungen, Galle-Lebererkrankungen sowie Steinleiden, Arthritis, Asthma und Bronchitis wurden immer wieder genannt und in der Summe einer durchschnittlich sechs bis sieben Jahre geringeren Lebenserwartung verdichtet.321 Abhilfe schien nur mit einer »richtigen« Ernährung möglich, im Krankheitsfalle musste eine wissenschaftlich betreute Diät durchgeführt werden.322 Auch wenn Kuren von täglich 600 oder 1.000 Kcal grundsätzlich unproblematisch schienen, rieten die meisten Ärzte hiervon ab, da sie langfristig unwirksam seien.323 Die Therapie müsse breiter angelegt werden. Neben einer vollwertigen Ernährung mit wenig Nähr- und ausreichend Wirkstoffen sollte der Patient lernen, erstens zellschädigende Genussmittel, wie etwa Alkohol, zu meiden und zweitens entgiftende Maßnahmen, etwa in Form einer Süßmostkur, durchzuführen. Drittens galt es schließlich, den Organismus durch eine Bewegungstherapie anzuregen. In den späten 1950er Jahre war dies jedoch umstritten, da bei leichtem Sport nur wenige Kalorien verbraucht wurden, intensivere Bewegung aber gesundheitlich gefährlich sei. Außerdem fördere sie den Appetit, könne daher letztlich mehr schaden als nutzen.324 Diese moderate Therapie dauerte länger, war mit Aufwand und Kosten verbunden, doch der Lohn in Lebensjahren schien klar. Mit derartigem Selbstbewusstsein propagierten und institutionalisierten Ernährungswissenschaftler diätetische Küchen auch in Betriebskantinen und klärten insbesondere die Haushalte auf.325 Die Betroffenen aber orientierten sich stärker an anderen Produkten und Dienstleistungen, die auf dem seit den frühen 1950er Jahren schnell wachsenden Schlankheitsmarkt angeboten wurden.

320 Kühnau, J[oachim]: Die heutige Ernährungssituation in der Wohlstandsgesellschaft, in: Heilmeyer, Ludwig/Holtmeier, Hans-Jürgen (Hg.): Ernährungswissenschaften, Stuttgart 1968, 100–111, hier 107. 321 Schoeneich, 1951, 326; Trumpp, R[olf]: Naturgemäße Behandlung der Fettsucht bei gleichzeitiger Herzkräftigung, Hippokrates 28, 1957, 17–21, hier 18. 322 Vgl. den Überblick von Mellinghoff, K[arl]: Diätetik, in: Lang, Konrad/Schoen, Rudolf (Hg.): Die Ernährung. Physiologie-Pathologie-Therapie, Berlin(W)/Göttingen/Heidelberg 1952, 269–326. 323 Labhart, A[lexis]: Entstehung und Behandlung der Fettleibigkeit, Zeitschrift für Präventivmedizin 1, 1956, 352–360. 324 Vgl. Bahner, Friedrich: Die Prophylaxe der Fettsucht, Internationales Journal für prophylaktische Medizin und Sozialhygiene 2, 1958, 64–68, hier 68; Trumpp, 1957, 19. 325 Vgl. etwa Der Patient am Familientisch. Allgemeine Richtlinien für eine Kost bei Übergewicht, EU 8, 1961, 105–108.

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6.3.3 Wohlgeformte Biokörper. Präparate und Lebensmittel gegen Übergewicht Seit Anfang der 1950er Jahre finden sich in den Illustrierten der Bundesrepublik mehr und mehr Werbeanzeigen für Schlankheitsmittel. Es handelte sich anfangs vornehmlich um altbekannte Angebote.326 Abführmittel bildeten eine erste Gruppe von Präparaten, die die Verdauung beschleunigten und die Resorption verringerten. Als eigenständige Präparate setzte man sie primär gegen Verstopfungen ein.327 In Schlankheitsmitteln wurden diese salinen Stoffe meist in auf Wasserentzug basierenden Kombinationspräparaten eingesetzt. Dadurch bestand die Gefahr, auch essenzielle Wirkstoffe auszuschwemmen. Zweitens bot man Hormonpräparate an, meist aus Schild- oder Keimdrüsen bzw. Hypophysen, um den Stoffwechsel zu aktivieren. Ihre kausale Wirkung war, im Gegensatz zu den Kreislaufproblemen, vielfach unklar.328 Sie wurden von leistungsfähigen deutschen Pharmavertrieben abgesetzt, kamen entweder aus Deutschland oder aus Westeuropa, insbesondere dem »eleganten« Paris. Neben diesen Medikamenten behaupteten drittens Schlankheitstees ihr in der Zwischenkriegszeit errungenes Terrain. Sie dienten der vermeintlichen »Entschlackung«, galten aber auch als gesundes Heilgetränk. Ihre Werbung war eng an Alltagsituationen ausgerichtet und bezog auch Männer mit ein. Waagen, Maßbänder und Normalgewichtstabellen wurden aber fast ausschließlich mit Frauen verbunden. Derartige, vielfach mit der Autorität des weißen Kittels oder des schlechten Gewissens gekoppelte Bilder verankerten die Vorstellung eines »normalen« schlanken Körpers in der Öffentlichkeit, inkorporierten Stoffwechselgeschehen und Nährwertprofile und prägten geschlechts- und schichtspezifische Körperbilder. Objektiviertes Normwissen verdrängte dabei Ideen eines Wohlfühlgewichtes und individueller Verantwortung. Ärztevertreter beklagten, dass derartige Schlankheitspräparate bei den Korpulenten beliebt seien, da sie Essen und Leben kaum ändern mussten, verwiesen zugleich aber auf die durchweg bestehenden Nebenwirkungen.329 Das galt besonders für die neuen aus den USA stammenden Appetitzügler. Sie zielten auf Bekämpfung der »abnormen Eßlust«, und nutzten dazu zuerst Benzedrin-, dann

326 Sobal, Jeffery: The Medicalization and Demedicalization of Obesity, in: Maurer, Donna/Ders. (Hg.): Eating Agendas. […], New York 1995, 67–90, hier 69–77, deutete die Medikalisierung in den USA als neuartiges Phänomen der 1950er Jahre. Doch sie setzte erstens deutlich vorher ein und war zweitens stets von Diätlebensmitteln bzw. Therapieangeboten begleitet. 327 Kahn, Fritz: Der Mensch. […], 4. Aufl., Rüschlikon 1956, 282–285. 328 Bansi u. a., 1951, 1205. 329 Weissbecker, 1958/59, 298.

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Abb. 92: Schlankheitsmittel aus dem Westen 1952

Ephedrinderivate.330 Diese anfangs süchtig machenden Mittel – von der Wehrmacht teils als Stimulantien eingesetzt – wurden seit Mitte der 1950er Jahre angeboten, meist in Form von Kombinationspräparaten mit Vitaminen oder mit Jod und Laxantien.331 Die Deutsche Ärzteschaft warnte 1958 offiziell vor dem Konsum, konnte damit aber wenig erreichen.332 Auch in anderer Richtung setzten die USA zunehmend die Trends im Kampf gegen das Übergewicht.333 Zu Beginn der 1950er Jahre popularisierte etwa die Mayo-Klinik standardisierte Hungerdiäten.334 Schon in den frühen 1950er Jah 330 Stefan, Hermann: Zur Frage der Aetiologie und Therapie der Fettleibigkeit, Hippokrates 26, 1955, 503–505, hier 504 (Zitat); Weiler, Paul/Rheinländer, A. P.: Betrachtungen zur Therapie bei Fettleibigkeit, Hippokrates 28, 1957, 386–388. 331 Fleck, Rudolf: Ein Beitrag zur medikamentösen Therapie der Fettsucht, Hippokrates 27, 1956, 27–29; Fischer, Artur R.: Diät und Appetitzügler bei adipösen Herzkrankheiten, Hippokrates 29, 1958, 800–802. 332 Was ist von »Appetitzüglern« zu halten?, Die Heilkunst 71, 1958, 381. 333 Vgl. Wyden, Peter: The Overweight Society. An authoritative, entertaining Investigation into the Facts and Follies of Girth Control, London 1965 bzw. Stearns, 1997, 129–134, 137–146. 334 Saller, K[arl]: Die Behandlung der Fettleibigkeit als sozialmedizinische Notwendigkeit, Die Heilkunst 66, 1953, 277–278, hier 277.

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Abb. 93 a–c: Waage und Normwerte als Garanten des Gesunden

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ren wurde vielfach experimentiert, ob ältere, vor 1914 vor allem an technischen Problemen gescheiterte Ideen von Flüssigdiäten nicht für die Bekämpfung von Adipositas umgesetzt werden konnten. Seit 1958 erschienen schließlich sog. Formula-Diäten in den USA auf dem Markt. Diese in Aluminiumdosen gefüllten trinkfertigen Nährstoffkonzentrate enthielten wenig Fett und Kohlenhydrate, dagegen viel Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe. Das Pionierprodukt war der Millionenerfolg Metrecal (für metered calories) der Firma Mead Johnson & Co., eines 1900 gegründeten Herstellers von Säuglingsnahrung.335 Es war anfangs mit Vanille, seit 1960 dann auch mit Schokolade und Buttergeschmack aromatisiert, einzelne Mahlzeitenkomponenten folgten.336 Auch in Deutschland ermöglichten Firmen wie Nestlé, Wander oder aber Tradica mit Lizenzprodukten und Eigenentwicklungen objektiviertes Wissen unmittelbar einzuverleiben.337 Trotz einer Anfang 1961 einsetzenden ärztlichen Kritik an den Gefahren dieser »crash diets« bürgerten sie sich in den 1960er Jahren ein.338 Das galt auch für getrocknete bilanzierte Schlankheitsmenüs, die seit Mitte der 1960er Jahre aufkamen. Heutzutage werden Formula-Diäten nur in schwerwiegenden Fällen eingesetzt.339 Die verbesserte Lebensmitteltechnologie, die nicht zuletzt von den Erfahrungen der Militär- und dann auch der Astronautenkost profitierte, erlaubte zudem, bisher vorrangig von Diabetikern genutzte diätetische Produkte zur Eindämmung der Fettsucht zu nutzen.340 Der Ersatz von kalorienhaltigen durch kalorienarme Inhaltsstoffe, etwa Fett durch Protein oder aber Zucker durch Zuckerersatzstoffe erlaubte neue Angebote, die in den 1960er Jahren durch gezieltes Marketing teilweise vom Image des Verzichts befreit werden konnten. Fettleibigkeit wurde angesichts der in den 1960er Jahren ausgerufenen Seuchengefahr ein Wachstumsmarkt gerade im Lebensmittelsektor. Die Suggestion, essend etwas gegen das zu viele Essen tun zu können, führte seit Anfang der 1970er Jahre zu immer hochwertigeren fettreduzierten Diätprodukten. Dachmarken wie »Du darfst« gründeten auf systematischer betrieblicher Forschung und waren ökonomisch lukrativ.341 Während im Westen gewerbliche Anbieter diesen lukrativen Markt besetzten, wurde im Osten in enger Kooperation zwischen Ernährungswissenschaft, Planungsbehörden, Produktions- und Handels­ 335 Wyden, 1965, 41–62. 336 Zur Marktentwicklung vgl. Schwartz, 1986, 245–251. 337 Vgl. Jung, G. F.: Moderne diätetische Behandlungsformen, EU 11, 1964, 139–145. 338 Jahnke, 1960. 339 Großklaus, Rolf: Formula-Diäten: Mittel zum erfolgreichen Abnehmen?, EU 44, 1997, 84–88. 340 Einen Marktüberblick bietet Hamann, V[olker]: Die diätetischen Lebensmittel, EU 2, 1955, 75–77, 105–106, 130–131. 341 Benecke, D[ieter]: Union: Großangriff auf die Fettpölsterchen, EW 20, 1973, A27-A28; Meyer, Ute: Kalorienreduzierte Lebensmittel – neue Nahrungsmittel zur kaloriengerechten Ernährung, EU 19, 1972, B5–B7.

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Abb. 94 a+b: Werbung für Diätprodukte in den 1960er Jahren

betrieben das sog. ON-Sortiment aufgebaut  – ON stand für optimierte Nahrung –, dass in den 1980er Jahren auf über 400 Produkte angewachsen war, das aber, ebenso wie im Westen, nur Marktanteile von wenigen Prozentpunkten gewann. Es wurde über spezielle Diätregale oder aber in Reformhäusern und Drogerien abgesetzt.342 Die schon in den 1950er Jahren verkauften Diät-Biere oder Diät-Margarine konnte sich vom Odium einer Krankenkost allerdings nicht befreien. 342 Dloughy, Walter: Das Warenzeichen ON – Erkenntnisse einer Untersuchung, Marktforschung 26, 1987, Nr. 1, 6–8.

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Deutlich ambitionierter waren die sog. Light-Produkte, die Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre aufkamen.343 Auch hier handelte es sich um Produkte, bei denen bestimmte Inhaltsstoffe ausgetauscht wurden, um den Kaloriengehalt zu vermindern (Kap. 7.5). Zugleich wurden sie durch intensive sensorische und lebensmitteltechnologische Forschung geschmacklich verbessert. Auch in diesem seit einigen Jahren eine Renaissance erfahrenden Marktsegment machte sich nach etwa einer Dekade allgemeine Ernüchterung breit.344 Light-Zigaretten blieben das wichtigste Einzelprodukt, während die voller Hoffnung angepriesenen Light-Würste nie mehr als ein Prozent Marktanteil gewinnen konnten, und auch heute nur auf 0,5 % kommen. Erfolgreicher war entfettete Milch, die lange Zeit einen Marktanteil von über 25 % hatte, während die Light-Varianten von Käse oder Süßgetränken auf etwa 5 % kamen.345 Dies waren gleichwohl beträchtliche Umsätze in gesättigten Märkten. Die Hersteller pflegten diese Sortimente daher weiter. Der Schlankheitsmittelmarkt hat durch diese neue künstliche Kost relativ und absolut an Bedeutung verloren: Die Umsätze lagen bei deutlich sinkender Tendenz 2005 und auch 2013 bei ca. 170 Mio. €, sanken bis 2016 dann auf 150 Mio. €.346 140.000 Personen verwenden sie täglich oder fast täglich.347 Abführmittel bzw. sog. Magen- und Darmmittel setzten ähnlich viel um, dienten aber kaum noch der Fettreduktion. Stattdessen boomen die ärztlichen Dienstleistungen. Im Jahr 2000 wurden für Fettabsaugungen, Operationen für Gewichtsreduktion sowie ärztlich betreute Diäten hierzulande ca. 10 Mrd. € ausgegeben348, aktuelle Schätzungen gehen von weiter gestiegenen Werten aus. Diese beträchtlichen Marktveränderungen stehen für sich, doch sind die Folgewirkungen des damit verbundenen Körper- und Gesundheitsdiskurses kaum geringer zu gewichten. Vier Punkte stechen dabei besonders hervor. Erstens veränderte er neuerlich die Einschätzung von Lebensmitteln. Sie wurden nun nach 343 Vgl. etwa Feldheim, Walter: Kalorienarm und kalorienreduziert, Verbraucher Rundschau 1972, H. 10, 3–8; Benecke, D[ieter]: Spezial mager: Viel Erfolg mit wenig Fett, EW 19, 1972, A56-A58. 344 Fricker, Alfons: Was und wie trägt die Lebensmitteltechnologie zur Verbesserung der Ernährungssituation bei?, EU 20, 1973, 310–313; Liebert, Harry: Gesundheitskost als Verkaufsargument. […], EW 22, 1975, A181-A183. 345 Bachl, Thomas: Dem Konsumenten auf der Spur. Last oder Lust – Lebensmittelkonsum der Zukunft, o. O. 2004, 33 (GfK-Daten). 346 Schlankheitsmittel im Vergleich: Schlankheitspillen und Antiadipositas-Medikamente aus ernährungswissenschaftlicher und diätetischer Sicht, o. O. 2006 (Ms.); http:// statista.com/statistik/daten/studie/302940 [2014-02-12]; https://www.imshealth.com/files/ web/Germany/Publikationen/… [18.07.2017]. 347 Http://statista.com/statistik/daten/studie/181203 [18.07.2017]. 348 Adam, Olaf/Arnold, Rüdiger/Forth, Wolfgang: Lifestyle-Drogen, T. 2: Adipositas-Therapeutika, Stoffwechselblocker, Appetitzügler, Fettsimulatoren, Fettersatzstoffe, Hessisches Ärzteblatt 2000, 538–541, hier 538.

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ihrer physiologischen Funktion als Dick- oder aber Schlankmacher eingruppiert. Damit entstanden neue Lebensmittelimages, die vielfach nicht vom Kaloriengehalt abhingen. Süßwaren, in der Zwischenkriegszeit offensiv als Schlankmacher beworben, galten immer stärker als Fett- und Kohlenhydratträger349, und selbst Grundnahrungsmittel, wie Brot oder Kartoffeln, erhielten das Verdikt Dickmacher. Segmentiertes Stoffwechselwissen wurde so inkorporiert. Zweitens schien insbesondere Fett fett zu machen und das Herz-Kreislauf­system negativ zu beeinflussen. Gerade die Anfang der 1960er Jahre einsetzende wechselvolle Einschätzung des Cholesterins bzw. der Kampf zwischen Butter und Margarine um das beste Fettprofil ließen die Nachfrage nach magereren Produkten steigen. Das Fettschwein verlor seine dominante Stellung in der Zucht schon Mitte der 1950er Jahre, während Ende der 1960er Jahre nur noch 4 % der Konsumenten fettes Fleisch bevorzugten.350 Drittens spiegelt sich in der Parallelität von Alltagspraxis, ernährungswissenschaftlichen Therapiemodellen und Marktangeboten die schwindende Orientierungskraft der Ernährungswissenschaften in Wohlstandsgesellschaften. Die Fülle der Konsummöglichkeiten verringerte die Überzeugungskraft allein stofflich-physiologischer Argumente. Der Fokus wissenschaftlicher Arbeit verlagerte sich zwar vom Umgang mit Lebensmittelmangel und der Bekämpfung von ernährungsabhängigen Krankheiten auf den Schutz und die Aufklärung des gesunden und wohlhabenden Durchschnittsmenschen; doch trotz dieser Perspektivenerweiterung blieb die Wissensproduktion am Stoffparadigma orientiert und forderte Anpassungsleistungen der Mehrzahl, ohne selber die Begrenztheit des eigenen Wissens umfassend zu reflektieren.

6.3.4 Die Wiederkehr des Staates. Kooperation im Kampf um den gesunden Körper Die vierte und langfristig wichtigste Folge des Körper- und Gesundheitsdiskur­ ses der Nachkriegsdekaden resultierte aus dieser schwindenden Suprematie des wissenschaftlichen Wissens: Der Kampf gegen das Übergewicht bot den Experten des eisernen Dreiecks die Möglichkeit, sich auch im präventiven Bereich wieder intensiver zu vernetzten.351 In der Bundesrepublik hatten sich staatliche 349 Vgl. Verderben Süßigkeiten die schlanke Linie? Kuchen und Torten in der Ernährung, Gesund leben 1953, H. 8, 11. 350 Ernährung und Verbraucherverhalten, Der Verbraucher 23, 1969, Nr. 3–4, hier 3. Zum sog. Magerschwein vgl. Schweisfurth, Karl: Das fleischverarbeitende Gewerbe als Vermittler der Verbraucherwünsche, in: Fragen der Fleischwirtschaft, Frankfurt a. M. 1964, 25–39. 351 Dies gilt auch in der DDR , wo das enge Beziehungsgeflecht des eisernen Dreiecks der NS -Zeit durch den frühen Ausbau und die Zentralisierung der Forschungs- und Aufklärungskapazitäten in Potsdam und Dresden tendenziell intensiviert wurde. Vgl. hierzu allge-

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Instanzen aus der unmittelbaren Konsumregulierung zurückgezogen und auf Rahmensetzung konzentriert (Kap. 6.4.3). Verbrauchslenkung und Gesundheitsführung sollten den Konsumenten in seiner Wahlfreiheit nicht mehr beschränken, auch wenn zahlreiche staatlich finanzierte Aufklärungsinstitutionen parallel wissenschaftliche Ratschläge für gesundes Essen verbreiteten (Kap. 6.3.2). Hinzu kam ein im »Mister Wirtschaftswunder« Ludwig Erhard unmittelbar sichtbares Ideal des gesetzten Bürgers. Trotz all der Kuren und Kasteiungen wurde auch für Toleranz geworben.352 Für die wirklich Kranken gab es Ärzte, für die eitle Masse Schlankheitsmittel und für den Staat daher nichts zu regeln. Diese Position schien in den 1960er Jahren kaum mehr vermittelbar. Schließlich nahm die Zahl ernährungsabhängiger Krankheiten, insbesondere der Herz- und Kreislauferkrankungen deutlich zu und wurde zu einem Kostenproblem. Parallel wurden auch Kinder und Jugendliche übergewichtig. In der Zwischenkriegszeit war dies eine seltene, meist konstitutionell bedingte Ausnahme gewesen.353 Angesichts von 4–10 % adipösen Kindern traf dies in den 1960er Jahren nicht mehr zu, die Ärzte sahen »Vielfraße« und Kinder, die »regelrecht gemästet« wurden.354 Auf der anderen Seite polarisierten sich die Körperbilder zunehmend; das 1,66 m große und nur 41 kg leichte britische Model Twiggy symbolisierte das kulturelle Leitbild eines schlankeren Körpers.355 Parallel zum kulturellen Wandel veränderte sich mit dem Regierungseintritt der SPD und der nachfolgenden sozialliberalen Koalition das Aufgabenspektrum des Staates. Reformpolitik bedeutete auch eine aktive und präventive gestaltende Gesundheitspolitik. Handlungsbedarf schuf nicht zuletzt der von Ernährungswissenschaftlern im Auftrag der Bundesregierung erstattete erste Ernährungsbericht 1969, dessen Ergebnis ein »zu fett – zu süß – zu üppig« bildete.356 Die psymein Thoms, 2006 sowie Scheunert, A[rthur]: Ziele und Aufgaben der Ernährungsforschung, Ernährungsforschung 1, 1956, 2–7. 352 Schneider, H.: Psychohygiene und Fettleibigkeit, Zeitschrift für Präventivmedizin 1, 1956, 361–368. 353 Vgl. Welter, Herta: Untersuchungen zur Fettsucht im Kindesalter, Med. Diss. Düsseldorf 1936; Priesel, Richard/Frey, Leopold: Fettsucht im Kindesalter, Stuttgart 1938. 354 Zunehmende Fettleibigkeit unserer Jugend, EU 14, 1967, 76 (Zitat). Zur wissenschaftlichen Debatte vgl. Geyken, Friedrich: Zum Problem der kindlichen Fettsucht, Med. Diss. München 1962; Bolte, Roswita: Das Problem der Fettsucht im Kindesalter, Med. Diss. Düsseldorf 1967 (daraus auch die angegebenen Zahlen). Klar erkennbar ist der Übergang zu psychologischen Erklärungsansätzen, z. B. Esser, Hans: Die Fettsucht im Kindesalter, Med. Diss. Bonn 1966. Zugleich wurden ihre Lebens- und Ernährungsverhältnisse empirisch erkundet, vgl. Falke, Gundula: Über die Ätiologie der Fettsucht Jugendlicher, Med. Diss. Würzburg 1970. 355 Ernährungswissenschaftler warnten allerdings vor dieser »Modetorheit«, die für junge Mädchen fatale Folgen habe (Die Gefahr des Twiggy-look, EU 14, 1967, Beil., 21). 356 Zu fett – zu süß – zu üppig. Erster Ernährungsbericht für die Bundesrepublik Deutschland, Der Verbraucher 23, 1969, Nr. 16, 3–4. Eine erste Bündelung der heterogenen Daten zum Übergewicht bot allerdings erst der Ernährungsbericht 1980, hg. v.d. DGE , Frankfurt a. M. 1980, 102–106.

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Abb. 95 a+b: Krankheit und sexuelle Attraktivität – Gesundheitsaufklärung in Westdeutschland 1973/74

chologischen Erklärungsansätze ließen die Motivation und das Mit­machen der Dicken in den Vordergrund treten, wodurch insbesondere Sportkampagnen an Bedeutung gewannen. Die vom großenteils öffentlich finanzierten Deutschen Sportbund 1970 begonnenen Trimm-Dich-Aktionen wurden von bis zu 8,5 Mio. Deutschen praktiziert.357 Sie waren wissenschaftlich konzipiert und wurden von einer breit angelegten Werbung für »gesunde« und »leichte« Kost begleitet. Ähnlich kooperierten Staat, Wissenschaft und einschlägige Anbieter dann 1976 in der »Aktion Ernährung und Bewegung«, die unmittelbar vom Gesundheitsministerium getragen wurde.358 Strukturell ähnliche Kampagnen gab es auch in der DDR , wo auf die über Westniveau liegenden Übergewichtsraten schon Anfang der 1960er Jahre mit der sog. 10-Pfund-Kampagne reagiert wurde. Die Erfolge dieser von Staat, Wis 357 Detailliert hierzu Mörath, Verena: Die Trimm-Aktionen des Deutschen Sportbundes zur Bewegungs- und Sportförderung in der BRD 1970 bis 1994, Berlin 2005. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht Kraut, Heinrich: Richtige Ernährung und körperliche Betätigung, EU 20, 1973, 313–317. 358 Krusen, Felix: Die Aktion »Ernährung und Bewegung«. Anlässe – Ziele – Maßnahmen, EU 24, 1977, 3–4.

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senschaft und dem Handel durchgeführten Kampagne waren jedoch ernüchternd, der Anteil der »Fettsüchtigen« nahm in den 1960er Jahren deutlich zu.359 Öffentliche Träger finanzierten seit dieser Zeit ein Netzwerk von Beratungseinrichtungen, imagebewusste Hersteller und Einzelhandelsgruppen nutzten die Expertise von Ernährungswissenschaftlern, um für margenstarke Segmente zu werben.360 Auf Basis wissenschaftlicher Expertise konnten staatliche Instanzen suggerieren, dass ihnen das körperliche Wohl der Bevölkerung am Herzen lag. Damals gelang es, den Anstieg der Zahl der Übergewichtigen und Adipösen abzubremsen – was kausal wohl eher auf Lebensstilfaktoren zurückzuführen war. Der Fettsockel der West- und Ostdeutschen konnte in den folgenden Dekaden von den Experten des eisernen Dreiecks beredt beklagt, therapiert und kommerzialisiert werden.

6.4 Modernisierung auf dem Prüfstand: Der Weg zur Novelle des Lebensmittelgesetzes Die Wirtschaftswunderjahre wiesen außergewöhnliche wirtschaftliche Wachstumsraten auf. Die langfristige Trendentwicklung lässt das »Superwachstum« jedoch weniger exzeptionell erscheinen, handelt es sich beim »Wiederaufbau« doch zu beträchtlichen Teilen um die Realisierung von Wachstumspotenzialen, die vor 1945 aufgebaut worden waren.361 Nicht die Nachkriegs-, sondern die Vorkriegsjahrzehnte stellen die eigentlich exzeptionelle Periode dar.362 Dies 359 Müller, Friedrich: Nationale und internationale Ernährungsprobleme aus medizinischer Sicht, in: Die Kooperation bei der Herausbildung eines Systems der gesunden Ernährung in der DDR , Berlin (O) 1971, 32–49, hier 45. Vgl. auch Spindler, Bernd: Versorgung mit Nahrungsgütern, Verbrauch von Lebensmitteln und Probleme der Ernährung in der Bevölkerung in der DDR , Bonn 1986, 64 (auf Grundlage von Dloughy, W[alter]: Einige Gedanken zur gegenwärtigen Ernährungssituation, Marktforschung 17, 1978, Nr. 3, 14–18) bzw. Weinreb, Alice: Modern Hungers. Food and Power in Twentieth-Century Germany, New York 2017, 196–236. 360 Feldzug für die Schlankheit gegen Überernährung und Fettsucht, EU 20, 1973, 223; Stenzel, Ursula: Ein Jahr Ernährungsberatung im Gesundheitsamt Düsseldorf, EU 24, 1977, 392–394. 361 Abelshauser, Werner: Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder. Deutschlands wirtschaftliche Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg und die Folgen für die Nachkriegszeit, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47, 1999, 503–538. 362 Auch der »Durchbruch zum Massenkonsum« ist trotz beträchtlicher Lebensstandardverbesserungen hier kaum zu verorten. Die Veränderungen im Kaiserreich, insbesondere in den letzten zwei Vorkriegsjahrzehnten, sind kaum geringer zu gewichten. Anders argumentiert Kaelble, Hartmut: Sozialgeschichte Europas. 1945 bis zur Gegenwart, Bonn 2007, 87–118 (mit einschlägiger Forschungsliteratur). Zum Entwicklungspotenzial der Zwischenkriegszeit vgl. Buchheim, Christoph: Die Wirtschaftsentwicklung im Dritten Reich – mehr Desaster als Wunder, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 49, 2001, 653–664 bzw. Spree, Reinhard: Knapp-

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gilt nicht zuletzt für das Vordringen künstlicher Kost. Die vom Stoffparadigma geprägten Konzepte des späten 19. Jahrhunderts wurden mit den Technologien und dem differenzierten stofflichen Wissen der Zwischenkriegszeit nach dem Zeiten Weltkrieg breitenwirksam und bestimmten immer stärker die Alltagskost. Diese Pfadabhängigkeit erklärt auch die zwar steigende, nach wie vor aber überschaubare Präsenz von Wissenschaftlern im engeren Ernährungssektor. Anfang 1956 gab es in der Bundesrepublik ca. 250 amtliche Lebensmittelchemiker, etwa 100 arbeiteten freiberuflich, 250 dieser promovierten Fachleute verdingten sich in der Industrie und nur 50 waren in wissenschaftlichen Institutionen tätig.363 Hinzu kamen mehrere hundert meist diplomierte Lebensmitteltechnologen. Die Industrie zehrte stark von den Kriegsentwicklungen einerseits, der Adaption ausländischer Technik anderseits.364 Auch wenn die USA keineswegs so eindeutig dominierte, wie dies in der Forschung vielfach behauptet wird, bestanden jenseits des Atlantiks doch Forschungs- und Entwicklungspotenziale ganz anderer Dimension. Dort stieg die Zahl der im Ernährungssektor tätigen Chemiker und Bakteriologen von 1929 ca. 3.000 auf ca. 5.500 im Jahr 1950. Hinzu kamen ca. 7.000 Ingenieure, verglichen mit 1929 ca. 1.300.365 Die DDR investierte mit ca. 100 amtlichen und 25 freiberuflichen Lebensmittelchemikern sowie 25 Fachleuten in wissenschaftlichen Einrichtungen deutlich mehr in Lebensmittelkontrolle und -entwicklung, allerdings gab es dort nur 50 promovierte Fachleute in der Industrie.366 Die wichtigsten technologischen Veränderungen der 1950er Jahre liefen in den angelegten Bahnen der Vorkriegs- und Kriegszeit. Die Entnazifizierung blieb praktisch folgenlos, da die Ernährungsexperten in der Unterversorgungskrise der Besatzungszeit in Ost und West dringend benötigt wurden. Selbst ein exponierter »Fachmann« wie Wilhelm Ziegelmayer hatte den Systemwechsel als Vizepräsident der Deutschen Verwaltung für Handel und Versorgung bzw. der Deutschen Wirtschaftskommission, als Direktor des Instituts für Ernährung und Verpflegungswissenschaft in Berlin-Dahlem und des Instituts für Ernährung und Verpflegungswissenschaft in Potsdam-Rehbrücke sowie als Professor bestens überstanden. Die faktische Beibehaltung der Reichsnährstandsverwalheit und differentieller Konsum während des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts in Deutschland, in: Siegenthaler, Hansjörg (Hg.): Ressourcenverknappung als Problem der Wirtschaftsgeschichte, Berlin 1990, 171–221. 363 Hamann, Volker: Die Entwicklung der deutschen Ernährungsindustrie und ihre Beziehungen zur Lebensmittelwissenschaft, DNR 52, 1956, 39–42, hier 42. 364 Vgl. allgemein Radkau, Joachim: »Wirtschaftswunder« ohne technologische Innovation? Technische Modernität in den 50er Jahren, in: Schildt, Axel/Sywottek, Arnold (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. […], Bonn 1998, 129–154. 365 Kuprianoff, I[wan]: Die Ausbildung von Ingenieuren für die Lebensmittelindustrie, DLR 50, 1954, 155–162, hier 156. 366 Hamann, 1956, 42.

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tung unterstützte diese Kontinuität der Eliten.367 Ebenso wichtig war die Stabilität der Netzwerke zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Staat, die durch die deutsche Teilung wesentlich stärker beeinträchtigt war und wurde als durch Demokratisierungsbestrebungen der Besatzungsmächte. Als 1951 die Arbeitsgemeinschaft Ernährungswissenschaftlicher Institute als Kooperationseinrichtung der vom Bundesernährungsministerium geförderten Forschungsinstitute gegründet wurde, waren deren Leiter nicht nur sämtlich im NS -System sozialisiert worden, sondern in ihren Bereichen größtenteils Repräsentanten und Verfechter des Nationalsozialismus gewesen.368 Auch die Kontakte zwischen Industrie und Forschung wurden im Forschungskreis der Ernährungsindustrie fest institutionalisiert (Kap. 6.4.4). Ende 1953 kooperierten 30 Verbände der Lebensmittelindustrie und zehn ernährungswissenschaftliche Institute, zuerst vom Bundesernährungsministerium, dann auch vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.369 Für die Experten des eisernen Dreiecks waren derartige Kooperationen nicht nur beruflich und institutionell unabdingbar. Sie boten auch die Möglichkeit, den in der Marktwirtschaft scheinbar zunehmend überforderten Verbraucher im Sinne ihres objektivierten Wissens aufzuklären.370 Dieser Paternalismus war durchaus aufklärerisch gedacht, aber insbesondere Lebensmittelchemiker sahen den Verbraucher als eine Art Hebel, um ihre Vorstellungen höherer Lebensmittelqualität durchzusetzen. Sie positionierten sich nun, nach mehr als einer Dekade der von ihnen mitgetragenen Qualitätsverschlechterung qua Austausch- und Zusatzstoffen, neuerlich als Sachwalter der Konsumenten. Eine »Gesundheitsführung«371 schien ihnen angesichts der wachsenden Heterogenität des Angebotes wichtiger denn je zuvor. Und doch, trotz der Versuche, die alten Konfigurationen wieder zu beleben, veränderte sich die Stellung des eisernen Dreiecks, da sich Wirtschaft und Gesellschaft änderten. Dies soll in vier Schritten näher analysiert werden. Ers 367 Seitens der Ernährungswissenschaften gab es weder eine Aufarbeitung, noch eine Thematisierung der bis weit in die 1970er Jahre hineinreichenden Dominanz der nationalsozialistischen Funktionseliten. Auch die Verbrechen gegen wissenschaftliche Ethik und Menschlichkeit wurden bestenfalls angedeutet, vgl. Gaßmann, Berthold/Lewerenz, Hans-Jochen/ Linow, Fritz: Zur Geschichte der institutionalisierten Ernährungsforschung in Deutschland, EU 43, 1996, 208–214. 368 Es handelte sich um Pelshenke, Ludorff, Grau, Stübler, Kuprianoff, Schuphan, Souci, Kaufmann, Fink, Heiss und Kraut (Arbeitsgemeinschaft Ernährungswissenschaftlicher Institute (AEI), DLR 50, 1954, 236–237). 369 Selbsthilfe in der Ernährungsindustrie, DLR 50, 1954, 26–28. Vgl. auch 10 Jahre »Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V.«, EW 10, 1963, 1036–1037. 370 Vgl. allgemein Egner, Erich: Die Marktstellung des Konsumenten, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 165, 1953, 21–49. 371 Bergner, K[arl] G[ustav]: Probleme der Lebensmittelchemie in der Bundesrepublik Deutschland, DLR 50, 1954, 5–7, hier 5.

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tens etablierte sich durch die viel beschworene »Revolution im Einzelhandel« ein mächtiger Akteur, der spätestens in den 1960er Jahren über die Lebensmittelsortimente entschied. Größere Betriebe und andere Einkaufsformen entstanden aber nicht allein aus betriebswirtschaftlicher Logik, sondern waren zugleich notwendige Konsequenzen der seit dem Vierjahresplan entwickelten neuen Technologien und neuer künstlicher Kost. Zweitens reetablierte sich während der 1950er Jahre eine kritische Gegenöffentlichkeit zu den Veränderungen im Ernährungssektor. Sie schloss einerseits an die Pluralisierung des wissenschaftlichen Wissens seit der Neuen Ernährungslehre an, Expertenwissen stand nun gegen Expertenwissen. Sie wurde zugleich von einer heterogenen Publizistik getragen, die seit spätestens Mitte der 1950er Jahre Lebensmittelqualität zum öffentlichen Thema machte. Diese Pluralisierung des öffentlichen Wissens über Ernährung und die parallelen Veränderungen des Lebensmittelangebotes machten drittens eine gesetzliche Neuordnung unverzichtbar. Das Lebensmittelgesetz von 1958 war ein Projekt des eisernen Dreiecks, zeigte zugleich aber die Grenzen und Fallstricke derartig in Normen geronnenen Wissens auf. Viertens veränderten die langsam wachsende Bedeutung des Preiswettbewerbes und die immer virtuosere Technik stofflicher Rekombination die Konturen der Lebensmittelindustrie. Nicht nur Märkte, sondern auch die Marktakteure wurden segmentiert. Einvernehmen innerhalb des eisernen Dreiecks wurde dadurch schwieriger.

6.4.1 Ein neuer Raum der Ware. Selbstbedienung und die Folgen Künstliche Kost galt vielfach als »Industrieprodukt«372. Dieser Begriff ist irreführend, da er den konstitutiven Beitrag der Wissenschaft und des Einzelhandels unterschlägt. Der Fischabsatz und die Gefrierkost (Kap. 4.5.4 und 5.4.3) verdeutlichten schon in den 1930er Jahren, dass neue Orte und Techniken des Absatzes erforderlich waren, um stofflich höherwertige Produkte vertreiben zu können. Die nationalsozialistische Förderung mittelständischer Absatzstrukturen besaß ihre Rechtfertigung zwar in einer relativ flexiblen Versorgungsstruktur und der hohen Leidensbereitschaft dieser regimetreuen Berufsgruppe, stand einer effizienten und kostengünstigen Großraumwirtschaft (im doppelten Sinne) aber immer mehr im Wege. Analog zur Landwirtschaft intensivierte der NS -Staat während des Krieges daher die Rationalisierungsanstrengungen im Einzelhandel. Bis 1944 hatte sich die Zahl der im Handel Beschäftigen mehr als halbiert, die Arbeitsproduktivität musste daher dringend erhöht werden.373 372 Kuprianoff, 1954, 156. 373 Spiekermann, 2004; Nieschlag, Robert: Der Weg des deutschen Binnenhandels. […], Europa-Archiv 2, 1947, 811–817, 881–886, hier 815.

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1942 wurde in Berlin von der Fachgruppe Nahrungs- und Genussmittel ein Beispielladen präsentiert, dessen Regale von hinten aufgefüllt und so angeordnet wurden, dass der Verkauf mit wenigen Schritten und Handgriffen durch Verkäufer erfolgen konnte.374 Hierin spiegelten sich nicht nur Erfahrungen mit dem Unikum des 1938 von Herbert Eklöh eröffneten Selbstbedienungsladens, sondern insbesondere praktische Konsequenzen des sog. »Ratio-Systems«, das von der Edeka seit 1939 angewandt wurde.375 Der Güterabsatz sollte nicht allein durch allgemeine Vorverpackung, sondern durch den systematischen Einsatz von Packmaschinen beschleunigt und verbilligt werden. Wie viele andere Planungen, blieben auch diese Rationalisierungsbestrebungen stecken. Das in den USA seit 1916 eingeführte und in Deutschland Ende der 1920er Jahre intensiv diskutierte heutige Selbstbedienungssystem erschien aufgrund der hohen Investitionskosten und der andersgearteten Konsumpräferenzen nicht zeitgemäß. Nach dem Krieg waren es die wieder selbständigen Konsumgenossenschaften, die angesichts allgemeiner Armut an diese Diskussion anknüpften.376 Im Blickpunkt standen die Senkung der Vertriebskosten, um so den Mitgliedern möglichst preiswerte Waren liefern zu können, eine verkürzte Einkaufszeit sowie der Einsatz moderner Kühltechnik, um die Qualität der Waren bewahren zu können.377 Die Lebensmittelrationierung verhinderte eine unmittelbare Umsetzung, war die Vorverpackung doch Grundlage jeglicher Selbstbedienung.378 Im Sommer 1949, kurz nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, wagte die Hamburger Konsumgenossenschaft »Produktion« jedoch die praktische Umsetzung.379 Die viel beschworene »Self-Service Revolution«380 ließ jedoch auf sich warten. Als Gründe für die moderate Steigerung – 1950 gab es 39, 1955 erst 738 SB -

374 Betriebsvereinfachung im Lebensmitteleinzelhandel, DHR 35, 1942, 44. 375 Verselbständigung und Rationalisierung im Handel, DVW 10, 1941, 1352; Arbeits­ sparender Verkauf, Frankfurter Zeitung 86, 1942, Nr. 104/105 v. 26.02., 3. 376 Klein, Fritz: Neue Methoden der Warenverteilung, KR 2, 1947, 168–169 (mit Bezug zur Migros). 377 Neue Methoden in der Warenverteilung, KR 2, 1947, 204–250; Riedel, Kurt: Neue Methoden der Warenverteilung, KR 3, 1949, 14–15. 378 Voß, Gerda: Eine Diskussion über neue Warenverteilungsmethoden, KR 2, 1947, ­205–206, hier 205 (Klein). Zur USA s. Reuys, Hubert: Neue Methoden der Warenverteilung, KR 3, 1948, 42–43. Neben den USA standen die Schweiz, Schweden und Großbritannien konzeptionell Pate. 379 Prieß, Bernhard: Erste Erfahrungen mit der Selbstbedienung in Hamburg, KR 4, 1950, 81–83, hier 81, Anm., wies allerdings darauf hin, dass die Augsburger Großhandlung August Müller zuvor schon die Selbstbedienung eingeführt habe. 380 Grazia, Victoria de: Irresistible Empire. America’s Advance through Twentieth-Century Europe, Cambridge/London 2005, 380–396. Ähnlich Langer, Lydia: Revolution im Einzelhandel. Die Einführung der Selbstbedienung in Lebensmittelgeschäften der Bundesrepublik Deutschland (1949–1973), Köln/Weimar/Wien 2013.

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Läden381 – werden zumeist wachsende Personalkosten, der Rationalisierungsdruck der freiwilligen Ketten und Einkaufgenossenschaften sowie die schwindende Käuferbindung angeben.382 Daneben ist aber auch zu bedenken, dass die Selbstbedienung ein koordiniertes System von Produzenten, Verpackungsindustrie, Groß- und Einzelhandel sowie Konsumenten darstellte, dessen Güter vielfach noch nicht getestet, vielfach auch noch nicht entwickelt waren.383 Schon die verschiedenen Akteure schufen immer wieder neue Flaschenhalssituationen, die den Ausbau verzögerten. Die Selbstbedienung erforderte nicht zuletzt andere Lebensmittel, denn beim Stand der Verpackungstechnik und der Qualitätsforschung war es keineswegs ausreichend, bisher lose verkaufte Waren einfach abzupacken. Präziseres Wissen über die Lebensmittel und ihre Veränderungen war erforderlich, erschienen sie andernfalls am zunehmend beachteten »Point of Sale« doch als unattraktiv und wurden daher nicht gekauft. Entsprechend setzte sich die Selbstbedienung in der Bundesrepublik Deutschland erst in den 1960er Jahren durch, mit gewisser Zeitverzögerung auch in der DDR .384 1968 überstieg die Zahl der Selbstbedienungsläden erstmals die der Bedienungsläden.385 Das Verhältnis von Kunde und Ware konfigurierte sich neu. An die Stelle der Verkaufskräfte und ihrer Expertise traten die Warenkunde des Käufers, die Grundinformationen der Kennzeichnung und das Image des Produktes.386 Der Ort dieser Begegnung wurde neu gestaltet und wissenschaftlich optimiert. Offene Warenregale, Verkaufsgondeln und zunehmend Kühl­truhen bzw. Kühlmöbel prägten den Laden, an die Stelle der Bedienungstheke traten Kassentisch bzw. Registrierkassen am Ausgang.387 Die Läden wurden rasch 381 Schulz-Klingauf, Hans-Viktor: Selbstbedienung. Der neue Weg zum Kunden, Düsseldorf 1960, 328. Bei Ditt, Karl: Rationalisierung im Einzelhandel: Die Einführung und Entwicklung der Selbstbedienung in der Bundesrepublik Deutschland 1949–2000, in: Prinz, Michael (Hg.). Der lange Weg in den Überfluss. […], Paderborn u. a. 2003, 315–356, hier 325, sind diese Angaben offenbar um ein Jahr nach hinten gerückt. 382 Ebd., 326–332. 383 Die Pulleffekte seitens der Verbraucher waren gering. Auch 1958 bevorzugten fast drei Fünftel Bedienung durch Verkaufspersonal. Vgl. Verbraucherverhalten und Verbrauchs­ gewohnheiten […], Verbraucher-Politische-Korrespondenz 6, 1959, Nr. 9, 7–10, hier 8. 384 Vgl. als Fallstudie Scholten, Jens: Umbruch des genossenschaftlichen Förderauftrages durch Innovation und Wachstum. Nachkriegsentwicklung und Einführung der Selbstbedienung bei der Rewe-Dortmund, in: Hesse, Jan-Otmar/Schanetzky, Tim/Ders. (Hg.): Das Unternehmen als gesellschaftliches Reformprojekt. […], Essen 2004, 167–200. Zur DDR : Schlenk, Hans: Der Binnenhandel der DDR , Köln 1970, 82–83; Rothkirch, Silke: »Moderne Menschen kaufen modern«, in: Wunderwirtschaft. DDR-Konsumkultur in den 60er Jahren, Köln/Weimar/Wien 1996, 112–119. 385 SB in Zahlen. Ausgabe 1988, hg. v. Institut für Selbstbedienung, Köln 1988, 39. 386 Vgl. hierzu Spiekermann, Uwe: From Neighbour to Consumer. The Transformation of Retailer-Consumer Relationships in Twentieth-Century Germany, in: Trentmann, Frank (Hg.): The Making of the Consumer. […], Oxford/New York 2006, 147–174, v. a. 158–162. 387 Vgl. Spiekermann, Uwe: Rationalisierung als Daueraufgabe. Der deutsche Lebens­ mitteleinzelhandel im 20. Jahrhundert, Scripta Mercaturae 31, 1997, 69–129, hier 111.

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Abb. 96: Neue Räume für neue Lebensmittel – Großraumladen in Ulm 1957

größer, übertrafen anfangs 200 m², gegen Ende der 1950er Jahren dann schon 1.000 m². Teile des Raumes hob man periodisch hervor, präsentierte Waren und Warengruppen gezielt durch Sonderangebote, während Klimaanlagen für eine angenehme Atmosphäre sorgten. Gerade Preise verschwanden zusehends, auch wenn die noch bestehende Preisbindung für Markenartikel der freien Preisgestaltung des Handels Grenzen setzte. Der Lebensmitteleinkauf wurde schein-

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bar eigenbestimmter, da die Auswahl wuchs, die Produkte sicht- und greifbar waren und es keinen Kaufzwang gab. Doch des Kunden Weg und Blick ward vorher schon kühl kalkuliert.388 Die in den Großbetriebsformen von spezialisierten Ladenbauabteilungen konzipierten Räume folgten psychologischer Expertise, gaben Laufwege faktisch vor und optimierten die Blickführung auf die Produkte.389 Der Lebensmittelladen wurde zu einem kommerziellen Kunstraum, in dem auch die Lebensmittel als Objekte des Begehrens neu konzipiert werden mussten, um gekauft zu werden. Ausstattung und Verpackung adelten. Die Sortimentsveränderungen verdeutlichen dies: Tab. 3: Sortimentsstrukturen in SB -Geschäften/Supermärkten 1954–1988 1954

1963

1969

1974

1988

Frischwaren

444

390

723

668

1.243

–– Fleisch, -waren

258

125

234

165

313

-

30

61

78

117

–– Brot, Backwaren

96

108

119

132

248

–– Molkereiprodukte

90

127

309

297

565

Übrige Lebensmittel

793

1.055

1.582

1.850

3.093

–– Tiefkühlkost/Eis

23

41

90

145

301

–– Konserven

93

137

311

297

429

–– Getränke/Genussmittel

161

272

401

785

780

–– Trockensortiment

516

605

780

623

1.583

Gebrauchsgegenstände

146

182

462

927

1.674

1.383

1.577

2.767

3.445

6.010

–– Obst, Gemüse

Gesamt

Zusammengestellt n. Sortimentspolitik, Köln/Opladen 1962, 28; Die Hoffmann-Studie. […], FfH-Mitteilungen NF 4, 1963, Nr. 11, 1–3; Explosive Sortiments-Entwicklung. […], Dynamik im Handel 1970, Nr. 5, 3–15, hier 14; Welche Warengruppe erzielt den höchsten Umsatz. […], Dynamik im Handel 1974, Nr. 9, 20–28; Groner, Bruno: Bedeutung des Trockensortiments wächst. Teil I der Sortimentserhebung, Dynamik im Handel 1991, Nr. 9, 9–16.

388 Vgl. etwa Klose, Gerhard: Wie soll ein moderner Selbstbedienungsladen aussehen? […], Der Verbraucher 5, 1951, 134–136. Vgl. allgemein Prüfer, Manfred: Selbstbedienung. Eine permanente Herausforderung an die Ladentechnik, in: 50 Jahre Selbstbedienung. […], o. O. 1988, 216–218, 220–226. 389 Klose, Gerhard: Welchen Weg geht die moderne Ladenbautechnik?, Der Verbraucher 7, 1953, 118–120; Sonnenwald, H.: Wie Großraumläden eingerichtet werden, Der Verbraucher 18, 1964, 299–301.

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Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

Binnen dreier Dekaden verfünffachte sich die Zahl unmittelbar verfügbarer Produkte. Darin spiegelt sich nicht allein die kontinuierlich wachsende Größe der in Supermärkten aufgehenden SB -Läden.390 Die Sortimentsentwicklung dokumentiert auch den Wandel des mittelständischen und selbständigen Kolonialwarengeschäftes mit klar abgrenzbarem Warenangebot zu integrierten Lebensmittelgeschäften in Einzelhandelsgruppen mit einem Querschnittsangebot, das die gesamte Palette verfügbarer Produkte abdeckte.391 Neu war insbesondere die Integration von Molkereiprodukten und verschiedenen Frischwaren. Innerhalb des Sortiments nahm die Zahl verarbeiteter Lebensmittel überdurchschnittlich zu. Während die schon lange angebotenen Konserven und das Trockensortiment relativ zurückfielen, gewannen Tiefkühlkost und insbesondere Getränke beträchtlich an Bedeutung. Die Zahl der Verkaufstruhen stieg von 5.000 Ende 1956 auf 40.000 Ende 1960 und übertraf seit Ende der 1960er Jahre die der Läden.392 Verfügbarer Raum und Kühltechnik erlaubten ein wachsendes Angebot von künstlicher Kost – wobei zu bedenken ist, dass die hier verwandten gleichlautenden Begriffe den inneren Wandel gleichartig bezeichneter Lebensmittel unterschlagen. Innerhalb der Handelsbetriebe professionalisierte sich eine zunehmend akademisierte Gruppe männlicher Manager. Diese Entscheidungsträger wurden im Rahmen des Gruppenwettbewerbs zum eigentlichen Vermittler betriebswirtschaftlichen und auch warenkundlichen Wissens.393 Dieses ergänzten seit den frühen 1950er Jahren zunehmend Marktforschungsergebnisse, die anfangs zumeist durch die Branchenverbände, im Laufe des intensiven Konzentrationsprozesses dann verstärkt durch die einzelnen Unternehmensgruppen nachgefragt wurden.394 Gekoppelt mit den unmittelbaren Verkaufsdaten der eigenen Betriebe, veränderten sich die Machtbeziehungen zwischen den zunehmend in 390 Zu dieser Ausdifferenzierung vgl. Behrens, Karl Christian: Die Entwicklung neuer Vertriebsformen, Wirtschaftsdienst 37, 1957, 77–84. 391 Vgl. Batzer, Erich: Starker Wandlungsprozeß im Lebensmittelhandel, Wirtschaftskonjunktur 17, 1965, H. 4, 33–41; Disch, 1966; Barrenstein, Peter F.: Der mittelständische Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland. Entwicklung, Entwicklungsdeterminanten und gesamtwirtschaftliche Funktionen, Frankfurt a. M. 1980. 392 Dietrich, Walter G.: Zur Entwicklung von Produktion und Absatz tiefgefrorener Lebensmittel, EW 9, 1962, 158–160, hier 159; Borin u. a.: Kühlung im Supermarkt, Der Verbraucher 25, 1971, Nr. 9, 14–20. 393 Potthoff, Erich: Die Schulung des betrieblichen Führungsnachwuchses auf fachwissenschaftlicher Grundlage, Der Verbraucher 11, 1957, 313–314; Niss, Wolfram: Von Aufgaben und Ergebnissen der betriebseigenen Schulungen, Der Verbraucher 12, 1958, 124–125; Hansen, Rainald: Der Einfluß vorverpackter Ware auf den Einzelhandelsbetrieb, Der Markenartikel 21, 1959, 748–759. 394 Behrens, Karl Christian: Rationalisierung des Vertriebs durch Marktforschung, EW 4, 1957, 62–64; Angehrn, Otto: Sortimentslenkung durch Marktforschung, Der Markenartikel 21, 1959, 955–956, 958–959; Hennicker, Rolf: Der »durchleuchtete« Kunde, Absatzwirtschaft 4, 1961, 526–528.

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667

tegrierten, Einzel- und Großhandel koppelnden Handelsunternehmen und der großenteils mittelständisch organisierten Lebensmittelindustrie. Ihre Produktion richtete sich zunehmend auf die Wünsche und Ansprüche der Einzelhändler aus. Waren mussten nun verkaufsfertig verpackt werden, Preis- und Qualitätsvorgaben prägten nicht mehr länger die vorgelagerten landwirtschaftlichen Produzenten, sondern auch und gerade die Lebensmittelindustrie. Die »Ökonomisierung der Distribution«395 führte parallel zu einer defensiven Ästhetisierung der Lebensmittelangebote vorrangig von Markenartikelherstellern.396 Gerade hoch verarbeitete und wissensbasierte Produkte wurden seit Ende der 1950er Jahre in einem teils traditionellen, teils natur- oder alltagsbezogenen Ambiente präsentiert.397 Die Ästhetisierung ließ die reale Produktion der Lebensmittel zunehmend vergessen, spielte zugleich bei der ebenfalls wachsenden Zahl gesundheitsbezogener Werbekontexte mit dem positiven Image einzelner Lebensmittelinhaltsstoffe. Künstliche Kost wurde somit nicht nur im Laden zunehmend ästhetisiert, sondern auch durch die nachziehende Markenartikelindustrie. Die Verbreitung künstlicher Kost ging mit ihrer ästhetischen Verflüchtigung einher.

6.4.2 Missstände im Wirtschaftswunder. Der Qualitätsdiskurs Mitte der 1950er Jahre Derartig handgreifliche Veränderungen von Einkauf und Warenangebot wurden keineswegs einhellig begrüßt, sondern ließen die 1950er Jahren zu einer Periode intensiver Auseinandersetzungen um die Qualität der Lebensmittel werden. Die Dynamik der sozialen Marktwirtschaft war von zunehmend grundsätzlicher Konsumkritik begleitet. Sie stammte – trotz Rückfragen etwa der Frankfurter Schule – vorrangig von konservativer und biologistischer Seite.398 395 Redwitz, Gunter: Handelsentwicklung. Wertewandel – Perspektiven für die Handelslandschaft, in: Szallies, Rüdiger/Wiswede, Günter (Hg.): Wertewandel und Konsum. […], Landsberg a. Lech 1990, 257–282, hier 259. 396 Mosolff, Hans: Marktforschung und Werbung in der Ernährungswirtschaft, EW 7, 1960, 153–154, 156. 397 Dahinter standen empirisch erkundete Konsumententypologien, vgl. Scherke, Felix: Konsum-Leitbilder und -Leitlinien, ein Beitrag zur Verbraucher-Charakterkunde, Jahrbuch für Absatz- und Verbrauchsforschung 5, 1959, 125–149. Die Verkaufsstätten wurden entsprechend segmentiert und positioniert. 398 Wenn Ruppert, Wolfgang: Zur Konsumwelt der 60er Jahre, in: Schildt, Axel/Siegfried, Detlef/Lammers, Karl Christian (Hg.): Dynamische Zeiten. […], Hamburg 2000, 752– 767, hier 766, sein letztes Kapitel »Aufkommende Konsumkritik« betitelt, so übergeht er fast 15 Jahre kontinuierlicher Konsumkritik im Lebensmittelsektor. Vgl. auch Habermas, Jürgen: Konsumkritik – eigens zum Konsumieren, in: Ders.: Arbeit, Erkenntnis, Fortschritt. Aufsätze 1954–1970, Amsterdam 1970, 47–55.

668

Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

Typisch hierfür war etwa der Hygieniker Werner Kollath. Er ging von einer anthropologischen Konstanz des Lebens aus. Durch die technische Entwicklung sei es seit Beginn der Industrialisierung gelungen, die Lebenserwartung zu erhöhen. Zugleich aber habe die Ernährungsforschung in die Ganzheit der lebendigen Substanz eingegriffen und diese »zu toten, im Laboratorium zu bestimmten reinen Stoffen und zu meßbaren Teilvorgängen«399 zerlegt. Das stets unzureichende Wissen sei zwar im Laufe der Entdeckung immer kleinerer essenzieller Stoffe verbessert worden, doch auch so habe die Nahrungsindustrie auf Basis verkürzten Wissens ihre Produkte verschlechtert. Die Konsequenzen seien der Niedergang der »Vollgesundheit« und neuartige »Zivilisationskrankheiten«. Dieser Spaltung der Gegenwart sei durch eine andere natürlichere Nahrung zu begegnen, ehe in der »schizoiden Zivilisation«400 der 1950er Jahre die Degeneration unumkehrbar werde. Die Ernährungswissenschaft lehnte derart grundsätzlicher Kritik ab (Kap. 6.5.2). Dennoch gab es breite Konsensfelder. Schließlich hatte die Grundlagenforschung während des Weltkrieges in Deutschland und insbesondere den USA zu detaillierten Modellen des Stoffwechselgeschehens geführt. Die Zahl essenzieller Stoffe war bis 1960 auf ca. 50 gestiegen, deren Kombination zu einer »richtigen« Ernährung entsprechend komplizierter wurde.401 Anders als die Ernährungsreformer gingen die meisten Ernährungsfachleute jedoch davon aus, dass »unbekannte« Stoffe von marginaler Bedeutung seien und Gefahren weniger aus falscher Verarbeitung als vielmehr aus falscher Kostwahl resultieren würden.402 Beide Gruppen stimmten allerdings in ihrer Kritik an den aus eigenen falschen Entschlüssen Essenden überein, und für beide Gruppen waren Konsumenten nicht urteilsfähig. Entsprechend zielten sie auf die Erziehung der Konsumenten zu einer »natürlichen« resp. »richtigen« Ernährung. Die Gemeinsamkeiten gingen noch weiter. Beide Gruppen verstanden die zunehmende gewerbliche Verarbeitung und insbesondere künstliche Kost als Gefährdungspotenziale. Während die Ernährungsreformer jedoch Umkehr forderten, zielten die Ernäh 399 Kollath, Werner: Zivilisationsbedingte Krankheiten und Todesursachen. Ein medizinisches und politisches Problem, Ulm 1958, 254. 400 Ebd., 256, Anm. 401 Offiziell knüpften Aid und DGE dabei an US -amerikanische Expertise an, vgl. etwa Landgrebe-Wolff, I[rmgard] u. a.: Mehr Käuferbewußtsein! Verbrauchererziehung und Ernährungsberatung in den USA mit Anregungen für Deutschland, Frankfurt a. M. 1957. Doch schon der Umstand, dass drei der vier Teilnehmer der hier dokumentierten Studienreise während der NS -Zeit im Ernährungssektor teils führend aktiv waren, verdeutlicht Kontinuitäten von Konzepten wie Verbrauchslenkung und Gesundheitsführung in der Nachkriegszeit. 402 Vgl. Tanner, Jakob: Die Ambivalenz der Nahrung. Gift und Genuss aus der Sicht der Kultur- und Naturwissenschaften, in: Neumann, Gerhard/Wierlacher, Alois/Wild, Rainer (Hg.): Essen und Lebensqualität. […], Frankfurt a. M./New York 2001, 175–199, v. a. 195–199, der verdeutlicht, dass es sich hier um Wertauseinandersetzungen zwischen Funktionseliten handelte.

Modernisierung auf dem Prüfstand  

Abb. 97 a+b: Wachsende Komplexität: Essenzielle Lebensmittelinhaltsstoffe im Schaubild

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Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

rungswissenschaftler und besonders die Lebensmittelchemiker auf eine wissenschaftliche kontrollierte Einhege. Um diese Positionen zu verstehen, sind einige Schlaglichter auf die neuen Herausforderungen notwendig, die sich in drei Gruppen einteilen lassen. Erstens wurde nach Ende der Besatzungszeit zunehmend bewusst, wie stark sich die tägliche Kost durch den Einsatz von Aromen einerseits, von Konservierungsmittel anderseits verändert hatte (Kap. 5.6.4).403 Neben den relativ teuren und »natürlichen« ätherischen Ölen substituierten gerade in den späten 1940er Jahren künstliche Aromen den Geschmack von Früchten, Bittermandel, Vanille, Butter, Rum, Arrak, Punsch, Marzipan, Nuss oder Honig. In der Lebensmittelverarbeitung aromatisierte man teils mit chemisch reinen Stoffen, teils mit Mischungen.404 Daneben wurden ätherische Öle oder aber flüchtige Auszüge aus Pflanzenstoffen gewonnen. Während des Krieges gewannen Aromastoffe an Bedeutung, wurden die Kennzeichnungspflichten parallel abgebaut.405 Dies lag nicht nur an einer langsam sinkenden Qualität der Kriegsernährung, sondern auch an der höheren stofflichen Resorption gut schmeckender Speisen.406 Nach Kriegsende gab es nicht nur eine Suche nach Kalorien, sondern auch eine nach Geschmack. Die Qualität der Aromen verschlechterte sich, Betrug wurde üblich, entsprechend forderten Lebensmittelchemiker eine strikte Regulierung und Kontrolle dieser Zusatzstoffe.407 Während Chemiker und die aufstrebende Aromen- und Essenzenindustrie Grundlagenforschung und Entwicklungsarbeit vorantrieben, begann parallel ein gesundheitlicher Risikodiskurs. Dieser wurde gespeist von Krebs auslösenden Teerderivaten, insbesondere den Debatten über den Farbstoff Buttergelb (Kap. 5.6.4), durch allergische Reaktionen auf den über die USA nach Deutschland gelangenden Geschmacksstoff Natriumglutamat sowie die wachsende Kritik am Geschmack künstlich aromatisierter

403 Zur Situation vor dem Weltkrieg vgl. Karow, Hans: Die Aromatisierungsmittel. Ein Beitrag zur Begriffsbestimmung und Bezeichnung, DLR 1939, 16–18. 404 Fincke, Heinrich: Über Aromastoffe unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Ernährung und ihrer Verwendung im Lebensmittelgewerbe und bei der Speisenzubereitung, ZUL 89, 1949, 1–18, hier 8. 405 Braunsdorf, K[arl]: Zur Frage der Kennzeichnung der Aromenerzeugnisse, DLR 1943, 85–86. 406 Glatzel, [Hans]: Leistungssteigerung durch Aroma- und Extraktivstoffe, Volksernährung und Kochwissenschaft 19, 1944, 117–119. Einschlägige Grundlagenforschung fand bis Kriegsende statt, vgl. Ziegelmayer, Wilhelm: Neuere Forschungen über die Geschmacksund Geruchsarten der natürlichen Lebensmittel, Volksernährung und Kochwissenschaft 19, 1944, 30–32. 407 Goldstein, Ernst: Gegenwartsfragen bei Aromen, DLR 44, 1948, 101–103; Möbius, Willy: Aromastoffe, Natur und Nahrung 3, 1949, Nr. 23/24, 10–11; Richtlinien für die Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung von Essenzen (Aromen) und verwandten Erzeugnissen, DLR 5, 1954, 78–80.

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Lebensmittel.408 Anders als bei den Aromen reichte die Risikodiskussion über Konservierungsmittel bis weit in das 19. Jahrhundert zurück. Auch hier waren in Kriegs- und Nachkriegszeit beträchtliche Verwerfungen eingetreten, denen durch rechtliche Normierung Herr geworden werden sollte.409 Die offiziell nicht erlassene, faktisch aber lange Zeit beachtete Konservierungsmittelverordnung von 1932 war dazu nicht geeignet, da zwischenzeitlich neue Konservierungsmittel entwickelt worden waren.410 Seit Oktober 1949 bereitete eine Arbeitsgruppe des eisernen Dreiecks eine im Januar 1951 vorgelegte Verordnung über die chemische Konservierung der Lebensmittel vor. Abermals handelte es sich um eine Rahmenverordnung, die vieles regelte, nicht aber Fragen gesundheitlicher Unbedenklichkeit bzw. einzusetzender Mengen. Diese sollten regelmäßig von einer Unterkommission des Deutschen Forschungsrates erörtert und untersucht werden – eine ähnliche Regelung gab es auch bei der Bewertung der Lebensmittelfarbstoffe.411 Der Entwurf erlangte jedoch keine Gesetzeskraft.412 Angesichts der bekannten möglichen Gesundheitsgefährdung durch Konservierungsstoffe nahm der öffentliche Druck seit 1952/53 zu, endlich zu klaren Regelungen zu kommen. Doch diese unterblieben erst einmal. Eine zweite Gruppe Qualität beeinflussender Stoffe bildeten Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel. Auch sie wurden seit langem wissenschaftlich kritisch analysiert (Kap. 5.6.4). Das NS -System hatte umfangreiche Versuche durchführen lassen, um die Frage nach den Auswirkungen von »Kunstdünger« bzw. »natürlichem« Humus endgültig zu klären, der alternative Landbau gründete auf bewusst anderen Stoffkreisläufen.413 Die Debatte verschärfte sich ins 408 Vgl. Arnold, W.: Zur Aromatisierung der Lebensmittel, in: Greiner, A[nneliese]/ Franzke, Cl[aus] (Hg.): Ernährung und Lebensmittelchemie, Berlin (O) 1955, 66–70, insb. 70. Zum Glutamat vgl. Natriumglutamat – ein neues Würzmittel für Fischwaren?, Die Fischwaren- und Feinkostindustrie 21, 1949/50, 121–122; Gau, [Lieselotte]: Für und wider das Glutamat, IOGV 38, 1953, 100. 409 Vgl. Hirsch, Paul: Chemische Konservierung von Lebensmitteln, Dresden/Leipzig 1952. Parallel nahm die Zahl von Kombinationspräparaten weiter zu, vgl. Stuewer, Henry: Warum »Kombinate« für die Konservierung anstelle der reinen Chemikalien?, Die Fischwaren- und Feinkost-Industrie 21, 1949/50, 156–157. Außerdem bemühte man sich, »den Anschluß an das Ausland wiederzugewinnen« (Curtze, A[ntonius]: Qualitätsforschung im Dienste der Verarbeitungs-Industrie, IOGV 35, 1950, 51–53, hier 52). 410 Zur Marktsituation vgl. Souci, S. W[alter]: Zur Frage der chemischen Konservierung der Lebensmittel. II . Mitteilung: Die in der Deutschen Bundesrepublik zur Zeit gebräuchlichen Konservierungsmittel, ZUL 93, 1951, Beil., 61–72. 411 Souci, S. W[alter]: Zur Frage der chemischen Konservierung der Lebensmittel. I. Mitteilung: Maßnahmen, Gesetzentwurf und Kommentar für eine neue KonservierungsmittelVerordnung, ZUL 93, 1951, Beil., 37–51, hier 37–39. 412 Weiß, H[ans]: Zum Gesetz über chemische Konservierung von Lebensmitteln, IOGV 37, 1952, 101–103, hier 103. 413 Vgl. etwa Barth, Ludwig: Ernährung und Düngung. […], Leipzig 1938; Wendt, H[elmut]: Über einen langfristigen Ernährungsversuch am Menschen mit verschieden gedüngten Gemüsen und Kartoffeln […], Die Ernährung 8, 1943, 281–295.

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besondere nach der Handelsliberalisierung im Westen und dem Ausbau der Agrarchemie in der DDR , denn nun nahm der Umfang eingesetzter Hilfsmittel rasch zu.414 Gerade die schon früh kritisch bewerteten Kumulationseffekte des neu entwickelten DDT bewirkten Rückfragen nach den gesundheitlichen Folgen für den Menschen.415 Ziel der meisten Wissenschaftler war wiederum, nach Analyse der Wirkungsmechanismen Toleranzen und Grenzwerte festzulegen.416 Und auch hier betonten kritische Biologen und Mediziner: »Die Vergiftungsgrenze ist schon weitgehend überschritten.«417 Drittens wurden in den 1950er Jahren neue Risiken diskutiert, die meist aus nicht intendierten Nebeneffekten neuer Technologien bzw. Werkstoffe entstammen. Der wachsende Gebrauch erdölbasierter Kunststoffe mündete schon Mitte der 1950er Jahre in breite Diskussionen über die gesundheitlichen Auswirkungen der sog. Weichmacher der Verpackungsfolien.418 Im Bundesgesundheitsamt wurde 1957 eine Kunststoffkommission eingerichtet, die umfangreiche Normen für eine gesundheitlich unbedenkliche Verwendung der neuen Warenkleider aufstellte. Gleichwohl wurden die künstlichen Hüllen vielfach skeptisch beurteilt. Stärkere öffentliche Beachtung erlangen die Folgewirkungen der bis 1960 mehr als 200 Atomwaffentests. Bilder verseuchter Fische, die japanische Fischer in den US -Testgebieten im Pazifik fingen, gingen um die Welt und ließen allgemeine Niedergangsszenarien aufkommen. Ernährungswissenschaftler versuchten auch hier tolerable Dosen zu ermitteln, nachdem sie die Folgewirkun­ gen der Radioaktivität näher untersucht hatten.419 1962, in einer durch die 414 Vgl. Sellke, K[urt]: Die Pflanzenschutzmittel in der Deutschen Demokratischen Republik, Die deutsche Landwirtschaft 4, 1953, 27–33; Büschenfeld, Jürgen: Agrargeschichte als Umweltgeschichte. Chemie in der Landwirtschaft: Zum Umgang mit Pestiziden in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Ditt, Karl/Gudermann, Rita/Rüße, Norwich (Hg.): Agrarmodernisierung und ökologische Folgen. […], Paderborn u. a. 2004, 221–259 sowie allgemein Sieferle, Rolf-Peter u. a.: Das Ende der Fläche. Zum gesellschaftlichen Stoffwechsel der Industrialisierung, Köln/Weimar/Wien 2006. 415 Zur frühen Debatte vgl. Toxity of DDT, The Lancet 248, 1945, 248; Toxicology of D. D. T., British Medical Journal 1945/I, 338; Is DDT Poisonous?, Scientific American 174, 1946, 5–7. Zur Adaption in der Reformbewegung vgl. Könemann, Ewald: Über Vergiftungsgefahren mit neuzeitlichen Kontaktinsektiziden, Bebauet die Erde 20, 1950/51, 34; Seifert, Alwin: Gesunde und kranke Landschaft, in: Saller, K[arl] (Hg.): Gesundes Land, gesundes Leben, München 1953, 37–45; Warning, Herbert: Zivilisationsdystrophie in Amerika und aufkeimende Gegenwehr, Hippokrates 26, 1955, 613–615. 416 Beispiel einer üblichen Debatte ist Hoffmann, S.: Die Düngung als hygienisches Problem, Zeitschrift für Präventivmedizin 3, 1958, 72–89; Gisiger, L[eo]: Die Düngung, ein hygienisches Problem, Zeitschrift für Präventivmedizin 4, 1959, 65–70. 417 Wilde, Walter: Zu von Haller »Vergiftung durch Insektizide«, Hippokrates 26, 1955, 502. 418 Bericht über die 10. Arbeitstagung des Instituts für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e. V., München am 21. und 22. Juni 1955, DLR 51, 1955, 276–280, hier 277 (Görnhardt). 419 Vgl. Kuprianoff, I[wan]: Zur Frage der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der durch ionisierende Strahlen behandelten Lebensmittel, DLR 52, 1956, 1–8.

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Kuba­k rise aufgeheizten Atmosphäre, wurden die Folgen einer schleichenden atomaren Verseuchung der Lebensmittel im Bundestag kontrovers diskutiert und umfangreiche Einlagerungen von Krisennahrung sowie Schutz der Trinkwasserreserven gefordert.420 Paradoxerweise waren nun Trockennahrung und Kondensmilch »reine« Produkte, während sie in anderen Kontexten als »unnatürlich« galten. Die radioaktive Belastung der Lebensmittel verbreiterte den Kranz allgemeiner Risiken durch die tägliche Kost und betonte die relative Verletzlichkeit moderner Versorgungsstrukturen.421 Diese breite Palette möglicher Beeinträchtigungen der Lebensmittelqualität mündete in den 1950er und 1960er Jahren nur selten in Vorstellungen stofflicher Unterversorgung. An ihre Stelle traten vielmehr konkrete Krankheiten: Neben der Angst vor HerzKreislauferkrankungen und Diabetes sah man insbesondere eine wachsende Krebsgefahr.422 Die Experten des eisernen Dreiecks wogen derartige Risiken ab, sahen aber letztlich keinen Anlass, den von ihnen mitgestalteten Wandel der Ernährung in Frage zu stellen. Neue Lebensmittel und veränderte stoffliche Bedürfnisse verstanden sie als Konsequenzen eines an sich nicht änderbaren evolutionären Geschehens, dem man sich grundsätzlich anzupassen, das man zugleich aber schöpferisch zu gestalten habe. Es gelte nicht über vermeintliche Gifte zu lamentieren, sondern sie durch Kontrollen und Innovationen möglichst zu minimieren. Die Akzeptanz gewerblich verarbeiteter und künstlicher Kost sei der Lackmustest für den modernen Menschen des Atomzeitalters. Unter dieser Voraussetzung sei es möglich, neue Chancen für eine qualitativ verbesserte Ernährung auszumachen. Der moderne Mensch verfüge nicht nur über andere Lebensmittel, er müsse sie auch haben. Naturkenntnis sei unabdingbar, um sie auf gegenwärtige Bedürfnisse hin umzugestalten.423 Diese Virtuosität des Wissens erlaube nicht nur die Isolation, den Austausch bzw. die Rekombination einzelner Stoffe. Gezielte Technik helfe auch, die Verdaulichkeit bzw. die Resorption einzelner Stoffe zu optimieren. Bitterstoffe, unangenehme Geruchs- und Geschmacksstoffe könnten ebenso entfernt werden wie Vitaminoder Enzyminhibitoren. Das gestaltende Wissen des Wissenschaftlers bringe 420 Radioaktivität der Luft und des Regens, DLR 58, 1962, 83–86. 421 Vgl. Scheuermann, W[olfgang]: Kontamination von Lebensmitteln durch Kernwaffenversuche und ihre biologische Bedeutung, Zeitschrift für Ernährungswissenschaft 2, 1962, 123–140. Auch dies führte natürlich zu neuen Wissensbeständen und deren Vermittlung, vgl. Häusler, Rudolf/Zerbe, Leo: Grundlagen des Strahlenschutzes in der Land- und Ernährungswirtschaft. […], Bonn 1966. 422 Dabei sind die Debatten über Krebs und Ernährung in den 1930er Jahren mit zu beachten, auch wenn zeitgleich Diäten gegen Krebs entwickelt wurden. Zu den 1950er Jahren vgl. etwa Gerson, Max: Sind Boden, Nahrung und Stoffwechselschädigungen grundlegend für die Krebsentwicklung?, EU 2, 1955, 128–130; Ertel, H[ermann]: Landwirtschaftliche Urprodukte krebsbegünstigend?, EU 3, 1956, 61–62. 423 Lang, Konrad: Moderne Probleme der Ernährungsforschung, DLR 50, 1954, 3–5.

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die Grundstoffe des Lebens zu voller Wirksamkeit. Und zugleich könne das gebündelte Wissen der Experten die Alltagstafel vielseitiger und abwechslungsreicher gestalten als die durchschnittliche Hausfrau. Der Traum der Neugestaltung setzte auf neue Stoffprofile und einzelne Stoffe, die wie »magische Geschosse«424 wirken konnten. Neben den Risikodiskurs der Zusatz- und Hilfsstoffe trat also ein zukunftsgewandter Hoffnungsdiskurs, der auf die Gestaltungskraft von Wissenschaft und Technik setzte und sich grundsätzlich von der Konsum- und Zivilisationskritik der Ernährungsreformer unterschied. Ein gutes Beispiel hierfür war die Vitaminisierung der Lebensmittel. Sie lief auch nach Kriegsende weiter, war jedoch durch den Mangel an Präparaten und Konzentraten auf Nährmittel und Restbestände von Margarine begrenzt. Gerade die qualitativ meist unbefriedigenden Marmeladen wurden  – hier den Pfaden der Wehrmacht folgend – vielfach mit Vitamin C fortifiziert.425 Das änderte sich nach 1949.426 Die von den Gesundheitsbehörden der Länder überwachten Produkte drangen seit Anfang der 1950er Jahre vor, wobei die Werbung der seit Anfang 1952 vitaminisierten Margarine Sanella das Thema popularisierte, zugleich aber auch neuerlichen Regelungsbedarf offenbarte.427 Es fehlten Vorgaben für Mindestgehalte und die werbliche Präsentation. Begriffe wie »Sonnenvitamine« oder »Aufbauvitamine« erschienen Chemikern nichtssagend und irreführend, explizit forderten sie eine präzise Kennzeichnung auf Basis der zugesetzten Internationalen Einheiten.428 Grundsätzlich begrüßten sie die Vitaminisierung, rangen aber um das rechte Maß einer solchen Qualitätsverbesserung:429 Angesichts der in skandinavischen Ländern, Großbritannien und besonders der USA etablierten Vitaminisierung auch von Grundnahrungsmitteln gerieten neben der Margarine nun auch Milch, Brot und Mehl ins Blickfeld.430 Aufgrund der nicht zu bestreitenden Wirkstoff­verluste 424 Campbell, Berry/Petersen, William E.: Antikörper der Kuhmilch erstmals zur Vor­ beugung und Behandlung menschlicher Erkrankungen verwendet, Die Umschau 58, 1958, 435–437, hier 435 (der Begriff stammt ursprünglich von Paul Ehrlich und zielte auf Enzyme). 425 Mehlitz, A[lfred]/Curtze, A[ntonius]: Vitaminisierte Marmelade. Ein weiterer Beitrag zur Frage der Vitamin-C-Versorgung der Großstadtbevölkerung, IOGV 34, 1949, 256–259. 426 Zur Entwicklung in der DDR vgl. Rauscher, K[arl]: Die Vitaminisierung der Lebensmittel, in: Greiner, A[nneliese]/Franzke, Cl[aus] (Hg.): Ernährung und Lebensmittelchemie, Berlin (O) 1955, 96–100. 427 Vgl. einschlägige Anzeigen in Kristall 7, 1952, 627, 664, 703, 833. Zur Rechtslage vgl. Souci/Schillinger, 1956, 49–56. 428 Wodsack, Walter: Die rechtlichen Grundlagen für die Vitaminierung von Lebensmitteln, DLR 49, 1953, 77–80, hier 80. Eine Regelung erfolgte im Juni 1952, vgl. hierzu Fuhrmann, Walter: Vitaminisierung von Lebensmitteln, IOGV 38, 1953, 9. 429 Stellungnahme des Arbeitskreises Berlin in der GDCh-Fachgruppe Lebensmittelchemie zum Problem der Vitaminisierung von Lebensmitteln vom Februar 1953, DLR 49, 1953, 108–111. 430 Wagner, [Karl-Heinz]: Die Vitaminisierung von Margarine und Fetten, zugleich Bekanntgabe von Vitaminanreicherungsmöglichkeiten anderer Grundnahrungsmittel, DLR 49,

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bei gewerblicher Verarbeitung sei intelligente und preiswerte Kompensation erforderlich: Arthur Scheunert, nun wichtigster Repräsentant der Ernährungswissenschaften in der DDR , forderte explizit die »Vitaminisierung von weißem Mehl«431, und auch im Westen galten ähnliche Vorstellungen.432 Die Phobie vor einer nicht gesicherten Vitaminversorgung wurde Mitte der 1950er Jahre durch Bilanzstudien unterfüttert, die eine unter den Zufuhrempfehlungen der RDA und der DGE liegende Versorgung mit Vitamin A und B1 feststellten.433 Trotz neuerlicher Warnungen vor synthetischen Präparaten, die unmittelbar an die Debatten während der NS -Zeit anknüpften434, waren Forderungshaltung und Nutzenkalkül der Ernährungswissenschaften daher klar: Die Vitaminisierung auch von Grundnahrungsmitteln sei sinnvoll. Gleichwohl unterblieb sie in der Bundesrepublik Deutschland, von Ausnahmen abgesehen. Dies lag nicht nur an der verbesserten Frischwarenversorgung, sondern auch an der Zurückhaltung der Industrie. Die anfangs umsatzsteigernde Vitaminisierung führender Margarinemarken ließ Wettbewerber schnell nachziehen, selbst Reformwaren erhielten rasch synthetische Zusätze. Am Ende stand ein besseres Produkt­image, doch auch erhöhte Kosten. Die Anbieter von vitaminisierter Milch sowie von Backwaren hielten sich entsprechend zurück. Angesichts der offensiv beworbenen individuell variierbaren Vitaminpräparate blieb die Vitaminisierung in Westdeutschland in engeren Grenzen als in Westeuropa und den USA, auch wenn sie, etwa in Form der Askorbinsäure, als technische Hilfsmittel zunehmend üblich wurden. Für die Ernährungswissenschaftler war diese Entwicklung wenig rational. Das galt auch angesichts einer veränderten Medienöffentlichkeit.435 Die Zahl offenkundiger Lebensmittelverfälschungen sank und es konnte nicht nur wieder auskömmlich, sondern auch qualitativ hochwertig gegessen werden. Doch 1953, 113–115 (inkl. Disk.), hier 114. Die Fortifizierung sollte teils auch Eisen und Kalzium umgreifen. Vgl. auch Lang, 1954, 4–5. Zur US -Debatte instruktiv Wilder, Russell M./Williams, Robert A.: Enrichment of Flour and Bread. A History of the Movement, Washington 1944. 431 Scheunert, A[rthur]: Ernährungsprobleme der Gegenwart, Leipzig 1952, 15. Weniger enthusiastisch, aber im Kern ebenfalls für die »künstliche Vitaminierung des Brotes«: Thomas, Berthold: Ist die Deckung des Bedarfs an Brotvitaminen gewährleistet?, Ernährungsforschung 1, 1956, 105–111. 432 Graefe, Gerd: Ernährungsprobleme unserer Zeit, Das Reich der Landfrau 68, 1953, 399, 404, hier 404. 433 Souci, S. W[alter]/Schillinger, A.: Zur Vitaminisierung von Lebensmitteln. 2. Mitteilung: Die Vitaminversorgung Bayerns und der Deutschen Bundesrepublik in den Jahren 1953 und 1954, DLR 52, 1956, 273–287, hier 287. 434 Vgl. Wagner, 1953, 114–115 (Cremer), wo die Kritik des früheren SS -Manns und HJFührers Herbert Warning abgelehnt wurde bzw. Vitaminierung von Grundnahrungsmitteln, DLR 53, 1957, 140. 435 Vgl. einführend Koszyk, Kurt: Presse und Pressekonzentration in den 50er Jahren, in: Schildt, Axel/Sywottek, Arnold (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. […], Bonn 1998, 439–457.

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diese Entwicklung stand nicht im Mittelpunkt.436 Stattdessen begannen insbesondere neue Illustrierte, wie »Stern« oder »Kristall«, gesundheitlich kontrovers zu bewertende Praktiken der Landwirtschaft und des Ernährungsgewerbes zu skandalieren. Das konnte wichtige Anstöße geben, wie etwa bei der 1953 einsetzenden kritischen Thematisierung der Rindertuberkulose und der damit verbundenen Verseuchung der Milch.437 Auch die 1954 begonnene Kampagne gegen die Mehlbleichung führte zur Sensibilisierung der Verbraucher und schrillen Reaktionen der betroffenen Bäcker.438 Die Themensetzung erfolgte pointiert und drückte den Anspruch aus, qualitativ möglichst hochwertige, keinesfalls aber gesundheitsschädliche Lebensmittel vorgesetzt zu bekommen. Zusatzstoffe galten als besonderes Risiko, da ihre Folgen nicht vorhersehbar waren.439 Nicht länger stand Risikoabwägung auf der Tagesordnung, sondern die elementare Bedrohung von Leib und Leben durch die Ernährungsindustrie. Gift wurde neuerlich zum Thema.440 Die betroffenen Produzenten reagierten nicht weniger strikt. Sie sprachen den Journalisten, aber auch den hier ein öffentliches Forum findenden Wissenschaftlern Fachwissen und Urteilsfähigkeit ab: »Die von derartigen Falschmeldungen angewandten Mittel sind von einer verzweifelten Eintönigkeit und erschreckender Primitivität.«441  – so Hans Weiß, der wissenschaftliche Leiter des 1955 wieder neu gegründeten Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Doch es blieb nicht bei der Abwehr von nicht ernst zu nehmendem, ja kindischem »Unfug«442. Stattdessen attackierten Industrievertreter die Kläger, warfen ihnen gar »Hexenjagd« vor: »Durch die von ihnen ausgelöste Angstpsychose vergiften sie die Seelen und die Gesundheit der Menschen schlimmer, als es die Lebensmittelindustrie selbst bei Anwendung tatsächlicher 436 Zur Verfälschungsproblematik s. Benk, E[rich]: Ueber die derzeitige Beschaffenheit von Fleisch- und Wurstwaren, DLR 50, 1954, 314–316. Zur heterogenen Rechtslage vgl. Lüchow, Georg: Die Problematik der amtlichen und nichtamtlichen Lebensmittelkontrolle, DLR 50, 1954, 9–15, insb. 9. 437 Spiekermann, 2004, 64–65. 438 Sensation um jeden Preis!, Bäcker-Zeitung 8, 1954, Nr. 31, 3–4; »Stern« blieb die letzte Antwort schuldig. Unveröffentlichte Leserbriefe zu dem Artikel »Essen Sie Brot«, Bäcker-Zeitung 8, 1954, Nr. 40, 5–6 sowie nach neuerlichen Thematisierungen Immer wieder die alte Platte… Dem »Stern« fällt nichts Neues ein, Bäcker-Zeitung 10, 1956, Nr. 47, 6. 439 Prof. Dr. med. Eichholtz beantwortet die Frage: Sind unsere Lebensmittel vergiftet?, Der Stern 1955, Nr. 22 v. 29.05., 8–9. 440 Vgl. auch Lenzner, Kurt: Gift in der Nahrung, 3. erw. Aufl. neu bearb. v. Elisabeth Tornow, Freiburg i. Br. 1956. 441 Weiß, Hans: Ergebnisse der wissenschaftlichen Tätigkeit des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, DLR 52, 1956, 165–167, hier 166. Weiß war während des NS Regimes psychologischer Berater der Wehrmacht, einer der einflussreichsten Propagandisten der Sojabohne und 1953/54 Leiter der GEG -Lebensmittelforschung. 442 Der Unfug über »Betrachtungen« von Lebensmitteln in Zeitschriften, Die Fischwarenund Feinkostindustrie 28, 1956, 46–48, 53–54.

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Abb. 98: Gefahren durch Additive – Bebilderte Schlagzeile 1958

Gifte je könnte.«443 Für die betroffenen Wissenschaftler, hier dem Heidelberger Pharmakologen Fritz Eichholtz, hatte dies nicht unerhebliche Konsequenzen.444 Sie wurden stigmatisiert und von den wichtigsten Fachgremien ferngehalten. Anderseits konnten sie sich als Gegenexperten insbesondere der an Bedeutung gewinnenden Verbraucherschutzverbände umetablieren.445 Die fiktive Einheitlichkeit wissenschaftlichen Wissens brach weiter auf und wurde zugleich ansatzweise institutionalisiert. Führende Repräsentanten der Wirtschaft waren nicht in der Lage, sich den neuen Herausforderungen eines pluralen Wissens kommunikativ zu stellen.446 443 Preisler, Rud[olf]: Die Hexenjagd des 20. Jahrhunderts, Die Fischwaren- und FeinkostIndustrie 28, 1956, 221–227. 444 Den Anlass für den Stern-Artikel gab Eichholtz, Fritz: Die toxische Gesamtsituation auf dem Gebiet der menschlichen Ernährung. Umrisse einer unbekannten Wissenschaft, Berlin (W)/Göttingen/Heidelberg 1956 – heute, trotz mancher Schwächen, ein Klassiker der Ernährungsökologie. 445 Eichholtz reagierte auf die Auseinandersetzung mit einer populärer gehaltenen Streitschrift, nämlich Eichholtz, Fritz: Vom Streit der Gelehrten. […], Karlsruhe 1958, in der er den Gesetzgeber explizit aufforderte, »eine Rangordnung der widerstreitenden Interessen« (ebd., 95) von Wissenschaft und Wissenschaft sowie von Wissenschaft und Industrie festzulegen. Zur Gesamtdebatte vgl. Stoff, Heiko: Hexa-Sabbat. Fremdstoffe und Vitalstoffe, Experten und der kritische Verbraucher in der BRD der 1950er und 1960er Jahre, N. T. M. 17, 2009, 55–83. 446 Führende Ernährungswissenschaftler urteilten hier abgewogener, vgl. etwa Souci, S. Walter: Gift in der Nahrung? Ein Spiegel-Gespräch, Der Spiegel 12, 1958, Nr. 45 v. 05.11., 36–49, hier 46–47.

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Ihre Reaktion stand in der Tradition der Ausgrenzung von Gemeinschaftsfremden, in der Bagatellisierung und Leugnung des Wissens und der Rationalität anderer. Mochte die Praxis der meisten Unternehmen auch deutlich anders aussehen und hier Lernprozesse im Käufermarkt üblich gewesen sein, setzten sie damit jedoch eine Spirale wechselseitiger Denunziationen in Gang, die mit dem Verkaufserfolg und der Debatte um Günther Schwabs »Des Teufels Küche« 1959/60 einen vorläufigen Höhepunkt erreichte.447 So unsäglich die in dieser Philippika gegen »Chemie« und Ernährungsindustrie publizierten Unterstellungen auch waren, verstärkte auch die mangelnde Kommunikationsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere ihr Verzicht auf eine auf Wissenschaftler delegierte »sachliche« Antwort, die Unsicherheit der Verbraucher über die Qualität der Lebensmittel.448 Diese Debatte wurde anders als 1933 jedoch nicht autorativ beendet. Sie war vielmehr, wie auch der Risikodiskurs der Ernährungswissenschaftler, Anlass für den Staat, den »Schutzwall der Gesetze«449 neuerlich zu überdenken. Die Eichholtzsche Theorie der Akkumulation der durch Zusatzstoffe hervorgerufenen Risiken war auch politisch Verantwortlichen plausibel.450 Nichtwissen durfte nicht in Nichthandeln münden, sollte vielmehr in flexible Rechtsnormen gegossen werden. Mitte der 1950er Jahre begann eine marktwirtschaftlich konforme Verbraucherschutzpolitik, die in vielem an die Weimarer, bedingt auch die NS -Zeit anknüpfte, die in ihrer Fokussierung auf stoffliche Gefährdungen aber neue Akzente setzte. Das dokumentiert die ubiquitäre Durchsetzung des Stoffparadigmas, verweist zugleich aber auf Friktionen innerhalb des eisernen Dreiecks.

447 Schwab, Günther: Des Teufels Küche. Weißt Du, was Du ißt? Hannover 1959. Auch Schwab war ein alter Kämpfer der NSDAP, vgl. zur Einordnung Melzer, 2003, 317. Zu beachten sind allerdings auch die gerade Anfang 1958 gehäuft auftretenden Lebensmittelmittelskandale, vgl. hierzu Koch, Ernst: Lebensmittelüberwachung unter Druck. Sind Organisation und Zweck der Kontrolle besonderen Anforderungen noch gewachsen?, Der Volkswirt 12, 1958, 310–312. 448 Vgl. etwa Fincke, Heinrich: »Teuflische« Angriffe auf die Lebensmittel- und Ernährungsgewerbe wegen angeblicher Gefährdungen der Volksgesundheit, Süsswaren 4, 1960, 1007–1008; Cremer, H[ans] D[iedrich]: Entwicklungstendenzen in der angewandten Ernährungswissenschaft, EW 7, 1960, 457–460, hier 457. 449 Herzog, Ernst D.: Der Schutzwall der Gesetze, Der Volkswirt 13, 1959, Nr. 28, Beil., 43–44. 450 Gabel, [Werner]: Chemische Fremdstoffe in Lebensmitteln. […], DLR 51, 1955, 2­ 35–237, hier 233.

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6.4.3 Chemikalienfreiheit. Das Lebensmittelgesetz von 1958 und die Zusatzstoffe Wie schon das Lebensmittelgesetz von 1927 (Kap. 4.2.3) nahm auch die Novelle von 1958 einen langen Anlauf. Und doch waren die Unterschiede bemerkenswert. Nun ging es nicht mehr länger um die Realdefinition der Lebensmittel, sondern vorrangig um den Stellenwert sog. »Fremdstoffe«. Nicht die Grundnahrungsmittel standen im Mittelpunkt, sondern deren »Chemikalienfreiheit«451. Lebensmittelgesetzgebung war zur Stoffgesetzgebung geworden, Regelungskompetenz ohne objektiviertes chemisch-physiologisches Wissen nicht mehr möglich. Dennoch forcierten nicht die Experten die Novelle. Ohne die veröffentliche Meinung und den Druck der Ernährungsreformer hätte die Novelle noch nicht auf der politischen Agenda gestanden. Die Strukturen der Lebensmittelgesetzgebung der frühen Bundesrepublik waren vorrangig von der Kooperation der Experten des eisernen Dreiecks geprägt. Die Verbraucher erhielten zwar formale Mitspracherechte, doch ihre Vertreter waren meist interessenpolitisch gebunden, repräsentierten vornehmlich Haus- und Landfrauenverbänden und die Konsumgenossenschaften.452 Verbraucherpolitik war angesichts der heterogenen Interessenlage des lediglich funktional zu definierenden Verbrauchers eine Form wohlmeinender Als-obPolitik, die nach Ansicht der Experten des eisernen Dreiecks von ihnen schon bestens wahrgenommen wurde.453 Gleichwohl war seit Anfang der 1950er Jahre Kritik an den bestehenden gesetzlichen Regelungen vernehmbar. Sie resultierte nicht allein aus der dominanten Bedeutung der Ernährungsausgaben für die Einkommensverwendung dieser Zeit, wurden in den frühen 1950er Jahren doch noch bis zu 50 % für Nahrungs- und Genussmittel aufgewandt.454 Kriegsverordnungen, Regelungen 451 Ebd., 236. 452 Vgl. VO[GEL , Erich]: Mitarbeit der Verbraucherschaft. […], Der Verbraucher 5, 1951, 3–5; Bock, J[osef]: Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, Der Verbraucher 7, 1953, 293–295. Ausbrüche wurden erst später versucht, vgl. Rick, Kevin: Verbraucherpolitik als Gegenmacht? Vom Scheitern einer westdeutschen Konsumentenbewegung »von unten« in den 1960er Jahren, Vierteljahrschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 102, 2015, 161–181. 453 Vgl. zu den Grundkonturen Kleinschmidt, Christian: Massenkonsum, »Rheinischer Kapitalismus« und Verbraucherschutz, in: Berghahn, Volker R./Vitolis, Sigurt (Hg.): Gibt es einen deutschen Kapitalismus? […], Frankfurt a. M./New York 2006, 143–153; Gasteiger, Nepomuk: Der Konsument. Verbraucherbilder in Werbung, Konsumkritik und Verbraucherschutz 1945–1989, Frankfurt a. M./New York 2011, 58–67. Zur zeitgenössischen Debatte s. Grundsätze und Forderungen zur Verbraucherpolitik, Hamburg 1954 mit Vorträgen von Karl Schiller, Franz Böhm und Josef Bock. 454 Der Verbrauch in Arbeitnehmerhaushaltungen 1949–1952, hg. v. Statistischen Bundesamt, Stuttgart/Köln 1954. Zur Budgetentwicklung vgl. Wildt, Michael: Die Kunst der Wahl.

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Abb. 99: Korporative Strukturen der Lebensmittelgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 1950er Jahre

der Besatzpolitik und vor allem die in der Nachkriegszeit etablierte Regelungskompetenz der Länder hatten zu vielfach widersprüchlichen und heterogenen Rechtstexten geführt.455 Dies bedeutete erstens mangelnde Transparenz, denn die auf Kriegsbedürfnisse zugeschnittenen Kennzeichnungsvorschriften erlaubten selbst bei Grundnahrungsmitteln, wie etwa Brot, nicht deklarierte Zusätze. Zweitens bildeten die Regelungen den durch Grundlagenforschung und Technologietransfer in Gang gesetzten technischen Fortschritt nicht mehr adäquat ab.456 Drittens konzentrierte sich die Ernährungspolitik anfangs vornehmlich auf die Produktionsförderung der Landwirtschaft, stand doch die auskömmliche Versorgung im Mittelpunkt. Das 1952 erlassene Milch- und Fettgesetz sowie die 1953 neuerlich etablierten und erweiterten Handelsklassen verdeutlichen dies.457 Zur Entwicklung des Konsums in Westdeutschland in den 1950er Jahren, in: Siegrist, Hannes/Kaelble, Hartmut/Kocka, Jürgen (Hg.): Europäische Konsumgeschichte. […], Frankfurt a. M./New York 1997, 307–325. 455 Vgl. Kraak, Walter: Ernährungswirtschaft und Reform des Lebensmittelrechts, EW 4, 1957, 109–117, hier 110–112. 456 Lüchow, 1954, 10. 457 Vgl. Zum Marktordnungs- und Handelsklassengesetz, IOGV 37, 1952, 3–5 sowie zum Hintergrund Kluge, Ulrich: West German Agriculture and the European Recovery Program,

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An die Stelle einer eingeforderten sowohl ordnungspolitisch sensiblen und das wachsende Unbehagen an der »Chemisierung«458 antizipierenden lebensmittelrechtlichen Gesetzgebung, traten seit 1950 von der Arbeitsgemeinschaft der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister erlassene »Richtlinien«, die auf Basis wissenschaftlicher Expertise Detailprobleme regelten.459 Erst 1953 wurde angesichts neuerlicher öffentlicher Debatten über Farbstoffe und Konservierungsmittel eine umfassende Novelle des Lebensmittelgesetzes in Aussicht gestellt.460 Sie war vom Problem der Zusatzstoffe getragen und deutete damit auf einen grundlegenden Bedeutungswandel des Lebensmittelrechtes hin. Nicht der Schutz vor Täuschungen und die marktordnende Kraft einheitlicher Normen standen im Zentrum, sondern zunehmend der präventive Gesundheitsschutz. Der starke Staat der sozialen Marktwirtschaft zielte mittels wissenschaftlicher Expertise darauf, Risiken schon im Vorfeld zu minimieren. Anderseits galt es den Verbraucher über Kennzeichnungen ansatzweise zu lenken, ihm zumindest aber die Wahlfreiheit zwischen verschieden zusammengesetzten Lebensmitteln zu ermöglichen: »Der Mensch darf nicht Versuchsobjekt für alle möglichen Chemikalien sein.«461 Es gab jedoch auch kritische Töne, die insbesondere auf die durchaus erfolgreiche Fortentwicklung des Rahmengesetzes von 1927 resp. 1936 durch die Rechtsprechung verwiesen und anstelle gesetzgeberischen Aktionismus für eine umfassende Harmonisierung des gesamten Lebensmittelrechtes plädierten.462 Sie kamen nicht zum Tragen. Der nach erstmaligem Scheitern im Bundesrat 1954 dann 1956 überarbeitet eingebrachte Gesetzentwurf unterstützte explizit die Eichholtzsche Theorie kumulativer Gesundheitsgefährdungen und koppelte insbesondere »Krebsgefahr« und Zusatzstoffe.463 1948–1952, in: Diefendorf, Jeffry M./Frohn, Axel/Rupieper, Hermann-Josef (Hg.): American Policy and the Reconstruction of West Germany, 1945–1955, Washington/Cambridge 1993, 155–174; Bauerkämper, Arnd: Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft in der Bundes­ republik Deutschland und der DDR . Eine Bilanz der Jahre 1945–1965, Aus Politik und Zeit­ geschichte 1997, Nr. 38, 25–37. 458 Elbrächter, Alexander: Die Novelle zum Lebensmittelgesetz, EW 5, 1958, 245–248, hier 246. 459 Vgl. Haupt, H[arald] G.: Die Qualitätsnormen und Deklarationsvorschriften für verarbeitetes Obst und Gemüse, DLR 51, 1955, 240–243, hier 240. 460 Zum Schutz der Bevölkerung. […], Hippokrates 24, 1953, 378. 461 Zipfel, Walter: Lebensmittelrecht zum Schutze des Verbrauchers, in: Bock, Josef/ Specht, Karl Gustav (Hg.): Verbraucherpolitik, Köln/Opladen 1958, 199–217, hier 202. Ähnlich Eichholtz, F[ritz]: Chemikalien in der Nahrung, Zeitschrift für Präventivmedizin 2, 1957, 372–383, hier 372–373. 462 Nüse, K[arl] [H[einz]: Verbraucherschutz nach dem geltenden und kommenden Lebensmittelrecht (Gedanken zur Novelle des Lebensmittelgesetzes), DLR 54, 1958, 129–134. 463 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lebensmittelgesetzes (Wortlaut der Drucksache 2923 des Deutschen Bundestages vom 28.11.1956), DLR 52, 1956, 297–307, hier 299. Ähnliche Debatten gab es auch in anderen Ländern, etwa anlässlich des 1958 erlassenden Food Additives Amendment in den USA .

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Die Novelle erforderte von den unterschiedlichen Expertengruppen des eisernen Dreiecks klare Positionierungen, schien es sich doch um eine grundlegende Weichenstellung zu handeln.464 Am einfachsten war dies für die Wissenschaftler, die sich durch ihre Risikoanalysen als die eigentlichen Initiatoren und zugleich Gestalter der Novelle verstanden.465 Sie strebten nach einer »sachlichen« Regelung, nach der rechtsverbindlichen Verankerung wissenschaftlicher Risi­ kobewertungen. Zugleich erhofften sie, damals strittige Technologien, etwa die Mehlbleichung oder aber den Einsatz ionisierenden Strahlen, einvernehmlich regeln zu können.466 Das zuständige Bundesinnenministerium förderte die Novelle, doch die eigentlich treibende Kraft war und blieb das Parlament. Die Exekutive zielte auf eine Rahmengesetzgebung, die noch in der Tradition der früheren normierenden Arbeiten lag, während innerhalb der Legislative interfraktionell die Belange der Verbraucher und Fragen des Gesundheitsschutzes dominierten. Die tradierten Interessengeflechte der Ernährungspolitik gerieten so in Bewegung. Am Ende der Debatten stand 1961 auch die Gründung eines neuen Gesundheitsministeriums.467 Die Wirtschaft, die ihre Interessen angesichts der anstehenden Novelle im 1955 gegründeten Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) gebündelt hatte468, begrüßte die Novelle prinzipiell. 464 Dies auch im Gegensatz zur Situation der frühen 1950er Jahre, in denen vorwiegend um Speiseeis- und Konservierungsverordnungen und ein Farbengesetz gerungen wurde, vgl. Gabel, Werner: Sorgen und Gedanken um den Ausbau des Lebensmittelrechtes, DLR 50, 1954, 83–86. 465 Dies galt insbesondere für die Vorarbeiten in den DFG -Kommission zu Farbstoffen und Konservierungsmitteln, vgl. Hamann, Volker: Zum neuen Lebensmittelgesetz, Die Küche 61, 1957, 69–70, hier 70. 466 Vgl. zur Debatte Hamann, V[olker]: Der Schutz der menschlichen Ernährung durch das Lebensmittelgesetz, in: Saller, K[arl] (Hg.): Gesundes Land, gesundes Leben, München 1953, 219–237, hier 233–236, zur fachwissenschaftlichen Empfehlung Souci, S. W[alter]: Mitteilung I der Kommission zur Untersuchung des Bleichens von Lebensmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vom 1. Juli 1955, ZUL 108, 1958, 65–66 (mit Verbotsempfehlung) sowie als Ergebnis Zur Verordnung über chemisch behandelte Getreidemahlerzeugnisse usw. vom 27.12.1956, DLR 53, 1957, 27–30 (Einschränkung, doch kein Verbot). Zur Bestrahlung vgl. Kuprianoff, I[wan]: Die Möglichkeiten der Anwendung ionisierender Strahlen zur Lebensmittelkonservierung, Deutsche Schlacht- und Viehhof-Zeitung 57, 1957, 294–296 sowie Ders.: Zur Frage der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der durch ionisierende Strahlen behandelten Lebensmittel, DLR 52, 1956, 1–8 (Forschungsbedarf vor Zulassung). 467 Wichtig war auch, dass Ernährungsaufklärung nun wieder verstärkt als öffentlich finanzierbare Aufgabe angesehen wurde, vgl. Jochmus, H[edwig]: Modernes Lebensmittelrecht sichert die Volksgesundheit, EU 3, 1956, 121–122. 468 Zur BLL -Gründung vgl. Bast, Wilhelm: Vom alten zum neuen »Nürnberger Bund«, Der Naturbrunnen 5, 1955, 46–47. Industrie, Handwerk und Handel waren hierin vertreten. Angesichts der öffentlichen Debatten über die Zusatzstoffe befürchtete etwa die Bundes­ vereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie trotz 14.000 Betrieben und 350.000 Beschäftigen übergangen zu werden, vgl. Denkschrift betreffend das Recht der Mitwirkung der am Lebensmittelverkehr beteiligten Kreise bei der Vorbereitung der einschlägigen Gesetze und Verordnungen, EW 2, 1955, 68–69.

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Sie stellte sich jedoch strikt gegen die vermeintliche Hysterie der Öffentlichkeit, forderte eine nur moderate und verständliche Kennzeichnung, Beachtung der außenwirtschaftlichen Konsequenzen, weitete zugleich aber den Geltungsbereich auf bisher nicht behandelte Stoffe und Produkte aus.469 Für sie war die Novelle jedoch zu kurz gegriffen, da eine umfassende Reform des Lebensmittelrechtes notwendig sei.470 Während sich der BLL zum einflussreichsten Einzelakteur mauserte, blieb die Stellung der Verbraucher blass. Verbal zielten sie auf einen Perspektivwechsel auf ihre Interessen hin. Eine konkrete Ausgestaltung dieser Allgemeinplätze blieben ihre Vertreter jedoch schuldig, zumal sie das Stoffparadigma vollständig inkorporiert hatten. Ihre Forderungen verwiesen immer wieder auf die Expertise der Wissenschaft.471 Die Zusatzstoffe sollten »entscheidend eingeengt«472 werden, zugleich aber schreckte man vor komplexen Kennzeichnungspflichten zurück, da diese von den Verbrauchern nicht verstanden würden.473 Die Verbrauchervertreter forderten stattdessen wissenschaftlich abgesicherte Zulassungsverfahren. Das Gesetzgebungsverfahren muss hier im Detail nicht nachgezeichnet werden. Das Innenministerium blockierte längere Zeit, wurde im Juni 1956 dann jedoch von einer »Einheitsfront der weiblichen Abgeordneten«474 mit der strikten Forderung nach einem neuerlichen Gesetzesentwurf konfrontiert.475 Der Coup der 46 Frauen aller Fraktionen machte in der Bonner Republik großen Eindruck. Ein Entwurf wurde eingebracht, und nachdem auch der Bundesrat im Oktober 1956 grundsätzlich zugestimmt, den Geltungsbereich gar noch ausgeweitet hatte, begannen langwierige Ausschusssitzungen.476 Hier mit dem Ergebnis des parlamentarischen Verfahrens zu enden, würde der Art der Diskussion 469 Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Gründung vom 10. März 1955, DLR 51, 1955, 93–96, hier 95 (Elbrächter). 470 Die Ernährungswirtschaft zur Reform des Lebensmittelrechts, EU 3, 1956, 90–91, hier 91 (Kraak). 471 Tr[escher, Karl]: Zwölf Thesen zur Lebensmittelrechtsreform, Der Verbraucher 10, 1956, 677–678. 472 Lebensmittel sollen keine Fremdstoffe enthalten. ZdK erläutert Thesen zur Lebensmittelrechtsreform, Der Verbraucher 10, 1956, 737–738, hier 737. 473 Zugleich kritisierten aber insbesondere SPD -Abgeordnete die »Phantasienamen für Lebensmittel« (Neues Lebensmittelgesetz im Bundestag gefordert, DLR 52, 1956, 148–155, hier 151 (Strobel)) und die irreführende Werbesprache. 474 Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung […] betreffend Lebensmittelrecht v. 08.06.1956, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, Sten. Berichte, Bd. 30, Bonn 1956, 7900–7909, hier 7901 (Jochmus). Zur Vorgeschichte s. Kraak, Walter: Die Ernährungswirtschaft zur Reform des Lebensmittelrechts, DLR 52, 1956, 164. 475 Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Jochmus u. a. v. 24.02.1956, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, Anlagen, Bd. 40, Bonn 1956, Drucksache Nr. 2127. 476 Änderung des Lebensmittelgesetzes im Bundesrat, DLR 52, 1956, 296; Bast, Wilhelm/ Klein, Günter: Novelle zum Lebensmittelgesetz jetzt vor dem Bundestag, EW 3, 1957, 219–220.

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jedoch nicht gerecht. Die Aushandlungen auf dem komplexen Wissensfeld Ernährung folgten nach wie vor der konfrontativen Kooperation der Experten des eisernen Dreiecks. Beispielhaft war etwa die Regelung der zulässigen Farbstoffe. Sie begann mit dem schon erwähnten Buttergelb-Skandal (Kap. 5.6.4).477 Der führende NS -Wissenschaftler und Nobelpreisträger Adolf Butenandt hatte daraufhin staatliches Handeln eingefordert. Darauf wurde unter seiner Leitung 1949 die spätere Farbstoffkommission der DFG gegründet. In den sog. Godesberger Beschlüssen wurden 1952 dann Grundsätze für die Bewertung dieser Zusatzstoffe erlassen. Diese Kriterien erlaubten es, sog. Positivlisten zulässiger Farbstoffe aufzustellen: 18 blieben übrig, vier weitere wurden weiter getestet. Schon hier trennten die Wissenschaftler zwischen gesundheitlich unbedenklichen und technisch sinnvollen Stoffen.478 Schließlich wollte man die Stoffe nicht grundsätzlich verbieten, da auch verarbeitete Produkte gemäß dem »Vorbild der Natur«479 optimiert werden sollten. Die Kommission legte 1954 einen Gesetzentwurf vor, der angesichts der Novelle zurückgestellt wurde.480 Obwohl die Konsumenten stärker gefärbte Ware tendenziell bevorzugten, prägte das Ergebnis der Kommissionsarbeit auch den Gesetzgebungsprozess.481 Das Prinzip der Positivliste wurde nicht nur gebilligt, sondern die einschlägigen Tests mussten bei Ergänzungen durch den Antragssteller bezahlt werden. Die Farbstoff-Verordnung wurde schließlich im Dezember 1959 erlassen, und auch die weitere Ausgestaltung an die Expertise der fortbestehenden DFG -Kommission gekoppelt.482 Wie schon in der Weimarer Republik bestimmte wissenschaftliches Wissen die rechtliche Normsetzung, da es keine Alternative zu ihrer Wissensobjektivierung und -hierarchisierung zu geben schien.483

477 Krebserregende Wirkung künstlicher Farbstoffe, Die Stärke 1, 1949, 74; Hamann, 1953, 224–230. Detailliert hierzu Stoff, Heiko: Gift in der Nahrung. Zur Genese der Verbraucherpolitik Mitte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2015, 59–68. 478 Bergner, K[arl] G[ustav]: Welche Lebensmittelfarbstoffe sind zur Zeit im Verkehr anzutreffen?, DLR 51, 1955, 85–86. 479 Schmidt, A.: Das Lebensmittelfarbstoffproblem im Lichte der Lebensmittelüberwachung, DLR 51, 1955, 237–239, hier 237. 480 Entwurf eines Gesetzes über Lebensmittelfarbstoffe und das Färben von Lebensmitteln (Lebensmittelfarbstoffgesetz), DLR 50, 1954, 28–30. Zur internationalen Harmonisie­ rung vgl. Souci, S. W[alter]: Mitteilung 0 der Farbstoff-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ZUL 108, 1958, 68–73, hier 68. 481 Becker, Günther: Zum Thema »Lebensmittelfarbstoffe«, DLR 52, 1956, 146–147; Beratung, 1956, 7907 (Elbrächter). 482 Verordnung zur Änderung der Farbstoff-Verordnung. Vom 20. Januar 1966, DLR 62, 1966, 89. 483 Dies galt auch für die DDR , die ihre Rahmengesetze etwas später neu gestaltete. Vgl. Tolkmitt, H[ans] B[odo]: Neues Lebensmittelgesetz in Mitteldeutschland vom 3. Dezember 1962, EW 10, 1963, 591–592, 594; Thomae, E[rich]: Die Durchführungsbestimmungen zum Lebensmittelgesetz in der DDR , DLR 62, 1966, 85–88.

Modernisierung auf dem Prüfstand  

685

Was waren die Ergebnisse der Novelle des Lebensmittelgesetzes von 1958? Das bundesweit gültige Rahmengesetz kehrte die bisherige Rechtslage um, indem es »Fremdstoffe« grundsätzlich verbot und ihre Zulassung an vorherige wissenschaftliche Unbedenklichkeitsprüfungen band.484 Dadurch wurde die Zahl der zuvor mehr als 400 prinzipiell verfügbaren Lebensmittelzusatzstoffe deutlich vermindert. Nur noch vier Konservierungs-, 15 allgemeine Fremdund ein knappes Dutzend Aromastoffe waren zugelassen, ferner 19 Farbsowie sieben Pigmentfarbstoffe. Die beteiligten Wissenschaftler verwiesen aber stolz darauf, dass nicht diese Reduktion, sondern die Kontrolle entscheidend sei. Sie schützen so nicht nur die Gesundheit aller, sondern etablierten auch eine neue Welt getesteter Sicherheit, die über das subjektive Wissen des Alltags zu stellen sei. Dennoch war das Feld nicht einfacher, sondern neuerlich komplizierter geworden. Wirtschaft und Wissenschaft gliederten die Stoffwelt weiter auf, indem das Gesetz zwischen zum Verzehr bestimmten Fremd-, technischen Hilfs- und sonstigen Stoffen unterschied.485 Damit konnten viele der nicht mehr zugelassenen Zusatzstoffe weiter genutzt werden. Viele andere Regelungen, die den Schutz vor Täuschung und irreführender Werbung sowie die Kennzeichnung betrafen, mussten zudem – wie schon nach 1927 – in Folgeverordnungen umgesetzt werden. Nachdem der Öffentlichkeit die erfolgreiche Verabschiedung des Lebensmittelgesetzes vermeldet wurde, begann die eigentliche Arbeit. Hier waren die Experten wieder unter sich. Die Wissenschaftler bekräftigen ihre Sachwalterrolle, denn nun prüften die »bedeutendsten Fachgelehrten der Bundesrepublik«486 die Zusatzstoffe auf »Herz und Nieren«, ihre Unschädlichkeit war nach dem damaligen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis erwiesen. Fleisch-, Konservierungsstoff-, Allgemeine Fremdstoff-, Diät-Fremdstoff-, Essenzen-, Fruchtbehandlungs-, Farbstoff- und Kaugummiverordnungen blieben aber auch nach Inkrafttreten umstritten. Das lag weniger an den strukturellen, damals seltener diskutierten Problemen des Nichtwissens, etwa der begrenzten, nicht auf kumulative Wirkungen ausgerichteten Untersuchungstechnik. Verbrauchervertreter monierten vielmehr, dass der Begriff »Fremdstoff« nach wie vor unklar, zugleich aber die Ausnahmen beunruhigend seien.487 Auch die Wirtschaft kritisierte die teils widersprüchlichen Regelungen zwischen den

484 Vgl. Fachmann, W[alther]: Die Kernpunkte des neuen Lebensmittelgesetzes, EU 5, 1958, 121–124; Elbrächter, Alexander: Die wichtigsten Bestimmungen der Lebensmittelgesetznovelle, DLR 55, 1959, 25–29. 485 Weiß, Hans: Die Bedeutung der durch die geplante Lebensmittelgesetzesnovelle notwendigen Verordnungen, EW 4, 1957, 36–37. 486 Hamann, 1957, 69–70, hier 69 bzw. 70 (für das folgende Zitat). 487 Enttäuschte Verbraucher-Erwartungen. Die ersten beiden Fremdstoff-Verordnungen zum Lebensmittelgesetz, Der Verbraucher 13, 1959, 775, 778.

686

Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

neuen und vielen nach wie vor gültigen älteren Gesetzen. Sie forderte weiterhin eine umfassende Neuregelung des gesamten Lebensmittelrechts.488 Drei Folgen der Lebensmittelgesetznovelle sind besonders hervorzuheben. Erstens verdeutlicht die Kritik Anfang der 1960er Jahre, dass trotz reduzierter Risiken die Ursachen der allgemeinen Beunruhigung der Verbraucher nicht beseitigt waren. Die Unsicherheit blieb, denn die Expertise galt nur vorläufig. Die Qualitätsdebatten wurden zwar abgemildert, zugleich aber perpetuiert. Repräsentative Befragungen in landwirtschaftlichen Haushalten ergaben 1962 bis 1964, dass je nach Region 70–93 % angaben, auf chemische Zusätze in Lebensmitteln besonders zu achten.489 Lebensmittel und künstliche Kost mochten sicherer und gesünder geworden sein, doch sie galten nicht mehr als sicher und gesund. Zweitens erforderte die nationale Regelung zunehmend internationale Harmonisierungen. Der Außenhandel deckte fast ein Viertel der westdeutschen Ernährung. Der Wirtschaft gelang es schon früh, das Prinzip zu verankern, dass die Lebensmittelzusammensetzung dem Recht des Ziellandes entsprechen müsse.490 Das sicherte die Ausfuhr, dokumentierte aber Unverständnis gegenüber Qualitätsexporten. Wichtiger aber waren die Importe. Niedrigere Standards im Ausland erhöhten den Wettbewerbsdruck, und der BLL hatte seit Beginn des Gesetzgebungsverfahrens auf leistungsfähige Kontrollsysteme gedrungen, um die Einhaltung der neuen deutschen Normen auch sicherzustellen.491 Anfang der 1960er Jahre waren die damit verbundenen Probleme offenbar. Selbst für die vorgesehenen Stichproben fehlte Personal, zugleich aber auch einfache, schnell zu Ergebnissen führende Analysemethoden.492 Die Gründung zahlreicher neuer ernährungswissenschaftlicher Institute – schon vor dem allgemeinen Ausbau der in den Jahren leichten Wachstums vernachlässigen Universitäten  – resultierte auch aus diesen Defiziten.493 Kontrolle war gut, ein 488 Kraak, Walter: Das Lebensmittelrecht im nationalen und internationalen Rahmen, EW 9, 1962, 399–404, hier 400. 489 Wirths, W[illi]: Erhebungen über Ernährungsgewohnheiten in landwirtschaftlichen Haushalten in der Bundesrepublik Deutschland in ernährungsphysiologischem Aspekt [sic!]. II . Regionale Gliederung nach Bundesländern, Zeitschrift für Ernährungswissenschaft 9, 1967, 16–42, hier 39. 490 Kraak, Walter: Die Entwicklung im Lebensmittelrecht, EW 6, 1959, 130–135, hier 131–132. 491 Rößler, Bernhard: Die Lebensmittelgesetzgebung und die Importe, EW 4, 1957, 59–61. 492 Acker, L[udwig]: Der Verbraucherschutz  – ein Zusammenwirken von Lebensmittel­ gesetzgebung, Lebensmittelüberwachung und Rechtsprechung, EU 6, 1959, 44–47, 79–81, hier 46; Kraak, 1962, 401. 493 Cremer, H[ans] D[iedrich]: Ernährungswissenschaften in Forschung und Lehre in Deutschland, in: Heilmeyer, Ludwig/Holtmeier, Hans-Jürgen (Hg.): Ernährungswissenschaften, Stuttgart 1968, 152–162. Neu eingerichtet wurden universitäre Institute und Studiengänge u. a. in Gießen, München-Weihenstephan, Stuttgart-Hohenheim, Bonn und Kiel.

Modernisierung auf dem Prüfstand  

687

heitliche internationale Normen waren jedoch besser. Auch hier etablierten Mitte der 1950er Jahre wissenschaftliche Tagungen international akzeptierte Auswahllisten über gesundheitlich unbedenkliche Farb- und Konservierungsstoffe – natürlich in Abstimmung mit Wirtschaft und Staat.494 Das Wissen um Stoffe erlaubte Ordnung im Weltmaßstab, auch wenn erst einmal Europa im Vordergrund stand. Dabei knüpfte man unmittelbar an Verfahren an, die im nationalen Maßstab vornehmlich in den 1920er Jahren entwickelt worden waren (Kap. 4.2). Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zielte seit 1956 auf gemeinsame Bewertungskriterien für Lebensmittel, die anfangs vornehmlich in der Tradition der auf äußerliche Merkmale setzenden Handelsklassen stand.495 Von Beginn aber zielte die neu etablierte EWG -Kommission auch auf Richtlinien, die horizontal ganze Stoffgebiete, etwa die Farbstoffe, regelten, und zugleich vertikal einzelne Warengruppen normierten.496 Anfangs bedeutsamer war jedoch die Arbeit des Europäischen Rates. 1958 wurde auf seine Anregung der Rat des Codex Alimentarius Europaeus in Paris gegründet. Dessen Arbeiten standen in der Tradition des schon kurz nach der Jahrhundertwende begonnenen Codex Alimentarius Austraicus, zielte jedoch weniger auf die Normierung der Lebensmittel, sondern auf die gesundheitliche Unbedenklichkeit international gehandelter Produkte.497 Seine Gutachten umfassten Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden und Beurteilungsgrundsätze.498 Sie besaßen keine Gesetzeskraft, wurden jedoch Anfang der 1960er Jahre in 22 europäischen Staaten beachtet. Anfang 1962 setzte nach Gründung eines gemeinsamen Komitees mit FAO und WHO auch eine globale Harmonisierung ein. Das Stoffparadigma regelte präventiv ferner die Lebensmittelzusammensetzung in den zunehmend beachteten Entwicklungsländern. Das Wissensfeld Ernährung wurde damit zugleich komplizierter, da zwischen den Regelungen nationaler, europäischer und internationaler Gremien immer auch Friktionen und Unterschiede bestanden. Wissenschaft wurde immer stärker zu einer anonymen Regelungsinstanz, die in enger Kooperation insbesondere mit der gut organisierten Wirtschaft agierte. Während national die Bewertungs­ unterschiede innerhalb von Wissenschaft und Staat zunahmen, etablierte sich 494 Gabel, 1955; 1. Symposium über die Veredelung von Lebensmitteln hinsichtlich Aussehen, Geruch, Geschmack und Beschaffenheit, DLR 52, 1956, 81–102, v. a. 102. 495 Vgl. Hanau, A[rthur]/Weber, A[dolf]: Aufgaben im Bereich des landwirtschaftlichen Marktwesens in der Bundesrepublik Deutschland, Agrarwirtschaft 11, 1962, 237–264. 496 Tolkmitt, H[ans] B[odo]: Entwicklung des Lebensmittelrechts im nationalen und internationalen Bereich, EW 10, 1963, 210–212, hier 210. 497 Zur Vorgeschichte s. Spiekermann, Uwe: Redefining Food: The Standardization of Products and Production in Europe and the United States, 1880–1914, History and Technology 27, 2011, 11–36. 498 Vgl. hierzu Kraak, 1962, 403. Zur Problematik regional heterogener Ernährungsweisen vgl. Konstituierende Sitzung der Lebensmittelbuch-Kommission, DLR 58, 1962, 74–77, hier 77–78 (Schwarzkopf).

688

Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

das eiserne Dreieck unter dem Banner des objektivierten wissenschaftlichen Wissens auf internationalen Ebenen fester, wirkte derart Norm setzend zurück auf die Einzelstaaten. Für die Ernährungswissenschaften bedeutete dies drittens einen Professionalisierungsschub. Die Kontrolle der Fremdstoffbelastung mündete in neue spezialisierte Fachgremien, etwa der von Konrad Lang geleiteten Fremdstoffkommission.499 Hierfür war das neu gegründete Gesundheitsministerium zuständig, doch strukturierte auch das Ernährungsministerium mit dem 1960 gegründeten Forschungsrat für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten seine Forschungskapazitäten neu. Wichtiger noch wurde die 1961 eingerichtete Lebensmittelbuch-Kommission, deren Mitglieder die Suprematie des eisernen Dreiecks nochmals spiegelten.500 Ihre Aufgabe war es, Richtlinien über strittige Fragen des Ernährungssektors festzulegen, damit den technischen Fortschritt flexibel zu begleiten. Die Bundesgesundheitsministerin setzte auf kooperative Partnerschaft. Im Lebensmittelsektor schien die formierte Gesellschaft schon Gestalt angenommen haben. Das Lebensmittelgesetz hatte insgesamt zwar den Wildwuchs bei den Zusatzstoffen beschränkt, seine Auswirkungen waren jedoch eng an die Kooperationsbereitschaft der Wirtschaft gekoppelt. Diese aber nutzte die Chancen des Marktes und setzte die wachsende Verfügbarkeit über Lebensmittelinhalts- und Werkstoffe in neue künstliche Kost um.

6.4.4 Technische Innovationen und Gebrauchswertsteigerungen. Die kontinuierliche Dynamik der Lebensmittelproduktion Die deutsche Ernährungsindustrie war und ist heterogen wie kaum eine andere Branche. Die Ausweitung der Sortimente und eine wachsende Zahl verfügbarer Techniken haben diese innere Heterogenität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch erhöht. Neben Betrieben mit handwerklichem Charakter für lokale Märkte oder aber klar segmentierten Zielgruppen stand eine wachsende Zahl von Großbetrieben, die mit Hilfe moderner Technologie die Kostenund Verbundvorteile der Massenproduktion nutzten. Und abseits Deutschlands agierten mehrere, auch hierzulande einflussreiche multinationale Konzerne, deren Forschungs- und Entwicklungskapazitäten die nationalen Wissenschaftssysteme teils in den Schatten stellten.501 Für die Entwicklung künstlicher Kost waren die mittleren und großen Betriebe einschlägig, denn sie implementier 499 Kommission zur Prüfung fremder Stoffe bei Lebensmitteln (Fremdstoffkommission), DLR 58, 1962, 119. 500 Mitglieder der Lebensmittelbuch-Kommission, DLR 58, 1962, 77. Zu den Vorplanungen vgl. Kraak, 1959, 134. Vgl. auch Kraak, 1962, 401–402. 501 Pfenning, Winfried: Die deutsche Lebensmittelwirtschaft seit 1950, Zeitschrift für die Lebensmittelwirtschaft 44, 1993, 690–692.

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Modernisierung auf dem Prüfstand  

ten die gar nicht so zahlreichen grundlegenden Innovationen universitärer und betrieblicher Entwicklungsarbeit und münzten sie in neue wissensbasierte Produkte um. Tab. 4: Zentrale lebensmitteltechnologische Innovationen seit den 1930er Jahren Innovation

Anwendung

Einführungsdekade

Aseptische Produktion und Verpackung

Pulver

1940er

Niedrigtemperaturkonservierung

Gemüse

1930er

Mikrowellentechnologie

Feuchte Güter

1950er

Gefrorene Getränkekonzentrate

Fruchtsäfte

1940er

Verpackung in kontrollierter Atmosphäre

Obst/Gemüse

1950er

Gefriertrocknung

Kaffee

1940er

Gefrorene Fertiggerichte

Speisen

1960er

Nutzung der Wasseraktivität

Feuchte Güter

1970er

Fortifikation mit Wirkstoffen

Margarine

1940er

Ultrahocherhitzung

Milch

1960er

Eigene Zusammenstellung auf Basis von Top 10 Food Science Innovations 1939–1989, FT 43, 1989, Nr. 9, 222. Die Tabelle ist nach Bedeutsamkeit geordnet.

Die Durchsetzung neuer Technologien erfolgte vornehmlich in den 1940er und 1950er Jahren. Die Ernährungsindustrie zehrte lange vom Forschungsinput der Kriegszeit, investierte anschließend vornehmlich in dessen Umsetzung. Von Forschungsabstinenz kann nicht die Rede sein, doch ging es hierbei vornehmlich um die Prozesstechnik. Es galt, allgemeine Grundprinzipien auf immer kleinteiligere Stoffebenen anzuwenden.502 Wissenschaftlich zunehmend optimiert prägten die heterogenen Prozesstechniken die Alltagskost seit Beginn der Industrialisierung. Der Dortmunder Physiologe Willi Wirths versuchte diesen Trend zu höher verarbeiteten Lebensmitteln für das Jahr 1958 zu quantifizieren. Demnach entstammten 74 % der 502 Einen detaillierten Überblick vermittelt Wolf, Karl-Heinz: Prozeßtechnische Grundlagen, in: Tscheuschner, Horst-Dieter (Hg.): Lebensmitteltechnik, Darmstadt 1986, 210–290, hier 210–230. Über Forschungsschwerpunkte der 1950er Jahre unterrichtet Heiss, R[udolf]: Fortschritte der Verfahrenstechnik in der Verpackungs- und Lebensmittelindustrie. […],­ Baden-Baden/Frankfurt a. M. 1964.

690

Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

Tab. 5: Anteile gewerblich verarbeiteter Lebensmittel in der Bundesrepublik Deutschland 1958 Produkt

Verarbeitungsgrad (%)

Erzeugnisse

4.566

100

Brot, Backwaren

BrotgetreideIndustrie

88

100

Ersatzkaffee, Branntwein, Stärke

Futtergetreide

179

100

Nährmittel, Suppenpräparate

1.330

100

Bier, Branntwein

Reis

76

100

Reis

Speisehülsenfrüchte

79

95

Kartoffeln

8.236

3

Zucker

1.486

100

Zucker

9

100

Rübensaft

Honig

52

71

Kakaomasse

94

100

Gemüse

2.593

21

Konserven, Sauerkraut

Obst

2.776

24

Marmelade, Säfte, Sirup …

Fleisch

2.791

47

Wurst- und Fleischwaren

642

60

Räucherwaren, Marinaden…

15.941

79

Pasteur. Milch, Käse, Butter…

615

4

1.151

91

Brotgetreide

FuttergetreideIndustrie

Rübensaft

Fisch Milch/ Milcherzeugnisse Eier Nahrungsfette

Verfügbare Menge (1000 t)

Speisehülsenfrüchte Kartoffelstärke, Puffer/ Klöße

Honig Kakaopulver, Schokolade

Trockenei Margarine, Schmalz, Speiseöl…

Zusammengest. n. Wirths, W[illi]: Wie groß ist der Anteil industriell verarbeiteter Lebensmittel an der gegenwärtigen Ernährung in Deutschland?, in: Veränderungen der Nahrung durch industrielle und haushaltsmäßige Verarbeitung, Darmstadt 1960, 198–218, hier 207.

691

Modernisierung auf dem Prüfstand  

Kalorien, 61 % des Eiweiß, 76 % der Fette und 76 % der Kohlenhydrate aus gewerblich verarbeiteten Lebensmitteln.503 Dabei integrierte er noch vornehmlich handwerklich hergestellte Produkte, wie Brot und Fleischwaren, und trennte nicht zwischen auf Grundlage von Erfahrungswissen verarbeiteten Produkten und künstlicher Kost. Wirths Schätzungen belegen auch, dass die tradierten Techniken gewerblicher Verarbeitung schon in der Wirtschaftswunderzeit an Wachstumsgrenzen stießen. Nicht Verarbeitung, sondern wissensbasierte Verarbeitung stand demnach auf der unternehmerischen Agenda dieser Zeit. Tab. 6: Kennzahlen der bundesdeutschen Nahrungs- und Genussmittel­ industrie 1950 und 1960 Nahrungs- und Genussmittel­industrie

Beschäftigte (1.000)

Relation zur Gesamt­industrie

1950

1960

337

480

1950

1960

7,0

6,2

Umsatz (Mrd. DM)

14,8

34,7

18,5

13,4

–– Inland (Mrd. DM)

14,8

34,1

20,1

15,6

–– Ausland (Mrd. DM)

0,0

0,6

0,3

1,5

Lohn/Gehalt (Mrd. DM)

0,94

2,8

6,1

5,7

Investitionen (Mio.) Umsatz/Beschäftigen

635

1.400

13,9

8,1

3.671

6.030

263,0

218,0

Investitionsquote

4,3

4,0

75,4

59,8

Beschäftigte (1.000)

0,1

1,7

1,2

11,0

Zusammengest. n. Heinicke, Bärbel: Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Strukturelle Probleme und Wachstumschancen, Berlin (W)/München 1964, 18.

Bevor wir darauf eingehen, sind zum Verständnis einige Kenndaten über die Branche notwendig. Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie erwirtschaftete 1950 fast ein Fünftel, 1960 fast ein Siebtel des industriellen Gesamtumsatzes der Bundesrepublik Deutschland. Nachholeffekte nach den Hungerjahren und der Konsum geschmacksintensiverer eiweiß- und fetthaltiger Lebensmittel führten 1950–1954 zu gegenüber der Gesamtindustrie überdurchschnittlichen Wachstumsraten von jährlich 9,65 %, die von 1955–1959 absolut auf 8,76 %, insbesondere aber relativ zurückgingen.504 Angesichts rasch wachsender Märkte 503 Ebd., 214–215. 504 Angaben n. Heinicke, G[ünther]: Entwicklung und heutiger Stand der Ernährungs­ industrie, EW 22, 1975, A67-A71, hier A69.

692

Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

stand im Mittelpunkt der »Massenfertigung«505 der Lebensmittel die betriebliche Rationalisierung. Sie erfolgte durch einen nochmals gesteigerten Mechanisierungsgrad sowie die intensivere Nutzung der eingesetzten Rohware. Der beträchtliche Maschineneinsatz führte zu einem rasch steigenden Umsatz pro Beschäftigtem, der trotz relativen Rückgangs 1960 noch mehr als doppelt so hoch lag wie in der gesamten Industrie. Dagegen erreichte die Investitionsquote damals nur drei Fünftel dieser Referenzunternehmen. Gleichwohl lässt sich daraus nicht auf eine geringe Investitionsneigung schließen. Zum einen verzerrt der überdurchschnittlich hohe Anteil der Rohstoffkosten am Umsatz die Relation, zum anderen lag die Investitionsintensität 1960 noch um 31 % höher als in der gesamten Industrie.506 Innerhalb der Branche kam es durch die skizzierten Konsumveränderungen zu deutlichen Verschiebungen.507 Parallel erhöhte sich der Konzentrationsgrad der insgesamt mittelständisch geprägten Branche. 1955 entfielen auf die 29 größten Unternehmen mit als 1.000 Beschäftigten lediglich 9,7 % des Branchenumsatzes, während die 934 Unternehmen mit 100–999 Beschäftigten 55,9 % auf sich vereinigten.508 Auch in den nächsten Jahren gab es nur eine schwache Konzentrationstendenz.509 Das änderte sich in den frühen 1960er Jahren, als sich die Wachstumsraten deutlich abschwächten und zugleich höhere Investitionen erforderlich wurden.510 Zwei Ursachen waren hierfür entscheidend: Zum einen wurde die Nachfragemacht des Handels (Kap. 5.4.1) immer fühlbarer.511 Zum anderen kam der Markt an strukturell bedingte Sättigungsgrenzen, die auch durch den Einsatz höherwertigerer Rohware kaum mehr zu überschreiten waren. Erhöhte Wertschöpfung erforderte immer höhere Aufwendungen, insbesondere betriebliche Entwicklungsarbeit und Forschungsanstrengungen. Die Ernährungsforschung in den frühen 1950er Jahren knüpfte erst einmal an die Strukturen der Weimarer Republik an (Kap. 4.2.2 und 4.3). Staatliche Forschungseinrichtungen dienten der Grundlagenforschung, die Industrie kooperierte branchenbezogen und größere Betriebe etablierten eigene Laboratorien. Angesichts der technologischen Überlegenheit der USA, die vor allem auf 505 Weiß, 1956, 165. 506 Heinicke, 1964, 20. 507 Vgl. Heinicke, Bärbel: Strukturwandlungen in der westdeutschen Ernährungsindustrie, EW 10, 1963, 168–172, 174, hier 169. Vgl. auch Knopff, Margot: Zur Gliederung der Ernährungsindustrie im Bundesgebiet, EW 8, 1961, 158–161. 508 Heinicke, 1964, 25. 509 Vgl. Knopff, Margot: Zur Entwicklung der Betriebsgrößenstruktur der Ernährungsindustrie im Bundesgebiet, EW 8, 1961, 53–55, hier 55. 510 Müller, Jan: Entwicklung der Konzentration in der Bundesrepublik Deutschland von 1962 bis 1970, 2 Bde., München 1973. Zur Investitionsentwicklung s. Heinicke, Bärbel: Steigende Tendenz der ernährungsindustriellen Investitionstätigkeit, EW 10, 1963, 1028–1030. 511 Disch, K[arl] A.: Auswirkungen der Konzentration im Handel auf die Betriebe der Ernährungsindustrie und die sich hieraus ergebenden Forderungen, EW 10, 1963, 668–671.

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einer vielbeschworenen engen Verbindung von Theorie und Praxis gründete, fehlte jedoch die im Forschungsdienst und vor allem während der Kriegswirtschaft praktizierte Gemeinschaftsforschung von Unternehmen und öffentlich finanzierten Ernährungsfachleuten. Anfang der 1950er Jahre wurde die Theorielastigkeit der Wissenschaft beredt beschworen. Die Wissenschaftler beklagten wiederum eine allgemeine Unterfinanzierung, mangelndes Humankapital sowie fehlende apparative Ausstattungen. Die wichtigste institutionelle Konsequenz hieraus war der Anfang 1953 gegründete Forschungskreis der Ernährungsindustrie. Die anfangs sieben Branchenverbände der Ernährungsindustrie kooperierten mit führenden Universitäts- und Forschungsinstituten. Konrad Lang, Iwan Kuprianoff, der Direktor der Forschungsanstalt für Lebensmittelfrischhaltung in Karlsruhe und frühere Chefingenieur der Robert Bosch GmbH, sowie Hans Weiß, damals Forschungsleiter der GEG, bildeten die wissenschaftliche Leitung. 1955 gab es erstmals 30.000  DM Zuschuss durch das Bundeswirtschaftsministerium, 1958 waren es schon 150.000 DM, 1961 wurde schließlich die Millionengrenze überschritten.512 Parallel steuerte die Industrie jährlich ca. 2 Mio. DM für Gemeinschaftsforschung bei. Zehn Jahre nach der Gründung hatte sich auf dieser Basis ein Netzwerk von 33 Branchenverbänden und 34 Forschungsinstitutionen etabliert, das währenddessen 104 vielfach mehrjährige Forschungsprojekte getragen hatte.513 Der Forschungskreis der Ernährungsindustrie war ein funktionales Äquivalent für die weggebrochene Gemeinschaftsforschung der NS Zeit.514 Dem eisernen Dreieck gelang so vielfach die Tilgung der »schwachen Stellen«515 der Produktion. Inhaltliche Schwerpunkte bildeten Ernährungsphysiologie, Prozesstechnik, neue Analysemethoden sowie Qualitätsforschung. Es handelte sich also um die Fortsetzung und Vertiefung entsprechender Forschung während der Kriegszeit. Für die Ernährungsindustrie war dies ökonomisch relevant, galt es doch Einfluss auf Forschungsschwerpunkte zu nehmen. Da die Kosten eines Einmann-Laboratoriums mit Hilfskraft Anfang der 1960er Jahre jährlich ca. 60.000 DM betrugen516, war dies insbesondere für mittlere Unternehmen eine Möglichkeit, am wissenschaftlichen Fortschritt teilzuhaben.517 512 Gau, Liselotte: Aufgaben und Entwicklung des Forschungskreises der Ernährungs­ industrie, EW 11, 1964, 78, 80, 82, hier 80. 513 Weiss, Hans: Praktische Bedeutung der durch den Forschungskreis der Ernährungs­ industrie ermöglichten Forschungen, EW 10, 1963, 1037–1044, 1046, hier 1042–1044, 1046. 514 So das Plädoyer für eine Gemeinschaftsforschung im Sinne der früheren bei Heiss, 1964, 15–16. 515 Weiss, 1963, 1038. 516 Heiss, 1964, 14. 517 Die Bedeutung sonstiger industrieller Gemeinschaftsforschung war relativ gering, vgl. den Überblick bei Krusen, Felix: Zur Situation der Ernährungsforschung in der Bundesrepublik Deutschland, EW 17, 1970, A75-A81, hier A76-A77.

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Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

Gleichwohl wurden spätestens mit Ende der Jahre des leichten Wachstums zunehmend die Mängel innerhalb der Industrieforschung thematisiert. Hygieneund Qualitätssicherungsverfahren mochten gut etabliert sein518, doch die Aufwendungen der Ernährungsindustrie für Forschung und Entwicklung betrugen 1965 lediglich 0,05 % vom Umsatz (Gesamtindustrie 1,1 %) und auf 1.000 Beschäftige entfielen lediglich 1,7 Wissenschaftler (Gesamtindustrie 4,9).519 Für die mittelständisch geprägte Industrie war es preiswerter Patente und Lizenzen einzukaufen – das Negativsaldo gegenüber den USA betrug 1962 10,6 und 1970 12,1  Mio. DM  – als in eigene Betriebslaboratorien zu investieren. Auch wenn nicht unterschätzt werden darf, dass beträchtliche Forschungsaktivitäten in den Spezialmaschinenbau und die Verpackungsindustrie gleichsam delegiert wurden520, so wandte die deutsche Ernährungsindustrie doch weniger auf als ihre französischen und insbesondere die US -amerikanischen Wettbewerber. Es waren vorrangig multinationale Konzerne, die systematisch in Forschung und Entwicklung investierten. Unilever beschäftigte 1963 global 1.600 Personen, darunter 300 Akademiker, in der Forschung und Entwicklung. Das Hamburger Laboratorium, dass nicht zuletzt für die Neueinführung der Tiefkühlkost sowie in der Fett- und Stärkeforschung Pionierarbeit leistete, war mit 200 Beschäftigten, darunter ca. 40 promovierten und diplomierten Chemiker, Physiker, Mikrobiologen und Ingenieure, die größte einschlägige Forschungseinrichtung in der Bundesrepublik Deutschland.521 Insgesamt verstärkte sich während der 1960er Jahre auch im Forschungs- und Entwicklungsbereich die innere Heterogenität der Branche. Während einige Großbetriebe die Trends setzten, versuchte sich die Mehrzahl der mittleren Unternehmen durch den Einkauf von technologischem Know-how sowie einer raschen Adaption von Konkurrenzprodukten auf dem Markt zu behaupten. Erst in den 1970er Jahren, auf Basis auch des Ausbaus ernährungswissenschaftlicher Studiengänge, sollte sich diese Situation langsam ändern. Die vergleichsweise geringen Aufwendungen der Industrie lagen in der Logik des Stoffparadigmas. Auf der einen Seite erlaubte die zumeist öffentlich finanzierte Grundlagenforschung ein immer kleinteiligeres Verständnis der einzelnen Lebensmittel. Dies erlaubte Praktikern und Lebensmittelingenieuren weltweit konkurrenzfähige Spezialmaschinen zu entwickeln, von deren Leis 518 Vgl. hierzu Täufel, K[urt]: Ernährungsphysiologie und zukünftige Lebensmittelana­ lytik, DLR 50, 1954, 239–245; Hamann, Volker: Die Entwicklung der deutschen Ernährungsindustrie und ihre Beziehungen zur Lebensmittelwissenschaft, DNR 52, 1956, 39–42. 519 Mahn, Carsten: Kein Grund zum Jubeln: Forschung und Entwicklung in der Ernährungsindustrie, EW 21, 1974, 778, 780, 787–788, hier 788 (auch für die folgende Angabe). 520 Zur Neugestaltung der lebensmitteltechnologischen Ausbildung vgl. Kuprianoff, 1950; Kuprianoff, 1954, 159. 521 Lederer, Wilhelm: Lebensmittelindustrie und Forschung, EW 11, 1964, 74, 76, 78, hier 78.

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Abb. 100 a+b: Schnelle Getränke – Instantersatzkaffee 1957 und fortifizierter Erdbeerdrink 1967

tungsfähigkeit nicht zuletzt die heimische Industrie profitierte.522 Zum anderen boten die Zusatzstoffe vielfach Substitute auch für Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Trotz des grundsätzlichen Fremdstoffverbots 1958/59 war klar, dass es lediglich um die Kontrolle dieses Feldes ging, nicht aber um ein wirkliches Verbot.523 Verbrauchervertreter forderten dagegen verstärkte Forschungsanstrengungen, »um die Nahrungsmittel mehr und mehr von künstlichen Stoffen zu befreien.«524 Dennoch entstanden und diffundierten seit den späten 1950er Jahren zahlreiche neue und auch neuartige Produkte. Diese künstliche Kost entsprach den Grundprinzipien der früher entwickelten Militärverpflegung, war haltbar und leicht, einfach und schnell zuzubereiten, sollte außerdem schmecken. Stoff 522 Scholz, Hans-Jürgen: Die wirtschaftliche Bedeutung der Nahrungsmittel-Maschinenindustrie, EW 10, 1963, 249–251; Reinsch, Hans: Leistungssteigerung und Rationalisierung. Automatisierung und antriebstechnische Lösungen für Maschinen der Lebensmittelindustrie, EW 14, 1967, 635–639. 523 Weiss, Hans: Die wissenschaftlichen Arbeiten des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. im Berichtsjahr, EW 9, 1962, 404–409, hier 404. 524 Zoch, [Ursula]: Zum neuen Jahr ein neues Lebensmittelrecht, Der Verbraucher 13, 1959, 66–67, hier 67.

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profil und Preise waren jedoch anders. Die neuen Produkte mussten sich im Wettbewerb behaupten, waren entsprechend preiswerter, setzten zugleich aber stärker auf Geschmacksträger wie Fette und Zucker, weniger auf ein ausgewogenes Vitamin- und Mineralstoffprofil. Drei Beispiele können die Normalisierung künstlicher Kost illustrieren, nämlich Instantprodukte, Fertiggerichte und Tiefkühlkost. Der Begriff Instant bedeutet ein schnell lösliches Produkt. Technologisch müssen dazu Mikropartikel erst isoliert und dann zu größeren Aggregaten agglomeriert werden, am Ende stehen erhöhte Dispersionseigenschaften. Dazu diente in den 1950er und 1960er Jahren vornehmlich Sprühtrocknung (für Pulver) oder Rütteltrocknung (mit größeren Körnern). Pionierprodukt war der 1938 erstmals in der Schweiz angebotene Nescafé, der seit 1943 auch für die Wehrmacht produziert und vornehmlich an die Luftwaffe verteilt wurde.525 In der Bundesrepublik seit Anfang der 1950er Jahre auch entkoffeiniert angeboten, fand Nescafé insbesondere seit Mitte der 1950er Jahre zahlreiche Nachahmer. Auch Milchpulver, Zucker und Mehl instantisierte man zu dieser Zeit.526 In den 1960er Jahren wurde die Technologie dann auf Suppen und Puddingpulver, Kakaogetränke, Kuchenmischungen und auch Fertiggerichte ausgeweitet. Mit »Instant« wurde vornehmlich von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre geworben. Danach wurde die Technologie integraler Bestandteil auch »normaler« Produkte. In den 1970er Jahren verwandte man das Prinzip zudem für zahlreiche Getränkepulver, aber auch Säuglings- und Kindernahrung.527 Instantprodukte waren in Deutschland auch Wegbereiter für die automatisierte Lebensmittelproduktion in künstlichen Gas-Atmosphären.528 Mehr als erhöhte Gebrauchswerteigenschaften besaßen Fertiggerichte, die um 1960 als Ausdruck eines neuen Lebensstils diskutiert wurden: »Die Küchenarbeit […] ist […] in die Fabriken der Ernährungsindustrie hineingenommen worden.«529 Mittels moderner Konservierungstechnik schien gezielte Enthäuslichung (Kap. 5.2.1) wahr werden zu können. Schon in den frühen 1950er Jahren hatte es eine Renaissance der seit dem späten Kaiserreich bekannten Dosenfertiggerichte gegeben (Kap. 5.2.2).530 Sie war abermals verbunden mit kritischen Rückfragen an die berufstätigen jungen 525 Fenner, 2015, 126. 526 Vgl. Cremer, 1960, 459. 527 Vgl. Adlung, M.: Instantisierung von Lebensmittel – Instantprodukte, AID -Verbraucherdienst 38, 1993, 56–58. 528 Gräfingholt, Alfred: Frischhaltung von empfindlichen Lebensmitteln durch Vakuumund Gaspackungen. […], Die Neue Verpackung 12, 1959, 614, 616, 618. 529 Wirths, 1960, 204. 530 Die Einführung der Dosen-Ravioli der Firma Maggi im Jahre 1958 war nach allen Regeln der damaligen Marktforschung vorbereitet worden, s. Wolf, Ottokar: Testmarkt für ein Fertiggericht. […], Die Absatzwirtschaft 5, 1962, 864–869.

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Frauen. Theodor Sonnemann, Staatssekretär im Ernährungsministerium, forderte intensivere hauswirtschaftliche Beratung, anderseits konnte er sich für »geputztes Gemüse, pfannenfertige Fisch- und Fleischpackungen, ebenso Geflügel, tiefgekühltes Obst und Gemüse«531 durchaus erwärmen. Das tradierte Marktsegment wurde durch neue Werkstoffe und Technologien Ende der 1950er Jahre umgewälzt. Den Anfang machten sog. »Feinkostsuppen«, also »tischfertige Suppen in Dosen«532. Firmen wie Lacroix oder Meica etablierten sich mit ihren schon Anfang der 1950er Jahre für die Restaurantküche eindosten Gourmetsuppen auch im gehobenen Massenmarkt und schufen damit ein neues Marktsegment neben den nach wie vor klar dominierenden Trockensuppen.533 Die Suppen- und Nährmittelhersteller griffen diesen Trend auf und konnten die Dosensuppen aufgrund von Skaleneffekten wesentlich verbilligen. Neue Produkte unterminierten somit tradierte Branchenzuschnitte, denn nicht die Konservenindustrie kam hier zum Zuge, sondern Firmen, die ihre Kapazitäten unmittelbar auf mögliche Verbrauchererwartungen einstellten.534 Bei den neuen, erwartungsfroh diskutierten Fertiggerichten handelte es sich schon ästhetisch um andersartige Waren. Neue Trockenprodukte in Papp- oder Kunststoffbeuteln, insbesondere aber die in Aluminiumschalen und sog. Kochbeuteln verpackten Speisen verdeutlichten den Anspruch der Hersteller, gänzlich neue Wege zu gehen.535 Die neuen Verpackungen und nicht die schon lange bekannten, nun lediglich optimierten Verfahren des Vorkochens und Konservierens in luftdichten Behältnissen, machten den Unterschied. Insbesondere neue beschichtete Kunststoffe, wie das Hostaphen, erlaubten Temperaturdifferenzen von mehr als 120  °C ohne größere Geschmackseinbußen und Gesundheitsbeeinträchtigungen.536 Beim Absatz dominierten anfangs die Großverbraucher. Kantinen und Krankenhäuser nutzten Fertiggerichte, um Personalkosten zu senken und stofflich ansatzweise bilanzierte und qualitativ hochwertige Speisen anzubieten.537 Der Weg in den Einzelhandel folgte erst Anfang der 1960er Jahre, wobei berufstä 531 Sonnemann, [Fritz]: Gesünder leben, EU 3, 1956, 1–2, 25–26, hier 25. 532 Kochfertige Suppen im Vormarsch, IOGV 45, 1960, 531. 533 Sens, H.: Kochkunst und Konservierungstechnik, Die Fleischwirtschaft 10, 1957, ­650–653; B[ickel], W[alter]: Vivat! Floreat! Crescat!, Die Küche 60, 1956, 19. 534 Vgl. Scharfenstein, Otto H. C.: Der »branchenfremde« Wettbewerb, IOGV 45, 1960, 146–148. 535 Wolf, Hubert/Sontag, Hans-J.: Tiefgefrorene Fertiggerichte in Aluminiumschalen, EW 12, 1965, 533–535. 536 Bründer, R.: Gehört dem Tiefkühl-Fertiggericht die Zukunft. […], Die Absatzwirtschaft 9, 1966, 1108, 1110. 537 Vgl. – auch zum deutschen Vorreiter Apetito in Rheine – Scharfenstein, Otto H. C.: Nahrungs- und Genußmittelpackungen für Selbstbedienung, Die Neue Verpackung 20, 1967, 1198–1201. Anfang 1960 bot er knapp 50 konventionelle Fertiggerichte und fünf Diätgerichte an. Lern- und Adaptionsprozesse gab es auch durch Automatenverkauf, vgl. Warme Mahlzei-

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Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

tige Frauen, Studenten und Campingfreunde die wichtigsten Zielgruppen bildeten. Die anfänglich hohen Preise verhinderten mehr, zumal diese Produkte am »Reservat der Weiblichkeit«538 zu rütteln schienen. Doch der Markt wuchs relativ schnell. 1961 kannten nicht nur 81 % repräsentativ befragter Haushalte die neuen küchenfertigen Gerichte, 31 % hatten sie auch genutzt.539 Im Jahre 1967 kauften mehr als 12 % der Haushalte Kinderfertiggerichte, über 28 % Fertiggerichte, 32 % Dosensuppen und mehr als 43 % Kartoffelfertigprodukte.540 Der Markt verbreiterte sich nicht nur, sondern zugleich wurden die anfangs dominierenden Komplettmenüs zunehmend durch Einzelkomponenten, etwa Frikadellen, Pommes frites oder Pudding ergänzt. Nicht nur das »TelevisionsDinner«541 drang vor und ersetzte ansatzweise häuslich gekochte Speisen, sondern industriell vorgefertigte Convenienceprodukte ergänzten das häusliche Kochen. Das Ende der alten Küche und der Anbruch einer modernen, »gesunden« und schnell-adretten Fertiggerichtsküche schienen denkbar. Das galt in noch größerem Maße für die Tiefkühlkost, die Ende der 1950er Jahre fälschlicherweise als Neuheit galt (Kap. 5.4.1). Ihre nun zivile Nutzung erfolgte zuerst auf Testmärkten und nach detaillierter Marktforschung setzten 1960 millionenschwere Werbekampagnen der drei großen Anbieter Findus (Nestlé), Iglo (Unilever) und Tiko (GEG) ein.542 Diese drei forschungsstarken Marktführer machten 1964 fast zwei Drittel des rasch wachsenden Marktes aus, weitere 60 Anbieter konzentrierten sich auf regionale Märkte oder Spezialangebote.543 Wie schon während der NS -Zeit dominierten anfangs Gemüse, Obst und Fisch. Tiefgefrorene Hähnchen machten den Unterschied, führten binnen kurzem zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung der Geflügelhaltung.544 Die Markteinführung wurde durch noch unzureichende Kühltechnik in den Einzelhandelsgeschäften, durch hohe Preise sowie ein nur geringes Wissen auf Seiten der Verbraucher gebremst. Das galt auch für viele Einzelhändler, doch mit der ten aus Automaten. Tiefkühlautomat bietet bis zu zehn Fertiggerichte, Automatisch verkaufen 5, 1961, 350, 352, 354. 538 Viele Köche bereiten den Markt. Fertiggerichte an der Verkaufsfront, Die Absatzwirtschaft 4, 1961, 756–757, hier 757. 539 Fertiggerichte im Meinungsspiegel der Hausfrau, EU 8, 1961, 188. 60 % meinten allerdings, die Preise seien zu hoch; 50 % bevorzugten die inviduellere und vielseitigere häusliche Zubereitung. 540 Was kauft der Durchschnittshaushalt?, Der Markenartikel 30, 1968, 438. 541 Fertiggerichte, 1960, 208. 542 Vgl. Hilck/Hövel, 1979, 47–86 sowie Andersen, 1997, 76–81. 543 Zerban, Alfred: Das erste Eis ist geschmolzen. Die großen Hersteller haben sich engagiert – Schwierigkeiten im Einzelhandel, Der Volkswirt 18, 1964, 277–278. Vgl. auch Dietrich, Walter G.: Zur Entwicklung von Produktion und Absatz tiefgefrorener Lebensmittel, EW 9, 1962, 158–160. 544 Erwähnenswert sind auch tiefgekühlte Backwaren, vgl. Neumann, Wilhelm: »Konservierung« von Backwaren durch Tiefkühlung, Die Umschau 58, 1958, 372–373.

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Abb. 101: Fertiggerichte als Ausdruck der modernen Zeit 1968

gemeinsam getragenen Arbeitsgemeinschaft Tiefkühlkette investierten die Anbieter in Aufklärung und Schulung.545 Technisch gab es gegenüber den 1940er Jahren vornehmlich Prozessoptimierungen und leistungsfähigere Kühlaggregate, bei den Verpackungsmaterialien ergänzten Polyäthylen und PVC zuvor schon langwierig erprobte Materialen wie Cellophan wetterfest, Aluminium­ folien und gewachste Kartons.546 Tiefkühlkost war die erfolgreichste Lebensmittelimplementierung der 1960er Jahre. Ernährungswissenschaftler begrüßten sie als »Zug zur natürlichen und gesunden Nahrung«547 und eine gelungene technische Antwort auf die Heraus 545 Auch die Ernährungsberatung verbreitete das objektivierte Prozess- und Handlungswissen, vgl. Roman, Ruth v.: Verwendung tiefgefrorener Lebensmittel, EU 12, 1965, 3–6, 38–41. 546 Tiefkühlkost – ein Markt der Zukunft, Die Neue Verpackung 12, 1959, 610–611. 547 Vertragslandwirtschaft im Dienste der Qualität, EW 11, 1964, 573–575, hier 573. Vgl. auch Bening, W[illiam]: Tiefkühltechnik verbessert Ernährung, EW 11, 1964, 672–675.

700

Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

Tab. 7: Verbrauch von Tiefkühlkost (t) in der Bundesrepublik Deutschland 1960–1980 Produktgruppen

1960

1964

1968

1972

1976

1980

Gemüse und Obst

14.000

45.300

70.850

102.609

141.175

162.397

5.100

13.200

36.250

46.058

56.835

62.722



7.000

11.700

15.762

14.346

26.201

1.000

4.000

13.950

46.663

73.457

159.032



3.250

10.700

30.512

46.761

81.854

Sonstiges

2.000

1.250

5.350

7.461

12.288

28.944

Geflügel

25.000

230.000

331.000

458.000

428.000

403.000

Gesamt

47.100

304.000

479.800

707.065

772.862

924.150

Fisch Fleisch Kartoffelerzeugnisse Fertiggerichte

Zusammengest. u. ber. n. Verbrauch an Tiefkühlkost 1960 bis 1998 in Deutschland, hg. v. Deutschen Tiefkühlinstitut, o. O. 1999, 1–3 (Absatz von Lebensmittelhandel und Groß­ verbrauchern).

forderungen einer veränderten Umwelt. Trotz der immensen Absatzsteigerungen und der steigenden Verbreitung von Kühlschränken gelang es erstens aber lange Zeit nicht, die Kühlkette bis in den Haushalt zu verlängern. Ohne Tiefkühlgeräte blieb der Haushalt jedoch auf die Angebote des Handels direkt angewiesen. Zweitens sensibilisierte die enge Kooperation der Tiefkühlkostproduzenten mit einer wachsenden Schar von Vertragslandwirten dafür, wie stark die hier skizzierten Veränderungen hin zu künstlicher Kost auf die vorgelagerten Produktionsbereiche ausstrahlten.548 Wie schon die frühere Dosenkonservenindustrie wählten die Unternehmen gezielt geeignete Böden und Sorten, kontrollierten regelmäßig die Anbaufelder und bestimmten nach wissenschaftlichen Kriterien die Erntetermine. In unmittelbarer Anknüpfung an Vorarbeiten während des Krieges überprüften etwa die Karlsruher Bundesforschungsanstalt für Lebensmittelfrischhaltung sowie ihr Hohenheimer Pendent für Hauswirtschaft neue Züchtungen und Sorten, optimierten so gleichermaßen landwirtschaft-

548 Vgl. allgemein Mai, Gunther: Die Agrarische Transition. Agrarische Gesellschaften in Europa und die Herausforderungen der industriellen Moderne im 19. und 20. Jahrhundert, Geschichte und Gesellschaft 33, 2007, 471–514 sowie Thoms, Ulrike: The Introduction of Frozen Foods in West Germany and Its Integration into the Daily Diet, in: Gavroglu, ­Kostas (Hg.): History of Artificial Cold, Scientific, Technological and Cultural Issues, Dordrecht u. a. 2014, 201–229, insb. 218–224.

Extreme Bewertungsmaßstäbe  

701

liche und gewerbliche Produktion.549 Hochwertige künstliche Kost veränderte nie nur einen Parameter der vernetzten Ebenen der Ernährungskette.

6.5 Extreme Bewertungsmaßstäbe: Debatten um Natur und Natürlichkeit Die neuen Produkte wurden nicht nur gekauft, sondern aufgrund von Zusatzstoffen und Rückständen stets kritisiert. Farbstoffe, Pflanzenschutzmittel und Konservierungsstoffe bildeten seit den 1870er Jahren ein Gestaltungsarsenal mit unbekannten Wirkungen. Angewiesen auf Fremdversorgung, sahen sich spätestens seit den 1920er Jahren immer mehr Konsumenten einer »schleichenden« Vergiftung ausgesetzt.550 Die mit dem Vordringen künstlicher Kost verbundenen elementaren Sorgen um Leib und Leben, Gesundheit und Wohlergehen mündeten in einen Markt des Widerspruchs. Schon vor 1914 bildeten Berichte über Lebensmittelverfälschungen und Gesundheitsgefährdungen ein eigenes Genre in der populären Presse.551 Mit dem Wissen um die Vitamine wurde der Widerspruch grundsätzlicher, etablierte sich als Nische im Buchmarkt, wurde aufgefüllt mit den Phobien einer nach dem Weltkrieg aus den Fugen geratenen Welt. Das wachsende unbekannte Reich der Stoffe bot guten Stoff für Gefahrenszenarien und die einfache Forderung nach »reiner« und »natürlicher« Nahrung. Künstliche Kost und ihre Schrecken wurden in der Konsumgesellschaft zur Ware, die wiederum professionelle Kritiker und Qualitätswächter auf den Plan rief. Nach 1945 trat diese Auseinandersetzung in eine neue Phase. Der Qualitätsdiskurs Mitte der 1950er Jahre entsprang dem auch während des NS -Systems auf allen Ebenen weiter artikulierten Widerspruch gegen Eingriffe in die Alltagskost und der grassierenden, immer noch an die Zersetzung des Volkskörpers erinnernde Angst vor »Fremdstoffen«. Medien und Politiker thematisierten den damit verbundenen »Drang zurück zur Natur«552 und den allgemeinen »Wunsch nach einer möglichst naturreinen Nahrung.«553 549 Hein, Gerhard: Landwirtschaft und Industrie – Partner im Tiefkühlbereich, EW 11, 1964, 670–671, hier 670. Vgl. auch Vertragslandwirtschaft, 1964. 550 Der Topos der »schleichenden« Vergiftung ist gleichwohl älter, vgl. für den Untersuchungsraum etwa Theen, Heinrich: Die schleichenden Gifte im modernen Lebenshaushalt, Illustrirte Frauen-Zeitung 18, 1891, 175. 551 Typisch sind etwa: Wie unsere Nahrungsmittel verfälscht werden, Die Woche 1, 1899, 503–505; Stinde, Julius: Weingeheimnisse, Die Woche 3, 1901, 640–642; Verfälschte MaggiWürze, Wochenblatt der Grosseinkaufs-Gesellschaft deutscher Consumvereine mit beschränkter Haftung zu Hamburg 9, 1902, 212. 552 Jochmus, 1956, 122. 553 Beratung, 1956, 7902 (Jochmus).

702

Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 

Für die Mehrzahl der Experten des eisernen Dreiecks war dies eine falsch gelagerte Debatte. Konrad Lang resümierte: »Das Hereintragen der Antithese ›natür­lich‹ (oder naturbelassen u. dgl.) und ›verarbeitet‹ (oder konserviert oder dgl.) in ernährungsphysiologische Probleme hat sich als äußerst unglücklich erwiesen.«554 An die Stelle einer »sachlichen« Erörterung ohne Gefühle sei ein absolut gesetzter Anthropozentrismus getreten, der nach »natürlicher« Nahrung verlange, zugleich aber nicht verstehe, dass die belebte und nicht belebte Welt anderen, nämlich naturgesetzlichen Logiken folge. Will man diesen Kampf um die Deutungshoheit im öffentlichen Raum angemessen verstehen, so muss er erstens eingebettet werden in die Entwicklung der Lebensreformbewegung in den 1950er Jahren, die eine biologische und schollengebundene Alternative formulierte und ihren Anspruch auf Umkehr und Gesundung von Nahrung und Mensch in engeren Nischen institutionalisierten konnte. Zweitens gilt es sich der unmittelbaren Auseinandersetzung von Ernährungsreformern und Ernährungswissenschaftlern zu stellen, die Anfang der 1960er Jahre zum Verdrängen der Alternativen aus dem »wissenschaftlichen« Diskurs führte. Wir haben drittens aber zu analysieren, wie und warum extreme Bewertungsmaßstäbe wie »Reinheit« und »Natürlichkeit« nicht von der öffentlichen oder gar privaten Agenda verschwanden, sondern vielmehr in der Werbung, getragen und gefördert von einer um Ästhetisierung bemühten Wirtschaft, neue Bedeutung gewannen.555 Die Reformer konnten an die Seite gedrängt und marginalisiert werden, doch die von ihnen thematisieren Anspruchshaltungen gewannen in dem sich durch visuelle Medien umstrukturierten Wissensumfeld stetig an Bedeutung.

6.5.1 Die Ästhetik des Niedergangs. Die Lebensreformbewegung im Nachkriegsdeutschland Während der unmittelbaren Nachkriegszeit schien es kurze Zeit möglich, dass Ernährungsreformer und die Mehrzahl der Ernährungswissenschaftler weiter kooperierten. Die seitens des Reichsgesundheitsamtes und auch der Reichsführung SS geförderten vergleichenden Untersuchungen von konventioneller und »lebensgesetzlicher«, also biologisch-dynamischer Landwirtschaft ließen Zusammenarbeit nach dem Kriege möglich erscheinen. Selbst Wilhelm Ziegel­ mayer, zentraler Propagandist künstlicher Wehrmachtskost, zeigte sich von 554 Lang, K[onrad]: Veränderungen der ernährungsphysiologischen Eigenschaften der Lebensmittel durch küchenmässige und industrielle Verarbeitung, in: Lebensmitteltechnik, Weinheim a.d. Bergstr. 1963, 29–40, hier 40. 555 Dies galt trotz des Lebensmittelgesetzes von 1958, vgl. Fincke, Heinrich: Verbote und Verbotsausnahmen der Hervorhebung von Reinheit, Natürlichkeit, Gesundheitlichkeit und ähnlichen Behauptungen bei Lebensmitteln, Süsswaren 4, 1960, 204–205.

Extreme Bewertungsmaßstäbe  

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Menge und Güte alternativ erzeugter Lebensmittel beeindruckt.556 Dies erfolgte nicht, stattdessen begannen sich die während des Nationalsozialismus zwar deutlich auseinander zu haltenden, vielfach aber zusammen gezwungenen zwei Richtungen zentrifugal zu entwickeln. Die Gründe hierfür waren erstens pragmatischer Natur. Nicht die Qualität, sondern die Quantität der Lebensmittelproduktion stand im Mittelpunkt. Kalorien und Nährstoffe bestimmten die Debatten, nicht aber Nahrungsintegrale oder Rohkostplatten. Produktivitätssteigerungen bedeuteten für die Landwirtschaft Mechanisierung, Chemisierung und Kapitalisierung. Diese Trends standen konträr zu den in der Zwischenkriegszeit entwickelten Ideen des alternativen Landbaus.557 Zweitens führte das unentwirrbare Amalgam von Lebensreformbewegung und Nationalsozialismus dazu, dass eine zwar geringe, dennoch aber überdurchschnittlich hohe Zahl von Naturheilkundlern und Ernährungsreformern ihre Stellungen in öffentlichen Einrichtungen verloren – während die gleichermaßen belasteten Ernährungswissenschaftler kaum behelligt wurden. Die letztlich auch nicht ansatzweise vollzogene Entnazifizierung diente nicht zuletzt dazu, in den deutschen Reihen offene Rechnungen aus der NS -Zeit zu begleichen. Drittens strebten Lebensreformer schnell danach, ihre tradierten Institutionen zu reetablieren, damit aber auch die Unterschiede zur Schulwissenschaft stärker zu betonen.558 Die in sich sehr heterogenen Richtungen bündelten ihre Kräfte großenteils in der 1952 gegründeten Deutschen Volksgesundheitsbewegung, deren Volksgesundheitswochen in der frühen Bundesrepublik große öffentliche Aufmerksamkeit erzielten.559 Im Ernährungssektor begann die Neuform-Bewegung sich relativ schnell wieder neu zu formieren; 1949 bestanden schon wieder 600 Reformhäuser. Zusammen mit der 1947 wieder gegründeten Fachschule für Reformhäuser etablierten sie einen auch publizistisch regen Verbund, der sich allerdings im – auch ökonomisch begründeten  – Widerspruch zur konventionellen Wissenschaft und Wirtschaft positionierte.560 Diese Fokussierung auf das eigene Tun hatte etwas mit Selbstbesinnung zu tun, war es doch gerade für eine so eng an NS -Ideale gebundene Gruppe schwierig, sich im neuen »amerikanisierten« Westdeutschland zurechtzufinden. Der 556 Ziegelmayer, Wilhelm: Neue Nahrungsquellen. Kommunalpolitische Aufgaben zur Sicherung der deutschen Volksernährung, Berlin 1947, 136. 557 Vgl. hierzu Koepf/Plato, 2001 bzw. Sieglerschmidt, Jörn: Zur Industrialisierung der Landwirtschaft seit 1950, in: Ders. (Hg.): Der Aufbruch ins Schlaraffenland. Stellen die 50er Jahre eine Epochenschwelle im Mensch-Umwelt-Verhältnis dar?, o. O. 1995, 181–203. Zur NS -Zeit vgl. auch – trotz anthroposophischen Selbstschutzes – Werner, Uwe: Anthro­ posophen in der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945), München 1999. 558 Zur Organisation vgl. Fritzen, 2006, 106–122. Grundlegend Melzer, 2003. 559 Vgl. Altpeter, Werner: Zur Geschichte der Lebensreform, Reform-Rundschau 32, 1964, H. 1, 17, H. 2, 17, H. 3, 19, H. 4, 17, H. 5, 17, auch wenn hier die NS -Zeit – Altpeter war unter anderem NSDAP-Mitglied – geschichtsklitternd paraphrasiert wird. 560 Die Fachschule der Reformhäuser, Reform-Rundschau 25, 1957, o.P., Kollath-Archiv.

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Boden und seine Bearbeitung standen anfangs im Mittelpunkt – und das nicht aufgrund unmittelbarer Versorgungsprobleme. »Lebenskultur beginnt beim Boden« war ein weit verbreiteter Slogan, der Neubeginn und Kontinuität zugleich signalisierte.561 Das galt nicht nur politisch, sondern auch wissenschaftlich. Auf der einen Seite war damit ein Denken in stofflichen Kreislaufmodellen verbunden; und Liebig stand hier häufig Pate. So wichtig Stoffe jedoch waren, so wichtig schienen aber auch natürliche Ordnungsgesetze, deren materielle Manifestationen Pflanzen, Tieren und natürlichen Produkte bildeten. Mochte der Stoffbezug auch ähnlich sein, so trennte dieser »ganzheitliche« Ansatz doch Reformer von Ernährungswissenschaftlern. Auch wenn die Reformwaren diesen Ansprüchen vielfach nicht genügten (Kap. 3.6.3), so nahmen sie Veränderungen konventioneller Lebensmittel als Veränderungen der Lebensordnung wahr. Während die deutschen Reformer die großen Menschheitsfragen thematisierten, dynamisierten ausländische Reformer Anfang der 1950er Jahre die deutsche Szenerie, insbesondere der Schwede Are Waerland und der deutschstämmige US -Amerikaner Gayelord Hauser.562 Sie verkörperten auf unterschiedliche Arten individuelle Wege zu Gesundheit und Lebensglück. Waerland zielte mit seiner vielfach archaisch anmutenden lakto-vegetabilen Kost auf eine erfahrungsmedizinisch erprobte Alternative.563 Sie bestand vorwiegend aus Rohkost, Milch- und Vollkornprodukten, integrierte ein morgendliches Excelsiorgetränk aus warmem Kartoffelwasser und die Kraftspeise Kruska, die aus mit Wasser aufgekochtem Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Kleie und Rosinen bestand.564 Hauser stellte gewissermaßen den marktbezogenen Gegenpol alternativer Kostempfehlungen dar, denn schon die fünf von ihm empfohlenen Wundernährmittel Weizenkeime, Bierhefe, Rohrzuckermelasse, Magermilchpulver und Joghurt konnten nicht einfach angebaut und geerntet werden.565 In seiner Lebensdiät dominierten Milchprodukte und mageres Fleisch, grüne und gelbe Gemüse, Früchte und Vollkornbrotprodukte, aber auch von anderen Reformern inkriminierte Industrieprodukte. Hauser versprach zusätzliche Lebensjahre für den urbanen und zahlungskräftigen Lebensreformer.566 Der US -Amerikaner beriet den gesundheitsbewussten Reformhauskunden, der eine Alternative kaufen 561 Vgl. Das Programm der Lebensreform. Wege zur Volksgesundheit, Bionomica 1, 1950/51, 14–15; Könemann, E[wald]: Volksgesundheit vom Boden her. […], Tutzing 1951, Die Heilkunst 64, 1951, 267–269. 562 Vgl. hierzu Fritzen, Florentine: Spinat-Milch, Krebsvorsorge, Lebensglück. Wissenspopularisierung in der Reformbewegung der 1950er Jahre, in: Kretschmann, Carsten (Hg.): Wissenspopularisierung. […], Berlin 2005, 361–380. 563 Vgl. als Begründung Waerland, Are: Die 7 Pfeiler der Gesundheit, 41.–50. Tausend, Mannheim 1953. 564 Halte deinen Darm sauber, du erreichst ein hohes Alter!, Kristall 7, 1952, 230–231. 565 Hauser, Gayelord: Bleibe jung – lebe länger, Stuttgart 1951. 566 Vgl. Saller, K[arl]: Alte und neue Ernährungssysteme (Bircher-Benner, Waerland, Hauser, Cooley) und was von ihnen zu halten ist, Die Heilkunst 65, 1952, 117–125.

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und nicht unmittelbar praktizieren wollte. Im deutschen Sprachraum war diese unmittelbare Koppelung von Lehre und Reformwaren am stärksten von Maximilian Bircher-Benner praktiziert worden (Kap. 5.6.1). In der Nachkriegszeit drangen jedoch zahlreiche mit dem Namen der Erfinder und Propagandisten gekoppelte Markenartikel vor; teils auch, da die Reformer ihre Anstellungen verloren hatten. Beispiele sind etwa das seit 1949 vertriebene Kollath-Frühstück oder aber die Getreidekeimöle von Felix Grandel.567 Der beträchtliche Aufschwung der Reformhäuser ist auch auf die damit verbundene Sortimentserweiterung zurückzuführen. Die von der Lebensreformbewegung in unmittelbarer Anknüpfung an die Neue Deutsche Heilkunde propagierte prophylaktische Diät568 wurde in den 1950er Jahren vielfach käuflich, gerade Getreideprodukte bildeten Convenienceprodukte. Ihre Vermarktung war zumeist unmittelbar an ihren Wirkstoffgehalt gekoppelt, sollte zugleich aber die Grundversorgung mit Gemüse und Obst nur ergänzen. Gesund waren diese Produkte vorrangig aufgrund ihres­ Vitamin-, Mineral- und Ballaststoffgehaltes, während auf die organische Ganzheitlichkeit derartiger Angebote vielfach nur recht allgemein verwiesen wurde. Hier herrschte ein gewisser Alltagspragmatismus, eine Art gesundheitlich zuträgliche Premiumstrategie. Kunstvolle Naturprodukte wurden denaturierten Kunstprodukten entgegengestellt. Was das bedeutete, belegt ein Blick in das Sortiment eines Reformwaren­ ladens.569 Dessen Grundstruktur hatte sich schon im Kaiserreich ausgebildet und basierte vornehmlich auf gewerblich verarbeiteten und meist pflanzlichen Produkten. Besondere Bedeutung besaßen Brot, Milchprodukte und Fettwaren sowie Fruchtsäfte. Diätetische Lebensmittel, Stärkungs- und Aufbaupräparate sowie die große Zahl der Verdauungsmittel verweisen jedoch auf einen beträchtlichen Anteil »natürlicher« künstlicher Kost. Mit diesem Sortiment hatten die Reformhäuser in den 1950er und 1960er Jahre große Erfolge, ihre Zahl stieg von 800 1953 auf 2.200 1966, 1968 wurde ein Umsatz von 400 Mio. DM erzielt.570 Für die Einschätzung der alternativen Wirtschaft ist zugleich unabdingbar, den Blick auf die Dienstleistungen zu legen. Nicht nur die Reformhäuser setzten auf intensive Kundenberatung  – und damit den Wissenstransfer  –, sondern ins­ besondere die Naturheilkunde. Deren Therapien und Kuren waren häufig mit 567 Warning, Herbert: Frischkornfrühstück nach Prof. Kollath, Reform-Rundschau 17, 1949, H. 7; Grandels Produkte entstanden in engem Kontext zur NS -Autarkiepolitik, vgl. Grandel, Felix: Die standardisierten Keimöle, eine inländische Quelle aller fettlöslichen Vitamine, VLF 4, 1941, 304–316. 568 Vgl. Kötschau, Karl: Die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheitsfürsorge, Hippokrates 24, 1953, 353–357. 569 Sortimentsanalyse in einem Filialbetrieb des Reformwaren-Einzelhandels, FfH-Mitteilungen NF 5, 1964, Nr. 7, 1–4, hier 2, 4. Es handelte sich um Berliner Betriebe. 570 Angaben n. Fritzen, 2006, 117; Reformhäuser. […], Der Volkswirt 23, 1969, Nr. 26, 48.

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diätetischen Maßnahmen verbunden, in denen eine frisch zubereitete und auch schmackhafte Reformkost dominierte.571 Die öffentliche Aufmerksamkeit der Lebensreformbewegung entsprang jedoch weniger ihren unmittelbaren Angeboten, sondern vielmehr ihrer unerbittlich vorgetragenen Kritik an den konventionellen Lebensmitteln und am Lebensstil der meisten Westdeutschen. Sie war, trotz Lernfähigkeit nach vorn, von Selbstgewissheit getragen. Kernpunkt bildeten liebevoll ausstaffierte Niedergangsszenarien (Kap. 6.4.2), die stets mit dem im Nationalsozialismus allgemein etablierten Begriff der Zivilisationskrankheiten operierten.572 Der Leistungsknick liege bei 35 Jahren, dann folge verminderte Leistungsfähigkeit, Frühinvalidität, am Ende falle man der Allgemeinheit zur Last. Ursache hierfür sei der Mensch selbst.573 Die Hybris, der Natur überlegen zu sein, schlage nun auf den Menschen zurück, Einkehr und Rückbesinnung seien unabdingbar. Es wäre leicht, diese Niedergangsszenarien der Reformer in den 1950er Jahren weiter zu präzisieren, Konzepte wie »Verweichlichung« und »Überbeanspruchung« oder die Kritik an »Vermassung«, »Verbürokratisierung«, Zerreißung der Familie, Wertezerstörung und rücksichtslosem Existenzkampf näher zu beleuchten. Im reformerischen Schriftgut wurden die nationalsozialsozialistischen und völkischen Ideologismen im Duktus ungebrochen fortgeführt, Lernprozesse waren seltene Ausnahmen. Sie erreichten damit ein aufnahmebereites Massenpublikum. Beispiel dafür ist die bemerkenswerte Karriere des »Krankheitsbildes« der Managerkrankheit in den 1950er Jahren. Anlass hierfür waren Todesursachenstatistiken von Lebensversicherungsunternehmen, die um 1950 wachsende Anteile plötzlichen Herztodes ausmachten. Die begriffliche Kreativität war anfangs beträchtlich, man sprach von Unternehmerkrankheit, Krankheit der Verantwortlichen, Krankheit, keine Zeit mehr zu haben oder von der Krankheit, nicht krank sein zu können.574 Danach verselbständigte sich die Definition, wurde zu einem zivilisatorischen Syndrom, zum Menetekel der Zeit.575 Zwei Aspekte traten immer

571 Anemueller, H[elmut]: Wesen und Ziele der modernen Ernährungstherapie, Hippokrates 31, 1960, 432–438. 572 Tropp, Caspar: Das Schicksal der menschlichen Ernährung und der Einfluß der Nahrungsveränderung auf die Gesundheit des Menschen, Hippokrates 22, 1951, 461–466, hier 462. Vgl. auch Seeger, P[aul] G[erhard]: Naturgemäße Ernährung – die beste Krebsprophylaxe. […], Hippokrates 22, 1951, 351–353. 573 Vgl. Saller, K[arl]/Harth, V[ictor]/Kügler, H[ermann]: Zur Verhütung der Zivilisationsschäden. Ein Manifest des Bundesverbandes Deutscher Ärzte für Naturheilverfahren, Die Heilkunst 67, 1954, 217–218, hier 217. 574 Pantlen, H[einz]: Managerkrankheit, Vitalstoffe  – Zivilisationskrankheiten 3, 1958, 116–118, 123, hier 116. 575 Heupke, W[ilhelm]: So manche Manager-Krankheit läßt sich verhüten!, EU 2, 1955, 1–2.

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wieder hervor, die Hetze einerseits, die falsche Ernährung anderseits.576 Zugleich war der antiwestliche Tenor unüberhörbar. Die Ernährung des Managers erschien als zu üppig, zu fett, von Zigarrenrauch umqualmt, von Koffein durchpeitscht, vom Alkohol vernebelt.577 Dagegen setzten die Ernährungsformer – und nicht nur diese – ein Leben in Muße und Kontemplation, zu dem man allerdings den Willen haben müsse.578 Eine Ernährungsumstellung sei ebenfalls unabdingbar, insbesondere mehr Frischkost. Wie schon in der Diskussion über Zusatzstoffe gelang es den Reformern, ihre Kulturdeutungen in einfache Bilder zu transportieren, die in der Öffentlichkeit beträchtliche Resonanz hervorriefen. Auch die Markenartikelwerbung sprang hierauf an und positionierte ihre gesundheitlich hochwertigen Waren als Gegenpol zur Lebenswelt des Managers. Die Alternativen waren Trendsetter, allerdings nicht nur für ihre Produkte, sondern auch von denen der Wettbewerber.579 Die Niedergangsszenarien waren von strikter Antikritik seitens Vertretern der Wirtschaft und Wissenschaftlern begleitet.580 Darüber dürfen Gemeinsamkeiten beider Seiten jedoch nicht übersehen werden. Beide orientierten sich grundsätzlich am Stoffparadigma, auch wenn sie daraus teils unterschiedliche Konsequenzen zogen. Gleichermaßen bewerteten sie ihre jeweils eigene Expertise als geltendes Wissen, das dem anderer Menschen vorzuziehen sei. Beide hatten einen schwachen und unwissenden Verbraucher vor Augen, den aufzuklären sie sich jeweils zur Aufgabe gestellt hatten. Ernährung war Brennstoff der Körpermaschine und Heilstoff bei Defekten.

6.5.2 Hoheitskämpfe. Debatten zwischen Vollwerternährung und Deutscher Gesellschaft für Ernährung Während der 1950er Jahre etablierte sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) als wichtigste Vertretung der Ernährungswissenschaft. Dies geschah in strikter Abgrenzung von den Ernährungsreformern, deren Positionen in der 576 Die antisemitische und antikapitalistische Dimensionen dieser Debatten sind offenkundig. 577 Lommel, Felix: Im Schatten der Zivilisation. Zivilisationskrankheiten – Rückblick und Ausblick, Herford 1969, 37. 578 Keine Zeit, Die Fisch- und Feinkostwarenindustrie 28, 1956, 55. Selbstverständlich fehlte nicht der Hinweis auf die glücklichen und gesunden Afrikaner, s. Schweigart, H[ans] A[dalbert]: Das Ernährungsproblem, Hippokrates 28, 1957, 271–274, hier 272. 579 Das galt auch für den Handel: Edeka etablierte etwa 1957 das Dachmarkenkonzept Neuquell, 1958 in die auch heute noch angebotene Wertkost-Marke umgetauft, das unmittelbar an die während des Krieges eingerichteten Reformwarenecken anschloss. 580 Vgl. etwa Weiß, H[ans]: Sind »natürliche« Nahrungsmittel gesünder?, Der Verbraucher 7, 1953, 612–613; Graefe, Gerd: Ernährungsprobleme unserer Zeit, Das Reich der Landfrau 68, 1953, 399, 404.

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medialen Öffentlichkeit noch tendenziell dominierten. Die DGE war 1953 als gemeinsame Initiative von sieben eigenständigen Organisationen gegründet worden, deren Zielsetzungen keineswegs einheitlich waren.581 Sie stand in personeller und inhaltlicher Kontinuität zur »deutschen« Ernährungsforschung, insbesondere der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsforschung und der Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung (Kap. 5.5.1).582 Der »Mythos von der Neuorientierung der Ernährungsforschung«583 wurde seitens der DGE und auch der sonstigen Ernährungswissenschaft seither gepflegt.584 Die DGE wurde jedoch von früheren nationalsozialistischen Funktionseliten gegründet und bis Anfang der 1970er Jahre von diesen repräsentiert und entscheidend geprägt.585 Selbst heute – trotz vermeintlicher »Aufarbeitung« – wird ihre Gründung als »notwendiger Neuanfang« verbrämt und die Illusion einer ideologiefreien Fachgesellschaft gehegt.586 Ihr Aufstieg gründete erst einmal auf einer inneren Professionalisierung, die nicht zuletzt aufgrund der Förderung durch die öffentliche Hand ermöglicht wurde. Betrug der Zuschuss des Ernährungsministeriums 1953/54 erst 28.000 DM, so lag er 1963 bei 480.000 DM. Hinzu kamen 522.765 DM von Ländern, Gemeinden und gemeinnützigen Organisationen.587 In der anfangs in Bonn, seit 1955 dann in Frankfurt a. M. angesiedelten Hauptgeschäftsstelle der seit 1954 gemeinnützigen Gesellschaft etablierte man einen Ernährungsberatungsdienst, sammelte Forschungsergebnisse und wertete diese aus.588 Ihre Zielgruppe, die Ernährungsfachleute, erreichte die DGE mittels wissenschaft 581 Es handelte sich federführend um die von Heinrich Kraut geprägte Interessengemeinschaft Ernährung, ferner die Arbeitsgemeinschaft ernährungswissenschaftlicher Institute, das Berliner Komitee für Ernährungsfragen, das Deutsche Gesundheitsmuseum, den Deutschen Gesundheits-, Prüfungs- und Beratungsdienst, die Gesellschaft zur Verbreitung von Ernährungswissen sowie der Gesellschaft für Ernährungsbiologie. 582 Spiekermann, 2000, 34. 583 Thoms, 2006, 124. 584 Aussagen, dass es zuvor im 20. Jahrhundert nicht zu Institutionen »von Dauer« gekommen sei, die eine »moderne vollwertige Ernährung« propagiert hätten, waren offenbare Geschichtsklitterungen, so etwa durch den damaligen DGE -Hauptgeschäftsführer Rosenbaum, E[rnst]: 20 Jahre DGE – Rückblick und Ausblick, EU 20, 1973, 348–351, hier 348. 585 Als Präsidenten fungierten bis dahin Wilhelm Heupke (1953–1954), Erich Grafe (1954–1956), Heinrich Kraut (1956–1958), Joachim Kühnau (1958–1960), Robert Ammon (1960–1964), Josef Schormüller (1964–1968) und Rudolf Pannhorst (1968–1972). 586 Joost, Hans-Georg/Heseker, Helmut: Aufarbeitung: Geschichte der deutschen ernährungswissenschaftlichen Gesellschaften DGEF und DGE , EU 2016, M657-M661, hier M660. 587 Angaben n. Oberritter, Helmut: DGE  – Geschichte und Auftrag. Zum 40jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, EU 40, 1993, 52–56, hier 53; Kobbe,­ Gustav: 25 Jahre DGE . Organisation und Struktur im Wandel der Zeit, EU 25, 1978, 317–320, 322–323, hier 318. 588 Vgl., auch zum Folgenden, Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) im Zeitspiegel, EU 25, 1978, 370–371. Vgl. auch Sommer, [Peter W.]: Rückblick und Ausblick, EU 6, 1959, 14–16.

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licher Kongresse, seit 1957 kleineren Fachsymposien, dann durch Arbeitstagungen sowie mit Hilfe ihrer auf Landesebene peu à peu eingerichteten Sektionen. Seit 1954 diente die Zeitschrift »Ernährungs-Umschau« als DGE-Organ. Anfangs personell stark geprägt durch einflussreiche Wissenschaftler, wie Heinrich Kraut, Konrad Lang, Joachim Kühnau, Hans Diedrich Cremer, entwickelte sie sich zu einer professionell agierenden Organisation der Ernährungswissenschaft gegenüber der Exekutive. Ein wichtiger Markstein hierfür bildete die Auftragsforschung für den 1969 erstmals erscheinenden Ernährungsbericht, der seither alle vier Jahre die Ernährungssituation aus ernährungswissenschaftlicher Sicht darstellt.589 Die Ziele der DGE waren von Beginn an breit gesteckt: »Das gesicherte Ernährungswissen zum lebendigen Bestandteil des Allgemeinwissens zu machen und dadurch die Gesundheit, Leistungs- und Lebenskraft der Bevölkerung steigern zu helfen«590. Dazu dienten anfangs zahlreiche Aufklärungsbroschüren zum richtigen Essen, deren Expertise mit Hilfe von Ernährungskreisen visualisiert und mittels der sog. 10 Regeln für eine richtige, später dann gesunde Ernährung schlagwortartig verdichtet wurden.591 Sie gründeten auf eigenständiger Forschungsarbeit, deren Resultate die DGE in Nährwerttabellen und den nationalen Referenzwerten »Die wünschenswerte Höhe der Nahrungszufuhr« verdichtete. Daneben schulte insbesondere das 1956 gegründete Düsseldorfer Fortbildungsinstitut für Ernährungsberatung und Diätetik der DGE Diätassistentinnen und dann immer mehr Ernährungsberaterinnen.592 Angesichts des Anspruchs, überlegenes wissenschaftliches Wissen darzubieten, stellten die Ernährungsreformer Herausforderung und Angriffspunkt zugleich dar. Ende der 1950er Jahre wurde dieser lange schwelende Konflikt, bei der es nicht zuletzt um die Hegemonie im Felde der Ernährungswissenschaft ging, durchgefochten.593 Einer der wichtigsten Vertreter einer »natürlichen« Ernährungsweise war der pensionierte Hygieniker Werner Kollath (Kap. 6.4.2).594 Flaggensentenz der von ihm propagierten Vollwerternährung war die Verdichtung einer Mitte der 1930er Jahre formulierten Sentenz: »Lasst unsere Nahrung so natürlich wie 589 Opitz, Joachim: 25 Jahre DGE – 10 Jahre Ernährungsberichte, EU 25, 1978, 340–342. 590 Das Programm der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), EU 1, 1954, 2. 591 10 Regeln für eine richtige Ernährung, EU 7, 1960, 37. Die Analogie zu den 12 Regeln der früheren Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung ist offenkundig. 592 Vgl. Aldenhoven, E[lisabeth]: Das Fortbildungsinstitut für Ernährungsberatung und Diätetik, Hauswirtschaft und Wissenschaft 5, 1957, 50–51; Buchenau, H[elga]/Zimmermann, H.: Ausbildung und Fortbildung von Ernährungsberaterinnen DGE . […], EU 20, 1973, 352–354. 593 Vgl. Briesen, Detlef: Das gesunde Leben. Ernährung und Gesundheit seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M./New York 2010, 197–208. 594 Zu Lehre und Werk vgl. Spiekermann, Uwe: Der Naturwissenschaftler als Kulturwissenschaftler: das Beispiel Werner Kollaths, in: Neumann, Gerhard/Wierlacher, Alois/Wild, Rainer (Hg.): Essen und Lebensqualität. […], Frankfurt a. M./New York 2001, 247–274.

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möglich« (Kap. 5.6). Dank der abwägenden Einschränkung galt sie in der Vorkriegszeit als eine Art regulativer Idee, und Kollath selbst war in der Nachkriegszeit fachlich akzeptiert. Seine Zivilisationskritik gründete auf den Resultaten umfangreicher Tierversuche, aus denen das Konzept der Mesotrophie entstand, das in den 1940er und frühen 1950er Jahren breites Interesse hervorrief.595 Mesotrophie bedeutete Halbernährung, ein »Syndrom von langer Lebensdauer mit chronischen Organveränderungen«596. Kollath hatte dieses Phänomen 1941 erstmals beobachtet. Die mit einem bilanzierten Nährstoffgemisch gefütterten Ratten erreichten ihre durchschnittliche Lebenserwartung, wiesen aber zugleich zahlreiche chronische Krankheiten auf.597 Histologische Untersuchungen ergaben Zahn-, Knochen- und Organschäden, Kollath sprach von einer »Ermüdung des Gesamtstoffwechsels«598. Für ihn handelte es sich um eine neuartige, auf das isolierte Vitamin B1 zurückzuführende Stoffwechsellage. Die Mangelkost erfordere eine erhöhte Leistung der Zellen, die zu vorzeitiger Abnutzung führe. Dieses Phänomen übertrug Kollath von den Ratten auf die Menschen. Die »Zivilisationskost« enthalte nicht genügend »Auxone«, bisher nicht exakt erforschte Vermehrungsstoffe. Diese, wie auch die 1952–1956 in München mit Finanzierung der Neuform, der Vereinigung deutscher Reformhäuser, wiederholten Mesotrophieversuche halten heutigen wissenschaftlichen Standards nicht stand.599 Doch sie bildeten den Hintergrund des Anspruchs des Reformers, sich öffentlich und letztlich politisch Gehör zu verschaffen.600 Seine wissenschaftlichen Gegner, insbesondere Konrad Lang und sein Schüler Hans Diedrich Cremer, kritisierten die Versuche von Beginn an, letzterer nahm offenbar auch Einfluss auf die Publikation der Münchener Nachuntersuchung.601 Kritik entspann sich aber vornehmlich an Kollaths Übertragung auf die menschliche Kost bzw. an 595 Bergner, 1954, 6. 596 Kollath, Werner: Gilt der Mesotrophie-Komplex auch für den Menschen?, Hippokrates 30, 1959, 97–104, hier 97. 597 Vgl. die Zusammenfassung in Ders.: Der Vollwert der Nahrung. Gesamtausgabe, Bd. 1, 2. überarb. Aufl., Heidelberg 1960 bzw. die Darstellung im Schreiben von Werner Kollath an Heinrich Kraut v. 28.03.1962, Kollath-Archiv. 598 Kollath, Werner: Die Mesotrophie als physiologisches und klinisches Problem, Hippokrates 23, 1952, 292–300, hier 294. 599 Watzl, B[ernhard]/Leitzmann, C[laus]: Eine Kommentierung der ernährungswissenschaftlichen Arbeiten von Werner Kollath, in: Kollath, Werner: Die Ordnung unserer Nahrung, 16. Aufl., Heidelberg 1998, 313–323. Zu den Münchener Versuchen s. Kölwel-Kirstein, Gisela/Bayerle, Hans/Katzenberger, Vera: Experimentelle Beiträge zur Mesotrophielehre Kollaths, Ärztliche Forschung 10, 1956, II /51-II /54 bzw. Melzer, 2003, 280. 600 Zuvor hatten es andere Institute abgelehnt, entsprechende Versuche durchzuführen. Auch das Ernährungsministerium lehnte ab, vgl. Schreiben von Heinrich Lübke an Werner Kollath v. 04.08.1954, Kollath-Archiv. 601 Kollath, Werner: Erklärung zum Kampf um die Mesotrophie, o. O. o. J. (1960) (Ms.), Kollath-Archiv. Zur Kritik am Begriff des »Natürlichen« vgl. Cremer, H[ans] D[iedrich]: Die lebensnotwendigen Nährstoffe, Hippokrates 28, 1957, 274–276.

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den histologischen Studien.602 Konrad Lang holte Gutachten ein, die von Presse­ vertretern dann zur Kritik an der Mesotrophielehre genutzt wurden.603 Es folgten strikte Rückfragen seitens weiterer führender DGE-Mitglieder. Insbesondere Joachim Kühnau, der seit den frühen 1930er Jahren die Kollathschen Vitaminversuche vielfach kritisiert hatte, trat dabei hervor.604 Auf dem 4. Vitalstoffkongress in Essen trafen die Kombattanten 1958 direkt aufeinander, zahlreiche Presseberichte trugen den Fall in die Öffentlichkeit.605 Kühnau kritisierte die unplausible Übertragung auf den Menschen, die »unbegründete Panik und Unruhe«606 auslösen könne. Kollath verstand die steigende Lebenserwartung und wachsende Körperlängen dagegen als Scheinblüte, die aus der Bekämpfung der Infektionskrankheiten folgerten. Die aktuelle Ernährung würde darin münden, »daß die zivilisierten Völker gesundheitlich verfallen, die primitiven Völker jedoch an Zahl stark zunehmen werden, bis auch sie den Folgen der Zivilisation erliegen.«607 Kollath verstand sich als Streiter einer biologisch argumentierenden Hygiene, der gegen die physiologische Chemie stritt, die die DGE , in seinem Duktus eine »Gesellschaft für Fehlernährung«, beherrschte.608 Dagegen verwies Kühnau auf die langfristigen Veränderungen der Ernährung, an die sich die meisten Menschen bisher nicht hätten anpassen können. Die Gefahr sei nun, dass hieraus »Kritik, Mißtrauen und Abneigung gegenüber unserer Alltagskost sowie irrational-emotionale Reformtendenzen bis zum Sek 602 Schreiben v. Hans Diedrich Cremer an Werner Kollath v. 18.02.1958, KollathArchiv, wo nicht die Mesotrophie-Versuche, wohl aber deren Deutung als »Modell für menschliche Mangelkrankheiten« bestritten wurde. Ähnlich Heinrich Kraut an Werner Kollath v. 08.03.1962, Kollath-Archiv. 603 Schreiben von F. Klinge an Herbert Warning v. 24.11.1958, Kollath-Archiv. Das Bundesernährungsministerium bestritt entsprechende Aktivitäten, s. Schreiben von Käte Strobel an Werner Kollath v. 23.01.1959, Kollath-Archiv. Einschlägig Kühne, Paul: Ernährung fälschlich angeklagt! Eine Irreführung und ihre Folgen, Der Tagesspiegel 1958, Nr. v. 06.07., Kollath-Archiv, der von einer »Vergiftung der öffentlichen Meinung« schrieb. Lang hatte sich unmittelbar nach dem Krieg strikt gegen Kollaths Versuche ausgesprochen, s. Schreiben v. Konrad Lang an Werner Kollath v. 26.01.1948, Kollath-Archiv. Vgl. auch Lang, K[onrad]: Rez. v. Kollath, Werner: Der Vollwert der Nahrung […], ZUL 93, 1951, 149; Lang, K[onrad]/Cremer, [Hans Diedrich]: Entgegnung auf den Aufsatz von W. Kollath in Hippokrates 11/1952, Hippokrates 23, 1952, 707–708. 604 Beide waren ehedem Assistenten in Breslau. Vgl. Kühnau, Joachim: Spezifisches und Unspezifisches in der Wirkungsweise der Vitamine, DMW 63, 1937, 352–356 bzw. Kollath, [Werner]: Aussprache [zu Kühnau], Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 104, 1931 (1932), 43–44. 605 Mesotrophie im Experiment und Vitalstoffmangelkrankheiten, Vitalstoffe – Zivilisationskrankheiten 4, 1959, 40–46. 606 Ebd., 45 (Kühnau). 607 Kollath, Werner: Zivilisationsbedingte Krankheiten, ihre geschichtliche Bedeutung und ihre Verhütung, Diaita 4, 1958, Nr. 2, 1–5, hier 4. 608 Ders.: Gilt der Mesotrophie-Komplex auch für den Menschen?, Hippokrates 30, 1959, 97–104.

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tierertum«609 entstehen könne. Auch Gelehrte wie Eichholtz und Kollath seien vor dieser Gefahr nicht gefeit. Letzterer verwende eine mineralstoffarme Nährnahrung ohne Ähnlichkeit mit der Alltagskost, deute diese dennoch als Modell tagtäglicher Ernährung. Die relative Degeneration der Versuchstiere sei leicht zu erklären, eine Mesotrophie beim Menschen dagegen auszuschließen. Schon zuvor hatte er sich gegen den Begriff des Natürlichen gewandt, da dieser den Rückschritt zu längst überwundenen Zeiten bedeuten würde. Kollath beschwor stattdessen, »dem Natürlichen zu dienen« und sich nicht für die »verfeinerten, denaturierten und chemische veränderten Produkte einzusetzen.«610 Mangels eigener Forschungskapazitäten, aber auch angesichts der breiten Akzeptanz der Kühnauschen Argumentation zog er sich immer mehr in eine Welt voller Verschwörungen zurück. Ähnlich strikt agierten führende DGE-Vertreter gegen die Vitalstofflehre, die von dem Hygieniker Hans-Adalbert Schweigart propagiert wurde, einem früheren Betriebschemiker und NS -Ernährungsplaner (Kap. 4.5.1). Er hatte zwischenzeitlich 1946 einen ersten bizonalen Ernährungsplan aufgestellt und nach Tätigkeit in Südafrika einen Lehrstuhl in Hannover erhalten.611 Schweigart war damals Präsident der von ihm initiierten Internationalen Gesellschaft für Nahrungs- und Vitalstoff-Forschung e. V., in der nicht allein zahlreiche frühere NS -Wissenschaftler aktiv waren, sondern auch eine illustre Schar international renommierter Naturwissenschaftler.612 Ziel dieser »Alternativen« war die Erweiterung der klassischen Ernährungslehre durch eine moderne Vitalstofflehre. Im Mittelpunkt standen dabei die als »Biokatalysatoren« verstandenen Vitalstoffe, worunter nicht nur Vitamine und Mineralstoffe, sondern auch andere Stoffe, etwa Enzyme gefasst wurden. Sie seien die eigentlichen dynamischen Elemente des Stoffwechsels.613 Alternatives Denken stärkte das Stoffparadigma. Fluchtpunkt dieser Lehre war nicht der Mensch, sondern Stoffwechsel und Zelle: »In der Vitalstofflehre muß man biochemisch ›von der Zelle aus

609 Kühnau, Joachim: Gibt es eine Mesotrophie beim Menschen? (Kritische Betrachtungen zur Mesotrophielehre von W. Kollath), Hippokrates 31, 1960, 213–223, hier 214. 610 Beide Zitate n. Kollath, Werner: Ist das »Natürliche« der Feind Nr. 1?, Reform-Rundschau 28, 1960, H. 28. 611 Zur Biographie vgl. Melzer, 2003, 303–305. Auch ein intellektueller Massenmörder, wie der frühere Leiter des Forschungsdienstes Konrad Meyer, erhielt dort Gehalt und Anerkennung. 612 Vgl. Mitgliederliste des Wissenschaftlichen Rates der Internationalen Gesellschaft für Nahrungs- und Vitalstoffforschung e. V., Vitalstoffe – Zivilisationskrankheiten 4, 1959, vor 1, in der von den NS -Wissenschaftlern u. a. Bruno Gondolatsch, Hans Hoske, Werner Kollath, Karl Kötschau, Fritz Lickint, Helmut Mommsen, Ernst Günther Schenck und Herbert­ Warning vertreten waren. Zum Verein s. Melzer, 2003, 305–316. 613 Vgl. Schweigart, H[ans] A[dalbert]: Die Vitalstofflehre, Diaita 3, 1957, Nr. 6, 1–5. Zur Vitalstofflehre kenntnisreich und detailliert Stoff, 2015, 149–175.

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denken‹ und von ihr aus überlegen, ob das Nahrungsangebot verarbeitet und verkraftet werden kann oder nicht«614. Angesichts der beträchtlichen öffentlichen Resonanz begannen führende DGE -Repräsentanten ihre Rückfragen.615 Heinrich Kraut hinterfragte insbesondere das physiologische Grundkonzept und den Begriff der Vitalstoffe, der ein Sammelsurium des Heterogenen sei.616 Zugleich ziehen sie Schweigart unwissenschaftlichen Arbeitens, da er ein »intuitives Erfassen« für möglich hielt.617 Der Gießener Ernährungswissenschaftler Dieter Hötzel zog nach. Auch er kritisierte den Vitalstoffbericht als Dolchstoß in den Rücken der bisherigen Grundlagenforschung.618 Zugleich lehnte er den Naturmystizismus der Vitalstofflehre eindeutig ab.619 Die Resonanz auf diese Debatten war beträchtlich. Sie führten zu einer klaren Frontstellung zwischen alternativer Vollwerternährung und der herrschenden Lehre der DGE . Erstere wurden strikt ausgegrenzt, obwohl nur drei Jahrzehnte später eine neu formulierte Vollwerternährung auf »seriöser« biochemischer Grundlage und mit deutlich anderen Kulturszenarien ihren relativen Siegeszug auch innerhalb der DGE fortsetzte.620 Nicht das bei den Alternativen immer wieder betonte »Wissen des Nichtwissens«621 und ein entsprechend vorsichtiges Umgehen mit den Humanressourcen stand Anfang der 1960er Jahren an, sondern umfassende Optimierungsszenarien auf Basis gesicherten wissenschaftlichen Wissens. Diese in der DGE allgemein akzeptierte Kulturdeutung formulierte vornehmlich der Hamburger Chemiker Joachim Kühnau. Die Ernährungsgeschichte wies demnach zwei wesentliche Einschnitte auf, einerseits die neolithische Revolution mit der Umstellung von einer Eiweiß- auf eine kohlenhydratbasierten Kost und anderseits das moderne technische Zeit­ alter der Nachkriegsdekaden. Leichtere und geistigere Arbeit, die veränderte 614 Schweigart, 1959, 3. 615 Auch in der DDR wurde die Vitalstofflehre propagiert, vgl. etwa Krauß, Herbert: Gesunde Küche. Anleitung zu einer gesundheitsfördernden Ernährung, Berlin (O) 1957. 616 Kraut, H[einrich]/Kofrányi, E[rnst]: Klassische Ernährungslehre – dynamische Vitalstofflehre?, EU 6, 1958, 1–2. 617 Vgl. auch die nicht wirklich überzeugende Antwort: Schweigart, H[ans] A[dalbert]: Klassische Ernährungslehre – dynamische Vitalstoffe. […], Vitalstoffe – Zivilisationskrankheiten 4, 1959, 1–7. 618 Hötzel, D[ieter]: Heutiger Stand der Ernährungslehre, EU 6, 1959, 82–85, 107–111, hier 111. Ähnlich auch Jägerhuber, [Paul]: IV. Internationaler Vitalstoff- und Ernährungskonvent in Essen (8. bis 12. Oktober 1958), DLR 55, 1959, 103–106. 619 Hötzel, [Dieter]: Kritische Bemerkungen zum 4. Internationalen Vitalstoff- und Ernährungskonvent, EW 5, 1958, 208–209, hier 208 (auch für das folgende Zitat). 620 Koerber, Karl v./Männle, Thomas/Leitzmann, Claus: Vollwert-Ernährung. Grund­ lagen einer vernünftigen Ernährungsweise, Heidelberg 1981. Vgl. aber auch die Debatte zwischen Roland Bitsch und Claus Leitzmann in der EU 41, 1994 (31–32, 168–169). 621 Lommel, 1969, 186.

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Stellung der Frau622, und die Verstädterung, die zur Arbeit in Großbetrieben, zur Massenverpflegung, zum Zerbrechen der alten Rhythmen und neuen Mahlzeitenstrukturen geführt habe, hätten eine völlig neue Lage geschaffen. Mit Hilfe der Technik versuche der Mensch, diesen Veränderungen Herr zu werden. Die Ernährungsindustrie unterstütze zwar, doch ihr Drang zur Bedarfsweckung führe häufig in die Irre. Diese säkulare Umstellung der Ernährung sei nicht möglich mit Kulturpessimisten und Giftaposteln, die »Gespenstern einer pessimistischen Phantasie«623 wie der Mesotrophie nachjagten. Ziel müsse dabei sein, die Biokörper auf die neuen Bedürfnisse anzupassen. Das Fazit war paradox, nämlich ein neuer Naturzustand, geschaffen durch menschliche Kultur: »Es ist eine interessante Tatsache, daß wir heute in einem Zeitalter höchsten technischen Raffinements inmitten einer künstlich von uns veränderten Umwelt uns, ohne es zu wissen, in unserer Ernährung wieder dem Urzustand der Menschheit nähern.«624 In der Überleitung zu diesem neuen alten Zustand liege die Aufgabe der DGE , die mit ihrem wissenschaftlichen Wissen ein Licht gegen den Pessimismus der Gegenwart bilde. Auch wenn Kühnau verschiedentlich darauf hinwies, dass es keine eindeutig »richtige« Ernährung gäbe625, begründete er doch einen zivilisatorischen Auftrag für die moderne Ernährungswissenschaft, der zugleich bedeutete, dass tradiertes Wissen keine Zukunft haben konnte. Da die Alternativen mit ihrem strukturellen Pessimismus falsch lagen, mussten die Menschen durch überlegenes Wissen der Ernährungswissenschaft auf ihre falsche Kostwahl hingewiesen und so in die moderne Zeit geführt werden.626

6.5.3 Paradoxe Werbewelt. »Natur« zwischen Versprechen und Floskel Während der 1950er Jahre veränderte sich auch die Werbung von Lebensmitteln tiefgreifend. Dies betraf nicht nur die neue Werbewelt der audiovisuellen Medien, sondern auch die Symbolwelt der Werbung selbst. Standen zu Beginn der Markenartikelwerbung vornehmlich Waren und Verpackungen im Mittelpunkt, die dann mit Attributen versehen wurden, weitete sich nun das visuelle Panorama systematisch auf Lebenszuschnitte und -situationen aus, die mit 622 Kühnau, J[oachim]: Die Anpassung der Ernährung an die veränderten Lebensbedingungen, EU 8, 1961 (= 1961b), 1–4, hier 2. Mehr zu den Frauen als »Schutzgeistern des heiligen Herdfeuers« in Ders.: Die Frau als Hüterin der Ernährung, in: Die Frau und ihre Ernährung, hg. v.d. Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Frankfurt a. M. o. J. (1959), 5–10, hier 10. 623 Ebd., 4. 624 Kühnau, 1961, 2. 625 Kühnau, J[oachim]: Einige Aufgaben und Probleme der modernen Ernährungswissenschaft, EU 6, 1959, 29–30, hier 29. 626 So auch Ders.: Wandlungen der Ernährung im technischen Zeitalter, IOGV 50, 1965, 238–240.

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dem Produkt selbst verbunden werden sollten.627 Dies bedeutet nicht nur die visuelle Ästhetisierung der Ware – und damit die Abstraktion von Produktionsprozessen und des im Produkt materialisierten Wissens –, sondern auch eine neue Sprache. Werbesprache wurde immer stärker zur »Reizwäsche der Wirtschaft«628, die neue Sprachwelten erschloss und dann mit Bildwelten koppelte.629 Für die Lebensmittelwerbung wurden damals »Natur« und davon abgeleitete Wortformen zu zentralen Begriffen. Um seine Attraktivität gerade seit den 1950er Jahren verstehen zu können, ist ein Blick auf dessen zwischen Reformern und Ernährungswissenschaftlern debattierte Janushaftigkeit notwendig: Der Begriff Natur unterstellt eine bestimmte Ordnung der Dinge und Geschehnisse. Da dieser Dauer, gar Ewigkeit zugewiesen wird, entwickelt sich der Begriff vielfach zu einer Leitvorstellung.630 Die künstlichen Eingriffe des Menschen erscheinen vor diesem Hintergrund als Gefährdungen sich selbst regulierender, eben natürlicher Systeme. Entsprechend bildete sich ein breiter Sektor des Schutzes aus, der gegen die überbürdende Kultur stand, ihr Richtung und Substanz geben sollte. Das Ideal natürlicher, selbst regulierter Abläufe führte zu einem eminenten Aufwand, um diese schützend zu gewährleisten. Hierdurch entstanden unzählige, miteinander nicht zu koordinierende Versuche, »künstliche Natur« zu gewährleisten.631 Schützende waren die Experten des eisernen Dreiecks, Schutzbefohlene all die, deren subjektives Wissen die großen Fragen nicht zu thematisieren vermochte. Die Folgen waren offenbar paradox, denn der Naturbegriff wurde so immer weiter ausgeweitet, wurde konturlos und willkürlich. »Natürlichkeit« galt als Wertmaßstab, doch Messkriterien fehlten. So verständlich sie war, ging sie doch fehl, denn sie setzte eine objektive und einheitliche Erkenntnis bzw. Lehre der Ernährungswissenschaft voraus. Der Gegensatz »natürlich« und »künstlich/verarbeitet« verlief jedoch nicht parallel zu den Grenzen von Wissenschaft 627 Vgl. allgemein Mort, Frank: The Commercial Domain. Advertising and the Cultural Management of Demand, in: Jackson, Peter u. a. (Hg.): Commercial Cultures. Economies, Practices, Spaces, Oxford/New York 2000, 35–53. Für die Bundesrepublik vgl. Schindelbeck, Dirk: Marken, Moden und Kampagnen. Illustrierte deutsche Konsumgeschichte, Darmstadt 2003, 23–44, für die DDR Merkel, Ina: Alternative Rationalitäten, fremdartige Träume, absurde Utopien. Werbung, Marktforschung und Konsum im Sozialismus, Zeitgeschichte 31, 2004, 5–20. 628 Werbedeutsch für Wohlständler, Verbraucher-Politische-Korrespondenz 8, 1961, Nr. 8, 8–9, hier 8. 629 Zur rechtlichen Situation vgl. Rabe, Hans-Jürgen: Rechtsprobleme der Werbung für Lebensmittel, EW 8, 1961, 105–106, 108, 110. 630 Vgl. Böhme, Gernot: Was ist Natur? Charaktere der Natur aus der Sicht der modernen Naturwissenschaft, in: Ders.: Technik, Gesellschaft, Natur. […], Darmstadt 1992, 197–224, v. a 199–200. 631 Vgl. vertiefend Ders.: Künstliche Natur, in: Ders.: Technik, Gesellschaft, Natur. […], Darmstadt 1992, 225–243.

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und Laien, von etablierter und alternativer Wissenschaft632. Die Auseinandersetzung über das »Natürliche« war und ist immer auch Teil der innerwissenschaftlichen Definitionspraxis. Das galt seit den 1880er Jahren, als Lebensmittelchemiker zunehmend die »natürliche« Zusammensetzung von Lebensmitteln analysierten. Das betraf die Folgen moderner Lebensmittelproduktion, als seit der Jahrhundertwende, etwa bei Limonaden, versucht wurde, zwischen »natürlichen« und »künstlichen« Produkten zu unterscheiden. Das galt für die 1930er Jahre, als vor dem Hintergrund des vermeintlichen Schutzes des Volkskörpers eine gesunde, unverfälschte, natürliche Ernährung propagiert wurde. Und seit den 1950er Jahren gewannen die Folgeprobleme einer intensivierten Landwirtschaft, der Zusatzstoffproblematik und der Atomtests eine neue Qualität, die innerwissenschaftlich kontrovers diskutiert wurde.633 Das jeweilige Ideal der Natürlichkeit führte zu zunehmend ungeordneten Reihen innerhalb des Faches. Die Stoffe mochten präzise definiert sein, die erkenntnistheoretischen Grund­ lagen und die sie tragenden Begriffe waren es nicht. Der Naturbezug der Ernährungswissenschaft schuf jedoch weitere Probleme. Sie zeigten sich vor allem in öffentlicher Kritik, spiegelten sich in den Bewertungskriterien der Essenden. Hier dominierte vielfach die »Idee des Heraus­ fallens aus der Natur«634. Die Vorstellung einer natürlichen Harmonie der Dinge sollte dabei aber nicht allein als Ausdruck romantischen Denkens verniedlicht werden, durchfurchte es die öffentlichen Debatten doch auf breitem Felde. Das Vertrauen in die Natur war schließlich auch Grundlage der neuen Wirtschaftsordnung, in der ein vom Staat garantierter Markt durch eine imaginäre unsichtbare Hand gelenkt wurde, die den Egoismus der Einzelnen mit dem Gemeinwohl harmonisch verband.635 Während Historiker die bestehende Kulturverbundenheit der Ernährungswissenschaft einfach darlegen können, dominierte in der Öffentlichkeit der 1950er Jahre dagegen der Verweis auf die mangelnde Kulturverbundenheit 632 Gerade »alternative« Gruppen sind jedoch von der Bedeutung wissenschaftlichen Wissens überzeugt, nutzen dieses auch konsequent. Vgl. hierzu Christmann, Gabriela B.: Wissenschaftlichkeit und Religion: Über die Janusköpfigkeit der Sinnwelt von Umwelt- und Naturschützern, Zeitschrift für Soziologie 21, 1992, 200–211. 633 Vgl. etwa Schuphan, Werner: Pestizidanwendung und Verbraucherschutz aus Sicht der Qualitätsforschung, EU 15, 1968, 6–10; Harrison, Ruth: Tiermaschinen. Die neuen landwirtschaftlichen Fabrikbetriebe, München 1965; Langendorff, H.: Zur radioaktiven Verunreinigung der Nahrung, in: Heilmeyer, Ludwig/Holtmeier, Hans-Jürgen (Hg.): Ernährungswissenschaften, Stuttgart 1968, 175–182; Hamm, R[einer]: Konservierung von Lebensmitteln mit Chemikalien, EU 9, 1962, 140–142, 175–177. 634 Gall, Lothar: Natur und Geschichte  – eine spezifische Antinomie des 20. Jahrhunderts?, Heidelberg 1996, 3. 635 Vgl. hierzu Medick, Hans: Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft. […], 2. Aufl., Göttingen 1981; Sieferle, Rolf Peter: Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt. Studien zur Naturtheorie der klassischen Ökonomie, Frankfurt a. M. 1990.

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von Wissenschaft und Technik. Abgehoben vom Leben, von den Bedürfnissen und Realitäten des Alltags, würden diese Gefahren erst systematisch geschaffen. Die Ernährungswissenschaft könne die Geister nicht mehr bändigen, die sie selbst rief. Der Naturbezug der Naturwissenschaften wurde in der Öffentlichkeit und stärker noch bei den Reformern ernstgenommen, doch die jeweiligen Naturbegriffe waren höchst unterschiedlich. Natur wurde hier als Idylle verstanden, rein, unverfälscht, »natürlich«. Die »künstliche Natur«, die Wissenschaft und Technik als Schutz institutionalisierten, stand dagegen kaum im Blick, wurde dann aber als Intervention kritisiert. Natur erschien als Ideal, da hier Geschmack möglich schien, da sie zugleich einer grundsätzlich angelegten Gesundheit zum Ausdruck verhalf.636 Wirtschaft und Wissenschaft sollten – so der Anspruch – natürliche Lebensmittel garantieren, doch dies war aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über deren Eigenschaften und Essenz so nicht möglich. Entsprechend groß war und ist die Enttäuschung. Vorbehalte wuchsen, Vorstellungen allgemeiner Entfremdung von einer vermeintlich »natürlichen« Kost griffen um sich. Die Wissenshierarchien und Machtstrukturen, die das eiserne Dreieck kennzeichneten, mündeten in Vorstellungen umfassender Systemabhängigkeit, einer elementaren Abhängigkeit auch im Alltag. Kurzum: Die einseitige Kulturverbundenheit der »konventionellen« Sektoren führte demnach zum Verrat am postulierten Naturbezug, das eiserne Dreieck vollzog eine wortwörtliche Entmündigung. Sympathie wurde dagegen denen gezollt, die dem Ideal der »Natürlichkeit« im Konsumentensinne zu entsprechen schienen, insbesondere den Ernährungsreformern, bedingt der Reformwirtschaft. Unreflektiert blieb, dass diese selbst leistungsfähige und hochkomplexe Kulturtechniken anwandten und Rückfragen an vermeintliche »Natürlichkeit« hier mit gleichem Recht zu stellen gewesen wären. Auch hier trat den Konsumenten eine »künstliche Natur« entgegen. Ihr Charme aber war ein anderer, wurde deshalb auch besser bezahlt; mochte man sich Natur auch gemeinhin als einfach und billig vorstellen. Derart widersprüchliche Anspruchshaltungen waren üblich. Die massenhafte Verfügbarkeit von Zitrusfrüchten, insbesondere Apfelsinen und Zitronen, symbolisierte nach Ende von Krieg und Besatzungszeit vielfach den Anbruch einer neuen Zeit. Die farblich ansprechenden Früchte hielten ohne künstliche Eingriffe allerdings nur kurze Zeit, dann verlangten Grün- und Blauschimmel sowie Pilze ihr natürliches Recht. Um sie vor Verderb zu schützen, setzen die Produzenten auf Kühl- und Lagertechnik, aber auch auf Konservierungsstoffe. 1935 wurde in Großbritannien die Schimmel verhütende Natur des chemischen Stoffes Diphenyl entdeckt, seit 1937 damit die Papierhüllen der Südfrucht­ exporte des palästinensischen Mandatsgebietes, seit 1938 auch die der US -Ernten 636 Bruhn, Maike: Verbrauchereinstellungen zu Bioprodukten. Der Einfluß der BSE -Krise 2000/2001, Kiel 2001, 18.

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imprägniert.637 Der neue Stoff, der zunehmend das zuvor verwandte Borax verdrängte, bewahrte die natürliche äußerliche Schönheit, drang jedoch in die Schale und in die Frucht selbst ein.638 Dagegen half kein Abwaschen, wohl aber zweitägiges Liegenlassen ohne Einwickelpapier. Tierversuche ergaben keine Gesundheitsgefährdungen, dennoch begrenzten die angelsächsischen Staaten die Diphenyl-Verwendung, gaben sie allerdings nach dem Krieg wieder frei. Gewinnchancen, eine steigende Nachfrage, vor allem aber der natürliche Augenschein galten als die dafür wichtigsten Argumente. Auch in Deutschland wurde Diphenyl angewandt, geriet jedoch Mitte der 1950er Jahre immer stärker in die Kritik von Verbraucherschützern und Ernährungsreformern. Lebensmittelchemiker verwiesen auf den Mangel an Alternativen, waren die Kunden doch nicht bereit, die hohen Aufwendungen für eine »natürlichere« Versorgungskette zu tragen. Die Konsequenz war ein öffentlich scharf kritisierter Kompromiss. Nach der Fruchtbehandlungs-Verordnung von Dezember 1959 blieb Diphenyl erlaubt, musste allerdings gekennzeichnet werden. Im Laden bestand nun die Wahl zwischen »naturreinen« teureren Zitrusfrüchten und bunt scheinenden preiswerten Angeboten mit dem Hinweis »Schale zum Verzehr nicht geeignet.«639 Die Entscheidung der Konsumenten fiel eindeutig zugunsten der behandelten Früchte aus. Dennoch nahmen auch in den 1960er Jahre Verbotsforderungen kein Ende. Europaweit als E 230 eingruppiert, ist es auch heute noch zugelassen, wird allerdings nur selten angewandt. In derartigen Debatten agierten Ernährungswissenschaftler als kontrollierend-abwägende Schutzmacht, derweil die Wirtschaft den Verbrauchern eine natürlich erscheinende Ware lieferte. Die Kritik an Diphenyl fokussierte sich auf einen sinnlich wahrnehmbaren Fall, forderte Alternativen, die manifesten Kaufakte folgten jedoch dem eigenen Geldbeutel und einem faktisch bestehenden Vertrauen in die Versorgungssysteme. Kritik an Diphenyl und anderen Stoffen spiegelte ein Unbehagen, führte aber nur selten über die Schwelle praktischen Handelns. Am Ende stand bedingtes Vertrauen in die Expertise derer, die man gleichzeitig der Profitgier und der Täuschung bezichtigte. Versorgungsprobleme sollten von den Experten des eisernen Dreiecks geregelt, zugleich aber der Anschein möglichst »natürlicher« Produkte gewahrt werden. Die Veränderungen des Lebensmittelsektors hin zu künstlicher Kost wurden angesprochen, sollten zugleich aber nicht transparent werden.

637 Schelhorn, M. v.: Die Verwendung von mit Diphenyl imprägnierten Packstoffen zur Haltbarkeitsverlängerung bei Citrusfrüchten, DLR 52, 1956, 288–292. 638 Diemair, W[illibald]: Die Haltbarkeit der Lebensmittel durch konservierende Zusätze, Zeitschrift für Präventivmedizin 10, 1965, 227–238, hier 231–232. 639 Schuphan, W[erner]: Die Behandlung von Citrusfrüchten mit Konservierungsstoffen wie Diphenyl, Orthophenylphenol und mit Wachsüberzügen aus der Sicht der Qualitätsforschung, Zeitschrift für Präventivmedizin 10, 1965, 325–330, hier 326.

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Abb. 102: Verwirrung der Worte. Naturkäseverpackung 1965

Die Ästhetisierung in der Wirtschaftswerbung folgte diesem unausgesprochenen Impetus – und natürlich der eigenen Gewinnorientierung. Aufgrund der Bedeutungsvielfalt und damit faktischen Inhaltleere des Begriffes Natur konnte die Wirtschaft dem Anspruch, »natürliche« Produkte zu liefern, durchaus gerecht werden. Der Wirtschaft erschienen ihre Produkte als Ausdruck einer höheren Natur, die die Primitivität der Naturvölker überwand640, indem sie die Essenz der Natur herausarbeitete und sich der Natur anpasste. Das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Ansprüchen der Öffentlichkeit und auch der Reformer war daher eine verstärkte Anwendung inhaltlich anders definierter Naturbegrifflichkeiten in der kommerziellen Kommunikation.

640 Die Ernährungsreform, Kochpraxis und Gemeinschaftsverpflegung 3, 1955, Nr. 12, 25.

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Abb. 103: »Natur« am Werk – Werbung 1964

Die Essenz lässt sich etwa im nebenstehenden »Naturkäse« erkennen. Die artifizielle Umhüllung diente dem Schutz eines unmittelbar essbaren Milchproduktes vor Transportschäden und der längeren Bewahrung eines verzehrsfähigen Zustandes. Emmentaler war seit den späten 1920er Jahren keine Herkunftsangabe mehr, bezeichnete vielmehr eine normierte Produktionstechnik.641 Und doch erscheint auch in diesem Produkt noch der Anspruch einer ländlichen Bergwelt, die sich in der verarbeiteten weißen Milch materialisierte. Zugleich erschien die Anpassungsleistung der Industrie als eine Art Annäherung an das Ideal der Natur. Die obige Werbung des bedeutendsten deutschen Verpackungsmittelherstellers verdeutlicht ein paradoxes Naturverständnis, das mit immer aufwändigerer Technik dem vermeintlich Gegebenen nacheifert. Selbst hochartifizielle Produktionstechniken, wie die Instantisierung, ergaben demnach »natürliche« Produkte, da sie die stoffliche Essenz rein zum Vorschein brachten und sie dem Verbraucher schnell verfügbar machten.

641 Vgl. Kleinböhl, Heinrich: Der Streit um den Namen Emmentaler in Deutschland, DNR 1930, 80–82; Stüßi, David: Die Standardisierung milchwirtschaftlicher Erzeugnisse in der Schweiz, Diss. rer. pol. Berlin 1932.

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Diese stoffliche Redundanz des Naturbegriffs erlaubte auch eine Koppelung mit dem Wortfeld »rein«. Dessen Verwendung begann nicht 1516, dem legendären Datum des bayerischen Reinheitsgebotes für Bier, sondern setzte in den späten 1920er Jahren ein, als mehr und mehr von »reinen«, teils auch schon »naturreinen« Produkten die Rede war. Das Substantiv wurde dagegen – abseits des Gerstensaftes – seit Ende der 1950er Jahre zunehmend eingesetzt, um Märkte zu behaupten (Milch) oder neu zu erobern (Filterzigaretten). Werbungen dieser Art setzten jedoch voraus, dass die stoffliche Struktur der Lebens- und Genussmittel inkorporiert ist und auch technische Begriffe wie »Aroma« als alltagsrelevant akzeptiert werden. Fassen wir diese nur skizzenhaften Hinweise zusammen, so war die Situation Anfang der 1960er Jahre paradox. Auf der einen Seite konnten die Experten des eisernen Dreiecks ihre wissenschaftliche Deutungshoheit gegenüber den Ernährungsreformern durchsetzen und deren Naturphilie aus ihrer Sicht fundiert hinterfragen. Auf der anderen Seite aber operierte insbesondere die Wirtschaft, teils aber auch die Wissenschaft, mit Naturbegrifflichkeiten, ohne deren Implikationen angemessen zu reflektieren. Der Wirtschaft gelang damit eine Brücke zur Anspruchswelt der Verbraucher, für die Wissenschaft die Rechtfertigung ihrer Selbstdefinition als Naturwissenschaftler. Für das Wissensfeld Ernährung aber ergab sich eine widersprüchliche Struktur, in der gerade das eiserne Dreieck der Pluralisierung der Standpunkte nicht mehr gerecht wurde und damit die eigene Definitionsmacht untergrub.

7. Angelegte Veränderungen: Moderne Lebensmittel 1960–heute

Die Veränderungen der Ernährung und der Lebensmittel während der letzten Dekaden waren nicht außergewöhnlich. Konzeptionelle Innovationen waren seltene Ausnahmen. Stattdessen dominierten angelegte Veränderungen, also Anwendungen und Fortschreibungen zuvor bestehenden Wissens.1 Die so andere, so dynamisch gesetzte Selbstbeschreibung des Ernährungssektors durch mediale Öffentlichkeit, Politik und Ernährungswissenschaft spiegelt vornehmlich deren Zukunftsfixiertheit. Ein absolut gesetztes Stoffparadigma, die disziplinäre Ausgrenzung kulturwissenschaftlichen Wissens aus dem eisernen Dreieck und zwischen Kritik und Affirmation meist vorhersagbar oszillierende Medienvertreter führen tendenziell zu einer selbstreferenziellen Selbstbestätigung der Funktionseliten des Ernährungssektors, die sich um die kulturelle Einbettung und das subjektive Wissen der Mehrzahl nicht mehr kümmern, da sie es nicht anders wissen.2 Das ist festzustellen, nicht zu denunzieren. Die beträchtlichen Vorteile künstlicher Kost, die es den Konsumenten erlauben, sich um diesen Elementarbereich menschlicher Existenz eben nicht mehr anders als kaufend und konsumierend kümmern zu müssen, stabilisieren diese Struktur. Künstliche Kost ist funktional und für moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften grundsätzlich alternativlos. Strukturelle Stabilität lässt allerdings Raum für immer neue Repräsentatio­ nen. Lebensmittel werden heutzutage gänzlich anders positioniert und bewertet als in der unmittelbaren Nachkriegszeit. In der Öffentlichkeit wird über die damit verbundenen Ideale und Illusionen, etwa von »gesunder« Kost, stetig lamentiert. Dies garantiert die Orientierungsfunktion und materielle Absicherung von Wissenschaftlern, dokumentiert die Sorge der Politik für Gesundheit und Gemeinwohl und ermöglicht der Wirtschaft Angebote, die zeitgleich breiter und tiefer werden. Im folgenden Kapitel werden zentrale Konzepte der letzten fünf Jahrzehnte analysiert und in einen historischen Kontext gestellt werden. Sie sind Teil und Ausdruck von drei Bewertungsveränderungen von Nahrung und 1 Stehr, Nico: Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie, Frankfurt a. M. 2007, 250. 2 Vgl. zur Eigenwelt von Wissenschaft und Eliten Dahrendorf, Ralf: Deutsche Illusionen, Die Zeit 60, 2005, Nr. 5 v. 27.01., 39. Vgl. auch Spiekermann, Uwe: Abkehr vom Selbstverständlichen. Entwicklungslinien der Ernährung in Deutschland seit dem späten 19. Jahrhundert, Ernährung im Fokus 7, 2007, 202–208.

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Angelegte Veränderungen: Moderne Lebensmittel 1960–heute 

Ernährung, die allesamt schon lange angelegt waren, die in postmodernen pluralen Wohlstandsgesellschaften jedoch erst voll zum Tragen kamen. Erstens wurde Ernährung immer stärker mit Gesundheit verbunden. Angesichts der Gesundheitsführung während des Nationalsozialismus (Kap. 4.4.3) scheint dies kaum neu zu sein, zumal die Anspruchshaltungen an den Einzelnen nach dem Krieg kontinuierlich weiter kommuniziert wurden. Doch an die Stelle der richtigen Zubereitung tradierter Grundnahrungsmittel trat parallel zu einem langsam veränderten Angebot der Appell, gesundheitssensibel zu konsumieren. Gesundheit diffundierte von der Zubereitungspraxis in die Konsumsphäre, ihre Garanten waren nicht mehr Kochende, sondern Kaufende. Die Experten des eisernen Dreiecks übernahmen die immer weniger volksbiologisch, dafür immer stärker volkswirtschaftlich gedeutete Verantwortung zunehmend selbst, indem sie ihr Wissen nicht allein kommunizierten, sondern es in immer mehr Produkten und Dienstleistungen materialisierten. Angesichts wachsender Kaufkraft und integrierender Sozialsysteme konnte ein wachsender Anteil der Bevölkerung diese Angebote auch nutzen. Zweitens aber bewertete man die Ernährung zunehmend ambivalent. Die Parameter der Ernährungswissenschaften belegen eine erhöhte Sicherheit und auch Qualität der Lebensmittel. Parallel aber wuchs die Unsicherheit über die Leistungsfähigkeit der Sicherungsanstrengungen.3 Der Qualitätsdiskurs der 1950er Jahre und das Lebensmittelgesetz von 1958 erlaubten Verbesserungen. Anfang der 1960er Jahre wurde nicht zu Unrecht vom »Liliput-Schlaraffenland«4 gesprochen. Zugleich aber rief »das manipulierte, vorgefertigte Erzeugnis der Ernährungsindustrie«5 kontinuierlich Unbehagen hervor. Die immer wiederkehrenden Entfremdungsszenarien einer zukünftigen Pillenernährung oder aber Ängste vor Fremdbestimmung durch die normierende Rationalität der Elektronenhirne verdeutlichen dies. Stärker aber noch dokumentierte sich diese strukturelle Ambivalenz der Bewertung von Lebensmitteln im Ritual des Lebensmittelskandals (Kap. 5.6.1), das Versäumnisse sowie Verfehlungen thematisiert und temporäre Handlungsoptionen schuf, zugleich aber die Option eröffnete, die Alltagsernährung nach Reinigungshandlungen kaum verändert wieder fortsetzen zu können.6 Drittens wurde und wird Moral zu einem zentralen Faktor der Märkte. Die Moralisierung der Märkte bedeutet, »dass der moderne Konsument aufgrund fundamentaler Veränderungen im Wirtschaftssystem und in der Gesellschaft 3 Tanner, 2001. 4 Blauhorn, Kurt: Der neue Wohlstandsmarkt, Westermanns Monatshefte 105, 1964, H. 5, 6–17, hier 6. 5 Kühnau, 1968, 105. 6 Vgl. hierzu Spiekermann, 2001 bzw. als Fallbeispiel Spiekermann, Uwe: Hormon­ skandale, in: Skandale in Deutschland nach 1945, hg. v.d. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bielefeld 2007, 104–113.

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seine Produktwahl zunehmend aus anderen Überlegungen heraus trifft als aus Gründen der reinen ›Nützlichkeit‹.«7 Lebensmittelkonsum erlaubt es Zeichen zu setzen und das Gute – wenn nicht zu praktizieren – dann doch zumindest anteilig zu kaufen. Damit wächst der kommunikative Aufwand der Anbieter, die nicht mehr nur Produkte anbieten, sondern auch ein sauberes Image und weitschweifende Konsumträume.

7.1 Neue Produkte, neue Bilder: Lebensmittel im Wandel In den letzten Dekaden haben sich Art und Präsentation der Lebensmittel beträchtlich verändert. Parallel wurde ihre Produktion, trotz beträchtlicher absoluter Werte, zu einer fast randständigen ökonomischen Größe. 2015 entfielen auf Landwirtschaft und Ernährungsgewerbe gerade noch 2,5 % der Bruttowertschöpfung.8 Das eigentliche Geschäft findet in den Absatz- und Verkaufsstrukturen statt, also im Verkehrswesen, dem Außen-, Groß- und Einzelhandel, in der Gastronomie sowie den Großverpflegungseinrichtungen. Der Produktionssektor macht heute nur noch ein gutes Zehntel der Wertschöpfung des weit gefassten Ernährungssektors aus. Und selbst im Haushalt entfallen nur zwei Drittel der monetären Ernährungskosten auf angebotene Lebensmittel und Speisen, während das letzte Drittel für Küchentechnik, Mieten und Entsorgung aufgewendet wird.9 In diesem relativen Bedeutungsverlust spiegeln sich zum einen die immensen Rationalisierungsleistungen von Landwirtschaft und Ernährungsindustrie, zum anderen aber die beträchtlichen Kosten, die ubiquitär verfügbare künstliche Kost nach wie vor erfordert. Dieser Prozess kann und soll hier nicht näher dargestellt werden. Um die Marktgängigkeit der in Kap. 7.2 bis 7.5 vorgestellten wissensbasierten Konzepte jedoch besser verstehen zu können, sind zumindest drei Entwicklungen aufzugreifen, nämlich Marktsegmentierung, Ästhetisierung und Aromatisierung, die zu anderen, insbesondere aber anders erscheinenden Lebensmittelprodukten geführt haben.

7 Stehr, 2007, 282. 8 Situationsbericht 2016/17. Trends und Fakten zur Landwirtschaft, hg. v. Deutschen Bauernverband, Berlin 2016, 7. 9 Hünecke, Katja/Fritsche, Uwe R./Eberle, Ulrike: Lebenszykluskosten für Ernährung, Darmstadt/Freiburg i. Br. 2004, 26. Diese Angaben stehen unter dem Vorbehalt, die nicht monetären Leistungen der Haushalte in den gängigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nicht zu enthalten. Sie erreichen hierzulande fast die Höhe der monetären Marktleistungen (vgl. Wie die Zeit vergeht. Ergebnisse zur Zeitverwendung in Deutschland 2012/2013, hg. v. Statistischen Bundesamt, Wiesbaden 2015, 7–10). Nicht nur Ernährungswissenschaftler schätzen praktisches Tun und subjektives Wissen gering.

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Angelegte Veränderungen: Moderne Lebensmittel 1960–heute 

Erstens war das Wachstum der Sortimente (Kap. 6.4.1) vornehmlich Folge einer seit den 1960er Jahren systematisch betriebenen Marktsegmentierung. Die allgemeine Verfügbarkeit von Lebensmitteln hatte schon in der sog. »Edelfreßwelle« der späten 1950er Jahre zu einer stärkeren sozialen Differenzierung des Angebotes geführt.10 Parallel erhöhte sich der Takt von Markeninnovationen und sank die sog. Lebensdauer der einzelnen Produkte.11 Während der 1960er Jahre wurden seitens der Ernährungsindustrie, aber immer stärker auch vom Handel, Marktforschung, Warentests und Produktentwicklung forciert.12 Die Verpackungsgrößen wurden variiert, unterschiedliche Conveniencegrade angeboten, regionale und ethnische Unterschiede hervorgehoben, der Diätmarkt ausdifferenziert, die eigene Produktpalette um verwandte Produkte ergänzt, vor allem aber Junge und Alte als gesonderte Marktsegmente erschlossen. Schon damals prägte die These eines polarisierten Konsums Angebot und auch Vertriebsformen.13 Bis 1970 stieg die Zahl der jährlichen Produktinnovationen auf 500–800 jährlich.14 Gegenüber den knapp 13.500 neuen Angeboten des Jahres 2013 erscheint dies unbedeutend15, doch wurden in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren die Strukturen implementiert, die diese Steigerung ermöglicht haben. Dies bedeutete im Idealfall »Forschungseinrichtungen, Teamarbeit, Herstellung und Marketing und vor allem ein umfassend ausgebildeter, eingespielter Mitarbeiter­stab.«16 Im Regelfall aber handelte es sich um Adaptionen von Konkurrenzprodukten und nur geringe Veränderungen. Wie stark die forcierte Differenzierung der Ernährungsansprüche das Lebensmittelangebot veränderte, verdeutlicht ein Blick auf die um 1970 besondere diskutierten neuen Märkte der Alten und Jungen. Teenager bildeten Anfang der 1960er Jahre die – abseits der Säuglinge – erste gezielt erschlossene Konsumentengruppe.17 Darunter fielen nicht nur 13–17-Jäh 10 Meyer, Paul W.: Absatzwirtschaft und Verbraucherverhalten im Wandel, VerbraucherPolitische Korrespondenz 8, 1961, Nr. 34, 8–11. 11 Bergler, Georg: Der Verbraucher von heute, Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchs­ forschung 9, 1963, 1–8, v. a. 6. 12 Margulies, Walter P.: Schöpferische Wege zur Marktsegmentierung, Der Markenartikel 31, 1969, 104, 106–107, hier 107. 13 Vgl. Thomas, Erwin: Polarisierung des Konsumbedarfs. Folgerungen für das Marketing des Einzelhandels-Unternehmers, Der Verbraucher 25, 1971, Nr. 8, 8–9. 14 Wolf, Wilhelm: Neue Formen der Ernährung, EU 20, 1973, B5-B7, hier B5. 15 Studie der EU-Kommission zur Entwicklung von Produktvielfalt und Innovation im Lebensmitteleinzelhandel in Europa. HDE -Stellungnahme Januar 2015, hg. v. Handelsverband Deutschland, o. O. 2015, 7. Die Erfassungsmethoden sind heute allerdings wesentlich präziser. 16 Flügge, Walter: Die GEG in der Unternehmensgruppe co op – Voraussetzungen und Ziele –, Der Verbraucher 23, 1969, Nr. 6, 15–16, hier 16. 17 Siegfried, Detlev: Time is on my Side. Konsum und Politik in der westdeutschen Jugendkultur der 1960er Jahre, Göttingen 2006, thematisiert die monetär wichtigste Ausgaben-

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Abb. 104: Zielgruppenausweitung – Werbung für vollfetten Schmelzkäse 1968

rige, sondern junge ledige Konsumenten im Alter von 15 bis 24 Jahren.18 Diese waren zumeist erwerbstätig und bündelten 1964 eine Kaufkraft von ca. 11,6  Mrd. DM .19 Wichtiger noch war, dass sich ihr Konsum auf bestimmte Güter konzentrierte. Mit mehr als einem Drittel standen dabei Genussmittel, vornehmlich Zigaretten, Alkoholika und nicht alkoholische Getränke an der Spitze der Ausgabenhierarchie. Marketingspezialisten nannten dies »Waren und Dienst­ leistungen von starkem emotionalem Gehalt«20, und sie stärkten mit ihrer Werbung generationelle Identität und den Konsum dieser margenstarken Produkte. Während Jugend zunehmend als Synonym für trendigen und modischen Konsum diente, als »Genuß im Stil der neuen Zeit«21, bestanden in den 1960er Jahre jedoch noch tiefgreifende Konsumunterschiede zwischen den sozialen Klassen. Das Marketing zielte vornehmlich auf die einkommensstärkeren Angestellten,

gruppe, die Genuss- bzw. die Lebensmittel, leider nicht. Vgl. auch Suhr, Werner: Der Teenager – Ein Erzeugnis der Markenartikel-Industrie?, Der Markenartikel 23, 1961, 417–427. 18 Der Teenager als Verbraucher, Der Verbraucher 17, 1963, 56–57, hier 56. 19 Hattemer, Klaus: »Die« heutige Jugend gibt es nicht! […], Die Absatzwirtschaft 9, 1966, 1163–1164, hier 1164. 20 Teenager, 1963, 57. 21 So der Werbeslogan der Zigarettenmarke Lord Extra, vgl. Der Markenartikel 32, 1970, 179.

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griff zudem die Impulse der Hippie-Kultur schnell und spielerisch auf.22 Der Teenagermarkt wurde weiterhin gezielt beworben und mit jungen Produkten angesprochen. Zugleich aber nahmen die Hersteller auch Kinder im Alter von 7–15 Jahren ins Visier, die 1971 über Taschengeld von einer Milliarde DM frei verfügten. Wichtiger war noch die Ansprache der Eltern, die für Lebensmittel ihrer Zöglinge damals ca. 15 Mrd. DM ausgaben.23 Die Nutzung sozioökonomischer Grunddaten führte Ende der 1960er Jahre auch zur Entdeckung der reiferen Jahrgänge und Senioren, die bewusst nicht Alte genannt wurden. Die Gruppe 60+ verfügte 1968 über nicht weniger als 24 % des Nettoeinkommens. Essen hatte für sie vielfach die Funktion einer »psychologischen Ersatzbefriedigung«24, war sein Stellenwert doch höher als in der Jugend. Zugleich aber hatten die Alten mit Krankheiten, schlechterer Motorik und schwächeren Sinneseindrücken zu kämpfen. Entsprechend stärkten sie den »Trend zu diätetischen Lebensmitteln«25, genauer den zur Gleichsetzung von Ernährung und Gesundheit. Zudem boten leichter zu handhabende Verpackungen, geringere Portionsgrößen und eine gut lesbare und informative Kennzeichnung lukrative Marktchancen. Einschlägige Angebote gab es, doch der Widerhall in der kommerziellen Kommunikation blieb gering. Mochten die Alten auch erfahrener sein, ein ausgewogeneres Urteil und einen erleseneren Geschmack haben, und bekömmliche, hochwertige und leicht verdauliche Lebensmittel bevorzugen; in der Werbung wurden sie nur selten angesprochen, und auch die Marktchancen nur teilweise genutzt.26 Daran hat sich bis heute trotz demographischem Wandels wenig geändert, auch wenn parallel das Lebens­ mittelsegment für Senioren ausgebaut worden ist.27 Zweitens wurden Lebensmittel nicht nur intensiver und anders beworben, sondern vielmehr systematisch ästhetisiert. Einschlägige Debatten hierüber kennzeichneten die Werbekritik von Beginn an, in den 1960er und 1970er Jahre standen im Anschluss an die Thesen etwa Vance Packards bzw. des Konsume-

22 Teens und Twens. Kleidung, Auto, Durst. […], Der Volkswirt 23, 1969, Nr. 41, 86. 23 Smith, Glen: Erforschen Sie den Markt der Kinder, Absatzwirtschaft 15, 1972, Nr. 12, 28, 30, 32, 34, 36, hier 28. 24 Karsten, Anitra: Der ältere Mensch als Verbraucher, Der Verbraucher 22, 1968, Nr. 9, 7–8, hier 8. 25 Tietz, Bruno: Der Markt der alten Leute, Der Verbraucher 22, 1968, Nr. 3, 7–8, hier 8. Was sich ältere Kunden vom Einzelhandel wünschen, Absatzwirtschaft 2014, Ausg. v. 10.03. 26 Vogel, Ferdinand A./ELB , Günther F. P.: Wer tummelt sich im (Alten-)Markt? […], Absatzwirtschaft 12, 1969, Nr. 19, 58, 60, 62–63. 27 Vgl. Will, Birgit: Wohlfühlen im Alter. […], LZ 2007, Nr. 20 v. 19.05., 38, 40; König, Tatjana: Zwischen Genügsamkeit und Nachholkonsum. Die Zielgruppe 50+ im internationalen Vergleich, in: Crockford, Gesa/Ritschel, Falk/Schmieder, Ulf-Marten (Hg.): Handel in Theorie und Praxis, Wiesbaden 2013, 275–299.

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Abb. 105: Sauber und hygienisch – Herta-Fleischwaren 1971

rismus vornehmlich Fragen von Fehlinformation und Verschwendung im Mittelpunkt.28 Diese Thesen unterschätzten, dass sich nicht allein die kommerzielle Kommunikation veränderte, sondern dass die Waren selbst, ihre Präsentation, Bewertung und Bezeichnung ästhetisiert wurden, das Ambiente der Verkaufsplätze sich wandelte und die gekauften Produkte bis zum Verzehr möglichst anschaulich sein sollten. Als neue Macher galten Marketingspezialisten, doch auch sie bedurften der Expertise von Ernährungswissenschaftlern, um die Diskrepanz zwischen Produkt und Erwartungshaltung nicht gar zu groß werden zu lassen.29 Die damit verbundene Abstraktion kommerzieller Kommunikation ist ein Grundproblem sich ausdifferenzierender Angebote, das durch die Marktsegmentierung wesentlich verstärkt wird.30 Erhöhte Wertschöpfung in tendenziell gesättigten Märkten bedurfte des verstärkten Appells an Erlebnis- und Sehnsuchtswelten, verlangte nach »noch dringlicheren Werbebotschaften.«31 Lange bevor Soziologen die Erlebnisgesellschaft ausriefen, hieß es klar und eindeu 28 Vgl. Bidlingmaier, Johannes: »Verschwenderischer Verbrauch« durch Werbung?, Der Verbraucher 17, 1963, 599–600; Zahn, Ernest: Der Verbraucher in der Informationsflut, Der Verbraucher 23, 1969, Nr. 21, 8–10; Grüneberg, Nicolaus: Konsumerismus – Einstellungskonzeption und unternehmenspolitische Aufgabe, Markenartikel 35, 1973, 445–448, 450–451. 29 In den forschungsstarken Großbetrieben wird dies integrativ gehandhabt, vgl. Hollingsworth, Pierce: R&D at Kraft Foods, FT 57, 2003, Nr. 2, 26–28, 30, 32 bzw. Studie zum Innovationssektor Lebensmittel und Ernährung, Freising 2010. 30 Slesina, Horst: »Auf vorhandenen Bedürfnisstrukturen aufbauen«, Der Volkswirt 23, 1969, Nr. 1, 27–28, hier 27. 31 Fischer, Hans: Mehr Charme für die Werbung, Der Volkswirt 23, 1969, Nr. 4, 22–24, hier 23.

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tig: »Die Vorteile des Zielgruppen-Produktes müssen erlebbar und probierbar sein.«32 Dies galt für die Werbung, die zunehmend auf audiovisuelle Medien zurückgreifen konnte, galt aber auch für die Präsentation im Laden selbst.33 Feine Unterschiede traten an die Stelle von groben. Die Art der Präsentation verdeutlicht dies: Sichtverpackungen wurden seit Anfang der 1960er Jahre vielfach üblich. Um die Jahrtausendwende wurden mehr als die Hälfte aller Wurstund Fleischwaren derart verkauft, das blutige Fleisch ästhetisch gezähmt.34 Tiefgreifend wandelte sich auch der Verzehrsrahmen: Sprachlich gleichartig bezeichnete Lebensmittel erschienen zunehmend in gänzlich unterschiedlichen Kontexten. Außer Haus zubereitete und verkaufte Brötchen, Baguettes, Brezen und Brote machten um 2000 ein Drittel des Brotkonsums aus.35 Belegte Brötchen waren klare Marktführer im Felde des Fastfoods, das doch so gerne und so verfälschend mit Hamburgern identifiziert wurde, obwohl dessen Umsätze nur ein Drittel betrugen.36 Dieser Trend mangelnder sprachlicher Präzision wurde durch immer neue Begriffe und Sprachbilder gefördert. Die Ordnungskraft tradierter Lebensmittelbezeichnungen nahm immer stärker ab. Gleichwohl gab es immer auch Grenzen von Kommerzialisierung und Vernaturwissenschaftlichung. Das zeigte sich etwa 1968/69 am Schicksal des sog. Kunstfleisches TVP, das aus entfettetem Sojamehl hergestellt wurde. Unter Zusatz von Wasser, Farb- und Aromastoffen erhielt es mittels Druck und Hitze eine fleischähnliche Struktur.37 Das Produkt war lange haltbar, fettarm und eignete sich daher gut für die vegetarische und diätetische Küche. Zum Verzehr mussten die TVP-Stückchen in Wasser gekocht werden, anschließend konnte man sie wie Fleisch zubereiten. Nach der Präsentation auf der Hamburger Internationalen Fleisch-Fachausstellung im Juni 1968 waren die Zeitungen voller Nachrichten über eine neue Gesundheitswelle und die beträchtliche Konkurrenz für die Metzger.38 Ende Juli begann dann ein erster Testverkauf, die Neugierde führte rasch zu leeren Regalen des mit Schweine- und Rindfleisch­

32 Richter, Günther: Vom Markenartikel zum Zielgruppen-Produkt, EW 18, 1971, A 106– A109, hier A107. 33 Gloor, Max: Neue Handelsformen – neue Werbeformen, Der Volkswirt 15, 1961, Nr. 21, Beil., 16, 19. 34 SB -Wurst gewinnt in der Gunst der Kunden, LZ 2001, Nr. 31 v. 03.06., 17. 35 Wendt, Heinz/Höper, Ute/Schmidt, Christian: Zur Situation der Ernährungswirtschaft in Deutschland 1997, Agrarwirtschaft 46, 1997, 371–384, hier 379. Vgl. auch Essen außer Haus 2000, Bonn 2002; Kroker, Claudius: Essen außer Haus, Ernährung im Fokus 5, 2005, 21. 36 Wetzel, Stephanie: Essen außer Haus. Eine Marktanalyse der CMA , AID -Presseinfo 1999, Nr. 37, 5–6. Vgl. auch Spiekermann, Uwe: Verfehlter Gegensatz!? Fast Food contra Slow Food, EU 50, 2003, 344–349. 37 Zum Verfahren vgl. Hamm, R[einer]: Über »Künstliches Fleisch«, EU 15, 1968, 265–266. 38 TVP, EU 15, 1968, 250–251; Hamm, 1968, 265.

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geschmack ange­botenen TVPs.39 Trotz des Absatzerfolges blieben die meisten Käufer skeptisch und verharrten vor der »Schwelle zu der ›Welt von morgen‹, wo Lebensmittel im chemischen Labor hergestellt werden.«40 Die US -Patentinhaber fanden keinen deutschen Vertriebspartner. In den USA blieb sein Absatz auf Vegetarier, als Zwischenprodukt und den Einsatz bei Nahrungsmittelhilfen begrenzt.41 Drittens intensivierte sich seit den 1960er Jahren die Aromatisierung der Lebensmittel beträchtlich. Seit Mitte der 1950er Jahre war es mittels Gaschromatographie möglich, Aromenspektren einfacher auszuloten und diese dann synthetisch nachzubilden. Dadurch wuchs die Zahl verfügbarer Substanzen rasch an (Kap. 6.4.2). Die 1970 erstellten Aromalisten des auch hier aktiven Europa­ rates (Kap. 6.4.3) wiesen 1.100 künstliche Aromastoffe aus, von denen knapp 600 zulässig, weitere knapp 300 vorläufig zulässig waren.42 Die wachsende Palette der Aromastoffe half, die Diskrepanz zwischen Ästhetisierung und realem Produkt zu verringern. Die Entwicklungsarbeit konnte dadurch zielgruppengenau agieren und die Geschmacksprofile der Rohwaren formen, verstärken und abrunden. Die Forschungsaktivitäten wurden zumeist externalisiert, die Aromenindustrie mutierte zu einem wissensbasierten Lieferanten, der immer stärker auch fertige Produktkonzepte lieferte.43 Derartige Kooperationen erhöhten die Akzeptanz von Fertiggerichten und Lightprodukten (Kap. 7.2), gaben aber auch anderen Branchen Wachstumsimpulse: Liköre, Limonaden und Brausen, Süßwaren, Schokoprodukte, Speiseeis, Backwaren, Puddingpulver, Suppen und Soßen, Kaugummi sowie Tabakwaren standen dabei im Mittelpunkt. 1981 waren ca. 13 % aller Lebensmittel aromatisiert, Mitte der 1990er Jahre dagegen schon 20 %.44 Für die Produzenten war dies – wie schon zuvor bei anderen Zusatzstoffen  – kein wirklicher Eingriff, sondern eine Wiederherstellung der »natürlichen« Ausgangswerte. Dieser Wandel rief seit den 1980er Jahren abermals Kritik hervor. »Wahrnehmungsirritationen«45 wurden beklagt und die Anbieter der Täuschung bezichtigt. Allergische Reaktionen standen im Mittelpunkt der Risikodiskussion und 39 Hirsch, E[lisabeth]: TVP – das »Kunstschwein«. Eine Marketingstory, die gar keine ist, Absatzwirtschaft 12, 1969, Nr. 3, 24, 26. 40 TVP. Eiweiß aus Soja, Der Verbraucher 23, 1969, Nr. 7, 28–29. 41 Ahrens, Richard A.: Red Meat Competitors: Their Impact and Nutritive Value, Journal of Animal Science 48, 1979, 401–407, hier 405 (Produktion 1975 85.000 t). 42 Hail: Die Aromastofflisten des Europarats, EW 18, 1971, A115-A116, A137-A138. 43 Selbmann, H. F.: Die Essenzen-Industrie – Partner der Ernährungswirtschaft, EW 15, 1968, 522, 524, 526. 44 Angaben n. Essenzen/Aromen/Aromastoffe. Bedeutung für die Nahrungsmittelproduktion, EW 1982, Nr. 1/2, 21–22, hier 22; Koerber, Karl v./Roehl, Rainer/Weiss, Gunther: Aromastoffe. In Öko-Produkten unerwünscht, UGB -Forum 12, 1995, 340–343, hier 340. 45 Beck, Alexander: Wahrnehmung und Ernährung am Beispiel der Aromastoffe, Lebendige Erde 47, 1996, 323–327, hier 327.

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über allem kreiste die schon im Kaiserreich gestellte Rückfrage, ob diese ­Zusätze wirklich notwendig seien.46 Der wissenschaftlich-technische Fortschritt hatte die Regelungen der Essenzenverordnung von 1959 überholt.47 Staatliche Regulierungen setzten mit der Novelle des Lebensmittelgesetzes von 1974 ein, in deren Mittelpunkt die europäische, bedingt auch die internationale Harmonisierung stand, und mündete 1979 in einer Novelle der Essenzenverordnung.48 Doch erhöhte Verbrauchertransparenz hatte ihre Tücken. Während 1959 nur künstliche Aromastoffe gekennzeichnet werden mussten, wurde seit 1979 zwischen Aromaextrakten, natürlichen, naturidentischen und künstlichen Aromastoffen unterschieden. Bei den beiden letzteren handelte es sich um synthetisierte Lebensmittel, während erstere aus Ausgangsstoffen pflanzlicher oder tierischer Herkunft stammen mussten. Neue Kennzeichnungspflichten und die nun staatlich vorgeschriebenen Naturbegriffe veränderten den Schwerpunkt der Aromatisierung, der sich nun vollends auf »natürliche« Zusätze verlagerte. Noch zu Beginn der 1980er Jahre war deren Palette überschaubar.49 Doch gezielte Forschung vor allem der 2003 zu Symrise fusionierten Marktführer Dragoco und Haarmann & Reimer führten zu mehr als 200 »natürlichen« Aromastoffen, die den Lebensmittelmarkt zunehmend prägten. In Deutschland machten sie Ende der 1990er Jahre fast drei Viertel des gesamten Absatzes aus, während künstliche Aromen nurmehr Margen von unter einem Prozent aufwiesen.50 »Natürliche« Aromen konnten dabei aber nicht nur aus unveränderter Rohware stammen, sondern ebenso aus Zell- und Gewebekulturen, Hefen oder Schimmelpilzen. Preiswertere biotechnologische Verfahren, insbesondere die Aromenproduktion aus Mikroorganismen, wurden üblich.51 Die neu gelagerten Forschungsaktivitäten hatten trotz der Regulierung durch die 1991 in deutsches Recht überführte EG -Aromenverordnung von 1988 zu Wildwuchs geführt. Ende der 1990er Jahre wurden EU-weit ca. 2.700 Aromastoffe verwandt, deren Risikoprofil vielfach nicht überprüft war. Die EU tilgte einerseits die Kennzeichnung künstlicher und naturidentischer Aromen, sodass neben »natürlichen«

46 Koerber, Karl v./Männle, Thomas/Leitzmann, Claus: Vollwert-Ernährung. Konzeption einer zeitgemäßen Ernährungsweise, 9. überarb. Aufl., Heidelberg 1999, 113. 47 Vgl. hierzu Habersaat, Fritz C.: Aromatisierung: Die Entstehung des Geschmackseindrucks, EW 17, 1970, 602, 604, 611–612, 614, hier 611. 48 Schulze, Hanno: Zum gesundheitlichen Schutz des Konsumenten nach dem Inkrafttreten des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, EU 23, 1976, 209–214; Essenzen, 1982. Einzelne Aromastoffe, etwa Kumarin oder Saflor, wurden in den 1970er Jahren auch verboten. 49 Vgl. den umfassenden Überblick von Ziegler, Erich: Die natürlichen und künstlichen Aromen, Heidelberg 1982. 50 Matheis, Günter: Natürliche Aromen, Dragoco-Report 47, 2000, 23–33, hier 33;­ Matheis, 1997, 178. 51 Vgl. den Überblick bei Matheis, 2000, 28–31.

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Aromen nur Rauch und Aroma ausgewiesen werden mussten.52 Zum anderen initiierte sie seit 1999 Positivlisten, normierte Bewertungsverfahren und reduzierte die Zahl zugelassener Aromenstoffe auf ca. 1.600. Damit wurde dem Gesundheitsschutz Rechnung getragen, zugleich aber auch der nicht nur von der Industrie, sondern auch von den Kaufakten der Verbraucher forcierten Aromatisierung der Lebensmittel. Insgesamt nahm die Zahl und Zusammensetzung der Zusatzstoffe seit den 1960er Jahren ständig zu.53 Die Gründe lagen im vermehrten Konsum von Convenience Food und Fertiggerichten, wachsenden hygienischen Anforderungen sowie längeren Transportketten.54 Hinzu kamen Belastungen durch eine intensivierte Landwirtschaft. Insektizide, Antibiotika und Hormone, chlorierte Kohlenwasserstoffe und toxische Schwermetalle erhöhten das Risikopotenzial der veränderten Lebensmittel. Bessere Analytik sensibilisierte für weitere Risiken, etwa durch die erst seit den 1960er Jahren nachweisbaren Aflatoxine. Die toxische Gesamtsituation wurde zunehmend komplexer, auch wenn Kontrollmaßnahmen und Regulierungen zu insgesamt weniger belasteten, prototypisch »gesünderen« Lebensmitteln geführt haben. Diese abwägenden Debatten und die immensen Vorleistungen innerhalb der Versorgungsketten gehen jedoch kaum mehr in das Bild der Lebensmittel ein, das insbesondere die Wirtschaft präsentiert und der Verbraucher – abseits temporärer Skandalierungen – offenbar goutiert.

7.2 Gebrauchswertsteigerung und stoffliche Virtuosität: Convenience Food und Lightprodukte Im veränderten Lebensmittelangebots spiegelten sich die wandelnden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1960er Jahren. Im Unterschied zum Kaiserreich bzw. zur Zwischenkriegszeit war es nun auf Grundlage detaillierten stofflichen Wissens, vor allem aber auf Basis einer deutlich optimieren Prozesstechnik möglich, passgenaue Produkte für zunehmend heterogene Konsumsituationen herzustellen und verfügbar zu halten. Der britische Soziologe Alan Warde bündelte diese Entwicklung in der Sentenz: »Convenience food is required because people are too often in the wrong place«55 und deutete sie als Nachhut gesellschaftlichen Wandels. 52 Huber, Werner: Eine reine Geschmackssache. Streitpunkt ›natürliche Aromen‹ oder ›Aromen‹, Lebensmitteltechnik 31, 1999, Nr. 9, 52–54. 53 Diehl, Johannes Friedrich: Die gesundheitliche Qualität des heutigen Lebensmittel­ angebots – Image und Wirklichkeit, EU 26, 1979, 41–49, 67–74, hier 44. 54 Bielig, Hans Joachim: Zusatzstoffe und Lebensmitteltechnologie, EU 26, 1979, 313–318. 55 Warde, Alan: Convenience food: space and timing, British Food Journal 101, 1999, 518–527, hier 518.

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Dies ist zu kurz gegriffen, denn die keineswegs neuen Produkte (Kap. 5.2) folgten seit den 1960er Jahren nicht gesellschaftlichen Trends, um dadurch die zunehmende Entroutinisierung und Flexibilisierung des Alltags handhaben zu helfen. Sie waren vielmehr das Ergebnis wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Vorarbeiten, die bis weit in das Kaiserreich zurückreichten. Die Modernisierung der 1960er Jahre war eine angelegte, nun erst zum Durchbruch kommende Konsequenz aus dem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts veränderten Wissen. Nun kam zusammen, was zusammen gehörte, um Lebenszuschnitte mit flexibleren und immer wissensbasierteren Arbeitsalltagen, mit wachsendem Internationalisierungsgrad und sich langsam ausbildenden postindustriellen Werten praktizieren und bewältigen zu können. Künstliche Kost war hierfür eine notwendige und zugleich dynamisierende Hilfestellung. Angesichts wachsender Konsum- und Lebensoptionen verursachte Haushaltsarbeit immer höhere Opportunitätskosten, die durch Enthäuslichung (Kap. 5.2.1) gesenkt werden konnten. Die sich rasch verbreiternde Palette von Convenience Food erlaubte Nährmanagement, die wieder an Bedeutung gewinnenden Lightprodukte dagegen Gesundheitsmanagement. Das Grundprinzip der in sich heterogenen Bequemlichkeitsprodukte war und ist einfach: Es galt Zeit zu sparen, indem Aufgaben, die ehemals dem Haushalt und der hier zumeist haushaltenden Frau zugewiesen waren, von der Industrie bzw. Gastronomie gegen Entgelt übernommen wurden. Der Einkauf wurde dadurch erleichtert, die Vorbereitungs- und Kochzeiten minimiert, die Aufbewahrung rationaler gestaltet. Die Anbieter betonten ferner kochtechnische Vorteile, insbesondere standardisierte Qualität und geringe Zubereitungsrisiken. Convenience Food besaß ebenfalls ernährungsphysiologische Vorteile, denn die Nährwertschwankungen waren marginal, exakte Nährwertberechnungen möglich. Aufgrund regelmäßiger Qualitätskontrollen der gesamten Absatzkette besaß es grundsätzlich auch hygienische bzw. bakteriologische Vorteile gegenüber »normalem« Essen.56 Das neue Essen bedeutete einen anderen Geschmack, den verstärkten Einsatz von Prozesstechnik und Zusatzstoffen, von Verpackungen und Energie. Entscheidend aber war, dass die Produkte tradierte ernährungsbezogene Tätigkeiten grundlegend veränderten. Das in den Produkten materialisierte objektivierte Wissen wurde handlungsleitend, veränderte Einkaufen, Bevorraten, Zubereiten und Entsorgen. Abstrakte Bewertungsmaßstäbe verdrängten Eigenarten individueller Küchenpraxis und regionaler Ernährungsweisen. Nicht allein Speisen und Produkte wurden gekauft, sondern Zeit und materialisiertes Wissen. Während der Zwischenkriegszeit begrenzten technologische Defizite, offene Verpackungsfragen, aber auch vergleichsweise hohe Preise schnelles Wachs 56 Convenience Foods. Die einfache Art des gesunden Kochens, Nutritio 39, 1999, 3–6, 11–12, hier 5.

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tum  – sieht man einmal vom Suppen- und Soßenmarkt sowie von Dosenfertiggerichten ab (Kap. 5.2.3). Entsprechend bildeten die späten 1950er Jahre eine Wegmarke. Nun wurden dem deutschen Verbraucher Fertiggerichte und küchenfertige Grundprodukte nach amerikanischem Vorbild offeriert (Kap. 6.4.4).57 Neue Verarbeitungstechniken  – das Beispiel Pfanni (Kap. 5.1.3), aber auch die Instanttechnologie verdeutlichen die enge Verbindung zu den Vorarbeiten während des 2. Weltkrieges  – ermöglichten auch Convenience-Angebote von Grundnahrungsmitteln, insbesondere von Kartoffeln58. Mit der neuerlichen Implementierung von »Frischfrost«-Produkten, also tiefgekühlten Lebensmitteln, wurde seit den 1960er Jahren ein weiterer, bereits erkundeter Wachstumsmarkt erschlossen.59 Parallel verbreiterte sich das Angebot von Küchenhilfsmitteln, etwa Stärke- und Saucenprodukten sowie Würzmischungen.60 Diese einzelnen Marktsegmente wurden seither weiter ausdifferenziert und technologisch optimiert, zugleich aber immer stärker miteinander kombiniert. Die »Bequemlichkeitswelle«61 der 1960er Jahre schwappte Convenienceprodukte in die Mehrzahl der deutschen Haushalte. 70 % nutzen 1968 einschlägig vorgefertigte oder gebrauchsfertige Produkte.62 Saucen (25 % häufige Nutzer), Suppen (30 %), Fertiggerichte (5 %), Fleischgerichte in Dosen (7 %), Tiefkühlgerichte (9 %) und löslicher Bohnenkaffee (12 %) standen damals im Mittelpunkt der Nachfrage. In den folgenden Dekaden verbreiterte und vertiefte sich der Markt, wobei insbesondere Tiefkühlkost und Fertiggerichte in den Vordergrund rückten. Wachstumsimpulse gab die Kopplung von Tiefkühltechnik und Fertiggerichten.63 Tiefkühlpizzen und gefrorene Komplettmenüs gewannen in den 1980er Jahren an Bedeutung und verdreifachten ihren Umsatz in den 1990er Jahren.64 Im Jahr 2000 wurden für 2,2 Mrd. DM Fertiggerichte abgesetzt; 2016 57 Vgl. zur US -Entwicklung Hamilton, Shane: The Economies and Conveniences of­ Modern-Day Living: Frozen Foods and Mass Marketing, 1945–1965, Business History Review 77, 2003, 33–60. 58 Dies ging bis hin zu geschälten Kartoffeln in Dosen, vgl. Kölbach, Wolfgang-Giselher: Für Annehmlichkeiten wird auch bezahlt, Die Absatzwirtschaft 11, 1968, Nr. 9, 16, 18, 23, hier 16. 59 Vgl. Hein, Gerhard: Die Tiefkühlwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland, EW 17, 1970, A39-A41; Waldeck, [Georg]: Konserven und Tiefkühlkost, Der Verbraucher 18, 1964, 644–648. 60 Vgl. Berth, Rolf: In Kretschmers Nähkästchen gekramt. Die Einführung des KnorrGewürzmittels »Aromat«, Die Absatzwirtschaft 8, 1965, 1101–1104; Alba-Gewürze: Qualität im Dienste des Verbrauchers, Lebensmitteltechnik 1, 1969, 179–183. 61 Schulz, Hans-Jürgen: Rascher Wandel der Ernährungsgewohnheiten, EW 10, 1963, 731–732, 734, 736, 738, hier 736. 62 Trurnit, Gisela: Ernährungswissen und Ernährungspraxis, EU 15, 1968, Beil., 9–10, hier 10 (auch für die folgenden Angaben). 63 2000 wurden in Deutschland 758.900 t tiefgekühlte Fertiggerichte abgesetzt (Jahrbuch, 2007, 181). 64 Tiefgekühlte Pizzen wurden seit Ende der 1960er Jahre verkauft, doch nach dem Misserfolg der Pfanni-Marke Go wurden die Wachstumserwartungen in den 1970er Jahren nicht

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waren es dann rund 3,6 Mrd. €.65 Dies bedeutete, dass in jedem zweiten Haushalt mindestens zweimal wöchentlich Convenienceprodukte das Mittagessen bzw. in 50 % der Haushalte zwei- bis siebenmal wöchentlich das Abendessen bildeten.66 Seit den 1990er Jahren näherten sich die Deutschen damit den Einkaufs-, Zubereitungs- und Essweisen ihrer westlichen und nördlichen Nachbarn an.67 Trendsetter waren dabei vor allem junge Paare bzw. Singles unter 35 Jahren, auch wenn Fertiggerichte in der Mehrzahl alleine verzehrt werden.68. Trotz einer breit gefassten Kritik an der mit Convenience Food verbundenen Ernährungs- und Lebensweise stellten sie für die überwältigende Mehrzahl Ankerpunkte des Essalltages dar. Dies galt nicht nur für das Fünftel der Deutschen, die von der GfK 2001 als »convenience-affin« bezeichnet wurde.69 Vielmehr wurde das Marktsegment seit spätestens Mitte der 1990er Jahre verfeinert, erfuhr ein Trading-up.70 Mischsalate, gekühlte Teigwaren, Exotika, wie etwa Sushi, Chilled Food71 sowie ein rasch wachsender Take-away-Markt belegen eine zunehmende Akzeptanz der Grundprinzipien von Convenience Food auch und gerade in zahlungskräftigeren und hedonistisch eingestellten Bevölkerungsgruppen. Dies ging einher mit der Akzeptanz und raschen Verbreitung vorgefertigter Speisen in der Gaststätten- und auch Restaurantküche.72 Auch das in Kap. 7.4 behandelte Phänomen der Bio-Convenienceprodukte belegt einen Trend von Produkten zu umfassenderen Dienstleistungen, von vernünftigen Angeboten mit geringem Genusswert hin zu auch lustbetonten Tupfern des Essalltages. Die Bequemlichkeitsangebote wurden seit den späten 1950er Jahren immer wieder von den Haushaltswissenschaften propagiert, da sie ihrer Vorstellung erfüllt. Zur Marktentwicklung vgl. Pawlik, Heike: Die Nachfrage nach Tiefkühlkost – Struktur, Bestimmungsgründe und Perspektiven, Hamburg/Berlin 1993, 151–153; Chwallek, Andreas: Dynamik im Pizza-Markt, LZ 2001, Nr. 38 v. 21.09., 54–55. 65 Menrad, 2001, 609; http://statista.com/statistik/daten/studie/298343 [2017-07-31]. 66 Gomm, Ute: Deutsche verwenden häufig Convenience Produkte. Image hat sich gewandelt, AID -Presseinfo 2000, Nr. 19 v. 04.05., 4–6, hier 5. 67 Bredahl, Lone/Grunert, Klaus G.: Food-Related Lifestyle Trends in Germany ­1993–1996, Aarhus 1997, 20. 68 Wetzel, Stephanie: Außer-Haus-Verzehr und Convenience-Produkte im Aufwind. CMA-MAFO -Studie zu vorgefertigten Lebensmitteln, AID -Verbraucherdienst 44, 1999, ­152–153, hier 153; Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2017, Berlin 2017, 6 sowie Fertiggerichte 2016, hg. v. mafowerk, Nürnberg 2016, 7 (Ms.). 69 Convenience im Trend bei den deutschen Verbrauchern. Aktuelle Ergebnisse aus der neuen GfK-Studie ›Food Trends‹, GFK-Pressemittelung v. 05.11.2001 (Ms.). 70 Dyson, Hannah: Lifestyle und Markt, Slow 19, 2000, 36–41, hier 36. 71 Dabei handelt es sich um verzehrsfähige Frischangebote, vgl. Will, Birgit: Aufsteiger Chilled Food, LZ 2004, Nr. 14 v. 02.04., 52, 54; Bär, Claudia: Chilled Food sucht seinen Platz, LZ 2007, Nr. 19 v. 11.05., 38, 40. 72 Vgl. schon Wesner, Heinz: Außer-Haus-Verzehr: Immer mehr Convenience, EW 1981, Nr. 9, 31 bzw. Adam, Rudolf: Convenience-Produkte. Die Rechnung geht auf, GV-Praxis 1997, H. 10, 72, 74, 76, 81. Ablehnend hierzu Schassberger, Ernst-Ulrich: »Wie eine Droge«. […], Die Zeit 59, 2004, Nr. 6 v. 29.01., 20.

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einer rationalen Haushalts- und Lebensführung entsprachen.73 Zu kochen und kochen zu können, war Ende der 1950er Jahre für weit über 90 % der Frauen üblich, lediglich Vorbereitungsarbeiten, wie etwa Kartoffeln schälen oder Gemüse putzen, empfand ein Fünftel als unangenehm. Die Hauswirtschaftswissenschaft stärkte diese kleine Gruppe, sollten die Hausfrauen ihre Zeit doch mit sinnvolleren Tätigkeiten ausfüllen.74 Gegenwärtig hat sich die Situation tendenziell umgekehrt, denn die Mehrzahl der Konsumentinnen hat, wenngleich aus eigenem Kalkül und Marktbezug, die früheren Effizienzkriterien inkorporiert, während die Hauswirtschaftswissenschaften darauf drängen, subjektives haushälterisches Wissen und Zubereitungskompetenz zu stärken.75 Die wachsende Bedeutung von Convenienceprodukten ging mit tiefgreifenden Veränderungen der Haushaltstechnik einher. Erstens wurde die Kühlkette bis in den Haushalt verlängert.76 Die Zahl einfacher Kühlschränke war schon seit den 1950er Jahren rasch gestiegen, seit den 1960er besaßen sie meist zusätzliche Gefrierfächer, seit den 1970er Jahren nahm dann die Zahl der Tiefkühltruhen schnell zu. Gegenwärtig verfügen 99 % der Haushalte über Kühlschränke, zwei Drittel über Tiefkühlgeräte. Bemerkenswert ist, dass der Ausstattungsgrad in der letzten Dekade gesunken ist, denn noch 1998 besaßen mehr als drei Viertel Tiefkühlequipment. Dieser Rückgang resultierte nicht nur aus dem wachsenden Angebot trockener Fertiggerichte bzw. von Chilled Food, sondern der zweiten grundlegenden Veränderung, dem Vordringen der Mikrowellenherde. Prototypen wurden in den späten 1940er Jahren entwickelt, doch die frühen Diskussionen kreisten schon aufgrund der sehr hohen Preise um den Einsatz in der Großküche bzw. der Lebensmittelproduktion.77 In den späten 1960er Jahren setzten sie sich in der Massenverpflegung durch, während sie in den Haushalten erst seit den frühen 1970er Jahren Fuß fassten  – parallel zur Ausweitung des Angebots von Fertig- und Tiefkühlgerichten (Kap. 6.4.4). Ende der 1980er Jahre besaßen etwa ein Fünftel, um 2000 etwa drei Fünftel der Haushalte

73 Zacharias, Rosemarie: Entwicklungstendenzen der Hauswirtschaft, EU 10, 1963, ­30–33 (danach auch die folgenden Angaben). 74 Trurnit, 1968, 10. Vgl. auch Zacharias, Rosemarie: Zeit – Kosten – Qualität. Untersuchungen zur Frage der Verwendung vorgefertigter Lebensmittel, EU 14, 1967, Beil., 35–36. Allgemein hierzu Lindner, Ulrike: Rationalisierungsdiskurse und Aushandlungsprozesse. Der moderne Haushalt und die traditionelle Hausfrauenrolle in den 1960er Jahren, in: Frese, Matthias/Paulus, Julia/Teppe, Karl (Hg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. […], Paderborn u. a. 2003, 83–106. 75 Methfessel, Barbara: Ernährungserziehung, Selbst-Bewußtsein und Eigenverantwortlichkeit – Forderungen und Überforderungen, Hauswirtschaftliche Bildung 72, 1996, 79–87. 76 Hünecke/Fritsche/Eberle, 2004, 12–13. 77 Felgentreu, Siegfried: Hochfrequenzerwärmung in der Lebensmittel-Industrie, IOGV 35, 1950, 7–11; Linke, F[elix]: Der Hochfrequenzkocher (Eine Minute Kochzeit), Die Fischund Feinkost-Industrie 28, 1956, 67; Mikrowellen-Kochgeräte, Die Küche 62, 1958, 259.

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Mikrowellengeräte.78 Erst diese doppelte Grundausstattung erlaubte es den Haushalten, die gesamte Palette von Convenienceprodukten zu bevorraten und zu konsumieren. Diese Technikinfrastruktur und die geringen Kochfertigkeiten bildeten eine Gemengelage, die gerade im Rahmen aktueller Erörterungen des Übergewichts zunehmend kritisch bewertet wird – obwohl sie der Expertise der 1950er und 1960er Jahre und hauswirtschaftlichen Utopien der 1920er Jahre entsprachen. Doch Fettsucht wurde seit den späten 1960er Jahren just mit Hilfe von Convenience Food bekämpft. An die Seite bilanzierter Formuladiäten bzw. Schlankheitsmittel (Kap. 6.3.3) traten nun fettreduzierte Lightprodukte. Ähnliche Produkte gab es bereits im Kaiserreich, doch nun galt es nicht mehr die Suchtstoffe Alkohol, Nikotin oder Koffein zu entfernen, sondern die Kalorienträger Fett und auch Kohlenhydrate.79 Vorläufer dieser Lightprodukte wurden schon in der Nachkriegszeit entwickelt, doch blieben sie zumeist Teil des Diätsortiments.80 Auch konventionelle Produkte waren teils nach ihrem Fettgehalt eingeteilt, sodass der Konsument durchaus zwischen unterschiedlichen Fettgehalten verarbeiteter Produkte wählen konnte, die bei Käse etwa in sieben Kategorien von der Mager- über die Fett- bis hin zur Doppelrahmstufe reichten. Dass dennoch eine neue Lebensmittelgruppe ausgelobt und vermarktet wurde, lässt sich vorrangig auf drei Faktoren zurückführen. Erstens intensivierte sich der Wettbewerb in der Industrie, besonders aber im Handel. Lightprodukte bildeten imagefördernde und margenstarke Innovationen, mit denen weitere Marktanteile gewonnen werden sollten. Zweitens wurde spätestens seit der Rezession 1966/67 klar, dass die goldenen Jahre des Wirtschaftswachstums vorüber waren und Erfolg im Beruf durch eine entsprechende Körpermodellierung einfacher zu erzielen war. Drittens vermittelten sowohl der erste Ernährungsbericht 1969 als auch der erste Gesundheitsbericht 1970 eine neue Dringlichkeit des Wissens, die durch die präventive Gesundheitspolitik der sozialliberalen Koalition nochmals gefördert wurde (Kap. 6.3.4).81 Da zudem marktpsychologische Forschungen ergaben, dass der Bundesdeutsche lieber gesund äße als

78 Vgl., auch zur Angebotsstruktur, Test Mikrowellengeräte. Automatik ist kein Patentrezept, Test 25, 1990, 507–512. Zu den Verbraucherbefürchtungen vgl. Mikrowellengeräte, DGE -Info 2001, 3–4. 79 Lightprodukte wurden zeitgleich auch in der DDR diskutiert und eingeführt, vgl. Wange, Udo: Die Anforderungen der gesunden Ernährung an die Lebensmittelindustrie, in: Die Kooperation bei der Herausbildung eines Systems der gesunden Ernährung in der DDR , Berlin (O) 1971, 58–63; Knötzsch, Petra: Entwicklungstendenzen bei diätetischen Nahrungsmitteln, Marktforschung 11, 1972, Nr. 1, 33–35. 80 Meyer, Ute: Gesundheitswelle: Möglichkeiten, Probleme, Erfahrungen, EW 19, 1972, A170-A172, hier A171. Beispiele neuer Produkte waren etwa zuckerreduzierte Bonbons. 81 Daten zum Übergewicht und dem Schlankheitsmarkt enthält Ruppert, Klaus: Der Trend zur Reduktionskost, Der Verbraucher 27, 1973, Nr. 11, 2–4.

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Sport zu treiben, boten sich gute Chancen für innovative künstliche Kost.82 Vorreiter dieser als neu präsentierten Produkte waren dabei einerseits die Margarine-Union, die 1969 eine Halbfettmargarine herausbrachte, anderseits die Coop-Gruppe, sie seit März 1971 ihr »spezial mager«-Sortiment fettreduzierter Fleisch- und Wurstwaren anbot. Allen lebensmitteltechnologischen Innovationen zum Trotz war es damals keineswegs einfach, derartige Lightprodukte herzustellen  – hier konnte man nicht auf systematische Forschungen in den 1930er und 1940er Jahren zurückgreifen. Fett konnte um 1970 durch Wasser, Emulgatoren und Quellstoffe (etwa Zellulose), durch Eiweiß, Kohlenhydrate oder aber unverdauliche Stoffe substituiert werden.83 Stärke ersetzte man durch Quell- und Füllstoffe bzw. Wasser, Zucker durch Süßstoffe bzw. Ballast-, Quell- und Füllstoffe. Letztere waren durch die 1959 erlassende Allgemeine Fremdstoffverordnung als technische Hilfsmittel zugelassen worden, doch nutzte man nun Guarmehl, Johannisbrotkernmehl oder andere unverdauliche Polysaccharide auch im Gefüge gängiger Lebensmittel. Ernährungsphysiologen und Lebensmitteltechnologen schien ihr Arsenal relativ beschränkt, doch bei entsprechendem Forschungsaufwand wäre dies schnell änderbar.84 Defizite beim Geschmack waren offenkundig, entsprechend ausgeprägt war die Sehnsucht nach wohlschmeckender und gesunder künstlicher Kost. Schmackhafte »Nahrung ohne Nährwert«85 wurde zum Ideal. Die realen Angebote riefen innerhalb der Ernährungswissenschaft Kontroversen hervor. Die Kalorienreduktion erschien als ein relativer Rückfall in längst überwundene Zeiten, führe undifferenziert eventuell zu Unterversorgungen mit Eiweiß bzw. Vitaminen. Wie schon vor dem Ersten Weltkrieg galten vielen Lebensmittelchemikern die Lightprodukte als ästhetisierte Lebensmittelfälschungen. Eine kalorienarme Kost sollte stattdessen aus konventionellen Lebensmitteln zusammengestellt werden, alles andere sei »Tolerierung des freundlichen Betrugs«86. Angesichts der allgemeinen Veränderung der Lebensmittel erschien es allerdings pragmatischer, zum einen auf eine klare Kennzeichnung des Nährwertgehaltes zu dringen, zum anderen aber die in der Werbung verwandten Be 82 Oppermann, Marlis: Die Deutschen mögen’s schlank, Absatzwirtschaft 15, 1972, Nr. 1, 32–34, hier 32. 83 Drews, H[orst]: Technologische Möglichkeiten der Herstellung kalorienverminderter Lebensmittel, EU 19, 1972, 38–39, hier 38. 84 Vgl. etwa Rogowski, B.: Beeinflussung des Nährstoffgehaltes von Lebensmitteln durch Zusätze und industrielle Verarbeitung, EU 19, 1972, 274–279. Daneben wurde auch gezielt nach Functional Food geforscht, vgl. Gaßmann, B[erthold]: Lebensmittelbestandteile mit funktionellen Eigenschaften als Voraussetzung der Entwicklung neuer und gesundheitsfördernder Lebensmittel, Ernährungsforschung 23, 1978, 3–6, 33–37. 85 Wolf, 1973, B5. 86 Kotter, Ludwig: »Kalorienreduzierte Lebensmittel«, EU 19, 1972, 212–215, hier 215.

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griffe wie leicht, light, leichtspezial, superleicht, kalorienarm oder kalorienreduziert präzise zu definieren.87 Bei derartigen Sprachkämpfen ging es um Markthegemonie. Das zeigte sich schon am Pionierprodukt, der Halbfettmargarine. Sie hatte nicht nur die Hälfte der zuvor üblichen Menge Fett eingebüßt, sondern auch ihre Eigenschaft, als Back- und Bratfett zu dienen. 1969 galt sie als Diät-Margarine, wodurch ihre Funktion klar beschrieben war. Der Margarineverband einigte sich 1972 jedoch mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium auf den neuen Begriff Pflanzenleichtfett, während die Bundesländer für Pflanzenhalbfett plädierten. Im Februar 1973 zerbrach dann die einheitliche Front des Margarineverbandes und nun setzte sich die von drei Anbietern vorgeschlagene Bezeichnung Halbfettmargarine durch.88 Diese Bezeichnung war sachlich, hatte aber gewiss nicht den Lockreiz des ursprünglichen Vorschlages. Gleichwohl entwickelte sich Halbfettmargarine zu einem der erfolgreichsten Lightprodukte. Dies zeigte sich auch an der Butter. Nach einer Änderungsverordnung im Mai 1974 konnte ihr rechtlich festgesetzter Fettgehalt durch Zusatz von Sahne, Wasser und weiteren Hilfsstoffen ebenfalls reduziert werden.89 Fast einhundert Jahre nachdem das Buttersubstitut Margarine entwickelt worden war (Kap. 2.2.2), wurde die Butter dem Vorbild der Halbfettmargarine entsprechend umgebaut. In der Werbung aber ward weiter von Alpenlandschaften und satten Wiesen gesungen. Neben den Streichfetten bildeten Brotbeläge, insbesondere Wurstwaren, Kernpunkte der neuen Angebote. Deren Entwicklung erfolgte systematisch durch Betriebslaboratorien, die von der Expertise der Bundesforschungsanstalt für Fleischforschung in Kulmbach profitierten.90 Gerade die Handelskonzerne agierten mit Marktforschung, anschließenden Testverkäufen und begleiteten die Innovationen mit Werbung bisher unbekannten Ausmaßes.91 An Einzelprodukte und Produktgruppen schlossen sich dann auch kalorienreduzierte Fertiggerichte an.92 Spätestens 1972 weiteten sich diese Bestrebungen zu einer allgemeinen »Gesundheitswelle«, in der die tradierten Techniken stofflicher Variation ihren kommunikativen Fluchtpunkt in der »Gesundheit« des Kon­sumenten fanden. Sie bedeutete »gleichzeitig Umsatzsteigerung, Rendite 87 Schlierf, G[ünther]: Stellungnahme zum Beitrag »Kalorienreduzierte Lebensmittel« von L. Kotter, München, EU 19, 1972, 215–216; Feldheim, Walter: Kalorienarm und kalorienreduziert, Verbraucher Rundschau 1972, H. 10, 3–8. 88 Benecke, D[ieter]: Margarine-Industrie: Tagebuch eines Eigentores, EW 20, 1973, A52-A53. Vgl. auch Bauer, Arne: R(h)apsodie in Öl, Der Verbraucher 27, 1973, Nr. 9, 26–27, hier 27. 89 Fricke, A.: Milchhalbfett ein neuer Brotaufstrich, Der Verbraucher 28, 1974, Nr. 14, 20–21. 90 Das große Wurstvergnügen, Der Verbraucher 25, 1971, Nr. 7, 26–27. 91 Benecke, 1972. 92 Der große Trend gesunde Kost, Der Verbraucher 27, 1973, Nr. 1, 26–27.

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Abb. 106: Begriffliche Unklarheiten – Margarinewerbung 1973

Verbesserung und Imagepflege des herstellenden, aber auch des vertreibenden Unternehmens, nachdem sich die Akzente von einstmals ›sektiererisch‹ auf ›modern‹ verschoben haben.«93 Dies galt selbst für legale Drogen, wie Zigaretten, die seit 1974 wieder entnikotinisiert angeboten wurden, ein Jahr später aber erst einen Marktanteil von 0,5 % gewonnen hatten.94 Angesichts der inflationären Verwendung des Gesundheitsbegriffs in der Werbung für Lebensmittel – schon 1969 enthielten 40–50 % aller Zeitschriftenanzeigen und 40 % der Radio- und Fernsehspots ernährungsphysiologische bzw. 93 Liebert, 1975, A182. 94 Traum vom schadlosen Genuß, Der Spiegel 28, 1974, Nr. 38 v. 16.09., 54–55, 57, 59, 63, 65, 67, 69, 71; Zigaretten. Ganz so leicht geht es doch nicht, Wirtschaftswoche 29, 1975, Nr. 35, 12–16, hier 12.

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gesundheitsbezogene Aussagen95 – forderten Verbrauchervertreter und Ernährungswissenschaftler Transparenz und klare gesetzliche Regelungen. Das geltende Lebensmittelrecht enthielt hierzu keine genauen Vorgaben. Dabei zeigte sich neuerlich, wie schwierig es war, begriffliche Alltagsassoziationen und klar definierte Rechtssprache miteinander in Einklang zu bringen.96 Die Definitionsarbeit konzentrierte sich vorrangig auf die Begriffe kalorienarm bzw. kalorienreduziert. Während ersterer unter Bezug auf die chemisch-physiologisch definierte Normalbeschaffenheit der Lebensmittel festgelegt werden sollte, empfahlen DGE , die DFG -Kommission für Ernährungsforschung und der BLL für den zweiten 1972 leicht voneinander abweichende Margen, nach denen der Kaloriengehalt je nach Lebensmittelgruppe zwischen 25 und 50 % reduziert werden sollte.97 Zugleich benannten sie neuen Forschungsbedarf.98 Dennoch unterblieb eine gesetzliche Regelung. Lediglich die Nährwertkennzeichnungsverordnung und die nicht zu erzwingende Akzeptanz der korporativen Vorschläge regelten den Lightproduktemarkt der 1970er und 1980er Jahre.99 Zusammengefasst zeigt sich ein schnell entwickelnder Gesundheitsmarkt, der nach anfänglich beträchtlichen Wachstumsraten seit 1974 stagnierte. Seitens der Marktforschung war früh gefordert worden: »Garantieren Sie den Verbrauchern Wirksamkeit und signalisieren Sie ihm dazu auch ein Genußversprechen«100. Die Anbieter folgten dem, doch die Produkte entsprachen meist nicht den Suggestionen. Es blieb bei gewinnträchtigen Ergänzungen, doch die neuerliche Renaissance des Konzeptes in den späten 1990er Jahren sollte die Marktanteile nochmals erhöhen. Lightprodukte waren erfolgreich, erwiesen sich bei vielen jedoch auch als ein Alibiangebot, das käuflich suggerierte, etwas für Körper und Gesundheit getan zu haben, um insgesamt nichts ändern zu müssen.101 Genau darauf aber ließen sich elaboriertere Produktkonzepte gründen.

95 Glahn, Adelheid/Menden, Erich: Irreführende Verwertung wissenschaftlicher Ergebnisse in der Werbung für Lebensmittel, EU 20, 1973, 317–320, hier 317. Vgl. als Überblick auch Aign, Waltraute: Kalorienverminderte Lebensmittel, Halbfertig- und Fertiggerichte und Produkte mit schlankheitsbezogenen Werbeaussagen, EU 19, 1972, 46–48. 96 Detailliert hierzu Schroeter, K[laus] A[dolf]: Zur lebensmittelrechtlichen Problematik kalorienarmer und kalorienverminderter Lebensmittel, EU 19, 1972, 40–45. 97 »Kalorienarme Lebensmittel«. Empfehlung der Kommission für Ernährungsforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, EU 19, 1972, 85; »Kalorienreduzierte Lebensmittel«. Gutachtliche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, EU 19, 1972, 321. 98 Dies galt für die physiologische Wirkung von Füllstoffen, die Versorgung mit essenziellen Wirkstoffen, die Substitution von Kohlenhydraten durch Eiweiß, die Physiologie der Reduktionskost sowie die Auswirkungen des Konsums kalorienreduzierter Lebensmittel. 99 Taschan, Hasan/Muskat, Erich: Leichtprodukte, EU 39, 1992, B21-B23. 100 Oppermann, 1972, 34. 101 Wo[hlers, Günther]: Ökonomischer Frevel contra Volksseuche. Oder: Die Alibifunktion kalorienreduzierter Lebensmittel, EW 1979, H. 1, A3-A4.

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7.3 Landwirtschaft als Quelle neuer Rohstoffe: Gentechnik und Biokost Produktkonzepte gründen nicht nur auf Ästhetisierungen, sondern immer auch auf Rohstoffen und ihren jeweiligen Bewertungen. Die Moralisierung der Märkte und die stets polare Bewertung gleichartiger Sachverhalte durch Experten und Gegenexperten bezogen sich seit den 1980er Jahren wiederum auf die landwirtschaftliche »Urproduktion«.102 Anders als in der Zwischenkriegszeit standen und stehen sich mit Gentechnik und ökologischem Landbau nun jedoch prototypisch zwei neuartige Konzepte gegenüber, die vielfach anhand von GutBöse-Schemata bewertet wurden und werden. Das Verbindende ist jedoch größer als das Trennende: Bei beiden Techniken handelt es sich um wissensbasierte High-Tech-Adaptionen, die gleichermaßen von Qualitätsparametern geleitet werden. Beide weisen eine Kapitalintensität pro Arbeitsplatz auf, die weit über der der Industrie liegt. Beide zielen auf hochwertige Lebensmittel, auf Prozessoptimierungen und Umweltschutz. Beiden gemein sind Sprachspiele, wobei gleiche Begriffe unterschiedlich definiert werden. Und gleichermaßen nutzen sie ästhetisierte Selbstbeschreibungen, um Technik und Produkte zu propagieren.103 Die Gentechnik steht dabei für den Anspruch der Wissenschaft, souverän über die Grundstoffe des Lebens verfügen zu können und zu dürfen.104 Während die Rekombination einzelner Stoffe in der Lebensmittelproduktion dazu dient, verzehrsfähige Produkte herzustellen, gilt es hier, durch Rekombination einzelner Bestandteile von Pflanzen und Tieren neues Leben zu gerieren, das dann – getötet, geerntet und verarbeitet – als Rohstoff für Lebensmittel dient. Paradoxerweise sind gentechnische resp. biotechnologische Verfahren  – wie bei der Gegenüberstellung von Kunst- oder Mineraldünger nötigen die Grundbegriffe schon zur Einordnung ins diskursive Glied – in ihrer Anwendung am Menschen weniger umstritten als in ihrer Anwendung auf Tiere und Pflanzen. Die sog. rote Gentechnik boomt, vorangetrieben von Hoffnungen auf Gesundheit, Prävention und konkrete Hilfe im Krankheitsfalle. Die sog. grüne Gentechnik, also die Anwendung biotechnologischer Verfahren in der Ernährungs 102 Hierzu anregend Goodman, David/Sorj, Bernardo/Wilkinson, John: From Farming to Biotechnology. A Theory of Agro-Industrial Development, Oxford/New York 1987. 103 Zu den parallel einsetzenden Vermarktungsstrategien vgl. Lang, Tim/Heasman, Michael: Food Wars. The Global Battle for Mouths, Minds and Markets, London/Sterling 2004, 171–183; 150 Jahre Nestlé. Ernährung, Gesundheit und Wohlbefinden, 1866–2016, Cham 2016, insb. 89–94. 104 Eine Chronologie bietet Hulse, Joseph H.: Biotechnologies: past history, present state and future prospects, Trends in Food Science and Technology 15, 2004, 3–18. Vgl. allgemein Samia, Salem: Die öffentliche Wahrnehmung der Gentechnik in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1960er Jahren, Stuttgart 2013.

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Abb. 107: Künstliche Kost und Agrarproduktion  – Karikatur 1968

wirtschaft, ist dagegen in Europa seit dem kommerziellen und kommunikativen Desaster, das die ersten gekennzeichneten gentechnisch veränderten Produkte 1998/99 erlebten, nicht länger Thema realer Märkte, sondern vielmehr von Regulierungs- und Risikodebatten, sozialen Protesten über Freihandel und virtuellen Zukunftsmärkten.105 Will man verstehen, welchen Stellenwert die Ressource Wissen für die Akzeptanz und Bewertung moderner Agrartechnologien besaß, muss man sich auf die in den 1990er Jahren geführten Debatten genauer einlassen. Befürworter und Gegner verorteten sich zuerst einmal historisch, inszenierten Kulturtheorien, in die sie die Gentechnik unterschiedlich einbetteten. Die Befürworter verstanden sie als Ausdruck einer seit Äonen währenden evolutionären Naturlogik, 105 Vgl. hierzu, auch im Folgenden, Spiekermann, Uwe: Propheten und Apokalyptiker. Ein Rückblick auf die Diskussion über grüne Gentechnik im späten 20. Jahrhundert, Internationaler Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens. Mitteilungen H. 6, 2000, 30–46. Die durch tolerierte Restmengen gentechnisch veränderter Lebensmittel im deutschen Markt befindlichen Produkte gilt es hier nicht zu thematisieren, zumal nach langen Debatten rechtlich verbindliche Grenzwerte gelten.

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die man nun mit menschlicher Gestaltungskraft sinnvoll weiterverfolge. »Biound Gentechnologie«, so Verfechter dieser Kontinuitätsthese, »spiegeln die konsequente Fortentwicklung traditioneller Verfahren zur Nutzung biologischer Systeme wie Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren zum Wohle des Menschen wider.«106 Auch wissenschaftlich wurden klar verfolgbare Fortschrittslinien von Gregor Mendel bis zur Gegenwart gezeichnet.107 Diese selbst geschaffene Tradition stellte das neue Wissen in den Kontext von Fortschritt und menschlicher Entdeckerfreude.108 Die Gegner vertraten dagegen Diskontinuitätsthesen. Das Jahr 1973, als es den Biochemikern Stanley N. Cohen und Herbert W. Boyen erstmals gelang, »gezielt Erbmaterialien aus einem Bakterium herauszuschneiden und es in das Genom eines anderen Bakteriums zu integrieren«109, erschien als die Öffnung der Büchse der Pandora, der Mensch wurde in die Rolle eines zweiten Schöpfers gesetzt. Die Gegner verstanden dies als Hybris. Natur könne nur in engen Grenzen geformt werden, generell habe sich der Mensch ihr jedoch anzupassen. Gentechniker standen daher abseits der Evolutionslogik, waren Kinder, die die Folgen des eigenen Tuns nicht angemessen übersahen.110 Beide Gruppen standen sich unversöhnlich gegenüber; doch sie waren sich recht ähnlich. Beide vertraten mit jeweils anderen Vorzeichen eine evolutionäre Logik, unterschieden sich lediglich in ihren Naturkonzepten. Beide blickten gleichermaßen weg vom handelnden und gestaltenden Menschen, folgten stattdessen naturhistorischen Konzepten des 18. Jahrhunderts. Scheinbar gegensätzlich waren auch die mit den neuen gentechnisch veränderten Produkten verbundenen Zukunftsszenarien. Die Befürworter malten die Zukunft licht aus, schwelgten in Euphorie. Sie standen in der Tradition eines 106 Jany, Klaus-Dieter: Gentechnik im Ernährungsbereich, AID -Verbraucherdienst 37, 1992, 223–228, 245–252, hier 223. 107 Vgl. Hauska, Günter (Hg.): Von Gregor Mendel bis zur Gentechnik. […], Regensburg 1984; Orel, Vitezslav: Gregor Mendel. The first Genetics, Oxford/New York 1996; Kingsbury, Noel: Hybrid. The History and Science of Plant Breeding, Chicago/London 2009. Zur deutlich anderen Neurezeption des Brünner Augustiner-Mönches vgl. Wittmack, L[udwig]: Die internationale Konferenz über Hybridisation und Pflanzenzüchtung in London vom 30. Juli bis 3. August 1906, MDLG 22, 1907, 1–2, 13–14, 17–20. 108 Das gilt auch für einschlägige historische Arbeiten, etwa Neubert, Karola: Die Entwicklung biotechnologischer Verfahren in der Land- und Ernährungswirtschaft (historischer Abriß), in: Biotechnologie in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, Hamburg/Berlin (W) 1989, 12–24, v. a. 12–15. 109 Emmrich, Michael: Vorwort, in: Ders. (Hg.): Im Zeitalter der Bio-Macht. 25 Jahre Gentechnik – eine kritische Bilanz, Frankfurt a. M. 1999, 9–13, hier 9 (auch für das folgende Zitat). Zum Geschehen vgl. Hughes, Susan: Making Dollars out of DNA : The First Major Patent in Biotechnology and the Commercialization of Molecular Biology, 1974–1980, Isis 92, 2001, 541–575. 110 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der gewiss einzigartigen Asilomar-Konferenz im Februar 1975 erfolgte dagegen nicht. Damals hatten mehr als 140 Wissenschaftler aus 17 Staaten ein begrenztes Moratorium für gentechnische Experimente beschlossen.

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Emil Fischers und seiner Träume von synthetischer Eiweißkost (Kap. 2.2.4). Auch Autarkievisionen wären hier zu nennen (Kap. 4.5). Die Befürworter verkündeten konkrete Utopien von Überfluss und Ende des Hungers; so wie einst Ernst Bloch »Achtstundentag, Welt im Frieden, Freizeit und Muße«.111 Nicht rationales Kalkül war hier gefragt, denn es ging darum, die gestaltende Kraft des Menschen zu dokumentieren: »1. die Lebensmittelqualität zu sichern und zu verbessern. […] 2. bestimmte Verarbeitungshilfsmittel für die Lebensmittelwirtschaft zu produzieren. […] 3. die Tiergesundheit zu sichern und zu verbessern. […] 4. die pflanzliche Produktion umweltverträglicher zu machen. […] 5. die klassischen Zuchtmethoden zu verbessern. […] 6. Die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung zu sichern.«112 Wer wollte da nein sagen? Symbol derartiger Zukunftsverheißungen war die exponentielle Kurve. Zugleich positionierte man die Gegner wertbezogen. Dadurch standen sich Rationalität und Emotionalität, Fortschritt und Traditionalismus, Wissen und Unwissen polar gegenüber. Nationale Stereotype, wie etwa die deutsche »Angst«, wurden ebenfalls thematisiert. Das überlegene Wissen der Befürworter zielte auf Unterstützung, nicht auf Diskurs. Wären alle kleine Molekularbiologen, so würde der Widerspruch eintrocknen.113 Die Befürworter erwarteten Hingabe an ihre Sache und hegten keinen Zweifel daran, dass richtiges Wissen nur Handlungen in eine, nämlich ihre Richtung ermöglichen würde. Der Mannheimer Historiker Jörn Sieglerschmidt prägte hierfür die treffende Sentenz von der »Verwegenheit der Ahnungslosen«.114 Die Gegner entwarfen andere Szenarien. Dazu bedienten sie sich nicht des Binnenjargons der wissenschaftlich Eingeweihten, sondern setzten auf eingängige Begriffe, um ihrer Ablehnung Ausdruck zu verleihen. In den 1990er Jahren war von »’Killer’-Genen«115 zu lesen, von »Superunkräutern«116 oder von »Frankenfood«117. Die Gegner griffen mögliche Gefährdungen auf und konzentrierten sich auf deren Risiken. Die eigene Position wurde rückgebunden an die Natur des Menschen und der Lebensmittel. Sorge trieb an: »Dürfen wir uns alles

111 So der Titel des berühmten 42. Kapitels in Bloch, 1985, hier 1039–1086. 112 Feiter, Franz-Josef: Begrüßung und Eröffnung, in: Genfood: Nahrung der Zukunft? […], Bonn 1998, 4–5. 113 Entsprechend wurde die Öffentlichkeit aufgeklärt, vgl. etwa Jany, Kl[aus]-D[ieter]/ Greiner, R[alf]: Gentechnik und Lebensmittel, Karlsruhe 1998. 114 Sieglerschmidt, Jörn: Die Verwegenheit der Ahnungslosen, Haushalt & Bildung 76, 1999, 31. 115 Löhr, Wolfgang: Versuchskaninchen der Industrie? […], Politische Ökologie 12, 1994, Bd. 35, 6–9, hier 8. 116 »Superunkräuter«, Neue Osnabrücker Zeitung 1998, Nr. v. 09.09. (für die Zurverfügungstellung der Presseausschnittsdienste der Jahre 1997 und 1998 danke ich Barbara Methfessel). 117 Nettleton, Joyce A.: The Frankenfood Myth, FT 53, 1999, Nr. 5, 20.

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leisten, was technisch machbar ist?«118 Dies schuf eine Zeitstruktur des Aktivismus, um dem einseitigen Fortschritt Einhalt zu gebieten: David kämpfte gegen Goliath, kleine wendige Umweltgruppen gegen internationale Macht- und Kapitalagglomerationen.119 Wie schon die Alternativgruppen im Kaiserreich und der Nachkriegszeit positionierten sich die Gegner bewusst als Schwächere. Niederlagen konnten daher kaum treffen, bestätigten nur die eigene Situationsdeutung. Man stritt schließlich nicht nur für sich, sondern auch für andere, dachte vom Ganzen der Gesellschaft her und grenzte sich daher ab von Partikularinteressen der Industrie und ihrer Büttel in Wissenschaft und Politik. Man selbst stand dagegen für Transparenz und klare Kennzeichnung, war Vorkämpfer zukünftiger Generationen, knüpfte mit den Menschen in den unterentwickelt gehaltenen Ländern ein Band der Solidarität. Zugleich aber entwickelten die Gegner Alternativen, damit Zukunft gelingen könne. Der ökologische Landbau und Biokost galten als nachhaltig, reversibel, dezentral und natürlich.120 Auf diesem Terrain wurden die Gegner zu Befürwortern und die Befürworter zu Gegnern. Diese pointierte Gegenüberstellung der Debatten der späten 1990er Jahre verdeutlicht die Kommunikationsprobleme von Gesellschaften mit versäulten Wissensstrukturen. Expertengruppen argumentierten strukturell ähnlich und nutzten gleichermaßen Macht und Gegenmacht. Gemeinhin setzten sich die Experten des eisernen Dreiecks gegen ihre Kritiker durch, mochten ihre Erwartungen auch vielfach trügen. Die grüne Gentechnik aber scheiterte hierzulande – zumindest vorläufig – im Markt.121 Die Gründe hierfür lagen jedoch nicht in vermeintlicher Technikfeindlichkeit der Bevölkerung, sondern in den Diskrepanzen zwischen Verheißungen und realem Nutzen sowie den selbstbezüglichen Kommunikations- und Vermarktungsstrategien der Befürworter. Fünf miteinander verbundene Debatten markierten den Weg. Das erste, am 19. Mai 1994 in den USA zugelassene gentechnisch veränderte Lebensmittel war die »FlavrSavr-Tomate« der kalifornischen Firma Calgene Fresh.122 Sie sollte einen besseren Geschmack besitzen, nachdem man ein Gen 118 GENiale Zeiten. Essen aus der Genküche, Politische Ökologie 12, 1994, Bd. 35 (Spezial), 1. 119 Vgl. Treusch-Dieter, Gerburg: Genfood. Das Gold des Midas, in: Schuller, Alexander/ Kleber, Jutta Anna (Hg.): Verschlemmte Welt. […], Göttingen/Zürich 1994, 150–170. 120 Vgl. Schüler, Christian: Biotechnologie in der Pflanzenzüchtung und ökologischer Landbau, in: Albrecht, Stephan (Hg.): Die Zukunft der Nutzpflanzen. […], Frankfurt a. M./ New York 1990, 108–116. 121 Das gilt natürlich nicht für fermentativ gewonnene Enzyme und Zusatzstoffe, vgl. Jany, Klaus-Dieter: Beschleunigt die Gentechnik die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion?, in: Unser täglich Brot … Die Industrialisierung der Ernährung, hg. v. Technoseum, Mannheim 2011, 178–205, hier 184–187. 122 Zur US -Debatte vgl. Hoban, Thomas J.: The Construction of Food Biotechnology as a Social Issue, in: Maurer, Donna/Sobal, Jefferey (Hg.): Eating Agendas. […], New York 1995, 189–205, hier 204–205.

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inaktiviert hatte, das für die Bildung eines Reife fördernden Enzyms verantwortlich war.123 Die frische weichere Frucht konnte allerdings nicht mit den für »normale«, harte und grüne Tomaten konstruierten Ernte- und Verpackungsmaschinen bearbeitet werden. Da ihr außerdem ein metallischer Geschmack nachgesagt wurde, wurde das neue Produkt vorwiegend zu Tomatenmark verarbeitet. Der Absatz der gekennzeichnet vermarkteten Dosentomaten blieb von Beginn an hinter den Erwartungen zurück. In Großbritannien setzte man zwischen 1996 und 1998 lediglich 1,6 Millionen Dosen ab, Anfang 1999 wurde die FlavrSavr-Tomate vom Markt genommen.124 Bei den Konsumenten setzte sich, insbesondere im fernen Deutschland, das Bild der »Anti-Matsch-Tomate« fest, also einer nach außen hin schmackhaft erscheinenden Frucht, die im Inneren jedoch überreif, ja verrottet war und zudem nicht wirklich schmeckte.125 Dies erschien als Angriff auf die bestehende Esskultur, von der nur Landwirtschaft und Industrie profitieren würden.126 Dieses erste unausgereifte Produkt diente von nun an als Negativsymbol der Gegner. Noch ging es nicht um Gesundheit. Das änderte sich zweitens 1998 mit der Kontroverse über Lektin-Kartoffeln. Im schottischen Rowett Research Institute begannen 1996 Fütterungsstudien mit gentechnisch veränderten Kartoffeln. Ziel war es gewesen, Proteine zu finden, die die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegen schädliche Insekten steigern sollten, ohne die Gesundheit der Konsumenten zu beeinträchtigen. Der Leiter, Arpad Pusztai, übertrug eine insektenwirksame Variante des Schneeglöckchen-Lektins auf Kartoffeln und fütterte damit Ratten. Pusztai fand heraus, dass sich der Immunstatus der mit gentechnisch veränderten Kartoffeln gefütterten Ratten verschlechtert und sich das Gewicht einiger innerer Organe reduziert hatte. Im Anfang August 1998 ging er mit dieser Nachricht an die Öffentlichkeit. Das Medienecho war überwältigend.127 Gentechnisch veränderte Lebensmittel schienen gesundheitsschädi 123 Daher wurde sie erstmals 1993 auf der National Restaurant Association Convention in Chicago vorgestellt (Traditionelle Biotechnologie und heutige Gentechnik, Slow 13, 1999, 111–113, hier 112). 124 Zeneca arbeitet an pilzresistenten Gemüsesorten. […], Frankfurter Allgemeine Zeitung 1998, Nr. v. 16.09.; Keine Chance für FlavrSavr, Trophos 8, 1999, H. 2, 2. 125 Kritisiert wurde zudem die vorwiegend auf die Transporteigenschaften fokussierte Diskussion der Zuchtziele, so etwa Tanner, Widmar: Expeditionen in den Zellkern. […], Frankfurter Allgemeine Zeitung 1998, Nr. v. 29.08. 126 Auf derartige Vorstellungen gingen sicherheitstechnisch argumentierende Experten nicht ein, etwa Schauzu, Marianna: Zur Bewertung der Sicherheit gentechnisch veränderter Lebensmittel, EU 44, 1997, 246–250. Vgl. allgemein Alvensleben, Reimar v.: Beliefs associated with Food Production Methods, in: Freyer, L[ynn] J./Risvik, E[iner]/Schifferstein, H[endrik] (Hg.): Food, People and Society. […], Berlin u. a. 2001, 381–399. 127 Vgl. etwa Hobom, Barbara: Unmut über gentechnisch veränderte Kartoffeln. […], Frankfurter Allgemeine Zeitung 1998, Nr. v. 13.08. Differenziert-abwägend: Wiedlich, Susanne: Kontroverse um Gen-Kartoffeln. […], Süddeutsche Zeitung 1998, Nr. v. 18.08.

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gend zu sein. Die Befürworter verwiesen auf spezielle Laborbedingungen, die geringe Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse, deren falsche Deutung, schließlich auf vermeintliche Fälschungen Pusztais.128 Die Argumente wurden nicht gehört – im Gegenteil. Die unmittelbar folgende Entlassung des Mahners und Veröffentlichers geriet zum publizistischen Debakel, denn nun schien eine Kultur des Schweigens und Vertuschens, der Meinungsmache und der Heimlichkeit offenbar. Die Öffentlichkeit interessierte sich kaum für den nachfolgenden Streit der Experten. Sicherheitsprobleme der Gentechnik drangen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, insbesondere Probleme des Nachweises und der Kontrolle. Die bisherigen Debatten drangen von fern in die Bundesrepublik Deutschland. Das änderte sich im August 1998, als drittens hierzulande das erste gekennzeichnete gentechnisch veränderte Produkt, der Schokoriegel »Butterfinger« von Nestlé, auf den Markt gebracht wurde. Dieser Schoko-Mais-Snack wurde in den USA schon seit 1938 verkauft, doch nun stellte man ihn aus gentechnisch verändertem Mais her. Aufgrund der am 1. September 1998 in Kraft tretenden neuen Kennzeichnungsverordnung und der zunehmenden Probleme, gentechnisch nicht veränderten Mais einkaufen zu können, wurde Butterfinger bewusst zum Genpionier aufgebaut.129 Für den »US -Kultriegel« warb man gezielt in der jugendlichen Szene. Die Markteinführung geriet dennoch zum Fiasko. Die Umweltorganisation Greenpeace fand kurz vor dem offiziellen Start nicht gekennzeichnete Gen-Butterfinger in Münchner Tankstellen.130 Nestlé betonte, dass es sich um US -Importe handele, wie sie auch schon Anfang März 1998 entdeckt worden seien. In der Öffentlichkeit verdichtete sich jedoch der Eindruck, dass selbst der größte Lebensmittelhersteller der Welt nicht in der Lage sei, die Verbreitung der eigenen gentechnisch veränderten Produkte zu kontrollieren. Der Imageverlust war groß, auch wenn die Markteinführung dann technisch problemlos klappte. Der Riegel selbst entsprach dem US -Geschmack, war süß-salzig, relativ zäh und hart und kostete zudem teils mehr als drei DM.131 Der Butterfinger blieb in den Regalen liegen und wurde Mitte Juli 1999 vom deutschen Markt zurückgezogen.132 Abermals scheiterte ein gentechnisch verändertes Produkt am Geschmack und am Misstrauen der Konsumen 128 Vgl. Daniel, Hannelore: Von »politischen« Kartoffeln und deren Sicherheit, EU 46, 1999, 117; Küpper, Claudia: Lektin-Kartoffeln. Unnötige Verbraucherverunsicherung, EU 46, 1999, 274–275. 129 Vgl. Haum, Rüdiger: Vorfühlen mit Butterfinger. […], Die Tageszeitung taz 1998, Nr. v. 08.08.; Bub, Sabine: Schokoriegel als Gen-Pionier. Nestlé: Bald keine andere Wahl mehr, Neue Osnabrücker Zeitung 1998, Nr. v. 15.08.; Ebling, Sven: Greenpeace protestiert gegen NestléGen-Produkte. […], Junge Welt 1998, Nr. v. 01.09. 130 Genmanipulierter »Butterfinger«. […], Süddeutsche Zeitung 54, 1998, Nr. v. 26.08. 131 Vgl. etwa Kutter, Susanne: Klops schlucken. […], Wirtschaftswoche 1998, Nr. 37 v. 02.09.; Faltin, Thomas: Die Suche nach dem Gen. […], Stuttgarter Zeitung 1998, Nr. v. 22.09. 132 Gentechnik. Snack bekommt Nestlé schlecht, Frankfurter Rundschau 55, 1999, Nr. 161 v. 15.07., 11.

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ten. Doch nicht nur das: Parallel zum Genpionier floppte auch die Mehrzahl der sonstigen gentechnisch veränderten Lebensmittel. Die Verkaufskurven zeigten nicht exponentiell nach oben, sondern asymptotisch gegen Null. Die Akzeptanzprobleme manifestierten sich viertens in einer virtuellen Debatte über das deutsche Brot. Der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Bäckerhandwerkes verlautbarte im September 1998, dass Brot und Brötchen in Zukunft mit gentechnisch verändertem Mehl gebacken werden würden. Schließlich sei es nicht mehr möglich, zwischen konventioneller und gentechnisch veränderter Ware sicher zu scheiden. Die öffentliche Reaktion war vehement, eine allgemeine »Sorge um unser Brot«133 griff um sich. In einem Land, in dem das Bundesverfassungsgericht zuvor ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung garantiert hatte, sollte offenbar das Grundrecht auf selbst bestimmte Nahrungswahl wegen vermeintlicher Sachzwänge abgeschafft werden. Die Öffentlichkeit wollte sich damit nicht zufrieden geben. Fragen nach menschlichen Handlungsmöglichkeiten drangen vor: »Machen die Bäcker mit?«134 Die Bäckerbasis kündigte Widerstand an, stand doch der Ruf des als urtümlich, natürlich und gesund beworbenen Brotes auf dem Spiel.135 Auch Verbraucher- und Umweltschutzverbände sowie das Forschungsministerium zogen am gleichen Strang. Schnell ruderten die Bäckerfunktionäre zurück, betonten, dass Genmehl erst in einem Jahrzehnt den deutschen Markt prägen werde.136 Gentechnisch veränderter Weizen war schließlich auf dem deutschen Markt noch nicht verfügbar. Die Gegner sahen sich in ihren Warnungen bestätigt, forderten systematische Kennzeichnung. Die Folge war eine große Koalition für das konventionelle Brot.137 Die Öffentlichkeit hatte wiederum vor Augen geführt bekommen, dass Gentechnik selbst in Kernbereichen der Ernährung auf dem Vormarsch war, dass aber eine deutliche Reaktion diesem die Spitze brechen konnte. Schließlich erhielten fünftens Mitte Mai 1999 auch die von gentechnisch verändertem Mais ausgehenden Umweltgefahren ein medial verdichtetes Bild. Eine Laborstudie der Cornell University berichtete über den Tod von Schmetterlingsraupen, die mit gentechnisch veränderten Pollen des Bt-Maises gefüttert worden waren.138 Die Firma Novartis bestätigte dieses Ergebnis, bat jedoch um eine rationale Abwägung von Nutzen und Schaden der Bt-Mais-Strategie. Eigene Freilandversuche hätten jedenfalls keine negativen Ereignisse er 133 Sorge um unser Brot. […], Hamburger Abendblatt 1998, Nr. v. 23.09. 134 Grosse, Angela: Machen die Bäcker mit? […], Hamburger Abendblatt 1998, Nr. v. 23.09. 135 Die Berliner Bäcker wollen sich wehren, Berliner Kurier 1998, Nr. v. 23.09. 136 Gen-Brötchen: Bäcker-Verband nahm den Mund zu voll, Kölnische Rundschau 1998, Nr. v. 24.09.; Bäcker dementieren Trend zum Gen-Mehl, Generalanzeiger (Bonn) 1998, Nr. v. 24.09. 137 Vgl. »Gen-Mehl künftig kennzeichnen«, Saarbrücker Zeitung 1998, Nr. v. 25.09. 138 Rögener, Wiebke: Tödlicher Gentech-Blütenstaub. […], Süddeutsche Zeitung 55, 1999, Nr. 117 v. 25.05., V2/9.

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bracht. Die offenkundigen Probleme wirksamer Insektenbekämpfung wurden verdrängt, tote Schmetterlinge konnte man nicht ertragen. Das Gemüt des Lesers war getroffen, erlaubt relativer Reichtum doch ästhetischen Schein gerade im Lebensmittelsektor. Mitte 1999 waren damit die Marktchancen für gentechnisch veränderte Lebensmittel in Deutschland geschwunden – und bis heute lehnt eine qualifizierte Mehrheit Konsum und Anbau ab.139 Für eine Wissensgeschichte künstlicher Kost spiegelt sich hierin erstens die Entfremdung zentraler Debatten von realen Problemlagen, insbesondere einer stetig intensivierten Landwirtschaft. Gentechnik mochte neue Produkte hervorbringen, doch wesentlich wichtiger war die Produktion von Imaginationen. Wieder einmal stand das Ideal der »Natur« gegen das der »Kultur« und des »schaffenden Menschen« (Kap. 6.5.3). Zweitens aber dokumentierte die Debatte die Selbstreferenzialität der Experten. Befürworter und Gegner, Experten und Gegenexperten debattierten sämtlich auf gleicher kognitiver Basis und waren lediglich an ihren Bewertungsparametern zu unterscheiden. Die Fachdebatten ließen die Mehrzahl der Konsumenten außen vor, die Kombattanten genügen einander und sich selbst. Beide Lager lamentierten folgerichtig über die in ihrem Sinne jeweils unaufgeklärte Masse. Drittens spiegelt die Debatte über Gentechnik indirekt, wie weit künstliche Kost derweil global vorgedrungen ist. Mais und Soja, die weltweit am häufigsten genutzten Lebensmittelzusätze, waren 2016 zu 26 % bzw. 78 % gentechnisch verändert.140 Die Europäer können es sich aufgrund ihres Reichtums leisten, auf diese Form intensivierter Landwirtschaft zu verzichten.141 Viertens thematisieren die Debatten über künstliche Kost nicht nur Lebensmittel und Agrartechnologien, sondern die Stellung des Menschen in der Zeit. Die Auseinandersetzung um Gentechnik diente auch der Etablierung von Geschichtsbildern, in dem die Ordnungsleistungen naturwissenschaftlicher Konzepte schlicht negiert werden. Diese Kulturbedeutung der Debatte über künstliche Kost ist zentral – nicht nur für Historiker. Anders als die grüne Gentechnik weist der ökologische Landbau in Deutschland eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte auf. Sein neuerlicher Anstieg begann in den 1970er Jahren mit der Etablierung von Anbauverbänden, die für Imagebildung und Absatzstrukturen entscheidend waren.142 Seither gewann er 139 Http://de.statista.com/statistik/daten/studie/37271/[…] [2014–12–22]; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6851/[…] [2017-07-24]. 140 Http://www.transgen.de/anbau/592.gentechnisch-veraenderte-pflanzen-anbauflaechen. html [27.07.2017]. 141 Zu den Regulierungen vgl. Schauzu, M[arianna]: Genetisch veränderte Pflanzen und Lebensmittelsicherheit. Zum Stand der Entwicklung und der Diskussion in der Europäischen Union, Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 47, 2004, 826–833. 142 Vgl. Böckenhoff, Ewald/Hamm, Ulrich: Perspektiven des Marktes für alternativ erzeugte Nahrungsmittel, Berichte über Landwirtschaft NF 61, 1983, 345–381.

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immer größere Anteile an der landwirtschaftlichen genutzten Fläche. Sie stieg von 1,6 % 1994 über 2,7 % 1999 und 4,9 % 2006 auf 6,3 % 2013 und 7,5 % 2016.143 Die BSE-Krise 2000/01 und die dann einsetzende, zwischenzeitlich allerdings wieder reduzierte staatliche Förderung, beschleunigten das Wachstum, waren aber keine entscheidenden Pushfaktoren.144 Schließlich wuchs der Absatz von Biokost  – trotz des Nitrofenskandals 2002145  – in der letzten Dekade schneller als der des heimischen Anbaus. 2003 wurden 3,1 Mrd. € für Biolebensmittel ausgegeben, 734.027 ha ökologisch bewirtschaftet; 2013 waren dann 7,55 Mrd. € und 1.060.669 ha und 2016 schließlich 9,48 Mrd. € und 1.251.30 ha.146 Diese Hinwendung zu »natürlichen«, gesunden und umweltbewussten Produkten speiste sich nicht allein aus der Unsicherheit über die Qualität künstlicher Kost und einer Kritik an Zusatzstoffen verschiedenster Herkunft. Sie koppelte vielmehr unterschiedliche historische Entwicklungen, die gegenwärtig zusammenlaufen und vom Handel entscheidend gefördert werden. Dabei verschwimmen die über ein Jahrhundert lang strikten Frontlinien zwischen Vegetarismus und Durchschnittskost, zwischen einer alternativen und einer konventionellen Ernährung (Kap. 3.6 und Kap. 6.5.1). Angesichts der mit breit gefassten Marktsegmentierungen verbundenen Pluralisierung der Kostformen ist dies erst einmal kaum verwunderlich, definiert sich alternative Ernährung doch schon begrifflich als Gegenentwurf zur »normalen« Kost. Alternative Ernährung und der Kauf von Biokost mussten lange Zeit über begründet werden. Lebensreformer und Vegetarier führten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein vornehmlich ethische und gesundheitliche Argumente an (Kap. 3.6.1). Seit den 1970er Jahren haben drittens ökologische Begründungen stark an Bedeutung gewonnen.147 Umweltschutz, Ernährungsökologie, Nachhaltigkeits- und Klimaschutzdebatte bewirkten seither eine immer breitere Sensibilisierung für die Folgen des Alltagshandelns.148 Gemeinwohlorientierte und individuelle Nutzenüberlegungen wurden nun gekoppelt. Anderes Handeln und 143 Http://www.ugrdl.de/tab55 [22.12.2014]; https://www.oekolandbau.de/service/zahlendaten-fakten/zahlen-zum-oekolandbau/ [24.07.2017]. 144 Vgl. hierzu Kluge, Ulrich: Ökowende. Agrarpolitik zwischen Reform und Rinderwahnsinn, Berlin 2001. 145 Bilanzbericht zum »Nitrofen«-Geschehen im Mai/Juni 2002 in Deutschland, hg. v. Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Bonn 2002. 146 Http://news.kpmg.de/bio-damals-und-heute/ [22.12.2014]; Die Bio-Branche 2017. Zahlen, Daten, Fakten, hg. v. Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Berlin 2017, 3. 147 Zur Vorgeschichte vgl. Bramwell, Anna: Ecology in the 20th Century. A History, New Haven/London 1989. 148 Vgl. Leitzmann, C[laus]/Spitzmüller, E[va] M[aria]: Ernährungsökologie – eine ganzheitliche Betrachtung des Ernährungssystems, in: Diederichsen, Iwer (Hg.): Humanernährung. Ein interdisziplinäres Lehrbuch, Darmstadt 1995, 121–152; Koerber, Karl v./Kretschmer, J[ürgen]: Der Anspruch auf Nachhaltigkeit im Ernährungsbereich. Wie zukunftsfähig ist unser Ernährungsstil?, AID -Verbraucherdienst 44, 1998, 88–95.

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anderes Essen schienen notwendig, um Lebensqualität auch in Zukunft garantieren zu können. Doch so zutreffend diese Argumente sein mochten, so waren sie doch zu kognitiv-wissenschaftlich, um direkte Handlungen der Mehrzahl zu bewirken. Und die Folgen »falschen« Essens manifestierten sich zeitlich so fern, dass kaum Anlass zum Handeln bestand. Seit den 1990er Jahren erweiterte sich das Feld der Begründungen neuerlich. Genuss und Geschmack, Wellness und persönlicher Lustgewinn wurden handlungsanleitend.149 Ethische und ökologische Begründungen verloren relativ an Gewicht. Diese Entwicklung erlaubte, Biokost zeichenhaft in das kulturelle Spiel der Mehrheit zu integrieren. Sie kennzeichnete nicht länger eine alternative Lebensweise, sondern einen modernen Lebensstil. Biokost wurde ein Angebot unter vielen, das man zeitweilig aufgreifen und nutzen konnte, ohne damit weitergehende Verpflichtungen einzugehen. Sie besaß hohes Sozialprestige, dokumentierte einen reflektierten, zukunftsgewandten und doch erdverbundenen Essstil. Als Teil einer geselligen Kultur drang sie in die Restaurant- und Gourmetküche vor. Wer anders aß, war in – aber eben nur, weil er nur ab und an anders aß und jederzeit zur »normalen« Kost zurückkehren konnte. Alternative Ernährung wurde zum kleinen Abenteuer im Alltag, mit dem man sich etwas Gutes tun und zugleich sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber Um- und Nachwelt stilisieren konnte. An die Stelle des Vegetariers oder der Vollwertköstler traten der Freizeitvegetarier und der Freizeitvollwertköstler.150 Biokost wurde aufgrund ihres geringen Verpflichtungsgrades deutlich anders bewertet als die Kost der bewegten Alternativen. Schon in den späten 1990er Jahren besaß sie einen sehr hohen Bekanntheitsgrad (95 %) und ein zunehmend positives Image.151 Hohe Produktqualität und Rückstandsfreiheit wurden geschätzt. Fragen allgemeiner Nachhaltigkeit, insbesondere im Umweltschutz, traten dagegen zurück. Veränderte Kaufmotive führten auch zu veränderten Käuferstrukturen. Das Wachstum konzentrierte sich anfangs stark auf ältere Konsumenten, eine Verjüngung erfolgte erst wieder im 21. Jahrhundert: 1984 kauften 12 % der 50–64-Jährigen und 15 % der über 64-Jährigen Bioprodukte, 1999 lagen diese Anteile bei jeweils 30 %.152 Parallel schwand allerdings die Bereitschaft, für Bioprodukte deutlich höhere Preise zu zahlen, also einen 149 Vgl. etwa Schneider, Roland/Kirschner, Wolf: Ernährung und »Wellness«. Eine repräsentative Befragung in Deutschland, EU 42, 1995, 287–288; Ernährungstrends 2000+. Qualitative Wirkungsanalyse zu Eßkultur und Ernährung, Hamburg 1998; Ernährung in Deutschland. Gut essen – gesund leben. Nestlé-Studie zur Anuga 1999, Frankfurt a. M. 1999. 150 Vgl. Molyneaux, Maryellen: The Changing Face of Organic Consumers, FT 2007, Nr. 11, 22–26. 151 Bruhn, 2001. 152 Bruhn, Maike/Alvensleben, Raimar v.: Die langfristige Entwicklung der Verbrauchereinstellungen zu Bioprodukten. Paper e. Tagung der GEWISOLA und SFER , Straßburg 12./ 13.10.2000 (Ms.).

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Abschlag für die abstrakte gute Sache zu leisten. Wer damals Biokost aß, wollte Geschmack und Qualität, diese aber sollten nicht allzu teuer sein. Die Kunden – meist überdurchschnittlich gebildete, aus bürgerlichem, technokratischliberalem Milieu stammende Personen – trafen damit einen »Megatrend«. Eine »ökologische Ernährungskultur«153 setzte auf »natürliche« Produkte und unverfälschten Geschmack in angenehmem, stimmigem Ambiente – ähnlich wie die in den 1970er Jahren auch in Deutschland rezipierte Nouvelle Cuisine. Die Trennungslinien zwischen den Konsumentengruppen wurden schwächer, parallel nutzen regionale Ökoanbieter, Ernährungsindustrie und der Lebensmittelhandel gleichermaßen die in der Biorohware steckenden Marktchancen. Diese Entwicklung gründete auf der von der großen Mehrzahl der Verbraucher inkorporierten Vorstellung einer naturnahen und qualitativ hochwertigen Agrarproduktion. In Zeiten der zunehmend wahrgenommenen Globalisierung wuchs die Attraktivität überschaubarer Kreislaufsysteme, nicht zuletzt um die Modernisierungsfolgen gering zu halten.154 Hier gilt es nun nicht seit den 1970er Jahren anhebende Debatten über die Vor- und Nachteile des ökologischen Landbaus und von Biokost nachzuzeichnen.155 Mit dem Kauf von Bioprodukten erhält der Konsument heute Ware mit geringerer Nitrat- und Pestizidbelastung und mit weniger, vor allem aber anderen Zusatzstoffen. Von »natürlichen« Prozessen aber kann keine Rede sein. Die Agrarproduktion wurde 1991 EU-weit geregelt, seit 1999 bestehen internationale Regeln des Codex Alimentarius, innerhalb Deutschlands gelten seit 2001 die Normen der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau, einzelne Anbauverbände, insbesondere Bioland und Demeter, banden sich selbst an höhere Standards.156 Sie werden durch interne Qualitätskontrollsysteme überprüft, daneben treten zertifizierte Kontrollstellen auf Basis von EU-Normen. Die Begriffsfelder Öko und Bio wurden rechtlich normiert, zahlreiche Bio-Siegel, insbesondere das Ende 2001 eingeführte nationale Bio-Label, garantieren Produkt- und Prozessqualität. Die Ordnungsleistung dieser Maßnahmen und die vom Stoffparadigma geprägten Kriterien unterscheiden sich strukturell nicht von denen konventioneller Lebensmittel. Biokost ist Teil der Geschichte künstlicher Kost, auch wenn ihre Anbieter durch erhöhte Arbeits- und Kommunikationsleistung dazu beitragen, Produktions 153 Meier-Ploeger, Angelika: Ökologische Lebensmittelqualität und Ernährungskultur, Ökologie & Landbau 117, 2001, 35–37. 154 Tapesser, Beatrix: Globalisierung in der Speisekammer, Bd. 1: Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung im Bedürfnisfeld Ernährung, Freiburg i. Br. o. J. (1999). 155 Diehl, 1979; Ahrenhofer, Ulla/Vogtmann, Hartmut/Spickschen, Ingolf: Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel. »alternativ« [sic!] und »modern« im Vergleich, hg. v. aid, Bonn 1985; Vetter, Heinz u. a.: Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel. »alternativ« [sic!] und »modern« im Vergleich, hg. v. aid, Bonn 1986. 156 Vgl. Juretzko, Birgit/Heinis, Monika/Klein, Britta: Lebensmittel aus ökologischem Landbau, hg. v. aid, 10. überarb. Aufl., Bonn 2001, 10–12.

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prozesse transparent zu halten. Biokost steht für einen reflektierten Umgang mit dem neuen Wissen des 19. Jahrhunderts, zugleich aber für eine neue Form der Ästhetisierung und einen die historischen Häutungen gerade der Alternativwirtschaft überdeckenden »Natur«-Bezug. Die derart mögliche Entkoppelung von Ernährungs- und Lebensweise ebnete der Biokost den Weg in die Gastronomie und den Lebensmitteleinzelhandel. Zugleich konnte die Produktpalette dem konventionellen Angebot angeglichen werden. Der parallele Wandel von der Nouvelle Cuisine hin zu einer ökologisch korrekten Spitzenkochkunst wurde schon angesprochen. Die 1986 gegründeten Organisationen Eurotoques und Slowfood trugen diesen Trend bis in jede mittlere Stadt hinein. Zwischen Städten, Gastgewerbe und Biobauern wurden Abkommen geschlossen, Schulungen und kulinarische Wochen mit regionaler Bioküche gehörten parteiübergreifend zur Daseinsfürsorge. Doch auch abseits des bürgerlichen Gaumenschmauses zeigten sich Veränderungen. Seitdem auf dem Münchener Oktoberfest 1999 erstmals Bio-Weißwürste, Öko-Krautwickel, und dann auch Bioland-Hendl angeboten wurden, sickerte Bio auch in FastfoodSegmente. Im Zeitraffer konnte man die Veränderungen erleben, die zwischen 1955 und 1975 zum Ende der Tante-Emma-Läden geführt hatten (Kap. 6.4.1).157 Der anfangs mit fast 50 % Marktanteil noch starke Bio-Fachhandel veränderte sich mit dem Aufkommen filialisierter Biosupermärkte tiefgreifend, das eigentliche Wachstum aber erfolgte im Lebensmittelhandel und den Discountern. Die Vollzeitalternativen sind in der Defensive, die Teilzeitalternativen verändern deren Einkaufsstätten. Das Sortiment wurde neu gestaltet: Wachstumspotentiale lagen nicht in den traditionellen Produktsegmenten, etwa den selbst zu mahlenden Getreideprodukten, sondern bei Obst und Gemüse, bei Käse, Fleisch und Wurst. Besondere Bedeutung gewannen Feinkost und Babynahrung, Fertiggerichte, Konserven, Snacks und Tiefkühlprodukte.158 2007 trugen fast 42.000 Produkte das Bio-Siegel, 2017 waren es knapp 77.000.159 Die Öffnung des Bio-Angebotes bedeutete den Übergang hin zu stärker verarbeiteten Produkten mit wachsendem Conveniencegrad. Ohne Label und wissenschaftliche Expertise ist Biokost kaum mehr von konventioneller Ware zu unterscheiden. Geschmack und Bequemlichkeit gibt es nun auch in Bioqualität. Biokost 157 Reuter, Katharina: Die Ökomärkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Berlin 2002; Zahlen, Daten, Fakten. Die Biobranche 2008, hg. v. Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Berlin 2008, 18–21. Zugleich wurde Unternehmenshagiographie üblich, so etwa Heldberg, Helma: Die Müsli-Macher. Erfolgsgeschichten des Biomarktes und seiner Pioniere, München 2008. 158 Vgl. Wendler-Hülse, Irene: Anuga 1999. Speisen zur Jahrtausendwende: rasch auf dem Teller, der Gesundheit förderlich, EU 46, 1999, 460–461, hier 460. 159 Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland 2007, Münster-Hiltrup 2007, 192; http://oekolandbau.de/bio-siegel/ [2017-07-24].

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basiert auf einer Premium-Rohware und wird vorrangig als künstliche Kost mit hohem Sozialprestige und gutem Gewissen konsumiert. Was bleibt, ist eine moralisch hochstehende Als-ob-Ernährung, eine Abschlagszahlung zum Beleg guten Willens.

7.4 Lebensmittel als Heilmittel: Functional Food und Mood Food Im Spannungsfeld von alternativer Ernährung und Biokost manifestiert sich eine Grunddichotomie des Wissensfeldes Ernährung, nämlich der Gegensatz von anders essen oder aber anderes essen. Künstliche Kost setzt nicht auf das subjektive Wissen eines vom Einzelnen bestimmten Koch- und Esshandelns, sondern auf das Angebot und den Verkauf wissensbasierter Produkte, mit deren Konsum der Einzelne sich nicht nur nähren, sondern auch gesund ernähren kann. Darauf gründeten nicht zuletzt die seit den 1990er Jahren als neu propagierten Angebote von Functional und Mood Food, deren Anspruch es ist, die körperliche und die geistige Leistungsfähigkeit des Einzelnen optimieren zu können. Functional Food ist das in den letzten Dekaden sicher am stärksten beworbene und propagierte Produkt- und Vermarktungskonzept der Lebensmittelindustrie. Es ist, nicht zuletzt mangels eindeutiger rechtlicher Normen, bis heute breit gefächert. Die Zahl einschlägiger Bezeichnungen weist über designer food, prescriptive food, pharma food und wellness food hin zu medical food, phytochemicals bzw. nutraceuticals. Diese Wortlawine macht deutlich: Functional Food liegt in einem Grenzbereich von Ernährung und Arznei.160 Diese allgemeine Bezeichnung ist Programm: Es handelt sich um Lebensmittel mit Zusatznutzen. Sie sollen nicht mehr primär nähren, sondern gezielt Gesundheit fördern bzw. die Funktions- und Leistungsfähigkeit gewährleisten. Um konventionelle Lebensmittel zu Functional Food zu machen, werden nach Definition des europäischen Fufose-Projektes erstens Stoffe mit unerwünschten Effekten entfernt, wird zweitens die Konzentration eines natürlichen Inhaltsstoffes mit positiven Wirkungen erhöht, werden drittens neue Stoffe zugefügt, viertens andere substituiert oder aber fünftens die Bioverfügbarkeit bestimmter Stoffe gesteigert.161 Das Stoffparadigma leitet offenkundig die Definition dieses Lebens 160 Fürst, Peter: Nahrung als Arznei – der Übergang vom Nährstoff zum Pharmakon, EU 40, 1993, 364–369. Vgl. auch Heasman, Michael/Melletin, Julian: The Functional Foods Revolution. Healthy People, healthy profits?, London/Sterling 2001. 161 Diplock, A[nthony] T. u. a.: Scientific Concepts of Functional Foods in Europe. Consensus Document, British Journal of Nutrition 81, 1999, Supplbd. 1, S1-S27; Menrad, Martina u. a.: Technology Assessment Functional Food, hg. v. Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat, o. O. 2000, 15. Um Neudefinitionen wird weiter gerungen, vgl. Martirosyan,

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mittelsegments. Stoffe werden mit gesundheitlichen Wirkungen verbunden, umfangreiche Studien hierzu angefertigt. Ihr Wirkungsgehalt wird kommuniziert, dann ein hochpreisiges Produkt vermarktet.162 Diese Variante künstlicher Kost ist nicht nur eine Konsequenz gesättigter Märkte, in denen nur Innovationen neue Wertschöpfung generieren können. Sie ist auch Folge einer wissensbasierten Ausdifferenzierung der Lebensmittelindustrie. Forschung und Entwicklung werden Spezialisten übertragen, die in der Regel weltweit agieren und somit Trends global nutzen. Die Produzenten kaufen in der Regel Gesamtpakete, die nicht nur Grundstoffe, sondern auch Qualitätskontrollen und Vermarktungsstrategien umfassen. Der Innovationsanspruch von Functional Food sollte jedoch nicht irreführen.163 Die Anfänge des Konzeptes liegen im späten 19. Jahrhundert. Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es ähnliche Problemlagen wie heute – und auch ähnliche Antworten. Doch die Produzenten von Joghurt und Nährsalzpräparaten, fortifizierter Brote oder jodierter Grundnahrungsmittel zielten zumeist auf begrenzte Segmente und traten nicht mit dem Anspruch einer Umgestaltung bestehender Ernährungsweisen auf. Das ist seit den 1990er Jahren anders. Bei Functional Food handelt es sich zuerst einmal um eine »rationale« Veränderung von Lebensmitteln durch fachlich ausgewiesene Experten in Wirtschaft und Wissenschaft. Ende der 1990er Jahre prognostizierten Marktforscher Marktanteile von bis zu 20 %, vereinzelt war gar von 50 % zu lesen.164 Diese Euphorie verflog schnell. Selbst das einstige Erfolgsprodukt, der 1996 von Nestlé eingeführte LC1 Joghurt, stürzte rasch ab. Genaue Marktdaten sind mangels präziser rechtlicher Definition schwierig, doch auch die höchsten Schätzungen gingen für Deutschland von 2006–2009 von ca. 4,5 Mrd. € aus, also etwa 3,5 % des Gesamtmarktes.165 Derart globale Daten verzerren jedoch die Bedeutung dieses »Multinischenmarktes«166, in dem einige Branchen hohe Functional Danik M./Singh, Jaishree: A new definition of functional food by FFC: what makes a new definition unique?, Functional Foods in Health and Disease 5, 2015, 209–223. 162 Siró, István u. a.: Functional food. Product development, marketing and consumer acceptance – A review, Appetite 51, 2008, 456–467. 163 Hierzu detailliert Spiekermann, Uwe: Functional Food: Zur Vorgeschichte einer »modernen« Produktgruppe, EU 49, 2002, 182–188. 164 Spiekermann, Uwe: Der Markt für Functional Food. Überblick, Bedeutung und Perspektiven, Internationaler Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens. Mitteilungen H. 8, 2001, 25–36, hier 25. 165 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/173289/[…] [2017-07-27]. Der demgegenüber kaum diskutierte Markt der Halal-Produkte ist mit geschätzten 5 Mrd. € deutlich größer. Vgl. auch Sloan, A. Elizabeth: Top 10 Functional Food Trends, FT 70, 2016, Nr. 4, 24–26, 29–30, 33–34, 37–41. 166 Menrad, Klaus: Die Zukunft von Functional Food aus der Perspektive der Wissenschaft, in: Gedrich, Kurt/Karg, Georg/Oltersdorf, Ulrich (Hg.): Functional Food  – Forschung, Entwicklung und Verbraucherakzeptanz, Karlsruhe 2005, 53–80, hier 73.

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Food-Anteile aufweisen und zugleich Profil und Image dieser Produktgruppe prägen. In Deutschland sind Backwaren, nicht alkoholische Getränke sowie insbesondere Milchprodukte zu nennen. Auch komplexere Produkte, wie cholesterinsenkende Streichfette, haben eine Käuferreichweite von immerhin 7 %.167 In diesen Nischen wird ein sehr zyklisches, gleichwohl überdurchschnittliches Wachstum erzielt, auch wenn Innovationsdruck und Flopraten hoch sind. Eigenmarken des hier schwachen Handels erhöhen den Preisdruck. Für eine Wissensgeschichte künstlicher Kost ist entscheidend, dass mit Functional Food versucht wird, den Platz von Naturwissenschaft und Technik im Handlungsfeld Ernährung deutlich auszuweiten.168 Die Logik der Alltagsernährung ist an sich einfach: Essen ist eine nicht delegierbare Handlung. Das Einverleiben von Nahrung ist ein intimer Akt, in dem sich der Einzelne sinnlich erfährt und ausdrückt, wer er ist und wer er sein möchte. Folgt man Grundprinzipien der Subsidiarität, so besteht erst einmal kein Grund, warum diese bewährte Struktur der Eigenverantwortung für alltägliches Essen verändert und durch Experten umstrukturiert werden sollte. Diese haben eine indirekte Aufgabe, nämlich Klarheit über die wahrscheinlichen Folgen des Konsums bestimmter Lebensmittel und Speisen zu schaffen. Ihre Expertise erlaubt zugleich, Lebensmittelangebot und -sicherheit im Rahmen verfügbarer und akzeptierter Technik zu optimieren. Es gilt, Optionen vermeintlich »richtiger« Ernährung aufzuzeigen, wobei der Einzelne diese aufgreifen kann, aber nicht muss, wenn sie mit seiner Vorstellung einer »richtigen« und »guten« Ernährung in Konflikt stehen. Das ist Freiheit, auch wenn diese an Selbst- und Fremdverantwortung rückgebunden sein sollte. Functional Food zielt auf die Optimierung eben dieses Kerns selbst bestimmter Alltagspraxis. Hier werden nicht nur virtuos Stoffe zu neuen Produkten und Produktbotschaften kombiniert, sondern es handelt sich vorrangig um eine Substitution von Wissen und Kompetenzen. Die Sorge für die tägliche Kost soll – so die implizite Botschaft – vernünftigerweise auf Experten und ihre Produkte übertragen werden. Die Komplexität des Lebens und auch gesunder Ernährung mag den Einzelnen überfordern, doch mit Vertrauen auf überlegene wissenschaftliche Expertise und dem Kauf einschlägiger Produkte kann dies sinnvoll und rational geordnet werden. Individuelles Wissen um die Vielfalt und Fährnisse des Essalltages wird tendenziell durch abstraktes, objektiviertes Wissen um die Wirkungen von Stoffen ersetzt. Zugleich diffundiert die naturwis 167 Bär, Claudia: Wellness portionsweise, LZ 2007, Nr. 9 v. 02.03., 40, 42–43, hier 40. Zur Marktstruktur vgl. Vossen, Manfred: Großer Schluck Gesundheit, LZ 2007, Nr. 13 v. 13.03., 38, 40. 168 Vgl. hierzu, wie auch im Folgenden, Spiekermann, Uwe: Zwischen Wissenschaft und Alltagskost. Funktionelle Lebensmittel auf dem Prüfstand, Ernährung/Nutrition 31, 2007, 364–370.

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Abb. 108: Bedeutungstransfer – Werbung für Bio-Tomaten des Filialisten Tegut

senschaftliche Grundidee, chemisch definierte Inhaltsstoffe seien die eigentlich Wert gebenden Kriterien von Lebensmitteln. Functional Food verweist über die technisch-naturwissenschaftliche Namensbildung, die Verwendung spezifischer Verpackungen und die Farbgebung der Produkte auf die kühl-sachliche Aura der Naturwissenschaft, spielt so mit dem Gedanken des Laboratoriums als Keimzelle gesunder Lebensmittel und gestaltbarer Körper.169 Diese implizite Botschaft lenkt auch das Verständnis von anderer Lebensmittel. Die Werbung für Bioprodukte greift die Grund­logik von Functional Food explizit auf, ebenso die als »vegan« vermarktete künstliche Kost.170 Zugleich erlaubt die Sorge um die Körpermodellierung den Brückenschlag zu Diätprodukten. Die Botschaft ist einfach: In Produkte geronnene Expertise kann entscheidende Hilfestellungen für körperliche Probleme bieten, dagegen tritt eigenes oder gemeinsames Tun in den Hintergrund. Functional Food schafft eine Aura der wissenschaftlich begründeten Entlastung, die auch die Grenzen prototypisch gesunder Produkte überschreitet. Sie wird so etwa zum modischen Trendsetter im Verpackungsdesign. Functional Food wird als innovativ beworben, zielt aber vornehmlich auf die Bewahrung des konsumtiven Status Quo. Die wissenschaftlich-technologi 169 Überlappungen gibt es auch zum Markt von Nahrungsergänzungsmitteln, vgl. Trenz, Tanja: Gesundheitsmarkt heiß umkämpft, LZ 2006, Nr. 42 v. 20.10., 12. 170 Englert, Heike/Siebert, Sigrid (Hg.): Vegane Ernährung, Bern 2016, insb. Kap. 5 und 6.

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sche Utopie lebt von dem Versprechen »passgenaue Produkte für die jeweilige Lebensweise herzustellen, damit diese ohne große Änderung beibehalten werden kann.«171 Die stoffliche Veränderung wirkt teils wie eine implizite Naschund Genusserlaubnis, indem die Wertigkeit unterschiedlicher Lebensmittel von den Makrostoffen auf die Mikrostoffe gelenkt wird. So kann man prototypisch falsch handeln und sich doch richtig ernähren. Fortifizierte Schokolade ist primär gesund und nicht vorrangig fett; und der Fettsäurenzusatz lässt den hohen Anteil von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin des Omega-3-Eies fast vergessen.172 Handlungsrelevante Überlegungen einer immer wieder zu variierenden zuträglichen Lebensmittelauswahl treten zurück, praktische Veränderungen mit all den dort möglichen Erfahrungen ebenso. Hier liegt nun auch ein Grund für die ambivalente, im Kern aber sehr wohl kritische Haltung der Ernährungswissenschaften. Zum einen müssen Zielkonflikte zwischen der Zufuhr bestimmter Stoffe letztlich doch entschieden werden. Für den Konsumenten stehen wissenschaftliche Stellungnahmen sich jedoch einander ausschließend gegenüber. Die Stellung von Wissenschaft als Ordnungsinstanz wird unterminiert, da Functional Food Eindeutigkeit suggeriert, die es so nicht geben kann. Dadurch steigt die Bedeutung politischer Entscheidungsmacht. Zum anderen führt die Delegation von Wissen und Kompetenz auf Experten dazu, dass die für die Ernährungsberatung zentralen Kategorien des praktischen Wissens sowie der Alltagskompetenzen ebenfalls geschwächt werden. Nicht die Kulturtechnik Essen mit all ihren Fertigkeiten und Finessen, Fallstricken und Verführungen gilt es zu beachten, wichtig erscheint vielmehr die Kernkompetenz eines produktkundigen und Label dechiffrierenden Konsumenten, der aus Vorgegebenem wählt, das ihm Zuträgliche nicht mehr zubereiten muss und schließlich nicht mehr zubereiten kann. Functional Food schafft somit eine neuartige, wenngleich virtuelle Gemeinschaft der Wissenden bzw. von Konsumenten gemeinsamer Überzeugungen. Dies aber hat gesellschaftliche Konsequenzen. Functional Food ist hochpreisig und wissensbasiert, unterstützt und manifestiert somit – ebenso wie Bioprodukte (»Nature Food«!?) – bestehende soziale Unterschiede in der Ernährung. Sie werden so materiell begründet, und die impliziten moralischen Botschaften leisten andersartigen Ausgrenzungen Vorschub. Dies gilt insbesondere für das gerade auf Studierende und Freizeitsportler zielende sog. Performance Food, das für Arme eben nicht gedacht ist. Diese soziale Marktsegmentierung fin-

171 Spiekermann, Uwe: Nahrung und Kultur, in: Zwischen Öko-Kost und Designer-Food: Ernährung im 21. Jahrhundert, Bonn 1999, 7–13, hier 9. 172 Vgl. Schokolade zur Vorbeugung von Krankheiten. […], Frankfurter Allgemeine Zeitung 2006, Nr. 140 v. 20.06., 16; Heimig, Dieter: Die leichten Sweets, LZ 2005, Nr. 42 v. 21.10., 44, 46.

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det sich übrigens auch auf der Ebene globaler Produktstrategien, unterscheiden sich die Angebotsstrukturen für arme und reiche Länder doch grundlegend voneinander.173 Die mit dieser künstlichen Kost verbundene Delegation von Wissen und Handlungskompetenz hat demnach tiefgreifende, wenngleich vorrangig indirekte Rückwirkungen auf die Alltagskost. Abseits der wichtigen, allein aber zu eng gefassten Analyse einzelner Produkte oder spezifischer Anwendungsmöglichkeiten werden Veränderungen ansatzweise verständlich, die im Rahmen ernährungsbezogener Gesundheitsprävention vielfach beklagt werden, etwa beim Kochvermögen, dem Geschmackssinn und der Qualitätsbewertung von Grundnahrungsmitteln. Das erscheint paradox, wird doch Gesundheit durch Functional Food scheinbar forciert. Ohne den assoziativen Gleichklang Ernährung und Gesundheit kann schließlich kein »Zusatznutzen« als Lösung von Gesundheitsproblemen vermarktet werden. Was aber ist Gesundheit? Ohne inhaltliche Füllung, ohne konkreten Rückbezug auf die Lebenssituation konkreter Menschen handelt es sich um ein Sprachspiel mit einem inhaltleeren Containerbegriff. Functional Food impliziert Gesundheit vornehmlich im Sinne der optimalen Funktionsfähigkeit und Laufdauer der Biomaschine Mensch. Nicht die Umstellung von Essen und Leben zugunsten eines breiter gefassten »gesunden« Lebensstils steht hier zur Debatte. Statt anders zu essen, gilt es, anderes zu kaufen. So werden andere Dimensionen, etwa soziale oder ökologische, ökonomische oder psychologische in den Hintergrund gedrängt. Dies gilt auch für die eindimensionalen Debatten über vermeintliche Health Claims, die zwar intensiv und kontrovers geführt werden, obwohl hier weniger über »Gesundheit« gesprochen wird als über Physiologie und Stoffprofile.174 Der Marktbezug macht es zugleich unabdingbar, dass die andere Seite der Medaille, also Angst, Schmerz, Krankheit, körperlicher Verfall und Tod nicht eigens thematisiert werden, die gesundheitsbezogene Kommunikation über Functional Food ein breites und realistisches Verständnis von Gesundheit/Krankheit tendenziell ausschließt. Gesundheit kommt von außen, der Körper kann gefördert und gestaltet werden – so die implizite Botschaft der Produkte. Die Ernährungswissenschaft hat gegenüber der vermeintlichen Functional Food-Revolution zumeist kritische Distanz bewahrt. Doch ihre Argumente konzentrieren sich gleichermaßen auf physiologisch-stoffliche Aspekte, um 173 Chwallek, Andreas: Nestlé übt den weltweiten Spagat, LZ 2007, Nr. 9 v. 02.03., 18. 174 Vgl. zur Debatte Mur[mann, Christoph]: Neue Regeln für wachsenden Markt. ­HealthClaims-Verordnung verändert Bedingungen für Design und Werbung, LZ 2007, Nr. 14 v. 05.04., 30; Sadler, M[ichele] J.: Regulatory developments with European health claims, in: Dies. (Hg.): Food, Nutrients and Food Ingredients with Authorized EU Health Claims, Bd. 2, Amsterdam u. a. 2015, 1–27.

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greifen kaum die mit den Angeboten gekoppelten Vorstellungen von »richtiger« Ernährung, gutem Leben und schönen Körpern.175 Es handelt sich um Kritik auf gleicher Augenhöhe, nicht um strukturelle Rückfragen an die alltäglichen Konsequenzen derartiger Konzepte und Produkte. Das mit diesen Ratschlägen einhergehende relative Desinteresse an der anderen Rationalität, an den anderen Dimensionen und Herausforderungen der Alltagskost ist Teil und Ausdruck bestehender Probleme im Handlungsfeld Essen und Ernährung. Ein Eigenwert subjektiven Wissens scheint hier vielfach gar nicht möglich, da der Einzelne Quasi-Patient und Dauergefährdeter ist. Der dominante Bezug auf die physiologisch-stoffliche Dimension von Gesundheit macht die Distanz zwischen Wissenschaft und Alltag nochmals größer, während ihre relative Alltagsferne die lebenspraktische Beratung von Gesunden nochmals erschwert. Dabei handelt es sich bei Functional Food zwingend um gerufene Geister. Functional Food ist die logische Konsequenz einer allein von ihrem objektivierten Wissen her argumentierenden Wissenschaft, die auf die eigene Expertise setzt, mit deren Hilfe sie eine grundsätzlich als defizitär verstandene Alltagspraxis und Alltagsernährung optimieren möchte. Das Konzept zielt auf die Machbarkeit gesunder Ernährung unabhängig von natürlichen und kulturellen Kontexten. Die nicht intendierte Folge ist, dass die Gräben zwischen wissenschaftlicher Expertise und haushälterischer Alltagskompetenz tiefer und die Wahrnehmungs- und Handlungsroutinen breiter Bevölkerungsschichten kaum mehr erreicht werden. Bei Functional Food handelt es sich zusammengefasst um ein strukturelles Hegemonialkonzept, dass auf der materiellen Logik von Lebensmittelinhaltsstoffen und Stoffwechsel gründet, und dieses nutzt, um subjektives durch objektiviertes Wissen und Alltagskompetenz durch Marktkompetenz zu ersetzen. Die hohe, ja dominante Bedeutung der abstrakt immer inhaltleeren Kategorie »Gesundheit« verdeutlicht stärker noch als der Erfolg einzelner Produkte das Vordringen und die Akzeptanz der mit dem Konzept verbundenen Logik. Sein Durchsetzungscharme liegt in nicht immer werberelevanten Vorteilen, nämlich im hohen Conveniencegrad, dem geringen Aufwand, selber Speisen zubereiten zu müssen, dem wissenschaftlich zumindest unterfütterten Versprechen, sich selbst etwas Gutes tun zu können und der technischen Virtuosität, mit der Genussmittel und prototypisch problematische Lebensmittel mit einer Nasch- und Genusserlaubnis versehen werden. Functional Food unterstützt die Delegation von Alltagswissen und Alltagskompetenz auf Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Dies kann rational sein, ist es in der Mehrzahl der Fälle aber nicht. Vielmehr wird die für eine gesunde, auf die einzelne Person zugeschnittene Er 175 Vgl. Meijboom, Franck L. B.: Trust, Food, and Health Questions of Trust at the Interface between Food and Health, Journal of Agriculture and Environmental Ethics 20, 2007, 231–245.

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nährung notwendige Selbstverantwortung, die – im Wortsinn – rührende Sorge für sich Selbst und seine Nächsten hierdurch in Frage gestellt. Das Konzept von Functional Food unterstützt Entwicklungen innerhalb der Ernährungswissenschaft, die zur Bewältigung der bestehenden Probleme im Handlungsfeld Ernährung nicht funktional sind, insbesondere, wenn man über den europäischen Tellerrand hinausblickt. Bestehende Eindimensionalitäten, etwa die Fokussierung auf Gesundheit im Sinne von Funktionsfähigkeit und Kostendegression werden verstärkt, statt sie im Sinne handlungspraktischer und lebensnaher Unterstützung tagtäglicher Kost zu erweitern. Eng mit dem Konzept von Functional Food verbunden, gleichwohl aber darüber hinausweisend, sind Angebote und Konzepte von »Mood Food«. Der Zusatznutzen liegt hier jedoch nicht in der Physiologie, sondern in der Psychologie. Während der Einsatz etwa von Aphrodisiaka vielfach auf Erfahrungswissen gründet, Schwangerschaftsgelüste teils auch physiologisch erklärt werden können, handelt es sich bei Mood Food um ein Konzept, das unmittelbar aus physiologischen und laborpsychologischen Erkenntnissen entspringt.176 Süßwaren sowie kohlenhydrathaltige Produkte stehen im Mittelpunkt der Forschungen, ebenso einzelne Stoffe.177 Ziel ist es, mit Hilfe von Lebensmitteln Stimmungen zu stabilisieren oder zu schaffen und so Lebenshilfe und Lebensfreude zu unterstützen. Die Grenzen zwischen Mood Food und Pharmakon, zwischen Designerfood und Designerdroge verflüssigen sich.178 Einschlägige Forschung begann in den späten 1980er Jahren und gewann im folgenden Jahrzehnt zunehmend Widerhall.179 Anders als in der bis ins 19. Jahrhundert hinein die Medizin beherrschenden Humoralpathologie, deren Diätetik auf dem harmonischen Verhältnis der Körpersäfte und deren Beeinflussung durch Lebensmittel gründete, arbeitete sie jedoch auf einer quantifizierenden kausal-stofflichen Grundlage. Und anders als etwa die Luftwaffenmedizin während des 2. Weltkriegs konzentrierte sie sich nicht auf Pharmaka, wie Pervitin, Benzedrin oder Ephedrin, sondern auf Stoffe in Lebensmitteln. Die Anstöße kamen aus der angewandten Neurobiologie bzw. der klinischen Psychiatrie. Insbesondere bei der Behandlung von Depressionen spielten kohlenhydratreiche 176 Vgl. Rodgers, P[eter] J./Green, M. W./Edwards, S.: Nutritional influences on mood and cognitive performance: their measurement and relevance to food acceptance, in: Macfie, H[alliday] J. H./Thomson, D[avid] M. H. (Hg.): Measurement of Food Preferences, London u. a. 1994, 227–252; Christensen, L[arry]/Pettijohn, L.: Mood and carbohydrate cravings, Appetite 36, 2001, 137–145. 177 Beispielhaft etwa Benton, D[avid]: Micro-nutrient supplementation and the intelligence of children, Neuroscience and Behavioural Reviews 25, 2001, 297–309. 178 Fragen der Vermarktung und der sozialen Kontrolle waren dabei stets präsent. Vgl. etwa Gesch, B[ernard] u. a.: Vitamin and fatty acid supplements may reduce antisocial be­ haviour in incarcerated young adults, British Journal of Psychiatry 181, 2002, 22–28. 179 Clemens, Roger/Pressman, Peter: Tryptophan and Appetite, FT 61, 2007, Nr. 3, 17.

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Diäten schon lange eine wichtige Rolle.180 Dieses erfahrungsmedizinische Wissen sollte und wurde nun jedoch auf Stoffwechselprozesse zurückgeführt. Mittels neuer analytischer Methoden wies man etwa nach, dass Kohlenhydrate die körpereigene Produktion des Hormons und Neurotransmitters Serotonin anregten, das wiederum positiv auf Stimmung und Leistungsfähigkeit wirkte.181 Weitere zentrale Stoffe, etwa Tyrosin, Tryptophan, Cholin oder Lezithin, wurden untersucht und mit dem Konsum bestimmter Lebensmittel verbunden. Auch die Genussmittel Alkohol, Kaffee und Tabak analysierte man entsprechend.182 Neben die unmittelbar toxischen Folgen traten so nachweisbare stimmungsfördernde Wirkungen. Das objektivierte Wissen nach jahrzehntelanger Forschung war jedoch überschaubar: Demnach beruhigten und entspannten Kohlenhydrate, da sie den Serotoninstoffwechsel anregten. Zucker hob das Lebensgefühl, da der Blutzuckerspiegel stieg und zudem die Endorphinproduktion aktiviert wurde. Fettkonsum belastete in Form gesättigter Fettsäuren den Sauerstofftransport zum Hirn. Eiweißverzehr baute auf und aktivierte, doch ab einem gewissen Punkt drückten einzelne Aminosäuren den Serotoninspiegel, senkten damit die Stimmung. Mäßiger Alkoholkonsum war grundsätzlich gesundheitsförderlich, und Koffein und Gewürze konnten die Stimmung verbessern.183 Seit den späten 1990er Jahren differenzierte sich die Forschung dennoch weiter aus: Erstens verengten sich die Forschungsfragen und wandten sich dabei vornehmlich von den Makronährstoffen auf die weit größere Zahl sonstiger bioaktiver Stoffe. Mineralstoffe und Vitamine wurden nun in ihrer Funktion als Antioxidantien erkundet, ferner sekundäre Pflanzenstoffe und Hormone, insbesondere die klassischen Neurotransmitter. Zweitens weiteten Ernährungspsychologen  – im Anschluss an klassische Experimente des Behaviorismus der 1940er Jahre – ihre Stoffwechseluntersuchungen auf die Interaktionen von Essumfeld und Stimmung.184 Beobachtungen, dass Menschen in angenehm empfundenen Umfeldern mehr und anders aßen, sollten nun auf ihren stofflich-physiologischen Beweggrund zurückgeführt werden. Drittens intensivierte sich nun auch eine risikobezogene Forschungsrichtung, um die Auswirkungen des Konsums bestimmter Lebens 180 Rogers, Peter J.: Food Choice, mood and mental performance: some examples and some mechanisms, in: Meiselman, H[erbert] L./MacFie, H[alliday] J. H. (Hg.): Food Choice, Acceptance and Consumption, London u. a. 1996, 319–345. 181 Als Forschungsüberblick kann dienen Prasad, C.: Food, mood and health: a neurobiologic outlook, Brazilian Journal of Medical and Biological Research 31, 1998, 1517–1527. 182 Vgl. etwa Smith, Andrew/Maben, Andrea/Brockman, Pip: Effects of Evening Meals and Caffeine on Cognitive Performance, Mood and Cardiovascular Functioning, Appetite 22, 1994, 57–65. 183 Essen kann Therapie sein, Psychologie heute 24, 1997, H. 5, 55–56. 184 Westenhöfer, Joachim u. a.: Die Lean Habits Study – Studiendesign und erste 1-JahresFollow-up-Ergebnisse, EU 47, 2001, 333–336, 338–339; Patel, K[ushal] A./Schlundt, D. G.: Impact of moods and social context on eating behavior, Appetite 36, 2001, 111–118.

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mittel und insbesondere von Zusatzstoffen auf Krankheiten und deviantes Verhalten abschätzen zu können.185 Diese Forschungen haben immense gesellschaftliche Implikationen, weiten sie doch auf Basis des Stoffparadigmas das Handlungsfeld ernährungswissenschaftlichen Wissens beträchtlich. Sie ermöglichen Eigentherapie und neue professionelle Dienstleistungen, Produktkonzepte mit wissensbasierten Aussagen, die reflektierte Neugestaltung von Ernährungsräumen und -umfeldern sowie den Einsatz bzw. die Restriktion bestimmter Lebens- und Genussmittel für die Stimmungsmodulation möglicher Gewalttäter und Gesetzesbrecher. Auch in diesem Gestaltungsfeld zielten Naturwissenschaftler darauf, tradiertes Ernährungswissen in ihre Modellkonstruktionen zu übertragen und damit zu einer qualitativ höheren Form des Wissens zu gelangen.186 Damit begründeten sie einen vermehrten und andauernden Forschungsbedarf, der individuelles Essverhalten in den Blick nimmt und zugleich marktgetrieben ist. Dies gilt erst einmal für den Wissenschaftsmarkt selbst. Die empirische Erforschung von Stimmungen erforderte vielfach neue Indikatoren, die das fest etablierte Methodenarsenal und damit die Realitätsmodelle der Ernährungswissenschaft nicht nur erweitern, sondern teils in Frage stellen. So drang erstens seit Ende der 1990er Jahre der Glykämische Index  – der die Wirkungen eines Lebensmittels auf den Blutzuckerspiegel objektivieren soll – in den Vordergrund.187 Glyx-Diäten stellten neue Wertigkeiten auf, die auf einen möglichst niedrigen Glykämischen Index zielten.188 Dies stand quer zu den Empfehlungen etwa der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bzw. der Vollwerternährung, die Methodik und Aussagewert der neuen Vorschläge kritisch hinterfragten.189 Zweitens stellte die in der deutschen Wissenschaftslandschaft kaum verankerte Ernährungspsychologie die Dominanz der physiologischen Ernährungswissenschaft zunehmend in Frage. Ihre Vertreter glauben bessere Antworten auf Fragen nach der emotionalen Steuerung der Nahrungswahl, der Hemmung, Enthemmung und emotionskongruenten Modulation des Essverhaltens geben zu können, da sie gleichermaßen assoziative, sensorisch-affektive, energetische, neurochemische und pharmakologische Mechanismen erforschen. Gefühle und 185 Vgl etwa Beseler, Lucille: Effects on Behavior and Cognition: Diet and Artificial Colors, Flavors, and Preservatives, International Pediatrics 14, 1999, 41–43; Benton, David/ Owens, Deborah S.: Can you control your Mood with Carbohydrates?, http://www.arise.org/ bentpa2.html [04.01.1999]. 186 Clemens, Roger/Pressman, Peter: Comfort and Mood Foods, FT 60, 2006, Nr. 12, 21. 187 Geary, Amanda: Emotional roller – coaster rides, Food & Mood 2000, Nr. 1, 1–3. 188 Eating for mental health, Food & Mood 2000, Nr. 1, 5. 189 Vgl. Hauner, Hans: Brauchen wir den Glykämischen Index in der Ernährungsberatung?, Moderne Ernährung heute 2004, Nr. 4, 6–10; Hofmann, Lioba: Niedriger Glykämischer Index, wenig Kohlehydrate. Neue Zauberformeln für unsere Ernährung?, Ernährung im Fokus 5, 2005, 70–79.

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Stimmungen auf Stoffwechselprozesse zurückführen zu wollen, ist jedoch eine an sich ähnliche Wissensproduktion. Abseits derartiger Kämpfe innerhalb der Wissenschaft veränderte das Konzept von Mood Food auch und gerade ökonomische Märkte. Erstens wurden die neuen Ergebnisse genutzt, um neue Formen wissensbasierter Firmen-PR zu betreiben. Gutes Beispiel waren etwa die von 1988 bis 2004 aktiven Associates for Research into the Science of Enjoyment, die mit Hilfe hoher Zahlungen insbesondere der Zigarettenindustrie die positiven Wirkungen von Genussmitteln in Fachjournalen, internationalen Tagungen und führenden Medien verbreiteten.190 Ähnlich sind sicherlich wirtschaftsnahe Trendforscher zu beurteilen, die jede Marktentwicklung in einen »Megatrend« ummünzen. Zweitens entwickelt sich ein temporär boomender Dienstleistungsmarkt. Er wird vornehmlich von therapeutischen Angeboten getragen, zum anderen von einer insbesondere im angelsächsischen Raum stark ausgeprägten Ratgeberliteratur.191 Doch die Stimmungsmache für sich rechnende Stimmungsmacher erfolgt drittens auch auf der Produktebene. Durch die Forschung gewinnen zahlreiche Stoffe ein neues Gesundheits- und Wellnessimage. Die Produktentwicklung bindet sie in neue Waren ein, die Vermarktung stellt ihre positiven Eigenschaften dann besonders heraus.192 Gerade im sog. Anti-Aging-Markt verbinden sich dabei Mood Food und Functional Food zu neuen Angeboten.193 Sprachspiele werden üblich: 2006 konnte man hierzulande eine »Maggi feel good«-Suppe löffeln, von der Lindt Schokolade »Träumen & Genießen« naschen oder seine Stimmung mit dem »Carpe Diem Kombucha«-Drink heben. An die Stelle einfachen Tees setzte Meßmer schon 2003 die Dachmarke »Quelle der Entspannung«.194 Die an Stoffe gebundenen Träume und Hoffnungen erlauben eine Ästhetisierung der Lebensmittel, hinter der ihre Nährfunktion und die Ordnungsfunktion tradierter Bezeichnungen zunehmend verschwinden.

190 Monbiot, George: Exposed: the secret corporate funding behind health research, The Guardian 2006, Nr. v. 07.02. 191 Vgl. etwa Somer, Elizabeth: Food & Mood. The Complete Guide to Eating Well and Feeling your Best, New York 1999; Null, Gary: The Food-Mood-Body Connection. NutritionBased and Environmental Approaches to Mental Health and Physical Wellbeing, New York u. a. 2000; Thayer, Robert E.: Calm Energy. How People regulate Mood with Food and Exercise, Oxford 2001; Flemmer, Andrea: Mood-Food – Glücksnahrung. Wie man durch Essen glücklich wird, 2. Aufl., Hannover 2011. 192 Wright, Marie: Harnessing the emotional Power of Taste, FT 60, 2006, Nr. 6, 38–40, 42, 45–46, 48. 193 Ohr, Linda Milo: Facets of Aging, FT 61, 2007, Nr. 12, 79–80, 82, 84. 194 Angaben n. Schiessl, Michaela: Heiße Liebe, Der Spiegel 2006, Nr. 52 v. 22.12., 56–57.

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7.5 Mikrosteuerung: Nutrigenomics und Nanotechnologie Functional Food und Mood Food materialisieren Gesundheitsversprechen und individuelles Gesundheitsmanagement. Wirkungsmechanismen und Stoffbezug beziehen sich jedoch auf Bakterien und Wirkstoffe, also wissenschaftlich diskutierte Lebewesen und Stoffe. Seit den frühen 1990er Jahren wird dieser Zugriff immer stärker von neuen Möglichkeiten der Molekularbiologie und Gentechnik ergänzt und überlagert. Dank verbesserter Untersuchungsmethoden treten sie zunehmend in Konkurrenz zur traditionellen Physiologie und zur Epidemiologie.195 Bildeten für Liebig Mitte des 19. Jahrhunderts die chemischen Grundstoffe die Lettern im Buch des Lebens, so sind es nun Strukturen und Variationen der daraus zusammengesetzten DNS , die zu einem vertieften und kausalen Verständnis von Krankheiten und damit zugleich von Gesundheit führen sollen. Angetrieben durch den Wettbewerb mehrerer Genomprojekte, die 2001 zur »Entschlüsselung« des menschlichen Erbgutes führten, positionierte sich die Ernährungswissenschaft zunehmend als biochemische Grundlagenwissenschaft. Zelluläre Mechanismen und stoffliche Interaktionen stehen im Mittelpunkt einer Wissensproduktion, die überzeugt ist, eine gesunde Ernährung zu ermöglichen bzw. diese beeinträchtigende Faktoren erkunden und minimieren zu können.196 Innerhalb dieses Mikrokosmos bildet Nahrung einen stofflich heterogenen Umweltfaktor, dessen Auswirkungen zu erforschen sind. Das Versprechen der Nutrigenomics klingt einfach und faszinierend: Die Kenntnis des menschlichen Genoms bietet eine normale, d. h. gesunde Referenzgröße, deren Variationen mit bestimmten Risiken und auch Krankheiten verbunden sind. Die Molekularbiologie kann diese vermeintlich präzise eingrenzen. Individuelle Gentests werden möglich, auch individuelle Aussagen zum jeweiligen Risikoprofil bzw. der Krankheitsdisposition. Weiß man um die kausalen Wirkungen von Lebensmittelinhaltsstoffen und Genen, so ist es durch gezielte Zufuhr oder aber Vermeidung bestimmter Stoffe grundsätzlich möglich, individuelle Strategien zur Risikominimierung oder aber der optimalen Ausnutzung gegebener Gesundheitschancen zu entwickeln. Wissenschaftler träumen von einfachen und verlässlichen Schlüsseln, mit denen sie großen Gruppen von Individuen, im Idealfall aber auch Gesamt­ populationen, das Wissen an die Hand geben können, um ihr Leben und ihre Ernährung optimal zu gestalten und um Krankheiten schon vor der E ­ ntstehung 195 Vgl. Ommen, Ben van/Stierum, Rob: Nutrigenomics: exploiting systems biology in the nutrition and health arena, Current Opinion in Biotechnology 13, 2002, 517–521. 196 Zu dem damit verbundenen Spagat zwischen angewandter und Grundlagenwissenschaft vgl. Barlösius, Eva: Perspektiven der Ernährungswissenschaft aus soziologischer Sicht, in: Schönberger, G[esa] U./Spiekermann, U[we] (Hg.): Die Zukunft der Ernährungswissenschaft, Berlin u. a. 2000, 115–126, insb. 116–118.

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verhindern zu können.197 Nicht länger würden stoffliche Interaktionen ungeregelt das menschliche Leben und Sterben beeinflussen, nun könnte der Mensch durch wissensbasierte Konsum- und Vermeidungsstrategien eigenständig steuern. Neues kausales Wissen träte an die Stelle der allgemeinen Ratschläge menschlicher Erfahrung bzw. ungenauer Indikatoren der traditionellen Medizin. Gesundheitsmanagement durch die Stoffträger Lebensmittel würde somit möglich.198 Ökonomisch haben Nutrigenomics ein immenses Wachstumspotenzial. Das Vordringen in die Tiefe des Stoffwechsels erlaubt eine Mikrosegmentierung der Konsumenten, die erhöhte Wertschöpfung auf allen Ebenen der Ernährungskette ermöglicht. Üblicherweise wurde im 20. Jahrhundert mittels Massenproduktion und Qualitätsforschung versucht, Kosten zu reduzieren, um ein möglichst preiswertes Produkt hoher Qualität zu liefern. Die enge Koppelung an den Gesundheits- und Heilwert erlaubte neue Nutzenkalküle, Qualitätsparameter und damit verbesserte Vermarktungschancen. Im 21. Jahrhundert aber kann die technische Virtuosität der tradierten, insbesondere aber neuer biotechnologischer Verfahren genutzt werden, um mittels flexibler Spezialisierung Produkte herzustellen, die von der Rohware über die Zusatzstoffe, den Produk­ tionsprozess, die Verpackung, die Lagerhaltung und schließlich die Zubereitung auf die genetischen Besonderheiten des Einzelnen – und anderer Einzelner mit ähnlicher Genstruktur – zugeschnitten sind. Wertschöpfungskreislauf und individueller Stoffwechsel gehen damit eine neuartige Symbiose ein. Damit diese funktioniert, ist die individuelle Inkorporation objektivierten Wissens unabdingbar. Eine neue risikosensible Ernährung ist aber nur möglich, wenn die Modellannahmen der Molekularbiologen geteilt werden. Derartige ökonomische Szenarien speisten sich vorrangig aus den Zukunftsoptionen der in diesem Feld arbeitenden Ernährungswissenschaftler, Lebensmitteltechnologen, Biochemiker und Ernährungsmediziner. Erste Anwendungen, so ein 1996 patentiertes Verfahren, um mit aus Zitronenschalen gewonnenen Flavonoiden ein antikanzeroges Gen zu stärken199, führten nach einer kurzen Anlaufphase zu einer Begeisterungswelle, die zwischen 2002 und 2004 ihren Höhepunkt erreichte und in der Europäischen Union öffentliche Forschungs­ 197 Müller, Michael/Kersten, Sander: Nutrigenomics: goals and strategies, Nature Reviews Genetics 4, 2003, 315–322, v. a. 322; Bouchard, Claude/Ordovas, Jose M.: Fundamentals of Nutrigenetics and Nutrigenomics, in: Dies. (Hg.): Recent Advances in Nutrigenetics and Nutrigenomics, Amsterdam u. a. 2012, 1–15. 198 Fogg-Johnson, Nancy/Kaput, Jim: Nutrigenomics: An Emerging Scientific Discipline, FT 57, 2003, Nr. 4, 60–67, hier 64. Vgl. auch Brabeck-Letmathe, Peter: Ernährung für ein besseres Leben. Eine Reise von den Anfängen der industriellen Nahrungsproduktion zur Nutrigenomik, Frankfurt a. M./New York 2016, 125–145 (ansonsten ein gutes Beispiel für Geschichtsinszenierung für die Firmen-PR). 199 Hirsch, Julie/Evans, David: Beyond Nutrition. The Impact of Food on Genes, FT 59, 2005, Nr. 7, 24–26, 29–30, 33, hier 24.

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gelder in zweistelliger Millionenhöhe mobilisierte. Die Zukunftschancen erschienen phänomenal, an sich seriöse Fachleute läuteten die Ära der Nutrigenomics ein.200 Marktszenarien prognostizierten, dass 2010 ein Drittel der US -Bevölkerung in irgendeiner Form personalisierte Ernährung praktizieren würde, während in der Bundesrepublik einschlägige Interessengruppen mit haltlos übertriebenen Marktzahlen operierten.201 Doch diese Begeisterung ebbte langsam ab, gelang es doch nicht, den großen Hoffnungen und Versprechungen auch wirksame und handhabbare Produkte und Dienstleistungen folgen zu lassen. Ende 2006 lagen lediglich Produkte mit Phytosterolen vor, ferner in Wirksamkeit umstrittene Testkids, mit denen das eigene Risikoprofil wie bei einem Schwangerschaftstest einfach ermittelt werden sollte. Daneben gab es in den USA etwa 35.000 medizinische Nutrigenomics-Tests.202 Die Gründe hierfür lagen erst einmal in Deutungs- und Zuordnungsproblemen innerhalb der Wissenschaft. Trotz der »Entschlüsselung« des menschlichen Genoms ist es bisher nicht gelungen, kausale Bezüge zwischen einzelnen Genen und den »großen« Krankheiten zu ziehen.203 Auch die Wirkung der einzelnen Stoffe blieb großenteils dunkel. Ursache hierfür seien nach wie vor unzureichende Analysemethoden.204 Art und Ziel der Wissensproduktion werden nicht in Frage gestellt. Eine Rückbindung an gesellschaftlich-kulturelle, insbesondere alltägliche Lebensdimensionen erfolgt nicht, hier dient das universelle Modell des »citizen consumer« als unhinterfragtes Leitbild. Friktionen oder Probleme werden stets in Forschungsbedarf umgemünzt. Nicht Vergangenheit und Gegenwart stehen zur Diskussion, Fluchtpunkte bilden stets das Zukunftspotenzial neuen Wissens. Es gilt ins Morgen zu investieren, auch wenn eingeräumt wird, dass schnelle und praktisch verwertbare Ergebnisse nicht zu erwarten sind.205 Am Grundziel einer am Genotyp ausgerichteten wissensbasierten 200 So etwa Labadarios, Demetre/Meguid, Michael M.: Nutrigenomics: Unravelling Man’s Constitution in Relation to Food, Nutrition 20, 2004, 2–3, hier 2; Clemens, Roger/Pressman, Peter: Nutrigenomics: From Nutrition to Genes, FT 58, 2004, Nr. 12, 20. 201 From Nutrigenomic Science to Personalized Nutrition. The Market in 2010, o. O. 2003, 3; Nutrigenomforschung, hg. v. Netzwerk Nutrigenomforschung Berlin-Brandenburg, o. O. o. J. (Marktumfang von bis zu 100 Mrd. DM für Functional Food, Nutraceuticals und Nahrungsergänzungsmittel). 202 Mullinix, Kathleen P.: The Future of Personalized Nutrition, FT 61, 2007, Nr. 2, 96. Vgl. auch Fenech, Michael u. a.: Nutrigenetics and Nutrigenomics: Viewpoints on the Current Status and Applications in Nutrition Research and Practice, Journal of Nutrigenetics and Nutrigenomics 4, 2011, 69–89; Ferguson, Lynnette R. (Hg.): Nutrigenomics and nutrigenetics in functional foods and personalized nutrition, Boca Raton 2014. 203 Rankinen, Tuomo/Tiwari, Hemant: Genome Scans for Human Nutritional Traits: What Have We Learned?, Nutrition 20, 2004, 9–13. 204 Kaput, Jim: Diet-Disease Gene Interactions, Nutrition 20, 2004, 26–31. 205 So einschlägige Äußerungen europäischen Forscher, vgl. Biesel, Elke: Ernähren Sie Ihre Gene richtig! Nutrigenomik – der Traum vom maßgeschneiderten Speiseplan, Das Parlament 56, 2006, Nr. 10 v. 06.03., 10.

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Ernährungsweise gibt es demnach keine Abstriche. Angesichts derart ungebrochener Machbarkeitsphantasien werden innerwissenschaftliche Reflexionen über das mit dem wachsenden Wissen zugleich überproportional anwachsende Nichtwissen kaum manifest. Nichtwissen ist für diese Wissensarbeiter kein Problem, sondern ein von ihnen zu gestaltender Markt.206 Konzeptionelles und ökonomisches Scheitern bietet demnach immer neue Chancen der Wissens- und Marktproduktion, während Rückfragen vom Reiz des künftigen Wissens überstrahlt werden. Einschlägiger Widerspruch erfolgte allerdings auch und gerade innerhalb des Wissenschaftssystems.207 Die Abschätzung und ethische Bewertung von Technikfolgen wurde spätestens seit den öffentlichen Debatten über Atomkraft, Wasserverschmutzung und Müllnutzung seit den frühen 1970er Jahren institutionalisiert. Insbesondere seit dem vorläufigen Scheitern der grünen Gentechnik sind neue wissensbasierte Techniken ohne vorherige kritische Reflexion durch Wissenschaft, Staat und zunehmend auch Wirtschaft nicht mehr durchsetzbar. Gesellschaftliche Akzeptanz bedarf der Akzeptanzforschung. Im Mittelpunkt einschlägiger Rückfragen an die Nutrigenomics standen dabei vorrangig Fragen nach der Autonomie des Einzelnen.208 Das Wissen des Einzelnen über seine Gesundheit und die für ihn »richtige« Ernährung war von den Modellkonstruktionen und Risikoszenarien der Molekularbiologie einseitig abhängig. Zugleich aber war er als potenzieller Kostenfaktor abhängig von Selektionsmechanismen einer Wissenschaft. »Intelligente« molekulare Biomarker können grundsätzlich ernährungsbedingte Stoffwechselveränderungen messen bzw. bei Abweichungen in der Homöostase Alarm schlagen. Für den Konsumenten bedeutet dies ein längeres Leben ohne Abweichung bzw. Sanktionen im Falle des Auslebens unvernünftiger Konsummuster. Das neue Wissen im Kopf der Verbraucher bedeutet mehr Gestaltungsmacht über den eigenen Stoffwechsel; damit zugleich aber auch erhöhte Verantwortung, die im Sinne der Experten des eisernen Dreiecks in einen erhöhten Beratungs- und Aufklärungsbedarf mündet.209 Nicht subjektives Wissen und gelebte Individualität sind das Ziel, sondern normiertes Leben gemäß den vernünftigen Imperativen ob 206 Vgl. etwa Elliott/Ong, 2002, die derartige Probleme sehr genau analysieren, dann aber für intensivierte Forschung plädieren. Dies deckt sich mit soziologischen Thesen über Nichtwissen, s. Stehr, Nico: Wissen und der Mythos vom Nichtwissen, Aus Politik und Zeitgeschichte 63, 2013, Nr. 18–20, 48–54. 207 Vgl. hierzu schon Tanner, Jakob: Wie machen Menschen Erfahrungen? Zur Historizität und Semiotik des Körpers, in: Körper Macht Geschichte. Geschichte Macht Körper. Körpergeschichte als Sozialgeschichte, hg. v. Bielefelder Graduiertenkolleg Sozialgeschichte, Bielefeld 1999, 16–34, insb. 23. 208 Chadwick, Ruth: Nutrigenomics, individualism and public health, Proceedings of the Nutrition Society 63, 2004, 161–166. 209 German/Yeretzian/Watzke, 2004, 31.

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jektivierten Wissens. Risiko- und Akzeptanzforscher versuchen diese Tendenz durch rechtliche Regulierungen, etwa der Art und Verwendung von Nutrigenomic-Tests, zu begegnen und zugleich Transparenzkriterien festzuschreiben. Sie plädieren für vertrauensbildende Maßnahmen des eisernen Dreiecks, in der Chancen und Risiken offen verhandelt und gegeneinander abgewogen werden.210 Sie fordern auch, wie schon bei vielen früheren Techniken, dass nicht nur die Anwendung neuer Konzepte ethisch reflektiert sein müsse, sondern auch die konzeptionelle Entwicklungsarbeit.211 Derartige Ethik in Situationen des Nichtwissens ist gewiss grundlegend für jegliche Wissensarbeit in Gegenwart und Zukunft.212 Angesichts der historischen Erfahrungen dürften die Erfolgsaussichten in den Naturwissenschaften jedoch gering sein. Die Rückfrage nach der kollektiven Ethik des Essens, danach also, warum Gesundheitskonzepte wie Nutrigenomics überhaupt benötigt werden, dürfte ebenfalls irrelevant bleiben. Dies gilt gewiss nicht für die Nanotechnologie, deren Aufschwung vor allem mit der im Jahr 2000 einsetzenden National Nanotechnology Initiative in den USA begann. Bis 2003 wurden dort Forschung und Entwicklung mit ca. 3,7 Mrd. $ gefördert, parallel investierten Japan jährlich ca. 750 Mio. € und die Europäische Union 1,2  Mrd. €.213 Abermals handelte es sich um einen Hoffnungsmarkt, der 2010 weltweit zwischen 200 Mio. und 20 Mrd. € umfassen sollte.214 Nanotechnologie bezieht sich auf die Miniaturisierung von Techniken und Produkten in einen Bereich kleiner als 100 Nanometer, also einem zehntausendstel Millimeter; dies entspricht der Größe von Hormonen, Zellmembranen oder der DNS. Die bisherigen Entwicklungen konzentrieren sich auf Elektronik, Werkstoffkunde und Pharmazie, doch auch der Agrar- und Ernährungssektor gewinnt zunehmend an Bedeutung.215 Vier Anwendungsbereiche schälen sich langsam heraus, nämlich in der Lebensmittelanalytik, dem Verpackungswesen, der Prozesstechnik und der Variation von Lebensmittelgrenzflächen.216 Für die Analytik werden vornehmlich Nanosensoren entwickelt, die in der Lage sind, auf bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe zu reagieren und deren 210 Vgl. Meijboom, 2007, 241–242. 211 Meijboom, Franck L. B./Verweij, Marcel F./Brom, Frans W.: You eat what you are: Moral Dimensions of Diets tailored to one’s Genes, Journal of Agricultural and Environmental Ethics 16, 2003, 557–568. 212 Korthals, Michiel/Komduur, Rixt: Uncertainties of Nutrigenomics and Their Ethical Meaning, Journal of Agricultural and Environmental Ethics 5, 2010, 435–454. 213 Joseph, Tiju/Morrison, Mark: Nanotechnology in Agriculture and Food, o. O. 2006, 3. 214 Rey, Lucienne: Es ist angerichtet! Nanotechnologie in der Küche und im Einkaufskorb, hg. v. TA-SWISS , Bern 2009. 215 In der Landwirtschaft stehen Verfahren des Precision Farming bzw. einer kontrollierten umweltgerechten Anwendung von Wirkstoffen, etwa Pestiziden oder Dünger, im Mittelpunkt, ferner der Wasserschutz. 216 Einen groben Überblick vermittelt Food Nanotechnology, FT 60, 2006, Nr. 11, 22–26.

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Nachweis damit zu vereinfachen und zu beschleunigen.217 Dient diese Anwendung der Sicherheit rückwärtiger Versorgungsbereiche, so werden Prototypen intelligenter Verpackungen schon seit mehreren Jahren öffentlichkeitswirksam präsentiert, um den Nutzen der neuen Technologie zu unterstreichen. Die hier ebenfalls eingesetzten Nanosensoren reagieren, etwa durch ein Farbsignal, auf Veränderungen der verpackten Lebensmittel und signalisieren den Verderb oder aber das Überschreiten von Mindesthaltbarkeitsdaten.218 Nanotechnologie dürfte ferner die Prozesstechnik vielfältig beeinflussen. Die sensorischen Eigenschaften, also Geschmack und Mundgefühl, können beeinflusst werden, ebenso die technologischen Eigenschaften der zu verarbeitenden Produkte, etwa durch verbesserte Fließ- oder Agglomerationsfähigkeiten.219 Eingekapselte Inhaltsstoffe innerhalb eines Produktes erlauben eine zielgenauere und zeitlich definierbare Wirkung, ferner kann deren Bioverfügbarkeit erhöht werden. Dadurch wird die Nanotechnologie insbesondere Functional Food neue Impulse verleihen.220 Schließlich erlaubt sie veränderte Grenzflächen von Einzelpartikeln, Lebensmitteln, Verpackungen und Maschinen. Die Hoffnung ist, dass etwa Emulsionen nicht mehr mittels Zusatzstoffen gebunden werden müssen, dass die Menge der Reinigungsmittel reduziert werden oder die Mülltrennung ökologischer gestaltet werden kann. Praktische Anwendungen im Lebensmittelsektor sind bis dato kaum vorhanden: Siliziumdioxidpartikel lassen Kaffeeweißer oder Instantsuppen nicht verklumpen, Titandioxidzusätze Kaugummis und Joghurtdressings weiß erscheinen.221 Die von Staat, Wirtschaft und Ressortforschung gleichermaßen betriebenen Akzeptanzstrategien verweisen auf die beträchtlichen Möglichkeiten der neuen Technik, die seit 2014 EU-weit gekennzeichnet werden muss.222 Verbessertes Wissen um Mikrostrukturen, also der im Stoffparadigma angelegte Zugriff auf die jeweiligen Mikroebenen, erlaubt Eingriffe in Dimensionen, wie sie zuvor zwar denkbar, nicht aber praktizierbar waren. Damit wird die Gestaltungs­v ielfalt des Lebensmitteldesigns nochmals gesteigert, wird die 217 Vgl. Baeumner, Antje: Nanosensors Identify Pathogens in Food, FT 58, 2004, Nr. 8, 51–52, 54–55. 218 Brody, Aaron L.: Nano and Food Packaging Technology Converge, FT 60, 2006, Nr. 3, 92–94; Brody, Aaron L.: Food Packaging Climbs to the Summit, ebd., Nr. 7, 73–75; Bugusu, Betty/Bryant, Cory: Defining the Future of Food Packaging, ebd., Nr. 12, 38–42. 219 Nanotechnologie bei Lebensmitteln. Ergebnispapier eines Ideen-Workshops in der Bf EL in Karlsruhe [v. 13.12.2006], o. O. 2007 (Ms.), 2. Vgl. auch Clark, J. Peter: Nanotechnology a Processing Topic This Year, FT 60, 2006, Nr. 5, 135–140. 220 Chen, Hongda/Weiss, Jochen/Shahidi, Fereidoon: Nanotechnology in Nutraceuticals and Functional Foods, FT 60, 2006, Nr. 3, 30–32, 34–36. 221 Nano steht ab jetzt auf der Verpackung, Handelsblatt 2014, Nr. v. 13.12. 222 Grobe, Antje: Nanomaterialien in Lebensmitteln: Gerüchteküche, Zukunftsvisionen und reale Anwendungen, in: Heckl, Wolfgang M. (Hg.): Nano im Körper. […], Stuttgart 2012, 43–52.

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taktil-­sensorische Dimension moderner Lebensmittel grundsätzlich steuerbar. Angesichts der wissens- und marktgetriebenen Veränderungen auf allen Ebenen der Versorgungsketten steht am Ende ein stofflich optimiertes High-TechProdukt, das Resultate simpler häuslicher Zubereitung in den Schatten stellen kann und kaum mehr an seine Herkunft aus Laboratorien und Fabrikhallen erinnert. Es wird schmecken und es wird gesund sein; und kaum jemand wird verspüren, dass es das geronnene Ergebnis eines seit Mitte des 19. Jahrhunderts stattfindenden Ringens um künstliche Kost ist.

8. Künstliche Kost: Ein vorläufiges Fazit

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Entstehung, Entwicklung und Konsequenzen einer Wissens- und Konsumgesellschaft am Beispiel der Veränderungen des Ernährungssektors für den Zeitraum 1840 bis heute zu analysieren. Um die eingangs gestellten Leitfragen im Zusammenhang zu beantworten, bieten sich fünf Schwerpunkte an: 1. Die Periodisierung dieser Untersuchung bricht mit der gängigen Praxis der allgemeinen Geschichte, der Wirtschaftsgeschichte sowie den Alltagsvorstellungen über die vermeintlich dynamischen Veränderungen des Wissensund Handlungsfeldes Essen/Ernährung. Die prägenden konzeptionellen Innovationen, also die Wissensgrundlagen der täglichen Kost, entstanden in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das seither immens angewachsene stoffliche Wissen erlaubte zwar einen immer kleinteiligeren Umgang mit der Rohware, doch Grundprinzipien der Konzentration und der Substitution, der Kombination und Rekombination einzelner Stoffe bildeten seither die Basis der immens gewachsenen Angebotspalette. Wissen und Konzepte waren im späten 19. Jahrhundert jedoch nicht ausreichend, um künstliche Kost in Massenmärkten zu etablieren. Das lag erstens am Preis. Künstliche Kost war teure Kost. Sie musste kontrolliert und standardisiert, gewerblich verarbeitet und abgesetzt werden, erforderte kommerzielle Kommunikation und veränderte Praktiken. Im Ernährungssektor schien Massenproduktion kaum möglich, zu unterschiedlich waren die Produkte der Natur. Zweitens gab es klare technologische Grenzen für konzeptionell durchaus ansprechende, aber nur schwierig herstellbare Produkte. Vor dem Ersten Weltkrieg schränkten mangelnde Haltbarkeit und schlechter Geschmack ihre breite Verwendung ein, begrenzten sie auf die Nischenmärkte von Säuglingen und Militär, Adipösen und Alternativen. Passten Konzept und Technologie dagegen zusammen, etwa bei Suppen- und Würzpräparaten oder Margarine, dann konnten schon früh beträchtliche Markterfolge erzielt werden. Diese mündeten jedoch bereits während des Kaiserreichs in eine damals vornehmlich von Medizinern und Lebensreformern, nicht aber von der Mehrzahl der Konsumenten getragenen antikommerziellen Grundstimmung. Die Kritiker »der Industrie« propagierten dagegen eine von ihrem Wissen geprägte Ernährungspraxis. Solche Kritik war schon früh ein Kampf um Deutungshoheit in Wissensmärkten. Künstliche Kost wurde während der Zwischenkriegszeit zunehmend verfügbar. Doch wichtiger als neue Nischenmärkte waren institutionelle und techno-

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logische Veränderungen. Die Versorgungskatastrophe des Ersten Weltkrieges und die durch den glaubwürdigen Verbraucherschutz der Nahrungsmittelchemiker geförderte Reputation des stofflichen Wissens als Ordnungsfaktor brachte einerseits die auf dem Stoffparadigma gründende Kooperation von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat im Rahmen des eisernen Dreiecks hervor. Die wissenschaftliche Gleichsetzung von Lebensmittel und Stoffkonglomerat wurde nun verrechtlicht, die Wissensbasis marktfähiger Produkte stammte zunehmend von Wissenschaftlern. Objektivierbare Formen und Stoffgehalte bestimmten das Angebot, ordneten Markt und Produktwelt vorder- und untergründig. Anderseits ermöglichte das durch Vitaminforschung und Bromatik vertiefte Wissen nachhaltige Umstellungen der Lebensmitteltechnologie. Von wenigen Branchen abgesehen, war es jedoch nicht der vielbeschworene Markt, der in den 1920er Jahren neuartige Konservierungstechniken und ihre Kombination mit konventionellen Formen der Lebensmittelproduktion vorantrieb. Es waren vielmehr staatliche Instanzen, es waren Autarkie- und Aufrüstungspolitiken, die vornehmlich in den 1930er Jahren entscheidende Veränderungen bewirkten. Konzepte, stoffbasierte Regulierung und verbesserte Technologien verbanden sich in der Nachkriegszeit dann noch stärker. Die rasch erhöhte Kaufkraft und der neu strukturierte Einzelhandel trugen ebenfalls zu einer neuen Gestaltungsdynamik bei. Das Ergebnis war eine Normalisierung künstlicher Kost und ein historisch einzigartiges Wachstum der Lebensmittelsortimente. Deren Vertiefung und Verbreiterung, genauer die seit den späten 1950er Jahren auch den Massenmarkt prägende Marktsegmentierung und eine seit den 1990er Jahren einsetzende Mikrosegmentierung, gründeten jedoch auf den Konzepten, Regulierungen und Technologien der vorherigen Perioden. Bis in die Gegenwart setzte man bereits angelegte Veränderungen um und arbeitete sich an den Konzepten des 19. Jahrhunderts ab. 2. Akteure und ihre Konstellationen veränderten sich im Untersuchungszeitraum beträchtlich, erreichten Mitte der 1920er Jahre im eisernen Dreieck jedoch ihre bis heute bestehende Grundstruktur. Die Veränderungen des Ernährungssektors und das Vordringen künstlicher Kost spiegeln erst einmal die immense Bedeutung von Wissenschaftlern und objektiviertem Wissen gerade für den Konsumgütersektor. Künstliche Kost entstand im Laboratorium und am Schreibtisch, mochte im späten 19. Jahrhundert die konkrete Erprobung auch noch in der betrieblichen Praxis und im Markt erfolgen. Spätestens mit der breit gelagerten Institutionalisierung von Betriebs- und Branchenlaboratorien verwissenschaftlichte sich in der Zwischenkriegszeit auch die marktbezogene Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Mit der Etablierung des eisernen Dreiecks schien die inhaltliche Hegemonie des Stoffparadigmas und der es tragenden Wissenschaftler fest gefügt zu sein. Dennoch erscheinen die Wissenschaftler als gescheiterte Helden. Das gilt erst einmal für die Vermittlung ihres

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Wissens, das sie an die Stelle des vermeintlich unaufgeklärten subjektiven Wissens der Hausfrauen und Essenden setzen wollten. Ihr Wissen veränderte die Versorgungsstrukturen, doch von der Mehrzahl der Bevölkerung wurden lediglich die Informationen wahrgenommen, während sich die Praxis nur langsam und meist indirekt über Produkte und Dienstleistungen änderte. Die Ende des 19. Jahrhunderts scheinbar fest gefügte Ernährungswissenschaft differenzierte sich zudem spätestens mit der Vitaminlehre aus. Neben Chemie und Physiologie traten die Biochemie und wissenschaftliche Diätetik, später dann auch die Molekularbiologie. Dies schwächte vornehmlich den Stellenwert der Chemiker, die ihre dominante Rolle spätestens mit der universitären Institutionalisierung des Faches »Ernährungswissenschaft« in den 1960er Jahren einbüßten. Parallel gewannen Wissenschaftler innerhalb der Wirtschaft rasch an Bedeutung, veränderten dort die betriebliche Praxis, nahmen marktnah aber auch Abstand vom tradierten Wächteramt im Sinne antizipierten Verbraucherschutzes. Wissenschaft stand seit dem späten 19. Jahrhunderts zudem wahrnehmbar in der Kritik der Lebensreformbewegung, die aufgrund der Vitaminlehre gerade in der Zwischenkriegszeit in der Öffentlichkeit zunehmend Gehör fand und ihr Gegenwissen erfolgreich institutionalisierte. Der Gegensatz von dominanten Denkkollektiven und Reformern wurde spätestens seit den 1950er Jahren vom Gegensatz von Experten und Gegenexperten abgelöst, als im Rahmen der Qualitäts- und Zusatzstoffdebatten die Konturen einer Risikogesellschaft klar greifbar wurden. Ohne das Wissen der Ernährungswissenschaften waren und sind künstliche Kost und effiziente Versorgungsstrukturen nicht denkbar. Doch sein Inhalt wurde pluraler und kleinteiliger, wodurch die Chancen einer direkten Umsetzung durch Konsumenten weiter sanken. Erfolg und Bedeutungsgewinn der Wissenschaft spiegelt sich in deren Institutionalisierung in Unternehmen. Ohne wissenschaftliches Wissen war betrieblicher Erfolg schon im Kaiserreich kaum mehr möglich. Doch erst in der Zwischenkriegszeit begann ein verstärkter Auf- und Ausbau innerbetrieblicher und branchenbezogener Forschungskapazitäten. Investitionen in ernährungswissenschaftliche Expertise waren zumeist mit Investitionen in Marketing und Marktforschung verbunden. Diese doppelte Verwissenschaftlichung erlaubte eigenständige und marktbezogene Wissensproduktion, institutionalisierte zugleich Gegenexpertise der Wirtschaft. Aufgrund des mittelständischen Zuschnitts der Ernährungsindustrie dominierte jedoch bis weit in die 1960er Jahre hinein Gemeinschafts- und Kooperationsforschung. Zudem nutzte die Wirtschaft die Grundlagenforschung staatlicher Institute. Nachhaltige Veränderungen setzten mit dem Bedeutungsgewinn der Einzelhandelsgruppen in den 1960er Jahren an, die als Defensivreaktion zu steigenden Konzentrationsraten in der Industrie führte. Die damit verbundenen höheren Forschungsaufgaben justierten allerdings die Gewichte innerhalb der doppelten Verwissenschaftlichung neu. Nun trat wirtschaftswissenschaftliche Expertise stärker in den­

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Vordergrund, während die Entwicklungsabteilungen in Handel und Industrie immer stärker dazu dienten, ihr technologisches Wissen unmittelbar markt­ gebunden einzusetzen. Marketinggetriebenes Food-Design war die Folge. Der Staat besaß trotz der Interventionen im Agrar- und Außenhandelssektor vor dem Ersten Weltkrieg eher rahmensetzende Funktionen. Die Alltagsernährung sollte im Wechselspiel von wissensbasierter Wirtschaft und Verbrauchern ablaufen. Hohe Investitionen in die Agrarforschung und eine geringe Regulierungsdichte waren die Folgen. Staatliche Instanzen waren auch daher kaum in der Lage, den Herausforderungen des Ersten Weltkrieges gerecht zu werden und versagten angesichts der Nöte der Nation. Als Konsequenz kooperierten die staatlichen Instanzen zunehmend mit den im Ersten Weltkrieg kaum beachteten Wissenschaftlern, deren Gestaltungsvorschläge durch das Lebensmittel­ gesetz von 1927 in eine staatlich garantierte und stofflich orientierte Ordnung des Ernährungssektors mündete. Diese Vorarbeiten wurden seitens des NS Staates aufgegriffen und umfassend gefördert. Grund hierfür waren aber nicht allein Autarkie und Aufrüstung, sondern auch eine rassistisch gewendete Form der Gesundheits- und Ernährungsführung, die ernährungswissenschaftliche und reformerische Ansätze vielfach koppelte, im Zweifelsfall aber auf die Expertise der etablierten Wissenschaftler setzte. Gerade die Militärverpflegung wurde zum Abbild einer modernen deutschen und zumeist künstlichen Kost. Die aktive Rolle des NS -Staates war ein zentraler Faktor für die Marktentwicklung der 1950er Jahre. Anders als die DDR zog sich der demokratische Staat Westdeutschlands allerdings aus der Gesundheits- und Ernährungspolitik (mit Ausnahme der Agrarpolitik) zurück, überließ diese erst einmal Wissenschaftlern, Aufklärungsinstitutionen sowie dem Markt. Die mit Fehlernährung verbundenen wachsenden Kosten führten jedoch seit Ende der 1960er Jahre zu einer zunehmend interventionistischen staatlichen Gesundheits- und Ernährungspolitik, deren Effizienz und Erträge allerdings gering blieb. Die Konsumenten und Bürger fristeten in dieser Untersuchung ein Schattendasein. Das entsprach ihrer inneren Heterogenität und dem Denken der Experten des eisernen Dreiecks, die in ihnen vornehmlich Gestaltungsobjekte sahen. Ihr subjektives Wissen sollte von überlegenem objektivierten Wissen ersetzt, ihr Leben so rationaler und besser gestaltet werden. Diese erwünschte Inkorporation misslang, wenngleich nicht völlig. Die Konsumenten nahmen das Wissen der Experten wahr, veränderten insbesondere auf Grundlage der Vitaminlehre ihre Alltagspraxis und nutzen parallel bestimmte Marktsegmente zu reflektierter Enthäuslichung. Davon profitierte die in der Zwischenkriegszeit zunehmend bequemer zuzubereitende und auch mundende künstliche Kost. Nach 1945 verstand man den Konsumenten dennoch weiterhin als schwaches und zu schützendes Wesen. Diskussionen über Kennzeichnungspflichten, Warentests und empirische Marktforschung spiegelten jedoch schon Ende der 1950er Jahre ein anderes, um den souveräner gedachten Konsumenten oszillierendes Rollen-

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verständnis, das von Staat und Wissenschaft mit wissensbasierter Aufklärung, von Handel und Industrie mit einer zunehmend ästhetisierenden kommerziellen Kommunikation beantwortet wurde. Die Folge war eine antizipierende Produktentwicklung, die auf Basis einer auch qualitativen Marktforschung Bedürfnisse und Wünsche der Konsumenten innersystemisch nachbildete. 3. Künstliche Kost führte dadurch zu einem Marktangebot und einer Objektwelt, die weit vom Angebot des Kaiserreichs entfernt ist. Dies betraf nicht nur Zahl und Verarbeitungsgrad, Verpackung und Darbietungsformen der Produkte, sondern auch die semantische Illusion als Kernelement künstlicher Kost. Wissenschaft und Wirtschaft hielten abseits der eigenen, sich ausdifferenzierenden Fachsprachen an tradierten, in der Alltagsernährung verwendeten Begriffen fest und überdeckten damit, dass Rohwaren und darauf basierende Produkte sich von 1880 über 1950 bis zur Gegenwart grundlegend geändert haben. Eine Kartoffel ist keine Kartoffel, ist keine Kartoffel. Sie wurde wissenschaftlich umgestaltet, zu neuen Produkten »veredelt,« in neuen Kombinationen angeboten und verzehrt. Die Begriffe hinken im Ernährungssektor den Veränderungen hinterher, überdecken diese teils kalkuliert. Sprache ist seit langem Teil des Marketings, Teil einer kommerziellen Inszenierung, während die Realgehalte der Rohstoffe und Produkte mittels des Stoffparadigmas präzise benannt werden. Eine von Raum und Zeit, Produktions- und Zubereitungspraxen losgelöste künstliche Kost bedarf der Ästhetisierung und Sinngebung, um im Markt bestehen zu können. Die Nähr- und Eiweißpräparate um 1900 standen noch für Nährwert und die Gestaltungskraft der Wissenschaft. Während der Zwischenkriegszeit symbolisierten immer mehr Produkte allgemeine Abstrakta, sei es »Gesundheit«, »Deutschtum« oder »Natürlichkeit«. Gerade der Begriff der »Natur« überdeckt(e)  die unabdingbaren Eingriffe des Menschen, um Ernährung in einer arbeitsteiligen Welt zu beschaffen und zu sichern. Er drückt Sehnsucht und mangelndes Reflexionsvermögen aus. Wer von Natur spricht, will vom denkenden und gestaltenden Menschen schweigen. Die Ästhetisierung des Marktangebotes nahm mit der in Nischenmärkten einsetzenden Marktsegmentierung in den späten 1920er Jahren wesentlich zu und wurde nicht zuletzt durch transparente und werbende Verpackungen unterstützt. Ihr Durchbruch im Massenmarkt begann jedoch erst in den späten 1950er Jahren – auch als Defensivreaktion der Industrie gegenüber dem Handel. Lebensmittel koppelte man nun generell mit erstrebenswerten Lebenssituationen, heterogenisierte homogene Güter und bildete dadurch neue Marken- und Produktimages. Lebensmittel wurden passgenau präsentiert, dann auch passgenau produziert. Die mit wissenschaftlicher Expertise spielenden Versprechen stellten anfangs den Menschen in seiner Lebensumwelt in den Mittelpunkt, propagierten insbesondere erhöhte Bequemlichkeit und Geschmack. Seit den späten 1950er Jahren, den 1970er Jahren und dann nochmals seit den 1990er Jahre lobten zunehmend breiter gefasste Angebote jedoch

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das Gestaltungspotenzial der Lebensmittel für den Einzelnen aus, für seine Körper- und Gesundheitsproduktion. Produkte wurden zunehmend durch wissensbasierte Dienstleistungen ergänzt. Der Konsum des Einzelnen wurde zur Dienstleistung an sich selbst, an seiner Gesundheit, seinem Wohlbehagen, seinem Glück. 4. Die Geschichte künstlicher Kost ist auch eine Geschichte wissensbasier­ter Träume und Ängste, in denen das Janusgesicht der Moderne deutlich hervortritt. Die forcierte Veränderung der materiellen Grundlagen des menschlichen Grundbedürfnisses Essen und die permanenten Wissenskämpfe zwischen Experten, Gegenexperten und der Mehrzahl der Essenden produzierten einen kommunikativen Überschuss sowie Nichtwissen. Die Diskrepanzen zwischen dem im Stoffparadigma gründenden Modellreduktionismus künstlicher Kost und den vielfältigen, in sich heterogenen Anspruchshaltungen des Alltags an Essen/Ernährung sind unübersehbar. Moderne Wissens- und Konsumgesellschaften erlauben zwar erhöhte Wertschöpfung und materielle Sicherheit in zuvor kaum bekanntem Ausmaß. Sie sind zugleich aber mythenlastig und diskursgetrieben. Dies zeigt sich gerade bei den Wissensproduzenten. Dem Selbstbild der Naturwissenschaften zum Trotz bildeten die Laboratorien nicht nur Orte wissenschaftlich objektivierter Empirieproduktion. Die dort arbeitenden Wissensproduzenten waren zugleich Mythenproduzenten. Immer ging es dabei um eine gestaltbare Zukunft, immer spiegelten sich darin die Wünsche und Träume der jeweiligen Zeit: Eine Welt ohne Hunger, in der sich jeder satt essen konnte;­ eiweißreiche, schnell zu verzehrende, vom Tagwerk nicht ablenkende Komprimate; eine vitaminreiche Frischkost, leicht und bekömmlich, geistig anregend und gesund. Je länger, je mehr wurden diese Zielsetzungen gekoppelt mit Vorstellungen von Gesundheit und Bequemlichkeit, von Wellness und produktimmanenten Dienstleistungen. Zielten sie ursprünglich auf die Gattung Mensch, fokussierten sie sich dann stärker auf die Gemeinschaft des Volkes, endeten schließlich in Ziel- und Risikogruppen sowie beim Einzelnen. Bis heute zielen Ernährungswissenschaftler auf die Fiktion einer erkennbaren »Natur«, gründen auf den damit verbundenen Mythen, die den Kitt vieler in sich widersprüchlicher Empirieproduktionen bilden, der dann in Forschungsbedarf umgemünzt wird. Naturwissenschaftler waren und sind vorrangig Kulturschaffende, die ihre Modelle jedoch unreflektiert als reale Abbilder verstehen. Die Entwicklung künstlicher Kost glich daher der Suche nach der blauen Blume, einem romantischen Sehnsuchtsobjekt, das schon Liebig aus der Wissenschaft verdammen wollte und der dennoch seine Forschungen normativ am Menschenwohl ausrichtete. Diese Suche konnte nicht erfolgreich sein, doch die Sehnsucht nach dem einen Nahrungskomprimat, dem Heil bringenden Nähr- und Wirkstoff oder der passgenauen Produktlösung blieb bestehen und werden Forschung und Entwicklung weiter vorantreiben.

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Spiegelt sich in künstlicher Kost daher nicht nur Renommier- und Gewinnsucht, sondern auch menschliche Neugierde und Spieltrieb, mündete ihr Vordringen zugleich in Unsicherheit und Lebensängsten. Als Teil und Ausdruck einer wissensbasierten, vom planenden und gestaltenden Intellekt kreierten Palette marktgängiger Produkte und Dienstleistungen und ohne eine Rückbindung in unmittelbare Alltagszusammenhänge bot künstliche Kost eine optimale Projektionsfläche für die Ängste und Befürchtungen seit dem späten 19.  Jahrhundert. Vorstellungen von völkischer Degeneration und kollektivem Niedergang, von schleichender Vergiftung und zunehmenden Risikofaktoren begleiten sie von Beginn an, sind somit Teil ihrer selbst. Die Delegation der Befriedigung basaler Grundbedürfnisse erschien zunehmend als Gefahr für Leib und Leben, nicht als ein von Expertensystemen abgepuffertes und selbst zu beeinflussendes Risiko. Im Ernährungssektor lassen sich diese Konturen einer Risikogesellschaft schon seit dem späten 19. Jahrhundert nachweisen, auch wenn die diskursiven Auseinandersetzungen durch die verstärkte Medialisierung des Wissens und das Vordringen der Reformer gerade seit den 1920er Jahren vermehrt Widerhall fanden. Wer dieses Wechselspiel von Träumen und Ängsten beklagt, hat Grundkonstituenten pluraler Wissens- und Konsumgesellschaften missverstanden. Menschen sind nicht rein sachlich, das erst macht sie zu Menschen. 5. Es bleibt die Rückfrage nach unmittelbar praktischen Konsequenzen einer derart umfangreichen Untersuchung. Historiker sind als Wissensproduzenten davon überzeugt, dass es einen praktischen Unterschied macht, ob man ihre Expertise zur Kenntnis nimmt oder aber nicht. Wer weiß, dass wir am vorläufigen Ende einer mehr als 170 Jahre währenden wissensbasierten Umgestaltungsphase stehen, wird allen Vorstellungen vermeintlicher Innovationen im Lebensmittelmarkt gebotene Skepsis entgegenbringen. Wer weiß, dass Ernährungswissenschaft ein System der Neuigkeitsproduktion und Wissensverdrängung ist, wird ihre Expertise mit Achtsamkeit und gebotener Skepsis nutzen. Wer die semantischen Illusionen und Ästhetisierungen bedenkt, die dieses Feld bestimmen, wird sich fragen müssen, was er tut, wenn er kauft und isst und vielleicht seine Stellung zur Welt reflektieren. Wer weiß, welche Interessen die einzelnen Akteure verfolgen, wird auf sein eigenes Wissen und seine eigene Praxis verwiesen. Doch der Verweis auf den Einzelnen und seine Schaffenskraft kann nicht das letzte Wort sein. Unsere heutige Situation ist durch die Paradoxien und nicht intendierten Folgen der Strukturentscheidungen und Pfadabhängigkeiten seit der Hochindustrialisierung gekennzeichnet. Die Bewertungsmaßstäbe unterschiedlicher Wissenssysteme vermischen sich unreflektiert im Alltag und der öffentlichen Rede über Ernährung und auch Essen. Unsere Debatten und Diskurse seit den späten 1920er Jahren thematisierten genau dieses nicht und sind daher durch kaum verbundene Selbstgespräche von Experten, ­Mittlerkräften

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und einfachen Bürger gekennzeichnet. Die Konsequenz hieraus ist klar: Nicht die Verabsolutierung einzelner Deutungsebenen des Wissensfeldes Ernährung kann im Mittelpunkt seriöser Debatten stehen, sondern ein Bemühen um Kenntnisse über die unreflektierten Selbstverständlichkeiten unterschiedlicher Systeme, also die Rationalitäten und Deutungsmuster von Wissenschaft und Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit, von objektiviertem und subjektivem Wissen. Ein gutes Essen gründet auf der Scheidung und Kenntnis des Geschmacks und der Herkunft jedes einzelnen Bestandteils des Mahls. Wer um zukunftsfähige und wechselseitig aufklärende Debatten um unsere Art des Essens und der Ernährung bemüht ist, wird sich selbst und seine in sich sehr wohl stimmigen Deutungsweisen in einen breiten Chor von Beitragenden einzubetten haben. An die Stelle »richtiger« Aussagen und Handlungen tritt als Gestaltungsaufgabe dann eine Pragmatik des Alltags, die immer wieder neu austariert und ausgehandelt werden muss. Künstliche Kost ist heute letztlich alternativlos, doch die Art der gewählten künstlichen Kost ist nicht folgenlos. Wissen um deren Ausprägungen und ihre Geschichte eröffnet Einzelnen und auch Gesellschaften Wahlmöglichkeiten. Sie zu sehen und aufzugreifen wird unabdingbar sein, wollen wir unsere Grundbedürfnisse frei und zugleich verantwortungsvoll befriedigen.

Danksagung

Die Pläne für dieses Buch reichen bis 2001 zurück, als ich die Stelle eines Geschäftsführers einer Stiftung für gesunde Ernährung mit der unsicheren Existenz eines Wiss. Assistenten austauschte, um ein so zentrales Thema wie das der Ernährung systematisch zu erforschen. Wer das verwaltete und Eigenständigkeit verachtende Leben an deutschen Universitäten kennt, mag über diese Illusion verwundert sein. Doch Zugang zu Ressourcen, Literatur und Quellen waren so einfacher zu organisieren. Zeit zur Forschung musste ich mir abseits der Semesterferien jedoch mit Stipendien erkaufen. Mein Dank geht an die Deutsche Forschungsgemeinschaft für ein zweijähriges Habilitationsstipendium und den Leverhulme Trust für eine International Visiting Fellowship am Londoner Birkbeck College unter den Auspizien von Frank Trentmann. Das vorliegende Buch basiert auf einem deutlich umfangreicheren Manuskript, das 2008 unter dem Titel »Künstliche Kost. Die Genese der modernen Ernährung in der Wissens- und Konsumgesellschaft Deutschlands 1880–2000« von der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Habilitationsschrift angenommen wurde. Als stellvertretender Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Washington, DC standen für mich anschließend andere Aufgaben und Projekte im Vordergrund, so dass sich die notwendigen Kürzungen, die Einbindung neuer Forschungen und auch konzeptionelle Veränderungen über Gebühr hinzogen. Mein Dank gilt in erster Linie Hartmut Berghoff, der die Entstehung dieser Arbeit über viele Jahre kritisch und verlässlich begleitet hat. Seine so andere Expertise bot Stoff zum Nachdenken, half bei der Strukturierung, forderte, hinterfragte. Auch mit Bernd Weisbrod verbinden mich zahlreiche intellektuell anregende Dispute. Rebekka Habermas, Eva Barlösius und Jakob Tanner steuerten hilfreiche und produktiv rückfragende Gutachten bei. Es ist hier nicht möglich, all den Kollegen zu danken, die Einfluss nahmen auf die vorliegende Arbeit, zumal die meisten in den Fußnoten wieder auftauchen. Hilfreich waren zudem Kolloquien in Göttingen bei Historikern und Agrarwissenschaftlern, in Bielefeld, Berlin, in Washington, bei zahlreichen, hier nicht aufzuzählenden Tagungen, zumal denen außerhalb der engen Welt der Geschichtswissenschaften. Dank gebührt auch den zahlreichen studentischen Hilfskräften, die in einem Land mit bis heute nur rudimentärer Digitalisierungskultur emsig Literatur und Quellen beschafft haben: Sebastian Teupe, Corinna Ludwig, Nina Härter, Maren Grüber, Tim Eyßell, Michael Behrends, Annemarie Reemts, Sebastian­ Kornitzky, Matthias Bischoff, Valentin Ochel, Hanna Bosse, Lena Merkel, Jan

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Danksagung

Stefener und Maxi Schulz. Auch Julia Busche war Teil dieser Gruppe, hat aber den Fortgang der Arbeit weit darüber hinaus beflügelt. Christof Mauch hat mich zur rechten Zeit wieder eingefangen, zumal der Reihentitel »Umwelt und Gesellschaft« dem Thema wohl näher kommt als die einschlägigen Publikationsreihen meiner Kernprofession, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Ihm, Helmuth Trischler und dem Rachel-Carson-Center danke ich für die Aufnahme in die Reihe und auch finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung. Die Zusammenarbeit mit Vandenhoeck & Ruprecht, zumal mit Daniel Sander, war unkompliziert und stets professionell. Jonas Geweke hat bei der Fertigstellung des Manuskriptes, zumal der Bild­ gestaltung, fundiert und präzise mitgearbeitet. Mein besonderer Dank gilt Stefanie Waske für die Schlussdurchsicht des Ganzen und für vieles mehr. Es ist schade, dass meine beiden so früh verstorbenen Eltern, Ursula und Helmut Spiekermann, dieses Buch nicht mehr werden lesen können. Doch es ist auch ihre Lebensleistung, dass ein Arbeiterkind aus einer konservativen katholischen Gegend ein selbstbestimmteres Leben hat leben können als es ihnen vergönnt war. Eine solche Leistung wiegt vielleicht schwerer als manches akademische Werk.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Das folgende Verzeichnis ordnet die genutzten Materialien einzig nach dem Verwendungszweck im Kontext der Arbeit. Daher finden sich unter den Primärquellen auch zahlreiche aktuelle Publikationen. Da die Arbeit vornehmlich aus gedruckten Materialien beruht (Kap. 1.2), wurden genutzte Archivalien (Bundesarchiv (Potsdam, Berlin), Archiv des Deutschen Hygiene-Museums (Dresden), Bircher-Benner-Archiv (Zürich), Knorr-Archiv (Heilbronn), Kollath-Archiv (Bad Soden), Stollwerck-Archiv (Köln), Westfälisches Wirtschaftsarchiv (Dortmund)) hier ebenfalls eingeordnet.

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920

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Abkürzungen

ADLR Archiv des Deutschen Landwirtschaftsrats BVGP Blätter für Volksgesundheitspflege BKW Berliner Klinische Wochenschrift DÄBl Deutsches Ärzteblatt DFR Deutsche Fischerei-Rundschau DHR Deutsche Handels-Rundschau DLR Deutsche Lebensmittel-Rundschau DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift DNR Deutsche Nahrungsmittel-Rundschau DVÖG Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege DVW Die Deutsche Volkswirtschaft EU Ernährungs-Umschau EW Die Ernährungswirtschaft FD Der Forschungsdienst FT Food Technology HLFZ Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung IOGV Die industrielle Obst- und Gemüseverwertung KR Konsumgenossenschaftliche Rundschau KT Kochkunst und Tafelwesen KW Klinische Wochenschrift LZ Lebensmittelzeitung MB Mehl und Brot MDLG Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft MK l Medizinische Klink MLW Mitteilungen für die Landwirtschaft MMW Münchener Medizinische Wochenschrift MW Die Medizinische Welt MZBl Milchwirtschaftliches Zentralblatt ÖG Der Öffentliche Gesundheitsdienst OKH Oberkommando des Heeres RGBl Reichs-Gesundheitsblatt RRDV Rundschau des Reichsbundes der deutschen Verbrauchergenossenschaften TM Therapeutische Monatshefte VE Die Volksernährung VLF Vorratspflege und Lebensmittelforschung VW Vegetarische Warte ZAC Zeitschrift für angewandte Chemie

ZfE

ZFMH Zf VE Zf VED ZGV ZHV ZKI

Zeitschrift für Ernährung Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene Zeitschrift für Volksernährung Zeitschrift für Volksernährung und Diätkost Zeitschrift für Gemeinschaftsverpflegung Zeitschrift für Heeresverwaltung Zeitschrift für die gesamte Kälteindustrie

922 ZÖC ZUL ZUNG ZVF

Abkürzungen Zeitschrift für öffentliche Chemie Zeitschrift für Untersuchung der Lebensmittel Zeitschrift für Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel Zeitschrift für Vitaminforschung

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

1:

Geschützte Kunstwelt – Pettenkofers Münchener Respirationsapparat (Atwater, W[ilbur] O.: How Food Nourishes the Body, The Century 34, 1887, 237–251, hier 242) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

2a+b:

Stoffwirkungen visualisiert – Vitamin B1 und Vitamin A (Venzmer, Gerhard: Lebensstoffe unserer Nahrung. […], Stuttgart 1935, 30 (a), 49 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

3a+b:

Schemen des Stoffwechsels 1926 (Berg, Ragnar/Vogel, Martin: Die Grundlagen einer richtigen Ernährung, Dresden o. J., n. 64 (a); n. 26 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

4:

Säuglingsernährung einst und jetzt – Karikatur 1886 (Fliegende Blätter 84, 1886, 130) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

5a+b:

Die Einzelkomponenten des Soxhlets-Apparats 1886 (Soxhlet, F[ranz]: Ueber Kindermilch und Säuglings-Ernährung, Münchener Medizinische Wochenschrift 33, 1886, 253–256, 276–278, hier 277) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

6:

Anzeige für »zivile« Erbswurst 1871 (Kladderadatsch 24, 1871, 7. S. n. 192) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

7:

Büchsenstopf- und Konservierungsraum der ArmeeKonservenfabrik Spandau 1909 (Bischoff, H[ans]: Nahrungs- und Genussmittel, in: Ders./ Hoffmann, W[ilhelm]/Schwiening, H[einrich] (Hg.): Lehrbuch der Militärhygiene, Berlin 1910, 261–390, hier 318) . . . . . . . . . . . . . . . . 127

8:

Fleischextraktfabrikation in Fray Bentos um 1900 (Wagner, Curt: Konserven und Konservenindustrie in Deutschland, Jena 1907, 97) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

9:

Marktchance Teuerung: Werbung für Fleischextrakt 1912 (Daheim 48, 1912, Nr. 13, 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

10:

Pionierprodukt in der Originalpackung: Leguminose Maggi von 1884 (Vinçon, Hartmut: Das Unternehmen Maggi, in: Ders. (Hg.): Frank Wedekinds Maggi-Zeit […], Darmstadt 1995, 177–246, hier 193) . . . . . . . . 142

11:

Würzen für die experimentierende Hausfrau. Karikatur 1887 (Fliegende Blätter 87, 1887, 45) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

12:

Substitution des Würzens durch die Würze. Werbeanzeige 1902 (Fliegende Blätter 116, 1902, Nr. 2946, Beibl., 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

13:

Konkurrenz für den Marktführer. Werbung für Knorr-Sos 1909 (Deutsche Rabattsparvereins-Zeitung 6, 1909, 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 151

14:

Produktproduktion durch Kombination der Zutaten: Werbung für Kola-Produkte 1898 (Fliegende Blätter 108, 1898, Nr. 2756, Beibl., 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

15:

Marktnische Diabetes: Werbung für Lizenzprodukte aus Aleuronat 1898 (Fliegende Blätter 108, 1898, 2743, Beibl., 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

924

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

16a+b: Werbeanzeigen für Tropon 1899/1900 (Lemcke, Johannes: Handbuch der Reklame, Berlin 1901, 80 (a), 221 (b)) . . . 172 17a+b: Der Übergang von der Spezialität zur Alternative um 1900 (Das Rothe Kreuz 20, 1902, 408 (a); VW 32, 1898, Nr. 8, VI (b)) . . . . . . . . . 187 18:

Präsent und doch fremd: Alkoholfreie Produkte in der Karikatur 1913 (Die moderne Hausfrau, Fliegende Blätter 138, 1913, 302–303, hier 303) . . . . 189

19:

Erklärung und Anpreisung für den empfindlichen Konsumenten 1904 (Simplicissimus 9, 1904/05, n. 40) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

20a+b: Vorbild und Imagetransfer: Werbung für koffeinfreien Kaffee 1908 und für Ersatzkaffee 1909 (Fliegende Blätter 129, 1908, Nr. 3292, Beibl., 10 (a); Deutsche Rabattsparvereins-Zeitung 6, 1909, 23 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 21:

Promenade während der Kur 1905 (Rhoden, Hans v.: Großstädtisches Kurleben, Die Woche 7, 1905, 1359–1361, hier 1360) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

22:

Beispiel eines Entfettungsproduktes aus Rizinusöl 1906 (Fliegende Blätter 124, 1906, Nr. 3178, Beibl., 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

23:

Körper und Leistungsfähigkeit in der Werbung 1912 (Fliegende Blätter 137, 1912, Nr. 3503, Beibl. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

24:

»Neues Leben« und »Gesundheit« als Marktstrategie. Anzeige 1914 (Vegetarische Warte 47, 1914, o.P. (Anzeigenanhang)) . . . . . . . . . . . . . . 218

25:

Verarbeitete und konservierte Nahrungsmittel. Werbung 1913 (Vegetarische Warte 46, 1913, o.P. (Anzeigenanhang)) . . . . . . . . . . . . . . 230

26:

Basis der Alternativgesellschaft. Angebotspalette eines führenden Versandgeschäftes 1913 (Vegetarische Warte 46, 1913, o.P. (Anzeigenanhang)) . . . . . . . . . . . . . . 230

27:

Moderne Produkte für den langen Marsch zur Gesundheit. Anzeige 1913 (Vegetarische Warte 46, 1913, o.P. (Anzeigenanhang)) . . . . . . . 232

28a+b: Die deutsche Ernährungsbilanz im Spiegel der Experten 1914 (Waller, Augustus D.: Introduction, in: Wells, S[ydney] Russell/Ders. (Hg.): Germany’s Food. Can it Last?, London 1915, xii-xxiv, hier xvi (a) und xxi (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 29:

Reduktion der Durchschnittskost: Rationen 1914 und 1918 (Schulte, Eduard: Kriegschronik der Stadt Münster 1914/18, Münster 1930, 60) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

30a+b: Liebesgaben für Kanonenfutter. Werbeanzeigen 1914 (Der Materialist 35, 1914, Nr. 49, 2 (a); ebd., Nr. 43, 4 (b)) . . . . . . . . . . . . . 259 31:

Gespeiste Kinder mit den gereichten Nahrungsmittelmengen 1922 (Amerikanische Kinderhilfsmission der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) Bericht 10 – 31. Juli 1922, Berlin 1922, 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

32:

Gewerbliches Angebot für den häuslichen Ersatz des Ersatzproduktes – Werbeanzeige 1917 (Berliner Illustrirte Zeitung 26, 1917, 256) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

33:

Reinheit dank chemischer Untersuchung – Kakaogütemarke (Fliegende Blätter 122, 1905, Nr. 3110, Beibl., 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

925

34:

Orte des Wissens. Gebäude der chemischen, bakteriologischen und physikalischen Institute der Kieler Versuchs- und Forschungsanstalt (Bünger, [Heinrich]: Die Entwicklung der Preußischen Versuchs- und Forschungs-Anstalt für Milchwirtschaft in Kiel im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens 1922–1932, in: Zehn Jahre Preußische Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft, Kiel, 1922–1932, Hildesheim 1932, 5–36, hier 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

35:

Standardisierung in der Region: Westfälische Gütemarken 1930 (Wessel: Absatzfragen der westfälischen Landwirtschaft, Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft 45, 1930, 466–468, hier 467) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

36:

Das Nahrungs- und Genussmittelgewerbe im Deutschen Reich 1925 (Das Nahrungs- und Genußmittelgewerbe im Deutschen Reich nach den Ergebnissen der gewerblichen Berufszählung 1925, Wirtschaft und Statistik 8, 1928, 262–272, hier 262) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

37:

Rohstoffkontrolle als Aufgabe: Betriebslaboratorium der Schultheiss AG 1910 (Die Schultheiss’ Brauerei in Vergangenheit und Gegenwart, Berlin 1910, 80) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

38:

Betriebslaboratorium der Stollwerck AG 1934 (Fincke, H[einrich]: 50 Jahre Chemikertätigkeit in der deutschen Schokoladen-Industrie. […], Köln 1934, 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

39a+b: Moderne Werbeformen – Beispiele aus der Arbeit des Reichsmilchausschusses (Für deutsche Milch! Für deutsche Butter! Für deutschen Käse!, Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung 81, 1928, 1093 (a); Die Aufklärungs- und Werbetätigkeit des Reichsausschusses zur Förderung des Milchverbrauchs (Reichsmilchausschuß), Milchwirtschaftliches Zentralblatt 59, 1930, 405–409, hier 409 (b)) . . . . . . 337 40a+b: Moderne Werbeformen – Beispiele regionaler Werbearbeit (J[ungclau]s, E. R[udolf]: Kauft deutsche Ware, und ihr schafft Arbeit und Brot, Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung 84, 1931, 567 (a); Schumann, K.: Die »Deutsche Woche«. Ein Weg für die landwirtschaftliche Gemeinschaftswerbung, Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft 45, 1930, 1047–1048, hier 1048 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 41:

»Moralischer Konsum« – Popularisierung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge 1933 (Paulsen, Sigurd/Siemon, Hans: Hand in Hand. Ein Nachschlagebüchlein über die wichtigsten Vorzüge deutscher Waren für jeden, der mithelfen will, Essen o. J. (1933), 24)) . . . . . . . . . . . 342

42:

Normierung der Arbeit hunderttausender Produzenten – Buttermarken 1933 (Milchwirtschaftliches Zentralblatt 62, 1933, 106) . . . . . . . . . . . . . . . . 343

43:

Das abstrakte Bild des Markts – Marktbeobachtung 1927 (Brandt, Karl: Der heutige Stand der Berliner Milchversorgung, Berlin 1928, 51) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

926

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

44:

Schulung der lokalen Wissensträger – Markenkartoffelprüfung 1928 (Lehrgang für die Sachverständigen des Verbandes »Hannoversche Markenkartoffel« am 9. und 10. Oktober d. J. in Ebstorf, Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung 81, 1928, 916–917, hier 916) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

45a+b: Gesunde Deutsche heißt deutsche Lebensmittel und gesunde Inhaltsstoffe. Werbeplakate 1939 (»Fisch essen heißt gesund leben«, Deutsche Fischerei-Rundschau 62, 1939, 125 (a); Deutsche Fischerei-Rundschau 62, 1939, 235 (b)) . . . . . . . . 347 46:

Imagebildung mit Inhaltsstoffen – Vorlage für Werbeschaufenster (»Groschengrab im Fischschaufenster«, Deutsche FischereiRundschau 62, 1939, 464–465, hier 465) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

47a+b: Gesunde Kost durch stete Kontrolle der Experten (Staege, [Werner]: Ein Jahr Milchwirtschaftliches Institut, Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung 82, 1929, 1107–1109, hier 1108 (a: Fettbestimmung; b: Butterprüfung)) . . . . . . . . . 349 48:

Die Landwirtschaft als Rohstofflieferant – Aufklärungsplakat 1929 (Ernährung der Pflanze 25, 1929, 588) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

49:

Kalorische Stoffstromanalyse Deutschlands 1936 (Decken, Hans v.d.: Entwicklung der Selbstversorgung Deutschlands mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Berlin 1938, 17) . . . . . . . . . . . . 355

50a+b: Der deutsche »Ernährungshaushalt« 1936 (Schweigart, H[ans]-A[dalbert]: Der Ernährungshaushalt des deutschen Volkes, Der Forschungs-Dienst 4, 1937, 510–519, hier 513 (a)  und 514 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 51:

Abstraktes Wissen zur Setzung von Planungsprioritäten (Decken, Hans v.d.: Die Struktur des deutschen Nahrungsmittelverbrauchs. […], Zeitschrift für Volksernährung 12, 1937, 61–63, hier 62; Werte = Umsätze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

52a+b: Kalorienverbrauch und Selbstversorgungsgrad des Deutschen Reiches (jeweiliges Gebiet) 1913 und 1924–1934 (Decken, Hans v.d.: Deutschlands Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen unter besonderer Berücksichtigung der ­Auslandsabhängigkeit, Berlin 1935, 63) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 53:

Die Relevanz der Stoffgesamtheit für den Ernährungserfolg (Ertel, Hermann: Die gesundheitliche Bedeutung der Ernährung, in: Reiter, Hans/Berger, Joh[annes] (Hg.): Deutsches Gold. Gesundes Leben – Frohes Schaffen, München 1942, 105–129, hier 108) . . . . . . . . . . 401

54:

Reine Lebensstoffe – synthetisiertes Cebion (Wintermeyer, Ursula/Lahann, Holm/Vogel, Roland: Vitamin C. Entdeckung, Identifizierung und Synthese – heutige Bedeutung in Medizin und Lebensmitteltechnologie, Stuttgart 1981, 43) . . . . . . . . . . . 403

55:

Popularisierung einer neuen Stoffgruppe – Lebertranwerbung 1926 (Hannoversche Hausfrau 23, 1925/26, Nr. 28, IV) . . . . . . . . . . . . . . . . 406

56:

Optimierte Zusammensetzung – Fortifiziertes Puddingpulver 1940 (Die Deutsche Handels-Rundschau 33, 1940, 569) . . . . . . . . . . . . . . . . 409

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

927

57:

Der Kinderwunsch erfüllbar – Werbung für ein Multivitamin‑ präparat 1942 (Deutsche Volkswirtschaft 16, 1941/42, 679) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

58:

Verteilung von Cebionzucker ca. 1941 (Geisler, Erika: Die Gesundheitsführung der Jugend, in: Reiter, Hans/ Berger, Joh[annes] (Hg.): Deutsches Gold. Gesundes Leben – Frohes Schaffen, München 1942, 238–290, hier 264) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429

59a+b: Backen leicht gemacht – Convenienceprodukte 1904 und 1914 (Der Materialist 25, 1904, Nr. 31, 24 (a); Der Materialist 35, 1914, Nr. 3, 3 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 60a–c: Annäherung an den Verbraucher – Flockenwerbung 1921 und 1928 (Hannoversche Hausfrau 19, 1921/22, Nr. 3, IV (Horst; a); Die Lebensreform 5, 1928, v. 1 (De-Vau-Ge; b); Die Woche 30, 1928, v. 555 (Quäker; c)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 61:

Fertigsuppe zum Aufkochen. Anzeige 1936 (Deutsche Handels-Rundschau 29, 1936, 278) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

62:

Fertigwürze mit Zusatznutzen. Anzeige 1934 (Edeka Deutsche Handels-Rundschau 27, 1934, 291) . . . . . . . . . . . . . . 451

63:

Rationalisierung in den Produktionsstätten – Gewürzextrakte 1929 (Weckruf 16, 1929, 809) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

64:

Verzehrsfähige Aufreißdosen 1932 (Dosen mit Aufreiß, Fische und Fischwaren 1932, 138) . . . . . . . . . . . . . 461

65:

Ästhetisierung durch transparente Verpackung – Geruchsloser Handkäse 1939 (Milchwirtschaftliches Zentralblatt 68, 1939, 2. S. v. 180) . . . . . . . . . . . . 469

66:

Rationalisierung im Einzelhandel durch Einsatz von Cellophan – Anzeige 1937 (Deutsche Handels-Rundschau 30, 1937, 841) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470

67a+b: Überzeugungsarbeit für den »natürlichen Fortschritt« – Anzeige 1934 und 1937 (Edeka Deutsche Handels-Rundschau 27, 1934, 837 (a); Deutsche Handels-Rundschau 30, 1937, 327 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 68:

Der schöne Schein des Eingemachten: Hygiene und Materialersparnis im Haushalt (Cellophan im Haushalt, o. O. 1937, 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

69:

Kleinverkaufspackungen für Gefriergut 1940 (Mosolff, Hans (Hg.): Der Aufbau der deutschen Gefrierindustrie. […], Hamburg 1941, 50) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486

70:

Imagetransfer in der Vorkriegszeit (Einzelhandel und Versorgungslage, o. O. 1938, 30) . . . . . . . . . . . . . . . 490

71:

Das Ideal der Kühlkette 1939 (Deutsche Fischerei-Rundschau 62, 1939, 199) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496

72:

Stolz weniger Geschäfte – Schaukühlschränke 1937 (Deutsche Handels-Rundschau 30, 1937, Nr. 30, I) . . . . . . . . . . . . . . . . 497

73:

Wissensdiffusion als Ideal der Experten (Mosolff, Hans (Hg.): Tiefkühl ABC , Hamburg 1941, 26) . . . . . . . . . . . . 499

928

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

74a+b: Wissenschaft als Ressource im Machtkampf – Karikatur 1940 (Fliegende Blätter 96, T. 1, 1940, 155) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 75:

Sortenversuche mit Sojabohnen im Deutschen Reich 1933–1935 (Ziegelmayer, Wilhelm: Rohstoff-Fragen der deutschen Volksernährung. […], Dresden/Leipzig 1936, 87) . . . . . . . . . . . . . . . . 517

76a+b: Automatische Verpackung und Zubereitungsvariante von Migetti (Schulz, M[ax] E[rich]: Molkenverwertung durch neuartige Erzeugnisse. Beispiel: Migetti, Die Milchwissenschaft 1, 1946/47, 55–66, 77–83, hier 65 (a) und 81 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 77:

Holzzuckerfabrik in Tornesch/Holstein (Gerhardt, Hans/Höfner, Albert: Deutsche Roh- und Werkstoffe, 3. erw. Aufl., Frankfurt a. M. 1942, Beil., 86) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530

78a+b: Propaganda für Süßmost. 10. Reichskonferenz für gärungslose Früchteverwertung in Frankfurt a. M. 1938 (Flüssiges Obst! […], Auf der Wacht 55, 1938, 55–59, hier 56 (a), 58 (b)) . . . 542 79:

Deutsche Beißer – Zahnbürstenappell bei der Hitler-Jugend (Geisler, Erika: Die Gesundheitsführung der Jugend, in: Reiter, Hans/ Berger, Joh[annes] (Hg.): Deutsches Gold. Gesundes Leben – Frohes Schaffen, München 1942, 238–290, hier 265) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564

80:

Wettbewerb der Apparate – Anzeige 1928 (Molkerei-Zeitung 42, 1928, 1632) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568

81:

Die delegierte Verantwortung in der Karikatur 1930 (Gesundheit aus der Tube…, Die Landfrau 1930, Nr. 50, 2) . . . . . . . . . . . 569

82a+b: Trockengemüse verpackt und zubereitungsfertig (Bein, Fritz: Der Feldkochunteroffizier. […], Berlin 1943, 274 (a), 244 (b)) . . 599 83:

Vorstellung neu entwickelter Konzentratsverpflegung der Waffen-SS 1943 (Schenck, Ernst-Günther: Vorstellung der Konzentratsverpflegung der Waffen-SS , in: Diffamierte Medizin im Dritten Reich, Vlotho 1992, 1, 14, hier 1 (in der Bildmitte Schenck, Pohl und Himmler)) . . . . . . . 609

84:

Lehrmeister Wehrmacht – Anzeige für KNÄCKE -Brot 1942 (Der Vierjahresplan 6, 1942, 408) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613

85a+b: Höchstleistungen im zivilen Wettbewerb – Cola Sport als Adaption des Wehrmachtskonzentrats Schokakola 1951 (Der Markenartikel 13, 1951, 247 (a), 246 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 86a+b: Leistung in zivilem Umfeld – Werbung für Dextro-Energen 1991 und 1966 (Kristall 16, 1961, Nr. 3, 52 (a); Der Markenartikel 28, 1966, 411 (b) . . . . . . 617 87a+b: Trockenkartoffeln in Scheiben- bzw. Schnitzelform (Ziegelmayer, W[ilhelm]: Verpflegungs- und Küchentechnik, in: Kittel, Walther/Schreiber, Walter/Ders. (Hg.): Soldatenernährung und Gemeinschaftsverpflegung, Dresden/Leipzig 1939, 112–333, hier 242) . . . . 620 88a+b: Küchenfertig und bequem – Werbung für Pfanni und Poffi (Kristall 9, 1954, 1214 (a); Kristall 12, 1957, 779 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . 622 89a+b: Männer im Weltall – Kosmonautenküche 1961 (Kristall 16, 1961, Nr. 22, 60) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

929

90a–c: Konzeptioneller Wandel – Von der Tubenernährung (Mercury) über rehydrierbare Fertiggerichte zu verzehrsfähigen Häppchen (Gemini) (Nanz, Robert A./Michel, Edward L./Lachance, Paul A.: Evolution of Space Feeding Concepts during the Mercury & Gemini space programs, Food Technology 21, 1967, 1596–1598, 1600–1602, hier 1596 (a), 1598 (b), 1602 (c)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 91:

Zubereitungs- und Speisegerät im Skylab 1973 (Https://mix.msfc.nasa.gov/images/HIGH /7026024.jpg [24.08.2017]) . . . . . 639

92:

Schlankheitsmittel aus dem Westen 1952 (Kristall 7, 1952, 279) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650

93a–c: Waage und Normwerte als Garanten des Gesunden (Kristall 7, 1952, 600 (a); Kristall 9, 1954, 418 (b); Kristall 10, 1955, 909 (c)) . . 651 94a+b: Werbung für Diätprodukte in den 1960er Jahren (Ernährungs-Umschau 11, 1964, 129 (a); Die Ernährungswirtschaft 15, 1968, 114 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 95a+b: Krankheit und sexuelle Attraktivität – Gesundheitsaufklärung in Westdeutschland 1973/74 (Der Verbraucher 28, 1974, Nr. 8, 24 (a); Der Verbraucher 27, 1973, Nr. 11, 3 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 96:

Neue Räume für neue Lebensmittel – Großraumladen in Ulm 1957 (Der Verbraucher 11, 1957, 837) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664

97a+b: Wachsende Komplexität: Essenzielle Lebensmittelinhaltsstoffe im Schaubild (Aebi, Hugo: Mangel im Überfluß?, Zeitschrift für Präventivmedizin 7, 1962, 91–107, hier 93 (a); Aldenhoven, E[lisabeth]: Hausfrau und Ernährungslehre, Ernährungs-Umschau 2, 1955, 132–134, hier 132–133 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 98:

Gefahren durch Additive – Bebilderte Schlagzeile 1958 (Kerres, Bruno: Essen wir Gift?, Hobby 6, 1958, 136–138, 140, 142–145, hier 136) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677

99:

Korporative Strukturen der Lebensmittelgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 1950er Jahre (Hamann, V[olker]: Der Schutz der menschlichen Ernährung durch das Lebensmittelgesetz, in: Saller, K[arl] (Hg.): Gesundes Land, gesundes Leben, München 1953, 219–237, hier 223) . . . . . . . . . . . . . . . 680

100a+b: Schnelle Getränke – Instantersatzkaffee 1957 und fortifizierter Erdbeerdrink 1967 (Kristall 11, 1957, 345 (a); Packungen im NV-Urteil, Die Neue Verpackung 20, 1967, 26–27, hier 27 (b)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 101:

Fertiggerichte als Ausdruck der modernen Zeit 1968 (Neue Verpackung 21, 1968, 782) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699

102:

Verwirrung der Worte. Naturkäseverpackung 1965 (Die Neue Verpackung 18, 1965, 605) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719

103:

»Natur« am Werk – Werbung 1964 (Der Volkswirt 18, 1964, Beil. zu Nr. 52/53, 43) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 720

104a+b: Zielgruppenausweitung – Werbung für vollfetten Schmelzkäse 1968 (Werbezettel von 1968 im Besitz des Verfassers) . . . . . . . . . . . . . . . . . 727

930

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

105:

Sauber und hygienisch – Herta-Fleischwaren 1971 (Neue Verpackung 24, 1971, 487) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729

106:

Begriffliche Unklarheiten – Margarinewerbung 1973 (Der Verbraucher 27, 1973, Nr. 12, 26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741

107:

Künstliche Kost und Agrarproduktion – Karikatur 1968 (Keine Angst vor der Pille, Der Volkswirt 22, 1968, Nr. 34, 11–12, hier 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744

108:

Bedeutungstransfer – Werbung für Bio-Tomaten des Filialisten Tegut (Tegut – Gute Nachrichten 2007, Ausg. v. 29.01.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 759

Tabellenverzeichnis

1: Landwirtschaftliche Werbeausschüsse 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 2: Neugründungen staatlicher Forschungseinrichtungen seit 1936 . . . . . . . . . . . . 507 3: Sortimentsstrukturen in SB -Geschäften/Supermärkten 1954–1988 . . . . . . . . . . 665 4: Zentrale lebensmitteltechnologische Innovationen seit den 1930er Jahren . . . . . . 689 5: Anteile gewerblich verarbeiteter Lebensmittel in der Bundesrepublik Deutschland 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 6: Kennzahlen der bundesdeutschen Nahrungs- und Genussmittelindustrie 1950 und 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 7: Verbrauch von Tiefkühlkost (t) in der Bundesrepublik Deutschland 1960–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700

Register

Personenregister A Abderhalden, Emil  296 Aereboe, Friedrich  241 Allestein, Emma  146 Alter, Wilhelm  416 Anders, Günther  27 Appert, François  458 Arrhenius, Svante  204 B Backe, Herbert  372, 384 Bäumer, Gertrud  266 Ballod, Karl  241 Baltzer, Eduard  214 Balzli, Hans  557 Banting, William  201 Barlow, Thomas  98 Batocki, Adolf v.  246 Bauernfeind, Heinrich  219 f. Baumann, Josef  537, 540 Baur, Erwin  296, 500, 515 Bebel, August  162, 396 Belasco, Warren J.  212 Beckmann, Ernst Otto  296 Beneke, Friedrich Wilhelm  201 Berczeller, Ladislaus  514 Berg, Ragnar  217, 329, 552 Bergius, Friedrich  530 Berka, Eduard  629 Berlinerblau, Joseph  152 Berthelot, Marcellin  52, 162, 277 Berzelius, Jöns Jakob  33, 149 Beythien, Adolf  300 Biedert, Philipp  93, 175 Bilz, Friedrich Eduard  219 Birdseye, Clarence  481, 483 Bircher-Benner, Maximilian  554–556, 705 Blaich, Fritz  339 Bloch, Ernst  746 Bodenhausen, Eberhard v.  170 f.

Bomskov, Christian  384 Borosini, August v.  557 Bosch, Carl  292 Boussingault, Jean-Baptiste  75 Boyen, Herbert W.  745 Brandenberger, Jacques E.  465 Braun, Carl  229 Braun, Wernher v.  631 Bücher, Karl  310 Buffon, Georges-Louis Leclerc de  199 Bunge, Gustav v.  561 Butenandt, Adolf  684 C Chatin, Adolphe  75 Chittenden, Russell H.  264 Cohen, Stanley N.  745 Conti, Leonardo  416, 419, 422, 431, 544 Correns, Carl  59 Coindet, Jean-François  75 Cossak, Josef  322 Courtois, Bernard  75 Cremer, Hans Diedrich  586, 709 f. D Darré, R. Walther  366, 368, 511 Davidis, Henriette  157 Decken, Hans v.d.  354, 356 Detlefsen, Christian  194 E Ebstein, Wilhelm   201 Eckart, Werner  621 Eichholtz, Fritz  677 f., 681, 712 Eijkman, Christiaan  62 Eklöh, Herbert  662 Elias, Norbert  437 Eltzbacher, Paul  241, 243, 247 Erhard, Ludwig  656 Euler-Chelpin, Hans v.  417

934 F Fahlberg, Constantin  152 Falkenhayn, Erich v.  240 Fauth, Karl-Heinz  382 Ferguson, Niall  240 Fincke, Heinrich  323 f., 558 Fink, Hermann  660 Finkelstein, Heinrich  24 Finkler, Dittmar  169–171, 173, 228 Fischer, Emil  50 f., 56–60, 149, 162, 277, 746 Fletcher, Horace  272, 557 Flößner, Otto  533 f. Fontane, Theodor  270 f. Friedberger, Ernst  553 Fröhlich, Theodor  62 Funk, Casimir  63–65, 414 G Gerson, Max  551 Giebert, Georg Christian  130 Göring, Hermann  630 Gondolatsch, Bruno  712 Graham, Sylvester  229 Grandel, Felix  705 Grau, Reinhold  660 Grotjahn, Alfred  264 Gruber, Max v.  131, 179 Grüneberg, Johann Heinrich  113–115, 118 H Haake, Ernst  224 Haarmann, Wilhelm  152 Haber, Fritz  59 Haberlandt, Friedrich  512 Haberlandt, Gottlieb  59, 296 Hahn, Vinzenz v.  408–410 Hauser, Gayelord  704 Heiduschka, Alfred  296 Heiss, Rudolf  479, 482 f., 660 Hempel, Bruno  328 Hensel, Julius  215 f., 219 Hermes, Andreas  296 Herrmannsdorfer, Adolf  552 Heyl, Hedwig  241 Hildesheim, Wilhelm  108 Hilger, Adolf  291 Himmler, Heinrich  609 Hindhede, Mikkel  249, 264 Hirschfeld, Felix  110 Hitler, Adolf  371, 420 f., 593 f., 613

Register Hötzel, Dieter  713 Hofmann, Franz  119 Hofmann, Fritz  296 Holst, Axel  62 Hopkins, Frederik Gowland  64 Hoske, Hans  712 Houten, Coenraad J. & Casparus  193 Hugenberg, Alfred  368 f. Huldschinsky, Kurt  68, 565 Hundhausen, Johannes  166 f. Hunziker, Heinrich  76 I Imhausen, Arthur  532 f. Imhof, Arthur  88 J Jackisch, Otto  224 Juckenack, Adolf  296, 300 Just, Gustav  219 K Kaufmann, Hans Paul  383, 534, 549, 660 Kellogg, John Harvey  217, 231 Kennedy, John F.  637 Kerp, Wilhelm  59 Kjellén, Rudolf  360 Kneipp, Sebastian  193 Knorr, Carl Heinrich  121 f., 149 Koch, Robert  561 König, Joseph  44, 288, 322 Kötschau, Karl  712 Kollath, Werner  416, 549, 607, 668, 705, 709–712 Kraft, Wilhelm  595 Kraut, Heinrich  534, 646, 660, 709, 713 Kuczynski, Robert  241, 296 Kühnau, Joachim  419, 709, 711–714 Kuprianoff, Iwan  660, 693 L Lahmann, Heinrich  215–219, 223, 227 Lang, Konrad  585, 688, 693, 702, 709–711 Lavoisier, Antoine-Laurent de  32 Lehmann, Karl Bernhard  144 Lemmermann, Otto  241, 296 Lenzner, Curt  557 f. Lickint, Fritz  712 Liebe, J. Paul  139 Liebig, Hermann v.  130

935

Personenregister   Liebig, Justus v.  24 f., 32, 34–40, 42, 67, 91 f., 100, 108, 116, 119, 130–134, 136, 138, 163, 179, 201, 311, 316, 392, 511, 767, 780 Liek, Erwin  572 Linde, Carl v.  476 Lochow-Petkus, Ferdinand v.  59 Ludorff, Walter  660 Lusk, Graham  78 M Magendie, François  34, 36 Maggi, Julius  141–144, 147–149, 228, 312 Mann, Karl  220 McCann, Alfred W.  557 Mauterer, Carl  229 f. Mayer, Johann Friedrich  194 McCollum, Elmer Verner  64 Mége Mouriès, Hippolyte  52 f. Mehlitz, Alfred  536 Meinert, Carl Alphons  119 Mendel, Lafayette B.  64 Meyer, Konrad  511, 71 Metzdorf, Hans-Jürgen  356 Miller, Willoughby  561 Möller, Julius Otto  98 Mommsen, Helmut  712 Morell, Theo  431 Müller, Franz  296 Müller, Friedrich v.  556 Müller-Thurgau, Hermann  536 Mündner, Carl & Richard  190 Mulder, Gerhardus J.A.  33 N Naumann, Carl Louis  146 Nerst, Walther  59 Nestlé, Henri  100 f. Neumann, Rudolf Otto  296 Noorden, Carl v.  200, 360 Normann, Wilhelm  54 O Oppenheimer, Karl  200 Oeder, Gustav  200 Oertel, Max Joseph  201 Osborne, Thomas B.  64 Osterhammel, Jürgen  512 Ottesen, Anton J.A.  375, 480 P Packard, Vance  728

Page, Charles & George  100 Parmentier, Antoine  130 Pasteur, Louis  89, 144 Paul, Theodor  291 f., 296, 314 f., 318 Pelshenke, Paul  660 Pettenkofer, Max v.  24, 37, 39, 130, 144 Pflüger, Eduard  47 Pieszczek, Ernst  482, 581, 586 Pirquet, Clemens v.  200 Plank, Rudolph  478 f., 483 Pohl, Oswald  609 Proust, Joseph Louis  130 Pusztai, Arpad  748 f. Q Quaglio, Julius  154 Quetelet, Adolphe  199 R Rau, Walter  380 Reiter, Hans  418, 505 Richter, Hermann Eberhard  174 Roeder, Georg  547 Röse, Carl  217, 552 Rohrer, Fritz  200 Roscoe, Henry  131 Rose, William C.  51 Roselius, Ludwig  194 Rubner, Max  24, 40, 59, 75, 78, 104, 130, 180, 238–241, 248, 250, 264, 295 f., 311, 314, 509, 514 Rührig, Wilhelmine  157 Ruhland, Gustav  360 Runde, Friedlieb Ferdinand  192 S Sauerbruch, Ferdinand  552 Schäfer, Konrad  628 Scheller, Rudolf  120, 148 Schenck, Ernst Günther  531, 544, 608 f., 712 Scheunert, Arthur  384, 415, 417, 423, 425, 432, 493, 675 Schmalfuß, Hans  382, 384 Scholl, Hermann  179 f. Scholler, Heinrich  530 Schröder, Hermann  415 f. Schüßler, Wilhelm  74 Schuler, Fridolin  139 f. Schuphan, Werner  660 Schwab, Günther  678

936

Register

Schweigart, Hans Adalbert  356–358, 712 f. Schweninger, Ernst  201 Sengbusch, Reinhold v.  273 Serger, Hermann  328 f. Sieglerschmidt, Jörn  746 Simmel, Georg  267 Simons, Gustav  228 Sombart, Werner  182, 436 Sonnemann, Theodor  697 Soxhlet, Franz  61, 96–98, 103 Souci, S. Walter  660 Staudte, Wolfgang  615 Steinmetz, Stefan  228 Stepp, Wilhelm  64, 415 f. Sternberg, Wilhelm  150, 314 Stöckhardt, Julius Adolf  36 Stollwerck, Franz  163 Stübler, Elfriede  660 T Tanner, Jakob  85 Tedlow, Richard  339 Thomas, Karl  63, 534 Tiemann, Friedrich  152 Trillich, Heinrich  193 Twiggy 656

V Van de Velde, Henry  169–171 Van t’Hoff, Jacobus  204 Veblen, Thornstein  60 Voit, Carl  24, 39–42, 47, 109, 130, 132, 144, 192 Vordermann, Adolphe  62 W Waerland, Are  704 Wagner, Hugo  195 Wagner, Karl-Heinz  424 f., 432 Warde, Alan  733 Warning, Herbert  675, 712 Weiß, Hans  676, 693 Willstätter, Richard  296 Wimmer, Karl  194 Winckel, Max  505 f. Windaus, Adolf  403 Wirths, Willi  689, 691 Wirz, Franz  432, 544 Wöhler, Friedrich  33, 57, 91 Z Ziegelmayer, Wilhelm  354, 358, 482, 506, 586, 593, 607, 609, 621, 659, 702 Zuntz, Nathan  59, 241

Unternehmens- und Institutionenregister A

AG für Medizinische Produkte  407

Ahena GmbH  483 Aid 668 Aktion Ernährung und Bewegung  657 Andersen & Co., Hamburg  482 f. Anglo-Swiss Condensed Milk Company  100 Anstalt für Fischereiuntersuchungen, ­ Langenhagen 293 Arbeitsgemeinschaft Alkoholfreie Ersatz­ getränke 548 Arbeitsgemeinschaft Ernährung der Wehrmacht 588 Arbeitsgemeinschaft Ernährungswissenschaftlicher Institute  660 Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau 754

Arbeitswissenschaftliches Institut der DAF  356 Armee-Konservenfabrik Spandau  127 Associates for Research into the Science of Enjoyment 766 Ausschuß gegen Irreführung in Volks­ ernährung und Publizistik  559 Ausschuß für Seefischpropaganda  374 B Bahlsen 628 Bayer, Leverkusen  167 Bayerische Landesanstalt für Tierzucht, Grub 294 Bayerische Milchversorgung GmbH  528 Berliner Gesundheits-Zentrale  220 Bioland  754 f. Borroughs, Wellcome & Co., London  207

Unternehmens- und Institutionenregister  

937

Biochemischer Bund Deutschlands  74 Borsig 482 Brückner-Werke, Nortorf  621 Bund der Kalkfreunde  74 Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde  676, 682 f., 686, 742 Bund Deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und -Händler  179, 288 f., 292, 299, 301, 509 Bundesforschungsanstalt für Fleischwirtschaft 740 Bundesforschungsanstalt für Hauswirtschaft  700 Bundesgesundheitsamt 672 Bundesministerium für Ernährung  660, 697, 708 Bundesministerium für Gesundheit  682, 688 Bundesministerium des Innern  660, 682 f.

Deutscher Forschungsrat  671 Deutscher Handelstag  290 Deutscher Kälte-Verein  478 Deutscher Landwirtschaftsrat  308, 336 f., 341 Deutscher Seefischerei-Verein  374, 379 Deutscher Sportbund  657 Deutscher Verein für Gesundheitspflege  231 f., 440 Deutscher Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke  186 Deutscher Werberat  410 Deutsches Institut für Ernährungsforschung  432 Deutsche Soja-Pflanzungs-Gesellschaft  513 Deutsche Verwaltung für Handel und Versorgung 659 Deutsche Volksgesundheitsbewegung  560, 703 Deutsch-Südwestafrikanische Walfang AG  379 Diamalt AG 312 Döhler, Ludwig (Firma)  409 Dr. A. Oetker  153 DuPont 466

C Calgene Fresh  747 Calorit GmbH  442 Carne Pura Patent Fleischpulver-Fabrik, Hamburg  119, 169 Coop 739 D Demeter-Verband  510, 754 Deutsche Arbeitsfront  431–433, 522 Deutsche Fettsäurewerke  532 Deutsche Forschungsanstalt für Lebens­ mittelchemie  291–293, 353 Deutsche Forschungsgemeinschaft  684, 742 Deutsches Frauenwerk  377, 464, 493, 544, 577 Deutsche Chemische Gesellschaft  58 Deutsche Gesellschaft für Ernährung  411, 668, 675, 707–709, 742, 765 Deutsche Gesellschaft für Ernährungs­ forschung  505, 708 Deutsche Gesellschaft für Fettforschung  383 Deutsche Kartoffelbaugesellschaft  336 Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft  296, 308, 328, 516 Deutsche Milchwerke, Zwingenberg  102, 168 Deutscher Aerztevereinsbund  174 Deutscher Brauerbund  336

E Eckart, Otto (Firma)  621 f. Edeka  457, 662 Edelsoja GmbH  519 Entnikotiniersierungsanstalt August Falk, Wien 190 Ernährungshilfswerk  390 f. Ernährungswissenschaftliche Forschungsstelle 587 Ernährungswissenschaftliche Zentralstelle 558 Erste Deutsche Walfang-Gesellschaft  380, 383 Europäischer Rat  687 Eurotoques 755 F Fabrik diätetischer und med. diätetischer Präparate J. Paul Liebe  139 Fabrik haltbarer Speisen Charlotte Erasmi 442 Fachausschuß für Forschung in der Lebensmittelindustrie  331, 376, 387 Fachgruppe Nahrungs- und Genussmittel  662

938 Fachgruppe Obst- und Gemüseverwertungs­ industrie 463 Farbwerke Hoechst  466 Feldmühle, Papier- und Zellstoffwerke  466 Forschungsanstalt für Landwirtschaft  293 Forschungsdienst  371, 376, 383, 463, 504, 511, 529, 693 Forschungsinstitut für die Fischindustrie, Altona 385 Forschungsinstitut der deutschen Fleischwaren-Industrie 330 Forschungsinstitut der Deutschen Lebensreformbewegung 510 Forschungsinstitut für Luftfahrtmedizin  624, 628 Forschungsinstitut für Truppenverpflegung  586 Forschungskreis der Ernährungsindustrie  660, 693 Forschungsrat für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten  688 Fortbildungsinstitut für Ernährungsberatung und Diätetik  709 Freie Vereinigung bayerischer Vertreter der angewandten Chemie  45 Freie Vereinigung Deutscher Nahrungs­ mittelchemiker  45, 288–290 G Gefriertechnische Gesellschaft deutscher Hochseefischereien 483 Greenpeace 749 Grönland GmbH  483 Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften (GEG) 676, 693, 698 H Hamburger Eiweiss-Gesellschaft  385 Handelshochschule Berlin  241 Hansamühle, Hamburg  407, 514 Hauptamt für Gesundheit der NSDAP 432 Hauptamt für Volksgesundheitspflege  544 Hauptausschuß für deutsche Fleischerzeugung/-verwertung 336 Hauptgeschäftsstelle für gärungslose Früchteverwertung  537, 539 Hauptvereinigung der deutschen Fischwirtschaft 497 Hauptvereinigung der deutschen Gartenbauwirtschaft  484, 492

Register Heeres-Gebirgssanitätsschule 586 Heereslehr- und Versuchsküche, München  587 Heeres-Versuchs- und Lehrbetrieb für Nahrungsmittel 587 Heeres-Veterinärakademie 586 Heine & Co., Halberstadt  444 Henkel  532, 534 Hermann Esser-Forschungsgemeinschaft für Fremdenverkehr  510 Hewel & Veithen, Köln  218 Hildebrand, Theodor (Firma)  603 Hilfswerk Mutter und Kind  390, 421, 428 Hitler-Jugend  390, 556, 564 Hoffmann-La Roche  404, 427 f. Hygiene-Museum, Dresden  552 I

IG Farben  421, 466, 520, 529, 533, 574, 628

Institut für Bäckerei und Müllerei, Berlin  336, 384 f. Institut für Ernährung und Verpflegungswissenschaft 659 Institut für Ernährungslehre  507 Institut für Gärungsgewerbe, Berlin  276 f., 547 Institut für Hauswirtschaftswissenschaft, Berlin 509 Institut für Kochwissenschaft  507, 587 Institut für Konjunkturforschung  341, 353–356, 373 Institut für Lebensmittelforschung, ­ München  482, 587 Institut für Lebensmittelfrischhaltung, ­ Wesermünde 376 Institut für Marktforschung, Berlin  341 Institut für Obst- und Gemüseverwertung  536 Institut für Seefischerei  293, 376, 383 Institut für Vorratspflege und Landwirtschaftliche Gewerbeforschung  358 Internationale Gesellschaft für Nahrungsund Vitalstoff-Forschung  712 K Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft, Bremen  194–196 Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen  124, 585 Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie  238, 311, 588, 630

Unternehmens- und Institutionenregister   Kaiser-Wilhelm-Institut für die Biochemie der Küche  509 Kalle & Co.  466, 472, 474 Kampfbund für Deutsche Gesundheitsund Rassenpflege  560 Kartoffelflocken-Zentrale 488 Kathreiner‘s Malzkaffeefabriken  193 Knoll, Willy (Firma)  483, 622 Knorr, C.H. (Firma)  121 f., 138 f., 151, 154, 455 König-Brauerei 547 Königliches Friedrich-Wilhelms Institut, Berlin  110, 124–128 Konsumgenossenschaft Produktion  662 Kriegsausschuß für Öle und Fette  273 Kriegsernährungsamt  246, 278 f. Kühlfisch AG , Wesermünde  480 L Lacroix 697 Lactrone GmbH  618 Internationales Landwirtschaftsinstitut, Rom 296 Langnese 483 Lato KG 547 Lebensmittelbuch-Kommission 688 Lehr- und Forschungsanstalt für gärungslose Früchteverwertung  537 Lehrküche der Luftwaffe  627 Liebig’s Extract of Meat Company, Ltd., London  131, 136 f. Linde 483 Ed. Loeflund & Co.  92 Lohmann & Co. KG 483 M Märkische Seifenindustrie  533 J. Maggi & Co.  138, 141–143, 148–151, 154 f., 447, 622 Maisanbaugesellschaft 518 Maizena AG 615–617 Margarinefabrik Isserstedt  384 Margarine-Union  378, 739 Malzbierbrauerei Groterjan, Berlin  187 Markenverband 454 Mauxion AG  324, 356 Mead Johnson & Co.  652 Meica 697 Medizinisch-Chemisches Institut Dr. Scholl, München  178 E. Merck, Darmstadt  207, 404, 421

939 Migetti-Werke 528 Milei-Gesellschaft mbH  526, 528 Militärärztliche Akademie, Berlin  585 f., 594 N Nähr-Engel 622 Nährstoffausschuss beim Kriegsministerium 59 NASA  635, 637 Natick Laboratories  637 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei  364, 366 Nea Nikotin-Entziehungs-Anstalt GmbH, Berlin 191 Nestlé  101 f., 166, 652, 696, 698, 749, 757 Neuform  515, 703, 710 Nordsee Deutsche Hochseefischerei AG  376, 482, 498 Novartis  750 f. NS -Frauenschaft  388, 492, 509, 539 NS -Volkswohlfahrt  390, 421, 428, 430, 570 P Pankofer, Josef (Firma)  483 Preußische Versuchs- und Forschungs­ anstalt 294 Propagandaausschuß für Karpfen und Schleie 336 Propagandaverband der preußischen Weinbaugebiete 336 R Radeberger Exportbierbrauerei  545 Reichsanstalt für Fettforschung  507 Reichsanstalt für Fischerei  382, 507 Reichsanstalt für Fleischwirtschaft  507 Reichsanstalt für Getreideverarbeitung  507 Reichsanstalt für Lebensmittel- und Arznei­mittel-Chemie  532 Reichsanstalt für Vitaminprüfung und Vitaminforschung  426, 507 f. Reichsarbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliche Gewerbeforschung  358 Reichsarbeitsgemeinschaft für Schadensverhütung 389 Reichsarbeitsgemeinschaft für Volksernährung  384, 389, 411, 505 f., 708 Reichsausschuß für Ernährungsforschung  296 f., 315, 331, 353 Reichsausschuß zur Förderung der Bienenzucht 336

940 Reichsausschuß für Geflügel- und Eier­ verwertung 336 Reichsausschuß für Seefischpropaganda  336 Reichsausschuß für Volksernährung  388 f. Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst 506 Reichsausschuß für Weinpropaganda  336 Reichsausschuß für wirtschaftliche Fertigung 473 Reichsbund für Mineralstofflehre  74 Reichsfettstelle 425 Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliche Marktbeobachtung  341 Reichsgesundheitsamt  45, 280 f., 285, ­288–291, 299, 314, 346, 373, 385, 391, 410, 418, 426 f., 430, 463, 505 f., 533 f., 565, 567, 574, 576 f., 702 Reichsgesundheitsrat 303 Reichsinstitut/Bundesforschungsanstalt für Lebensmittelfrischhaltung  472, 479, 493, 507, 693, 700 Reichsknappschaft 431–433 Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit  463 Reichslandbund 361 Reichsmilchausschuß  335–337, 358 Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft  292, 427, 488, 516 Reichsministerium des Innern  427. 430, 577 Reichsnährstand  366–371, 373 f., 376, 379, 389, 410, 460, 463, 479, 489, 501, 516, 539, 544, 659 Reichsschule für Gemeinschaftsverpflegung  507, 525, 587 Reichsstelle für Walforschung  382 Reichsverband des deutschen Gartenbaus  336 Reichsverband Deutscher Gemeindetierärzte 331 Reichsverband Deutscher Käse-Indus­ trieller 468 Reichsverein Volksernährung  354, 505 f. Reichszentrale für Gesundheitsführung  506 Riedel, J. D. (Firma)  292 Rowett Research Institute  748 Rückforth AG 407 S Sarotti AG 604 Schmalbach AG  464, 720

Register Schöller 483 Schultheiss AG  320 f. Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft  141 f. Slowfood 755 Solo-Feinfrost GmbH  473, 482 f. Stärkefabrik R. Hundhausen, Hamm  166 f. Statistisches Reichsamt  353 Stollwerck, Köln  163 f., 168, 285, 322–324, 558, 616 Süddeutsche Versuchs- und Forschungs­ anstalt für Milchwirtschaft  293 Symrise 732 T Technische Hochschule Karlsruhe  318, 472, 478 f. Tradica 652 Tropon GmbH, Mülheim a. Rh.  168–173 U Unilever  379 f., 482 f., 694, 698 Universität Berlin  50, 238, 358, 429 Universität Bonn  169 Universität Gießen  34 Universität Halle a.S.  385 Universität Königsberg  423 Universität München  37–40, 131 f., 144, 429 Untersuchungslaboratorium Dr. Friedrich & Dr. Rossée, Braunschweig  327 f. V Vegetarische Obstbaukolonie Eden  ­221–224 Verband deutscher Schokolade-Fabri­ kanten  284–287, 323, 558 Verband der Deutschen Süßmost-Keltereien 537 Verein der deutschen Zuckerindustrie  322, 336 Verein Deutscher Chemiker  331 Verein Deutscher Ingenieure  331, 389 Verein Deutscher Konservenfabrikanten  460 Verein Deutscher Nahrungsmittelchemiker  300 f. Verein für gärungslose Früchteverwertung  536 Vereinigung deutscher Reformhäuser  229

941

Sachregister   Vereinigung der Markenkartoffelverbände  336 Versuchs- und Forschungsanstalt für Getreideverarbeitung, Berlin  294 Versuchs- und Forschungsanstalt für Milchwirtschaft, Kiel  293–295 Versuchs- und Forschungsanstalt für Tierzucht, Tschechnitz  294 Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei, Berlin 546 Vitam Fabrik, Hameln  407 Vlinderco-Werke, Goch  621 Völkerbund  81 f. Volkswirtschaftlicher Aufklärungsdienst  337 Voß, Alfred (Firma)  407

W Walfang AG 380 Walfang- und Fischindustrie AG , Hamburg  379 Wander 652 Wehrphysiologisches Institut, Gießen  586 Wiener Milchindustrie AG 325 Winterhilfswerk 420 Wolff & Co., Walsrode  466 Z Zentraleinkaufsgenossenschaft 260 Zentralinstitut für Ernährung  508 Zentralstelle zu Beschaffung der Heeres­ verpflegung, Berlin  255 Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerkes 750

Sachregister A Abfallverwertung  136, 161, 163, 166 f., 169, 173, 195, 274, 291 f., 386–393, 457 Abführmittel  174, 206–209, 649 f., 654 Ästhetisierung  339, 398, 452 f., 456, 466, 468 f., 535, 538 f., 571, 592, 631, 641, 667, 714 f., 719–721, 728 f., 731, 743 Agrarmarketing  306–311, 332–351, 516, 539 f. Agrarwissenschaften  35–37, 55 f., 273 f., 293–295, 397–310, 332 f., 335, 351, 361, 371, 501, 537, 743–755 Aleuronat  125, 159, 166 f. Alkohol  184, 258, 602 f., 629 f., 764 Alkoholfrei  186–190, 225, 450, 535 f., 548 Aluminium  124, 462, 632, 637, 652, 697, 699 Amerikanisierung  229–231, 296, 329, 340, 374, 443, 458 f., 472, 476, 481, 492, 668, 703, 735 Aminosäuren  48–51, 149, 161, 447, 764 Anregungsmittel  128, 145, 615 Anthropozentrik  36, 702 Astronautenkost 631–641 Aromen, Aromaforschung  57 f., 145, 151, 153, 196, 446–450, 468, 610, 670, 685, 731–733 Autarkie  295 f., 351 f., 359–365, 457, 462 f., 500 f., 521, 640

B Backhilfsmittel  276, 312, 385 f., 488, 518, 520, 525 f. Bakteriologie  41, 61, 76, 95 f. Balneologie  200–205, 209, 219, 321 Bedarfsmengen  40–42, 72 f., 75–84, 108, 133, 414 f. Beriberi  62 f., 67 Bier  186–189, 319–322, 544–547 Biologische Wertigkeit  63, 593 Biosyn-Wurst  531 f. Blut  161, 169, 254, 261, 273 f. Body-Mass-Index 199 Bouillonwürfel  155–158, 455 Bratling 593 Bromatik  257, 313–316, 387, 446, 478, 509 f., 585, 589, 592 Brot  107, 125 f., 220, 226–229, 247 f., 252, 272, 426, 434–452, 561–563, 594 f., 610, 613, 629, 730, 750 Butter  307 f., 338, 342 f., 533 f., 740 C Carne pura  119 f., 169, 512 Cellophan  465–474, 490, 492, 595, 615, 699 Chemie  556–558, 571–578, 681 Codex Alimentarius  687, 754

942 Convenienceprodukte  135–137, 146, ­153–162, 257, 259, 261, 324 f., 434–452, 488, 501, 528, 614, 619–622, 694–700, 705, 733–738, 755 D Därme  115, 469 f. Dekadenztheorien  104, 181, 185, 216, 227 f., 554, 560–565, 647 f., 668, 701–707, 710–712, 746 f. Deutsche Wochen  338 f. Dextro-Energen  615–617, 628, 630 Diäten  196–205, 552, 642 f., 646–655, 738, 765 Dörrgemüse  111 f., 121 f., 256, 261 f., 315, 491 Dulcin  60, 152, 277 E Einküchenhaus 396 Einmachen  471–473, 540 Eintopf  138, 523, 611 Einzelhandel  223 f., 229 f., 331, 373, 376 f., 389, 445, 454, 470, 496–498, 661–667, 698 f. Eis  304, 476, 481 Eiserne Ration  116 f., 120–123 Eisernes Dreieck  25, 235–237, 263, 281 f., 295, 299–304, 310 f., 332 f., 351 f., 354, 365, 372 f., 395, 439, 577 f., 588, 659–661, 681–688, 717, 721 Eiweiß  33, 36–37, 39, 41, 48–51, 58 f., 63, 93, 169 f., 258, 347, 515, 524 f., 552, 583, 610 Eiweißminimum  41, 110, 249 Eiweißpräparate  128, 159–173, 177–182, 219 Enthäuslichung  434–440, 550, 612, 696, 734 Entkoffeinisierung 192–196 Entnikotinisierung  189–192, 741 Erbswurst  113–115, 120, 139 Erlebnisgesellschaft  28, 729 f. Ernährungsaufklärung  239, 250, 314, ­333–335, 345, 350, 353, 359, 374 f., 388, 408, 492, 499, 506, 655 f., 682, 709 Ernährungserziehung  171, 183, 333–335, 338, 345, 348, 351–353, 358, 360 f., 374 f., 390, 486, 495, 668 Ernährungsführung  333–335, 339, ­345–348, 350–353, 358 f., 374 f., 377 f., 399, 420, 430, 499, 505 f., 508, 541, 560, 577, 614, 656

Register Ernährungsindustrie  18, 99–103, 275–277, 316–318, 556, 667, 676 f., 682, 688–694, 724–726 Ernährungslehre, Neue  60–84, 412, 443, 551, 583, 591, 614, 661 Ernährungsmythen  19, 42, 57–60, 66 f., 85 f., 539, 647 f., 655, 713–717 Ernährungspolitik  18 f., 235 f., ­245–251, 262, 270–272, 278–281, 299–306, ­366–373, 366–373, 500–511, 679 f., ­682–684 Ernährungspsychologie  196, 359, 676, 738, 763–765 Ernährungswissenschaft  40 f., 297 f., 404, 501–511, 551, 585 f., 655, 668, 688, ­707–709, 714, 739 Ersatzprodukte  189, 270–282, 500 f., 614 Ersatzstoffe  59, 262, 292, 296, 461–464, 503, 521–534, 592 f. Erzeugungsschlacht  371, 380 Essenzen  146, 206, 275, 535 Essenzialität  54, 72, 244, 633 f. Essig  145 f. Experimentalsysteme  31 f., 62–65 Experten, Gegenexperten  197–201, ­241–244, 291, 312, 398, 549, 557–560, 572 f., 677 f., 743–751, 760 F Färbung, Farbstoffe  53, 289, 319, 327, 442 f., 467, 571–575, 681, 684 f., 701 Fastfood  730, 736, 755 Fertiggerichte  126–128, 260–262, 434, 442–444, 528, 596, 632, 636–640, ­696–699, 735  f. Fette  34, 51–55, 225, 273, 286 f., 370, 372, 382 f., 512 f., 532–534, 738 Fetthärtung  54, 378, 382, 514 Fettplan  369 f., 379 Fisch  346–348, 374–377, 449, 461, 496–498 Fleisch  113, 125, 214, 245, 256, 258, 260, 391, 474, 477, 481, 595–597, 655, 698, 700, 729–731, 740 Fleischextrakt  116 f., 130–138, 155–158, 163, 443, 449 f. Fleischfuttermehl  136, 163, 169, 274, 392 f. Fortifikation  52, 71, 73–78, 133, 138, ­161–164, 172, 322, 408, 615 Forschungsorganisation  65, 123 f., 238 f., 291–298, 325 f., 331 f., 400–403, 500–511, 660, 688 f., 692–695, 726, 731

943

Sachregister   Fortschritt  36, 56–60, 160–162, 185, 396, 452 f., 467, 549 f., 673 f., 744–746, 758 f., 769 f. Frische  146, 315, 319, 346, 475, 480, 487 Frischkost  70, 253, 404, 411, 413, 430, 591 f., 596, 626, 707 Fruchtsaft  222–224, 233, 535–543 Frühstückzerealien  212, 439 f., 705 Functional Food  163, 175, 756–763, 772 Futtermittel  372, 392 f., 487 f., 529 f. G Gefriertechnik  256, 282, 331, 375, 383, 472–487, 495–499, 596 f., 689 Gefriertrocknung  489 f., 637, 689 Geheimmittel  173–175, 206, 406 Gemeinschaftsverpflegung  277, 449–451, 491, 519, 522–525, 697 Gemüse  111, 117 f., 122, 127 f., 260–262, 327, 340, 442, 464, 485 f., 490–492, 494, 596, 598 f., 747 f., 759 Genossenschaften  221–224, 342, 347 Gentechnik  743–751, 767, 770 Genussmittel  132 f., 182–196, 258, 764–766 Geschlechtsunterschiede  210, 256 f., 539, 612 f., 643–645 Geschmack  113, 172, 177, 256, 276 f., 304, 315 f., 447 f., 504, 589, 591 f., 598, 600, 626 f., 637 f., 640 f., 670, 739, 748 f., 772 Gesundheit  67, 69, 79 f., 214 f., 405 f., 452, 508, 569, 681, 723 f., 740–742, 756 f., 761 f. Gesundheitspolitik  76–78, 83 f., 236 f., 247 f., 345–351, 419–434, 508, 541–543, 565–570, 614, 655–658, 681 f., 718, 738, 768 f. Getränke  535–548, 665 f. Gewürze  144 f., 446 f., 450, 589, 593, 602 Gewürzextrakte 145–147 Giftigkeit  133, 145, 184, 327, 459, 554–560, 567 f., 571–578, 670–673, 676–678, 686, 701 Großraumwirtschaft  365, 503, 520 f., 597, 661 Gütemarke  285–287, 307–310, 547 H Haber-Bosch-Synthese  59, 281 Hagebutten  426, 538, 606 f. Handelsklassen  306–311, 343, 680, 687 Handelsmarken  331, 454 Harnsäuresynthese  33, 57, 529

Haushaltswissenschaft  387 f., 736 f. Hauswirtschaft  250, 313–316, 387 f., 396 f., 434–440, 734 Hefe  60, 136, 276 f. Hefeextrakt  135 f., 407, 444, 449 f., 593 Höhensonne  68, 565–569 Holzzucker  60, 530 f. Hormonpräparate  206 f., 649 f. Hunger  249, 254, 263–268, 644–646 I Individualisierung  99, 159, 202, 396, 448, 767 Industriegesellschaft  12, 15 Instantprodukte  696, 720, 735 Interessenverbände  45, 325–328, 682 Isodynamiegesetz  40, 110 J Jodmangelprophylaxe 75–78 Jodsalz  75–78, 757 K Käse  468 f., 550, 719, 727, 738 Kaffee  60, 123, 183, 192–196, 225, 468, 489, 696, 764 Kalorienlehre  40, 78, 241–244, 247, 356 f. Kakao  164, 193, 284–287, 323–325 Kalzium  52, 68 f., 73–75, 163, 431, 515, 610, 675 Kampf dem Verderb  388–391, 457 Karies  73, 561–565 Kartoffeln  307 f., 345, 487 f., 597, 619–622, 735, 748 f. Kennzeichnung  192, 225, 279, 285, 289, 301 f., 305 f., 364, 391, 408, 452 f., ­459–461, 573, 576 f., 670, 680 f., 718, 732, 740, 754, 772 Ketchup 448 Kindermehle  94 f., 101–103 Knochen  136, 154, 391 f. Kochbücher  91, 146, 157–159, 243, 257, 264, 331, 346, 387, 556, 590, 602, 614 Kochkiste  99, 257 Körper  196–201, 208–211, 253–255, ­264–270, 419, 433, 610, 641–655, 738 Körpernormen 197–200 Koffein  192, 603 f., 615, 630 Kohlenhydrate  34, 55 f., 93, 530 f., 626, 763 f. Kohlensäure  188, 204, 540, 547 Kolanuss 165 Komprimate  602, 608, 627

944 Kommerzialisierung  99 f., 103–106, 178, 206–210, 227 f., 437 f., 556–558, 701, 768 Kondensmilch  100 f., 324, 460, 673 Konserven  70, 93, 101, 117 f., ­125–128, ­260–262, 326–329, 442 f., 448 f., ­458–465, 594–596, 665 f., 696 f., 720, 747 f. Konservenindustrie  70, 326–331, 383, 458 f. Konservierungsapparate  95–99, 261, 329 f.,458 f., 475, 480 f., 487–489, 540 f., 596, 598, 600 Konservierungsmittel  289, 327 f., 536, 540, 571 f., 575–578, 670 f., 681, 685, 701, 717 f. Konsumgenossenschaften  181, 222, 226, 330 f., 442, 481, 498, 662, 679 Konsumgesellschaft  15, 86, 159–162, 183, 436–440, 495, 581, 658, 723–725 Kost, künstliche  20–22, 25 f., 47 f., 51, ­57–60, 132, 177, 258–262, 348, 397 f., 405, 452 f., 515, 529, 579 f., 598, 628, 631, 661, 723, 734, 775–782 Krankenernährung  41 f., 49, 104–106, 151, 162, 167 f., 216 f., 450, 541, 551–556, 633 f., 648 Krebs  552, 563, 572, 670, 673, 681 Kriege  27, 112 f., 115, 237–282, 418–434, 462–464, 488, 579, 644 f. Kriegsernährungsplan 419 Kriegsgefangene  253 f., 533 f., 605 f. Kropf 75–77 Kühltechnik  476–479, 495–499, 666, 698 Kühlschränke  476, 486, 495–499, 700, 737 Künstlichkeit  54, 86 f., 160 f., 182, 452 f., 465–467, 714–717 Kunstdünger  35, 372, 671 f., 743, 754 Kunsthonig  262, 275 f., 304, 526 Kunststoffe  452, 465–474, 672, 729 L Laboratorium  37–39, 217, 316–332, 382, 406 f., 463, 537, 547, 552, 692–694, 740, 759 Lactrone  547, 618 Lagerhaltung  112, 245, 255 f., 316, 413, 476–477, 484 f. Laienbewegungen  74 f., 77, 104 f., 201 f., 205 f., 554 Leben, lebendig  211 f., 219, 221, 226, 511, 668 Lebensmittel  302, 304, 725–733 Lebensmittelbestrahlung  68, 565–570, 635 Lebensmittelgesetz 1927  298–306, 574, 576 Lebensmittelgesetz 1936  509

Register Lebensmittelgesetz 1958  679–688 Lebensmittelqualität  180–182, 233, 244, 254, 261, 277 f., 283, 301, 307–310, 321 f., 327, 330, 487, 493 f., 503 f., 540, 548 f., 562 f., 580, 667–684, 724, 753 Lebensmittelhygiene  256, 467, 635, 734 Lebensmittelkontrolle  44–46, 94, 106, 156, 237, 287, 290, 297 f., 300 f., 304 f., 320 f., 349, 408, 507–509, 659, 673 Lebensmitteltechnik  137, 260, 318, 329 f., 381, 478 f., 493 f., 536, 549 f., 635–638, 673 f., 688 f., 694 f. Lebensmittelverfälschung  43 f., 46, ­178–181, 278–280, 508 f., 675, 701, 739 f. Lebensreform  104, 211–233, 324, 327, 459, 510 f., 535, 551–560, 572–574, 576, 594 f., 667 f., 702–714, 751–756 Lebensstilmärkte  27, 205–211, 441–445, 642 f., 649–655, 696–699, 714–721, ­727–733, 733–742, 753, 759 f. Lebertran  68 f., 406, 420, 565, 569 Leguminosenmehle 138–144 Leistungsfähigkeit  128 f., 265, 346, 433, 584, 615–617, 706, 756 Lezithin  407, 449, 513 f., 518, 526, 764 Liebesgaben  257–259, 277 Lightprodukte  183–196, 209–211, 652, ­738–742 Lupinen  60, 273 f., 515, 518, 526 M Maizena-Produkte  157, 448 Maggi-Würze  148–151, 155 f., 158 f., 447, 450 Malzbier  186 f., 546 Malzkaffee  193, 225 Malzsuppe  91–93, 101 Managerkrankheit  706 f. Margarine  52–54, 223, 364, 369 f., 372, 378 f., 381, 384, 406 f., 423–426, 512, 514, 533, 605, 653, 674 f., 740 f. Marketing  99 f., 228 f., 301, 323–325, ­339–345, 439, 727–730 Markenartikel  130–137, 141 f., 148–150, 152, 162–164, 194–196, 223 f., 284–287, 324 f., 335, 338, 342 f., 345, 454–457, 615–622, 667, 749 f., 766 Marktbildung  21, 24 f., 27, 86, 99–103, ­141–144, 147–150, 153–159, 1­ 66–172, 182–211, 217–219, 221–224, 322–325, 405–412, 437–452, 468, 483–487,

945

Sachregister   5­ 36–540, 615–622, 649–655, 727–730, 747–755, 757, 768, 771 f. Marktforschung  307 f., 341–344, 353, 456, 664–666, 740, 742 Marktordnung  354, 365–370, 501 Marmelade  222–224, 261, 273, 276, 472, 606, 611, 674 Maschinenmetapher  40, 42, 617, 707, 761 Materialkunde 125 Mehlbleichung  563, 676 Menschenversuche  38, 89, 100, 125, 138, 170, 423 f., 531–534, 588, 629 Methodenlehre  46 f., 402 f., 765, 771 f. Migetti  527 f. Mikrowelle  640, 689, 737 f. Milch  89–91, 95 f., 104–106, 294 f., 332, 334, 337–338, 344 f., 526–528, 565–570, 654, 676 Milei  526–528, 593 Militärverpflegung  107–129, 251–263, 482, 484, 533, 580–614, 623–632, 695 f. Mineralstoffe  52, 71–78, 128, 132, 205, 215–220, 551–553 Mineralwasser 203–205 Minimumgesetz  35, 401, 669 Mischkost  67, 73, 503 f. Möller-Barlowsche Krankheit  61 f., 98f Molke  528, 532, 547, 617 f. Mood Food  764–766 Moral  213 f., 342, 724 f., 743–751, 755 f. Münchener Schule  24 f., 37–42, 72, 85, 418, 551 N Nährpräparate  162–173, 177–182, 217–219, 642 f. Nährstoffe  33 f., 36 f., 39 f., 132 f., 162, 219 f., 241–244, 248, 348, 354–359, 539, 589, 668 f. Nährzucker 103 Närmil 449 Nahrungsmittelproduktion  47 f., 52–54, 57–60, 91, 130–144, 153–157, 225, 231 f., 284–287, 311–313, 316–325, 525–529, 536–543, 548 f., 558 f., 582, 688–693, 725 f., 772 Nahrungsmittelchemie  42–46, 85 f., 176 f., 237, 279–281, 287–298, 300–306, 349, 408 f., 550, 571, 573–578, 659 Nahrungsmittelgesetz 1879  43 f., 225, 284, 287, 298

Nanotechnologie 771–773 Natur, natürlich  34 f., 67, 90, 104, 221, 400 f., 562–565, 606 f., 701 f., 712–717, 719–721, 751 Neue Deutsche Heilkunde  510, 705 Nikotin  184, 189 f. Normierung  26, 43 f., 81–83, 176, 179 f., 279 f., 282–290, 299–310, 325, 326–328, 334–336, 414, 426, 455 f., 460, 485, 497, 516, 550, 635, 671–674, 685–687, 718, 732, 756 Nudeln  452, 467 Nutrigenomics 767–771 O Objekte  438 f., 454 Objektivität  36, 43–44, 175 f. Obst  222–224, 338, 340, 464, 477, 484, 491, 494, 536, 538, 541, 717 f. Oxo  136, 156 P Pädiatrie  87–90, 104 f. Pasteurisierung  95–99, 536 Peptone  48–50, 164, 167 f. Performance Food  128, 616, 760, 763 f. Pervitin  545, 604, 608, 630, 763 Pfanni  621 f., 735 Pflanzenschutzmittel  671 f., 701, 716 Pharmazie  42, 174 Physiologie  39–42, 220, 624 f., 767 Präserven  115, 118 f. Presskaffee  116, 118, 192 f. Professionalisierung  42–46, 88 f., 109 f., 123 f., 128 f., 216 f., 222–224, 237–239, 250, 256 f., 285 f., 291–298, 311–332, 341, 478 f., 500–511, 585, 587–592, 627, ­659–661, 688, 708 f. Public Relations  323 f., 328–330, 558–560, 613 f., 766 Puddingpulver  166, 271, 408 f., 434, 489, 529, 618, 696, 731 Puro (Fleischsaft)  178–180 Q Qualität s. Lebenmittelqualität Quäker-Speisung 268–270 R Rachitis  61 f., 68 f., 420–423, 565–570 Radioaktivität  672 f., 716 Rassenforschung  355, 503 f.

946 Rationalisierung  138, 292, 296 f., 301, ­306–311, 315, 318 f., 332–337, 348, 355, 363, 388, 395–398, 434, 455 f., 462 f., 556, 661–667, 692 Rationierung  240, 245–251, 263–270, 370, 582 Recommended Dietary Allowances  82, 415, 675 Reformwarenwirtschaft  25, 28, 211–233, 405 f., 448, 513, 558–560, 562–564, 653, 675, 702–706, 730 f., 747, 751–756 Reinheitsgebot  188, 319, 321, 546, 721 Respirationsapparat  38–40, 109 Risiken  207 f., 549 f., 571, 573–578, 580, 670–673, 681, 731–733, 746 f., 770 f. Rohkost  329, 553–556 S Säuglingsernährung  24 f., 86–103, 218, 430 f., 519, 554–556, 618 Saccharin  56, 152, 271, 277, 454 Saisonalität  477, 486 Sanddorn  426, 607 Saucen  377, 446–448, 451, 735 Schokakola  603, 608, 615 f., 627, 630 Schokolade  52, 138, 163–164, 284–287, 322–325, 456, 468, 615 f. Selbstbedienung  453, 460, 468, 661–667 Senf 144 Sensorik  177, 316, 493, 772 Skandale  178–181, 675–678, 684, 724, 752 Soja  230, 233, 296, 407, 512–521, 550, 593, 610, 621, 628, 730, 751 Somatose  102, 167 f., 170, 181, 184 Soziale Frage  139–141 Soziale Unterschiede  97 f., 134, 168, 369, 384, 420, 497, 565 f., 727 f., 760 f. Speisenzubereitung  70, 92, 107 f., 113, 150 f., 162, 173, 250, 256 f., 272, ­313–316, 396, 584, 589–592, 601 f., 627, 631 f., 638 f., 698, 737 Sprache  33–34, 44, 64 f., 81 f., 221, 282, 302, 304, 401, 414, 539, 685, 706, 714–717, 719–721, 728, 730, 740–743, 756, 766 Stärke  55 f., 166 f., 448, 526, 529, 615, 739 Statistik  241–244, 341–344, 352–359 Stoffparadigma  14, 19 f., 24, 32–37, 40, 43 f., 85, 106, 129, 185, 212–221, 284–287, 297 f., 305, 312, 386 f., 418, 541, 568 f., 607, 679, 716, 723, 767 Stoffwechsel  34–42, 46 f., 48–50, 71 f., 75 f.,

Register 78, 133, 151, 193, 198, 412–418, 633 f., 638, 646 f., 668, 704, 710–713, 763, 768 Suppen  123, 129, 448, 594 Suppenpräparate  113–115, 117, 120–122, 127–144, 153–159, 226, 277, 446–450, 697, 735 Synthese  33, 51, 56–60, 160–162, 400–405, 532–534 T Tabak  183 f., 258, 602 f., 654, 766 Taylorismus  194, 311 Tiefkühlkost  484–486, 495, 665 f., 694, 698–701, 735 Tierversuche  38 f., 62 f., 402, 417, 423, 553, 566, 575, 633, 710–712, 718 Trocknungstechnik  128, 167, 261, 487–494, 597–600, 619–622, 635, 696 Tropon  169–173, 411 U Übergewicht  196–200, 642–658, 738 V Vanillin  152 f., 446, 670 Vanillinzucker 153 Vegetarismus  212–215, 221–226, 249, 262, 443 f., 552–556, 704 f., 731, 752 f. Verarbeitungsverluste  70 f., 244, 387 f., 390 Verbraucherpolitik  239 f., 279–281, 289 f., 302 f., 367 f., 660, 678 f., 683 Verbrauchslenkung  350, 373 f., 377, 445, 509, 614 Verbürgerlichung  134 f., 159–162, 434–440, 759–761 Verhäuslichung  96, 157–159, 202 f., 205 Verpackung  142 f., 150, 152, 194 f., 231 f., 279, 443, 452–474, 490, 598, 636–638, 662, 667, 672, 697, 699, 717 f., 729 f., 772 Versorgungsbilanzen  240–244, 344, 350, 351–359, 387 f. Vierjahresplan  370–372, 376, 381, 384, 479, 482, 484, 491, 497 f., 523, 530 f., 536, 548, 592 Vigantol  68 f., 567 f. Vitalstofflehre 712–714 Vitamine  24, 61–66, 68–70, 78–84, 99, 251, 329 f., 384, 398–434, 493, 515, 567–569, 583 f., 597, 604–606, 626 Vitaminisierung  384, 406–412, 423–426, 604 f., 674 f.

947

Ortsregister   Vitaminkonzentrate  407 f., 424, 606 Vitaminmangelkrankheiten  61–64, 68 f., 98 f., 242, 267 f., 412–414, 420–423, ­565–570, 650  f. Vitaminpolitik  82–84, 418–434 Vitaminpräparate  69, 403, 410–412, 415 f., 418–434, 569 f., 598, 604–607, 629, 675 Vitaminrummel  69 f., 405 f., 412, 553 Voitsche Kostmaß  40–42, 109, 118, 251, 583 Vollwerternährung  416, 511, 707–714, 765 W Walfang  378–383, 498 Werbung  101–103, 106, 135, 142 f., 146, 156–159, 169–172, 174, 180, 192, ­194–196, 330 f., 334–339, 346–348, 375, 410–412, 439 f., 452–454, 528, 539 f., 615, 714–721, 727–730, 740–742, 756 Wiking-Eiweiss  385 f., 593 Wildfrüchte  273, 538, 541 Wirtschaftswissenschaften  247, 339–345, 353–359, 361 f. Wissen  12–15, 20 f., 27 f., 41, 47, 69–70, ­79–81, 124, 176, 239, 283, 303 f., 312, 320, 330, 334, 339, 346, 352, 361 f., 438 f.,

549 f., 560 f., 641, 655, 677 f., 683, 707, 721, 723, 756, 765 Wissen, objektiviertes  14 f., 21, 25 f., 31 f., 35–36, 43–44, 66 f., 83, 104–106, 174 f., 202, 241–244, 270, 303 f., 333, 341, 397, 437 f., 494, 549, 573, 580, 592, 684, 709, 714, 734, 746, 758 f., 762, 767 f., 770 f. Wissen, subjektives  14 f., 21, 26, 42, 67, 162, 173, 206, 270, 377 f., 397, 436–440, 451, 460, 550, 758, 760, 762, 771 Wissensgesellschaft  12 f., 85, 159–160, 305, 325, 747 Wissenschaft  31 f., 34–36, 47, 60–62, 69, 140 f., 184, 395–397, 502, 553, 558 f., 601, 717, 760 Würzmittel  127 f., 144–153, 446 f., 450, 735 Z Zigarren  189–192, 258, 603, 707 Zollpolitik  333, 361 f., 368 f. Zucker  55 f., 93, 100 f., 163, 182, 275, 286, 336, 611, 652, 690, 696, 739 Zwieback  102, 107, 111–113, 116, 122 f., 126, 258, 594 f., 628

Ortsregister A Altona 385 Antwerpen 131 B Berlin  50, 110, 113, 119, 124, 191, 228, 229 f., 261, 265, 276, 292, 294, 314, 320 f., 336, 396, 441 f., 483, 507, 509, 537, 546 f., 553, 565, 585–587, 616, 659 Bielefeld 153 Bonn  169 f., 336, 513, 708 Braunschweig  260, 327–329, 463 f. Bremen  119, 194–196 Breslau  336, 587 Buenos Aires  119 D Dachau  606, 629 Danzig 478 Dessau 531

Dortmund  534, 546, 588, 630, 689 Dresden  139, 216 f., 284, 510, 552 Düsseldorf  334, 709 Duisburg 547 E Emmerich 378 Erlangen 45 Essen 711 F Frankfurt a. M.  114, 360, 507, 525, 542, 570, 586, 627, 708 Fray Bentos  131, 136 Freiburg i. Br.  384, 536 Friedensau  231 f. Fürth 528 G Geestemünde 293

948 Geisenheim 294 Gießen  34, 586, 713 Goch 621 Göttingen  33, 403 Grub 294 Gustavsburg 114 H Halle a.d.S.  385 Hamburg  114, 119, 231, 379, 382, 384, 391, 407, 419, 482 f., 512, 514, 587, 615, 662, 694, 713, 730 Hameln 407 Hamm 166 Hannover 712 Heilbronn  121 f., 139 Heidelberg 677 Heydebreck 533 Hildburghausen 120 Hohenheim 700 Holzminden  152, 531 Houston 637 I Ilseburg 219 Isserstedt 384 K Karlsruhe  229 f., 478 f., 493, 507, 693, 700 Kassel 551 Kemptthal  141, 148 Kiel 293–295 Köln  163, 218, 322, 547, 629 Königsberg 423 Kulmbach 740 L Langenhagen 294 Langensulzbach 587 Laufa a.d. Unstrut  483 Leipzig  384, 415, 425 f., 432, 492, 507, 534 Leverkusen 167 Lübeck 442 M Mainz  118, 120 Mannheim  382, 531 Marienbad 202–204 Mauthausen  531 f. Monte Rosa  624 Mülheim a. Rhein  170, 411 Mühlheim a. d. Ruhr  587

Register München  37, 45, 92, 130–132, 144, 178–180, 193, 291–293, 312, 415, 482 f., 546, 586 f., 621, 710, 749, 755 Münster 507 N Nancy 117 Natick, MA 637 Nortorf 621 Nürnberg  483, 528, 560, 618, 629 O Obererlenbach 537 Oppau 533 Oranienburg 221–224 P Paris  34, 89 Pillnitz 587 Plauen 146 Potsdam  294, 483, 508, 586, 659 R Regensburg 531 Rostock 549 S Saalfeld 324 Sachsenhausen 533 Singen  149, 447 Spandau  127, 507 St. Johann  586 Stettin  407, 466 Stuttgart  526, 528 T Tornesch  530 f. Tschechnitz 294 W Waldheim 424 Walsrode 466 Weihenstephan  293, 546 Wesermünde  376, 380, 479 f., 483 Wien  190, 325, 546, 587 Wiesbaden 466 Witten  532 f. Würzburg 45 Z Zürich 554