KI-Schöpfungen und Urheberrecht [1 ed.] 9783428586103, 9783428186105

Künstliche Intelligenz erobert als eine der bedeutendsten Technologien des 21. Jahrhunderts alle Lebensbereiche und mach

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KI-Schöpfungen und Urheberrecht [1 ed.]
 9783428586103, 9783428186105

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Internetrecht und Digitale Gesellschaft Band 35

KI-Schöpfungen und Urheberrecht Von

Monika Muhr

Duncker & Humblot · Berlin

MONIKA MUHR

KI-Schöpfungen und Urheberrecht

Internetrecht und Digitale Gesellschaft Herausgegeben von

Dirk Heckmann

Band 35

KI-Schöpfungen und Urheberrecht Von

Monika Muhr

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 29 Alle Rechte vorbehalten © 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2363-5479 ISBN 978-3-428-18610-5 (Print) ISBN 978-3-428-58610-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinem Mann Fabian

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2021 von der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Literatur, Rechtsprechung und relevante Entwicklungen sind bis zur Abgabe im Juli 2021 berücksichtigt. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Franz Hofmann, LL. M. (Cambridge), mit dessen großartiger Unterstützung aus einer anfänglich nur vagen Idee die vorliegende umfangreiche Untersuchung entstehen konnte. Ohne unsere regelmäßigen Gespräche und Diskussionen, in denen ich meine Thesen auf ihre Qualität überprüfen und viele wertvolle Anregungen und Impulse mitnehmen konnte, wäre die Arbeit in der vorliegenden Form und Tiefe nicht möglich gewesen. Ihm und Herrn Prof. Dr. Thomas Regenfus danke ich zudem für die zügige Erstellung der Gutachten, sowie Herrn Prof. Dr. Georg Caspers für die angenehme Leitung der Prüfungskommission. Weiter danke ich dem Herausgeber Herrn Dirk Heckmann für die Aufnahme der Arbeit in die die vorliegende Schriftenreihe. Besonderer Dank gebührt meinem Freund und Kollegen Dr. Dominik Soliman, der diese Arbeit über all die Jahre mit ungebrochener Begeisterung verfolgt, kommentiert, sowie mich laufend über neue Entwicklungen im Bereich künstliche Intelligenz und Urheberrecht informiert hat. Ihm schulde ich zudem großen Dank für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts. Bedanken möchte ich mich außerdem bei meinen Kollegen Dr. Benjamin Sorg, Dr. Wolfgang Behr, Dr. Dirk Wiedemann, LL. M. oec. und Dr. Matthias Ringer, die mich immer wieder auf interessante Beiträge zu meinem Thema aufmerksam gemacht haben. Meinem Vorgesetzten und Mentor, Herrn Dr. Philipp Neuwald, danke ich für die große Flexibilität und den Freiraum, den er mir für diese Arbeit eingeräumt hat. Mein herzlicher Dank gilt auch meinen Eltern. Meiner Mutter für ihr stets offenes Ohr und die aufmunternden Worte, und meinem Vater für seine Expertise und tatkräftige Unterstützung bei der Bändigung des Textprogramms Word. Der größte Dank gebührt schließlich meinem Ehemann Fabian Deutschmann, der mich durch sein naturwissenschaftliches Interesse an künstlicher Intelligenz erst auf die Idee zu dieser Arbeit gebracht hat und mir mit seinem technischen Sachverstand als Physiker und Informatiker stets mit unermüdlichem Einsatz und

8

Vorwort

viel Geduld beratend zur Seite gestanden hat. Ihm verdankt die vorliegende Arbeit das solide technische Fundament, auf dem ich meine rechtlichen Überlegungen aufbauen konnte. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. München, im März 2022

Monika Muhr

Inhaltsverzeichnis Künstliche Intelligenz erobert die Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I.

Anlass und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

II.

Forschungsgegenstand und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 IV. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erster Teil

Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 24 Kapitel 1



Der urheberrechtliche Werkbegriff

24

I.

Persönliche Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

II.

Geistiger Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

III. Formgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kapitel 2

Kunstschaffen in der analogen Welt

32

I.

Vom klassisch geführten Pinsel zum zufälligen Werfen von Farbe . . . . . . . . . . . . . 32

II.

Urheberrechtliche Bewertung analoger Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Klassische Malerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Action Painting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Kapitel 3



Einbeziehung des Computers in der Computerkunst

35

I.

Der Einsatz von Zufallsgeneratoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

II.

Urheberrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Persönliche Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Geistiger Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Individualität und Formgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

10

Inhaltsverzeichnis Kapitel 4

I.

Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

41

Begriff und Funktionsweise künstlicher Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Begriff der künstlichen Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Funktionsweise künstlicher Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Maschinelles Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Ablauf des maschinellen Lern- und Schaffensprozesses . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Programmbibliothek als Ausgangsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Konfiguration künstlicher neuronaler Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 cc) Training künstlicher neuronaler Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 dd) Eigenständige Produktion von KI-Schöpfungen durch fertiges KI-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

II.

Entstehung von „Edmond de Belamy“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

III. Grundlegende Unterschiede zur Computerkunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 IV. Urheberrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Persönliche Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Geistiger Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Formgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Kapitel 5 Ergebnis

55

Zweiter Teil

Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen 57 Kapitel 1

I.

Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts

57

Leistungsrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Schutz von KI-Schöpfungen als Lichtbilder gemäß § 72 UrhG . . . . . . . . . . . . . 58 2. Schutz von KI-Schöpfungen als Laufbilder gemäß § 95 UrhG . . . . . . . . . . . . . 58 3. Schutz von KI-Schöpfungen als Datenbanken gemäß §§ 87a ff. UrhG . . . . . . . 59 4. Schutz von KI-Schöpfungen über den Tonträgerherstellerschutz des § 85 UrhG 60 5. Schutz von KI-Schöpfungen über den Schutz des Presseverlegers nach §§ 87f ff. UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

II.

Patentrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Inhaltsverzeichnis

11

III. Designschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IV. Markenrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 V.

Wettbewerbsrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz aus § 4 Nr. 3 UWG . . . . 66 2. Unmittelbarer Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

VI. Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 VII. Schutz aus eingerichtetem und ausgeübtem Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 VIII. Vertraglicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 IX. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Kapitel 2 I.

Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

71

Abgeleiteter Schutz über Schutz der künstlichen neuronalen Netze . . . . . . . . . . . . 72 1. Schutz vor dem Trainingsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Urheberrechtlicher Schutz als Computerprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Künstliche neuronale Netze als Computerprogramm im Sinne des § 69a UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Künstliche neuronale Netze als eigene geistige Schöpfung im Sinne des § 69a Abs. 3 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (1) Persönliche Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (2) Geistiger Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (3) Formgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (4) Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 cc) Derivativer Schutz für KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Patentrechtlicher Schutz als Computerprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Patentrechtliche Behandlung von Computerprogrammen . . . . . . . . . . . 78 bb) Patentschutz für Programmbibliotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 cc) Derivativer Schutz für KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Schutz nach dem Trainingsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Urheberrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Schutz als Computerprogramm gemäß § 69a UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) KI-System als Umarbeitung des ursprünglichen Computerprogramms

83

(1) Anforderungen an das Vorliegen einer Umarbeitung . . . . . . . . . . 83 (2) Ausnahme vom Zustimmungserfordernis nach § 69d UrhG . . . . . 84 cc) Schutz als Datenbankwerk oder Datenbank gemäß § 4 UrhG und §§ 87a ff. UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

12

Inhaltsverzeichnis b) Patentrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa) Schutz als Weiterentwicklung des Ausgangsprogramms . . . . . . . . . . . . 90 bb) Eigenständiger Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 cc) Derivativer Schutz für KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

II.

Abgeleiteter Schutz über Schutz der Trainingsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Urheberrechtliche Implikationen bei der Erstellung der Trainingsdatensätze . . 95 2. Trainingsdatensätze als Datenbankwerk im Sinne des § 4 Abs. 2 UrhG . . . . . . 95 3. Trainingsdatensätze als Datenbank im Sinne der §§ 87a ff. UrhG . . . . . . . . . . . 97 4. Trainingsdatensätze als Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG 98 5. Schutzrechtserstreckung auf KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Kapitel 3

Ergebnis

100

Dritter Teil

Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen 101 Kapitel 1

I.

Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

102

Situation auf der Angebotsseite des Marktes für KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . . 103 1. Programmierer der künstlichen neuronalen Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Programmierung der Programmbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Interesse an Kostenamortisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Möglichkeiten der Kostenamortisation bei der geltenden Rechtslage . . . . . 103 2. Trainer der künstlichen neuronalen Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Entwicklung des KI-Systems und Herstellung von KI-Schöpfungen . . . . . . 105 aa) Konfiguration der künstlichen neuronalen Netze und Eingabe der Trainingsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Überwachung des Lernprozesses unter Zurverfügungstellung von Rechenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 cc) Auswahl brauchbarer KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Wirtschaftliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Möglichkeiten der Kostenamortisation bei der geltenden Rechtslage . . . . . 108 aa) Kostenamortisation über Vermarktung der Trainingsdaten . . . . . . . . . . 109 bb) Kostenamortisation über Vermarktung des KI-Systems . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Kostenamortisation über Vermarktung der KI-Schöpfungen . . . . . . . . . 114 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Inhaltsverzeichnis

13

3. Verwerter der KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Unterstützung bei der Vermarktung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Wirtschaftliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Möglichkeiten der Kostenamortisation bei der geltenden Rechtslage . . . . . 118 II.

Situation auf der Nachfrageseite des Marktes für KI-Schöpfungen . . . . . . . . . . . . 119 1. Interesse der Allgemeinheit an der Schaffung von KI-Schöpfungen . . . . . . . . . 119 2. Interesse der potenziellen Konsumenten an der Schaffung von KI-Schöpfungen 121 3. Interessensbefriedigung von Allgemeinheit und individuellem Konsumenten . 122

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Kapitel 2

Gefahr der Leugnung von KI-Beteiligung

123

Kapitel 3 Ergebnis

126

Vierter Teil

Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen zur Auflösung des gegebenen Marktversagens 127 Kapitel 1



Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts

127

I.

Ziele und methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

II.

Allgemeine Kritik an der ökonomischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

III. Kritik am Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung – Alternative Anreizmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Anreizsetzung durch intrinsische Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Anreizsetzung durch Kopien überlegenes Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Anreizsetzung durch „first mover advantage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Refinanzierung durch Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. Anreizsetzung durch Digital Rights Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6. Anreizsetzung durch anderweitige staatliche Förderung und Abbau regulato­ rischer Hemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

14

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2



Auswirkungen eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen auf das Verhalten der Marktakteure

139

I.

Ökonomische Verhaltensmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

II.

Hypothetisches Verhalten der Marktakteure auf der Angebotsseite . . . . . . . . . . . . 141

III. Hypothetisches Verhalten der Marktakteure auf der Nachfrageseite . . . . . . . . . . . . 142 Kapitel 3

Bewertung des ermittelten Verhaltens mittels ökonomischer Bewertungskriterien 

143

I.

Pareto-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

II.

Kaldor-Hicks-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

III. Anwendung auf hypothetisch durch Schutzrecht erzeugten Zustand . . . . . . . . . . . 146 1. Bewertung der Veränderungen auf der Angebotsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Bewertung der Veränderungen auf der Nachfrageseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Nutzensaldo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Kapitel 4

Integrative Berücksichtigung des Ansatzes der Transaktionskostenökonomik

150

Kapitel 5 Ergebnis  153

Fünfter Teil

Integration des Schutzes von KI-Schöpfungen in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze 154 Kapitel 1

I.

Lösung über das Urheberrecht

154

Urheberrechtliche Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Individualistische Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Utilitaristische Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Deutscher Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

II.

Urheberrecht für einen der menschlichen Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Europäischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Europäischer Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Europäische Initiativen zur Integration von künstlicher Intelligenz . . . . . . . 159

Inhaltsverzeichnis

15

2. Anglo-amerikanische Regelungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Britische Lösung der KI-Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Die Regelung des Art. 9 Abs. 3 CDPA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Zugrundeliegende Urheberrechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Kritik an der britischen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) Brauchbarkeit der britischen Lösung für das deutsche Urheberrecht . . 169 b) Regelungsansätze in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Grundkonzeption des US-Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Aktuelle Behandlung computergenerierter Erzeugnisse . . . . . . . . . . . . 173 cc) Lösung über die WMFH-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 dd) Übertragbarkeit auf das deutsche Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Internationaler Ansatz der WIPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 III. Urheberrecht für die künstliche Intelligenz selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Künstliche Intelligenz als Rechtssubjekt im Sinne einer natürlichen Person . . . 186 2. Künstliche Intelligenz als Rechtssubjekt im Sinne einer juristischen Person . . 190 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Kapitel 2

Lösung über die verwandten Schutzrechte

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I.

Investitionsschutz als möglicher Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

II.

Schaffung eines neuen Leistungsschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Person des Trainers als geeignetes Zurechnungssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Ideen für die Ausgestaltung einer konkreten Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Anleihen bei Art. 9 Abs. 3 CDPA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Anleihen bei bestehenden Leistungsschutzrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Anleihen beim Lichtbilderschutz des § 72 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Anleihen beim Schutz des Datenbankherstellers gemäß §§ 87a ff. UrhG 200 3. Versuch einer Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Kapitel 3



Unmittelbarer Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG als Übergangslösung

204

KI-Schöpfungen als Totengräber des Urheberrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Künstliche Intelligenz erobert die Kunst I. Anlass und Ziel der Untersuchung Im Oktober 2018 macht ein Team aus drei Pariser Studenten Schlagzeilen. Ein von ihnen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erschaffenes Gemälde namens ­„Edmond de Belamy“ wird für 432.500 Dollar durch das New Yorker Auktionshaus Christies versteigert. Kurze Zeit später wird bekannt, dass das zugrundeliegende Computerprogramm von einem amerikanischen Schüler stammt, der dieses entwickelt und im Internet kostenfrei zur Verfügung gestellt hatte. Die drei Studenten sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, sich mit fremden Lorbeeren zu schmücken und moralisch fragwürdig Kapital aus den Leistungen eines anderen zu schlagen. Dagegen wehren sie sich allerdings unter Hinweis darauf, dass sie das Programm erst noch mit einem Datensatz von 15.000 Kunstwerken aus dem 14. bis 20. Jahrhundert trainieren mussten, bevor es in der Lage war, das Kunstwerk zu erschaffen. Sie sehen sich als rechtmäßige Inhaber des Gemäldes, ein bitterer Nachgeschmack verbleibt jedoch.1 Dieses Beispiel zeigt zum einen, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz längst nicht mehr nur auf den technischen Bereich beschränkt bleibt, sondern inzwischen auch bisher ausschließlich dem Menschen vorbehalten geglaubte Betätigungsfelder in rasantem Tempo erobert.2 Künstliche Intelligenz malt inzwischen Bilder, schreibt Gedichte und Geschichten, übersetzt fehlerfrei Texte und komponiert Musik.3 Zum anderen macht es deutlich, dass eine urheberrechtliche Befassung mit dem Thema künstliche Intelligenz nicht weiter aufgeschoben werden kann. Die digitale Revolution4 ist auch in der Kunst angekommen und wirft damit 1

Zum Ganzen https://www.heise.de/newsticker/meldung/KI-druckt-Kunst-AuktionshausChristie-s-versteigert-KI-Gemaelde-fuer-380-000-Euro-4204793.html; http://www.faz.net/ aktuell/feuilleton/kunst/christie-s-versteigert-ki-kunst-15857095.html; https://www.zeit.de/ kultur/kunst/2018-10/kuenstliche-intelligenz-versteigerung-gemaelde-algorithmus-christie-sauktionshaus; https://www.golem.de/news/machine-learning-von-ki-erstelltes-portraet-fuer432-500-us-dollar-versteigert-1810-137353.html; http://www.spiegel.de/netzwelt/web/kuenstlicheintelligenz-christie-s-erzielt-mit-ki-gemaelde-432-500-dollar-a-1235226.html. 2 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 667 (2017). 3 Zu nennen sind neben dem hier gewählten Beispiel etwa noch das Kunstprojekt „The Next Rembrandt“, Kurzweils „Cybernetic Poet“ oder Huaweis KI-generierte Vollendung von Schuberts „Unvollendete“; Für weitere Beispiele siehe auch bei Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 668 (2017); Yansiky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech., 1, 7 (2018); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 32 ff. 4 Rektorschek, Mitt. 2017, 438 und Kluge / Müller, InTeR 2017, 24 sprechen von der „vierten industriellen Revolution“.

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zahlreiche drängende Fragen in urheberrechtlicher Hinsicht auf: Wer ist Urheber solcher mittels künstlicher Intelligenz erschaffener Kunstwerke bzw. welcher der am Schaffensprozess Beteiligten sollte mit einem Urheberrecht daran belohnt werden? Der Programmierer des zugrundeliegenden Computerprogramms, der mit diesem arbeitende Trainer, die künstliche Intelligenz selbst, oder vielleicht gar keiner? Inwiefern erfasst unser Urheberrecht das Phänomen der künstlichen Intelligenz bzw. wird unser geltendes Urheberrecht diesem Phänomen überhaupt gerecht? Die Rechtswelt droht ein weiteres Mal von der Technik abgehängt zu werden, weil sie das Thema künstliche Intelligenz bisher nicht ernst genug genommen und nur stiefmütterlich behandelt hat.5 Es gilt daher, dieser Thematik schnellstmöglich rechtlich Herr zu werden, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und notwendige Investitionen in diese zukunftsweisende Technologie nicht auszubremsen. Die vorliegende Untersuchung möchte einen Beitrag dazu leisten, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz auch im urheberrechtlich relevanten Bereich eine sinnvolle rechtliche Einordnung erfährt.

II. Forschungsgegenstand und Grundbegriffe Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind mittels des Einsatzes von künstlicher Intelligenz (kurz: KI) generierte Werke, bei denen der eigentliche Schöpfungsakt unter Ausschluss des Menschen durch den Computer erfolgt ist.6 Um dies zu verdeutlichen, werden die so generierten Werke nachfolgend als KISchöpfungen bezeichnet. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz als bloßes Werkzeug, wie beispielsweise beim „computer aided design“, und damit verbundene Abgrenzungsfragen zur Reichweite des Urheberrechtsschutzes im Einzelfall sind vorliegend dagegen nicht Gegenstand der Untersuchung.7 Nicht Ziel dieser Untersuchung, aber für die Frage nach der Schutzfähigkeit und -bedürftigkeit von KI-Schöpfungen dennoch von großer Bedeutung, ist daneben die Frage nach dem Schutz der „Vorprodukte“ auf dem Weg zur KI-Schöpfung. Dies sind die zugrundliegende Programmbibliothek als Ausgangsprogramm für die Entwicklung künstlicher neuronaler Netze, die Trainingsdaten mit denen diese künstlichen neuronalen Netze trainiert werden, sowie schließlich das fertige KI-System, das aus den konkret für ein bestimmtes Projekt konfigurierten und trainierten künstlichen neuronalen Netzen besteht. Besonders für die Frage nach einer Schutzlücke de lege lata werden diese drei Vorprodukte und ihr immaterialgüterrechtlicher Schutz Bedeutung in der nachfolgenden Untersuchung erlangen. 5

So auch Guadamuz, IPQ 2017, 169 (171). Dieser Fokus findet sich auch bei Legner, ZUM 2019, 807 (808); Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 219 (2019). 7 Mit dieser Frage der Grenzziehung zwischen menschlicher und maschineller Schöpfung beschäftigen sich Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen ­Taeger, 2020, S. 711 und Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021. 6

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Auf dem in der Regel jahrelangen Weg zur KI-Schöpfung treten, vor allem auch aufgrund der verschiedenen Vorprodukte, zudem eine Vielzahl verschiedener menschlicher Akteure mit jeweils unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten und Interessen auf den Plan. Diese werden entsprechend den für die vorliegende Untersuchung wichtigsten zu unterscheidenden Funktionalitäten in die Programmierer der Programmbibliothek, die Trainer, die für die Konfiguration und das Training der künstlichen neuronalen Netze bis zum fertigen KI-System zuständig sind, sowie die Verwerter, die sich im Nachgang um die Vermarktung der KI-Schöpfung kümmern, unterteilt. Diese Unterteilung ist nicht zwingend, theoretisch wäre auch eine noch feingliedrigere Unterteilung in weitere Unterkategorien von Funktionalitäten denkbar. Yanisky unterscheidet beispielsweise zwischen Datenlieferant, Feedbackgeber, Betreiber des KI-Systems, Systemoperator, sowie Arbeitgeber oder Investor,8 während die Europäische Kommission Entwickler, Betreiber und potenziell noch Hersteller, Vertreiber, Importeure, oder Dienstleistungsanbieter unterscheidet.9 Die gebildeten Kategorien können sich überdies auch überschneiden, beispielsweise kann der Programmierer gleichzeitig auch der Trainer sein.10 Da die Unterscheidung weiterer technischer Funktionalitäten vorliegend aber auf Kosten von Klarheit und Übersichtlichkeit gehen würde, ohne gleichzeitig einen weitergehenden Erkenntnisgewinn für die rechtliche Bewertung zu bringen, werden für die vorliegende Untersuchung entsprechend der hierfür wesentlichen Funktionalitäten nur die drei Beteiligten Programmierer, Trainer und Verwerter unterschieden.

III. Gang der Untersuchung Um den Einstieg in die Thematik „künstliche Intelligenz und Urheberrecht“ zu erleichtern und KI-Schöpfungen innerhalb der urheberrechtlich geschützten Werke zu verorten, beginnt die vorliegende Untersuchung in einem ersten Teil mit der Darstellung der Fortentwicklung des Kunstschaffens im Verlauf der zunehmenden Digitalisierung am Beispiel der bildenden Kunst. Es wird gezeigt, wie der Computer in den letzten Jahrzehnten als Kunstwerkzeug den Pinsel mehr und mehr abgelöst hat, um sich schließlich von dieser unterstützenden Rolle komplett zu emanzipieren und selbst als Schöpfer auf die Bildfläche zu treten. Parallel zu dieser Entwicklung wird dargestellt, wie die Einordnung von Kunstwerken unter den urheberrechtlichen Werkbegriff mehr und mehr in Frage gestellt und die Abgrenzung Mensch-Maschine immer relevanter wurde, bis mit dem Auftreten von künstlicher Intelligenz und KI-Schöpfungen schließlich ein Punkt erreicht worden ist, an dem der Mensch kein Urheberrecht mehr für sich in Anspruch nehmen kann. Ausgehend von der Feststellung der Gemeinfreiheit von KI-Schöpfungen befassen sich die den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bildenden folgenden 8

Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 692 (2017). Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM (2020) 65 final, S. 22. 10 Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2232 (2018). 9

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drei Teile mit der Frage nach dem sinnvollen Umgang mit dieser Gemeinfreiheit. In Annäherung an eine Lösung dieser großen Fragestellung werden drei Unterfragen gestellt und beantwortet: Im zweiten Teil geht es zunächst um die Klärung der Frage nach dem Bestehen einer Schutzlücke im immaterialgüterrechtlichen Schutzrechtsgefüge ohne einen urheberrechtlichen Schutz für KI-Schöpfungen. Dabei werden sowohl die Möglichkeiten eines direkten Schutzes von KI-Schöpfungen über andere Schutzrechte, als auch die Möglichkeiten eines indirekten Schutzes über die Vorprodukte Programmbibliothek, KI-System und Trainingsdatensammlung geprüft. Der dritte Teil widmet sich der Frage nach der Schutzbedürftigkeit von KISchöpfungen im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisses nach dem Schutz von KI-Schöpfungen zur Verhinderung eines Marktversagens. Für die Feststellung eines bereits bestehenden oder in naher Zukunft zu befürchtenden Marktversagens erfolgt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Interessen der verschiedenen Marktakteure auf der Angebots- und Nachfrageseite des Marktes für KI-Schöpfungen. Der vierte Teil wirft schließlich die Frage nach der Geeignetheit eines Schutzrechts zur Verhinderung oder Beseitigung eines Marktversagens auf dem Markt für KI-Schöpfungen auf, da der Weg über den Gesetzgeber nicht zwangsläufig die beste Lösung für die Stabilisierung eines marktwirtschaftlichen Ungleichgewichts ist. Erst die Beantwortung dieser wichtigen Fragen zugunsten eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen ermöglicht es, im fünften Teil dieser Untersuchung der Frage nachzugehen, wie der Schutz von KI-Schöpfungen in das bestehende Schutzrechtsgefüge integriert werden kann. Für eine Lösung über das Urheberrecht wird untersucht, ob auf europäischer oder internationaler Ebene, sowie in den anglo-amerikanischen11 Rechtskreisen bereits tragfähige Konzepte existieren, die für die vorliegende Untersuchung fruchtbar gemacht werden können. Insbesondere im Hinblick auf die Unterschiede zu den utilitaristisch geprägten Copyrightsystemen wird geprüft, ob ein Urheberrecht für einen der menschlichen Beteiligten bei der Herstellung von KI-Schöpfungen oder gar für die künstliche Intelligenz selbst mit der personalistischen Rechtfertigung unseres Urheberrechts vereinbar ist. Im Hinblick auf eine Rechtsinhaberschaft für die künstliche Intelligenz selbst wird zudem ein Blick auf den im Haftungsrecht diskutierten Ansatz der „e-Person“ geworfen. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass eine systemgerechte Lösung nur über die verwandten Schutzrechte zu erreichen ist, die den Schutz wirtschaft 11

Anglo-amerikanisch meint dabei sowohl Großbritannien als auch das englischsprachige Nordamerika, während sich das Adjektiv angloamerikanisch ohne den Bindestrich nur auf das englischsprachige Amerika bezieht; vgl. z. B. https://www.lexas.de/kontinente/angloamerika.aspx.

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lich-organisatorischer Leistungen erlauben. Aufbauend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Teile wird die Frage nach dem geeigneten Schutzrechtsinhaber gestellt, sowie ein erster Entwurf für ein mögliches neues Leistungsschutzrecht in Anlehnung an bestehende Leistungsschutzrechte zum Schutz wirtschaftlichorganisatorischer Leistungen und die Regelung der Briten betreffend computergenerierte Werke ausgearbeitet. Gleichzeitig werden für den Zeitraum bis zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung zum Schutz von KI-Schöpfungen die Möglichkeiten eines unmittelbaren Leistungsschutzes über die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG als Übergangslösung diskutiert. Die Untersuchung schließt mit einem Ausblick in die Zukunft und wirft die Frage auf, ob das Urheberrecht in einer Welt, in der Computer mehr und mehr an die Stelle des Menschen als Schöpfer treten, am Ende vielleicht sogar seine Daseinsberechtigung verlieren wird und weder Mensch noch Maschine mehr einen Schutz erlangen werden können.

IV. Forschungsstand Während zu Beginn der Arbeit an der vorliegenden Untersuchung im Jahr 2017 noch keine Auseinandersetzungen mit der Thematik „künstliche Intelligenz und Urheberrecht“ im deutschen Sprachraum existierten, sind in den letzten Jahren nach und nach immer mehr Beiträge hierzu erschienen.12 Hauptsächlich problematisiert wird dabei vor allem die grundlegende Frage nach der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von computergenerierten Werken, die dieser Untersuchung als Ausgangspunkt dient. Eine Anknüpfung und Abgrenzung des Themas „künstliche Intelligenz und Urheberrecht“ zu dem vor ein paar Jahrzehnten ähnlich umfangreich diskutierten Thema der Computerkunst, die erstmals die Grenze zwischen Mensch und Maschine verschwimmen ließ, wurde bislang allerdings noch nicht vorgenommen. Hier will die vorliegende Untersuchung die in der rechtlichen Diskussion oftmals freischwebend wirkende Thematik in den Kontext früherer rechtlicher Diskussionen zum Einsatz von Computern in der Kunst einfügen. Darüber hinaus ist es dieser Untersuchung ein Anliegen, das Phänomen der künstlichen Intelligenz auch in technischer Hinsicht fundiert aufzubereiten, um die oftmals noch stark hypothetisch wirkende rechtliche Diskussion auf ein solides technisches Fundament zu stellen.13 Daneben werden in der bisherigen Literatur teilweise auch bereits die Schutzmöglichkeiten von KI-Schöpfungen über andere Immaterialgüterrechte als das 12 Hervorzuheben sind hier besonders die Beiträge von Lauber-Rönsberg in GRUR 2018, 574 und GRUR 2019, 244. 13 Hervorzuheben sind hier z. B. auch die Beiträge von Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761; Stiemerling, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 2.1 Rn. 21 ff.

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Urheberrecht, sowie der Schutz der Vorprodukte Trainingsdaten und künstliche neuronale Netze diskutiert. Diese Auseinandersetzungen behandeln diese Fragen allerdings nur schlaglichtartig und haben keine erschöpfende Behandlung zum Ziel.14 Lediglich die erst kürzlich erschienene Monographie von Grätz nimmt ähnlich der vorliegenden Untersuchung eine umfassende Überprüfung der aktuellen immaterialgüterrechtlichen Schutzfähigkeit von computergenerierten Werken und ihren Vorprodukten vor, wobei hinsichtlich letzterer aber, anders als in der vorliegenden Arbeit, lediglich die zwei Ebenen „Schutz des Systems  – Künstliche neuronale Netze“ und „Schutz der artifiziellen Erzeugnisse“ unterschieden werden.15 Überwiegend nicht differenziert wird in der bisherigen Diskussion zwischen den künstlichen neuronalen Netzen in ihrer Rohform als Programmbibliothek und ihrer einsatzbereiten Form als KI-System nach Konfiguration und Training.16 Hier möchte die vorliegende Untersuchung den Diskurs nochmals nachschärfen. Eine umfassende Auseinandersetzung mit der in dieser Untersuchung schwerpunktmäßig aufgeworfenen Frage nach der Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen und der Eignung eines Schutzrechts zur Verhinderung oder Auflösung eines etwaigen Marktversagens existiert bislang noch nicht.17 Die bisherigen Beiträge, sofern sie diese Frage überhaupt adressieren, weisen lediglich darauf hin, dass es hier noch einer vertieften Auseinandersetzung bedarf18, oder bejahen19 oder verneinen20 diese Frage ohne nähere Auseinandersetzung in wenigen Sätzen. Auch Grätz lässt diese Frage letztlich offen und macht ihre Beantwortung von weiteren Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz abhängig.21 Die vorliegende Untersuchung möchte daher die bisher eher allgemeinen und subjektiven Gedanken zur Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen und der Geeignetheit eines Schutzrechts zur Beseitigung eines etwaigen Marktversagen vertiefen und durch die Anwendung des Instruments der ökonomischen Analyse des Rechts auf eine objektive und damit wissenschaftliche Basis stellen. Der aus den Wirtschaftswissenschaften bekannte methodologische Ansatz der ökonomischen Analyse des 14

Zum Schutz von KI-Schöpfungen z. B. Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574; Dornis, GRUR 2019, 1252; Gomille, JR 2019, 969; Papastefanou, WRP 2020, 290; Dornis, GRUR 2021, 784 (786); Zum Schutz künstlicher neuronaler Netze z. B. Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761; Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769; dies., WRP 2018, 1431; zum Schutz von Trainingsdaten Hacker, GRUR 2020, 1025. 15 Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021. 16 Vorbildlich insofern die Differenzierung bei Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761. 17 Nach Abschluss der vorliegenden Untersuchung ist mit Maamar, Computer als Schöpfer, 2021 eine weitere Monographie erschienen, die sich ebenfalls vertieft der Frage nach der Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen widmet. Diese konnte in der vorliegenden Untersuchung leider nicht mehr berücksichtigt werden. 18 So z. B. Dornis, GRUR 2019, 1252 (1258 f.); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (252). 19 So z. B. Guadamuz, OMPI Magazine 2017, 14 (17 f.). 20 Z. B. Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (720 f.); Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 17; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 175. 21 Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 182.

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Rechts soll in dem noch sehr jungen Forschungsfeld „künstliche Intelligenz und Urheberrecht“, in dem es bisher an empirischen Untersuchungen fehlt, helfen, eine Grundlage für eine objektive und rationale juristische Argumentation zu schaffen. Die in dieser Untersuchung schließlich favorisierte Lösung über ein Leistungsschutzrecht wird auch von anderen bereits in Erwägung gezogen.22 Dabei wurde allerdings noch kein Versuch unternommen, ein solches zumindest im Entwurfsstadium grob zu skizzieren. Die vorliegende Untersuchung möchte die rechtliche Diskussion auch in diesem Punkt vorantreiben und mit einem ersten Entwurf eines neuen Leistungsschutzrechts einen Anknüpfungspunkt für zukünftige Forschungsarbeiten liefern. Die in dieser Untersuchung als Übergangslösung angedachte Lösung über den unmittelbaren wettbewerblichen Leistungsschutz des § 3  Abs. 1  UWG findet auch bei Grätz Erwähnung, wird von Dornis aber ab­ gelehnt.23

22

Besonders hervorzuheben ist die ausführliche Beschäftigung bei Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 131 ff., daneben auch Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 98; de Cock Buning, EJRR 2016, 310, 320 ff.; Hetmank / L auberRönsberg, GRUR 2018, 574 (580); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (253); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1260, 1264); Papastefanou, WRP 2020, 290 (293) Rn. 23; Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (724). 23 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1256 f., 1264); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 164.

Erster Teil

Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive Im ersten Teil der Untersuchung soll mit der tatsächlichen Betrachtung und anschließenden urheberrechtlichen Bewertung der auch in der Kunst immer weiter voranschreitenden Digitalisierung der Grundstein für die nachfolgende Untersuchung zur rechtlichen Behandlung des Einsatzes von künstlicher Intelligenz im urheberrechtlich relevanten Bereich gelegt werden. Dem Beispiel in der Einleitung folgend wird auch hier wiederum die Malerei als Untergattung der Werkart der bildenden Künste gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG exemplarisch herausgegriffen und deren Öffnung für die neuen Technologien beginnend mit der Computerkunst bis hin zum hier untersuchten Phänomen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz nachvollzogen. Dabei wird es insbesondere darum gehen, in Abgrenzung zur klassischen Malerei und Computerkunst deutlich zu machen, dass es sich bei dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Kunst um ein völlig neues Phänomen handelt, für das nicht auf althergebrachte rechtliche Lösungen zurückgegriffen werden kann, sondern neue Denkwege eingeschlagen werden müssen. Besonders hinsichtlich der Computerkunst ist es wichtig zu verstehen, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz weit über diese hinausgeht und die rechtliche Bewertung der Computerkunst, zu der bereits umfassend in der Rechtsliteratur Stellung genommen worden ist, nicht einfach auf diese übertragen werden kann.1 Kapitel 1

Der urheberrechtliche Werkbegriff Der Darstellung und urheberrechtlichen Prüfung verschiedener Kunstformen vorangestellt erfolgt ein kurzer Abriss zu den Voraussetzungen des urheberrechtlichen Werkbegriffs, dem als „Eintrittskarte“ in das Urheberrecht vorliegend eine entscheidende Bedeutung zukommt. Dabei soll insbesondere auch der Einfluss 1 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 2 Rn. 4 (2012), hat hierzu treffend formuliert: „It is not about […] the ways in which computers are enabling people to produce art and other creative works in new ways. That ground has already been covered extraordinarily well by others. It is, instead, about the ways in which people are enabling conputers to produce art and other creative works in new ways, virtually all by themselves.“

Kap. 1: Der urheberrechtliche Werkbegriff

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des europäischen Werkbegriffs auf die urheberrechtlichen Prüfungskriterien berücksichtigt werden, ohne hierbei allerdings zu sehr in die Tiefe zu gehen. Da sich die Europäisierung des Werkbegriffs im Ergebnis nicht auf die urheberrechtliche Bewertung der betrachteten Kunstformen und insbesondere von KI-Schöpfungen auswirkt, kann sich die vorliegende Untersuchung hier kurzfassen und auf die wesentlichen Punkte konzentrieren. Im deutschen Urheberrecht genießen Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst im Sinne der §§ 1 und 2 Abs. 1 UrhG nur dann Urheberrechtsschutz, wenn es sich bei ihnen um „persönliche geistige Schöpfungen“ im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG handelt. Der Begriff der „persönlichen geistigen Schöpfung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff,2 mit dem der Gesetzgeber 1965 die bis dahin von der Rechtsprechung und Lehre gebrauchten Definitionen zu einer einheitlichen Definition zusammenfassen wollte, ohne insoweit jedoch eine Änderung der Rechtslage vorzunehmen.3 Nach der Gesetzesbegründung meint „persönliche geistige Schöpfung“ „Erzeugnisse […], die durch ihren Inhalt oder durch ihre Form oder durch die Verbindung von Inhalt und Form etwas Neues und Eigentümliches darstellen“.4 Hinsichtlich der näheren Konkretisierung herrscht in der Rechtsprechung und Lehre aber kaum Einigkeit und es werden verschiedene Unterkriterien verwendet, ohne dass dies aber zu inhaltlichen Unterschieden führen würde.5 Im Folgenden werden der rechtlichen Prüfung die vier Kriterien persönliche Schöpfung, geistiger Gehalt, Formgestaltung und Individualität zugrunde gelegt.6 Zu berücksichtigen ist bei der Auslegung des deutschen Werkbegriffs zudem dessen zunehmende Überlagerung durch den sich auf europäischer Ebene herausbildenden Werkbegriff.7 Dort kristallisiert sich nach und nach ein eigener europäischer Werkbegriff heraus, der werkartübergreifend einheitlich eine „eigene geistige Schöpfung“ fordert. Zunächst galten diese Anforderungen aufgrund der entsprechenden Richtlinien lediglich für Computerprogramme (Art. 1 Abs. 3 Computerprogramm-Richtlinie8), Lichtbildwerke (Art. 6 Schutzdauer-Richt­linie9) und Datenbankwerke (Art. 1 Abs. 3 Datenbank-Richtlinie10)11 und wurden auch entspre 2

Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 12. Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 19; Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 30. 4 Begründung zum Regierungsentwurf des UrhG BT-Drs. IV/270, S. 38. 5 Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 19. 6 Entspricht den Kriterien von Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 32. 7 So auch Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (711); Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 31. 8 Richtlinie 2009/24/EG, ursprünglich Richtlinie 91/250/EWG. 9 Richtlinie 2011/77/EU, ursprünglich Richtlinie 93/98/EWG, gefolgt von Richtlinie 2006/ 116/EG. 10 Richtlinie 96/9/EG. 11 Siehe hierzu ausführlicher bei Bisges, ZUM 2015, 357 f. 3

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

chend in das deutsche Urheberrecht umgesetzt.12 Aufgrund der InfoSoc-Richtlinie13 und der ihr nachfolgenden Infopaq-Entscheidung, sowie der seither ergangenen weiteren Entscheidungen, ist aber davon auszugehen, dass dieser Schutzmaßstab allgemein und einheitlich für alle Werkarten gelten soll.14 Die durch diese inzwischen zahlreichen Urteile des EuGH gefestigte Rechtsprechung zum europäischen Werkbegriff gibt hierfür sogar ein regelrechtes Prüfungsschema vor.15 Danach erfordert die Einstufung als Werk zum einen ein Original im Sinne einer „eigenen geistigen Schöpfung“ und ist zum anderen solchen Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen.16 Ersteres setzt einen Gestaltungsspielraum für freie kreative Entscheidungen voraus, in denen sich die Persönlichkeit des Urhebers ausdrücken kann.17 Zweiteres erfordert einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand.18 Bei der nachfolgenden Betrachtung der nach deutschem Recht für das Vorliegen einer „persönlichen geistigen Schöpfung“ erforderlichen Kriterien soll daher jeweils ein Abgleich mit den sich auf europäischer Ebene konkretisierenden Anforderungen erfolgen. 12

Nachdem für Lichtbildwerke und Datenbankwerke der Schutz der kleinen Münze schon nach der bestehenden Rechtsprechung gewährleistet ist, erfolgte eine explizite Umsetzung nur für Computerprogramme mit § 69a Abs. 3 UrhG. 13 Richtlinie 2001/29/EG. 14 EuGH, GRUR 2009, 1041 (1044) Rn. 37 – Infopaq / DDF; EuGH, GRUR Int. 2011, 148 (151) Rn. 45 – Benutzeroberfläche; EuGH, GRUR Int. 2011, 1063 Rn. 96 ff. – Football Association Premier League u. Murphy; EuGH, GRUR 2012, 166 (168) Rn. 87 – Painer / Standard; EuGH, GRUR 2012, 386 (388) Rn. 37  – Football Dacato / Yahoo; EuGH, GRUR 2012, 814 (815 f.) Rn. 45, 65 – SAS Institute; EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 33– Levola Hengelo / Smilde Foods mit Anmerkung von Schack, der die Ermächtigung des EuGH zur Rechtsvereinheitlichung des Werkbegriffs kritisch sieht; Leistner, ZGE 2013, 4 (7 f.); Leistner, GRUR 2014, 1145; Norde­mann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 32; Leistner, GRUR 2019, 1114; Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 4; Loewenheim / L eistner, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 6 Rn. 6; Allerdings umstritten, Teile der Literatur gehen auch weiterhin von einem nur bereichsspezifisch harmonisierten Werkbegriff aus, vgl. den Überblick zum Streitstand bei Schulze, in: Dreier /  Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 22 f. sowie Leistner, GRUR 2014, 1145 ff. 15 Leistner, ZUM 2019, 720 (721); Loewenheim / L eistner, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 6 Rn. 7. 16 EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 36 f. – Levola Hengelo / Smilde Foods; EuGH, NJW 2019, 3437 Rn. 29 – Cofemel / G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 (737); EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 22 – Brompton / Get2Get; EuGH, GRUR 2019, 934 (935) Rn. 19 f. – Funke Medien / Bundesrepublik Deutschland [Afghanistan Papiere]; in diesen Anforderungen des EuGH richtigerweise ein zweistufiges Prüfungsschema erkennend Hofmann, EuZW 2020, 397 (398), sowie wohl auch Paul, in: Borges / Hilber (Hrsg.), BeckOK IT-Recht; 3. Aufl., Stand: 01. 07. 2021, § 2 Rn. 3; Leistner, ZUM 2019, 720 (721) und Loewenheim / L eistner, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 6 Rn. 7 ff. bilden hieraus sogar ein 4-stufiges Prüfungsschema. 17 EuGH, NJW 2019, 3437 Rn. 30 – Cofemel / G-Star; EuGH, GRUR 2019, 934 (935) Rn. 19 – Funke Medien / Bundesrepublik Deutschland [Afghanistan Papiere]; EuGH, ZUM 2020, 609 (610 f.) Rn.  23 – Brompton / Get2Get; Leistner, ZGE 2013, 4 (23). 18 EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 40– Levola Hengelo / Smilde Foods; EuGH, ZUM 2019, 834 Rn. 32 – Cofemel / G-Star; EuGH, ZUM 2020, 609 (611) Rn. 25 – Brompton / Get2Get; Zech, ZUM 2020, 801 f.

Kap. 1: Der urheberrechtliche Werkbegriff

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I. Persönliche Schöpfung Schöpfung meint im urheberrechtlichen Kontext das Ergebnis eines unmittelbaren und zielgerichteten geistigen Schaffens- bzw. Gestaltungsprozesses.19 Persönlich ist eine Schöpfung dann, wenn sie auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit beruht.20 Aus diesem Grund können Maschinen keine schutzfähigen Werke schaffen. Das Urheberrechtsgesetz schützt lediglich die menschliche schöpferische Leistung und nicht die maschinelle Produktion, unabhängig davon, dass sich die Ergebnisse menschlichen Schaffens und maschineller Produktion oftmals nicht unterscheiden lassen.21 Eine menschliche Schöpfung wird allerdings so lange angenommen, wie der Mensch noch einen steuernden Einfluss auf die Schöpfung ausübt. Der Einsatz von (technischen) Hilfsmitteln ist daher unschädlich, solange der Mensch diese noch steuert bzw. steuernd eingreift und damit das Ergebnis noch als eindeutig vom Menschen geplant und festgelegt angesehen werden kann.22 So lange ist die für den urheberrechtlichen Schöpfungsbegriff unabdingbare Unmittelbarkeit zwischen dem geistigen Vorgang und dem Ergebnis gegeben.23 Es reicht hierfür allerdings nicht aus, wenn der Mensch zwar die Maschine beherrscht, den unmittelbaren Umsetzungsprozess innerhalb und durch die Maschine aber nicht mehr beeinflussen kann.24 Umgekehrt kann jedoch nicht verlangt werden, dass der menschliche Schöpfer eine hundertprozentige Kontrolle über den Schöpfungsprozess und das daraus hervorgehende Erzeugnis hat, da so gut wie jeder künstlerischen Betätigung in irgendeiner Form ein Zufallsmoment inne wohnt und das Verlangen des Gegenteils zu einem Ausschluss eines Großteils aller Kunstwerke aus dem Werkbegriff führen würde.25 Dem Urheberrechtsschutz und der persönlichen Schöpfung steht es daher nicht entgegen, wenn neben die ge-

19

Ahlberg, in: Möhring / Nicolini, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 52, 54. Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 38; LG Berlin, GRUR 1990, 270 – Satellitenfoto. 21 Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 5. Aufl. 2017, § 2 Rn. 39. 22 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 8; Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 40; Norde­ mann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 21, 25; Schack, Urheberund Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, Rn. 184; Gomille, JR 2019, 969 (971). 23 Ahlberg, in: Möhring / Nicolini, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 55. 24 Ahlberg, in: Möhring / Nicolini, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 55; Ahlberg, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 2 UrhG, Rn. 55; Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 19; Schöttler, AnwZert ITR 11/2017, Anm. 2. 25 So auch Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 20; dabei kann aber entgegen Grimmelmann, Columbia Journal of Law & the Arts, 403, 408 (2016) die unterbewusste Befolgung algo 20

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

planten Elemente auch zufällige Elemente treten, solange der Mensch insgesamt die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft.26 Daran, dass eine menschlich-gestalterische Tätigkeit Voraussetzung für einen Schutz durch das Urheberrecht ist, ändert sich auch durch den europäischen Werkbegriff nichts. Die Problematik der persönlichen Schöpfung stellt sich auch unter Zugrundelegung des europäischen Werkbegriffs in identischem Maße wie im deutschen Urheberrecht.27 So macht der EuGH in der Entscheidung „Painer / Standard“28 deutlich, dass in der „eigenen geistigen Schöpfung“ des Urhebers „dessen Persönlichkeit zum Ausdruck komm[en]“, sowie sich „dessen bei ihrer Herstellung getroffenen freien kreativen Entscheidungen ausdrück[en]“ müssen, damit der Urheber dem geschaffenen Werk seine „persönliche Note“ verleihen könne. Auf dieselbe Art und Weise interpretiert auch Generalanwältin Verica Trstenjak die der Entscheidung zugrundeliegenden Richtlinien, indem sie in Rn. 121 der Schlussanträge zu dieser Entscheidung ausführt, dass nach Art. 6 Satz 1 der Richtlinie 93/98 bzw. der Richtlinie 2006/116 lediglich das Ergebnis menschlichen Schaffens geschützt sei.29 Auch in der Entscheidung „Football Dataco“ betont der EuGH nochmals das Erfordernis, dass der Urheber „seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie kreative Entscheidungen trifft“ und dem Werk damit „seine ‚persönliche Note‘ verleiht“.30 Aus diesen Anforderungen kann das Erfordernis einer menschlichen gestalterischen Tätigkeit herausgelesen werden, da vor allem das Attribut „Persönlichkeit“ zumindest aktuell noch nicht mit Maschinen assoziiert wird.

rithmischer „Befehle“ der eigenen menschlichen neuronalen Netze nicht mit der Benutzung künstlicher neuronaler Netze gleichgesetzt werden. Während der eigene intuitive Zufall dem Künstler zurechenbar sein muss, kann das nicht für das Tätigwerden von außerhalb der eigenen Wahrnehmungs- und Einflusssphäre liegende künstliche neuronale Netze gelten. 26 Bullinger, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 17; Schöttler, ­Anw­Zert ITR 11/2017, Anm. 2. 27 Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (384 f., 388); Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 38; Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann, Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 12; Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (715); Papastefanou, WRP 2020, 290 (291) Rn. 9. 28 EuGH, GRUR 2012, 166 Rn. 92, 94 – Painer / Standard; hierzu auch Peifer, in: Urheberrecht! Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (225); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1255, 1261). 29 Verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:620 10CC0145&from=DE. 30 EuGH, GRUR 2012, 386 (388) Rn. 38 – Football Dataco / Yahoo.

Kap. 1: Der urheberrechtliche Werkbegriff

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II. Geistiger Gehalt Daneben muss das Werk einen geistigen Gehalt aufweisen.31 Als Immaterialgut ist das Werk nicht das Werkstück, sondern der darin enthaltene und wahrnehmbare geistige Gehalt.32 Wie bei dem Merkmal der „persönlichen Schöpfung“ verlangt auch das Merkmal des „geistigen Gehalts“, dass ein Mensch tätig geworden ist und der menschliche Geist im Werk zum Ausdruck kommt.33 Das Werk muss etwas an sich haben, das „über das bloße sinnlich wahrnehmbare Substrat hinausgeht, eine Aussage oder Botschaft, die dem Bereich der Gedanken, des Ästhetischen oder sonstiger menschlicher Regungen und Reaktionsweisen zugehört“.34 Durch das Werk muss ein menschlicher Gedanken- oder Gefühlsinhalt mitgeteilt werden.35 Die Schutzvoraussetzung des geistigen Gehalts findet sich in abweichender terminologischer Einkleidung auch in der Rechtsprechung des EuGHs wieder. So lässt sich der Ausschluss regelgebundener sportlicher Aktivitäten vom urheberrecht­ lichen Schutz in der „Murphy“-Entscheidung36 nach deutschem Recht systematisch richtig über den fehlenden geistigen Gehalt einer rein regelgebundenen sportlichen Aktivität begründen.37 Die Voraussetzung des geistigen Gehalts findet sich somit in dem Kriterium des hinreichenden Spielraumes für künstlerische Freiheit wieder, das bei durch technische Erwägungen, Regeln oder Zwänge bestimmtem Schaffen nicht erfüllt ist.38 Wenn es im Bereich regelgebundener Gestaltungsformen am notwendigen Gestaltungsspielraum fehlt, kann auch kein eigenständiger und kreativer geistiger Gehalt kommuniziert werden.39

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Loewenheim / Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 45. Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 11. 33 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 12, Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 45. 34 Loewenheim / Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 45; Schricker, in: Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl. 2006, Einl. Rn. 7. 35 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 12; Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 25; Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 45. 36 EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 98 – Football Association Premier League u. Murphy. 37 Leistner, ZGE 2013, 4 (19, 27); Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 45. 38 EuGH, GRUR 2011, 220 Rn. 48 ff. – BSA / Kulturministerium; EuGH, GRUR 2012, 386 (388) Rn. 39 – Football Dataco / Yahoo.; EuGH, NJW 2019, 3437 Rn. 31 – Cofemel / G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 24 – Brompton / Get2Get; Leistner, ZGE 2013, 4 (20). 39 Leistner, ZGE 2013, 4 (23). 32

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

III. Formgestaltung Der deutsche Werkbegriff erfordert zudem, dass das menschliche Werk eine konkrete, in der Außenwelt wahrnehmbare, Form erhalten hat, um urheberrechtlich schutzfähig zu sein.40 Bloße Vorstellungen und Ideen von der Schaffung eines Werkes reichen nicht aus.41 Dieses Kriterium der „wahrnehmbaren Formgestaltung“ adressiert auch der EuGH mit dem Erfordernis einer hinreichend genauen und objektiv identifizierbaren Ausdrucksform.42 Dies wird besonders in der Entscheidung „Levola Hengelo /  Smilde Foods“ deutlich, in der der EuGH dem Urheberrechtsschutz für Lebensmittelgeschmack eine Absage erteilt hat. Dabei weist er insbesondere darauf hin, dass „die Behörden, die mit dem Schutz der dem Urheberrecht innewohnenden Ausschließlichkeitesreche betraut sind, die so geschützten Objekte klar und genau erkennen können [müssen].“43

IV. Individualität Schließlich setzt ein Urheberrechtsschutz auch ein gewisses Maß an Individualität des Werkes voraus. Der BGH spricht von schöpferischer Eigentümlichkeit, schöpferischer Eigenart oder eigenschöpferischer Prägung, in der Sache geht es aber um dasselbe.44 Damit war bisher ein Mindestmaß an geistig-­schöpferischer Leistung gemeint, die die sog. Gestaltungs- oder Schöpfungshöhe erreicht.45 Im Werk musste sich der individuelle Geist des menschlichen Urhebers durch eine Abhebung des Werkes in Konzeption, Inhalt und Form vom Alltäglichen, rou­tinemäßig Produzierten, ausdrücken.46 Dieses Erfordernis einer bestimmten Gestaltungshöhe hat der BGH aber inzwischen im Zuge des mit der Reform des 40

Loewenheim / Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 47. OLG Hamburg, ZUM 2002, 647 (653) – Brown Girl II; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 13, 37; Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 73 ff. 42 EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 40 ff. – Levola Hengelo / Smilde Foods; EuGH, NJW 2019, 3437 Rn. 32 – Cofemel / G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 25 – Brompton / Get2Get; Leistner, ZUM 2019, 720 (721); Leistner, GRUR 2019, 1114 (1117); Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 19; Hofmann, EuZW 2020, 397 (398). 43 EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 41 – Levola Hengelo / Smilde Foods. 44 Vgl. bei Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 5. Aufl. 2017, § 2 Rn. 50 m. w. N. 45 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 20; BGH, GRUR 1983, 377, (378) – Brombeer-Muster. 46 BGH, GRUR 1987, 704 (706) – Warenzeichenlexika; BGH, GRUR 1991, 449 (451) – Betriebssystem; BGH, GRUR 1993, 34 (36) – Bedienungsanweisung; OLG München, GRUR 2008, 337 – Presserechtliches Warnschreiben; Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 53; Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 24. 41

Kap. 1: Der urheberrechtliche Werkbegriff

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Geschmacksmusterrechts entfallenen Stufenverhältnisses zum Urheberrecht aufgegeben.47 Zur Gewährleistung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs bei der Prüfung des Vorliegens von Individualität dient nunmehr das Erfordernis einer künstlerisch-ästhetischen Ausformung, das den Schutz für technisch-funktionale Gestaltungselemente einschränkt.48 Auch der europäische Werkbegriff erfordert ein gewisses Maß an Individualität.49 Danach kann „ein Gegenstand erst bzw. bereits dann als Original angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt“.50 In der Entscheidung „Funke Medien NRW / Deutschland“ stellt der EuGH insofern fest, dass bloße geistige Anstrengungen und Sachkenntnis nicht ausreichen, um freie kreative Entscheidungen, durch die der Urheber seinen schöpferischen Geist zum Ausdruck gebracht hat, annehmen zu können.51 Nicht erforderlich hierfür ist aber das Erreichen einer bestimmten Gestaltungshöhe, sondern es gilt eine einheitliche Schutzuntergrenze einfacher Individualität.52 Über das bereits im Rahmen des erforderlichen geistigen Gehalts angesprochene Erfordernis eines gewissen Gestaltungsspielraums werden aber insofern ähnlich wie über das Merkmal der Gestaltungshöhe rein technischfunktionale oder regelgebundene Erwägungen vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen, sodass die tendenziell niedrige Schutzschwelle ausbalanciert wird.53 Auch hinsichtlich der Anforderungen an das Merkmal der Individualität führt der europäische Werkbegriff daher nicht zu einer grundlegenden Veränderung der geltenden Maßstäbe.54

47 BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 26 ff., 33 ff. – Geburtstagszug; Leistner, GRUR 2019, 1114 (1115). 48 BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 22, 25, 29 f. – Seilzirkus; BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 41 – Geburtstagszug; OLG Schleswig, GRUR-RR 2015, 1 Rn. 14, 21 f., 31  – Geburtstagszug II; ­L eistner, GRUR 2019, 1114 (1115); Loewenheim / L eistner, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 6 Rn. 10. 49 Loewenheim / Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 50. 50 EuGH, NJW 2019, 3437 Rn. 31 – Cofemel / G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 23 – Brompton / Get2Get. 51 EuGH, ZUM 2019, 751 Rn. 23 f. – Funke Medien / Bundesrepublik Deutschland [Afghanistan Papiere]; Leistner, ZUM 2019, 720 (721 f.). 52 Leistner, ZGE 2013, 4 (34); Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 52. 53 Leistner, ZGE 2013, 4 (24, 34 f., 43); Leistner, GRUR 2014, 1145 (1146); Loewenheim / L eistner, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 6 Rn. 9. 54 Loewenheim / L eistner, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 6 Rn. 9.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

Kapitel 2

Kunstschaffen in der analogen Welt Beginnend mit dem Kunstschaffen in der analogen Welt, sollen nachfolgend die soeben erarbeiteten Grundsätze für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken auf verschiedene Kunstformen unserer Zeit angewendet werden, um die mit der Digitalisierung in der Kunst einhergehenden wachsenden rechtlichen Herausforderungen für das Urheberrecht zu verdeutlichen.

I. Vom klassisch geführten Pinsel zum zufälligen Werfen von Farbe Bevor die Digitalisierung Einzug in unser Leben gehalten hat, wurden Gemälde jahrhundertelang ausschließlich von Menschenhand geschaffen. Bei der klassischen Malerei gewinnt der Künstler über seine Wahrnehmungen und Erfahrungen in der Außenwelt eine mehr oder minder konkrete Vorstellung für ein Gemäldemotiv und überträgt diese innere Vorstellung anschließend mit Hilfe von Pinsel und Farben nach außen sichtbar auf die Leinwand. Für gewöhnlich ist damit der gesamte Schaffensprozess an den einen Menschen geknüpft, der das Kunstwerk aus sich heraus allein erbringt. Nicht ganz so einfach zu beurteilen sind im Bereich der analogen Kunst lediglich einige Erscheinungen der modernen Kunst, etwa das sog. Action Painting als amerikanische Form des abstrakten Expressionismus.55 Das liegt daran, dass die Künstler bei diesen Kunstrichtungen bewusst einen Teil ihrer Kontrolle über den Schaffensprozess abgeben und das fertige Gemälde zu einem großen Teil dem Zufall überlassen. Das Interesse der Künstler richtet sich in diesen Kunstbereichen nicht auf das Endprodukt, sondern vielmehr auf den Schöpfungsvorgang.56 Die Maltechnik beim Action Painting zeichnet sich beispielsweise dadurch aus, dass es keine Komposition im Sinne eines geplanten Bildaufbaus gibt und keine komplexe Technik in Bezug auf Farbmischung oder Ausarbeitung.57 Im Verlauf des unmittelbaren und dynamischen Schaffensprozesses wird die Farbe einfach mit dem Pinsel oder sogar direkt aus den Farbtöpfen auf die Leinwand geschüttet, getropft oder gespritzt.58 Der Zufall wird hierbei als modernes Gestaltungsmittel eingesetzt.59

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Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 35. v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 140 f.; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 35. 57 Hartmann, Das große Kunstlexikon von P. W.Hartmann, 2005, Action Painting. 58 Hartmann, Das große Kunstlexikon von P. W.Hartmann, 2005, Action Painting. 59 v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 160. 56

Kap. 2: Kunstschaffen in der analogen Welt

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II. Urheberrechtliche Bewertung analoger Kunst 1. Klassische Malerei Die klassische Malerei, wie soeben unter I. beschrieben, lässt sich problemlos unter den urheberrechtlichen Werkbegriff bringen. Bei klassischen Gemälden handelt es sich unproblematisch um eine persönliche Schöpfung. Als verlängerter Arm des Künstlers ist der Pinsel nur ein unselbstständiges Hilfsmittel, um die Farbe den Vorstellungen des Künstlers entsprechend auf der Leinwand zu verteilen. Seine Verwendung ändert nichts daran, dass es sich um eine menschliche gestalterische Tätigkeit handelt, bei der der Mensch allein alle wesentlichen Gestaltungsentscheidungen trifft. Ebenfalls leicht zu bejahen ist der geistige Gehalt solcher Gemälde, deren Motiv den Gedanken- und Gefühlsinhalt des dahinterstehenden Künstlers verrät, sowie die Formgestaltung durch Übertragung des Kunstwerkes auf die Leinwand. Schließlich erfüllt ein klassisches Gemälde in der Regel auch die Anforderungen an eine individuelle Gestaltung. Das Individuelle eines Kunstwerks liegt gerade in der Art und Weise wie sein Inhalt unter Einsatz der schöpferischen Fantasie des Künstlers zur Darstellung gebracht wird.60 Denn der Einsatz von Fantasie kann als Inbegriff freier kreativer Entscheidungen gesehen werden, die die Persönlichkeit des Künstlers zum Ausdruck bringen. 2. Action Painting Kunst im Sinne des § 1 UrhG und § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist unabhängig von der gewählten Kunstform gegeben,61 sodass auch moderne Kunstrichtungen wie das Action Painting grundsätzlich dem Urheberrechtsschutz zugänglich sind. Entscheidend ist vielmehr, dass das Kunstwerk die individuelle schöpferische Persönlichkeit des Künstlers ausstrahlt.62 Der künstlerische Rang oder die künstlerische Qualität sind für die Werkeigenschaft ohne Bedeutung.63 Problematisch kann bei modernen Kunstformen wie dem Action Painting aber der Einsatz des Zufalls sein. Wenn das Kunstwerk nicht mehr das Ergebnis künstlerischer Erwägungen, sondern reiner Zufall ist, scheidet ein Urheberrechts 60

Hegel, in: Hotho, Georg Wilhelm Friedrich Hegel’s Werke, Vorlesungen über die Ästhetik, Erster Band, 1835, S. 53 f.; v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 54. 61 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 9 Rn. 225. 62 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 9 Rn. 193. 63 BGH, GRUR 1959, 289 (290) – Rosenthal-Vase; BGH, GRUR 1981, 267 (268) – Dirlada; OLG München, GRUR-RR 2002, 281 – Conti; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 9 Rn. 193; Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 67; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, § 21 IV. 2.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

schutz aus. Dies ist beispielsweise bei bloß zufälligem Werfen oder Gießen von Farbe auf eine Leinwand der Fall.64 Mangels aktiver Steuerung und Kontrolle des Schöpfungsprozesses liegt dann bereits keine persönliche Schöpfung mehr vor. Daneben fehlt es solchen Zufallswerken, die aus einer rein mechanischen Tätigkeit entstanden sind, auch an einem geistigen Gehalt, da so keine Gedanken oder Gefühle des Schaffenden im fertigen Werk ausgedrückt werden können.65 Genauso wenig wie geistigen Gehalt können solche Zufallswerke in der Folge individuelle menschliche Züge tragen. Ein Urheberrechtsschutz kann für den Künstler in einem solchen Fall nur dann noch in Betracht kommen, wenn er im Anschluss an die Schaffung des Gemäldes etwa nur bestimmte Teile der Leinwand ausschneidet, die er für besonders gelungen hält. In einer solchen Auswahlleistung kann unter Umständen eine schutzfähige Leistung erblickt werden, da Urheberrechtsschutz auch dadurch erlangt werden kann, dass durch die Auswahl und Anordnung bekannter Gestaltungsmittel oder vorgegebenen Materials eine individuelle Form oder Struktur geschaffen wird.66 Durch die Wahl des konkreten Ausschnitts drückt der Künstler dem Werk seinen persönlichen Stempel auf, da erst dadurch die Bildkomposition festgelegt wird. Je nach Art und Größe des gewählten Ausschnitts entsteht ein jeweils unterschied­ licher Eindruck, der das Kunstwerk erst ausmacht und aus der zufälligen Anordnung von Farbspritzern eine eigenschöpferische Kreation werden lässt. Im Hinblick auf die Urheberschutzfähigkeit von Auswahlleistungen ist allerdings anzumerken, dass nicht jede Auswahlleistung einen Urheberrechtsschutz begründen kann. Dies würde einem Schutz von Präsentationsleistungen gleichkommen, der nach der herrschenden Meinung nicht gewollt ist.67 Eine Auswahlleistung kann nur dann einen Urheberrechtsschutz begründen, wenn es sich bei ihr um eine wesentliche Gestaltungsentscheidung handelt, die das Werk insgesamt als vom Menschen geplant und festgelegt erscheinen lässt, diese also selbst schöpferisch ist. Ein bloßes „intuitives Herausgreifen“ eines Arbeitsergebnisses aus mehreren reicht dafür nicht aus.68 Für einen Urheberrechtsschutz muss dieses Herausgreifen 64

Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 25; a. A. Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (716). 65 Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 25. 66 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 51; Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 25; so auch EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 45 ff. – Infopaq / DDF; EuGH, GRUR 2012, 386 – Football Dacato / Yahoo; EuGH, GRUR 2019, 934 (936) Rn. 23 – Funke Medien / Bundesrepublik Deutschland [Afghanistan Papiere]. 67 Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 44; Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 Rn. 16 f.; Bullinger, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 15; Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (577); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (245); a. A. Kummer, Das urheberrechtlich schützbare Werk, 1968, S. 75 f.; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 8. 68 A. A. Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 8.

Kap. 3: Einbeziehung des Computers in der Computerkunst

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vielmehr die Anforderungen an eine persönliche geistige Schöpfung erfüllen, also insbesondere eine individuelle Prägung erkennen lassen, wie es bei der Wahl des Bildausschnitts noch möglich ist, bei dem Herausgreifen eines Bildes aus mehreren aber wohl kaum. Abzulehnen ist dagegen die zu enge Ansicht von Brutschke69, der eine Schutzbegründung durch Auswahlleistungen kategorisch ausschließt und verlangt, dass davor bereits eine persönliche geistige Schöpfung vorgelegen haben muss. Dieser verkennt die soeben beschriebene grundsätzlich bestehende Möglichkeit einer schöpferischen Auswahlleistung. Kapitel 3

Einbeziehung des Computers in der Computerkunst Mit dem vermehrten Aufkommen von Computern begann sich auch die Kunst für diese neue Technologie zu öffnen und es bildete sich die Kunstrichtung der Computerkunst heraus. Auf dem Gebiet der bildenden Kunst spricht man auch von Computergrafik.70 Diese entwickelte sich in den 1990er Jahren mit der rasanten Fortentwicklung der digitalen Computertechnologie zu einer anerkannten Kunstform, hatte ihre Anfänge aber bereits in den 60er Jahren.71 Der Wissenschaftler und Computerkünstler Herbert Werner Franke definierte Computerkunstwerke 1971 als „jedes ästhetische Gebilde […], das auf Grund von logischen oder numerischen Umsetzungen gegebener Daten mit Hilfe elektronischer Automaten entstand.“72

I. Der Einsatz von Zufallsgeneratoren Interessant ist dabei für die vorliegende Arbeit der Einsatz von Computerprogrammen, die mit einem Zufallsgenerator arbeiten. Im Hinblick auf den Einsatz aleatorischer Elemente in Computerprogrammen stellen sich nämlich bereits ähnliche Fragen wie in Bezug auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Bei einem Zufallsgenerator, auch als Zufallszahlengenerator oder Randomfunktion bezeichnet, handelt es sich um ein Computerprogramm, das zufällige oder pseudo-zufällige Zahlenfolgen hervorbringt.73 Solche zufälligen Zahlenfolgen 69

Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 50 f. Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 34, 39; Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 108, der verschiedene Einsatzmöglichkeiten des Computers im Rahmen der Computergrafik beschreibt. 71 v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 132; Piehler, Die Anfänge der Computerkunst, 2002, S. 13, die davon schreibt, dass generell das Jahr 1965 als Geburtsjahr der Computerkunst angesehen wird. 72 Franke, Computergraphik – Computerkunst, 1971, S. 7 f. 73 Vgl. Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 20 f., der auch die möglichen zugrundeliegenden mathematischen Methoden beschreibt. 70

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

zeichnen sich dadurch aus, dass sie keinem erkennbaren Muster, aber vorgegebenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen folgen.74 Mit Hilfe eines Zufallsgenerators kann eine vom Künstler vorgegebene Grundfigur variiert werden, wobei der Künstler den Computer dergestalt programmiert, ihm also Regeln im Sinne der klassischen75 Programmierung vorgibt,76 dass er vorherbestimmt, wie der Computer die vorgegebene Grundfigur anhand der vom Zufallsgenerator ausgegebenen Zufallszahlen gestalterisch variieren soll. Erst aufgrund dieser Anweisungen kommt der Computer zu Ergebnissen.77 Der Künstler gibt also beispielsweise vor, dass eine Linie gezeichnet werden soll, deren Anfangs- und Endkoordinaten durch die Zufallszahlen des Zufallsgenerators bestimmt werden. Der Zufallsgenerator gibt dann entsprechend seiner Programmierung, durch die seine Wahlmöglichkeiten von vornherein durch den Menschen eingeschränkt sind, beispielsweise Zahlen auf einer Skala von 0–100 aus, die für die Koordinaten des Anfangspunktes und des Endpunktes der Linie stehen sollen. Bei einem Gemälde von 100 cm Länge und Breite könnte die Linie je nach ausgegebenen Zufallszahlen ihren Anfangspunkt beispielsweise bei 10 cm Länge und 35 cm Breite und den Endpunkt bei dem Schnittpunkt von 60 cm Länge und 82 cm Breite haben.78 Der Künstler gibt damit die Bildelemente in Lage, Intensität, Abständen, Richtungen, Winkeln, Farbigkeit und Helligkeit vor, während die genaue Verteilung und Gestaltung der einzelnen Elemente und damit der eigentliche Bildaufbau durch den Zufallsgenerator bedingt sind.79 Der Zufall übernimmt damit in der Computerkunst die Funktion der Intuition und simuliert diese. Anders als bei „blindem“ 74 Piehler, Die Anfänge der Computerkunst, 2002, S. 213; Nake, Ästhetik als Informationsverarbeitung, 1974, S. 50: „Kurz gesagt nennt der Mathematiker ein Ereignis ‚zufällig‘, wenn es als Ergebnis eines genügend oft wiederholten Versuches nach erkennbaren Wahrscheinlichkeitsgesetzen auftritt.“ 75 Vgl. bei Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (141): „Ein ‚klassisches‘ Computerprogramm besteht in der Regel aus einem niedergeschriebenen Algorithmus, der eine Anweisung für die Maschine definiert. Im einfachsten Fall ist dies eine Wenn-Dann-Anweisung, ähnlich einer gesetzlichen Tatbestand-Rechtsfolge-Zuweisung. Hier wird also der genaue Entscheidungspfad inklusive der entscheidungserheblichen Tatsachen vom Programmierer vorgegeben.“ 76 Dies verkennt Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 135 ff., wenn er bei der Verwendung von Zufallsgeneratoren bereits von „computergeneriert“ spricht. Insofern stellt Dreier bereits 1991 richtig fest, dass als computergeneriert nur Stücke zu verstehen seien, welche von der Benutzerseite aus keinen oder nur einen geringen Input erfahren haben, wobei der Beitrag des Programmierers lediglich entfernt mit der tatsächlichen Form des fertigen Produkts zusammenhänge, vgl. Dreier, in: WIPO (Hrsg.), WIPO Worldwide Symposium on the Intellectual Property Aspects of Artificial Intelligence, 1991, S. 159. 77 Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 45; v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 147. 78 Konkrete Beispiele solcher Programmierungen finden sich beispielsweise bei Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 39 f., der den Künstler Nees in der Beschreibung seines Herstellungsverfahrens zitiert. 79 Piehler, Die Anfänge der Computerkunst, 2002, S. 194.

Kap. 3: Einbeziehung des Computers in der Computerkunst

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Zufall, wie wir ihn beispielsweise beim Action Painting gesehen haben, wird der Zufall hier aber nach vom Programmierer bzw. Künstler vorgegebenen Gesetzmäßigkeiten kontrolliert eingesetzt. Dem Künstler bleibt folglich die Kontrolle über die computerunterstützte Abfolge und die abschließende Gestaltung vorbehalten.80 Obwohl der Einsatz von einen Zufallsgenerator enthaltenden Computer­ programmen sowohl aus künstlerischer wie auch aus technischer Perspektive interessant ist, ist damit im Ergebnis jedoch festzuhalten, dass diese Kunstwerke noch stark von den Eingaben des menschlichen Programmierers und dessen Kreativität abhängen.81

II. Urheberrechtliche Bewertung Im Gegensatz zur klassischen Malerei, die in der Regel unproblematisch den Werkbegriff des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt, bereitet bereits die Computerkunst bzw. Computergrafik Kopfzerbrechen bei der urheberrechtlichen Bewertung. Bei Kunsterzeugnissen, die mittels eines Computerprogramms, das einen Zufallsgenerator enthält, geschaffen werden, beginnt bereits die Grenze zwischen menschlich Geschaffenem und maschinell Generiertem zu verschwimmen.82 1. Persönliche Schöpfung Wir haben in Kapitel 1 unter I. gesehen, dass eine persönliche Schöpfung eine menschliche gestalterische Tätigkeit voraussetzt, die nur solange angenommen werden kann, wie der Mensch noch einen steuernden Einfluss auf das Ergebnis hat und dieses als von ihm geplant und festgelegt angesehen werden kann. Bei dem Einsatz des Computers muss also gewährleistet sein, dass dadurch die Unmittelbarkeit zwischen dem geistigen Vorgang des Menschen und dem Ergebnis nicht verloren geht, um noch zu einem Urheberrechtsschutz des Ergebnisses gelangen zu können. Nur wenn das fertige Werk vom menschlichen Künstler zumindest in groben Zügen vorhersehbar bzw. geplant war, kann es ihm noch persönlich zugerechnet werden.83 Computerunterstützte Werke, im Englischen „computer-aided works“, stellen persönliche geistige Schöpfungen dar, solange der Mensch noch selbst gestalte 80

Piehler, Die Anfänge der Computerkunst, 2002, S. 238; a. A. wohl Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 21, der trotz der strengen Determination und theoretischen Prognostizierbarkeit der Zufallszahlen des Zufallsgenerators von einer absoluten Zufälligkeit und Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse des Zufallsgenerators ausgeht. 81 Guadamuz, IPQ 2017, 169 (171). 82 Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 136. 83 v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 161.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

risch tätig wird und dabei lediglich in technischer Hinsicht unterstützt wird.84 Unproblematisch ist deshalb, wenn der Computer in einer Art und Weise für die Schaffung von Werken verwendet wird, bei der die Werke auch ohne Verwendung des Computers dieselbe Gestalt gefunden hätten, z. B. bei Textverarbeitungs- oder Graphikprogrammen.85 In diesen Fällen ändert der Einsatz des Computers nichts an der urheberrechtlichen Beurteilung, die zu einem Urheberrecht für den Programmanwender kommt.86 Eine bloße Unterstützung ist allerdings dann zu verneinen, wenn der Mensch lediglich noch „auf den Knopf drückt“ und der Computer die gewünschten Gestaltungen auswirft.87 Die Trennlinie verläuft also dort, wo der Computer nicht mehr nur ein technisches Hilfsmittel ist, sondern eigenständig schöpferische Leistungen erbringt.88 Bei dem Einsatz von Computerprogrammen mit einem Zufallsgenerator im Rahmen von Computerkunst war lange Zeit strittig, ob noch ein ausreichender steuernder menschlicher Einfluss gegeben ist. Richtigerweise ist ein solcher und damit eine persönliche Schöpfung aber zu bejahen, da das fertige Werk nicht als Ergebnis des Zufallsgenerators angesehen werden kann.89 Im Rahmen von Computerkunst entscheidet nämlich nicht der Computer, sondern der menschliche Künstler, welche Grundfigur(en) mittels der Zahlen aus dem Zufallsgenerator in Aussehen und Anordnung entsprechend den gestalterischen Vorgaben des Künstlers variiert werden sollen. Der Künstler gibt dem Programm damit durch konkrete Anweisungen vor, wofür die Zufallszahlen stehen sollen und wie mit den ihm eingegebenen Daten zu verfahren ist, also welche künstlerische 84

So auch Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (226); Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 20 Rn. 721; Schaub, JZ 2017, 342 (347); Lewke, InTer 2017, 207 (214); Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (359). 85 Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 40; Gomille, JR 2019, 969 (971). 86 So auch Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 113 f.; v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 161; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 40. 87 Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 40; Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 58. 88 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, 222 (226). 89 Dies ebenfalls bejahend: Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 41; Ahlberg, in: Möhring / Nicolini, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 55; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 8; Bullinger, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 17; Weissthanner, Urheberrechtliche Probleme Neuer Musik, 1974, S. 77; Degginger, Beiträge zum urheberrechtlichen Schutz der Gegenwartskunst, 1987, S. 38 f.; wohl auch Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (360); Gegenstimmen: Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 46 ff.; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 41, 46, 75 ff., der insofern Computerkunst mittels Zufallsgeneratoren und künstliche Intelligenz in einen Topf mit der Überschrift „absolute Zufälligkeit“ wirft; Erdmann, in: Festschrift für v. Gamm, 1990, S. 389 (397); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (247).

Kap. 3: Einbeziehung des Computers in der Computerkunst

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Gestaltung durch sie umgesetzt werden soll.90 Damit beeinflusst der Mensch den Umsetzungsprozess innerhalb und durch die Maschine, sodass die erforderliche Unmittelbarkeit zwischen der menschlichen Leistung und dem fertigen Erzeugnis gegeben ist.91 Die Entscheidung für den Einbau gewisser aleatorischer Elemente in ein Computerprogramm hat daher nichts Unvorhersehbares, sondern erfolgt bewusst und geplant.92 Der Mensch trifft auch weiterhin die wesentlichen Gestaltungsentscheidungen, sodass das fertige Erzeugnis noch als seinem steuernden Einfluss unterliegend angesehen werden muss. Aufgrund der Vorgabe des Rahmens, in dem sich das fertige Gemälde bewegen muss, kann nicht von einem selbstständigen Arbeiten des Computers gesprochen werden. Dieser bleibt ein Werkzeug in den Händen des Menschen, der trotz des Einsatzes eines Zufallsgenerators noch die Kontrolle über den Schaffensprozess hat. Wie Gomille treffend schreibt, handelt es sich bei dem Einsatz eines Zufallsgenerators lediglich um eine simulierte eigene Entscheidungsgewalt der Maschine.93 Der Einsatz des Zufallsgenerators in der Computerkunst kann nicht anders beurteilt werden als der Zufallsfaktor in der Fotografie. Auch dort legt der Mensch die konkrete Erscheinungsform der Fotografie vorab nur eingeschränkt selbst fest.94 Die Rechtsprechung und herrschende Meinung lassen es im Bereich Fotografie für Lichtbilder und Lichtbildwerke aber genügen, dass der Mensch seine Kamera fest installiert und darauf programmiert, in bestimmten Intervallen Aufnahmen zu machen, da der Mensch jedenfalls durch die Auswahl von Motiv, Kamerastandpunkt und Kameraeinstellungen den Zufall so weit eingrenzt, dass die Kamera auch im Moment eines jeden einzelnen Auslösens als von ihm beherrschtes Werk angesehen werden kann.95 Bei dem Einsatz eines Zufallsgenerators genauso wie bei der Fotografie bezieht der Künstler durch die Zuhilfenahme technischer Mittel den Zufall bewusst mit in sein Werk ein, jedoch in einer Art und Weise, dass er dessen Ausmaß kennt, steuern und beherrschen kann. Beherrschter Zufall steht einer persönlichen geistigen Schöpfung nicht entgegen, da die persönliche Beziehung zwischen Urheber und Werk erhalten bleibt. Dadurch unterscheiden sich Computerkunstwerke von 90

Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 45. Vgl. Ahlberg, in: Möhring / Nicolini, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 55, der feststellt, dass es für einen Urheberrechtsschutz nicht ausreicht, wenn der Mensch zwar die Maschine, aber nicht den unmittelbaren Umsetzungsprozess innerhalb und durch die Maschine beherrscht. 92 Schäder, Die entpersönlichte Kunst und der urheberrechtliche Werkbegriff, 1998, S. 131. 93 Gomille, JR 2019, 969 (971). 94 Gomille, JR 2019, 969 (971). 95 öOGH, ZUM-RD 2001, 224 (228) – Standbilder vom Gebirge; Lauber-Rönsberg, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 72 Rn. 16; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 72 Rn. 33; Norde­mann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 72 Rn. 26; Gomille, JR 2019, 969 (971). 91

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

Werken der modernen Kunst, bei denen beispielsweise wahllos Farbe auf eine Leinwand geworfen wird. Computerprogramme, die einen Zufallsgenerator verwenden, sind nicht der Lage, wirklich Unvorhergesehenes hervorzubringen. Der Mensch beherrscht auch weiterhin den Schöpfungsakt. 2. Geistiger Gehalt Anders als von Brutschke96 angenommen, fehlt es Computerkunstwerken auch nicht an einer geistigen Gestaltung. Da das Kunstwerk bei dem Einsatz eines Zufallsgenerators immer noch wesentlich auf menschlichen Gestaltungsentscheidungen beruht, es sich folglich bei den Kunstwerken nicht um dem menschlichen Einfluss entzogene Zufallserzeugnisse handelt, kommt in diesen auch der menschliche Geist zum Ausdruck. Der Mensch gibt die ästhetischen Grundformen des fertigen Kunstwerkes vor und entscheidet auch, inwiefern diese durch die vorab bestimmten Zufallszahlen des Zufallsgenerators variiert werden sollen. Dadurch spiegelt sich in dem fertigen Werk trotz der zufälligen Komponente der menschliche Geist des Künstlers wider. 3. Individualität und Formgestaltung Genauso wie Computerkunstwerke einen geistigen Gehalt aufweisen, sind sie auch Ausdruck freier kreativer Entscheidungen, die die Persönlichkeit des Computerkünstlers widerspiegeln und damit originell bzw. individuell sind. Entgegen Gomille97 kommt es für die Bejahung von Individualität nicht da­ rauf an, dass der Künstler am Ende eine Auswahl aus den mit Hilfe des Zufallsgenerators geschaffenen Bildern trifft. Diese Ansicht beruht auf der unrichtigen Annahme, dass der Zufallsgenerator mit einem dazwischentretenden Dritten vergleichbar sei, der bei Aneignung und Weiterbearbeitung des nicht schutzfähigen Grundmusters selbst ein Urheberrecht beanspruchen könne. Dieser Vergleich kann aber nicht gezogen werden, da der Zufallsgenerator ein bloßes technisches Hilfsmittel ist, dessen „Tätigkeit“ vollständig dem menschlichen Künstler zuzurechnen ist. Auch bei Einsatz aleatorischer Elemente kann der Computer nicht selbstständig arbeiten und eigene Anweisungen befolgen, sondern bleibt eine Maschine, die lediglich vollzieht.98 Zwischen Computer-Input und -Output liegt insofern kein „fremder Geist“, sodass das Computerkunstwerk lediglich die Realisation des vom Menschen geschaffenen und gesteuerten Computerprogramms darstellt.99 Ge 96

Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 47. Gomille, JR 2019, 469 (471 f.). 98 Schäder, Die entpersönlichte Kunst und der urheberrechtliche Werkbegriff, 1998, S. 118. 99 Schäder, Die entpersönlichte Kunst und der urheberrechtliche Werkbegriff, 1998, S. 118, 131; Weissthanner, Urheberrechtliche Probleme Neuer Musik, 1974, S. 71. 97

Kap. 4: Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

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nauso wenig wie eine Auswahlentscheidung in der Regel eine persönliche geistige Schöpfung begründen kann, kommt es daher auch für das Kriterium der Individualität von Werken der Computerkunst nicht auf eine Auswahlentscheidung an. Entscheidend für die Annahme individueller Züge im fertigen Computerkunstwerk sind die Schaffung des ästhetischen Grundmusters und der gezielte Einsatz des Zufallsgenerators für dessen Variation nach bestimmten künstlerischen Vorgaben durch den menschlichen Künstler. Alle so entstandenen Werke sind urheberrechtlich schutzfähig, unabhängig davon, ob der Künstler sie alle präsentieren möchte oder nicht. Hier muss gesehen werden, dass bereits vor der Auswahlentscheidung eine persönliche geistige Schöpfung gegeben ist, sodass es für den Urheberrechtsschutz nicht mehr entscheidend auf diese ankommt. Sofern die mittels Einsatzes eines Zufallsgenerators erzeugten Computerkunstwerke daher auch eine wahrnehmbare Formgestaltung erfahren haben, steht ihrem Urheberrechtsschutz nichts entgegen. Kapitel 4

Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz Im Gegensatz zur Computerkunst, die in ihrem Entstehungsprozess noch leicht nachvollzogen werden kann, handelt es sich bei dem Thema künstliche Intelligenz um eine für den Laien nur schwer greifbare, da technisch hochkomplexe, Materie. Nichtsdestotrotz kommt der Jurist nicht umhin, sich die technischen Grund­lagen künstlicher Intelligenz begreifbar zu machen, wenn er zu einer richtigen, weil technisch fundierten, urheberrechtlichen Bewertung künstlicher Intelligenz kommen möchte. Die Beschäftigung mit dem Urheberrecht in unserer technisierten Gesellschaft muss notwendigerweise bei der exakten Erfassung des technischen Sachverhalts ansetzen, um nicht Gefahr zu laufen, dass die juristischen Untersuchungen an der Realität vorbeigehen und rein hypothetischer Natur sind.100 Nach einer kurzen allgemeinen Einführung zu dem Begriff und der Arbeitsweise von künstlicher Intelligenz soll daher am Beispiel des bereits in der Einleitung vorgestellten Gemäldes „Edmond de Belamy“ der Schaffensprozess beim Einsatz von künstlicher Intelligenz erläutert werden. Dabei soll neben dem für das Verständnis dieser Arbeit unabdingbaren kurzen Abriss der wichtigsten technischen Zusammenhänge insbesondere aufgezeigt werden, wie Mensch und Computer beim Einsatz von künstlicher Intelligenz zusammenwirken.

100

So auch Bechtold, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 67 (80), sowie Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 672 (2017); Kaulartz / Braegelmann, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 1 Rn. 18.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

I. Begriff und Funktionsweise künstlicher Intelligenz 1. Begriff der künstlichen Intelligenz Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ geht auf den Informatiker John McCarthy zurück, der diesen in seinem Antrag auf Fördermittel für die im Sommer 1956 organisierte Dartmouth Konferenz in New Hampshire erstmals verwendete.101 Eine eindeutige Definition des Begriffs der künstlichen Intelligenz sowie eine genaue Abgrenzung dieses Teilgebiets der Informatik, das Anleihen bei vielen anderen Forschungsgebieten wie Psychologie, Neurologie, Neurowissenschaften, Biologie, Mathematik und Kommunikationswissenschaften macht, stellt sich allerdings als schwierig dar, da es bereits unmöglich ist, eine trennscharfe Definition des Begriffs „Intelligenz“ zu finden.102 Einige kritisieren deshalb die Wahl dieses Begriffs103 oder jedenfalls die Übersetzung des englischen „artificial intelligence“ in „künstliche Intelligenz“ und diskutieren über alternative Bezeichnungen, die das dahinterstehende Phänomen besser beschreiben.104 Es ist zwar richtig, dass es sich bei dem Begriff der künstlichen Intelligenz mehr um einen Marketingbegriff als um ein aussagekräftiges Schlagwort für die dahinterstehende Technik handelt. Dennoch wird dieser der vorliegenden Untersuchung zugrunde gelegt und eine begriffliche Auseinandersetzung bewusst unterlassen. Denn wichtiger als das Betreiben von Haarspalterei über Begrifflichkeiten ist der vorliegenden Untersuchung die Vermittlung eines zumindest grundsätzlichen Verständnisses für die hinter dem schillernden Begriff „künstliche Intelligenz“ liegenden technischen Zusammenhänge. Hierauf soll im Folgenden der Fokus gelegt werden und nicht auf für die urheberrechtliche Bewertung von künstlicher Intelligenz letztlich nicht zielführende philosophische Fragestellungen.

101 McCarthy / Minsky / Rochester / Shannon, 27 AI Magazine, 12 (2006); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1253); Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zur künstlichen Intelligenz (AI Law), 2019, S. 3. 102 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1254); Pieper, InTeR 2016, 188 (190); Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zur künstlichen Intelligenz (AI Law), 2019, S. 1; Kaulartz / Braegelmann, in: ­Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learn­ ing, 2020, Kap. 1 Rn. 3, 9; Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 16; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 9, 11. 103 Specht, GRUR 2019, 253 bezeichnet den Begriff der künstlichen Intelligenz als „ebenso schillernd wie konturenlos“. 104 Vgl. etwa Herberger, NJW 2018, 2825, der kritisiert, dass bereits das englische „intelligence“ nicht dem deutschen „Intelligenz“ entspreche und „artificial“ mit „artifiziell“ übersetzt werden müsse, sowie auch im Englischen „extended intelligence“ als passenderen Terminus empfindet.

Kap. 4: Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

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Basierend auf ihren Eigenschaften könnte man künstliche Intelligenz als ein autonomes105 System bezeichnen, das aufgrund der Fähigkeit zu lernen in der Lage ist, Aufgaben zu erfüllen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern würden.106 2. Funktionsweise künstlicher Intelligenz a) Maschinelles Lernen Unter dem Begriff der künstlichen Intelligenz werden verschiedenste Forschungsansätze zusammengefasst. Das Forschungsfeld der künstlichen Intelligenz ist sehr heterogen und umfasst unterschiedliche Bereiche.107 Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf das Forschungsgebiet des maschinellen bzw. tiefgehenden Lernens, im Englischen „machine learning“ bzw. „deep learning“, auf der Grundlage von künstlichen neuronalen Netzen, das wohl am vielversprechendsten108 ist und gemeinhin unter dem Begriff „künstliche Intelligenz“ verstanden wird. Die Idee dahinter ist, dass man durch die computertechnische Nachbildung der Morphologie des menschlichen Nervensystems Maschinen so etwas wie Wahrnehmung, Lernen, oder Denken beibringen kann.109 Der Computer wird durch maschinelles Lernen in die Lage versetzt, in bestehenden Daten Muster zu erkennen und diese Erkenntnisse anschließend auf neue Daten anzuwenden.110 Je größer ein Datensatz ist, desto besser kann die künstliche Intelligenz lernen und selbst subtile Zusammenhänge in Daten erkennen.111 Insbesondere kann der Computer ein

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Nach Pieper, InTeR 2016, 188 (190) m. w. N. ist ein System autonom, wenn es sich selbst steuern und sich seine eigenen Regelsätze geben oder anpassen kann und damit in gewissem Umfang sein eigenes Verhalten kontrollieren und unabhängig agieren kann. Diese Definition ist wie die ähnliche Definition bei Kluge / Müller, InTeR 2017, 24 an DIN EN ISO 8373, Roboter und Robotikgeräte, Nr. 2.2 angelehnt; zur Frage, was Autonomie bedeutet auch bei Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 38 f. 106 Scherer, 29 HARV. J. L. & TECH. 353, 362 (2016); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 673 (2017) m. w. N.; Becker, Machine / Deep Learning – Wie lernen künstliche neuronale Netze?, 2018, abrufbar unter: https://jaai.de/machine-deep-learning-529/; Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev., 2215, 2223 (2018); Zech, GRUR Int. 2019, 1145; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1253); Ory / Sorge, NJW 2019, 710; WIPO, Revised Issues Paper on Intellectual Property and Artficial Intelligence, 2020, S. 3. 107 Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung, November 2018, S. 12; YaniskyRavid, Mich. St. L. Rev., 659, 672 f. (2017). 108 Dieser Ansicht auch Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1432); Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (141). 109 Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (362). 110 Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1432) Rn. 5; Ory / Sorge, NJW 2019, 710, Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM (2020) 65 final, S. 16. 111 Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 7.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

Verhalten erlernen, dass der Mensch trotz Kenntnis der zugrundeliegenden Daten nicht vorhersehen kann.112 b) Ablauf des maschinellen Lern- und Schaffensprozesses Der Lern- und Schaffensprozess des Computers lässt sich grob in die folgenden Arbeitsschritte untergliedern:113 aa) Programmbibliothek als Ausgangsprogramm Die informationstechnologische Grundlage für die Entwicklung eines KI-Systems als Bezeichnung für das fertige Programm nach Abschluss des maschinellen Lernens ist die Programmierung von künstlichen neuronalen Netzen als Infrastruktur des Lernens. Dafür kann auf Programme zurückgegriffen werden, die für künstliche neuronale Netze erforderliche Funktionen in Art eines Baukastensystems zur Verfügung stellten.114 Man spricht hierbei von sog. Programmbibliotheken. Die Mehrheit der künstlichen neuronalen Netze kann in dieser Form als Open Source Software kostenfrei aus dem Internet heruntergeladen werden.115 bb) Konfiguration künstlicher neuronaler Netze Ausgehend von dieser Programmbibliothek können anschließend zugeschnitten auf das jeweilige Projekt die konkreten künstlichen neuronalen Netze konfiguriert werden. 112 So auch Spindler, CR 2015, 766; Wang, in: Dederer / Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (88). 113 Vgl. zu dem Ablauf des Lernprozesses auch bei Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 24; Mordvintsev / Olah / Tyka, Inceptionism: Going Deeper into Neural Networks, Google AI Blog vom 17. 06. 2015, abrufbar unter: https://ai.googleblog. com/2015/06/inceptionism-going-deeper-into-neural.html; Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 676 ff. (2017); Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761; Becker, Machine / Deep Learning – Wie lernen künstliche neuronale Netze, 2018, abrufbar unter: https://jaai.de/machine-deeplearning-529; Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1432 f.); Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zu künstlicher Intelligenz (AI Law), 2019, S. 30 ff.; Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (25); Stiemerling, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 2.1 Rn. 21 ff.; Niederée / Nejdl, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 2 Rn. 58 ff.; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 23 ff.; Söbbing, MMR 2021, 111 f. 114 Vgl. hierzu auch Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (773). 115 Vgl. zum Beispiel das marktführende Open Source System „Tensorflow“, das als programmierbares Rahmenwerk zusammen mit der KI-Programmierumgebung „Keras“ kostenfrei von Google zur Verfügung gestellt wird; zu diesem Open Source System ausführlich bei Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761.

Kap. 4: Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

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Künstliche neuronale Netze bestehen dabei entsprechend der nachfolgenden Abbildung aus drei oder mehreren Schichten – typischerweise sind es 10–30 Schichten – von Knoten, die Nervenzellen simulieren und untereinander verknüpft sind. In der Regel ist jeder Knoten der einen Schicht mit allen Knoten der nächsten Schicht verbunden. Bei der Konfiguration werden die Anzahl der Schichten und Knoten, sowie die geeigneten Eingabe- und Ausgabewerte (im Englischen In- und Output) in Form der konkret zu verarbeitenden Daten zur Erzielung konkreter Ergebnisse bestimmt. Im für die Untersuchung exemplarisch herangezogenen Bereich der bildenden Kunst wird beispielsweise festgelegt, dass als Eingabewerte Gemälde bekannter Künstler verwendet werden, die zu Ausgabewerten in Form von Namen der dazugehörigen Künstler führen sollen. Die Verbindungen zwischen den Knoten werden mit zufälligen Anfangsgewichten in Form von Zahlenparametern gewichtet, man kann sie sich als unterschiedlich dick vorstellen. Je dicker eine Verbindung ist, desto stärker ist die Aktivierung, die am nächsten Knoten ankommt.

Input

Output …



Eingangsschicht

Zwischenschicht 1







Zwischenschicht n

Ausgangsschicht

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Aufbaus eines typischen künstlichen neuronalen Netzes mit einer Eingangsschicht, n Zwischenschichten und einer Ausgangsschicht.

Dies entspricht dem Aufbau echter neuronaler Netze. Die Stärke der Verbindungen zwischen den Neuronen im Gehirn variiert ebenfalls. Eine häufige Benutzung bestimmter Synapsen durch entsprechende Erfahrungen führt zu einer Verstärkung der Verbindungen, wohingegen ein verminderter Gebrauch zu einer Schwächung der Verbindungen führt. Durch Lernen werden neue Verbindungen geknüpft oder alte Verbindungen umgeleitet. Durch eine positive Reaktion in der Außenwelt wird eine bestehende Verbindung gestärkt, durch eine negative Reaktion auf ein Verhalten wird eine bestehende Verbindung und damit eine Verhaltensweise verändert.116

116 Zum Ganzen Spitzer, Selbstbestimmen: Gehirnforschung und die Frage: Was sollen wir tun?, 2003, S. 31 ff.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

cc) Training künstlicher neuronaler Netze Nach der Konfiguration beginnt das sog. Training der künstlichen neuronalen Netze. Der Lernprozess beginnt dabei bei dem für den Großteil der Verfahren angewendeten sog. überwachten Lernen117 damit, dass der sog. Eingabeschicht als erster Schicht eines künstlichen neuronalen Netzes durch den Menschen, der den Lernprozess überwacht, Rohdaten, die sog. Trainingsdaten, eingepflegt werden und dieses gleichzeitig deren korrekte Klassifizierung als gewünschten Ausgabewert erhält. Die Eingabeschicht bekommt also beispielsweise ein digitalisiertes Rembrandtgemälde eingepflegt und erhält gleichzeitig die Information im Sinne einer korrekten Klassifizierung, dass es sich hierbei um einen Rembrandt handelt. Die Knoten der Eingabeschicht reichen diese bei ihnen ankommende Aktivierung über die Verbindungen an die Knoten der nächsten Schichten weiter. Diese mittleren Schichten werden auch als versteckte Schichten bezeichnet, weil ihre Arbeitsweise aufgrund ihrer Komplexität für den Menschen nur in engen Grenzen nachvollzogen werden kann.118 Anders als bei gewöhnlichen Programmierungen ist der Prozess der Datenverarbeitung nur noch eingeschränkt transparent, weil der Computer den Prozess der Datenverarbeitung selbst gestaltet und sich keiner den menschlichen Programmierern bekannten Lösungsalgorithmen bedient. Die Zwischenschritte bis zur Ausgabe eines Ergebnisses sind zwar protokollier- und visualisierbar, es scheitert aber zumeist an einem echten Verständnis der künstlich intelligenten Arbeitsweise, da künstliche neuronale Netze Zusammenhänge in Daten erkennen können, die für den Menschen nicht mehr nachvollziehbar sind.119 117 Vgl. auch bei Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 27; Daneben gibt es noch das bestärkende und unüberwachte Lernen, siehe hierzu beispielsweise die Übersicht bei Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1433) Rn. 12; Stiemerling, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 2.1 Rn. 14, sowie bei Niederée / Nejdl, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 2 Rn. 39 ff.; einen kurzen Abriss zum unüberwachten Lernen bieten auch Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (26); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 678 (2017) weist insofern darauf hin, dass diese nächste Generation von künstlicher Intelligenz Gefahren birgt, da zufällige Methoden in unerwarteter und möglicherweise gefährlicher Weise genutzt werden. 118 Sog. black box-effect, vgl. z. B. Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM (2020) 65 final, S. 12; hierzu auch Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 24; Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1435) Rn. 39; Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (154); Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (26); Stiemerling, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 2.1 Rn. 58 ff.; ­Körner, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 2.4 Rn. 7 f.; Niederée / Nejdl, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 2 Rn. 123 ff.; Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 7. 119 So auch Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 677 (2017); Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (780); Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen T ­ aeger, 2020, S. 711 (713); Mordvintsev / Olah / Tyka, Inceptionism: Going Deeper into Neural Networks, Google AI Blog vom 17. 06. 2015, abrufbar unter: https://ai.googleblog.com/2015/06/ inceptionism-going-deeper-into-neural.html.

Kap. 4: Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

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Jede dieser Zwischenschichten erkennt bzw. extrahiert bestimmte Merkmale im vorgegebenen Datensatz, wobei die Detailliertheit von Schicht zu Schicht zunimmt. So untersucht die erste Schicht ein Bild beispielsweise auf Ränder und Ecken hin, während die nächste Schicht bereits allgemeine Formen oder Komponenten, z. B. Augen, extrahiert. Am Ende interpretiert die letzte Schicht, die sog. Ausgabeschicht, die von den Zwischenschichten gesammelten Informationen und trifft eine Entscheidung darüber, was der Datensatz zeigt, zum Beispiel einen Rembrandt. Der erste Durchgang führt erwartungsgemäß noch nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Bis das KI-System die eingegebenen Daten korrekt identifizieren und klassifizieren kann, bedarf es typischerweise hunderter bis tausender Durchgänge.120 Die Belehrung künstlicher neuronaler Netze erfolgt dabei gewissermaßen rückwärts:121 Wenn die Ausgabeschicht nicht das gewünschte Ergebnis produziert, sprich in ihrem Ergebnis von der korrekten Klassifizierung abweicht, erhält das System ein entsprechendes negatives Feedback. Ausgehend von diesem negativen Feedback werden die Gewichtungen der einzelnen Verbindungen zwischen den Knoten der Zwischenschicht rechnerisch durch das KI-System selbst Schicht für Schicht so angepasst, dass das Ergebnis beim nächsten Durchlauf mehr dem gewünschten Ausgabewert entspricht. Der ursprünglich vom Menschen programmierte Algorithmus entwickelt sich somit selbstständig weiter. Mit vielen Durchgängen können die Netze so lernen, Eingabewerte korrekt mit Ausgabewerten zu verknüpfen. dd) Eigenständige Produktion von KI-Schöpfungen durch fertiges KI-System Künstliche neuronale Netze sind so am Ende ihres Lernprozesses in der Lage, selbstständig Objekte zu identifizieren und klassifizieren.122 Ähnlich wie Menschenkinder lernt das System ohne Anleitung, Muster in Datensätzen zu erkennen und danach Regeln aufzustellen, ohne dass eine solche Regel – anders als bei einer gewöhnlichen Programmierung – jemals explizit formuliert worden wäre.123 KISysteme sind somit in einem gewissen Sinne frei und in der Lage, unabhängig von menschlichem Einfluss eigene Entscheidungen zu treffen.124 120

Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S.24. Auch als „Backpropagation“ bezeichnet, vgl. Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 24; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 23. 122 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 676 (2017); Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (26). 123 Dies verkennt wiederum Grimmelmann, 39 Columbia Journal of Law & the Arts, 403, 408 f. (2016), der davon ausgeht, dass Computerprogramme stets feste Regeln abarbeiten: „All creativity is also algorithmic in the sense that we could encode the work as a program making completely explicit what the creator did to produce it.“ 124 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 21 Rn. 50 (2012); Hristov, 57 IDEA 431, 434 (2016); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 670, 679 (2017); Guadamuz, IPQ 2017, 169, 172; Yansiky 121

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

Anhand des Erlernten können KI-Systeme anschließend eigenständig neue und für den Menschen unvorhersehbare Ergebnisse hervorbringen. Im vorliegend relevanten urheberrechtlichen Bereich kann künstliche Intelligenz beispielsweise selbstständig neue Bilder, Texte oder Musikstücke entwerfen, ohne dabei lediglich die Trainingsdaten zu kopieren, sondern aufgrund ihrer eigenen erlernten Wahrnehmungen und Erfahrungen.125 Dieser generativen Tätigkeit können verschiedene technische Modelle zugrunde liegen. Diese unterscheiden sich zwar in der konkreten Ausgestaltung der künstlichen neuronalen Netze, haben aber die soeben beschriebenen Entwicklungsschritte gemein. Im Anschluss wird näher auf „generative adversarial networks“ (kurz: GANs) eingegangen, die dem Kunstwerk „Edmond de Belamy“ zugrunde liegen.126

II. Entstehung von „Edmond de Belamy“ Dem Kunstwerk „Edmond de Belamy“ liegt mit den soeben erwähnten GANs eine der neuesten KI-Techniken zugrunde, die 2014 von Ian Goodfellow127 und anderen Wissenschaftlern der Universität von Montreal veröffentlicht wurde.128 Bei GANs handelt es sich um zwei miteinander konkurrierende künstliche neuronale Netze, die gegeneinander spielen und aus den Resultaten des jeweils anderen Netzes lernen. Das eine künstliche neuronale Netz, der sog. Diskriminator, arbeitet wie soeben unter I. 2. beschrieben. Es wird so lange mit Trainingsdaten trainiert, bis es diese und ähnliche Daten identifizieren und klassifizieren kann. Bei dem zweiten künstlichen neuronalen Netz handelt es sich um einen sog. Generator. Dieser kann ausgehend von zufälligen Signalen, man spricht auch von Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 9 (2018); Oster, UFITA 2018, 14 (17 ff.); Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (711). 125 So auch Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 675, 677, 679, 721 (2017); Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev., 2215, 2225 (2018); Peifer, in: Urheberrecht! Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (223); Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 48 spricht richtigerweise davon, dass nicht nur bereits bestehende Stile adaptiert werden, sondern vielmehr neue entwickelt werden können; WIPO, Draft Issues Paper on Intellectual Property and Artficial Intelligence, 2019, S. 4; Wang, in: Dederer / Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (87 f.); dies verkennend Lewke, InTer 2017, 207 (208), der „The Next Rembrandt“ fälschlicherweise lediglich für „eine Neukombination vorgefundener Datenelemente im Sinne einer Imitation geistigen Schaffens“ hält, sowie wohl auch Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (361), der davon spricht, dass die KI die einzelnen Elemente so zusammensetzt, dass etwas Neues entsteht, dass aber der bekannten Struktur entspricht. 126 Ein kurzer Abriss der Funktionsweise von GANs findet sich auch bei Ory / Sorge, NJW 2019, 710. 127 Der Titel des Gemäldes macht Anspielungen auf ihn und seine Entwicklung. „Belamy“ ist die anglisierte Form des französischen „bel ami“ und damit gleichbedeutend mit dem englischen „good fellow“. 128 Goodfellow / Pouget-Abadie / Mirza / Xu / Warde-Farley / Ozair / Courville / Bengio, 2 NIPS, 2672 (2014).

Kap. 4: Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

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Zufallsrauschen, verschiedene Ausgangsprodukte, im vorliegenden Beispiel Bilder, erstellen. Im Unterschied zu den in der Computerkunst verwendeten Zufallsgeneratoren, bei denen der menschliche Künstler Anweisungen für die Umsetzung der mittels Zufallsgenerator gewonnenen Zufallszahlen in konkrete künstlerische Gestaltungen gibt, bestimmt hier der Generator selbst, wie er die zufälligen Signale in konkrete Gestaltungen umsetzt. Im Zusammenspiel der beiden künstlichen neuronalen Netze versucht der Generator ein Bild zu erzeugen, das der Diskriminator als den Trainingsdaten zugehörig und damit als ein menschliches Original bewertet. Es geht mithin darum, dem Diskriminator erfolgreich eine vom Generator erzeugte „Fälschung“ unterzujubeln. Anhand der vom Diskriminator jeweils ausgegebenen Fehlerberechnung, die die Abweichung des vom Generator erstellten Bildes von den Originalen angibt, lernt der Generator wie ein Bild aussehen muss, um vom Diskriminator als menschliches Original bewertet zu werden. Nach vielen Durchgängen gelingt es dem Generator so, dem Diskriminator eines seiner Bilder als menschliches Original „zu verkaufen“.129 Bei „Edmond de Belamy“ handelt es sich um einen solchen gelungenen Täuschungsversuch. Das zugrundeliegende Computerprogramm hatte der inzwischen Stanford-Student und Künstler Robbie Barrat entwickelt und online als OpenSource-Lizenz anderen KI-Künstlern zur Verfügung gestellt. Die drei Studenten Gauthier Vernier, Hugo Caselles-Dupré und Pierre Fautrel, die zusammen das Kollektiv „Obvious“ bilden, haben dieses Computerprogramm als Grundlage für ihre Arbeit verwendet. Ihre Leistung bzw. ihr Beitrag an dem Kunstwerk besteht in dem Training des Diskriminators mit etwa 15.000 Gemälden des 14. bis 20. Jahrhunderts. Nachdem der Diskriminator diese korrekt identifizieren und klassifizieren konnte, wurde der Generator auf ihn angesetzt, der aufgrund des Feedbacks des Diskriminators zu seinen erzeugten Bildern und den entsprechend an sich selbst vorgenommenen Modifizierungen am Ende in der Lage war, den Diskriminator mit „Edmond de Belamy“ zu täuschen, den der Diskriminator als von einem echten menschlichen Künstler stammend einstufte.130

III. Grundlegende Unterschiede zur Computerkunst Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass die menschlichen Beteiligten beim Kunstschaffen mittels künstlicher Intelligenz die künstlichen neuronalen Netze in ihrer Ursprungsform programmieren, für das konkrete Projekt konfigu 129 Zum Ganzen Nicholson, A Beginner’s Guide to Generative Adversarial Networks (GANs), abrufbar unter: https://wiki.pathmind.com/generative-adversarial-network-gan. 130 Zum Ganzen https://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/61-mal-mehr-als-gedachtbieter-zahlt-380-000-euro-fuer-ki-gemaelde/23234218.html; http://www.spiegel.de/netzwelt/ web/christie-s-versteigert-erstmals-von-kuenstlicher-intelligenz-gemaltes-bild-a-1235042.html.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

rieren, diesen bereits korrekt klassifizierte, digitalisierte Trainingsdaten einpflegen und die nötige Rechenleistung zur Verfügung stellen. Bei keinem von ihnen existiert zu diesem Zeitpunkt aber eine genaue Vorstellung davon, was der Computer am Ende ausgibt. Das eigentliche Kunstwerk wird erst im Anschluss ohne weitere menschliche Einmischung selbstständig durch die künstlichen neuronalen Netze, die zunächst ausgehend von den Trainingsdaten eigenständig einen aufwendigen und komplexen Lernprozess durchlaufen, geschaffen. Dabei verlassen die künstlichen neuronalen Netze bereits im Verlauf des Lernprozesses den vom Menschen durch die ursprüngliche Programmierung und Konfiguration der künstlichen neuronalen Netze vorgegebenen Pfad, da sich diese anders als bei der klassischen Programmierung selbst weiterentwickeln und sich eigene Regeln geben.131 Im Beispiel von „Edmond de Belamy“ arbeitet der Generator zudem ausgehend von zufälligen Signalen, für die die menschlichen Beteiligten, anders als bei der Computerkunst, keine Umsetzungsentscheidungen in künstlerische Gestaltungen getroffen haben. Der Generator entscheidet ohne menschliche Beeinflussung und für diesen nicht nachvollziehbar im Zusammenspiel mit dem Diskriminator, wie die zufälligen Signale in konkrete Gestaltungen umgesetzt werden. Dieses neue Phänomen des Kunstschaffens durch künstliche Intelligenz unterscheidet sich daher grundlegend von der Computerkunst mittels des Einsatzes eines Zufallsgenerators und geht weit über diese hinaus.

IV. Urheberrechtliche Bewertung Nach der urheberrechtlichen Bewertung von Computerkunst, bei der der Computer erstmals in den künstlerischen Schaffensprozess eintritt und die Zurechnung des Ergebnisses dieses Schaffensprozesses an den Menschen in Frage stellt, stellt sich schließlich die hier entscheidende Frage, wie mittels des Einsatzes von künstlicher Intelligenz generierte Kunstwerke, die hier entsprechend als KI-Schöpfungen bezeichnet werden, urheberrechtlich zu bewerten sind. 1. Persönliche Schöpfung Wie soeben gezeigt, dient der Computer bzw. das auf ihm laufende Programm bei dem Kunstschaffen mittels künstlicher Intelligenz im Gegensatz zur klassischen Computerkunst nicht mehr nur als bloßes technisches Hilfsmittel, das den Künstler bei seinem Schaffensprozess unterstützt, sondern übernimmt selbst den kreativen Schaffensprozess.132 Künstliche intelligente Computersysteme sind 131

Zu diesem Unterschied zwischen künstlichen neuronalen Netzen und herkömmlichen Programmen auch Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1433) Rn. 14 f. 132 So auch Guadamuz, OMPI Magazine 2017, 14 (16); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 670 (2017); Yansiky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 16 f. (2018);

Kap. 4: Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

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weit von simplen Werkzeugen in den Händen menschlicher Akteure entfernt, da sie völlig autonom Entscheidungen treffen und diese unabhängig von externer Steuerung oder Einflussnahme in der Außenwelt umsetzen.133 Der Computer tritt damit aus dem Schatten des Künstlers heraus und wird selbst zum Schöpfer. Die für die Annahme einer persönlichen Schöpfung unabdingbare Unmittelbarkeit fehlt, da die KI-Schöpfung nurmehr mittelbar auf einen menschlichen Schaffensprozess zurückgeführt werden kann. Von einem steuernden Einfluss des Menschen, der das Ergebnis des Schaffensprozesses trotz der maschinellen Unterstützung noch eindeutig plant und festlegt, kann hier keine Rede mehr sein, da das Ergebnis des Schöpfungsvorgangs, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen vorhergesehen werden kann und der Mensch an dem eigentlichen Schöpfungsakt nicht beteiligt ist. Der Mensch wird lediglich im Vorfeld sowie nach dem Schöpfungsprozess in einem Ausmaß tätig, das entweder gar nicht urheberrechtlich relevant oder jedenfalls nicht geeignet ist, die Schwelle zur persönlichen geistigen Schöpfung zu überschreiten.134 Die menschlichen Beiträge im Vorstadium, also das Programmieren der künstlichen neuronalen Netze, deren Konfiguration für das konkrete Projekt sowie das Einpflegen der Trainingsdaten, bewirken nicht, dass die maschinelle Schöpfung persönlich wird, da sie dem insofern ausschlaggebenden Schöpfungsakt, auf den sie keinen Einfluss haben, vorgelagert sind.135 Die bloße Kausalität dieser menschlichen Beiträge im Sinne der conditio sine qua non reicht nicht aus, um die Maschinenschöpfung zu einer menschlichen Schöpfung zu machen, da sich letztlich jede maschinelle Produktion auf ein irgendwie geartetes menschliches Handeln zurückführen lässt.136 Ähnlich wie im Strafrecht über die Formel der objektiven Zurechnung muss man auch hier sagen, dass die Maschine letztendlich „eigenverantwortlich“ eine neue Kausalkette in Gang setzt, die allein sich am Ende in Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (383); Heinze /  Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 61; Dornis, GRUR 2021, 784, 789; dies verkennend Grimmelmann, 39 Columbia Journal of Law & the Arts, 403 (2016), der der Ansicht ist, dass es sich bei künstlicher Intelligenz um mit bloßen Werkzeugen vergleichbare Computerprogramme handelt. 133 Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, 2017, S. 7 f.; Bridy, Stan. Tech. L. Rev. 5, 21 Rn. 50 (2012). 134 So auch Schöttler, AnwZert ITR 11/2017, Anm. 2; a. A. Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (360 f.), der das Setzen eines Rahmens, in dem das KI-System lernt, für ausreichend hält. 135 So auch Dornis, GRUR 2021, 784 (785, 789), der zurecht kritisiert, dass im Schrifttum teilweise versucht wird, einen Urheberrechtsschutz durch den Verzicht auf einen menschlichen Beitrag im Schöpfungsprozess zu konstruieren; A. A. wohl Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (718 f.), die bereits das „Tätigen steuernder Voreinstellungen“ als Beginn der Gestaltungsphase sieht, sowie Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 101, der hierdurch noch einen hinreichenden Einfluss auf die konkrete Gestaltung des „artifiziellen Erzeugnisses“ als gegeben ansieht. 136 So auch Gomille, JR 2019, 969 (970).

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

der KI-Schöpfung als Erfolg niederschlägt.137 Dies leuchtet umso mehr ein, wenn man künstliche Intelligenz mit einem Menschenkind vergleicht. Obwohl dieses vor allem in den ersten Jahren hauptsächlich von seinen Eltern lernt, die zudem seine Erzeuger sind, wird wohl niemand auf die Idee kommen, diesen ein Urheberrecht an den Kindergartenzeichnungen ihres Kindes zu geben.138 Im Nachgang des Schaffensprozesses wählt der für den Trainingsprozess verantwortliche Mensch evtl. eines oder mehrere der vom KI-System erzeugten Werke als definitiv aus. Diese reine Auswahlentscheidung kann ebenfalls keine eigenschöpferische Leistung begründen, da ihr nichts Schöpferisches innewohnt.139 Anders als bei dem oben in Kapitel 2 unter II. 2. beschriebenen Action Painting, führt die Auswahlentscheidung hier nicht erst zu der Festlegung des eigentlichen Bildes, sodass kein Raum für die Einbringung eigenpersönlicher menschlicher Züge bleibt.140 Zudem schafft der Mensch hier anders als im Rahmen von Computerkunst auch nicht zusätzlich zu der Bestimmung einer der vom Computer erzeugten Versionen als definitiv das wesentliche Grundmuster des Werkes.141 Insofern kann ­Gomille142 nicht gefolgt werden, der das ästhetische Grundmuster, das bei der Computerkunst mittels der Zufallszahlen aus dem Zufallsgenerator variiert wird, mit der Datenbasis vergleicht, mit der die künstlichen neuronalen Netze lernen. Denn während sich das ästhetische Grundmuster im fertigen Computerkunstwerk – wenn auch in zufälliger Anordnung – wiederfindet, stellt die fertige KI-Schöpfung gerade keine zufällige Kollage der ursprünglichen Trainingsdaten dar. Diese werden nicht in das fertige Werk übernommen, sondern dienen der künstlichen Intelligenz lediglich als Lerngrundlage zur Entwicklung ihres „eigenen“ Stils, genauso wie jeder menschliche Künstler durch vorangegangene Künstler zumindest unterbewusst inspiriert wird.143 Es kann daher keine Rede davon sein, dass „jedes computergenerierte Erzeugnis die individuelle Handschrift des Künstlers“ 137 Die Adäquanztheorie bemühend auch Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 103 f., der das Ingangsetzen eines neuen Kausalverlaufs für heutige KI-Systeme allerdings noch verneint. 138 So auch Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 236 (2019); Dornis, GRUR 2021, 784 (789); für das Patentrecht Abbott, 57 B.C.L. Rev. 1079, 1094 f. (2016), sowie Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, S. 322 (324). 139 Siehe zum Urheberrechtsschutz bzgl. Auswahlentscheidungen oben unter Kap. 2, II. 2. So auch Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (247); Freialdenhoven / Maamar / Mroß / Nordemann, IntellectualProperty 2020, 28 (30); Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 58; Dornis, GRUR 2021, 784 (790). 140 So auch Papastefanou, WRP 2020, 290 (292) Rn. 11. 141 Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 41. 142 Gomille, JR 2019, 969 (972). 143 Insofern ist Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 113 f. zu widersprechen, der ein derartiges „Nachschaffen“ nur bei künstlicher Intelligenz annimmt. Gerade bei großen Projekten wie „Edmond de Belamy“, der mit tausenden von Gemälden verschiedener Epochen trainiert wurde, kann entgegen Grätz zudem nicht angenommen werden, dass künstliche Intelligenz „nicht das komplette Spektrum an möglicher Inspiration und Gestaltungsfreiheit ausschöpfen“ kann.

Kap. 4: Eigenständiges Kunstschaffen durch künstliche Intelligenz

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trägt.144 In der Folge kann auch der Schlussfolgerung von Gomille nicht gefolgt werden, dass „An den solchermaßen generierten Erzeugnissen […] der Anwender ein Urheberrecht [erwirbt], wenn er die Inhalte der Datenbasis selbst geschaffen hat, das Erzeugnis aus dieser Datenbasis generiert wird und er die Entscheidungsgewalt über Behalten und Verwerfen der computergenerierten Erzeugnisse hat.“145 Schließlich können auch die von Haberstumpf angeführten Möglichkeiten der Nachbearbeitung der KI-Schöpfung, des Arrangierens mit anderen Gegenständen, oder der Hinzufügung eines Titels oder einer Erklärung die eigentliche KI-Schöpfung nicht rückwirkend schöpferisch machen, sondern lediglich nachschaffende Bearbeitungen darstellen.146 Mangels irgendwie gearteter schöpferischer Mitwirkung der menschlichen Beteiligten an der KI-Schöpfung scheidet auch eine Miturheberschaft aus. Eine solche wäre nur denkbar, wenn der Mensch auch einen schöpferischen Beitrag zum autonom-schöpferischen KI-Prozess liefern würde.147 Beteiligte, die lediglich Anregungen gegeben haben, oder als Gehilfen tätig geworden sind, scheiden als Urheber aus, auch wenn sie dem Urheber wesentliche Inspiration für sein Schaffen gegeben haben.148 Der Programmierer, der zwar einen eigenschöpferischen Beitrag zu der zugrundeliegenden Software, aber nicht zu der computergenerierten Schöpfung geleistet hat, muss daher als Miturheber ausscheiden. Genauso verhält es sich mit dem Trainer, dessen Auswahl an eingegebenen Daten höchstens als nicht urheberschutzfähige Inspiration für die künstlichen neuronalen Netze angesehen werden kann, aber nicht als eigenschöpferischer Beitrag zur fertigen Schöpfung. Die künstliche Intelligenz selbst, die ja die Schöpfungsleistung erbringt und dabei aufgrund ihrer Funktionsweise ähnlich wie der Mensch vorgeht, kann das Merkmal der persönlichen Schöpfung nicht erfüllen. Der Urheber als Schöpfer des Werkes gemäß § 7 UrhG muss nach der Grundkonzeption unseres heutigen Urheberrechts eine natürliche Person sein, da in jedem Werk der menschliche Geist zum Ausdruck kommen muss.149 Ein Urheberrechtsschutz an KI-Schöpfungen scheitert daher bereits an dem Kriterium der persönlichen Schöpfung, da mangels jeglichen beherrschenden oder 144

Gomille, JR 2019, 969 (972); diesem folgend Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel /  Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 60, der annimmt, dass das vom Computer generierte Werk eine Abwandlung der Trainingsdaten darstellt und daher noch die individuellen Züge des programmierenden Künstlers trägt. 145 Gomille, JR 2019, 969 (974). 146 Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (361). 147 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1264). 148 Loewenheim / Peifer, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 7 Rn. 6; anders als noch von Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1186 (1985) angenommen, ist künstliche Intelligenz bereits weit über eine „role as the ‚assistants‘ of humans“ hinaus und nimmt vielmehr der Mensch die Rolle des nichtschöpferischen Assistenten der Maschine ein. 149 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 7 Rn. 2.

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

steuernden Einflusses von menschlicher Seite hinsichtlich des eigentlichen Schöpfungsaktes keine Menschenschöpfung mehr, sondern eindeutig eine Maschinenschöpfung gegeben ist. 2. Geistiger Gehalt Das Vorliegen eines geistigen Gehalts ist bei KI-Schöpfungen ebenso zu verneinen wie eine persönliche Schöpfung, da auch dieses Merkmal eine menschliche Prägung des Werkes erfordert. Da der eigentliche Schöpfungsakt vollständig durch den Computer übernommen wird, kann das fertige Werk nicht mehr Ausdruck des menschlichen Geistes sein. Anstelle eines menschlichen Gedanken- und Gefühlsinhalts teilen Kunstwerke wie „Edmond de Belamy“ lediglich die Gedankenführung- und -formung des künstlichen neuronalen Netzes mit. Die menschlichen Beiträge im Vorstadium sind zu weit entfernt von der KISchöpfung, um einen menschlichen Geist auf diese projizieren zu können. Die Programmierung der zugrundeliegenden Programmbibliothek sowie die Konfiguration des künstlichen neuronalen Netzes können in Bezug auf die computergenerierte Schöpfung lediglich als Schaffung der nötigen Infrastruktur eingestuft werden, vergleichbar mit dem Gehirn eines Neugeborenen, das erst noch Erfahrungen sammeln muss, bis es in der Lage ist, schöpferisch tätig zu werden.150 Das ursprüngliche künstliche neuronale Netz überträgt daher nichts von der ihm evtl. selbst innewohnenden Geistigkeit auf die mit ihm verwirklichten künstlerischen Erzeugnisse. Dies gilt umso mehr, als die ursprünglich menschliche Programmierung durch den Computer im Verlauf des Lernprozesses verändert wird, sodass der dieser evtl. innewohnende geistige Gehalt bereits an diesem Punkt beseitigt bzw. zumindest wesentlich verändert wird. Der geistige Gehalt, der in der Auswahl der einzupflegenden Daten durch den Trainer gesehen werden könnte, geht über den komplexen maschinellen Schöpfungsprozess ebenfalls verloren. Die KI-Schöpfung enthält nicht die ursprünglich eingepflegten Datensätze oder auch nur Teile hiervon, sondern stellt eine eigenständige Interpretation der aufgrund der Datensätze gewonnenen Erkenntnisse dar.151 3. Individualität Mangels eines geistigen Gehalts kann den computergenerierten Schöpfungen schließlich auch keine Individualität zukommen. Wo jegliche menschlichen Züge fehlen, bleibt kein Raum für Individualität, die eine Prägung durch den individuellen Geist eines menschlichen Urhebers voraussetzt. 150 151

In diese Richtung auch Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev, 659, 675 f., 701 (2017). Spindler, GRUR 2016, 1112 (1113).

Kap. 5: Ergebnis

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Rein qualitativ betrachtet stehen die Produkte des Kunstschaffens künstlicher Intelligenz zwar in der Regel menschlichen Kunstwerken in nichts nach, da sie meist nicht mehr von diesen zu unterscheiden sind.152 Aufgrund der menschlichen Abwesenheit beim eigentlichen Schöpfungsakt fehlt es aber an der Entfaltung individueller menschlicher Züge im fertigen Kunstwerk. 4. Formgestaltung Von künstlicher Intelligenz geschaffene künstlerische Erzeugnisse können zwar ohne Weiteres eine konkrete Gestalt annehmen. In dieser Formgestaltung kommt jedoch kein menschlicher Geist wahrnehmbar zum Ausdruck, da sie das Ergebnis autonomen maschinellen Schaffens ist. Eine Formgestaltung im urheberrechtlichen Sinne ist daher ebenfalls zu verneinen. Kapitel 5

Ergebnis Als Ergebnis des ersten Teils ist daher festzuhalten, dass mittels künstlicher Intelligenz geschaffene Kunstwerke, bei denen der Computer anders als der Pinsel in der klassischen Malerei oder der Zufallsgenerator in der Computerkunst nicht mehr nur Hilfsmittel ist, sondern vom Menschen unabhängig schafft, de lege lata keinen Urheberrechtsschutz genießen und damit gemeinfrei sind. Es fehlt bei diesen KI-Schöpfungen an der nach dem deutschen Urheberrecht erforderlichen geistigen Verbindung zu einem menschlichen Schöpfer. Weder die an dem Schaffensprozess beteiligten Menschen noch die künstliche Intelligenz selbst erfüllen die Kriterien des urheberrechtlichen Werkbegriffs.153 152

So auch Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 16 Rn. 37 (2012); Guadamuz, IPQ 2017, 169 (175); Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (384); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1254); Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (368); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 111. 153 Zu diesem Ergebnis kommen auch Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning  – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10  – 3000  – 67/18, S. 19; Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M.  Walter zum 80. Geburtstag, 2018, 222 (226 f.); Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (396); ­Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (579); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (247); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1254); Zech, GRUR Int. 2019, 1145 (1147); Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learn­ ing, 2020, Kap. 7 Rn. 40; Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 64; Wang, in: Dederer / Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (83); Dornis, GRUR 2021, 784, 785; Zu diesem Ergebnis kommt letzten Endes auch Gomille, JR 2019, 469 (473), allerdings nur, weil bei seinem Ausgangsbeispiel mit fremden Daten gearbeitet wird, die nicht auf die individuelle Gestaltungskraft der Anwender hinweisen. Stammt die Datenbasis allerdings vom Anwender

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1. Teil: Die Digitalisierung in der Kunst aus urheberrechtlicher Perspektive 

Diese Erkenntnis, dass KI-Schöpfungen aktuell keinen Urheberrechtsschutz erfahren, bildet den Ausgangspunkt für die den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bildende Frage, wie mit dieser Gemeinfreiheit umgegangen werden soll. Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung soll untersucht werden, ob die bestehende Gemeinfreiheit von KI-Schöpfungen hinnehmbar ist, oder ob es aufgrund dieser Situation einer Anpassung des geltenden Immaterialgüterrechts bzw. der Schaffung eines eigenen sui generis Schutzes für KI-Werke bedarf.154

der künstlichen Intelligenz, bejaht er das Vorhandensein einer individuellen Handschrift, vgl. oben auf Seite 38 f.; Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (711) kommen trotz der vorherigen Feststellung, dass selbstlernende KI autonome Entscheidungen trifft, letztlich zu dem verhaltenen Schluss, dass keine allgemeingültige Antwort gegeben werden könne, sondern es im Hinblick auf den Grad der Autonomie der jeweiligen KI auf die Entscheidung im Einzelfall hinauslaufe; a. A. Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (379), der eine schöpferische Leistung des Anwenders eines ­K I-Systems bejaht, sowie Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 102, 104, 127, 130 der die heutigen Systeme kreativer künstlicher Intelligenz noch als Hilfsmittel einordnet und Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (717), die noch ausreichend Gestaltungsanweisungen durch den Nutzer sieht. 154 Diese Frage aufwerfend auch Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (579).

Zweiter Teil

Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen Für die Beantwortung der Frage nach dem Umgang mit der Gemeinfreiheit von KI-Schöpfungen ist zunächst zu klären, ob für KI-Schöpfungen aktuell überhaupt eine Schutzlücke besteht. Ein fehlender Urheberrechtsschutz bedeutet schließlich nicht automatisch eine komplette Schutzlosigkeit in jeglicher Hinsicht. Bevor über eine Anpassung oder Erweiterung der bestehenden Schutzmöglichkeiten im Hinblick auf KI-Schöpfungen nachgedacht werden kann, ist zunächst zu prüfen, ob KI-Schöpfungen nicht bereits aufgrund der bestehenden Schutzrechtslage direkten oder indirekten Schutz über andere Schutzrechte genießen, sodass gar keine zu schließende Schutzlücke existiert.1 In diesem zweiten Teil der Untersuchung wird daher zu prüfen sein, ob KISchöpfungen außerhalb des Urheberrechts einen direkten Schutz erfahren, oder zumindest über die in ihrem Vorfeld erbrachten Leistungen wie die Entwicklung der zugrundeliegenden Programmbibliothek, des KI-Systems oder der Trainingsdatensammlung mitgeschützt werden können. Kapitel 1

Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts I. Leistungsrechtlicher Schutz Naheliegenderweise ist bei der Suche nach einem Schutz für KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts bei den dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten, auch Nachbarrechte oder Leistungsschutzrechte genannt, zu beginnen. Die verwandten Schutzrechte schützen kulturelle Leistungen, die nach dem traditionellen Verständnis vom schöpferisch tätigen Urheber nicht als „persönliche geistige Schöpfungen“ im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG qualifizieren, weil sie die Schwelle zum schöpferischen Tätigwerden nicht erreichen.2 1 In diese Richtung gehend auch Ginsburg, IIC (2018) 49, 131 (134), die anmerkt, dass vor der Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten für computergenerierte Erzeugnisse zunächst geprüft werden muss, ob es nicht bereits Anreize für die Schaffung von computergenerierten Erzeugnissen durch bestehendes Recht gibt, sowie Drexl / Hilty u. a., MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 21-10, S. 1. 2 Amtl. Begr., BT-Drs. IV/270, A.II.2; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff., Rn. 1; Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 20.

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

In Betracht kommen für KI-Schöpfungen vorliegend die Leistungsschutzrechte für Lichtbilder gemäß § 72 UrhG, für Laufbilder gemäß § 95 UrhG, für Datenbanken gemäß §§ 87a ff. UrhG, für Tonträger gemäß § 85 UrhG, sowie für Presseveröffentlichungen gemäß § 87f ff. UrhG. 1. Schutz von KI-Schöpfungen als Lichtbilder gemäß § 72 UrhG Zumindest für computergenerierte Bilder kommt zunächst ein Schutz als Lichtbilder gemäß § 72 UrhG in Betracht. Das Beispiel von Satellitenfotos zeigt, dass automatisierte Aufnahmevorgänge aufgrund einer vorgelagerten technischen Leistung der dafür verantwortlichen Person zugerechnet werden können.3 Der Lichtbildschutz passt allerdings insofern nicht für KI-Schöpfungen, als diese nicht einmal annähernd ähnlich zu Lichtbildern hergestellt werden.4 Ihnen liegen keine kontrollierbaren fotochemischen oder fotophysikalischen Prozesse5 zugrunde, sondern das freie Zusammenspiel von künstlichen neuronalen Netzen. Computerbilder, die nicht auf der Verarbeitung von Lichtreizen, sondern auf elektronischen Befehlen beruhen, sind nach herrschender Auffassung vom Lichtbildschutz ausgenommen.6 Überdies wird ein Lichtbildschutz für computergenerierte Darstellungen teilweise mit der Begründung abgelehnt, dass „ein solcher Schutz einen im Moment der Bilderschaffung tatsächlich vorhandenen, körperlichen Gegenstand voraussetzt.“7 2. Schutz von KI-Schöpfungen als Laufbilder gemäß § 95 UrhG Für KI-Schöpfungen in Form von Bildfolgen, sowie Bild- und Tonfolgen, beispielsweise Computerspiele, kommt ein Schutz als Laufbild gemäß § 95 UrhG in Betracht.8 Anders als beim Lichtbildschutz kommt es hierfür nicht auf das ver-

3

LG Berlin, GRUR 1990, 270 – Satellitenfoto; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 72 Rn. 27; Lauber-Rönsberg, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 72 Rn. 16; Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (248); a. A. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 20 Rn. 723. 4 Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 20. 5 Siehe hierzu Vogel, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 43 Rn. 9. 6 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 72 Rn. 28; Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 68. 7 Siehe z. B. LG Berlin, ZUM 2017, 955 (957) – Computergenerierte Packshots; KG Berlin, GRUR 2020, 280 (284) Rn. 58; ausführlicher hierzu bei Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 118 f. 8 So auch Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 70; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 119.

Kap. 1: Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts

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wendete Aufnahmeverfahren an und wird allein die wirtschaftliche und organisatorische Leistung des Laufbildherstellers geschützt.9 Hierdurch kann aber nur ein kleiner Teil möglicher KI-Schöpfungen erfasst werden. 3. Schutz von KI-Schöpfungen als Datenbanken gemäß §§ 87a ff. UrhG Nachdem es bei den autonom durch den Computer geschaffenen Inhalten an der für ein Datenbankwerk im Sinne des § 4 Abs. 2 UrhG erforderlichen persönlichen geistigen Schöpfung fehlt,10 könnte jedoch ein Schutz von KI-Schöpfungen als Datenbank gemäß § 87a Abs. 1 UrhG in Betracht kommen. Da KI-Schöpfungen allerdings nicht nur bloße Datensammlungen in Form von Neuanordnungen der Trainingsdaten darstellen, greift auch dieses Leistungsschutzrecht vorliegend nicht ein.11 Wir haben bereits im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. b) gesehen, dass bei der Herstellung von KI-Schöpfungen anders als bei der Herstellung von Datenbanken gerade nicht nur unabhängige Inhalte gesammelt und neu angeordnet, sondern vielmehr neue Inhalte geschaffen werden, die keine bloßen Kopien der Trainingsdaten darstellen. Die Datenerzeugung selbst fällt gerade nicht unter den Schutzzweck der §§ 87a ff. UrhG, der in der Anreizsetzung für die Erstellung von Informationssystemen besteht und eine Monopolisierung von Daten vermeiden möchte.12 Überdies kann keine Rede davon sein, dass KI-Schöpfungen als einheitliche Werke aus verschiedenen unabhängigen Elementen bestehen, die einzeln zugänglich gemacht werden können.13

9

BGH, NJW 1993, 1470 (1471) – Filmhersteller; BGH, GRUR 2014, 363 Rn. 23 – Peter Fechter; Katzenberger / Reber, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 95 Rn. 6 f. 10 Vgl. auch Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 21. 11 So auch Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 21. 12 EuGH, GRUR 2005, 244 Rn. 31, 42  – BHB-Pferdewetten; EuGH, GRUR 2005, 252 Rn. 24 – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH, GRUR 2005, 254 Rn. 40 – Fixtures-Fußballspielpläne II; EuGH, GRUR Int. 2005, 244 Rn. 31 ff. – Fixtures Marketing III; Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 21; Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 73. 13 So auch Legner, ZUM 2019, 807 (809), die von „kumulierten Elementen“ spricht und Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 74.

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

4. Schutz von KI-Schöpfungen über den Tonträgerherstellerschutz des § 85 UrhG Soweit es sich bei KI-Schöpfungen um Musikstücke handelt, könnten diese über den Tonträgerherstellerschutz des § 85 UrhG erfasst werden.14 Statt schöpferischer Leistungen hat dieses Leistungsschutzrecht die für die Herstellung des Tonträgers erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Leistungen im Blick und entsteht unabhängig davon, ob die auf dem Tonträger enthaltenen Inhalte urheberrechtlich geschützte Werke sind oder nicht.15 Allerdings können durch dieses Leistungsschutzrecht nur Musikschöpfungen künstlich intelligenter Systeme erfasst werden. Andere wichtige Werkgattungen, wie zum Beispiel die in dieser Arbeit besonders thematisierte bildende Kunst oder Literaturwerke als klassische Bereiche des Urheberrechts16, bleiben außen vor.17 Zudem werden über den Tonträgerherstellerschutz nur solche KI-Schöpfungen geschützt, die auf einem Tonträger festgehalten sind.18 Dabei bleibt jedoch die selbstständige Erzeugung der in der Tonaufnahme festgehaltenen Daten, also der KI-Schöpfung in Form von Musik, für Dritte möglich, da durch dieses Leistungsschutzrecht nur der Tonträger als organisatorische „Hülle“ geschützt ist.19 Problematisch ist in diesen Fällen darüber hinaus, wenn der für den Betrieb des kreativen KI-Systems wirtschaftlich und organisatorisch Verantwortliche ein anderer ist als der Tonträgerhersteller.20 Somit ist auch dieses Leistungsschutzrecht nicht geeignet, um einer Schutzlücke für KI-Schöpfungen effektiv vorzubeugen.

14

So auch Gomille, JZ 2019, 969 (974); Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 49, die insofern übersehen, dass Gomille diesen Schutz bereits vor ihnen angedacht hatte. 15 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 85 Rn. 34, 62; Gomille, JZ 2019, 969 (974); Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 51 f. 16 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 1. 17 Gomille, JZ 2019, 969 (974). 18 Gomille, JZ 2019, 969 (974). 19 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6.Aufl. 2018, § 85 Rn. 34; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 85 Rn. 25; Graef, in: Ahlberg / Götting /  Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 87f Rn. 9; Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann, Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 52; Dornis, GRUR 2021, 784 (786). 20 Gomille, JZ 2019, 969 (974).

Kap. 1: Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts

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5. Schutz von KI-Schöpfungen über den Schutz des Presseverlegers nach §§ 87f ff. UrhG Schließlich ist unter den bereits existierenden Leistungsschutzrechten auch an den Schutz des Presseverlegers nach §§ 87f ff. UrhG zu denken. Möglicherweise können KI-Schöpfungen bereits heute als Presseveröffentlichung Schutz erlangen. Im Hinblick auf die Bestimmung des Begriffs der Presseveröffentlichung war bereits die alte Fassung des § 87f Abs. 2 S. 1 UrhG, die noch vom Presseerzeugnis sprach, nicht unproblematisch. Der dort verwendete Begriff der journalistischen Beiträge, deren redaktionell-technische Festlegung mit einem Leistungsschutzrecht belohnt wurde, umfasste nicht abschließend sämtliche redaktionell gestalteten Beiträge, wie insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.21 Insofern bestand bereits damals Rechtsunsicherheit hinsichtlich der genauen Reichweite des Schutzes.22 Unstrittig schien jedoch, dass ein eigenständiger Schutz der im Presseerzeugnis enthaltenen Beiträge keine Voraussetzung für das Entstehen des Leistungsschutzrechts ist.23 Danach konnten KI-Schöpfungen in Form von Texten und Bildern grundsätzlich Schutz im Rahmen des Leistungsschutzrechts für Presseverleger genießen.24 Genau dieser Punkt ist nach der Urheberrechtsreform durch das am 20. 05. 2021 verabschiedete Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes aber ebenfalls fraglich geworden.25 Der seit dem 07. 06. 2021 geltende § 87f Abs. 1 UrhG schützt nunmehr die „Presseveröffent­ lichung“, die „eine hauptsächlich aus Schriftwerken journalistischer Art bestehende Sammlung (ist), die auch sonstige Werke oder nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände enthalten kann“ und die „(1.) eine Einzelausgabe in einer unter einem einheitlichen Titel periodisch erscheinenden oder regelmäßig aktualisierten Veröffentlichung, etwa Zeitungen oder Magazinen von allgemeinem oder besonderem Interesse, darstellt, (2.) dem Zweck dient, die Öffentlichkeit über Nachrichten oder andere Themen zu informieren, und (3.) unabhängig vom Medium auf Initiative eines Presseverlegers nach Absatz 2 unter seiner redaktionellen Verantwortung und Aufsicht veröffentlicht wird.“ Fraglich ist, ob aus dem neuen, aufgrund der Umsetzung von Art. 15 Richtlinie 2019/790 unionsrechtlich bedingten, Wortlaut der Norm „Schriftwerke“ sowie „auch sonstige Werke“ herausgelesen werden kann, dass es sich bei den journalis 21

Zum Ganzen Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87f Rn. 11 f. BKartA BeckRS 2016, 01138 Rn. 74 spricht davon, dass das Schutzrecht „in seinem Anwendungsbereich recht unklar“ ist; Stieper, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87f Rn. 7. 23 Stieper, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87f Rn. 8; Jani, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 87f Rn. 3. 24 Gomille, JZ 2019, 969 (974). 25 Zur weiter bestehenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Schutzgegenstandes auch im Übrigen sowie dem gesteigerten Maß an sprachlicher Unschärfe Stieper, ZUM 2020, 166 (167). 22

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

tischen Beiträgen um urheberrechtlich geschützte Werke i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG handeln muss, die die Anforderungen an eine „persönliche geistige Schöpfung“ bzw. entsprechend dem europäischen Werkbegriff an eine „eigene geistige Schöpfung“ erfüllen müssen.26 Dann wären KI-Schöpfungen, die den Werkbegriff nicht erfüllen können (vgl. oben im ersten Teil unter Kapitel 4, IV.), von vornherein vom Schutzbereich des neuen Presseverlegerrechts ausgenommen. Dem Schutzzweck der Norm nach geht es beim Leistungsschutzrecht des Presse­ verlegers aber auch in seiner reformierten Fassung um den Schutz der verlegerischen Leistung,27 bei der es sich um eine wirtschaftlich-organisatorische Leistung handelt, und damit um den Schutz von Investitionen. Geschützt wird nach dem Vorbild des Tonträgerherstellerrechts die zur Festlegung der Presseveröffent­lichung erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Presse­ verlegers.28 Dieser Schutzzweck verträgt sich nicht mit einer Beschränkung des Presseverlegerschutzes auf Presseveröffentlichungen, die urheberrechtlich geschützte Werke enthalten.29 Da das Leistungsschutzrecht seinem Schutzzweck nach völlig unabhängig von irgendwelchen individuell-gestaltenden Leistungen entsteht, kann es keine Rolle spielen, ob die in der Presseveröffentlichung enthaltenen Inhalte urheberrechtlich geschützte Werke sind.30 Sofern man aufgrund der Zielsetzung dieses Leistungsschutzrechts, das heißt dem Schutz wirtschaftlich-organisatorischer Verlegerleistungen, dessen Anwendbarkeit auch dann bejaht, wenn es sich bei den Inhalten der Presseveröffentlichung um ein nicht urheberrechtlich schutzfähiges Werk handelt, folgt aus der Gewährung eines solchen Leistungsschutzrechts allerdings nicht automatisch ein Recht auch an den in der Presseveröffentlichung enthaltenen Erzeugnissen. Das Leistungsschutzrecht an der Presseveröffentlichung ist nämlich von etwaigen (Urheber)rechten an den in der Presseveröffentlichung enthaltenen Inhalten zu unterscheiden.31 26 Dazu, dass der neue Wortlaut den Eindruck erweckt, der Leistungsschutz des Presseverlegers hänge von dem Urheberrechts- oder Leistungsschutz der einzelnen Artikel oder Abbildungen ab auch Stieper, ZUM 2020, 166 (167). 27 Zum alten Recht amtl. Begr. BT-Drs. 17/11470, S. 6.; zum neuen in Umsetzung von Art. 15 Richtlinie 2019/790 entstandenen Recht Amtsblatt der Europäischen Union, L 130/104, Nr. 55: „Um die Tragfähigkeit des Verlagswesens zu unterhalten, gilt es, den organisatorischen und finanziellen Beitrag, den Verlage bei der Produktion von Presseveröffentlichungen leisten, zu würdigen (…)“. 28 Zum alten Recht amtl. Begr. BT-Drs. 17/11470, S. 8; Stieper, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87f Rn. 7; ausgehend von Art. 15 Richtlinie 2019/790 auch ­Gomille, JZ 2019, 969 (974). 29 So auch Stieper, ZUM 2020, 166 (168). 30 Dies ausgehend von Art. 15 Richtlinie 2019/790, der bereits die „Werk-Anforderung“ enthält (vgl. auch die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie), ebenfalls bejahend Gomille, JZ 2019, 969 (974). 31 Zum alten Recht amtl. Begr. BT-Drs. 17/11470, S. 8; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87f Rn. 3; Stieper, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87f Rn. 8; Graef, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 87f Rn. 9.

Kap. 1: Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts

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Dies folgt auch aus dem neuen § 87h Abs. 2 Nr. 2 UrhG, nach dem die Nutzung gemeinfreier Werke nicht über das Recht des Presseverlegers eingeschränkt werden kann.32 Da durch das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers genauso wie durch das soeben behandelte Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers nur die organisatorische „Hülle“ geschützt ist, bleibt die selbstständige Erzeugung des Inhalts der Presseveröffentlichung für Dritte möglich. Durch dieses Leistungsschutzrecht können zudem wiederum nur solche KISchöpfungen erfasst werden, die theoretisch Bestandteil einer Presseveröffent­ lichung sein können, also Texte und Bilder, sowie tatsächlich auch Bestandteil einer solchen sind.33 Problematisch ist in diesen Fällen darüber hinaus auch wiederum, wenn der für den Betrieb des kreativen KI-Systems wirtschaftlich und organisatorisch Verantwortliche ein anderer ist als der Presseverleger.34 Im Ergebnis ist daher auch dieses Leistungsschutzrecht nicht geeignet, um eine Schutzlücke verneinen zu können. 6. Zwischenergebnis Zusammenfassend können KI-Schöpfungen daher über die bestehenden Leistungsschutzrechte nicht in ausreichendem Maße erfasst werden.35

II. Patentrechtlicher Schutz KI-Schöpfungen könnten aber als KI-Erfindungen dem Patentschutz zugänglich sein. Im Patentrecht geht es um den Schutz des Ergebnisses. Das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit wird dabei objektiv und nicht nach dem tatsächlichen Werde­ gang der Erfindung beurteilt. Sofern eine computergenerierte Erfindung also nicht zwangsläufig ohne erfinderisches Bemühen aus dem Stand der Technik folgt, kommt grundsätzlich ein Patentschutz in Betracht.36 Die Erfindung muss zwar das Ergebnis menschlicher schöpferischer Tätigkeit sein,37 die Anforderungen hieran sind aber geringer als im Urheberrecht. Bei der Verwendung von Datenverarbeitungsanlagen zur Erfindungsfindung ist für die 32

Hofmann, GRUR 2021, 895 (899 f.). Gomille, JZ 2019, 969 (974). 34 Gomille, JZ 2019, 969 (974). 35 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Dornis, GRUR 2021, 784 (786). 36 Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (576); DPMA, „Schlüsseltechnologie für viele Lebensbereiche“, abrufbar unter: https://www.dpma.de/dpma/veroeffentlichungen/ hintergrund/ki/schluesseltechnologiefuervielelebensber/index.html. 37 Melullis, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 6 Rn. 31. 33

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

menschliche Erfindereigenschaft insofern ausreichend, dass der Mensch die Anlage im Hinblick auf eine solche Erfindung gezielt einsetzt, oder die Brauchbarkeit eines von der Maschine ausgegebenen Ergebnisses als Lösung eines technischen Problems erkennt.38 Im Patentrecht gilt gemäß § 7 Abs. 1 PatG (entspricht Art. 60 Abs. 3 EPÜ) zudem als Erfinder, wer sich in der Anmeldung als Erfinder benennt, ohne dass überprüft wird, ob der benannte Erfinder auch tatsächlich der Erfinder ist. Solange eine natürliche Person39 als Erfinder genannt wird und nicht etwa die künstliche Intelligenz selbst, wird eine Anmeldung daher nicht zurückgewiesen werden.40 Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies nicht der Leugnung von künstlicher Intelligenz als dem eigentlichen Erfinder gleichkommt. Für das amerikanische Recht merkt Abbott insofern zurecht an, dass es für die Erfindereigenschaft des Menschen nicht ausreichen kann, dass dieser dem Computer eine Aufgabe gibt und ihn mit Materialien versorgt. Es erscheine insofern ungerecht, einen Menschen zu belohnen, der zwar die KI-Erfindung als solche erkannt hat, aber nicht am erfinderischen Prozess beteiligt war.41 Die Frage nach der Patentierbarkeit von computergenerierten Erzeugnissen betrifft allerdings lediglich den Einsatz von künstlicher Intelligenz im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Computergenerierte Erzeugnisse im urheberrechtlich relevanten Bereich, wie beispielsweise Gemälde und Gedichte als Kunst- und Sprachwerke, verkörpern für sich betrachtet keine technische Lehre, sodass ein Patentschutz für sie ausscheidet.

38 BGH, GRUR 2010, 817 (819) Rn. 28  – Steuervorrichtung; Melullis, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 30; Ann, in: Kraßer / Ann, Patentrecht, 7. Aufl. 2016, § 19 Rn. 7; Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (581). 39 Das EPÜ überlässt die Auslegung des Erfinderbegriffs in erster Linie den nationalen Gerichten. Deutsche Gerichte haben insofern entschieden, dass nur natürliche Personen Erfinder sein können, vgl. z. B. LG Nürnberg-Fürth, GRUR 1968, 252 (254). Auch das EPA erwartet in der Folge eine Benennung menschlicher Erfinder, Art. 81, 90 III, V, Regel 19 I EPÜ. Vgl. zur Praxis des EPA Ménière / Pihlajamaa, GRUR 2019, 332 (335 f.); zum Erfordernis einer natürlichen Person als Erfinder auch Tochtermann, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7.3 Rn. 36 f.; Dornis, GRUR 2021, 784 (786). 40 Vgl. zu zwei vom EPA zurückgewiesenen Patentanmeldungen, in denen die KI DABUS als Erfinder benannt wurde, die Urteile EPA, GRUR-RS 2020, 647 und 653, sowie deren Besprechung in Stierle, GRUR Int. 2020, 918; Engel, GRUR Int. 2020, 1123 und Pesch, GRURPrax 2020, 84. 41 Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079 (2016), 1094, 1103; in diese Richtung gehend wohl auch ­Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (787); a. A. Claessen, IPRB 2020, 38 (39); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 121, die die intelligenten Systeme nach dem heutigen Entwicklungsstand noch als Werkzeuge einordnen.

Kap. 1: Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts

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III. Designschutz Zumindest für KI-Schöpfungen, die dem Bereich der bildenden Künste zuzuordnen sind, könnte auch ein Designschutz in Betracht kommen. Für den Entwerfer als Rechteinhaber wird aber auch im Designrecht überwiegend gefordert, dass es sich bei diesem um eine natürliche Person und damit um einen Menschen handelt.42 Unabhängig davon, dass das Designrecht für Musikund Sprachwerke ohnehin keine Lösung darstellen kann, scheitert dieses folglich genauso wie das Urheberrecht an einem fehlenden menschlichen Schöpfer. Daneben stellt sich bei KI-Designs genauso wie bei KI-Schöpfungen das im dritten Teil unter Kapitel 2 näher betrachtete Problem der Leugnung der KI-­ Beteiligung, um trotz des Mangels an menschlicher Beteiligung einen Schutz beanspruchen zu können.

IV. Markenrechtlicher Schutz Im Gegensatz zum Urheberrecht kommt es im Markenrecht für den Schutz als Marke zwar nicht zwingend auf eine Schöpfung durch natürliche Personen an, da es nicht auf den Ursprung der Bezeichnung, sondern auf deren markenmäßige Verwendung zur Herkunftsindikation ankommt.43 Der kennzeichenrechtliche Schutz ist aber insofern unzureichend, als er nicht die computergenerierte Schöpfung an sich zu schützen vermag, sondern lediglich eine hierfür gewählte Bezeichnung. Leistungsübernahmen ohne Übernahme der markenrechtlich geschützten Bezeichnung können daher nicht verhindert werden. Das Markenrecht ist folglich ebenso wenig geeignet, KI-Schöpfungen zu schützen.

V. Wettbewerbsrechtlicher Schutz Es ist weiter auch ein wettbewerbsrechtlicher Schutz für KI-Schöpfungen denkbar. Das deutsche Recht verfügt mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb über eine schlagkräftige Waffe, die unter anderem auch gegen die Ausbeutung urheberrechtlich nicht geschützter Leistungen eingesetzt werden kann.44 42 Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 56; Eichmann / Jestaedt, in: Eichmann /  Jestaedt / Fink / Meiser, Designgesetz, GGV, 6. Aufl. 2019, § 7 Rn. 4; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1256); Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (720); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 123. 43 Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (442); Papastefanou, WRP 2020, 290 (294) Rn. 33; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 124. 44 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 101.

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

1. Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz aus § 4 Nr. 3 UWG In Betracht kommt zunächst der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz aus § 4 Nr. 3 UWG. Dieser lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz steht nach der neueren Rechtsprechung45 zwar grundsätzlich gleichberechtigt neben dem Sonderrechtsschutz durch das Urheberrecht, durch ihn soll allerdings nicht der Numerus clausus der Urheberrechte unterlaufen werden. Der lauterkeitsrechtsrechtliche Schutz und der Sonderrechtsschutz durch das Urheberrecht verfolgen ganz unterschiedliche Schutzzwecke, haben unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen.46 Im Wettbewerbsrecht geht es nicht um das „ob“, sondern um das „wie“ der Nach­ ahmung, das heißt um das Verhalten im Zusammenhang mit der Herstellung und Vermarktung der Nachahmung.47 Das Wettbewerbsrecht verschafft daher keinen absoluten Schutz von Leistungsergebnissen im Sinne einer Ausschließlichkeitsposition.48 Gewährt wird lediglich ein indirekter Schutz des Leistungsergebnisses durch die Abwehr unlauteren Wettbewerbsverhaltens von Mitbewerbern. Ein Wettbewerbsverstoß erfordert daher neben der bloßen Nachahmung zusätzliche Umstände, die eine Unlauterkeit begründen können. Dazu gehören beispielsweise die Herbeiführung einer vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft (§ 4 Nr. 3 a) UWG), oder die unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung (§ 4 Nr. 3 b)  UWG). Dies trägt dem Grundsatz Rechnung, dass Handlungen, die keinem sondergesetzlichen Schutz unterliegen, als solche auch nicht wettbewerbswidrig sind (Grundsatz der Nachahmungsfreiheit).49 Ein Schutz von KI-Schöpfungen ist durch den lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz daher nur im Einzelfall bei Hinzutreten unlauterer Umstände möglich und kann zu keinem generellen Schutz verhelfen. Diese unlauteren Umstände sind zudem oft nur schwer zu beweisen.50 Darüber hinaus müssen auch die allgemeinen Voraussetzungen wie das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung und die wettbewerbliche Eigenart gegeben

45 BGH, MMR 2011, 182 (186) Rn. 65 – Perlentaucher; BGH, GRUR 2012, 58 (62) Rn. 41 – Seilzirkus; BGH, GRUR 2017, 734 (736) Rn. 21– Bodendübel. 46 Köhler, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rn. 3.6a; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 78. 47 Köhler, Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rn. 3.4. 48 Köhler, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rn. 3.4. 49 BGH, GRUR 2007, 795 Rn. 51 – Handtaschen; BGH, GRUR 2008, 1115 Rn. 32 – ICON; BGH, GRUR 2017, 78 (87) Rn. 77 – Segmentstruktur; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 4 Rn. 78. 50 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 5. Aufl. 2017, Vor §§ 87a ff. Rn. 5.

Kap. 1: Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts

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sein.51 Allein aufgrund der Voraussetzung der geschäftlichen Handlung entziehen sich bereits alle Handlungen im privaten und nichtgewerblichen Bereich der Sanktionsmöglichkeit.52 Schwierig zu begründen ist im Einzelfall auch die für die wettbewerbliche Eigenart erforderliche Eignung der konkreten Ausgestaltung oder bestimmter Merkmale des Erzeugnisses als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft.53 Bei dem dieser Arbeit als Ausgangsbeispiel dienenden Gemälde des „Edmond de Belamy“ erscheint beispielsweise bereits an diesem Punkt zweifelhaft, ob die Komposition aus verschiedenen Stilrichtungen einen eigenen markanten Stil abbildet, der in seinen charakteristischen Merkmalen auf einen bestimmten, nicht notwendig namentlich bekannten,54 Hersteller hinweist. Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist außerdem darauf hinzuweisen, dass über den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz entsprechend dem Wortlaut des § 4 Nr. 3 UWG – „anbietet“ – lediglich die Verbreitung der nachgeahmten Produkte, nicht aber deren Herstellung untersagt werden kann. Diese Einschränkungen führen dazu, dass der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz eine etwaig bestehende Schutzlücke nur bedingt schließen kann bzw. auch nur bedingt schließen will, da der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz seinem Schutzzweck nach gerade kein „Sonderrechtsschutz durch die Hintertür“ sein möchte.55 Gomille hält den ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Schutz dagegen für ausreichend. Der beschränkte Schutz des § 4 Nr. 3 UWG sorge für ein angemessenes Verhältnis zwischen Investitionsschutz und Nachahmungsfreiheit, das durch die Schaffung immer weiterer Schutzrechte gestört würde.56 Allein die Existenz einer großen Vielzahl von Schutzrechten kann aber nicht als Begründung dafür herangezogen werden, um im vorliegenden Fall eine Schutzlücke unter Verweis auf den ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz zu verneinen. Es ist zwar richtig, dass gerade die Bereitstellung von Schutzrechten zum Zwecke des Investitionsschutzes nicht ausufern sollte.57 Für Fälle, die insbesondere auch aufgrund ihrer großen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung nicht auf den im Einzelfall 51

Dornis, GRUR 2019, 1252 (1256) ist der Ansicht, dass Nachahmung und auch wettbewerbliche Eigenart wohl noch bejaht werden können, aber zweifelhaft ist, ob bei einer Verwertung von KI-Schöpfungen ohne Weiteres von einer Herkunftstäuschung, einem Ausnutzen oder einer Beeinträchtigung der Wertschätzung oder einer unredlichen Informationserlangung ausgegangen werden kann. 52 Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 79. 53 Köhler, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rn. 3.24 m. w. N. 54 BGH, GRUR 2007, 984 (986 f.) Rn. 23, 32 – Gartenliege; Köhler, in: Köhler / Bornkamm / ​ Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rn. 3.24. 55 Der Meinung, dass das Wettbewerbsrecht insofern nur einen unvollkommenen Rechtsschutz gewähren kann, ist auch Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 79. 56 Gomille, JR 2019, 969 (975). 57 Gomille, JR 2019, 969 (975).

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

unsicheren Schutz des § 4 Nr. 3 UWG verwiesen werden können, sind aber unabhängig von der Größe des bisherigen Bestandes auch weiterhin neue Schutzrechte aufzunehmen, um kein willkürliches, sondern in sich schlüssiges Schutzrechtssystem gewährleisten zu können. Es ist daher im Sinne einer umfassenden Prüfung zu ermitteln, ob für KI-Schöpfungen ein über den lückenhaften Lauterkeitsschutz hinausgehender Schutz geboten ist. Die bloße Existenz des ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Schutzes ist nicht geeignet, um die Frage nach der Erforderlichkeit eines weitergehenden Schutzes pauschal zu verneinen. 2. Unmittelbarer Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG Entgegen der früheren Rechtsprechung58, die des Öfteren einen unmittelbaren Leistungsschutz über § 1 UWG a. F.59 gewährte, ist der BGH seit der UWG-Reform von 2004 und der damit einhergehenden Kodifizierung der bisher aus § 1 UWG 1909 hergeleiteten Fallgruppen in § 4 Nr. 3 UWG sehr zurückhaltend mit der Annahme eines unmittelbaren Leistungsschutzes auf der Grundlage einer Generalklausel.60 Ein unabhängig von den Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 UWG bestehender unmittelbarer Leistungsschutz aus der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG ist zwar theoretisch denkbar und wurde in der Literatur auch vielfach diskutiert61, praktisch hat der BGH diesen aber für die bisher zu entscheidenden Fälle letztlich immer verneint.62 Mit den Entscheidungen „Hartplatzhelden.de“, „Pippi-Langstrumpf-Kostüm II“ und „Segmentstruktur“ hat der BGH sich lediglich dahingehend geäußert, dass eine Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit nur bei „einem überwiegenden Interesse“, insbesondere zum Schutz eines Leistungsergebnisses, für das erhebliche Investitionen getätigt wurden und dessen Erbringung und Bestand ohne diesen Rechtsschutz ernstlich in Gefahr geriete, mithin bei Vorliegen 58

Vgl. z. B. BGH, GRUR 1960, 614 (617) – Figaros Hochzeit; BGH, GRUR 1963, 575  (576) – Vortragsabend. 59 Fassung des § 1 UWG vor der UWG-Reform 2004: „Wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.“ 60 Sosnitza, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 90; Wiebe, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2020, § 4 Nr. 3 Rn. 24. 61 Dafür z. B. (ggf. unter der zusätzlichen Voraussetzung einer planwidrigen Regelungslücke im geistigen Eigentum): Ohly, in: Ohly / Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl. 2016, § 4 Rn. 3/77–3/80; Sosnitza, in: Ohly / Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl. 2016, § 3 Rn. 53; Ohly, GRUR 2010, 487 (490 ff.); Ohly, GRUR Int. 2015, 693 (703); Fezer, WRP 2008, 1 (9); Peukert, WRP 2010, 316 (320); Ruess / Slopek, WRP 2011, 834 (841 f.); Sack, GRUR 2016, 782 (783 ff.); Büscher, GRUR 2017, 105 (106); Becker, GRUR 2017, 346 (352 ff.); dagegen z. B.: Köhler, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 3 Rn. 2.28, § 4 Rn. 3.5c; Wiebe, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2020, § 4 Nr. 3 Rn. 24 ff.; Nemeczek, GRUR 2011, 292. 62 BGH, GRUR 2011, 436 Rn. 19 – Hartplatzhelden.de; BGH, GRUR 2016, 725 Rn. 24 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II; BGH, GRUR 2017, 79 (89) Rn. 97 – Segmentstruktur; Köhler, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 3 Rn. 2.28.

Kap. 1: Schutz von KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts

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eines Marktversagens, in Betracht käme,63 dessen Vorliegen in den konkret zu entscheidenden Fällen aber jeweils verneint. Da ein unmittelbarer Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG somit zwar theoretisch denkbar ist, von der Rechtsprechung aber bisher noch in keinem Fall tatsächlich gewährt wurde, ist er vorliegend nicht geeignet, um eine Schutzlücke im Hinblick auf KI-Schöpfungen zu verneinen.64 Auf die Eignung des unmittelbaren Leistungsschutzes aus § 3 Abs. 1 UWG als mögliche „Schrittmacherfunktion“ wird jedoch an späterer Stelle (Fünfter Teil, Kapitel 3) nochmals eingegangen werden.

VI. Geheimnisschutz Im Dunstkreis des UWG kommt auch der vormals in den §§ 17, 18 UWG und jetzt in einem eigenen Geschäftsgeheimnisgesetz geregelte Geheimnisschutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen für einen Schutz von KI-Schöpfungen in Betracht. Bei dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen geht es nicht um den Ursprung der Information, sondern um deren Geheimhaltung und die Maßnahmen, die hierzu getroffen werden müssen.65 Er kann daher dahingehend ausgelegt werden, dass er nicht zwingend an Schöpfungen natürlicher Personen anknüpft.66 § 1 Abs. 1 GeschGehG schützt Geschäftsgeheimnisse vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung. Geschäftsgeheimnisse als Schutzgegenstand sind nach der Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 1 GeschGehG Informationen, die a) weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert sind, die b) Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber sind und bei denen c) ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Während das Vorliegen dieser Voraussetzungen für die auf dem Weg zur KI-Schöpfung bedeutsamen Zwischenprodukte „Trainingsdatensammlung“ und „fertig trainiertes KI-System“ zu bejahen sein kann (siehe unten unter Kapitel 2, I. 2. c) und II. 4.), fallen die letztlich maßgeblichen KI-Schöpfungen aber auch hier wiederum durch das Raster. Schließlich handelt es sich bei den KI-Schöpfungen vorliegend um den Gegenstand des gesamten Entwicklungsprozesses, der vermark 63

BGH, GRUR 2011, 436, Rn. 25 – Hartplatzhelden.de; BGH, GRUR 2016, 725 Rn. 25 ff. – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II; BGH, GRUR 2017, 79 (89) Rn. 97 – Segmentstruktur. 64 So wohl auch Dornis, GRUR 2019, 1252 (1254): „Mit UWG-Leistungsschutz kann auf der Grundlage der gegenwärtig herrschenden Ansicht ebenfalls nicht sicher gerechnet werden.“, sowie Dornis, GRUR 2021, 784 (787): „Mit Blick auf die überwiegende Vorstellung, Schutz sei mangels ‚Marktversagens‘ nicht erforderlich, muss gerade bezweifelt werden, ob deutsche Gerichte in derartigen Fällen als Ersatzgesetzgeber agieren würden.“ 65 Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (442). 66 Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (442).

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

tet und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, sodass gerade keine Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen werden. Auch hierdurch kann die durch den fehlenden Urheberrechtsschutz bestehende Schutzlücke folglich nicht geschlossen werden.

VII. Schutz aus eingerichtetem und ausgeübtem Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB Zu denken ist zudem an einen Schutz von KI-Schöpfungen über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus § 823 Abs. 1 BGB, das von der Rechtsprechung als Auffangtatbestand entwickelt wurde.67 Eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann allerdings nur bei einer unmittelbaren Beeinträchtigung durch einen betriebsbezogenen Eingriff, der sich gezielt gegen den Betrieb und seine Organisation oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richtet, angenommen werden.68 Bei einer bloßen Verwertung KI-generierter Werke dürfte eine solche Unmittelbarkeit aber wohl kaum zu bejahen sein.69

VIII. Vertraglicher Schutz Vertraglich besteht zwar die Möglichkeit, unautorisierte Vervielfältigungen durch den Vertragspartner zu verbieten. Derartige Kopierverbote können zusätzlich auch durch ein Vertragsstrafeversprechen gemäß § 339 BGB abgesichert werden. Allerdings binden derartige vertragliche Vereinbarungen immer nur den jeweiligen Vertragspartner, sodass im Falle einer Zuwiderhandlung nur gegen diesen vorgegangen werden kann. Gegen Nutzungen Dritter besteht aufgrund dieser vertraglichen Wirkung nur zwischen den Vertragsparteien keine rechtliche Handhabe.70 Eine allgemeine über das jeweilige Vertragsverhältnis hinausgehende Schutzfähigkeit eines Werkes kann nicht vertraglich vereinbart werden, da sie nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegt.71 Eine Lösung über Vertragsrecht ergibt überdies grundsätzlich nur dann Sinn und ist einer Lösung über Ausschließlichkeitsrechte vorzuziehen, wenn die Kosten für 67

Förster, in: Hau / Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 58. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 823 Rn. 177. BGH, NJW 1959, 479 – Unterbrechung der Stromzufuhr; BGH, NJW 1998, 2141 (2143) – Berichterstattung über gewerbliche Leistungen; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 369; Förster, in: Hau / Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 58. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 823 Rn. 184. 69 So auch Dornis, GRUR 2019, 1252 (1264) Fn. 61. 70 So auch Lewke, InTer 2017, 207 (214). 71 BGH, GRUR 1991, 533 – Brown Girl II; Loewenheim / L eistner; in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 36. 68

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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die Durchsetzung der vertraglichen Verbote gering sind.72 Diese Kosten steigen in der Regel mit der Anzahl der Vertragspartner, sodass die Durchsetzung vertraglicher Kopierverbote nur bei wenigen Vertragspartnern praktisch umsetzbar ist.73 Vorliegend ist jedoch von einer großen Zahl an potentiellen Vertragspartnern auszugehen, da bei Kulturgütern wie Kunst- und Literaturwerken die Erzielung einer angemessene Rendite des Urhebers nur über eine großflächige Verbreitung möglich ist. Dabei ist es dem Urheber nicht mehr möglich, unautorisierte Kopien zu verhindern, da er nicht mehr in der Lage ist, mit jedem potenziellen Käufer von nicht autorisierten Kopien einen Vertrag abzuschließen.74 Technische Schutzmaßnahmen könnten diesen Effekt zwar abschwächen und dem Urheber bzw. hier dem Hersteller von KI-Schöpfungen ein stückweit Kontrolle zurückgeben. Aufgrund der begrenzten Einsatzmöglichkeiten und technisch bedingten Grenzen kann durch solche Maßnahmen aber kein mit Schutzrechten vergleichbares Schutzniveau erreicht werden (vergleiche hierzu ausführlich im vierten Teil unter Kapitel 1, III. 5.).

IX. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass auch außerhalb des Urheberrechts kein zufriedenstellender unmittelbarer Schutz für KI-Schöpfungen existiert. Kapitel 2

Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen Neben einem unmittelbaren Schutz von KI-Schöpfungen ist aber auch an die Möglichkeiten eines abgeleiteten Schutzes zu denken. In Betracht kommt hierbei ein Schutz von KI-Schöpfungen über den Schutz der künstlichen neuronalen Netze in Form der Programmbibliothek, die künstlichen neuronalen Netze in Form des fertigen KI-Systems nach dem Trainingsvorgang, und den Schutz der Trainingsdaten. Der Schutz künstlicher neuronaler Netze vor und nach dem Lernprozess, sowie der Schutz von Trainingsdaten, sind zwar nicht der eigentliche Forschungsgegenstand der vorliegenden Untersuchung, die ihren Fokus auf KI-Schöpfungen legt. Aufgrund möglicher Auswirkungen auf die Schutzfähigkeit von KI-Schöpfungen ist aber auch deren Schutz zwangsläufig einer näheren Betrachtung zu unterziehen.

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Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 14. Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 43. 74 Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 43. 73

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

I. Abgeleiteter Schutz über Schutz der künstlichen neuronalen Netze Bei dem Schutz künstlicher neuronaler Netze ist zwischen künstlichen neuronalen Netzen in ihrer Ursprungsform als Programmbibliothek vor dem Trainingsvorgang und in Form des fertigen KI-Systems nach Konfiguration und Training zu unterscheiden. Während die künstlichen neuronalen Netze in der Programmbibliothek noch ausschließlich von Menschenhand programmiert wurden, sind die künstlichen neuronalen Netze im fertigen KI-System vom Computer wesentlich und für den Menschen nur in Grenzen nachvollziehbar weiterentwickelt worden. Diese unterschiedliche Qualität der künstlichen neuronalen Netze vor und nach dem Trainingsvorgang schlägt sich auch in der rechtlichen Bewertung nieder, sodass nachfolgend eine getrennte Betrachtung erfolgt. 1. Schutz vor dem Trainingsvorgang a) Urheberrechtlicher Schutz als Computerprogramm Für künstliche neuronale Netze in ihrer ursprünglichen Form als Programm­ bibliothek könnte zunächst ein Schutz als Computerprogramm im Sinne von § 69a UrhG in Betracht kommen. aa) Künstliche neuronale Netze als Computerprogramm im Sinne des § 69a UrhG Für den Begriff des Computerprogramms existiert keine genaue gesetzliche Definition im Urheberrecht, um Raum für neue technische Entwicklungen zu lassen.75 Im 7. Erwägungsgrund der Computerprogramm-Richtlinie heißt es lediglich, dass „Programme in jeder Form“ erfasst werden sollen. Diese vage Definition wurde mit „Programme in jeder Gestalt“ nahezu unverändert in § 69a Abs. 1 UrhG übernommen. Das Schrifttum greift gerne auf § 1 Abs. 1 der Mustervorschriften der WIPO und die DIN-Norm 44 300 zurück, an denen sich auch der BGH orientiert.76 § 1 Abs. 1 der Mustervorschriften der WIPO definiert ein Computerprogramm als „eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt“.77 Die DIN-Norm 44 300 definiert ein Computer 75

Begr. RegE BT-Drs. 12/4022, S. 9. BGH, GRUR 1985, 1041 (1047) – Inkassoprogramm; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 2. 77 GRUR 1979, 300 (306). 76

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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programm als „eine zur Lösung einer Aufgabe vollständige Anweisung zusammen mit allen erforderlichen Vereinbarungen“.78 Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass der Begriff des Computerprogramms in den §§ 69a ff. UrhG weit zu verstehen ist.79 Erfasst sind alle Arten von Computerprogrammen, unabhängig davon, ob sie als Software vorliegen, oder in Hardware integriert sind, sowie auch Programmteile, sofern nur die Anforderungen des § 69a Abs. 3 UrhG an eine „eigene geistige Schöpfung“ erfüllt sind.80 Geschützt sind gemäß § 69a Abs. 2 S. 1 UrhG auch alle Ausdrucksformen des Programms, so dass es keinen Unterschied macht, in welcher Form von Code, vom Programmierer geschriebener Quell- oder daraus vom Computer erstellter maschinenlesbarer Maschinencode, das Programm vorliegt.81 Wie aus § 69a Abs. 2 S. 2 UrhG hervorgeht, wird allerdings entsprechend den allgemeinen urheberrechtlichen Grundsätzen allein die konkrete Ausdrucksform des Computerprogramms als Werk geschützt und nicht die diesem zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze.82 Nicht geschützt sind damit die in einem Computerprogramm berücksichtigten Algorithmen.83 Algorithmen sind eindeutige Handlungsvorschriften zur Lösung eines Problems oder einer Klasse von Problemen, die aus endlich vielen, wohl­ definierten Einzelschritten bestehen.84 Mit ihnen werden die Anforderungen an die Software formuliert und die Funktionen definiert, anhand derer die spätere Software das Problem lösen soll.85 Vergleichbar mit nicht schutzfähigen Ideen müssen diese Algorithmen allerdings erst noch konkret in Computersprache, das heißt in Computercode, umgesetzt werden. Algorithmen sind erst in ihrer konkreten Umsetzung im Computerprogramm, also in der Art und Weise ihrer Implementierung und Zuordnung zueinander, urheberrechtsschutzfähig.86 Gegenstand des Schutzes 78

Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 2; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 12. 79 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 5. Aufl. 2015, § 69a Rn. 12, Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 2. 80 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 12 ff.; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 3 f. 81 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 19. 82 13. – 15. Erwägungsgrund Computerprogramm-Richtlinie; Begr. RegE BT-Drs. 12/40224, S. 9; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 20; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 8, 12. 83 Ganz h. M., vgl. z. B. Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 69a Rn. 29; Wiebe, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 69a Rn. 25; Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (159 f.). 84 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 22; Scheja, CR 2018, 485 (486); Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 69a Rn. 29; Wiebe, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 69a Rn. 24; Ory / Sorge, NJW 2019, 710; Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (146). 85 Hoeren / Wehkamp, CR 2018, 1 (2). 86 BGH, GRUR 1991, 449 (453) – Betriebssystem; Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 69a Rn. 29; Wiebe, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 69a Rn. 25; Zech, GRUR Int. 2019, 1145 (1146).

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

ist mithin nicht die zugrundeliegende Rechenregel, die als Bestandteil der wissenschaftlichen Lehre für jedermann frei zugänglich bleiben muss, sondern das auf ihrer Grundlage geschaffene „Gewebe“.87 Danach sind künstliche neuronale Netze als komplexe Form von Algorithmen in ihrer konkreten Umsetzung in ein vom Computer lesbares Programm urheberrechtlich schutzfähig.88 Selbst wenn man aufgrund der praktisch noch nicht gegebenen Brauchbarkeit der künstlichen neuronalen Netze in Form bloßer Programmbibliotheken, die erst nach ihrer Konfiguration und dem Durchlaufen des Trainingsprozesses in der Lage sind, konkrete Ergebnisse zu produzieren, das Vorliegen eines Computerprogramms verneinen möchte, liegt jedenfalls ein ebenfalls geschütztes Entwurfsmaterial vor.89 Soweit künstliche neuronale Netze also die Schutzvoraussetzungen des § 69a Abs. 3 UrhG erfüllen, mithin eine „eigene geistige Schöpfung“ darstellen, unterliegen sie dem Urheberrechtsschutz. bb) Künstliche neuronale Netze als eigene geistige Schöpfung im Sinne des § 69a Abs. 3 UrhG Für die Erlangung von Urheberrechtsschutz müsste es sich bei der grundsätzlich schutzfähigen Programmbibliothek um eine „eigene geistige Schöpfung“ des Programmierers im Sinne von § 69a Abs. 3 UrhG handeln. Wie für die „persönliche geistige Schöpfung“ des § 2 Abs. 2 UrhG braucht es auch für das unionsrechtlich bedingte Erfordernis der „eigenen geistigen Schöpfung“ für Computerprogramme einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit im Sinne einer persönlichen Schöpfung, die einen geistigen Gehalt aufweist, zu einer Formgestaltung geführt hat und eine hinreichende Individualität erkennen lässt.90 Aufgrund der inzwischen werkartübergreifend geltenden Anforderungen des europäischen Werkbegriffs, der einheitlich keine besondere Gestaltungshöhe fordert, dürfte insofern auch der Schutz der kleinen Münze91 zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen mehr führen (vgl. zu der inzwischen eingetretenen Durchdringung aller Werkarten durch den europäischen Werkbegriff bereits oben im ersten Teil unter Kapitel 1). 87 BGH, GRUR 1991, 449 (453)  – Betriebssystem; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 10; Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (765); Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (160). 88 So auch Schaub, JZ 2017, 342 (347); Zech, GRUR Int. 2019, 1145 (1146); Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Lear­ ning, 2020, Kap. 7 Rn. 21. 89 Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (765); Antoine, CR 2019, 1 (3) Rn. 15 ff.; Heinze /  Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 49; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 49. 90 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 26; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 14. 91 BGH, GRUR 2013, 509 Rn. 24 – UniBasic-IDOS; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 14.

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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(1) Persönliche Schöpfung Die Programmierung des Codes für die künstlichen neuronalen Netze erfolgt händisch durch den Programmierer und stellt damit eine menschlich-gestalterische Tätigkeit dar. Er allein bestimmt durch das Schreiben des Codes, wie das fertige Programm aussieht. Eine persönliche Schöpfung ist daher zu bejahen. (2) Geistiger Gehalt Für die Bejahung eines geistigen Gehalts ist es erforderlich, dass in dem Computerprogramm der menschliche Geist zum Ausdruck kommt.92 Dieser wird in der ganz eigenen, die Gedankenführung und -formung des Programmierers wider­ spiegelnden Bewältigung des Ausgangsproblems  – hier Schaffung trainierbarer künstlicher neuronaler Netze  – durch die computertechnische Umsetzung der entsprechenden Algorithmen in Computercode sichtbar.93 Dies entspricht auch der Forderung des EuGH nach einem Gestaltungsspielraum im Bereich regelgebundener Gestaltungsformen. (3) Formgestaltung Für die Formgestaltung muss das Computerprogramm eine Form gefunden haben, in der es der Wahrnehmung durch die menschlichen Sinne zugänglich ist bzw. eine hinreichend genaue und objektiv identifizierbare Ausdrucksform angenommen hat. Die Wahrnehmbarkeit eines digitalen Computerprogramms mittels technischer Hilfsmittel wie z. B. einem Computerbildschirm ist allerdings ausreichend.94 (4) Individualität Individualität bedeutet, dass bei der Gestaltung des Computerprogramms der bestehende Gestaltungsspielraum, insbesondere hinsichtlich Form und Art der 92

Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 26; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 16. 93 Vgl. auch BGH, GRUR 1985, 1041 (1047) – Inkassoprogramm; OLG München, CR 2000, 429 (430); Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 16; Kaboth / Spies, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 69a Rn. 14. 94 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 26; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 16; Kaboth / Spies, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 69a Rn. 14.

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

Sammlung, Einteilung und Anordnung des Materials bei der Problemanalyse und der Erstellung des Datenfluss- sowie des Programmablaufplans, so ausgenutzt wurde, dass von einer Prägung des Computerprogramms durch den individuellen Geist des Urhebers gesprochen werden kann.95 Bereits mit Absenkung der Schöpfungshöhe im Vergleich zu § 2 Abs. 2 UrhG durch die Computer-Richtlinie wurden hieran allerdings keine allzu hohen Anforderungen mehr gestellt.96 Ausreichend ist ein Minimum an Individualität in Form der kleinen Münze.97 Die Schutz­fähigkeit von Programmen ist die Regel, die Schutzunfähigkeit die Ausnahme.98 Vor diesem Hintergrund weist die Programmierung künstlicher neuronaler Netze, bei denen es sich um hochkomplexe Algorithmen handelt, hinreichende individuelle Züge auf.99 Sie verlangt neben solidem handwerklichem Können analytisch-konzeptionelle Fähigkeiten, Geschick, Einfallsreichtum und planerischkonstruktives Denken, sodass genug Raum für die Entfaltung von Individualität bleibt.100 Genauso wie bei Sprachwerken, denen Computerprogramme gemäß § 69a Abs. 4 UrhG gleichgestellt sind, muss beim Programmieren zwar die jeweilige Programmiersprache mit ihren Regeln beherrscht werden. Wie bei anderen Sprachen auch, gibt es danach jedoch unbegrenzte Möglichkeiten, diese umzusetzen, hier statt in einen individuell gestalteten Text in individuell formulierten Programmcode.101 Für ein und dieselbe Funktion können unterschiedliche Codes geschrieben werden.102 Im Code wird mithin der individuelle Stil des Programmierers sichtbar.103 Bei komplexen Programmen spricht nach der Rechtsprechung auch eine tatsächliche Vermutung für eine hinreichende Individualität der Programmgestaltung.104 Im Übrigen wurden in der Rechtsprechung bereits Expertensysteme als schutzfähig angesehen, bei denen es sich um inzwischen weit übertroffene Vorläufer von künstlich intelligenten Systemen handelt, die aufgrund einer un 95 KG, ZUM-RD 2011, 544 – Änderung von Firmware durch Software; Dreier, in: Dreier /  Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 26. 96 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 26. 97 Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 19; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 26. 98 BT-Drs. 12/4022, S. 9; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 26; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 19. 99 So auch Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (775), für den die Schöpfungshöhe des Ausgangsprogramms, er spricht von der „Framework-Programmierung“, außer Zweifel steht. 100 Zu diesen Anforderungen siehe OLG München, NJW-RR 2000, 1211 (1213); Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 19; Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019; § 69a Rn. 36; Hoeren / Wehkamp, CR 2018, 1 (5 f.). 101 Hoeren / Wehkamp, CR 2018, 1 (4 f.). 102 Hoeren / Wehkamp, CR 2018, 1 (6). 103 Hoeren / Wehkamp, CR 2018, 1 (6). 104 BGH, GRUR 2005, 860 (861) – Fash 2000; BGH, GRUR 2013, 509 Rn. 24, 30 – Uni­ Basic-IDOS; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 22.

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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veränderten Datenbasis regelbasiert und damit vorhersehbar und unselbstständig Antworten geben können.105 (5) Zwischenergebnis Im Ergebnis erfüllen künstliche neuronale Netze in ihrer Ursprungsform als Bausteine in einer Programmbibliothek daher regelmäßig die Voraussetzungen für einen Urheberrechtsschutz nach § 69a Abs. 3 UrhG.106 cc) Derivativer Schutz für KI-Schöpfungen Der Schutz eines Computerprogramms erstreckt sich aber nicht auf die Ergebnisse, die bei der Anwendung des Programms entstehen, da diese in ihrer konkreten Gestaltung in der Regel noch nicht im Programm angelegt sind.107 Anders als das Patenrecht in § 9 S. 2 Nr. 3 PatG kennt das Urheberrecht keine Ausdehnung des Schutzbereichs auf Erzeugnisse im Sinne eines derivativen Schutzes.108 Zudem kann ähnlich wie beim Ideengeber eines menschlichen Urhebers im Zeitpunkt des bloßen Bestehens der Programmbibliothek noch keine Urheberschaft für die KISchöpfung angenommen werden, da diese in ihren Konturen noch zu vage ist.109 Die darin enthaltenen künstlichen neuronalen Netze müssen erst noch individuell konfiguriert und mit Trainingsdaten trainiert werden, bevor sie als fertiges KISystem in der Lage sind, KI-Schöpfungen hervorzubringen.

105 LG Oldenburg, GRUR 1996, 481 (484); Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 69a Rn. 21; Stiemerling, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 2.1 Rn. 34 ff.; ­Niederée / Nejdl, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 2 Rn. 15; allgemein zu Expertensystemen gegenüber KI-Systemen Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1037 f. (1993); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 674 (2017). 106 Zu diesem Ergebnis gelangen auch Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1433) Rn. 23 ff.; Gomille, JR 2019, 969 (970); Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (765); Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 9 Rn. 41, 52; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 53; Gräfe / Kahl, MMR 2021, 121 (123). 107 OLG Düsseldorf, MMR 1999, 729, 730 – Frames; OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2000, 136 (137) – Siedler III; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 14; Lewke, InTer 2017, 207 (214); Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (712); Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (360) Fn. 26; Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 44. 108 Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (248); Gomille, JR 2019, 969 (970). 109 Lewke, InTer 2017, 207 (214).

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

b) Patentrechtlicher Schutz als Computerprogramm Im Gegensatz zum urheberrechtlichen Schutz wird ein patentrechtlicher Schutz für künstliche neuronale Netze in Form einer Programmbibliothek regelmäßig ausscheiden. aa) Patentrechtliche Behandlung von Computerprogrammen Computerprogramme als solche werden gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4, Abs. 4 PatG und Art. 52 Abs. 2 und 3 EPÜ grundsätzlich nicht als patentierbare Erfindungen angesehen, da bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit gemäß § 4 PatG bzw. Art. 54 EPÜ lediglich technische Beiträge berücksichtigt werden.110 Losgelöst von einer konkreten technischen Umsetzung ist die Lösung reiner Datenverarbeitungsprobleme nicht patentfähig.111 Für reine Programmroutinen hat die Rechtsprechung wiederholt die Auffassung vertreten, dass diese kein technisches Problem lösen und bei „Maßnahmen aus dem Bereich der reinen Informatik“ keine „schutzwürdige Bereicherung der Technik vorliegt.“112 Die Anweisung zur bloßen Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten reicht für einen Patentschutz in der Regel nicht aus, auch wenn sie den Einsatz von Computern oder sonstigen technischen Geräten betreffen.113 Während der Einsatz von Computern oder sonstigen technischen Vorrichtungen vor dem Europäischen Patentamt zwar noch über den Patentierungsausschluss des Art. 52 Abs. 2 EPÜ hinweghelfen kann,114 scheitert die Patentierung dort aber letztlich an den Prüfungspunkten der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit, die für an sich bekannte technische Hilfsmittel nicht erfüllt werden können.115 Lediglich für programmbezogene Erfindungen ist Patentschutz möglich, wobei die Grenzziehung im Einzelfall schwierig ist. Programmbezogene Erfindung meint, dass es nicht um den Einsatz des Computerprogramms selbst, sondern um 110

BGH, GRUR 2004, 667 (668 f.) – Elektronischer Zahlungsverkehr; BGH, GRUR 2005, 143 (144)  – Rentabilitätsermittlung; BGH, GRUR 2009, 479 (480) Rn. 11  – Steuerungs­ einrichtung für Untersuchungsmodalitäten; BGH, GRUR 2010, 613 Rn. 23 f. – Dynamische Dokumentengenerierung; Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (575). 111 BGH, GRUR 2013, 275 (278) Rn. 41 ff. – Routenplanung; BGH, GRUR 2015, 983 (984) Rn. 21 – Flugzeugstand; Mes, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 5. Aufl. 2020, PatG § 1 Rn. 10. 112 Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574. 113 BGH, GRUR 2011, 610 Rdn. 23 ff. – Webseitenanzeige. 114 Vor dem EPA reicht bereits ein computerlesbares Speichermedium zur Überwindung der Ausschlusstatbestände aus, vgl. z. B. EPA, GRUR Int. 2010, 608 (615) – Patentschutz für Computerprogramme; Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (152); Heinze / Engel, in: Ebers / Heinze /  Krügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 10 Rn. 34. 115 EPA, GRUR Int. 2010, 608 (616)  – Patentschutz für Computerprogramme; Heinze /  Engel, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 10 Rn. 36 ff.

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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die Lösung mit Hilfe eines (programmierten) Computers geht.116 Das Computerprogramm erlangt insofern keinen isolierten Schutz, sondern lediglich im Zusammenhang mit der konkreten Implementierung. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges eines Programms bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der gewünschte Erfolg erzielt wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich. Die beanspruchte Lehre muss vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines über die Datenverarbeitung hinaus­gehenden konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.117. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts fällt ein Computerprogrammprodukt nicht unter das Patentierungsverbot nach Art. 52 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ, wenn es beim Ablauf auf einem Computer einen weiteren technischen Effekt bewirkt, der über die „normale“ physikalische Wechselwirkung zwischen dem Programm (Software)  und dem Computer (Hardware)  hinausgeht.118 Die Patentierbarkeit von KI-Software ist daher grundsätzlich schwierig und hängt im Einzelfall davon ab, ob diese als reiner Datenverarbeitungsvorgang zu qualifizieren ist, oder mithilfe der Implementierung in einen Computer, ein Computernetzwerk oder ein anderes programmierbares Gerät einen darüber hinausgehenden technischen Effekt erzeugt oder ein technisches Problem löst.119 Wenn künstlich intelligente autonome Computersysteme mit der Bewältigung technischer Probleme betraut sind, kommt eine Patentierbarkeit daher in Betracht.120 Nach den Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts können die „Erzeugung des Trainings-Datensatzes“ und das „Training des Klassifikators“ zum technischen Charakter einer Erfindung beitragen, wenn sie einem technischen Zweck dienen und das Erreichen dieses technischen Zwecks fördern.121 Ein Beispiel ist die Steuerung autonomer Fahrzeuge mit Hilfe eines künstlich intelligenten Computerprogramms, das damit einen Beitrag zur Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln leistet.122 Nach den Prüfungsricht 116

BGH, GRUR 2002, 143  – Suche fehlerhafter Zeichenketten; BGH, GRUR 2004, 667 (669) – elektronischer Zeichenverkehr. 117 BGH, GRUR 2002, 143  – Suche fehlerhafter Zeichenketten; BGH, GRUR 2004, 667 (669) – elektronischer Zeichenverkehr; BGH, GRUR 2005, 143 (144) – Rentabilitätsermittlung; BGH, GRUR 2009, 479 (480) Rn. 11 – Steuerungseinrichtung für Unter­suchungsmodalitäten; BGH, GRUR 2010, 613 (616) Rn. 27 – Dynamische Dokumentengenerierung; BGH, GRUR 2011, 125 Rn. 30 – Wiedergabe topografischer Informationen. 118 EPA, T 1173/97, Rn. 13 – Computerprogrammprodukt / IBM; EPA, T 0489/14 – Pedestrian Simulation. 119 Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann, Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 17. 120 Schaub, JZ 2017, 342 (346). 121 EPA, Richtlinien für die Prüfung, 3. 3. 1, abrufbar unter https://www.epo.org/law-practice/ legal-texts/html/guidelines/d/g_ii_3_3_1.htm; hierzu auch Lederer, GRUR-Prax 2019, 152. 122 DPMA, Künstliche Intelligenz und Schutzrechte, abrufbar unter: https://www.dpma.de/ dpma/veroeffentlichungen/hintergrund/ki/kuenstlicheintelligenzundschutzrechte/index.html.

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

linien des Europäischen Patentamts ist sogar die Klassifizierung von digitalen Bildern, Videos, Audio- und Sprachsignalen als technische Anwendungsform von Klassifizierungsalgorithmen anzusehen, die Klassifizierung von Textdokumenten dagegen nicht, da sie keinem technischen, sondern einem linguistischen Zweck diene.123 Diese Einteilung erscheint aber willkürlich, da mit der Klassifizierung von Bildern weniger ein technisches Problem gelöst, als vielmehr Informationen vermittelt werden.124 bb) Patentschutz für Programmbibliotheken Bei künstlichen neuronalen Netzen für sich betrachtet, das heißt unabhängig von einer eventuell patentfähigen Implementierung in technische Systeme, geht es aber genau wie bei allen anderen Computerprogrammen ausschließlich um die Verarbeitung von Daten. Dass hierbei hochkomplexe Algorithmen und mathe­matische Verfahren eingesetzt werden, die dem Computer eigene Entscheidungen ermöglichen, anstatt starre Regeln und Entscheidungsmöglichkeiten vorzugeben, ändert nichts daran, dass im Endeffekt Algorithmen vom Computer abgearbeitet werden.125 Für Computerprogramme zur Erzeugung künstlicher Intelligenz hat das Bundespatentgericht zuletzt in seiner Entscheidung vom 09. 06. 2015  –  17  W (pat) 37/12 wieder eine Patentierbarkeit verneint.126 Da künstliche Intelligenz mittels IT-­Programmierung mit den derzeit gängigen Programmiersprachen erstellt werde, handele es sich dabei um ein reines Softwaresystem, das sich vollständig innerhalb des Gebiets der Sammlung, Speicherung, Auswertung und Verwendung von Daten bewege – Vorgänge welche als außertechnisch anzusehen seien. Weder werde ein beanspruchter Verfahrensablauf durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt, noch nehme das zur Problemlösung eingesetzte Datenverarbeitungsprogramm Rücksicht auf spezielle technische Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage, was zur Überwindung der Ausschlusstat­ bestände des § 1 PatG beitragen könnte. Eine Patentierbarkeit der Programmbibliothek, bei der es sich lediglich um ein Basisprogramm und noch nicht um das fertig trainierte KI-System handelt, dürfte danach ausgeschlossen sein. Denn anders als das sogleich zu betrachtende fertige KI-System, bedürfen die künstlichen neuronalen Netze in der Programmbibliothek erst noch einer Konfiguration im Sinne eines Zuschnitts auf eine speziell zu 123

EPA, Richtlinien für die Prüfung, G-II, 3. 3. 1, abrufbar unter: https://www.epo.org/lawpractice/legal-texts/html/guidelines/d/g_ii_3_3_1.htm. 124 Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (153). 125 Vgl. auch EPA, Richtlinien für die Prüfung, G-II, 3. 3. 1, abrufbar unter: https://www. epo.org/law-practice/legal-texts/html/guidelines/d/g_ii_3_3_1.htm: „Solche Rechenmodelle und Algorithmen sind per se von abstrakter mathematischer Natur, unabhängig davon, ob sie anhand von Trainingsdaten ‚trainiert‘ werden können.“ 126 BPatG, BeckRS 2015, 13810; so auch bereits BPatG BeckRS 2007, 12238.

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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lösende Aufgabe und müssen anschließend mit Hilfe von Trainingsdaten trainiert werden, bevor es überhaupt um die Frage gehen kann, ob der danach mögliche Einsatz des Programms einen über die reine Datenverarbeitung hinausgehenden technischen Effekt hat. Bis zur bestimmungsgemäßen Weiterentwicklung der künstlichen neuronalen Netze stellen diese daher in der Regel einen reinen Datenverarbeitungsvorgang dar. cc) Derivativer Schutz für KI-Schöpfungen Unabhängig von deren fehlendem Patentschutz stellt sich bei den „rohen“ künstlichen neuronalen Netzen die Frage nach einem abgeleiteten Schutz für KI-Schöpfungen ohnehin nicht, da diese in ihrer Eigenschaft als bloße Bausteine noch gar keine KI-Schöpfungen hervorbringen können. 2. Schutz nach dem Trainingsvorgang Durch die Konfiguration und das Training der künstlichen neuronalen Netze mit den Trainingsdaten entsteht im Laufe des maschinellen Lernprozesses ausgehend von der noch nicht konkret einsetzbaren Programmbibliothek das fertige KI-­ System, mit dem KI-Schöpfungen produziert werden können (vgl. hierzu bereits ausführlich oben im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. b)). a) Urheberrechtlicher Schutz Dieses fertige KI-System ist zwar immer noch ein Computerprogramm, sodass man auf die Idee kommen könnte, diesem genauso wie dem Ausgangsprogramm Urheberrechtsschutz zu gewähren. Einige Autoren kommen irrtümlicherweise auch zu dieser Lösung, weil sie keine Differenzierung zwischen den künstlichen neuronalen Netzen in ihrer Rohform und den „belernten“ künstlichen neuronalen Netzen vornehmen.127 127 So zum Beispiel Schlackman, The Next Rembrandt: Who holds the Copyright in Computer Generated Art, Art Law Journal 2016, abrufbar unter: https://alj.artrepreneur.com/ the-next-rembrandt-who-holds-the-copyright-in-computer-generated-art/, der lediglich davon spricht, dass gegenüber dem Schutz des „Next Rembrandt“ wohl der Schutz des „underlying algorithm“ im Vordergrund stehe, ohne konkret darauf einzugehen, um welche Form (vor oder nach dem Trainingsvorgang) des Algorithmus es ihm geht; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1261): „Kein Zweifel besteht, dass dem KI-Schöpfer die Rechte an der KI-Software zustehen.“; den Unterschied insofern erkennend aber Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 23, die richtig anmerken: „Noch nicht geklärt ist die Frage, ob auch die von einer KI erzeugten neuronalen Netze, die die Kl im Rahmen ihres Lernprozesses erzeugt, ihrerseits als Computerprogramm im urheberrechtlichen Sinne einzuordnen sind“.

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Tatsächlich beginnen die rechtlichen Probleme aber nicht erst mit der autonomen Generierung von künstlerischen Erzeugnissen durch den Computer, sondern bereits mit der Entwicklung des KI-Systems. Schon an dieser Stelle gibt der Mensch die Federführung aus der Hand. aa) Schutz als Computerprogramm gemäß § 69a UrhG Nach der grundsätzlichen Bejahung eines urheberrechtlichen Schutzes für künstliche neuronale Netze ist zu berücksichtigen, dass diese im Verlauf des Lernprozesses der künstlichen Intelligenz durch den Computer selbst modifiziert werden (vgl. oben im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. b) cc)). Zwar ändert sich im Verlauf des Trainings der ursprünglich vom Menschen programmierte Code des Computerprogramms nicht mehr und sowohl Quell- als auch Maschinencode bleiben aus technischer Sicht unverändert.128 Allerdings werden die für die Erreichung der besonderen Funktionalität erforderlichen Werte der Gewichtungen innerhalb der künstlichen neuronalen Netze maschinell verändert, sodass eine neue Idee inkorporiert wird.129 Das Verhalten des Computerprogramms ändert sich durch die im Verlauf des Trainings erarbeiteten Daten grundlegend und auf vom Programmierer des ursprünglichen Computerprogramms nicht vorhersehbare Weise, sodass keine Programmidentität mit dem ursprünglichen Computerprogramm mehr gegeben ist. Der Programmierer der Programmbibliothek gibt mit der Programmierung von Neuronen und Verbindungen lediglich die Bausteine für künstliche neuronale Netze vor, bestimmt aber damit noch nicht, wie das künstliche neuronale Netz letztlich aussehen wird. Auch durch die Konfiguration des Trainers, der das künstliche neuronale Netz aus den Bausteinen des Programmierers zusammensetzt und den konkreten Dateninput und -output festlegt, erhält das ursprüngliche Programm noch keine bestimmte Funktion. Diese Funktion bildet sich erst im Verlauf des Trainings durch die maschinelle Veränderung der Gewichtungsinformationen heraus, die weder vom Programmierer noch Trainer nachvollzogen werden können. Bildlich gesprochen wird aus Nägeln und Holz, die der Programmierer zur Verfügung stellt und aus denen der Trainer eine bestimmte Anzahl auswählt, erst durch den maschinellen Lernprozess ein Tisch. Nach dem maschinellen Lernvorgang kann der Mensch daher kein Urheberrecht mehr an den fertig trainierten künstlichen neuronalen Netzen für sich beanspru 128

Insofern ist Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (783); Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1436) Rn. 48 und Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 46 zu widersprechen, die annehmen, dass sich der Maschinencode gegenüber dem Quellcode durch den Trainingsvorgang ändert. 129 Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (783) bzw. Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1436) Rn. 48 f. sprechen insofern richtiggehend davon, dass die Programme vor und nach dem Trainingsvorgang nicht mehr Ausdrucksformen derselben Idee sind, da das ursprüngliche Programm eine Idee zur Lösungsfindung umsetzt, während das fertig trainierte KI-System eine Idee zur Lösung inkorporiert.

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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chen, da diese keine „eigene geistige Schöpfung“ mehr darstellen, sondern eine Maschinenschöpfung.130 Die Veränderungen der künstlichen neuronalen Netze im Verlauf des Trainingsvorgangs durch Anpassung der Gewichtungen beruhen auf der selbstständigen Adaption der künstlichen neuronalen Netze und nicht auf einer Tätigkeit des Programmierers oder Trainers.131 bb) KI-System als Umarbeitung des ursprünglichen Computerprogramms Zu verneinen ist auch ein Einfluss des Programmierers der ursprünglichen künstlichen neuronalen Netze auf das fertige KI-System im Rahmen des § 69c UrhG als lex specialis zu § 23 UrhG,132 da dieses nicht als zustimmungsbedürftige Bearbeitung bzw. Umarbeitung angesehen werden kann. (1) Anforderungen an das Vorliegen einer Umarbeitung Zwar scheitert ein Bearbeiterurheberrecht an dem fertigen KI-System als Maschinenschöpfung an dem Fehlen einer eigenen geistigen Schöpfung. Dies schließt jedoch das Erfordernis einer Zustimmung zur Verwertung nicht aus, wenn es sich bei dem fertigen KI-System um eine Bearbeitung der ursprünglichen Software handelt. Die Veränderung des ursprünglichen Programms muss keine eigenständige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG bzw. § 69a Abs. 3 UrhG sein, um eine Umarbeitung im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG darzustellen.133 Eine Umarbeitung im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG setzt ebenso wie eine Bearbeitung nach § 23 UrhG eine abhängige Nachschöpfung voraus, bei der die eigenschöpferischen Züge des ursprünglichen Programms übernommen werden.134 130 Derselben Ansicht auch Schaub, JZ 2017, 342 (347); Gräfe / Kahl, MMR 2021, 121 (123); zur im Einzelfall möglichen, aber für Unternehmen in der Regel nicht bedeutsamen urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der bloßen Konfiguration an sich Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1434 ff.), die die Einordnung der fertig trainierten künstlichen neuronalen Netze als Computerprogramme im urheberrechtlichen Sinne zumindest für fragwürdig halten, vgl. ­Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1437) Rn. 58; so wohl auch Drexl / Hilty u. a., MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 21-10, S. 19: „even if the ML model can be expressed in coded form and can be executed by a computer, it might be very difficult or even impossible to establish the moment when copyright protection may arise.“ 131 So auch Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (784); Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1435) Rn. 40; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 99; a. A. Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 45, 53, der eine eigene geistige Schöpfung noch bejahen möchte, da „der menschliche Programmierer den Rahmen für die Ausformung der Gewichtungen hinreichend eng definiert hat“. 132 Czychowski, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 69c Rn. 20. 133 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69c Rn. 12; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 69c Rn. 14. 134 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69c Rn. 12 f.

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Anders als bei § 23 UrhG ist bei § 69c Nr. 2 UrhG aber bereits die Herstellung der Umarbeitung zustimmungsbedürftig und nicht erst die Veröffentlichung oder Verwertung des umgearbeiteten Programms.135 Voraussetzung für eine Umarbeitung ist ein Eingriff in die Programmsubstanz, worunter insbesondere die Änderung oder die Ergänzung des Quellcodes fällt.136 Da die maschinelle Anpassung der Gewichtungen innerhalb der künstlichen neuronalen Netze aber nicht zu einer Änderung des Programmcodes führt (vgl. die Ausführungen unter (aa)), die Programmsubstanz mithin unverändert bleibt, ist jedoch bereits fraglich, ob hier überhaupt eine Umarbeitung im Sinne des Urheberrechts angenommen werden kann.137

(2) Ausnahme vom Zustimmungserfordernis nach § 69d UrhG Selbst unterstellt, dass es sich bei dem fertigen KI-System um eine Umarbeitung der ursprünglich vom Programmierer erstellten Software handelt, entfällt letztlich jedenfalls das Zustimmungserfordernis des § 69c Nr. 2 UrhG wegen der Schrankenregelung138 des § 69d Abs. 1 UrhG, da die während des Trainingsvorgangs durch den Computer vorgenommenen Anpassungen der künstlichen neuronalen Netze als bestimmungsgemäße Nutzung des Computerprogramms anzusehen sind. § 69d UrhG garantiert dem Anwender einen zwingenden Kern urheberrechtlich relevanter Nutzungen, die für die vertragsmäßige Verwendung des Programms unerlässlich sind.139 Die in § 69d  UrhG vorgesehenen Beschränkungen des Urheberrechts sind weit auszulegen, weil grundsätzlich die Nutzung fremder Ideen frei ist und der urheberrechtliche Schutz selbst eine Ausnahme von diesem Prinzip darstellt.140 Was als bestimmungsgemäße Nutzung anzusehen ist, ergibt sich zunächst aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Programmhersteller und Benutzer.141 Wie weit die bestimmungsgemäße Nutzung reicht, entscheidet sich nach dem

135

Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69c Rn. 14. Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69c Rn. 15 f.; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 69c Rn. 14. 137 Dies verkennend Antoine, CR 2019, 1 (6) Rn. 36, die in dem Training einen Eingriff in den Programmcode sieht. 138 Genaue Einordnung von § 69d UrhG strittig, vgl. hierzu nur Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69d Rn. 2 m. w. N. 139 Begr. RegE. BT-Drs. 12/4022, S. 12; BGH, NJW 2000, 3212 (3214) – Programmfehlerbeseitigung; Spindler, in: Schricker / Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 69d Rn. 6 f. 140 OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 1049 – Umfang der Softwarelizenz; Kaboth / Spies, in: Möhring / Nicolini, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 69d Rn. 1. 141 BGH, ZUM 2014, 326 Rn. 68 – UsedSoft II; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69d Rn. 7. 136

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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Überlassungszweck und sonstigen vertraglichen Umständen.142 Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch zählen danach alle Handlungen, die die vereinbarte Nutzung erfordert.143 Bei nur konkludenter Vereinbarung ist unter bestimmungsgemäßer Benutzung die der Ausgestaltung und dem wirtschaftlichen und technischen Nutzungszweck des betreffenden Programms entsprechende und gewöhnliche Benutzung zu verstehen.144 Programmänderungen sind dementsprechend nur insofern nicht zulässig als sie über den bestimmungsgemäßen Gebrauch hinausgehen.145 Das einfache „Laufenlassen“ des Programms ist damit aber auf jeden Fall zulässig und gehört zum abredefesten Kern als Grenze möglicher vertraglicher Nutzungsbeschränkungen durch den Programmierer.146 Das bloße Laufenlassen der in der Programmbibliothek enthaltenen Bausteine für künstliche neuronale Netze bedeutet aber gerade, dass diese konfiguriert und anschließend mit Trainingsdaten trainiert werden, wobei es bestimmungsgemäß zu Anpassungen der Gewichtungsinformationen durch den Computer als Trainingserfolg kommt. Die Programm­ bibliothek dient als Ausgangsbasis für die Erschaffung künstlicher Intelligenz durch gezieltes Training. Mit dieser Intention und dem Wissen, dass das Programm zwar als notwendiges Ausgangsmaterial wichtig, die einzelnen Bausteine für künstliche neuronalen Netze ohne Konfiguration und Training aber wertlos sind, wird es programmiert. Die Veränderungen der künstlichen neuronalen Netze im Rahmen des Trainingsvorgangs hin zum fertigen KI-System sind daher als bestimmungsgemäße Nutzung zu qualifizieren und eine Beteiligung des Programmierers an dem fertigen KI-System durch die Einräumung einer Zustimmungsbefugnis muss vernünftigerweise ausscheiden. cc) Schutz als Datenbankwerk oder Datenbank gemäß § 4 UrhG und §§ 87a ff. UrhG Die fertig trainierten künstlichen neuronalen Netze stellen aus technischer Sicht nicht mehr nur ein Computerprogramm, sondern im Hinblick auf die angepassten Gewichtungen als Lernergebnis vielmehr auch eine strukturierte Menge von 142 OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 1049 – Mitarbeiterschulung; wohl auch BGH, ZUM 2015, 688 (694) Rn. 61 ff.  – UsedSoft III; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69d Rn. 7; Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 69d Rn. 7. 143 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69d Rn. 7. 144 OLG Karlsruhe, CR 1996, 341 (342) – Dongle; OLG Düsseldorf, CR 1997, 337 (338) – Dongle-­Umgehung; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69d Rn. 7. 145 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69d Rn. 9; Grützmacher, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 69d Rn. 21; Spindler, in: Schricker /  Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 69d Rn. 10. 146 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69d Rn. 8, 12.

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Daten dar, die gesondert gespeichert und vervielfältigt und so später auch in ein entsprechendes noch unbelehrtes neuronales Netz geladen werden können.147 In Betracht könnte daher auch ein Schutz des fertigen KI-Systems als Datenbank oder Datenbankwerk kommen. Eine Datenbank setzt sowohl nach § 4 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 UrhG als auch nach § 87a Abs. 1 S. 1 eine Sammlung von Werken, Daten, oder anderen unabhängigen Elementen voraus, die systematisch oder methodisch angeordnet sind und mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise einzeln zugänglich sind.148 Dieser Schutzgegenstand ist sowohl beim Urheberrecht als auch beim Leistungsschutzrecht strikt vom hierdurch nicht erreichbaren Schutz des Inhalts der einzelnen Datenbankelemente zu trennen.149 Das Recht bezieht sich nicht auf den Inhalt der einzelnen Datenbankelemente, also hier die einzelnen aus dem Lernprozess gewonnenen Gewichtungsinformationen als Daten, sondern auf die Datenbank als systematisch oder methodisch angeordnete Sammlung einzeln zugänglicher Elemente.150 Der Unterschied der beiden Rechte besteht lediglich darin, dass für das Urheberrecht zusätzlich eine schöpferische Struktur der Datenbank erforderlich ist, während das Leistungsschutzrecht eine wesentliche Investition im Hinblick auf die Struktur der Datenbank voraussetzt.151 Unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen scheitert ein Schutz der spezifischen Struktur der Gewichtungsinformationen als Datenbankwerk gemäß § 4 Abs. 2 UrhG bereits an der Grundvoraussetzung der persönlichen geistigen Schöpfung,152 da die Entscheidung über die Verteilung der einzelnen Gewichtungsinformationen innerhalb der künstlichen neuronalen Netze nicht durch einen Menschen, sondern durch den Computer getroffen worden ist. Für den Menschen sind diese Anpassungen entsprechend dem im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. cc) Gesagten nur schlaglichtartig nachvollziehbar. Zudem hat die Anpassung der Gewichtungen innerhalb der künstlichen neuronalen Netze nichts mit der für ein Datenbankwerk geforderten individuellen Auswahl oder Anordnung von Daten zu tun, da die maschinell erfolgten Anpassungen der Gewichtungen der Verbindungen innerhalb der künstlichen neuronalen Netze in ihrer konkreten Form zwingend für die Erzielung des gewünschten Ergebnisses sind.153 Der daneben in Betracht kommende leistungsrechtliche sui-generis-Schutz als Datenbank nach §§ 87a ff. UrhG scheidet letztlich ebenfalls aus. Das Datenbank 147

Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (764, 766), Rn. 28, 46; Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (712); Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 9 Rn. 44, 50. 148 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 3; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 5. 149 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 3. 150 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 87a ff. Rn. 37. 151 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 5. 152 So wohl auch Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (28). 153 Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (769), Rn. 62 ff.

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herstellerrecht schützt die Datenbank als Erscheinungsform des unter wesentlichem Investitionsaufwand gesammelten, geordneten und einzeln zugänglich gemachten Inhalts als immaterielles Gut. Es setzt eine wirtschaftlich mehr oder weniger aufwändige und deshalb schützenswerte sammelnde, sichtende und ordnende Tätigkeit voraus, die in eine Verkörperung des Leistungserfolgs münden muss.154 Der Gesetzeswortlaut des § 87a Abs. 1 UrhG spricht von einer für die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Datenbank „nach Art oder Umfang wesentliche[n] Investition“. Unabhängig von den übrigen Voraussetzungen ist bereits diese erforderliche wesentliche Investition zweifelhaft. Unter Investition versteht man den Einsatz von Arbeit, Zeit oder Geld bei der Beschaffung, Auswahl, Überprüfung, Darstellung, oder Aktualisierung vorhandener Datenbankelemente.155 Bei der Beschaffung des Datenbankinhalts können beispielsweise sichtende, beobachtende und auswertende Tätigkeiten wie die Auffindung und Sichtung von Daten oder die Kosten von deren Erwerb Berücksichtigung finden.156 Die Wesentlichkeit der Investitionen in den Aufbau einer solchen Datenbank bestimmt sich nach einer Zusammenschau aller wertbildenden Faktoren, wobei im Hinblick auf die durch die zugrundeliegende Datenbank-Richtlinie bezweckte europäische Rechtsangleichung keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.157 Es ist insofern ausreichend, wenn bei objektiver Betrachtung keine ganz unbedeutenden, von jedermann leicht zu erbringenden Aufwendungen erforderlich sind, um die Datenbank zu erstellen.158 Zu den im Wege einer Gesamtbetrachtung zu bewertenden wertbildenden Faktoren zählen alle menschlichen, finanziellen und technischen Leistungen, die sich entweder quantitativ in einer bestimmten Größe der Datenbank, oder qualitativ in geistiger Anstrengung, dem Verbrauch menschlicher Energie oder einem besonderen finanziellen Aufwand niederschlagen.159 Da die Gewichtungsinformationen innerhalb der fertig trainierten künstlichen neuronalen Netze durch maschinelle Analyse der Trainingsdaten und anschließende Anpassungen des Netzes überhaupt erst entstehen, kann vorliegend aber keine Rede von Sammeln, Sichten und Anordnen von Daten sein, für die schüt 154

Zum Ganzen Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 87a ff. Rn. 29. 155 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 12 f.; Hermes, in: Wandtke / Bullinger, 5. Aufl. 2019, § 87a Rn. 35 ff., 59; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 42. 156 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 44. 157 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 42. 158 BGH, GRUR 2011, 724 Rn. 23 – Zweite Zahnarztmeinung II; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 14; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 54. 159 EuGH, GRUR 2005, 252 Rn. 28  – Fixtures-Fußballspielpläne I; EuGH, GRUR 2005, 254 Rn. 44 – Fixtures-Fußballspielpläne II; EuGH, GRUR Int. 2005, 244 Rn. 38; Hermes, in: Wandtke / Bullinger, 5. Aufl. 2019, § 87a Rn. 60; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 52.

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zenswerte Investitionen getätigt worden sind.160 Es geht vielmehr um die Generierung neuen Inhalts, die nicht unter das Datenbankherstellerrecht fällt, um eine Monopolisierung von Daten zu verhindern.161 Der von der künstlichen Intelligenz geleistete Analyseaufwand zur Generierung neuen Datenmaterials ist im Rahmen des Datenbankrechts daher nicht berücksichtigungsfähig.162 In Betracht kommen aber auch weiter vorgelagerte Investitionen. Der Schutz des Datenbankherstellerrechts erstreckt sich zwar nicht auf die zur Herstellung und zum Betrieb einer elektronischen Datenbank erforderlichen Computerprogramme als solche.163 Zu den wesentlichen Investitionen gehören allerdings die Aufwendungen für die Beschaffung des eingesetzten Computerprogramms, soweit diese nicht der Datenerzeugung dienen.164 Dazu gehört der Aufwand für die Programmierung, Weiterentwicklung und Betreuung des Computerprogramms.165 Es ist insofern ausreichend, wenn die wesentliche Investition ausschließlich oder überwiegend in der Entwicklung, Herstellung oder dem Erwerb des für den Aufbau und die Erschließung einer elektronischen Datenbank erforderlichen Computerprogramms liegt.166 Insofern könnte man daran denken, die Beschaffung und Konfiguration der Programmbibliothek, sowie die Eingabe der Trainingsdaten und die Überwachung des Lernprozesses, die einen großen Aufwand in zeitlicher und finanzieller Hinsicht erfordern, als wesentliche Investition anzusehen, die einen Schutz des fertigen KISystems rechtfertigen könnte. Dagegen spricht jedoch, dass all diese Investitionen letztlich das Ziel der Generierung von Gewichtungsinformationen haben und damit nur der Datenerzeugung dienen, die ja gerade vom Schutz ausgeschlossen ist. Der Aufbau einer Datenbank wird hierdurch nicht bewirkt. Unabhängig von der Bejahung oder Verneinung einer wesentlichen Investition, sind daneben aber auch die weiteren Voraussetzungen des Datenbankherstellerrechts problematisch. Die erforderliche Unabhängigkeit ist dann nicht gegeben, wenn die einzelnen Elemente der Datenbank keinen eigenständigen Aussagegehalt aufweisen und durch die Trennung von den übrigen Elementen ihren selbstständigen Informa 160

So aber Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 55 f. So auch Schmidt / Z ech, CR 2017, 417 (421); Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zur künstlichen Intelligenz (AI Law), 2019, S. 38; Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (28). 162 Wiebe, GRUR 2017, 338 (341); Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (578); Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zur künstlichen Intelligenz (AI Law), 2019, S. 38; Apel /  Kaulartz, RDi 2020, 24 (28). 163 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 5; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 40. 164 BGH, GRUR 2011, 724 Rn. 20 f. – Zweite Zahnarztmeinung II; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 13; Czychowski, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018; § 87a Rn. 20 mit Darstellung des früheren Meinungsstands; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 40. 165 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 13; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 47. 166 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 48. 161

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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tionswert einbüßen und nicht mehr verwertbar sind.167 Die Gewichtungsinformationen der Verbindungen innerhalb der künstlichen neuronalen Netze ergeben erst in ihrer Gesamtheit das fertige und damit einsetzbare KI-System. Der strukturierten Datenmenge, die aus Einzelwerten für die Verbindungen zwischen den Knoten der künstlichen neuronalen Netze besteht ist daher nur in ihrer Gesamtheit verwertbar, sodass es an der Unabhängigkeit der einzelnen Elemente der Datenbank fehlt.168 Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH, wonach eine Unabhängigkeit auch dann noch gegeben sein soll, wenn die einzelne Information irgendeinem Dritten nach Herauslösen aus dem Ganzen noch eine sachdienliche Information liefern kann.169 Anders als bei den vom EuGH zu beurteilenden topo­ grafischen Karten, ergibt sich der Wert einer einzelnen Gewichtung innerhalb eines KI-Systems immer nur im Zusammenhang mit den übrigen Gewichtungen. Ein einzelner Gewichtungswert ist für sich betrachtet wertlos. Dies folgt schon da­ raus, dass die Werte der einzelnen Gewichtungen von jedermann beliebig bestimmt werden können, während ein auf eine spezifische Aufgabe zugeschnittenes Netz an Gewichtungen jahrelanges Training eines Computers erfordert. Mangels Unabhängigkeit der einzelnen Gewichtungsinformationen kann auch keine systematische oder methodische Anordnung angenommen werden, da die Unabhängigkeit der einzelnen Datenbankelemente in Abgrenzung der Sammlung von Werken Voraussetzung für ihre systematische oder methodische Anordnung ist.170 Schließlich ist auch die erforderliche Zugänglichkeit der einzelnen Gewichtungsinformationen strittig. Einige bejahen diese unter Hinweis darauf, dass KI-Systeme Steuerungsbefehle enthalten, die jedenfalls theoretisch die Abfrage einzelner Gewichtungen ermöglichen.171 Gegen die Annahme der Zugänglichkeit der Gewich 167

EuGH, GRUR 2005, 254 Rn. 29 – Fixtures-Fußballspielpläne II; BGH, GRUR 2005, 940 (941) – Marktstudien; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 6; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 8 f., 14. 168 So auch Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (769) Rn. 65; Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (786); Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1437) Rn. 62; Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (162 f.); Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann, Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 48; Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (29); Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 54; Drexl / Hilty u. a., MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 21-10, S. 20; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 57; Gräfe / Kahl, MMR 2021, 121 (123); a. A. Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (578), die den großzügigen Maßstab des EuGH anführen und darauf verweisen, dass angesichts der durch die technischen Entwicklungen zunehmenden Möglichkeiten ein eigenständiger Informationsgehalt von einzelnen Daten für verschiedene Kontexte gegeben ist; Offener Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zur künstlichen Intelligenz (AI Law), 2019, S. 39; Söbbing, MMR 2021, 111 (114). 169 EuGH, MMR 2016, 51 (53) Rn. 28 – Freistaat Bayern / Verlag Esterbauer GmbH. 170 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 8. 171 Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (768 f.); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 56; hier anzusiedeln wohl auch Dreier, in: Dreier / Schulze, 6. Aufl. 2018, § 87a Rn. 8, für den es an einer Zugänglichkeit nicht dann schon fehlt, „wenn der Endnutzer keine Möglichkeit eines unmittelbaren Zugriffs auf eine in ein Programm integrierte Datenbasis hat.“

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

tungsinformationen innerhalb eines KI-Systems spricht jedoch, dass es sich bei den einzelnen Gewichtungsinformationen lediglich um interne, und damit dem Nutzer praktisch verborgene Informationen handelt.172 Bestimmungsgemäß erhält der Nutzer auf seine Eingabe „nur die berechnete ‚Antwort‘“173, während diesem die „rein intern bleibende(n) Datensammlungen […] vollständig verborgen bleiben“.174 b) Patentrechtlicher Schutz Neben einem Urheberrechtsschutz kommt für die künstlichen neuronalen Netze in Form des fertigen KI-Systems daneben aber auch wiederum ein patentrechtlicher Schutz in Betracht. aa) Schutz als Weiterentwicklung des Ausgangsprogramms Zunächst könnte daran zu denken sein, dass ein etwaiger Patentschutz für die Programmbibliothek als Basisprogramm auch das fertige KI-System als Weiterentwicklung erfassen könnte. Selbst bei unterstelltem patentrechtlichem Schutz des Ausgangsprogramms in Form der Programmbibliothek ist jedoch zweifelhaft, ob das ursprüngliche Patent an der Ausgangssoftware die eigenständige Weiterentwicklung durch die künst­ liche Intelligenz noch erfassen würde. Die den Schutzumfang gemäß §§ 9, 14 PatG bestimmenden Patentansprüche umfassen nicht vorhersehbare spätere Weiterentwicklungen nämlich in der Regel nicht. Lediglich das Potential der Ausgangssoftware zur selbstständigen Weiterentwicklung könnte Teil der Patentansprüche sein. Auch dann wären aber im Zeitpunkt der Patentierbarkeit noch nicht vorhersehbare Weiterentwicklungen nicht von den Patentansprüchen erfasst, sondern müssten später separat patentiert werden.175 Eine Schutzerfassung des KI-Systems als Weiterentwicklung der zugrundeliegenden künstlichen neuronalen Netze, die wohl ohnehin selbst keinem patentrechtlichen Schutz zugänglich sind (vgl. oben unter 1. b) bb)), scheidet daher aufgrund der selbstständigen und vom Menschen nur begrenzt vorhersehbaren Weiterentwicklung der künstlichen neuronalen Netze in der Regel aus.

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Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 87a Rn. 13. Schmidt / Z ech, CR 2017, 417 (420). 174 Haberstumpf, GRUR 2003, 14 (19). 175 Zum Ganzen Schaub, JZ 2017, 342 (346). 173

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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bb) Eigenständiger Schutz Für einen eigenständigen patentrechtlichen Schutz des KI-Systems stellt sich die Frage, ob einer der menschlichen Beteiligten für diese autonome Weiterentwicklung der künstlichen neuronalen Netze überhaupt noch als Erfinder in Betracht kommen kann, weil eine Erfindung eine schöpferische Tätigkeit einer natürlichen Person voraussetzt.176 Wie bereits oben unter Kapitel 1, II. angesprochen, ist im Unterschied zum Urheberrecht an den menschlichen Beitrag zwar nicht das Erfordernis einer persönlichen geistigen Schöpfung zu stellen, das Patentrecht knüpft aber ebenfalls an den Schöpferbegriff an. Erfinder ist danach derjenige, der den Erfindungsgedanken kennt und dessen schöpferischer Tätigkeit die Erfindung entspringt.177 Für die Bejahung einer schöpferischen Tätigkeit reicht dabei die Erkenntnis aus, wie mit bestimmten Mitteln ein konkretes technisches Problem gelöst werden kann.178 Hartmann / Prinz halten autonome Weiterentwicklungen von Computersystemen danach für noch vom Erfindungsgedanken erfasst, da der Mensch das Verfahren zur Anwendung künstlicher neuronaler Netze in einer schöpferischen Tätigkeit erdenkt, sodass die Ausführung maschinellen Lernens zur Umsetzung des Verfahrens unschädlich sei.179 Schaub180 hält eine Entstehung eines Patents an autonomen Weiterentwicklungen dagegen mangels menschlicher schöpferischer Tätigkeit für de lege lata nicht möglich. Denkbar erscheint ihr lediglich die Anmeldung zum Patent durch den „Entdecker“ der Weiterentwicklung gemäß § 7 Abs. 1 PatG. Wie bereits oben unter Kapitel 1, II. im Hinblick auf die Patentierbarkeit von KI-Schöpfungen erörtert, geht das Patentrecht nämlich zwar vom Erfindergrundsatz aus, lässt allerdings zugunsten eines schnellen Verfahrens die formale Legitimation zur Patentanmeldung ausreichen.181 Bei Benennung des Anmelders auch als Erfinder liegt in solchen Fällen aber praktisch eine Leugnung der KI-Beteiligung vor. Da die in dieser Arbeit thematisierten kreativen KI-Systeme aber nicht zur Lösung technischer Probleme, sondern zur Bewältigung kreativer Aufgaben eingesetzt werden, dürfte hier aber unabhängig von der „Erfinderproblematik“ ein Patentschutz für die kreativen KI-Systeme ausscheiden.182 Selbst bei Bejahung eines 176

Melullis, in: Benkard (Hrsg.), Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 6 Rn. 1, 30; Mes, in: Mes (Hrsg.), Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 10; Schaub, JZ 2017, 342 (347). 177 Melullis, in: Benkard (Hrsg.), Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 6 Rn. 30; Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (442); Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (787). 178 Melullis, in: Benkard (Hrsg.), Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 6 Rn. 30; BGH, GRUR 2010, 817 (819) Rn. 28 – Steuervorrichtung. 179 Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (787). 180 Schaub, JZ 2017, 342 (347). 181 Mellulis, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Aufl. 2015, § 6 Rn. 3. 182 Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (29) überlegen, die Technizität in der konkreten Gestaltung und Verarbeitung der Daten zu sehen; sie halten einen Patentschutz für KI-Systeme auch unabhängig von deren Einsatzgebiet zwar für nicht gänzlich ausgeschlossen, aber dennoch Großteils

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

Patentschutzes für KI-Systeme zur Klassifizierung von digitalen Bildern entsprechend den bereits oben unter 1. b) aa) angesprochenen und kritisierten Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts, gehen die hier thematisierten KI-Systeme zur eigenständigen Generierung von Kunstwerken jedenfalls weit über eine bloße Klassifizierung von Daten hinaus. Soweit der im Beispiel von „Edmond de ­Belamy“ als Diskriminator bezeichnete Klassifikator als Bestandteil des kreativen KI-Systems, der nach den Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts die Technizität für das gesamte KI-System begründen könnte, also nicht neu und erfinderisch wäre, könnte das darauf aufbauende KI-System nicht geschützt werden. cc) Derivativer Schutz für KI-Schöpfungen Damit scheidet auch ein etwaiger an das KI-System anknüpfender derivativer Schutz für die KI-Schöpfung aus. Ein solcher derivativer Schutz für KI-Schöpfungen aus der Anwendung patentrechtlich geschützter KI-Systeme über § 9 S. 2 Nr. 3 PatG wäre aber ohnehin nicht als effektiv zu erachten, da dieser Schutz nur für aufgrund des konkreten patentierten Verfahrens gewonnene Erzeugnisse gilt. Dritte sind damit nicht daran gehindert, KI-Schöpfungen auf anderem Wege zu reproduzieren. Werke wie „Edmond de Belamy“ könnten beispielsweise ganz einfach durch Nachdruck reproduziert werden, ohne dass hierdurch der aufwendige Prozess von der Ausgangssoftware über das Training zum fertig trainierten KI-Systems durchlaufen werden müsste. c) Geheimnisschutz Schließlich ist bei dem fertig trainierten KI-System auch ein Schutz als Geschäftsgeheimnis gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 GeschGehG denkbar.183 Dieser Schutz wäre auch neben einem immaterialgüterrechtlichen Schutz möglich, wenn nicht, wie beispielsweise im Rahmen einer Patentanmeldung, bestimmte Informationen veröffentlicht würden.184 Das auf Basis der Programmbibliothek entwickelte individuelle KI-System ist der Öffentlichkeit in der Regel weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung seiner Bestandteile bekannt. Auch wenn einzelne Funktionen künstlicher neuronaler Netze bekannt sind und diese mit der Programm­

eher hypothetisch und jedenfalls mit großer praktischer Unsicherheit behaftet; Offen hierfür auch Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (151); Tochtermann, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7.3 Rn. 13 f.; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 53, 63 ff., 71. 183 Vergleiche für die Voraussetzungen im Einzelnen bereits oben unter Kapitel 1, VI. 184 Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (163).

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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bibliothek in Form eines Baukastensystems in der Regel als Open-Source-­Software erworben werden können, ermöglicht dies keinen Schluss auf das hieraus entwickelte individuelle KI-System. Soweit das fertige KI-System im Unternehmen verbleibt, ist es auch nicht ohne weiteres zugänglich für Dritte. Ein berechtigtes Interesse dürfte ebenfalls zu bejahen sein, da es sich bei dem KI-System als kostenintensivem Produkt nicht um eine Bagatelle handelt.185 Sein wirtschaftlicher Wert folgt aus dem Handelswert, den derartiges technisches Knowhow186 allgemein und speziell für die im KI-Bereich tätigen konkurrierenden Unternehmen hat. Indiz für den wirtschaftlichen Wert ist insofern auch der hohe Schaden, der dem Inhaber des fertig trainierten KI-Systems bei dessen unbefugter Nutzung durch Dritte erwächst.187 Diese könnten über das KI-System eigenständig zu KI-Schöpfungen gelangen, ohne sich an den aufwändigen Entwicklungskosten beteiligen zu müssen. Sofern die Unternehmen Geheimhaltungsmaßnahmen in Form von Schutzvorkehrungen treffen, um ihr fertiges KI-System vor dem Zugriff Dritter zu schützen, ist daher ihr Schutz als Geschäftsgeheimnis zu bejahen.188 Dieser Schutz ist insofern von besonderer Relevanz, als de lege lata kein wirklich verlässlicher anderweitiger Schutz für KI-Systeme im urheberrechtlich relevanten Bereich existiert.189 Für mit dem fertig trainierten KI-System vergleichbare Schutzgegenstände wie Herstellungsverfahren, Produktionswerkzeuge, sowie Computerprogramme, Schnittstellen und Algorithmen wurde im Übrigen bereits ein Schutz als Geschäftsgeheimnis bejaht.190

185

So wohl auch Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (30). Dass Knowhow unter den Begriff des Geschäftsgeheimnisses fällt, folgt bereits aus der Gesetzesbegründung in BT-Drs. 19/4724, S. 24: „Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses umfasst den ebenfalls in der Richtlinie verwendeten Begriff des Knowhows und den im deutschen Recht verwendeten Begriff des Betriebsgeheimnisses, wenn diese Informationen den in den Buchstaben a und b aufgestellten Voraussetzungen genügen, da die Unterscheidung keine praktische Relevanz besitzt. Es kann sich sowohl um technisches wie auch um kaufmännisches Wissen handeln.“ 187 Alexander, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 GeschGehG Rn. 45; Söbbing, MMR 2021, 111 (115 f.). 188 Dafür, dass das fertig trainierte KI-System bei Geheimhaltung Schutz als Know-How genießt auch Gomille, JZ 2019, 969 (970); Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (769); Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 23; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 68; Gräfe / Kahl, MMR 2021, 121 (123). 189 So auch Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (30). 190 Vgl. für Herstellungsverfahren den Gesetzgeber selbst in BT-Drs. 19/4724, 24; sowie für Produktionswerkzeuge BGH, BeckRS 2001, 7123 und für Computerprogramme, Schnittstellen und Algorithmen OLG Celle, 1989, 1002. 186

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

Ein derivativer Schutz für KI-Schöpfungen ist allerdings auch hierüber nur in unzureichendem Maße möglich. Das Geschäftsgeheimnisgesetz kennt zwar mit § 2 Nr. 4 GeschGehG den Begriff des rechtsverletzenden Produkts als „Produkt, dessen Konzeption, Merkmale, Funktionsweise, Herstellungsprozess oder Marketing in erheblichem Umfang auf einem rechtswidrig erlangten, genutzten oder offengelegten Geschäftsgeheimnis beruht“. Der Schutz des KI-Systems als Geschäftsgeheimnis erstreckt sich folglich auch auf die KI-Schöpfungen als dessen Früchte. Gegen KI-Schöpfungen Dritter als rechtsverletzende Produkte stehen dem Inhaber eines vom Geschäftsgeheimnisgesetz erfassten KI-Systems die speziellen Beseitigungsansprüche des § 7 Nr. 2 bis 5 GeschGehG zur Verfügung.191 Nicht erfasst werden können hierüber allerdings ähnlich wie im Patentrecht solche KI-Schöpfungen, die auf anderem Wege als durch den Gebrauch eines geschützten KI-Systems, nämlich durch einfache Vervielfältigungen von bestehenden KI-Schöpfungen, hergestellt werden, ohne hierfür auf geschützte Informationen zurückgreifen zu müssen. Diese beruhen nämlich gerade nicht mehr auf einem Geschäftsgeheimnis. Dabei dürfte es sich im Vergleich zu den über das Geschäftsgeheimnisgesetz erfassten Fällen um den Regelfall handeln, da der Zugriff auf die derzeit noch ungeschützten KI-Schöpfungen um ein Vielfaches einfacher als die rechtswidrige Beschaffung geheim gehaltener KI-Systeme und zudem rechtlich zulässig ist. Für KI-Schöpfungen ist daher auch der Schutz über das KI-System als Geschäftsgeheimnis als nur unzureichend zu bewerten.

II. Abgeleiteter Schutz über Schutz der Trainingsdaten Unerlässliche Voraussetzung für die Schaffung von KI-Schöpfungen ist eine gute Datengrundlage, mit der die künstlichen neuronalen Netze trainiert werden müssen, um am Ende des Lernprozesses in der Lage sein zu können, anhand des Erlernten Neues hervorzubringen. Im Fall des für diese Arbeit gewählten Ausgangsbeispiels bestand diese Datengrundlage aus etwa 15.000 Gemälden des 14. bis 20. Jahrhunderts. Es stellt sich daher die Frage, ob die Zusammenstellung dieser Datensätze, die neben der Programmier- und der Trainingsleistung ebenfalls sehr ressourcenintensiv sein kann, urheberrechtsschutzfähig ist und hierüber mög­licherweise auch ein abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen erreicht werden kann.

191

Alexander, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 GeschGehG Rn. 124.

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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1. Urheberrechtliche Implikationen bei der Erstellung der Trainingsdatensätze Bloße Datensammlungen, die selbst keine Befehls- oder Steuerungsanweisungen an den Computer enthalten, genießen keinen Schutz als Computerprogramm.192 Die Trainingsdaten fallen daher nicht in den Schutzbereich des § 69a UrhG.193 Für die für den Trainingsvorgang gesammelten und aufbereiteten Datenmengen kommt aber ein Urheberrechtsschutz als Datenbankwerk gemäß § 4 Abs. 2 UrhG oder zumindest ein leistungsrechtlicher Schutz als Datenbank gemäß §§ 87a ff. UrhG in Betracht.194 Der in anderen Bereichen denkbare Schutz über § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG als „Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art“ dürfte bei „kreativen“ Trainingsdaten dagegen keine Rolle spielen.195 Bei der Erstellung der Trainingsdatensätze ist zudem zu berücksichtigen, dass die einzelnen Daten selbst durch das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte geschützt sein können. Bei dem für diese Arbeit gewählten Ausgangsbeispiel handelt es sich bei den Trainingsdaten um Gemälde, die als Werke der bildenden Künste gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG durch das Urheberrecht geschützt sind. Bei literarisch tätigen KI-Systemen sind die Ausgangsdaten Sprachwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Nicht relevant sind beim kreativen Einsatz von künstlicher Intelligenz dagegen nicht eigentumsfähige personenbezogene Daten, die datenschutzrechtliche Belange nach sich ziehen können und weniger immaterialgüterrechtliche Fragestellungen als vielmehr Zugangsfragen betreffen.196 Darunter versteht man alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare lebende Person beziehen, wie beispielsweise Standort- oder Krankendaten.197 2. Trainingsdatensätze als Datenbankwerk im Sinne des § 4 Abs. 2 UrhG Damit Trainingsdatensammlungen einen Schutz als Datenbankwerk beanspruchen können, müsste es sich bei ihnen um Sammelwerke im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG handeln, die zusätzlich die besonderen Erfordernisse für Datenbankwerke des § 4 Abs. 2 UrhG erfüllen. 192

Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 12. So auch Hacker, GRUR 2020, 1025 (1031). 194 So auch Hacker, GRUR 2020, 1025 (1028); Freialdenhoven / Maamar / Mroß / Nordemann, IntellectualProperty 2020, 28 (29). 195 Siehe hierzu die Ausführungen bei Hacker, GRUR 2020, 1025 (1027 f.). 196 Hierzu zum Beispiel Kerber, GRUR Int. 2016, 989 (993 ff., 997 f.); Drexl / Hilty u. a., GRUR Int. 2016, 914; Keßler, MMR 2017, 589 (590 f.); Metzger, GRUR 2019, 129 (135 f.); Schweitzer, GRUR 2019, 569; der Ansicht, dass sich die Analysen zu personenbezogenen Daten oder industriellen Rohdaten nur eingeschränkt auf KI-Trainingsdaten übertragen lassen auch Hacker, GRUR 2020, 1025, 1026. 197 https://ec.europa.eu/info/law/law-topic/data-protection/reform/what-personal-data_de. 193

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

Für einen Schutz als Sammelwerk gemäß § 4 Abs. 1 UrhG müsste es sich bei der Trainingsdatensammlung um eine „persönliche geistige Schöpfung“ handeln. Der urheberrechtliche Schutz bezieht sich dabei auf eine kreative Auswahl- oder Anordnungsentscheidung, die durch die Individualität des Urhebers gekennzeichnet ist.198 Auswahl meint dabei den Vorgang des Sammelns und Aufnehmens, Anordnung die Einteilung, Präsentation und Zugänglichmachung des Stoffes.199 Nicht ausreichend ist eine Auswahl und Anordnung, die jeder so vornehmen würde, wobei für das Maß an Originalität die kleine Münze ausreichend ist.200 Hinzu kommt das Erfordernis der Unabhängigkeit der einzelnen Elemente in der Datensammlung. Dafür müssten die einzelnen Trainingsdaten einen selbstständigen Informationswert dergestalt aufweisen, dass sie auch nach Herauslösung aus dem Gesamtzusammenhang noch sachdienliche Informationen liefern können.201 Bei aus Gemälden bestehenden Trainingsdatensammlungen, genauso wie wohl auch bei aus literarischen oder musikalischen Werken bestehenden Trainingsdatensammlungen, steht die Auswahl der einzelnen Elemente im Vordergrund. Bei Gemälden können diese etwa nach Epochen, Stilrichtungen und Künstlern ausgewählt werden, wobei ein großer Gestaltungsspielraum gegeben ist. Im Gegensatz zu Datensammlungen für andere Bereiche geht es im künstlerischen Bereich nicht unbedingt um Vollständigkeit, sondern um eine individuelle Zusammenstellung von Werken. Die einzelnen Werke in kreativen Trainingsdatensätzen sind in der Regel auch unabhängig voneinander.202 Das Erfordernis einer „persönlichen geistigen Schöpfung“ können kreative Trainingsdatensätze daher im Einzelfall erfüllen.203 Für einen Schutz als Datenbankwerk im Sinne des § 4 Abs. 2 UrhG ist darüber hinaus die Anordnungskomponente, die beim reinen Sammelwerk lediglich optional ist, insofern erforderlich als die einzelnen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sein müssen. Danach ist erforderlich, dass die Trainingsdatensammlung ein technisches Mittel umfasst, etwa ein Abfragesystem oder zumindest 198

Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2020, § 4 Rn. 2, 19; Ahlberg / L auber-Rönsberg, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 4 Rn. 28 ff.; Hacker, GRUR 2020, 1025 (1028). 199 Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2020, § 4 Rn. 23. 200 Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 5. Auflage 2020, § 4 Rn. 21 f.; Hacker, GRUR 2020, 1025 (1028). 201 EuGH, GRUR 2005, 254 Rn. 33 – Fixtures-Fußballspielpläne II; EuGH, GRUR 2012, 386 (387), Rn. 26 – Football Dataco / Yahoo; EuGH, GRUR 2015, 1187 (1188) Rn. 22 – Verlag ­Esterbauer; Leistner, GRUR 2014, 528 (531). 202 Anders sieht es im Bereich technisch-wissenschaftlicher Trainingsdatensätze aus, für die aber regelmäßig ein Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG in Betracht kommt, vgl. Hacker, GRUR 2020, 1025 (1029). 203 Praktisch sehen Drexl / Hilty u. a., MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 21-10, S. 6 die Erfüllung des „Originalitäts-Kriteriums“ aber eher als selten gegeben an, da die Gestaltung von Trainingsdatensätzen hauptsächlich technisch-funktional motiviert sein dürfte.

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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ein Inhaltsverzeichnis oder eine Gliederung, das es ermöglicht, einzelne Elemente zu lokalisieren.204 Ausreichend ist jede Zusammenstellung nach Ordnungsgesichtspunkten, die den Zugriff auf die einzelnen Elemente ermöglicht.205 Die reine Anhäufung von Daten stellt noch kein Datenbankwerk dar.206 Die Erfüllung dieser Anordnungskomponente ist für Trainingsdatensätze jedenfalls theoretisch denkbar, sodass im Einzelfall ein Schutz als Datenbankwerk möglich ist. 3. Trainingsdatensätze als Datenbank im Sinne der §§ 87a ff. UrhG Für den Fall, dass eine Trainingsdatensammlung die Hürde der „persönlichen geistigen Schöpfung“ in Auswahl oder Anordnung der Daten nicht nimmt, bleibt ein Schutz als Datenbank möglich, der den Datenbankhersteller für seine nichtschöpferischen Investitionen entlohnt.207 Schutzgegenstand sind hier die getätigten Investitionen und nicht der zum Ausdruck gebrachte schöpferische Geist.208 Entlohnt wird die wirtschaftlich aufwändige und deshalb schützenswerte sammelnde, sichtende und ordnende Tätigkeit.209 Genau wie für ein Datenbankwerk muss die Datensammlung hierfür deshalb eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen sein, die systematisch oder methodisch angeordnet sind und mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise einzeln zugänglich sind. Die bloße Anhäufung von Rohdaten ist nicht schutzfähig.210 Aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der beiden Schutzrechte – persönliche geistige Schöpfung beim Urheberrecht gegenüber wesentlichen Investitionen beim Leistungsschutzrecht – können diese auch nebeneinander bestehen und verschiedenen Personen zustehen.211

204

EuGH, GRUR 2005, 254 Rn. 30 – Fixtures-Fußballspielpläne II. Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2020, § 4 Rn. 53. 206 Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2020, § 4 Rn. 53; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 4 Rn. 17; Czychowski, in: Fromm / Nordemann, 12. Aufl. 2018, § 4 Rn. 35; Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (28); Hacker, GRUR 2020, 1025 (1029). 207 So auch Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann, Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 29. 208 Marquardt, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 4 Rn. 8; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 87a ff. Rn. 9, § 87a Rn. 30. 209 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 87a ff. Rn. 29. 210 Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 24. 211 Marquardt, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 4 Rn. 8; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 87a ff. Rn. 37 ff., 42, § 87a Rn. 30. 205

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

4. Trainingsdatensätze als Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG Schließlich kann die individuell zusammengestellte Trainingsdatensammlung ungeachtet der möglicherweise gegebenen Bekanntheit der einzelnen Daten in ihrer Gesamtheit unter den Schutz des GeschGehG fallen, soweit sie unzugänglich für Dritte im Unternehmen verbleibt und weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile bekannt ist. Genau wie bei dem fertigen KI-System handelt es sich auch bei der Trainingsdatensammlung um ein kostenintensives Produkt und damit um keine Bagatelle, sodass ein berechtigtes Interesse an ihr zu bejahen ist.212 Ihr wirtschaftlicher Wert folgt ebenfalls aus dem Handelswert, den diese vor allem für die im KI-Bereich tätigen konkurrierenden Unternehmen haben kann. Indiz für den wirtschaftlichen Wert ist auch hier wiederum der Schaden, der dem Inhaber der Trainingsdatensammlung bei deren unbefugter Nutzung durch Dritte erwachsen kann.213 Diese könnten sich mit Hilfe der fremden Trainingsdatensammlung Entwicklungskosten sparen und damit einen Vorsprung am Markt erzielen. Sofern die Unternehmen Geheimhaltungsmaßnahmen in Form von Schutzvorkehrungen unternehmen, um ihre Trainingsdatensammlung vor dem Zugriff Dritter zu schützen, ist daher ihr Schutz als Geschäftsgeheimnis zu bejahen.214 5. Schutzrechtserstreckung auf KI-Schöpfungen Selbst wenn die kreative Trainingsdatensammlung als Datenbankwerk und / oder Datenbank schutzfähig ist, oder unter den Geheimnisschutz fällt, umfasst dieser Schutz jedoch wiederum nicht die späteren KI-Schöpfungen.215 Die Aufbereitung der Daten für die Trainingsdatensammlung geschieht zwar im Hinblick auf das Training der künstlichen neuronalen Netze, ist aber nicht Teil des Trainingsprozesses und hat daher nur eine mittelbare Auswirkung auf diesen und die Schaffung von KI-Schöpfungen.216 Zum einen stellt die KI-Schöpfung nicht die Summe aller Trainingsdaten dar. Wie wir bereits im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. b) dd) und IV. 1. und 2. gesehen 212

So wohl auch Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (30). Hacker, GRUR 2020, 1025 (1032) nennt im Hinblick auf die Trainingsdaten die Gefahr der Aneignung der Investitionen durch Dritte durch deren Nicht-Rivalität und leichten Kopierbarkeit; Alexander, in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 GeschGehG Rn. 45. 214 Hacker, GRUR 2020, 1025 (1031), der aber gleichzeitig auch aufzeigt, dass dieser Schutz gegenüber einem Immaterialgüterrechtsschutz deutlich abgeschwächt ist. 215 So im Hinblick auf als Datenbank geschützte Trainingsdaten auch Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (712); Legner, ZUM 2019, 807 (809). 216 Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (784). 213

Kap. 2: Abgeleiteter Schutz von KI-Schöpfungen

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haben, stellt die fertige KI-Schöpfung keine bloße Kollage der Trainingsdaten dar, sondern ist als etwas Neues und Eigenständiges zu qualifizieren. Die künstliche Intelligenz kopiert nicht die Trainingsdaten, sondern entwickelt auf deren Basis bzw. nach deren Vorbild ein eigenständiges, neues Werk. Die Trainingsdaten dienen der künstlichen Intelligenz lediglich als Lerngrundlage, anhand derer sie ihr Kunstverständnis und die Fähigkeit zum Kunstschaffen ausbildet. Die fertige KI-Schöpfung ist folglich auch keine Bearbeitung der Trainingsdaten,217 da diese in der fertigen KI-Schöpfung nicht erkennbar sind. Sie dienen dem Computer in ähnlicher Weise wie unserem Gehirn die Wahrnehmungen in der Außenwelt lediglich als Inspirationsquelle für eigenes Schaffen. Genauso wenig wie Malern oder Autoren die bewusste oder vielfach auch unbewusste Inspiration durch frühere Werke und damit die Anknüpfung an vorangegangenes Schaffen zum Vorwurf gemacht werden kann, kann auch künstlicher Intelligenz die Anleihe bei der Machart oder dem Stil anderer Künstler, die nicht urheberrechtlich geschützt sind,218 grundsätzlich nicht versagt werden.219 Zum anderen stellt das Trainieren der künstlichen neuronalen Netze mit Hilfe der Trainingsdaten im Hinblick auf die möglicherweise als Datenbank oder Datenbankwerk geschützten Trainingsdatensätze auch keine Vervielfältigungshandlung dar, da sich der Urheberrechtsschutz nur auf die konkrete Sammlung und Anordnung der einzelnen Daten bezieht. Die Gewinnung von neuem Datenmaterial aus der Analyse der in der Datenbank enthaltenen Daten führt aber nicht zu einer Wiederherstellung der ursprünglichen Datenbank, sodass diese als Schutzgegenstand nicht berührt wird.220 217 So auch Butler, 4 Hastings Comm. & Ent. L. J. 707, 743 (1982); Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1215 (1985); Bridy, Stan. Tech. L. Rev. 5, 25 Rn. 64 (2012); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 721 (2017); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1261 f.). 218 Loewenheim / Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 71 f.; Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (712). 219 Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (712) nehmen insofern aber an, dass aufgrund der „Akuratesse“ mit der künstliche Intelligenz technisch beschreibbare Details erfasst und abspeichert, im Hinblick auf die vereinzelt gebliebene Entscheidung OLG Köln, NJW 1998, 1416 – Miró im Einzelfall aber keine bloße Inspiration, sondern bereits eine Bearbeitung angenommen werden könnte. Nach dieser Entscheidung stellte bereits die Benutzung typischer Stilelemente aus dem Werkfundus in der Weise, dass der Eindruck entsteht, es handele sich bei dem so geschaffenen Werk um ein Bild des ursprünglichen Schöpfers, eine unzulässige Bearbeitung dar. Danach wäre evtl. der nur aufgrund von Rembrandt-Gemälden entstandene „The Next Rembrandt“ problematisch, der aufgrund einer wesentlich breiteren Datengrundlage aber keinem bestimmten Künstler stilmäßig zuordenbare „Edmond de Belamy“ dagegen wohl nicht; in diese Richtung argumentierend auch Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 60. 220 Zum Ganzen Spindler, GRUR 2016, 1112 (1114); Ahlberg / L auber-Rönsberg, in: Ahlberg /  Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 4 Rn. 26; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 23 Rn. 24; a. A. Ory /  Sorge, NJW 2019, 710 (712), die den Zugriff auf die Investition in die Datenbank für die Daten zum Anlernen durch denjenigen, der das Machine Learning organisiert, als zustimmungs­ bedürftig ansehen.

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2. Teil: Schutzlücke hinsichtlich KI-Schöpfungen

Kapitel 3

Ergebnis Als Ergebnis des zweiten Teils ist daher festzuhalten, dass für KI-Schöpfungen außerhalb des Urheberrechts lediglich stark eingeschränkte Schutzmöglichkeiten durch die Leistungsschutzrechte für Laufbilder, Tonträger und Presseerzeugnisse, sowie über das Vertrags- und Wettbewerbsrecht bestehen. Ein abgeleiteter Schutz über den Schutz der Vorprodukte Programmbibliothek und Trainingsdaten scheidet komplett aus, da diese der KI-Schöpfung zu weit vorgelagert sind, um einen berücksichtigungsfähigen Anteil an dieser zu haben. Über das fertige KI-System ist zwar ein abgeleiteter Geheimnisschutz für die KI-Schöpfung als rechtsverletzendes Produkt denkbar. Dieser Schutz ist aber genauso wie ein etwaiger derivativer Patentschutz vernachlässigbar, da kaum ein Imitat über den beschwerlichen Weg über das KI-System hergestellt werden dürfte, sondern einfach und naheliegend durch Anfertigung einer Kopie der KI-Schöpfung. Eine Schutzlücke im Hinblick auf KI-Schöpfungen im kreativen Bereich ist daher zu bejahen.

Dritter Teil

Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen Nach der im zweiten Teil getroffenen Feststellung, dass im Hinblick auf KISchöpfungen eine Schutzlücke besteht, wäre es jedoch verfrüht, sogleich über die Schaffung eines neuen Schutzrechts nachzudenken. Ein fehlender Schutz allein begründet noch keine Notwendigkeit zu gesetzgeberischem Handeln. Da Schutzrechte nicht nur erwünschte Auswirkungen auf die Kräfte des freien Wettbewerbs haben, bedürfen sie stets einer besonderen Rechtfertigung.1 Für die Beantwortung der Frage nach dem Umgang mit der Gemeinfreiheit von KI-Schöpfungen muss daher in einem weiteren Schritt untersucht werden, ob KISchöpfungen auch schutzbedürftig in dem Sinne sind, dass ihr rechtlicher Schutz für einen funktionierenden Markt und die gesellschaftliche Wohlfahrt erforderlich ist. Ähnlich wie bei der Prüfung der Zulässigkeit von Gesetzesanalogien ist also zu prüfen, ob die hinsichtlich von KI-Schöpfungen festgestellte Regelungslücke auch planwidrig ist. Dafür müsste zu der festgestellten Schutzlücke das dringende gesellschaftliche Bedürfnis nach der Beseitigung dieses Zustandes hinzukommen. Dies wäre nur dann der Fall und eine Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen zu bejahen, wenn die aktuelle Schutzlosigkeit von KI-Schöpfungen zu einem Versagen des Marktes für KI-Schöpfungen führen würde.2 Empirische Untersuchungen zu dieser noch relativ jungen Thematik und daraus resultierende Daten existieren bislang nicht.3 Der Markt um KI-Schöpfungen ist derzeit noch im Aufbau begriffen, sodass sich diese Frage wohl erst zukünftig anhand der sich dann abzeichnenden gesamtwirtschaftlichen Folgen unseres recht­ lichen Umgangs mit KI-Schöpfungen faktenbasiert beantworten lassen wird. Bereits jetzt ist es jedoch möglich, den status quo durch die Auseinandersetzung mit den einzelnen Marktakteuren auf der Angebots- und Nachfrageseite des Marktes für KI-Schöpfungen und ihren Interessen zumindest einer allgemeinen Betrachtung zu unterziehen und auf das Vorliegen eines wohlfahrtsmindernden Marktversagens zu untersuchen. Dieser Betrachtung widmet sich der dritte Teil dieser Untersuchung.

1

Hilty, ZUM 2003, 983 (992); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 171. So auch Zech, GRUR Int. 2019, 1145 (1146); Loewenheim / L eistner, in: Schricker /  Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 42. 3 So auch Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 42. 2

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

Kapitel 1

Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen Der Begriff des Marktversagens bezeichnet Konstellationen, in denen der Markt aus sich heraus kein wirtschaftlich effizientes Ergebnis mehr hervorbringt und die am Markt agierenden Akteure keine effiziente Allokation von Ressourcen und Rechtspositionen mehr herbeiführen können, weil das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage nicht mehr funktioniert.4 In dieser Situation hat der Staat das Recht, regulierend in das freie Spiel des Marktes einzugreifen.5 Ursache für das Vorliegen eines solchen Marktversagens können das Vorhandensein von Monopolstellungen, das Bestehen externer Effekte, die Öffentlichkeit von Gütern oder asymmetrische Informationslagen sein.6 Vorliegend könnte der Umstand, dass es sich bei KI-Schöpfungen um gemeinfreie und damit öffentliche Güter handelt, Ursache eines solchen Marktversagens sein. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob es sich bei KI-Schöpfungen um gesellschaftlich erwünschte und damit nachgefragte Leistungen handelt, die der Markt jedoch aus eigener Kraft nicht in entsprechendem Maße hervorbringt, da sich Investitionen in deren Entwicklung und Produktion aufgrund deren Eigenschaft als öffentliche Güter nicht lohnen.7 Dafür wird zum einen danach zu fragen sein, ob die verschiedenen Marktakteure auf der Angebotsseite, konkret die Programmierer, Trainer und Verwerter, bei der geltenden Rechtslage dazu bereit sind, in die Entwicklung von KI-Schöpfungen zu investieren. Zum anderen wird es auf der Seite der Nachfrager um die Frage gehen, ob die Entwicklung von KI-Systemen zur Produktion von KI-Schöpfungen aus Sicht der potentiellen Konsumenten und der Allgemeinheit eine gewollte und förderungswürdige Entwicklung darstellt, der die aktuelle Rechtslage gerecht wird.

4

Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 214; Cooter / Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2016, S. 38. 5 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 214. 6 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, Fn. 537; Cooter / Ulen, Law and Economics, 6. Aufl. 2016, S. 38 ff.; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 85 ff. 7 Vgl. zu dieser Definition des Marktversagens die Anmerkung von Ohly zu BGH, GRUR 2011, 436 (440) – Hartplatzhelden.de.

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

103

I. Situation auf der Angebotsseite des Marktes für KI-Schöpfungen 1. Programmierer der künstlichen neuronalen Netze a) Programmierung der Programmbibliothek Die Schaffung von KI-Schöpfungen beginnt mit der Entwicklung des zugrundeliegenden Computerprogramms. Dieses Computerprogramm, das als Programm­ bibliothek einen Baukasten für den Aufbau und die Entwicklung eines individuellen KI-Systems zur Verfügung stellt, ist die unabdingbare Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz. b) Interesse an Kostenamortisation Seine Programmierung geht allerdings mit einem hohen Investitions- und Entwicklungsaufwand einher.8 Dementsprechend besteht grundsätzlich ein Interesse des Programmierers9, diese Aufwendungen zu amortisieren, selbst wenn daneben auch intrinsische Motive existieren dürften.10 c) Möglichkeiten der Kostenamortisation bei der geltenden Rechtslage Der Programmierer kann sein Computerprogramm problemlos über den Verkauf der Software oder die Lizenzierung der Nutzung vermarkten, da dieses in der Regel Urheberrechtsschutz genießt (vgl. die Ausführungen oben im zweiten Teil unter Kapitel 2, I. 1. a)). Durch diesen Schutz hat der Programmierer eine Handhabe gegen ungewollte Übernahmen und mit der Möglichkeit, seine Arbeitsleistung zu amortisieren, auch einen ausreichenden Anreiz für die Programmierung.11

8 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1205 (1985); Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (765); Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1433) Rn. 23. 9 Der Vereinfachung halber wird lediglich in der Einzahl geschrieben. In der Regel ist aber eine Vielzahl von Programmierern an der Schaffung des grundlegenden Computerprogramms beteiligt. 10 Hierzu Dornis, GRUR 2019, 258 (259); Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 18. 11 So auch Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1225 (1985); Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251 (2016), 283; Gomille, JR 2019, 469 (474); Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (720); Grätz, Künst­ liche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 177 f.; Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 239 (2019) und Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 17 übersehen dabei aber, dass es neben dieser Programmierleistung weitere Arbeitsleistungen zu amortisieren gibt und ein Schutzbedürfnis für KI-Schöpfungen nicht bereits an diesem Punkt verneint werden kann.

104

3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

Große Unternehmen wie beispielsweise Google stellen ihre KI-Software sogar zumeist kostenfrei für jedermann als Open-Source-Lizenz zur Verfügung anstatt diese zu vermarkten.12 Sie erhoffen sich davon, ihre Kosten über einen erhöhten Einfluss auf die künftige KI-Forschung durch Etablierung ihrer Software als Standard zu kompensieren.13 Durch eine möglichst hohe Verbreitung ihrer Software können sie im Ergebnis mehr profitieren als durch ein Ausschließlichkeitsrecht.14 Dass der Computerprogrammschutz mangels Schutzrechtserstreckung (vgl. oben im zweiten Teil unter Kapitel 2, I. 1. a) cc)) keine Teilhabe an der KI-Schöpfung ermöglicht, ändert nichts an der Motivation des Programmierers, da dieser keinen zurechenbaren Anteil an der KI-Schöpfung hat.15 Der Programmierer schafft mit seiner Programmbibliothek lediglich die Ausgangsbasis für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz und kann daher richtigerweise auch nur für diese Leistung rechtlich entlohnt werden. Bereits an der Entwicklung des KI-Systems durch Konfiguration und Training der künstlichen neuronalen Netze ist er nicht mehr beteiligt und hat auch keinen Anteil an der autonomen Weiterentwicklung des KI-Systems. Die Muster, die das sich darauf aufbauend entwickelnde KI-System in den eingegebenen Daten identifiziert, verarbeitet, erinnert, nutzt und implementiert, sind dem Programmierer zumeist unbekannt.16 Im Hinblick auf den Programmierer der künstlichen neuronalen Netze beeinflusst die Gemeinfreiheit von KI-Schöpfungen daher nicht das Angebot an Programmbibliotheken für den Bau künstlicher neuronaler Netze. Dem Einwand, auch für das Programm bestehe jedoch nur dann eine Nachfrage, wenn die potentiellen Käufer auf Basis von dessen Nutzung ein Geschäftsmodell aufbauen könnten,17 ist zu entgegnen, dass die künstlichen neuronalen Netze in ihrer ursprünglichen Form nicht nur für die Anwendung in der Kreativwirtschaft, sondern ganz allgemein für die Verwendung in den verschiedensten Lebensbereichen geeignet sind, sodass dieses Problem tatsächlich nicht existiert.

12 Vgl. Hartmann / Prinz, DSRITB, 2018, 769 (775), der insofern auf die Übersicht bei https://en.wikipedia.org / wiki / Comparison_of_deep-learning_software verweist; Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 18 f. 13 Fuest, Google stellt künstliche Intelligenz gratis online, 2015, abrufbar unter: https:// www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article148700405/Google-stellt-kuenstliche-Intelligenz-gratisonline.html. 14 Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (775); Hartmann / Prinz, WRP 2018, 1431 (1433) Rn. 26; Dreier, in: Dreier / Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 69a Rn. 24. 15 So auch Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1225 (1985); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 702, 707 (2017). 16 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 694 f., 701 (2017); Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2226 (2018). 17 Gomille, JR 2019, 969 (974).

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

105

2. Trainer der künstlichen neuronalen Netze Nach dem Programmierer ist der Trainer18 der nächste menschliche Beteiligte, der für die Entwicklung eines KI-Systems und die Schaffung von KI-Schöpfungen unabdingbar ist. Dieser programmiert die künstlichen neuronalen Netze in der Regel nicht selbst, sondern greift dafür auf die soeben behandelten Programm­ bibliotheken zurück, die die grundlegenden Bausteine künstlicher neuronaler Netze für den Aufbau individueller KI-Systeme liefern. a) Entwicklung des KI-Systems und Herstellung von KI-Schöpfungen Bei der Entwicklung des KI-Systems und der Herstellung von KI-Schöpfungen durch den Trainer sind mehrere Arbeitsschritte zu unterscheiden: aa) Konfiguration der künstlichen neuronalen Netze und Eingabe der Trainingsdaten Ausgehend von der soeben behandelten Software, die die Bausteine für den Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes in Form eines Baukastensystems zur Verfügung stellt, muss der Trainer in einem ersten Schritt die konkrete Struktur der künstlichen neuronalen Netze durch Bestimmung der konkret erforderlichen Anzahl von Knoten und Schichten, Definition der zu verarbeitenden Eingabewerte und möglichen Klassifikationen sowie der Berechnungsvorschrift zur Anpassung der Synapsengewichte festlegen.19 Bei der Modellierung der Netztopologie orientiert sich der Trainer an den zu verarbeitenden Daten und der gewünschten Funktionalität der künstlichen neuronalen Netze.20 Nach der Konfiguration der künstlichen neuronalen Netze muss der Trainer diesen die Trainingsdaten einpflegen. Diese können entweder als fertige Korpora lizensiert werden, oder mit oder ohne (im Fall von gemeinfreien oder eigenen Werken) Inanspruchnahme lizenzbedürftiger Werke selbst zusammengestellt werden.21

18 Auch hier wird zum Zwecke der Vereinfachung vom Trainer in der Einzahl gesprochen, obwohl das Training in der Regel von einer größeren Anzahl von Personen betreut wird. 19 Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (762 f.). 20 Hartmann / Prinz, DSRITB 2018, 769 (773). 21 Bei dem Übersetzungsprogramm Google Translate fungieren die Nutzer mit ihren zu übersetzenden Texten als Datenlieferanten, Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2232 (2018).

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

bb) Überwachung des Lernprozesses unter Zurverfügungstellung von Rechenleistung In einem nächsten Schritt überwacht der Trainer den Lern- und Schaffensprozess der künstlichen neuronalen Netze und stellt die hierfür notwendige Rechenleistung22 zur Verfügung. cc) Auswahl brauchbarer KI-Schöpfungen In einem letzten Schritt entscheidet der Trainer des KI-Systems schließlich über die Brauchbarkeit der generierten KI-Schöpfungen und wählt aus der Vielzahl generierter Erzeugnisse die aus seiner Sicht vermarktbaren Produkte aus. Im Fall von „Edmond de Belamy“ wählte das Künstlerkollektiv Obvious aus einer Reihe generierter Bilder insgesamt 11 Gemälde aus, die zusammen die Belamy-Familie darstellen sollen.23 b) Wirtschaftliche Interessen Insgesamt kann die Entwicklung des KI-Systems und die Herstellung von KISchöpfungen, die sich aus der Konfiguration der künstlichen neuronalen Netze für das konkrete Projekt, dem Aufbereiten und Einpflegen der Trainingsdaten, der Überwachung des Lernprozesses sowie des Schaffensprozesses der künstlichen neuronalen Netze, der Zurverfügungstellung von Rechenleistung und schließlich der Auswahl der KI-Schöpfung zusammensetzt, Jahre in Anspruch nehmen. Bei dem KI-Kunstprojekt „The Next Rembrandt“, bei dem mittels künstlicher Intelligenz ein täuschend ähnlicher „nächster“ Rembrandt generiert wurde, hat diese Phase beispielsweise über eineinhalb Jahre gedauert.24 Diese aufgewendete Zeit, die mit den damit verbundenen Lohnzahlungen oder dem in Kauf genommenen Einkommensverzicht den Hauptkostenpunkt bei der Schaffung von KI-Schöpfungen darstellt, möchte der Trainer amortisiert wissen.

22

Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass ausreichende Rechenkapazitäten eine entscheidende Voraussetzung für die Verarbeitung von Daten sind und hat eine Initiative für die Entwicklung der nächsten Generation von Supercomputern zur Verarbeitung von Massen­ daten und zum Trainieren von KI gestartet, vgl. Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 8. 23 https://www.zeit.de/kultur/kunst/2018-10/kuenstliche-intelligenz-versteigerung-gemaeldealgorithmus-christie-s-auktionshaus. 24 Vgl. z. B. https://news.microsoft.com/europe/features/next-rembrandt/; Nudd, Inside „The Next Rembrandt“: How JWT Got a Computer to Paint Like the Old Master, 2016, abrufbar unter: http://www.adweek.com/brand-marketing/inside-next-rembrandt-how-jwt-gotcomputer-paint-old-master-172257/.

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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Zu dem zeitlichen Aufwand für die Erstellung des Trainingsdatensatzes kann zudem ein Kostenaufwand für die Beschaffung geeigneter Trainingsdaten hinzukommen,25 wenn nicht ausschließlich eigene oder gemeinfreie Werke verwendet werden und fremde Werke lizensiert werden müssen. Bereits die Datenbeschaffung durch Speicherung der Ursprungsdaten in Form von urheberschutzfähigen Werken dürfte eine zustimmungsbedürftige Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG darstellen.26 Erfordert die Datenbeschaffung eine Digitalisierung durch Einscannen der analogen Werke, wie es zum Beispiel bei dem Kunstprojekt „The Next Rembrandt“ erforderlich war, bei dem alle 350 Originalgemälde von Rembrandt durch hochauflösende Scans digitalisiert werden mussten,27 ist darin ebenfalls eine Vervielfältigung zu erblicken. Weitere Vervielfältigungshandlungen können durch die anschließende Normalisierung der Daten in eine für den Computer lesbare Form und die Zusammenfassung in einem Datenbanksystem erfolgen.28 Werden fertige Datensammlungen genutzt, ist darüber hinaus das Leistungsschutzrecht an der Datensammlung als Datenbank oder sogar das Urheberrecht der Anbieter hieran bei Datenbankwerken zu berücksichtigen.29 Urheberrechtliche Schranken, die die – vor allem für kleinere Unternehmen – hohen finanziellen Belastungen für die Erstellung von Trainingsdatensätzen abschwächen könnten, greifen in den allermeisten Fällen nicht ein. Zum einen handelt es sich bei der Erstellung von Datensätzen aus urheberschutzfähigen Werken nicht um vorübergehende Vervielfältigungshandlungen dieser Werke im Sinne 25

So auch Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 42, 45. Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 7; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 18. Aufl. 2018, § 27 Rn. 542; Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel /  Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 9 Rn. 6; Wang, in: Dederer /  Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (82, 95); Gräfe / Kahl, MMR 2021, 121 (124). 27 https://www.nextrembrandt.com/; Nudd, Inside „The Next Rembrandt“: How JWT Got a Computer to Paint Like the Old Master, 2016, abrufbar unter: http://www.adweek.com/brandmarketing/inside-next-rembrandt-how-jwt-got-computer-paint-old-master-172257/; https:// news.microsoft.com/europe/features/next-rembrandt/; Tietgen, 3-D-Drucker erschafft neues Rembrandt-Gemälde, 2016, abrufbar unter: https://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/ article154421365/3-D-Drucker-erschafft-ein-neues-Rembrandt-Gemaelde.html; Scheer, Was Rembrandt wohl dazu sagen würde?, 2016; abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ kunst/the-next-rembrandt-aus-dem-3d-drucker-14170970.html; Skischally, Mit Big Data und 3D-Druck entstand ein neues Rembrandt-Gemälde, 2016, abrufbar unter: https://www.wired. de/collection/tech/next-rembrandt-laesst-einen-algorithmus-gemaelde-im-stil-von-rembrandtmalen; Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 669 (2017); Guadamuz, OMPI Magazine 2017, 14 (15); Pickett-Groen, The Next Rembrandt: bringing the Old Master back to life, 2018, abrufbar unter: https://medium.com/@DutchDigital/the-next-rembrandt-bringing-the-old-masterback-to-life-35dfb1653597. 28 Spindler, GRUR 2016, 1112 (1113); Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning  – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10  – 3000  – 67/18, S. 7; ­Götting, in: Ahlberg / Götting / Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 16, Rn. 13. 29 So auch Spindler, GRUR 2016, 1112 (1114). 26

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

des § 44a UrhG, die Teil eines technischen Verfahrens sind. Den Trainingsdaten kommt nämlich wohl bereits mit der Entstehung durch Vervielfältigung des ursprünglichen Werkes, spätestens aber durch die nachfolgende Analyse und Auswertung, die letztlich zu der KI-Schöpfung führt, eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu.30 Zum anderen greift auch die neu formulierte Text- und DataMining-Schranke des § 60d UrhG, die speziell für datenbasierte Forschung und KI-Anwendungen geschaffen wurde, nur bei nichtkommerzieller Verwendung von Daten für die wissenschaftliche Forschung ein. Sie nützt Unternehmen, die im Bereich Kunst und künstliche Intelligenz KI-Schöpfungen entwickeln und vermarkten wollen, nichts.31 In Umsetzung von Art. 4 der Urheberrechts-Richtlinie (EU) 2019/790 sind mit der Einfügung des neuen Paragraphen § 44b UrhG künftig zwar auch kommerzielle Nutzungen erlaubt, sodass der Einsatz von künstlicher Intelligenz zumindest in dieser Hinsicht rechtlich erleichtert wird.32 Allerdings können Rechteinhaber gemäß § 44b Abs. 3 UrhG die Nutzung ihrer Inhalte für Text und Data Mining außerhalb der wissenschaftlichen Forschung durch einen Nutzungsvorbehalt in maschinenlesbarer Form verbieten, sodass die eigentlich intendierte Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen scheitert.33 Neben diesen etwaig zusätzlich anfallenden Kosten für die Beschaffung geeigneter Trainingsdaten möchte der Trainer schließlich noch die Kosten für die erforderliche technische Ausstattung34 und den Bezug der notwendigen Rechenkapazitäten35 amortisiert wissen. c) Möglichkeiten der Kostenamortisation bei der geltenden Rechtslage Für die Amortisation der genannten Aufwendungen kommt grundsätzlich die Vermarktung der Trainingsdatensätze, des KI-Systems, sowie der KI-Schöpfung in Betracht.

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Spindler, GRUR 2016, 1112 (1114 f.); Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning  – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10  – 3000  – 67/18, S. 12; Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 9 Rn. 17; a. A. wohl Gräfe / Kahl, MMR 2021, 121 (124) für computergenerierte Texte, der keine wirtschaftliche Bedeutung annimmt, soweit die Speicherung lediglich im Arbeitsspeicher vorgenommen wird, der ständig überschrieben wird. 31 Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning  – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 14; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 18. Aufl. 2018, § 27 Rn. 540. 32 Steinbrecher, MMR 2019, 639 (640 f.); Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 39. 33 So auch bereits vor der Umsetzung ausgehend von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie Spindler, CR 2019, 277 (281) Rn. 23; Hacker, GRUR 2020, 1025 (1030). 34 Hierzu auch Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 42. 35 Zum Energieaufwand durch aufwendige Berechnungen auch Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (144 f.).

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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aa) Kostenamortisation über Vermarktung der Trainingsdaten Wir haben im zweiten Teil unter Kapitel 2, II. 2. und 3. gesehen, dass für die Trainingsdatensammlung die Möglichkeit eines Schutzes als Datenbankwerk und / oder Datenbank besteht. Der Trainer hat daher grundsätzlich die Möglichkeit, seine Trainingsdatensätze zu vermarkten. Diese Möglichkeit scheidet jedoch von vornherein aus, wenn die Trainingsdatensätze als fertiges Gesamtpaket lizensiert wurden, oder Daten für die Erstellung der Trainingsdatensätze verwendet wurden, an denen Rechte Dritter bestehen und keine Zustimmung zur Verwertung vorliegt. Auch in den Fällen, in denen der Trainer die Trainingsdaten nicht zukauft, sondern selbst einen Trainingsdatensatz erstellt, der genau auf sein Projekt zugeschnitten ist, und keine fremden Rechte entgegenstehen, dürfte in der Regel kein Interesse an der Vermarktung dieser Trainingsdatensätze bestehen. Denn anders als bei der Ausgangssoftware, die im Hinblick auf das konkrete Projekt noch keinerlei Individualisierung aufweist, gibt der Trainingsdatensatz zumindest grob vor, in welche Richtung die KI-Schöpfung gehen wird. Die KI-Schöpfung wird durch die Wahl des Trainingsdatensatzes zwar nicht antizipiert (vgl. oben im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. b) dd) und IV. 1. und 2.), es wird jedoch ein gewisser Rahmen abgesteckt.36 Wird ein KI-System beispielsweise wie in dem Kunstprojekt „The Next Rembrandt“ ausschließlich mit Gemälden von Rembrandt trainiert, wird es nur dessen Stil erlernen und am Ende ein Bild schaffen, das Rembrandt zugeordnet werden könnte. Um die Einzigartigkeit der später zu schaffenden KI-Schöpfungen zu gewährleisten und eine gewisse Distanz zu konkurrierenden Unternehmen aufzubauen, wird das Interesse der Trainer daher dahin gehen, ihre Trainingsdatensätze möglichst für sich zu behalten und nicht offenzulegen. Hiervon hängt im Übrigen auch der im zweiten Teil unter Kapitel 2, II. 4. angesprochene Geschäftsgeheimnisschutz für Trainingsdatensätze ab. Hinzu kommt die Überlegung, dass der Markt für aus urheberrechtlich relevanten Werken bestehende Trainingsdatensätze vernachlässigbar gering sein dürfte im Vergleich zu dem Markt für KI-Schöpfungen.37 Nur solche Personen bzw. Unternehmen, die selbst KI-Systeme für die Produktion von KI-Schöpfungen entwickeln, dürften hieran ein Interesse haben. Ihre Zahl ist derzeit aber noch gering, da die Produktion von maschinell generierten Kulturgütern noch ganz am Anfang steht und eher experimentell betrieben wird. Bis aus der KI-Produktion von Kulturgütern wie Gemälden und Büchern ein einträgliches Massengeschäft 36

Siehe hierzu auch Ory / Sorge, NJW 2019, 710 (711), der schreibt, dass einerseits neue Datensätze erzeugt werden, diese andererseits aber dem Stil der in den Trainingsdatensätzen vorhandenen Datensätze entsprechen; Gräfe / Kahl, MMR 2021, 121 (125). 37 Diese Art der Trainingsdatensätze unterscheidet sich insofern von Trainingsdatensätzen aus Verkehrsdaten von Verbrauchern, die einen enormen Wert für Unternehmen der Konsumgüterindustrie haben und ein Millionengeschäft darstellen.

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

wird, in das eine Vielzahl von Unternehmen investiert, wird es wohl noch einige Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, dauern, gerade auch in Abhängigkeit zu der hier untersuchten möglichen Notwendigkeit der Mitentwicklung der Rechtsordnung. Der Kreis von Interessenten an KI-Schöpfungen dürfte demgegenüber bereits heute um ein Vielfaches größer sein (siehe dazu sogleich unter II.). Eine Kompensation für das Konfigurieren und Trainieren der künstlichen neuronalen Netze, das oftmals um einiges aufwendiger als das Erstellen der Trainingsdatensätze ist und den eigentlichen Aufwand darstellt, kann hierüber zudem nicht erfolgen. Durch die Vermarktung der Trainingsdatensätze können höchstens die Kosten für deren Erstellung amortisiert werden. Die Vermarktung der Trainingsdatensätze kann daher nur eine eher untergeordnete Rolle bei der Amortisation der Kosten für die Produktion von KI-Schöpfungen spielen.38 Problematisch im Hinblick auf die Vermarktung von Trainingsdatensätzen stellt sich überdies das hohe Risiko des Trittbrettfahrens durch Dritte dar, da die Nutzung für andere Modelle nur eingeschränkt überprüft werden kann.39 bb) Kostenamortisation über Vermarktung des KI-Systems Im Hinblick auf das fertig trainierte KI-System besteht wohl in noch größerem Maße als bei den Trainingsdatensätzen kein Interesse der Trainer daran, dieses aus den Händen zu geben. Das fertige KI-System, das mittels künstlich intelligenter Anpassungen der Gewichtungen während des Trainingsvorgangs zu einem „Kunstschöpfer“ ausgebildet worden ist, dürften die Trainer ganz überwiegend nicht verwerten wollen. Aus wirtschaftlicher Sicht bildet das fertige KI-System nämlich ähnlich der KI-Schöpfung selbst bereits die Summe aller vorherigen Anstrengungen ab.40 Zwischen dem fertig trainierten KI-System und der KI-Schöpfung liegen insofern keine im Gesamtvergleich mehr groß ins Gewicht fallenden Anstrengungen. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden Produkten besteht lediglich aber entscheidend darin, dass von dem KI-System auf die KISchöpfungen, von den KI-Schöpfungen umgekehrt aber nicht auf das KI-System geschlossen werden kann. Die Vermarktung des KI-Systems wäre daher geradezu kontraproduktiv, da nicht absehbar wäre, wie viele ähnliche Werke damit geschaffen werden würden. KI-Schöpfungen könnten durch die Vermarktung des dazugehörigen KI-Systems zu Massenware werden, da sie ab diesem Zeitpunkt von jedermann, der im Besitz des KI-Systems wäre, zumindest ähnlich hergestellt werden könnten. Man 38

Anders als von Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 29 angedacht, können Trainingsdatenbanken daher kein „wertvolle(s) Instrument zum (mittelbaren) Schutz von KI“ sein. 39 Siehe hierzu bei Hacker, GRUR 2020, 1025 (1027). 40 Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (764); Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (26) sprechen vom „Destillat“ des Trainingsvorgangs.

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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gels Exklusivität würde ihr Marktwert stark sinken.41 Diese Tatsache allein kann zwar noch kein Schutzbedürfnis von KI-Schöpfungen begründen, da es nicht die Aufgabe des Urheberrechts ist, über seine Monopolisierungswirkung einzelnen Interessengruppen bestmögliche Gewinnchancen zu sichern. Im kreativen Bereich scheitert eine Vermarktung des KI-Systems aber unabhängig von dem nicht gegebenen Verwertungsinteresse ohnehin an dem fehlenden Immaterialgüterrechtsschutz für das KI-System (vgl. oben im zweiten Teil unter Kapitel 2, I. 2.). Denn ohne einen solchen Schutz kann jeder das Trainingsergebnis in Form des fertig trainierten KI-Systems in kürzester Zeit und ohne weitere Kosten verfügbar machen. Die heutigen Möglichkeiten der digitalen Speicherung und computergestützten Verbreitung digitaler Datensätze über Datennetze machen die unkontrollierte Massennutzung zu einem Kinderspiel.42 In Betracht kommen die Erstellung einer einfachen Kopie der entsprechenden Datei, oder die Übernahme der als strukturierte Daten vorliegenden Gewichtungsinformationen in eines der kostenfrei als Open-Source-Lizenz erhältlichen künstlichen neuronalen Netze. Auf diesem Weg können unter Aussparung des kostenintensiven Trainingsvorgangs billig und schnell KI-Schöpfungen produziert werden. Überdies spielen bei der Vermarktung des KI-Systems genauso wie bei der Vermarktung von Trainingsdatensätzen Aspekte des Geschäftsgeheimnisschutzes eine Rolle.43 Wie wir oben im zweiten Teil unter Kapitel 2, I. 2. c) und II. 4. gesehen haben, hängt ein Schutz als Geschäftsgeheimnis von Geheimhaltungsmaßnahmen ab, die schwerlich mit einer Vermarktung vereinbar sein dürften. Daneben ist zudem fraglich, ob es mit Ausnahme von konkurrierenden Unternehmen in diesem Bereich überhaupt Abnehmer für fertige KI-Systeme gäbe, ob also insbesondere der „Ottonormalverbraucher“ an dem Erwerb eines KI-Systems interessiert wäre. Es ist nämlich zu bedenken, dass es auf dem derzeitigen Entwicklungsstand von Bilder-, Musik-, oder auch Literaturgeneratoren noch nicht möglich ist, auf bloßen Knopfdruck hin ein brauchbares, das heißt durchschnittlichen Ansprüchen an Kulturgüter genügendes, Werk zu erhalten. Auf dem aktuellen Stand der Technik ist noch lange nicht jede KI-Schöpfung ein Treffer und bedarf es der Vornahme einer Auslese aus einer Vielzahl von KI-Schöpfungen, um zu einem verwertbaren KI-Produkt zu gelangen.44 Gute bzw. verwertbare KI-Schöpfungen sind immer noch das Ergebnis von sorgfältiger Auslese aus einer Vielzahl von unbrauchbaren Ergebnissen. Es ist daher anzunehmen, dass über den Vertrieb der 41

So für mittels Zufallsgenerator geschaffene Kunstwerke auch Schmid, Urheberrecht­liche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 139 ff. 42 Hilty, ZUM 2003, 983 (986). 43 Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (31). 44 In diese Richtung wohl auch Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 141, der in der Zurückhaltung des Programms eine Möglichkeit der Qualitätskontrolle sieht, da „nicht alle Arbeitsergebnisse der Maschine […] unbedingt befriedigend ausfallen“.

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

derzeit möglichen KI-Systeme die Amortisation der entstandenen Kosten nicht in dem gleichen Maße möglich wäre wie über die Vermarktung von KI-Schöpfungen, da erstere wohl nur für konkurrierende Unternehmen von Interesse wären, wohingegen Verbraucher eher an (gebrauchs-)fertigen KI-Schöpfungen interessiert sein dürften. Anhand des Beispiels der Büchergenerierung durch KI-Systeme wird dies besonders deutlich: Nur wenige Leser werden die Lust verspüren, mit Hilfe einer KI-Software eine Vielzahl von Büchern zu generieren, aus denen sie dann erst noch ein möglicherweise lesbares und lesenswertes Buch heraussuchen müssen. Denn bisher sind KI-Systeme noch nicht in der Lage, ohne Weiteres mit menschlichen Geschichten konkurrenzfähige Literatur hervorzubringen.45 Der Normalverbraucher dürfte daher weniger daran interessiert sein, mittels Trainingsdaten und Software oder fertigem KI-System unter erheblichem Zeitaufwand KI-Bücher herzustellen, als vielmehr daran, sofort auf das fertige Werk zugreifen und dieses konsumieren zu können. Hierfür dürfte ein weitaus größerer Markt bestehen. Insofern sind KI-Schöpfungen von KI-Erzeugnissen in anderen Bereichen zu unterscheiden. Im Bereich der Medizin beispielsweise kommt den einzelnen KIErzeugnissen vor dem Hintergrund der Kostenamortisation wenig Bedeutung zu. Dort ist das KI-System der wertbildende Faktor mit dessen Hilfe für den Einzelfall bedeutsame KI-Erzeugnisse in Form von bei der Patientenbehandlung hilfreichen Informationen gewonnen werden können. Das KI-System kann beispielsweise bei der Tumorerkennung zur Vorbereitung einer ärztlichen Diagnose medizinische Bilddaten auswerten und aufbereiten.46 Diese KI-Erzeugnisse in Form von Analyse­ergebnissen sind zwar auch dort das erklärte Ziel, sie haben aber jeweils nur für den konkreten Einzelfall eine Bedeutung und sind nur für diesen verwendbar, wohingegen das KI-System universell einsetzbar ist und eine Vielzahl von KI-Erzeugnissen in Form von Analyseergebnissen aus Patientendaten verspricht. In diesen Bereichen liegt der Fokus daher klar auf dem KI-System und den Möglichkeiten, dieses zu vermarkten. In diesem Zusammenhang sind wohl auch die Ausführungen von Ehinger / Stiemerling zu sehen, die lediglich die Trainingsergebnisse in Form der generierten Menge an Gewichtungsinformationen, also das fertig trainierte KI-System, in den Fokus nehmen.47 Wie wir oben im zweiten Teil unter Kapitel 2, I. 2. b) bb) gesehen haben, kommt für solche KI-Systeme, für die das Vorliegen eines technischen Beitrags zur Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln bejaht werden kann, auch ein die Vermarktung des KI-Systems ermöglichender Patentschutz in

45 Lobe, Schreiben Roboter bald Romane?, 2017, abrufbar unter: https://www.spektrum.de/ kolumne/schreiben-roboter-bald-romane/1437710. 46 DPMA, Künstliche Intelligenz und Schutzrechte, abrufbar unter: https://www.dpma.de/ dpma/veroeffentlichungen/hintergrund/ki/kuenstlicheintelligenzundschutzrechte/index.html. 47 Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (769).

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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Betracht. Auf einen Erzeugnisschutz wie im kreativen Bereich sind die Hersteller solcher Systeme daher nicht angewiesen. Vorliegend kann ein Schutzbedürfnis von KI-Schöpfungen aber nicht mit dem Hinweis auf die Gefahr einer Überhonorierung des Trainers verneint werden,48 da KI-Systeme im kreativen Bereich genauso wenig Schutz erfahren wie KI-Schöpfungen. Im Hinblick auf kreative KI-Systeme könnte die Situation aufgrund der großen Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz zukünftig aber ganz anders zu bewerten sein, wenn KI-Systeme möglicherweise in der Lage sind, bei jedem Durchgang einen Treffer in Form eines ansprechenden Gemäldes oder eines lesbaren Romans zu landen. Dann würde es auch im kulturellen Bereich denkbar sein, statt mit einzelnen KI-Schöpfungen mit der Benutzung des KI-Systems als Dienstleistung Geld zu verdienen. Hier böten sich dann sog. Software-as-aService-­Lösungen (kurz: SaaS) an, bei denen das KI-System auf Systemen des Inhabers des KI-Systems laufen und nicht in Kundeninfrastrukturen eingebunden würde.49 Über eine vom Inhaber des KI-Systems zur Verfügung gestellte Benutzeroberfläche könnte das KI-System so zur Herstellung von individuell auf den Kunden zugeschnittene, im Englischen „customized“, Unterhaltung genutzt werden. Durch die Auswahl bzw. Einstellung bestimmter Parameter nach dem individuellen Geschmack – etwa „Krimi“ und „Meer“ – könnte beispielsweise auf Knopfdruck eine zur aktuellen Stimmung passende Abendlektüre erstellt werden.50 Auf diese Art und Weise könnte das KI-System als Dienstleistung vermarktet werden, ohne die Software aus der Hand geben zu müssen. Die Kunden könnten das KI-System lediglich über die Benutzeroberfläche nutzen, ohne dieses selbstständig weiterverwenden oder -entwickeln zu können. Bei einer solchen Nichtoffenlegung des KI-Systems, die eine imitationsgeschützte Vermarktung desselben ermöglicht, wäre eine Amortisation der Entwicklungskosten somit auch ohne ein Schutzrecht für das KI-System möglich und es könnte zudem hinnehmbar sein, dass aus KI-Schöpfungen nicht geschützte Massenware würde, da bereits über die Vermarktung des KI-Systems Kostenamortisation erreicht werden könnte, ohne dass zwangsläufig ein Schutz an jeder einzelnen KI-Schöpfung bestehen müsste. In einem solchen Zukunftsszenario, in dem KISchöpfungen am laufenden Band produziert werden können, könnten die hohen Entwicklungskosten aufgrund der dann einsetzenden hohen Marktdynamik mit schnelleren Innovationszyklen und kürzeren Lebenszyklen von KI-Schöpfungen

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Diese Frage aufwerfend Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 44, 177. Apel / Kaulartz, RDi 2020, 24 (31). 50 Eine algorithmisch erzeugte Kurzgeschichte aus Japan, die dort in die engere Auswahl des nationalen Literaturpreises kam, zeigte bereits 2016 auf, wie Texte künftig entstehen könnten, nämlich durch menschliche Vorgabe der Parameter hinsichtlich Inhalt und Handlung, woraufhin die Maschine die eigentliche Schreibarbeit erledigt, vgl. Bovermann, Durchschnittlich kreativ, 2017, abrufbar unter: https://www.zeit.de/kultur/2017-10/kuenstliche-intelligenzliteratur-drehbuecher-geschichten-algorithmen. 49

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

aufgrund schnellerer Substitution ohnehin nicht mehr durch die Vermarktung der KI-Schöpfungen hereingeholt werden.51 Ein Beispiel dafür, dass die Vermarktung von KI-Schöpfungen künftig in diese Richtung gehen könnte, zeigt das Beispiel des sich noch in der Entwicklung befindlichen künstlich intelligenten Musikproduzenten „Jukedeck“. Nach Auswahl von Genre, Stimmung und Länge des Musikstücks, gibt das zugrundeliegende künstliche neuronale Netz eine maschinelle Musikkomposition aus, die frei weiterverwendet werden kann.52 Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Herstellung von Kunst und Literatur auf Knopfdruck deutlich anspruchsvoller ist als die einfacheren Regeln folgende Komposition von einfacher elektronischer Hintergrundmusik. Selbst wenn im Bereich Musik daher bereits Ansätze in diese Richtung existieren, könnte es für die restliche Kreativbranche noch Jahrzehnte dauern, bis derartige Modelle Realität werden. Eine weitere Vertagung der Pro­ blematik kann auf diese vage Hoffnung einer in Zukunft möglichen Kostenamortisation über SaaS-Lösungen daher nicht gestützt werden. cc) Kostenamortisation über Vermarktung der KI-Schöpfungen Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Vermarktung von Trainingsdatensätzen und KI-Systemen kommt für den Trainer sinnvollerweise nur die Vermarktung der KI-Schöpfungen in Betracht.53 Diese wird aktuell aber aufgrund des fehlenden Rechtsschutzes praktisch unmöglich gemacht. Das Problem besteht dabei darin, dass die Fixkosten, die während des gesamten Entwicklungsprozesses anfallen, die Marginalkosten, die für spätere Vervielfältigungen der KI-Schöpfungen anfallen, um ein Vielfaches übersteigen, sodass Duplikate im Vergleich quasi nichts mehr kosten.54 Dies gilt vor allem, wenn sie in digitaler Form über Datennetze verfügbar gemacht werden, aber auch durch die Verbreitung physischer Werkexemplare werden wesentliche Kosten erspart.55 51

Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. ­20-02, S. 22. 52 Constine, Jukedeck’s AI Composer Makes Cheap, Custom Soundtracks, abrufbar unter: https://techcrunch.com/2015/12/07/jukedeck/; Die Seite https://www.jukedeck.com ist aktuell offline, weil Jukedeck von TikTok übernommen wurde. Ein Hinweis auf der Seite weist allerdings darauf hin, dass weiter an dem Projekt gearbeitet wird: „We can’t tell you more just yet, but we’re looking forward to continuing to fuel creativity using musical AI!“ 53 So im Hinblick auf mittels Zufallsgeneratoren erzeugte Kunstwerke auch Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 141. 54 Siehe allgemein zu dieser Problematik im Immaterialgüterrecht bei Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 24; Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (15); Hansen, Warum Urheberrecht? 2009, S. 131. 55 Hilty, ZUM 2003, 983 (988).

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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Imitatoren, die kaum Kosten einzupreisen haben, können von den Herstellern des KI-Systems und der KI-Schöpfungen so preislich nicht unterboten werden, ohne dass diese auf die Amortisation ihrer Kosten verzichten. Der Marktpreis, der sich ohne rechtliche Intervention herausbildet, ermöglicht aufgrund seiner Orientierung an den Kosten für eine bloße Kopie keine angemessene bzw. sogar überhaupt keine Entlohnung für den Aufwand und die Investitionen in die Schaffung von KI-Schöpfungen.56 dd) Zwischenergebnis Wenn es daher nicht ausnahmsweise um ein nichtkommerzielles Kunstprojekt geht, bei dem ausreichend Gelder zur Verfügung gestellt werden und keine Einnahmen generiert werden müssen, besteht für die Trainer kein ausreichender Anreiz, ihre Tätigkeit auszuüben.57 Niemand, der wie die meisten Menschen auf eine Vergütung seiner Tätigkeit zur Sicherung seiner Existenz angewiesen ist, kann es sich leisten, mehrere Jahre ohne jegliche Aussicht auf eine finanzielle Gegenleistung für seine Arbeit tätig zu werden. Das Gleiche gilt für Unternehmen, die die bei ihnen beschäftigten Trainer bezahlen müssen. Hinzu kommen die finanziellen Mittel, die für Programmbibliothek, Trainingsdatensätze und Rechenkapazitäten aufgebracht werden müssen. Intrinsische Motive, die sicherlich in vielen Fällen zusätzlich vorhanden sind, reichen in Anbetracht des großen zeitlichen wie finanziellen Aufwands daher nicht aus, um entsprechende Investitionen zu stimulieren. Wenn den hinter der Entwicklung von KI-Systemen und der Generierung von KI-Schöpfungen stehenden Investitionen kein Schutz zuerkannt wird, mithin keine rechtliche Anerkennung dieser Investitionen erfolgt und die mühsam erarbeiteten Innovationen in Ermangelung einer Schutzfähigkeit unmittelbar der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, machen diese für die Entwickler wirtschaftlich keinen Sinn.58 Innovative Start-ups und mittelständische Unternehmen, die die deutsche digitale Entwicklung voranbringen könnten, werden auf diese Weise im internatio 56

Allgemein hierzu Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 13; Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 (144). 57 Dies übersieht Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (228) offenbar, wenn er davon ausgeht, dass ohne einen urheberrechtlichen Schutz „ein erheblicher Schatz gemeinfreier Leistungen entstehen“ kann; allgemein zur Unterversorgung mit öffentlichen Gütern mangels Anreiz zur Herstellung aufgrund der Trittbrettfahrerproblematik Reich, Die ökonomische Analyse des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, 2006, S. 51. 58 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1226 (1985); Hristov, 57 IDEA 431, 438 f. (2016); Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (442); Guadamuz, OMPI Magazine 2017, 14 (17 f.); so wohl auch Ehinger / Stiemerling, CR 2018, 761 (764) Rn. 29, die der Ansicht sind, dass Unternehmen, die Investitionen in Form von Aufwendungen in die Entwicklung von künstlicher Intelligenz tätigen, naturgemäß ein großes Interesse an deren Schutz haben.

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

nalen Wettbewerb unangemessen benachteiligt.59 Aufgrund der hohen Fixkosten, denen lächerlich geringe Vervielfältigungskosten gegenüberstehen, wird ohne die Etablierung eines irgendwie gearteten Schutzes eine Schaffung von KI-Schöpfungen folglich in keinem signifikanten Umfang mehr stattfinden.60 Ein solches innovationsunfreundliches Klima könnte auch dazu führen, dass erfolgsversprechende Unternehmungen in diesem Bereich in andere Staaten abwandern, sich von ausländischen Unternehmen (v. a. Google in den USA) aufkaufen lassen, oder dass Investitionen in diesem Bereich erst gar nicht getätigt werden.61 Für Europa insgesamt hat die Europäische Kommission bereits Ende 2018 festgestellt, dass KI-Start-ups hier nicht die Ressourcen und Talente finden, die sie brauchen, um im internationalen Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können, und Europa bei den privaten KI-Investitionen zurückliegt.62 Europa läuft daher Gefahr, die mit KI verbundenen Chancen ungenutzt zu lassen, hoch qualifizierte Fachkräfte zu verlieren und von anderenorts entwickelten Lösungen abhängig zu werden.63 3. Verwerter der KI-Schöpfungen Am Ende des Schaffensprozesses steht die KI-Schöpfung. Unabhängig von dem neuartigen Entstehungsprozess durch den Einsatz maschinell lernender künstlicher neuronaler Netze, stellen KI-Schöpfungen am Ende des Tages auch „nur“ Gemälde, Bücher oder Musikstücke dar, über deren Vermarktung die Herstellungskosten amortisiert werden sollen. a) Unterstützung bei der Vermarktung Gerade bei Büchern, bei denen im Vergleich zu Gemälden zur Kostendeckung und Gewinnerzielung in der Regel größere Stückzahlen verkauft werden müssen, erfolgt die Vermarktung auch heute noch am effektivsten mit der Hilfe von Verwertern, die die Werke der Öffentlichkeit zugänglich machen. Bei Büchern sind dies Verlage, bei Gemälden vor allem Galerien. Trotz der durch das Internet erweiterten Möglichkeiten der Selbstvermarktung, das über eigene Webseiten und 59

Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 15. 60 Allgemein zu diesem Zusammenhang Handke, Economic Effects of Copyright, 2011, S. 4 f.; Cooter / Ulen, Law and Economics, 6. Auflage 2016, S. 103 f.; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1258). 61 So auch Hristov, 57 IDEA 431, 438 f. (2016). 62 Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 1. 63 Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 3.

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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entsprechende Plattformen64 auch eine Vermarktung ohne professionelle Unterstützung ermöglicht und den Kontakt zu den Werkkonsumenten erleichtert, sind derartige Konstellationen immer noch eher die Ausnahme und ist ganz überwiegend zwischen dem Werkschaffenden und dem Kulturkonsumenten ein Verwerter aktiv.65 Dieser verfügt in der Regel über mehr Kenntnis, Erfahrung und Organisation, um potentielle Konsumenten auf das fertige Werk aufmerksam zu machen. Außerdem erspart er dem Kunstschaffenden durch seine Unterstützung wertvolle Zeit, die dieser für weiteres Kunstschaffen verwenden kann und minimiert finanzielle Risiken durch Übernahme des Kostenrisikos.66 Man könnte umgekehrt sogar annehmen, dass der technische Fortschritt durch Internet und Digitalisierung die Werkverwertung weitaus komplexer gemacht hat, sodass heute erst recht und in einem weitaus stärkeren Umfang als früher die Einschaltung der Verwertungsindustrie notwendig ist, um kreative Schöpfungen den Konsumenten zugänglich zu machen.67 Bei Büchern verkaufen erfahrene Verleger mehr Exemplare dank ausgebautem Vertriebsnetz und erreichen eine größere Wahrnehmung durch Leser und Literaturkritik. Hinzu kommt das größere Prestige von anerkannten Verlagen und das damit verbundene höhere Vertrauen in die Qualität der von diesen verlegten Werke. Zudem trägt der Verwerter das finanzielle Risiko der Verwertung und bezahlt im Falle eines Verlages zum Beispiel Lektorat, Korrektorat, Drucklayout, Cover-Gestaltung, E-Book-Konvertierung, Druck, Versand und Werbung. Bekannte Galerien fördern neue Gemälde durch ihren eigenen guten Namen und den guten Überblick über den Kunstmarkt, sowie Ausstellungs- und Publikationsmöglichkeiten. Es sind daher nach wie vor die Verwerter, die den Markt für kreative Werke schaffen und damit sowohl die größten Risiken eingehen als auch den größten Gewinn aus der Vermarktung von geistigem Eigentum ziehen.68 Ohly kristallisiert in Bezug auf wissenschaftliche Verlage drei wesentliche Funktionen heraus, die auch vorliegend eine Rolle spielen:69 Erstens sorgen Verwerter dafür, dass das zumeist riesige und unüberschaubare Angebot kanalisiert wird und treffen eine für den Konsumenten wichtige Vorauswahl aus der Fülle an Informationen. Dabei gewährleisten sie zweitens auch eine Qualitätskontrolle der Kulturgüter. Drittens kann noch die Archivierung durch die Verwerter angeführt werden, die im flüchtigen Medium des Internets problematisch geworden ist.

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Beispielsweise Amazon für eBooks und Etsy für Gemälde. So auch Hilty, ZUM 2003, 983 (986). 66 Der Verleger Gottfried Honnefelder, der von Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 (149) zitiert wird, spricht von einer „Navigatorenaufgabe“ der Verlage, die für Permanenz, Variabilität und Öffentlichkeit von Werken sorgen. 67 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung zum UrhG Rn. 1, 15. 68 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1227 (1985). 69 Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 (149). 65

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

b) Wirtschaftliche Interessen Neben das Interesse der Trainer an der Amortisation ihrer Kosten durch die Verwertung der KI-Schöpfungen tritt daher wie auch bei gewöhnlichen – im Sinne von menschlichen – Werken in den meisten Fällen das Interesse der Verwerter, über eine Beteiligung am Verkaufserlös lohnend an dieser Verwertung beteiligt zu werden. c) Möglichkeiten der Kostenamortisation bei der geltenden Rechtslage Wie bereits unter den vorangegangenen Punkten ausführlich erörtert, sind auf dem aktuellen Stand der KI-Technik im kreativen Bereich das eigentliche Ziel der Verwertung die KI-Schöpfungen. Im Gegensatz zu herkömmlichen menschlichen Kunstwerken ist dies bei KISchöpfungen aber insofern problematisch, als diese keinen Urheberrechtsschutz erfahren. Dieser fehlende Urheberrechtsschutz hat zur Folge, dass an KI-Schöpfungen keine Ausschließlichkeitsrechte für die Verwertung vergeben werden können, sodass Verwertern nicht die erforderlichen ausschließlichen Nutzungsrechte an diesen Werken eingeräumt und Dritte von der Verwertung abgehalten werden können. Jedermann steht es frei, KI-Schöpfungen nach Belieben zu verwerten und dabei auch bereits erfolgte Verwerterleistungen, wie z. B. die Bekanntmachung von Werken, kostenfrei für sich in Anspruch zu nehmen. Durch die Gefahr von beliebigen Vervielfältigungen der KI-Schöpfungen durch Dritte, nachdem diese von den Verwertern unter Kosteneinsatz auf dem entsprechenden Markt platziert wurden, werden Verwerter vor der Investition in derartige Projekte zurückschrecken, da ohne einen immaterialgüterrechtlichen Schutz der KI-Schöpfungen eine rentable Verwertung nur schwer möglich ist.70 Die Verwerter benötigen die urheberrechtlichen Verbotsansprüche, um die in die Verwertung getätigten Investitionen amortisieren zu können. Die Verwerter müssen sich genauso wie die Trainer gegenüber den Trittbrettfahrern, die ohne relevante eigene Investitionen und ohne entsprechende Rechte durch Vervielfältigung und Verbreitung von den Leistungen der berechtigten Verwerter profitieren wollen, durch Abwehrrechte effizient zur Wehr setzen können.71 Genau wie für die Trainer, die ihre Kosten nicht amortisieren können, stellt sich die aktuelle Situation auch für die Verwerter als riskantes Verlustgeschäft dar. Solange Dritte ohne eigene Kosten und Anstrengungen an den Leistungen der Trainer und Verwerter partizipieren können, lohnen sich für letztere keine Investitionen in KI-Schöpfungen. Um Verlustgeschäfte zu vermeiden, werden Verwerter daher in der Regel auf die Vermarktung von KI-Schöpfungen verzichten. 70

Zu den auf KI-Schöpfungen übertragbaren Auswirkungen fehlenden Urheberrechtsschutzes auf Buchverleger bei Breyer, 84 Harv. L. Rev. 281, 293 f. (1970). 71 Hilty, ZUM 2003, 983 (995).

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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II. Situation auf der Nachfrageseite des Marktes für KI-Schöpfungen Der Angebotsseite bestehend aus Programmierern, Trainern und Verwertern stehen auf der Nachfrageseite die potenziellen Konsumenten von KI-Schöpfungen und die Allgemeinheit gegenüber, deren Interesse an der Produktion von KISchöpfungen im Folgenden untersucht werden soll. Das soeben festgestellte fehlende bzw. erschwerte Angebot an KI-Schöpfungen würde nur dann zu einem Marktversagen führen, wenn Allgemeinheit und einzelner Konsument diese in einem Maße nachfragen, dem das aktuelle und zukünftig zu erwartende Angebot nicht gerecht wird. 1. Interesse der Allgemeinheit an der Schaffung von KI-Schöpfungen Im Rahmen der digitalen Revolution, die bereits heute spürbar zu einem massiven Wandel unserer Lebens- und Arbeitsgewohnheiten führt, werden die größten gesellschaftlichen Umwälzungen im Zusammenhang mit der technischen Entwicklung von künstlicher Intelligenz prophezeit.72 Künstliche Intelligenz ist ein wesentlicher Treiber der digitalen Revolution als vierter industrieller Revolution und eine der bedeutendsten Technologien des 21. Jahrhunderts.73 Sie wird als wichtigster Motor für Wirtschaftswachstum und Produktivitätssteigerungen in Europa angesehen, der maßgeblich zur Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit der industriellen Basis in Europa beitragen soll.74 Künstliche Intelligenz ermöglicht es nämlich, auch intellektuelle Arbeiten weiter zu automatisieren und somit einen wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Sie kann die Innovationskraft in vielen verschiedenen Bereichen beschleunigen und hat dadurch ein enormes ökonomisches Wachstumspotential.75 Bis 2030 wird gar eine Steigerung der weltweiten Wirtschaftsleistung durch künstliche Intelligenz um 13 Billionen US-Dollar vorhergesagt.76 72 Die Europäische Kommission vergleicht die gesellschaftlichen Veränderungen durch künstliche Intelligenz mit denen durch das Aufkommen von Elektrizität, vgl. Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 1; WIPO, Draft Issues Paper on Intellecutal Property and Artificial Intelligence, 2019, S. 1. 73 Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 1; Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung, November 2018, S. 10. 74 Europäische Kommission, Anhang der Mitteilung der Kommission an das Europä­ ische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 1. 75 Ménière / Pihlajamaa, GRUR 2019, 332. 76 McKinsey Global Institute, Notes from the AI Frontier – Tackling Europe’s Gap in Digital and AI, 2019, S. 30 Fn. 81.

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

Obwohl die Anfänge von künstlicher Intelligenz bereits in die 1950er Jahre zurückreichen, haben erst die jüngeren technischen Entwicklungen in den Bereichen Informations- und Computertechnik die Entfaltung und disruptive Wirkung künstlicher Intelligenz in fast allen wirtschaftlichen Bereichen ermöglicht.77 Die Anwendung von künstlicher Intelligenz in unterschiedlichen Bereichen trägt ein enormes Innovationspotenzial in sich.78 Künstliche Intelligenz kann riesige Datenmengen sinnvoll auswerten und dadurch effiziente Lösungen zur Verbesserung von Produkten, Verfahren und Geschäftsmodellen in allen Wirtschaftszweigen anbieten.79 Künstliche Intelligenz wird als Technologie der Zukunft, die alle Lebensbereiche revolutionieren wird, folglich denjenigen Gesellschaften einen technischen, wirtschaftlichen und auch kulturellen80 Vorsprung verschaffen, die in der Lage sind, ganz vorne bei der Entwicklung von Anwendungen künstlicher Intelligenz mitzuspielen.81 Die Sicherung der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit erfordert ein Schritthalten mit dieser Entwicklung durch Investitionen und Innovationen in diesem Bereich.82 Aktuell befindet sich künstliche Intelligenz als Produktionsmittel aber ganz überwiegend in den Händen einiger weniger Akteure, die fast ausschließlich in den USA ansässig sind.83 Obwohl die Ausgaben der Europäischen Union für Forschung und Innovation im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz in den letzten drei Jahren um 70 % im Vergleich zu den Vorjahren auf 1,5 Milliarden Euro gestiegen sind, stellen diese Investitionen lediglich einen Bruchteil der öffentlichen und privaten Investitionen in künstliche Intelligenz weltweit dar. Während beispielsweise 2016 in ganz Europa nur etwa 2,4–3,2 Milliarden Euro in künstliche Intelligenz investiert worden sind, waren es in Nordamerika umgerechnet 12,1–18,6 Milliarden Euro und in Asien umgerechnet ­6,5–9,7  Milliarden Euro.84 Die Europäische Kommission sieht eine der wichtigsten 77

Ménière / Pihlajamaa, GRUR 2019, 332. Ménière / Pihlajamaa, GRUR 2019, 332. 79 Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 1. 80 Die Bundesregierung spricht davon, dass KI menschliche Kreativität zwar nicht ersetzen, aber ein zusätzliches Instrument zur Inspiration im kreativen Schaffensprozess sein kann und neue Wege der Kunst- und Kulturvermittlung ermöglicht, vgl. Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung, November 2018, S. 46; Peifer, in: Festschrift für Michel M. Walter, 2018, 222 (231): „Künstliche Intelligenz beeinflusst und revolutioniert alle Lebensbereiche, auch die Prozesse des kreativen Schaffens.“ 81 Die Europäische Kommission spricht von „strategische(r) Autonomie im Bereich der KI“, vgl. Europäische Kommission, Anhang der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 7. 82 Vgl. auch Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (442). 83 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1259); WIPO, Artificial Intelligence, 2019, S. 58; Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 237 (2019). 84 Europäische Kommission, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 3; Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM 78

Kap. 1: Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen

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Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union daher darin, für eine weitere Verbreitung von KI-Technologien in der europäischen Wirtschaft zu sorgen, damit die europäische Industrie nicht den Anschluss verpasst.85 KI-Schöpfungen im kulturellen Bereich stellen, wie andere kulturelle Errungenschaften und Kulturgüter auch, einen Gradmesser für die Entwicklungshöhe einer Gesellschaft dar, sodass ein großes Allgemeininteresse daran besteht, auch an wichtigen Entwicklungen in diesem Bereich zu partizipieren und die kulturelle Vielfalt durch die Schaffung von KI-Schöpfungen zu fördern. Für die Zukunft ist sogar zu erwarten, dass ein immer größer werdender Anteil der bislang menschlichen Kreativproduktion unter Substitution menschlicher Leistungen von künst­ licher Intelligenz erbracht werden wird.86 Die Allgemeinheit hat daher ein Interesse an der Förderung der Produktion von KI-Schöpfungen.87 2. Interesse der potenziellen Konsumenten an der Schaffung von KI-Schöpfungen Neben dem übergeordneten gesamtgesellschaftlichen Interesse an KI-Schöpfungen besteht das Interesse der Konsumenten als Werknutzer ganz praktisch darin, einen möglichst umfassenden und ungehinderten Zugang zu KI-Schöpfungen als Kulturgütern zu erhalten.88 Gerade bei neuartigen Entwicklungen wie KI-Schöpfungen, die als „hip“ empfunden werden, möchten die Verbraucher gerade auch im internationalen Vergleich, der durch die weltweite Vernetzung immer stärker erfolgt, nicht den Anschluss verlieren. Wie Verbraucher sonstiger Waren möchte zudem auch der Kultur Konsumierende gute Qualität zu einem möglichst günstigen Preis erhalten.89 (2020) 65 final, S. 4; McKinsey Global Insitute, 10 imperatives for Europe in the age of AI and automation, 2017, abrufbar unter: https://www.mckinsey.com/featured-insights/europe/ ten-imperatives-for-europe-in-the-age-of-ai-and-automation#. 85 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Künstliche Intelligenz für Europa, 25. 04. 2018, KOM (2018) 237 final, S. 5; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1259). 86 Guadamuz, IPQ 2017, 169 (174); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1260); Wobei geschätzt nur etwa 15 % der Arbeitnehmer in der Kreativindustrie befürchten müssen, komplett durch Maschinen ersetzt zu werden. Für den überwiegenden Teil der Beschäftigten im Kreativsektor wird es lediglich zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit KI kommen, vgl. hierzu den Bericht von Bakhshi / Frey / Osborne, Creativity Vs. Robots: The Creative Economy and the Future of Employment (NESTA 2015) zur Situation in den USA und Großbritannien, die sich so ähnlich auch in Deutschland darstellen wird. 87 So auch Dornis, GRUR 2019, 1252 (1258). 88 So auch Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 16; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1258); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 179. 89 Hilty, ZUM 2003, 983 (989).

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

Die Sicherung der kulturellen und wissenschaftlichen Partizipation der Bevölkerung durch einen möglichst freien Zugriff auf die geschaffenen Werke liegt schließlich auch im Interesse der Allgemeinheit.90 3. Interessensbefriedigung von Allgemeinheit und individuellem Konsumenten Dem Interesse der Allgemeinheit und der Endkonsumenten an KI-Schöpfungen steht aufgrund der aktuellen Rechtslage wie bereits skizziert kein entsprechendes Angebot gegenüber bzw. es ist zu befürchten, dass das im Entstehen befindliche Angebot aufgrund der ungünstigen rechtlichen Rahmenbedingungen im Keim erstickt wird.91 Der Verzicht der Anbieter auf die Schaffung von KI-Schöpfungen hätte Wohlfahrtsverluste der Allgemeinheit zur Folge, da potenzielle Wohlfahrtssteigerungen durch die Schaffung von KI-Schöpfungen ausblieben. Die Konsumenten hätten statt dem gewünschten Zugang zu KI-Schöpfungen im schlimmsten Fall gar keinen Zugang zu diesen, da kein entsprechendes Angebot existiert.

III. Zwischenergebnis Die Betrachtung der Angebots- und Nachfrageseite des Marktes für KI-Schöpfungen hat gezeigt, dass diese bei Beibehaltung der aktuellen Rechtslage in kein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen sind, da das Angebot hinter dem steigenden gesellschaftlichen Bedürfnis nach Fortschritt und Innovation im Bereich künstlicher Intelligenz zurückbleiben wird. Der Markt weicht damit in einer Weise von dem Ideal eines vollkommenen Marktes ab, die die Funktionsfähigkeit des Marktes grundsätzlich in Frage stellt.92 Der Umstand, dass KI-Schöpfungen aktuell als öffentliche und damit nicht exklusive Güter von Dritten genutzt werden können, ohne dass diese hierfür ein Entgelt entrichten müssen, führt zu einem Marktversagen,93 das aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive nicht tolerierbar ist, da der Markt die gesellschaftlich erwünschten KI-Schöpfungen nicht aus eigener Kraft hervorbringen kann.94 Weder Trainer noch Verwerter sind bereit, Zeit und Geld zu 90

Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479 (483). So auch Hristov, 57 IDEA 431, 438 (2016); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1253), der ohne eine zumindest rudimentäre gesetzliche Rahmenordnung das Verkümmern und Versanden technologischer Entwicklungen, oder auch deren Einmündung in unumkehrbare Pfade befürchtet. 92 Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 10. Aufl. 2018, S. 72 ff. 93 Zum Marktversagen als Folge der Nicht-Exklusivität von immateriellen Gütern allgemein Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (15); Reich, Die ökonomische Analyse des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, 2006, S. 49 f. 94 Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 (144). 91

Kap. 2: Gefahr der Leugnung von KI-Beteiligung

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investieren, wenn sie für diese Tätigkeit keine Möglichkeit der finanziellen Kompensation sehen. Die Schutzlosigkeit von Trainern und Verwertern von künstlicher Intelligenz im kulturellen Sektor macht Investitionen auf dem Gebiet der künst­ lichen Intelligenz für Künstler und Kulturverwerter unattraktiv bzw. Kunstschaffen in diesem Bereich schwer realisierbar und bremst dadurch den technischen und durch Kunst vermittelten gesellschaftlichen Fortschritt aus.95 Kapitel 2

Gefahr der Leugnung von KI-Beteiligung Zu dem soeben skizzierten Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Markt für KI-Schöpfungen tritt zudem die Gefahr hinzu, dass Trainer und Verwerter die Beteiligung von künstlicher Intelligenz an ihren Produkten in Zukunft einfach leugnen, um die soeben erörterten Schwierigkeiten bei der Vermarktung von KI-Schöpfungen zu umgehen.96 KI-Schöpfungen sind vielfach nicht von menschlichen Kunstwerken zu unterscheiden und es ist zu erwarten, dass ihre Unterscheidbarkeit von menschlichen Werken mit dem weiteren Fortschritt im Bereich künstlicher Intelligenz immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, wird. Um trotz ungünstiger rechtlicher Konditionen kostendeckend oder sogar gewinnbringend tätig werden zu können, könnte die Leugnung der maschinellen Urheberschaft daher bald das Mittel der Wahl von Trainern und Verwertern werden. Anders als noch von Brutschke in Bezug auf Computerkunst angenommen, sollte es auch in der Praxis ein Leichtes sein, die tatsächliche Herstellung von Kunstwerken mittels Computern vor Künstlerkollegen und Fachleuten geheim zu halten.97 Gerade in unserer heutigen globalisierten Welt, in der der vermeintliche Urheber vielfach unnahbar über das Internet agiert, bereitet es keine größeren Probleme, die wahre Herkunft von Kunstwerken zu verschleiern. Weder Künstlerkollegen noch sonstigen Fachleuten gelingt es bei dieser relativen Anonymität des künstlerischen Schaffens, die Umstände des Schaffensprozesses aufzuklären.

95 In diese Richtung auch Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (399). 96 So auch Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1226 (1985); Schmid, Urheberrecht­liche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 147 f.; Hristov, 57 IDEA 431, 450 (2016); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1259); Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 237 (2019); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249); Freialdenhoven / Maamar / Mroß /  Nordemann, IntellectualProperty 2020, 28 (31); Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel /  Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 75; für das Patentrecht insofern die gleichen Befürchtungen teilend Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1083, 1097 (2016); Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (325); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 180; Dornis, GRUR 2021, 784 (792). 97 Brutschke, Urheberschutz der Computer-Erzeugnisse, S. 64.

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

Dieses Problem, dass nicht ohne Weiteres erkennbar ist, welchen Anteil künstliche Intelligenz an einer Schöpfung hat, könnte auch im Verletzungsprozess zu Beweisschwierigkeiten führen, vor allem wenn der Künstler aufbauend auf die KI-Schöpfung ein eigenes Werk geschaffen hat.98 Die Abgrenzung des nicht schutzfähigen computergenerierten von dem schutzfähigen von Menschenhand geschaffenen Teil des Werkes bzw. des noch schutzfähigen maschinenunterstützten von dem nicht mehr schutzfähigen computergenerierten Werk stellt einen großen und gerade in der Prüfungspraxis nicht zu bewältigenden Aufwand dar.99 Solchen Schwierigkeiten könnte zwar durch eine exakte Dokumentation des Schaffensprozesses, etwa durch eine Sicherungskopie der KI-Schöpfung, auf der aufgebaut wurde, vorgebeugt werden.100 Es ist allerdings zu bedenken, dass dies die Hürden für die Erlangung eines urheberrechtlichen Schutzes deutlich erhöht und viele kreative Prozesse schwerlich mit einer derartigen Dokumentationspflicht in Einklang zu bringen sind.101 Eine bloße Verpflichtung zur Offenlegung der Verwendung von KI-Systemen dürfte an der Durchsetzbarkeit scheitern.102 Entsprechend den zivilprozessualen Grundsätzen trägt zwar auch in urheberrechtlichen Auseinandersetzungen derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der den Anspruch geltend macht.103 Derjenige, der also behauptet, Urheber eines Werkes zu sein, muss dies auch beweisen.104 Hierfür sind konkrete schöpferische Beiträge darzulegen, die einen schlüssigen, überprüfbaren Tatsachenvortrag ergeben.105 Eine Erleichterung bieten hier aber bereits die Vermutungsregelungen des § 10 UrhG. Soweit die Vermutungswirkungen des § 10 UrhG nicht greifen, ist zudem ein Indizienbeweis zulässig, bei dem mittelbare Tatsachen die Grundlage für die Annahme der Rechteinhaberschaft liefern.106 Erst wenn vom Anspruchsgegner konkrete Anhaltspunkte dargelegt werden, die gegen die Richtigkeit des Vortrags des Anspruchsstellers sprechen, ist ein weitergehender Vortrag des Anspruchs-

98 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1226 (1985); Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 82; Gomille, JR 2019, 469 (473); Papastefanou, WRP 2020, 290 (295) Rn. 45; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 180. 99 Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 284, 286 (2016); Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 83 weist im Hinblick auf die damals streitige Computerkunst zurecht darauf hin, dass ein Sonderrechtsschutz die schwierige Grenzziehung zu computerunterstützten Werken hinfällig machen würde. 100 So Gomille, JR 2019, 469 (473 f.) und Heinze / Wendorf, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 2020, § 9 Rn. 76. 101 Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249). 102 Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249). 103 Wimmers, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 97 Rn. 349. 104 BGH, GRUR 2011, 714 (719) Rn. 56 – Der Frosch mit der Maske; BGH, ZUM 2012, 114 – Anhörungsrüge zu „Der Frosch mit der Maske“; Nielen, in: Cepl / Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 138 ZPO Rn. 73; Thum, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 7 Rn. 37. 105 Thum, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 7 Rn. 38 m. w. N. 106 Thum, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 7 Rn. 37 m. w. N.

Kap. 2: Gefahr der Leugnung von KI-Beteiligung

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stellers erforderlich.107 Der Anspruchsgegner kann die Anspruchsberechtigung zwar grundsätzlich gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten, woraufhin der Anspruchssteller konkret vortragen muss, „wann, wo und durch welche Erklärungen“ oder Handlungen der Rechtserwerb stattgefunden hat.108 Zugunsten der Prozessförderungspflicht handelt es sich hierbei aber um eine Ausnahmevorschrift. Insbesondere, wenn der Anspruchsteller selbst substantiiert zum Rechtserwerb vorträgt, muss der Anspruchsgegner vielmehr substantiiert darlegen, wen er für den Urheber hält und die Gründe hierfür darlegen.109 Ein bloßes einfaches Bestreiten der Urheberschaft entfaltet keine Rechtswirksamkeit.110 Ohne konkrete Anhaltspunkte dürfte die immer noch den Regelfall bildende menschliche Urheberschaft des Anspruchsstellers überdies nur in den wenigsten Fällen in Frage gestellt werden. Da computergenerierte Werke zumeist nicht mehr von menschlichen Werken unterschieden werden können, dürften KI-Werke aus sich heraus nur selten einen Verdacht auf ihre computertechnische Herkunft erwecken. Diese Leugnung der KI-Beteiligung führt unweigerlich zu einer Verwässerung des Urheberrechts und einer Entwertung der menschlichen Urheberschaft, da somit KI-Schöpfungen trotz theoretischer Gemeinfreiheit faktisch doch in den Urheberrechtsschutz miteinbezogen werden.111 Hinzu kommt, dass Innovationen, die geheim gehalten und der Öffentlichkeit vorenthalten werden, dem Fortschritt durch die Weiterentwicklung von Technologie schaden.112 Durch die Geheimhaltung des Einsatzes von künstlicher Intelligenz kommt es zu einer Verlangsamung des Innovationsfortschritts in diesem Bereich, die wiederum als Produktionshemmnis anzusehen ist.113

107 BGH, GRUR 2016, 176 Rn. 20 – Tauschbörse I; Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 97 Rn. 143. 108 LG Hamburg, ZUM-RD 2010, 419 (420) – 13 Fotografien; Nordemann, in: Fromm / Norde­ mann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 97 Rn. 143. 109 OLG Hamm, ZUM 2009, 159 (161) – Fallschirmsprung: Nordemann, in: Fromm / Norde­ mann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 97 Rn. 143. 110 OLG Hamburg, ZUM 2008, 438 (440 f.) – Nutzung eines Musiksongs als Handyklingelton; LG Hamburg, ZUM-RD 2010, 419 (420) – 13 Fotografien. 111 So auch Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1226 (1985); Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (325 f.). 112 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1227 (1985). 113 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1259); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 180.

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3. Teil: Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen

Kapitel 3

Ergebnis Als Ergebnis des dritten Teils dieser Untersuchung ist daher festzuhalten, dass das festgestellte Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen und die Gefahr der Leugnung von KI-Beteiligung ein Schutzbedürfnis von KI-Schöpfungen offenbar machen.114 Im globalen Wettrennen darf die Innovation in diesem Bereich nicht durch Rechtsunsicherheit und gesetzgeberische Zurückhaltung behindert werden.115

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A. A. wohl Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (720 f.), die ohne nähere Prüfung aktuell noch kein Marktversagen annimmt, dennoch aber aus Rechtssicherheitsgründen die Einführung eines Schutzrechts empfiehlt; Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 17 sehen derzeit kein Marktversagen: „Rather, on a general level one can presently observe that AI innovation appears to be thriving. The markets are highly dynamic. Market failure is not apparent.“; ein Marktversagen zumindest „zeitnah“ ausschließend auch Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 175; Dornis, GRUR 2021, 784 (792) kritisiert aber zurecht, dass ein solcher schlichter Verweis auf ein angeblich fehlendes Marktversagen kaum überzeugen kann. 115 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1260).

Vierter Teil

Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen zur Auflösung des gegebenen Marktversagens Nachdem die Betrachtung der Marktverhältnisse im dritten Teil der Untersuchung ein Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen und damit ein Schutzbedürfnis offenbart hat, wird in diesem vierten Teil schließlich der Frage nachgegangen, ob ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen geeignet wäre, die Auflösung des aktuellen Marktversagens zu bewirken, der Staat also den Selbstheilungskräften des Marktes überlegen ist und durch ein Schutzrecht als staatliches Korrektiv die aktuelle Situation verbessern kann. Denn es kann nicht a priori davon ausgegangen werden, dass Immaterialgüterrechte per se geeignet und damit gerechtfertigt sind, ein bestehendes Marktversagen zu beseitigen.1 Nur wenn die nachfolgende Prüfung eine grundsätzliche Eignung des Immaterialgüterrechts ergibt, das festgestellte Marktversagen zu beheben, kann über die konkrete Ausgestaltung eines solchen Schutzrechts nachgedacht werden. Aufbauend auf die soeben gewonnenen Erkenntnisse soll dabei mit Hilfe des ökonomietheoretischen Instruments der ökonomischen Analyse ein – wenn auch aufgrund der Schwächen dieses Instruments beschränkter – Blick in eine hypothetische Zukunft de lege ferenda gewagt werden. Kapitel 1

Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts I. Ziele und methodischer Ansatz Für die ökonomische Analyse des Rechts werden die Kriterien der ökono­ mischen Theorie herangezogen, um die Auswirkungen rechtlicher Regelungen auf menschliches Verhalten untersuchen zu können.2 Ökonomische Gesichtspunkte können wichtige Anregungen liefern und somit den klassisch juristischen Argumentationshorizont erweitern.3 1

Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. ­20-02, S. 13 f. 2 Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 1, 3. 3 Fiedler, Der Computerprogrammschutz und die Schutzkumulation von Urheber- und Patentrecht, 2013, S. 52; Bauch, Erfindungsschutz zwischen Offenlegung und Patenterteilung, 2019, S. 73.

128

4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

In einem ersten Schritt wird hierzu mit Hilfe ökonomischer Verhaltensmodelle vorhergesagt, welche Auswirkungen eine bestimmte rechtliche Regelung, vorliegend also eine Regelung zum immaterialgüterrechtlichen Schutz von KI-Schöpfungen, auf das potentielle Verhalten der Marktakteure haben wird. In einem darauffolgenden zweiten Schritt wird dieses Verhalten anschließend mittels ökonomischer Bewertungskriterien bewertet.4 Relevant ist dabei vorliegend die ökonomische Analyse im normativen Sinne, die sich gegenüber der ökonomischen Analyse im positiven Sinne nicht mit den Folgen einer bestehenden gesetzlichen Regelung befasst, sondern rechtsphilosophisch danach fragt, wie das Recht beschaffen sein sollte und warum es überhaupt einer bestimmten gesetzlichen Regulierung bedarf.5 Ausgegangen werden soll dabei unter den inzwischen zahlreichen ökonomietheoretischen Ansätzen von dem traditionellen Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung, der die Anreizfunktion von Immaterialgüterrechten in den Vordergrund stellt. Bei diesem auch als Anreizparadigma bezeichneten Ansatz der ökono­ mischen Analyse wird das Bedürfnis zur Setzung von Anreizen mit der Eigenschaft von Immaterialgütern als öffentlichen Gütern begründet, die sich durch Nicht-Exklusivität im Angebot und Nicht-Rivalität im Konsum auszeichnen, und Ursache für das festgestellte wohlfahrtsmindernde Marktversagen ist.6 Bei dem Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung geht es um die im Einzelfall zu bestimmende Balance zwischen Wettbewerbsförderung und Monopolisierung, das heißt den positiven Effekten der Anreizgewährung und den damit verbundenen Nachteilen der Zugangsbeschränkung unter Berücksichtigung der einzelnen wohlfahrtswirksamen Effekte der Beschränkung der Gemeinfreiheit.7 Die Funktion von Immaterialgüterrechten wird in der effizienten Allokation von Ressourcen für die Schaffung und Verwaltung von immateriellen Gütern gesehen (Ziel der Allokationseffizienz), die einerseits die Unterproduktion von schöpferischen Werken durch die Nicht-Exklusivität immaterieller Güter und die damit einhergehende Trittbrettfahrerproblematik verhindern will, andererseits aber auch die Unternutzung immaterieller Güter durch die mit deren Monopolisierung eintretenden übermäßigen Verknappung vermeiden will.8 Der Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung sieht also sowohl die positive Anreizwirkung durch die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts, die Schöpfern die wirtschaftliche Partizipation an 4

Zum Ganzen Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 4. Posner, in: Assmann / K irchner / Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, 1993, S. 79 (92); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 122 f. 6 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 129; Probst, 3D-Druck trifft auf Urheber- und Patentrecht, 1. Aufl. 2019, S. 39. 7 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 133. 8 Benkler, 22 International Review of Law and Economics 81, 83 (2002); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 107, 129; Bechtold, GRUR Int. 2008, 484 f.; Fiedler, Der Computerprogrammschutz und die Schutzkumulation von Urheber- und Patentrecht, 2013, S. 54 f.; Probst, 3D-Druck trifft auf Urheber- und Patentrecht, 1. Aufl. 2019, 39 f. 5

Kap. 1: Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts

129

der Werknutzung durch die Einforderung von Nutzungsentgelten ermöglicht und sie so zur Produktion neuer Werke anspornt, sowie Verwertern die Amortisation ihrer Investitionen in Aussicht stellt, als auch das mit einem Ausschließlichkeitsrecht verbundenen Risiko der Unternutzung durch Monopolisierung mit der Folge einer suboptimalen Verbreitung von Werken, weil die Konsumenten nicht bereit sind, ein aus ihrer Sicht zu hohes Entgelt zu bezahlen.9 Neben diesem traditionellen Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung werden bei der nachfolgenden ökonomischen Analyse auch Aspekte des Ansatzes der neuen Institutionenökonomik berücksichtigt, der die Transaktionskosten in den Mittelpunkt seiner ökonomischen Überlegungen stellt und Immaterialgüterrechte nicht als Mittel zur Anreizsetzung, sondern zur Senkung von Transaktionskosten begreift.

II. Allgemeine Kritik an der ökonomischen Analyse Das Instrument der ökonomischen Analyse, das auf dem Utilitarismus als rechtsphilosophischer Basis aufbaut, ist allerdings nicht frei von Kritik, da es ausschließlich die Steigerung von wirtschaftlicher Effizienz im Blick hat.10 Bei der Anwendung des Instruments der ökonomischen Analyse wird eine rein wirtschaftliche Perspektive vorgegeben, die andere für eine soziale Marktwirtschaft bedeutsame Kriterien außer Acht lässt. So kann den Bewertungskriterien der ökonomischen Analyse vorgeworfen werden, dass sie keine Gerechtigkeitsaspekte berücksichtigen und die Verteilungsgerechtigkeit eines Zustandes außer Acht lassen.11 Soziale Zustände können unter ökonomischen Gesichtspunkten als effizient zu beurteilen sein und dennoch grundlegenden Vorstellungen von Gerechtigkeit wie Grundrechten und anderen Mindeststandards widersprechen.12 Speziell für den Bereich des Urheberrechts finden kulturpolitische Zielvorstellungen wie die 9

Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 131 f. Utilitarismus und ökonomietheoretische Betrachtungsweise dürfen nicht gleichgesetzt werden, ersterem geht es um Nutzenmaximierung, während es der ökonomischen Analyse um Effizienzsteigerung geht; die im Rahmen des Utilitarismus verfolgte Nutzenmaximierung ist das umfassendere und komplexere Konzept, in der die ökonomische Effizienzsteigerung nur eine von mehreren Möglichkeiten der Nutzenmaximierung darstellt, vgl. Reich, Die ökono­ mische Analyse des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, 2006, S. 172; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 110, 121, 162; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 173, 181 f. 11 Fezer, JZ 1986, 817 (822 ff.); Fezer, JZ 1988, 223 (224); Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 12. 12 Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (21 f.); Towse, 20 J. Econ. Surv. 568, 575 ff. (2006); Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479 (482 ff.); Bechtold, GRUR Int. 2008, 484 (488); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 114, 164; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 151 ff., 158; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 170. 10

130

4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

angemessene Alimentation der Kreativen, ihr ideelles Interesse in Bezug auf ihre Werke, das Interesse an kultureller Vielfalt, der Informationszugang für die Allgemeinheit und die geistig-schöpferische Partizipation an den Schätzen unserer reichen kulturhistorischen Tradition keine Berücksichtigung, obwohl speziell die Urheberpersönlichkeitsrechte in Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankert sind.13 Es ist jedoch auch zu sehen, dass das vorliegend diskutierte Schutzrecht unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung und selbst bei Berücksichtigung sozialethischer und kulturpolitischer Belange immer auch ein Wirtschaftsrecht sein würde. Im Fall von KI-Schöpfungen, in dem kein menschlicher Kreativer im Sinne des rechtsphilosophischen Fundaments des Urheberrechts existiert, lassen sich die an dem Schaffensprozess Beteiligten, namentlich Programmierer, Trainer und Verwerter, letztlich vor allem von allgemeinen ökonomischen Prinzipien leiten.14 Ihnen geht es hauptsächlich darum, ihre individuellen Positionen in ökonomischer Hinsicht zu optimieren. Darüber hinausgehende persönlichkeitsrechtliche Belange kommen höchstens am Rande zum Tragen. Die hier diskutierte Regelung würde zudem nicht für sich allein stehen, sondern Teil eines bestehenden Rechtsgefüges werden, in dem bereits durch andere rechtliche Regelungen, insbesondere auch die Grundrechte, soziale Mindeststandards gewährt werden.15 Der Gesetzgeber kann sich bei der Schaffung einer Regelung für den vorliegenden Fall daher im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen auch am Ziel ökonomischer Effizienz ausrichten.16 Es bleibt ihm überlassen, welche Bedeutung er wirtschaftlicher Effizienz im Rahmen des Ausgleichs von Wertekollisionen beimisst.17 Der Einsatz der ökonomischen Analyse bei der Gesetzgebung schließt im Übrigen nicht aus, dass ihre Ergebnisse nachträglich einer normativen Korrektur durch den Gesetzgeber unterzogen werden.18 Ein effizientes Rechtssystem ist nicht automatisch gerecht, sodass es nötig sein kann, Effizienzverluste zur Erreichung höher­

13

Wiebe, GRUR 1994, 233 (245 f.); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 164 f. So auch Dornis, GRUR 2021, 784 (792); Allgemein zur Problematik des realitätsfernen Fokus auf den Kreativen Hilty, ZUM 2003, 983 (992, 994). 15 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 159; Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 15. 16 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 166; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 443 ff. 17 Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 176. 18 Insofern ist Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 167 zu folgen, der eine modell­ immanente Korrektur, wie sie Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998 proklamiert, ablehnt, da dadurch die Fähigkeit zu Prognosen stark in Frage gestellt wird; siehe hierzu auch Hilty, ZUM 2003, 983 (994): „Für den Interessenausgleich zwischen den an der Vermarktung von Werkexemplaren beteiligten Kreisen drängt es sich auf, von üblichen ökonomischen, die jeweiligen Besonderheiten des fraglichen (Rechts-)Gutes jedoch berücksichtigenden Gesichtspunkten auszugehen.“ 14

Kap. 1: Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts

131

wertiger Ziele in Kauf zu nehmen.19 Das ökonomische Effizienzkriterium kann daher stets nur Ausgangspunkt einer notwendig bleibenden normativen Bewertung sein.20 Vorliegend ist überdies zu berücksichtigen, dass über das Instrument der ökonomischen Analyse lediglich die grundsätzliche Eignung eines immaterial­ güterrechtlichen Schutzrechts für den Schutz von KI-Schöpfungen untersucht wird, unabhängig von dessen konkreter Art und Ausgestaltung. Ein normativer Ausgleich des so gefundenen effizienzorientierten Ergebnisses kann anschließend bei der Wahl des konkreten Schutzrechts erfolgen. Normative Aspekte können beispielsweise über die normativen Implikationen der theoretischen Rechtfertigung des Urheberrechts in die Schutzrechtsfindung eingehen. Kritisiert wird auch die Unbestimmtheit und die Messungenauigkeit dieser Methode aufgrund der fehlenden empirischen Beleg- und Quantifizierbarkeit ihrer Prämissen. Da Menschen ihr Verhalten nur beschränkt rational an monetären und nicht-monetären Anreizen ausrichten, ist eine gewisse Prognoseunschärfe der auf Verhaltensmodellen beruhenden ökonomischen Analyse nicht zu vermeiden.21 Auch hier ist jedoch zugunsten der ökonomischen Analyse darauf hinzuweisen, dass sie in Situationen wie der vorliegenden, in der es an empirischem Material gerade fehlt, wenigstens eine innovative Strukturierung der Folgenerwägungs­ argumente ermöglicht.22 Im Ergebnis können die Effizienzkriterien der ökonomischen Theorie daher für die vorliegende Arbeit fruchtbar gemacht werden und wertvolle Erkenntnisse für die Beurteilung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen liefern.

III. Kritik am Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung – Alternative Anreizmechanismen Speziell der hier für die ökonomische Analyse gewählte Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung begegnet ebenfalls einigen Kritikpunkten. Diese beruhen vor allem darauf, dass neben der Schaffung eines Schutzrechts oftmals alternative Anreizmechanismen existieren, die einem Marktversagen besser oder zumindest genauso gut entgegenwirken können, ohne dass ein staatlicher Eingriff in Form eines Schutzrechts erforderlich ist. Im Folgenden sollen die vorliegend relevanten alternativen Anreizmechanismen für die Schaffung von KI-Schöpfungen, die zugleich Kritikpunkte an der Schaffung eines neuen Schutzrechts für KI-Schöpfungen darstellen, aufgegriffen und in ihrer Bedeutung für den vorliegenden Fall beleuchtet werden. 19

Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. XVIII. Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 163; so wohl auch Benkler, 22 International Review of Law and Economics 81, 84 (2002); Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 13. 21 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 168. 22 Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479 (483). 20

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

1. Anreizsetzung durch intrinsische Motive Ein wesentlicher Kritikpunkt am Anreizparadigma ist die Überlegung, dass eine Entlohnung für die Schaffung immaterieller Güter nicht notwendigerweise immer monetärer Natur sein muss, mithin die monetäre Anreizwirkung durch ein Schutzrecht möglicherweise überschätzt wird. Der Anreiz zum Schaffen erfordert nicht zwangsläufig ein Ausschließlichkeitsrecht. Bei intrinsischer Motivation werden Werke auch ohne die Belohnung mit einem Schutzrecht geschaffen.23 Es stellt sich also die Frage, ob der Anreiz zur Schaffung von KI-Schöpfungen eine künstliche Verknappung bzw. Beschränkung des Zugangs zu diesen durch die Einführung eines neuen Schutzrechts für diese wirklich erfordert, oder ob hierfür bereits intrinsische Motive ausreichen.24 Wir haben bereits bei der Beantwortung der Frage nach der Schutzbedürftigkeit im dritten Teil gesehen, dass sowohl die Programmierer als auch die Trainer und Verwerter ein großes Interesse an der finanziellen Amortisation ihrer zumeist hohen Kosten haben. Dies schließt zwar zumindest in Bezug auf Programmierer und Trainer die Existenz zusätzlicher intrinsischer Motive nicht aus. Aufgrund des großen Aufwandes bei der Produktion von KI-Schöpfungen im Vergleich zu traditionell hergestellten Kunstwerken, der wohl auch bedingt, dass solche Projekte zumeist nicht von Einzelpersonen, sondern von größeren Einheiten durchgeführt werden, dürften die monetären Motive aber mindestens genauso schwer wiegen. Anders als bei traditionellen Kunstwerken, die vergleichsweise ressourcenschonend geschaffen werden können, spricht der große Aufwand bei KI-Produktionen gegen ein Vorgehen aus reinem „Spaß an der Freude“. Ohne Aussicht auf zumindest Kostendeckung dürften solche Projekte wohl kaum durchführbar sein.25 Im Hinblick auf die Verwerter, deren Geschäftsmodell die lukrative Verwertung von Werken ist, dürften intrinsische Motive neben dem Interesse an der Amortisation ihrer Investitionen ganz überwiegend sogar überhaupt keine Rolle spielen. Das Argument, wonach der Urheber allein durch seinen Ruhm in ausreichendem Maße ernährt wird, greift vorliegend also nicht. Sicherlich gibt es gerade im traditionellen Bereich des Urheberrechts viele Künstler, die aus rein innerer Motivation malen, schreiben, oder komponieren, entweder in erster Linie für sich selbst als Selbstzweck, oder um der gesellschaftlichen Anerkennung oder der Einflussnahme auf die Gesellschaft wegen, ohne vorrangige monetäre Interessen.26 Empirische Untersuchungen weisen auch darauf hin, dass nur die w ­ enigsten Kunst-

23

Schack, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 123 (134). 24 Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 20 f. 25 A. A. zumindest im Hinblick auf KI-Erfindungen Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2257 (2018). 26 So etwa Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 153 ff.; Plant, in: Institute of Economic Affairs (Hrsg.), Selected Economic Essays and Addresses by Sir Arnold Plant, 1974, S. 57 (58 f.).

Kap. 1: Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts

133

schaffenden heutzutage von ihrem Werkschaffen leben können und auf andere Einnahmequellen angewiesen sind.27 Dies legt die Vermutung nahe, dass für die Mehrheit der Urheber die auf Basis des urheberrechtlichen Schutzes generierten Einnahmen keinen bedeutenden Anteil an ihrem Gesamteinkommen stellen und die vermögensrechtlichen Aspekte des Urheberrechts für sie deshalb keinen oder zumindest nicht den Hauptanreiz für ihr Schaffen entfalten.28 Während KI-Schöpfungen sich als fertiges Produkt letztlich zwar nicht von traditionellen künstlerischen Werken unterscheiden, ist ihr Schaffens- bzw. Herstellungsprozess aber grundlegend verschieden und mit ihm auch die zugrundeliegende Motivation. KI-Schöpfungen sind in ihrer Herstellung um ein Vielfaches aufwändiger als herkömmliche Kunstwerke und verschlingen damit auch ein Vielfaches mehr an Zeit, Geld und Ressourcen. Hinzu kommt, dass der eigentliche Schöpfungsakt durch die Maschine selbst erfolgt, sodass wenig Raum für persönlichen Ruhm der dahinter verblassenden menschlichen Beteiligten bleibt. Am Beispiel von „Edmond de Belamy“ wird deutlich, dass alle Welt von den Leistungen und Fähigkeiten der dahinterstehenden künstlichen Intelligenz spricht, das Künstlerkollektiv aber eher ein Schattendasein fristet. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass von menschlicher Seite rein intrinsische Motive am Werk sind, die zu den Investitionen in kreative künstliche Intelligenz führen und neben denen es keine weiteren (monetären) Anreize bräuchte. Im Fall von kreativer künstlicher Intelligenz sind die menschlichen Beteiligten, die lediglich vorbereitende und begleitende Leistungen, mithin keine schöpferischen Tätigkeiten, erbringen, vielmehr den Verwertern gleichzustellen, die den rechtlichen Schutz zur Absicherung ihrer Investitionen benötigen und damit vorrangig monetäre Interessen verfolgen. Für die Verwerterindustrie kann anders als für die Urheber mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Urheberrecht bzw. Schutzrechte ganz allgemein eine monetäre Anreizwirkung entfalten und Investitionen in die Schaffung kreativer Produkte, deren Distribution und Marketing stimuliert.29 Ohne solche Schutzrechte, die die Einräumung exklusiver Nutzungsrechte ermöglichen, ist eine sinnvolle Verwertung kaum vorstellbar (siehe hierzu bereits die Ausführungen oben im dritten Teil unter Kapitel 1, I. 3. c)). Die monetäre Anreizwirkung des immaterialgüterrechtlichen Schutzes und damit das Anreizparadigma ist daher zwar für die Urheber im traditionellen Sinne anzuzweifeln, für die Verwerterindustrie und die deren Interessen nahestehenden

27

Towse, in: Towse / K hakee (Hrsg.), Cultural Economics, 1992, S. 209 ff.; Towse, Creativity, Incentive and Reward, 2001, S. 7, 22, 53; Towse, in: Granstrand (Hrsg.), Economics, Law and Intellectual Property, 2003, S. 419 (428 f.); Kretschmer, 10 First Monday 1 (2005); Kretschmer /  Hardwick, Authors’ Earnings from Copyright and Non-Copyright Sources, 2007. 28 Gifford, 18 Cardozo Arts & Ent. L. J. 569, 612 f. (2000); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 157 f. 29 Gifford, 18 Cardozo Arts & Ent. L. J. 569, 612 f. (2000); Lessig, Freie Kultur, 2006, S. 224; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 160.

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

Trainer spielt sie jedoch eine entscheidende Rolle.30 Für deren nicht-schöpferische Tätigkeit, die auf die Zurverfügungstellung von Arbeitszeit, -kraft und Geld beschränkt ist, dürften intrinsische Motive daneben nur eine untergeordnete Rolle spielen. 2. Anreizsetzung durch Kopien überlegenes Original Vorliegend können die Nachteile eines fehlenden Schutzes für KI-Schöpfungen auch nicht durch ein den bloßen Kopien von KI-Schöpfungen überlegenes Original aufgefangen werden. Die Argumentation, wonach Kopien niemals ein echter Ersatz für den Besitz des Originals sein können, sodass dieses durch die Kopien keine Wertreduzierung erfahre, sondern im Gegenteil durch deren Existenz sogar beworben werde und eine Wertsteigerung erfahre,31 verfängt hier nicht. Zunächst stehen digitale Kopien von ursprünglich selbst digital vorliegenden KISchöpfungen dem Original qualitativ in nichts nach, sodass diese als gleichwertig anzusehen sind. Darüber hinaus wird den „Urhebern“ des Originals, selbst wenn die Existenz von Kopien dem Wert des Originals möglicherweise nicht schadet, so die Möglichkeit genommen, selbst Kopien zu angemessenen, die Entwicklungskosten berücksichtigenden, Preisen zu verkaufen. Hier ist zu berücksichtigen, dass so hohe Preise wie für „Edmond de Belamy“ nur in Ausnahmefällen erzielt werden können. Im Fall des „Edmond de Belamy“ war es die Neuartigkeit solcher Werke, die dazu geführt hat, dass sich die Bieter bei der Auktion mit ihren Angeboten förmlich überschlagen haben. Die übrigen „Belamy“-Gemälde konnten allerdings nicht mehr annähernd so hohe Preise erzielen. Ein weiteres Bild wechselte beispielsweise für nur 10.000 € den Besitzer.32 Im Regelfall reicht der Verkauf des Originals also nicht aus, um die hohen Herstellungskosten zu amortisieren. Selbst in dem Sonderfall des „Edmond de Belamy“ ist zudem zu sehen, dass das Original nur ein einziges Mal verkauft werden konnte, während über die umfassende Verwertung von Kopien noch jahrelang Einnahmen generiert werden könnten. 3. Anreizsetzung durch „first mover advantage“ Die in dieselbe Richtung gehende Argumentation, wonach der negative Effekt unkontrollierter Kopien durch Dritte dadurch abgeschwächt werde, dass Dritte eine gewisse Zeit brauchen, um mit ihren Kopien nachziehen zu können (sog. first

30 So auch Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (396); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1258). 31 Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 41. 32 Vgl. z. B. https://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/61-mal-mehr-als-gedacht-bieterzahlt-380-000-euro-fuer-ki-gemaelde/23234218.html.

Kap. 1: Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts

135

­ over advantage),33 greift vorliegend ebenfalls nicht. Durch die heutigen techm nischen Möglichkeiten ist es gerade bei Bildern und Texten ein Leichtes, diese kurzfristig und zudem in guter Qualität zu vervielfältigen, auch ohne im Besitz des Originals zu sein. Zudem bleiben die Marginalkosten Dritter zur Herstellung hochwertiger Kopien so weit hinter dem zurück, was die Trainer für die Entwicklung der KI-Systeme investieren müssen, dass sie vernachlässigbar sind. Die Übergangsphase, in der das Original frei von Konkurrenz bleibt, ist aufgrund der technischen Möglichkeiten, die im Handumdrehen qualitativ hochwertige Kopien Dritter in großer Zahl ermöglichen, daher ebenfalls nicht geeignet, die Nachteile, die die Hersteller des Originals durch billige Kopien auf dem Markt erleiden müssen, in ausreichendem Maße abzuschwächen und Gewinnrealisierungschancen für Trainer und Verwerter zu bieten.34 Da es vorliegend folglich keinen ernsthaften „first mover advantage“ gibt, besteht ein wohlfahrtsökonomisches Bedürfnis nach einem diesen substituierenden Anreizmechanismus.35 4. Refinanzierung durch Werbung Der weitere Einwand, dass der Verkauf von Kopien nicht die einzige Einnahmequelle und damit Anreizmöglichkeit für Trainer und Verwerter darstelle, sondern auch werbefinanzierte Refinanzierungsstrategien in Frage kämen,36 kann vorliegend ebenso wenig überzeugen. Anders als beispielsweise bei über das Internet veröffentlichten Artikeln, für die die Refinanzierung über auf der Webseite geschaltete Werbung aufgrund des überschaubaren Produktionsaufwands für die Artikelerstellung funktionieren mag, kann der immense Kostenaufwand für die Generierung von KI-Schöpfungen nicht allein über solche Werbeeinnahmen gedeckt werden. 5. Anreizsetzung durch Digital Rights Management Man könnte die Anreizsetzung durch ein Schutzrecht auch dadurch für obsolet geworden halten, dass Unternehmen ihre KI-Schöpfungen heute selbst über technische Schutzmaßnahmen vor unkontrollierten Übernahmen schützen können. Man

33

Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 42 f.; Siehe zu diesem sog. lead-time-Argument auch bei ihrem Begründer Plant, in: Institute of Economic Affairs (Hrsg.), Selected Economic Essays and Addresses by Sir Arnold Plant, 1974, S. 57 (61 ff.), sowie bei Breyer, 84 Harv. L. Rev. 281, 299 ff. (1970). 34 So auch Towse, Creativity, Incentive and Reward, 2001, S. 11; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 136; Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (580). 35 Vgl. Probst, 3D-Druck trifft auf Urheber- und Patentrecht, 1. Aufl. 2019, S. 48. 36 Palmer, 12 Hamline L. Rev. 261, 277, 287 ff. (1989); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 137 ff.

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

spricht hierbei vom sog. Digital Rights Management (DRM). Durch diese Art der Nutzungs- und Zugangskontrolle könnte aus dem nicht-exklusiven öffentlichen Gut ein exklusives Gut werden, ohne auf ein Schutzrecht zurückgreifen zu müssen.37 Zudem ermöglicht der Einsatz technischer Maßnahmen, dass Unternehmen unterschiedliche Preise für unterschiedliche Nutzungen verlangen können. Statt Einheitspreisen könnten diese verschiedene Preise für modifizierte Qualitäten und Quantitäten anbieten. Dies könnte zu einer Verminderung von Wohlfahrtsverlusten gegenüber durch Schutzrechte begünstigten Monopolstellungen und damit zu einer besseren Verbreitung von KI-Schöpfungen führen. Durch einen verbesserten Zugang mittels Preisdiskriminierung könnten KI-Unternehmen auch wiederum größere Erträge erwirtschaften und hätten mehr Anreiz für die weitere Produktion von KI-Schöpfungen.38 Es ist aber damit zu rechnen, dass sich auch in Zukunft ein nicht unerheblicher Teil der Auswertung von Geisteswerken weiterhin auf analogem Wege vollziehen wird.39 Gerade für Werke der bildenden Künste scheidet ein solcher technischer Schutz wohl von vornherein aus, da diese in der Regel nicht digital konsumiert, sondern in analoger Form vermarktet werden, sodass technische Schutzmaßnahmen keine Wirkung entfalten können. Selbst bei digitaler Verwertung von KI-Gemälden stellt sich die Situation nicht viel anders dar. Die gängigen technischen Schutzmaßnahmen stellen eine Art Rahmen um das Werk dar, der verhindert, dass dieses auf andere als die gewollte Art genutzt und weitergegeben werden kann. Konkret kann die Nutzung von Werken beispielsweise auf ein Gerät beschränkt werden. Dadurch kann aber nicht verhindert werden, dass das Gemälde von diesem einen Gerät beispielsweise abfotografiert wird. Im Gegensatz zu digital zugänglich gemachten Literaturwerken, für die diese Möglichkeit ebenfalls besteht, ist der Aufwand hierfür vergleichsweise gering. Auch bei diesen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Aufwand in Kauf genommen wird. Anders als bei Gemälden könnten Texte zudem auch einfach abgeschrieben oder über die Zuhilfenahme eines Diktiergeräts kopiert werden.

37 So Elkin-Koren / Salzberger, 19 Int. Rev. L. & Econ. 553, 560 (1999); Burk, 21 Cardozo L. Rev. 121, 168 ff. (1999); Benkler, 53 Vand. L. Rev. 2063, 2065 (2000); Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 2002, S. 289; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 130, 143 ff.; Unter Verweis auf die verbleibende Nicht-Rivalität Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (14). 38 Zum Ganzen Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (40). 39 Hilty, in: Perspektiven des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts, Festschrift für Gerhard Schricker zum 70. Geburtstag, 2005, S. 325 (331), weist darauf hin, dass technisch ungesicherte Vermarktungsmodelle wegen der noch vor uns liegenden langen Schutzfrist jüngerer und nach wie vor ungesicherter Produkte von Bedeutung bleiben werden; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 130, 149.

Kap. 1: Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts

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Hinzu kommt, dass keine dieser technischen Schutzmaßnahmen nicht auch auf technischem Wege umgangen werden könnte. Die Möglichkeiten technischen Schutzes sind immer abhängig vom Stand der Technik, der einem rasanten Wandel unterworfen ist,40 sodass eine Maßnahme, die gestern noch erfolgsversprechend schien, heute bereits wieder überwunden werden könnte. § 95c UrhG verbietet solche Umgehungsmaßnahmen zwar, ausgeschlossen werden können sie hierdurch allerdings nicht.41 Wie bereits oben im zweiten Teil unter Kapitel 1, VIII. angesprochen, können technische Schutzmaßnahmen ungewollte Vervielfältigungshandlungen damit zwar begrenzen oder zumindest erschweren, sodass DRM-Systeme in einem gewissen Umfang an die Stelle urheberrechtlichen Schutzes treten können. Ausgeschlossen werden können ungewollte Vervielfältigungshandlungen aufgrund der dem technischen Fortschritt geschuldeten fortwährenden Lückenhaftigkeit und der dadurch immer wieder erreichten Umgehungen dagegen nicht, sodass technische Schutzmaßnahmen das Urheberrecht zumindest auf dem aktuellen Stand der technischen Möglichkeiten noch nicht überflüssig machen.42 Das Urheberrecht bleibt zumindest als „Sicherheitsnetz“ weiterhin von Bedeutung.43 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang daneben auch die Frage, ob technische Maßnahmen überhaupt „würdig“ sind, den Platz des Urheberrechts anzutreten. Denn technische Sperren sind nicht in der Lage, nach rechtlichen Kriterien zu unterscheiden und unser ausgeklügeltes Schrankensystem umzusetzen. Informationen und Inhalte, die das Urheberrecht seinem Konzept nach einer Kenntnisnahme durch den Einzelnen nicht entziehen will, könnten so vor dem Endkonsumenten „weggesperrt“ werden.44 Es besteht dadurch die ernstzunehmende Gefahr überschießender technischer Maßnahmen, die die durch das Urheberrecht zu schaffende Balance zwischen den Interessen der verschiedenen Akteure empfindlich stören. Während DRM-Systeme für Inhalteanbieter den Urheberrechtsschutz möglicherweise ersetzen können, gilt dies jedenfalls nicht für den einzelnen Kon 40

Elkin-Koren / Salzberger, 19 Int. Rev. L. & Econ. 553, 560 f. (1999); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 143. 41 Vgl. zu den §§ 95a ff. UrhG bei Bechtold, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, 67 (69). 42 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 143; auch Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 2002, S. 289, Fn. 1510, räumt ein: „Die These, daß DRM-Systeme digitale Inhalte zum exklusiven Gut machen, hängt allerdings stark von der Sicherheit des betreffenden DRM-Systems ab“; in diesem Sinne auch Elkin-Koren / Salzberger, 19 Int. Rev. L. & Econ., 553, 560 f. (1999); a. A. wohl Yanisky-Ravid / Liu, Cardozo L. Rev., 2018, Vol. 39, 2215 (2255), die jedenfalls im Hinblick auf einen möglichen Patentrechtsschutz für KI-Systeme technische Maßnahmen für effektiver hält. 43 Bechtold, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 67 (71). 44 Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 2002, S. 374 ff.; Hilty, ZUM 2003, 983 (990, 1005); Bechtold, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 67 (71); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 703 (2017).

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

sumenten und die Allgemeinheit, die im Hinblick auf die überschießenden Tendenzen solcher technischen Maßnahmen ein interessengerechtes Schutzsystem benötigen.45 Es existieren mit den §§ 95b und d UrhG im Urheberrecht zwar Versuche, den technischen Schutz durch DRM-Systeme mit den urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen in Einklang zu bringen, diese vermögen mangels in sich stimmigen Konzepts aber bis heute nicht vollends zu überzeugen.46 Es besteht zudem die Gefahr von Wettbewerbsverhinderung, die ebenfalls Ziel von technischen Schutzmaßnahmen sein kann, den Zielen des Urheberrechts aber entgegensteht. Insofern ist auch der rechtliche Umgehungsschutz problematisch, der keine Wettbewerbskontrolle durch bestimmte Anbieter bezweckt.47 Zuletzt ist schließlich noch anzumerken, dass die Installation eines technischen Schutzes zusätzliche finanzielle Mittel und Kenntnisse erfordert. Vor allem kleinere Anbieter bleiben daher auf Schutzrechte angewiesen, um sich gegen zahlungsunwillige Nutzer ihrer KI-Schöpfungen zu wehren.48 6. Anreizsetzung durch anderweitige staatliche Förderung und Abbau regulatorischer Hemmnisse Alternativ zu einem Schutzrecht ist abschließend noch an die Anreizsetzung durch anderweitige staatliche Förderungen und den Abbau regulatorischer Hemmnisse49 für die Produktion von KI-Schöpfungen zu denken. Auch hierdurch könnte ein KI-freundlicheres Klima mit verbesserten Bedingungen für die Forschung an künstlicher Intelligenz und die Entwicklung von KI-Anwendungen geschaffen werden. Allerdings lässt sich die Anreizfunktion von Ausschließlichkeitsrechten zwar im Hinblick auf die Schaffung von Werken möglicherweise noch durch staatliche Direktleistungen, Stipendien oder Steuererleichterungen ersetzen.50 Für die darauffolgende Vermarktung solcher Werke wären staatliche Fördermaßnahmen zur Substituierung der Anreizfunktion eines Ausschließlichkeitsrechts aber unbezahlbar und überdies systemwidrig, da der Staat lediglich die kulturelle Vielfalt 45

Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 2002, S. 382; Bechtold, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 67 (72). 46 Bechtold, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 67 (73). 47 Bechtold, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 67 (78). 48 Siehe zu dieser Thematik bei Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 144. 49 Z. B. Abschaffung der immer noch bestehenden Einschränkungen des Text and Data Mining im kommerziellen Bereich; vgl. noch zur alten Rechtslage Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning  – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 15. 50 In dem Sinne ist wohl auch Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 142 zu verstehen, der trotz der Kritik staatliche Unterstützung jedenfalls als ergänzendes Instrumentarium vor allem in der Recherche- und Schaffensphase befürwortet und ihr in dieser Phase eine wirksamere Stimulation des Schaffens als durch das Urheberrecht bescheinigt.

Kap. 2: Auswirkungen auf das Verhalten der Marktakteure

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fördern, nicht aber die nötige Selektion durch die Marktgesetze von Angebot und Nachfrage außer Kraft setzen will.51 Bei einem System der staatlichen Förderung kreativen Schaffens würde zudem ein hoher administrativer Aufwand entstehen und die Gefahr von Zensur und staatlich gelenkter Kulturproduktion bestehen.52 Der Staat stünde außerdem bei der Festsetzung einer Vergütungshöhe vor dem Problem, dass er hierzu nicht über die notwendigen Informationen verfügen dürfte.53 Die staatliche Belohnung müsste die Nachfrage und damit die Bedürfnisse der Gesellschaft widerspiegeln, um wirklich effizient zu sein.54 7. Zwischenergebnis Im Ergebnis können die erörterten alternativen Anreizmechanismen im Fall von KI-Schöpfungen den mit einem Schutzrecht verbundenen Anreiz daher nicht ersetzen. Sie reichen jedenfalls nicht aus, um die Schaffung von KI-Schöpfungen in einer Weise zu fördern, dass kein Bedürfnis nach einem Schutzrecht mehr besteht. Der Ansatz der Anreiz- und Nutzenoptimierung kann daher vorliegend im Rahmen der ökonomischen Analyse eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen fruchtbar gemacht werden. Kapitel 2

Auswirkungen eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen auf das Verhalten der Marktakteure Nach Feststellung der Geeignetheit des Instruments der ökonomischen Analyse auf der Grundlage des Anreizmodells für die vorliegende Fragestellung, soll in deren Anwendung in einem ersten Schritt nach dem hypothetischen Verhalten der verschiedenen Marktakteure auf ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen hin gefragt werden. 51

Calandrillo, 9 Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L. J., 301, 344 ff. (1998); Schack, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 124 (134). 52 Breyer, 84 Harv. L. Rev. 281, 308 (1970); Gordon, 41 Stan. L. Rev. 1343, 1411 f. (1989); Netanel, 106 Yale L. J. 283, 353 ff., 358 (1996); Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 2002, S. 287, Fn. 1504; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 141; a. A. Calandrillo, 9 Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L. J., 301, 351 f. (1998), der die Gefahr staatlicher Einflussnahme aufgrund möglicher Schutzvorkehrungen für weniger problematisch hält, als dies häufig dargestellt wird; Stallberg, Urheberrecht und moralische Rechtfertigung, 2006, S. 264 hält die administrativen Kosten für wenig relevant, da ein steuerfinanziertes Belohnungssystem in bestehende Steuersysteme integriert werden könnte. 53 Calandrillo, 9 Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L. J., 301, 346 f. (1998); Shavell / van Ypersele, 44 J. L. & Econ. 525, 526, 541 f. (2001); Stallberg, Urheberrecht und moralische Rechtfertigung, 2006, S. 264; Hansen, Warum Urheberrecht? 2009, S. 141. 54 Stallberg, Urheberrecht und moralische Rechtfertigung, 2006, S. 264.

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

I. Ökonomische Verhaltensmodelle Mit den ökonomischen Verhaltensmodellen kann das Verhalten von Wirtschaftssubjekten auf die Schaffung von rechtlichen Regelungen hin vorhergesagt werden. Der Gesetzgeber kann sich ihrer bedienen, um die Folgen, die rechtliche Regelungen in der Wirklichkeit nach sich ziehen, zu bestimmen.55 Zur Verfügung stehen dabei das neo-klassische, das dieses einschränkende neo-institutionelle, sowie das moderne Verhaltensmodell. Der vorliegenden Untersuchung wird das neo-klassische Verhaltensmodell zugrunde gelegt, das die ökonomische Theorie des Rechts dominiert.56 Dieses weicht zwar insofern von der Realität ab, als es von vollständiger Rationalität und Nutzenmaximierung menschlichen Verhaltens ausgeht (sog. REM-Hypothese)57, ermöglicht aufgrund dieses Abstraktionsgrades aber Vorhersagen. Das neo-institutionelle Modell, das das Konzept einer vollständigen Rationalität und Nutzenmaximierung der Realität einschränkt, ist in solchen Fällen zugrunde zu legen, in denen es den Individuen an den für eine streng rationale Entscheidung erforderlichen Informationen fehlt, oder in denen sich die Gewinnung der erforderlichen Informationen wegen der damit verbundenen Kosten nicht lohnt.58 Anders als beispielsweise im Kollisionsrecht, das Rühl zum Gegenstand ihrer ökono­m ischen Analyse macht, und in dem die relevanten Akteure regelmäßig nicht über alle Informationen verfügen, oder deren Erlangung aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten schwierig ist,59 bedarf es für die vorliegende Analyse einer solchen Einschränkung nicht. Die hier behandelte Thematik, die sich in einem klar abgrenzbaren Rechtsgebiet abspielt, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass alle nötigen Informationen leicht verfügbar gemacht werden können, sodass den relevanten Akteuren ein streng rationales und nutzenmaximiertes Handeln unterstellt werden kann. 55

Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 131 f. Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 112. 57 Menschenbild des „home oeconomicus“, das auf den Verhaltensprämissen der Rationalität und egoistischen Nutzenmaximierung beruht, vgl. Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 116, 123; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 28 ff.; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 50, 107 ff.; diese ökonomische Annahme ist insofern unvollständig als sich Einzelne mithin abweichend verhalten und z. B. ihrem Gerechtigkeitsempfinden folgend selbst unter Inkaufnahme von höheren Kosten irrationale Entscheidungen fällen, Hilty, ZUM 2003, 983 (989); vom „homo oeconomicus“ ausgehend auch Benkler, International Review of Law and Economics 22 (2002), 81 (86): „I assume that information producers are rational, well informed about their expected costs and benefits, and engage in information production to maximize the difference between their costs (including opportunity cost of engaging in information production) and benefits.“ und in Fn. 26 bekräftigt: „In other words, I do not rely on claims about bounded rationality, or lack of information, or incommensurability between the motives of non-commercial and commercial producers.“ 58 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 116. 59 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 116. 56

Kap. 2: Auswirkungen auf das Verhalten der Marktakteure

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Das moderne Verhaltensmodell, das sowohl das neo-klassische als auch das neo-institutionelle Verhaltensmodell in Frage stellt, bietet sich vorliegend nicht als Grundlage an, da dieses auf kognitions- und verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen ist,60 vorliegend aber keine solchen empirischen Untersuchungen existieren. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass auch dieser Forschungszweig von abstrakt-generellen Annahmen ausgeht, die auf das Verhalten aller Menschen ausgerichtet sind und deshalb für den hier relevanten Bereich des Urheberrechts relativ wenig Aufschluss darüber geben können, was gerade kreatives Schaffen motiviert.61 Wie in anderen Bereichen, ist daher auch im Bereich des Immaterialgüterrechts die Grundlagenforschung aus methodologischen Gründen auf ein abstraktes Modell menschlichen Verhaltens angewiesen, um ex ante brauchbare Prognosen über die Folgen eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen liefern zu können.62 Zudem wird der Mensch in der Regel tatsächlich immer versuchen, das Beste für sich herauszuholen, sodass das neo-klassische Modell trotz seiner Schwächen eine verlässliche Methode darstellt.63 Gerade Unternehmen, die hier wohl einen Großteil der Marktakteure auf der Angebotsseite ausmachen, handeln typischerweise rational und gewinnorientiert.64

II. Hypothetisches Verhalten der Marktakteure auf der Angebotsseite Unter Zugrundelegung des Ansatzes der Anreiz- und Nutzenoptimierung sowie des neo-klassischen Verhaltensmodells würde die Gewährung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen auf der Angebotsseite des Marktes für KI-Schöpfungen dazu führen, dass Trainer und Verwerter diese zumindest kostendeckend anbieten könnten. Das Schutzrecht würde danach nämlich verhindern, dass die in KI-Schöpfungen verkörperte Leistung unter Vermeidung der hohen Entwicklungskosten von Trittbrettfahrern kostengünstig nachgeahmt und vermarktet werden könnte, sodass die Hersteller von KI-Schöpfungen einen ihren Aufwendungen angemessenen Preis auf dem Markt erzielen könnten. Damit würde ein Schutzrecht die Herstellung und Vermarktung von KI-Schöpfungen wesentlich erleichtern, wenn nicht sogar überhaupt erst ermöglichen und so zur Schaffung eines entsprechenden Angebots an KI-Schöpfungen führen. Die hohen Kosten für die Entwicklung von KI-Systemen zur Schaffung von KI-Schöpfungen würden bei der Aussicht auf ein Ausschließ 60

Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 118 f. Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 152 f. 62 Posner, in: Assmann / K irchner / Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, 1993, S. 79 (89); Eidenmüller, JZ 2005, 216 (217); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 152, 166 f. 63 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S.112 f. 64 Schmidtchen, in: Oberender, Effizienz und Wettbewerb, 2005, S. 9 (15); Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S. 72. 61

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

lichkeitsrecht und die damit verbundene Möglichkeit der Kostenamortisation eher in Kauf genommen und mehr Investitionen in die Herstellung von KI-Schöpfungen getätigt. Auf lange Sicht würde dieses so gesicherte Marktumfeld dazu beitragen, dass mehr Anbieter in diesem Bereich tätig werden, wodurch sich etwaige aus dem Schutzrecht folgende Monopolstellungen einzelner Produzenten und Anbieter von KI-Schöpfungen immer weiter abschwächen und sich in der Folge angemessene Preise auf dem Konkurrenzmarkt herausbilden würden. Trittbrettfahrer würden zudem gezwungen, von einem Imitationswettbewerb zu einem Substitutionswettbewerb überzugehen, wodurch die Immaterialgüterproduktion noch weiter ansteigen würde.65 Gleichzeitig würde ein Schutzrecht mit der Möglichkeit der Einräumung von Nutzungsrechten das Tätigwerden von Verwertern ermöglichen, die die Organisation des Angebots verbessern und damit den Zugang der Nachfrager erleichtern würden. Den Trainern bliebe durch diese Tätigkeit der Verwerter zudem mehr Zeit, sich auf ihre entwickelnde Tätigkeit zu konzentrieren und effizienter zu arbeiten, was sich im Endeffekt weiter positiv auf die Preisbildung auswirken würde. Im Hinblick auf die Befürchtung der Leugnung der maschinellen Herkunft von KI-Schöpfungen würde ein Schutzrecht, das KI-Schöpfungen auf eine Stufe mit klassischen urheberrechtlich geschützten Werken hebt, zudem einen Offenbarungsanreiz für die Anbieter setzen.

III. Hypothetisches Verhalten der Marktakteure auf der Nachfrageseite Auf der Nachfrageseite hätte ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen zunächst zur Folge, dass deren Konsumenten nicht mehr auf billige Nachahmungsprodukte ausweichen könnten und daher höhere Preise für KI-Schöpfungen in Kauf nehmen müssten. Dies könnte entsprechend dem Anreizparadigma die Nachfrage nach KI-Schöpfungen dämpfen, da diejenigen Konsumentengruppen wegfallen könnten, die nicht bereit oder in der Lage sind, einen höheren Preis für KI-Schöpfungen zu bezahlen.66 Ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen würde allerdings zugunsten aller Nachfrager am Markt bewirken, dass aufgrund der Möglichkeit der Kostenamortisation für die Anbieter mehr Unternehmen im Bereich der Entwicklung und Produktion von KI-Schöpfungen tätig würden und sich somit das Angebot vergrößern wür 65

Fiedler, Der Computerprogrammschutz und die Schutzkumulation von Urheber- und Patentrecht, 2013, S. 54. 66 Zu diesem ökonomischen Nachteil eines Schutzrechts auch Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (17).

Kap. 3: Bewertung des ermittelten Verhaltens  

143

de.67 Wie soeben unter II. ausgeführt, würden dadurch schädliche Monopolisierungseffekte verhindert, da mit der wachsenden Konkurrenz in diesem Bereich ein Zwang zu konkurrenzfähigen und damit angemessenen Preisen einherginge. Unter die Preise für nachgeahmte KI-Schöpfungen würden die sich so herausbildenden Preise zwar wohl nicht sinken, dafür würde der Markt eine größere Vielfalt an KI-Schöpfungen zu jedenfalls adäquaten Preisen hervorbringen. Hinzu kommt, dass der Öffentlichkeit so auf lange Sicht eine größere Zahl an frei zugänglichen Werken nach dem Ablauf der Schutzfrist zur Verfügung stünde.68 Es ist folglich davon auszugehen, dass die Nachfrage am Markt infolge eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen nicht nennenswert zurückgehen würde. Zum einen besteht ein wachsendes Interesse an innovativen Produkten in diesem Bereich, für das auch höhere Preise in Kauf genommen würden. Zum anderen würden sich die Preise durch das mit einem Schutzrecht einhergehende wachsende Angebot auf ein gerechtfertigtes Maß einpendeln.

Kapitel 3

Bewertung des ermittelten Verhaltens mittels ökonomischer Bewertungskriterien  In einem zweiten Schritt der ökonomischen Analyse ist dieses auf der Grundlage von Anreizparadigma und neo-klassischem Verhaltensmodell hypothetisch ermittelte Verhalten der Marktakteure auf die Einführung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen hin mittels ökonomischer Bewertungskriterien zu bewerten. Ökonomische Bewertungskriterien können als Argumentationshilfe dazu dienen, einen durch eine rechtliche Regelung geschaffenen gesellschaftlichen Zustand zu bewerten. Es geht dabei um die Frage, ob der durch ein Schutzrecht hypothetisch herbeigeführte Zustand ökonomisch effizient wäre.69 Das wohlfahrtsökonomische Effizienzprinzip, auch Allokationseffizienzprinzip genannt, kennt verschiedene Kriterien, die zum Vergleich sozialer Zustände und damit zum Vergleich rechtlicher Regelungen und ihrer Wirkungen herangezogen werden können.70 Gemeinsam ist ihnen, dass ein Zustand oder eine rechtliche Regelung immer dann als wünschenswert angesehen wird, wenn Güter und Rechte in optimaler Weise verteilt sind.71 Für die vorliegende Arbeit sollen als Maßstab

67

Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios Inc., 464 U. S. 417, 429 (1984): „Copyrighted works not only serve as an incentive to creativity, but also increase the number of works available.“ 68 Hristov, 57 IDEA 431, 438 (2016). 69 Rühl, in: Krüper, Grundlagen des Rechts, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 10. 70 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 139. 71 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 139 mit weiteren Nachweisen.

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

das (starke)72 Pareto-Kriterium sowie das darauf aufbauende und in der ökonomischen Theorie dominierende Kaldor-Hicks-Kriterium herangezogen werden.73

I. Pareto-Kriterium Nach dem Pareto-Kriterium, das den Fokus auf das einzelne Individuum legt und die Steigerung und Erhaltung individuellen Nutzens als Bewertungskriterium für effiziente Allokation ansieht, wäre eine gesetzliche Regelung zum Schutz von KI-Schöpfungen dann ökonomisch effizient und allgemein wohlfahrtssteigernd bzw. dem Zustand ohne Schutzrecht vorzuziehen, wenn sie von mindestens einem Individuum vorgezogen und von keinem abgelehnt wird.74 Dieses Kriterium allein ist allerdings insofern problematisch und deshalb durch das sogleich zu erörternde Kaldor-Hicks-Kriterium zu ergänzen, als es realistisch gesehen wohl fast keine rechtliche Regelung geben wird, die nicht für irgendein Individuum nachteilig ist. Es ist illusorisch, zu erwarten, dass eine Regelung des einfachen Rechts bei allen beteiligten Individuen eine Verbesserung und damit eine Steigerung ihres individuellen Nutzens bewirken könnte.75 Im Hinblick auf Schutzrechte seien ganz allgemein diejenigen Individuen angeführt, die ihr Auskommen durch die Übernahme fremder Leistungen haben. Die Unterbindung oder Erschwerung bis hin zur Kriminalisierung dieser Übernahme stellt für diese Individuen eine nachteilige Entwicklung dar. Bei strenger Anwendung des Pareto-Kriteriums wäre eine Veränderung des gegenwärtigen Zustands durch die Einführung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen daher nicht effizient.

72 In seiner schwachen Ausprägung spielt das Pareto-Kriterium heute keine Rolle mehr, vgl. Zerbe, Economic Efficiency in Law and Economics, 2001, Fn. 4 zu Kap. 1; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, Fn. 85. 73 Daneben gibt es noch das weniger vertretene Reichtumsmaximierungsprinzip, bei dem anstelle des individuellen Nutzens individueller Reichtum tritt. Vgl. hierfür Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 143 f. 74 Zerbe, Economic Efficiency in Law and Economics, 2001, S. 3; Reich, Die ökonomische Analyse des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, 2006, S. 42; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?; 2008, S. 26 f.; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 123 f.; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 140 f.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 48; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 13. 75 Zerbe, Economic Efficiency in Law and Economics, 2001, S. 3; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S. 27 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 141 f., 150; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 49; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökono­ mischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 12.

Kap. 3: Bewertung des ermittelten Verhaltens  

145

II. Kaldor-Hicks-Kriterium Die Ökonomen Kaldor und Hicks erweiterten das Pareto-Kriterium dahin­ gehend, dass ein Zustand gegenüber einem anderem auch dann überlegen ist, wenn einzelne Individuen zwar dagegen bzw. benachteiligt sind, diese aber von den übrigen Individuen (hypothetisch) entschädigt werden könnten, das heißt wenn die Vorteile der „Gewinner“ im Falle einer neuen rechtlichen Regelung insgesamt größer wären als die Verluste der „Verlierer“ einer solchen Regelung. Es wird also nicht jedem einzelnen Individuum ein „Veto-Recht“ zugestanden und dessen individueller Nutzen in den Vordergrund gestellt, sondern die gesamtgesellschaftliche Steigerung individuellen Nutzens.76 Ein interpersoneller Nutzenvergleich sowie kardinale Nutzenmessungen finden dabei aber nicht statt, da ein Vergleich individueller Nutzenvorstellungen schwer quantifizierbar ist und Werturteilen gleichkäme.77 Bei individuellem Nutzen handelt es sich um eine subjektive und damit schwer messbare und vergleichbare Größe.78 Vielmehr geht es um die Frage, ob der gesamtgesellschaftliche Zustand monetär messbar verbessert wird. Es wird dabei darauf abgestellt, ob eine konkrete Verhaltensweise zu Effizienzgewinnen führt, die gegebenenfalls bestehende negative Auswirkungen dieser Verhaltensweise (Ineffizienzen) ausgleichen können.79 Dabei wird eine gesamtgesellschaftliche Steigerung individuellen Nutzens dann angenommen, wenn im Rahmen einer Kosten-/Nutzenanalyse der Saldo der in Geldeinheiten zu berechnenden Vor- und Nachteile einer rechtlichen Regelung positiv ist, also der Gesamtnutzen die Gesamtkosten übersteigt.80 Eine Zustandsveränderung erfüllt das Kaldor-Hicks-Kriterium also dann, wenn der Saldo aus monetären Vor- und Nachteilen positiv ist. Genau wie bei der Nutzen­ messung führt jedoch auch die erforderliche monetäre Bewertung von Vor- und Nachteilen zu einem erheblichen Wertungs- und Messproblem.81 Um im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse Aussagen darüber treffen zu können, bis zu welchem 76

Zum Ganzen Kaldor, 49 The Economic Journal 549, 550 (1939); Hicks, 49 The Economic Journal 696, 706 (1939); Zerbe, Economic Efficiency in Law and Economics, 2001, S. 4 f.; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S. 29; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 124; Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 142 f. 77 Robbins, 48 The Economic Journal 635, 637 f. (1938); Hicks, 49 The Economic Journal, 696, 699 ff. (1939); Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S. 29 f., 81 f.; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 114; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 26 f.; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 30 f. 78 Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 143. 79 Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S. 29 f., 82. 80 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 125 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 52. 81 Reich, Die ökonomische Analyse des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, 2006, S. 46; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 125; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 54.

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

Punkt die vermuteten positiven Effekte der Anreizgewährung die damit verbundenen Nachteile der Zugangs- und Nutzungsbeschränkung überwiegen, verlangt die ökonomische Analyse methodologisch an sich eine Quantifizierung der Vorund Nachteile eines immaterialgüterrechtlichen Schutzes für KI-Schöpfungen. Praktisch ist aber nicht ersichtlich, wie Kosten und Nutzen im vorliegenden Fall empirisch ermittelt und in Geldeinheiten ausgedrückt werden sollen. Die ökonomische Bewertung kann daher vorliegend mangels empirisch ermitteltem Zahlenmaterial keine konkreten Aussagen liefern, sondern lediglich grob die Richtung für oder gegen ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen vorgeben. Mehr wird nach der vorliegenden Fragestellung von der ökonomischen Analyse aber auch gar nicht erwartet, da es nicht um die Ermittlung des exakten Balancepunktes zwischen Anreiz- und Nutzenoptimierung zur Bestimmung des konkreten Umfangs rechtlichen Schutzes geht, sondern um die ganz grundsätzliche Frage nach der generellen Geeignetheit eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen zur Auflösung des festgestellten Marktversagens.

III. Anwendung auf hypothetisch durch Schutzrecht erzeugten Zustand Nachfolgend werden die soeben dargestellten Bewertungskriterien zur Bewertung des unter Kapitel 2 ermittelten hypothetischen Zustandes des Marktes für KI-Schöpfungen nach Einführung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen herangezogen. 1. Bewertung der Veränderungen auf der Angebotsseite Entsprechend der Beschreibung oben unter Kapitel 2, II., würde die Gewährung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen auf der Seite der Entwickler und Anbieter von KI-Schöpfungen dazu führen, dass die Herstellungskosten durch deren Verwertung amortisiert werden könnten. Ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen würde daher außerhalb von nichtkommerziellen Projekten, die keinen Lebensunterhalt finanzieren müssen, ein Tätigwerden in diesem Bereich überhaupt erst ermög­ lichen. Der individuelle Nutzen in Form von Vorteilen bzw. Wohlfahrtsgewinnen auf der Angebotsseite würde durch ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen folglich eine erhebliche Steigerung erfahren. Denn wenn die Trainer und Verwerter durch die Verwertung von KI-Schöpfungen anders als in der aktuellen Situation ihre Kosten decken oder sogar überkompensieren könnten, würde dies zu einer Verbesserung ihrer Nutzenposition führen.82 Auch wenn sich Einzelpersonen und 82 Zu diesem Zusammenhang allgemein bei Stierle, Das nicht-praktizierte Patent, 2018, S. 155 f.

Kap. 3: Bewertung des ermittelten Verhaltens  

147

Unternehmen nicht immer wie rationale Wirtschaftsakteure verhalten, ist es insgesamt wahrscheinlich, dass die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Anreize zur Förderung der Entwicklung von KI-Systemen und KI-Schöpfungen einen Netto­nutzen bringen würde.83 Die sog. cost of expression, also Kosten für künftige Kreationen,84 die durch die Existenz von Schutzrechten an vorbestehenden Werken allgemein steigen, da der Zugang zu diesen eingeschränkt wird und Umgestaltungen oder Bearbeitungen von der Einwilligung des Rechtsinhabers abhängig sind, haben für den vorliegenden Gegenstand der Betrachtung keine nennenswerten Auswirkungen und können nicht als ökonomischer Nachteil eines Schutzrechts in die Untersuchung eingepreist werden. Dieser die Kehrseite der Anreizgewährung beschreibende Kritikpunkt geht nämlich von dem Grundsatz aus, dass bereits bestehende Werke als notwendige Information für weitere zu schaffende Werke erforderlich sind. Dies ist bei KI-Schöpfungen im Gegensatz zu traditionellen urheberrechtlich geschützten Werken allerdings nicht der Fall. Während sowohl Werke der bildenden Künste, Literaturwerke als auch Musikwerke bewusst oder unbewusst immer auch auf bereits Geschaffenem aufbauen,85 sodass ein erhöhtes Schutzniveau mit damit einhergehenden Kosten der Informationsbeschaffung sich negativ auf die Menge oder jedenfalls die Vielfalt neuer Schöpfungen auswirken, bauen neue KISchöpfungen in der Regel nicht auf vorherigen KI-Schöpfungen auf. Wir haben im ersten Teil unter Kapitel 4 gesehen, dass der wesentliche Unterschied zwischen KI-Schöpfungen und traditionellen Kunstwerken in dem unterschiedlichen Herstellungsprozess liegt. Anders als herkömmliche urheberrechtlich relevante Werke bauen KI-Schöpfungen in der Regel nicht auf anderen KI-Schöpfungen auf, sondern sind das Ergebnis der Auseinandersetzung mit traditionellen Werken. Dem künstlichen neuronalen Netz (im Falle von GANs dem Diskriminator), wird mit den Trainingsdaten eine große Bandbreite an traditionellen Werken zur Verfügung gestellt, anhand derer dieses menschliches Kunstschaffen studiert und (bei GANs in Zusammenarbeit mit dem Generator) adaptiert. Bereits existierende KI-Schöpfungen spielen für diesen Schaffensprozess bisher keine Rolle, sodass ein Schutz für KI-Schöpfungen keine Auswirkungen auf das Schaffen weiterer KI-Schöpfungen hätte. Hierfür ist allein das Schutzrechtsniveau traditioneller Werke maßgeblich, die die Kosten für die Erstellung der Trainingsdatensätze bestimmen. Die Anreizgewährung zur Produktion von KI-Schöpfungen durch Schutzgewährung für diese sollte daher im Regelfall nicht zulasten der Schaffung neuer KI-Werke 83

Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1106 (2016). Geprägt wurde dieser Begriff durch Landes / Posner, 18 Journal of Legal Studies 325, 327 (1989); Siehe hierzu auch Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (18); Benkler, 22 International Review of Law and Economics 81 (2002), der anders als die meisten berücksichtigt, dass eine Schutzrechtsgewährung unterschied­ liche Auswirkungen auf unterschiedliche Strategien der Produktion von Kreativgütern hat. 85 Vgl. die bekannte und Newton zugeschriebene Äußerung „If I have seen further it is by standing on the shoulder of giants.“ 84

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

gehen.86 Denkbar wäre eine Auswirkung lediglich bei der theoretisch möglichen Verwendung von KI-Werken für die Trainingsdatensätze, die bisher nicht praktiziert wird, sowie im hier nicht relevanten Bereich des klassischen menschlichen Kunstschaffens, wenn dort auf KI-Werke zurückgegriffen wird. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass bei einem Schutzrecht für KI-Schöpfungen das zugrundeliegende KI-System und damit die den Fortschritt in der KIForschung antreibende Technik von jeglicher Beschränkung frei bliebe und für neu hinzutretende Hersteller von KI-Schöpfungen daher zugänglich wäre.87 Die KI-Schöpfungen selbst sind für die technische Weiterentwicklung nicht relevant. Ihr Schutz gefährdet daher nicht die Innovationsfunktion des Marktes und damit die Wohlfahrt. Im Gegenteil könnte ein Schutz für KI-Schöpfungen die dahinterstehenden KI-Systeme sogar wertvoller machen und damit einen Anreiz zur Weiterentwicklung dieser Systeme setzen, wodurch der technische und kulturelle Fortschritt weiter vorangetrieben würde.88 Aufgrund der menschlichem Schaffen sehr ähnlichen Herangehensweise von künstlicher Intelligenz, die zu menschlichen Leistungen in qualitativer Hinsicht ebenbürtigen Ergebnissen führt, kann entgegen Loewenheim und Leistner in der Schutzgewährung für KI-Schöpfungen auch keine Gefahr einer auf die Quantität kreativen Outputs verkürzten Orientierung gesehen werden, die kreative Diversität vermissen lässt und damit zu einer für die Gesamtwohlfahrt kontraproduktiven Uniformisierung kreativen Schaffens führen könnte.89 Im Gegenteil würde eine derart protektionistische Einstellung gegenüber dem durch künstliche Intelligenz vermittelten kreativen Fortschritt vielmehr zu den im dritten Teil beschriebenen gesamtgesellschaftlichen Nachteilen führen.90

86

So die Annahme bei Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (20): „In dem Maße, wie die Schaffung künftiger Werke gefördert wird, wird die Verbreitung bestehender und mittelbar auch die Erzeugung neuer Geistesprodukte gehemmt.“ und diesem folgend Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 133. 87 Zu der Problematik der Behinderung technischer Weiterentwicklung durch Immaterialgüterrechte siehe Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 25. 88 Für das Patentrecht Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (334). 89 Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 42 verneinen aus diesem Grund eine Schutzgewährung für KI-Schöpfungen; in diese Richtung auch Schönberger, ZGE 2018, 35 (47): „Would art not degenerate to a mere commodity, producible and consumable upon pushing a button?“. 90 WIPO, Revised Issues Paper on Intellectual Property and Artificial Intelligence, 2020, S. 7 stellt in diesem Zusammenhang, ohne bereits eine Bewertung vorzunehmen, die durch eine Schutzversagung gegebene Besserstellung menschlicher gegenüber maschineller Kreativität der durch eine Schutzgewährung bedingten höheren Verfügbarkeit von kreativen Werken für den Konsumenten gegenüber, der jedenfalls unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Vorzug gegeben werden sollte.

Kap. 3: Bewertung des ermittelten Verhaltens  

149

2. Bewertung der Veränderungen auf der Nachfrageseite Parallel zur Verbesserung der Nutzenposition der Trainer und Verwerter durch die Gewährung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen, würde sich durch das dadurch mögliche Angebot von KI-Schöpfungen auch die Nutzenposition der Nachfrager insofern verbessern, als diese in ihrem Bedürfnis nach Innovation und gesellschaftlichem Fortschritt befriedigt würden.91 Mit der Entstehung von Angebot infolge der Gewährung eines Schutzrechts stiege damit gleichzeitig auch der Wohlfahrtsgewinn der Konsumenten auf der Nachfrageseite. Diese Verbesserung der Nutzenposition der Nachfrager würde die negativen Auswirkungen auf deren Nutzenposition durch die mit der Gewährung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen einhergehenden Beschränkungen bei dem Zugriff auf diese, die dadurch nicht mehr völlig frei genutzt und vervielfältigt werden könnten, überwiegen. Denn dem Wohlfahrtsverlust der Nachfrageseite durch die Ermöglichung einer Monopolmacht auf Seiten der Anbieter stünde mit der auf ein Schutzrecht hin zu erwartenden Vergrößerung des Angebotes an KI-Schöpfungen ein diesen übersteigender Wohlfahrtsgewinn durch Effizienzsteigerung gegenüber. Zwar könnte es durch ein Ausschließlichkeitsrecht auch zu einem Wohlfahrtsverlust durch Unternutzung kommen, weil für einige potentielle Konsumenten das für die Werknutzung geforderte Entgelt zu hoch ist, sodass Nutzungen unterbleiben, die aufgrund der Nicht-Rivalität immaterieller Güter eigentlich getätigt werden könnten.92 Diese suboptimale Ressourcenverwendung würde vorliegend aber durch den positiven Effekt des Wohlfahrtsgewinns durch das zu erwartende größere und vielfältigere Angebot von KI-Schöpfungen ausgeglichen, wenn nicht sogar überkompensiert. Eine Verschlechterung der Nutzenposition durch schädliche Monopolisierungseffekte würde zudem dadurch abgeschwächt, dass mit einem wachsenden Angebot auch Preiskonkurrenz auf der Angebotsseite und damit die Herausbildung stabiler und angemessener Marktpreise verbunden wäre. Ein Schutzrecht würde Wachstum auf dem Markt für KI-Schöpfungen ermöglichen, sodass etwaige Monopolstellungen einem Konkurrenzmarkt weichen würden. Ein wirtschaftliches Monopol infolge eines Ausschließlichkeitsrechts entstünde ohnehin nur, wenn es auf dem betreffenden Markt für KI-Schöpfungen nur einen einzigen Anbieter gäbe, der damit keinem Wettbewerb ausgesetzt wäre. Vorliegend wäre außerdem bereits fraglich, ob KI-Schöpfungen überhaupt einen eigenen Markt bilden, da sie abgesehen von ihrem speziellen Herstellungsprozess am Ende traditionellen Werken gleichen, die folglich als Substitute angesehen werden könnten.93 Ein Wohlfahrtsverlust 91

Zu diesem Zusammenhang allgemein bei Stierle, Das nicht-praktizierte Patent, 2018, S. 155 f. Landes / Posner, 18 Journal of Legal Studies 325, 335 (1989); Lemley, 75 Texas Law Review 989, 996 ff. (1997); Cohen, 53 Vand. L. Rev. 1799, 1801 ff. (2000); Peukert, in: Hilty /  Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (17). 93 Zu diesem Gesichtspunkt ganz allgemein Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (18). 92

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

durch Monopolisierung, die über die derzeit hinsichtlich der von Menschenhand geschaffenen Kulturgüter bestehende Monopolisierung hinausgeht, ist durch ein Schutzrecht für KI-Schöpfungen daher nicht zu befürchten.94 3. Nutzensaldo Wie soeben festgestellt, würden etwaige Wohlfahrtsverluste auf der Seite der Nachfrager durch den Zwang, für die Nutzung von KI-Schöpfungen einen angemessenen Preis zu bezahlen, durch die mit der steigenden Verfügbarkeit und Vielfalt von KI-Schöpfungen verbundenen Wohlfahrtsgewinne ausgeglichen. Auch auf der Angebotsseite ist von einem deutlichen Überwiegen der Wohlfahrtsgewinne durch ein Schutzrecht auszugehen. Die zwei Voraussetzungen der Wohlfahrtssteigerung, potenzielle Innovationsnachfrage und Kostendeckung des Schutzrechts­ inhabers, wären damit erfüllt.95 Die positiven Effekte der Anreizgewährung würden die mit ihr verbundenen Nachteile der Zugangsbeschränkung überwiegen, sodass die Gefahr suboptimaler Verbreitung von Werken zugunsten der Beseitigung des Marktversagens in Kauf genommen werden könnte.96 Dies bedeutet, dass der Nutzengewinn insgesamt höher ausfällt als etwaige Nutzenverluste, sodass die Schaffung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen den gesamtgesellschaftlichen Nutzen steigern und entsprechend dem angewandten Kaldor-­Hicks-Kriterium als ökonomisch effizient zu bewerten wäre. Ohne konkrete Zahlen über das Verhältnis von Effizienzgewinnen gegenüber Effizienzverlusten nennen zu können, zeichnet sich als Ergebnis der ökonomischen Analyse ein deutlich positiver Saldo zugunsten eines Schutzrechts ab. Kapitel 4

Integrative Berücksichtigung des Ansatzes der Transaktionskostenökonomik Zur Überprüfung des unter Anwendung des Ansatzes der Anreiz- und Nutzenoptimierung gewonnenen Ergebnisses soll abschließend integrativ der Ansatz der Transaktionskostenökonomik Berücksichtigung finden. Dieser berücksichtigt die im Wirtschaftsprozess anfallenden Transaktionskosten und kommt so zu realitäts 94 So für Patente wohl auch Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (334). 95 Siehe zu diesen Voraussetzungen bei Stierle, Das nicht-praktizierte Patent, 2018, S. 155. 96 Allgemein zum angemessenen Ausgleich zwischen Unterproduktion und Unternutzung als Aufgabe des Gesetzgebers Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 2002, S. 298 f.; Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (20); Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 132 f.

Kap. 4: Integrative Berücksichtigung der Transaktionskostenökonomik

151

näheren Ergebnissen.97 Mit seiner Hilfe soll untersucht werden, inwiefern durch ein Schutzrecht zu erwartende Transaktionskosten die ermittelten Effizienzgewinne negativ beeinträchtigen, um sicherzustellen, dass durch einen staatlichen Eingriff nicht nur eine Quelle von Ineffizienz gegen eine andere eingetauscht wird.98 Auch ohne das Vorliegen von Daten über die exakte Höhe der einzelnen anfallenden Transaktionskosten ist ein gewisser Erkenntnisgewinn durch die Anwendung dieses Ansatzes als Korrektiv bzw. zur Verifizierung des bisher gewonnenen Ergebnisses zu erwarten.99 Die Transaktionskostenökonomik wird zumeist dann herangezogen, wenn das Marktversagen auf prohibitiv hohen Transaktionskosten beruht und ein staat­licher Eingriff zu deren Senkung eingesetzt werden soll.100 Die Grundaussage der Trans­ aktionsökonomik besagt, dass der Staat durch die Schaffung von Regeln Transak­ tionskosten senken kann, um auf diese Weise die Zahl der erwünschten Transaktio­ nen zu erhöhen.101 Es geht darum, bestimmte Transaktionen beispielsweise durch Schrankenregelungen oder die Schaffung von Nutzungsrechten erst zu ermög­ lichen und hilft bei der Entscheidung, ob die erwünschten Markttransaktionen eher durch Verbotsrechte (property rule) oder Vergütungsansprüche (liability rule) erreicht werden können.102 Es geht dabei also weniger um die grundlegende Frage nach dem „Ob“ eines Schutzes, sondern vielmehr bereits um die Frage nach dem „Wie“ der Ausgestaltung eines solchen Schutzes. Vorliegend beruht das Marktversagen auf der Eigenschaft von KI-Schöpfungen als öffentlichen Gütern, sodass sich grundsätzlich der gewählte Ansatz der Anreizund Nutzenoptimierung besser für die Frage eignet, ob ein Schutzrecht geeignet ist, das festgestellte Marktversagen aufzulösen. Der Ansatz der Transaktionskostenökonomik erlangt in dieser Situation aber als Korrektiv bzw. zur Verifikation insofern Bedeutung, als danach gefragt werden kann, ob die Effizienzgewinne durch den staatlichen Eingriff die mit diesem verbundenen Markttransaktionsund Interventionstransaktionskosten übersteigen.103 Denn nur wenn die Kosten der staatlichen Intervention geringer sind als die aus ihr resultierenden Wohlfahrtsgewinne, ist die Einführung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen wirklich zu befürworten. Der Gesamtnutzen des Schutzrechts ist folglich um die damit verbundenen Interventionskosten nach unten zu korrigieren.104 97 Reich, Die ökonomische Analyse des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, 2006, S. 57 f.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 91 ff. 98 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 67. 99 Siehe hierzu Richter / Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 65 ff. 100 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 211. 101 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 200. 102 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 211. 103 Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 173; Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 15. 104 Probst, 3D-Druck trifft auf Urheber- und Patentrecht, 1. Aufl. 2019, S. 48; Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2240 (2018).

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4. Teil: Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen 

Markttransaktionskosten sind die Kosten, die durch die Übertragung von Ressourcen auf Märkten entstehen, also zum Beispiel Vertragsanbahnungs-, Vereinbarungs-, Vertragsanpassungs-, Kontroll- und Durchsetzungskosten, und dadurch den Wert eines Immaterialgüterrechts schmälern können.105 Für eine effiziente Ressourcenallokation sind diese Kosten so gering wie möglich zu halten.106 Wenn durch ein Schutzrecht eine Situation entsteht, in der wegen aufwendiger Transaktionen zwischen Rechtsinhaber und Nutzer eigentlich mögliche Nutzungen von nicht knappen Ressourcen unterbleiben, spricht man von der „tragedy of the anticommons“.107 Interventionstransaktionskosten sind die Kosten, die aus der Errichtung und der Erhaltung von Institutionen durch den Staat entstehen.108 Dazu gehört die gesamte Infrastruktur, die für die Einführung und Unterhaltung des Schutzrechts erforderlich ist. Einführungskosten sind die Kosten, die bis zum Inkrafttreten des Schutzrechts anfallen. Zu den Unterhaltungskosten gehören laufende Kosten wie die Unterhaltung von Ämtern und die Inanspruchnahme von Gerichten in Konfliktfällen. Laufende Interventionstransaktionen, die durch die Klärung noch offener Rechtsfragen durch die Gerichte entstehen, nehmen mit der Zeit ab, da mit einer gefestigten Rechtsprechung weniger Klärungsbedarf besteht.109 Mangels empirischer Untersuchungen lassen sich zwar ex ante keine exakten Aussagen treffen. In Anbetracht der Tatsache, dass ohne ein Schutzrecht aufgrund der Eigenschaft von KI-Schöpfungen als öffentlichen Gütern die erwünschten Markttransaktionen aber auf jeden Fall be- oder sogar verhindert würden, weil die Anbieter nicht bereit wären, KI-Schöpfungen überhaupt zu schaffen, stellt die sog. tragedy of the anticommons in der vorliegenden Situation keine ernsthafte Bedrohung dar. Mühsamere Transaktionen sind immer noch besser als gar keine Transaktionen. Genauso wie die Pflicht zur Entrichtung von Nutzungsentgelten auf der Nachfrageseite die durch die Stärkung der Angebotsseite zu erwartenden Wohlfahrtsgewinne wohl nur unwesentlich beeinträchtigen würde, würden daher die mit einem Schutzrecht für KI-Schöpfungen einhergehenden höheren Markttransaktionskosten ebenfalls zu keinen einschneidenden Verlusten bei den Effizienzgewinnen führen. Die Interventionstransaktionskosten des Staates und ihre Auswirkungen auf die ermittelten Wohlfahrtsgewinne hängen von der Art der Regelung des Schutz 105

Richter / Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 55 f., 58 ff. Probst, 3D-Druck trifft auf Urheber- und Patentrecht, 1. Aufl. 2019, S. 36. 107 Peukert, in: Hilty / Peukert (Hrsg.), Interessenausgleich im Urheberrecht, 1. Aufl. 2004, S. 11 (18 f.); zu dieser Problematik auch Coase, in: Assmann / K irchner / Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, 1993, S. 129 (148 ff.). 108 Benkler, 22 International Review of Law and Economics 81, 82 (2002); Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003, S. 18; Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009, S. 132; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 109 f.; Probst, 3D-Druck trifft auf Urheber- und Patentrecht, 1. Aufl. 2019, S. 49. 109 Zum Ganzen Probst, 3D-Druck trifft auf Urheber- und Patentrecht, 1. Aufl. 2019, S. 49. 106

Kap. 5: Ergebnis  

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rechts für KI-Schöpfungen ab. Bei der Einordnung in ein bereits bestehendes Regelungssystem würden die Interventionstransaktionskosten sich wohl auf ein vernachlässig­bares Maß belaufen, während gravierende Abänderungen eines bestehenden Systems oder gar die Erschaffung eines ganz neuen Regelungskomplexes einen größeren Aufwand nach sich ziehen würden. Im Hinblick auf die durch einen Schutz von KI-Schöpfungen zu erwartenden großen Wohlfahrtsgewinne können und müssen diese Interventionstransaktionskosten aber in Kauf genommen werden. Schließlich geht es vorliegend nicht lediglich um die Verbesserung eines an sich funktionierenden Marktgefüges, sondern um Starthilfe für einen sich derzeit noch in der Entstehung befindenden, aber mangels rechtlicher Unterstützung bereits gefährdeten Zukunftsmarkt, der für das Fortkommen unserer Gesellschaft unabdingbar ist. Auch die Berücksichtigung des Ansatzes der Transaktionskostenökonomik als Korrektiv zu den mittels des Ansatzes der Anreiz- und Nutzenoptimierung gewonnenen Erkenntnissen führt daher zu keinem anderen Schluss hinsichtlich der Eignung eines Schutzrechts für KI-Schöpfungen zur Auflösung des bestehenden Marktversagens. Kapitel 5

Ergebnis  Als Ergebnis des vierten Teils ist daher zu dem Schluss zu kommen, dass dem mangels ausreichender Schutzmöglichkeiten aktuell bereits bestehenden bzw. in naher Zukunft noch deutlicher zu spürenden Marktversagen auf dem Markt für KISchöpfungen, das ein Schutzbedürfnis von KI-Schöpfungen offenbart hat, durch ein Schutzrecht für diese wirkungsvoll begegnet werden könnte.110

110

Zu diesem Ergebnis, allerdings ohne nähere Prüfung, kommt auch Lewke, InTer 2017, 207 (215 f.); Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 23 halten einen Immaterialgüterrechtsschutz für KI-Erzeugnisse allgemein jedenfalls theoretisch für gerechtfertigt, verlangen aber eine Einzelfallbetrachtung wie sie in dieser Arbeit speziell für KI-Schöpfungen erfolgt ist.

Fünfter Teil

Integration des Schutzes von KI-Schöpfungen in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze Die Untersuchungen des vorangegangenen Teils haben die Schutzbedürftigkeit von KI-Schöpfungen offenbart, der durch ein staatliches Eingreifen in Form einer Schutzregelung für KI-Schöpfungen wirksam begegnet werden könnte. Gegenstand dieses fünften Teils ist nunmehr die Frage, wie eine solche gesetzliche Regelung aussehen könnte und müsste. Kapitel 1

Lösung über das Urheberrecht Dabei soll zunächst untersucht werden, ob KI-Schöpfungen, die rein äußerlich von urheberrechtlich geschützten Werken oft gar nicht zu unterscheiden sind, in unser deutsches Urheberrecht integriert werden könnten bzw. welche Veränderungen unseres Urheberrechts für eine solche Integration notwendig wären. Nachdem die bestehenden Regelungen des deutschen Urheberrechts, insbesondere auch die Sondervorschriften für Computerprogramme, keinen Schutz für KI-Schöpfungen ermöglichen (vgl. oben im zweiten Teil), soll im Folgenden nach einer kurzen Auseinandersetzung mit den das deutsche Urheberrecht tragenden Begründungsansätzen die Schaffung eines neuen Urheberrechts für einen der menschlichen Beteiligten, oder sogar die künstliche Intelligenz selbst, diskutiert werden.

I. Urheberrechtliche Begründungsansätze Bevor einzelne Lösungsansätze zum Schutz von KI-Schöpfungen im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem deutschen Urheberrecht diskutiert werden können, muss zunächst geklärt werden, auf welchem rechtsphilosophischen Fundament dieses gründet. Für die Rechtfertigung des Urheberrechts existieren vor allem individualistische und utilitaristische Begründungsansätze.

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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1. Individualistische Begründungsansätze Die in den kontinentaleuropäischen droit d’auteur-Systemen und damit auch im deutschen Urheberrecht vorherrschenden individualistischen Begründungsansätze rechtfertigen das Urheberrecht mit der Persönlichkeit des Urhebers, die dieser in seine Werke investiert.1 Damit ist die Betonung der künstlerischen Subjektivität gemeint, bei der der Werkautor als Genie im Vordergrund steht.2 Das Werk steht dem Urheber nicht nur als ein wirtschaftlich verwertbares Gut, sondern gleichzeitig als Kind seines Geistes zu, mit dem ihn ein ideelles Band verbindet.3 Es geht nicht um den Schutz des Werkes als Ergebnis des Schaffensprozesses, sondern um den Schutz des Urhebers in den ideellen Beziehungen zu seinem Werk.4 Die individualistischen Begründungsansätze widmen sich damit ganz dem Schutz der Schöpferpersönlichkeit und stellen die Wahrung von deren Rechten in den Mittelpunkt der Urheberrechtskonzeption.5 2. Utilitaristische Begründungsansätze Die utilitaristischen Begründungsansätze, die sich im anglo-amerikanischen Raum für das Copyright durchgesetzt haben, beruhen dagegen auf den ökono­ mischen Überlegungen, dass sich ohne Urheberrecht kein angemessener Marktpreis herausbildet und in der Folge kein Anreiz zur Schaffung von Kunstwerken besteht.6 Der Utilitarismus bezeichnet eine Lehre, die im Nützlichen die Grundlage des sittlichen Verhaltens sieht und ideelle Werte nur anerkennt, sofern sie dem Einzelnen oder der Gemeinschaft nützen.7 Normen werden im Utilitarismus nach dem 1

Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 (143 f.); Schack, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 123 (124); Ginsburg, IIC (2018) 49, 131 (134); Maggiore, in: Bonadio /  Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (386 ff.). 2 v. Schoenebeck, Moderne Kunst und Urheberrecht, 2003, S. 41 f.; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 54; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 1 Rn. 7; Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (224 f.); Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (386); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (250); Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 8. 3 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 1980, § 2 I. 2. 4 Amtl. Begr. BT-Drs. IV/270, S. 37; Brutschke, Urheberrecht und EDV, 1972, S. 45 f.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 1 Rn. 25; Lauber-Rönsberg, Vortrag auf der GRUR-Jahrestagung am 28. 09. 2018 mit dem Titel „Automatisierte Schöpfung – Urheberschaft und Schutzfähigkeit; Ahlberg, in: Möhring / Nicolini, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, Einführung Rn. 14. 5 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 76. 6 Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 (144). 7 https://www.duden.de/rechtschreibung/Utilitarismus.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

Nutzen bewertet, den sie für die Gesellschaft haben.8 Im Vordergrund stehen daher nicht die Person des Urhebers, sondern Nützlichkeitserwägungen wie Gewinnmaximierung, Wirtschafts- und Kulturförderung.9 Das Urheberrecht soll danach wirtschaftliche Investitionen schützen und nicht den Schöpfer des Werkes belohnen. 3. Deutscher Weg Das anthropozentrische Weltbild des deutschen Urheberrechtsgesetzes knüpft noch an das „Genieideal“ des 18. und 19. Jahrhunderts an, als man Werke ohne menschlichen Veranlasser und ohne menschliche Prägung noch für undenkbar hielt.10 Unser Urheberrecht ist daher hinsichtlich seiner Schutzvoraussetzungen und seines Schutzumfangs auf den Schutz menschlichen Schaffens zugeschnitten. Nur Menschen können danach geistiges Eigentum schaffen.11 Dies folgt zum Beispiel deutlich aus der Anknüpfung der Schutzfrist an den Tod des Urhebers, sowie aus der Anerkennung von Urheberpersönlichkeitsrechten, die eine Rechtezuweisung an juristische Personen oder Maschinen nicht rechtfertigen können.12 Der Zweck des Urheberrechtsgesetzes besteht im Schutz des Urhebers.13 Die beiden zentralen Begründungspfeiler des deutschen Urheberrechts sind danach das Schöpferprinzip und der auf die persönliche Prägung abstellende Urheberbegriff.14 Auf den Schöpfungsakt konzentriert kann nach dem Schöpferprinzip Urheber nur die natürliche Person sein, die das Werk geschaffen hat, da nach § 7 UrhG Schöpfer und damit Urheber gemäß § 2 Abs. 2 UrhG nur derjenige sein kann, der eine „persönliche geistige Schöpfung“ erbringt, also im Werk menschlichen Geist zum Ausdruck bringt.15 Diese persönlichkeitsrechtliche Komponente des Urheberrechts kann sich auch auf Art. 1, 2 Abs. 1 GG stützen.16 Hinzu kommt die auf die naturrechtliche Arbeitstheorie von John Locke zurückgehende Überlegung, dass die Schöpfer geistiger Güter genauso wie die Schöpfer körperlicher Güter entlohnt werden müssen und ihr Eigentum an den von ihnen 8

Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479 (482). Schack, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 123 (132 f.); Ginsburg, IIC (2018) 49:131 (134); Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 9. 10 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (225). 11 Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (441). 12 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (225 f.); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (245). 13 Amtl. Begr. BT-Drs. IV/270, S. 37. 14 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222. 15 Loewenheim / Peifer, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 7 Rn. 1 f.; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Rn. 2. 16 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 10. 9

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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geschaffenen Werken geschützt werden muss.17 Dementsprechend gilt das geistige Eigentum auch als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG.18 Durch die Anerkennung eines Ausschließlichkeitsrechts an ihren geistigen Schöpfungen werden Urheber anderen Marktteilnehmern gleichgestellt.19 Diese persönlichkeits- und eigentumsrechtlichen Aspekte spiegeln sich auch in der Formulierung von § 11 S. 1 UrhG wider, der den Urheber sowohl in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk als auch in dessen Nutzung schützt. Zwar regelt § 11 S. 2 UrhG, dass das Urheberrecht zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes dient, im Vordergrund stehen aber die ideellen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk, was auch durch die Unübertragbarkeit eines urheberpersönlichkeitsrechtlichen Kerns in § 29 Abs. 1 UrhG zum Ausdruck kommt.20 Das Urheberpersönlichkeitsrecht bleibt grundsätzlich beim Urheber, möglich ist nur eine Verfügung über die Verwertungsrechte durch Einräumung von Nutzungsrechten und Abtretung von Vergütungsansprüchen mittels schuldrechtlicher Urheberrechtsverträge.21 Dadurch wird der Urheber an den wirtschaftlichen Früchten beteiligt, die andere aus der Nutzung seines Werkes ziehen, sodass dem Urheberrecht eine Entlohnungs- und Versorgungsfunktion zukommt.22 Während einige Stimmen in der Literatur weiterhin den personalistischen Kern unseres deutschen Urheberrechts hervorheben und an diesem festhalten,23 sehen andere das Urheberrecht als Recht der Kulturwirtschaft an, das deren Produktionsweisen und Marktbedingungen gerecht werden muss und daher nicht mehr den Urheber als allein maßgebliche Leitfigur haben kann.24 Durch den in den letzten Jahrzehnten rasant angestiegenen Einsatz von Computern hat sich die Logik des Urheberrechtsschutzes zunehmend von der Person des Urhebers auf das Unternehmen, das die Investitionslast trägt, verlagert.25 Der Eingang wirtschaftlicher Aspekte in das deutsche Urheberrecht und dessen Entwicklung hin zum Wirt 17 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 8; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1257); Wang, in: Dederer / Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (86). 18 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 10. 19 Schack, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 123 (129, 137). 20 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorb. zu §§ 12 ff. Rn. 1. 21 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 1980, § 1 IV. 22 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 1 Rn. 11. 23 Vgl. z. B. Schack, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 123 (138 ff.): „Das Urheberrecht ist und bleibt ‚das Recht des schöpfe­ rischen Geistes‘.“; „Mein Ergebnis lautet in einem Satz: Das Urheberrecht schützt die Freiheit und Würde des schöpferischen Individuums; sie allein rechtfertigen das Urheberrecht als Ausschließlichkeitsrecht.“ 24 Vgl. z. B. Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 4; Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479. 25 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 343.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

schaftsrecht wird insbesondere durch den gemeinschaftsrechtlichen Einfluss vorangetrieben.26 Bereits das „Grünbuch über Urheberrecht und die technolo­gische Herausforderung  – Urheberrechtsfragen, die sofortiges Handeln erfordern“ von 198827 vertrat einen wirtschaftspolitischen Ansatz und wurde in der Literatur dafür als „Urheberrecht ohne Urheber“ kritisiert.28 Trotz vermehrter Berücksichtigung der schöpferischen Tätigkeit im Nachgang dieser Kritik durch die Kommission29 orientieren sich auch die seitdem ergangenen Richtlinien mehr in Richtung Copy­ right. Vor allem die Computerprogramm-Richtlinie von 1991 und die DatenbankRichtlinie von 1996 stellen wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund.30 Die Entwicklung des Urheberrechts ist damit bereits in der Vergangenheit durch die Reaktion auf neue technische Herausforderungen und die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen geprägt worden.31 Neuere Forschungsrichtungen wie die oben angewandte ökonomische Analyse tendieren ebenfalls zu einer stärkeren Berücksichtigung utilitaristischer Aspekte.32 Einige halten die Entwicklung unseres Urheberrechts hin zu einem utilitaristisch geprägten Schutzrecht wie dem US-Copyright gar für ein unumkehrbares Faktum, unabhängig davon, ob diese begrüßt oder bedauert wird.33 Diese Entwicklung des deutschen Urheberrechts weg von der Person des Schöpfers hin zu einem stärker wirtschaftlich orientierten Schutzrecht könnte die Integration von KI-Schöpfungen erleichtern. Ob die bislang erfolgte Öffnung des deutschen Urheberrechts in Richtung wirtschaftlich geprägter Schutzregelungen insofern aber ausreichend ist, wird im Folgenden noch zu zeigen sein.

26 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 1; Wang, in: Dederer / Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (86 f.). 27 KOM (88) 172 endg. v. 07. 06. 1988. 28 Quack / Vieregge, GRUR 1989, 183; Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 f., Fn. 4; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 7 Rn. 142. 29 Siehe hierzu bei Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 7 Rn. 142 ff.; Leistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 96. 30 Vgl. die Erwägungsgründe 2 und 3 zu Richtlinie 91/250/EWG in ABl. L 122 v. 17. 05. 1991, S. 42, sowie die Erwägungsgründe 7 ff. zu Richtlinie 69/9/EG in ABl. L 77 v. 27. 03. 1996, S. 20. 31 Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 3. 32 Siehe z. B. bei Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 2002, S. 282; Bechtold, GRUR Int. 2008, 484; Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479 (482); Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 (143 ff.); Schack, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 123 (132 ff.); Loewenheim, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 9, 11, 18. 33 Vgl. z. B. Dreier, CR 2000, 45 (46); Ohly, in: Depenheuer / Peifer, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, S. 141 f.; Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479 f.

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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II. Urheberrecht für einen der menschlichen Beteiligten Ausgehend von diesem Wissen über unser vorwiegend individualistisch geprägtes Urheberrecht soll nachfolgend zunächst untersucht werden, ob die Lösung zur Integration von KI-Schöpfungen in das deutsche Immaterialgüterrecht die Schaffung eines neuen Urheberrechts für einen der menschlichen Beteiligten sein kann, bevor die künstliche Intelligenz selbst als potenzielle Schutzrechtsinhaberin in den Fokus genommen wird. Dabei werden die in der Europäischen Union, den anglo-amerikanischen Rechtskreisen, sowie die von der WIPO bislang diskutierten Lösungsansätze auf ihre Brauchbarkeit für eine Lösung im deutschen Urheberrecht untersucht. 1. Europäischer Ansatz Auf dem Weg zu einer nationalen Regelung für KI-Schöpfungen soll als Erstes geprüft werden, ob sich aus der Diskussion auf europäischer Ebene Anknüpfungspunkte für eine entsprechende deutsche Regelung ergeben könnten. Schließlich sind zugunsten eines ungehinderten Fortschritts im Bereich künstlicher Intelligenz harmonisierte europäische Regelungen anzustreben. a) Europäischer Werkbegriff Wie wir bereits im ersten Teil der Untersuchung unter Kapitel 1 gesehen haben, ist auch unter Zugrundelegung des europäischen Werkbegriffs ein urheberrechtlicher Schutz von KI-Schöpfungen ausgeschlossen, da der EuGH aufgrund seiner bisherigen Entscheidungen davon auszugehen scheint, dass nur menschliche Leistungen urheberrechtsfähig sein können. Allerdings hat sich der EuGH bisher noch nicht explizit zu computergenerierten Werken geäußert.34 b) Europäische Initiativen zur Integration von künstlicher Intelligenz Der europäische Gesetzgeber hat die Notwendigkeit erkannt, aufgrund der grenzüberschreitenden Wirkung von Innovationen im Bereich der KI-Technik, legislative Maßnahmen auf europäischer Ebene zu treffen, da unterschiedliche einzelstaatliche Rechtsvorschriften den gewünschten Fortschritt in diesem Bereich ausbremsen könnten.35 Hinzu kommt das Bedürfnis, im internationalen Wett­ bewerb durch einen europäischen Ansatz mithalten zu können.36 34

Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (246). Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, S. 33. 36 Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM (2020) 65 final, S. 1 f. 35

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

Der Weg hin zu einem europäischen KI-Ansatz ist mit mehreren Veröffentlichungen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission gepflastert, die im Folgenden zunächst überblicksartig dargestellt und anschließend näher betrachtet werden. Auf den ursprünglichen Bericht mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik des Europäischen Parlaments vom 27. 01. 2017, auch als Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments bezeichnet, folgte am 16. 02. 2017 zunächst die Entschließung des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission. Am 25. 04. 2018 nahm die Kommission hieran anschließend die Europäische Strategie für künstliche Intelligenz an. Es folgte am 07. 12. 2018 ein koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, der schließlich in dem am 19. 02. 2020 vorgelegten Weißbuch mündete, zu dem die Bundesregierung bereits Stellung genommen hat. Am 20. 10. 2020 hat das Europäische Parlament in einer weiteren Entschließung speziell zu den Rechten des geistigen Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien nochmals Stellung bezogen. In seinem Entwurf einer Entschließung vertritt das Europäische Parlament die Auffassung, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen und die bestehenden Rechtslehren im Recht des geistigen Eigentums ohne Weiteres auf die Robotik angewandt werden können, stellt gleichzeitig aber fest, dass „einige Aspekte anscheinend besonders berücksichtigt werden müssen“37. Es fordert die Kommission dementsprechend auf, „einen horizontalen und technologisch neutralen Ansatz in Bezug auf die Rechte des geistigen Eigentums zu unterstützen, die auf die verschiedenen Branchen anwendbar sind, in denen die Robotik zum Einsatz kommen könnte“38. Später präzisiert das Europäische Parlament seine vorangegangenen Ausführungen dahingehend, dass die Kommission aufgefordert wird, „ein ausgewogenes Konzept für Rechte des geistigen Eigentums zur Anwendung auf Hardware- und Softwarestandards sowie Kodizes vorzulegen, die Innovation schützen und gleichzeitig auch fördern. Außerdem wird die Ausarbeitung von Kriterien für eine ‚eigene geistige Schöpfung‘ für urheberrechtlich schutzfähige Werke, die von Computern oder Robotern erzeugt werden, gefordert.“39. In einem Interview hierzu äußert die Berichterstattung des Rechtsausschusses, dass ein solcher Rechtsrahmen spätestens in 10–15 Jahren aufgrund der dann verfügbaren Roboter erforderlich sein würde.40

37

Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, S. 12 f. 38 Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, S. 12. 39 Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, S. 33. 40 https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/economy/20170109STO57505/ersteeu-weite-robotergesetze-interview-mit-mady-delvaux; Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (443).

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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Seit dieser Aufforderung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments an die EU-Kommission, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen KI-Schöpfungen als urheberrechtlich schutzfähige „eigene geistige Schöpfungen“ angesehen werden können, ist allerdings nichts weiter geschehen.41 Die Empfehlung zur Ausarbeitung entsprechender Kriterien wurde bereits nicht in die nachfolgende endgültige Entschließung aufgenommen. In der Mitteilung der Kommission vom 25. 04. 2018 zur europäischen Strategie für künstliche Intelligenz setzt sich diese genauso wie das Europäische Parlament in seiner endgültigen Entschließung nicht mehr mit der Frage der Anpassung des Urheberrechts im Hinblick auf die neuen Herausforderungen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz auseinander. Sie weist zwar pauschal darauf hin, dass „Um Innovation und Rechtssicherheit in ausgewogener Weise zu fördern, […] über die Wechselwirkungen zwischen KI und Rechten des geistigen Eigentums – sowohl aus Perspektive der Ämter für geistiges Eigentum als auch der Nutzer – nachgedacht werden [muss].“ und erläutert in der dazugehörigen Fußnote, dass „Die Nutzung von KI bei der Erschaffung von Werken […] Auswirkungen auf das geistige Eigentum haben und beispielsweise Fragen in Bezug auf Patentierbarkeit, Urheberrecht und Eigentumsregelungen aufwerfen [kann].“42 Konkrete rechtliche Initiativen hinsichtlich künstlicher Intelligenz und geistigen Eigentums sucht man aber auch hier vergeblich. Der koordinierte Plan für künstliche Intelligenz der Kommission vom 07. 12. 2018, der auf einer von allen EU-Mitgliedstaaten und Norwegen unterzeichneten „Kooperationserklärung“ beruht, schlägt etwa 70 gemeinsame Initiativen für eine engere und effizientere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten und der Kommission in den Bereichen Forschung, Investitionen, Marktakzeptanz, Fähigkeiten und Talente, Daten und internationale Zusammenarbeit vor.43 Es wird festgehalten, dass eine Koordinierung auf europäischer Ebene unverzichtbar ist, um durch fragmentierte Märkte bedingte Hindernisse zu beseitigen.44 Hervorgehoben werden die als vorrangig für das öffentliche Interesse befundenen Bereiche Gesundheit, Verkehr und Mobilität, Sicherheit und Energie sowie wichtige Wirtschaftszweige

41

So auch Dornis, GRUR 2019, 1252 (1253). Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Künstliche Intelligenz für Europa, 25. 04. 2018, COM (2018) 237 final, S. 18. 43 Europäische Kommission, Anhang der Mitteilung der Kommission an das Europä­ ische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 2. 44 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 2, 4. 42

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

wie Fertigung und Finanzdienstleistungen.45 Bezüglich des zu schaffenden Rechtsrahmens bzw. der Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen und europäischen Rechtsrahmens an die besonderen Herausforderungen werden hauptsächlich sicherheits- und haftungsrechtliche Regelungen thematisiert.46 Lediglich in einem Einzeiler im Anhang des koordinierten Plans für künstliche Intelligenz wird festgehalten, dass „auch Fragen des geistigen Eigentums untersucht werden [sollten], um sicherzustellen, dass der diesbezügliche Rechtsrahmen eine Reihe von Herausforderungen, die speziell die KI betreffen, angemessen berücksichtigt und somit in der Lage ist, ihre Entwicklung wirksam zu fördern.“47. Der Aufforderung der Kommission an die Mitgliedstaaten, bis Mitte 2019 nationale KI-Strategien aufzustellen, ist Deutschland bereits nachgekommen.48 Im Hinblick auf urheberrechtliche Fragestellungen wird darin jedoch lediglich das Text- und Data-Mining als Grundlage für maschinelles Lernen im kommerziellen wie nicht-kommerziellen Bereich aufgegriffen.49 Das Weißbuch der Europäischen Kommission zu künstlicher Intelligenz50 betont nochmals, dass hinsichtlich von Regelungen für künstliche Intelligenz ein europäischer Ansatz anzustreben ist, da unterschiedliche nationale Regelungen eine Zersplitterung des Binnenmarktes zur Folge haben könnten, die die Wett­ bewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf den globalen Märkten durch einen erschwerten Zugang zum Binnenmarkt schwächen könnte. Diese hätten es aufgrund divergierender rechtlicher Regelungen in den Mitgliedstaaten nämlich um einiges schwerer, KI-Systeme im Binnenmarkt zu verkaufen und zu betreiben.51 Auf der Suche nach einer deutschen Lösung der KI-Problematik ist daher zu berücksichtigen, dass diese EU-kompatibel sein muss. Im Übrigen nimmt die Kommission in ihrem Weißbuch aber keine Stellung zu KI-Schöpfungen und greift 45 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 2; Europäische Kommission, Anhang der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 2. 46 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 9. 47 Europäische Kommission, Anhang der Mitteilung der Kommission an das Europä­ ische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz, 07. 12. 2018, COM (2018) 795 final, S. 22. 48 Bundesregierung, Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung, November 2018. 49 Bundesregierung, Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung, November 2018, S. 38, 40. 50 Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM (2020) 65 final. 51 Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM (2020) 65 final, S. 15.

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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den Hinweis aus dem Anhang des Koordinierten Plans für künstliche Intelligenz, dass auch Fragen des geistigen Eigentums untersucht werden sollten, nicht mehr auf. Thematisiert werden wiederum lediglich die Themen Aufsicht über künstliche Intelligenz, Sicherheit, Datenschutz und Datenverwaltung, Transparenz, Nicht­ diskriminierung, Fairness und Verantwortlichkeit. Entsprechend dem hierzu schweigenden Weißbuch der Europäischen Kommission finden sich auch in der Stellungnahme der Bundesregierung52 hierzu keine Ausführungen zu urheberrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz. Es wird in Anknüpfung an die allgemeinen Ausführungen im Weißbuch wiederum lediglich allgemein festgehalten, dass der bestehende Rechtsrahmen in der europäischen Union dahingehend zu überprüfen sei, ob die geltenden Rechtsvorschriften den Risiken und Anforderungen von KI-Anwendungen gewachsen und gegebenenfalls Anpassungen bestehender Rechtsvorschriften oder neue speziell auf künstliche Intelligenz ausgerichtete Rechtsvorschriften notwendig seien.53 Erst in der Ende Oktober 2020 veröffentlichten Entschließung des Europäischen Parlaments54 stellt dieses mit Blick auf das Weißbuch fest, „dass sich die Kommission nicht mit der Frage des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums im Zusammenhang mit der Entwicklung von KI-Technologien und damit zusammenhängenden Technologien befasst hat, obwohl diese Rechte von zentraler Bedeutung sind“55 und „unterstreicht die zentrale Bedeutung eines ausgewogenen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf KI-Technologien und des multidimensionalen Charakters dieses Schutzes und betont gleichzeitig, wie wichtig es ist, ein hohes Schutzniveau für Rechte des geistigen Eigentums zu gewährleisten, Rechtssicherheit zu schaffen und das Vertrauen zu schaffen, das erforderlich ist, um Investitionen in diese Technologien zu fördern und ihre langfristige Trag­fähigkeit und Nutzung durch die Verbraucher sicherzustellen“56. Im Hinblick auf KI-Schöpfungen ist das Europäische Parlament der Ansicht, „dass es nicht angebracht wäre, KI mit einer Rechtspersönlichkeit auszustatten“, da „sich eine solche Möglichkeit nachteilig auf die Motivation menschlicher Schöpfer auswirkt“57. Es weist zudem 52

Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz – ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen COM (2020) 65 final. 53 Stellungnahme der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland zum Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz – ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen COM (2020) 65 final, 2020, S. 9. 54 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des geistigen Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)). 55 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des geistigen Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)), Nr. 1. 56 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des geistigen Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)), Nr. 6. 57 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des geistigen Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)), Nr. 13.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

darauf hin, „dass selbstständig von künstlichen Akteuren und Robotern erzeugte Werke eventuell nicht urheberrechtlich geschützt werden können, da der Grundsatz der Originalität, der mit natürlichen Personen verbunden ist, gewahrt werden muss und der Begriff der ‚geistigen Schöpfung‘ an die Person des Autors gebunden ist“58. Konkrete Vorschläge zur Lösung der Problematik unterbreitet aber auch das Europäische Parlament nicht, sondern fordert lediglich, dass „die Überlegungen bezüglich des Zusammenspiels von KI und Rechten des geistigen Eigentums fortgesetzt werden müssen“59 und „die Kommission […] einen bereichsübergreifenden, faktengestützten und technologieneutralen Ansatz für gemeinsame, einheitliche Urheberrechtsbestimmungen für durch KI erzeugte Werke in der Union […] unterstützen [soll], wenn davon ausgegangen wird, dass derartige Werke urheberrechtlich geschützt werden können“60. Es empfiehlt insofern lediglich, „dass die Inhaberschaft etwaiger Rechte nur der natürlichen oder juristischen Person zugesprochen werden sollte, die das Werk rechtmäßig erschaffen hat, und zwar auch nur dann, wenn der Urheberrechtsinhaber im Falle der Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials seine Genehmigung erteilt hat oder Ausnahmen und Beschränkungen vom Urheberrechtsschutz gelten“.61 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die bisherigen Anstrengungen auf europäischer Ebene noch keine konkreten Ansatzpunkte für eine Regelung zum Schutz von KI-Schöpfungen geliefert haben. Es werden lediglich grundsätzliche Probleme erkannt, aber keiner konkreten Lösung zugeführt. Fest steht lediglich, dass eine deutsche Regelung im Einklang mit europäischem Urheberrecht bzw. dem europäischen Werkbegriff sein müsste, was aufgrund der ohnehin bereits weit fortgeschrittenen Harmonisierung deutschen Urheberrechts aber kein großes Hindernis darstellen dürfte. 2. Anglo-amerikanische Regelungsansätze Nicht zuletzt aufgrund völkerrechtlicher Verträge wie der Revidierten Berner Übereinkunft, sowie der langjährigen Mitgliedschaft von Großbritannien in der Europäischen Union und den damit zusammenhängenden Harmonisierungsbestrebungen spielt das anglo-amerikanische Copyright für das kontinentaleuropäische Urheberrecht eine wichtige Rolle. Trotz der bereits unter Kapitel 1, I. angedeuteten fundamentalen Unterschiede zwischen dem anglo-amerikanischen und dem 58 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)), Nr. 15. 59 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)), Nr. 7. 60 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)), Nr. 15. 61 Europäisches Parlament, Entschließung vom 20. 10. 2020 zu den Rechten des Eigentums bei der Entwicklung von KI-Technologien, (2020/2015 (INI)), Nr. 15.

geistigen geistigen geistigen geistigen

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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kontinentaleuropäischen Urheberrecht, die sich jedoch durch eine fortschreitende Annäherung des kontinentaleuropäischen Urheberrechts an die im anglo-amerikanischen Urheberrecht vorherrschenden utilitaristischen Begründungsansätze mehr und mehr aufzulösen scheinen, könnten im anglo-amerikanischen Raum entwickelte Ideen und Ansätze zur urheberrechtlichen Behandlung von KI-Schöpfungen für das deutsche Urheberrecht fruchtbar gemacht werden. Im Folgenden sollen daher die Ansätze von Großbritannien und den Vereinigten Staaten zur Integration von KI-Schöpfungen in das Immaterialgüterrecht beleuchtet und auf ihre Brauchbarkeit für eine entsprechende deutsche Regelung hin untersucht werden. a) Britische Lösung der KI-Problematik Großbritannien war das einzige Land in der Europäischen Union, das einen ausdrücklichen urheberrechtlichen Schutz für computergenerierte Werke vorsah.62 Außerhalb von Europa haben Indien, Neuseeland und Hong Kong die Regelung der Briten wortwörtlich in ihr Urheberrecht übernommen.63 Irland und Südafrika haben eine inhaltsgleiche Regelung, die lediglich im Wortlaut leicht abweicht.64 aa) Die Regelung des Art. 9 Abs. 3 CDPA In Art. 9 Abs. 3 des Copyright, Designs and Patents Act von 1988 (im Folgenden: CDPA) heißt es „In the case of a literary, dramatic, musical or artistic work which is computer-generated, the author shall be taken to be the person by whom the arrangements necessary for the creation of the work are undertaken.“

Art. 178 CDPA definiert computergenerierte Werke dabei wie folgt: „‚computer-generated‘, in relation to a work, means that the work is generated by computer in circumstances such that there is no human author of the work“

Art. 9 Abs. 3 i. V. m. Art. 178 CDPA sieht seit Inkrafttreten des CDPA ein Urheberrecht für die menschlichen Beteiligten hinter Computerschöpfungen vor, wobei die Regelung ursprünglich wohl keine KI-Schöpfungen im Blick hatte, sondern einfache automatisierte Gestaltungen wie z. B. Satellitenaufnahmen, die im deutschen Urheberrecht durch Leistungsschutzrechte (§§ 72, 95 UrhG) geschützt werden.65 62 Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322. 63 Für Neuseeland siehe Copyright Act 1994, §§ 2, 5 (2) (a); für Indien siehe Copyright Act, 1957, § 2 (d) (vi); für Hong Kong siehe Part I, Section 11 (3). 64 Part 1 § 2 des Copyright and Related Rights Acts von 2000 für Irland, sowie Chapter 1 Nr. 1 (1) (h) Copyright Act 1978 für Südafrika. 65 De Cock Buning, EJRR 2016, 310 (318); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249).

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

Die Regelung des Art. 9 Abs. 3 CDPA stellt eine rechtliche Fiktion der menschlichen Urheberschaft dar.66 Anders als kontinentaleuropäische Länder wird das britische Recht dabei nicht durch das fundamentale Erfordernis eines mensch­ lichen Schöpfers behindert. Wenn ein Werk eher von einem Computer als von einem Menschen geschaffen worden ist, kann das Urheberrecht nach britischem Recht unproblematisch dem dahinterstehenden Menschen zugerechnet werden, der für die Computerschöpfung verantwortlich ist.67 Es geht danach lediglich noch um die Frage, welche menschliche Person oder rechtliche Einheit das Urheberrecht bekommen soll, ohne dass die Diskussion bereits beim Erfordernis der menschlichen Urheberschaft ins Stocken gerät. bb) Zugrundeliegende Urheberrechtskonzeption Die britische Regelung ist mit dem in Großbritannien vertretenen utilitaristischen Ansatz zu begründen. Dort herrscht die Vorstellung, dass die Urheber durch die Gewährung gesetzlichen Schutzes zur Produktion kulturell bedeutsamer Werke angeregt werden, was wiederum der Gesellschaft als Ganzen zugutekommt.68 Danach steht beim britischen Copyright Law nicht die Person des Urhebers als Werkschöpfer, sondern mit dem Schutz des Werkes der Schutz von wirtschaftlichen Investitionen im Vordergrund. Dies geht bereits aus dem Begriff „Copyright“ hervor, der sich von der „copy“, also dem Werk, ableitet.69 Das Werk wird als vom Schöpfer losgelöste, juristisch und wirtschaftlich autonome Ware betrachtet, die unabhängig von diesem im Wirtschaftsleben existiert.70 Dies hat auch zur Folge, dass Schöpfer und Urheberrechtsinhaber im britischen Recht auseinanderfallen können. Als Ausnahme zu dem auch in Großbritannien bestehenden Grundsatz, dass der Urheber („author“) auch Urheberrechtsinhaber („first owner of copyright“) ist (vgl. insofern Art. 11 Abs. 1 CDPA), kann daher beispielsweise der Arbeitgeber Urheberrechtsinhaber der von seinen Arbeitnehmern geschaffenen Werke sein (Art. 11 Abs. 2 CDPA). Das britische Recht kennt zudem keine Trennung in Urheberrecht und Leistungsschutzrechte.71 Es macht keinen Unterschied zwischen den Rechten der Unterneh 66

Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 27 Rn. 67 (2012). Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1052 f. (1993); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 717 (2017). 68 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 137; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 100 f. 69 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 85. 70 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 78; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 101. 71 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 256; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 104; Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (578); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249). 67

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mer und denen der Urheber, beide fallen einheitlich unter das Copyright. Geistige wie materielle Leistungen qualifizieren gleichermaßen als „works“ und machen natürliche wie juristische Personen zum „author“ im Sinne des Copyright Law.72 Urheberpersönlichkeitsrechte existieren zwar in Form der sog. moral rights, sind aber durch Verzicht abbedingbar (vgl. Art. 87 Abs. 2 CDPA) und damit nicht mit den deutschen Urheberpersönlichkeitsrechten vergleichbar, die gemäß § 29  Abs. 1  UrhG unveräußerlich der Person des Urhebers anhaften.73 Zudem handelt es sich bei den britischen Urheberpersönlichkeitsrechten nicht um eine umfassende Garantie persönlichkeitsrechtlicher Interessen, sondern um einzelne Urheberpersönlichkeitsrechte mit Ausnahmecharakter, die überdies zahlreichen Einschränkungen unterworfen sind (vgl. z. B. Art. 79 CDPA).74 Auch computergenerierte Werke sind über Art. 79 Abs. 2 und Art. 81 Abs. 2 CDPA von den moral rights ausgenommen.75 Der britische Gesetzgeber trägt hierdurch dem internationalen Standard des Art. 6bis RBÜ Rechnung, ohne aber den damit bezweckten Schutz des Urhebers, der dem Copyright Law fremd ist, umzusetzen.76 Ebenfalls im deutschen Urheberrecht wegen § 29 Abs. 1 UrhG und der darin verkörperten monistischen Theorie77 unvorstellbar, kann in Großbritannien zudem der vermögensrechtliche Teil des Urheberrechts, die sog. economic rights, separat übertragen werden.78 Dies spiegelt die nur halbherzige Umsetzung der Urheberpersönlichkeitsrechte in Großbritannien wider, die nicht Teil des Copyrights sind, sondern nur losgelöst von diesem existieren, sodass das Copyright unabhängig vom Urheber auch weiterhin als Vermögenswert dem freien Spiel des Marktes überlassen ist.79 Diese wirtschaftliche Ausrichtung des britischen Urheberrechts hat auch zur Folge, dass geringere Anforderungen an den Werkbegriff gestellt werden. So bedarf es für das Copyright keiner individuellen Gestaltung, sondern lediglich einer eigenständigen, das heißt einer vom Urheber stammenden und nicht von einem Dritten kopierten, Leistung („originality“), sodass auch technisch-organisatorische 72

Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 54, 87, 105, 111, 233. 73 The British Academy, Guidelines on Copyright and Academic Research, 2006, S. 11. 74 Adeney, The Moral Rights of Authors and Performers, 2006, S. 389 Rn. 14.02; Klass, ZUM 2015, 290 (300). 75 Vgl. hierzu auch Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249). 76 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 57, 195; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, Fn. 267. 77 Entsprechend der monistischen Theorie geht das deutsche Urheberrecht von einem einheitlichen Urheberrecht aus, das den Urheber in seinen ideellen und materiellen Interessen schützt und damit persönlichkeitsrechtliche und vermögensrechtliche Aspekte zu einer untrennbaren Einheit verbindet. 78 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorb. zu §§ 12 ff. Rn. 1. 79 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 157, 190.

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Leistungen Schutz erfahren können (vgl. Art. 1 Abs. 1 a) und c) CDPA).80 Grundsätzlich genügt in Großbritannien damit die Investition von Arbeit und Ressourcen („labour, skill and judgment“) für einen Schutz durch das Copyright, auf ein bestimmtes schöpferisches Niveau des Werkes oder gar die Persönlichkeit des Schöpfers kommt es nicht an.81 Eine Ausnahme stellen lediglich „artistic work(s)“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 CDPA dar, für die eine gewisse „artistic quality“ verlangt wird, sowie Computerprogramme, Datenbankwerke und Fotografien, für die aufgrund der Harmonisierung eine „eigene geistige Schöpfung“ erforderlich ist.82 Vor diesem konzeptionellen Hintergrund war es möglich, ein Schutzrecht an computergenerierten Erzeugnissen für die menschlichen Beteiligten zu schaffen. Denn die Logik des Investitionsschutzes, die eine beliebige Erweiterung der Werkkategorien ermöglicht, umfasst neue technologische Entwicklungen ohne Weiteres.83 cc) Kritik an der britischen Regelung Offen bleibt bei der britischen Regelung allerdings, welcher der menschlichen Beteiligten mit „whom“ gemeint ist. Es bleibt nach dem Wortlaut völlig unklar, welche Art und welcher Umfang menschlicher Mitwirkung das Kriterium „arrang­ ments necessary for the creation“ erfüllen kann.84 Wie wir gesehen haben, werden im Umfeld von KI-Schöpfungen eine Vielzahl von Personen mit unterschiedlichen Aufgaben tätig. Als „arrangements necessary for the creation of the work“ könnten sowohl die Programmierung der zugrundeliegenden Software, das Konfigurieren der künstlichen neuronalen Netze, das Erstellen und Einpflegen der Trainingsdaten, die Überwachung des Lernprozesses unter Zurverfügungstellung von Rechenleistung als möglicherweise auch das bloße Auslösen der konkreten Produktion auf Knopfdruck angesehen werden. Das Whitford Commitee stellte 1977 in Vorbereitung der Reform des Copyright Acts insofern lediglich fest, dass „the author of the output can be none other than the person, or persons, who devised 80 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 91; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 102; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 1 Rn. 27. 81 University of London Press Ltd. v. University Tutorial Press Ltd. [1916] 2 Ch 601, 610: „what is worth copying is prima facie worth protecting.“; Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 88, 90, 92, 104, 255; Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 102 f. 82 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 92, 372. 83 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 112, 118; Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (712). 84 So auch Guadamuz, IPQ 2017, 169 (176); Schönberger, ZGE 2018, 35 (44); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1256); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 106.

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the instructions and originated the data used to control and condition a computer to produce a particular result.“85 Darunter könnte man aber sowohl die Programmierer, als auch die Trainer, sowie die eventuell von diesen verschiedenen Hersteller der Trainingsdaten verstehen. Insofern führt die britische Regelung nur zu weiteren Unklarheiten und begünstigt in der Folge Streitigkeiten, die letztlich von Fall zu Fall und damit auf Kosten der Rechtssicherheit von den Gerichten bewältigt werden müssen.86 Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang auch, dass durch die Fiktion der Briten lediglich eine Hilfestellung zur Verteilung der Beweislast geschaffen wird, die Frage, wer im Zentrum des Schutzzweckes stehen soll – Mensch oder objektive Gestaltung – dadurch aber nicht gelöst wird.87 Es stellt sich zudem die Frage, ob eine solche Regelung überhaupt mit dem europäischen Werkbegriff vereinbar ist. Dieser verlangt genauso wie der deutsche Werkbegriff einen menschlichen Schöpfer. Im britischen Schrifttum wird insofern argumentiert, dass der Schutz des Art. 9 Abs. 3 CDPA 1988 gar keinem urheberrechtlichen Schutz, sondern lediglich einem leistungsschutzrechtlichen Schutz entspricht, sodass der Originalitätsgrad nicht dem aquis communautaire entsprechen müsse, sondern durch das britische Recht festgelegt werden könne.88 Mit dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union ist dieser Kritikpunkt jedenfalls für die Briten hinfällig geworden. dd) Brauchbarkeit der britischen Lösung für das deutsche Urheberrecht Während die Briten sich aufgrund ihres Austritts aus der Europäischen Union nicht länger um die Unionskonformität ihres Urheberrechts sorgen müssen, schei 85 Copyright and Designs Law, Report of the Committee to consider the Law on Copyright and Designs, 1977, Nr. 515. 86 In diese Richtung argumentierend wohl auch Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (328 f.): „Although jurisprudence in related areas may provide guidance, there is a degree of novelty to determining authorship of CGWs. It may not be clear in all cases whether the person who makes necessary arrangements is a computer’s owner, user, or programmer.“; Guadamuz IPQ 2017, 169 (176 f.): „It seems evident that the spirit of the law favours the later and not the former, but this is a persisting ambiguity that could have impact in a world where computergenerated works become more prevalent.“ sieht zwar die Unklarheiten, hält eine Lösung „on a case by case basis“ aber für unproblematisch: „If the artificial directly started by the programmer, and it creates a work of art, then the programmer is clearly the author in accordance to s 9(3) CDPA. How­ ever, if a user acquires a program capable of producing computer-generated works, and uses it to generate a new work, then ownership would go to the user.“; diese offene Lösung sogar favorisierend Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (398). 87 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (227 f.). 88 Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (249).

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tert die Brauchbarkeit der britischen Lösung für das deutsche Urheberrecht aber an den nicht in Einklang zu bringenden zugrundeliegenden Werkbegriffen. Aufgrund des utilitaristisch geprägten Urheberrechts der Briten, das sich wesentlich von der personalistischen Grundkonzeption des deutschen Urheberrechts unterscheidet, könnte eine derartige Fiktion einer menschlichen Urheberschaft, unabhängig von den soeben aufgezeigten Schwächen der konkret gewählten Formulierung, nicht ohne eine konzeptionelle Um- bzw. sogar Neugestaltung des deutschen Urheberrechts übernommen werden. Eine bloße Anpassung des geltenden Rechts dahingehend, dass einer der menschlichen Beteiligten trotz fehlenden eigenen schöpferischen Beitrags ein Urheberrecht an KI-Schöpfungen erhält, ist in Deutschland nicht denkbar. Das deutsche Urheberrecht möchte seiner Konzeption nach nämlich zum einen nur schöpferische Leistungen mit einem Urheberrecht belohnen und sieht zum anderen nur den Menschen als hierzu in der Lage an. Eine Anknüpfung des Urheberrechts an Investitionen ist im deutschen Urheberrecht daher nicht möglich. Da der Schöpfungsakt ein Realakt ist, ist eine Stellvertretung und damit auch eine Zurechnung an eine hieran unbeteiligte Person ausgeschlossen.89 Der Schöpfungsakt der Maschine, die ja die eigentlich schöpferische Leistung erbringt, kann daher keinem der Beteiligten zugerechnet werden. Aufgrund unseres autorenzentrierten Urheberrechts ist eine Anknüpfung an die objektive Eigenart des Werks oder an die Regelanwendung durch Maschinen oder Algorithmen nicht möglich.90 Hinzu kommt, dass die britische Regelung in ihrem Schutzumfang eher einem Leistungsschutzrecht als einem Urheberrecht entspricht.91 Wir haben insofern bereits festgestellt, dass computergenerierte Erzeugnisse über Art. 79 Abs. 2 und Art. 81 Abs. 2 CDPA von den Urheberpersönlichkeitsrechten ausgenommen sind. Zur Begründung des Ausschlusses von moral rights für computergenerierte Erzeugnisse hatte Lord Beaverbook 1988 im House of Lords ausgeführt, dass der Schutzrechtsinhaber für computergenerierte Erzeugnisse keine persönlichen, kreativen Anstrengungen vorgenommen habe.92 Darin wird die Ausnahme der Regelung des Art. 9 Abs. 3 CDPA von den üblicherweise erforderlichen Kreativitätsund Originalitätsanforderungen für ein Copyright deutlich.93

89

Loewenheim / Peifer, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 7 Rn. 2, 5. 90 Loewenheim / Peifer, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2020, § 7 Rn. 3. 91 So auch Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (397). 92 HL Deb vol 493 col 1305 25 February 1988: „[m]oral rights are closely concerned with the personal nature of creative effort, and the person by whom the arrangements necessary for the creation of a computer-generated work are undertaken will not himself have made any personal, creative effort.“ 93 Guadamuz, IPQ 2017, 169 (177).

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Daneben sieht Art. 9 Abs. 3 CDPA eine kürzere Schutzdauer vor. Statt den üblichen 70 Jahren post mortem auctoris des Art. 12 Abs. 2 CDPA, sieht Art. 12 Abs. 7 CDPA für computergenerierte Werke nur eine Schutzdauer von 50 Jahren ab Herstellung des Werkes vor. Eine Übernahme der britischen Lösung in das deutsche Urheberrecht würde damit sogar zu einem Schutz führen, der weit über das von den Briten gewährte Maß hinaus ginge. Schließlich sind die geringen Anforderungen an den Werkbegriff im britischen Recht auch darauf zurückzuführen, dass es neben einem separaten Leistungsschutzrecht auch kein Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gibt. Um Investitionsleistungen nicht völlig schutzlos zu stellen, ist daher eine großzügige Auslegung des Copyrights geboten.94 Aufgrund der Existenz des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes besteht im deutschen Recht dagegen ein deutlich geringeres Bedürfnis, schutzwürdige Leistungen unbedingt durch das Urheberrecht schützen lassen zu müssen.95 Diese großen Unterschiede zwischen dem britischen und dem deutschen Urheberrecht, die im fundamentalen Gegensatz zwischen Schöpfer- und Investitionsschutzprinzip begründet sind, führen dazu, dass eine entsprechende Regelung im deutschen Urheberrecht nicht möglich wäre.96 Aufgrund des im Copyright Law integrierten Leistungs- sowie Wettbewerbsschutzes wird aber noch zu diskutieren sein, ob die britische Lösung Vorbild für ein deutsches Leistungsschutzrecht sein kann, oder die Lösung im UWG zu suchen ist. b) Regelungsansätze in den USA Anders als die Briten haben die Amerikaner zwar noch keine rechtliche Regelung zum Schutz von KI-Schöpfungen getroffen, dafür hat sich die US-amerika­ nische Literatur bereits umfassend dieser Thematik angenommen. Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob die dort geführte Diskussion brauchbare Argumente für eine deutsche Lösung liefern kann. aa) Grundkonzeption des US-Urheberrechts Das auf dem englischen Copyright gründende US-Urheberrecht baut zwar anders als das deutsche Urheberrecht nicht auf einem persönlichkeitsrechtlichen Fundament auf, gemein haben beide Rechtsordnungen aber die anthropozen­trische 94 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 97 f. 95 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 104. 96 So auch Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (712).

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Grundkonzeption ihres Urheberrechts. Denn auch in den USA ist für einen Urheberrechtsschutz über die Mühen, den Einsatz und den Wert des Ergebnisses hinaus stets ein Mindestmaß an menschlicher Geistesäußerung erforderlich.97 Zugrunde liegt auch dort das romantische Bild des Urhebers als schöpferischem Individuum, das kreativ, originell und unabhängig ein Werk aus seinem Geist und seiner Seele heraus in einer Weise schafft, die seine Persönlichkeit widerspiegelt.98 Auch John Lockes Arbeitstheorie, die geistiges Eigentum als Frucht der geistigen Arbeit des Schöpfers rechtfertigt, fließt teilweise in das amerikanische Urheberrecht mit ein.99 Hauptsächlich gründet das heutige US-Recht aber im Utilitarismus.100 So heißt es in Art. 1 § 8 Abs. 8 der US-Bundesverfassung, „Patent and Copyright Clause of the Constitution“ genannt: „[The Congress shall have power]  To promote the progress of science and useful arts, by securing for limited times to authors and inventors the exclusive right to their respective writings and discoveries.“ Darin wird die Bestätigung gesehen, dass nicht der Urheber bzw. die Frage, wer Urheber sein kann, sondern das Werk im Zentrum des amerikanischen Urheberrechts steht und die Schutzfähigkeit des Werkes im gesamtgesellschaftlichen Interesse Vorrang vor der Person des Urhebers hat.101 Entsprechend der Vorgabe der Verfassung ist das vorderste Ziel des Copyright Act die Förderung der Produktion von Werken der Literatur, Kunst und Musik zum Wohle der Allgemeinheit.102 So betonte auch der Kongress 1909, dass es der Verfassung um „writings“ und nicht um „authors“ gehe und das Urheberrecht „[n]ot primarily for the benefit of the author, but primarily for the benefit of the public […] [i]n that it will stimulate writing“ ist.103 Aufgrund der Betonung der ökonomischen Aspekte hält sich das angloamerikanische System nicht mit metaphysischen Fragestellungen über die Beziehung des urheberrechtlich geschützten Werkes zur Persönlichkeit seines Schöpfers auf.104 97

Trade-Mark Cases, 100 U. S. 82, 94 (1879) (in der Abgrenzung von Urheber- und Marken­ rechten); Feist Publications, Inc. v. Rural Tel. Serv. Co., 499 U. S. 340, 346 f. (1991); Ginsburg, 52 DePaul L. Rev. 1063, 1068 (2003); Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 5 (2012); Bridy, 39 Colum. J. L. & Arts 395 (2016); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1255). 98 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 3 Rn. 6, 4 Rn. 7 (2012); Denicola, 69 Rutgers University Law Review 251, 265 (2016); Kaminski, 51 U. C. Davis L. Rev. 589, 598 (2017); Yansiky-­ Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 8, 13 (2018). 99 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 699, 706 (2017); Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2236 f., 2241 f. (2018). 100 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 699, 706 (2017); Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2236 f., 2241 f. (2018). 101 Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 114; Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 270 (2016). 102 Fox Film Corp. v. Doyal, 286 U. S. 123, 127 (1932); Sony Corp. of Am. v. Universal City Studios, Inc., 464 U. S. 417, 429 (1984); Fogarty v. Fantasy, Inc., 510 U. S. 517, 524 (1994); ­Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1066 (1993); Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 271 (2016); Kaminski, 51 U. C. Davis L. Rev. 589, 597 (2017). 103 House Report on the Copyright Act of 1909 to amend and consolidate the acts respecting copyright, 60th Congress, 2d sess. 1909, no. 2222, 7. 104 Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1052 (1993).

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Anders als in Deutschland besteht dort nicht das Erfordernis der Verknüpfung von Schöpfer und Werk, sodass es möglich ist, den tatsächlichen Schöpfer des Werkes vom Urheber im Rechtssinne zu trennen. Grundsätzlich gilt zwar auch im US-Recht nach 17 U. S. Code § 201 (a) „Copyright in a work protected under this title vests initially in the author or authors of the work“, es gibt aber einige Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die bekannteste ist die in 17 U. S. Code § 201 (b) geregelte Work-made-for-hire-Doktrin (im Folgenden: WMFH-Doktrin).105 Danach ist es möglich, dem Arbeitgeber oder Auftraggeber eines Werkschaffenden, der selbst keinen eigenen kreativen Input geleistet hat, das Urheberrecht am Werk zuzuweisen.106 Damit können auch juristische Personen Urheber sein.107 Die politische Überlegung dahinter ist, den Arbeitgeber, auf dessen Veranlassung, durch dessen Leitung, für dessen Nutzung und wirtschaftliche Zwecke, sowie auf dessen Risiko die Arbeit verrichtet wird, zu motivieren, und ihm die Kontrolle über die Arbeit zu geben.108 bb) Aktuelle Behandlung computergenerierter Erzeugnisse Trotz der werkzentrierten Ausrichtung des US-Urheberrechts, die eine Entkopplung von Werk und Autor zulässt, ist im amerikanischen genauso wie im deutschen Urheberrecht bisher kein Schutz für KI-Schöpfungen vorgesehen. Es gibt kein Gesetz hierzu und auch keine gerichtlichen Entscheidungen, die ernsthaft ein Urheberrecht für computergenerierte Werke in Betracht gezogen hätten.109 Auf Fragen110 des Copyright Offices 1965 an den Kongress, der damals gerade an der Überarbeitung des Urheberrechts war, richtete dieser 1974 die National Commission on New Technological Uses of Copyright Works (CONTU) ein, die sich neben anderen technischen Fragestellungen auch mit der Urheberschaft an computergenerierten Werken befasste. In ihrem finalen Report an den Kongress 105 Ein anders Beispiel ist § 201 (a) betreffend gemeinsame Werke („joint works“), wo jeder Miturheber auch Urheber an dem nicht von ihm geschaffenen Teil wird. 106 Vgl. 17 U. S. Code § 101 (Definition) und § 201 (b) (erstmalige Zuweisung des Rechts); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1255 f.). 107 Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1068 (1993). 108 Picture Music, Inc. v. Bourne, Inc., 457 F.2d 1213, 1216 (2d Cir. 1972); Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 276 (2016); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 705, 711 f. (2017). 109 Bereits 1985 nahm Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1190 (1985) an, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis Gerichte gezwungen wären, sich dieser Thematik anzunehmen. Erstaunlicherweise gibt es über 30 Jahre später immer noch keine gerichtlichen Entscheidungen hierzu. 110 Copyright Office, Sixty-Eighth Annual Report of the Register of Copyrights (1965), p. 5: „The crucial question appears to be whether the ‚work‘ is basically one of human authorship, with the computer merely being an assisting instrument, or whether the traditional element of authorship in the work (literary, artistic or musical expression or elements of selection, arrange­ments, etc.) were actually conceived and executed not by man but by a machine.“

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1978 widmete CONTU jedoch nur einen kleinen Abschnitt111 dieser Thematik und lehnte die Urheberschaft von Computern bzw. die dahingehende Anpassung des geltenden Urheberrechts ab, da für sie unzweifelhaft nur der Nutzer („user“112) von Computersystemen als Urheber computergenerierter Werke in Betracht kam. CONTU bewertete künstlich intelligente Systeme damals nicht anders als Kameras oder Schreibmaschinen, die als bloße Werkzeuge ohne eigene Kreativität menschlicher Anweisungen bedürften und nahm nicht an, dass sich an dieser Bewertung bald etwas ändern würde.113 Nach Meinung der Kommission hatte der Nutzer von Computersystemen immer einen wesentlichen Anteil an der Gestaltung des Erzeugnisses und erleichterte der Computer lediglich die Formgebung menschlicher Kreativität.114 1986 sah das Office of Technology Assessment (OTA) des US-Kongresses zwar ebenfalls keinen Zweifel an der Urheberrechtsschutzfähigkeit computergenerierter Werke. Es nahm aber an, dass derartige Computerprogramme mehr als bloße Werkzeuge, nämlich in vielen Fällen sogar Miturheber seien. Anders als CONTU sah es die Frage, wem das Urheberrecht zufallen sollte, damit nicht als trivial an.115 Das U. S. Copyright Office versagte dagegen spätestens 1973 computergenerierten Werken den Schutz.116 Nach § 503.03 (a) Copyright Office’s Compendium II von 1984 hatten Werke, die durch mechanische Verfahren oder durch zufällige Auswahl ohne jeglichen Beitrag eines menschlichen Urhebers hergestellt wurden, keinen Schutzanspruch.117 Zufall genauso wie autonom erlerntes Verhalten könne 111 Final Report of the National Commission on New Technological Uses of Copyrighted Works, 1978, S. 43–46 („New Works“). 112 Bei mehreren Menschen hinter dem Computer seien nach CONTU einfach die Grundsätze der WMFH-Doktrin oder bei mehreren selbstständigen Künstlern die der Miturheberschaft anzuwenden, Final Report of the National Commission on New Technological Uses of Copyrighted Works, 1978, S. 45. 113 Final Report of the National Commission on New Technological Uses of Copyrighted Works, 1978, S. 44; siehe hierzu auch Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1192 ff. (1985); ­Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1044 f. (1993); Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 266 (2016); Bridy, 39 Colum. J.L & Arts 395, 396 (2016); Boyden, 39 Colum. J. L. & Arts 377, 378, 383 (2016). 114 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1200 (1985); Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 266 (2016). 115 Zum Ganzen U. S. Congress, Office of Technology Assessment, Intellectual Property Rights in an Age of Electronics and Information, 1986, S. 72; Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1046. (1993); Bridy, 39 Colum. J.L & Arts 395, 396 f. (2016); Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1102 (2016). 116 Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (325); Die Registrierung eines Copyrights beim U. S. Copyright Office ist zwar freiwillig und keine Voraussetzung für das Bestehen eines solchen, allerdings ist sie für die Rechtsdurchsetzung notwendig, vgl. Guadamuz, IPQ 2017, 169 (183). 117 Copyright Office’s Compendium II, § 503.03 (a), Works Not Originated by a Human Author: „In order to be entitled to copyright registration, a work must be the product of human author­ ship. Works produced by mechanical processes or random selection without any contribution by  a human author are not registrable. Thus,  a linoleum floor covering featuring  a multi­

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nicht dem menschlichen Programmierer eines KI-Systems zugerechnet werden.118 Das Copyright Office stützte sich dabei auf Formulierungen des Supreme Courts, der in seinen „Trade Mark Cases“ von „are founded in the creative powers of the mind“ und „the fruits of intellectual labor“ spricht.119 An dieser ablehnenden Haltung des Copyright Office gegenüber computergenerierten Werken hat sich bis heute nichts geändert. Auch in der dritten Ausgabe des Compendium of U. S. Copy­right Office Practices von 2014 heißt es in § 306 „The U. S. Copyright Office will register an original work of authorship, provided that the work was created by a human being. The copyright law only protects ‚the fruits of intellectual labor‘ that ‚are founded in the creative powers of the mind.‘ Trade-Mark Cases, 100 U. S. 82, 94 (1879). Because copyright law is limited to ‚original intellectual concept­ ions of the author‘, the Office will refuse to register a claim if it determines that a human being did not create the work. Burrow-Giles Lithographic Co. v. Sarony, 111 U. S. 53, 58 (1884). For representative examples of works that do not satisfy this requirement, see Section 313.2 below.“ und dort in § 313.2 „[…] Similarly, the Office will not register works produced by a machine or mere mechanical process that operates randomly or automatically without any creative input or intervention from a human author. […]“. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass diese Praxisvorschriften kein Gesetz, sondern lediglich Interna ohne Rechtsbindung sind, die in zukünftigen Ausgaben abgeändert oder neu entworfen werden können.120 Für den in 17 U. S. Code § 102 (a) enthaltenen Werkbegriff der „original works of authorship“ existiert keine trennscharfe Definition.121 Erforderlich ist nach der bisherigen Rechtsprechung lediglich „originality“ im Sinne einer unabhängigen Schöpfung, die nicht lediglich die Kopie eines bestehenden Werkes darstellt, sowie ein Minimum an Kreativität.122 KI-Schöpfungen stellen unproblematisch neue und damit von bisherigen Werken unabhängige Schöpfungen dar, da sie – wie oben im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. b) dd) und IV. 1. und 2. gesehen – nicht lediglich die Trainingsdaten kopieren, sondern ausgehend von diesen Neues schaffen.123 Fraglich ist aber, ob KI-Schöpfungen auch das notwendige Maß an Kreativität besitzen. colored pebble design which was produced by a mechanical process in unrepeatable, random patterns, is not registrable. Similarly, a work owing its form to the forces of nature and lacking human authorship is not registrable; thus, for example, a piece of driftwood even if polished and mounted is not registrable.“ 118 Hristov, 57 IDEA 431, 436 f. (2016). 119 100 U. S. 82, 94 (1879); diese Orientierung an antiquierten und damit dem neuen Phänomen der künstlichen Intelligenz nicht gerecht werdenden Entscheidungen zurecht kritisierend Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 228 ff. (2019). 120 Guadamuz, IPQ 2017, 169 (183); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 719 (2017). 121 Yanisky / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 31 (2018). 122 Ansehl v. Puritan Pharm. Co, 61 F.2d 131, 136 (8th Cir. 1932); Sheldon v. Metro-Goldwyn Pictures Corp., 81 F.2d 49, 54 (2d Cir. 1936); Alfred Bell & Co. v. Catalda Fine Arts, 191 F.2d 99 (1951), 102–103; Feist Publications, Inc. v. Rural Telefone Service Co., Inc., 499 U. S. 340, 345 f. (1991); Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 115; ­Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 271 (2016). 123 Yanisky-Ravid, 2017 Mich. St. L. Rev., 659 (724).

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

In der berühmten Entscheidung Feist Publications, Inc. v. Rural Telephone Service. Co., die die maßgeblichen Kriterien für das Vorliegen von „originality“ festgelegt hat,124 hat der Supreme Court lediglich ein Fünkchen an Kreativität verlangt.125 Es stellt sich jedoch vor dem Hintergrund, dass das Gericht bei seinen damaligen Feststellungen keine KI-Schöpfungen im Hinterkopf hatte, die Frage, ob hierdurch lediglich „objektiv“ banale Leistungen vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen werden sollten, oder aber der Urheberrechtsschutz dadurch ausschließlich zu „subjektiv“ ästhetischem Empfinden fähigen, lebenden Kreaturen vorbehalten bleiben sollte.126 Naheliegenderweise lag der Fokus des Gerichts damals darauf, ästhetische Entscheidungen durch Gerichte zu verhindern. Dass es hierdurch zu der Gefahr der Trennung der kausalen Verbindung zwischen der kreativen Tätigkeit des Urhebers und dem Niederschlag von Kreativität im Werk kommen kann, war vor dem damaligen Hintergrund, dass ohnehin alle Werke von Menschen geschaffen wurden, nicht weiter dramatisch.127 Objektiv betrachtet besitzen wohl die meisten KI-Schöpfungen das geforderte Minimum an Kreativität, da diese zumeist nicht von menschlichen Kunstwerken unterscheidbar sind, ohne jedoch auf menschliches Tätigwerden zurückführbar zu sein.128 Wenn die Forderung nach Kreativität aber nicht lediglich als objek­tiver Gradmesser, sondern subjektiv im Sinne von menschlichem Bewusstsein verstanden würde, könnten Maschinen diese per definitionem niemals erreichen.129 Einige Stimmen fordern entsprechend der offenen Formulierung der Verfassung und des Codes eine objektivierte Auslegung des Originalitätsbegriffs, der auch nichtmenschliche Werke erfasst.130 Der überwiegend utilitaristische Ansatz 124

Guadamuz, IPQ 2017, 169 (181) spricht von „US standard“; Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (389). 125 Feist Publications, Inc. v. Rural Telefone Service Co., Inc., 499 U. S. 340 (1991): „modicum of creativity“ (340) „minimal degree of creativity“ (345) und „de minimis quantum of creativity“ (363); dabei hat das Gericht aber gleichzeitig betont, dass das verlangte Kreativitätslevel zwar extrem gering sei, der Einsatz von „sweat of the brow“ allein aber nicht mehr ausreiche. 126 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 724 (2017); Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (385) ist der Auffassung, dass Kreativität Menschliches voraussetzt: „creativity is not intended as a function of the artistic quality of works, but rather as the footprint of the author’s own personality and intellect“. 127 Boyden, 39 Colum. J. L. & Arts 377, 390 (2016). 128 So wohl auch Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 12 Rn. 28 (2012); Bridy, 39 Colum. J. L. & Arts 395 (2016), 399; Yanisky / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 12 (2018). 129 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 9 Rn. 22 (2012); Bridy, 39 Colum. J. L. & Arts 395 (2016), 398. 130 So beispielsweise Yansiky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1 (2018) und Kaminski, 51 U. C. Davis L. Rev. 589 (2017), wobei erstere künstliche Intelligenz über eine objektivierte Auslegung des Originalitätsbegriffs nicht nur unter den amerikanischen, sondern auch unter den internationalen Werkbegriff nach der Berner Übereinkunft bringen wollen, da es in Art. 2 Abs. 3 und 14bis Abs. 1 der Revidierten Berner Übereinkunft „Originalwerk“ heißt, ohne dass näher definiert wird, was darunter zu verstehen ist.

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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zur Rechtfertigung des amerikanischen Copyrights lasse ausreichend Raum für eine nichtmenschliche Urheberschaft.131 Für eine objektive Bestimmung von Originalität sei danach erforderlich, dass statt eines ästhetischen, die Intention des Werkschaffenden berücksichtigenden, Maßstabes ein rein beschreibender Maßstab angelegt werde, für den die Perspektive eines durchschnittlichen Betrachters maßgebend sei, der den Ausdruck unter Berücksichtigung des Aufwandes und der Ähnlichkeit zu bestehenden Werken bewerte.132 Auf die Frage, ob künstliche Intelligenz bewusst handele, komme es danach nicht mehr an.133 Aus der bisherigen Rechtsprechung könnte jedoch ein Konflikt zwischen kreativer und maschineller Arbeit herausgelesen werden.134 Obwohl es bisher kein richterliches Urteil über die Urheberrechtsfähigkeit von durch künstliche Intelligenz erzeugten Werken gibt, betonen einige Fälle in anderen Zusammenhängen die Notwendigkeit menschlicher Kreativität für ein „work of authorship“.135 So verlangte der Supreme Court bereits 1884 in Burrow-Giles Lithographic Co. v. Sarony136 für ein Urheberrecht an Fotografien, dass diese „representives of original intellectual conceptions of the author“ bzw. „original mental conception[s]“ sind.137 Auch Jahrzehnte später formulierte der Court of Appeals 1997 in der Entscheidung Urantia Found v. Maaherra, dass „[s]ome element of human creativity must have occured“, sowie 2011 in der Entscheidung Kelley v. Chicago Park Dist., dass „Authors of copyrightable works must be human; works owing their form to the forces of nature cannot be copyrighted.“.138 Hiergegen kann jedoch angeführt werden, dass die Frage, ob Maschinen kreative Schöpfer sein können, der Zeit entsprechend überhaupt noch nicht im Raum stand und Gegenteiliges daher nicht in diese Entscheidung hineininterpretiert werden kann.139 Künstliche Intelligenz simuliert gerade die von den Gerichten in diesen Entscheidungen verlangten menschlichen Eigenschaften.

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Kaminski, 51 U. C. Davis L. Rev. 589, 599, 601, 603 (2017). Yansiky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 33, 52 (2018). 133 Yansiky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 35 (2018). 134 Yansiky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 24 (2018); Bridy, 39 Colum. J. L. & Arts 395 (2016), 399. 135 Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 266 (2016). 136 Burrow-Giles Lithographic Co. v. Sarony, 111 U. S. 53 (1884). 137 Burrow-Giles Litographic Company v Sarony, 111 U. S. 53 (1884), 58, 60. 138 Urantia Found. v. Maaherra, 114 F.3d 955, 958 (9th Cir. 1997); Kelley v. Chicago Park Dist., 635 F.3d 290, 304 (7th Cir. 2011). 139 Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1062 (1993); Hristov, 57 IDEA 431, 435 ff. (2016) unterscheidet dementsprechend zwischen künstlicher Intelligenz als Werkzeug des Menschen, worunter er z. B. digitale Kameras versteht, die durch KI-Programme unterstützt arbeiten und damals noch nicht vorstellbarer künstliche Intelligenz, die als eigenständiger Akteur im Schaffensprozess tätig wird. Lediglich auf diese erste Kategorie ist die Rechtsprechung übertragbar; Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1101 (2016). 132

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

In der Entscheidung Urantia Foundation v. Maaherra betont das Gericht zudem, dass Urheberrechte nicht notwendigerweise menschliche Urheberschaft erfordern, solange ein ausreichender Bezug zu menschlicher Kreativität gegeben ist.140 Mit dieser Argumentation könnte man auch vorliegend bei KI-Schöpfungen einen „sufficient nexus to human creativity“ annehmen.141 Ein Bezug zu menschlicher Kreativität könnte zum Beispiel in der Auswahl der Trainingsdaten durch den Trainer gesehen werden. Da das amerikanische Urheberrecht nicht ausdrücklich eine menschliche Urheberschaft fordert, könnten KI-Schöpfungen folglich aufgrund ihres Bezugs zu menschlicher Kreativität als „original works of authorship“ angesehen werden.142 Ob das Originalitäts-Erfordernis menschlichen Intellekt, menschliche Kreativität oder überhaupt einen menschlichen Beitrag erfordert, hängt aber immer von der Auslegung durch die jeweiligen Richter ab.143 Eine „KI-freundliche“ Auslegung des amerikanischen Rechts durch die Rechtsprechung ist keineswegs sicher.144 Es besteht immer das Risiko, dass einzelne Werke als nicht urheberrechtsfähig angesehen werden. Hinzu kommt, dass damit den Gerichten auch die Klärung der schwierigen Frage überlassen bleibt, welchem menschlichen Beteiligten das Werk zugerechnet werden soll. Ein Großteil der sich mit dieser Thematik befassenden amerikanischen Rechtsgelehrten spricht sich daher für die Schaffung einer rechtlichen Regelung aus, um die Rezeption dieser neuen technischen Entwicklung nicht zu behindern.145

140 Urantia Foundation v. Maaherra, 114 F.3d 955, 958, (9th Circuit 1997): „The copyright laws, of course, do not expressly require ‚human‘ authorship“ und „a work is copyrightable if copyrightability is claimed by the first human beings who compiled, selected, coordinated, and arranged“. 141 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 20 Rn. 49 (2012) so wohl auch Maggiore, in: Bonadio /  Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (394 f.). 142 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 20 Rn. 49 (2012). 143 Kaminski, 51 U. C. Davis L. Rev. 589, 600, 614 (2017). 144 Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 280 (2016). 145 So sehen auch Yanisky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 53 (2018) ihren Ansatz zur objektivierten Auslegung des Originalitätsbegriffs lediglich als Vorarbeit zu der weiteren Frage an, wer ein Schutzrecht an den KI-Werken für („on behalf“) die KI letztlich erhält und ob hierfür Änderungen des Urheberrechts notwendig sind; Gegen die Schaffung einer neuen rechtlichen Regelung bspw. Grimmelmann, 39 Columbia Journal of Law & the Arts 403, 409 (2016), der verkennt, dass der Computer bei KI-Schöpfungen einen eigenständigen Beitrag leistet und nicht nur ein bloßes Werkzeug gleich einem Pinsel ist, sowie Boyden, 39 Colum. J. L. & Arts 377, 391, 393 (2016), der zwar erkennt, dass der Computer unabhängig von den menschlichen Beteiligten tätig wird, aber fälschlicherweise den bereits existierenden urheberrechtlichen Computerprogrammschutz für ausreichend hält.

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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cc) Lösung über die WMFH-Doktrin Besonders vielversprechend erscheint dabei der Ansatz, das Instrument der WMFH-Doktrin auch für KI-Schöpfungen heranzuziehen und eine menschliche Urheberschaft zu fingieren.146 Ein „work made for hire“ ist nach 17 U. S. Code § 101 unter anderem „a work prepared by an employee within the scope of his or her employment“

Für solche Auftragswerke gilt nach 17 U. S. Code § 201 (b): „In the case of a work made for hire, the employer or other person for whom the work was prepared is considered the author for purposes of this title, and, unless the parties have expressly agreed otherwise in a written instrument signed by them, owns all of the rights comprised in the copyright.“

Entsprechend der Fiktion dieser Doktrin könnte einem der menschlichen Beteiligten ein Urheberrecht an den KI-Schöpfungen zugerechnet werden, da sie ein Auseinanderfallen von Schöpfer und Urheberrechtsinhaber ermöglicht.147 Man könnte KI-Systeme entsprechend dieser Doktrin als Arbeitnehmer ansehen, die für die dahinterstehenden Menschen oder die dahinterstehende Firma tätig werden und im Rahmen dieser Tätigkeit Werke schaffen.148 Da es für die Wohlfahrt der Allgemeinheit vordergründig auf das Werk und nicht darauf ankommt, wer dieses produziert hat, gibt es im US-Urheberrecht keinen Grund, computergenerierte Werke nicht urheberrechtlich zu schützen.149 Anders als bei Rechtssystemen mit Persönlichkeitsrechten stellt es im angloamerikanischen System, bei dem wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen, kein Problem dar, ein nichtmenschliches Werk zu schützen, da dieses nicht die Persönlichkeit des Autors widerspiegeln muss.150 Der Schutz von KI-Schöpfungen wäre sogar leichter in das amerikanische Recht zu integrieren als er es in das britische Recht war, weil es im amerikanischen Recht abgesehen von einer Ausnahme für bestimmte „works of visual art“ (17 U. S. Code §§ 101, 106A) keine kodifizierten moral rights gibt, sowie mit Ausnahme von „works made for hire“ keine unterschiedlichen Schutzfristen, sodass keine besondere Kategorie für KI-Schöpfungen geschaffen werden müsste.151 146 Butler, 4 Hastings Comm. & Ent. L. J. 707, 741 (1982); Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1203 (1985); Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 26 Rn. 66 (2012); Bridy, 39 Colum. J.L & Arts 395, 400 (2016); Kaminski, 51 U. C. Davis L. Rev. 589, 599, 602 (2017); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 720, 725 (2017); Hristov, 57 IDEA 431, 445 ff. (2017); Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 234 ff. (2019); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1256). 147 Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251 (2016), 274 f. 148 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 705, 709 (2017). 149 Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 273 (2016). 150 Miller, 106 Harv. L. Rev., 977, 1049 f., 1067 (1993). 151 Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 286 (2016).

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

Zudem würde durch eine klare Schutzregelung das Problem der Nichtoffen­ legung von KI-Beteiligung vermieden.152 Bridy schlägt insofern vor, die in 17 U. S. Code § 101 (b) enthaltene Definition des „work made for hire“ um einen weiteren Absatz „a work generated by a computer in circumstances such that there is no human author of the work“ entsprechend der von Großbritannien gewählten Lösung anzupassen. Danach wäre 17 U. S. Code § 201 (b) ohne Weiteres auch auf KI-Schöpfungen anwendbar.153 Hristov hält eine Lösung über die WMFH-Doktrin ebenfalls für die am wenigsten disruptive und praktikabelste Lösung für KI-Schöpfungen, da statt einer Maschine weiterhin nur Menschen bzw. juristische Personen ein Urheberrecht bekommen könnten.154 Anders als Bridy möchte er KI-Schöpfungen aber nicht als eine weitere Art des „work made for hire“ ins Gesetz schreiben, sondern lediglich die Begriffe des Arbeitnehmers und Arbeitgebers in der WMFH-Doktrin weiter definieren. Genauso wie die Begriffe „author“ und „writings“ viel Interpretationsspielraum lassen, um neue Entwicklungen aufnehmen zu können, sollten seiner Meinung nach auch die Begriffe „employer“ und „employee“ offen für Wandel sein.155 Dieser Ansatz widerspricht allerdings der Forderung des Supreme Courts nach einer restriktiven Handhabung.156 Offen bleibt bei einer solchen Regelung aber ähnlich wie im britischen Recht, welchem der menschlichen Beteiligten das Urheberrecht zufallen soll bzw. wer mit „employer or other person for whom the work was prepared“ in 17 U. S. Code § 201 (b) gemeint ist. Hier gehen die Meinungen der Befürworter einer Lösung entsprechend der WMFH-Doktrin wiederum auseinander. Nach Bridy kommt als Urheberrechtsinhaber grundsätzlich nur der Programmierer in Betracht, dessen Computerprogramm mangels Rechtspersönlichkeit nicht Urheber sein kann. Ausnahmsweise kann sie sich Situationen vorstellen, in denen das Urheberrecht an den Arbeitgeber des Programmierers oder den Programmnutzer zu gehen habe, wobei sie letzteren nicht näher definiert.157 Die Bestimmung der konkreten Person, der das Urheberrecht zufallen soll, möchte Bridy den Gerichten überlassen.158 In ihrer grundsätzlichen Zuerkennung des Urheberrechts an den Programmierer verkennt Bridy, dass zwischen der ursprünglichen Software und dem fertigen KI-System zu unterscheiden ist, das nicht mehr das Werk des Programmierers ist. 152

Hristov, 57 IDEA 431, 450 (2016). Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 27 Rn. 68 (2012). 154 Hristov, 57 IDEA 431, 440, 447, 449 (2016). 155 Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1113 (2016) fordert im Patentrecht ähnlich diesem Ansatz eine großzügigere, maschinelle Erfindungen erfassende, Auslegung des Erfinderbegriffs. 156 Community for Creative Non-Violence v. Reid, 490 U. S. 730, 747 (1989); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 715 (2017). 157 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 21 Rn. 51, 66, 68 (2012). 158 Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 21 Rn. 68 (2012). 153

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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Yanisky-Ravid hält aufgrund der Vielzahl an möglichen beteiligten Personen im Umfeld der KI-Schöpfung nur den „user“, also die Firma, den Menschen oder eine andere rechtliche Einheit, die das KI-System betreibt, ihm Anweisungen gibt, das finanzielle Risiko trägt, Energie und Materialien in der Hoffnung, damit ein vermarktbares Endprodukt zu produzieren, liefert, für den geeigneten Rechteinhaber.159 Nur dadurch kann ihrer Meinung nach sinnvoll im Sinne der Anreiztheorie zur Nutzung von KI-Systemen und der Schaffung von KI-Schöpfungen angeregt werden und der Gefahr begegnet werden, dass sich die vielen Interessenvertreter gegenseitig blockieren und den wirtschaftlichen Nutzen des KI-Systems schmälern.160 Ihre Definition des „users“ entspricht der in dieser Arbeit als „Trainer“ bezeichneten Person. Allerdings hält Yanisky-Ravid es in offenkundiger Verkennung des enormen Kostenaufwands zur Schaffung von KI-Schöpfungen nicht für zwingend notwendig, überhaupt ein Recht zuzugestehen, da ihrer Ansicht nach die Nutzung von KI-Systemen weniger kostenintensiv sei als mit „menschlichem Material“ zu arbeiten.161 Hristov unterscheidet bei den möglichen menschlichen Beteiligten, die für das Urheberrecht in Betracht kommen, zwischen Programmierern, Eigentümern als großen Unternehmen und Investoren im KI-Sektor, die für die Finanzierung der Entwicklung des KI-Systems verantwortlich sind, und den Endnutzern. Das Urheberrecht solle dem Beteiligten zufallen, bei dem die Gesellschaft den größten Nutzen zieht, also demjenigen, der am meisten zu der Entwicklung und Verbreitung von künstlicher Intelligenz beiträgt. Nach Hristov sind das die Programmierer, sowie die Unternehmen, für die diese arbeiten.162 Dabei scheint er aber ähnlich wie Bridy zu verkennen, dass der wesentliche Teil der Arbeit auf dem Weg zur fertigen KI-Schöpfung nicht von den Programmierern verrichtet wird, sondern von den hier als Trainern bezeichneten Personen. Die von ihm beschriebenen nötigen finanziellen Anreize für die KI-Produktion benötigen nicht die Programmierer, die bereits ein Urheberrecht an ihrem Computerprogramm erhalten, sondern vielmehr diejenigen, die bisher ohne rechtliche Anerkennung den maschinellen Lernprozess anstoßen und begleiten. Samuelson, die sich bereits 1985 mit der Thematik beschäftigt hat, kam zu dem Ergebnis, dass in der Regel nur der „user“ des KI-Systems als Urheberrechtsinhaber von KI-Schöpfungen in Betracht käme.163 Anhand ihrer Beschreibung des „users“ entspricht dieser der vorliegend als Trainer bezeichneten Person. Dies begründet sie damit, dass der „user“ die Person sei, die von allen menschlichen Beteiligten für die Erschaffung noch am kausalsten sei und dies im Hinblick auf

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Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 671, 712 (2017). Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 712 f. (2017). 161 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 716 (2017). 162 Zum Ganzen Hristov, 57 IDEA 431, 443 ff. (2016). 163 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1192 (1985). 160

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

die niedrigen Anforderungen an die Originalität sowie die Existenz der WMFHDoktrin, bei der der Arbeitgeber auch keinen direkten Einfluss auf den kreativen Prozess habe, ausreiche.164 Derjenige, der ein KI-System für kreative Leistungen einsetze, könne nicht anders behandelt werden als der Arbeitgeber und verdiene dementsprechend die Rechte an den computergenerierten Schöpfungen.165 dd) Übertragbarkeit auf das deutsche Urheberrecht Anders als im US-Recht wird im deutschen Recht als Originalitäts- und Individualitätsmaßstab kein Mindestmaß an Kreativität in Form eines „modicum of creativity“, also eines Fünkchens Kreativität, verlangt. Ausgeschlossen ist dort lediglich „das rein Handwerksmäßige“ oder „die mechanisch-technische Aneinanderreihung und Zusammenfügung des Materials“166 bzw. mit den Worten des EuGHs „technische Erwägungen, […] Regeln, oder […] andere Zwänge“.167 Wir haben oben im ersten Teil unter Kapitel 4, I. 2. b) gesehen, dass das Werkschaffen durch künstliche Intelligenz weit über eine bloße technisch-handwerkliche Neuanordnung von Informationen hinausgeht, sodass hierin keine Hürde für KI-Schöpfungen zu erblicken ist. Im deutschen Urheberrecht ist aber anders als im US-Recht kein für das Funktionieren einer Lösung gemäß der WMFH-Doktrin erforderliches Auseinanderfallen von Schöpfer und Urheberrechtsinhaber möglich, auch nicht im Arbeitnehmererfinderrecht. Dort gehen lediglich die Verwertungsrechte auf den Arbeitgeber über, das Urheberrecht verbleibt dagegen untrennbar verbunden mit der Person des Schöpfers bei diesem (§§ 43, 69b UrhG). Das Arbeitnehmererfinderrecht stellt damit kein deutsches Äquivalent zur WMFH-Doktrin in den USA dar und kann anders als diese daher auch nicht für KI-Schöpfungen fruchtbar gemacht werden. Denn es ist gerade dieses unter der dortigen Doktrin mögliche Auseinanderfallen von Schöpfer und Urheberrechtsinhaber, das eine rechtliche Handhabung der Problematik ermöglicht. Das ökonomisch-utilitaristische Konzept des US-amerika­ nischen Copyright-Systems bietet für unser individualistisch geprägtes Urheberrecht daher keinen gangbaren Weg.168 Hinzu kommt, dass das über die WMFH-Doktrin erworbene Copyright weniger Schutz bietet als das „gewöhnliche“ Copyright. So unterscheidet sich die Schutzdauer und es erfolgt keine Gewährung von moral rights.169 Ähnlich wie bei uns die Leistungsschutzrechte stellt es daher ein Minus zum normalen Copyright dar. Eine

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Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1202 f. (1985). Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1203 (1985). 166 BGH, GRUR 1985, 1041 (1047)– Inkasso-Programm. 167 EuGH, NJW 2019, 3437 Rn. 31 – Cofemel / G-Star. 168 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1260). 169 Vgl. 17 U. S. Code § 302 (a), (c) und § 106A; Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 711 (2017). 165

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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solche Abstufung des rechtlichen Schutzes ist im deutschen Urheberrecht nicht möglich, sondern müsste durch die Einordnung als Leistungsschutzrecht geschehen. Wie bereits zur britischen Lösung festgestellt, würde auch eine Übernahme der amerikanischen WMFH-Lösung in das deutsche Urheberrecht aufgrund der umfangreicheren Rechteeinräumung damit sogar ein Mehr an Schutz bedeuten. 3. Internationaler Ansatz der WIPO Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) befasst sich ebenfalls mit dem Schutz von computergenerierten Werken. In dem vorbereitenden Dokument für den Entwurf eines Modellgesetzes zum Urheberrecht („Draft Model Law on Copyright“) sprach sie sich schon 1990 für eine Regelung aus, die sich bei der Formulierung alternativ bei der britischen Regelung (1. Alternative) oder der für Sammelwerke vorgeschlagenen Lösung (2. Alternative) bedienen sollte (Alternativen jeweils in Klammern): „Section …: Ownership of Rights in Computer-Produced Works In the case of a computer-produced work, the owner of moral rights and the original owner of economic rights is the physical person or legal entity [by whom or by which the arrangements necessary for the creation of the work are undertaken] [at the initiative and under the responsibility of whom or of which the work is created and disclosed].“170

Statt des Begriffs des computergenerierten Werkes verwendete die WIPO dabei den Begriff des computerproduzierten Werkes. Dieser war nach Ansicht der WIPO besser geeignet, um zu verdeutlichen, dass es entsprechend dem damaligen Stand der Technik noch keine wirklich vom Menschen unabhängigen Computerschöpfungen gab, sondern lediglich Schwierigkeiten bei der Ermittlung der mensch­lichen Beiträge bestünden.171 Den Begriff des computerproduzierten Werkes definierte die WIPO dabei als „work that is produced by means of computers, where the identification of the various creative contributions and the authors thereof is impossible [because of the number or the indirect nature of those contributions] [because the contributions of the authors are merged in the totality of the work].“172 Sie betonte, dass die von ihr gewählte Definition anders als diejenige von Großbritannien zu einem Schutz als literarisches oder künstlerisches Werk nach der Berner Konvention führen würde.173 Dies ist vor dem Hintergrund von 170 International Bureau of WIPO, Preparatory Document, Draft Model Law on Copyright, CE / MPC / III/3, March 30, 1990, Abschnitt 258 f. 171 International Bureau of WIPO, Preparatory Document, Draft Model Law on Copyright, CE / MPC / III/3, March 30, 1990, Abschnitt 123. 172 International Bureau of WIPO, Preparatory Document, Draft Model Law on Copyright, CE / MPC / III/3, March 30, 1990, Abschnitt 126. 173 International Bureau of WIPO, Preparatory Document, Draft Model Law on Copyright, CE / MPC / III/3, March 30, 1990, Abschnitt 127.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

Bedeutung, dass den meisten Artikeln der Berner Konvention, ohne den Begriff des Urhebers aber zu definieren, das Leitmotiv des menschlichen Urhebers zugrunde liegt.174 Nachdem das Experten-Komitee zu dem Schluss kam, dass weitere Untersuchungen notwendig seien, wurde das Modellgesetz allerdings niemals beschlossen.175 Erst im Herbst 2019 nahm die WIPO die Thematik mit dem Forum „The WIPO Conversation on Intellectual Property and Artificial Intelligence“ zur Diskussion des Einflusses von künstlicher Intelligenz auf das geistige Eigentum wieder auf. Im Dezember 2019 veröffentlichte sie ein „Draft Issues Paper on IP policy and AI“, dem im Mai 2020 ein „Revised Issues Paper on IP policy and AI“ folgte.176 Darin werden allerdings lediglich im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz und geistigem Eigentum relevante Fragen formuliert, ohne bereits konkrete Antworten auf diese Fragen anzuvisieren. Da das Modellgesetz in seiner Ausgestaltung der britischen Regelung nahesteht, gelten die hierzu geäußerten Kritikpunkte entsprechend. Die aktuelle Diskussion hingegen ist noch nicht weit genug fortgeschritten, um hieraus Anhaltspunkte für eine deutsche Lösung der KI-Problematik ziehen zu können. 4. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass eine Lösung der KIProblematik über die Schaffung eines neuen oder die entsprechende Anpassung des bisherigen Urheberrechts, ähnlich wie in Großbritannien kodifiziert oder in den USA und bei der WIPO zumindest diskutiert, in Deutschland vor dem Hintergrund der schöpferkonzentrierten Urheberrechtskonzeption nicht in Betracht kommt.

174

Ginsburg, IIC (2018) 49 131; Ausnahme ist zum Beispiel Art. 14bis (2), der dem „maker“ das Urheberrecht an dem kinematografischen Werk gibt, dabei allerdings zumindest indirekt unterstreicht, dass der Filmproduzent nur „maker“, nicht aber „Urheber“ sein kann; siehe hierzu auch Ricketson, 16 Colum.-VLA J. L. & Arts 1 (1991); a. A. wohl Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1050 (1993), der als Argument für die Neutralität des Urheberbegriffs in der Berner Konvention den Guide to the Berne Convention (1978), Art. 1.16 anführt. 175 Copyright, Monthly Review of the World Intellectual Property Organization (WIPO), No. 9 September 1990, 241 (292); Miller, 106 Harv. L. Rev. 977, 1051 f. (1993); Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (332). 176 Vgl. zum Ganzen auf den Internetseiten der WIPO unter https://www.wipo.int/about-ip/ en/artificial_intelligence/conversation.html.

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

185

III. Urheberrecht für die künstliche Intelligenz selbst Zumindest anzudenken ist neben der Schaffung eines Urheberrechts für einen der menschlichen Beteiligten die Schaffung eines Urheberrechts für die künstliche Intelligenz selbst. Die Erweiterung des Kreises der in Betracht kommenden Schöpfer um die sog. e-Person als zusätzlicher Form der rechtsfähigen Person könnte Klarheit hinsichtlich des Schutzrechtsinhabers ermöglichen und Diskussionen über die Beiträge der einzelnen menschlichen Beteiligten erübrigen.177 In anderen Rechtsbereichen, vor allem im Haftungsrecht, wird bereits seit Jahren darüber diskutiert, ob KI-Systeme als rechtsfähige digitale Rechtssubjekte behandelt werden sollten.178 Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 16. 02. 2017 im Zusammenhang mit Haftungsfragen die Kommission dazu aufgefordert „langfristig einen speziellen rechtlichen Status für Roboter zu schaffen, damit zumindest für die ausgeklügeltsten autonomen Roboter ein Status als elektronische Person festgelegt werden könnte, die für den Ausgleich sämtlicher von ihr verursachten Schäden verantwortlich wäre, sowie möglicherweise die Anwendung einer elektronischen Persönlichkeit auf Fälle, in denen Roboter eigenständige Entscheidungen treffen oder anderweitig auf unabhängige Weise mit Dritten interagieren.“179 Auch auf nationaler Ebene wird jedenfalls für das Haftungsrecht ein spezieller rechtlicher Status für autonome Systeme erwogen.180 Es ist daher zu untersuchen, ob die im Haftungsrecht diskutierten Ansätze auch für das Urheberrecht fruchtbar gemacht werden können. Für die Verleihung von Rechtsfähigkeit an KI-Systeme sind zwei verschiedene Ansätze denkbar: Zum einen die Schaffung eines Rechtsstatus entsprechend dem einer natürlichen Person und zum anderen die Behandlung von KI-Systemen ähnlich juristischen Personen.181

177

Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (443). Riehm, RDi 2020, 42. 179 Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, 2017, S. 21 f.; hierzu auch Delvaux, Berichterstatterin des Rechtsausschusses zum Entwurf, im Interview vom 12. 01. 2017 unter https://www.europarl.europa.eu/news/de/ headlines/economy/20170109STO57505/erste-eu-weite-robotergesetze-interview-mit-madydelvaux. 180 Schaub, JZ 2017, 342; Siehe hierzu z. B., John, Haftung für künstliche Intelligenz, 2007, 372 ff.; Beck, in: Hilgendorf / Günther, Robotik und Gesetzgebung, 2013, S. 239 (255 f.); Beck, in: Gruber / Bung / Ziemann, Autonome Automaten, 2015, S. 173 (181); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen, 2015, S. 92 ff.; Wagner, in: Faust / Schäfer, Zivilrecht­ liche und rechtsökonomische Probleme des Internet und der künstlichen Intelligenz, 2019, S. 1 (29 ff.); Kleiner, Die elektronische Person, 2021, S. 137 ff. 181 So auch Wang, in: Dederer / Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (88 f.); Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 684 f. (2017) spricht vom „Personhood and Consciousness Approach“ gegenüber dem „Firm Approach“; Chopra / W hite, A Legal Theory for Autonomous Artificial Agents, 2011, S. 159 sprechen von „dependant“ und „independent legal personality“. 178

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

1. Künstliche Intelligenz als Rechtssubjekt im Sinne einer natürlichen Person Da KI-Systeme nicht mehr lediglich unterstützende Werkzeuge des Menschen bei dessen Schöpfungsprozess sind, sondern vielmehr unabhängig von diesem in der Lage sind, von menschlichen Schöpfungen nicht unterscheidbare Werke zu schaffen, mag man sich fragen, ob es nicht gerechtfertigt wäre, künstlicher Intelligenz eine eigene Rechtspersönlichkeit ähnlich derjenigen von natürlichen Personen zuzugestehen. Computer sind dank der technischen Fortschritte des letzten Jahrzehnts nicht mehr nur in der Lage, früher einmal ausschließlich dem Menschen vorbehaltene Tätigkeiten auszuüben, sondern weisen dabei bestimmte autonome und kognitive Merkmale auf, die sie befähigen, aus Erfahrung zu lernen und von externer Steuerung oder Einflussnahme unabhängige Entscheidungen zu treffen.182 Diese Fähigkeit, freie Entscheidungen zu treffen, könnte man bereits als Bewusstsein deuten.183 Es darf aber nicht verkannt werden, dass KI-Systeme auf dem heutigen Stand der Technik zwar bereits in vielen Bereichen menschliche Tätigkeiten übernehmen und dabei aufgrund der dem menschlichen Gehirn nachgebildeten künstlichen neuronalen Netze in ihrem Lern- und Schaffensprozess mit dem Menschen vergleichbar „denken“ und Aufgaben lösen können, wir von einem komplett künstlichen Menschen, wie wir ihn aus Science Fiction Filmen und Serien wie „Ex Machina“ und „Westworld“ kennen, allerdings noch weit entfernt sind.184 Außerhalb der schöpferischen Leistung, das heißt außerhalb des eng umgrenzten Bereichs, innerhalb dessen die künstliche Intelligenz tätig wird, sind bereits die Grenzen ihres „Menschseins“ erreicht. Bei der Entscheidungsmacht künstlicher Intelligenz handelt es sich immer noch um eine vom Menschen delegierte Entscheidungsmacht in einem bestimmten, vom Menschen vorher abgesteckten Anwendungsbereich. Dieser bestimmt nach wie vor, welche Art von Entscheidungen der Computer treffen darf, welche Handlungen er ausführen kann und welche konkreten Algorithmen, Regeln oder künstlichen neuronalen Netze der künstlichen

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Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, S. 7. 183 Siehe hierzu McDermott, in: Zelazo / Moscovitch / T hompson (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Consciousness, 2007, S. 117. 184 So auch Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079 (2016), 1114: „‚computer personhood‘ is not on the horizon.“; Lewke, InTer 2017, 207 (208); Riehm, RDi 2020, 42 vermutet den Grund für die Vorstellung von einer e-Person darin, dass KI-Systeme häufig humanoid dargestellt werden, was intuitiv eine menschenähnliche Behandlung im Recht nahelege; Schröder, in: Kaulartz /  Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 2.5 Rn. 38; Hilty / Hoffmann / Scheuerer, MPI for Innovation and Competition Research Paper No. 20-02, S. 7; Dornis, GRUR 2021, 784 (785).

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

187

Intelligenz zugrunde liegen.185 Nur in diesem „Autonomiebereich“ können Systeme künstlicher Intelligenz ihre Aktionen entfalten.186 Eine darüber hinausgehende generelle Intelligenz besitzt künstliche Intelligenz anders als der Mensch allerdings noch nicht.187 So sagen beispielsweise Bringsjord und Ferrucci über Brutus, ihre „Geschichtenmaschine“: „He is capable of generating [stories] because two humans spent years figuring out how to formalize a generative capacity sufficient to produce […] stories, and they then [were] able to implement part of this formalization so as to have a computer produce such prose.“188 Damit handelt es sich bei der heutigen künstlichen Intelligenz noch immer um sog. schwache künstliche Intelligenz, die lediglich in der Lage ist, konkrete Anwendungsprobleme des menschlichen Denkens zu meistern.189 Dabei ahmt sie kognitive Prozesse des menschlichen Gehirns nach.190 Sog. starke künstliche Intelligenz wäre dagegen nicht auf ein bestimmtes Anwendungsfeld begrenzt, sondern eine universelle, allgemeine Intelligenz, die der des Menschen gleicht oder diese sogar übertrifft.191 Erst wenn wir eine solche starke künstliche Intelligenz entwickelt haben werden, wird sich daher die Frage nach der Gleichstellung mit dem Menschen stellen, da erst dann auch die Frage nach einem maschinellen Bewusstsein und seinen ethischen Implikationen aufkommen wird.192 Erst einer starken künstlichen Intelligenz ist ein echter, das heißt bewusstseinsgetragener und nicht lediglich simulierter, schöpferischer und kreativer Akt zuzutrauen.193 Das Bestehen 185

Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 10 Rn. 23 (2012); Spindler, CR 2015, 766 (767); Pieper, InTeR 2016, 188 (191); Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1094 (2016); Weißbuch der Europäischen Kommission vom 19. 02. 2020, COM (2020) 65 final, S. 16. 186 Herberger, NJW 2018, 2825 (2827). 187 Gentsch in seinem Vortrag „Wie innovativ, kreativ und schöpferisch können Computer sein? Beispiele zur Anwendung künstlicher Intelligenz“ auf der GRUR-Jahrestagung 2018; WIPO, Revised Issues Paper on Intellectual Property and Artficial Intelligence, 2020, S. 4. 188 Bringsjord / Ferrucci, Artificial Intelligence and Literary Creativity, 2000, S. 5. 189 Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zur künstlichen Intelligenz (AI Law), 2019, S. 3; Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (140); Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (362); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 14. 190 Söbbing, Fundamentale Rechtsfragen zur künstlichen Intelligenz (AI Law), 2019, S. 3 f.; Niederée / Nejdl, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 2 Rn. 3. 191 DPMA, Künstliche Intelligenz und Schutzrechte, abrufbar unter: https://www.dpma.de/ dpma/veroeffentlichungen/hintergrund/ki/kuenstlicheintelligenzundschutzrechte/index.html; Pieper, InTeR 2016, 188 (191); Kaminski, U. C. Davis L. Rev. 589, 596 (2017); Hauck / Cevc, ZGE 2019, 135 (140); Niederée / Nejdl, in: Ebers / Heinze / K rügel / Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik, 1. Aufl. 2020, § 2 Rn. 2; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 14. 192 Zur Frage, ob starke KI den menschlichen Geist ersetzen kann, z. B. Haberstumpf, ZGE 2020, 355 (367). 193 https://www.dpma.de/dpma/veroeffentlichungen/hintergrund/ki/kuenstlicheintelligenz undschutzrechte/index.html; von „simulierte(r) Intelligenz“ sprechend auch Lewke, InTer 2017, 207 (208).

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

des bekannten Turing-Tests194 allein ist kein Beweis für das Bestehen einer starken künstlichen Intelligenz, da es sich einfach um eine sehr gute Simulation menschlichen Verhaltens handeln kann, die damit aber nicht automatisch als menschlich zu qualifizieren ist.195 KI-Systeme werden so programmiert, dass Menschen sie für kreativ halten, da sie intelligentes menschliches Verhalten imitieren.196 Ob sie tatsächlich kreativ in einem menschlichen Sinne sind, steht dagegen auf einem anderen Blatt.197 Aus diesem Grund ist es auf dem aktuellen Stand der Technik noch verfrüht, künstlich intelligenten Maschinen eine eigene Rechtspersönlichkeit wie natür­ lichen Personen mit eigenen Rechten und Pflichten, oder sogar Menschenrechte, zuerkennen zu wollen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die mit den Pflichten entsprechend korrespondierenden Rechte für Maschinen.198 Nach der Definition setzt Rechtsfähigkeit die Fähigkeit voraus, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.199 Die Unfähigkeit der aktuell eingesetzten KI-Systeme zum Umgang mit Rechten wird besonders deutlich, wenn man die Auswirkungen einer Gleichstellung von künstlichen Intelligenzen und Menschen speziell für das hier relevante Urheberrecht in den Blick nimmt. Denn anders als im Haftungsrecht geht es im Urheberrecht um weit mehr als lediglich die Schaffung einer „Haftungsmasse“ zur Sicherstellung einer Entschädigung bei Rechtsverletzungen durch künstliche Intelligenz.200 Künstliche Intelligenz wäre auf dem momentanen Stand der Technik, der lediglich eine schwache KI erlaubt, nicht in der Lage, ihr Urheberrecht selbst durch 194

Benannt nach Alan Turing geht es bei diesem Test darum zu prüfen, ob Menschen erkennen können, ob es sich bei ihrem Gesprächspartner um eine künstliche Intelligenz handelt oder nicht. Der Test gilt als bestanden, wenn es künstlicher Intelligenz gelingt, ihren menschlichen Gesprächspartner über ihr Menschsein zu täuschen. 195 Regalado, What it Will Take for Computers to Be Conscious, MIT Tech. Rev., 2014, abrufbar unter: https://www.technologyreview.com/s/531146/whatit-will-take-for-computersto-be-conscious/ [https://perma.cc/JPP5-LBSD]: „If you were to build a computer that has the same circuitry as the brain, this computer would also have consciousness associated with it. […] However, the same is not true for digital simulations“; Dornis, GRUR 2019, 1252 (1254); insofern kann Daume in DPMA, Künstliche Intelligenz und Schutzrechte, abrufbar unter: https://www.dpma.de/dpma/veroeffentlichungen/hintergrund/ki/kuenstlicheintelligenz undschutzrechte/index.html nicht gefolgt werden, der eine starke KI bereits bei Bestehen des Turing-Tests annimmt. 196 Russell / Norvig, Artificial Intelligence, 1995, S. 6, 817 ff.; Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 676 f. (2017) spricht von „capable of mimicking part of the functions that we once considered intrinsic to the human mind’s creativity.“; Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2226, 2228 (2018). 197 Vgl. auch Bringsjord / Ferrucci, Artificial Intelligence and Literary Creativity, 2000, S. xxvi; Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 14 Rn. 32 (2012). 198 Lohmann, ZRP 2017, 168 (171). 199 Spickhoff, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 1 Rn. 6; Erhardt / Mona, in: Gless / Seelmann (Hrsg.), Intelligente Agenten und das Recht, 1. Aufl. 2016, S. 61 (83). 200 Schaub, JZ 2017, 342 (346); Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (581); Riehm, RDi 2020, 42 (43).

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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Lizensierung ihrer Werke auszunutzen, oder ihre Werke gegen Nachahmungen durch Dritte zu verteidigen.201 Jedenfalls in naher Zukunft ist es auch nicht denkbar, dass KI-Systeme in der Lage sein werden, ihre Rechte vor Gericht einzuklagen.202 Als rein auf die technische Produktion von KI-Schöpfungen beschränkte Computer hätten KI-Systeme auch weder ein Interesse an der Generierung von Einnahmen noch an der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Urheberrechte.203 Die Rechtfertigungsansätze unseres Urheberrechts greifen bei künstlicher Intelligenz nicht, da diese ein Schutzrecht und damit die Möglichkeit einer Vergütung ihrer Tätigkeit weder als Anreiz für ihr Schaffen noch zur Existenzsicherung (Alimentationsprinzip) benötigt.204 Genauso wie KI-Systeme keine Anreizsetzung benötigen, haben sie auch keinen Bedarf an persönlicher Anerkennung für ihre Werke.205 KI-Systeme schaffen, weil sie entsprechend angewiesen wurden und fühlen sich durch die Art und Weise, wie ihre Werke genutzt werden, nicht angegriffen.206 Da Computer nicht in diesem Sinne zu künstlerischem Schaffen angeregt werden können bzw. müssen, gibt es nach den urheberrechtlichen Begründungsansätzen keinen Grund, diesen urheberrechtlichen Schutz zu gewähren.207 Die Zuweisung eines Urheberrechts ist überdies auch insofern problematisch, als die Schutzdauer an ein (endliches) Menschenleben anknüpft. KI-Systeme sind theoretisch unsterblich, was ein unbegrenztes Urheberrecht zur Folge hätte.208

201

Schmid, Urheberrechtliche Probleme moderner Kunst und Computerkunst in rechtsvergleichender Darstellung, 1995, S. 137; Schlackman, The Next Rembrandt: Who holds the Copyright in Computer Generated Art, Art Law Journal 2016, abrufbar unter: https://alj. artrepreneur.com/the-next-rembrandt-who-holds-the-copyright-in-computer-generated-art/; Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 705 (2017); Lewke, InTer 2017, 207 (215). 202 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev., 659, 704 (2017). 203 Riehm, RDi 2020, 42 (46) spricht im haftungsrechtlichen Zusammenhang vom fehlenden Überlebenswillen von KI-Systemen, die hinsichtlich ihres Vermögensstatus vollkommen indifferent sind. 204 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 700 f., 702, 706 (2017); Yanisky-Ravid / Liu, 39 Cardozo L. Rev. 2215, 2239 (2018); Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, 222 (226); Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 234 (2019); Specht, in: ITRecht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (720); Wang, in: Dederer / Shin (Hrsg.), Künstliche Intelligenz und juristische Herausforderungen, 2021, S. 81 (93). 205 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 706 (2017); Lewke, InTer 2017, 207 (215); LauberRönsberg, GRUR 2019, 244 (252); Legner, ZUM 2019, 807 (810). 206 Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1107 (2016). 207 Samuelson, 47 U. Pitt. L. Rev. 1185, 1199 (1985); Hristov, 57 IDEA 431, 444 (2016); Schlackman, The Next Rembrandt: Who holds the Copyright in Computer Generated Art Art Law Journal 2016, abrufbar unter: https://alj.artrepreneur.com/the-next-rembrandt-who-holdsthe-copyright-in-computer-generated-art/; Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 705 (2017); Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (226). 208 Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 274 (2016); Lewke, InTer 2017, 207 (215).

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

Ein Urheberrecht für eine „unmündige“ künstliche Intelligenz könnte darüber hinaus faktisch dazu führen, dass entweder nach dem Schöpferprinzip eigentlich ausgeschlossene menschliche Beteiligte oder sogar juristische Personen ein Urheberrecht erhielten, sodass die Intention des Urheberrechts unterlaufen und anstelle einer Verbesserung der Rechtslage noch mehr Rechtsunsicherheit mit der Gefahr systemischen Missbrauchs entstehen würde.209 In Zukunft könnte dieser Ansatz aber mehr Bedeutung erlangen, wenn es wirklich gelänge, nicht nur einzelne menschliche Fähigkeiten oder Bereiche mensch­ lichen Seins auf künstliche Intelligenzen zu übertragen, sondern universelle künstliche Intelligenzen zu erschaffen, die ihrem fleischlichen Vorbild in nichts mehr nachstehen. Davon sind wir trotz all dem Fortschritt in den letzten Jahren aber noch weit entfernt. Eine eigene Rechtspersönlichkeit erscheint frühestens dann gerechtfertigt, wenn die Zuordnung der Aktionen von künstlicher Intelligenz an einen der menschlichen Beteiligten nicht mehr möglich oder zumutbar wäre und eine Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs darstellen würde.210 In diesem Fall müsste dann auch ein interessengerechter Ausgleich zwischen den menschlichen Beteiligten und der künstlichen Intelligenz gefunden werden, soweit erstere auch weiterhin die grundlegenden Investitionen tätigen, die die künstliche Intelligenz erst zum Leben erwecken. Entgegen dem Wunschdenken von Peifer erscheint es aber umgekehrt unwahrscheinlich, dass diese Szenarien hinsichtlich der weiteren Entwicklung von künstlicher Intelligenz niemals eintreten und künstliche Intelligenz lediglich zur Durchsetzung von Verwertungs- und Schutzinteressen der Kreativen, also zum Digital Rights Management, dient, die Position der Kreativen aber nicht ersetzt.211 2. Künstliche Intelligenz als Rechtssubjekt im Sinne einer juristischen Person Denkbar wäre daneben die Ausgestaltung der e-Person ähnlich einer juristischen Person. Dieser Ansatz wird aktuell vor allem im Zusammenhang damit diskutiert, künstliche Intelligenz Steuern zahlen sowie für etwaige Fehler haften zu lassen.212 Unter einer juristischen Person versteht man die Zusammenfassung von Personen oder Sachen zu einer rechtlich geregelten und zweckgebundenen Organisation, der von der Rechtsordnung Rechtsfähigkeit verliehen wird, um selbstständig Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.213 Juristische Personen können dabei sämtliche Rechte und Pflichten natürlicher Personen haben, soweit diese nicht 209 So auch Hristov, 57 IDEA 431, 441 (2016); Abbott, in: Aplin (Hrsg.), Research Handbook on Intellectual Property and Digital Technologies, 2020, S. 322 (323). 210 Lohmann, ZRP 2017, 168 (171). 211 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, 222 (231 f.). 212 Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 688 (2017). 213 Schöpflin, in: Hau / Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 58. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, § 21 Rn. 1.

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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eine natürliche Person als Träger voraussetzen.214 Durch die Zuerkennung einer Rechtspersönlichkeit für künstliche Intelligenz entsprechend der von juristischen Personen könnte eine rechtliche Basis geschaffen werden, um künstlicher Intelligenz Rechte und Pflichten einräumen zu können, ohne dabei so weit zu gehen, diese gleich auf eine Stufe mit dem Menschen zu heben.215 Eine Übertragung der Grundsätze der juristischen Person auf KI-Systeme ist aus rechtsdogmatischer Sicht jedoch abzulehnen, da hinsichtlich der konstituierenden Merkmale keine hinreichende Kongruenz zwischen juristischen Personen und autonomen Systemen besteht.216 Vor dem Hintergrund, dass es sich bei juristischen Personen um fiktive Gedankengebilde217 handelt, über die das Handeln der hinter ihnen stehenden natürlichen Personen (soziales Substrat218) besser fassbar und zurechenbar gemacht werden kann, bedürften KI-Systeme für eine entsprechende Anwendung der Grundsätze zur juristischen Person eines menschlichen, psychischen oder moralischen Substrats.219 Im Unterschied zu juristischen Personen, die handlungsunfähige Zweckgebilde sind, existieren KI-Systeme aber real und können selbstständig Entscheidungen treffen. Eine Fremdorganschaft über einen der menschlichen Beteiligten kommt damit nicht in Betracht, da das KI-System selbst als willensbildendes Organ fungiert und in der gesellschaftsrechtlichen Literatur weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass hierfür ein menschlicher Wille erforderlich ist.220 Speziell für den hier untersuchten Bereich des Urheberrechts ist zudem noch hervorzuheben, dass juristische Personen im deutschen Urheberrecht nicht Inhaber eines Urheberrechts sein können, da dieses ausschließlich an Schöpfungen natürlicher Personen anknüpft und gemäß § 29 UrhG auch nicht auf diese übertragen werden kann. Juristische Personen können lediglich Inhaber von Nutzungsrechten an urheberrechtlich geschützten Werken sein.221 Bei einer Rechtsinhaberschaft für Maschinen müsste außerdem die Schutzfrist verkürzt werden.222 Unabhängig von den konzeptionellen Unterschieden zwischen juristischen Personen und KI-Systemen, scheitert dieser Lösungsansatz daher spätestens an der Grundkonzeption unseres Urheberrechts. 214

Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, Vor § 21 Rn. 39. Yanisky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 659, 687 (2017); Yanisky-Ravid / Velez-Hernandez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 1, 14 (2018). 216 Kluge / Müller, InTeR 2017, 24 (29, 31). 217 Entspricht der Fiktionstheorie von Savigny, der juristische Personen als „künstliche, durch bloße Fiction angenommene Subjecte“ betrachtete, vgl. Savigny, System des heutigen Rö­m ischen Rechts, Bd. 2., 1840, S. 236; Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, Vor § 21 Rn. 18. 218 Fischer-Lescano, Natur als Rechtsperson, ZUR 2018, 205 (208). 219 Kluge / Müller, InTeR 2017, 24 (31). 220 Kluge / Müller, InTeR 2017, 24 (30). 221 Amtl. Begr., BT-Drs. IV/270, S. 41; Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 7 Rn. 2; Thum, in: Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 7 Rn. 13. 222 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (226). 215

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

3. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist für den Bereich des Urheberrechts eine eigene Rechtssubjektqualität für künstliche Intelligenz selbst, wie vor allem im Haftungsrecht diskutiert, zumindest derzeit abzulehnen und führen die im Haftungsrecht diskutierten Ansätze nicht weiter. Die Behandlung von künstlicher Intelligenz wie eine natürliche Person ist auf dem aktuellen Stand der Technik noch Zukunftsmusik, während das Rechtskonstrukt der juristischen Person weder mit dem Urheberrecht, noch mit einem selbstständigen künstlich intelligenten Schöpfer vereinbar ist.

IV. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist eine Lösung über das Urheberrecht für Deutschland nicht möglich. Weder ein Urheberrecht für einen der menschlichen Beteiligten, noch für die künstliche Intelligenz selbst, ist mit den im deutschen Urheberrecht vorherrschenden individualistischen Begründungsansätzen vereinbar. Ein solches würde die grundsätzlichen Entscheidungen unseres Urheberrechts konterkarieren, das mit seiner überwiegend naturrechtlich-personalistischen Rechtfertigung traditionell an menschliche Leistungen anknüpft und in der Persönlichkeit des Urhebers gründet. Trotz der vor allem durch das Gemeinschaftsrecht vorangetriebenen Entwicklung unseres Urheberrechts immer mehr weg vom Schutz des kreativen Schöpfers hin zum Schutz von Investitionen, halten auch die Kritiker eines streng individualistisch ausgerichteten Urheberrechts an dem durch § 2 und § 7 UrhG in unserem Urheberrecht verankerten personalistischen Kern fest.223 In der deutschen Urheberrechtsdiskussion geht es lediglich um die Herbeiführung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Urhebern, Verwertern und Werknutzern,224 wobei aber unausgesprochen von zugrundeliegenden menschlichen Beiträgen ausgegangen wird. Die Beschränkung des Urheberrechtsschutzes auf menschliche Schöpfungen bleibt weiterhin zentraler Stützpfeiler zur Legitimation des deutschen Urheberrechts.225 Unter Zugrundelegung der Überzeugung, dass künstlicher Intelligenz als solcher nach dem aktuellen technischen Entwicklungsstand noch kein eigenes Urheber 223 So sprechen sich beispielsweise Leistner und Hansen lediglich für eine Synthese aus individualistischen und kollektivistischen (utilitaristischen) Begründungsansätzen aus, die sie durch eine veränderte Schutzzweckklausel in § 1 UrhG (Aufnahme von Verwertern und Werknutzern neben den Urhebern), sowie neben einer Verschlankung der Schrankenregelungen mittels einer ergänzenden Generalklausel zur flexiblen Schrankenauslegung durch die Gerichte erreichen wollen. Am Schöpferprinzip und Werkbegriff scheinen sie jedoch festzuhalten, vgl. Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479. 224 Vgl. hierzu auch Leistner / Hansen, GRUR 2008, 479 sowie die darauf aufbauende Dissertation von Hansen, Warum Urheberrecht?, 2009. 225 Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (251).

Kap. 1: Lösung über das Urheberrecht 

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recht zugestanden werden kann, sondern lediglich die Zurechnung an einen der menschlichen Beteiligten in Betracht käme, bedürfte ein Schutz von KI-Schöpfungen sowohl der Anerkennung maschineller Leistungen als schöpferisch als auch die Möglichkeit der Zurechnung fremder schöpferischer Leistungen. Dies erforderte neben der Abkehr vom Werkbegriff des § 2 UrhG auch eine Durchbrechung des § 7 UrhG und damit eine Schutzausdehnung weg von der geistigen Beziehung zwischen Werk und Mensch hin zu einem Schutz der reinen Veranlassung durch einen Menschen.226 Persönlichkeitsrechte und die an das menschliche Leben anknüpfende Schutzfrist sind ohne die besondere geistige Verbindung zwischen Werk und Schöpfer ebenfalls nicht erklärbar.227 Ein urheberrechtlicher Schutz von KI-Schöpfungen käme daher der Aufgabe der Grundpfeiler unseres Urheberrechts, Schöpferprinzip und persönlichkeits­ bezogener Werkbegriff, gleich228 und erforderte eine Neukonzeption unseres Urheberrechts.229 Dies würde aber einer bedingungslosen Integration des Urheberrechts in die gegebenen technischen Realitäten gleichkommen und keine Integration von künstlicher Intelligenz in das Urheberrecht mehr bedeuten. Es stellt sich die Frage, ob die digitale Revolution Anlass gibt, die aus der analogen Welt übernommenen Grundentscheidungen, die bisher Richtschnur für gesetzgeberisches Handeln waren, zu revidieren.230 Entspricht die Anknüpfung an menschliche Leistungen, die auf den traditionellen Theorien zur Rechtfertigung des Urheberrechts beruht, noch den tatsächlichen Gegebenheiten? Ist es vor dem Hintergrund der Entwicklung des Urheberrechts weg vom Schutz persönlicher Schöpfungen hin zum Investitionsschutz nicht logisch und konsequent, den menschlichen Anknüpfungspunkt aufzugeben und maschinelle Leistungen ausreichen zu lassen?231 Die Antwort muss richtigerweise „Nein!“ lauten. Die bereits stellenweise eingetretene Verwässerung unseres Urheberrechts durch den Schutz von Investitionsleistungen ist vor allem auch Harmonisierungsbestrebungen geschuldet. Bei Wer 226

Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (231). 227 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (227). 228 Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (228); Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (252 f.); Stollwerck, in: Ahlberg / Götting /  Lauber-Rönsberg (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., Stand: 01. 05. 2021, Europäisches Urheberrecht Rn. 120 spricht davon, dass die Einbeziehung computergenerierter Werke in den Werkbegriff wie Kaminski es für die USA vorsieht, den kontinentaleuropäischen Schöpferansatz gänzlich auf den Kopf stellen würde. 229 Nicht gefolgt werden kann insofern Schaub, JZ 2017, 342 (348), die die Modifikation des urheberrechtlichen Schöpfer- und Werkbegriffs für die Ermöglichung der Zurechnung von Computerschöpfungen an bestimmte Personen oder Unternehmen für „weniger einschneidend“ hält als die Anerkennung von Maschinen als Schöpfer. 230 Grundmann, GRUR 2011, 89. 231 Rektorschek, Mitt. 2017, 438 (442) fragt insofern, ob die Abhängigkeit der Schutzfähigkeit vom menschlichen Ursprung noch zeitgemäß ist, oder es nicht vielmehr einer Innovation des rechtlichen Rahmens bedürfe.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

ken wie Computerprogrammen und Datenbanken ist oft mehr als zweifelhaft, ob es noch um „geistige Kinder“, oder einfach nur um den Schutz von Investitionen geht. Der bereits eingetretene Verlust an Konturenschärfe unseres Urheberrechts darf nicht zum Anlass genommen werden, dessen grundsätzliche Ausrichtung auf die Person des Urhebers, die auch heute noch Gültigkeit hat, vollständig „über den Haufen zu werfen“ und das Urheberrecht willkürlich dem Investitionsschutz zu öffnen. Anders als in den betrachteten Ländern des Copyright, in denen neben dem Urheberrecht weder ein Leistungsschutz- noch ein Lauterkeitsrecht existiert, ist in Deutschland eine derartige Öffnung des Urheberrechts nicht geboten. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, kann der Schutz notwendiger Investitionen bei uns auch über diese Schutzinstrumente erreicht werden, ohne an den Grundfesten unseres Urheberrechts rütteln zu müssen. Kapitel 2

Lösung über die verwandten Schutzrechte Nachdem der als notwendig erkannte Schutz für KI-Schöpfungen mit der Grundkonzeption unseres Urheberrechts nicht in Einklang zu bringen ist, könnten jedoch die verwandten Schutzrechte dogmatisch die richtige Heimat für ein derartiges Schutzrecht sein.

I. Investitionsschutz als möglicher Schutzzweck Die verwandten Schutzrechte, auch Nachbarrechte oder Leistungsschutzrechte genannt, schützen Leistungen, die nach dem traditionellen Verständnis vom schöpferisch tätigen Urheber nicht als „persönliche geistige Schöpfungen“ im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG qualifizieren, weil sie den urheberrechtlich geschützten Werken zwar ähneln oder im Zusammenhang mit urheberrechtlich geschützten Werken erbracht werden, aber die Schwelle der „persönlichen geistigen Schöpfung“ nicht erreichen.232 Nach der Schutzintention der verwandten Schutzrechte sollen zum einen individuell geprägte persönliche Leistungen und zum anderen unternehmerische Leistungen auf organisatorisch-technischem Gebiet geschützt werden.233 Die Schutzzuweisung ist damit auch unabhängig von individuell-gestaltenden Leistungen 232 Amtl. Begr. BT-Drs. IV/270, S. 86; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff., Rn. 1; Deutscher Bundestag, Künstliche Intelligenz und Machine Learning – Eine urheberrechtliche Betrachtung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 20. 233 Amtl. Begr. BT-Drs. IV/270, S. 86 f.; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 4 Rn. 67; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff., Rn. 2; Wiebe, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 70 ff. Rn. 1; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 148 f.

Kap. 2: Lösung über die verwandten Schutzrechte 

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möglich.234 Genauso wie im Copyright Law basieren zumindest die verwandten Schutzrechte, die ihren Grund nicht in einer persönlichen Leistung haben, auf dem Leistungsschutz- bzw. Investitionsschutzprinzip.235 Dadurch können neben natürlichen Personen auch juristische Personen Rechtsinhaber sein.236 Während das Urheberrecht angesichts der Verankerung des Schöpferprinzips nicht geeignet ist, Weiterentwicklungen im Bereich neuer Technologien, konkret hier der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, Rechnung zu tragen, kann dadurch entstehenden Schutzlücken durch eine Ausweitung des Kreises der Leistungsschutzberechtigten und die Schaffung neuer verwandter Schutzrechte begegnet werden.237 Indem auf die verwandten Schutzrechte ausgewichen werden kann, besteht anders als beispielsweise im britischen Recht auch keine Notwendigkeit, den Schutz von KI-Schöpfungen in das Urheberrecht zu zwängen und dieses damit der Gefahr der Verwässerung preiszugeben. Die Existenz der verwandten Schutzrechte ermöglicht es, den Begriff des Urheberrechts auf Rechte zu beschränken, die aus echtem Werkschaffen erwachsen, gleichzeitig aber weiteren berechtigten Schutzbedürfnissen zu genügen.238 Die Schaffung eines neuen Leistungsschutzrechts für computergenerierte Werke, das die Gewährung von Verwertungsrechten im grundsätzlichen Umfang der §§ 15 ff. UrhG ermöglicht,239 würde ein im Vergleich zum genuinen Urheberrecht reduziertes aber im Hinblick auf das fehlende Bedürfnis nach Persönlichkeitsrechten ausreichendes rechtliches Monopol darstellen. Damit könnte ein Anreizsystem für Investitionen in die Produktion von KI-Schöpfungen geschaffen werden, das nicht mit den persönlichkeitsrechtlichen Fundamenten des europäischen und deutschen Urheberrechts kollidiert.240 Möglich und für den Schutz von KI-Schöpfungen passender ist im Leistungsschutzrecht schließlich auch die Festlegung einer Schutzdauer, die anders als das Urheberrecht nicht an der Lebenszeit des Urhebers, sondern in der Regel an den Zeitpunkt der Leistungserbringung anknüpft.241 234

Gomille, JR 2019, 969 (974). Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 108. 236 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 107 f.; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff., Rn. 2 f.; Nägele / Apel, in: Kaulartz / Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, 2020, Kap. 7 Rn. 14. 237 Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 108, 118; Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (719). 238 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 1980, § 3 IV. 239 Die Verwertungsrechte in Teil 1 des UrhG gelten für die verwandten Schutzrechte in Teil 2 des UrhG im Umfang der jeweiligen Verweisung gleichermaßen, vgl. Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff., Rn. 4, 15. 240 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1260). 241 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff., Rn. 3, 12. 235

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

Hinzu kommt die ökonomisch sinnvolle und dogmatisch zwanglos mögliche freie Übertragbarkeit von Leistungsschutzrechten ohne persönlichkeitsrechtliche Komponente. Durch die übertragende Verwertung ihrer Produkte könnten die Entwickler von KI-Schöpfungen noch besser als durch ein Urheberrecht die für ihre weitere Aktivität erforderlichen Mittel erlangen, während zugleich auf Erwerberseite die vorhandenen Mittel sinnvoll zur Verwertung der erworbenen fremden Innovationen eingesetzt werden können.242 Die vorangegangenen Ausführungen machen damit deutlich, dass die verwandten Schutzrechte ihrem Schutzzweck nach der richtige Ort für die Regelung des Schutzes von KI-Schöpfungen sind.243 Sie ermöglichen eine Zurechnung der maschinellen schöpferischen Leistung über die Anerkennung der damit verbundenen menschlichen Investitionsleistung, ohne dass hierfür grundlegende Überzeugungen unserer Rechtsordnung aufgegeben werden müssen. Im Hinblick auf den oben im vierten Teil unter Kapitel 4 angesprochenen Ansatz der Transaktionskostenökonomik und die dabei zu berücksichtigenden Markt- und Interventionstransaktionskosten ist eine Lösung über das Leistungsschutzrecht zudem auch gegenüber anderen Immaterialgüterrechten wie dem Markenrecht insofern als vorteilhaft anzusehen, als ein Leistungsschutzrecht keine Formerfordernisse wie etwa eine Registereintragung nach sich zieht, die zu Kosten sowohl für den Rechtsinhaber als auch für den Staat führen würden.

II. Schaffung eines neuen Leistungsschutzrechts Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie ein entsprechendes Leistungsschutzrecht aussehen könnte. Dabei wird es zum einen um die Frage des geeigneten menschlichen Beteiligten als Zurechnungssubjekt, sowie zum anderen um eine mögliche Formulierung des konkreten Regelungstextes gehen. Die Untersuchung möchte damit einen Ausblick auf eine mögliche zukünftige Regelung für KISchöpfungen geben, ohne aber bereits eine druckreife Regelung präsentieren zu wollen. Letzteres würde den Rahmen dieser Arbeit sicherlich sprengen.

242

Dornis, GRUR 2019, 1252 (1261). So auch Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 98; de Cock Buning, EJRR 2016, 310, 320 ff.; Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (580); Lauber-­ Rönsberg, GRUR 2019, 244 (253); Dornis, GRUR 2019, 1252 (1260, 1264); Papastefanou, WRP 2020, 290 (293) Rn. 23; Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (724); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 147 spricht davon, dass die Einführung eines Leistungsschutzrechts für KI-Schöpfungen aufgrund der klassischen Nachbarrechten zukommenden „Werkkommunikationsfuntion“, die bereits der Lichtbilder- und Datenbankherstellerschutz vermissen lässt, zwar nicht systemgerecht, aber systemverträglich wäre; Gegen die Einführung eines neuen Leistungsschutzrechts: Gomille, JZ 2019, 969 (974 f.); Legner, ZUM 2019, 807 (811). 243

Kap. 2: Lösung über die verwandten Schutzrechte 

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1. Person des Trainers als geeignetes Zurechnungssubjekt Bei den unternehmensbezogenen Leistungsschutzrechten der §§ 81, 85, 87, 87a ff., 87f, 94 und 95 UrhG geht es um den Schutz von Investitionen. Diese werden meist dem Unternehmen und damit einer juristischen Person als wirtschaftlich und organisatorisch für die Investitionen verantwortlicher Einheit und nicht den die im Einzelnen erforderlichen Tätigkeiten ausübenden natürlichen Personen zugeordnet.244 Da es bei dem Schutz von KI-Schöpfungen ebenfalls um den Schutz von Investitionen im Umfeld der Maschinenschöpfung geht, müsste Inhaber des zu schaffenden Leistungsschutzrechts diejenige natürliche oder juristische Person sein, die den wirtschaftlichen und organisatorischen Aufwand trägt.245 Nach allem, was wir in den vorangegangenen Teilen dieser Untersuchung gesehen haben, kommt dabei als Zurechnungssubjekt und Schutzrechtsinhaber sinnvollerweise nur der Trainer als natürliche oder juristische Person in Betracht, die den der Maschinenschöpfung unmittelbar vorgelagerten Lernprozess des KI-Systems durch Konfiguration der künstlichen neuronalen Netze und Einpflegen der Trainingsdaten in Gang setzt, überwacht, Rechenleistung zur Verfügung stellt und am Ende eine Auswahl unter den computergenerierten Produkten vornimmt. Die wesentlichen und bisher weitestgehend (vgl. die Ausführungen zur bestehenden Schutzlücke im zweiten Teil) schutzlosen Investitionen auf dem Weg zur KISchöpfung stecken in dem Trainingsvorgang, für den die Person des Trainers verantwortlich ist. Wenn also die Zurechnung der maschinellen Schöpfung an einen Menschen erfolgen soll, kommt hierfür nur die in dieser Untersuchung als Trainer bezeichnete Person in Betracht. Der Programmierer, den einige Stimmen für den geeigneten Schutzrechtsinhaber halten,246 kommt indes nicht in Betracht. Wir haben insofern bereits im dritten Teil unter Kapitel 1, I. 1. gesehen, dass die Leistung des Programmierers in Form der Programmierung der dem KI-System zugrundeliegenden reinen Programm­ bibliothek zu weit vorgelagert erbracht und im Übrigen bereits durch zumindest ein Urheberrecht entlohnt wird, sodass kein weiteres Schutzbedürfnis des Programmierers gegeben ist. Von einem praktischen Standpunkt aus gesehen ist der Programmierer aufgrund seiner Entfernung zur fertigen KI-Schöpfung oft auch gar nicht in der Lage, von deren Existenz auf Basis seiner Software zu erfahren, sodass 244

Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 87a ff. Rn. 31, § 87a Rn. 71 m. w. N. 245 So auch Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 95; ­Guadamuz, IPQ 2017, 169 (185); Maggiore, in: Bonadio / Lucchi (Hrsg.), Non-Conventional Copyright, 2018, 382 (399); Gomille, JR 2019, 969 (974); Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 191. 246 Vgl. z. B. die bereits oben unter Kapitel 1, II. 2. b) cc) genannten Bridy, 5 Stan. Tech. L. Rev. 1, 21 Rn. 66 ff. (2012) und Hristov, 57 IDEA 431, 443 f. (2016).

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

eine Schutzrechtszuweisung an diesen auch vor diesem Hintergrund problematisch wäre.247 Mit Dornis würde eine Schutzrechtszuweisung an den Programmierer der zugrundeliegenden Programmbibliothek zudem zu einem die Rechtsbeziehungen verkomplizierenden Auseinanderfallen von Rechteinhaberschaft und Sachherrschaft an den computergenerierten Werken führen.248 Gleiches gilt für den Hersteller der Trainingsdaten, der für diese Leistung bereits durch ein Urheber- oder Leistungsschutzrecht entlohnt werden kann (vgl. oben im zweiten Teil unter Kapitel 2, II.) und ebenfalls mit seiner Leistung zu weit entfernt von der eigentlichen Maschinenschöpfung ist. Auch in der parallelen Diskussion zur haftungsrechtlichen Behandlung von KISystemen wird der Trainer oder „Roboterbetreiber“, der die künstliche Intelligenz durch seinen Einfluss auf den Lernprozess „sozialisiert“, gegenüber dem Programmierer als bloßem „Roboterhersteller“ als Hauptanknüpfungspunkt für eine Haftung angesehen.249 Während der Programmierer nur für Mängel seiner Software im Sinne eines vorbehandelten Rohstoffes haften soll, liegt die Verantwortung für Veränderungen der künstlichen Intelligenz während des Lernprozesses beim Trainer.250 Damit richtet sich die Haftung nach der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, wonach im Sinne einer effizienten Risikoallokation die Risiken bzw. die Verantwortung hierfür demjenigen zugewiesen wird, der sie am kostengünstigsten bewältigen kann (im Englischen „cheapest cost avoider“).251 Wenn also den Trainer die Pflichten im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz treffen, sollten ihm im Sinne eines in sich schlüssigen Regelungssystems auch die Rechte daran zugeordnet werden. Im Einklang mit dem bisherigen Sprachgebrauch der bereits geregelten Leistungsschutzrechte, könnte man die Person des Trainers auch als „Hersteller“ der KI-Schöpfungen bezeichnen. Im Vergleich zum Begriff des „Schöpfers“ bringt der Begriff des „Herstellers“ gut zum Ausdruck, dass weniger menschliche Kreativität als vielmehr menschliche Anstrengungen inmitten stehen. Schöpfer ist die Maschine, für die aktuell und wohl zumindest auch in der näheren Zukunft noch kein Schutzrecht in Betracht kommt (vgl. die Ausführungen oben unter Kapitel 1, III.). Für den Fall, dass künstliche Intelligenz eines Tages in der Lage ist, einen eigenen Rechtsstatus ähnlich einer natürlichen Person innezuhaben und selbst ein Schutzrecht für ihre Schöpfungen zu beanspruchen, könnte der Trainer als Hersteller der

247

Denincola, 69 Rutgers University Law Review 251, 284 (2016); Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1116 (2016). 248 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1262). 249 Lohmann, ZRP 2017, 168 (169), so wohl auch Europäisches Parlament, Entwurf einer Entschließung vom 27. 01. 2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, S. 20 Ziffer 56: „je größer die Lernfähigkeit oder die Autonomie eines Roboters sind und je länger das Training eines Roboters dauert, desto größer sollte die Verantwortung seines ‚Trainers‘ sein;“. 250 Hanisch, Haftung für Automation, 2010, S. 71; Lohmann, ZRP 2017, 168 (169). 251 Spindler, CR 2015, 766 (767); Pieper, InTeR 2016, 188 (193).

Kap. 2: Lösung über die verwandten Schutzrechte 

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künstlichen Intelligenz daneben aber weiterhin Schutz für seine unentbehrlichen Investitionen erhalten. 2. Ideen für die Ausgestaltung einer konkreten Regelung Für die konkrete Ausgestaltung eines Leistungsschutzrechts zum Schutz des Trainers für seine im Rahmen der Maschinenschöpfung getätigten Investitionen könnten sowohl die bereits in mehreren Ländern bewährte britische Regelung als auch bereits bestehende Leistungsschutzrechte als Vorbilder herangezogen werden. a) Anleihen bei Art. 9 Abs. 3 CDPA Während die britische Regelung für den Schutz von KI-Schöpfungen aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem auf dem Schöpferprinzip beruhenden deutschen Urheberrecht für dieses nicht als Vorbild dienen konnte, kann sie für ein entsprechendes Leistungsschutzrecht durchaus fruchtbar gemacht werden. Denn genau wie im Copyright Law geht es im deutschen Leistungsschutzrecht neben dem Leistungsschutz auch um den Investitionsschutz. Genauso wie im britischen Recht durch Art. 9 Abs. 3 und 178 CDPA erfolgt, wird das zu schaffende deutsche Leistungsschutzrecht neben der eigentlichen Schutzregelung auch eine möglichst exakte Definition der geschützten KI-Schöpfungen enthalten müssen. Bei den verwandten Schutzrechten ist Schutzvoraussetzung anders als im Urheberrecht zudem nicht die persönliche geistige Schöpfung, sondern zumeist die Erbringung der gesetzlich umschriebenen Leistungen.252 Die als schutzwürdig bewertete Investitionsleistung der Trainer ist folglich genau zu umschreiben und muss insbesondere geeignet sein, sie von der nicht erfassten Leistung der Programmierer abzugrenzen. Darüber hinaus sollte die deutsche Schutzregelung aber auch eine genauere Umschreibung der Person des Trainers als Schutzrechtsinhaber enthalten, um die an der britischen Regelung kritisierte Unbestimmtheit zu vermeiden. b) Anleihen bei bestehenden Leistungsschutzrechten Als Orientierung für das zu schaffende neue Leistungsschutzrecht können daneben auch bereits bestehende Leistungsschutzrechte dienen. In Betracht kommen hierbei vor allem der Lichtbilderschutz des § 72 UrhG sowie der Schutz des Datenbankherstellers gemäß den §§ 87a ff. UrhG. 252

Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff., Rn. 3.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

aa) Anleihen beim Lichtbilderschutz des § 72 UrhG Auch wenn es bei dem Lichtbilderschutz des § 72 UrhG um den Schutz einer persönlichen Leistung geht,253 für den entsprechend § 7 UrhG nur die natürliche Person des Lichtbildners in Betracht kommt, bestehen insofern Parallelen zum Schutz von KI-Schöpfungen, als dem Lichtbildner als Hersteller der Fotografie ein Leistungsschutz für seine besondere technische Leistung gewährt wird.254 Der Lichtbilderschutz wird mit dem Einsatz umfangreicher finanzieller und technischer Mittel, sowie dem eingebrachten hohen technischen Verständnis gerechtfertigt.255 Ebenso wie bei nichtschöpferischen Fotografien, liegt auch den nichtschöpferischen KISchöpfungen ein erheblicher finanzieller und technischer Investitionsaufwand zugrunde. Dabei wird auch der Lichtbildner insofern nur im Vorfeld tätig, als sich das von ihm in Abgrenzung zur bloßen Reproduktion geforderte Mindestmaß an geistiger Leistung auf die Festlegung der Aufnahmebedingungen beschränken kann.256 Ausreichend ist die handwerkliche Fertigkeit des Lichtbildners bei der Bedienung der oftmals technisch komplizierten Apparate, oder dessen Wahl von Blickwinkel, Entfernung und Ausleuchtung.257 Diese technischen Leistungen sind vergleichbar mit den technischen Leistungen des Trainers im Vorfeld der Maschinenschöpfung. Aufgrund dieser Parallelen zwischen Lichtbildern und KI-Schöpfungen könnte für die Schutzdauer von letzteren auf die Regelung des § 72 Abs. 3 UrhG zurückgegriffen werden, die eine Schutzdauer von 50 Jahren nach Erscheinen bzw. Herstellung des Lichtbildes vorsieht.258 bb) Anleihen beim Schutz des Datenbankherstellers gemäß §§ 87a ff. UrhG Von den bestehenden deutschen Leistungsschutzrechten passt nach seinem Schutzinhalt das Schutzrecht des Datenbankherstellers wohl am besten als Vorbild 253

Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 70 ff. Rn. 2. 254 So auch Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 147; zum Schutzzweck des Lichtbildschutzes amtl. Begr., BT-Drs. IV 270, S. 88; Vogel, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 43 Rn. 2, 15. 255 Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 72 Rn. 16. 256 Wiebe, in: Spindler / Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 72 Rn. 2. 257 Schulze, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 72 Rn. 9; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 72 Rn. 23. 258 So auch Fierdag, Die Aleatorik in der Kunst und das Urheberrecht, 2005, S. 95; Specht, in: IT-Recht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Jürgen Taeger, 2020, S. 711 (723) hält in Anknüpfung an den, dem Investitionsschutz dienenden, Leistungsschutzrechten des Tonträger­ herstellers und Filmherstellers, sowie an die britische Regelung ebenfalls eine Schutzdauer von 50 Jahren ab Erscheinen als erste Orientierung für sinnvoll; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 194 ff. zieht eine zeitliche Differenzierung durch Registriervorgaben wie im Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor.

Kap. 2: Lösung über die verwandten Schutzrechte 

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für ein Leistungsschutzrecht des „Herstellers“ für KI-Schöpfungen.259 Da dieses die Umsetzung von Unionsrecht darstellt,260 dürfte die Orientierung einer Regelung für KI-Schöpfungen am Wortlaut dieser Vorschrift auch eine zu erwartende Harmonisierung in diesem Bereich erleichtern.261 Genau wie bei dem für KI-Schöpfungen zu schaffenden Leistungsschutzrecht schützen die §§ 87a ff. UrhG eine technisch-organisatorische Leistung und gewähren hierfür sowohl natürlichen als auch juristischen Personen Investitionsschutz. Die geschützte Investition in die Beschaffung, Sammlung, Überprüfung, Aufbereitung und Darbietung des Datenbankinhalts262 ähnelt dabei den Investitionen des Trainers in die Konfiguration der künstlichen neuronalen Netze, die Herstellung bzw. Beschaffung, Aufbereitung und Eingabe der Trainingsdaten, die Zurverfügungstellung von Rechenleistung, die Überwachung des Trainingsprozesses sowie die Auswahl und Darbietung der KI-Schöpfungen. Ähnlich wie bei KISchöpfungen, die mangels persönlicher geistiger Schöpfung keine urheberrechtlich schutzfähigen Werke darstellen können, knüpft zudem auch das Schutzrecht des Datenbankherstellers nicht an ein vorbestehendes geistiges Gut an und geht es nicht um den Schutz des Produkts, sondern der hierfür erforderlichen Investitionen.263 Das Datenbankherstellerrecht entsteht unabhängig davon, ob in der Datenbank urheberrechtlich schutzfähige Werke enthalten sind oder nicht geschütztes Material.264 Dabei wird das Schutzbedürfnis für Datenbanken ähnlich wie bei den KI-Schöpfungen mit den für den Aufbau erforderlichen erheblichen personellen, technischen und finanziellen Mitteln begründet, die von Dritten durch billigere Kopien umgangen werden können, sodass für den Informationsmarkt nachteilige Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten wären.265 Genauso passend für den Schutz von KI-Schöpfungen erscheint auch die in § 87c UrhG getroffene Auswahl an urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen. 259 Auch Gomille, JZ 2019, 969 (973) hält ein Leistungsschutzrecht ähnlich dem des Datenbankherstellers mit Verweis auf Ginsburg, IIC 2018, 131 (134) für systemverträglich; Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 153 spricht von einer „besondere(n) Sachnähe zu artifiziellen Erzeugnissen“. 260 Das Schutzrecht des Datenbankherstellers geht auf Art. 7 der Datenbank-Richtlinie 96/9/ EG zurück; vgl. z. B. Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 87a ff. Rn. 2. 261 Nach Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 184 ist der Entwurf eines neuen Leistungsschutzrechts entsprechend dem Datenbankherstellerrecht auf europäischer Ebene zu entwickeln. 262 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 87a ff. Rn. 1. 263 Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 87a ff. Rn. 2; Hermes, in: Wandtke / Bullinger, 5. Aufl. 2019, Urheberrecht, Vor §§ 87a ff. Rn. 24; ­L eistner / Z urth, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 49 Rn. 5. 264 Dreier, in: Dreier / Schulze, 6. Aufl. 2018, Urheberrechtsgesetz, § 87a Rn. 4; Hermes, in: Wandtke / Bullinger, 5. Aufl. 2019, Urheberrecht, 87a Rn. 9. 265 Lewke, InTer 2017, 207 (215); Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 87a ff. Rn. 5.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

3. Versuch einer Formulierung Nachdem die Schaffung eines neuen Leistungsschutzrechts zum Schutz der Investitionen der Trainer in die Schaffung von KI-Schöpfungen als Lösung für das Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen erkannt wurde, soll abschließend der Versuch der Formulierung eines solchen Leistungsschutzrechts gewagt werden. Die nachfolgende Formulierung bedient sich bei den britischen Regelungen der Art. 9 Abs. 3 und 178 CDPA, sowie den Leistungsschutzrechten der §§ 72 und 87a ff. UrhG. Entsprechend der angedachten Integration in das UrhG, beziehen sich alle Gesetzesverweisungen innerhalb des Entwurfstextes auf das UrhG. Schutz des Herstellers von KI-Schöpfungen (1) Der Hersteller eines künstlich intelligenten Computersystems hat das ausschließliche Recht, die aus diesem hervorgehenden computergenerierten Werke der Literatur, Wissenschaft oder Kunst im Sinne des § 2 Abs. 1 (KI-Schöpfungen) zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. (2) Unter künstlich intelligenten Computersystemen versteht man Computersysteme, die aufgrund maschinellen Lernens in der Lage sind, vom Hersteller nicht vorhersehbare Entscheidungen zu treffen. (3) Computergeneriert bedeutet in Bezug auf ein Werk, dass dieses von einem künstlich intelligenten Computersystem unter solchen Umständen generiert wurde, dass es keinen menschlichen Urheber des Werkes im Sinne des § 2 Abs. 2 gibt. (4) Hersteller im Sinne dieses Gesetzes ist diejenige natürliche oder juristische Person, die durch die Konfiguration des künstlich intelligenten Computersystems, das Einpflegen von Daten, die Zurverfügungstellung von Rechenleistung, sowie die Überwachung des Lernprozesses die erforderlichen Voraussetzungen für die Schaffung der KI-Schöpfungen geschaffen hat.266 (5) § 10 Abs. 1, § 17 Abs. 2 und § 27 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend. (6) Die Vervielfältigung einer KI-Schöpfung ist zulässig 1. zum privaten Gebrauch, 2. zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung gemäß § 60c, 3. zu Zwecken der Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre gemäß den §§ 60a und 60b, 4. zu Zwecken des Text und Data Mining gemäß § 44b,

266

In diese Richtung geht die Formulierungsidee von Lewke, InTer 2017, 207 (215), der demjenigen einen zeitlich begrenzten Schutz vermitteln möchte, der „durch eine wesentliche Investition ein autonom handelndes System erschaffen hat, das neue, nicht nur unwesentliche Arbeitsergebnisse erbracht hat“.

Kap. 2: Lösung über die verwandten Schutzrechte 

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5. zu Zwecken des Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung gemäß § 60d, 6. zu Zwecken der Erhaltung einer KI-Schöpfung gemäß § 60e Absatz 1 und 6 und § 60f Absatz 1 und 3. (7) Die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe einer KI-Schöpfung ist zulässig zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde sowie für Zwecke der öffentlichen Sicherheit. (8) Die §§ 45b bis 45d sowie 61d bis 61g gelten entsprechend. (9) Die digitale Verbreitung und digitale öffentliche Wiedergabe einer KI-Schöpfung ist zulässig für Zwecke der Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre gemäß § 60a. (10) Für die Quellenangabe ist § 63 entsprechend anzuwenden. (11) In den Fällen des Absatzes 6 Nummer 2, 3, 5 und 6 sowie des Absatzes 9 ist § 60g Absatz 1 entsprechend anzuwenden. (12) Das Recht nach Absatz 1 erlischt fünfzig Jahre nach der Herstellung der KI-Schöpfung. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.

Absatz 1 dieser Regelung bedient sich in seiner Formulierung zum einen bei § 87b Abs. 1 UrhG, hinsichtlich des Schutzgegenstands zum anderen aber auch bei Art. 9 Abs. 3 CDPA. Im Gegensatz zur britischen Regelung und in Reaktion auf die Kritik hieran, soll mit der konkreten Benennung des „Hersteller[s] eines künstlich intelligenten Computersystems“ die Unsicherheit hinsichtlich des konkreten Schutzrechtsinhabers und des konkret schutzfähigen menschlichen Mitwirkungsaktes beseitigt werden. Sowohl der Begriff des „Herstellers“ als auch der Begriff des „künstlich intelligenten Computersystems“ werden in den Absätzen 2 und 4 zudem noch näher konkretisiert. Durch den zweiten Absatz soll der weite Begriff der künstlichen Intelligenz auf die im Fall von KI-Schöpfungen relevante Technik des maschinellen Lernens eingegrenzt werden, um der Regelung noch mehr Kontur und Schärfe zu verleihen. Absatz 3 entspricht nahezu vollständig der Definition in Art. 178 CDPA und bestimmt den in Absatz 1 genannten Schutzgegenstand näher. In Absatz 4 wird klargestellt, wer genau als „Hersteller“ eines KI-Systems qualifiziert. Dadurch soll vor allem eine klare Abgrenzung des Trainers vom Programmierer erfolgen und deutlich gemacht werden, dass nur letzterem das Schutzrecht zukommen kann. Absatz 5 ist § 87b UrhG nachempfunden, der die erforderlichen urheberrechtlichen Vorschriften hinsichtlich Vermutungswirkung für die Rechtsinhaberschaft, Verbreitung und Vergütung einbezieht. Absatz 6 bis 11 entsprechen den Schrankenregelungen in Absatz 1 bis 6 des § 87c  UrhG. Der insofern möglicherweise noch erforderliche passgenauere Zu-

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

schnitt der Schrankenbestimmungen soll zukünftigen Arbeiten mit einem Schwerpunkt auf der konkreten Ausgestaltung des zu schaffenden Leistungsschutzrechts vorbehalten bleiben. Absatz 8 orientiert sich schließlich an der Schutzdauer des § 72 Abs. 3 UrhG, da Lichtbilder in ihrer Erscheinung und Herstellung starke Parallelen zu KI-Schöpfungen aufweisen, sodass dieselbe Schutzdauer gerechtfertigt erscheint. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die in dieser Arbeit dargestellte Situation im Hinblick auf KI-Schöpfungen mit der fortschreitenden technischen Entwicklung im Bereich kreativer künstlicher Intelligenz in absehbarer Zeit wesentlich verändern könnte, beispielsweise wie im dritten Teil unter Kapitel 1, I. 2. c) bb) dargestellt durch die Möglichkeit, KI-Systeme als SaaS-Dienste zur Produktion von KI-Schöpfungen kostenpflichtig zur Verfügung zu stellen oder durch die unter Kapitel 1, III. angesprochene Möglichkeit, dass künstlicher Intelligenz irgendwann ein eigener Rechtsstatus zuzuerkennen sein könnte, könnte es – zum Beispiel zur Vermeidung einer doppelten Honorierung der Investitionsleistungen oder zur sachgerechten Schutzrechtszuweisung zwischen Trainer und künstlicher Intelligenz – zudem sinnvoll sein, die Gültigkeit dieses Schutzrechts zunächst zeitlich zu befristen. Ähnlich wie für die mittlerweile aufgehobene Schrankenregelung des § 52a UrhG bis 2014 mit § 137k UrhG geregelt,267 könnte zusätzlich zu dem neuen Leistungsschutzrecht eine Übergangsregelung geschaffen werden, die ein Ablaufdatum für das neue Leistungsschutzrecht vorsieht. Denkbar wäre dabei ein Zeitraum von zehn Jahren, der bei gleichbleibendem Entwicklungsstand kreativer KI-Systeme durch Änderungsgesetze nachträglich weiter verlängert werden könnte. Kapitel 3

Unmittelbarer Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG als Übergangslösung Anknüpfend an die im zweiten Teil unter Kapitel 1, V. 2. zur Feststellung der Schutzlücke im Hinblick auf KI-Schöpfungen gemachten Ausführungen zum unmittelbaren Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG, soll in einem letzten Punkt dieser Untersuchung noch auf die „Schrittmacherfunktion“268 des § 3 Abs. 1 UWG als mögliche Übergangslösung bis zur notwendigen Kodifizierung des soeben behandelten Leistungsschutzes für KI-Schöpfungen eingegangen werden. Während die theoretisch gegebene Möglichkeit eines unmittelbaren Leistungsschutzes aus § 3 Abs. 1 UWG zwar nicht geeignet ist, eine Schutzlücke im Hinblick auf KI-Schöpfungen und damit einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu verneinen, könnte 267 268

Vgl. hierzu bei Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 5. Aufl. 2015, § 52a Rn. 3. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, § 7 I. 5.

Kap. 3: Unmittelbarer Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG  

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dieses Institut jedoch für die Übergangszeit bis zur Schaffung einer entsprechenden rechtlichen Regelung für KI-Schöpfungen Abhilfe schaffen.269 Historisch gesehen haben sich bereits mehrfach Leistungsschutzrechte aus der damals noch in § 1 UWG a. F. enthaltenen Generalklausel entwickelt.270 In den 1960er Jahren konnte mit Hilfe dieser Generalklausel beispielsweise der weit­ gehend fehlende Leistungsschutz überbrückt werden, in den 1970er Jahren das fehlende nicht eingetragene Geschmacksmuster.271 Auch der Schutz für Datenbanken, der – wie wir unter Kapitel 2, II. 2. b) bb) gesehen haben – in vielerlei Hinsicht Parallelen zu dem Schutz von KI-Schöpfungen aufweist, wurde vor der Einführung des sui-generis-Schutzes der §§ 87a ff. UrhG über § 1 UWG a. F. erreicht.272 Dieses Entwicklungspotenzial der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel, mit der schneller als der Gesetzgeber auf Veränderungen reagiert werden kann, ist auch nach der UWG-Reform von 2004 weiterhin zuzulassen. Auch wenn der BGH in den Entscheidungen „Hartplatzhelden.de“, „Pippi Langstrumpf Kostüm II“ und „Segmentstruktur“ einen unmittelbaren Leistungsschutz verneint hat, hat er doch zu erkennen gegeben, dass ein solcher in Betracht kommt, wenn für ein Leistungsergebnis erhebliche Investitionen getätigt wurden und ohne einen Schutz die Erbringung und der Bestand ernstlich gefährdet wären, mithin die „Schrittmacherfunktion“ des wettbewerblichen Leistungsschutzes auch weiterhin nicht ausgeschlossen.273 Im Hinblick auf die danach vorzunehmende Interessenabwägung, die einen Schutz aus § 3 Abs. 1 UWG nur bei Vorliegen überwiegender Interessen rechtfertigen kann, dürfte das festgestellte Marktversagen auf dem Markt für KI-Schöpfungen, die als gesellschaftlich erwünschte Leistungen ohne Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts wohl nicht in ausreichendem Maße produziert würden, zur Bejahung der Erforderlichkeit eines solches Schutzes für KI-Schöpfungen führen. Bei KI-Schöpfungen im urheberrechtlich relevanten Bereich handelt es sich nämlich um Leistungsergebnisse, für die erhebliche Investitionen getätigt werden müssen, und deren Erbringung und Bestand aufgrund des großen Investitionsaufwandes ohne diesen Rechtsschutz ernstlich in Gefahr geriete. In der Entscheidung 269

So auch Dornis, GRUR 2019, 1252 (1264), der bis zum Tätigwerden des Gesetzgebers eine Lückenfüllung durch den UWG-Leistungsschutz gem. §§ 8, 3 Abs.1 UWG in Erwägung zieht, sowie wohl auch Grätz, Künstliche Intelligenz im Urheberrecht, 2021, S. 164. 270 BGH, GRUR 1960, 614 (617)  – Figaros Hochzeit (ausübende Künstler); BGH, GRUR 1962, 470 (474 ff.) – AKI (Sendeunternehmen); Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl. 2017, § 4 Rn. 80. 271 Ohly, GRUR 2010, 487 (494). 272 BGH, GRUR 1988, 308 (309) – Informationsdienst; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 87a ff. Rn. 6; Vogel, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 87a ff. Rn. 5. 273 BGH, GRUR 2011, 436 Rn. 25 – Hartplatzhelden.de; BGH, GRUR 2016, 725 Rn. 25 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II; BGH, GRUR 2017, 79 (89) Rn. 97 – Segmentstruktur; Dreier, in: Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, §§ 70 ff. Rn. 17; Wiebe, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2020, § 4 Nr. 3 Rn. 29.

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5. Teil: Integration in das Immaterialgüterrecht – Lösungsansätze

„Pippi Langstrumpf Kostüm II“ hat der BGH die „Gefahr eines Marktversagens“ als Grund für die Anwendung der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG sogar explizit genannt.274 Da bisher noch kein Sonderrechtsschutz für KI-Schöpfungen existiert, ist die Forderung nach einem unmittelbaren Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG auch in Einklang mit denjenigen Stimmen, die für einen solchen Schutz neben der Interessenabwägung eine planwidrige Regelungslücke im Immaterialgüterrecht verlangen.275 Wie mit den Ausführungen im zweiten und dritten Teil gezeigt wurde, liegt mit KI-Schöpfungen eine technische und wirtschaftliche Entwicklung vor, die zu einer planwidrigen Regelungslücke führt. Hier kann der unmittelbare Leistungsschutz vorübergehend für Schutz sorgen, solange noch kein Sonderrechtsschutz geschaffen wurde. Es bleibt aber zu betonen, dass es sich bei dem unmittelbaren Leistungsschutz aus § 3 Abs. 1 UWG nur um eine Übergangslösung und kein Allheilmittel handeln kann, da KI-Kunst aller Voraussicht nach keine Randerscheinung bleiben wird, für die im Rahmen einer Interessenabwägung über § 3 Abs. 1 UWG im Einzelfall eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann. Es ist zu erwarten, dass dieser Bereich parallel zu den Fortschritten im Bereich künstlicher Intelligenz zunehmend auch in wirtschaftlicher Hinsicht an Bedeutung gewinnen wird,276 sodass es klare und sichere Rahmenbedingungen braucht, um diese Entwicklung auch rechtlich zu unterstützen. Hinzu kommt, dass die Unwägbarkeiten divergierender Lauterkeitsrechte in den Mitgliedstaaten zugunsten einer einheitlichen europä­ ischen Lösung vermieden werden sollten.277

274

BGH, GRUR 2016, 725 (728) Rn. 28 – Pippi Langstrumpf Kostüm II. So z. B. Ohly, GRUR 2010, 487. 276 Auch Lewke, InTer 2017, 207 (215) hält die Zunahme der wirtschaftlichen Bedeutung für computergenerierte künstlerische Artefakte für absehbar. 277 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1260). 275

KI-Schöpfungen als Totengräber des Urheberrechts  Mit Blick in die Zukunft soll abschließend darauf hingewiesen werden, dass durch die voranschreitende Entwicklung von künstlicher Intelligenz zunehmend auch die Gewährung von Urheberrechten für menschliche Leistungen in Frage gestellt wird. Denn je mehr maschinelle Leistungen menschlichen Leistungen gleichen und von diesen nicht mehr unterscheidbar sind, desto mehr wird sich die Frage nach der weiteren Rechtfertigung unseres Urheberrechts für menschliche Leistungen stellen. Bereits heute stehen KI-Schöpfungen in Konkurrenz zu menschlichen Leistungen.1 Mit der fortschreitenden Entwicklung kreativer künstlicher Intelligenz und der hier geforderten Anpassung des Immaterialgüterrechts könnten neue Möglichkeiten kostengünstigerer und umfassenderer Produktion kreativer Werke einhergehen.2 Es ist daher zumindest fraglich, ob der Mensch seine Rolle als Schöpfer behalten und sein Monopol auf gewisse Inhalte bestehen bleiben wird, oder eine Verdrängung menschlicher Schöpfer und menschengemachter Inhalte durch kreative künstliche Intelligenz droht.3 Die klassischen Belohnungs- und Anreiztheorien, die aktuell zur Rechtfertigung des Immaterialgüterrechts herangezogen werden, drohen zu versagen, wenn Innovationen nicht mehr die Domäne menschlichen Schaffens, sondern von autonomen maschinellen Systemen sind.4 Zweck des Urheberrechts kann es jedenfalls nicht sein, die Verdrängung menschlicher Schöpfungen durch künstliche Intelligenz zu verhindern.5 Anstelle der Erstreckung unseres Urheberrechts auf künstliche Intelligenzen als eigenständige Schöpfer könnte die fortschreitende technische Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz daher in Zukunft auch dazu führen, dass weder menschliche noch maschinelle Leistungen ein Urheberrecht für sich beanspruchen können. Dies gilt insbesondere für technisch geprägte Werke wie Software 1

So auch Peifer, in: Urheberrecht!, Festschrift für Michel M. Walter zum 80. Geburtstag, 2018, S. 222 (228). 2 So auch Dornis, GRUR 2019, 1252 (1253). 3 Dornis, GRUR 2019, 1252 (1253) spricht gar von „einer breiten Substitution menschlicher durch künstliche Kreativität“ und sieht eine Bedrohung in einer „immer umfangreichere[n] Verdrängung menschlicher Schöpfer und menschengemachter Inhalte“; Loewenheim / L eistner, in: Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 42 sprechen von einem mög­ lichen „crowding out“ menschlich geschaffener Werke in bestimmten Bereichen; für das Patentrecht siehe Abbott, 57 B. C.L. Rev. 1079, 1080, 1117 (2016): „A creative singularity in which computers overtake human inventors as the primary source of new discoveries is forseeable.“ 4 Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 (576); Yanisky-Ravid, 2017 Mich. St. L. Rev., 659 (703). 5 Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (252); so aber wohl Schönberger, ZGE 2018, 35 (47); Palace, 71 Fla. L. Rev. 217, 242 (2019).

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KI-Schöpfungen als Totengräber des Urheberrechts  

und Werke der kleinen Münze, die ohnehin mehr handwerklich als schöpferisch sind und bei denen die personalistische Rechtfertigung des Urheberrechts ohnehin zweifelhaft ist.6 Jedenfalls dürften die Anforderungen an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken durch die maschinelle Konkurrenz deutlich steigen, da Maßstab für die Beurteilung der Schutzfähigkeit dann nicht mehr nur menschliche Leistungen sind.7 Das in dieser Arbeit entsprechend dem heutigen Stand der Technik geforderte Leistungsschutzrecht für KI-Schöpfungen stellt daher nur den Anfang einer notwendigen Fortentwicklung unseres Immaterialgüterrechts im Einklang mit der fortschreitenden Digitalisierung dar. Wohin der Weg letztlich führen wird, ist heute noch genauso wenig absehbar, wie die Zukunft der künstlichen Intelligenz selbst.

6

Lauber-Rönsberg, GRUR 2019, 244 (252); Leistner, ZUM 2019, 720 (722). Diese Frage aufwerfend auch Hetmank / L auber-Rönsberg, GRUR 2018, 574 f.; Zech, GRUR Int. 2019, 1145 (1147).

7

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Sachregister Action Painting  32, 33, 37 Allgemeinheit  119–121, 122 Allokationseffizienz 128 Allokationseffizienzprinzip 143 Anreizparadigma 128 Anreiz- und Nutzenoptimierung  128 f. Auswahlentscheidung  41, 52 Auswahlleistung  34 f. autonom 43 Bearbeitung  53, 83 f., 99 Berner Konvention  164, 176, 183 f. black box-effect  46 CDPA  165–171, 199, 102 f. cheapest cost avoider  198 computer-aided  18, 37 Computerkunst  21, 24, 35–41, 49 f., 123 Computerprogrammschutz – patentrechtlicher 78–80 – urheberrechtlicher 72–74 CONTU  173 f. Copyright – amerikanisches 171–173 – britisches 166–168 cost of expression  147 Datenbankschutz – KI-Schöpfung 59 – KI-System 85–89 – Trainingsdatensätze 95–97 deep learning  43 Deliktsrecht 70 Designschutz 65 Digital Rights Management  135–138, 190 Edmond de Belamy  17, 48 f., 106, 134 e-Person 185 Erfinder  63 f., 91 Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz 66–68

Expertensysteme  76 f. Fiktion  166, 169 f., 179 first mover advantage  134 f. GANs  48 f. Gebrauchsmusterschutz, siehe Designschutz Geheimnisschutz – KI-Schöpfung  69 f. – KI-System 92–94 – Trainingsdaten 98 f., 63, 102, 104, 107, Gemeinfreiheit 55  128 generative adversarial networks, siehe GANs Geschäftsgeheimnisse, siehe Geheimnisschutz Haftungsrecht  185, 188 Hersteller, siehe Trainer Intelligenzbegriff 42 Interventionstransaktionskosten 151–153 Intrinsische Motive  103, 115, 132–134 John Locke  156, 172 Juristische Person  156, 167, 173, 180, 190 f., 195, 197 Kaldor-Hicks-Kriterium  145 f. Kausalität 51 KI-Schöpfung, Definition  18 KI-System, Definition  18 Konsumenten  102, 117, 119, 121 f., 129, 142, 149 Kreativität  174–178, 182, 198 Künstliche Intelligenz – Begriff  42 f. – Funktionsweise 43–48 Künstliche neuronale Netze, siehe Künst­ liche Intelligenz, Funktionsweise Laufbilderschutz 58

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Sachregister

Leistungsschutzrecht  57 f., 194–202 Lernen, überwachtes, bestärkendes, unüberwachtes 46 Leugnung  64, 65, 91, 123–125 Lichtbilderschutz  39, 58, 199 f., 204 machine learning, siehe maschinelles Lernen Markenrecht  65, 196 Marktakteure 102 Markttransaktionskosten  151 f. Marktversagen, Definition  102 Maschinelles Lernen  43 f. Miturheber  53, 174 Monistische Theorie  167 Monopolisierung  59, 88, 111, 128 f., 150 Monopolisierungseffekte, schädliche 143, 149 moral rights  167, 170, 179, 182 Mustererkennung  43, 47, 104 Natürliche Person 53, 64, 65, 69, 91, 156, 164, 167, 186–188, 200, 201 Next Rembrandt  81, 99, 106 f., 109 Nicht-Exklusivität 128 Nicht-Rivalität 128 Öffentliche Güter  128 Ökonomische Analyse – Kritik, allgemeine  129–131 – Ziele und Methodik  127 f., 158 Ökonomische Bewertungskriterien  143–146 Ökonomische Verhaltensmodelle  140 f. Open Source Lizenz  44, 49, 93, 104, 111 originality  167, 175 f. original works of authorship  175 OTA 174 Pareto-Kriterium 144 Patenrechtlicher Schutz 63 f., 78–81, 90– 92 Patentanmeldung 91 Präsentationslehre 34 Presseverlegerschutz 61–63 Programmbibliothek  18, 22, 44 Programmierer  19, 53, 75, 82, 103 f., 197 f. RBÜ, siehe Berner Konvention Rechenleistung  50, 106, 168, 197, 201

Rechtfertigung des Urheberrechts – Individualistische Begründungsansätze ​ 155 – Utilitaristische Begründungsansätze ​155 f. Rechtspersönlichkeit, elektronische, siehe bei e-Person Rechtsunsicherheit  18, 61, 126, 190 Reinforcement Learning, siehe Lernen, bestärkendes Revidierte Berner Übereinkunft, siehe RBÜ Revolution, digitale  119, 193 Risikoallokation, effiziente  198 Schöpferprinzip  156, 190, 193, 195, 199 Schutzbedürftigkeit 22, 101 ff. Schutzdauer  171, 182, 189, 195, 200, 204 Schutzlücke  57 ff., 195 Softwareschutz, siehe Computerprogrammschutz sui generis  56, 86, 205 suvervised learning, siehe Lernen, überwachtes Text und Data Mining  108, 138, 162 Tonträgerherstellerschutz 60 Topologie 105 tragedy of the anticommons  152 Trainer 19, 105–116 Training  46 f., 105 f. Trainingsdaten 46, 94–98, 105, 107  f., 109 f. Transaktionsökonomik 150–153 Trittbrettfahrer 110, 115, 118, 128, 141, 142 Turing-Test 188 Umarbeitung, siehe Bearbeitung Unmittelbarer Leistungsschutz  68–69, 204– 206 Unmittelbarkeit  27, 37, 39, 51, 70 unsupervised learning, siehe Lernen, unüberwachtes Urheberpersönlichkeitsrechte  156, 157, 167, 170 Vertraglicher Schutz  70 f., 84 f. Verwandte Schutzrechte, siehe Leistungsschutzrecht

Sachregister Verwerter 19, 116–118, 132, 133 Vorhersehbarkeit  37, 39, 48, 77, 82, 90 Werkbegriff – amerikanischer 175 – britischer  167 f. – deutscher 24–31 – europäischer 159 – internationaler 176 Werkzeug  18, 19, 39, 51, 174, 186 Wettbewerbsrechtlicher Schutz  65–69 WIPO 72, 183 f. WMFH-Doktrin  173, 179–183

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Wohlfahrtsgewinne  122, 146, 149–153 Wohlfahrtsökonomisches Effizienzprinzip, siehe Allokationseffizienz Wohlfahrtssteigerung, siehe Wohlfahrtsgewinne Wohlfahrtsverluste  122, 136, 149 f. work made for hire, siehe WMFH Zensur 139 Zufall  27 f., 32, 33 f., 174 Zufallsgenerator 35–41 Zurechnung  50, 51, 170, 193, 196, 197 Zurechnung, objektive  51