Kausalität und Schaden in der Organhaftung: Eine Untersuchung anhand der aktienrechtlichen Vorstandsinnenhaftung [1 ed.] 9783428588756, 9783428188758

Dass sich die Organhaftung vom »Papiertiger« zum realen Steuerungsinstrument entwickelt hat, lässt sich seit den neunzig

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Kausalität und Schaden in der Organhaftung: Eine Untersuchung anhand der aktienrechtlichen Vorstandsinnenhaftung [1 ed.]
 9783428588756, 9783428188758

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 220

Kausalität und Schaden in der Organhaftung Eine Untersuchung anhand der aktienrechtlichen Vorstandsinnenhaftung

Von

Nebiyu Mahmud

Duncker & Humblot · Berlin

NEBIYU MAHMUD

Kausalität und Schaden in der Organhaftung

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 220

Kausalität und Schaden in der Organhaftung Eine Untersuchung anhand der aktienrechtlichen Vorstandsinnenhaftung

Von

Nebiyu Mahmud

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18875-8 (Print) ISBN 9978-3-428-58875-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2022/2023 im Fachbereich Rechtswissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Die Literatur befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von Oktober 2022. An erster Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard), für die Anregung zur Wahl des Themas sowie für die stetige Unterstützung und die wissenschaftliche Freiheit bei der Erstellung der Untersuchung bedanken. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago). Für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ danke ich den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan), Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago) und Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler sowie dem Verlag Duncker & Humblot. Der Friedrich-Ebert-Stiftung gilt großer Dank für die mir zuteil gewordene Promotionsförderung. Im Verlauf der Entstehung hat mich eine Vielzahl von Menschen unterstützt, welchen allen Dank gebührt. Namentlich genannt seien Frau Elisa Dinske, Herr Dr. Nico Gallus, Herr Philipp Schneider, Frau Jana Schneider, Herr Pablo Schühle und Herr Dr. Lukas Zeyher. Herzlichster Dank gilt hier Herrn Dr. Raphael Hilser LL.M. (LSE), Herrn Raphael Wagner, Herrn Amon Dieker und Frau Isabell Fritz für die akribische Durchsicht des Manuskripts, kritische Anmerkungen und die bereichernden Diskussionen. Besonderer Dank gilt meinen Eltern Frau Meaza Hagos und Herrn Hassen Mahmud und meinem Bruder Herrn Fami Mahmud, ohne deren Unterstützung mein Studium, aber auch die Promotion so nie möglich gewesen wäre. Mein größter Dank gebührt jedoch Frau Wubalem Hagos, die während der Anfertigung dieser Arbeit verstorben ist. Sie hat mich nicht nur während des gesamten Studiums vorbehaltlos bei der Verwirklichung meiner Ziele unterstützt, sondern mir auch während der Promotionszeit stets Rückhalt gegeben. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, März 2023

Nebiyu Mahmud

Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einführung in die Thematik

19

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Kapitel 2 Propädeutikum: Organe und ihre Haftung

24

A. Haftung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

B. Durchsetzung des Anspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

Kapitel 3 Kausalität

29

A. Skizzierung der Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

B. Rechtmäßiges Alternativverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

C. Kollegialentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

D. Kooperation mit Verfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Kapitel 4 Schaden

124

A. Schadensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 D. Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 F. Reputationsschaden im Regressanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

8

Inhaltsübersicht Kapitel 5 Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags in Thesenform

203

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung in die Thematik

19

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Kapitel 2 Propädeutikum: Organe und ihre Haftung

24

A. Haftung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 26

B. Durchsetzung des Anspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

Kapitel 3 Kausalität

29

A. Skizzierung der Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtswidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verhältnis der Lehre vom Schutzzweck zur Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verhältnis zwischen der Schutzzwecklehre und der Adäquanztheorie . . . . . .

30 30 31 33 34 34 35

B. Rechtmäßiges Alternativverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Skizzierung der Figur des rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . 1. Beachtlichkeit des Einwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine pauschale Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Im Organhaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forschungsstand vor dem Schloss-Eller-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 37 38 39 39 40 41 41

10

Inhaltsverzeichnis b) Rechtsprechung bis zum Schloss-Eller-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schloss-Eller-Urteil – Darstellung der Entscheidung und ihrer neuralgischen Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) BGH-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unternehmerischer Handlungsspielraum des Aufsichtsrats . . . . . . 3. Eigene Positionierung zur Zulässigkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit mit dem Schutzzweck der Haftungsnorm . . . . . . . . . . . . aa) Regelungszwecke des Schadensersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzzwecke von § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kompensationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Präventionszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine Relativierung des Präventionszwecks durch die Einführung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kein ausschließlicher Präventionszweck . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rangverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Variante – Verletzung von Verfahrens- oder Kompetenzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzzweck der verletzten Norm – Zustimmungsvorbehalt . . . . . (1) Aufbau der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Organisations-, Kompetenz- und Verfahrensregeln . . . . . . . . . (a) Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kompetenz- und Verfahrensregeln im Allgemeinen . . . . . (c) Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG im Speziellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Rechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzzweckvermessung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zweite Variante – Zustimmung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . aa) Skizzierung der rechtlichen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen des Haftungsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterschiede zwischen hypothetischen Aufsichtsrats- und Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 42 43 44 44 44 44 45 46 47 48 48 48 48 49 50 50 51 52 52 53 54 54 54 55 56 56 58 59 60 60 61 62 62

Inhaltsverzeichnis (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fragen der Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Möglichkeiten der Nachweiserbringung in der Praxis . . . . . . . . . . (1) Nachweis der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung . . . . (a) Entscheidungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Nachträgliche Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) hindsight bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Weitere praktische Unwägbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . (cc) Bedenken gegen den Nachweis einer hypothetischen Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Zivilprozessuale Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Aktive Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausgeschiedene Aufsichtsräte . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verantwortungsvoll handelndes Organmitglied . . . . . . . . . (aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Grenzen des Handlungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Pflicht zur Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Pflicht zur Versagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ermessensspielraum zwischen den Grenzen . . . . . . (ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachweis der hypothetischen Hauptversammlungszustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Entscheidungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Nachträgliche Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verantwortlich handelnde Hauptversammlung? . . . . . . . . (d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit zur Zulässigkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Würdigung der Schloss-Eller-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bezogen auf die Aufsichtsratszustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 63 64 64 64 65 65 65 66 66 67 68 68 69 70 70 71 71 72 72 72 73 73 74 75 75 76 76 77 77 78 78 79 79 80 81 82

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Inhaltsverzeichnis c) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bezogen auf die Hauptversammlungszustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Möglicher Grund für eine Nichtberücksichtigung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zustimmung der Hauptversammlung im Schloss-Eller-Fall . . . . . . d) Abschließende Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Kollegialentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Skizzierung des dogmatischen Umfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung nach zustimmendem Votum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kausale Überbestimmtheit des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilweise Überbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aktienrechtliche Binnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Analoge Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vergleichbare Interessenslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit der Untersuchung zivilrechtlicher Lösungsansätze . . . . . . . . c) Strafrechtliche Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Transferierbarkeit strafrechtlicher Ansätze auf das Organhaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Seebode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Darstellung der Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nettesheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Darstellung der Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nichtberücksichtigung der Individualkausalität . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) OLG Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Nappert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 83 83 83 84 85 87 88 88 89 89 89 90 90 90 91 92 92 93 94 95 95 96 96 97 98 98 98 99 99 99 100 100 100 100 100 101

Inhaltsverzeichnis

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(2) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) NESS-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Notwendige und hinreichende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . (2) Puppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Fazit der Untersuchung strafrechtlicher Lösungsansätze . . . . . . . . d) Fazit der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung eines überstimmten Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnendes Votum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Enthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Exkurs: Pflicht zu weiteren Maßnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesellschaftsinterne Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Externe Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 103 103 104 104 105 106 107 107 108 108 109 109 110 110

D. Kooperation mit Verfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prämisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kooperation mit Ermittlungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf den Zurechnungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herausforderungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterbrechung des Kausalzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleichsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung des BGH zur Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung des OLG Hamm zur Anwaltshaftung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 112 113 113 114 115 115 115 116 117 118 119 120 120 121 121 122 123

Kapitel 4 Schaden

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A. Schadensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Schadensbegriff nach § 249 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Subjektiver Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

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Inhaltsverzeichnis III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Grundsätzlich ersatzfähige Schadensposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sinn und Zweck der Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adressat und Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten . . . . . . . . . . . . III. Regressfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung des Meinungsbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollständiger Regressausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dreher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Horn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mertens/Cahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung zum Schienenkartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) LAG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) LG Saarbrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Herrschende Auffassung: Grundsätzliche Ersatzfähigkeit . . . . . . . . . . . aa) Ersatzfähigkeit von Abschöpfungs- und Ahndungskomponente . . bb) Beschränkung der Ersatzfähigkeit auf die Ahndungskomponente 2. Würdigung und Erarbeitung einer eigenen Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 1. Schritt: Vereinbarkeit des Regresses mit rechtlichen Grundsätzen . . aa) Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Generalpräventiver Sanktionszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 2. Schritt: Vermessung der Reichweite der Ersatzfähigkeit . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Praxisfall/Sonderfall Kartellrechtliche „Ahndungsgeldbußen“ . . . . . . . . . . . . 1. Bemessung der EU-Kartellgeldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Kartellgeldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berechnung des verdeckten Abschöpfungsteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127 128 128 128 129 129 130 130 130 130 131 131 132 132 132 133 133 134 134 134 135 135 136 137 137 137 138 139 139 140 142 142 143 143 143

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Einordnung in das übergeordnete Diskussionsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis

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II. Mögliche Begrenzungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Transfer der Grundsätze über betrieblich veranlasste Tätigkeiten . . . . . . . a) Darstellung der Grundsätze über betrieblich veranlasste Tätigkeiten . . b) Übertragung auf das Organhaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herrschende Auffassung – Ablehnung eines Transfers . . . . . . . . . bb) Mindermeinung – Transfer zum Organhaftungsrecht . . . . . . . . . . . c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wesensunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschaftsrechtliche Fürsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtspolitischer Ausblick – Notwendigkeit einer Begrenzung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorstandshaftung zu streng? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwingende Regelung der Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verpflichtung zur Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unzureichender Versicherungsschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begrenzung der Deckungssummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deckungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einschränkungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsökonomische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Steigerung der Kooperationsbereitschaft zu erwarten . . . . bb) Strenge Haftung risikoaverses Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154 154 155 155 157 157 158 160 160 160 161 161 163 163 163 164 166 166

D. Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen nach dem allgemeinen Schadensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit im Organhaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsbild in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteilsausgleichung und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nicht abgeschöpfte Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167 168 168 168 169 169 170

145 145 145 146 146 146 147 147 148 150 150 151 152 154

16

Inhaltsverzeichnis aa) Fallgruppen aus dem allgemeinen Schadensrecht . . . . . . . . . . . . . . bb) Aktienrechtliche Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verletzung interner Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verletzung gesetzlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorteilsausgleich im Schnittfeld divergierender Interessen (aa) Schutzzweck des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . (bb) Verhaltenssteuernde Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 171 171 172 172 172 173 175 175 176 176

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Siemens/Neubürger-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einordnung der Schadensposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ersatzfähige Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ersatzfähigkeit Kosten interner Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ersatzfähigkeit nach dem allgemeinen Schadensrecht . . . . . . . . . . . . . . aa) Schadensmindernde Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsverfolgungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Untersuchungsrelevante Kostenpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kosten eigener Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einordnung interner Untersuchungen auf Basis der Grundsätze der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung des Ergebnisses auf Basis der Dogmatik des BGH bb) Kosten externer Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Höhe der Rechtsanwaltsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 178 178 178 178 179 180 180 180 182 182 182 183 183 183 183 184 185 185 186 186 187 187 187 188 189 190

Inhaltsverzeichnis F. Reputationsschaden im Regressanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Reputationsschaden als Vermögensschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. event study . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 1. Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 2. Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Untersuchung der Tauglichkeit/Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrachtung der unmittelbaren Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung des Lösungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung der Tauglichkeit/Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Lösungsansatz de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermutungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erkenntnisgewinn aus dem Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung der kartellrechtlichen Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kartellrechtlicher Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme und eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 190 192 193 194 194 195 195 196 196 196 197 197 197 198 198 199 200 202

Kapitel 5 Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags in Thesenform

203

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Kapitel 1

Einführung in die Thematik A. Einleitung Die Organhaftung ist eine breitgefächerte Thematik: Viele der bekannten Haftungsfälle werden nicht nur in der rechtswissenschaftlichen Fachliteratur, sondern auch in der allgemeinen Öffentlichkeit lebhaft debattiert. Schon allein die in Rede stehenden, teils horrenden, Haftungssummen ziehen das Interesse der (medialen) Öffentlichkeit an derartigen Rechtsstreitigkeiten auf sich. Auf nationaler Ebene sind aus jüngster Vergangenheit der Wirecard-Skandal1 sowie die Abgasaffäre bei Volkswagen zu nennen2, weiter zurückliegend die verschiedenen Verfahren gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff.3 Auf internationaler Ebene ist der Prozess gegen den früheren Renault-Nissan-Mitsubishi CEO Carlos Ghosn exemplarisch aufzuführen.4 Die zunehmende Bedeutung lässt sich darüber hinaus aus dem Anstieg von Haftungsfällen exemplifizieren. Medienberichten zufolge sind die Schadensmeldungen bei D&O-Versicherungen von 2014 bis 2018 um 47 Prozent gestiegen.5 Nach einer Umfrage berichtet jeder

1 Vgl. „Erste Anklage im Wirecard-Skandal“, tagesschau.de vom 13.01.2022, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/wirtschaft/wirecard-skandal-erste-anklage-erhoben101.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 2 Vgl. „Nach Abgas-Skandal – Milliardenverlust bei Volkswagen“, faz.net vom 28.10.2015, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vw-abgas-skandalbringt-volkswagen-milliardenverluste-ein-13880450.html – zuletzt abgerufen am 01.08. 2022. 3 Vgl. „Prozess nach Insolvenz – Ex-Arcandor-Chef Middlehoff muss Millionen zurückzahlen“, süddeutsche.de vom 09.09.2013, abrufbar unter https://www.sueddeut sche.de/wirtschaft/prozess-nach-insolvenz-ex-arcandor-chef-middelhoff-muss-millionenzurueckzahlen-1.1766167 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 4 Vgl. „Nissan-Topmanager Ghosn droht in Japan weiteres Verfahren“, derstandard.de vom 23.11.2018, abrufbar unter https://www.derstandard.de/story/20000920 88908/nissan-topmanager-ghosn-droht-in-japan-weiteres-verfahren – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 5 Vgl. „Manager werden immer häufiger verklagt“, com-magazin.de vom 11.02. 2019, abrufbar unter https://www.com-magazin.de/news/sicherheit/manager-haeufigerverklagt-1677416.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022; siehe auch „Risiken für Vorstände und Führungskräfte nehmen zu“, faz.net vom 15.12.2021, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/allianz-spezialversicherer-warnt-vorinsolvenzen-und-klagewelle-17685907.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022.

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Kap. 1: Einführung in die Thematik

fünfte Manager über Ansprüche gegen sich selbst oder andere Organmitglieder.6 Die stetig zunehmende Bedeutung hat auch in der juristischen Fachliteratur Niederschlag gefunden. Während die Organhaftung lange Zeit stiefmütterlich behandelt und ihr nur wenig Bedeutung zugemessen wurde,7 hat sich dies mit einer Reihe von Gesetzesreformen in den letzten Jahrzehnten8 und dem beschriebenen Anstieg der Haftungsfälle verändert.9 So eindeutig sich die Relevanz der Organhaftung in der Praxis belegen lässt, so umstritten ist ihre rechtliche Beurteilung. Juristischen Aufwind bekam die Thematik 1997, als der Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung10 erstmals die Pflicht des Aufsichtsrats anerkannte, bei Pflichtverletzungen des Vorstands Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand geltend zu machen. De lege lata kann bereits eine leichte Fahrlässigkeit zur Haftung auf vollen Schadensersatz führen.11 Dies kann für das betroffene Organmitglied schnell eine Existenzvernichtung bedeuten. Eine befriedigende Lösung für die potentiell Haftungsverpflichteten stellen auch D&O-Versicherungen nicht dar. Diese decken selten Schäden über dem niedrigen dreistelligen Millionenbereich

6 Vgl. „Haftungsrisiko für Manager gestiegen – Umfrage zu Managerhaftung“, manager-magazin vom 25.01.2015, abrufbar unter https://www.manager-magazin.de/unter nehmen/artikel/a-1020470.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 7 Vgl. „kein lebendes Recht“ Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, 1980, S. 624; siehe auch den Hermann Josef Abs, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank, zugeschriebenen Satz, „es sei leichter, ein eingeseiftes Schwein am Schwanz festzuhalten, als ein Aufsichtsratsmitglied zur Rechenschaft zu ziehen.“, zitiert nach Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/U. H. Schneider, 1996, Corporate Governance, S. 157; vgl. auch Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 21. 8 Gesetzentwurf zum KonTraG, BT-Drs. 13/9712; Gesetzentwurf zum UMAG, BTDrs. 15/5092; Gesetzentwurf zum Restrukturierungsgesetz, BT-Drs. 17/3024. 9 Siehe jeweils mit der Aussage, dass sich die Haftungsrisiken für Organmitglieder erhöht haben: Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 21 ff.; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 19; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 231; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 36 f.; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 17 ff.; Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, 2013, S. 25 f.; Bayer, NJW 2014, 2546; F. Gaul, AG 2015, 109; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33 ff.; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 222; Janert, BB 2013, 3016; Karbaum, AG 2013, 863, 864; von der Linden, NZG 2013, 208; Loritz/K.-R. Wagner, DStR 2012, 2189; Lotze, NZKart 2014, 162; Wilhelmi, NZG 2017, 681. 10 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926. 11 Freund, NZG 2015, 1419; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 161; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 232; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 2.

C. Gang der Untersuchung

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ab und vermögen so im Fall von hohen Schadenssummen das Organmitglied nicht vor existenzvernichtenden Haftungsansprüchen zu schützen.12 Vor diesem Hintergrund verwundert das Ergebnis einer Bestandsaufnahme wissenschaftlicher Abhandlungen zur Kausalität und zum Schaden – zwei elementare Haftungsvoraussetzungen des Organhaftungsanspruches. Literatur und Rechtsprechung befassen sich zwar ausführlich mit dem Pflichtenprogramm eines Organs, im Rahmen von Kausalität und Schaden wird aber eine Lücke erkannt.13 Vor diesem Hintergrund sollen im Rahmen dieser Arbeit die Tatbestandsmerkmale Schaden und Kausalität einer umfassenden Würdigung zugeführt und der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme von Organmitgliedern deutlich Kontur gegeben werden.

B. Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes Im deutschen Gesellschaftsrecht besteht kein einheitlicher/rechtsformübergreifender Tatbestand für die Organhaftung. Jede Gesellschaftsform hat ihre eigenen Regelungen, welche die Haftung der maßgeblichen Organe festlegt. Um die gebotene Fokussierung zu erreichen, soll sich die Untersuchung auf die Haftung der Organmitglieder der Aktiengesellschaft konzentrieren, da diese für große Unternehmen die wesentlichste Gesellschaftsform verkörpert.14 Dabei werden sich die Ausführungen insbesondere mit der Verantwortlichkeit des Vorstands gegenüber der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG (Binnenhaftung) auseinandersetzen. Der Regressanspruch der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG markiert zumeist die zugrundliegende Anspruchsgrundlage der hier gegenständlichen gesellschaftsrechtlichen Streitpunkte.

C. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich dabei in drei Teile. In einem ersten Schritt sollen im Rahmen eines Propädeutikums die Grundlagen der Organhaftung dargestellt und auf diese Weise ein Fundament für die Bearbeitung gegossen werden. 12 Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 215. 13 Vgl. exemplarisch die durchweg knappen Kommentierungen in Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 413 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196 f. 14 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 232; Seibert, Handbuch des Aktienrechts, 9. Aufl. 2017, 1; vgl. auch Hofmann-Becking, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 1 ff. Deutlich weiter verbreitet ist die Gesellschaftsform der GmbH: 2017 bestanden 14.823 Aktiengesellschaften (Stand. 01.01.2018), demgegenüber bestanden etwa 1,25 Millionen GmbH, hierzu siehe Kornblum, GmbHR 2018, 669, 670.

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Kap. 1: Einführung in die Thematik

Hierdurch wird der Grundstein für eine intensive Analyse der Tatbestandsmerkmale Kausalität und Schaden gelegt. Der vom Gesetz vorgegebenen Prüfungsreihenfolge folgend wird zunächst das Tatbestandsmerkmal Kausalität unter die Lupe genommen. Eingangs wird eine kurze Skizzierung der schadensrechtlichen Grundprinzipien des Tatbestandsmerkmals vorgenommen, bevor konkrete, für die Organhaftung relevante und umstrittene Fallgruppen, betrachtet werden. Dabei hat der Themenkomplex drei Schwerpunkte: der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens, die Kollegialentscheidung sowie die Frage der Auswirkungen auf die Zurechnung des Schadens der Gesellschaft zum Vorstandshandeln, wenn die Gesellschaft im Bußgeldverfahren mit der zuständigen Ermittlungsbehörde kooperiert hat. Im ersten Schwerpunkt des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens wird die 2018 durch den BGH getroffene Schloss-Eller-Entscheidung betrachtet, welche die Debatte über die Anwendbarkeit der Figur und die daraus folgenden Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislastregeln neu belebt hat. Nach einer eingehenden Analyse des Schutzzwecks der Haftungsnorm soll gezeigt werden, dass die Zulassung des Einwands diesem nicht widerspricht. Darauf folgt eine Erörterung der sich für das beklagte Vorstandsmitglied ergebenden Beweisschwierigkeiten und eine Beleuchtung der Darlegungsmöglichkeiten.15 Bei Kollegialentscheidungen bereitet die Begründung der Kausalität zwischen Stimmabgabe und Schaden besondere Probleme. Die conditio-sine-qua-non-Formel16 kann eine Zurechnung des Schadens zur einzelnen Stimmabgabe nicht gewährleisten. Nach einer Darstellung der Problematik erfolgt daher eine ausgiebige Analyse möglicher Lösungsansätze und eine Begründung des im Rahmen dieser Arbeit verfolgten Ansatzes. Hierbei wird auch der strafrechtliche Diskurs betrachtet, in welchem die Thematik in der Vergangenheit ungleich mehr Aufmerksamkeit erlangt hat.17 Im dritten Themenschwerpunkt stehen die Auswirkungen der Kooperation mit Ermittlungsbehörden auf die Kausalität im Fokus. Wird in einem ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfahren ein Bußgeld gegen die Gesellschaft verhängt, so kann nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ein Anspruch der Gesellschaft gegen die handelnden Organmitglieder auf Ersatz des erlittenen Schadens bestehen. Gerade mit Blick auf die drohenden hohen Strafen ist es nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen mit den Verfolgungsbehörden kooperieren oder Vergleiche schließen, um den möglichen Schaden zu verringern. Umso bedeutender ist damit die Frage, wie sich ein solches Verhalten bei einem Regressanspruch gegen den Geschäftsleiter auf den Zurechnungszusammenhang auswirken kann.18 15 16 17 18

Siehe Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 3. Hierzu ausführlich in Kapitel 3, C., I. Vgl. die Ausführungen in Kapitel 3, C., II., 1. Hierzu ausführlich in Kapitel 3, D.

C. Gang der Untersuchung

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Sodann wendet sich die Arbeit dem Tatbestandsmerkmal Schaden zu. Nach einer Darstellung des Schadensbegriffs19 folgt mit der Frage der Ersatzfähigkeit von Verbandsgeldbußen im Regressanspruch der erste Problemschwerpunkt. Der zweite zentrale Punkt beleuchtet mögliche de lege lata bestehende Begrenzungen der Organhaftung, namentlich eine Begrenzung qua gesellschaftlicher Fürsorgepflicht und die Übertragung der Grundsätze über betrieblich veranlasste Grundsätze. Nach der Eruierung der Frage, ob die geltende Gesetzeslage eine Begrenzung zulässt, beschäftigt sich die Arbeit mit der Frage, inwieweit eine Begrenzung notwendig ist. Hierzu werden auch rechtsökonomische Argumente fruchtbar gemacht.20 Im Anschluss werden die Grundsätze der Vorteilsanrechnung und die Frage der Anwendbarkeit im Organhaftungsrecht untersucht. Der Fokus liegt dabei auf der Fallgruppe der sogenannten „nützlichen“ Pflichtverletzungen.21 Der nächste Schwerpunkt behandelt die Frage der Ersatzfähigkeit von Kosten interner Untersuchungen. Die Aufdeckung von Wirtschaftsskandalen zieht zwangsläufig massive Kosten durch Untersuchungen für das Unternehmen nach sich. Das (gesellschafts-)rechtliche Schrifttum hat die Thematik bis dato allenfalls knapp auf dem Schirm. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen liegen nur in Form weniger Aufsätze vor.22 In einem letzten Schritt wird die Ersatzfähigkeit von Reputationsschäden untersucht. Dabei wird zunächst eine Begriffsbestimmung vorgenommen, bevor mögliche Ansätze zur Bestimmung des Reputationsschäden analysiert und ein eigener Lösungsansatz vorgestellt werden.23 Im letzten Kapitel werden die wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesenform zusammengefasst.

19 20 21 22 23

Siehe Ausführungen in Kapitel 4, A. Hierzu ausführlich in Kapitel 4, C., III., 2. Siehe Ausführungen in Kapitel 4, D., II. Vgl. Fleischer, NZG 2014, 321; Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209. Hierzu ausführlich in Kapitel 4, F., III.

Kapitel 2

Propädeutikum: Organe und ihre Haftung Für Unternehmen, die als juristische Person, sprich als Personenvereinigung mit von den Mitgliedern unabhängiger Rechtspersönlichkeit, aufgebaut sind,1 erfordert die Teilnahme am Rechtsverkehr, dass natürliche Personen für sie tätig werden und ihr Handlungen der Vereinigung als eigene Akte zugerechnet werden. Die für die juristische Person handelnden natürlichen Personen werden als „Organe“, ihre Rechtstellung als „Organstellung“ oder „Organschaft“ bezeichnet.2 Sie ist abzugrenzen von der Stellvertretung. Ob eine natürliche Person, die für eine juristische Person handelt, als Stellvertreter oder deren Organ tätig wird, richtet sich danach, ob die Vertretungsbefugnis durch Rechtsgeschäft oder aber durch die Organisation des Personenverbandes begründet ist.3 Weit verbreitet wird auf Flumes Definition rekurriert, wonach „Organ der juristischen Person jede Person oder Mehrzahl von Personen [ist], welche nach der Verfassung der juristischen Person die Handlungsfähigkeit für die juristische Person begründet“.4 Das Gesetz unterscheidet zwischen dem Organ selbst, der sog. „überindividuellen Wirkungseinheit“ 5, sowie dem jeweiligen Organwalter respektive den

1

Grundlegend zur juristischen Person: Flume, Die juristische Person, 1983. Baltzer, Der Beschluss als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 24; siehe auch Hau/Poseck, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition Stand: 01.05.2022, § 705 Rn. 145; Schäfer, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 705 Rn. 262. 3 Vgl. Böbel, Die Rechtstellung der besonderen Vertreter gem. § 147 AktG, 1999, S. 132 f. Das Differenzierungsmerkmal der Quelle der Vertretungsbefugnis geht auf Hans Julius Wolff zurück, vgl. Organschaft und juristische Person, Bd. 2, 1934, S. 294 ff.; siehe auch Kling, ZGR 2009, 190, 209 f.: „Organe sind [. . .] Wirkungseinheiten innerhalb der Verbandsverfassung, die nur durch Organisationsakt, d.h. durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag (bzw. Satzung), nicht aber durch individualvertragliche Vereinbarung installiert werden können.“ 4 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 377; Schäfer, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 705 Rn. 263; Wentrup, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 19 Rn. 11; Kling, ZGR 2009, 190, 210 f.; vgl. auch Hadding, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2000, § 26 Rn. 3; zum Ganzen Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 37 f. 5 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 229; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 294; siehe auch Bork, ZGR 1989, 1, 17; hierzu bereits Kling, ZGR 2009, 190, 211. 2

A. Haftung des Vorstands

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einzelnen Organmitgliedern.6 Die das Organ treffenden Rechte und Pflichten werden nicht den einzelnen Organmitgliedern auferlegt, sondern dem Organ, unabhängig von der jeweiligen personellen Zusammensetzung des Organs als solchem, zugewiesen.7 In der hier primär untersuchten Aktiengesellschaft stellen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung nach dem AktG vorgeschriebene zwingende Organe der Gesellschaft dar.8 Der Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes folgend, soll sich die Arbeit mit der Haftung des Vorstands befassen.

A. Haftung des Vorstands Die Haftung von Vorständen einer Aktiengesellschaft lässt sich in zwei Bereiche untergliedern: die Innenhaftung und die Außenhaftung.

I. Innenhaftung Verletzen Vorstandsmitglieder ihre organschaftlichen Pflichten, sind sie der Gesellschaft gem. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG als Gesamtschuldner zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens verpflichtet. Zentral für die Pflichten des Vorstandes ist die aktienrechtliche Legalitätspflicht. Diese statuiert die Pflicht eines jeden Vorstandsmitglieds, sich bei der gesamten Amtsführung gesetzestreu zu verhalten.9 Die Haftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG gilt als sehr streng: Bereits leichte Fahrlässigkeit kann die Haftung auf vollen und der Höhe nach nicht beschränkten Schadensersatz begründen.10 6 Vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 17; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 292 ff.; Kling, ZGR 2009, 190, 211. 7 Bork, ZGR 1989, 1, 17; Kling, ZGR 2009, 190, 211; eingehend Bauer, Organklagen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1986, S. 51 ff. 8 Statt vieler Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2022, § 118 Rn. 8. 9 BGH, Urteil vom 10.07.2012 – VI ZR 341/10, NZG 2012, 992, 994 Rn. 22; für die GmbH BGH, Urteil vom 28.04.2008 – II ZR 264/06, NZG 2008, 551 Rn. 38; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 86; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 71; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 133; Fleischer, ZIP 2005, 141, 142 ff., 144; Habersack, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 429, 431 f.; Dreher, in: Festschrift Horst Konzen, 2006, 85, 92; Paefgen, AG 2004, 245, 251 f.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 ff.; Merkt, in: Festschrift Peter Hommelhoff, 2012, 711, 713; Paefgen, Unternehmerische Entscheidung und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, 24 f.; hierzu rechtsvergleichend zu dem US-amerikanischen Recht Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, 213 f. 10 Freund, NZG 2015, 1419; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 161; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 232; Hofmann-Becking, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 2 Rn. 2.

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Kap. 2: Propädeutikum: Organe und ihre Haftung

II. Außenhaftung Im Unterschied zur Innenhaftung besteht keine zentrale aktienrechtliche Anspruchsgrundlage für die unmittelbare Außenhaftung der Organe.11 § 93 Abs. 2 AktG enthält vielmehr den für das Aktienrecht prägenden Grundsatz der Haftungskonzentration, wonach organschaftliche Pflichtverletzungen grundsätzlich nur eine interne Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft begründen.12 Dabei handelt es sich um eine strukturelle Entscheidung des Gesetzgebers. Diese soll sicherstellen, dass von etwaigen Schadensersatzleistungen alle Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger in gleichem Maße profitieren.13 Eigene Schadensersatzansprüche von außenstehenden Dritten gegen die Vorstandsmitglieder kommen daher nur in Betracht, wenn besondere Anspruchsgrundlagen eingreifen.14

B. Durchsetzung des Anspruches Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, überträgt § 112 AktG die Vertretungsmacht für Gerichtsverfahren gegen Vorstandsmitglieder auf den Aufsichtsrat.15 Sein Aufgabenbereich beinhaltet dabei die Prüfung etwaiger Schadenser-

11 Vgl. Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 384 ff.; Wiesner, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 5, 4. Aufl. 2020, § 26 Rn. 1; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 34. 12 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 384; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 1; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 649; Verse, ZHR 170 (2006), 398, 407 f.; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 133; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 34. 13 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 384; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 133; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 34. 14 Siehe rechtsvergleichend hierzu Fleischer, ZGR 2004, 437, 443; ders., in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2022, § 93 Rn. 385; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 34. 15 BGH, Urteil vom 08.02.1988 – II ZR 159/87, NJW 1988, 1384, 1385; BGH, Urteil vom 26.06.1995 – II ZR 122/94, NJW 1995, 2559 f.; BGH, Urteil vom 13.02.1989 – II ZR 209/88, NJW 1989, 2055, 2056; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 112 Rn. 2; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 112 Rn. 2; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 1; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 112 Rn. 1, 5; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 112 Rn. 1; Bürgers/Fischer, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 112 Rn. 1; Groß-Bölting/Rabe, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 112 Rn. 1; Henssler, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 112 Rn. 1; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 236.

B. Durchsetzung des Anspruches

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satzansprüche gegen Vorstandsmitglieder und die Entscheidung über deren Geltendmachung.16 Sollte der Aufsichtsrat im Rahmen der Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass ein Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand besteht, ist er grundsätzlich verpflichtet, diesen Anspruch geltend zu machen.17 Trotz dieser grundsätzlichen Verpflichtung wird die Durchsetzung der Ansprüche gegenüber dem Vorstand als defizitär kritisiert.18 Zur Begründung wird unter anderem auf die persönlichen Verhältnisse zwischen Aufsichtsrat- und Vorstandsmitgliedern verwiesen. In der Praxis ist der Wechsel ehemaliger Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat nicht unüblich.19 Herzstück der Kritik ist indessen, dass sich bei schweren Pflichtverletzungen des Vorstands zumeist parallel die Frage nach einer Pflichtverletzung des Aufsichtsrats stellt, da dieser nach § 111 AktG den Vorstand überwachen muss.20 Dies führt möglicherweise zu einem geringeren Interesse des Aufsichtsrats an der Aufklärung einer Pflichtverletzung des Vorstands. Den Aktionären verschafft das Aktiengesetz nur begrenzte Möglichkeiten, Ansprüche gegenüber Vorstandsmitgliedern durchzusetzen. Entsteht ihnen durch die schuldhafte Pflichtverletzung eines Vorstandsmitgliedes neben der Gesellschaft ebenfalls ein Schaden, können sie keinen Anspruch aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG geltend machen. Ihnen bleibt jedoch die Möglichkeit, über § 147 AktG mittels eines Hauptversammlungsbeschlusses die Geltendmachung durch den Aufsichtsrat bzw. einen besonderen Vertreter zu erzwingen. Daneben besteht die Option, im Wege des Klagezulassungsverfahrens nach § 148 AktG im eigenen Namen den Anspruch der Gesellschaft einzuklagen.21 Ein eigenständiger Ersatzanspruch 16 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 354; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 116 Rn. 62 f.; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 46; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 147 f. 17 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926; siehe auch bereits die Vorinstanz OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.06.1995, NJW-RR 1995, 1371; BGH, Urteil vom 18.9.2018 – II ZR 152/17, NJW 2019, 596 Rn. 27, 31; Raiser, NJW 1996, 552, 554; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 270; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 461; kritisch Mertens, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 1183, 1192 ff. 18 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 236; Ulmer, ZHR 162 (1999), 290, 318; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 785 f. 19 Vgl. hierzu „Wann ein Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat sinnvoll ist“, Handelsblatt vom 23.02.2021, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/meinung/ gastbeitraege/expertenrat/hansen/gastkommentar-expertenrat-wann-ein-wechsel-vom-vor stand-in-den-aufsichtsrat-sinnvoll-ist/26942512.html – zuletzt abgerufen am 01.08. 2022. 20 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 239 f. 21 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 336; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 355;

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Kap. 2: Propädeutikum: Organe und ihre Haftung

steht den Anteilseignern nach dem Aktiengesetz nur gem. § 117 Abs. 1 S. 2 und den §§ 309 Abs. 4, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG zu.22

vgl. U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 149. 22 Vgl. Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 355; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 149.

Kapitel 3

Kausalität „Die Kausalitätsfrage bildet für die Philosophie ein ,unsterbliches, weil unbesiegbares‘ Problem; sie ist die wichtigste Frage für dieses Wissensgebiet [. . .].“ – Traeger1

Eine gleichermaßen zentrale Stellung kann man der Kausalität in der Rechtswissenschaft zwar nicht zuschreiben. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei ihr um eine der grundlegenden fächerübergreifenden Konzepte der Rechtsdogmatik. Als Mindestbedingung jeglicher Schadenszurechnung hat die Kausalität in der zivilrechtlichen, aber auch in der strafrechtlichen Haftung herausragende Bedeutung.2 Nicht zu vernachlässigen ist dabei, dass Kausalität eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung privater Haftung ist.3 Juristisch sind Verursachung und Verantwortung nicht gleich zu setzen.4 Prima facie stellt das Konzept der Kausalität etwas Simples, wenig Dynamisches und Innovatives dar, wozu wenig Neues beigetragen werden kann und muss. Gerade mit Blick auf einzelne dogmatische Probleme zeigt sich jedoch eine unübersichtliche Debatte, in der eine beträchtliche Zahl von Ansichten vertreten wird.5 Nachfolgend sollen die Grundprinzipien des rechtswissenschaftlichen Kausalitätsverständnisses skizziert werden. Im Anschluss daran werden die für die Organhaftung diskutierten Fallgruppen beleuchtet und einer juristischen Begutachtung unterzogen. Untersucht wird zunächst die Frage der Kausalität der individuellen Stimmabgabe für den rechtswidrigen Beschluss im Rahmen von Kollegialentscheidungen. Der zweite Themenschwerpunkt betrachtet den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens und untersucht eine Anwendbarkeit in der aktienrechtlich umstrittenen Fallgruppe der Verletzung von gesetzlichen oder satzungsgemäßen Organisations-, Kompetenzoder Verfahrensregeln. Den dritten und letzten Schwerpunkt im Rahmen der Kausalität stellt der Themenkomplex Kooperation der Gesellschaft mit Ermittlungsbehörden dar. Hierbei wird untersucht, wie sich eine solche Kooperation in einem etwaigen Bußgeldverfahren auf die Frage der Kausalität in einem späteren Regressverfahren gegen Vorstandsmitglieder auswirkt.

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Traeger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, 1904, S. 1. Röckrath, NStZ 2003, 641; vgl. auch Spindler, AcP 208 (2008), 283 f. Gottwald, Karlsruher Forum, 1986, 3. Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 1. Vgl. hierzu Gottwald, Karlsruher Forum, 1986, 3 f.

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Kap. 3: Kausalität

A. Skizzierung der Grundprinzipien Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches ist, dass der Schaden ohne das Verhalten des (angeblichen) Schädigers nicht eingetreten wäre: Die Handlung muss für den Schaden kausal gewesen sein.6 Häufig wird zwischen der sog. haftungsbegründenden und der sog. haftungsausfüllenden Kausalität differenziert. Während sich die haftungsbegründende Kausalität auf den Zurechnungszusammenhang zwischen Verhalten und Verletzungserfolg bezieht, geht es bei der haftungsausfüllenden Kausalität um den Zusammenhang zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden.7 Im Rahmen der Organhaftung und im Speziellen bei § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ist die haftungsausfüllende Kausalität von Relevanz.8 Zur Beantwortung der Frage, wann eine Handlung kausal für den Schaden war, wurden in Literatur und Rechtsprechung verschiedene Theorien entwickelt, deren Kenntnis auch im Rahmen der Organhaftung elementare Grundlage ist.

I. Äquivalenztheorie Das Vorliegen des erforderlichen Kausalzusammenhangs wird im Ausgangspunkt nach der Äquivalenztheorie beurteilt.9 Nach der sog. conditio-sine-qua6 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 103; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 279; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 28; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 121; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 9; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 75; siehe auch Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. II: Recht der Schuldverhältnisse, S. 18: „Die selbstverständliche Voraussetzung für jeden Schadensersatzanspruch ist, daß der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, im Kausalzusammenhang mit derjenigen Handlung oder Unterlassung des Verpflichteten steht, welche den Anspruch begründet. Das Zutreffen dieser Voraussetzung ist im gegebenen Fall nach den besonderen Umständen zu prüfen.“ 7 BGH, Urteil vom 29.1.2019 – VI ZR 113/17, NJW 2019, 2092 Rn. 12; BGH, Urteil vom 12.2.2008 – VI ZR 221/06, NJW 2008, 1381, 1382 Rn. 9; BGH, Urteil vom 2.7.2013 – VI ZR 554/12, NJW 2013, 3094, 3095 Rn. 15; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 279; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 28; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 121; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl. 2015, Rn. 47 f.; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 9; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 77; Schulze, in: Handkommentar BGB, 11. Aufl. 2011, Vor §§ 249–253 Rn. 62; Gotzler, Rechtmäßiges Alternativverhalten im haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhang, 1977, S. 101; Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, 117 ff.; Sourlas, Adäquanztheorie und Normzwecklehre bei der Begründung der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB, 1974, 76 f.; kritisch Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 49 ff., 81 ff.; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 105; R. Zimmermann, JZ 1980, 10, 16. 8 Vgl. den Wortlaut von § 93 Abs. 2 S. 1 AktG: „[. . .] Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens [. . .] verpflichtet.“ 9 Siehe statt vieler J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 279.

A. Skizzierung der Grundprinzipien

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non-Formel ist jede Handlung für den Schaden kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele.10 Äquivalent bedeutet dabei, dass jeder Handlungsbeitrag, der für den Erfolgseintritt notwendig war, als gleichwertig erachtet und nicht nach Bedeutung der Faktoren oder Ähnlichem differenziert wird.11 Ausgangspunkt dieser Zurechnungsüberlegungen ist damit die Verursachung im naturwissenschaftlichen Sinne.12 Liegt ein Unterlassen vor, muss darauf abgestellt werden, ob die unterlassene Handlung hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.13 Die alleinige Anwendung der conditio-sine-qua-non-Formel führt jedoch nicht immer zu überzeugenden Ergebnissen und erweist sich häufig als zu weitgreifend. Richtigerweise kommt der Äquivalenztheorie deswegen vielmehr die Rolle eines „Negativfilters“ 14 auf erster Stufe zu, der all diejenigen Handlungen herausfiltert, die nicht einmal äquivalent kausal gewesen sind. Mit anderen Worten: keine Haftung, wenn die Ursache nicht zumindest äquivalent kausal ist.

II. Adäquanztheorie Es ist deshalb allgemein anerkannt, dass diese Schadenszurechnung auf zweiter Stufe normativ eingeschränkt werden muss. Kausalverläufe, die außerhalb 10 BGH, Urteil vom 11.05.1951 – I ZR 106/50, NJW 1951, 711; BGH, Urteil vom 04.07.1994 – II ZR 126/93, NJW 1995, 126; BGH, Urteil vom 05.05. 2011 – IX ZR 144/10, NZI 2011, 602, 605 Rn. 35; BGH, Urteil vom 06.06.2013 – IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345 Rn. 20; BGH, Urteil vom 19.10.2016 – IV ZR 521/14, NJW 2017, 263 Rn. 14; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 280; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 103; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 30; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 122; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 9. 11 J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 281; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 122; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 103; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 30; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 316. 12 Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 30; siehe ebenfalls J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 280, der dem Hinweis auf die naturwissenschaftliche Grundlage der Äquivalenztheorie wenig abgewinnen kann. 13 BGH, Urteil vom 17.10.2002 – IX ZR 3/01, NJW 2003, 295, 296; BGH, Urteil vom 07.02.2012 – VI ZR 63/11, NJW 2012, 850, 851 Rn. 10; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 282; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 316; vgl. auch Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 229 f.; vgl. Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 122; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 103. 14 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 104; Esser/ Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 224 f.

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Kap. 3: Kausalität

jeder Wahrscheinlichkeit liegen, sind auszunehmen.15 Insbesondere die Rechtsprechung stützt sich zur Begrenzung der Zurechnung auf die auf Basis früherer Ansätze16 von Johannes von Kries entwickelte17 Adäquanztheorie. Deren Ziel ist es, sehr unwahrscheinliche Ursachen auszuschließen.18 Dabei haben sich zwei – inhaltlich nur marginal voneinander zu unterscheidende – Ausprägungen der Adäquanztheorie entwickelt. Positiv gefasst drückt diese aus, dass das Ereignis „allgemein und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des eingetretenen Erfolgs geeignet gewesen ist“ 19 oder wenigstens die Möglich15 BGH, Urteil vom 09.10.1997 – III ZR4/97, NJW 1998, 138, 140; BGH, Urteil vom 16.04.2002 – VI ZR 227/01, NJW 2002, 2232, 2233; BAG, Urteil vom 24.04.2008 – 8 AZR 347/07, NJW 2009, 251, 255 Rn. 53; grundlegend bereits v. Bar, Die Lehre des Causalzusammenhangs im Rechte, 1871, S. 20 ff.; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, §249 Rn. 13; Spickelhoff, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2005, § 823 BGB Rn. 22; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 104; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 435 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 224 ff.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 134; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 12. Aufl. 2022, Rn. 625. 16 Über die Notwendigkeit ein „ungewöhnliches, nicht der Regel entsprechendes Ereignis“ nicht zuzurechnen v. Bar, Die Lehre vom Causalzusammenhang im Recht, besonders im Strafrecht, 1871, S. 21. 17 v. Kries, Die Principien der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 1986, S. 179 ff., 287 ff.; siehe auch ders., Über den Begriff der objectiven Möglichkeit und einige Anwendungen desselben, Vierteljährige Schriften für die wissenschaftliche Philosophie, 1888, S. 20 ff. 18 Vgl. bereits RG, Urteil vom 22.06.1931 – VI 46/31, RGZ 133, 126 ff.; BGH, Urteil vom 23.10.1951 – I ZR 31/51, BeckRS 1951, 31400385; BGH, Urteil vom 04.07. 1994 – II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127; BGH, Urteil vom 16.04.2002 – VI ZR 227/ 01, NJW 2002, 2232, 2233; BGH, Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421; siehe ferner Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 270 ff.; v. Caemmerer, Das Problem des Kausalzusammenhanges im Privatrecht, 1956, S. 5 ff.; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 284; U. Huber, JZ 1969, 677 ff.; Heinr. Lange, AcP 156 (1957), 114 ff.; Lange, Gutachten zum 43. DJT, 1960, S. 10 ff.; ders., JZ 1976, 198 ff.; ders./ Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl. 2003, S. 90 ff.; ausführlich auch Lüer, Die Begrenzung der Haftung bei fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen, 1969, S. 127 ff.; Kramer, JZ 1976, 338 ff.; hierzu ebenfalls R. Zimmermann, JZ 1980, 10, 12; Rüßmann, in: jurisPK-BGB, Stand: 08.09.2021, § 249 Rn. 28; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, S. 231 ff. Die Adäquanztheorie ist dabei jedoch nicht ohne Kritik geblieben: die von v. Kries nicht für das Zivilrecht entwickelte Theorie führe zu einer dem Gesetz fremden Verschuldenshaftung nur für vorhersehbare Folgen, vgl. hierzu Lange/ Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl. 2003, S. 83; ebenfalls kritisch Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 116 ff. 19 RG, Urteil vom 22.06.1931 – VI 46/31, RGZ 133, 126, 127; vgl. auch BGH, Urteil vom 24.04.1952 – III ZR 100/51, NJW 1952, 1010; BGH, Urteil vom 10.05.1990 – IX ZR 113/89, NJW 1990, 2882, 2883; BVerwG, Urteil vom 11.03.1999 – 2 C 15–98, NJW 1999, 3727, 3728; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 19.08.2011 – 8 W 182/11, NJW 2012, 324, 324. OLG Hamm, Urteil vom 07.11.2012 – I-30 U 80/11, NJW-RR 2013, 349, 350.

A. Skizzierung der Grundprinzipien

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keit für den Erfolgseintritt in nicht unerheblicher Weise erhöht worden ist.20 Gängig ist auch die negativ formulierte Betrachtungsweise. Demnach kommen Faktoren nicht in Betracht, die ihrer Natur nach für die Entstehung des Schadens unbeachtlich sind und nur durch eine Verkettung außergewöhnlicher Umstände zum Erfolg geführt haben und damit völlig außerhalb der Erfahrung und des Erwartbaren liegen.21 Für die Vorhersehbarkeit bzw. Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Kausalverlaufs kommt es darauf an, welche Faktoren von einem optimalen Beobachter in der Position des Schädigers zu erkennen gewesen wären. Nicht maßgeblich sind die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Schädigers oder die eines durchschnittlichen Mitglieds seines Verkehrskreises.22

III. Schutzzweck der Norm Einen zusätzlichen Ansatz zur Eingrenzung der kausalen Handlungen und damit der Zurechenbarkeit stellt das Kriterium des Schutzzwecks der Norm dar. Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm sind nur solche Schäden zu ersetzen, die in den Schutzbereich der haftungsbegründenden Norm fallen.23 Die verletzte Norm müsse den Schutz des Geschädigten gerade vor Schädigungen der jeweils vorliegenden Art bezwecken.24 Ausgeschlossen sei dies beispielweise, 20 BGH, Urteil vom 18.11.1957 – III ZR 117/56, NJW 1958, 341, 342; BGH, Urteil vom 19.11.1971 – V ZR 100/69, NJW 1972, 195, 197; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 110. 21 Hierzu Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 110; vgl. auch BGH, Versäumnisurteil vom 22.09.2016 – VII ZR 14/16, NJW 2016, 3715, 3716 Rn. 14; wohl auf Basis dieser Definition entscheidend BGH, Urteil vom 03.02. 1976 – VI ZR 235/74, NJW 1976, 1143, 1144. 22 Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 32; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 285; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 111; siehe auch Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 27; Schulze, in: Handkommentar BGB, 11. Aufl. 2011, Vor §§ 249–253 Rn. 15. 23 BGH, Urteil vom 20.05.2014 – VI ZR 381/13, NJW 2014, 2190, 2191; BGH, Urteil vom 22.04.1958 – VI ZR 65/57, NJW 1958, 1041, 1042; BGH, Urteil vom 22.05.2012 – VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024, 2025 Rn. 14; BGH, Urteil vom 11.06.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873, 2875 Rn. 24; BGH, Urteil. vom 21.10.2014 – II ZR 113/13, NZG 2015, 227, 229 Rn. 21; BGH, Urteil vom 14.03.2006 – X ZR 46/04, NJW-RR 2006, 965 Rn. 9; BGH, Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 34; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 288; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 29; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 28 ff.; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 122; Wagner, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 74. 24 BGH, Urteil vom 14.03.2006 – X ZR 46/04, NJW-RR 2006, 965 Rn. 9; BGH, Urteil vom 04.07.2014 – V ZR 229/13, NJW 2014, 3727 Rn. 15 f.; BGH, Urteil vom 09.12.2014 – VI ZR 155/14, NJW 2015, 1174 Rn. 10; BGH, Urteil. vom 21.10.2014 – II ZR 113/13, NZG 2015, 227, 229 Rn. 21; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020,

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Kap. 3: Kausalität

wenn sich das allgemeine Lebensrisiko realisiert, das dem Risikobereich des Geschädigten zuzuordnen ist und für welches dieser selbst einzustehen hat.25 Das wohl prominenteste Beispiel ist die Verletzung von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Diese bezwecken gerade nicht, dass der Fahrer erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Unfallstelle erreicht, wodurch dieser den im Unfallzeitpunkt die Straße überquerenden Passanten nicht hätte überfahren können.26

IV. Rechtswidrigkeitszusammenhang Teilweise wird für eine Haftung ein sog. Rechtswidrigkeitszusammenhang gefordert (sog. Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang).27 Grundgedanke der Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang ist, dass keine Handlung alle denkbaren Rechtsgüter gefährde und keine Handlung die Gefahr aller denkbaren Schädigungsarten herbeiführe. Das Unwerturteil der Rechtsordnung beruhe auf der Gefahr bestimmter Schädigungsarten.28 Demnach setze eine Haftung voraus, dass der Schaden eine Verwirklichung der Gefahr darstelle, die der Gesetzgeber durch seine Vorschriften abwenden wollte.29

V. Verhältnis der Lehre vom Schutzzweck zur Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang Die Nähe der Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang zur Lehre vom Schutzzweck der Norm ist unübersehbar. Dementsprechend wird die Grenzziehung in der Literatur uneinheitlich beurteilt. Oetker bezeichnet die Lehre vom Schutzzweck der Norm als exakter, da sie den Haftungsumfang auch bei einer Haftung für erlaubtes Verhalten umschreibe. Ein Abstellen auf den Rechtswidrigkeitszusammenhang würde dagegen nur bei einer Haftung für rechtswidriges Vorbem. § 249 Rn. 34; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 288; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 28; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 122. 25 BGH, Urteil vom 20.05.2014 – VI ZR 381/13, NJW 2014, 2190, 2191 Rn. 10; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 288; Lange/Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl. 2003, S. 145 f. 26 BGH, Urteil vom 25.03.2003 – VI ZR 161/02, NJW 2003, 1929, 1930; BGH, Urteil vom 07.04.1987 – VI ZR 30/86, NJW 1988, 58 f.; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 120; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 32; Kramer, JZ 1976, 338, 340; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 228; Spindler, AcP 208 (2008), 288. 27 Vgl. BGH, Urteil vom 07.02.1984 – VI ZR 188/82, NJW 1984, 1395; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.11.1977 – 4 U 87/77, NJW 1978, 2036; siehe Lange/Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl. 2003, S. 100. 28 Lange/Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl. 2003, S. 88. 29 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 121.

A. Skizzierung der Grundprinzipien

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Verhalten weiterhelfen.30 Verbreitet wird angenommen, dass in der Sache dasselbe wie bei der Schutzzwecklehre gemeint ist.31 Namentlich Lorenz sieht im Abstellen auf den Rechtswidrigkeitszusammenhang „bloß eine andere Formulierung“.32 Im Ergebnis werden keine stichhaltigen Argumente vorgetragen, die die Notwendigkeit eines Nebeneinander der Lehre vom Schutzzweck der Norm und der Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang begründen. Dementsprechend wird nachfolgend ausschließlich auf die Lehre vom Schutzzweck der Norm rekurriert.

VI. Verhältnis zwischen der Schutzzwecklehre und der Adäquanztheorie Abschließend stellt sich die Frage des Zusammenspiels von Äquivalenztheorie, Adäquanztheorie und Lehre vom Schutzzweck der Norm. Richtigerweise kommt der Äquivalenztheorie die Rolle eines „Negativfilters“ 33 auf erster Stufe zu, der alldiejenigen Handlungen herausfiltert, die nicht einmal äquivalent kausal gewesen sind. In Grenzfällen indes virulent und in der Literatur nicht einheitlich beurteilt ist die Frage nach dem Verhältnis von Adäquanztheorie und Lehre vom Schutzzweck der Norm. In diesen Fällen richtet sich die Haftungsfrage im Ergebnis nach dem Schutzzweck der Norm. Dies räumen überwiegend auch Verfechter der Adäquanztheorie ein. Sie plädieren für ein Nebeneinander beider Korrektive: Zum einen müsse ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen, zum anderen müsse der Schaden auch durch den Schutzzweck der Norm umfasst sein.34 Ge30 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 121; ähnlich Lange, JZ 1976, 198, 202; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 318; siehe auch Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 102. 31 Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 29; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 318; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 29; vgl. auch Lange/Schiemann, Schadensersatzrecht, 3. Aufl. 2003, S. 100; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 121. 32 Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 318. 33 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 104; Esser/ Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 224 f. 34 BGH, Urteil vom 22.04.1958 – VI ZR 65/57, NJW 1958, 1041; BGH, Urteil vom 06.05.1999 – III ZR 89-97, NJW 1999, 3203, 3204; BGH, Urteil vom 11.11.1999 – III ZR 98/99, NJW 2000, 947, 948;BGH, Urteil vom 14.03.2006 – X ZR 46/04, NJW-RR 2006, 965; BGH, Urteil vom 10.07.2012 – VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964; beide Bedingungen voraussetzend: BGH, Urteil vom 19.11.1971 – V ZR 100/69, NJW 1972, 195, 197 f.; BGH, Urteil vom 06.07.1999 – VI ZR 170–98, NJW 1999, 3119, 3120; BGH, Urteil vom 18.11.1999 – IX ZR 402/97, NJW 2000, 664, 667; BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 277/09, NZG 2012, 31 Rn. 28; vgl. Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 28; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 137; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 318; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 29; Teichmann, in: Jauernig BGB, 18. Aufl. 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 31 f.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 145; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 6. Aufl. 2014,

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Kap. 3: Kausalität

gen ein Nebeneinander beider Theorien wird die Folge einer doppelten, oftmals redundanten Prüfung eingewandt. Die Abwendung sehr abwegiger Schäden sei für gewöhnlich nicht vom Schutzzweck der anspruchsbegründenden Norm gedeckt. Ist er vom Schutzzweck gedeckt, sei der Schaden dem Anspruchsgegner zurechenbar. Deshalb verbleibe für die Adäquanztheorie kein originärer Anwendungsbereich.35 Die letztgenannte Auffassung überzeugt insoweit, als dass die Adäquanztheorie nicht eigenständig die gewünschte Zurechnungsbegrenzung gewährleisten kann. Trotzdem darf auf eine Anwendung der Adäquanztheorie nicht vollständig verzichtet werden.36 Das Gros der auftretenden Fälle kann mithilfe der Adäquanztheorie einfach und zufriedenstellend beurteilt werden. Deutlich anspruchsvoller gestaltet sich indes die Beurteilung, ob der Schaden vom Schutzzweck umfasst ist. Da das Ergebnis zumeist mit dem Zweck der jeweiligen Haftungsnorm im Einklang steht, würde eine ausschließliche Anwendung der Schutzzwecklehre die Rechtsanwendung erheblich erschweren.37 Dementsprechend ist für ein Nebeneinander zu plädieren. Auf erster Stufe ist mit der Äquivalenztheorie zu filtern. Auf zweiter Stufe gelangt die Adäquanztheorie zur Anwendung. Auf dritter und letzter Stufe erfolgt eine Prüfung und möglicherweise normative Korrektur unter Zuhilfenahme der Lehre vom Schutzzweck der Norm.

B. Rechtmäßiges Alternativverhalten Die derzeit wohl am kontroversesten geführte, die Kausalität betreffende Diskussion im Kontext der Organhaftung, ist die um die Frage der Anwendbarkeit der Figur des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Organhaftungsrecht. Die Fragestellung ist dabei nicht nur dogmatisch und rechtswissenschaftlich reizvoll, sondern auch praktisch – vor allem vor dem Hintergrund der potenziell existenzvernichtenden Haftung – von höchster Relevanz. Lange herrschte im gesellRn. 56; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 91 f.; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1997, S. 281; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 444 f.; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, 205 ff.; Lang, Normzweck und Duty of Care, S. 90 ff.; Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 104 f. 35 Siehe Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 233 f.; Rüßmann, in: jurisPK-BGB, Stand: 08.09.2021, § 249 Rn. 33; Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, 270 ff.; so auch Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 118, der die Adäquanztheorie indes trotzdem nicht vollständig aufgeben will. 36 So auch Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 133; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 119; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 318; Spickhoff, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2005, § 823 Rn. 24. 37 Überzeugend Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neuausarbeitung 2021, § 249 Rn. 21.

B. Rechtmäßiges Alternativverhalten

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schaftsrechtlichen Schrifttum die Auffassung vor, dass der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens im aktienrechtlichen Organhaftungsrecht bei der Verletzung gesetzlicher oder satzungsgemäßer Organisations-, Kompetenz- oder Verfahrensregeln keinen Platz habe und demnach nicht anwendbar sei.38 Diese lange vorherrschende Eintracht wurde 2018 durch das Schloss-Eller-Urteil des BGH39 erschüttert. In diesem stellte sich der BGH gegen die in der Literatur vorherrschende Meinung und erklärte den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens auch im Kontext des Organhaftungsrechts für grundsätzlich zulässig. Hierdurch wurde die Debatte neu entfacht. Darüber hinaus wirft die Entscheidung eine Reihe an Folgefragen auf, die ebenfalls einer monographischen Untersuchung bedürfen. Hierzu müssen zunächst die dogmatischen Grundfesten des rechtmäßigen Alternativverhaltens herausgearbeitet werden. Auf Basis dessen kann der Forschungsstand sowie das Schloss-Eller-Urteil dargestellt werden. Hierauf schließt sich eine eigene Prüfung der Anwendbarkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens und damit zusammenhängenden offenen Fragen der Darlegungsund Beweislast und des unternehmerischen Ermessensspielraums an. Anschließend wird eine Einschätzung zu der Schloss-Eller-Entscheidung mit Blick auf die eigenen Ergebnisse vorgenommen.

I. Skizzierung der Figur des rechtmäßigen Alternativverhaltens Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist ein Rechtsinstitut des allgemeinen Schadensrechts. Der Schädiger beruft sich darauf, dass sein Handeln zwar rechtswidrig war, er den Schaden aber entweder durch ordnungsgemäßes Verhalten herbeiführen hätte dürfen oder dieser auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre.40 Das rechtmäßige Alternativverhalten kann zum einen „das 38 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 4. Aufl. 2014, § 93 Rn. 196; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 415; wohl auch Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 40; Freund, GmbHR 2009, 1185, 1189. 39 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189. Hierzu ausführlich unter Kapitel 3, B., II., 2. 40 BGH, Urteil vom 24.10.1985 – IX ZR 91/84, NJW 1986, 576; BGH, Urteil vom 25.11.1992 – VIII ZR 170/91, NJW 1993, 520, 521; BGH, Urteil vom 03.02.2000 – III ZR 296/98, NVwZ 2000, 1206, 1207; BGH, Urteil vom 09.03.2012 – V ZR 156/11, NJW 2012, 2022, 2023 Rn. 17; BGH, Urteil vom 02.11.2016 – XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104 Rn. 24; BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 49; BAG, Urteil vom 26.07.2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 154, 155 Rn. 68; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 217; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 103; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 327; vgl. auch Hanau, Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 1; Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 491.

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Kap. 3: Kausalität

vom Recht gewollte Gegenstück“ 41 zur Pflichtwidrigkeit darstellen, aber auch einen völlig anderen Geschehensablauf beschreiben, der ebenfalls zum Schadenseintritt geführt hätte, ohne pflichtwidrig zu sein.42 In einem Beispiel für die erste Variante kündigt ein Arbeitnehmer fristlos ohne wichtigen Grund. Gegen die vom Arbeitgeber erfolgte Schadensersatzforderung bringt der Arbeitnehmer vor, dass die bei der Suche nach Ersatz aufgewendeten Inseratskosten auch bei einer ordnungsgemäßen Kündigung angefallen wären.43 Der zweiten Variante lässt sich das sehr bekannte Beispiel des LKW-Fahrers zuordnen, der einen nicht erkennbar betrunkenen Radfahrer in zu dichtem Abstand überholt. Der Radfahrer gerät unter den Anhänger und wird verletzt; der Unfall wäre vermutlich aber auch geschehen, wenn der LKW-Fahrer den pflichtgemäßen Abstand eingehalten hätte.44 1. Beachtlichkeit des Einwands Die herrschende Ansicht sieht den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens im Regelfall als erheblich an.45 Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm.46 Schäden, die auch bei rechtmäßigen Verhalten eingetreten wären, sind meist nicht vom Schutzzweck der Norm gedeckt. Dementsprechend kann sich aus dem Schutzzweck der Norm aber auch ergeben, dass der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht beachtlich ist.47 41

Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 11 f., 154. Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 491 f. 43 Zum Sachverhalt: BAG, Urteil vom 22.05.1980 – 3 AZR 1103/77, NJW 1980, 2375. 44 Zum Sachverhalt: BGH, Urteil vom 25.09.1957 – 4 StR 354/57, NJW 1958, 149. 45 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 221; Rüßmann, in: jurisPK-BGB, Stand: 08.09.2021, § 249 Rn. 44; Schulze, in: Handkommentar BGB, 11. Aufl. 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 24; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 64; wohl Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 223; wohl Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 243; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 59 ff.; a. A. Niederländer, AcP 153 (1954), 41, 68 ff. 46 BGH, Urteil vom 24.10.1985 – IX ZR 91/84, NJW 1986, 576; BGH, Urteil vom 25.11.1992 – VIII ZR 170/91, NJW 1993, 520, 521; BGH, Urteil vom 03.02.2000 – III ZR 296/98, NVwZ 2000, 1206, 1207; BGH, Urteil vom 09.03.2012 – V ZR 156/11, NJW 2012, 2022, 2023 Rn. 17; BGH, Urteil vom 02.11.2016 – XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104 Rn. 24; BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 49; BAG, Urteil vom 26.07. 2016 – 1 AZR 160/14, NZA 2016, 154, 15513 Rn. 68; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 205; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 321; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 106 f.; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 223; Lieder/R. Wagner, ZGR 2021, 495, 521; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 327. 47 Vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1985 – IX ZR 91/84, BGH DNotZ 1986, 406, 412. 42

B. Rechtmäßiges Alternativverhalten

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2. Keine pauschale Fallgruppenbildung Das Bestimmen von Fallgruppen ist nicht einfach und kann unmöglich ohne Berücksichtigung der jeweiligen Einzelumstände erfolgen.48 Die gebildeten Fallgruppen können jedoch als Anhaltspunkte bei der Untersuchung eines Schutzzwecks angesehen werden. Die Anwendung ersetzt keine Einzelfallbetrachtung. Vorgeschlagen wird eine Differenzierung danach, ob die verletzte Norm den Schutz eines generellen Rechtsguts bezweckt oder aber auch dem Schutz spezieller Interessen dient. Der Einwand sei nicht zulässig, wenn ein konkretes Handeln oder ein spezielles Rechtsgut geschützt werden soll.49 Beispielhaft werden insbesondere Normen genannt, welche die Beachtung konkreter Verfahren oder Ermessensspielräume schützen sollen.50 Bereits an dieser Fallgruppe zeigt sich indes der begrenzte Nutzen der propagierten Differenzierung. Eine derart pauschale Abgrenzung verbietet sich auch, wenn diese im Hinblick auf den Schutzzweck vorgenommen wird. Aus dem Normziel der Einhaltung der Verfahrensregelung kann nicht pauschal der Schluss gezogen werden, dass ein rechtmäßiges Alternativverhalten keinen Platz finden würde und damit unbeachtlich ist. Maßgeblich ist im Rahmen eines Schadensersatzes, ob die verletzte Pflicht bestimmt und geeignet war, den eingetretenen Schaden zu verhindern. Kann im Rahmen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens nachgewiesen werden, dass der Schaden auch bei Einhaltung der Pflicht eingetreten wäre, steht nicht mehr der Schadensersatz, sondern eine Strafe im Vordergrund.51 Eine Verwehrung des Einwands ist denkbar, wenn für den Normzweck die Verhinderung eines bestimmten Verhaltens und nicht der Schadensersatz im Sinne eines Ausgleichs bestimmend ist. Nicht bereits ausreichend ist allerdings, dass die Norm neben dem Schutz des verletzten Rechtsguts auch andere Interessen, wie die Beachtung konkreter Verfahren, schützt. Auch diese Differenzierung kann damit nur Anhaltspunkte bieten. Die Bildung pauschaler Fallgruppen ist nicht möglich. 3. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegung- und Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre, liegt nach allgemeinen Beweisgrundsätzen beim

48 Vgl. hier die Übersicht verschiedener Fallgruppen der Rechtsprechung bei J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 328 f.; zur Zulässigkeit des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Rahmen der Geschäftsleiterhaftung nach § 15b Abs. 4, 1 InsO bzw. § 92 Abs. 2 AktG a. F. Lieder/R. Wagner, ZGR 2021, 495, 520 ff., 529, 532 f. 49 Teichmann, in: Jauernig BGB, 18. Aufl. 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 56. 50 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 193; Teichmann, in: Jauernig BGB, 18. Aufl. 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 56. 51 Vgl. Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 114; siehe auch Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 495 f.

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Kap. 3: Kausalität

Schädiger.52 Dabei reicht der Nachweis der bloßen Möglichkeit, dass der Erfolg auch rechtmäßig herbeigeführt worden wäre, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre.53

II. Im Organhaftungsrecht Bei Organhaftungsrecht handelt es sich um Haftungsrecht. Folgerichtig sind im Organhaftungsrecht die allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze heranzuziehen. Dementsprechend ist auch im Rahmen des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG Voraussetzung, dass die schuldhafte Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds für den konkreten Schaden der Gesellschaft ursächlich ist.54 Dies lässt sich bereits aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG entnehmen. Demnach sind Vorstandsmitglieder, die ihre Pflicht verletzen, zum Ersatz des „daraus entstehenden Schadens“ verpflichtet. Grundsätzlich besteht über die Zulässigkeit einer Anwendung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens im Organhaftungsrecht Einigkeit.55 Nur bei einer spezifischen Kategorie von Pflichtverletzungen wird die Frage problemati52 BGH, Urteil vom 13.10.1966 – II ZR 173/64, NJW 1967, 551, 552; BGH, Urteil vom 07.10.1980 – VI ZR 176/79, NJW 1981, 628, 630; BGH, Urteil vom 14.07.1986 – IV a ZR 22/85, NJW 1986, 2838; BGH, Urteil vom 11.10.2001 – III ZR 288/00, NJW 2002, 888, 890; BGH, Urteil vom 15.03.2005 – VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, 1719; BGH, Urteil vom 18.12.2007 – VI ZR 231/06, NZI 2008, 242; BGH, Urteil vom 09.12.2008 – VI ZR 277/07, NJW 2009, 993, 994 Rn. 11; BGH, Urteil vom 22.05. 2012 – VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024 Rn. 12; BGH, Urteil vom 04.12.2012 – VI ZR 381/11, NJW-RR 2013, 536 Rn. 11; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 198, 209; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 185; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 106; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 218, 232; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 59, 66; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 330; Teichmann, in: Jauernig BGB, 18. Aufl. 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 57; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 257; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 1983, 252 f.; Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 163. 53 BGH, Urteil vom 25.11.1992 – VIII ZR 170/91, NJW 1993, 520, 522; BGH, Urteil vom 09.03.2012 – V ZR 156/11, NJW 2012, 2022, 2023; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 232. 54 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2022, § 93 Rn. 267; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 250; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 413; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 86; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196. 55 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2022, § 93 Rn. 269; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 65; ders., DStR 2009, 1204, 1207 ff.; ders., DB 2018, 2619, 2623; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2117; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 92; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, § 93 Rn. 93; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 250.

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siert. Hier ist von der Verletzung von gesetzlichen oder satzungsgemäßen Organisations-, Kompetenz- oder Verfahrensregeln die Rede. Die Debatte wurde dabei maßgeblich durch das Schloss-Eller-Urteil des BGH wiederbelebt und in eine andere Bahn geleitet. Im ersten Schritt soll das Meinungsspektrum vor dem Urteil dargelegt werden. Daraufhin wird das Urteil selbst dargestellt. Anschließend erfolgt eine eigene Positionierung zur Zulässigkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens. Mit Blick auf die eigenen Untersuchungsergebnisse wird die Schloss-Eller-Entscheidung bewertet und ein Fazit gezogen. 1. Forschungsstand vor dem Schloss-Eller-Urteil a) Schrifttum Im Schrifttum wurde die Frage der Anwendbarkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens im Organhaftungsrecht bisher uneinheitlich beantwortet. Die wohl herrschende Ansicht sah den Einwand bei Verletzungen von Organisations-, Kompetenz- oder Verfahrensregeln als nicht anwendbar an.56 Einer Anwendbarkeit wurde eine daraus folgende Sanktionslosigkeit der Kompetenzverletzungen entgegengesetzt, die dem Schutzzweck widerspreche.57 In Bezug auf § 111 AktG wurde postuliert, dass der Schutzzweck gerade der Abstimmung und Herbeiführung von gemeinsamen Beschlüssen und Verfahrensweisen diene. Beachte man diesen Schutzzweck nicht, wenn der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, werde „die gewollte Abschreckungswirkung gegen bewusste Kompetenzverstöße [. . .] vermindert“.58 Es gab jedoch auch Stimmen, die den Verstoß gegen Organisations-, Kompetenz- oder Verfahrensregeln nicht ausreichen lassen wollten, um den Einwand zu untersagen und ihn auch hier als grundsätzlich anwendbar ansahen.59 Ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung alleine würde noch nicht zu einem Schadensersatzanspruch führen.60 Gemeinsam haben die genannten Regeln, dass sie mit dem Schutz der Kompetenzordnung und bestimmter Verfahrens- sowie Organisationsregeln ein über den reinen Vermögensschutz hinausgehendes Ziel verfolgen. 56 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 415; Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 40; Freund, GmbHR 2009, 1185, 1189; so bezeichnet u. a. von Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 269 (jedoch anderer Ansicht). 57 Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 40; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 416. 58 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 416. 59 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 216; ders., NJW 2009, 2337, 2339 f.; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 728; Koch, in: Hüffer/ Koch (Hrsg.), AktG, 13. Aufl. 2018, § 93 Rn. 50. 60 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 93 Rn. 216.

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Kap. 3: Kausalität

b) Rechtsprechung bis zum Schloss-Eller-Urteil In der Vergangenheit wurde einem Aufsichtsratsmitglied und einem Geschäftsführer durch den BGH die Berufung auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens verwehrt, da sonst die Mitwirkungsrechte der Minderheitsgesellschafter in unzulässiger Weise unterlaufen würden.61 Im Jahr 2006 kam es erstmalig zu einer Entscheidung des BGH, die den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens im Rahmen von Verletzungen der Kompetenzordnung einer GmbH betraf.62 Gegenstand des Verfahrens war die Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht durch einen Gesellschafter und ein möglicherweise darauf beruhender Schadensersatzanspruch eines Mitgesellschafters. In der Vorinstanz berief sich der Beklagte darauf, dass ein Anspruch auf die in Rede stehenden Zahlungen bestanden hätte, sie also auch rechtmäßig hätten herbeigeführt werden können. Dies sah das Berufungsgericht als unbeachtlich an, da es sich um Hypothesen handele.63 Dem widersprach der BGH in seiner Entscheidung indes, sah die „hypothetische“ Rechtslage sehr wohl als beachtlich an und ließ den Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht nicht für einen Schadensersatzanspruch ausreichen.64 Im Jahr 2008 hatte der BGH den Fall eines Verstoßes gegen die innergesellschaftliche Kompetenzordnung in einer GmbH & Co. KG zu entscheiden. Mit Verweis auf das vorgenannte Urteil aus dem Jahre 2006 judizierte er, dass ein Verstoß gegen die innergesellschaftliche Kompetenzordnung allein noch nicht zu einem Schadensersatz führt.65 2. Schloss-Eller-Urteil – Darstellung der Entscheidung und ihrer neuralgischen Punkte Der BGH66 erhielt im Rahmen des Schloss-Eller-Verfahrens im Jahre 2018 die Gelegenheit, sich mit der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Figur des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens bei der Verletzung von Kompetenzvorschriften eingehend auseinanderzusetzen. a) Sachverhalt Beklagter ist ein ehemaliger Vorstand der I.D.R. AG, einer Immobilienentwicklungs-Gesellschaft, deren Alleinaktionärin die Stadt Düsseldorf ist. Die Stadt ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit dem Schloss Eller, einem 61 62 63 64 65 66

BGH, Urteil vom 25.02.1991 – II ZR 76/90, NJW 1991, 1681, 1682. BGH, Urteil vom 11.12.2006 – II ZR 166/05, NJW 2007, 917. Zitiert nach BGH, Urteil vom 11.12.2006 – II ZR 166/05, NJW 2007, 917 Rn. 5. BGH, Urteil vom 11.12.2006 – II ZR 166/05, NJW 2007, 917 Rn. 6 ff. BGH, Urteil vom 21.07.2008 – II ZR 39/07, NZG 2008, 783. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189.

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Wirtschaftshof und weiteren Nebengebäuden bebaut ist. Über die Übernahme dieser Gebäude verhandelte der Beklagte mit der Stadt. Nach der Satzung der Aktiengesellschaft unterlag dieser Vorgang einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats, weswegen der Beklagte am 25.11.2008 dem Aufsichtsrat eine Beschlussvorlage unterbreitete. Die Beschlussvorlage sah vor, das Schloss zu sanieren, den Wirtschaftshof umzubauen und beide Gebäude zu vermieten. Die Sanierungskosten wurden mit 1.368.000 Euro und 2.079.142 Euro für das Schloss und den Wirtschaftshof veranschlagt. Der Aufsichtsrat stimmte der Sanierung entsprechend der Beschlussvorlage zu. Nach der erfolgten Zustimmung erfuhr der Beklagte, dass sich die zu erwartenden Sanierungskosten auf etwa 6.400.000 Euro erhöhen würden. Am 14.05.2009 führte der Beklagte ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der I.D.R. AG war. Der Inhalt des Gesprächs, welches im Vorfeld des Kommunalwahlkampf stattfand, ist streitig. Ohne nochmals eine Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen, schloss der Beklagte einen Erbbaurechtsvertrag für die Dauer von 50 Jahren mit der Stadt. Durch eine Tochtergesellschaft der I.D.R. AG wurde nur das Schloss saniert. Der unsanierte Wirtschaftshof konnte nicht vermarktet werden. Aufgrund der erlittenen und noch zu erleidenden Schäden wurde der Beklagte durch die I.D.R. AG auf Schadensersatz in Anspruch genommen.67 b) Vorinstanz In der Vorinstanz entschied das OLG Düsseldorf, dass sich der beklagte Vorstand gegenüber der Gesellschaft gem. § 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig gemacht habe. Begründet wurde dies damit, dass der Vorstand das Projekt der Sanierung nicht ausgesetzt hatte und keine erneute Entscheidung des Aufsichtsrats eingeholt hatte, nachdem er verlässlich wusste, dass die Sanierung nicht mehr im Rahmen des bewilligten Budgets durchgeführt werden konnte.68 Der Vorstand könne sich nicht auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen, wenn es um die Verletzung von Organisations-, Kompetenz- oder Verfahrensregeln geht, da ansonsten deren Schutzzweck leerlaufe.69 Der Einwand hätte nur Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn den Aufsichtsrat eine Verpflichtung zur Zustimmung träfe und dies vom Schädiger nachgewiesen werden könne.70

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Sachverhalt BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2016 – 6 U 97/16, BeckRS 2016, 131770 Rn. 18 f. 69 OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2016 – 6 U 97/16, BeckRS 2016, 131770 Rn. 25. 70 OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2016 – I-6 U 97/16, BeckRS 2016, 131770 Rn. 25. 68

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Kap. 3: Kausalität

c) BGH-Entscheidung aa) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens Der BGH entschied, dass sich ein Vorstand gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich auf den Einwand rechtmäßigen bzw. pflichtgemäßen Alternativverhaltens berufen kann, wenn er den Zustimmungsvorbehalt des § 111 Abs. 4 S. 3 AktG nicht beachtet hat. Damit lässt der BGH, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, den Einwand zu.71 Auch widerspricht er den Stimmen der Literatur, die einen Sanktionszweck des § 93 Abs. 2 AktG sehen: es werde nicht der Kompetenzverstoß, sondern der dadurch eingetretene Schaden sanktioniert.72 Die Norm begründe einen Ersatzanspruch, auf den schadenersatzrechtliche Grundsätze anzuwenden seien und stelle kein „Sanktionsinstrument“ dar.73 Die Gegenansicht laufe auf einen „Strafschadensersatz“ hinaus.74 Nicht ausdrücklich wurde vom BGH die Frage behandelt, ob auch der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bezüglich eines hypothetischen zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses denkbar ist. Die Thematik wurde dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung und nicht dem des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugeordnet.75 bb) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens trifft nach dem BGH den beklagten Vorstand. Hierfür müsse der sichere Nachweis erbracht werden, dass der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre.76 Betreffend die Frage, wie der Nachweis der hypothetischen Zustimmung zu erbringen ist, positioniert sich der BGH ebenfalls klar und stellt explizit auf eine hypothetische „mehrheitliche“ Einwilligung ab.77 cc) Unternehmerischer Handlungsspielraum des Aufsichtsrats Der BGH stellt im Schloss-Eller-Urteil fest, dass der Aufsichtsrat einen eigenen unternehmerischen Handlungsspielraum hat, wenn er über die Zustimmung zu einem Geschäft entscheidet, für das dem Vorstand ebenfalls ein unternehmerischer Handlungsspielraum zusteht.78 Dass bei der Entscheidung ein unterneh-

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BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 40. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 44. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 44. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 44. Vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1191 Rn. 25. BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 45. BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 45. BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 48 ff.

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merischer Handlungsspielraum besteht, schließe nicht aus, dass die hypothetische Aufsichtsratsentscheidung berücksichtigt werden kann.79 Der Aufsichtsrat könne die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Maßnahme anders einschätzen und aufgrund dessen eine andere Entscheidung als der Vorstand treffen.80 Für den Aufsichtsrat gelte § 116 AktG i.V. m. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechend.81 Während die Berufungsinstanz vertrat, dass für einen Entlastungsbeweis erforderlich sei, dass der Aufsichtsrat bei ordnungsgemäßer Vorlage zur Zustimmung verpflichtet gewesen wäre, sieht der BGH das anders. Anderenfalls würde die erforderliche Würdigung auf einen Teilaspekt verengt werden.82 3. Eigene Positionierung zur Zulässigkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens Richtig ist zunächst, dass der Schädiger sich grundsätzlich auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen kann, da Schäden, die auch bei rechtmäßigen Verhalten eingetreten wären, meist nicht vom Schutzzweck der Norm gedeckt sind. Dementsprechend kann sich aus dem Schutzzweck der Norm aber auch ergeben, dass der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht beachtlich ist.83 Dabei ist der Einwand grundsätzlich in zwei Varianten denkbar. Die erste Variante entspricht dem Einwand eines beklagten Vorstandsmitglieds, der Schaden wäre auch eingetreten, wenn die verletzte Verfahrens- oder Kompetenzvorschrift eingehalten worden wäre. Ein Beispiel aus der Praxis stellt dabei der Einwand des Vorstands im Schloss-Eller-Urteil dar, der Aufsichtsrat hätte bei Beachtung des Zustimmungsvorbehalts der Maßnahme zugestimmt. Eine zweite Variante stellt der Einwand dar, die Hauptversammlung hätte haftungsentlastend dem (kompetenzwidrigen) Vorgehen des beklagten Vorstands zugestimmt.84 Ziel ist es, beide Varianten zu untersuchen und bezüglich ihrer Zulässigkeit einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Im ersten Schritt erfolgt hierfür eine Untersu-

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BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 50. BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 50; Grigoleit/ Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, §111 Rn. 94; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 144; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 713. 81 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 50; Grigoleit/ Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, §111 Rn. 94; vgl. Groß-Bölting/ Rabe, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 116 Rn. 37; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 144; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 713. 82 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 46; hierzu auch Koch, in: Festschrift Johannes Köndgen, 2016, 329, 343. 83 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., I. 84 Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 491 f. 80

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chung der Schutzzwecke der Haftungsnorm des § 93 Abs. 2 AktG im Hinblick auf die Frage, ob diese den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich ausschließen. Anschließend wird im Rahmen der Untersuchung der ersten Variante des Einwandes der Schutzzweck einer Verfahrensnorm und die Frage, inwieweit sich dieser auf die Zulassung des Einwands auswirken kann, betrachtet. Wie in diversen Besprechungen,85 aber auch in der Schloss-EllerEntscheidung selbst,86 zutreffend festgestellt wird, kann eine Haftungsnorm unter Umständen nicht alleine der Schadensvermeidung, sondern auch weiteren Funktionen dienen, weswegen die abschließende Beantwortung der Frage, ob der Schutzzweck mit dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens vereinbar ist, verlangt, dass auch der Zweck der verletzten Pflicht untersucht wird.87 Hierbei wird exemplarisch der Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG herangezogen, der auch Gegenstand der Schloss-Eller-Entscheidung war. Im nächsten Schritt wird die zweite Variante und damit die Frage untersucht, inwieweit sich ein beklagter Vorstand darauf berufen kann, dass die Hauptversammlung bei Hinzuziehung der Maßnahme haftungsentlastend zugestimmt hätte. Nachfolgend werden Fragen der Darlegungs- und Beweislast untersucht, wobei ein Augenmerk auf dem unternehmerischen Ermessen des Aufsichtsrats liegt. a) Vereinbarkeit mit dem Schutzzweck der Haftungsnorm Damit fällt der Schutzzweck von § 93 Abs. 2 S. 1 AktG in den Blickpunkt der Untersuchung. Als Fallgruppe, die den Einwand ausschließt, wird in der Literatur der Schutz konkreter Verfahren oder Ermessenspielräume genannt. Zwar wurde dies im allgemeinen Teil als pauschaler Grundsatz abgelehnt,88 präventive bzw. verhaltenssteuernde Funktionen einer Norm können im Einzelfall aber den Ausschluss des Einwands rechtfertigen. Sollte eine Norm mehrere Zwecke verfolgen, ist eine Gewichtung vorzunehmen, die sich nach dem Regelungsziel richtet. Nachfolgend gilt es deshalb, die Schutzzwecke präzise herauszudestillieren. Bei der Beurteilung des Schutzzwecks eines Schadensersatzanspruches drängen sich zwei Anknüpfungspunkte auf, die zu differenzieren sind. Zum einen ist der Zweck der Haftungsnorm, zum anderen auch der Zweck der §§ 249 ff. BGB zu berücksichtigen.89

85 Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 515; Holle/Mörsdorf, NJW 2018, 3555, 3557; Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 500. 86 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 49. 87 Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 515; Holle/Mörsdorf, NJW 2018, 3555, 3557; Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 500. 88 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., I., 2. 89 Vgl. Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 123 f.

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aa) Regelungszwecke des Schadensersatzrechts Das allgemeine Schadensrecht nach den §§ 249 ff. BGB dient zunächst der Ausgleichsfunktion.90 Der Präventionsgedanke ist grundsätzlich kein Primärzweck der §§ 249 ff. BGB.91 Um die Frage zu beantworten, inwieweit ein Schadensersatzanspruch einen Präventionszweck verfolgt, ist der betreffende Anspruch systematisch und teleologisch auszulegen. Aus einer isolierten Analyse der §§ 249 ff. BGB lassen sich keine abschließenden Feststellungen bezüglich der Präventivfunktion des Schadensersatzrechts ableiten.92 Von Relevanz ist hier einzig die Frage, ob die Rechtsfolgenseite des Schadensrechts eine Berücksichtigung außerkompensatorischer Zwecke zulässt, falls diese von dem Anspruch verfolgt werden. Davon ist auszugehen. Zwar dienen die §§ 249 ff. BGB zentral Kompensationszwecken, daraus lässt sich indes nicht entnehmen, dass das Schadensrecht in seiner Gesamtheit auf die Kompensationsfunktion beschränkt ist. Die Kompensationsfunktion muss andere Zwecke, wie etwa eine Präventionsfunktion, nicht per se ausschließen.93 Ist die Berücksichtigung außerkompensatorischer Haftungszwecke durch die §§ 249 ff. BGB nicht ausgeschlossen, lassen sich aus den §§ 249 ff. BGB aber auch keine weiteren außenkompensatorische Haftungszwecke, wie ein Präventionszweck, entnehmen, kann die Zulässigkeit des Einwands nur anhand der Haftungsgrundlage beantwortet werden. Anknüpfungspunkt in der Frage des Schutzzwecks des Haftungsanspruch ist also § 93 AktG.94 Im Folgenden werden die Begriffe Kompensations- und Ausgleichsfunktion synonym verwendet. 90 Vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2004 – V ZR 77/03, NJW 2004, 2526, 2528; BGH, Urteil vom 06.07.2004 – VI ZR 266/03, NJW 2004, 3324, 3325; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 9 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 172 ff.; Teichmann, in: Jauernig BGB, 18. Aufl. 2021, Vor §§ 249–253 Rn. 2; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 8; J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 1. 91 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 9; Lange/ Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 11 f., „erwünschtes Nebenprodukt“; Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 2000, 118 ff. „Die Regelungen sind [. . .] ohne verhaltenssteuernde Absicht geschaffen worden.“; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 423 f. „tragendes Prinzip unseres Schadensersatzrechts ist er [. . .] nicht.“; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, 8. Aufl. 2000, S. 171 f.; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensersatzrechts, 2006; Schlobach, Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes, 2004, S. 7 ff., „[. . .] im Prinzip des Schadensausgleichs ist nach heute herrschender Meinung das tragende Prinzip des gesamten Schadensrecht zu sehen.“; Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht, 1993, 184 ff.; siehe auch Thüsing, Wertende Schadensberechnung, 2001, 16 ff., der einen Präventionszweck zwar grundsätzlich anerkennt, ihn im Falle der §§ 249 ff. BGB jedoch keiner größeren Bedeutung zumisst; im Sinne einer eigenen Funktion dagegen Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 28. 92 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 123. 93 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 123. 94 Vgl. Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 126.

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Kap. 3: Kausalität

bb) Schutzzwecke von § 93 Abs. 2 AktG (1) Kompensationszweck Als Schadensersatzanspruch bezweckt § 93 Abs. 2 AktG unstreitig den Schadensausgleich. Schäden, die die Gesellschaft durch pflichtwidriges Handeln ihrer Organmitglieder erlitten hat, sollen ersetzt werden.95 Bezugspunkt der Haftung ist zunächst der Vermögensschaden der Gesellschaft. In einem weiteren Schritt kann der Anspruch damit aber auch eine Kompensation für die Gesellschaftsgläubiger bedeuten.96 (2) Präventionszweck Für eine darüberhinausgehende Präventivfunktion könnte zunächst sprechen, dass die Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG nur sehr eingeschränkt begrenzbar ist.97 (a) § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Die Haftung kann im Gegensatz zu Ansprüchen nach dem allgemeinen Zivilrecht demnach nicht im Vorfeld und auch nicht ohne weiteres nach Anspruchsentstehung ausgeschlossen werden.98 Dies kann jedoch auch dem Ziel des Schadensausgleichs dienen, indem verhindert wird, dass über den Anspruch verfügt wird, bevor der Umfang des Schadens bemessen werden kann.99 Nicht eindeutig belegen lässt sich, ob § 93 Abs. 4 S. 3 AktG darüber hinaus eine spezifische Schadensprävention verfolgt.100 § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kann aber zumindest als erstes Indiz für einen Präventionszweck angesehen werden, da die Abschre-

95 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 44; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 28; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 1; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand 01.02.2022, § 93 Rn. 2; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 1; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 8; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 78; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 147. 96 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 147. 97 Nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kann die Gesellschaft erst drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs auf Ersatzansprüche verzichten oder über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und Aktionäre, der Anteile zusammen 10 Prozent des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erheben. Vgl. hierzu Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 147. 98 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 147. 99 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 148. 100 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 148.

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ckungswirkung der Norm erhöht wird, wenn eingeschränkt wird, inwieweit über Haftungsmodalitäten verfügt werden kann.101 Dass die Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG gesetzlich unbegrenzt ist und aufgrund der unternehmensbedingten Schadensmultiplikation zu astronomischen Haftungssummen führen kann, spricht für die Intention einer verhaltenssteuernden Wirkung. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Regressansprüche der Gesellschaft das Privatvermögen selbst weit überdurchschnittlich bezahlter Vorstände zumindest theoretisch weit übersteigen können. Dass der Gesetzgeber sich dennoch für einen derartigen Innenhaftungsanspruch entschieden hat, kann man als Hinweis auf einen Präventionszweck deuten.102 (b) Keine Relativierung des Präventionszwecks durch die Einführung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG Vereinzelt wird der Präventionszweck durch die gesetzliche Anerkennung der D&O-Versicherung in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG als relativiert angesehen, da damit eine Versicherung der Haftungsrisiken ermöglicht wird.103 Dem ist jedoch zu widersprechen. Vielmehr wird der präventive Zweck insbesondere durch § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG belegt. Im Jahr 2009 eingeführt,104 schreibt die Norm bei dem Abschluss von D&O-Versicherungen einen Selbstbehalt von mindestens zehn Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vor. Zweck ist ausweislich der Gesetzesmaterialien „eine verhaltenssteuernde Wirkung“.105 Die Haftung mit dem Privatvermögen wirke Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern präventiv entgegen.106 Eine präventive Komponente des § 93 Abs. 2 AktG kann als nachgewiesen angesehen werden.107

101

Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 148. Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 152. 103 Habersack, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 429, 435. 104 BGBl. 2009, S. 2509: Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung. 105 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/13433, S. 11. 106 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/13433, S. 11: „Zugleich hat die Regelung verhaltenssteuernde Wirkung. Die Haftung mit Privatvermögen wirkt Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern präventiv entgegen.“ 107 Dabei ist es dem Vorstand nicht untersagt den Selbstbehalt eigen zu versichern. Dies wird zum großen Teil als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angesehen, vgl. hierzu Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, § 93 Rn. 183; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 312; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140, 142 f. Nach Wagner wird in der Realität weitestgehend die Möglichkeit einer Versicherung des Selbstbehalts genutzt, womit praktisch wie vor 2009 ein Vollschutz bis zur Deckungsgrenze bestehe, vgl. ZHR 178 (2014), 227, 235. Dies ändert indessen nicht, dass die Einführung der Norm dem Zweck der Prävention dient. 102

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Kap. 3: Kausalität

Das Gesellschaftsvermögen soll bereits durch die bloße Androhung einer möglichen Haftung geschützt werden.108 Die Divergenz zwischen handelndem Organ und der haftenden Gesellschaft birgt die Gefahr, dass Organe gegenüber in der Konstellation einer persönlichen Haftung Verpflichteten weniger sorgsam handeln.109 (c) Kein ausschließlicher Präventionszweck Teilweise wird die Organhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG auf das Ziel der Verhaltenssteuerung reduziert.110 Die Gesellschaft sei „der bessere Träger von Verlustrisiken als das Vorstandsmitglied, da den Eigentümern der Gesellschaft der Risikoausgleich durch ein diversifiziertes Portfolio offen steht“.111 Dem lässt sich richtigerweise die große Anzahl kapitalmarktferner Aktiengesellschaften und GmbHs entgegensetzen, deren Anteilseigner keine Diversifikationsmöglichkeiten besitzen.112 Auch mit Hinblick auf den Wortlaut („[. . .] zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens [. . .]“) und einer Ausfüllung der Norm durch die Grundsätze der § 249 ff. BGB, der vom Prinzip des Schadensausgleiches beherrscht wird, erscheint es verfehlt, der Vorschrift einen rein präventiven Zweck zuzusprechen.113 Ein ausschließlicher Präventionszweck ohne Berücksichtigung des Kompensationsgedankens kann nicht angenommen werden. (3) Rangverhältnis Es konnte gezeigt werden, dass die Haftungsnorm des § 93 Abs. 2 AktG sowohl einen Kompensations- als auch einen Präventionszweck verfolgt. Im Falle eines Gleich- bzw. Vorrangs der Präventionsfunktion wäre der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens von Anfang an gesperrt. Damit wird die Frage des Verhältnisses der Zwecke zueinander aufgeworfen.114 Hier ist die Festsetzung 108 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 2; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 4; siehe auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, § 93 Rn. 1; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 1; Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH 2000, 123, 124. Zweifelnd bezüglich einer tatsächlichen Steuerbarkeit des Vorstandshandeln durch eine Haftung A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 170 ff. 109 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 31. 110 Vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928 f. „Die Funktion der Haftung beschränkt sich [. . .] auf die verhaltenssteuernde Wirkung“; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 256. 111 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 253. 112 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1310; ausführlicher zu fehlenden Diversifikationsmöglichkeiten von GmbH-Gesellschaftern Fleischer, NZG 2011, 521, 523. 113 Vgl. Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 44. 114 Vgl. auch Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 157.

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eines strikten Rangverhältnisses notwendig, damit in Zweifelsfällen klare Auslegungsergebnisse erzielt werden können.115 Im Falle einer Gleichrangigkeit kommt es zu Fällen der Unvereinbarkeit beider Zwecke.116 Versagt man den Schadensersatzanspruch, wenn kein Schaden vorliegt, kann der Präventionszweck nur innerhalb der Grenzen des Ausgleichsgedankens realisiert werden. Gewährt man den Anspruch auch bei fehlendem Schaden tritt dagegen der Kompensationszweck zurück.117 Sieht man einen Vorrang des Präventionszwecks, bedeutet dies in der Frage des Einwands rechtmäßigen Alternativverhalten, dass dieser im Rahmen der Organhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG grundsätzlich zu versagen ist. Besteht der vorrangige Zweck der Haftungsnorm darin, verhaltenssteuernd auf eine Verhütung von Pflichtverletzungen hinzuwirken, muss die Haftung, um den Schutzzweck der Norm zu erfüllen, auch dann bestehen, wenn die Pflichtverletzung nicht kausal für die Entstehung des Schadens war. Gemünzt auf die hiesige Fragestellung ist festzustellen, dass die originäre Aufgabe des Schadensersatzrechts die Kompensation ist.118 Zwar kann die Haftungsfolge zur Abschreckung und damit zugunsten der Verhaltenssteuerung genutzt werden. Aus dieser Rangbestimmung folgt aber zugleich, dass der Präventionszweck nur im Rahmen der Kompensationsfunktion verwirklicht werden kann.119 Ausgeschlossen ist es, aus Präventionsgründen einen über den tatsächlichen Schaden hinausgehenden Schadensersatz zu gewähren. Ebenfalls nicht möglich ist es, mithilfe der Präventivfunktion Einschränkungen des Schadensersatzes zu begründen.120 Der Präventionszweck kann das Haftungs- und Schadensrecht nicht in grundlegenden Punkten determinieren.121 Die Annahme einer Vorrangigkeit der Prävention und damit einhergehend die grundsätzliche Versagung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens würde zu einer Abkoppelung des Schadensersatzanspruchs von der Verursachung des Schadens führen. cc) Zwischenergebnis Der Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG verfolgt zwar auch präventive Zwecke. Originäre und vorrangige Aufgabe des Anspruchs ist jedoch 115

Vgl. Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 39, der von einer „Struktur haftungssteuernder Wertungen“ spricht; siehe auch Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 157. 116 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 98. 117 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 98. 118 Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 157 f. 119 Vgl. Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 109; Thomas, Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern, 2010, S. 158. 120 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 252 (aber anderer Ansicht). 121 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 252 (aber anderer Ansicht); Mertens, in: Soergel BGB, 12. Aufl. 1990, Vorbem. § 249 Rn. 28; ablehnend aber Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 28.

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der Ausgleich des Schadens. Es ist vom Primat der Kompensationsfunktion auszugehen. Die nur nachrangige Präventionsfunktion vermag den Weg für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht zu versperren. b) Erste Variante – Verletzung von Verfahrens- oder Kompetenzvorschriften Die erste zu untersuchende Variante entspricht dem Einwand eines beklagten Vorstandsmitglieds, der Schaden wäre auch eingetreten, wenn die verletzte Verfahrens- oder Kompetenzvorschrift eingehalten worden wäre. Nachdem festgestellt worden ist, dass die Schutzzwecke der Haftungsnorm des § 93 Abs. 2 AktG einer Zulassung des Einwands nicht entgegenstehen, wird im nächsten Schritt der Schutzzweck der verletzten Norm mit Blick auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens untersucht. aa) Schutzzweck der verletzten Norm – Zustimmungsvorbehalt Wie auch in der BGH-Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt ist, kann der Schutzzweck der verletzen Norm für die Frage der Gewährung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens ebenfalls relevant sein.122 Beispielhaft werden hierfür ausdrücklich Verletzungen grundlegender Verfahrensnormen angeführt.123 Zu Recht fokussiert sich der II. Zivilsenat des BGH in seiner Schloss-EllerEntscheidung nicht lediglich auf den Schutzzweck der Haftungsnorm, sondern nimmt auch den Schutzzweck der verletzten Norm für die Frage der Gewährung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens in den Blick.124 Ziel der Arbeit ist es, nicht die Schutzzwecke jeder in Betracht kommenden Norm, die verletzt werden könnte, zu ergründen. Deswegen wird exemplarisch die ebenfalls der Schloss-Eller-Entscheidung zugrundeliegende Verfahrensnorm des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG untersucht. Eine präzise Analyse der Schutzzwecke setzt ein fundiertes Verständnis des Aufbaus der Aktiengesellschaft voraus, weshalb zunächst ein Blick auf diesen geworfen werden soll. Hierbei liegt ein Schwerpunkt auf § 111 Abs. 4 S. 2 AktG.

122 BGH, Urteil vom 19.7.2016 – VI ZR 75/15, NJW 2016, 3523 Rn. 7; BGH, Urteil vom 20.4.2017 – III ZR 470/16, NVwZ-RR 2018, 613 Rn. 53; BGH, Beschluss vom 23.4.2013 – II ZB 7/09, NJW 2013, 2114, 2118 Rn. 34; siehe auch Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor. § 249 Rn. 65; Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 515. 123 Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor. § 249 Rn. 65; vgl. auch Ekkenga/ Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, § 249 Rn. 229; Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 515. 124 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 49.

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(1) Aufbau der Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft setzt sich aus drei Organen zusammen: dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung.125 Bezeichnend für das Aktienrecht ist der konkret festgelegte Organisationsrahmen, der ein annäherndes Gleichgewicht zwischen den Organen vorschreibt und effektive Kontrollmechanismen sicherstellen soll.126 Im Gegensatz zur GmbH ist bei der Aktiengesellschaft entsprechend des Grundsatzes der Satzungsstrenge die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter stark eingeschränkt; viele Fragen wurden durch die Legislative umfassend und zwingend geregelt.127 Die deutsche Aktiengesellschaft ist nach einem dualistischen System aufgebaut.128 Nach § 76 Abs. 1 AktG ist der Vorstand das Leitungsorgan der Aktiengesellschaft und übt die Leitungsaufgabe eigenverantwortlich aus.129 Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Er ist dem Vorstand gegenüber nicht weisungsbefugt.130 Ein Überblick über die zu Verfügung stehenden Instrumente bietet § 111 Abs. 2 AktG. Das wichtigste Mitwirkungsrecht ist dabei der Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG.

125

Statt aller Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2022, § 118 Rn. 8. Fleischer, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, Kapitel 9 Rn. 23. 127 Henssler/Wiedemann, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, Kapitel 1 Rn. 10, siehe auch Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, Vorbem. §§ 76 ff. Rn. 1. 128 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 ff. Rn. 1 f.; Schnorbus/Ganzer, BB 2020, 386; Eberspächer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar SE, Stand: 01.02.2022, SE-VO Art. 38 Rn. 4; Wentrup, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 4, 5. Aufl. 2020, § 19 Rn. 2; Grigoleit, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, § 76 Rn. 2. 129 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 76 Rn. 1; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 1; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 76 Rn. 1; Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 1; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 1; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 76 Rn. 2; Grigoleit, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, § 76 Rn. 1; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, S. 37. 130 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 12; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 112 Rn. 38; Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 3 Rn. 110; vgl. Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 42; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, S. 37; eine Ausnahme hiervon stellt § 32 MitbestG dar. 126

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(2) Organisations-, Kompetenz- und Verfahrensregeln (a) Organisationspflichten Innerhalb der Organisations- und Überwachungspflichten wird zwischen vertikaler und horizontaler Arbeitsteilung differenziert.131 Die vertikale Arbeitsteilung betrifft Pflichten des Vorstands im Rahmen seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht zur Leitung der Gesellschaft. Die horizontale Arbeitsteilung beschreibt die innerhalb des Vorstands bestehenden Überwachungspflichten und wird den Fragen der Auswirkung unterschiedlicher Ressortverteilung zugeordnet.132 Zu den Organisationspflichten kann nach heute überwiegender Ansicht die Einrichtung eines Compliance-Systems gehören.133 Die sog. Compliance-Verantwortung des Vorstands ist nicht nur auf die Legalitätspflicht im engeren Sinne, die eigene Rechtstreue,134 beschränkt. Vielmehr verlangt sie von den Leitungsorganen, auch auf den nachgeordneten Unternehmensebenen für regeltreues Verhalten Sorge zu tragen, sog. Legalitätskontrollpflicht.135 (b) Kompetenz- und Verfahrensregeln im Allgemeinen § 82 Abs. 2 AktG schreibt vor, dass alle Vorstandsmitglieder im Verhältnis zur Gesellschaft verpflichtet sind, die Beschränkungen einzuhalten, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben. Die Regelung verweist auf Vorschriften, die die Geschäftsführungsbefugnis beschränken bzw. Beschränkungen ermöglichen und stellt selbst keine unmittelbare Rechtsgrundlage hierfür dar.136 Eine Überschreitung der Kompetenz begründet immer einen Ver131

Siehe zum Ganzen Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 114. 132 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 114. 133 LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 91 Rn. 62; ders., NZG 2014, 321, 322 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 91 Rn. 35; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 91 Rn. 52; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 8; Reichert/Ott, NZG 2014, 241 f.; vgl. Arnold, ZGR 2014, 76, 78 f.; Bicker, AG 2012, 542, 543 ff.; Fleischer, AG 2003, 291, 299; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 392 ff.; Lutter, in: Festschrift Goette, 2011, 289, 291; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 402 ff.; siehe monographisch Jenne, Die Überprüfung und Zertifizierung von Compliance-Management-Systemen, 2017, 69 ff. 134 Bicker, AG 2012, 542, 543 ff.; Fleischer, NZG 2014, 321, 322; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 390; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403. 135 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Auflage 2020, § 93 Rn. 26; Bicker, AG 2012, 542, 543 ff.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 f.; Arnold, ZGR 2014, 76, 79; Fleischer, NZG 2014, 321, 322; vgl. auch Holle, Legalitätskontrolle im Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht, 2014, insbesondere S. 36 ff. 136 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 82 Rn. 30.

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stoß gegen § 93 Abs. 1 AktG.137 In der Sache ist eine Kompetenzüberschreitung beispielsweise gegeben, wenn sich der Vorstand im Rahmen von Eigengeschäften mit der Gesellschaft über die Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrats nach § 122 AktG hinwegsetzt138 oder den Kompetenzbereich der anderen Vorstandsmitglieder missachtet und damit die aktienrechtlichen Zuständigkeiten nach § 82 Abs. 2 AktG überschreitet.139 (c) Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG im Speziellen Das für die Diskussion im hiesigen Kontext wohl relevanteste Beispiel einer Kompetenzüberschreitung ist die Missachtung des in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG normierten satzungsmäßigen Zustimmungsvorbehalts des Aufsichtsrats durch den Vorstand.140 Danach haben die Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen. Missachtet der Vorstand einen Zustimmungsvorbehalt, handelt er pflichtwidrig und kann sich schadensersatzpflichtig machen. Die Wirksamkeit des betreffenden Geschäfts bleibt im Außenverhältnis nach allgemeiner Auffassung aber unberührt (§§ 78, 82 AktG).141 Im Rahmen der Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG gestaltet der Aufsichtsrat die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle

137 BGH, Urteil von 28. 4. 2015 – II ZR 63/14, NZG 2015, 792, 794 Rn. 24; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.1.2014 – 2 U 69/13, NZG 2014, 343; vgl. auch Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 210; Bürgers, in: Bürgers/ Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 7; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 25; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 7 Rn. 10; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 19. 138 Vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.01.2014 – 2 U 69/13, NZG 2014, 343; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand 01.02.2022, § 93 Rn. 25. 139 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 169; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand 01.02.2022, § 93 Rn. 25. 140 Vgl. OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 28.05.2013 – 20 U 5/12, BeckRS 2013, 12075; OLG München, Urteil vom 17. 9. 1999 – 23 U 1514/99, NZG 2000, 741, 742 f.; hierzu im Rechtsvergleich mit dem US-Amerikanischem Recht Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 210 f.; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand 01.02.2022, § 93 Rn. 25; ders., NJW 2009, 2337; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 40; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 416; Meier-Greve, BB 2009, 2555, 2558; Wilsing/von der Linden, NZG 2018, 1416. 141 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1190 Rn. 17; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 111 Rn. 95; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 147; Mertens/ Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 111 Rn. 112; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 753; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 111 Rn. 64; Hölle/Mörsdorf, NJW 2018, 3555.

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Kap. 3: Kausalität

begleitend mit.142 Dies hat für den Vorstand die Konsequenz, dass er im Wirkungsbereich der Vorbehalte den Aufsichtsrat von seinen Vorstellungen bezüglich der angestrebten Geschäfte überzeugen muss. Das führt wiederum zur Stärkung der Position des Aufsichtsrats in unternehmerischen Fragen und festigt die Aufgabe zur Beratung des Vorstandsgremiums.143 (aa) Hintergrund Bis 2002 handelte es sich bei § 111 Abs. 4 S. 2 AktG um eine reine „KannVorschrift“. Erst mit dem Inkrafttreten des Transparenz- und Publizitätsgesetztes (TransPuG) wurde die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten zur Pflicht.144 Dies führte zu einer flächendeckenden Verbreitung von Zustimmungskatalogen. Während heutzutage jedenfalls für börsennotierte Aktiengesellschaften Zustimmungskataloge, auch in detaillierter Form, bestehen,145 kam eine empirische Untersuchung aus dem Jahr 1980 zu dem Ergebnis, dass nur etwa zwei Drittel der mitbestimmenden Aktiengesellschaften zustimmungspflichtige Geschäfte in Satzungen o. ä. festgelegt hatten.146 Eine empirische Untersuchung, die deutsche börsennotierte Aktiengesellschaften sowie die Societas Europaea (SE) betrachtete, konnte bei lediglich 51 von 144 Gesellschaften (35,42 Prozent) in deren Satzungen oder Geschäftsordnungen Zustimmungsvorbehalte feststellen.147 (bb) Rechtliche Ausgestaltung Im Unterschied zu spezialgesetzlichen Zustimmungsvorbehalten148 benennt § 111 Abs. 4 S. 2 AktG keine zustimmungspflichtigen Geschäfte, die dem Aufsichtsrat zur Orientierung dienen könnten.149 Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, 142 Vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1928; BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 50; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 2. 143 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 114. 144 Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2018, 207; vgl. grundlegend zur Entwicklungsgeschichte der Zustimmungsvorbehalte Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 840 ff. 145 Habersack, NZG 2020, 881, 883. 146 Vgl. Steinmann/Gehrum, AG 1980, 1, 6, die Teilergebnisse ihres Forschungsprojekts zur „Mitbestimmten Unternehmung“ vorstellen. Demnach bestanden bei 63,3 Prozent der untersuchten Unternehmen Zustimmungsvorbehalte. 147 Hofschroer, Der Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 2013, 93 ff. Hierbei ist zu beachten, dass von den angefragten Unternehmen, nur knapp 50 Prozent eine Rückmeldung gaben und nur ca. ein Drittel laut Hofschroer „brauchbare Informationen“ übermittelten. 148 Spezialgesetzliche Zustimmungsvorbehalte finden sich beispielsweise in §§ 59, 89 oder 114 AktG. 149 Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, S. 88; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 651.

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den Tatbestand grundlegender Geschäfte zu konkretisieren und hat dabei nach „pflichtgemäßem Ermessen“ zu entscheiden, welche Arten von Geschäften eine Zustimmung voraussetzen.150 Einigkeit besteht darüber, dass die Errichtung eines solchen Vorbehaltes nicht für sämtliche Geschäfte in Betracht kommt, da ansonsten eine zu starke Einschränkung der autonomen Entscheidungsfähigkeit des Vorstandes und damit eine Verletzung seiner Kompetenzen droht.151 § 111 Abs. 4 S. 2 AktG normiert Zustimmungsvorbehalte „für bestimmte Arten von Geschäften“. Die Abgrenzung der Geschäfte nach der Frage, ob für sie Vorbehalte errichtet werden können, wird unterschiedlich vorgenommen. So wird nach Gegenstand des Geschäfts, Umfang und Risiko für das Unternehmen unterschieden.152 Zum Teil erfolgt zur Konkretisierung der relevanten Geschäfte eine Orientierung am Umfang der Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG.153 Ein anderer Ansatz stellt auf Entscheidungen ab, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend berühren.154 Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich nach dem Maßstab des § 116 Abs. 1, Abs. 2 HGB zu richten. So sollen diejenigen Geschäfte ermittelt werden, die nach Umfang, Gegenstand, Bedeutung oder Risiko über den herkömmlichen Betrieb hinausgehen und damit vorbehaltsfähig sind.155 Die Vielzahl der vertretenen Abgrenzungsmöglichkeiten illustriert die Schwierigkeit der Abgrenzung.156 Dem Vorstand obliegt die Geschäftsleitung. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG scheint diesen Grundsatz zu durchbrechen. Überzeugender ist es, die Statuierung von Zustimmungsvorbehalten als Teil der Aufsichtsfunktion des Aufsichtsrats zu se150 BGH, Urteil vom 15. 11. 1993 – II ZR 235/92, NJW 1994, 520, 524; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 122; ders., NZG 2020, 881, 883; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 111 Rn. 80; Drygala, in K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 111 Rn. 55; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 659 f., 670 f. 151 Oetker, in: Erfurter Kommentar AktG, § 111 Rn. 9; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 106; Fonk, ZGR 2006, 841, 846. 152 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 680. 153 Götz, NZG 2002, 599, 602 f.; vgl. auch Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, S. 106, der jedoch zusätzlich § 116 Abs. 2 HGB als Auslegungshilfe heranziehen will. 154 LG Düsseldorf, Urteil vom 20. 12. 2013 – 22 O 152/11, BeckRS 2016, 18792; so auch Habersack, in: Festschrift Hüffer, 2010, 259, 264; J. Hüffer, in: Festschrift Hüffer, 2010, 365, 369 f.; Schönberger, Der Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands, 2006, S. 73; Groß-Bölting/Rabe, in: Hölters/ Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 111 Rn. 86; ähnlich Henssler, in: Henssler/ Strohn (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 111 AktG Rn. 20. 155 Übersicht der Ansichten nach Schnorbus/Ganzer, BB 2020, 386, 388; vgl. Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 65; in Verbindung mit der Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, S. 107 ff. 156 So auch Schnorbus/Ganzer, BB 2020, 386, 388; ähnlich Hüffer, NZG 2007, 47, 53; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 65.

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hen.157 Dafür spricht bereits die systematische Stellung der Regelung in § 111 AktG, der in Abs. 1 die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates festlegt.158 Dem Aufsichtsrat ermöglicht dies, neben der Untersuchung vollzogener Maßnahmen auch ein Instrument der vorbeugenden Kontrolle auszuüben.159 bb) Schutzzweckvermessung von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG Damit ist die nötige Vorarbeit geleistet, um sich der Vermessung des Schutzzweckes der durch den Haftungsanspruch geschützten Norm (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) zu widmen. Eine Haftungsnorm kann unter Umständen nicht allein der Schadensvermeidung, sondern auch weiteren Funktionen dienen. Die abschließende Beantwortung der Frage, ob der Schutzzweck mit dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens vereinbar ist, verlangt auch eine Untersuchung des Zwecks der verletzten Pflicht.160 Zustimmungsvorbehalte dienen der Überwachung des Vorstands und damit auch der Schadensabwendung.161 Nach modernem Verständnis dienen der Zustimmungsvorbehalt und das Organ des Aufsichtsrats aber nicht nur der Überwachung des Vorstands. Es ist auch Aufgabe des Aufsichtsrats den Vorstand bei unternehmerischen Entscheidungen zu beraten, um zu der für die Gesellschaft besten Entscheidung zu kommen.162 Dabei ist der Zustimmungsvorbehalt ein Instrument, das dem Aufsichtsrat, neben der reinen Überwachung, bei bedeutenden Maßnahmen eine Mitentscheidungskompetenz gibt und somit eine Teilhabe an der Geschäftsführung ermöglicht.163 Bei Entscheidungen, die unter einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG fallen, wägen Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen ihres unternehmerischen Ermessens gemeinsam ab, wel157 So auch Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, S. 53. 158 Ausführlicher hierzu Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, S. 53. 159 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1928; siehe zur GmbH BGH, Urteil vom 11. 12. 2006 – II ZR 243/05, NJW-RR 2007, 390 Rn. 9; BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 50; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 2; vgl. auch Schnorbus/Ganzer, BB 2020, 386. 160 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., I., 2. und Kapitel 3, B., II., 3., b), aa). 161 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 114; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 58; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar, Stand: 01.02.2022, § 111 Rn. 78. 162 BGH, Urteil vom 25.03.1991 – II ZR 188/89, NJW 1991, 1830; Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 3 Rn. 103; Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 515. 163 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 28; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 114; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 3 Rn. 112.

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che Maßnahmen im besten Interesse der Gesellschaft liegen. Die Gewichtung dieses Entscheidungsbeitrags ist maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob es bei Missachtung des Zustimmungsvorbehalts möglich ist, die nicht getroffene Entscheidung durch eine hypothetische Zustimmungserklärung zu ersetzen.164 Augenscheinlich wird der präventive Zweck des Zustimmungsvorbehalts nicht erfüllt, wenn die entsprechende Maßnahme dem zustimmenden Organ nicht vorgelegt wird. Weder wird es, entgegen der insoweit bestehenden Pflicht, in den Entscheidungsprozess eingebunden noch hat es die Möglichkeit, am Entscheidungsprozess teilzuhaben und die Geschäftsführung zu überwachen. Dies kann indes nicht allein zu einem Ausschluss des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens führen. Dieser wäre ansonsten bei jeder Verletzung einer Norm mit Präventivcharakter ausgeschlossen.165 Der Schutzzweck von Verfahrensregeln und anderen Verhaltensnormen ist nur dann gefährdet, wenn man den Einwand auch dann berücksichtigt, wenn nicht feststeht, dass eine Nichtbeachtung der Verfahrensregeln zum gleichen Erfolg geführt hätte. Konnte die Verfahrensnorm im konkreten Einzelfall keinen Schutz bieten, kann man eine Schadensersatzpflicht nicht mit dem Schutzzweck jener Norm begründen.166 Die Versagung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens benötigt eine besondere Rechtfertigung.167 Allein die Tatsache, dass die überschrittene Vorschrift einer Präventivfunktion dient, kann nicht ausreichen. Der präventive Zweck des Zustimmungsvorbehalts kann nur dann nicht als erfüllt angesehen werden, wenn eine Missachtung keinerlei Sanktionen nach sich ziehen würde.168 Wie bereits festgestellt, bestehen neben der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs auch Sanktionsmöglichkeiten, wie die des Widerrufs der Bestellung oder die der Beschneidung des Aufgabenbereichs des Organmitglieds. cc) Fazit Bei der Betrachtung des von der Haftungsnorm geschützten Zustimmungsvorbehalts konnte festgestellt werden, dass dieser den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht ausschließt. Zum einen gibt es neben dem Schadensersatzanspruch Möglichkeiten der Sanktionierung des Kompetenzverstoßes. Zum anderen rechtfertigt allein der Präventionszweck noch keine Abweichung von den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen. Hätte die Einhaltung des Zustimmungsvorbehalts den Schaden nicht bewahrt, kann die Schadensersatzpflicht 164

Vgl. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 515. Ebenfalls im Kontext des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens Ebner, Der Gesellschafter, 2020, 191, 193. 166 Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 114. 167 Vgl. hierzu Ausführungen in Kapitel 3, B., I., 2. 168 Ebner, Der Gesellschafter, 2020, 191, 193. 165

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nicht mit dem Schutzzweck begründet werden. Dies gilt dabei nicht nur für Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG. Der grundsätzliche Gedanke lässt sich auch auf weitere Fälle von Kompetenz-, Organisations- und Verfahrensverstößen übertragen. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist damit grundsätzlich auch bei Verletzung von Kompetenz-, Organisations- und Verfahrensverstößen anwendbar. c) Zweite Variante – Zustimmung der Hauptversammlung Die zweite hier zu untersuchende Variante des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens stellt die entlastende Zustimmung der Hauptversammlung dar. Kann sich der Vorstand, der die Zustimmung des Aufsichtsrats pflichtwidrig nicht eingeholt oder aus anderen Gründen seine Pflichten verletzt hat, dann darauf berufen, dass die Hauptversammlung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG haftungsbefreiend zugestimmt hätte, wenn er die Geschäftsführungsmaßnahme gem. § 119 Abs. 2 AktG der Hauptversammlung vorgelegt hätte? Hierfür sollen zunächst die rechtlichen Grundlagen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhalten bezogen auf diese Variante skizziert werden, bevor die Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG dargestellt werden. aa) Skizzierung der rechtlichen Grundlagen Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einer Maßnahme, so kann der Vorstand gem. § 111 Abs. 4 S. 3 AktG verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluss bedarf nach Satz 4 der Norm einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Die Vorschrift stellt eine Ergänzung des Vorstandsrechts dar, die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG in Angelegenheiten der Geschäftsführung anzurufen.169 Die Relevanz in der Praxis ist aber offenbar gering.170 Die Anrufung der Hauptversammlung nach § 111 Abs. 4 S. 3 AktG würde die Zustimmungsverweigerung publik machen. Dies hätte den vermutlich unerwünschten Effekt, dass auch nach außen die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Aufsichtsrat und Vorstand signalisiert würde.171 Zur Folge hat ein förmlicher Beschluss der Hauptversammlung, dass gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG eine Ersatzpflicht des Vorstands nicht eintritt.172 Dogma169 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 148; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, §111 Rn. 768. 170 So zumindest ohne weiteren Nachweise Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, §111 Rn. 768; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 148. 171 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 148. 172 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1191 Rn. 26.

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tisch begründet wird dieser Haftungsausschluss mit dem Gebot von Treu und Glauben173: Wenn der Vorstand für die Ausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, handle die Gesellschaft arglistig.174 Häufig wird der Zusammenhang der Haftungsbefreiung mit § 83 Abs. 2 AktG gesehen, welcher den Vorstand zur Ausführung von Maßnahmen verpflichtet, welche die Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossen hat. Bei der Erfüllung eines solchen Hauptversammlungsbeschlusses dürfe sich der Vorstand nicht haftbar machen.175 Um sein Risiko zu minimieren, kann ein Vorstand Maßnahmen mit hohem Schadenspotential der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG zur Entscheidung vorlegen.176 bb) Voraussetzungen des Haftungsausschlusses Voraussetzung eines Haftungsausschlusses ist zunächst ein formeller Hauptversammlungsbeschluss. Nicht ausreichend ist eine einfache Meinungsäußerung oder Empfehlung der Hauptversammlung.177 Der Haftungsausschluss wirkt gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ausschließlich für gesetzmäßige Beschlüsse. Ausgeschlossen sind demnach nichtige oder anfechtbare Hauptversammlungsbeschlüsse.178 Eine weitere Bedingung des Haftungsausschlusses ist, dass die Hauptversamm173 Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 279; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 32; anderer Ansicht: Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 149; vgl. Darstellung des Streitstandes in BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1191 Rn. 27. 174 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 325. 175 Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 32; Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 84; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 265; vgl. Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 470 f.; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 153; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 59; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 148 f. 176 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 326. 177 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 327; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 85; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 32; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 153; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 60; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 269. 178 Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 33; Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 87; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 265; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 153; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 61; Wiesner, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 5, 4. Aufl. 2020, § 26 Rn. 34.

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lung im Rahmen ihrer organschaftlichen Zuständigkeit gehandelt hat und sich eine Verpflichtung des Vorstandes durch den Beschluss ergibt.179 Der Hauptversammlungsbeschluss muss vor Durchführung der Maßnahme des Vorstands eingeholt werden. Ein im Nachhinein gefasster Beschluss führt nicht zum Haftungsausschluss.180 § 93 Abs. 4 S. 1 AktG verlangt, dass die Handlung „auf“ dem Beschluss beruht, was bei einem nachträglichen Beschluss nicht erfüllt wird.181 Nicht Voraussetzung ist, dass der Aufsichtsrat die Zustimmung bereits versagt hat. Nach zutreffender herrschender Auffassung darf der Vorstand bei zustimmungspflichtigen Geschäftsführungsmaßnahmen die Hauptversammlung auch dann ersuchen, wenn sich der Aufsichtsrat im Vorfeld nicht damit befasst hat.182 cc) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens Zu untersuchen ist, ob im Rahmen eines fehlenden Hauptversammlungsbeschlusses, ähnlich der Aufsichtsratszustimmung, eine Entlastung grundsätzlich auch mit Berufung auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens möglich ist. Denkbar ist der Einwand, dass bei Vorlage der Maßnahme nach § 119 Abs. 2 AktG ein haftungsbefreiender Hauptversammlungsbeschluss ergangen wäre. (1) Unterschiede zwischen hypothetischen Aufsichtsratsund Hauptversammlungsbeschlüssen Auffallend ist, dass dieselben Stimmen, die die hypothetische Zustimmung des Aufsichtsrats für relevant erklären, die hypothetische Zustimmung der Hauptversammlung für nicht beachtlich halten. Während ein hypothetischer Hauptversammlungsbeschluss vom BGH im Schloss-Eller-Urteil gar nicht berücksichtigt 179

Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 270. Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 154; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 59; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 331; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 328. 181 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 153; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 153; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 272; Wiesner, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 5, 4. Aufl. 2020, § 26 Rn. 32; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 328. 182 Mülbert, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2017, § 119 Rn. 194, 207; zumindest implizit so auch Drinhausen, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 119 Rn. 12; Kubis, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2022, § 119 Rn. 24; ablehnend Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 63, „Ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung setzt eine entsprechende Zuständigkeit der Hauptversammlung voraus.“; Habersack, in: Festschrift Eberhard Vetter, 2019, 183, 190. 180

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wurde183 und im Schrifttum teilweise als „Verwischung aktienrechtlicher Strukturen“ oder Umgehung der formalen Anforderungen eines Hauptversammlungsbeschlusses gebrandmarkt wird184, wird eine vergleichbare Umgehung im Rahmen der Aufsichtsratszustimmung gleichwohl akzeptiert.185 Für die unterschiedliche Behandlung wird auch folgende Begründung angebracht: Im Rahmen des Aufsichtsratsbeschlusses stehe der Einwand, dass der Schaden auch bei Einhaltung der konkret verletzten Pflicht herbeigeführt worden wäre, im Raum. Der Fall der hypothetischen Hauptversammlung handle stattdessen von der Möglichkeit eines völlig anderen Geschehensablaufs, der ebenfalls zum Schadenseintritt geführt hätte, ohne pflichtwidrig zu sein.186 Voraussetzung für die haftungsausschließende Berücksichtigung dieses Einwandes sei nach dem BGH der schwerlich zu erbringende Nachweis, dass der Schädiger das alternative Verhalten nicht nur möglicherweise, sondern definitiv durchgeführt hätte.187 Eine Entlastung der Vorstandsmitglieder liege nicht schon dann vor, wenn sie darlegen und im Streitfall auch beweisen können, dass die Hauptversammlung mit der nach § 111 Abs. 4 S. 4 AktG erforderlichen Mehrheit zugestimmt hätte, wenn der Vorstand die Maßnahme der Hauptversammlung vorgelegt hätte. Es müsse dargelegt und bewiesen werden, dass die Maßnahme bei Verweigerung der Zustimmung durch den Aufsichtsrat tatsächlich der Hauptversammlung vorgelegt worden wäre.188 (2) Stellungnahme Es liegt auf der Hand, dass dieser Nachweis nur sehr schwer zu erbringen ist. Im Grundsatz ist der Einwand dennoch denkbar. Der Einwurf, dessen Anerkennung würde eine Umgehung der Verfahrensvorschriften oder die Verwischung aktienrechtlicher Strukturen bedeuten, überzeugt nicht. Insbesondere ist nicht er183

Vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189 ff. Wegen der „Verwischung aktienrechtlicher Strukturen“ ausdrücklich gegen den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 150; mit diesem Argument gegen den Einwand des Rechtsmissbrauchs auch Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 269; vgl. auch Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 327, der nur im Einzelfall den Einwand zulassen will. 185 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 55; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 269; so wie hier Habersack, in: Festschrift Eberhard Vetter, 2019, 183, 187 f. 186 So argumentierend Holle/Mörsdorf, NJW 2018, 3555, 3557; vgl. hierzu Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, 11 ff.; siehe zu der Frage im Kontext des Schloss-Eller-Urteils Grunewald, in: Festschrift Klaus J. Hopt, 2020, 325, 329. 187 BGH, Urteil vom 25.11.1992 – VIII ZR 170/91, NJW 1993, 520, 522; BGH, Urteil vom 9.3.2012 – V ZR 156/11, NJW 2012, 2022, 2023 Rn. 17; BGH, Urteil vom 2.11.2016 – XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104. 188 Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 522; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 459. 184

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sichtlich, worin der ausschlaggebende Unterschied zum Fall einer hypothetischen Aufsichtsratszustimmung liegt, bei der die Zulassung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens ebenfalls eine Umgehung zwingender Verfahrensvorschriften bedeutet. Wie dort, kann die Verletzung einer Formvorschrift nicht bereits endgültig den Ausschluss des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens bedeuten. Tritt der seltene Fall ein, dass zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, dass, wenn die Maßnahme der Hauptversammlung vorgelegt worden wäre, diese auch haftungsbefreiend zugestimmt hätte, kann auch hier der Schaden der Pflichtverletzung nicht zugerechnet werden. Es bedarf zumindest einer über die Formvorschrift hinausgehenden Begründung, um diese unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen. Dass es sich im Fall des hypothetischen Hauptversammlungsbeschlusses um eine andere Variante des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens handelt,189 ist ebenfalls kein adäquater Anknüpfungspunkt, um eine Versagung der Anwendung zu rechtfertigen. Beide Varianten des Einwands sind grundsätzlich zuzulassen; dass die hier vorliegende Variante schwerer nachzuweisen ist, rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung. dd) Ergebnis Auch der Einwand des hypothetischen Hauptversammlungsbeschlusses ist grundsätzlich zuzulassen. Gesichtspunkte, die allgemein eine unterschiedliche Behandlung der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung und die der Hauptversammlung verlangen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere überzeugt der Verweis auf die unterschiedliche Beweislast nicht. d) Fragen der Darlegungs- und Beweislast Nachdem festgestellt wurde, dass der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Einzelfall zulässig ist bzw. sein kann, stellt sich die Frage der Darlegungs- und Beweislast in concreto: (1) Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast? (2) Wie ist der Nachweis im Rahmen einer Verletzung der Zustimmungsflicht gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zu erbringen, wenn der Nachweis eines rechtmäßigen Alternativverhaltens möglich ist? aa) Grundsätze Nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen liegt die Darlegungs- und Beweislast immer auf Seiten dessen, der für sich etwas Positives behauptet.190 189 Vgl. Ausführungen zu den Varianten des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens in Kapitel 3, B., II., 3. 190 Ausführlich hierzu m.w. N. Flaßhoff, Die Beweislastverteilung bei der Organhaftung, 2022, S. 49 ff.

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Hiermit korrespondierend trifft den sich darauf Berufenden ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens.191 bb) Möglichkeiten der Nachweiserbringung in der Praxis In der Praxis kommen mehrere Möglichkeiten zur Erbringung dieses Nachweises in Betracht. Dabei ist zwischen dem Nachweis der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung und der hypothetischen Hauptversammlungszustimmung zu differenzieren. (1) Nachweis der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung Auf den ersten Blick sinnvolle Anknüpfungspunkte scheinen die Entscheidungspraxis, eine nachträgliche Befragung, eine nachträgliche Genehmigung, die Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden und die Orientierung an der Entscheidung eines „verantwortungsvoll“ handelnden Aufsichtsratsmitglieds zu sein.192 Nachfolgend werden diese Möglichkeiten näher beleuchtet und auf ihre Tauglichkeit hin untersucht. Hieran anschließend wird die Frage unter die Lupe genommen, wie sich das unternehmerische Ermessen des Aufsichtsrats auf die Entscheidung selbst und die nachträgliche Bestimmung der hypothetischen Entscheidung auswirkt. (a) Entscheidungspraxis Dem Nachweis wenig dienlich wird eine Heranziehung der bisherigen Entscheidungspraxis sein. Voraussetzung für diese Nachweismöglichkeit ist, dass der Aufsichtsrat bereits zu vergleichbaren Maßnahmen eine Entscheidung getroffen hat.193 Bei Aufsichtsratsentscheidungen handelt es sich regelmäßig um Einzelfallentscheidungen, die auf Grundlage spezifischer Faktoren getroffen werden. In den meisten Fällen wird es keine vergangenen Entscheidungen geben, deren zugrundeliegenden Umstände so ähnlich sind, dass Erkenntnisse für die Frage einer hypothetischen Zustimmung in dem konkreten Fall gewonnen werden können.194 Auch in Fällen der personellen Neubesetzung oder Umstrukturierung des Aufsichtsrats stößt die Möglichkeit des Nachweises auf Basis der bisherigen Entscheidungspraxis an ihre Grenzen. Regelmäßig spricht in diesen Fällen vieles dafür, dass damit zwingend inhaltliche Änderungen und damit Abweichungen

191 BGH, Urteil vom 04.11.2002 – II ZR 224/00, NZG 2003, 81, 82; BGH, Urteil vom 22.02.2011 – II ZR 146/09, NZG 2011, 549, 550 Rn. 17. 192 So bereits Wilsing/von der Linden, NZG 2018, 1416, 1417. 193 Grobecker/Wagner, ZIP 2019, 694, 697; vgl. zum Ganzen Koch, in: Festschrift Johannes Köndgen, 2016, 329, 343. 194 Grobecker/Wagner, ZIP 2019, 694, 697.

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von der bisherigen Entscheidungspraxis einhergehen.195 Soweit die zu treffende Entscheidung unter das unternehmerische Ermessen fällt, ist sie jedoch frei und insbesondere nicht an frühere Abstimmungen gebunden.196 Eine Berufung auf die vergangene Entscheidungspraxis des Aufsichtsrats wird regelmäßig mit dem Grundsatz des unternehmerischen Ermessens des Aufsichtsrats konfligieren. In Anbetracht dieser Punkte erscheint die Möglichkeit der Entscheidungspraxis weder geeignet, um eine hypothetische Entscheidung des Aufsichtsrats zu ermitteln, noch vereinbar mit dem Grundsatz des unternehmerischen Ermessens des Aufsichtsrats. (b) Nachträgliche Befragung Als eine weitere Möglichkeit drängt sich die simple Lösung einer nachträglichen Befragung der Aufsichtsratsmitglieder auf. A prima vista erscheint die nachträgliche Befragung als praktisch einfache und rechtlich eindeutige Nachweismöglichkeit. (aa) hindsight bias Allerdings steht dann die Beantwortung der Frage des eigenen früheren Verhaltens in Kenntnis eines inzwischen eingetretenen Schadens in Rede. Es liegt der Verdacht nahe, dass die wenigsten Aufsichtsratsmitglieder zugeben würden, dass sie einer nun nachweislich schädigenden Maßnahme zugestimmt hätten. Mit anderen Worten liegt die Gefahr des sog. hindsight bias197 auf der Hand. Hindsight bias bezeichnet eine Wahrnehmungsverzerrung, wonach ein Geschehnis in der Rückschau als vorhersehbarer beurteilt wird, als es im Vorausblick de facto war.198 Zwar wird sich das Gericht selbst von der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Aufsichtsräte überzeugen und dabei auch einen möglichen „hindsight bias“ mitberücksichtigen.199 Dass Aufsichtsratsmitglieder bei der Befragung einem hindsight bias unterliegen könnten, kann allerdings noch nicht zu der zwingenden Feststellung führen, dass der Aufsichtsrat mehrheitlich der Maßnahme zugestimmt hätte.200 Für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist aber gerade diese Feststellung notwendig.201 Das Gericht darf bei Anerkennung eines hindsight bias jedoch nur nicht feststellen, dass jenes Aufsichtsratsmitglied tat195

M. Goette, ZGR 2019, 324, 334. M. Goette, ZGR 2019, 324, 334; vgl. Ausführungen zum unternehmerischen Ermessen des Aufsichtsrats in Kapitel 3, B., II., 3., d), bb), (1), (e). 197 Für tiefergehende Ausführungen zur hindsight bias im Themenkomplex Vorstandshaftung siehe N. Ott/Klein, AG 2017, 209 ff. 198 N. Ott/Klein, AG 2017, 209. 199 Scholz, AG 2020, 453, 458; vgl. auch M. Goette, ZGR 2019, 324, 337. 200 Scholz, AG 2020, 453, 458. 201 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., I., 3. 196

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sächlich die Zustimmung verweigert hätte. Die positive Feststellung das Aufsichtsratsmitglied hätte der Maßnahme zugestimmt, ist dagegen nicht möglich.202 (bb) Weitere praktische Unwägbarkeiten Selbst bei Überspringung dieser Hürden erscheint die Befragung in der Praxis nicht sonderlich erfolgsversprechend für das beklagte Vorstandsmitglied. Nach § 112 AktG wird die Gesellschaft Vorstandsmitglieder gegenüber durch den Aufsichtsrat gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, vor Erhebung der Klage zu prüfen, ob der Anspruch besteht oder gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls der Geltendmachung entgegenstehen.203 Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob sich der Vorstand etwa auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen kann. Dass der Aufsichtsrat sodann im Prozess den Einwand durch die Darlegung, dass er der Maßnahme zum damaligen Zeitpunkt zugestimmt hätte, ermöglicht, erscheint sehr zweifelhaft.204 Hier bestehen widerstreitende Interessen von Aufsichtsrat und Vorstand. Der Aufsichtsrat hat gerade ein Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs und wird diese nicht durch sein aktives Zutun gefährden wollen. Bessere Chancen könnte sich das Vorstandsmitglied bei der Nachweiserbringung in der Praxis nur dann erhoffen, wenn die Aufsichtsratsbesetzung personellen Veränderungen unterlag. In diesen Fällen könnte die Konfliktlage der Interessen abgemildert sein. Hier besteht die Möglichkeit, dass die ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieder der Maßnahme positiver gegenüberstehen als der amtierende Aufsichtsrat, der sich für eine Klageerhebung entschieden hat.205 Allerdings wird das ehemalige Aufsichtsratsmitglied auch in diesen Fällen in der Regel nur ungern einen eigenen Fehler zugeben wollen. Darüber hinaus ist aufgrund von (vorgeblichen) Erinnerungslücken mit inhaltlich nur wenig ergiebigen Aussagen zu rechnen.206 Je länger der in Rede stehende Sachverhalt vergangen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachweis an ebengenannten Hürden scheitern wird. Weiter wird die Beweisführung in der Praxis im Falle eines personell üppig ausgestatteten Aufsichtsrats erschwert, da die bisher dargestellten Problematiken dann potenziert auftreten. Dies erhöht zwar einerseits die Chance, überhaupt eine genügende Anzahl an Aussagen zu erhalten.207 Es bedeutet gleichzeitig aber auch einen höheren logistischen Aufwand. 202 203 204 205 206 207

Scholz, AG 2020, 453, 458. Vgl. Ausführungen in Kapitel 2, B. M. Goette, ZGR 2019, 324, 336. M. Goette, ZGR 2019, 324, 336 f. M. Goette, ZGR 2019, 324, 337. M. Goette, ZGR 2019, 324, 337.

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(cc) Bedenken gegen den Nachweis einer hypothetischen Einwilligung Krieger will, zumindest im Bereich der unternehmerischen Ermessensentscheidung, eine im Nachhinein ermittelte Entscheidung als Substitut für eine ordnungsgemäß herbeigeführte Entscheidung grundsätzlich nicht akzeptieren. Um die Voraussetzungen der Business Judgment Rule zu erfüllen, müsse der Aufsichtsrat im Fall einer ordnungsgemäßen Einbeziehung vollständig informiert sein und die für und gegen die vom Vorstand geplante Maßnahme sprechenden Faktoren eruieren und gegeneinander abwägen. In diesem Prozess hätte für jedes Aufsichtsratsmitglied die Möglichkeit bestanden, in einer Diskussion über die Entscheidung mit dem Vorstand mitzuwirken, für oder gegen die Entscheidung zu argumentieren und damit zum Entscheidungsfindungsprozess beizutragen. Dieser Entscheidungsfindungsprozess könne durch nachträgliche hypothetische Erwägungen nicht nachgebildet werden.208 (a) Darstellung Gegen die Zulassung eines Nachweises einer hypothetischen Einwilligung wird eingewandt, dass damit „sämtliche Anforderungen des Gesetzes an einen ordnungsgemäßen Entscheidungsprozess über Bord“ geworfen werden würden.209 Weiter kritisiert Krieger, dass der BGH eine mehrheitliche Einwilligung ausreichen lässt. Bei einer Entscheidung vom 18.06.2013 zur GmbH & Co. KG210 habe der BGH die Berücksichtigung einer hypothetischen Entscheidung der Gesellschafterversammlung davon abhängig gemacht, dass „sämtliche Gesellschafter“ mit dem Handeln einverstanden waren.211 Für seine Bedenken führt Krieger darüber hinaus eine Entscheidung des BGH vom 25.03.1991 an.212 Hier habe der BGH den Einwand zurückgewiesen, die Hauptversammlung hätte ihre Zustimmung erteilt, wenn ihr der Vorgang vorgelegt worden wäre. Ansonsten würden die Mitwirkungsrechte der Minderheitsgesellschafter in unzulässiger Weise unterlaufen. Mehrheitsentscheidungen seien in diesem Fall für den BGH nicht ausreichend gewesen. Es sei für den BGH unverzichtbar, dass die überstimmte Minderheit beteiligt wird und ihre Argumente vorbringen kann.213 Für Krieger gilt bei Aufsichtsratsentscheidungen nichts anderes: Entscheidungen des Aufsichtsrats, die Mitwirkungsrechte seiner Mitglieder beschneiden, seien nichtig.214 208 209 210 211 212 213 214

Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 517. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 517 f. BGH, Urteil vom 18.06.2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 518. BGH, Urteil vom 25.03.1991 – II ZR 188/89, NJW 1991, 1830, 1832. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 518. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 518.

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Als problematisch sieht er dabei die Methode der Beweisführung an. Die Bedenken nicht zu entkräften vermöge eine Befragung der Aufsichtsratsmitglieder nach ihrem hypothetischen Abstimmungsverhalten. Krieger verweist erneut auf die fehlenden Abwägungen und Erörterungen: Wer nicht wisse, welche Gesichtspunkte die Kollegen im Aufsichtsrat in die Diskussion eingebracht hätten, könne auch nicht wissen, wie er selbst die Frage beurteilt hätte.215 Einzig in den Fällen, in denen der Aufsichtsrat tatsächlich die Gelegenheit hatte, im Vorfeld der Durchführung der Maßnahme einen Meinungs- bzw. Argumentationsaustausch durchzuführen, die Aufsichtsratsentscheidung dann selbst etwa nur an der förmlichen Beschlussfassung scheitert, will Krieger den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zulassen.216 Nur in dieser oder ihr vergleichbaren Konstellationen sei es mit dem Zweck der gesetzlichen Regeln über die Mitwirkung und Entscheidungsfindung des Aufsichtsrats vereinbar, einen hypothetischen Zustimmungsbeschluss im Rahmen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens zu berücksichtigen. Einer hypothetischen Aufsichtsratsentscheidung könne keine Rechtswirkung zugemessen werden, wenn eine Meinungsbildung des Aufsichtsrats gar nicht stattgefunden hat.217 (b) Stellungnahme Dem ist nicht zuzustimmen. Zunächst ist fraglich, ob der BGH in der von Krieger zitierten Entscheidung vom 18.06.2013218 tatsächlich die Einwilligung sämtlicher Gesellschafter als Voraussetzung für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens statuieren wollte. Dies lässt sich aus der Entscheidung nicht expressis verbis entnehmen. Vielmehr scheint das Gericht nur festzustellen, dass das Handeln zumindest dann nicht pflichtwidrig ist, wenn alle Gesellschafter zugestimmt hätten. Ob dies die Mindestanforderung im Fall des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist, wird nicht beantwortet. Als Argument gegen die Zulassung eines Nachweises einer hypothetischen Einwilligung vermag dieser Verweis nicht zu überzeugen. Aber auch die weiteren Bedenken können entkräftet werden. Wenn sich die mehrheitlich getroffene Entscheidung noch in der Sphäre des unternehmerischen Ermessens bewegt, ist kein gesonderter Schutz hinsichtlich der Mitwirkungsrechte der Minderheit erforderlich. Denn im Fall eines tatsächlichen Mehrheitsbeschlusses könnten die überstimmten Mitglieder der Entscheidung ebenfalls nichts entgegensetzen.219 Zwar ist zutreffend, dass eine Rekonstruktion des Mei-

215 216 217 218 219

Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 519. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 520. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 520. BGH, Urteil vom 18.06.2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021. Scholz, AG 2020, 453, 456.

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nungsbildungs- und Entscheidungsprozesses des Gremiums bei der Zulassung einer hypothetischen Entscheidung nicht möglich ist. Wenn Kompetenzverletzungen jedoch keinen Ausschluss des Einwandes bedeuten sollen, kann dieses Argument insoweit nicht überzeugen.220 Den Bedenken kann man, wie Krieger selbst erkennt221, die durch den BGH aufgestellten hohen Beweishürden entgegensetzen. Darüber hinaus ist der Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess des Aufsichtsrats nicht Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung. Es gibt nach § 108 Abs. 4 AktG die Möglichkeit einer schriftlichen Beschlussfassung, bei der die Aufsichtsratsmitglieder nicht anwesend sein müssen.222 Auch in diesem Fall ist eine Aufsichtsratsentscheidung denkbar, in der es zu keinem größeren Meinungsaustausch kommt. Eine generelle Ablehnung bzw. die Verengung auf seltene Ausnahmefälle eines hypothetischen Nachweises der Zustimmung kann damit nicht überzeugen. Der hypothetische Nachweis einer Zustimmung ist zuzulassen. (dd) Zivilprozessuale Grenzen Für die gerichtliche Befragung der Aufsichtsräte sind die zivilprozessualen Voraussetzungen maßgeblich, die nachfolgend betrachtet werden. Dabei ist zwischen aktiven und inaktiven Aufsichtsratsmitgliedern zu differenzieren. (a) Aktive Aufsichtsräte Agiert der Aufsichtsrat gem. § 112 AktG als Vertreter der klagenden Gesellschaft, sind dessen Mitglieder als Partei zu vernehmen.223 Nach § 445 ZPO kann eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig führen kann, beantragen, dass der Prozessgegner vernommen wird. Der Vorstand, der allein nicht den Nachweis darüber erbringen kann, ob der Aufsichtsrat der Maßnahme zugestimmt hätte, kann demnach die Vernehmung der Aufsichtsräte beantragen. Prozessgegnern steht es aber nach § 446 ZPO grundsätzlich frei, auszusagen. Sollten sich Aufsichtsräte der Vernehmung verweigern, unterliegt dies dann der freien Beweiswürdigung.224 Insbesondere, wenn die Weigerung nicht begründet wird, könnte dies für den nicht aussagenden Aufsichtsrat nachteilige Folgen haben. Werden keine Verhinderungsgründe vorgetragen, kann dies dazu führen, dass die Aussageverweigerung als Beweisvereitelung und die

220

Scholz, AG 2020, 453, 457. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 518. 222 Scholz, AG 2020, 453, 457. 223 Vgl. Damrau/Weinland, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 373 Rn. 11; Barfuß, NJW 1977, 1273 f.; M. Goette, ZGR 2019, 324, 337. 224 Vgl. Schreiber, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 446 Rn. 1, 3. 221

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streitige Behauptung der anderen Partei als unstreitig gewertet wird.225 Sollte die Partei grundlos nicht erscheinen, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände frei, ob die Aussage als verweigert anzusehen ist.226 (b) Ausgeschiedene Aufsichtsräte Bei bereits ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitgliedern kommt eine Zeugenvernehmung in Betracht.227 Als Zeuge ist der jeweilige Aufsichtsrat nach § 380 ZPO zum Erscheinen und nach den §§ 390, 393 ff. ZPO zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet.228 Gegebenenfalls kann er nach § 391 ZPO verpflichtet werden, die Aussage zu beeiden. Die Aufsichtsräte sind verpflichtet, im Vorfeld ihrer Vernehmung das Gedächtnis erforderlichenfalls durch zumutbare Maßnahmen aufzufrischen.229 Das Aufsichtsratsmitglied hat nach § 378 ZPO eine beschränkte Vorbereitungspflicht. Diese umfasst indessen keine Pflicht, eigene Nachforschungen über bisher nicht wahrgenommene Tatsachen anzustellen.230 Die beschränkte Vorbereitungspflicht wird einen Aufsichtsrat nicht daran hindern können, sich für die häufig länger zurückliegenden Vorgänge auf Erinnerungslücken zu berufen. Neben dem möglicherweise fehlenden Interesse, das beklagte Vorstandsmitglied zu entlasten, erscheint es nicht abwegig, dass das befragte Aufsichtsratsmitglied nicht mit Sicherheit beantworten kann, wie vor Jahren über einen hypothetischen Zustimmungsantrag beschieden worden wäre. (ee) Zwischenfazit Nicht durchgreifen können die Bedenken gegen den Nachweis einer hypothetischen Einwilligung. Ein gesonderter Schutz der Mitwirkungsrechte der Minderheit ist nicht erforderlich. Auch im Fall einer tatsächlichen Mehrheitsentscheidung können überstimmte Mitglieder dem Beschluss nichts entgegensetzen. 225 Vgl. LG Köln, Urteil vom 04.02.2010 – 8 O 60/09, BeckRS 2010, 03027; VGH München, Urteil vom 21.04.2010 – 11 B 09.3229, BeckRS 2011, 46243; Bechteler, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 446 Rn. 5. 226 Bechteler, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 446 Rn. 4. 227 OLG Koblenz, Beschluss vom 05.03.1987 – 6 W 38/87, NJW-RR 1987, 810; Scheuch, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 373 Rn. 7; M. Goette, ZGR 2019, 324, 337. 228 Vgl. Scheuch, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07. 2022, § 373 Rn. 33. 229 Vgl. Huber, in: Musielak/Voit ZPO, 19. Aufl. 2022, § 373 Rn. 9; Scheuch, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 373 Rn. 33; Damrau/Weinland, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 373 Rn. 31. 230 OLG Köln, Beschluss vom 14.06.1973 – 14 W 39/73, NJW 1973, 1983; Scheuch, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 373 Rn. 33; Damrau/Weinland, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 373 Rn. 31.

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Auch ist der Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess des Aufsichtsrats nicht Voraussetzung eines wirksamen Beschlusses. Eine nachträgliche Befragung erscheint unter Berücksichtigung der divergierenden Interessen des Aufsichtsrats und dem beklagten Vorstand jedoch nicht erfolgsversprechend. Erschwert wird dies durch das Problem des hindsight bias. Ebenfalls zu berücksichtigen sind Erinnerungslücken oder weitere praktische Unwägbarkeiten im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, das Jahre nach dem zu untersuchenden Sachverhalt geführt wird. So kann festgestellt werden, dass eine nachträgliche Befragung aus rechtlicher Sicht geeignet ist, der Darlegungs- und Beweislast zu genügen, die verschiedenen praktischen Schwierigkeiten schließen eine erfolgreiche Beweisführung wohl aus. (c) Verantwortungsvoll handelndes Organmitglied (aa) Darstellung In der Literatur, aber zum Teil auch in der Rechtsprechung, wird aus Gründen des Minderheitenschutzes das Stimmverhalten eines verantwortungsvoll handelnden Aufsichtsratsmitglieds als Maßstab vorgeschlagen.231 Die Figur des verantwortungsvoll handelnden Organmitglieds befürwortend, lehnte das OLG Oldenburg232 eine empirische Feststellung oder eine Vernehmung der Aufsichtsratsmitglieder ab. Die zum Entscheidungszeitpunkt bestehende Situation für die Aufsichtsratsmitglieder könne „bei dem nunmehr vorhandenen Wissensstand nicht mehr hergestellt bzw. simuliert werden“.233 Stattdessen solle entscheidend sein, wie sich ein verantwortlich handelndes, seine Aufsichtsfunktion sorgfältig wahrnehmendes Aufsichtsratsmitglied verhalten hätte und welche Entscheidung bei vollständiger, zutreffender Information von ihm zu erwarten gewesen wäre.234 Relevant wären dann fiktive, idealtypische Aufsichtsratsmitglieder und nicht die Realen.235 (bb) Würdigung Diese Herangehensweise führt jedoch zu der Prüfung, ob materiell die Voraussetzungen für einen solchen Beschluss bestanden, mithin, ob dieser überhaupt 231 OLG Oldenburg, Urteil vom 22.06.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 438; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.09.2021, § 93 Rn. 265 (Stand: 01.02.2022 jedoch nun für eine empirische Feststellung); vgl. ders., DStR 2009, 1204, 1209; ders., NJW 2009, 2337, 2339 f.; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 93; ders., in: Festschrift Johannes Köndgen, 2016, 329, 343 ff.; Böttcher, NZG 2007, 481, 485. 232 OLG Oldenburg, Urteil vom 22.06.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434. 233 OLG Oldenburg, Urteil vom 22.06.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 438. 234 OLG Oldenburg, Urteil vom 22.06.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434. 235 Wilsing/von der Linden, NZG 2018, 1416, 1417.

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gefasst werden durfte.236 Gerade mit Blick auf das dem Aufsichtsrat eingeräumte unternehmerische Ermessen erscheint es nicht überzeugend, die hypothetische Aufsichtsratsentscheidung durch eine nach Wertungsgesichtspunkten zu treffende Entscheidung, wie ein „verantwortungsvoll handelnder Aufsichtsrat“ gehandelt hätte, oder durch eine simple Prüfung der materiellen Voraussetzungen zu ersetzen. Problematisch ist dabei auch der Begriff „verantwortungsvoll“. Im Rahmen des unternehmerischen Ermessens gibt es keine „richtige“ oder „falsche“ Entscheidung. Wäre aus ex ante Sicht sowohl eine Erteilung als auch eine Verweigerung der Zustimmung vom Ermessen erfasst, sind beide Entscheidungen als „verantwortungsvoll“ anzusehen.237 Der erwähnte hindsight bias der Aufsichtsratsmitglieder existiert zwar; dies gilt jedoch auch für das Gericht. Zudem vermögen Beweisschwierigkeiten prozessuale Erleichterungen, aber keine Änderung des materiellen Rechts zu rechtfertigen.238 Trotz des Grundprinzips, dass Ermessensentscheidungen nur begrenzt gerichtlich überprüfbar sind, würde die freie Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats de facto durch die Entscheidung des Gerichts ersetzt werden.239 In Hinblick auf die teils erheblichen Bedenken kann die Figur des verantwortungsvoll handelnden Aufsichtsrats für einen Nachweis nicht als geeignet angesehen werden. Da der Vorstand aber durch seine Missachtung der Kompetenzvorschriften erst die Veranlassung zum Verfahren gegeben hat, kann man die erheblichen Beweishürden nicht als unzumutbare Belastung ansehen.240 (d) Zwischenfazit Es kann festgestellt werden, dass eine nachträgliche Befragung aus rechtlicher Sicht geeignet ist, der Darlegungs- und Beweislast zu genügen, die verschiedenen praktischen Schwierigkeiten schließen eine erfolgreiche Beweisführung aber wohl aus. (e) Grenzen des Handlungsspielraums Von maßgeblicher Bedeutung sind bei Abstellung auf das hypothetische Abstimmverhalten des Aufsichtsrats die Grenzen des eingeräumten Ermessens. So könnten Fälle bestehen, in denen das Ermessen auf Null reduziert ist, also eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Zustimmung oder Versagung besteht. In diesem Fall könnte ohne Weiteres auch im Nachhinein die Entscheidung des Aufsichtsrats ermittelt werden. 236 Vgl. für den Fall nach § 15 Abs. 3 WpHG Koch, in: Festschrift Johannes Köndgen, 2016, 329, 344, der von der Konstruktion einer Legalausnahme spricht. 237 Scholz, AG 2020, 453, 456. 238 Scholz, AG 2020, 453, 456. 239 M. Goette, ZGR 2019, 324, 336. 240 M. Goette, ZGR 2019, 324, 336.

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(aa) Grundsätzliches Nach den §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 S. 1 AktG besteht für den Aufsichtsrat ein unternehmerisches Ermessen für unternehmerische Entscheidungen.241 Bereits in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung hat der BGH neben dem unternehmerischen Ermessen des Vorstands anerkannt, dass dem Aufsichtsrat ein unternehmerisches Ermessen nur insoweit zusteht, „wie das Gesetz auch ihm unternehmerische Aufgaben überträgt [. . .], d. h. überall dort, wo er die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend mitgestaltet“.242 Auch beim Aufsichtsrat richtet sich das unternehmerischen Ermessen in Fragen der Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierten Business Judgment Rule.243 Wie der BGH im Jahr 1997 entschied, hat auch die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung zu nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG unter Zustimmungsvorbehalt stehenden Geschäften unternehmerischen Charakter.244 Bei der Beurteilung einer hypothetischen Zustimmung sind durch den Tatrichter zwei äußere Grenzen zu berücksichtigen: auf der einen Seite eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Zustimmung und andererseits eine Pflicht zur Versagung der

241 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 39; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 59 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 116 Rn. 67; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 116 Rn. 45 ff.; ders., ZIP 2006, 349, 350 f.; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 5; Bürgers/Fischer, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, Rn. 12 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 116 Rn. 13; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, §116 Rn. 8; Groß-Bölting/Rabe, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 116 Rn. 38 ff.; Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 516; Fonk, ZGR 2006, 841, 865 ff.; Hüffer, NZG 2007, 47, 48; Ihrig, WM 2004, 2098, 2106 f.; Kropff, in: Festschrift Thomas Raiser, 2005, 225, 228 ff.; Lutter, ZIP 2007, 841, 846 f.; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; monographisch Göppert, Die Reichweite der Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 2010, 118 ff. 242 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1928. 243 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 Rn. 39. 244 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926; in der Literatur ganz herrschende Meinung: Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 144; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 713; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 111 Rn. 111; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 111 Rn. 90; Bürgers/Fischer, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, Rn. 26; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, §111 Rn. 94; Henssler, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 111 Rn. 22; vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 3 Rn. 126; Fonk, ZGR 2006, 841, 861; Grooterhorst, NZG 2011, 921, 923; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, 48 ff.; Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH, 2000, 123, 129; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1996, S. 121 f. Rn. 212.

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Zustimmung.245 Sind diese Grenzen nicht erreicht, kann ein unternehmerischer Handlungsspielraum des Aufsichtsrats in der Frage bestehen, ob er seine Zustimmung erteilt oder versagt.246 Der Aufsichtsrat solle die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne vom § 111 Abs. 4 S. 2 AktG im Rahmen einer präventiven Kontrolle begleitend mitgestalten.247 (bb) Pflicht zur Zustimmung Eine Zustimmungspflicht für den Aufsichtsrat könne aufgrund des bei jedem Geschäft bestehenden Risikos nur selten angenommen werden.248 Liegt der Ausnahmefall einer Pflicht zur Einwilligung vor, so ist laut BGH der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erfolgreich und der Vorstand haftet nicht.249 (cc) Pflicht zur Versagung Die zweite äußere Grenze werde dagegen erreicht, wenn die Aufsichtsratszustimmung ex ante betrachtet pflichtwidrig gewesen wäre. Dieser Fall liege vor, „wenn eine zustimmungspflichtige Maßnahme gegen Gesetz oder Satzung verstoßen würde, so dass dem Aufsichtsrat schon gar kein unternehmerischer Handlungsspielraum zusteht“.250 Eine weitere Möglichkeit ist, dass das Geschäft zu einem, vom unternehmerischen Handlungsspielraum bei der Entscheidung nicht mehr umfassten, Schaden der Gesellschaft führen würde.251 Nicht ausreichend ist dabei nach dem BGH eine wirtschaftlich unmittelbare Nachteiligkeit der zustimmungspflichtigen Handlung. Auch ein solches Geschäft könne noch vom unternehmerischen Ermessen gedeckt sein. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn langfristige Vorteile zu erwarten seien252, oder aber aufgrund von Gemeinwohlbelangen.253 Der BGH lehnt die Möglichkeit einer Entlastung durch eine hypothetische, dann pflichtwidrige Zustimmung ab, wenn der Aufsichtsrat verpflichtet wäre, 245 BGH vom 10.07.02018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 51; hierzu auch Wilsing/von der Linden, NZG 2018, 1416. 246 Vgl. BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 50 ff. 247 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1928; BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 50; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 95 Rn. 2. 248 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 51. 249 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 51. 250 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 51. 251 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 52. 252 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 f. Rn. 54; vgl. hierzu Wiersch, NZG 2013, 1206; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 116. 253 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 f. Rn. 54.

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Kap. 3: Kausalität

seine Zustimmung zu verweigern.254 Dies würde dem Schutzzweck des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG widersprechen.255 Die Berufung auf eine hypothetische pflichtwidrige Kontrollmaßnahme kann nicht die Kontrolle ersetzen, die durch eine Missachtung des Zustimmungsvorbehalts unterlaufen wurde.256 (dd) Ermessensspielraum zwischen den Grenzen Hauptanwendungsfall des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens sei der Bereich, in dem der Aufsichtsrat ein unternehmerisches Ermessen hat und die Entscheidung nicht materiell-rechtlich determiniert ist.257 (ee) Stellungnahme Zuzustimmen ist der Judikatur des BGH im Falle einer Versagungspflicht. Nicht notwendig ist es dabei, auf den Schutzzweck des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zu verweisen. Auch bei erteilter Zustimmung würde der Vorstand im Fall einer Versagungspflicht des Aufsichtsrats für gewöhnlich haften. Dies gilt sowohl für gesetzeswidrige Maßnahmen als auch für Geschäfte, bei denen der Aufsichtsrat bei einer Zustimmung selbst pflichtwidrig handeln würde.258 Denn der Vorstand ist bei einer Maßnahme, die nach § 93 Abs. 1 AktG pflichtwidrig ist und der Gesellschaft Schaden zugefügt hat, auch schadensersatzpflichtig, wenn der Aufsichtsrat zugestimmt hat. Wie § 93 Abs. 4 S. 2 AktG festlegt, schließt eine Billigung durch den Aufsichtsrat die Ersatzpflicht nicht aus.259 Bei einer hypothetischen Zustimmung kann alleiniger Maßstab über die Pflichtwidrigkeit nur der Inhalt der Entscheidung sein. Hier ist anzunehmen, dass eine Entscheidung, die für den Aufsichtsrat pflichtwidrig ist, da sie mit dem Gesellschaftswohl unvereinbar ist, durch den Vorstand erst recht nicht getroffen werden durfte.260 Problematischer ist dagegen die Annahme des BGH, dass der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens immer Erfolg hat, wenn eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats vorgelegen hat. Hierbei ist der Grundgedanke des Einwandes heranzuziehen, dass der Schädiger nicht haftet, wenn der Schaden auch bei 254

BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 52. Vgl. Ausführungen zum Schutzzweck des Zustimmungsvorbehalts in Kapitel 3, B., II., 3., b). 256 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1194 Rn. 52. 257 Vgl. Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 516; Scholz, AG 2020, 453, 456. 258 Scholz, AG 2020, 453, 455. 259 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 71; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 111 Rn. 96; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 145; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 111 Rn. 113; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 766. 260 Scholz, AG 2020, 453, 455. 255

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pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Dafür ist Voraussetzung, dass es nicht pflichtwidrig ist, wenn der Vorstand trotz einer nicht erteilten Zustimmung handelt, solange die Zustimmung pflichtwidrig verweigert wurde. Ist die Missachtung des Aufsichtsrats auch pflichtwidrig, wenn die Zustimmung zu Unrecht verweigert wurde, kann der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht erfolgreich sein.261 Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, darf der Vorstand die Maßnahme im Innenverhältnis nicht durchführen. Zwar lässt dies die Vertretungsbefugnis des Vorstands grundsätzlich unberührt, der Vorstand handelt aber pflichtwidrig, wenn er den Zustimmungsvorbehalt oder gar die Verweigerung der Zustimmung missachtet.262 Wenn die Verweigerung der Zustimmungserteilung selbst pflichtwidrig war, könnte der betreffende Aufsichtsratsbeschluss zwar nichtig sein263, dennoch darf der Vorstand das Geschäft mangels der Zustimmung des Aufsichtsrats nicht vornehmen.264 Einzige Ausnahme ist, dass er durch das Unterlassen selbst seine Pflichten zur rechtmäßigen Amtsführung und zur Sorge für ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten verletzt.265 Eine pauschale Zulassung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens kann aber nicht überzeugen.266 (2) Nachweis der hypothetischen Hauptversammlungszustimmung Nachdem die Nachweismöglichkeiten bezüglich der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung untersucht wurden, soll dies nachfolgend auch bezüglich einer hypothetischen Hauptversammlungszustimmung geschehen. Betrachtet werden die bereits bekannten Nachweismöglichkeiten aus der Untersuchung der Aufsichtsratszustimmung. (a) Entscheidungspraxis Wie bei der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung scheidet eine Ermittlung mithilfe der Entscheidungspraxis der Hauptversammlung aus. Bei Aktionären ist 261

Scholz, AG 2020, 453, 455. Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 147; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 72; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 752; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 111 Rn. 112; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 111 Rn. 64; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 111 Rn. 94 ff.; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, §111 Rn. 95 f. 263 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 111 Rn. 111. 264 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 72; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 111 Rn. 111; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, § 111 Rn. 752. 265 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2012, § 111 Rn. 111. 266 Ebenfalls so Scholz, AG 2020, 453, 455. 262

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grundsätzlich eine noch größere Fluktuation als bei dem Aufsichtsrat denkbar. Eine Bindung der Hauptversammlung an vergangene Entscheidungen, die in anderer Zusammensetzung getroffen wurden, kann nicht angenommen werden. Während die Hinzuziehung des Aufsichtsrats in dem konkreten Sachverhalt aufgrund des Zustimmungsvorbehalts verpflichtend ist, handelt es sich bei der Befragung der Hauptversammlung um ein optionales Vorstandsrecht, welches dementsprechend eine seltenere Ausübung erfahren wird. Hiermit korrespondierend wird der Hauptversammlungsentscheidung nach § 111 Abs. 4 S. 3 AktG eine geringe Praxisrelevanz zugeschrieben.267 In den meisten Fällen wird es keine vergangenen Entscheidungen geben, deren zugrundeliegenden Umstände so ähnlich sind, dass Erkenntnisse für die Frage einer hypothetischen Zustimmung gewonnen werden können. Die Entscheidungspraxis ist für den Nachweis damit nicht tauglich. (b) Nachträgliche Befragung Auch im Fall der Hauptversammlung kommt eine nachträgliche Befragung in Betracht. Die Praktikabilität wird enorm von der Anzahl der Aktionäre abhängen. Handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft mit großem Aktionärskreis, wird es bereits aus logistischen Gründen praktisch unmöglich sein, eine nachträgliche Befragung durchzuführen. Handelt es sich um eine Aktiengesellschaft mit überschaubarer Anzahl von Aktionären, wird die Situation wieder vergleichbarer mit der des Aufsichtsrats. Auch hier ist indes der hindsight bias zu berücksichtigen.268 Ebenfalls besteht ein Interessenskonflikt: Als wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft werden die Aktionäre kein Interesse daran haben, den Vorstand zu entlasten und damit den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft zu vereiteln. Aus rechtlicher Perspektive ist die nachträgliche Befragung zwar geeignet, die Darlegungs- und Beweislast zu erfüllen. In der Realität wird es dem betroffenen Vorstand auch hier schwer fallen, den Nachweis zu erbringen. (c) Verantwortlich handelnde Hauptversammlung? Die im Rahmen der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung diskutierte Möglichkeit, sich an der Entscheidung eines verantwortlich handelnden Aufsichtsrats zu orientieren, ist für die Variante der Hauptversammlung nicht denkbar. Im Gegensatz zum Aufsichtsrat unterliegt die Hauptversammlung bei ihrer Entscheidungsfindung keinen Ermessensgrenzen. Die Wirkung des Haftungsausschlusses ist allein durch die Pflichtwidrigkeit der Herbeiführung oder Beschlussmängel

267 268

Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 3., c). Vgl. Ausführungen zum hindsight bias in Kapitel 3, B., II., 3., d), bb), (1), (b), (aa).

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begrenzt.269 Damit kann jedoch auch nicht festgestellt werden, wie eine „verantwortlich“ handelnde Hauptversammlung entschieden hätte. Wie bereits beim Aufsichtsrat, würde diese Figur zu einer wertenden Entscheidung des Gerichts führen, was in der jeweiligen Situation als verantwortlich angesehen werden kann. Dies widerspricht jedoch dem Grundgedanken des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Hier muss nachgewiesen werden, wie in der hypothetischen Situation entschieden worden wäre. Mithilfe des Maßstabs einer verantwortlich handelnden Hauptversammlung kann der Nachweis damit nicht erbracht werden. (d) Zwischenfazit Ähnlich der Aufsichtsratszustimmung kann hier nur die nachträgliche Befragung der Hauptversammlung die Darlegungs- und Beweislast des Einwands befriedigen. Auch hier bestehen jedoch eine Reihe praktischer Schwierigkeiten, die eine häufige haftungsbefreiende Geltendmachung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens durch den Vorstand unwahrscheinlich erscheinen lässt. e) Fazit zur Zulässigkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens Zwar lassen sich die Auffassungen der Gegenstimmen nicht allein durch den Hinweis entkräften, dass dem Schadensersatzrecht ein Sanktionsgedanke fremd sei. Die mit einer Sanktion beabsichtigte Schadensprävention und Verhaltenssteuerung sind anerkannte Zwecke des Organhaftungsrechts allgemein sowie des Haftungsanspruchs § 93 Abs. 2 S. 1 AktG im Speziellen.270 Die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches stellt jedoch nicht das einzig mögliche Instrument der Verhaltenssteuerung oder Prävention dar. Wie auch der BGH zutreffend darlegt, kann der Aufsichtsrat beispielsweise durch Ausübung seiner Personalkompetenz gegen die Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgehen.271 Ein Verstoß gegen §§ 82 Abs. 2, 111 Abs. 4 S. 2 AktG kann auch den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied aus wichtigem Grund gem. § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG oder eine Beschneidung seines Aufgabenbereichs gem. § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG zur Folge haben.272 Der Verletzung seiner Mitentscheidungskompetenz kann der Aufsichtsrat je nach Lage des Falles ebenfalls mithilfe der Unterlas-

269 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 333 ff. 270 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 3., a). 271 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 2417, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 44; ebenso Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 92; Fleischer, DStR 2009, 1204, 1208; ders., DB 2018, 2619, 2623; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2117. 272 Wilsing/von der Linden, NZG 2018, 1416, 1417.

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sungs- oder der Feststellungsklage entgegentreten.273 Einer Straflosigkeit aufgrund einer Zulassung des Einwandes widerspricht außerdem, dass der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens auf schadensrechtlicher Ebene angesiedelt ist. Rechtsbehelfe, wie der Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch des einzelnen Aktionärs, werden dadurch nicht beeinträchtigt, da sie sich nicht auf die Entstehung des Schadens, sondern auf die Pflichtwidrigkeit des Kompetenzverstoßes und die Pflichtverletzung beziehen.274 Aber auch unabhängig davon stellt die Zulassung des Einwandes keinen Freibrief für Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds dar. Der Einwand kann zwar einen Ausweg aus der Haftung bieten, aufgrund der hohen Beweishürde ist jedoch weiterhin von einem erheblichen Haftungsrisiko für pflichtverletzende Organmitglieder auszugehen. Denkbar ist eine nachträgliche Befragung der Aufsichtsratsmitglieder, um die hypothetische Zustimmung nachzuweisen. Hier sieht sich das betroffene Vorstandsmitglied indes mit einer Reihe praktischer Schwierigkeiten konfrontiert, die einen Nachweis in den meisten Fällen unmöglich machen werden. Hinzu kommt, dass nach der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung der Aufsichtsrat grundsätzlich verpflichtet ist, bei Pflichtverletzungen Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand durchzusetzen.275 Folge der Verwehrung des Einwandes wäre außerdem, dass die Haftung, trotz fehlender Zurechnung, allein durch die Pflichtverletzung eintreten würde. Dies würde faktisch zu einem im anglo-amerikanischen Raum anerkannten Strafschadensersatz führen (sog. punitive damages), der dem deutschen Recht fremd ist.276 4. Würdigung der Schloss-Eller-Entscheidung Nachdem eine eigene Untersuchung der Zulässigkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens in der aktienrechtlichen Vorstandsinnenhaftung vorgenommen wurde, soll nun auch mit Blick auf die eigenen Ergebnisse eine Würdigung der Schloss-Eller-Entscheidung vorgenommen werden. Der BGH wendet sich mit seiner Entscheidung gegen die herrschende Meinung in der Literatur, bewegt sich aber in den Fahrwassern der früheren Rechtsprechung.277 In der 273 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 112; ausführlich Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 384 ff.; Schwab, Das Prozeßrecht gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 2005, S. 601 ff.; anderer Ansicht Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 111 Rn. 72. 274 Habersack, in: Festschrift Eberhard Vetter, 2019, 183, 185; ausführlicher ders., Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 330 f. 275 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926. 276 Vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 44; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2117; Wilsing/von der Linden, NZG 2018, 1416, 1417. 277 BGH, Urteil vom 11.12.2006 – II ZR 166/05, NJW 2007, 917; BGH, Urteil vom 21.07.2008 – II ZR 39/07, NZG 2008, 783; vgl. Ausführung in Kapitel 3, B., II., 1., b).

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rechtswissenschaftlichen Literatur stieß die Entscheidung dennoch auf ein positives Echo.278 a) Zustimmung des Aufsichtsrats Eine zentrale Rolle in der Entscheidung spielt die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats der I.D.R. AG. Die Satzung der I.D.R. AG enthält in § 7 Zustimmungsvorbehalte. Unter anderem bedarf der Vorstand für die Ausführung von Bauten und Neuanschaffungen, soweit im Einzelfall 200.000 Euro überschritten werden, der Zustimmung des Aufsichtsrats.279 Hier hatte der Geschäftsführer zunächst die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt. In der Folgezeit wurden nach Überprüfung durch einen Denkmalpfleger die zu erwartenden Kosten deutlich nach oben korrigiert: Statt, wie ursprünglich geplant, 3.936.614 Euro, ging man für die Sanierung und den Ausbau des Wirtschaftshofs jetzt von Kosten aus, die 6.400.000 Euro übersteigen würden.280 Als sich abzeichnete, dass die Sanierungskosten deutlich höher ausfallen würden, bemühte sich der Geschäftsführer aber nicht um eine erneute Zustimmung. Für den BGH stellt dies eine Pflichtverletzung dar. Sehe sich der Vorstand nach eingeholter Zustimmung zur Vornahme wesentlicher inhaltlicher Änderungen des Geschäfts veranlasst, müsse er diese dem Aufsichtsrat mitteilen und um erneute Zustimmung ersuchen.281 Die Argumentation ist insoweit überzeugend, als sich die finanziellen Rahmenbedingungen, die der ursprünglichen Zustimmung des Aufsichtsrats zugrunde lagen, erheblich verändert haben, und die erteilte Zustimmung damit letztlich einen anderen Gegenstand betraf.282 Wann eine relevante Änderung des Geschäftsgegenstandes vorliegt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Besteht ein Zustimmungsvorbehalt, der an eine gewisse Summe anknüpft, wird eine Pflicht zur abermaligen Vorlage jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn die neu berechneten Kosten oder anfallende Mehrkosten die den Zustimmungsvorbehalt auslösende Grenze nochmals überschreiten.283 Die praxisrelevante Frage, wann im Einzelfall so erhebliche Veränderungen der Rahmenbedingungen vorliegen, dass eine erneute Zustimmung erforderlich ist, wird durch den BGH nicht beantwortet.284 Vorliegend hatten sich Kosten zum ursprünglichen Wert sogar verdrei278 „Machtwort“ Wilsing/von der Linden, NZG 2018, 1416; „wegweisend“ Fleischer, DB 2018, 2619, 2625; ebenso Goette, ZGR 2019, 324. 279 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189. 280 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189. 281 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1190 Rn. 14. 282 Wicke, in: Festschrift Eberhard Vetter, 2019, 907, 908; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand 01.02.2022, § 111 Rn. 97; siehe auch Fleischer, DB 2018, 2619, 2621. 283 Holle/Mörsdorf, NJW 2018, 3555, 3556. 284 M. Goette, ZGR 2019, 324, 327; vgl. hierzu auch Fleischer, DB 2018, 2619, 2621.

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Kap. 3: Kausalität

facht, weswegen unstrittig von einer erneuten Vorlagepflicht auszugehen ist. Mit der Missachtung des Zustimmungsvorbehalts überschreitet der Vorstand seine ihm aus § 93 Abs. 1 AktG zukommende Kompetenz und entspricht damit nicht mehr dem Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters.285 b) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bezogen auf die Aufsichtsratszustimmung Ob der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens konkret im Schloss-EllerFall zur Anwendung kommen kann, wird durch den BGH nicht entschieden. Diesbezüglich sei die Sache noch nicht endentscheidungsreif.286 Die Würdigung, ob der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens durchgreift, sei im Wesentlichen dem Tatrichter vorbehalten.287 Der BGH verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht, um diesem die Gelegenheit zu geben, den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag und Beweisaufnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des BGH zu würdigen.288 c) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bezogen auf die Hauptversammlungszustimmung Nicht behandelt wurde vom BGH die Frage, ob auch der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bezüglich eines hypothetischen zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses denkbar ist. Die Thematik wurde dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung und nicht dem des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugeordnet.289 Nach hier vertretener Auffassung ist der Einwand grundsätzlich auch bezüglich einer entlastenden Hauptversammlungszustimmung denkbar.290 Nachfolgend sollen mögliche Gründe für die Nichtberücksichtigung des BGH erörtert werden, bevor der Einwand konkret hinsichtlich der Schloss-Eller-Entscheidung geprüft wird.

285 Vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189; Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 210; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 25; ders., NJW 2009, 2337; allgemein Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH, 2000, 123, 133; vgl. auch Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 86. 286 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1195 Rn. 55. 287 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1193 Rn. 47. 288 BGH vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1195 Rn. 55. 289 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 2., c), aa). 290 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 3., c).

B. Rechtmäßiges Alternativverhalten

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aa) Möglicher Grund für eine Nichtberücksichtigung durch das Gericht Eine mögliche Erklärung für die Nichtberücksichtigung könnte im Sachvortrag des Beklagten liegen, der sich eben nicht auf die hypothetische Hauptversammlungszustimmung berufen hatte.291 Ein weiterer Erklärungsansatz besteht darin, dass diese Alternative nach dem Willen der Parteien nicht in Betracht kam, da Vorstand und Oberbürgermeister sich anscheinend einig waren, eine Zustimmung zu den erhöhten Projektkosten sei „politisch nicht durchsetzbar“.292 Dies erscheint plausibel. Wenn für alle Beteiligten eindeutig war, dass eine ausdrückliche Zustimmung des Alleinaktionärs politisch nicht durchsetzbar war, ist auch eine Berufung auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens fernliegend und nicht erfolgsversprechend. bb) Zustimmung der Hauptversammlung im Schloss-Eller-Fall Im konkreten Fall ist der Einwand damit abzulehnen. Die Klägerin hatte bestritten, dass der Beklagte, wie behauptet, mit dem Oberbürgermeister die geänderte Vorgehensweise „bis ins Detail“ abgesprochen hatte.293 Aber auch bei der Annahme einer Absprache ist zu berücksichtigen, dass das Konzept nach Aussage des Beklagten selbst damals „politisch nicht durchsetzbar“ war, weswegen es gegenüber dem Aufsichtsrat „streng vertraulich“ behandelt wurde.294 Dass der Oberbürgermeister in diesem politischen Klima einen offiziellen Hauptversammlungsbeschluss als Vertreter des Alleinaktionärs herbeiführt, kann bezweifelt werden.295 Auch lag hier kein Alleinaktionär vor, der „grundsätzlich schalten und walten kann, wie es ihm beliebt“.296 Es wären zumindest die Bindungen aus der Kommunalverfassung zu berücksichtigen gewesen.297 d) Abschließende Einschätzung Die Zulassung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens durch den II. Zivilsenat vergrößert das Arsenal an Verteidigungsmöglichkeiten für Vorstände, die sich einem Regressanspruch ausgesetzt sehen. Die Entscheidung 291

Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 522. So Krieger, in: Festschrift Ulrich Seibert, 2019, 511, 522 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189 Rn. 35. 293 Vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1191 Rn. 21 und OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2016 – 6 U 97/16, BeckRS 2016, 131770 Rn. 14. 294 BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1192 Rn. 35. 295 Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 508. 296 Vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – II ZR 24/17, NZG 2018, 1189, 1192 Rn. 35. 297 Kleindiek, in: Festschrift Gerd Krieger, 2020, 489, 508. 292

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Kap. 3: Kausalität

schafft Rechtssicherheit in einer im Schrifttum seit geraumer Zeit ungeklärten Frage. Begrüßenswert entscheidet sich der BGH dabei für den bereits eingeschlagenen Weg in entsprechenden Fällen der GmbH sowie der GmbH & Co. KG. Damit verhindert er, dass Kompetenzverstöße zu einem „Glücksfall“ für die Gesellschaft werden können, da sie, auch ohne kausal gewesen zu sein, einen Haftungsanspruch ermöglichen.298 Von einem „Freibrief“ für Vorstände zur Missachtung der Kompetenzordnung kann trotz der neuen Verteidigungsmöglichkeit nicht gesprochen werden. Zum einen bestehen für den Aufsichtsrat neben dem Schadensersatzanspruch weitere Sanktionsmöglichkeiten, zum anderen gewährleisten die hohen Hürden der Darlegungs- und Beweislast, dass der Einwand nur selten haftungsbefreiend zum Zuge kommen wird. Hierbei zeigt sich, dass die Entscheidung die Debatte zum rechtmäßigen Alternativverhalten nicht vollständig beendet hat: Zumindest bezüglich der Darlegungs- und Beweismöglichkeiten wird die Diskussion andauern. Damit besteht neben der Systemkonsistenz ein weiterer Grund, die Entscheidung zu begrüßen. Gestärkt wird die Position des Aufsichtsrats, dessen unternehmerische Entscheidungskompetenz durch den BGH hervorgehoben wurde, indem die Aufsichtsratsentscheidung nicht gerichtlich ersetzt wird.299

III. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Der BGH führt mit dem Schloss-Eller-Urteil seine Rechtsprechungslinie bezüglich des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens fort und entscheidet damit entgegen der wohl herrschenden Ansicht im Schrifttum. 2. Der Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG verfolgt zwar auch präventive Zwecke. Originäre Aufgabe des Anspruchs ist indes der Ausgleich des Schadens. Die nur nachrangige Präventionsfunktion vermag den Weg für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht zu versperren. 3. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist grundsätzlich in zwei Varianten denkbar. Die erste Variante entspricht dem Einwand eines beklagten Vorstandsmitglieds, der Schaden wäre auch eingetreten, wenn die verletzte Verfahrens- oder Kompetenzvorschrift eingehalten worden wäre. Die zweite Variante stellt dagegen der Einwand dar, die Hauptversammlung hätte haftungsentlastend dem (kompetenzwidrigen) Vorgehen des beklagten Vorstands zugestimmt. 4. Die Untersuchung des in der ersten Variante maßgeblichen Schutzzwecks der verletzten Norm führt zu dem Ergebnis, dass auch dieser eine Berufung auf

298 299

So auch M. Goette, ZGR 2019, 324, 331; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2117. Ähnlich Weißhaupt, ZIP 2019, 202, 205.

C. Kollegialentscheidungen

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den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht sperrt. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist damit grundsätzlich auch bei der Verletzung von Kompetenz-, Organisations- und Verfahrensverstößen anwendbar. 5. Auch der Einwand des hypothetischen Hauptversammlungsbeschlusses ist grundsätzlich zuzulassen. Gesichtspunkte, die allgemein eine unterschiedliche Behandlung zwischen der ersten und zweiten Variante des Einwands verlangen, sind nicht ersichtlich. 6. Die Befragung der maßgeblichen Aufsichtsratsmitglieder stellt die einzige Möglichkeit für den beklagten Vorstand dar, die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens bezüglich der Verletzung des Zustimmungsvorbehalts zu erfüllen. 7. Ähnlich wie bei der Aufsichtsratszustimmung kann auch bei der hypothetischen Hauptversammlungszustimmung nur die nachträgliche Befragung der Hauptversammlung die Darlegungs- und Beweislast des Einwands befriedigen. Auch hier bestehen jedoch eine Reihe praktischer Schwierigkeiten, die eine häufige haftungsbefreiende Geltendmachung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens durch den Vorstand unwahrscheinlich erscheinen lässt.

C. Kollegialentscheidungen Seit Jahren treuer Begleiter (straf-)rechtlicher Diskussionen rund um die Kausalität ist die Frage der Zurechnung bei Kollegialentscheidungen. Das vor allem durch die Lederspray-Entscheidung des BGH bekanntgewordene Diskussionsfeld300 fristet im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum bisweilen ein Schattendasein,301 obwohl Fällen der Organhaftung häufig Kollegialentscheidungen zugrunde liegen.302 Die Leitung großer Gesellschaften durch Einzelne ist oftmals nicht möglich, weswegen der Vorstand regelmäßig aus einer Mehrzahl an Mit-

300 BGH, Urteil vom 06.07.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990, 2560; vgl. die Urteilsbesprechungen von Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737 ff.; Hilgendorf, NStZ 1994, 561; Kuhlen, NStZ 1990, 566; Puppe, JR 1992, 27, 30 ff.; Schmidt-Salzer, NJW 1990, 2966; monographisch Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 62 ff.; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen, 1994, S. 260 ff.; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Gremienentscheidungen in Unternehmen, 2001, S. 107 ff.; Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, 1996, S. 23 ff., hierzu auch Fleischer, BB 2004, 2645. 301 Siehe die jeweils knappen Ausführungen in Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 414; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 197; siehe bereits Sonnenberger, GmbHR 1973, 25, 29 f., dieser jedoch nicht zur Problematik der Kausalität; ebenso Fleischer, BB 2004, 2645. 302 Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717.

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Kap. 3: Kausalität

glieder besteht.303 Wird im Wege einer Kollegialentscheidung ein rechtswidriger Beschluss getroffen, stellt sich die Frage der Zurechnung des daraus entstehenden Schadens an die einzelnen Organmitglieder indessen gerade im Gesellschaftsrecht. Im Falle einer deutlichen Beschlussmehrheit erscheint es dabei auf den ersten Zugriff, unter Heranziehung der Äquivalenztheorie, naheliegend, dass sich jedes Vorstandsmitglied entlasten können muss. Denn blendet man die Stimmabgabe des einzelnen Vorstandsmitglieds aus, bleibt der Beschluss inklusive des daraus resultierenden Schadens bestehen.304 Nach wohl herrschender Meinung305 soll dieses Ergebnis keinen Bestand haben; die dogmatische Begründung der Kausalität ist jedoch unklar. Instruktive Abhandlungen – auch in monographischer Form – sind schwerpunktmäßig im Strafrecht anzutreffen,306 weshalb sich ein Binnenrechtsvergleich anbietet, um hieraus auch für das Zivilrecht Honig zu saugen. Im Anschluss an eine kurze Einführung der Terminologie und der Beleuchtung des dogmatischen Umfelds werden die im zivilrechtlichen Schrifttum vertretenen Zurechnungsansätze auf ihre Tauglichkeit zur Problemlösung hin untersucht. Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse in einer eigenen Stellungnahme zusammengeführt. Hierauf schließt sich eine Beleuchtung einzelner strafrechtlicher Ansätze zur Kausalitätszurechnung in Konstellationen der Gremienentscheidungen an. Enthalten ist dabei eine Darstellung der Differenzen des Kausalitätsverständnisses im Straf- und im Zivilrecht in Bezug auf die Übertragbarkeit der Ansätze auf hiesige zivilrechtliche Fragestellungen. Die Untersuchung befasst sich dabei insbesondere mit der Haftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG. Für den Aufsichtsrat gilt § 93 Abs. 2 AktG nach § 116 AktG entsprechend. Die gewonnen Erkenntnisse sind damit grundsätzlich bei Haftungsfragen des Aufsichtsrats anwendbar.

303 Fleischer, BB 2004, 2645; vgl. auch § 76 Abs. 2 S. 2 AktG: „Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, dass er aus einer Person besteht.“ 304 Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 1, § 1 Rn. 66. 305 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2022, § 93 Rn. 271; ders., BB 2004, 2645, 2647; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 414; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 23; a. A.: Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, 1969, S. 113 ff.; Nettesheim, BayVbl. 1998, 161, 165. 306 Siehe Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001; Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen, 1994, S. 260 ff.; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Gremienentscheidungen in Unternehmen, 2001, S. 107 ff.; Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, 1996, S. 23 ff.

C. Kollegialentscheidungen

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I. Skizzierung des dogmatischen Umfelds Die Organhaftung begründet eine Haftung aufgrund individueller Pflichtverletzung.307 Anknüpfungspunkt ist nicht die Handlung des Organs, sondern die persönliche Handlung der Organmitglieder.308 Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des aktienrechtlichen Haftungstatbestands des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, der von einer Haftung der Vorstandsmitglieder spricht, „die ihre Pflichten verletzen“. Eine Zurechnung von Pflichtverletzungen anderer Organmitglieder bzw. deren schuldhaften Verhaltens findet nicht statt.309 Darüber hinaus existieren keine einschlägigen Zurechnungstatbestände, weswegen für eine mögliche Ersatzpflicht lediglich das individuelle Verhalten eines Vorstandsmitglieds von Relevanz ist.310 Dieses Ergebnis steht mit dem in § 76 Abs. 1 AktG festgeschriebenem Prinzip der Gesamtverantwortung des Vorstands im Einklang. Aus dem Prinzip der Gesamtverantwortung werden insbesondere zwei voneinander zu trennende Grundsätze abgeleitet. Zum einen ist eine Delegation von Kompetenzen, die dem Vorstand in seiner Gesamtheit zustehen, auf einzelne Vorstandsmitglieder unzulässig.311 Zum anderen verbleibt bei jedem Vorstandsmitglied, über seinen engeren Aufgabenbereich hinaus, eine gewisse Restverantwortung in Form einer Überwachungspflicht.312

307 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 68; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2022, § 93 Rn. 250; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 57; ders., BB 2004, 2645; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 230; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 48; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rn. 370; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717 f. 308 Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 718; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1450. 309 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 49; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2021, § 93 Rn. 250; ders., NZG 2003, 449, 453; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rn. 370; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 108; Wiesner, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 5, 4. Aufl. 2020, § 26 Rn. 14; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 718. 310 Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 718. 311 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 77 AktG Rn. 18; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 76 Rn. 71; ders., NZG 2003, 449, 450; Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 31; Mertens/ Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 77 Rn. 25; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 33 und 63. 312 Fleischer, NZG 2003, 449, 450; ders., ZIP 2009, 1397, 1399; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 77 Rn. 34; Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 37; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 77 AktG Rn. 15, 15a; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 5, 4. Aufl. 2020, § 22 Rn. 26; zum Ganzen Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 718.

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Kap. 3: Kausalität

Jedes Vorstandsmitglied hat die Pflicht, sich um eine ordnungsgemäße und rechtmäßige Tätigkeit des gesamten Vorstands zu bemühen und ist verpflichtet, rechtswidrige Entscheidungen – soweit ihm möglich – zu verhindern.313 Anders ausgedrückt haben sich die Vorstandsmitglieder in gebührender Form gegenseitig zu überprüfen. Wird diese Kontrollpflicht nicht erfüllt, droht eine Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG. Somit sehen sich Vorstandsmitglieder (nur) mittelbar einer Haftung für die Handlung anderer Vorstandsmitglieder ausgesetzt.314 Ein aus mehreren Personen bestehender Vorstand trifft seine Entscheidungen durch formfreien Beschluss.315 In diesem Fall sind die Vorstandsmitglieder nach § 77 Abs. 1 S. 1 AktG nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Die Folge der notwendigen Einstimmigkeit des Beschlusses wird als „schwerfällig“ 316 wahrgenommen. Nach S. 2 wird deshalb die Möglichkeit der Bestimmung einer Abweichung in der Geschäftsordnung eröffnet.

II. Fallgruppen Nun sollen die relevanten Fallgruppen der Gremienentscheidung in Bezug auf die sich dabei ergebenden Kausalitätsprobleme untersucht werden. Beim Abstimmungsverhalten lässt sich in Bezug auf einen rechtswidrigen Beschluss zwischen einem zustimmenden Votum, einer Enthaltung und einem ablehnenden Votum differenzieren. 1. Haftung nach zustimmendem Votum Zunächst soll die Kausalität im Rahmen einer zustimmenden Stimmabgabe untersucht werden. Bereits auf den ersten Blick zeigt sich, dass die Feststellung der Kausalität der Stimmabgabe der einzelnen Vorstandsmitglieder bei vorhandenen „überschüssigen“ Stimmen Probleme bereitet. Während bei einer knappen Mehrheit bereits durch das Wegdenken einer Stimme der durch den Beschluss verursachte Erfolg entfiele, kann im Falle eines größeren Stimmüberschusses der Mehrheit eine Stimme im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel weggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele.317 Die Conditio-Formel erweist sich als

313

Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 719. Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717, 719. 315 Vgl. Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 77 Rn. 6; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 Rn. 24; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 77 Rn. 33; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Bd. 5, 4. Aufl. 2020, § 22 Rn. 11; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 21. 316 So Fleischer, BB 2004, 2645, 2647; siehe auch Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 20. 317 Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 83. 314

C. Kollegialentscheidungen

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unzureichend,318 wenn eine Mehrzahl hinreichender Erfolgsbedingungen zeitgleich bestehen: Keine der Einzelhandlungen ist erforderliche Bedingung des Erfolges.319 Hierbei handelt es sich um Fälle sog. kausaler Überbestimmtheit,320 auch Doppelkausalität genannt.321 a) Einordnung aa) Kausale Überbestimmtheit des Erfolgs Kausale Überbestimmtheit des Erfolgs bezeichnet Konstellationen, in denen zwei Kausalketten unabhängig voneinander auf einen einheitlichen Kausalprozess einwirken.322 Bei einer tatsächlichen kausalen Überbestimmtheit kann auch durch die eingehendste Untersuchung des Geschehens nicht aufgeklärt werden, welche der Ursachen den Erfolg begründet hat.323 Prominent ist hier der Fall von durch zwei Täter abgeschossenen Projektilen, die zeitgleich das Herz des Opfers treffen und unabhängig voneinander sofort den Tod verursachen.324 bb) Teilweise Überbestimmtheit Im Gegensatz zur gerade beschriebenen Überbestimmtheit ist bei Gremienentscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip nicht jede Einzelursache für sich hinreichend, um den Erfolg zu bewirken. Stattdessen liegt eine teilweise Überbestimmtheit vor.325 Bei der Figur der teilweisen Überbestimmtheit liegt eine Kombination der Gesamt- und Doppelkausalität vor. Bei der Gesamtkausalität tritt der Erfolg aufgrund des Zusammenkommens verschiedener, einzeln unschädlicher Handlungen ein. Da der Erfolg erst durch das Zusammentreffen mehrerer Handlungen entsteht, bestehen in den verschiedenen Handlungen dementsprechend mehrere Möglichkeiten den Erfolg zu vermeiden. Im Fall der Doppelkausalität tritt der 318 Zu den Defiziten einer alleinigen Anwendung der conditio-Formel im Allgemeinen schon unter: Kapitel 3, A., I. 319 Röckrath, NStZ 2003, 641, 643 f. 320 Aus strafrechtlicher Sicht hierzu Jakobs, in: Festschrift für Lackner, 1987, 53, 63 ff.; vgl. auch Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 29 ff.; ders., NStZ 2003, 641, 643 f. 321 Vgl. Schulin, Der natürliche – vorrechtliche – Kausalitätsbegriff im zivilen Schadensersatzrecht, 1976, S. 2, 41; Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 29. 322 Röckrath, NStZ 2003, 641, 645. 323 Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 29. 324 Vgl. Toepel, Kausalität und Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1992, S. 66; Weckerle, Die deliktische Verantwortlichkeit mehrerer, 1974, S. 100, 103; Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 29. 325 Röckrath, NStZ 2003, 641, 645.

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Kap. 3: Kausalität

Erfolg dagegen nur nicht ein, wenn alle Beteiligten pflichtgemäß handeln. Bei einer Gremienentscheidung nach dem Mehrheitsprinzip können beide Elemente vorgefunden werden. Der Erfolg kann nur dann abgewendet werden, wenn wenigstens eine Mehrheit gegen den pflichtwidrigen Beschluss stimmt.326 Während die gerade ausreichende Mehrheit von jeder Stimme abhängig ist, müssen bei einer „soliden“ Mehrheit mehrere Votierende anders abstimmen. Daraus ergibt sich die Einstufung als teilweise Überbestimmtheit. Zwar müssen bei einer teilweisen Überbestimmtheit nicht alle Votierenden pflichtgemäß abstimmen, sondern nur so viele, wie notwendig sind, um den rechtswidrigen Beschluss zu verhindern. Wenn die Rechtsordnung zum Schutz eines Rechtsguts parallele Pflichten anordnet, müssen diese aber, soweit zur Erfolgsverhinderung notwendig, auch parallel erfüllt werden. Bei einer Abstimmung kann sich demnach ein einzelnes Gremiumsmitglied nicht darauf berufen, dass seine Stimme zur Verhinderung des schädigenden Beschlusses nicht notwendig war.327 b) Zivilrechtliche Ansätze Nachdem das gesellschaftsrechtliche Umfeld von Kollegialentscheidungen skizziert worden ist, besteht eine ausreichende Grundlage, um sich intensiv den Fragen der Kausalität zu widmen. Die Frage der Kausalität wurde zwar schwerpunktmäßig im Strafrecht beleuchtet, hat darüber hinaus aber auch Eingang in den zivilrechtlichen, insbesondere aktienrechtlichen, Diskurs gefunden. Dementsprechend gilt es, die originär zivilrechtlichen Ansätze darzustellen und abzuklopfen. aa) Aktienrechtliche Binnenhaftung (1) Darstellung Kausalitätsprobleme im Rahmen der Binnenhaftung, also der Haftung des Organs/Vorstands gegenüber der Gesellschaft, lassen sich nach Fleischer328 allein auf Basis spezifisch/genuin aktienrechtlicher Wertungen bewältigen. Im Innenverhältnis sei jedes Vorstandsmitglied gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Hieraus wird die sog. Legalitätspflicht abgeleitet, sprich die Pflicht jedes Vorstandsmitglieds, sich bei der gesamten Amtsführung gesetzestreu zu verhalten.329 326

So bereits Röckrath, NStZ 2003, 641, 645. Fleischer, BB 2004, 2645, 2647; Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 44; vgl. auch Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen, 2001, S. 96 ff. 328 Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; ders., in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 272. 329 Vgl. Ausführungen zu Legalitätspflicht und zum Pflichtenkanon in Kapitel 3, B., II., 3., b), aa), (2). 327

C. Kollegialentscheidungen

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Außerdem seien die Vorstandsmitglieder nach § 82 Abs. 2 AktG verpflichtet, die Kompetenzen der jeweiligen Organe einschließlich der von der Satzung und der Geschäftsordnung vorgegebenen Grenzen zu beachten.330 Die Legalitätspflicht erfasse dabei alle Rechtsgebiete. Der teilweise vorgenommenen Unterscheidung nach Art der Vorschriften ist entgegenzuhalten, dass es keine zweitklassigen Rechtsnormen gibt.331 Mit Verweis auf eine Entscheidung des BGH vom 14.03.1983 stellt Fleischer fest, dass die in § 93 Abs. 2 AktG angeordnete „Solidarhaftung“ so verstanden werden könne, dass die jeweiligen Organwalterpflichten nebeneinander bestehen und parallel erfüllt werden müssen.332 Kein Vorstandsmitglied könne gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis ein Mitverschulden eines anderen Organmitglieds einwenden.333 Dementsprechend könne es sich auch nicht darauf berufen, dass sein pflichtgemäßes Stimmverhalten zur Vermeidung des schädlichen Beschlusses nicht zwingend erforderlich gewesen wäre.334 (2) Würdigung Dieser prima facie simplen und praktischen Lösung für die aktienrechtliche Binnenhaftung in Kollegialentscheidungen kann nicht vollumfänglich zugestimmt werden. Beizupflichten ist Fleischer zunächst hinsichtlich der Grundfesten der aktienrechtlichen Binnenhaftung. Richtig ist, dass kein Vorstandsmitglied gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis ein Mitverschulden eines anderen Organmitglieds einwenden kann, um seine eigene Schadensersatzpflicht zu mindern. Dies hat der BGH im von Fleischer zitierten Urteil vom 14.03.1983

330 Hierzu eingehend Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 86. 331 Fleischer, ZIP 2005, 141, 149, der das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht wie „Normen zweiter Klasse“ behandeln will; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 520 f.; ähnlich Ihrig, WM 2004, 2098, 2105: „ob diese Differenzierung zwischen strikten und nicht strikten Legalitätspflichten überzeugt, ist zweifelhaft“; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173; Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294; nach Art der Vorschrift differenzierend Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, 25; zustimmend W. Müller, in: Liber amicorum Wilhelm Happ, 2006, 179, 181. 332 So Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; ders., in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 272 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 14.03.1983 – II ZR 103/82, NJW 1983, 1856. 333 Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; ders., in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 267 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 14.03.1983 – II ZR 103/82, NJW 1983, 1856; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. November 1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 237; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 404; Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2. Aufl. 2009, 713, 736. 334 Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; Röckrath, NStZ 2003, 641, 646; siehe auch Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 414.

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Kap. 3: Kausalität

völlig zutreffend herausgearbeitet/festgestellt.335 Fleischer scheint dabei aus dem in der Entscheidung festgestellten Grundsatz den Rückschluss zu ziehen, dass es nicht erforderlich ist, eine individuelle Kausalität der Stimmabgabe zum Erfolg nachzuweisen. Dies stellt einen Widerspruch zu dem anerkannten Prüfungsaufbau dar, der eine Trennung zwischen den Tatbestandsmerkmalen Pflichtverletzung und Kausalität vorsieht. Eine derartige Ausnahme scheint in der Entscheidung nicht angelegt zu sein, Fragen der Kausalität waren nicht Gegenstand des Verfahrens. Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, inwiefern die Konstellation der Kollegialentscheidung eine Abweichung der Trennung zwischen Pflichtverletzung und Kausalität rechtfertigt. Demnach liegt der Schluss Fleischers nicht auf der Hand und hätte einer ausführlichen Begründung bedurft. Das Bestehen paralleler Pflichten für die Vorstandsmitglieder entbindet nicht von der Voraussetzung der Kausalität. Schlussendlich wird hier als Lösung, aufgrund der als problematisch empfundenen Zurechnung, auf diese Tatbestandsebene gänzlich verzichtet. bb) Analoge Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB (1) Darstellung Andere führen die Problematik durch analoge Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB einer Lösung zu.336 § 830 Abs. 1 S. 2 BGB liege der Gedanke zugrunde, dass bei ansonsten feststehender Verantwortlichkeit der Schadensersatzanspruch nicht daran scheitern soll, dass der eigentliche Schädiger nicht mit voller Sicherheit ermittelt werden kann und den Schädigern der Glücksfall der alternativen Kausalität zu Hilfe kommt.337 Da eine direkte Anwendung nur in Fällen der tatsächlichen Unaufklärbarkeit bzw. Problemen der tatsächlichen Aufklärbarkeit möglich sei, komme nur eine analoge Anwendung in Betracht.338

335

Vgl. Fußnote 332. Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 40; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 197; siehe auch Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 271. 337 Allgemein zum Normzweck und dem der Norm zugrunde liegenden Gedanken BGH, Urteil vom 01.10.1957 – VI ZR 215/56, NJW 1957, 1834, 1835; BGH, Urteil vom 15.12.1970 – VI ZR 121/69, NJW 1971, 509, 510; BGH, Urteil vom 07.11.1978 – VI ZR 128/76, NJW 1979, 544; Krause, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2005, § 830 Rn. 14; das Unaufklärbarkeitsrisiko soll den möglichen Schädigern zugewiesen werden: so Wagner, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 830 Rn. 40; Spindler, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 830 Rn. 18; Eberl-Borges, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2018, § 830 Rn. 68; Weckerle, Die deliktische Verantwortlichkeit mehrerer, 1974, S. 105 ff. 338 Vgl. zum Anwendungsbereich m.w. N. Spindler, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 830 Rn. 16. 336

C. Kollegialentscheidungen

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Es handle sich bei den hier untersuchten Gremienentscheidungen um eine Mischung kumulativer und alternativer Kausalität, weswegen eine analoge Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht komme.339 Unter der Annahme, dass alle Stimmen unbeeinflusst voneinander abgegeben wurden, seien auch hier die Kausalitätsbeiträge nicht aufklärbar.340 Auf den hypothetischen Fall eines rechtswidrigen Vorstandsbeschlusses angewendet, bei dem die Bestimmung der Kausalität aufgrund einer klaren Stimmenmehrheit für den Beschluss mithilfe der Äquivalenztheorie nicht möglich ist, würde dies bedeuten, dass auf eine Bestimmung der individuellen Kausalität verzichtet werden kann. Jedes für den rechtswidrigen Beschluss votierende Organmitglied wäre dann i. S. d. Norm als Verursacher des Schadens anzusehen. Konkret würde § 830 Abs. 1 S. 2 BGB analog auf die im Zentrum der Untersuchung stehende Haftungsnorm § 93 Abs. 2 S. 1 AktG angewendet werden. (2) Würdigung Nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB muss der Kausalitätsnachweis nicht erbracht werden, wenn feststeht, dass einer von mehreren Beteiligten einen Schaden verursacht hat, der Schaden durch die Handlung jedes Beteiligten herbeigeführt hätte werden können, sich aber nicht feststellen lässt, wer für den Schaden verantwortlich ist.341 Im Fall der Kollegialentscheidung handelt es sich nicht um die alternative Kausalität mehrerer Verursachungsbeiträge. Gremienentscheidungen stellen eine Mischung aus kumulativer und alternativer Kausalität dar. Der für die alternative Kausalität geschaffene § 830 Abs. 1 S. 2 BGB kann demnach nicht direkt angewendet werden.342 Schon Quentin trat für eine zumindest analoge Anwendbarkeit von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auch bei „Urheberzweifeln“ ein.343 Darüber hinaus soll eine Anwendung auch bei Fällen der echten kausalen Überbestimmtheit möglich sein. Er bezeichnet das Phänomen als „alternativ strukturierte haftungs339 Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; Röckrath, NStZ 2003, 641, 644; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen, 2001, S. 32 f. 340 Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; so bereits Röckrath, NStZ 2003, 641, 644; Quentin, Kausalität und deliktische Haftungsbegründung, 1994, S. 96 f. 341 BGH, Urteil vom 01.10.1957 – VI ZR 215/56, NJW 1957, 1834; BGH, Urteil vom 15.11.1960 – VI ZR 7/60, NJW 1961, 263; BGH, Urteil vom 07.11.1978 – VI ZR 128/76, NJW 1979, 544; BGH, Urteil vom 24.01.1984 – VI ZR 37/82, NJW 1984, 1226, 1230; BGH, Urteil vom 11.01.1994 – VI ZR 41/93, NJW 1994, 932, 934; BGH, Urteil vom 12.07.1996 – V ZR 280/94, NJW 1996, 3205, 3207; Spindler, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 830 Rn. 16. 342 Wagner, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 830 Rn. 79. 343 Quentin, Kausalität und deliktische Haftungsbegründung, 1994, S. 177 f. beschreibt einen Sachverhalt, in dem zwei Personen jeweils unabhängig voneinander einen Stein lostreten. Zusätzlich werfen sie noch einen Stein in das Tal. Einer der drei Steine trifft und verletzt eine dritte Person, ohne dass festgestellt werden kann, welcher.

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Kap. 3: Kausalität

begründende Kausalität“, beschreibt jedoch das gleiche Phänomen: eine Konstellation, in der, trotz ausgiebiger Analyse, der Vorgang nicht abschließend aufgeklärt werden kann.344 Vorliegend ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Analogie bestehen. Eine Analogie kommt dann zur Anwendung, wenn der Wortlaut der Norm den Sachverhalt nicht erfasst, der Normzweck jedoch den Schluss zulässt, dass der Sachverhalt planwidrig nicht getroffen wird.345 Die analoge Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auf die aktienrechtliche Vorstandsinnenhaftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ist demnach nur dann möglich, wenn eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenslage vorliegen. (a) Planwidrige Regelungslücke Ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, richtet sich nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Regelungsabsicht. Hierfür ist der Zweck der Norm teleologisch zu ermitteln.346 § 93 Abs. 2 AktG bezweckt zunächst den Schadensausgleich. Schäden, die der Gesellschaft durch pflichtwidriges Handeln ihrer Organmitglieder entstanden sind, sollen ersetzt werden. Darüber hinaus ist aber auch ein Präventionszweck belegt: Bereits durch die Androhung einer Haftung soll gegenüber den Organmitgliedern eine verhaltenssteuernde Wirkung entfaltet werden.347 Wie zu Beginn dargestellt, kann ein im Wege der Kollegialentscheidung getroffener rechtswidriger Beschluss und der daraufhin für die Gesellschaft entstandene Schaden nach den gängigen Kausalitätstheorien den einzelnen Organmitgliedern nicht zugerechnet werden, diese damit nicht haftbar gemacht werden. Gremienentscheidungen, die in einer Aktiengesellschaft Usus sind, können damit leicht zu einer Umgehung der Haftung führen. Vorstandsmitglieder könnten bei strenger Prüfung der Kausalität einer Haftung immer entgehen, solange die Entscheidung beispielsweise einstimmig beschlossen wird. Der Kanon an Pflichten, die ein Vorstandsmitglied im Rahmen dieser Beschlüsse berücksichtigen muss, würde zu einem zahnlosen Tiger verkommen. Die bezweckte verhaltenssteuernde Wirkung könnte demnach nicht entfaltet werden. Auch der Kompensationszweck wird augenscheinlich nicht erfüllt, wenn die pflichtwidrig handelnden Vorstandsmitglieder eine Haftung umgehen können. Gerade die Umgehung des Gesetzeszweckes spricht für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Ohne die Annahme einer Analogie würde der Normzweck vereitelt werden.348 344

Vgl. Quentin, Kausalität und deliktische Haftungsbegründung, 1994, S. 178. Zu den Voraussetzungen einer Analogie vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 6 Rn. 108 ff.; Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 381 ff. 346 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 373. 347 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 3., a). 348 Siehe allgemein zum sogenannten Umgehungsargument Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 6 Rn. 135 ff. 345

C. Kollegialentscheidungen

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(b) Vergleichbare Interessenslage Die Übertragung im Wege der Analogie wird damit begründet, dass Tatbestände aufgrund ihrer Ähnlichkeit im Hinblick auf die gesetzliche Bewertung und das Ziel der Gerechtigkeit gleich zu bewerten bzw. behandeln sind.349 Hier kann das argumentum a simile herangezogen werden.350 Die jeweilige Handlung führt bei der kausalen Überbestimmtheit nur deshalb nicht als eine notwendige Bedingung zum Eintritt der Rechtsgutsverletzung, weil eine andere Handlung mit den gleichen Eigenschaften besteht.351 § 830 Abs. 1 S. 2 BGB soll aus Gerechtigkeitserwägungen bereits eingreifen, wenn einem zweifelsfrei Geschädigten nur deshalb der Schadensersatzanspruch verwehrt wird, weil unter mehreren Handlungen nicht die Handlung bestimmt werden kann, die ihn schlussendlich geschädigt hat. Die Vorschrift muss dann erst recht zum Zuge kommen, wenn bereits sicher ist, dass tatsächlich auch alle Handlungen auf den Kausalvorgang eingewirkt und damit den Erfolg herbeigeführt haben.352 § 830 Abs. 1 S. 2 BGB soll gerade dann Anwendung finden, wenn die Kausalitätsbeiträge nicht ermittelbar sind, gemeinsame Verursachung aber feststeht.353 Wie die Untersuchung der gängigen Kausalitätstheorien im Hinblick auf Kollegialentscheidungen zeigen konnte, können diese die Kausalität nicht ermitteln. Die grundsätzliche gesetzliche Wertung stimmt für beide Sachverhalte überein. Dass § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auf Beweisebene anzusiedeln ist und bei der Frage der Vorstandshaftung in Gremienentscheidungen nicht herausgearbeitet werden kann, welche (bewiesene) Bedingung für den Schadenseintritt verantwortlich war, ist von nicht so großem Gewicht, dass sie dieser Wertung entgegenstehen. Hier ist von einer vergleichbaren Interessenslage auszugehen. Die Voraussetzungen der Analogie sind erfüllt. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB kann auf § 93 Abs. 2 AktG im Fall der Gremienentscheidung analog angewendet werden. cc) Fazit der Untersuchung zivilrechtlicher Lösungsansätze Mit den Ansätzen aktienrechtlicher Binnenhaftung und der analogen Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB wurden zwei originär zivilrechtliche Lösungsansätze untersucht. Dem Ansatz aktienrechtlicher Binnenhaftung ist die Umgehung des eigentlichen Kausalitätsproblems mithilfe einer Verwischung der 349

Vgl. Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 381. Hierzu Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 6 Rn. 112 ff. 351 Quentin, Kausalität und deliktische Haftungsbegründung, 1994, S. 180. 352 Quentin, Kausalität und deliktische Haftungsbegründung, 1994, S. 180. 353 Siehe BGH, Urteil vom 01.10.1957 – VI ZR 215/56, NJW 1957, 1834; BGH, Urteil vom 15.11.1960 – VI ZR 7/60, NJW 1961, 263; BGH, Urteil vom 07.11.1978 – VI ZR 128/76, NJW 1979, 544; BGH, Urteil vom 24.01.1984 – VI ZR 37/82, NJW 1984, 1226, 1230; BGH, Urteil vom 11.01.1994 – VI ZR 41/93, NJW 1994, 932, 934; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 197. 350

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Kap. 3: Kausalität

Grenzen zwischen den Tatbestandsmerkmalen Kausalität und Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen. Diese Ausnahme des grundsätzlichen Prüfungsaufbaus drängt sich für die hier untersuchte Konstellation nicht auf und bedarf tieferer Begründung. Überzeugender ist dagegen eine analoge Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Zwar ist diese nicht über jeden Zweifel erhaben, doch bietet sie eine dogmatisch stringent begründbare Lösung und die geringste Zahl an Defiziten. Sie stellt für die zivilrechtliche Haftung von Organmitgliedern in Kollegialentscheidungen eine einfach handhabbare Norm dar, die über das zu Beginn als nicht zufriedenstellend angesehene Ergebnis einer Nicht-Haftung hinweghilft. Anzuerkennen ist, dass auch dieser Ansatz es nicht ermöglicht, die strittige Kausalität im Rahmen einer allgemein anwendbaren Kausalitätstheorie zu begründen. Auch wenn das Vorgehen dogmatisch begründbar ist, wird das Kausalitätsproblem vielmehr mithilfe einer analogen Anwendung umgangen. c) Strafrechtliche Ansätze Für die Suche nach einem alternativen Lösungsansatz, der die Kausalität begründen kann und nicht auf eine Umgehung zurückgreift, könnte sich ein Blick auf die Erkenntnisse der Strafrechtswissenschaft lohnen. Wie eingangs beschrieben, hat die Thematik der Kollegialentscheidung im strafrechtlichen Schrifttum ungleich mehr Aufmerksamkeit erlangt. aa) Grundsätzliche Transferierbarkeit strafrechtlicher Ansätze auf das Organhaftungsrecht Ein Erkenntnisgewinn aus der Untersuchung strafrechtlicher Ansätze setzt jedoch voraus, dass sich der Kausalitätsbegriff beider Rechtsgebiete deckt, zumindest aber insoweit ähnelt, dass eine Übertragung der Ansätze möglich und sinnvoll erscheint. Die Tatbestände der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Haftung besitzen einen äußerlich gleichartigen Aufbau und sind darüber hinaus als teleologisch nah verwandte Elemente eines „umfassenden Schutzkonzepts“ anzusehen.354 Sowohl das Zivilrecht als auch das Strafrecht bauen die Prüfung der Kausalität nach allgemeiner Auffassung jeweils auf der conditio-sine-qua-non-Formel auf.355 Sowohl in der Verschuldenshaftung des Strafrechts als auch in der Erfolgshaftung des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches beginnt die Kausal-

354

Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 10 f. Für das Zivilrecht vgl. Kapitel 3, A., I.; für das Strafrecht Eisele, in: Schönke/ Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, Vor §§ 13 ff. Rn. 73a m.w. N.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 5. Aufl. 1996, S. 279; siehe ebenfalls Rothenfußer, Kausalität und Nachteil, 2003, S. 1; Schulin, Der natürliche – vorrechtliche – Kausalitätsbegriff im zivilen Schadensersatzrecht, 1976, S. 10. 355

C. Kollegialentscheidungen

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prüfung mit dem Bedingungszusammenhang im Sinne der Äquivalenztheorie.356 Verbreitet wird in der Strafrechtswissenschaft indes die auf Engisch zurückgehende Lehre der gesetzmäßigen Bedingung statt der Conditio-Formel angewendet.357 Im Zivilrecht erfolgt eine Einschränkung der weiten Äquivalenztheorie dagegen mithilfe der Adäquanztheorie und dem Schutzzweck der Norm.358 Die Unterschiede in den Einschränkungen der Äquivalenztheorie betreffen die Frage, welche konkreten Kausalverläufe zu berücksichtigen sind.359 Die Einschränkungen modifizieren den Kausalbegriff der Äquivalenztheorie damit lediglich. Für beide Rechtsgebiete wird grundsätzlich trotzdem ein gleicher Kausalitätsbegriff angestrebt.360 Der Kausalitätsnachweis nach der Äquivalenztheorie stellt dabei die Mindestbedingung für eine Haftung dar.361 Die Unterschiede in Adäquanztheorie und gesetzmäßiger Bedingung stehen der Betrachtung strafrechtlicher Kausalitätsmodelle für die Lösung zivilrechtlicher Fragen und die Nutzung der daraus gewonnen Erkenntnisse nicht entgegen. Eine grundsätzliche Transferierbarkeit strafrechtlicher Kausalitätsansätze auf die Organhaftung ist damit anzunehmen. bb) Keine Kausalität Der erste zu untersuchende strafrechtliche Ansatz stellt die naheliegende, wenn auch unerwünschte Möglichkeit dar, die Kausalität zu verneinen. Die ablehnende Haltung wird im Schrifttum zwar geteilt.362 Es gibt jedoch auch Vertreter, die eine Kausalität in zumindest vergleichbaren Konstellationen verneinen. 356

Rothenfußer, Kausalität und Nachteil, 2003, S. 1 f. Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 20 ff.; Puppe, in: Nomos Kommentar StGB, 5. Aufl. 2017, Vor §§ 13 ff. Rn. 102; Hilgendorf, NStZ 1994, 561, 564; ders., in: Festschrift Lenckner, S. 705 f.; Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, Vor. §§ 13 ff. Rn. 75; Jäger, in: Systematischer Kommentar StGB, 9. Aufl. 2017, Vor § 1 Rn. 63; Erb, Jus 1994, 449, 450; vgl. auch Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 11 Rn. 15; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 5. Aufl. 1996, S. 283; Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, 1996, S. 113 ff.; wohl auch Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen, 1995, S. 215 ff., 224 f. 358 Vgl. Ausführungen zu der Adäquanztheorie in Kapitel 3, A., II. zum Schutzzweck der Norm siehe Kapitel 3, A., III. 359 Siehe Schulin, Der natürliche – vorrechtliche – Kausalitätsbegriff im zivilen Schadensersatzrecht, 1976, S. 10. 360 Vgl. Rothenfußer, Kausalität und Nachteil, 2003, S. 2 f.; Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 10; Schulin, Der natürliche – vorrechtliche – Kausalitätsbegriff im zivilen Schadensersatzrecht, 1976, S. 10. 361 J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 280. 362 Vgl. Hilgendorf, NStZ 1994, 561, 563 ff.; Kuhlen, NStZ 1990, 566, 570; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 84 ff. 357

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Kap. 3: Kausalität

(1) Seebode (a) Darstellung der Auffassung Nach Seebode macht sich ein Richter, der mit einer bereits feststehenden Mehrheit für ein rechtsbeugendes Urteil stimmt, nicht strafbar, wenn eine Gegenstimme nichts am Abstimmungsergebnis geändert hätte.363 Der Überlegung liegt der Fall eines Vorsitzenden Richters eines dreiköpfigen Kollegiums in der NSZeit zu Grunde, der in Beratungen vergeblich versuchte, seine Kollegen davon abzuhalten, einen jüdischen Angeklagten nach den Rassengesetzen zum Tode zu verurteilen. Der Vorsitzende hätte dem Urteil schlussendlich zugestimmt, da er verhindern wollte, dass er durch einen „härteren“ Vorsitzenden ersetzt wird.364 Die Stimme des Vorsitzenden sei nicht kausal i. S. d. conditio-sine-qua-non-Formel für den Erfolg gewesen, da der Beschluss auch ohne diese Stimme durch die ausreichende Zweidrittelmehrheit zustande gekommen wäre. Diese Straflosigkeit gilt indes nach Seebode nur für den Letztvotierenden, „denn die Ersatzursache, die gedankliche Möglichkeit, ein früheres Votum des einen durch ein späteres des anderen Richters zu ersetzen, lässt die Kausalität unberührt.“ 365 Auf Kollegialentscheidungen des Vorstands einer Aktiengesellschaft gemünzt könnte auch ein zustimmendes Votum dem einzelnen Vorstandsmitglied nicht zugerechnet werden, wenn der Beschluss zum Zeitpunkt der Stimmabgabe bereits die erforderliche Mehrheit hatte. Erfolgt das Votum dagegen zu einem früheren Zeitpunkt, vor Überschreitung des Mehrheitserfordernis, kann der Schaden dem abstimmenden Vorstandsmitglied voll zugerechnet werden. (b) Würdigung Gegen Seebodes Auffassung sprechen im Wesentlichen zwei Aspekte. Schon die Berücksichtigung der zeitlichen Komponente der Stimmabgabe fügt sich nicht in die Dogmatik der Äquivalenztheorie ein. Nach der conditio-sine-quanon-Formel ist auch die Stimme des Erstabstimmenden nicht kausal. Bei stringenter Anwendung handeln die weiteren Gremiumsmitglieder aufgrund fehlender Zurechnung ebenfalls straffrei.366 Darüber hinaus können die von Seebode aufgeführten „positiven“ Erwägungsgründe dem Vorsitzenden Richter auf Ebene der Kausalität nicht zugutegehalten werden. Die Stimmabgabe für ein rechtswidriges Todesurteil, um das eigene Amt zu schützen, erscheint schon nicht billigenswert. Des Weiteren können die Motive auf die Zurechnung – in concreto die Kausalität – keine Auswirkung haben.367 Die dogmatische Herleitung stellt sich damit 363 364 365 366 367

Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, 1969, S. 113 ff. Sachverhalt nach Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, 1969, S. 113 ff. Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, 1969, S. 114. Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 84 f. Siehe Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 85.

C. Kollegialentscheidungen

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als nicht so überzeugend dar, dass das rechtspolitisch unerwünschte Ergebnis zwingend ist. (2) Nettesheim (a) Darstellung der Auffassung Nettesheim geht noch einen Schritt weiter. Bei klaren Mehrheiten sei die Zurechnung bei allen Abstimmenden unterbrochen.368 In dem von Nettesheim beschriebenen Fall hatte ein Gemeinderat mit 20 zu einer Stimme für eine rechtswidrige Urlaubsabgeltung an den Bürgermeister gestimmt. Eine Strafbarkeit liege schon aufgrund der fehlenden Kausalität nicht vor, da die einzelnen Stimmen hinweggedacht werden können, und der Beschluss dennoch zustande gekommen wäre. Die Tat des einzelnen Gemeinderates beschränke sich darauf, „seine Stimme zu einem bestimmten Beschluss abzugeben“ und es liege nicht in seiner Hand, ob es zum Beschluss komme oder nicht.369 Für einen Vorstandsbeschluss würde dies bedeuten, dass eine individuelle Haftung für einen rechtswidrigen Beschluss immer ausscheidet, wenn das Stimmerfordernis für eine Mehrheit mit mehr als einer Stimme übertroffen wurde. (b) Würdigung Die Auffassung Nettesheims erweckt den Eindruck, dass die Tatsache, dass jeder für sich allein den Beschluss nicht herbeiführen kann, die Kausalität ausschließen könnte. Das Bestehen eines Ursachenzusammenhangs setzt jedoch nicht voraus, dass es dem Einzelnen möglich ist, den Erfolg (selbst) herbeizuführen. Vielmehr ist elementarer Bestandteil der Äquivalenztheorie, dass alle Bedingungen als gleichwertig anzusehen sind.370 Ursächlich ist also alles, was einen Anteil am Erfolg hat. Dementsprechend ist es ausreichend, wenn die Handlung eine von mehreren Ursachen des Erfolges gewesen ist.371 Der für Nettesheim scheinbar offenkundige Schluss, dass bei Gremienentscheidungen die Zurechnung des rechtswidrigen Erfolgs scheitert, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. So kann der Ansatz weder aus strafrechtlicher Sicht noch im Hinblick auf eine Anwendung in der Organhaftung überzeugen. 368

Nettesheim, BayVbl. 1998, 161, 165. Nettesheim, BayVbl. 1998, 161, 165. 370 Für das Strafrecht Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, Vor §§ 13 ff. Rn. 73a m.w. N.; im Zivilrecht: J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 280; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 122; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 103; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 30; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 316. 371 Eisele, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, Vor § 13 Rn. 76 m.w. N.; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 87. 369

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Kap. 3: Kausalität

(3) Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass weder die Auffassung Seebodes noch die Auffassung Nettesheims überzeugen können. Ein Transfer auf die Organhaftung bei Kollegialentscheidungen ist abzulehnen. cc) Nichtberücksichtigung der Individualkausalität (1) Darstellung Andere Stimmen in Literatur und Rechtsprechung rekurrieren auf das „Wesen“ der Kollektiventscheidung. (a) OLG Stuttgart Bereits 1981 vertrat das OLG Stuttgart, dass eine Anwendung der conditiosine-qua-non-Formel im Rahmen von Kollegialentscheidungen abzulehnen ist.372 In dem zugrundeliegenden Fall ging es um die Verantwortung eines Redakteurs für die Veröffentlichung eines beleidigenden Lesebriefs. Die Veröffentlichungsentscheidung wurde gemäß Redaktionsstatut durch eine Mehrheit der 14-köpfigen Redaktion getroffen.373 Die Anwendung der conditio-sine-qua-non-Formel würde nach dem Gericht zu einer Verneinung der Kausalität führen. Dies widerspreche dem „Wesen der Kollektiventscheidung“, „denn bei diesem Entscheidungsverfahren begibt sich der Einzelne in der Regel der Möglichkeit, dass seine Stimme allein etwas bewirkt. Er will zwar mitentscheiden, sich aber gegebenenfalls der Mehrheitsentscheidung unterwerfen. Für diese Entscheidung muss er dann aber auch einstehen“.374 Dies gelte selbst dann, wenn gegen die Veröffentlichung gestimmt wurde.375 Übertragen auf die Konstellation eines Vorstandsbeschlusses könnte sich das einzelne Vorstandsmitglied auch dann einer Haftung nicht entziehen, wenn es gegen den rechtswidrigen Beschluss stimmt. Bereits die Teilhabe an der Gremiumsentscheidung begründet nach diesem Ansatz eine Zurechnung des Schadens zu dem jeweiligen Organmitglied. (b) Nappert Ebenfalls das Wesen der Kollektiventscheidung stärker berücksichtigen will Nappert. Er stimmt dem OLG Stuttgart insoweit zu, als sich jedes Mitglied des Kollektivorgans grundsätzlich dessen Entscheidung zurechnen lassen müsse und es im Ergebnis nur auf die Ursächlichkeit der Kollektiventscheidung an372 373 374 375

OLG Stuttgart, Urteil vom 01.09.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27, 28. OLG Stuttgart, Urteil vom 01.09.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27. OLG Stuttgart, Urteil vom 01.09.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27, 28. OLG Stuttgart, Urteil vom 01.09.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27, 28.

C. Kollegialentscheidungen

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komme.376 Die Legitimation einer solchen Zurechnung begründet er mit „dem Gedanken der gemeinsamen Mitverantwortung für das Zustandekommen des Beschlusses“. Jeder Abstimmende übernehme auch die Verantwortung für den Inhalt des Beschlusses.377 Wie bereits bei der Entscheidung des OLG Stuttgart, bedingt eine Übertragung die Zurechnung, auch wenn das Vorstandsmitglied gegen den Beschluss gestimmt hat. Entscheidend ist allein, dass ein rechtswidriger Beschluss getroffen wurde und das möglicherweise haftende Organmitglied an der Entscheidung mitgewirkt hat. (c) BGH Höchstrichterlich wurde diese Frage im berühmten Lederspray-Urteil betrachtet. Ausgangspunkt war die einstimmige Entscheidung der Geschäftsführer einer GmbH, den Rückruf eines mutmaßlich gesundheitsschädlichen Ledersprays zu unterlassen. Die Rechtsprechung begründet eine Strafbarkeit im Lederspray-Urteil damit, dass Organmitglieder der Gesellschaft selbständig verpflichtet sind und deshalb auch als Mittäter parallel und damit voll strafbar sind.378 Anknüpfungspunkt der Überlegungen zur Kausalität war nur der Unterlassungsvorwurf und davon ausgehend für die Kausalität die modifizierte conditio-sine-qua-nonFormel.379 Die Anwendung auf das Organhaftungsrecht setzt die Konstruktion einer mittäterähnlichen Figur voraus. Dem jeweiligen Vorstandsmitglied werde demnach das Stimmverhalten der weiteren Mitglieder zugerechnet. (2) Würdigung Eine Lösung der Kausalitätsfrage über eine „Zurechnung kraft Kollektiventscheidung“ entbehrt einer dogmatischen Grundlage und ist nachdrücklich abzulehnen. Schlussendlich wird auf tatbestandlicher Ebene auf die Kausalität gänzlich verzichtet, weil sich die Zurechnung als problematisch gestaltet. Die Haftung allein aufgrund Mitgliedschaft im Gremium, unabhängig vom Abstimmungsverhalten, widerspricht dabei auch den Grundsätzen der Organhaftung, die eine eigene 376 Nappert, Die strafrechtliche Haftung von Bürgermeistern und Gemeinderäten im Umweltstrafrecht, 1997, S. 55. 377 Nappert, Die strafrechtliche Haftung von Bürgermeistern und Gemeinderäten im Umweltstrafrecht, 1997, S. 55. 378 BGH, Urteil vom 06.07.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990, 2560. 379 Knauer sieht bereits die Annahme als unrichtig an, dass eine gemeinsame Pflicht der Geschäftsführer, einen Beschluss zum Rückruf der Ledersprays zu treffen, besteht, der einzelne aber nur verpflichtet ist, alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Herbeiführung eines solchen Beschlusses zu tun. Nur aus diesem Grund habe sich der BGH mit dem Stimmverhalten im Gremium befasst, das Kausalitätsproblem habe sich in Wahrheit gar nicht gestellt, vgl. Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 62 f., 128 f.

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Kap. 3: Kausalität

Pflichtverletzung des Organmitglieds für eine Haftung voraussetzen. Einer Übertragung der Entscheidung des OLG Stuttgart auf das Organhaftungsrecht stehen ebenfalls die der Entscheidung zugrundliegenden presserechtlichen Sonderregelungen im Wege. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 LPG ist der verantwortliche Redakteur verpflichtet, Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten. Die presserechtliche Verpflichtung, einen Verantwortlichen zu stellen, ist für das OLG Stuttgart ein entscheidender Punkt, der gegen eine Haftungsentlastung spreche und durch ein kollektives Entscheidungsverfahren unterlaufen werde.380 Im Organhaftungsrecht sind die Vorstandsbeschlüsse dagegen gesetzlich vorgeschriebene Gremienentscheidung. Eine mit § 20 Abs. 2 Nr. 1 LPG vergleichbare Norm besteht nicht. Der Übertragung auf das Organhaftungsrecht stehen damit in mehrfacher Hinsicht dogmatische Bedenken entgegen; sie ist abzulehnen. Auch im Fall des vom BGH verfolgten Ansatzes ist eine dogmatische Grundlage für eine Anwendung in der Organhaftung nicht ersichtlich. Die Zurechnung des Stimmverhaltens widerspricht dem Grundsatz der Haftung für individuelle Pflichtverletzungen und bedürfte demnach einer normativen Verankerung. Eine solche ist im Gegensatz zum Strafrecht in der aktienrechtlichen Vorstandshaftung nicht gegeben. Aber auch aus strafrechtlicher Perspektive ist der Ansatz nicht ohne Schwächen. Die Kritik entzündet sich insbesondere an der Konstruktion der Mittäterschaft. Es erscheint selbst bei Vorsatzdelikten fernliegend, jedem einzelnen Organmitglied eine für die Mittäterschaft notwendige Tatherrschaft zu unterstellen.381 Puppe warf dem BGH vor, sich eines im Endeffekt „zirkelschlüssigen“ „Tricks“ zu bedienen, da Mittäterschaft bereits einen kausalen Beitrag des Mittäters zum Erfolg voraussetze.382 Hoyer formuliert treffend wie folgt: „Täterschaft vermag Kausalität nicht zu ersetzen, sondern sie muss hinzutreten, damit ein Tatbestand des Besonderen Teils verwirklicht ist.“ 383 Schon für eine Teilnahme ist Voraussetzung, dass der Teilnahmebetrag kausal für den Erfolg ist;384 dies muss

380 OLG Stuttgart, Urteil vom 01.09.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27, 28. Ebenfalls bedeutend für die Entscheidung ist die Abgrenzung zu einem sogenannten „Sitzredakteur“, auf die mit Blick auf das Untersuchungsziel aber nicht weiter eingegangen wird. 381 Samson, StrV 1991, 182, 184; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 197. 382 Puppe, JR 1992, 27, 32 ff.; siehe hierzu auch Samson, StrV 1991, 182, 184 f. 383 Hoyer, GA 1996, 160, 173, mittlerweile jedoch wohl differenzierend vgl. Hoyer, in: Systematischer Kommentar StGB, 9. Aufl. 2017, § 25 Rn. 129 ff.; hierzu bereits Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 130. 384 Siehe etwa Kühl, in: Lackner/Kühl StGB, 29. Aufl. 2018, § 27 Rn. 2; Heine/ Weißer, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, § 27 Rn. 6; wohl auch Hoyer, in: Systematischer Kommentar StGB, 9. Aufl. 2017, § 27 Rn. 3 ff.; Class, in: Festschrift Ulrich Stock, 1966, 115 ff.; Roxin, Strafrecht AT II, 2003, S. 192; ders., in: Festschrift Koichi Miyazawa, 1995, 501, 509; Baumann, JuS 1963, 125, 136; Seebald, GA 1969, 193, 208; Samson, in: Festschrift Karl Peters, 1974, 121 ff.

C. Kollegialentscheidungen

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dann erst recht für die Täterschaft gelten.385 Im Ergebnis bedienen sich alle eben aufgezählten Auffassungen einer dogmatisch fragwürdigen Konstruktion, welche die Problematik umgeht, nicht aber zu lösen vermag. dd) NESS-Test In ein der Strafrechtslehre seit Jahrzehnten für Fälle der Mehrfachkausalitäten und insbesondere auch Kollegialentscheidungen diskutierter Ansatz ist der sog. NESS-Tests („Necessary Element of a Sufficient Set“).386 Dieser kombiniert die notwendige mit der hinreichenden Bedingung;387 „der notwendige Bestandteil einer nach Naturgesetzen hinreichenden Mindestbedingung“ sei als Ursache zu betrachten.388 (1) Notwendige und hinreichende Bedingungen Nach dem NESS-Test muss eine Einzelbedingung nicht im Hinblick auf den Erfolg, sondern nur insoweit notwendig sein, wie sie einen Bedingungskomplex zur hinreichenden Bedingung ergänzt.389 Eine Bedingung sei nur dann hinreichend für den Erfolg, wenn sie allein bereits den Erfolg bewirken kann.390 Eine hinreichende Minimalbedingung eines Erfolgs, die die menschliche Handlung als notwendigen Bestandteil beinhaltet, ist demnach Ursache des Erfolgs. Um die Notwendigkeit der Handlung für die hinreichende Mindestbedingung zu überprüfen, wird sie hinweggedacht.391 Im geschilderten Fall einer einzeln verabreichten, tödlichen Dosis Gift ist jede Dosis für sich tödlich und damit notwendig als Teil einer hinreichenden Mindestbedingung. Wendet man dagegen die gängige conditio-sine-qua-non-Formel an, sind dagegen beide Handlungen nicht kausal, da sie nicht notwendig für den Eintritt des Erfolges sind.392 385

Hoyer, GA 1996, 160, 173. Vgl. Wright, 73 Iowa Law Review 1988, 1001, 1018 ff. Alternativ wird auch der Begriff „INUS-Bedingung“ genutzt, der auf Mackie, The Cement of the Universe, 1974, S. 62 ff. zurückgeht. 387 Fleischer, BB 2004, 2645, 2647. 388 Puppe, in: Nomos Kommentar StGB, 5. Aufl. 2017, Vor §§ 13 ff. Rn. 102 m.w. N.; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 11 Rn. 15a; Osnabrügge, Die Beihilfe und ihr Erfolg, 2002, S. 81 f.; ähnlich auch Kindhäuser, GA 1982, 477, 485 ff.; ebenso Koriath, Kausalität, Bedingungstheorie und Psychische Kausalität, 1988, S. 137 ff.; spezifisch für Gremiumsentscheidungen Sofos, Mehrfachkausalität, 1999, S. 107 ff., 160; siehe auch Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen, 2001, S. 54 ff.; ablehnend Dencker, Kausalität und Gesamttat, 1996, S. 110 ff. 389 Röckrath, NStZ 2003, 641, 643. 390 Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 32 391 Puppe, in: Nomos Kommentar StGB, 5. Aufl. 2017, Vor §§ 13 ff. Rn. 106. 392 Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 34. 386

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Kap. 3: Kausalität

(2) Puppe Puppe leistete Pionierarbeit, indem sie, mithilfe des NESS-Tests die Zurechnung bei Gremienentscheidungen zu begründen suchte. Hierzu konkretisierte sie das Erfordernis eines notwendigen Bestandteils einer hinreichenden Bedingung folgendermaßen: „Die Mindestbedingung für das Zustandekommen des Beschlusses erhalte ich, indem ich so viele Stimmen zusammenfasse, wie für die Mehrheit erforderlich sind. Über das Stimmverhalten der Anderen darf ich nichts aussagen, sonst erhalte ich keine Mindestbedingung und gehe der Notwendigkeitsprüfung in die Irre.“ 393 Jede Stimme sei als Teil dieser Mindestbedingung notwendig. Hieraus wird die Kausalität jeder Stimmabgabe für den rechtswidrigen Beschluss abgeleitet.394 (3) Würdigung Auf den ersten Zugriff scheint die Übertragung des NESS-Tests eine stringente Lösung für die Zurechnung einer Einzelstimme bei Kollegialentscheidungen zu sein. Bei näherer Betrachtung gerät dieser Eindruck jedoch ins Wanken. Wird das Abstimmungsverhalten jedes Kollegiumsmitglieds einzeln betrachtet, können immer gerade so viele Stimmen dazu gezählt werden, dass eine Mehrheit von einer Stimme erreicht wird. Darüber hinaus werden keine weiteren Stimmen dazugezählt, womit die eine Stimme als notwendig für den Erfolg angesehen werden muss. Diesem Vorgehen fehlt jedoch das dogmatische Fundament.395 Allein die Tatsache, dass mithilfe des NESS-Tests das gewünschte Ergebnis herbeigeführt werden kann, befreit nicht von dem Erfordernis, diesen Ansatz zu begründen.396 Problematisch erweist sich darüber hinaus die Erbringung des Nachweises, dass die Einzelstimme notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung ist. Am Beispiel überschießender Stimmen bei Mehrheitsentscheidungen lässt sich gut argumentieren, dass die Einzelstimme gerade kein notwendiger Bestandteil ist.397 Um dieses Problem zu umschiffen, betrachtet Puppe mehrere Gruppen einzeln, die gemeinsam gerade nur eine einfache Mehrheit herbeiführen. Damit öffnet sich der Ansatz jedoch für die Kritik, die schon der conditio-sine-qua-non-Formel entgegengebracht wird: Die Begründung der Kausalität

393 Puppe, in: Nomos Kommentar StGB, 5. Aufl. 2017, Vor §§ 13 ff. Rn. 108; siehe auch dies., GA 2004, 129, 139; beipflichtend Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 11 Rn. 19. 394 Puppe, in: Nomos Kommentar StGB, 5. Aufl. 2017, Vor §§ 13 ff. Rn. 108. 395 Vgl. Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 121. 396 So bereits überzeugend Röckrath, Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Haftung, 2004, S. 43. 397 Knauer, Die Kollegentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 121.

C. Kollegialentscheidungen

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setzt voraus, dass die kausalen Faktoren bereits bekannt sind,398 es kann von einem zirkelschlüssigen Vorgehen gesprochen werden. Dabei sind die Kriterien für den Ausschluss mancher und die Berücksichtigung anderer Faktoren nicht transparent. Bemerkenswert ist eine Einschränkung, die Puppe selbst vornimmt und mit der sie die Defizite der Auffassung selbst zu Tage fördert. Nach Puppe stößt diese Formel an ihre Grenzen, wenn die Mehrheit bei der Stimmabgabe bereits zustande gekommen ist. Danach abgegebene Stimmen könnten nicht mehr kausal für den Beschluss werden.399 Hier bedürfe es „der Neuentwicklung eines besonderen Zurechnungsmodus neben der Kausalität“.400 Diese Einschränkung bedeutet in der Praxis einen erheblichen Bedeutungsverlust des Lösungsansatzes. In allen Fällen einer offenen Abstimmung, bei der die Stimmabgabe zeitlicher nacheinander erfolgt, steht die Mehrheit bereits mit Erreichung der Mindestmehrheit fest.401 Die Frage der Kausalität bei einer bereits feststehenden Mehrheit ist dabei gerade ein Problemaspekt, der mithilfe der untersuchten Ansätze gelöst werden soll. Aber auch in der Sache kann die hier vorgenommene Unterscheidung nicht überzeugen. Wann die Stimmabgabe erfolgt, wird zumeist von einer zufälligen Reihenfolge abhängen. Bereits aus Wertungsgesichtspunkten spricht dies gegen die Relevanz des Abstimmungszeitpunkts. Dieser zufällige Zeitpunkt entscheidet dann jedoch über die Frage, ob gehaftet wird oder sich ein Vorstandsmitglied entlasten kann. Darüber hinaus kann es für die objektiv zu bestimmende Kausalität nicht von Belang sein, ob zum Zeitpunkt der Stimmabgabe die Mehrheit bereits feststand.402 Abschließend lässt sich die Kritik, dass es sich beim NESS-Test im Allgemeinen nur um eine „in ein attraktives Wortspiel gekleidete conditio-sine-qua-non-Formel“ handle, nicht von der Hand weisen. Jedenfalls lässt sich in vorliegender Konstellation kein bedeutsamer Erkenntnisgewinn ausmachen.403 Der NESS-Test bietet keine zufriedenstellende Lösung. Eine Übertragung auf gesellschaftsrechtliche Konstellationen der Organhaftung ist damit abzulehnen. ee) Fazit der Untersuchung strafrechtlicher Lösungsansätze Die strafrechtliche Literatur hat keinen auf das Zivilrecht transferierbaren Lösungsansatz hervorgebracht. Nicht überzeugen können die Ansätze, die die Kausalität bei Kollegialentscheidungen schlichtweg verneinen. Neben dem rechtspoli398

Knauer, Die Kollegentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 121 f. Puppe, JR 1992, 27, 34. 400 Puppe, JR 1992, 27, 34. 401 Nappert, Die strafrechtliche Haftung von Bürgermeistern und Gemeinderäten im Umweltstrafrecht, 1996, S. 54. 402 Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 122. 403 Samson, in: Festschrift Rudolphi, 2004, S. 266. 399

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Kap. 3: Kausalität

tisch unerwünschten Ergebnis sprechen auch Schwächen in der Begründung gegen diese Lösungsversuche. Darüber hinaus stehen den untersuchten Ansätzen zum Teil auch erhebliche dogmatische Bedenken gegenüber. Eine Lösung der Kausalitätsfrage über eine „Zurechnung kraft Kollektiventscheidung“ entbehrt einer dogmatischen Grundlage und ist bereits deshalb abzulehnen. Darüber hinaus ergeben sich Einwände spezifisch aus Sicht der Organhaftung. Gegen den sog. NESS-Test ist einzuwenden, dass die Begründung der Kausalität bereits Kenntnis über die kausalen Faktoren voraussetzt, es kann von einem zirkelschlüssigen Vorgehen gesprochen werden. Ebenfalls kritisch zu betrachten ist das Unvermögen des Ansatzes, eine Kausalität zu begründen, sobald der Beschluss bei Stimmabgabe bereits die notwendige Mehrheit aufwies. Die dabei vorgenommene Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Stimmabgabe ist in mehrfacher Hinsicht nicht überzeugend. Auch dieser Ansatz ist demnach abzulehnen. Auch im Strafrecht ist es nicht gelungen, eine überzeugende Lösung zu entwickeln, die nicht mit dogmatischen Schwächen kämpft oder nicht eine Umgehung des Problems darstellt. Eine Alternative zur analogen Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB können die untersuchten Ansätze damit nicht darstellen. d) Fazit der Untersuchung Die Zurechnung erweist sich in Fällen überstimmter Kollegialentscheidungen als problematisch. Die bisher im Straf- und Zivilrecht vorgeschlagenen Lösungsmodelle lösen bestehende Probleme gar nicht oder stoßen zum Teil auf erhebliche Bedenken. Die untersuchten strafrechtlichen Ansätze bieten interessante Anhaltspunkte; ein Transfer zur Lösung von Problemen im Bereich der Organhaftung ist dennoch abzulehnen. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Auffassungen schon im Strafrecht auf teils erhebliche dogmatische Bedenken stoßen. Auch eine Untersuchung aus der Warte des Organhaftungsrechts vermag diese nicht beseitigen. Vielmehr haben sich diese teils erhärtet. Hier ist anzuerkennen, dass man dem Anspruch einer allgemeingültigen Kausaltheorie404 nicht gerecht werden kann. Dabei muss insbesondere berücksichtigt werden, dass die Defizite der hier zu lösenden Kausalitätsproblematik innewohnen und damit bei allen angedachten Lösungsideen offen zu Tage treten. Die betrachteten Ansätze beinhalten bei einem genaueren Blick Zirkelschlüsse oder führen in anderen Konstellationen zu unerwünschten Ergebnissen. Eleganter ist dabei die Lösung nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Ansatz erkennt offen an, dass es schwierig bis unmöglich ist, die Kausalität im konkreten Fall jeweils einzeln nachzuweisen und hilft über dieses Manko hinweg. Im zu Beginn des Kapitels skizzierten Fall eines rechtswidrigen Vorstandsbeschlusses kann mit der analogen Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Bestimmung der Individualkausalität verzichtet 404

Vgl. Puppe, in: Nomos Kommentar StGB, 5. Aufl. 2017, Vor §§ 13 ff. Rn. 85.

C. Kollegialentscheidungen

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werden. Jedes Vorstandsmitglied, welches für den Beschluss gestimmt hat, ist demnach kausal für den rechtswidrigen Erfolg verantwortlich. Dies ermöglicht auch den Verzicht auf zweifelhafte Konstruktionen, wie die im Lederspray-Urteil genutzte gemeinsamen Tatherrschaft und die darauf aufbauende nicht minder fragwürdige gegenseitige Zurechnung von Kausalbeiträgen. Es konnte gezeigt werden, dass die nach den gängigen Ansätzen nicht mögliche Zurechnung in Kollegialentscheidungen eine planwidrige Regelungslücke darstellt, die eine analoge Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB notwendig macht und rechtfertigt. Sie stellt für die zivilrechtliche Haftung von Organmitgliedern in Kollegialentscheidungen eine einfach handhabbare Norm dar, die über das zu Beginn als nicht zufriedenstellend angesehene Ergebnis einer NichtHaftung hinweghilft, ohne dabei auf dogmatisch bedenkliche Konstruktionen zurückzugreifen. 2. Haftung eines überstimmten Organmitglieds Differenziert zu betrachten ist die Haftung des überstimmten Organmitglieds. Im sogenannten Mannesmann-Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf 405 handelte es sich bei einem der Beklagten um ein Aufsichtsratsmitglied, das sich bei den Beschlüssen, die Gegenstand des Strafverfahrens waren, enthalten hatte. Auch wenn es sich hierbei um ein strafrechtliches Verfahren handelt, drängt sich auch zivilrechtlich die Frage auf, inwieweit sich ein Organmitglied bei Enthaltungen oder sogar einer Nein-Stimme einem Haftungsrisiko ausgesetzt sieht.406 Zunächst widmet sich die Untersuchung der Frage der Kausalität im Falle eines ablehnenden Votums, um anschließend die Konstellation der Enthaltung in den Blick zu nehmen. a) Ablehnendes Votum Die Frage der Haftung des ablehnend votierenden Vorstandsmitglieds gegen einen rechtswidrigen Beschluss des Gremiums war bereits Gegenstand der Rechtsprechung. Die schon betrachtete strafrechtliche Entscheidung des OLG Stuttgart407 hat in den 1980er Jahren eine Haftung angenommen: „Es würde dem Wesen einer Unterwerfung unter die Kollektiventscheidung widersprechen, wenn man sich der damit übernommenen Mitverantwortung durch schlichtes Dagegenstimmen entziehen könnte. Daher erwächst bereits aus der Teilnahme an der Kollektiventscheidung und der damit verbundenen Unterwerfung unter die Mehr405 406

LG Düsseldorf, Urteil vom 22.07.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3275. Den Fall des überstimmten Aufsichtsratsmitglieds untersuchend Vetter, DB 2004,

2623. 407 Zum Ganzen OLG Stuttgart, Urteil vom 01.09.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27, 28; vgl. dazu Ausführungen in Kapitel 3, C., II., 1., c), cc), (1), (a).

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Kap. 3: Kausalität

heitsmeinung die Mitverantwortlichkeit für den Entscheid.“ 408 Das OLG Stuttgart sah das Vorliegen der Kausalität damit als gegeben an. Völlig zu Recht stieß die Entscheidung auf Gegenwind aus der Literatur. Namentlich Fleischer monierte, dass eine derartige Verantwortlichkeit des Organs einer unzulässigen „vorstandsinterne[n] Sippenhaft“ gleichkomme.409 Überdies ist eine derartige Kollektivzurechnung nicht mit dem aktienrechtlichen Grundsatz individueller Verantwortlichkeit vereinbar.410 Im Rahmen der Organhaftung wäre jedenfalls schon die Pflichtverletzung zu verneinen, weshalb sich aus Perspektive des Gesellschaftsrechts schon keine Kausalitätsproblematik auftut und diese Arbeit sich dieser Frage nicht näher widmet. Im Ergebnis kann das Organmitglied, welches gegen den rechtswidrigen Beschluss stimmt, richtigerweise nicht wegen seiner Stimmabgabe haftbar gemacht werden.411 b) Enthaltung Im Falle einer Enthaltung könnte die Frage des Vorliegens der Kausalität hingegen wieder virulent werden. In einem Exkurs soll eine kurze Untersuchung zu möglichen Verhaltenspflichten eines Organmitglieds bei einem pflichtwidrigen Beschluss vorgenommen werden. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse folgt eine Beurteilung der Kausalitätsfrage auf Basis des hiesigen Zurechnungsmodells.412 aa) Exkurs: Pflicht zu weiteren Maßnahmen? Die Frage der Kausalität stellt sich jedoch nur dann, wenn zuvor eine Pflichtverletzung des jeweiligen Organmitglieds angenommen wurde. Dies setzt denklogisch voraus, dass zunächst eine Pflicht zur Abgabe einer Nein-Stimme anstatt der Enthaltung besteht, zumindest jedoch bestehen kann, weshalb diese Fragestellung in den Fokus der Betrachtung rückt. Ist im Einzelfall der beantragte Beschluss nach Einschätzung des Gremiumsmitglieds untragbar und schädlich, kann eine Pflicht vorliegen, eine Stimme gegen den Beschluss abzugeben und die eigene Position deutlich zu machen oder sogar die Pflicht weitere Handlungen vorzunehmen, um eine Durchführung zu verhindern.413

408

OLG Stuttgart, Urteil vom 01.09.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27, 28. Fleischer, BB 2004, 2645, 2648. 410 Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; ebenfalls kritisch bezüglich der OLG Stuttgart Entscheidung Franke, JZ 1982, 579, 581 f.; Franzheim, NJW 1993, 1836, 1837; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 203. 411 Zutreffend Fleischer, BB 2004, 2645, 2648. 412 Hierzu die Ausführungen in Kapitel 3, C., II., 1., b), dd). 413 Vgl. eingehend Vetter, DB 2004, 2623 ff. 409

C. Kollegialentscheidungen

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(1) Gesellschaftsinterne Maßnahmen Sollte ein überstimmtes Organmitglied ernsthaft Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses hegen, so sollte es zunächst eindringlich auf seine Bedenken hinweisen.414 Er kann einen erneuten Beschluss beantragen oder einen Widerspruch einlegen.415 Hat dies keinen Erfolg, ist der nächste verpflichtende Schritt die Information des Aufsichtsrats.416 Auch kann ein Vorstandsmitglied sein Amt niederlegen, um eine eigene Haftung zu vermeiden.417 Nach weit überwiegender Ansicht besteht hierzu jedoch keine Verpflichtung.418 (2) Externe Maßnahmen Schwieriger ist zu beantworten, ob es für das überstimmte Organmitglied erlaubt oder sogar verpflichtend ist, Dritte zu informieren, sollten andere Mittel nicht erfolgreich sein. Die zuvor beschriebenen Maßnahmen können alle als gesellschaftsinterne Maßnahmen klassifiziert werden.419 Das Vorstandsmitglied muss sich bei der Auswahl für das für die Gesellschaft am wenigsten belastende Mittel entscheiden.420 Bevor außenstehende Dritte über Fehlverhalten unterrichtet werden, müssen nach dem gesellschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz alle gesellschaftsinternen Möglichkeiten zur Problembehebung genutzt werden.421 414

Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 77 AktG Rn. 50. Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 188; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 223; Kust, WM 1980, 758, 761; vgl. auch Fleischer, BB 2004, 2645, 2649. 416 LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183, 190; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 20; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.09.2021, § 77 Rn. 37; ders./ Schmolke, WM 2012, 1013, 1014; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 370; Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 22; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 223; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 77 Rn. 50; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 188; Kust, WM 1980, 758, 761. 417 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, § 77 Rn. 50; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, § 93 Rn. 188; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2021, § 77 Rn. 37; ders., BB 2004, 2645, 2649; ders./Schmolke, WM 2012, 1013, 1014. 418 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 188; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2021, § 77 Rn. 37; ders., BB 2004, 2645, 2649; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 372; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 77 Rn. 50. 419 Für die Unterscheidung in gesellschaftsinterne und gesellschaftsexterne Maßnahmen Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, 01.02.2022, § 77 Rn. 36 ff.; ders., BB 2004, 2645, 2649; ders./Schmolke, WM 2012, 1013, 1014. 420 Fleischer, BB 2004, 2645, 2650. 421 Vgl. bereits OLG Hamm, Urteil vom 07.11.1984 – 8 U 8/84, GmbHR 1985, 157 f.; siehe ferner Fleischer, BB 2004, 2645, 2650; U. H. Schneider, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, 473, 483. 415

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Kap. 3: Kausalität

Bejaht wurde dies auch durch den BGH, der die Abberufung eines Vorstandsmitglied sowie die Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund für wirksam erklärte, weil das Vorstandsmitglied, statt zunächst den Aufsichtsrat zu unterrichten, eine amtliche Untersuchung durch die Aufsichtsbehörde ausgelöst hatte.422 bb) Kausalität Kann eine Pflicht zur aktiven Nein-Stimme begründet werden, rückt die Frage des Vorliegens der Kausalität in den Fokus der Betrachtung. Nach hiesiger Auffassung richtet sich die Zurechnung in Fällen der Kollegialentscheidungen analog § 830 Abs. 1 S. 1 BGB.423 Die Begründung der Zurechnung analog § 830 Abs. 1 S. 1 BGB ist in diesen Fällen jedoch nicht möglich. Während § 830 Abs. 1 S. 1 BGB das Ziel hat, dass der Beteiligte nicht von dem Zufall profitiert, ob sein potentiell schadensverursachender Beitrag zum Erfolg führt oder nicht, ist die Enthaltung gerade nicht dazu geeignet, potentiell zum Schaden zu führen. Dem Einwand, eine einzelne zustimmende Stimme vermöge es im Regelfall auch nicht, das Mehrheitserfordernis solcher Beschlüsse zu erfüllen, kann die unterschiedliche Qualität des Verhaltens entgegengehalten werden. In dem Fall, dass das in Anspruch genommene Organmitglied pflichtwidrig mit der Mehrheit gestimmt hat, trägt es aktiv zum pflichtwidrigen Beschluss bei. Die Enthaltung stellt keinen wesentlichen Beitrag dar; sie verhilft nicht zum Gelingen des Beschlusses und erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes des Erfolges.424 Die Verantwortlichkeit jedes Organmitglieds muss aber individuell begründet werden. Damit kann die Enthaltung nicht als kausaler Beitrag zum pflichtwidrigen Beschluss angesehen werden. Für das reine Abstimmungsverhalten wird man deshalb im Regelfall keinen Zurechnungszusammenhang zwischen Enthaltung und Schaden feststellen werden können.

III. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Kollegialentscheidungen bzw. Gremienentscheidungen werfen nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Zivilrecht diverse Kausalitäts- und Zurechnungsfragen auf. Die Probleme kreisen dabei um die Frage der Begründung der Kausalität zwischen Stimmabgabe und Schaden. Die conditio-sine-qua-nonFormel kann eine Zurechnung des Schadens zur einzelnen Stimmabgabe nicht gewährleisten. 422 BGH, Urteil vom 14.07.1966 – II ZR 212/64, AG 1966, 366, 367; dazu auch Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 77 Rn. 38. 423 Hierzu die Ausführungen in Kapitel 3, C., II., 1., b), bb). 424 Ähnlich für die strafrechtliche Würdigung Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001, S. 206; siehe auch Franke, JZ 1982, 579, 583; Weißer, Kausalitätsund Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, 1996, S. 208 ff.

D. Kooperation mit Verfolgungsbehörden

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2. Es konnte gezeigt werden, dass die nach den gängigen Ansätzen nicht mögliche Zurechnung in Kollegialentscheidungen eine planwidrige Regelungslücke darstellt, die eine analoge Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB notwendig macht und rechtfertigt. Sie stellt für die zivilrechtliche Haftung von Organmitgliedern in Kollegialentscheidungen eine einfach handhabbare Norm dar, die über das zu Beginn als nicht zufriedenstellend angesehene Ergebnis einer Nicht-Haftung hinweghilft. 3. Obgleich sich in der strafrechtlichen Literatur diverse Lösungsansätze gebildet haben, kann, trotz grundsätzlicher Ähnlichkeit der Kausalitätsbegriffe, in der strafrechtswissenschaftlichen Literatur kein unbesehen auf das Zivilrecht und hiesige Organhaftungsansprüche übertragbarer Ansatz ausgemacht werden. 4. Bei einem ablehnenden Votum des Organmitglieds ist eine Mithaftung für den rechtswidrigen Beschluss abzulehnen. Ebenfalls nicht haftbar macht sich ein Organmitglied durch Enthaltung bei einem rechtswidrigen Beschluss. Eine Kausalität kann hier nicht festgestellt werden.

D. Kooperation mit Verfolgungsbehörden Spannende Fragen der Kausalität stellen sich im Rahmen von Organhaftungsansprüchen im Falle der Kooperation mit Verfolgungsbehörden. Verfahren, in denen Unternehmen immense Geldbußen auferlegt werden, sorgen immer wieder für Schlagzeilen. So verhängte das Bundeskartellamt 2021 Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 355 Millionen Euro gegen Edelstahlunternehmen,425 die Staatsanwaltschaft München verhängte gegenüber der Siemens AG eine Geldbuße in Höhe von 395 Millionen Euro426 und die Staatsanwaltschaft Braunschweig verhängte 2018 ein Bußgeld in Höhe von einer Milliarde Euro gegen die VW-AG.427 Regelmäßig gehen mit den gegen das Unternehmen verhängten Geldbußen oder Strafzahlungen Schadensersatzansprüche nach § 93 AktG gegen Vorstand und Aufsichtsrat einher.428 Häufig versucht die Gesellschaft, durch Koope425 Vgl. Bußgeldentscheidung B12-22/15 und B12-21/17 des Bundeskartellamts, abrufbar unter https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberich te/Kartellverbot/2021/B12-22-15_B12-21_17.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 426 Vgl. „Siemens zahlt eine Milliarde Euro Strafe“, wiwo.de vom 15.12.2008, abrufbar unter https://www.wiwo.de/unternehmen/korruptionsskandal-siemens-zahlt-einemilliarde-euro-strafe/5495116.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 427 „VW muss Bußgeld zahlen“ Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 13.06.2018, abrufbar unter https://staatsanwaltschaft-braunschweig.nie dersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/vw-muss-bugeld-zahlen-174880. html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 428 Vgl. exemplarisch LG Saarbrücken, Urteil vom 15.09.2020 – 7 HK O 6/16, NZKart 2021, 64; LAG Düsseldorf, (Teil-)Urteil vom 20.01.2015 – 16 Sa 459/14, CCZ 2015, 185.

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rationen mit der Behörde die Höhe des Bußgelds zu mindern.429 Im Hinblick auf die Haftung des Vorstands stellt sich dabei die Frage, inwieweit sich die Kooperation der Gesellschaft auf den Zurechnungszusammenhang zwischen der ursprünglichen Pflichtverletzung des Vorstands und dem gegen die Gesellschaft verhängten Bußgeld auswirkt. Eine andere Fallgruppe, die demselben Komplex zugeordnet werden kann und im Rahmen der Untersuchung betrachtet werden soll, stellen Vergleiche dar. Hierzu gilt es zunächst in gebotener Kürze mögliche Bußgeldvorschriften zu identifizieren und Kooperationsmöglichkeiten sowie deren Folgen herauszuarbeiten. Im Anschluss daran gilt es, die Auswirkungen auf die Organhaftung zu ergründen. Wie eingangs erwähnt, liegt das Augenmerk hier auf der Frage der Kausalität.

I. Prämisse Nach § 30 Abs. 1 OWiG sind juristische Personen oder Verbände bezüglich dem Ordnungswidrigkeitenrecht entspringenden Sanktionen oder Straftaten gegenüber natürlichen Personen gleichgestellt. Die Vorschrift ermöglicht damit die Festsetzung einer Geldbuße gegen juristische Personen, wenn ihre Organe Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen haben.430 Wird im Rahmen eines OWiG-Verfahrens ein Bußgeld gegen die Gesellschaft verhängt, so kann ein Anspruch der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG gegen die handelnden Organmitglieder auf Ersatz des erlittenen Schadens bestehen. In diesem Fall wurde ein behördliches oder gerichtliches Verfahren bereits absolviert, in dem ein Verstoß der Aktiengesellschaft gegen die an sie adressierten, externen Rechtsbindungen festgestellt wurde. Dabei besteht auch die Möglichkeit, dass das Bußgeld durch die Zurechnung nach § 9 OWiG gegenüber dem handelnden Vorstand selbst bereits ausgesprochen wurde. Für den Regressprozess kommt diesen behördlich oder gerichtlich getroffenen Entscheidungen bezüglich einer Rechtsverletzung des Unternehmens und damit einer möglichen Pflichtverletzung des Vorstandes jedoch auch dann keine Bindungswirkung zu, wenn Rechtskraft eingetreten ist.431 Nach § 325 ZPO entfalten zivilgerichtliche 429 Exemplarisch ist das Kartellverfahren gegen mehrere Autobauer zu nennen, bei dem die Volkswagen AG durch eine Kooperation die Reduzierung der Geldbuße und die Daimler AG sogar einen vollständigen Erlass erreichte, vgl. Pressemitteilung vom 8. Juli 2021 der EU-Kommission, abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscor ner/detail/de/ip_21_3581 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 430 Meyberg, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 30 Rn. 8; Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 1; Grau/ Dust, ZRP 2020, 134 f. 431 Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 98; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 158.

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Urteile grundsätzlich nur inter partes Bindungswirkung.432 Keine Partei i. S. d. Vorschrift ist dagegen der nach § 78 AktG als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft handelnde Vorstand, weswegen die Bindungswirkung sich nicht auf ihn erstreckt.433 Da ein vorausgehendes OWiG-Verfahren gegen die Gesellschaft keinerlei Bindungswirkung für die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Geschäftsleiters hat, müssen die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung erfüllt sein, damit eine Kapitalgesellschaft die ihr auferlegte Geldbuße von ihren Geschäftsleitern ersetzt verlangen kann.

II. Kooperation mit Ermittlungsbehörden Regelmäßig kann es für ein Unternehmen, welches Gegenstand einer behördlichen Untersuchung ist, vorteilhaft sein, mit den ermittelnden Behörden zu kooperieren, um beispielsweise die Höhe der Sanktion bzw. der Geldbuße zu verringern oder die Dauer des Verfahrens zu verkürzen.434 Die Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlungsbehörden kann sich sowohl stellen, wenn die Ermittlungen bereits im Gange sind, als auch dann, wenn noch keine Ermittlungen eingeleitet wurden.435 In einem laufenden Ermittlungsverfahren müssen sich die Geschäftsleiter daran orientieren, ob eine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft im Unternehmensinteresse liegt oder nicht.436 Zunächst soll untersucht werden, inwieweit sogar eine Pflicht des Unternehmens zur Kooperation vorliegen kann. Im weiteren Schritt wird die Auswirkung der Kooperation für den Zurechnungszusammenhang betrachtet. 1. Pflicht zur Kooperation Eine gesetzliche Regelung zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vorstand zur Kooperation mit Ermittlungsbehörden verpflichtet ist, besteht nicht. Von den allgemeinen Sorgfaltspflichten des Vorstands aus § 93 AktG kann man aber ableiten, dass eine Pflicht besteht, den Schaden für die Gesell432 Vgl. nur BGH, Urteil vom 20.10.1995 – V ZR 263/94, NJW 1996, 395, 396; Grube, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 325 Rn. 1; Gottwald, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 325 Rn. 1; hierzu bereits Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 158. 433 Vgl. Grube, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07. 2022, § 325 Rn. 1; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 158. 434 Fleischer, DB 2014, 345, 351; Moosmayer, Compliance, 4. Aufl. 2021, § 5 Rn. 350. 435 Vgl. Kremer, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 701, 702, 712; Fleischer, DB 2014, 345, 351. 436 Fleischer, DB 2014, 345, 351; siehe auch Kremer, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 701, 705.

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schaft zu mindern oder ganz abzuwenden. Regelmäßig wird dies eine Verpflichtung bedeuten, eine Kooperation mit den staatlichen Behörden sorgfältig zu prüfen.437 Ob und wie der Vorstand kooperiert, liegt grundsätzlich in seinem unternehmerischen Ermessen. Ermittlungen gegen Mitarbeiter größerer Unternehmen können schnell eine intensive Berichterstattung zur Folge haben, die den Druck auf das Unternehmen erhöhen, sich als kooperativ zu präsentieren. Solche Ermittlungen können sich über Jahre hinziehen, was zu einer beständigen negativen Berichterstattung und damit zu anhaltenden Reputationsschäden438 führen kann.439 Mit Blick auf die beschriebenen Risiken und der öffentlichen Aufmerksamkeit auf diese Verfahren kann daher von einem großen Interesse des Unternehmens ausgegangen werden, mögliche Schäden, ob finanziell oder als Reputationsschaden, zu mindern. Dabei wird es trotz des unternehmerischen Ermessens im Einzelfall häufig geboten sein, mit der Kooperation die wahrscheinlich einzige Maßnahme vorzunehmen, die das Bußgeld potentiell mindern oder einen Reputationsschaden des Unternehmens, verursacht etwa durch rufschädigende Durchsuchungen der Geschäftsräume, vermeiden kann.440 Eine Kooperation mit den Verfolgungsbehörden sollte durch den Vorstand sorgfältig geprüft werden. Nicht selten können die Vorteile einer Kooperation überwiegen, weswegen sogar eine Pflicht zur Zusammenarbeit bestehen könnte.441 2. Auswirkungen auf den Zurechnungszusammenhang Zu untersuchen ist, inwieweit sich eine Kooperation mit den Verfolgungsbehörden auf den Zurechnungszusammenhang auswirkt. Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs wird teilweise angenommen, da die Aktiengesellschaft bei einer Einigung die Geldbuße aufgrund sonst drohender weitergehender Ermittlungen und Sanktionen „freiwillig“ akzeptiere, ohne dass der Sachverhalt oder die persönliche Verantwortung der Organmitglieder vollständig aufgeklärt werden.442 Zu Auswirkungen auf den Zurechnungszusammenhang haben sich in 437 Fleischer, DB 2014, 345, 351; Kremer, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 701, 705; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 217. 438 Zu Reputationsschäden später unter: Kapitel 4, F. 439 Kremer, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 701, 703. 440 Kremer, in: Festschrift U. H. Schneider, 2011, 701, 705; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 217. 441 So auch Fleischer, DB 2014, 345, 351; Kremer, in: Festschrift U. H. Schneider, 701, 705. 442 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57; ebenso Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 272; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 216 f.

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Rechtsprechung und Literatur verschiedene Ansätze entwickelt, die nachfolgend dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden. a) Herausforderungsfälle aa) Darstellung In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird eine Parallele zur Konstellation der Fallgruppe der Herausforderungsfälle gezogen.443 Die Vergleichbarkeit ergebe sich daraus, dass die Verhängung der Geldbuße letztlich auf dem Verhalten der Organe beruhe, wenn die Gesellschaft mit den Verfolgungsbehörden kooperiert, sich auf die Verfahrensbeendigung einigt und die Sanktion in Form der Geldbuße akzeptiert.444 Diese einvernehmliche Verfahrensbeendigung werde durch die Pflichtverletzung des Vorstands herausgefordert, da sich die Gesellschaft durch die Verständigung Vorteile erhofft. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Gesellschaft sich auf die Verständigung einlassen würde, wenn sie sich sicher sei, dass eine entsprechende Rechtsverletzung nicht vorliege. Die einvernehmliche Verfahrensbeendigung stelle dementsprechend regelmäßig ein vernünftiges Vorgehen im Interesse der geschädigten Gesellschaft dar. bb) Würdigung Nach ständiger Rechtsprechung ist jemand, der durch vorwerfbares Tun einen anderen zu selbstgefährdendem Verhalten herausfordert, diesem zum Schadensersatz aus unerlaubter Handlung verpflichtet, wenn dessen Willensentschluss auf einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht.445 Wann von einem Herausforderungsfall gesprochen werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist dabei die Relation des eingegangenen Risikos zum drohenden Schaden.446 Überträgt man diese Grundsätze auf die vorliegend behandelte Konstellation, offenbaren sich Unterschiede zu der klassischen Konstellation eines Herausforderungsfalls. Für die aufgrund der Einigung ange443 Fleischer, DB 2014, 345, 351; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 219 ff.; Erfurth, Der Bußgeldregress im Kapitalgesellschaftsrecht, 2020, S. 77 ff. 444 Hierzu und zum Folgenden Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 220; vgl. auch Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 188; Fleischer, DB 2014, 345, 352. 445 BGH, Urteil vom 13.07.1971 – VI ZR 125/70, NJW 1971, 1980; BGH, Urteil vom 29.10.1974 – VI ZR 168/73, NJW 1975, 168; BGH, Urteil vom 21.02.1978 – VI ZR 8/77, NJW 1978, 1005, 1006; BGH, Urteil vom 03.07.1990 – VI ZR 33/90, NJW 1990, 2885; BGH, Urteil vom 04.05.1993 – VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234; BGH, Urteil vom 12.03.1996 – VI ZR 12/95, NJW 1996, 1533; BGH, Urteil vom 31.12.2012 – VI ZR 43/11, NJW 2012, 1951 Rn. 8. 446 Erfurth, Der Bußgeldregress im Kapitalgesellschaftsrecht, 2020, S. 78.

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ordneten Sanktion ist die Kooperation mit den Behörden zwar unmittelbar kausal. Nicht zu vernachlässigen ist aber, dass ein Bußgeld, aller Voraussicht nach, ohnehin verhängt worden wäre. Vielmehr ist im Alternativfall von einem deutlich höheren Bußgeld auszugehen, da die Kooperation mit der Behörde höchstwahrscheinlich zu einer Reduktion geführt hat.447 Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu den klassischen Herausforderungsfällen, wie etwa den Verfolgungssituationen. Dort wird die selbstgefährdende Handlung zwar durch den Schädiger herausgefordert, ohne die selbstgefährdende Handlung des Geschädigten wäre es jedoch nicht zum Schaden gekommen.448 Aufgrund der Pflicht zur Schadensreduzierung kann die Kooperation geboten sein und damit einer Einstufung als Herausforderungsfall entgegenstehen.449 Wie bereits dargestellt, kann eine Kooperation mit den Behörden Erleichterungen wie eine verkürzte Verfahrensdauer oder die Reduzierung der finanziellen Sanktionen bedeuten, weswegen je nach Einzelfall sogar eine Pflicht zur Kooperation besteht. Demnach ist die Gesellschaft nicht gänzlich autonom in der Frage, ob im Ermittlungsverfahren kooperiert wird. Wird nicht kooperiert, könnte das dem Regressanspruch ausgesetzte Vorstandsmitglied eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit durch die Gesellschaft gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB als Mitverschulden monieren.450 Eine vollständige Übertragung der Grundsätze zur Herausforderungsfällen ist damit abzulehnen. b) Aufwendungen Eine weitere Möglichkeit ist, die Fallgruppe der Aufwendungen heranzuziehen.451 Konkret geht es dabei um Aufwendungen, die die Gesellschaft zur Verhinderung oder zur Geringhaltung ihres Schadens tätigt. Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wird nicht angenommen, wenn die Aufwendungen durch das Verhalten des Schädigers veranlasst wurden und einem wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten als erforderlich erscheinen.452 Hier lassen sich ähnliche Argumente wie bei der Übertragung der Grundsätze der 447 Vgl. Kremer, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 701, 703; siehe Erfurth, Der Bußgeldregress im Kapitalgesellschaftsrecht, 2020, S. 78. 448 Erfurth, Der Bußgeldregress im Kapitalgesellschaftsrecht, 2020, S. 78. 449 Erfurth, Der Bußgeldregress im Kapitalgesellschaftsrecht, 2020, S. 78. 450 Erfurth, Der Bußgeldregress im Kapitalgesellschaftsrecht, 2020, S. 78 f. 451 Vgl. Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 220, die sowohl die Fallgruppe der Herausforderungsfälle als auch die der Aufwendungen anwendet; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 43 f. 452 BGH, Urteil vom 11.09.2008 – I ZR 118/06, NJW-RR 2009, 43, 46; BGH, Urteil vom 24.04.1990 – VI ZR 110/89, NJW 1990, 2060, 2061 f.; BGH, Urteil vom 06.04. 1976 – VI ZR 246/74, NJW 1976, 1198, 1200 m.w. N.; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 44.

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Herausforderungsfälle in Stellung bringen, namentlich, dass das Bußgeld üblicherweise geringer ausfällt, wenn eine Einigung mit der Behörde erzielt wird. Werde die Entscheidung in Erwartung eines ansonsten höheren Bußgeldes getroffen, handle es sich um den Fall von Aufwendungen zur Schadensminderung.453 c) Unterbrechung des Kausalzusammenhangs Nach einer Ansicht in der Literatur wird der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und der Verbandsgeldbuße durch eine Einigung mit den Behörden unterbrochen, wenn eine Aktiengesellschaft die Geldbuße aufgrund sonst drohender weitergehender Ermittlungen und Sanktionen „freiwillig“ akzeptiere, ohne dass der Sachverhalt oder die persönliche Verantwortung der Organmitglieder vollständig aufgeklärt werden.454 Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Einigung auch die Gestaltung des Sachverhalts betreffe und Sanktionen einem Sachverhalt zugeordnet werden, der nicht eigentlich den Gegenstand des eingeleiteten Verfahrens betrifft oder, dass das „Nachgeben“ der Gesellschaft einer milderen Sanktion in einem anderem Verfahren dient.455 Der Tatbeitrag könne im Einzelnen nicht mehr abgegrenzt werden, weswegen die Gesellschaft nicht mehr darlegen könne, inwiefern das jeweilige Verhalten für die Anordnung und das Ausmaß der Sanktion beachtlich gewesen sei.456 Der Entscheidung einer Gesellschaft zur Kooperation und schlussendlich zur einvernehmlichen Beendigung der Untersuchungen können auf einer Vielzahl von Gründen beruhen, die über eine Abwägung der Chancen im gerichtlichen Verfahren hinausgehen.457 Gleichzeitig ist es nach Ansicht von Mertens/Cahn aber nicht möglich, diese Gründe abschließend festzustellen. Selbst die beteiligten Verwaltungsmitglieder seien nicht in der Lage, eine abschließende und detaillierte Aufgliederung ihrer Motivationslage vorzunehmen. Im gegenteiligen Fall könne man deren Richtigkeit aber auch nicht beweisen. Es ließe sich nicht ausschließen, dass die Entscheidung auch auf verschwiegenen oder den Verwal-

453 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 42. 454 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57; ebenso Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 272; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 216 f. 455 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57. 456 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57; ähnlich Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 216 f. 457 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57; ebenso Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 216 f.

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tungsmitgliedern unbewussten Motiven basieren. Die Feststellung der äquivalenten Kausalität der Handlungen des Organmitglieds sei indes unverzichtbar.458 d) Würdigung Eine pauschale Unterbrechung des Kausalzusammenhangs in jeglichen Fällen der Kooperation mit den Ermittlungsbehörden ist abzulehnen. Nur auf den ersten Blick erscheint der Einwand überzeugend, dass bei einer Einigung der Gesellschaft mit den Behörden aufgrund der nicht vollständig erfolgten Sachverhaltsaufklärung eine klare Abgrenzung der Tatbeiträge einzelner Organmitglieder nicht möglich sei und somit nicht genau dargelegt werden könne, inwiefern welche Handlung für die Verhängung und das Ausmaß der Sanktionierung von Bedeutung gewesen sei, sodass der Zurechnungszusammenhang entfalle. Es ist anerkannt, dass verschiedene Bedingungen, die auf mehrere Personen zurückgehen, einen Schaden verursachen können.459 Jede dieser Ursachen wird nach der Äquivalenztheorie als gleichwertig angesehen.460 Alle Schädiger haften als Gesamtschuldner.461 Gegen die postulierte fehlende Abgrenzbarkeit der Tatbeiträge einzelner Organmitglieder spricht außerdem, dass diese Fragen gerade im Prozess aufgeklärt werden sollen. Wie bereits festgestellt, hat die Entscheidung des Gerichts im Vorprozess gegen die Gesellschaft oder die Entscheidung der Bußgeldbehörde keine rechtlich bindende Wirkung für den Prozess gegen das Organmitglied. Dementsprechend müssen im Prozess gegen das Organmitglied der Sachverhalt und die vorgebrachten Vorwürfe geprüft und ermittelt werden. Kann die Kausalität im Prozess nicht nachgewiesen werden, scheitert der Regressanspruch. Mögliche Nachweisschwierigkeiten rechtfertigen keine pauschale Ablehnung des Zurechnungszusammenhangs. Ferner ist das Szenario einer freiwillig akzeptierten Sanktion so nicht plausibel. Es erscheint abwegig, dass eine Gesellschaft ein Bußgeld oder ähnliche

458

Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 57. Vgl. BGH, Urteil vom 10.05.1990 – IX ZR 113/89, NJW 1990, 2882 ff.; hierzu Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 41; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 221; siehe auch Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 90. 460 J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition 01.05.2022, § 249 Rn. 280; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, Vorbem. § 249 Rn. 122; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 103; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 30; Lorenz, in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2021, S. 316. 461 BGH, Urteil vom 10.05.1990 – IX ZR 113/89, NJW 1990, 2882, 2883; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 133; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 41; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 221. 459

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Sanktionen „freiwillig“ akzeptieren wird, wenn die zugrundeliegende Pflichtverletzung nach Ansicht der Gesellschaft nicht vorlag. Sollte man eine „freiwillig“ akzeptierte Sanktion, der keine Rechtsverletzung zugrunde liegt, annehmen, scheitert der Anspruch nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bereits an der nicht bestehenden Pflichtverletzung des Vorstands. Wahrscheinlicher ist, dass die Gesellschaft um das Bestehen von Rechtsverletzungen weiß oder aber diese vermutet. Die Gesellschaft wird in diesem Fall die akzeptierte Sanktion dann im Verhältnis zu der vermuteten Rechtsverletzung als angemessen erachten.462 Nicht ausdrücklich von Mertens/Cahn so bezeichnet, könnte man ihre Ausführungen trotzdem so verstehen, dass die Gesellschaft mit ihrem Verhalten in den Geschehensablauf eingreife und den Schaden schlussendlich selbst herbeiführe. So kann es nach ständiger Rechtsprechung an einem Zurechnungszusammenhang fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt.463 Ein Unternehmen wird häufig jedoch sehr gute Gründe für eine Kooperation haben. Angefangen von einer möglichen Bußgeldreduzierung bis zur Vermeidung von nachhaltigen Reputationsschäden wurden bereits mehrere untersucht. Dabei ist das Vorgehen der Gesellschaft von der Fallgruppe der Aufwendungen umfasst. Zumindest in Fällen einer Pflicht kann eindeutig nicht von einem ungewöhnlichen oder unsachgemäßen Verhalten gesprochen werden. Die Kooperation und das Akzeptieren einer Geldbuße ist dann von dem Verhalten des Schädigers veranlasst und durfte der Gesellschaft auch erforderlich erscheinen. Aber auch in Fällen, in denen keine Pflicht besteht, eine Kooperation aber zu Vorteilen führt, ist ein zurechnungsunterbrechender Eingriff durch die Gesellschaft abzulehnen. 3. Ergebnis Eine grundsätzliche oder gar ausnahmslose Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs aufgrund einer Kooperation der Gesellschaft mit den Ermittlungsbehörden lässt sich nicht annehmen. Aber auch die von Mertens/Cahn beispielhaft gebildeten Szenarien stellen bei näherer Betrachtung oftmals keine Probleme für die Zurechnung, sondern vielmehr für die Pflichtwidrigkeit oder die Darlegungs- und Beweislast dar. In Anlehnung an die Fallgruppen der Aufwendungen und der Herausforderungsfälle ist von keiner Unterbrechung des

462 Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 188 463 BGH, Urteil vom 14.03.1985 – IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1331; BGH, Urteil vom 13.07.1971 – VI ZR 125/70, NJW 1971, 1980; BGH, Urteil vom 29.10.1987 – IX ZR 181/86, NJW 1988, 1143, 1145; BGH, Urteil vom 19.05.1988 – III ZR 32/87, NJW 1989, 99, 100.

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Kap. 3: Kausalität

Kausalzusammenhangs auszugehen, wenn das Vorgehen im Interesse des Unternehmens lag und kein völlig ungewöhnliches oder unsachgemäßes Verhalten vorlag. Eine Kooperation wird dabei zumeist im Interesse des Unternehmens liegen und bisweilen sogar eine Pflicht darstellen. Im Regelfall ist damit vom Bestehen eines Zurechnungszusammenhang auszugehen.

III. Vergleichsvereinbarungen Der gleichen Sphäre kann die Frage zugeordnet werden, wie sich Vergleiche auf den Zurechnungszusammenhang auswirken. Konkret betrifft dies Vergleichsvereinbarungen mit dem Haftungsgläubiger zur Beendigung einer rechtlichen Auseinandersetzung. Nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO können Parteien einen Prozessvergleich schließen, um einen Rechtsstreit zu beenden. Ebenfalls möglich ist eine außergerichtliche Streitbeilegung.464 Häufig ist mit dem Vergleich keine Feststellung einer Pflichtverletzung verbunden, da es sich um einen Rechtsgrund eigener Art handelt. Dementsprechend kann die Gesellschaft sich bereits zu Zahlung einer Kompensation verpflichten, ohne dass geklärt wurde, inwieweit es zu Pflichtverletzungen durch den Vorstand kam.465 Hier drängt sich die Frage auf, inwieweit eine beispielsweise im Wege des Vergleichs aufgenommene Zahlungspflicht dem Vorstand zugerechnet werden kann. Ein offensichtlicher Unterschied zwischen dem Vergleich und der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung im Rahmen der Kooperation mit den Behörden besteht darin, dass ein Vergleich üblicherweise keine Feststellung einer Pflichtverletzung beinhaltet, während die Gesellschaft bei der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung die Rechtspflicht anerkennen muss. Gemeinsam haben sie, dass der Schaden mit dem Abschluss des Vergleichs oder der Einigung mit den Verfolgungsbehörden endgültig eintritt.466 1. Rechtsprechung Erkenntnisse, ob und unter welchen Voraussetzungen der Zurechnungszusammenhang durch eine vergleichsweise Einigung unterbrochen sein kann, könnten sich aus einer Entscheidung des BGH zur Amtshaftung sowie einer Entscheidung des OLG Hamburg zur Anwaltshaftung ziehen lassen.467

464

Vgl. Wolfsteiner, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 794 Rn. 19. Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1394. 466 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 221. 467 Vgl. Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 86. 465

D. Kooperation mit Verfolgungsbehörden

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a) Entscheidung des BGH zur Amtshaftung Das hier zu untersuchende Urteil des BGH von 1998468 handelt von dem Amtshaftungsanspruch eines Schulleiters. Dieser hatte aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens eines Regierungsschuldirektors seine Stelle verloren. Im anschließenden Arbeitsrechtsstreit verglich sich der ehemalige Schulleiter mit seinem (privaten) Arbeitgeber. Daraufhin nahm er das Land wegen einer Amtspflichtverletzung des Regierungsschuldirektors in Anspruch. Das Berufungsgericht OLG Saarbrücken ging davon aus, dass durch den im arbeitsgerichtlichen Verfahren vergleichsweise geschlossenen Aufhebungsvertrag der Zurechnungszusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem Schaden unterbrochen worden sei.469 Auch der BGH nahm an, dass der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang unterbrochen werden kann, wenn der Geschädigte in Fällen wie dem vorliegenden von der Möglichkeit, den Schadenseintritt durch Inanspruchnahme gerichtlichen Schutzes zu verhindern, keinen Gebrauch macht und vielmehr mit dem Abschluss eines Vergleichs den Schaden endgültig herbeiführt. Ob der Vergleich zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs führt, bedürfe jedoch einer Einzelfallbetrachtung und hänge insbesondere von den Erfolgsaussichten der Klage und dem Interesse des Geschädigten an der alsbaldigen Streitbeendigung ab.470 So nahm der BGH nach den genannten Grundsätzen im vorliegenden Fall keine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs an.471 Die Erfolgschancen des Klägers wurden bezüglich einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht als hoch eingeschätzt. Er hätte damit rechnen müssen, dass das Arbeitsverhältnis auf Antrag aufgelöst wird und der Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilt wird. Dann aber stellt sein Entschluss, den Kündigungsschutzprozess durch Vergleich zu beenden, keine völlig ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion auf das amtspflichtwidrige Verhalten des Regierungsschuldirektors dar, denn der Vergleich entsprach dem wahrscheinlichen Ausgang des gerichtlichen Verfahrens.472 b) Entscheidung des OLG Hamm zur Anwaltshaftung In dem 2003 vom OLG Hamm entschiedenen Sachverhalt wurde ein Rechtsanwalt von einem ehemaligen Mandanten wegen der Verletzung anwaltlicher Pflichten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Rechtsanwalt hatte 468 469 470 471 472

BGH, Urteil vom 19.05.1988 – III ZR 32/87, NJW 1989, 99. BGH, Urteil vom 19.05.1988 – III ZR 32/87, NJW 1989, 99. BGH, Urteil vom 19.05.1988 – III ZR 32/87, NJW 1989, 99, 100. BGH, Urteil vom 19.05.1988 – III ZR 32/87, NJW 1989, 99, 100. BGH, Urteil vom 19.05.1988 – III ZR 32/87, NJW 1989, 99, 100.

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Kap. 3: Kausalität

den Auftrag, für den Kläger einen Mängelprozess im Rahmen eines Autokaufs gegen den Autoverkäufer zu führen. Er erhob jedoch erst nach Ablauf von sechs Monaten Klage auf Wandlung des Kaufvertrages wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft. Die Klage wurde erstinstanzlich wegen Verjährung abgewiesen. In der Berufungsinstanz brachte der Rechtsanwalt erstmals eine arglistige Täuschung durch den Verkäufer des Fahrzeugs vor, die jedoch nicht bewiesen werden konnte. Schlussendlich schlossen die Kaufvertragsparteien einen Vergleich auf Zahlung eines Abgeltungsbetrags. Nun verlangt der ehemalige Mandant vom Rechtsanwalt, so gestellt zu werden, als hätte er den Erstprozess gewonnen.473 Der Beklagte berief sich im Prozess darauf, dass der Zurechnungszusammenhang dadurch unterbrochen wurde, dass der Kläger im Vorprozess einen Vergleich mit dem Verkäufer geschlossen und sich nicht auf eine neue Klage unter Arglistgesichtspunkten eingelassen hat. Dem widersprach das OLG jedoch: Der Vergleich wurde durch die Pflichtverletzung des Beklagten herausgefordert, wurde durch diesen veranlasst und beruht eben nicht auf einem freien eigenständigen Willensentschluss des Klägers, der den Schaden erst herbeigeführt hat.474 2. Würdigung Die betrachteten Urteile erkennen zwar jeweils an, dass ein Zurechnungszusammenhang unterbrochen sein kann, wenn der Geschädigte im Wege eines Vergleichs auf die Inanspruchnahme des gerichtlichen Schutzes verzichtet. Eine grundsätzliche Wertung, dass der Zurechnungszusammenhang in diesen und ähnlichen Sachverhalten unterbrochen ist, lässt sich dabei jedoch nicht entnehmen. Vielmehr lehnen beide Gerichte eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs in concreto ab. Es ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, bei der unterschiedliche Aspekte, wie etwa die Erfolgsaussichten der ursprünglichen Klage, zu beurteilen sind.475 Das Gericht hat inzident den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln. Wenn der Inhalt des Vergleichs der gerichtlichen Entscheidung entspricht, die in der Sache höchstwahrscheinlich ergangen wäre und damit die Sachlage auch ohne den Vergleich eingetreten wäre, ist davon auszugehen, dass sich die durch die Pflichtverletzung geschaffene Pflichtenlage im Vergleich realisiert hat.476 Aber auch in Fällen, in denen dies nicht ermittelt werden kann, ist von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs nicht auszugehen, wenn die Entscheidung für den Vergleich keine völlig ungewöhnliche oder 473

OLG Hamm, Urteil vom 09.10.2003 – 28 U 73/03, NJW-RR 2004, 213. OLG Hamm, Urteil vom 09.10.2003 – 28 U 73/03, NJW-RR 2004, 213, 215. 475 So auch Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 89 f. 476 Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 89 f. 474

D. Kooperation mit Verfolgungsbehörden

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unsachgemäße Reaktion darstellt.477 Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Vergleich sogar regelmäßig als sachgemäßes Verhalten anzusehen, sodass er den Zurechnungszusammenhang regelmäßig wohl nicht unterbrechen wird.478

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Regelmäßig kann es für ein Unternehmen, welches Gegenstand einer behördlichen Untersuchung ist, vorteilhaft sein, mit den ermittelnden Behörden zu kooperieren, um beispielsweise die Höhe der Sanktion bzw. der Geldbuße zu verringern oder die Dauer des Verfahrens zu verkürzen. 2. Es konnte gezeigt werden, dass eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden oder eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreites nicht pauschal zu einer Kausalitätsunterbrechung führen. a) Vielmehr ist in all diesen Fallgruppen im Regelfall nicht von einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs auszugehen, wenn das Vorgehen im Interesse des Unternehmens lag und kein völlig ungewöhnliches oder unsachgemäßes Verhalten vorlag. b) In allen untersuchten Fallgruppen kann man davon ausgehen, dass eine Beendigung des Rechtsstreits im Wege einer Kooperation o. Ä. oftmals zu einer Reduzierung des Schadens für die Gesellschaft führt, da die Sanktion reduziert wird, der Reputationsschaden minimiert wird oder schlicht Rechtskosten eingespart werden. Viele der debattierten Fragen betreffen stattdessen Punkte wie die Pflichtwidrigkeit oder aber die Darlegungsund Beweislast.

477 Vgl. BGH, Urteil vom 19.05.1988 – III ZR 32/87, NJW 1989, 99, 100; BGH, Urteil vom 31.05.2011 – II ZR 141/09, NZG 2011, 829, 835 Rn. 51; so bereits Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 220. 478 Vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2011 – II ZR 141/09, NZG 2011, 829, 835 Rn. 51.

Kapitel 4

Schaden Neben der Kausalität wurde das Tatbestandsmerkmal Schaden im Kontext der Organhaftung bisher in der Breite nur wenig beleuchtet.1 Wie jede Schadensersatzpflicht setzt auch der Organhaftungsanspruch gem. § 93 Abs. 2 AktG einen Schaden voraus.2 Als elementares Tatbestandsmerkmal des Schadensersatzanspruchs kann die praktische Relevanz der damit zusammenhängenden Fragen für Vorstandsmitglieder nicht überschätzt werden. Mit dem Ziel, Forschungslücken zu schließen, werden fünf Einzelfragen herausgegriffen, die im Kontext der Vorstandshaftung als besonders relevant erachtet werden. In den Fragen der Regressfähigkeit einer Verbandsgeldbuße und der Ersatzfähigkeit von Kosten interner Untersuchungen unterstreichen bereits viel beachtete und kontroverse Gerichtsentscheidungen die praktische Relevanz.3 Die Beantwortung dieser Fragen hat immense Auswirkungen auf die Schadenshöhe möglicher Regressansprüche. Die Erheblichkeit der Debatte um eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs lässt sich mit Blick auf die potentiell enorme Höhe des geltend gemachten Schadens nachvollziehen. Nach einer Einordnung der Debatte in ein übergeordnetes Diskussionsfeld wird die Notwendigkeit einer Begrenzung untersucht und bewertet. Ebenfalls mit Blick auf die Höhe der geltend gemachten Schäden ist die Frage der Vorteilsausgleichung von erheblicher Relevanz. Die Berücksichtigung der durch die Pflichtverletzung erzielten Gewinne kann in diesem Sinne für das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied von erheblicher Bedeutung sein. 1 Siehe exemplarisch die knappen Kommentierungen in Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 409 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 55 ff.; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192 ff.; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 254 ff. 2 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 406; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 55; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 254; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 60; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 97; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 86. 3 Vgl. LAG Düsseldorf, (Teil-)Urteil vom 20.01.2015 – 16 Sa 459/14, CCZ 2015, 185 und LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183.

A. Schadensbegriff

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Reputationsschäden haben in der Praxis bisher wenig Aufmerksamkeit erlangt, aufgrund der steigenden Bedeutung der Reputation als Vermögenswert von Unternehmen kann jedoch eine zukünftig ebenso wachsende Relevanz im Schadensrecht im Unternehmenskontext prognostiziert werden.4 Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur hat dieses Problemfeld bisher nur vereinzelt Beachtung gefunden, weswegen insbesondere die wachsende ökonomische Bedeutung der Reputation es erforderlich macht, die dort aufkeimenden Problemstellen zu identifizieren und diese einem Lösungsvorschlag zuzuführen.

A. Schadensbegriff Bevor die problematischen Fallgruppen untersucht werden, muss zunächst die Basis der Untersuchung geschaffen werden. Dazu gilt es, den im Rahmen des § 93 AktG geltenden Schadensbegriff festzulegen.

I. Schadensbegriff nach § 249 BGB Nach herrschender Meinung wird auch im Rahmen von § 93 AktG der Schadensbegriff der §§ 249 ff. BGB angewendet, der auf der Differenzhypothese basiert.5 Ein Schaden liegt danach vor, wenn das Gesellschaftsvermögen vermindert wurde, ohne dass ein Ausgleich durch einen damit in Zusammenhang stehenden Vermögenszuwachs erfolgt.6 Eine Ausnahme hiervon stellt § 93 Abs. 3 AktG dar, dessen Schadensfeststellung von den §§ 249 ff. BGB abweicht.7 Unter 4 Siehe Ausführungen in Kapitel 4, F. zum Stellenwert der Reputation in Unternehmen. 5 Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 22; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), AktG, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 34; Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 36; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 409; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 237; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 86; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2021, § 93 Rn. 254; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 60; ders., DStR 2009, 1204, 1205 ff.; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 97; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 724; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 44; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 272; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 222. 6 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 406; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192; Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 36; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 254. 7 Vgl. Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 319; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 76; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 41;

126

Kap. 4: Schaden

Anwendung von § 249 BGB ist der Zustand widerherzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Naturalrestitution).8

II. Subjektiver Vermögensbegriff Eine (ältere) Mindermeinung spricht sich gegen die Anwendung der §§ 249 ff. BGB aus und plädiert für einen subjektiven Vermögensbegriff. Nicht jede Vermögensminderung sei als Vermögensschaden anzusehen; vielmehr sei eine dem Unternehmenszweck widersprechende Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens erforderlich.9 Ausgaben zugunsten „einer für den Erfolg des Unternehmens auf Dauer wesentlichen Umweltstabilisierung, Goodwill-Verfestigung [. . .] oder Investitionen für Forschung“ sollen keinen Vermögensschaden darstellen. Dies gelte jedenfalls, so lange nicht feststehe, dass sie ihren Zweck verfehlt haben.10

III. Stellungnahme Vorzuziehen ist der Schadensbegriff der herrschenden Meinung. Es ist unbeachtlich, ob der Vermögensminderung auch der Unternehmenszweck entgegensteht. Es entsteht grundsätzlich ein Schaden, dessen Ersatzfähigkeit davon abhängt, ob der Eintritt pflichtwidrig war.11 Das „Problem“ sozialer Aufwendungen kann auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit gelöst werden kann.12 Nicht notwendig ist, den Tatbestand des § 93 Abs. 2 AktG einschränkend auszulegen. Stattdessen genügt es, wenn das Vorstandsmitglied im Rahmen seines Geschäftsleiterermessens nachvollziehbare Gründe für etwaige Sozialausgaben angeben kann.13 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 339; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 149; Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 57; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 134, 145; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 251. 8 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 256; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 409. 9 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 23; ausführlich ders., Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, 128 ff., 165 ff. 10 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 23. 11 So auch Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 195. 12 U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 99; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 22; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 86; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 195; Hölters, in: Hölters/ Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 238; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 255. 13 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 408; siehe auch Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 255.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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IV. Grundsätzlich ersatzfähige Schadensposten Da die §§ 249 ff. BGB in Anwendung kommen, ist im Rahmen des § 252 BGB auch der entgangene Gewinn ersatzfähig.14 Auch eine überschuldete Gesellschaft kann einen Vermögensschaden erleiden.15 Maßgeblich ist allein die Vermögenslage der Gesellschaft. Unerheblich sind Schäden, die den Aktionären, etwa durch Kursverluste, entstanden sind.16 Ideelle Schäden, wie Rufschädigungen, stellen nur insoweit einen ersatzfähigen Schaden dar, wie sie sich nachteilig im Vermögen der Gesellschaft auswirken.17 Die Gesellschaft muss darlegen, dass und in welcher Höhe ein Schaden in concreto entstanden ist.18

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße Verhängte Bußgelder mindern unmittelbar die Vermögensmasse des Unternehmens: Bei Anwendung der Differenzhypothese stellt das Bußgeld für die Gesellschaft dementsprechend einen Schaden dar. Über die Binnenhaftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG sind die Schäden der Gesellschaft zu ersetzen, denen eine Pflichtverletzung ihrer Organmitglieder zugrunde liegt.19 Unternehmen sind deswegen geneigt, die jeweils handelnden Personen, sprich ihre Organe – in der Regel den Vorstand – in Regress zu nehmen. Vor allem im Schrifttum wird lebhaft 14 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 256; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 100; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 22; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 409; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192. 15 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 409; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 256; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 62. 16 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 60; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 265; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 63; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 22; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 412; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 725. 17 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 256. 18 Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 41; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 208; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 275; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 11 Rn. 70; Bürgers, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 22; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 140; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 112; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 103. 19 Eingehend hierzu schon unter Kapitel 2, A.

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Kap. 4: Schaden

diskutiert, ob Gesellschaften, die mit Geldbußen belegt wurden, diese als Schaden im Wege eines Regressanspruches von ihrem Vorstand verlangen dürfen. Gegenstand dieser Debatten sind dabei insbesondere Verbandsgeldbußen.20 Dazu werden zunächst die Grundzüge der Geldbußen und Bußgeldverfahren skizziert, um auf Basis dessen die in der Literatur vertretenen Standpunkte zu analysieren und zu einem eigenen Lösungsansatz zusammenzuführen.

I. Allgemeines 1. Sinn und Zweck der Geldbuße Die Geldbuße soll zum einem einer Ahndung des erfolgten Rechtsverstoßes dienen. Dies wird als der Ahndungsteil bezeichnet.21 Dementsprechend orientiert sich die Höhe der Geldbuße an verschiedenen Aspekten des Rechtsverstoßes, wie dem Unrechtsgehalt der Tat, dem Gewicht und Ausmaß der Pflichtverletzung, der Häufigkeit und Schwere des Schadens sowie weitere Auswirkungen des Verstoßes.22 Zum anderen hat die Verbandsgeldbuße den Zweck, unrechtmäßige Gewinne abzuschöpfen – sog. Abschöpfungsteil –, um so rechtswidrigem Gewinnstreben die Attraktivität zu nehmen: Nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen, den das Unternehmen aus der Tat gezogen hat. Zu diesem Zweck darf nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG sogar das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße überschritten werden. Damit wird deutlich, dass der erzielte wirtschaftliche Vorteil die Untergrenze für die Bemessung der Geldbuße darstellt.23 Die Geldbuße wird dann um den Ahndungsteil erhöht.24 2. Adressat und Anknüpfungspunkt Die Verbandsgeldbuße kann gem. § 30 Abs. 4 OWiG isoliert nur gegen den Unternehmensträger oder kumulativ zugleich auch gegen die handelnde Person als Täter der Anknüpfungstat festgesetzt werden. Sie kann einerseits an die Verletzung einer Ordnungswidrigkeitsrechts-, andererseits aber auch an die Verletzung einer Strafrechtsnorm anknüpfen.25 20

Eingehend zu Fragen der Kausalität schon unter: Kapitel 3, D. Statt vieler Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 136. 22 Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 136; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24.04.1991 – KRB 5/90, BeckRS 1991, 31175176. 23 BGH, Beschluss vom 19.09.1974 – KRB 2/74, NJW 1975, 269, 270; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.07.1974 – 3 Ss (B) 46/74, NJW 1974, 1883; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.12.1974 – 3 Ss (B) 117/74, NJW 1975, 793; Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 140; Meyberg, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 30 Rn. 98. 24 Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 140. 25 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 58. 21

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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3. Zuständigkeit Wird eine Ordnungswidrigkeit begangen, setzt diejenige Verwaltungsbehörde die Geldbuße fest, die auch zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit des Täters der Anknüpfungstat berufen wäre, §§ 88, 35 ff. OWiG.26 Die Entscheidung über das Bußgeld in Fällen von Ordnungswidrigkeiten liegt gem. § 88 Abs. 1, Abs. 2 OWiG bei der Bußgeldbehörde, die für die Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständig ist.27 Die Gerichte sind bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich erst im Rahmen der rechtlichen Kontrolle zuständig, wenn der Betroffene gegen den Spruch der Verfolgungsbehörden Rechtsmittel einlegt. Ist der Verstoß gem. § 30 OWiG als Straftat einzustufen, ist zuständige Verfolgungsbehörde die Staatsanwaltschaft. Hier ist § 444 StPO anwendbar. Schlussendlich verhängt jedoch das Gericht die Sanktion.28

II. Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten Die Bedeutung dieser Verfahren wird durch anstehende Gesetzesreformen unterstrichen. Juristische Personen und andere Verbände können für Straftaten, die aus ihnen heraus begangen werden, nach geltendem Recht nur nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) mit einer Geldbuße sanktioniert werden.29 Dies sollte sich mit dem Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (VerSanG) ändern. Am 15.08.2019 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Referentenentwurf zur Neuordnung der Unternehmenssanktionierung;30 am 16.06.2020 zog die Bundesregierung mit einem eigenen Gesetzesentwurf nach.31 26 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 58. 27 Meyberg, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 30 Rn. 116. 28 Meyberg, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 30 Rn. 117; vgl. auch Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 59. 29 Für tiefergehende Ausführungen vgl. Meyberg, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 30 Rn. 1 ff. 30 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Staerkung_ Integritaet_Wirtschaft.pdf;jsessionid=5B242F860A95DFE28FB40FED9CD640FB.1_cid 297?__ blob=publicationFile&v=1 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 31 Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzge bungsverfahren/Dokumente/RegE_Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.pdf?__blob=publica tionFile&v=2 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022.

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Kap. 4: Schaden

Der Entwurf sah zahlreiche Veränderungen gegenüber der aktuellen Rechtslage vor. Statt der bisher geltenden Bußgeldobergrenze des OWiG in Höhe von zehn Millionen Euro sollte sich die Höhe der Sanktion bei Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro an eben diesem Umsatz orientieren. Die Sanktion sollte bei einer fahrlässigen Verbandsstraftat höchstens fünf Prozent, bei einer vorsätzlichen höchstens zehn Prozent des Gruppenumsatzes betragen.32 Ausweislich des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung ist eine Überarbeitung des Unternehmenssanktionsrechts weiterhin geplant.33 Bis dato wurde noch kein neuer Entwurf veröffentlicht.

III. Regressfähigkeit Im Schrifttum wird aus diversen Gründen für einen Regressausschluss plädiert. Hierbei besteht vor allem über die Reichweite dieses Ausschlusses Streit. Im Zuge der juristischen Aufarbeitung des sog. Schienenkartells beschäftigte diese Fragestellung schließlich auch die Rechtsprechung, wobei eine höchstrichterliche Entscheidung weiterhin aussteht. 1. Darstellung des Meinungsbildes a) Vollständiger Regressausschluss Ein vollständiger Regressausschluss wird im Schrifttum in unterschiedlichen Spielarten vertreten. aa) Dreher Nach Dreher34 ist der Regressanspruch nicht vom Schutzzweck des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG umfasst. Die europäischen Bußgeldregelungen bezweckten die Überwachung und Gewährleistung der Einhaltung der Wettbewerbsregeln durch die Unternehmen.35 Aus diesem Grund solle die Sanktionswirkung der kartell32 Vgl. § 9 Abs. 2 VerSanG-RegE; zum Gesetzesentwurf u. a. Meyberg, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 30 Rn. 3a ff.; Ott/Lüneborg, NZG 2019, 1361, 1362; Rotsch/Mutschler/Grobe, CCZ 2020, 169, 177; Cordes/ S. Wagner, NZWiSt 2020, 215; Raum, CCZ 2020, 245; Lawall/Weitzell, NZWiSt 2020, 209; Köllner, NZI 2020, 60; Fehrenbach, wistra 2021, 95; Knauer, NStZ 2020, 441. 33 „Wir überarbeiten die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe, um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern und für interne Untersuchungen einen präzisen Rechtsrahmen zu schaffen.“ – Koalitionsvertrag 2021, S. 111, abrufbar unter https://www. bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759 a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 34 Dreher, in: Festschrift Horst Konzen, 2006, 85, 104 f. 35 Dreher, in: Festschrift Horst Konzen, 2006, 85, 104 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 07.06.1983 – C-100/80, Slg. 1983, 1825, 1905 Rn. 105 – „Musique diffusion francaise/Kommission“.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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rechtlichen Bußgeldentscheidung nur das Unternehmen treffen.36 Zwar gebe es Fälle, in denen das deutsche Kartell- und Ordnungswidrigkeitenrecht neben der Gesellschaft auch Organmitglieder als Bußgeldadressaten bestimme; dies erweitere zwar den Kreis der Bußgeldpflichtigen, wolle aber nicht die Unternehmen von der sie treffenden Bußgeldpflichten entlasten.37 Schon die Wirksamkeit des Bußgeldzwecks gebiete es, dass sich die Unternehmen nicht selbst über Regressansprüche von eigenen Bußgeldpflichten entlasten könnten. Insbesondere gelte das für Fälle, in denen sich der betroffene Vorstand aufgrund desselben Vorgangs auch persönlich bußgeldpflichtig gemacht habe.38 bb) Thomas Auch Thomas39 lehnt die Regressfähigkeit ab. Der durch das Bußgeld bezweckte Sanktionszweck werde nur erreicht, wenn dem Unternehmen mithilfe der Geldbuße ein Nachteil zugefügt wird. Ein Übel beim Adressaten könne aber nur eintreten, wenn das Adressatenvermögen belastet werde.40 Bei § 93 Abs. 2 AktG handle es sich um zwingendes Recht, das der Aufsichtsrat nach der ARAG/ Garmenbeck-Rechtsprechung durchsetzen müsse.41 Bei der Abwälzung der Geldbuße auf den Organwalter werde deshalb der Strafzweck durch das Zivilrecht sabotiert.42 cc) Horn Ähnlich argumentiert Horn,43 der ebenfalls auf den Sanktionszweck des Bußgeldbescheids verweist. Horn äußert Bedenken, das der Gesellschaft auferlegte Bußgeld, das regelmäßig einen viel höheren Betrag ausmacht als die Geldbuße des Vorstandsmitglieds, nachträglich über eine Haftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG abzuwälzen.44 Die Lösung sieht er in einer Einschränkung des Schutzzwecks des § 93 Abs. 2 AktG nach dem allgemeinen Grundsatz, dass eine Haftungsnorm nur Schäden innerhalb ihres normativen Schutzbereichs erfasse.45

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Dreher, in: Festschrift Horst Konzen, 2006, 85, 104. Dreher, in: Festschrift Horst Konzen, 2006, 85, 104 f. 38 Dreher, in: Festschrift Horst Konzen, 2006, 85, 105. 39 Thomas, NZG 2015, 1409, 1411. 40 Thomas, NZG 2015, 1409, 1411. 41 Thomas, NZG 2015, 1409, 1411. 42 Vgl. Thomas, NZG 2015, 1409, 1411; pointierter Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 233; siehe Hillenkamp, in: Festschrift Lackner, 1987, 455, 462 ff. 43 Zum Ganzen Horn, ZIP 1997, 1129, 1136. 44 Horn, ZIP 1997, 1129, 1136. 45 Horn, ZIP 1997, 1129, 1136; zu dem Grundsatz vgl. allgemein BGH, Urteil vom 03.12.1991 – XI ZR 300/90, NJW 1992, 555. 37

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Kap. 4: Schaden

dd) Mertens/Cahn Mertens/Cahn46 wollen abhängig vom Zweck der Geldstrafe entscheiden, ob die Gesellschaft sie von Vorstandsmitgliedern ersetzt verlangen kann. Handle es sich um eine Sanktion, die gerade die Gesellschaft treffen und zu Lasten ihres Vermögens gehen soll, so widerspreche die Entlastung der Gesellschaft durch die Inanspruchnahme von Organmitgliedern diesem Zweck. Von diesem Fall sei insbesondere dann auszugehen, wenn die Organmitglieder aufgrund desselben Sachverhalts auch persönliche Adressaten einer Straf- oder Bußgeldandrohung seien. Aber auch, wenn die Geldbuße an Unternehmensdaten, wie dem Umsatz, ausgerichtet ist, sei schwerlich anzunehmen, dass ein Regress gar in voller Höhe möglich sein soll. b) Rechtsprechung zum Schienenkartell Auch der instanzgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich eine aus Unternehmenssicht sehr restriktive Tendenz entnehmen. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, wurde ein Regress bisher ausgeschlossen. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht aber weiterhin aus. aa) LAG Düsseldorf Höchst relevant ist eine Entscheidung des LAG Düsseldorf im Fall eines Regressanspruchs aufgrund einer Kartellbuße. Die Vorinstanz nahm an, dass eine Verpflichtung des Geschäftsleiters zur Übernahme einer Geldbuße in voller Höhe gegen Recht und Billigkeit verstoße.47 Die hiergegen eingelegte Berufung wies das LAG Düsseldorf als unbegründet zurück.48 Zwar bestehe ein Verstoß gegen die Legalitätspflicht, wenn ein Geschäftsleiter gegen Vorschriften des deutschen und europäischen Kartellrechts verstößt.49 Auch wurde eine Minderung des Gesellschaftsvermögens aufgrund der Zahlung der Bußgelder anerkannt. Gleichwohl komme eine Haftung des beklagten Geschäftsleiters für diesen Schaden von vornherein nicht in Betracht, da die Gesellschaft für eine nach § 81 GWB verhängte Unternehmenskartellbuße nicht den Geschäftsleiter in Regress nehmen könne.50 Das BAG hob das Teilurteil mangels Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

46 Zum Ganzen Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56. 47 ArbG Essen, Urteil vom 19.12.2013 – 1 Ca 657/13, BeckRS 2014, 68462. 48 LAG Düsseldorf, (Teil-)Urteil vom 20.01.2015 – 16 Sa 459/14, CCZ 2015, 185. 49 LAG Düsseldorf, (Teil-)Urteil vom 20.01.2015 – 16 Sa 459/14, CCZ 2015, 185; siehe auch Fleischer, ZIP 2005, 141, 144. 50 LAG Düsseldorf, (Teil-)Urteil vom 20.01.2015 – 16 Sa 459/14, CCZ 2015, 185, 185 f.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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auf,51 woraufhin das LAG den Rechtsstreit an das LG Dortmund verwies; hier kam es bis dato zu keiner Entscheidung.52 bb) LG Saarbrücken Einen weiteren Hinweis auf die Zurückhaltung der Rechtsprechung bezüglich einer Regressfähigkeit von (Kartell-)Geldbußen stellt das eingangs erwähnte Urteil vom 15.09.2020 des LG Saarbrücken dar.53 Dieses stellte in einem obiter dictum fest, dass ein Unternehmen für eine verhängte EU-Kartellgeldbuße die verantwortlichen Organmitglieder nicht in Regress nehmen kann.54 c) Herrschende Auffassung: Grundsätzliche Ersatzfähigkeit Die herrschende Auffassung geht davon aus, dass die Verbandsgeldbuße grundsätzlich als ersatzfähiger Schaden nach § 93 Abs. 2 AktG anzusehen ist.55 Die Reichweite der Ersatzfähigkeit ist innerhalb dieses Lagers umstritten. In der Sache geht es hauptsächlich um die Frage, ob nur die Ahndungskomponente oder darüber hinaus auch die Abschöpfungskomponente ersatzfähig ist.

51

BAG, Urteil vom 29.06.2017, 8 AZR 189/15, NZKart 2018, 57. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.01.2018, 14 Sa 591/17, GWR 2018, 198; vgl. zum Ganzen Leclerc, NZKart 2021, 220. 53 LG Saarbrücken, Urteil vom 15.09.2020 – 7 HK O 6/16, NZKart 2021, 64. 54 LG Saarbrücken, Urteil vom 15.09.2020 – 7 HK O 6/16, NZKart 2021, 64, 65 Rn. 121 ff. 55 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 419; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 240; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 88; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 194; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 258; ders., DB 2014, 345, 347; ders., BB 2008, 1070, 1073; Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 97; ders./Scholz, GmbHR 2015, 449 ff.; Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1240 ff.; Bicker, AG 2014, 8, 13; Blaurock, in: Festschrift Joachim Bornkamm, 2014, 107, 114 f.; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1225 ff.; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 100 ff.; Faerber/Engelhoven, EWiR 2015, 313, 314; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 345 f.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 53 f.; Grau/Dust, ZRP 2020, 134, 136; Kapp/Gärtner, CCZ 2009, 168, 170, Kersting, ZIP 2016, 1266, 1267 ff.; Koch, Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 327, 334 f.; ders., AG 2012, 429, 432 f.; Pant, CCZ 2015, 224 ff.; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 704; Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545, 552; Suchy, NZG 2015, 591, 592; Thole, ZHR 172 (2009), 504, 532; Werner, CCZ 2010, 143, 146; Zimmermann, WM 2008, 433, 436 f.; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 40 ff.; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 277 ff.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 288 ff.; Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 180 f.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 38 ff., 44; Twele, Die Haftung des Vorstandes für Kartellrechtsverstöße, 2013, S. 162 f. 52

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Kap. 4: Schaden

aa) Ersatzfähigkeit von Abschöpfungs- und Ahndungskomponente Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Autoren qualifiziert die komplette Geldbuße als regressfähig. Somit könne über § 93 AktG sowohl die Abschöpfungs- als auch die Ahnungskomponente ersetzt werden.56 Wie der Ahndungsteil sei auch der Abschöpfungsteil ein unfreiwilliges Vermögensopfer der Gesellschaft.57 Zumindest aber könne es nicht drauf ankommen, welchen Vorteil der Bußgeldbescheid angibt. Stattdessen sei maßgeblich, welchen Vorteil das Unternehmen tatsächlich erzielt habe. Der tatsächlich eingetretene Vorteil kann dabei höher oder geringer als der im Bußgeldbescheid ausgewiesene Abschöpfungsteil sein.58 bb) Beschränkung der Ersatzfähigkeit auf die Ahndungskomponente Die wohl herrschende Auffassung beschränkt die Ersatzfähigkeit hingegen auf den Ahndungsteil.59 Bei Anwendung der Differenzhypothese könne die Gesellschaft nur den Ahndungsteil, nicht aber den Abschöpfungsteil des Bußgeldes im Wege des Regresses von ihrem Vorstand verlangen.60 2. Würdigung und Erarbeitung einer eigenen Position Um aus dem Dickicht der Auffassungen eine tragfähige Position abzuleiten, ist in einem Zweischritt vorzugehen. Zunächst ist die Frage zu beantworten, ob Geldbußen generell im Rahmen der aktienrechtlichen Binnenhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG regressfähig sind. Ist die grundsätzliche Regressfähigkeit festgestellt, gilt es, die Reichweite des Zulässigen abzustecken. Hierbei wird auch ein Blick auf die kartellrechtliche „Ahndungsgeldbuße“ geworfen.

56 Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 450 f.; Kersting, ZIP 2016, 1266, 1272 f.; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1229; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 56 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 40 f., 59 f.; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 234. 57 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 40. 58 Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1229; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33 58. 59 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56; wohl Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 89; Fleischer, DB 2014, 345, 348; Werner, CCZ 2010, 143, 146; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 277; Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, 2013, S. 100 f. 60 Vgl. Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 264; ders., DB 2014, 345, 348; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 528.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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a) 1. Schritt: Vereinbarkeit des Regresses mit rechtlichen Grundsätzen Mit Blick auf die in der Debatte angeführten Punkte muss in einem ersten Schritt untersucht werden, inwieweit rechtliche Grundsätze einer Regressfähigkeit entgegenstehen. Wäre dies der Fall, wären die Auffassungen des restriktiven Lagers zu präferieren, die herrschende Meinung in ihren verschiedenen Spielarten damit abzulehnen. Die gegen eine Regressfähigkeit sprechenden Argumente lassen sich in drei Gruppen kategorisieren: die sog. Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der generalpräventive Sanktionszweck. aa) Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen Das Prinzip der Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen zwingt nicht zu einer grundsätzlichen Ablehnung der Ersatzfähigkeit, da dies bereits durch das Strafrecht eingeschränkt wird, dem dieser Grundsatz entspringt.61 Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen besagt, dass eine Sanktion nach deren Sinn und Zweck von der Person zu tragen ist, gegenüber der sie verhängt wurde.62 Im Strafrecht ist aber anerkannt, dass Geldbußen auch durch Dritte bezahlt werden können. Dies stellt gerade keine Strafvereitelung nach § 258 Abs. 2 StGB dar.63 Wenn der Erstattung der Geldstrafe durch einen Dritten der Höchstpersönlichkeit nicht im Wege steht, kann erst recht nichts anderes gelten, wenn der Dritte nach zivilrechtlichen Vorschriften dem eigentlichen Bußgeldadressaten zur Erstattung verpflichtet ist.64 Damit hängt die Frage, ob ein ersatzfähiger Schaden vorliegt, von der zivilrechtlichen Würdigung ab.65 Bereits das RG hat für das allgemeine Zivilrecht anerkannt, dass eine Geldbuße oder Geldstrafe einen ersatzfähigen Schaden darstellen kann.66 Innerhalb der zivilrechtlichen Risikoverteilung kann privatautonom eine Schutzverpflichtung auch für die Gefahren einer Geldbuße geschaffen werden, 61 BGH, Urteil vom 07.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990; zum Kontext der Organhaftung siehe Thole, ZHR 173 (2009), 504, 532. 62 BGH, Urteil vom 14.11.1996 – IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519; BGH, Urteil vom 31.01.1957 – II ZR 41/56, NJW 1957, 586. 63 BGH, Urteil vom 07.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990; zum Kontext der Organhaftung siehe Thole, ZHR 173 (2009), 504, 532. 64 Fabisch, ZWeR 2013, 91, 105; Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 96; Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 175. 65 Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 175; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 289. 66 Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 96; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 532 mit Verweis auf RG, Urteil vom 10.06.1942 – III 14/42 –, RGZ 169, 267, 269 f.; BGH, Urteil vom 14.11.1996 – IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519.

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Kap. 4: Schaden

die bei schuldhafter Verletzung einen entsprechenden Schadensersatzanspruch nach sich ziehen.67 Durch den Regress wird kein der Rechtsordnung widersprechender Zustand wiederhergestellt, der Betroffene wird lediglich so gestellt, wie er bei ordnungsgemäßer und sorgfältiger Erfüllung der zivilrechtlichen Pflicht stünde.68 bb) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Diffiziler gestaltet sich die Untersuchung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dieser könnte der Regressfähigkeit widersprechen, wie schon Bayer69 angemerkt hat. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt im Rahmen der Bußgeldzumessung, dass keine Geldbuße verhängt werden darf, die den Täter unverhältnismäßig empfindlich treffen würde.70 Da sich die Geldbuße auch nach der Wirtschaftskraft des Adressaten richtet, wird das der Gesellschaft auferlegte Bußgeld in den meisten Fällen erheblich höher ausfallen als eine Geldbuße, die de lege lata einem Vorstandsmitglied auferlegt werden könnte. Auf diesem Wege könnten die schützenden Einschränkungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes umgangen werden.71 Dem steht jedoch entgegen, dass zwischen der staatlichen Sanktionierung nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht und dem zivilrechtlichen Rückgriff zu unterscheiden ist. Aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht lässt sich nicht entnehmen, inwieweit im Innenverhältnis Regressansprüche möglich sind.72 Kartellbehörden legen nicht fest, wer die wirtschaftlichen Folgen der Geldbuße zu tragen hat.73 Ob ein ersatzfähiger Schaden vorliegt, richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, namentlich den §§ 249 ff. BGB. Für die §§ 249 ff. BGB sind die Zumessungskriterien der § 17 Abs. 3 S. OWiG, § 81 GWB und der darauf

67 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 290. 68 Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Kapp/Gärtner, CCZ 2009, 168, 170; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 290. 69 Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 96. 70 Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 81 Rn. 532. 71 Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 96; Zimmermann, WM 2008, 433, 437; vgl. auch Horn, ZIP 1997, 1129, 1136. 72 Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 346; Blaurock, in: Festschrift Joachim Bornkamm, 2014, 107, 114 f.; Fleischer, DB 2014, 345, 347; ders., BB 2008, 1070, 1073; Werner, CCZ 2010, 143, 146; Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, 2013, S. 105; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 291. 73 Zimmermann, WM 2008, 433, 437; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 291 f.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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fußende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedoch unerheblich.74 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspricht einer Regressfähigkeit der Geldbuße nicht. cc) Generalpräventiver Sanktionszweck Der Regressfähigkeit steht auch die generalpräventive Zwecksetzung des Sanktionsrechts nicht entgegen. Nach Dreher solle die Geldbuße das Fehlverhalten sanktionieren und die Gesellschaft zu rechtmäßigem Verhalten in der Zukunft veranlassen. Dieser generalpräventive Sanktionszweck werde durch die Geltendmachung des Regressanspruchs beeinträchtigt, da das Unternehmen als eigentlicher Normadressat damit entlastet werde.75 Da die Gesellschaft durch ihren Vorstand handelt, kann diese Abschreckungswirkung aber weiterhin oder gar effektiver entfaltet werden, wenn ein Regress möglich ist. Dadurch würde nämlich mittelbar eine direkte Haftung des Organmitglieds, in der Regel des Vorstands, geschaffen. Diese direkte Haftung des Vorstands kann einen empfindlichen Anreiz für eine pflichtgemäße Unternehmensleitung setzen, da dieser nicht mit der eigenen Geldbörse haften möchte.76 dd) Zwischenergebnis Geldbußen sind grundsätzlich ersatzfähige Schäden i. S. v. § 93 Abs. 2 AktG i.V. m. §§ 249 ff. BGB und nicht generell vom Regress ausgeschlossen. Die Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der generalpräventive Sanktionszweck sprechen grundsätzlich nicht gegen die Ersatzfähigkeit der Geldbuße im Rahmen des Anspruchs nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Die restriktiven Auffassungen aus Rechtsprechung und Literatur sind damit abzuweisen. b) 2. Schritt: Vermessung der Reichweite der Ersatzfähigkeit Somit wird auf zweiter Ebene die Frage der Reichweite der Ersatzfähigkeit virulent. Nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Der Abschöpfungsteil soll damit den Mindestbetrag der Geldbuße darstellen, zu dem der Ahndungs- und damit der sanktionierende Teil addiert wird.77 Bei Anwen74

Zimmermann, WM 2008, 433, 437. So Dreher, in: Festschrift Horst Konzen, 2006, 85, 106. 76 Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 179 f. 77 Vgl. Sackreuther, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 17 Rn. 117; Mitsch, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 112; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 276. 75

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Kap. 4: Schaden

dung der Differenzhypothese kann die Gesellschaft nur den Ahndungsteil, nicht aber den Abschöpfungsteil des Bußgeldes im Wege des Regresses von ihrem Vorstand verlangen.78 Nach einem Gesamtvermögensvergleich hat die Gesellschaft durch den Abschöpfungsteil der Geldbuße keinen Vermögensnachteil erlitten. Bei einer hypothetischen Eliminierung der Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds wäre es auch nicht zu dem Gewinn gekommen, welcher der Gesellschaft nun abgeschöpft wird.79 Dürfte die Gesellschaft auch den Abschöpfungsteil zurückverlangen, stünde sie aufgrund des Schadensereignisses besser da als ohne. Dies widerspricht dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot.80 Unter Annahme der Realisierbarkeit des Innenhaftungsanspruchs, also der Leistungsfähigkeit des Vorstands, würde es bei einer wirtschaftlichen Betrachtung ohne Bedeutung sein, ob es zu einer behördlichen Gewinnabschöpfung kommt oder nicht. Wird das gewinnbringende Vergehen des Vorstands behördlich nicht entdeckt, würden die Gewinne ebenfalls bei der Gesellschaft verbleiben. Rechtsbrüche und die damit verbundenen Gewinnchancen wären für die Gesellschaft von geringem Risiko.81 Der Abschöpfungsteil der Geldbuße ist nicht regressfähig und die Auffassung, die beide Sanktionskomponenten als ersatzfähig ansieht, abzulehnen. 3. Zwischenfazit Es konnte festgestellt werden, dass der Regress von gegen die Gesellschaft verhängten Geldbußen gegenüber einem Organmitglied nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der generalpräventive Sanktionszweck sprechen grundsätzlich nicht gegen die Ersatzfähigkeit der Geldbuße. In der Frage der Reichweite der Ersatzfähigkeit führt die Anwendung der Differenzhypothese zu dem überzeugenden Ergebnis, dass nur der Ahndungs-, nicht aber der Abschöpfungsteil einer Geldbuße regressfähig ist. Das hier gefundene Ergebnis bewegt sich in den Fahrwassern der wohl herrschenden Meinung.82

78 Vgl. Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 264; ders., DB 2014, 345, 348; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 528. 79 Fleischer, DB 2014, 345, 348; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 169; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 236. 80 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 264. 81 Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 204. 82 Eingehend hierzu unter Kapitel 4, B., III., 1.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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IV. Praxisfall/Sonderfall Kartellrechtliche „Ahndungsgeldbußen“ Nachdem festgestellt wurde, dass nur der Ahndungssteil einer Geldbuße regressfähig ist, stellt sich die Frage, wie bei einer sog. „reinen Ahndungsgeldbuße“ zu verfahren ist. Grundsätzlich dienen Verbandsgeldbußen nach §§ 30, 17 Abs. 4 OWiG unter anderem dazu, unrechtmäßige Gewinne abzuschöpfen, weswegen die rechnerisch untere Grenze der Geldbuße der erzielte wirtschaftliche Vorteil, sprich der Abschöpfungsteil, darstellt.83 Einzige Ausnahme dieser Grundregel stellt die sog. „reine Ahndungsgeldbuße“ gem. § 81d Abs. 3 S. 1 GWB im Kartellrecht dar.84 Im Unterschied zu dem Grundfall einer Geldbuße i. S. v. § 30 OWiG, die einen Ahnungs- und Abschöpfungsteil beinhaltet, weist der Bußgeldbescheid in diesem Fall keinen konkreten, bezifferbaren Abschöpfungsteil aus.85 So legen die Europäische Kommission oder das Bundeskartellamt eine als „Ahndungsgeldbuße“ bezeichnete Geldbuße fest, bei der nach eigenen Worten auf eine Abschöpfung verzichtet wird. In diesem Fall ist fraglich, inwieweit in der Ahndungsgeldbuße entgegen der Bezeichnung ein nach hier vertretener Auffassung nicht ersatzfähiger Abschöpfungsteil enthalten ist.86 Insbesondere relevant ist diese Diskussion im Rahmen des Steuerrechts, da nach verbreiteter Ansicht ausschließlich für den Abschöpfungsteil des Bußgelds ein Betriebsausgabenabzug zulässig ist.87 1. Bemessung der EU-Kartellgeldbuße Nach Art. 23 Abs. 2 a) der Verordnung (EG) Nr. 1/200388 kann die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 81 oder Art. 82 des Vertrages verstoßen.

83

Vgl. Ausführungen hierzu in Kapitel 4, B., I., 1. Vgl. Gürtler/Thoma, in: Göhler OWiG, 18. Aufl. 2021, § 17 Rn. 48 ff.; Meyberg, in: Beck’scher Onlinekommentar OWiG, 34. Edition Stand: 01.04.2022, § 30 Rn. 98; Mitsch, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 134. 85 Vgl. jeweils zur § 81 Abs. 5 S. 1 GWB a. F. Kersting, ZIP 2016, 1266, 1272 f.; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 170. 86 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 171. 87 Vgl. BGH, Beschluss vom 25.04.2005 – KRB 22/04, NStZ 2006, 231, 232 Rn. 5; Haase/Geils, BB 2015, 2583 ff.; Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2014, 2323 ff.; Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73 ff.; Krüger, DStR 2016, 895 ff.; hierzu schon Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 171. 88 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003R0001 &from=HU – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 84

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Kap. 4: Schaden

Für europäische Kartellgeldbußen sieht Art. 23 Abs. 3 VO 1/2003 zwei Bemessungskriterien für die Festsetzung der Höhe der jeweiligen Geldbuße vor: die „Schwere der Zuwiderhandlung“ und deren „Dauer“.89 Nach der Bußgeldleitlinie von 1998 und der sie ersetzenden Leitlinie aus dem Jahr 200690 besteht eine zweistufige Berechnungsmethode. In der ersten Stufe wird ein Grundbetrag der Geldbuße festgesetzt und auf der zweiten Stufe werden bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße, wenn vorliegend, erschwerende und/oder mildernde Umstände berücksichtigt.91 Für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem jeweiligen Verstoß im Zusammenhang stehen.92 Es wird ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert.93 Nach Ansicht des BFH enthält eine von der EU-Kommission gem. Art. 23 Abs. 2 und 3 der EGV 1/2003 in der Verbindung mit den relevanten Bußgeldleitlinien verhängte Geldbuße keinen Abschöpfungsanteil, wenn die Geldbuße allein auf der Bemessung des Grundbetrags basiert.94 Eine mögliche Gewinnabschöpfung soll erst im Rahmen von Erhöhungen des Grundbetrages durch erschwerende Umstände berücksichtigt werden. Der Grundbetrag der europäischen Kartellbuße orientiert sich jedoch an dem Umsatz, der kartellrechtswidrig erzielt wurde. Da liegt es nahe, dass mithilfe der Geldbuße auch Gewinne mit abgeschöpft werden.95 2. Deutsche Kartellgeldbußen Die Aussagen des BFH können nicht auf deutsche Kartellbußen übertragen werden, da der Begriff des „Grundbetrags“ durch das Bundeskartellamt nicht

89 Nowak, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, VerfVO Art. 23 Rn. 25. 90 Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl. 2006 C 210/2 ff. Näher hier zu Nowak, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, VerfVO Art. 23 Rn. 29 ff. 91 Nowak, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, VerfVO Art. 23 Rn. 36. 92 Nowak, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, VerfVO Art. 23 Rn. 36. 93 Leitlinie ABl. 2006 C 210/02 Rn. 19. 94 BFH, Urteil vom 07.11.2013 – IV R 4/12, DStR 2014, 408. 95 Vgl. hierzu Eilers/Klusmann, NZKart, 2014, 294, 297 f.; Schönfeld//Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 78; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 172.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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verwendet wird. Der tatbezogene Umsatz wird hinsichtlich des vollständigen Tatzeitraums bestimmt.96 Für deutsche Kartellgeldbußen führte der Gesetzgeber in § 81d Abs. 3 S. 1 GWB die Möglichkeit ein, reine Ahndungsgeldbußen zu verhängen und erklärte § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG zur Kann-Regelung. Wird eine Ahndungsgeldbuße verhängt, soll dies nach § 81d Abs. 3 S. 2 GWB bei der Zumessung berücksichtigt werden. Im Gesetzgebungsverfahren wurde davon ausgegangen, dass sich bei der Verhängung einer Ahndungsgeldbuße die Höhe in der Regel um den Betrag mindern wird, der nach bisherigem Recht der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils diente.97 Dies lässt sich aus den Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts jedoch nicht entnehmen.98 Das Bundeskartellamt nimmt an, dass das typisierte Gewinn- und Schadenspotential zehn Prozent des während des Zeitraums des Kartellverstoßes erwirtschafteten tatbezogenen Umsatzes beträgt.99 Mit diesem Betrag der umsatzabhängigen Geldbuße findet also in typisierter Form die Abschöpfung der Vorteile aus dem Kartellverstoß statt.100 Schlussendlich wird damit eine abschöpfende Wirkung der Geldbuße verneint und der wirtschaftliche Vorteil trotzdem im Betrag der Geldbuße berücksichtigt.101 Im Regelfall wird daher bei einer umsatzabhängigen Kartellgeldbuße, die einen vertypten wirtschaftlichen Vorteil beinhaltet, von einem Abschöpfungsteil auszugehen sein, auch wenn dieser verdeckt ist.102 Im Einklang mit dem zum offenen Abschöp96 Vgl. Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren 2021, Rn. 3 ff., abrufbar unter https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Pu blikation/DE/Leitlinien/Bußgeldleitlinien_Oktober2021.pdf?__blob=publicationFile& v=8 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022; in Bezug auf die Bußgeldleitlinien 2013 siehe Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 77; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 172. 97 „Wird bei der Festsetzung der Geldbuße auf eine Abschöpfung verzichtet, so ist dies bei der Zumessung zu berücksichtigen; die Höhe der reinen Ahndungsgeldbuße wird sich also in Zukunft in der Regel um den Betrag mindern, der nach bisherigem Recht der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils diente.“ BT-Drs. 15/3640, S. 42. 98 Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 75; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 172; siehe hierzu die aktuellen Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren 2021, abrufbar unter https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Leitli nien/Bußgeldleitlinien_Oktober2021.pdf?__blob=publicationFile&v=8 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 99 Erläuterungen zu den Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren 2021, S. 7. 100 Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 75; Schönfeld/Haus/Bergmann/ Erne, DStR 2014, 2323, 2324; Haase/Geils, BB 2015, 2583, 2586; ähnlich Eilers/Klusmann, NZKart 2014, 294, 297 f. zu EU-Kartellbußen; siehe auch Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 173. 101 Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2017, 73, 75. 102 Eilers/Klusmann, NZKart, 2014, 294, 297 f.; Haase/Geils, BB 2015, 2583, 2585; Schönfeld/Haus/Bergmann/Erne, DStR 2014, 2323, 2324 f.; Schönfeld/Haus/Bergmann/ Erne, DStR 2017, 73, 75 f.; siehe hierzu Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im

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Kap. 4: Schaden

fungsteil festgestellten, ist auch der verdeckte Abschöpfungsteil nicht im Rahmen eines Regressanspruchs ersatzfähig. 3. Berechnung des verdeckten Abschöpfungsteils Fraglich ist dabei die Berechnung des verdeckten abschöpfenden Teils. In Fällen eines nicht ausgewiesenen Abschöpfungsteils bereitet dies Schwierigkeiten. a) Darstellung Grundsätzlich sind zwei Berechnungsmethoden denkbar. Zum einen kann auf den tatsächlich erzielten wirtschaftlichen Vorteil abgestellt werden. Hier obliegt es der Gesellschaft, darzulegen und zu beweisen, dass sie durch das Kartell nicht profitiert hat, oder aber, dass die finanziellen Einbußen aufgrund des Kartellverstoßes gegenüber den Vorteilen überwiegen, um das Vorstandsmitglied in Anspruch nehmen zu können.103 Zum anderen können die Bemessungsgrundsätze des Bundeskartellamts und der Europäischen Kommission herangezogen werden. Diese berücksichtigen den tatbezogenen Umsatz, was einer pauschalierten Abschöpfung gleichkommen soll.104 Bei einem tatbezogenen Umsatz von 40 Millionen Euro liegt das Gewinn- und Schadenspotential bei vier Millionen Euro. Im nächsten Schritt wäre diese Summe mit einem Faktor zu multiplizieren, um die wirkliche Geldbuße zu bestimmen. Der abschöpfende Teil wären die ermittelten vier Millionen Euro.105 Hauff präferiert den zweiten Ansatz. Das pauschal ermittelte Gewinn- und Schadenspotential sei einfach zu ermitteln, da die Verfolgungsbehörde diesen Betrag bei der Bußgeldbemessung errechnet. Zudem entspreche der pauschal ermittelte Gewinn auch dem pauschal abgeschöpften Vorteil. Gegen den naheliegenden Kritikpunkt, dass der Abschöpfungsteil so nur pauschaliert und nicht genau ermittelt wird, bringt sie an, dass auch in Fällen, in denen eine Geldbuße einen gesonderten Abschöpfungsanteil enthält, dieser geschätzt sein könne und nicht immer mit dem tatsächlichen Vorteil übereinstimme.106

Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 173; ablehnend Krüger, DStR 2016, 895, 899 f. und 901. 103 Vgl. bereits Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 174. 104 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 174; ähnlich Haase/Geil, BB 2015, 2583, 2585 ff. in den Vorschlägen für die Berechnung des steuerlichen wirtschaftlichen Vorteils i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 S. 4 EStG. 105 Beispiel nach Haase/Geils, BB 2015, 2583, 2586; so auch Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 174. 106 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 175.

B. Ersatzfähigkeit der Verbandsgeldbuße

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b) Stellungnahme Dies ist zunächst richtig. Für den Abschöpfungsteil der Geldbuße nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG ist eine Schätzung des Gewinnes zulässig.107 So weit wie möglich sollte der wirtschaftliche Vorteil aber konkret berechnet werden,108 gegebenenfalls unter Einbeziehung von Sachverständigen.109 Bei der pauschalierten Bestimmung des Gewinn- und Schadenspotentials kann aber auch nicht von einer Schätzung gesprochen werden. Die pauschale Bestimmung von zehn Prozent des tatbezogenen Umsatzes als Abschöpfungsteil lässt sich schwerlich mit der Anforderung einer möglichst konkreten Bestimmung des erlangten Vorteils vereinbaren. Abhängig von verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise der Art des Verstoßes, können die von den Gesellschaften rechtswidrig erlangten Gewinne deutlich voneinander divergieren. Die praktischen Schwierigkeiten einer genauen Berechnung des erzielten wirtschaftlichen Vorteils werden durch die Beweiserleichterung des § 287 ZPO abgeschwächt.110 Wie Hauff selbst schreibt, handelt es sich bei der ersten Bemessungsmöglichkeit um die genauere Berechnungsmethode und den Weg, der die tatsächlichen Verhältnisse am besten widerspiegelt.111 Zwingende Gründe, die gegen die exaktere Methode sprechen und eine unpräzisere Feststellung rechtfertigen, werden nicht ausgemacht. 4. Zwischenfazit Im Regelfall wird bei einer umsatzabhängigen Kartellgeldbuße, die einen vertypten wirtschaftlichen Vorteil beinhaltet, von einem Abschöpfungsteil auszugehen sein, auch wenn dieser verdeckt ist. Dieser „verdeckte“ Abschöpfungsteil ist ebenso wie der „offene“ Abschöpfungsteil im Rahmen eines Regressanspruchs nicht ersatzfähig. Der Abschöpfungsanteil ist bei „reinen“ Ahndungsgeldbußen genau zu bestimmen, eine pauschalisierte Feststellung ist abzulehnen.

V. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Geldbußen sind grundsätzlich ersatzfähige Schäden i. S. v. § 93 Abs. 2 AktG und nicht generell vom Regress ausgeschlossen. Weder die Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sprechen 107 Gürtler/Thoma, in: Göhler OWiG, 18. Aufl. 2021, § 17 Rn. 45; Mitsch, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 124. 108 Mitsch, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 123. 109 Mitsch, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 123. 110 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 175. 111 Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 175.

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Kap. 4: Schaden

grundsätzlich gegen die Ersatzfähigkeit der Geldbuße im Rahmen des Anspruchs nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. 2. Die Ersatzfähigkeit beschränkt sich dabei auf die Ahndungskomponente, die Abschöpfungskomponente ist hingegen nicht regressfähig. 3. Auch bei einer reinen Ahndungsgeldbuße kann eine versteckte Abschöpfung mitenthalten sein, welche nicht ersatzfähig ist. Der Abschöpfungsanteil ist bei reinen Ahndungsgeldbußen genau zu bestimmen, eine pauschalisierte Feststellung ist abzulehnen.

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs Schon in der Einleitung der Arbeit wurde auf die in der Literatur immer wieder angenommene Gefahr der existenzvernichtenden Haftung von Organmitgliedern verwiesen.112 Aufgrund einer unternehmensbedingten Schadensmultiplikation kann ein Schaden der Gesellschaft schnell die Leistungsfähigkeit eines Vorstandsmitglieds übersteigen, auch wenn dieser eine weit überdurchschnittliche Vergütung erhält.113 Dies betrifft in der Praxis häufig den in dieser Arbeit schon mehrfach geschilderten Fall einer Kartellgeldbuße,114 ist jedoch nicht darauf beschränkt. Vor diesem Hintergrund scheint es nachvollziehbar, dass eine Haftungsbegrenzung für Organmitglieder heiß debattiert wird.115 Die vorliegende Arbeit wird diesen Aspekt zunächst in das große Diskussionsfeld der Begrenzungsmöglichkeiten der Organhaftung einordnen. Anschließend wird das dogmatisch Mögliche und Gebotene untersucht, bevor die Frage aufgeworfen wird, ob eine Begrenzung tatsächlich notwendig ist, oder sich die Frage an dieser Stelle nicht als Nebelkerze entpuppt.

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Siehe hierzu schon unter Kapitel 1, A. Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 159; hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach § 249 BGB der Zustand wiederherzustellen ist, der ohne den zum Schadensersatz verpflichtende Umstand bestehen würde. 114 Hierzu schon unter Kapitel 3, D. und Kapitel 4, B. 115 Vgl. beispielhaft Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85; Koch, AG 2012, 429; Bachmann, ZIP 2017, 84; Wilhelmi, NZG 2017, 681 und monographisch Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 313 ff.; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 209 ff.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 296 ff.; Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 228 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 307 ff. 113

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

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I. Einordnung in das übergeordnete Diskussionsfeld Die Debatte um eine mögliche (abstrakte) Begrenzung des Regressbetrags ist nur ein Aspekt in einem breiten Diskussionsfeld. Grund der Diskussion ist – wie eingangs erwähnt – die als zu hart empfundene Vorstandshaftung. Kern dieser Begrenzungsbemühungen ist die Verhinderung einer existenzvernichtenden Haftung, einer „wirtschaftlichen Todesstrafe“ 116, aufgrund Vergehen, die zumindest für manche keine derart strenge Ahndung rechtfertigen. Die an dieser Stelle geführte Diskussion dreht sich um die Frage, ob eine Begrenzung möglich und notwendig ist. Grund für die Regressbegrenzung soll dann nicht der von Dreher angebrachte sanktionsrechtliche Charakter des Schadens, sondern die schadensmultiplizierende Wirkung des Unternehmenskontextes sein.117

II. Mögliche Begrenzungsansätze In der Debatte um eine mögliche Regressbegrenzung werden für die konkrete Ausgestaltung eine Vielzahl von Ansätzen vertreten.118 Während sich zu Beginn Vertreter einer Begrenzung insbesondere auf die Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeiten beriefen, häuften sich in den vergangenen Jahren die Stimmen, die eine vergleichbare Haftungsmilderung über den Umweg der Treuepflicht erzielen wollen.119 1. Transfer der Grundsätze über betrieblich veranlasste Tätigkeiten a) Darstellung der Grundsätze über betrieblich veranlasste Tätigkeiten Ein möglicher Ansatz, um die Regressbegrenzung auf ein dogmatisches Fundament zu stellen, markieren die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung.120 Der Kerngedanke der arbeitsrechtlichen Grundsätze über betrieblich veranlasste Tätigkeiten ist, dass es unangemessen wäre, die Chancen unternehmerischen Handelns dem Arbeitgeber, die daraus erwachsenden Risiken aber dem Arbeitnehmer zuzuweisen.121 Dementsprechend haften Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber für schuldhaft verursachte Schäden nur eingeschränkt.122 Bei der Haftung des Ar116

Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 97. Koch, AG 2012, 429, 433. 118 Siehe eine Auflistung verschiedener Auffassungen bei Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 269 ff. 119 Siehe dazu auch Bachmann, ZIP 2017, 841 ff.; Wilhelmi, NZG 2017, 681 ff. 120 Wilhelmi, NZG 2017, 681 ff. 121 Koch, AG 2012, 429, 436. 122 Vgl. nur BAG, Beschluss vom 25.09.1957 – GS 4 (5)/56, NJW 1958, 235; BAG, Beschluss vom 27.09.1994 – GS 1/89, NJW 1995, 210; BAG, Urteil vom 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NJW 2011, 1096, 1097 Rn. 17 ff.; Bachmann, ZIP 2017, 841; vgl. zur 117

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Kap. 4: Schaden

beitnehmers wird nach Verschuldensgrad differenziert: Während bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit der Arbeitnehmer in der Regel den vollständigen Schaden trägt, wird bei mittlerer Fahrlässigkeit der Schaden quotal verteilt und bei leichter Fahrlässigkeit dem Arbeitgeber regelmäßig allein zugemutet.123 b) Übertragung auf das Organhaftungsrecht aa) Herrschende Auffassung – Ablehnung eines Transfers Nach wohl herrschender Meinung sind diese Grundsätze auf Organmitglieder nicht anwendbar.124 In der Organhaftung bestünde keine mit der Arbeitnehmerhaftung vergleichbare Regelungslücke.125 Auch seien die Stellungen des Arbeitnehmers und eines Organmitglieds nicht vergleichbar.126 Der BGH hat bereits im Jahr 1975 zu dieser Frage Stellung genommen und ohne nähere Begründung eine Übertragung der arbeitsrechtlichen Grundsätze abgelehnt.127 bb) Mindermeinung – Transfer zum Organhaftungsrecht Einzelne Stimmen in der Literatur bejahen hingegen die Möglichkeit einer Übertragung auf das Organhaftungsrecht.128 Auch Organmitglieder könnten sich in einer mit dem weisungsgebundenen Arbeitnehmer vergleichbaren Position be-

historischen Entwicklung Otto/Schwarze/Krause, Die Haftung des Arbeitnehmers, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 1 ff. 123 Vgl. BAG, Urteil vom 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345. 124 BGH, Urteil vom 27.02.1975 – II ZR 112/72, WM 1975, 467, 469; einschränkend OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.06.1995 – 6 U 104/94, AG 1995, 416, 420; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 395 ff.; Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 461; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 96; ders., AG 2012, 429, 435; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 37; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 248; A. Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 21 Rn. 97; Bachmann, ZIP 2017, 841; für das GmbHG vgl. Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001, S. 333 f. 125 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 31; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 211. 126 Vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.08.2011 – 13 U 100/10, BeckRS 2011, 24234; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 22; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 76 Rn. 66 f.; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 76 Rn. 25; Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 42; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 44; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 297. 127 BGH, Urteil vom 27.02.1975 – II ZR 112/72, WM 1975, 467, 469. 128 Bachmann, ZIP 2017, 841, 842 ff.; Wilhelmi, NZG 2017, 681 ff.; mit Einschränkungen Fritz, NZA 2017, 673, 677 f.

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

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finden.129 Dass keine Regelungslücke im eigentlichen Sinne bestehe, würde einer Rechtsfortbildung nicht widersprechen.130 c) Würdigung A prima vista bestehen Wertungsparallelen zwischen der Haftung der Organmitglieder und der Arbeitnehmerhaftung. Kernpunkt, der für beide gilt, ist die Fremdnützigkeit der Arbeit. Diese müsse auch bei der Risikozuweisung Rücksicht finden.131 Diese Wertungsparallelen sind bei genauerer Betrachtung jedoch nicht eng genug, als dass ein Transfer zu befürworten wäre. aa) Keine Regelungslücke Einer direkten Übertragung steht die gesetzliche Regelung in § 93 Abs. 2 AktG entgegen. Diese sieht explizit eine Haftung der Geschäftsleiter für vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln vor, während für Arbeitnehmer keine speziellen Haftungsvorschriften bestehen.132 Das Fehlen von speziellen Haftungsvorschriften wird als Regelungslücke angesehen, welche es erlaubt, ein Rechtsinstitut zu bilden, das im Fall leichter Fahrlässigkeit eine Haftungsfreistellung vorsieht.133 Dem wird entgegengehalten, dass es auch für die Arbeitnehmerhaftung eine gesetzliche Regelung gebe. Zwar bestünden im BGB keine speziellen arbeitsrechtlichen oder allgemein dienstrechtlichen Regelungen für die Gewährleistung und Haftung der Arbeitnehmer. Hier finden jedoch die §§ 280 ff. BGB Anwendung, die bei schuldhaften Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, wie sie auch im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleich relevant sind, einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers vorsehen.134 Eine Regelungslücke bestünde nur auf der Wertungsebene, auf der die existierenden Regelungen angesichts geänderter Verhältnisse als nicht mehr passend angesehen werden. Es sei auch für die Organhaftung zu fragen, ob die bisherige Regelung den geänderten Verhältnissen noch gerecht werde oder ob ein hinreichendes Bedürfnis nach Rechtsfortbildung bestehe.135 Der Vergleich zu der Regelungslücke in der Arbeitnehmerhaftung 129

Wilhelmi, NZG 2017, 681, 685. Bachmann, ZIP 2017, 841, 847; Wilhelmi, NZG 2017, 681, 685. 131 So z. B. Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 211; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 31. 132 Koch, AG 2012, 429, 435. 133 BAG, Beschluss vom 27.09.1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083; zur dogmatischen Verortung der Haftungsprivilegierung mithilfe einer Herleitung aus § 254 siehe Henssler, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 619a Rn. 10. 134 Wilhelmi, NZG 2017, 681, 685 mit Verweis auf u. a. Richardi/Fischinger, in: Staudinger (Begr.), BGB, Neubearbeitung 2019, § 619a Rn. 28. 135 Wilhelmi, NZG 2017, 681, 685. 130

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Kap. 4: Schaden

überzeugt nicht. Während dort keine speziellen Regelungen bestehen und auf einen allgemeinen Tatbestand zurückgegriffen wurde, gibt es mit § 93 Abs. 2 AktG eine spezifisch für die Vorstandshaftung ausgearbeitete Rechtsnorm. Der Gesetzgeber hat hiermit detailliert die Haftung von Organmitgliedern geregelt und trotz einer Vielzahl an Aktienrechtsnovellen sowie ausführlichen Diskussionen in der rechtswissenschaftlichen Literatur, aber auch auf dem DJT 2014136 keine Anpassung der in der Höhe unbegrenzten Organhaftung vorgenommen.137 Darüber hinaus ist § 93 Abs. 2 AktG nach ganz herrschender Meinung zwingend.138 Haftungserleichterungen mithilfe des Anstellungsvertrags oder der Satzung sind ausgeschlossen.139 Eine Übertragung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung würde diese klare gesetzliche Wertung im Wege einer Rechtsfortbildung aushebeln. Eine mit der Arbeitnehmerhaftung vergleichbare Regelungslücke besteht nicht. bb) Wesensunterschiede Der Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht liegen drei Wertungsgesichtspunkte zugrunde: die Organisationshoheit des Arbeitgebers, die Diskrepanz zwischen potentiellem Schaden und der Entlohnung des Arbeitnehmers sowie die unterschiedliche Verhandlungsstärke von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für die mithilfe der Grundsätze betrieblicher Tätigkeit verfassungsrechtlich Konkordanz zwischen den betroffenen Grundrechten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers erreicht wird.140 Die Stellungen eines Vorstandsmitglieds und eines Arbeitneh-

136 Vgl. Bachmann, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages Hannover 2014 Bd. I: Gutachten Teil E: Reform der Organhaftung? – Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen. 137 Eingehend Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 31. 138 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 4; Hölters, in: Hölters/ Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 11; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 8; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, § 93 Rn. 11, 27; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 4; ders., ZIP 2014, 1305 f.; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 47; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, § 93 Rn. 85; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 5. 139 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 31; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 4; ders., ZIP 2014, 1305; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 94 Rn. 47; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 8; bezüglich Anstellungsvertrag U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 5; Wilhelmi, NZG 2017, 681, 685; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 189. 140 Vgl. BAG, Beschluss vom 27.09.1994 – GS 1/89, NZA 1994, 1083 f.; Henssler, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 619a Rn. 9; Krause, NZA 2003, 577, 579 ff.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307.

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

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mers weisen jedoch erhebliche Unterschiede auf. Während der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer die Organisations- und Gestaltungsbefugnis über den Betrieb und die Arbeitsbedingungen innehat und damit das Haftungsrisiko des weisungsabhängigen Arbeitnehmers bedeutend beeinflussen kann141, ist der Vorstand nicht weisungsabhängig und leitet nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung.142 Gleichzeitig erhalten Vorstandsmitglieder häufig großzügige Vergütungen, die als Risikoprämie für die höhere Haftungsgefahr angesehen werden können.143 Darüber hinaus haben Vorstandsmitglieder durch eine D&O-Versicherung einen Grundschutz vor Haftungsansprüchen. Zwar können sie einzelne Risikofaktoren, wie Unternehmensgegenstand und Eigenkapitalausstattung, nicht selbst beeinflussen; dies kann als Legitimationsgrundlage für eine richterrechtliche Haftungserleichterung aber nicht genügen.144 Des Weiteren ist der Vergleich zu den Grundsätzen betrieblich veranlasster Tätigkeit nur bedingt zutreffend. Nach den Grundsätzen besteht eine nach Grad des Verschuldens gradierte Haftungsprivilegierung. Zwar handelt es sich bei der Haftungssumme nur um einen Teilbetrag des Schadens; der Haftende muss hierbei aber mit seinem vollständigen Vermögen einstehen. Hingegen sprechen die Vertreter einer Anwendung im Organhaftungsrecht von einer summenmäßigen Deckelung der Haftung.145 Die Haftung soll gesetzlich gedeckelt und dabei beispielsweise auf ein Mehrfaches der Jahresvergütung festgelegt werden.146 Eine pauschale Deckelung würde im Einzelfall auch Sachverhalte erfassen, bei denen der Schadensersatzanspruch nicht über die Leistungsfähigkeit der Organmitglieder hinausgeht, da individuelle Umstände bei einer pauschalen Regelung nicht angemessen berücksichtigt werden können.147

141 BAG, Beschluss vom 27.09.1994 – GS 1/89, NJW 1995, 210, 212; Henssler, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 619a Rn. 9 m.w. N.; zum gesellschaftsrechtlichen Kontext siehe Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 297. 142 Vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.08.2011 – 13 U 100/10, BeckRS 2011, 24234; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 22; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 76 Rn. 66 f.; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 76 Rn. 25; Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 Rn. 42; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 76 Rn. 44; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 297. 143 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306. 144 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307; ausführlich hierzu in Kapitel 4, C., III., 1., c). 145 Habersack, ZHR 177 (2013) 782, 802; ähnlich Paefgen, AG 2014, 554, 569. 146 Habersack, ZHR 177 (2013) 782, 803. 147 Habersack, ZHR 177 (2013) 782, 803; dazu auch Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 705.

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Kap. 4: Schaden

d) Zwischenfazit Für eine Übertragung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da mit § 93 AktG eine umfassende, die Vorstandshaftung abschließend regelnde Vorschrift besteht. Auch ist die Stellung eines weisungsabhängigen Arbeitnehmers nicht mit der eines weisungsunabhängigen Vorstandsmitglieds vergleichbar, der im Rahmen seiner Leitungsaufgabe die Planungs-, Steuer- und Organisationsverantwortung für das Unternehmen innehat. 2. Gesellschaftsrechtliche Fürsorgepflicht Weit verbreitet wird die gesellschaftsrechtliche Fürsorgepflicht oder organschaftliche Treuepflicht als dogmatische Begründung der Regressbegrenzung herangezogen.148 Die Zahl der sich für eine Haftungsmilderung aussprechenden Autoren ist im letzten Jahrzehnt stark gewachsen. Insbesondere in der aktienrechtlichen Kommentarliteratur ist diese Auffassung stark vertreten.149 Bereits als herrschende Meinung gilt die auf der Fürsorgepflicht begründete Haftungsbegrenzung.150 Es gibt jedoch auch Gegenstimmen.151 Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt dabei auch das Dissertations- und Habilitationsschrifttum.152 Dem148 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 96 ff.; ders., AG 2012, 429, 435; ders., Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 327 ff.; Koch, AG 2014, 513 ff.; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 194; ders., AG 2013, 889, 894; Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 96 f.; Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 928; Brommer, AG 2013, 121, 127 f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636 f.; dazu tendierend Kort, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 84 Rn. 280, 461b und Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 AktG Rn. 398, 419; Twele, Die Haftung des Vorstands für Kartellrechtsverstöße, S. 166 ff. stimmt in „dogmatischer Hinsicht“ zu, sieht aber keine Notwendigkeit der Haftungsreduzierung; Fleischer, DB 2014, 345, 349 (anderer Ansicht aber ders., ZIP 2014, 1305, 1307 ff.); Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 225 f.; Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, 2013, S. 106 f.; vgl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 302; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 260 ff.; anderer Ansicht Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 302; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 70 ff., 77, 81; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 223 f.; Paefgen, AG 2014, 554, 568 f.; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 704 ff.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 276 ff. 149 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 398 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 38; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 96 ff.; Spindler, AG 2013, 889, 894 f. 150 So bezeichnet von Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 98 m.w. N.; siehe auch Bachmann, ZIP 2017, 841. 151 Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 39; Schöne/Petersen, AG 2012, 700 ff.; Paefgen, AG 2014, 554, 568 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 801 ff. 152 Für die Zulässigkeit einer Regressbeschränkung Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 209 ff.; Kaulich, Die Haftung

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

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nach soll eine nicht scharf umrissene gesellschaftsrechtliche Fürsorgepflicht den materiellen Regressanspruch bei der Vorstandsinnenhaftung im Einzelfall beschränken. Die Begründungen divergieren und sind deshalb zunächst darzustellen. Im Anschluss wird der Komplex einer kritischen Würdigung unterzogen. a) Darstellung Die Fürsorge- bzw. Treuepflicht wird in einer Vielzahl leicht abgewandelter Ansätze zur Regressbegrenzung herangezogen. Während Peltzer die Haftungserleichterung auf Basis der Treuepflicht aus der rechtlichen Sonderverbindung zwischen Gesellschaft und Organmitglied ableitet und seine Überlegung auf Billigkeitsgesichtspunkten und § 242 BGB beruhen,153 ordnet Reichert die organschaftliche Treuepflicht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ein, die „sämtliche Bestimmungen unserer Rechtsordnung“ überlagere.154 Es wird aber auch auf Parallelen zu den Grundsätzen betrieblich veranlasster Tätigkeit verwiesen.155 Auf Grundlage der Beiträge von Bayer156 und Thole157 wurde der Ansatz insbesondere und am detailliertesten von Koch weiterentwickelt.158 Nachfolgend soll sich deshalb vornehmlich mit Kochs Ansatz auseinandergesetzt werden. Grundlage ist die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern. Diese soll durch die Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeit eine Präzisierung erfahren.159 Diese finde ihre Rechtfertigung darin, dass es sich für den Vorstand kaum vermeiden lasse, dass es in einer langjährigen Tätigkeit für das Unternehmen zu einer fahrlässigen Schadensverursachung komme.160 Koch zieht die organschaftliche Rücksichtnahmepflicht, die Fürsorgepflicht und die Grundsätze betrieblich veranlasster Tätigkeit heran, um eine „summenmäßige Fivon Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 296 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 307 ff.; für eine Begrenzung aufgrund der Fürsorgepflicht im Einzelfall Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 228 ff.; dagegen Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, 2015, S. 572 ff.; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 313 ff.; gegen die Anwendung der Arbeitnehmergrundsätze Eßwein, Privatautonome Gestaltung der Vorstandshaftung, 2015, S. 285 f. 153 Vgl. Peltzer, in: Festschrift Michael Hoffmann-Becking, 2013, 861, 865. 154 Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 777. 155 Koch, AG 2012, 429, 435; vgl. Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 296. 156 Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 97 ff. 157 Thole, ZHR 173 (2009) 504, 533 f. 158 Koch, AG 2012, 429, 435 ff.; ders., Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 327 ff.; Koch, AG 2014, 513 ff.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 627. 159 Koch, AG 2014, 513, 514. 160 Koch, AG 2014, 513, 514.

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Kap. 4: Schaden

xierung der Haftungsminderung“ zu fordern.161 Eine Haftungsmilderung sei in Anlehnung zu den Grundsätzen betrieblich veranlasster Tätigkeit nur dann möglich, wenn das Verschulden sich im Bereich der leichten und mittleren Fahrlässigkeit bewege.162 Ein wichtiger Grundgedanke dieser Figur ist der Fürsorgegedanke, der auch im Arbeitsrecht eine große Rolle spielt.163 Er beruht auf der Erwägung, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers fremdnützig ist und die Früchte der Tätigkeit nur dem Arbeitgeber zugutekommen, weswegen dieser auch das Betriebsrisiko tragen muss.164 Dies sei mit der Lage eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft vergleichbar, von dessen fremdnütziger Tätigkeit die Aktiengesellschaft profitiert.165 b) Würdigung Begründet wird die gesellschaftliche Fürsorgepflicht mit Blick auf Treuebindungen der Organmitglieder. Organmitglieder unterliegen organschaftlichen Treuebindungen zur Aktiengesellschaft.166 Diese Treuepflichten seien keine Einbahnstraße und hätten Fürsorgepflichten der Gesellschaften gegenüber ihrer Organmitglieder zur Folge. Hierauf gestützt wird eine Verpflichtung der Gesellschaft gesehen, die Rechtsverfolgung angemessen zu begrenzen.167

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Koch, AG 2012, 429, 438 f.; hierzu auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 627. Koch, AG 2012, 429, 438. 163 Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 262; vgl. zum Fürsorgegedanken in der Arbeitnehmerhaftung Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 79 und Frisch, Haftungserleichterung für GmbH-Geschäftsführer nach dem Vorbild des Arbeitsrechts, 1998, S. 141 ff., die jedoch beide darauf hinweisen, dass eine Begründung der Haftungserleichterung mithilfe der Fürsorgepflicht als überholt angesehen wird; umfassend dazu auch Schumacher, Die vom Verschulden unabhängige Haftung des Arbeitgebers für arbeitsbedingte Sachschäden des Arbeitnehmers, 1975, S. 29 ff. 164 Henssler, in: Münchener Kommentar, 8. Aufl. 2022, § 619a Rn. 8 f.; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 262; Koch, AG 2012, 429, 435; vgl. auch Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001, S. 4 f. 165 Vgl. Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 286 f.; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 100; ders., Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 327 ff.; ders., AG 2014, 513, 516; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 50; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 256 f.; siehe zur Fremdnützigkeit Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 238. 166 Vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1954 – II ZR 211/53, NJW 1954, 998 ff.; BGH, Urteil vom 26.03.1956 – II ZR 57/55, NJW 1956, 906; Koch, in: Koch AktG, 16. Aufl. 2022, § 84 Rn. 10; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 Rn. 13. 167 Koch, in: Koch AktG, 16. Aufl. 2022, § 84 Rn. 11. 162

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

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A prima vista erscheint dieser Ansatz einer auf Billigkeitserwägungen nach § 242 BGB beruhenden Fürsorgepflicht überlegen.168 Eine auf Basis des § 242 BGB argumentierte Fürsorgepflicht vermag eine für die Gesellschaft so einschneidende Beschränkung nicht zu begründen. Gerade aufgrund ihrer Konturlosigkeit sollten Ausnahmen auf Basis des § 242 BGB nur restriktiv gebildet werden. Zutreffend wird § 242 BGB als „Leerformel“ bezeichnet, mit der sich jede Abweichung vom Gesetz rechtfertigen lasse.169 Jedoch ändert sich an dieser Feststellung nichts, wenn man die Fürsorgepflicht nicht auf Treu und Glauben, sondern auf die Treuepflicht zurückführen wollte. Insbesondere wenn man die Treuepflicht als übergesetzlichen Grundsatz ansieht, kann man einwenden, dass jede Vorschrift ausgehebelt werden kann, „indem man sie auf ein Prinzip zurückführt, das dann wichtiger ist als seine konkrete Gestalt, die nur das Mittel zum Zweck bildet“.170 Dass sich die hier entwickelte Fürsorgepflicht der Gesellschaft auf anerkannte Treuebindungen der Organmitglieder bezieht, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein bisher konturenloses Gebilde handelt, das im Wege der Rechtsfortbildung ausgefüllt wird. Selbst Koch als wohl prominentester Vertreter spricht von einem „amorphen dogmatischen Gebilde“.171 Angesichts dessen ist es problematisch, dass sich der Gesetzgeber bei Ausgestaltung der Organhaftung für eine unbeschränkte Haftung entschieden hat.172 Ähnlich wie bereits im Rahmen der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung argumentiert, benötigt die zumindest analogieähnliche Rechtsfortbildung eine planwidrige Regelungslücke.173 Diese ist im Rahmen der Organhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG nicht auszumachen. Schwer wiegt hier die in § 93 Abs. 2 AktG getroffene gesetzliche Regelung. Die Treuepflicht stößt auf ihre Grenzen, wo der Gesetzgeber eine abschließende Regelung getroffen hat.174 Zwar wird vereinzelt auch in Frage gestellt, ob diese Regelungslücke in der Arbeitnehmerhaftung im BGB bestand.175 Hier ist Scholz jedoch zuzustimmen, dass eine verfehlte Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht eine verfehlte Rechtsfortbildung im Gesellschafts168

Vgl. Peltzer, in: Festschrift Michael Hoffmann-Becking, 2013, 861, 865. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 272. 170 Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, 2007, S. 548; wie hier bereits Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 273 f. 171 Koch, AG 2012, 429, 435. 172 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1307. 173 Vgl. Ausführungen zu den Voraussetzungen der Analogie unter Kapitel 3, C., II., 1., b), bb), (2). 174 Götze, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, Vor § 53a Rn. 58; Cahn/ v. Spannenberg, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 53a Rn. 56; so bereits Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 275. 175 Koch, AG 2014, 513, 521. 169

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recht nicht legitimiert.176 Auch die zur Arbeitnehmerhaftung gezogenen Parallelen mögen die Haftungsbegrenzung aufgrund einer Fürsorgepflicht nicht rechtfertigen. Da sie selbst eine freie Rechtsfortbildung ist, können die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung keine weitere Rechtsfortbildung legitimieren.177 Dass dabei der Begriff der Analogie vermieden wird („Wertungstransfer“), vermag nichts daran zu ändern.178 c) Zwischenfazit Die gesellschaftsrechtliche Fürsorgepflicht stellt keinen dogmatisch tragfähigen Ansatz zur Regressbeschränkung dar. Die für die Rechtsfortbildung erforderliche Regelungslücke besteht hier nicht. Die Vorstandshaftung wurde ausführlich und durch den Gesetzgeber abschließend geregelt und lässt wenig Raum für eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Haftungsbegrenzung. Die große Schwäche der Haftungsreduktion qua Fürsorgepflicht stellt ihre konturenlose dogmatische Grundlage dar. Auch die zur Arbeitnehmerhaftung gezogenen Parallelen vermögen nicht zu überzeugen.

III. Rechtspolitischer Ausblick – Notwendigkeit einer Begrenzung de lege ferenda Da eine allgemeine Begrenzung der Vorstandshaftung de lege lata dogmatisch nicht begründbar ist, rückt die Frage in den Vordergrund, ob eine solche de lege ferenda zu fordern ist. Bevor sich die Frage rechtspolitischer Gestaltungsmöglichkeiten stellt, ist zunächst die Frage der rechtspolitischen Notwendigkeit aufzuwerfen. Hierfür sollen zunächst zentrale Aspekte der Vorstandshaftung, die für eine übermäßige Strenge der Vorstandhaftung angeführt werden, untersucht werden. Hieran schließt sich eine Betrachtung der rechtsökonomischen Erwägungen für eine Haftungsbegrenzung an. 1. Vorstandshaftung zu streng? In der Frage einer rechtspolitischen Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung werden insbesondere drei Problempunkte der gegenwärtigen Ausgestaltung der Vorstandshaftung ausgemacht.179 Hierbei handelt es sich um die zwingende Re176 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 276. 177 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 275. 178 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 275; vgl. auch Blaurock, in: Festschrift Joachim Bornkamm, 2014, 107, 116. 179 Zum Teil ähnlich Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 248; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 364 f.

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gelung der Vorstandshaftung, die Verpflichtung des Aufsichtsrats zur Anspruchsdurchsetzung und den in Anbetracht der potentiell immensen Haftungssummen unzureichenden Versicherungsschutz. a) Zwingende Regelung der Vorstandshaftung Kritikwürdiger Aspekt könnte der zwingende Charakter der gesetzlichen Vorgaben zur Vorstandshaftung sein. Dieser verhindert, dass satzungsgemäß oder im Anstellungsvertrag abweichende, die Haftung mindernde Vereinbarungen getroffen werden können.180 Für die zwingende Regelung spricht jedoch, dass anderenfalls gerade bei großen Gesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern die Gefahr einer Kollusion bei der Aushandlung des Anstellungsvertrages zwischen Aufsichtsrat und dem anzustellenden Vorstandsmitglied bestünde. Eine Begrenzung der Haftung würde Interessen der Gesellschaft, der Aktionäre und der Gläubiger berühren. Zumindest eine Überschreitung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nach dem oben festgestellten Maßstab ist nicht anzunehmen.181 b) Verpflichtung zur Anspruchsdurchsetzung Als weiterer Aspekt der strengen Vorstandshaftung wird die Verpflichtung zur Anspruchsdurchsetzung angesehen.182 Nach dem ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH besteht eine Pflicht des Aufsichtsrats, Pflichtverletzungen des Vorstands eigenverantwortlich zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.183 Die Verpflichtung besteht indessen nicht ausnahmslos. Der Aufsichtsrat kann aufgrund vielfältiger Gründe von einer Verfolgung absehen, auch wenn er vom Bestehen eines Schadensersatzanspruchs überzeugt ist.184 Nach Rechtsprechung des BGH darf von der Verfolgung abgesehen werden, wenn „gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegensprechen und diese Umstände die Gründe, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind“.185 Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, eine am Gesellschaftsinteresse orientierte Entscheidung zu treffen.186 Eine Entscheidung gegen die Rechtsverfolgung kann 180 Vgl. Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 250 ff. 181 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 365. 182 Vgl. Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 365. 183 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926. 184 Siehe auch Ausführungen in Kapitel 2, B. 185 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926. 186 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 37; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 116 Rn. 63; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, § 111 Rn. 17, § 116 Rn. 11 f.; vgl. auch

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aus Gründen des überwiegenden Unternehmenswohls erfolgen.187 Hierbei ist auch die Gefahr weiterer Schäden zu berücksichtigen, die durch das Bekanntwerden bis dato unbekannter Verfehlungen im Rahmen des Regressverfahrens in Form von negativer Berichterstattung, neuen Ermittlungsverfahren oder Schadensersatzklagen drohen könnten. Reputationsschäden können hierbei die durch die Inanspruchnahme erstrittene Ersatzsumme übersteigen.188 Ein Grund kann ebenfalls die Unverhältnismäßigkeit sein, wenn es sich um Bagatelldelikte oder leichteste Fahrlässigkeit durch den Vorstand handelt.189 Die Anspruchsdurchsetzung hemmt zusätzlich, dass pflichtwidriges Handeln durch den Vorstand häufig auch ein Überwachungsverschulden des Aufsichtsrats bedeuten kann und damit ein Interessenskonflikt besteht. Der Aufsichtsrat könnte damit, durch die Inanspruchnahme des Vorstands, Ansprüche der Gesellschaft gegen das eigene Gremium vorbereiten.190 Die Verfolgung von organrechtlichen Regressansprüchen setzt eine komplexe Abwägung konträrer Interessen voraus.191 So wird angenommen, dass die Inanspruchnahme amtierender Vorstände äußerst selten stattfindet,192 weshalb von einer „Bisssperre“ des Aufsichtsrats die Rede ist.193 Es kann angezweifelt werden, ob die ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung als Gesichtspunkt einer unverhältnismäßig harten Vorstandshaftung angesehen werden kann. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, §111 Rn. 7; Bürgers/Fischer, in: Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 111 Rn. 5; Groß-Bölting/Rabe, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 111 Rn. 43; Götz, NJW 1997, 3275, 3277; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 628 ff.; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 610 ff.; ders., in: Festschrift Michael Hoffmann-Becking, 2013, 377, 386 ff.; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; Lutter, ZIP 1995, 441, 442; Habersack, NZG 2016, 321, 322. 187 Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 116 Rn. 64; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 461; Götz, NJW 1997, 3275, 3277; Semler, Festschrift Peter Ulmer, 2003, 627, 636; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113 f.; mit weiteren Fallgruppen Casper, ZHR 176 (2012), 617, 632 ff.; Faßbender, NZG 2015, 501, 505; Habersack, NZG 2016, 321, 323; Goette, ZHR 176 (2012), 588, 610 ff. 188 Siehe Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 42; ders., NZG 2016, 321 324 f.; Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 116 Rn. 64. 189 Spindler, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 116 Rn. 64. 190 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 45; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 785 f.; ders., NZG 2016, 321, 322; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 239 f. 191 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 788. 192 Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 787; Lutter, ZIP 2009, 197, 201; Ulmer, ZHR 162 (1999) 290, 318; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 239 ff. 193 Ulmer, ZHR 162 (1999), 290, 318; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 239 ff. spricht von „Bisshemmung“.

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

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c) Unzureichender Versicherungsschutz? Insbesondere auch der als unzureichend betrachtete Versicherungsschutz wird als weiterer Beleg für die Schärfe der Vorstandshaftung angeführt.194 Eine ausführliche Betrachtung möglicher Mängel der D&O-Versicherung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weswegen im Folgenden lediglich auf einige als besonders relevant zu beurteilende Fallgruppen eingegangen werden soll. aa) Begrenzung der Deckungssummen Dem Vorwurf einer unzureichenden Versicherungsmöglichkeit ist zuzugestehen, dass D&O-Versicherungen kraft Natur der Sache nicht unbegrenzt vor Schäden schützen. Die Höchstsumme richtet sich nach den spezifischen Absprachen zwischen Gesellschaft und Versicherer.195 Übersteigt der geltend gemachte Schaden die vereinbarte Höchstsumme, haften Vorstandsmitglieder für die darüber hinausgehende Summe nach wie vor persönlich.196 Es ist schwierig, empirische Daten bezüglich üblicher Deckungssummen zu finden.197 Verbreitet werden Beträge zwischen 500.000 Euro und 25 Millionen Euro als übliche Deckungssummen genannt und darauf beruhend fünf Millionen Euro als durchschnittliche Deckungssumme angesehen.198 Da in den meisten Beiträgen die Abhandlung Drehers aus dem Jahr 2001 zitiert wird,199 kann die Aktualität dieser Daten angezweifelt werden.200 Bei großen börsennotierten Unternehmen werden deutlich höhere Deckungssummen die Norm sein. So soll der VW-Konzern für seinen Vorstand eine D&O-Versicherung mit einer Deckungssumme von 500 Millionen Euro abgeschlossen haben;201 bei der Bayern-

194 Siehe Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 248, 160 ff; vgl. auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757. 195 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 215. 196 Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 182; Faßbender, NZG 2015, 501, 507; Haarmann/Weiß, DB 2014, 2115. 197 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 215; so auch Ihlas, D&O, 2. Aufl. 2009, S. 124. 198 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 215; Koch, AG 2014, 513, 520; noch in DM Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 298; O. Lange, DStR 2002, 1626, 1627; ebenfalls von einer durchschnittlichen Deckungssumme i. H. v. fünf Millionen Euro sprechend Freund, GmbHR 2009, 1185, 1190. 199 Vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 298. 200 Hierzu auch Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 215. 201 „Dieselskandal: Winterkorn soll rund zehn Millionen Euro Schadensersatz zahlen“, businessinsider.de vom 02.06.2021, abrufbar unter https://www.businessinsider. de/wirtschaft/mobility/vertragsentwurf-winterkorn-soll-zehn-millionen-euro-schadenser satz-zahlen-b/ – zuletzt abgerufen am 01.08.2022.

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Kap. 4: Schaden

LB soll es sich um eine Versicherungssumme von 105 Millionen Euro handeln.202 Aufgrund der eingeschränkten Datenlage lässt sich nur schwer einschätzen, wie groß die sich aus der Deckungsbegrenzung ergebende Schutzlücke ist. Gerade in den medienwirksamen Haftungsfällen, auf die in der Literatur häufig verwiesen wird und die auch in dieser Arbeit schon Erwähnung fanden, trug die Versicherung den Großteil des zu zahlenden Schadensersatzes an die Gesellschaft.203 Es ist anzuerkennen, dass die Deckelung der Versicherungssummen gerade in Fällen von Regressansprüchen aufgrund hoher kartellrechtlicher Geldbußen gegen die Gesellschaft problematisch für den Schutz der Organmitglieder sein kann. Hier ist indes festzustellen, dass in der Öffentlichkeit kein Fall bekannt ist, in dem ein Vorstandsmitglied tatsächlich für eine dreistellige Millionensumme in Anspruch genommen wurde, weswegen die Versicherungen das Vorstandsmitglied in den meisten Fällen wohl trotz der Deckelung vor einer existenzvernichtenden Haftung bewahren können. bb) Deckungsausschlüsse Weitere Lücken könnten Deckungsausschlüsse darstellen. Nach wohl allgemeiner Meinung sind Vermögenseinbußen aufgrund gegen Vorstandsmitglieder persönlich verhängten Geldbußen von der D&O-Versicherung ausgenommen.204 202 „Rettungsring für die Chefs“, sueddeutsche.de vom 04.03.2019, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/d-o-policen-rettungsring-fuer-die-chefs-1.4353 735 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 203 So zahlte im Siemens Korruptionsskandal der ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende von Pierer einen Schadensersatz von fünf Millionen Euro, während die Versicherung rund 100 Millionen Euro zahlt. Vgl. „Für Pierer endet Korruptionsaffäre mit Bußgeld“, faz.net vom 03.03.2010, abrufbar unter https://www.faz.net/ aktuell/wirtschaft/unternehmen/siemens-fuer-pierer-endet-korruptionsaffaere-mit-buss geld-11078.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022; „Versicherungen zahlen für Siemens-Skandal“, welt.de vom 04.09.2009, abrufbar unter https://www.welt.de/wirt schaft/article4465908/Versicherungen-zahlen-fuer-Siemens-Skandal.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022; in der Kirch-Affäre zahlt der ehemalige Deutsche Bank AG Vorstandsvorsitzende Breuer 3,2 Millionen Euro, die Versicherungen zahlen indes etwa 90 Millionen Euro, vgl. „Deutsche Bank – Allianz, Axa und Zurich zahlen für Breuer“, versicherungsbote.de vom 03.05.2016, abrufbar unter https://www.versicherungsbote. de/id/4840509/Deutsche-Bank-Allianz-Axa-Zurich-Breuer/ – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 204 Koch, Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 327, 331; ders., AG 2014, 513, 519; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 218; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 293 f., 316; Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands der Aktiengesellschaft für so genannte nützliche Pflichtverletzungen, 2008, S. 162 f.; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, 2013, S. 198; Twele, Die Haftung des Vorstands für Kartellrechtsverstöße, S. 21 Fn. 6; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 63; Ihlas, D&O, 2. Aufl. 2009, S. 548; Werner, CCZ 2010, 143, 146; F. Gaul, AG 2015, 109, 111.

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Weniger eindeutig stellt sich die Lage bei dem Innenregress aufgrund von Geldbußen gegen die Gesellschaft dar. Verschiedene Stimmen in der Literatur befürworten auch ein Ausschluss der gegen die Gesellschaft verhängten Geldbußen.205 Während dies aus den gängigen Versicherungsklauseln nicht klar ersichtlich wird, bringen Vertreter eines Ausschlusses an, dass die Möglichkeit, dieses Risiko zu versichern, einen Verstoß gegen §§ 134, 138 BGB darstelle, da die Abschreckungswirkung des Bußgeldes unterlaufen werde.206 Der Einwand der unbilligen Entlastung gegen eine Ersatzfähigkeit von Kartellgeldbußen im Innenregress wurde mit der Begründung abgelehnt, dass es aus öffentlich-rechtlicher Perspektive irrelevant sei, wer aus zivilrechtlichen Gründen zur Schadenstragung verpflichtet sei. Da erscheint es zumindest widersprüchlich, wenn für die Frage der Versicherbarkeit der Geldbußen wieder Gründe des Ordnungswidrigkeitenrechts angebracht werden.207 In beiden Fällen ist der zentrale Gedanke, dass die Sanktion in Form des Bußgeldes aufgrund der intendierten Präventivwirkung vom Sanktionsadressaten zu tragen sei. Wie bereits dargestellt, schließt dies einen Innenregress nicht aus. Konsequenterweise sollte dies dann auch in der Frage der Versicherungsdeckung gelten.208 Zwar könnte argumentiert werden, dass die Präventionswirkung der Geldbuße noch weiter abgeschwächt wird, wenn neben der Gesellschaft als Bußgeldadressatin auch der Vorstand aufgrund des Versicherungsschutzes als Adressat ausfällt. Dieser drohende Verlust verhaltenssteuernder Wirkung lässt sich jedoch allgemein gegen die D&O-Versicherung anbringen, was sich jedoch zutreffenderweise nicht durchsetzen konnte.209 Neben dem in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG normierten obligatorischen Selbstbehalt führen auch die gedeckelten Versicherungssummen zu dem Ergebnis, dass eine Versicherbarkeit des Bußgeldrisikos die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung nicht ausschließt.210 Zwar steht es Versicherungen frei, den Innenregress nicht zu versichern. Rechtlich spricht jedoch nichts gegen die Versicherbarkeit solcher Haftungsfälle.

205 Tendenziell Werner, CCZ 2010, 143, 146 f.; Koch, Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 327, 331; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 73, 290. 206 Koch, in: Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 327, 331; ähnlich Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 73, 290. 207 Blaurock, in: Festschrift Joachim Bornkamm, 2014, 107, 117. 208 Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 64. 209 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 451; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 50; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 244; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 223; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 283 ff.; O. Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, 2014, § 1 Rn. 91 f. 210 Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 64 f.

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Kap. 4: Schaden

cc) Einschränkungsversuche Verschiedene Versuche der Versicherungen, die Zahl potentieller Versicherungsfälle durch die Beschränkung des Leistungskatalog zu reduzieren und damit den Versicherungsschutz zu verringern, haben sich nicht durchsetzen können. Zu nennen ist der Versuch, Innenhaftungsfälle generell auszuschließen211, eine Einstandspflicht nur dann anzunehmen, wenn der Regressanspruch aufgrund Hauptversammlungsbeschlusses gem. § 147 AktG erhoben wird212 oder aber Gerichtsund Trennungsklauseln zu etablieren, nach denen die Gesellschaft den Schadensersatzanspruch gegenüber ihrem Vorstand gerichtlich geltend machen und sich von dem Organmitglied trennen muss.213 dd) Zwischenergebnis Auch wenn die D&O-Versicherung keinen lückenlosen Schutz für Vorstände bietet, kann sie doch eine erhebliche Abschwächung der Haftungshöhe für das betroffene Vorstandsmitglied bedeuten. Größere Schwierigkeiten könnte die Deckelung der Versicherungssummen bedeuten. Bei genauerer Betrachtung scheint auch dies den offerierten Schutz nur begrenzt einzuschränken. d) Würdigung Es konnte festgestellt werden, dass die vielfach kritisierten strengen Haftungsbedingungen schützenswerten Interessen dienen. Eine Notwendigkeit, die Haftung zu begrenzen, kann diesbezüglich nicht ausgemacht werden. Die Verpflichtung zur Anspruchsdurchsetzung beinhaltet bei genauerem Blick eine Vielzahl an Ausnahmen, welche ihre Wirkung hemmt. Die D&O-Versicherung bietet zwar keinen lückenlosen Schutz, führt jedoch zu einer erheblichen Abschwächung der

211 Vgl. Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands der Aktiengesellschaft für so genannte nützliche Pflichtverletzungen, 2008, S. 148; Schlierenkämper, Versicherbarkeit von Managerhaftung, 2011, S. 139; hierzu auch Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 180; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 117. 212 Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 296 Fn. 12; Schlierenkämper, Versicherbarkeit von Managerhaftung, 2011, S. 140; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 117. 213 Vgl. Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands der Aktiengesellschaft für so genannte nützliche Pflichtverletzungen, 2008, S. 148; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 64 ff.; hierzu auch Rudzio, Vorvertragliche Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft, 2010, S. 53 f. vgl. Schmitt, Organhaftung und D&O – Versicherung, 2007, S. 169 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 218 ff.; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 117.

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Haftung. In der Sache wird nicht nur in dogmatischen Sphären argumentiert, sondern darüber hinaus oft auf Basis von Billigkeitserwägungen und dem Gerechtigkeitsempfinden. Sollte einem Vorstand aufgrund eines, möglicherweise auch fahrlässig begangenen Fehlers der persönliche Ruin drohen? Die klare Verneinung dieser Frage verkennt, dass in der Rechtsordnung auch im Übrigen nicht Rücksicht auf die Zahlungsfähigkeit des Schadensersatzpflichtigen genommen wird. Es besteht eine volle Einstandspflicht für herbeigeführte Schäden mit dem gesamten Vermögen.214 Kann das Vermögen des Schadensersatzpflichtigen die Forderung nicht befriedigen, führt das zu einer Privatinsolvenz, die dem Schuldner zum Schutz der §§ 286 ff. InsO verhilft. Dies gilt auch für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften.215 Hierin ist eine gesetzgeberische Abwägung zwischen den Gläubigerinteressen und dem Schutz des Schuldners vor einer drakonischen Haftung zu sehen.216 Eine unangemessene Benachteiligung von Vorständen durch die Regelung kann nicht ausgemacht werden. 2. Rechtsökonomische Erwägungen Eine Notwendigkeit könnte sich aber aus rechtsökonomischen Erwägungen ergeben. Rechtsökonomische Erwägungen werden schon zur bestehenden Rechtslage in Position gebracht. a) Grundlagen Im ersten Schritt sollen die Grundlagen der ökonomischen Analyse des Rechts betrachtet werden. Dabei handelt es sich um einen Oberbegriff, der eine Vielzahl von Ansätzen umfasst217 und für die Zwecke der vorliegenden Arbeit mit Leben gefüllt werden muss. Die Gemeinsamkeit dieser Ansätze ist der Versuch, rechtlich relevantes Verhalten maßgeblich unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten zu prognostizieren. Ziel ist es, einzelne Normen und Normenkomplexe so zu gestalten, dass ein Zustand ökonomisch effizienter Rationalität erreicht werden kann.218 Nach ökonomischem Verständnis ist Gegenstand des Haftungsrechts das

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Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 701. 216 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 367. 217 Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 71; für tiefere Ausführungen zur ökonomischen Analyse siehe Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, 1993, S. 141 ff.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 35 ff.; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, 2001, S. 334 ff. 218 Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 111; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 72; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. XI; vgl. auch Baumann, RNotZ 2007, 297, 298. 215

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Kap. 4: Schaden

Bestreben, die Haftungsrisiken so zu verteilen, dass sie zu effizienten Verhaltensanreizen führen.219 Um die Qualität von Haftungsregeln zu messen, wird in der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts häufig die Allokationseffizienz genutzt.220 Als Allokationseffizienz oder auch Pareto-Effizienz wird ein sozialer Zustand bezeichnet, von dem aus die Besserstellung einer Person nur gelingt, wenn mindestens eine andere Person dadurch einen Nachteil erleidet.221 Die Effizienz solcher Veränderungen wird nach dem sog. Kaldor-Hicks-Kriterium beurteilt. Danach ist eine Maßnahme dann effizient, wenn sie dem Handelnden oder dem Begünstigten mehr Vorteile bringt, als der Benachteiligte an Schaden erleidet.222 Dabei wird immer vorausgesetzt, dass der Handelnde rational handelt und seine Vorgehensweise bei mehreren möglichen Handlungsalternativen egoistisch danach ausrichtet, seine Kosten zu minimieren und seinen Nutzen zu maximieren. Dieses Bild des rationalen egoistischen Menschen wird als homo oeconomicus bezeichnet.223 Brommer richtet seine ökonomische Rechtsanalyse in dieser Frage ausdrücklich nach dieser Figur aus. Aber auch andere Vertreter der Regressreduzierung, die anhand ökonomischer Erwägungen argumentieren, scheinen dies unter der Annahme zu tun, dass Vorstandsmitglieder den Verhaltensmustern eines homo oeconomicus folgen.224 219 Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 72; Jansen, Die Struktur des Haftungsrecht, 2003, S. 112; Landes/Posner, The Economic Structure of Tort Law, 1987, S. 1. 220 Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, 1993, S. 141; Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 218; vgl. zum ökonomischen Hintergrund Samuelson/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre Bd. 2, 8. Aufl. 1987, S. 93; Keenan, Journal of Legal Studies 1981, 409, 411 ff.; Eger, in: Nagel, Wirtschaftsrecht II, 3. Aufl. 1997, S. 37 ff. 221 Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 105 f.; Eger, in: Nagel, Wirtschaftsrecht II, 3. Aufl. 1997, S. 40; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2021, S. 14 222 Blaschczok, Gefährdungshaftung und Risikozuweisung, 1993, S. 141; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 106; Keenan, Journal of Legal Studies 1981, 409, 411 ff.; Eger, in: Nagel, Wirtschaftsrecht II, 3. Aufl. 1997, S. 44; Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 21 ff.; Ott/ Schäfer, JZ 1988, 213, 218. 223 Vgl. hierzu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 107 ff; Jansen, Die Struktur des Haftungsrecht, 2003, S. 152; Kirchgässner, Homo Oeconomicus, 4. Aufl. 2013, S. 12 ff.; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 106, 110; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, S. 58 ff.; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, 2001, S. 339; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 72. 224 Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 72; ders., AG 2013, 121, 123; vgl. Wilhelmi, NZG 2017, 681, 684; vgl. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 238; andeutend auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530; Koch, AG 2012, 429, 434; Spindler, AG 2013, 889, 895; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 256 ff.

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

163

b) Darstellung Ein voller Regress lenke das Verhalten der Geschäftsleitung ökonomisch betrachtet nicht in ideale Bahnen. Er bewirke, dass Organmitglieder die größtmöglichen Vorkehrungen für ein funktionierendes Compliance-System treffen würden, um eine Haftung zu vermeiden.225 Dies führe jedoch zu exorbitanten Kosten. Stattdessen müssten die Haftungsmodalitäten so ausgestaltet werden, dass Anreize zur Förderung eines schadensmindernden Verhaltens geschaffen werden, deren Kosten die Kosten der Vermeidungsmaßnahmen nicht übersteigen.226 Da das Organmitglied dabei nicht über sein eigenes Geld verfüge, habe es nur einen geringen persönlichen Anreiz, die Kosten für Maßnahmen zur Einrichtung eines Compliance-Systems niedrig zu halten. Umgekehrt habe es aber einen hohen Anreiz, durch gesteigerte Sorgfaltskosten das eigene Haftungsrisiko zu minimieren.227 Wirtschaftswissenschaftliche Studien würden belegen, dass Geschäftsleiter bei einem geringeren persönlichen Risiko besonders risikofreudig entscheiden.228 Umgekehrt liege es auf der Hand, dass ein großes persönliches Risiko zu risikoaversem Verhalten animiere.229 Dies hätte zur Folge, dass Projekte mit großem Gewinnpotential nicht realisiert würden, wenn auch das Risiko hoher Verluste besteht und dies selbst dann, wenn die Chancen auf einen Gewinn das Risiko eines Verlustes klar übertreffen. Um keine Anreizstruktur für eine risikoaverse und damit auch weniger gewinnträchtige Strategie zu schaffen, müsse die Haftungshöhe gesetzlich gedeckelt werden.230 Die Haftung in unbeschränkter Höhe würde auch dazu führen, dass das größte Interesse des Organmitglieds ist, die Aufdeckung von Pflichtverletzungen zu verhindern, was schlussendlich eine geringere Anzahl von nachträglich entdeckten Verstößen nach sich ziehe.231 c) Würdigung Dem ist nicht zuzustimmen. Die Argumentation fußt dabei auf zwei wesentlichen Punkten. aa) Keine Steigerung der Kooperationsbereitschaft zu erwarten Zunächst ist davon auszugehen, dass eine mögliche Haftung regelmäßig zu einer verringerten Kooperation bei der Aufdeckung führt. Dies gilt unabhängig 225 226 227 228

Zum Ganzen Koch, AG 2012, 429, 434. Koch, AG 2012, 429, 434. Koch, AG 2012, 429, 434. Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016,

S. 82. 229

Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016,

S. 82. 230 231

Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 277. Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 771; Koch, AG 2012, 429, 434.

164

Kap. 4: Schaden

davon, ob die Haftung in der Höhe grundsätzlich unbegrenzt oder auf einen dennoch nicht unerheblichen Betrag begrenzt ist. Je nach Begrenzungsansatz bedeutet auch ein teilweiser Regress eine Haftung in Millionenhöhe für Vorstände großer Unternehmen, die das von Koch beschriebene Verhalten auslösen können. Dass dies einen bedeutsamen Anreiz zur Kooperation setzt, ist nicht zu erwarten.232 Einen wirksamen Anreiz zur Kooperation könnte allenfalls eine Haftungsreduzierung oder Freistellung ausschließlich im Falle der Kooperation darstellen. Aber auch dann müsste diese von erheblichem Gewicht sein, da das Organmitglied zunächst die Schwelle überschreiten muss, durch die Kooperation seine eigene Haftung zu begründen. bb) Strenge Haftung risikoaverses Verhalten Des Weiteren kann nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass das Risiko/Damoklesschwert einer strengen persönliche Haftung zwingend zu risikoaversem Verhalten führt. So verweist Halfmeier auf die Finanzkrise aus dem Jahr 2007, um aufzuzeigen, dass Banker trotz der Gefahr einer strengen persönlichen Haftung hochriskant agierten.233 Dem wird entgegengehalten, dass Fälle sehr selten seien, in denen Geschäftsleiter US-amerikanischer Unternehmen persönlich zur Verantwortung gezogen wurden, wogegen in Deutschland eine klare Tendenz erkennbar sei, dass bestehende Haftungsansprüche gegen Vorstandsmitglieder tatsächlich durchgesetzt werden. Um eine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten, müsse eine scharfe persönliche Haftung tatsächlich gelten und „nicht allein auf dem Papier stehen“.234 Auch bei aufsehenerregenden Haftungsfällen von Unternehmensvorständen in Deutschland wird jedoch nur in den wenigsten Fällen der volle Schaden verlangt. So wird berichtet, dass es in 90 bis 95 Prozent aller Fälle, an denen eine D&OVersicherung beteiligt ist, zu einer außergerichtlichen Einigung komme.235 Das spricht zwar dafür, dass eine Vielzahl von Verfahren abseits der Öffentlichkeit geführt werden. Es stellt aber auch ein Indiz dafür dar, dass die wenigsten Fälle eine harte Durchsetzung der Haftungsansprüche bedeuten. Es kann bezweifelt werden, dass das beklagte Vorstandsmitglied außergerichtlich einer existenzvernichtenden Haftungssumme zustimmt. Häufig kommt es dabei nämlich zu Kompromissen: Eine zivile Haftungsklage wird nicht erhoben, dafür verzichtet das

232 Ähnlich Wilhelmi, NZG 2017, 681, 684, der in den rechtsökonomischen Erwägungen jedoch kein Hindernis für eine Übertragung der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf die Organhaftung sieht. 233 Halfmeier, Wirtschaftsdienst, 2010, 1, 2. 234 Brommer, Die Beschränkung der Rechtsfolgen der Vorstandsinnenhaftung, 2016, S. 83. 235 So die Beschreibung der Praxis bei Hopt, ZIP 2013, 1793, 1794.

C. Begrenzung des Schadensersatzanspruchs

165

Vorstandsmitglied auf Teile seiner Versorgungsansprüche.236 Von einer existenzvernichtenden Haftung kann hierbei nicht gesprochen werden. Auch stellen die häufig als Beispiele für exorbitante Schadensersatzsummen genannten Verfahren, wie Siemens/von Pierer, Deutsche Bank/Breuer oder, aktueller, Volkswagen/Winterkorn, bei näherem Hinsehen vielmehr Belege dafür dar, dass auch in Deutschland die den Unternehmen entstandenen Schäden selten in voller Höhe gegenüber dem Vorstand geltend gemacht werden. Der Ex-Siemens Chef von Pierer zahlte nach dem Korruptionsskandal fünf Millionen Euro, der ehemalige Deutsche Bank Chef Breuer nach dem Kirch-Fall 3,2 Millionen Euro, im Dieselskandal des VW-Konzerns ist von elf Millionen Euro Eigenanteil des früheren Vorstandsvorsitzenden Winterkorn die Rede. Demgegenüber stehen mutmaßliche Schäden von 30 Milliarden Euro im Fall des VW-Konzerns,237 bei Siemens für Aufarbeitung, Strafen und Steuernachzahlungen rund 2,5 Milliarden Euro.238 Die Deutsche Bank AG leistete Schadensersatz in Höhe von etwa 925 Millionen Euro.239 Damit bewegen sich die meisten Haftungsfälle schon jetzt der Höhe nach in dem von Vertretern der Haftungsbeschränkung geforderten Bereich. Die Dringlichkeit einer solchen Reform ist nicht erkennbar. Soweit ersichtlich gibt es hierzulande keine nennenswerte Anzahl von Fällen, in denen das geltende Recht zu unhaltbaren Ergebnissen im Sinne einer Haftung in dreistelliger Millionenhöhe geführt hat.240 Mangels tatsächlicher Veränderung wird die von Koch prognostizierte verhaltenssteuernde Wirkung ausbleiben.

236

Hopt, ZIP 2013, 1793, 1794. „Dieselskandal kostete VW mehr als 30 Milliarden Euro – Ex-Chef Winterkorn kommt mit rund elf Millionen davon“, handelsblatt.com vom 01.06.2021, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/streit-ueber-schadensersatzdieselskandal-kostete-vw-mehr-als-30-milliarden-euro-ex-chef-winterkorn-kommt-mitrund-elf-millionen-davon/27244030.html?ticket=ST-10509140-wCuelSwHfhjwP2ZpQ Lef-ap1 – zuletzt abgerufen 01.08.2022. 238 „Siemens-Aufseher einigen sich mit Pierer“, manager-magazin.com vom 02.12. 2009, abrufbar unter https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-664748. html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 239 „Wie der Fall Kirch die Deutsche Bank belastet“, tagesspiegel.de vom 26.03. 2014, abrufbar unter https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/fitschen-und-jain-ange zaehlt-wie-der-fall-kirch-die-deutsche-bank-belastet /9673138.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 240 Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1314; vgl. auch Handelsblatt vom 01.06.2021, „Dieselskandal kostete VW mehr als 30 Milliarden Euro – Ex-Chef Winterkorn kommt mit rund elf Millionen davon“, das bei einer Summe von elf Millionen von „rekordverdächtig“ spricht, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/ streit-ueber-schadensersatz-dieselskandal-kostete-vw-mehr-als-30-milliarden-euro-ex-chefwinterkorn-kommt-mit-rund-elf-millionen-davon/27244030.html?ticket=ST-10509140-w CuelSwHfhjwP2ZpQLef-ap1 – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 237

166

Kap. 4: Schaden

d) Zwischenfazit Die Notwendigkeit einer allgemeinen Haftungsbeschränkung lässt sich weder auf Basis verfassungsrechtlicher Erwägungen noch auf Basis rechtsökonomischer Erwägungen begründen. Weitere durchgreifende Aspekte sind nicht ersichtlich. Mangels Notwendigkeit ist eine allgemeine Haftungsbeschränkung auch de lege ferenda abzulehnen. Auf die Frage der rechtspolitischen Ausgestaltung kommt es damit nicht mehr an.241

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Eine Regressbeschränkung ist de lege lata mangels tragfähigen dogmatischen Fundaments abzulehnen. Weder eine Übertragung der Arbeitnehmergrundsätze noch eine Haftungsreduktion auf Basis der Fürsorgepflicht ist dogmatisch begründbar. 2. Während die Grundsätze betrieblicher Tätigkeit nicht ohne weiteres auf die Organhaftung übertragen werden können, ist die große Schwäche der Haftungsreduktion qua Fürsorgepflicht ihre konturlose dogmatische Grundlage. Der in mehreren Aktienrechtsreformen nicht angetastete unbegrenzte Regressanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG lässt wenig Raum für Rechtsfortbildung. 3. De lege ferenda ist eine allgemeine Haftungsbeschränkung mangels Notwendigkeit abzulehnen. Weder die als zu hart kritisierten Modalitäten der Vorstandshaftung noch rechtsökonomische Erwägungen können eine allgemeine Haftungsbeschränkung oder -reduzierung begründen. a) Eine Reduzierung oder Begrenzung der Regresshaftung würde nicht zu einer Steigerung der Kooperationsbereitschaft bei der Aufdeckung von Pflichtverletzungen führen. b) Ebenfalls konnte nicht der Nachweis erbracht werden, dass die formell strenge Haftung zu einem risikoaversen Verhalten der Organmitglieder führt. c) Das Risiko exorbitanter Schadensersatzsummen im Regressanspruch besteht oftmals nur auf dem Papier. Eine Dringlichkeit einer solchen Reform ist deshalb nicht ersichtlich. Soweit ersichtlich gibt es hierzulande keine nennenswerte Anzahl von Fällen, in denen das geltende Recht zu unhaltbaren Ergebnissen im Sinne einer Haftung in dreistelliger Millionenhöhe geführt hat.

241

Hierzu die Arbeit von Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 370 ff.

D. Vorteilsausgleichung

167

D. Vorteilsausgleichung Auch in Fällen des § 93 AktG kann der Schadensausgleich Vorteile des Geschädigten – also der Gesellschaft – mit sich bringen. Zweck des Schadensrechts ist jedoch nicht die Besserstellung des Geschädigten. Einzelne Normen im BGB (§§ 642 Abs. 2, 651p Abs. 3 BGB) sehen deswegen eine Vorteilsanrechnung ausdrücklich vor. Andere, wie § 843 Abs. 4 BGB, schließen sie hingegen ausdrücklich aus. Eine grundsätzliche Kodifikation halten weder das BGB noch die Spezialgesetze – insbesondere das AktG – vor.242 Nach der Differenzhypothese soll der Geschädigte gerade nur so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde, nicht besser.243 Normativ wird die Vorteilsanrechnung deswegen im allgemeinen Schadensrecht verankert. Nach § 249 Abs. 1 BGB muss der Schädiger denjenigen Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre. Die Vorteilsanrechnung stellt dabei einen Teil der Schadensberechnung dar.244 Damit ist die Frage aufgeworfen, ob dieser Grundsatz auch im Organhaftungsrecht Anwendung finden kann und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Im Falle eines gewinnbringenden Rechtsverstoßes resultieren daraus komplizierte aktienrechtliche Folgeprobleme. Dementsprechend lohnt es sich, der Thematik Beachtung zu schenken und sie einer kritischen Analyse zu unterziehen. Bevor eine Anwendbarkeit im Organhaftungsrecht geprüft wird, sollen zunächst die Voraussetzungen nach dem allgemeinen Schadensrecht betrachtet werden. Anschließend erfolgt eine Darstellung des Meinungsstands in Rechtsprechung und Literatur, woraufhin eine an Fallgruppen orientierte Untersuchung der Vorteilsanrechnung erfolgt.

242 Vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 67; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 725. 243 Hierzu schon unter Kapitel 4, A. 244 J. W. Flume, in: Beck’scher Onlinekommentar BGB, 62. Edition Stand 01.05. 2022, § 249 Rn. 332; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 228; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 133 ff.; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 82; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729; siehe auch auszugsweise zahlreiche Beiträge aus dem Gebiet des allgemeinen Schadensrechts: Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 486 ff.; Lohse, in: Festschrift Uwe Hüffer, 2010, 581 ff.; Pauge, VersR 2007, 569; Ganter, NJW 2012, 801 f.; v. Koppenfels-Spies, VersR 2005, 1511; Büdenbender, Vorteilsausgleichung und Drittschadensliquidation bei obligatorischer Gefahrentlastung, 1996, S. 1 ff.; Drachner, Vorteilsausgleichung im Schadensrecht, 1987; Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensersatzrechts, 1981, insbesondere S. 122 ff.; Thesling, Die Vorteilsausgleichung, 1994, S. 18 ff.; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, 2001, S. 1 ff.; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 1999, 118 ff.; Würthwein, Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder für entgangene Gebrauchsvorteile?, 2001, 426 ff.

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Kap. 4: Schaden

I. Voraussetzungen nach dem allgemeinen Schadensrecht Die Rechtsprechung nimmt im allgemeinen Schadensersatzrecht eine Vorteilsanrechnung unter zwei Voraussetzungen an: (1) Zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen und (2) die Anrechnung des Vorteils muss dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen; er darf nicht zur unbilligen Entlastung des Schädigers führen.245

II. Anwendbarkeit im Organhaftungsrecht 1. Meinungsbild in Rechtsprechung und Schrifttum Nach ständiger Rechtsprechung des BGH findet der Grundsatz der Vorteilsanrechnung auch im Organhaftungsrecht vorbehaltslos Anwendung.246 Auf dieser Linie bewegt sich auch die herrschende Meinung in der Literatur, die die Grundsätze der Vorteilsanrechnung ebenfalls im Organhaftungsrecht anwenden will.247 Es gibt indes auch Stimmen, die sich auf die Gefahr einer verringerten Präven245 BGH, Urteil vom 15.01.1953 – VI ZR 46/52, NJW 1953, 618, 619; BGH, Urteil vom 17.06.1953 – IV ZR 113/52, NJW 1953, 1346; BGH, Urteil vom 24.03.1959 – VI ZR 90/58, NJW 1959, 1078 f.; BGH, Urteil vom 15.11.1967 – VIII ZR 150/65, NJW 1968, 491, 492; BGH, Urteil vom 22.09.1970 – VI ZR 28/69, NJW 1970, 2061, 2063; BGH, Urteil vom 24.03.1977 – VII ZR 319/75, NJW 1977, 1819, 1819; BGH, Urteil vom 22.03.1979 – VII ZR 259/77, NJW 1979, 1449, 1451; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 232 f. 246 BGH, Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09, NZG 2011, 1271, 1274 Rn. 31; BGH, Urteil vom 15.01.2013 – II ZR 90/11, NJW 2013, 1958, 1961 Rn. 26; OLG Hamburg, Urteil vom 18.09.2009 – 11 U 183/07, NZG 2010, 309, 310; OLG Zweibrücken, Urteil vom 06.10.2009 – 8 U 75/08, BeckRS 2009, 88978. 247 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 410; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 90; Hölters, in: Hölters/Weber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2022, § 93 Rn. 242; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2020, § 93 Rn. 38; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 102; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit (Hrsg.), AktG, 2. Aufl. 2020, § 93 Rn. 98; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand 01.02.2022, § 93 Rn. 266; ders., BB 2008, 1070, 1073; ders., DStR 2009, 1204, 1209 f.; ders., DB 2014, 345, 350; ders., ZIP 2014, 1305, 1307; ders., in: Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, 429, 440; Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 94; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727; Bayer/Scholz, GmbHR 2015, 449, 454 f.; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 56 ff.; Schöne/Petersen, AG 2012, 700, 703 f.; Bicker, AG 2014, 8, 13; Glöckner/Müller-Tautphaeus, AG 2001, 344, 346; Zimmermann, WM 2008, 433, 439; Fuchs/M. Zimmermann, JZ 2014, 838, 844; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 108 f.; Kapp/Gärtner, CCZ 2009, 168, 170; Werner, CCZ 2010, 143, 145 f.; für nicht abgeschöpfte Vorteile Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, 231 ff.; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 273 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, S. 57 ff.

D. Vorteilsausgleichung

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tionswirkung der organhaftungsrechtlichen Schadensersatzpflicht berufen und sich einer Anwendung der Grundsätze der Vorteilsanrechnung in Fällen einer Verletzung der Legalitätspflicht versperren.248 Andere halten die Grundsätze der Vorteilsanrechnung im Rahmen der aktienrechtlichen Binnenhaftung generell für nicht anwendbar.249 Der Streit entzündet sich insbesondere an den „nützlichen Gesetzesverletzungen“. Bei diesen handelt es sich um Gesetzesverletzungen des Geschäftsführers, die wirtschaftliche Vorteile für die Gesellschaft bringen.250 Relevant ist die Frage in der Praxis besonders bei Kartellverstößen, Schmiergeldzahlungen, Umweltrechtsverstößen und Steuerhinterziehungen.251 2. Würdigung Geldbußen beinhalten regelmäßig einen Ahndungs- und einen Abschöpfungsteil.252 Bevor sich der Vorteilsanrechnung im speziellen zugewendet werden soll, muss geklärt werden, wie sich die Grundsätze der Vorteilsanrechnung zu möglicherweise bereits abgeschöpften Vorteilen verhalten. a) Vorteilsausgleichung und Gewinnabschöpfung Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gibt es neben Instrumenten, die der Ahndung der Vergehen dienen, auch solche zur Abschöpfung rechtswidrig erzielter Gewinne oder darüber hinaus erhaltener Vorteile.253 Die Unterscheidung zwischen Ahndungs- und Abschöpfungsteil in der Frage ihrer Ersatzfähigkeit wurde bereits betrachtet.254 Beim Abschöpfungsteil einer Geldbuße handelt es sich demnach nicht um einen ersatzfähigen Schaden im Sinne der Differenzhypothese. Eine Vorteilsanrechnung ist damit für diesen Aspekt der Geldbuße nicht von Bedeutung. Dementsprechend kann sich ein in Regress genommener Vorstand nicht auf abgeschöpfte Vorteile berufen. Eine Anrechnung würde einer nicht rechtfertigbaren „doppelten Abschöpfung“ gleichkommen.255 248 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 107; siehe auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530, der die Anwendbarkeit der Vorteilsausgleichung grundsätzlich bejaht, aber eine Ausnahme dort sieht, „wo die von der Gesellschaft [. . .] zu beachtende Rechtspflicht einem qualifizierten öffentlichen Interesse dient“. 249 Spindler, in: Festschrift Claus-Wilhelm Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 425 f.; wohl auch Lohse, in: Festschrift Uwe Hüffer, 2010, 581, 597 ff. 250 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 106. 251 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 134. 252 Vgl. Ausführungen in Kapitel 4, B., I. 253 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 235. 254 Vgl. Kapitel 4, B., I. und III. 255 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 277; vgl. Habersack, in: Festschrift Uwe H. Schnei-

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Kap. 4: Schaden

b) Nicht abgeschöpfte Vorteile Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Vorteile nicht (vollständig) abgeschöpft werden, sie also im Gesellschaftsvermögen verbleiben. Dies ist etwa der Fall, wenn die erfolgte Abschöpfung aufgrund einer unzureichenden Schätzung nicht alle Vorteile erfasst, gesetzlich keine entsprechenden Instrumente vorgesehen sind oder der Sachverhalt von einem Ausnahmetatbestand erfasst ist.256 Für diese Fälle soll nachfolgend untersucht werden, inwieweit die Grundsätze der Vorteilsanrechnung Geltung beanspruchen. aa) Fallgruppen aus dem allgemeinen Schadensrecht Im zivilrechtlichen Schrifttum haben sich inzwischen Fallgruppen gebildet, in denen der Grundsatz der Vorteilsanrechnung im allgemeinen Bürgerlichen Recht Anwendung finden soll.257 Zunächst wird betrachtet, ob die Fallgruppen aus dem allgemeinen Schadensrecht auch im Rahmen der Organhaftung einen Nutzen liefern. Die im allgemeinen Bürgerlichen Recht anerkannten Fallgruppen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine Vorteilsanrechnung wird weitestgehend nicht zugelassen, wenn das Verhalten des Geschädigten den Schaden abwendet oder mindert, Handlungen Dritter die Schadenshöhe beeinflusst haben oder sich andere Vorteile auswirken.258 Für die Frage der Anwendbarkeit der Vorteilsausgleichung im Rahmen der Regresshaftung sind diese Fallgruppen jedoch nur begrenzt hilfreich.259 Schadensmindernde Handlungen der Gesellschaft sind in die-

der, 2011, 429, 440; Bicker, AG 2014, 8, 13; Paefgen, AG 2014, 554, 570; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 239. 256 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 278 mit Verweis auf § 34 Abs. 3 GWB, wonach auf die Durchführung der Vorteilsabschöpfung u. U. vollständig verzichtet werden kann, wenn sie eine unbillige Härte darstellt. 257 Vgl. Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 241 ff.; Höpfner, in: Staudinger (Begr.) BGB, Neubearbeitung 2021, § 249 Rn. 147 ff.; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, Vorbem. § 249 Rn. 88 ff.; spezifisch zur Vorteilsausgleichung bei Verletzungen der Legalitätspflicht: Fleischer, ZIP 2005, 141, 151; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 278 ff.; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 167; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 244. 258 Vgl. die Übersicht bei Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor § 249 Rn. 77 ff. und Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 241 ff.; ähnlich bereits Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 167; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 244. 259 Ebenfalls so Thole, ZHR 173 (2009), 504, 526; Bicker, AG 2014, 8, 13; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 280; Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 168.

D. Vorteilsausgleichung

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sem Zusammenhang ebenso wenig von Belang wie Leistungen Dritter, die sich maßgeblich auf die Schadenshöhe auswirken.260 Im Gegensatz zu den etablierten Fallgruppen des Bürgerlichen Rechts wirkt im Fall eines Regressanspruchs im Innenverhältnis nicht ein Schädiger auf einen Geschädigten ein. Stattdessen handelt die Gesellschaft selbst, während der Vorstand, der hier Schädiger ist, sie vertritt. Im Unterschied zum im allgemeinen Schadensrecht thematisierten Außenverhältnis besteht hier keine klare Trennung zwischen Schädiger und Geschädigten.261 bb) Aktienrechtliche Fallgruppen Zielführender ist die Bildung aktienrechtlicher Fallgruppen. Hierbei soll nachfolgend zwischen der Verletzung interner Vorschriften und der Verletzung von Gesetzesvorschriften differenziert werden. (1) Verletzung interner Vorschriften Grundsätzlich zuzulassen ist die Vorteilsanrechnung bei Verstößen gegen gesellschaftsinterne Regelungen. Sollte ein Vorstandsmitglied etwa Spekulationsgeschäfte außerhalb des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes betreiben, aus denen der Gesellschaft Gewinne und Verluste entstehen, ist eine Vorteilsanrechnung vorzunehmen.262 Die Gesellschaft muss sich auf den erlittenen Schaden die erzielten Gewinne anrechnen lassen. Nur der negative Saldo aus allen Geschäften, die gegen interne Vorschriften verstoßen, muss vom Vorstand als Schaden ersetzt werden.263 Ein Vorteilsausgleich ist auch bei Verstößen gegen die Zustimmungsvorbehalte denkbar. Tätigt der Vorstand pflichtwidrig ohne Zustimmung des Aufsichtsrats ein Geschäft, welches neben dem Schaden auch zu Gewinnen für das Unternehmen führt, können die Grundsätze der Vorteilsanrechnung anwendbar sein.264

260 Breitenfeld, Die organschaftliche Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder für gesetzwidriges Verhalten, 2016, S. 168. 261 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 245; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 526; vgl. auch Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 279 f. 262 Vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013 – II ZR 90/11, NJW 2013, 1958, 1961; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 54; ders., DStR 2009, 1204, 1210; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 503. 263 Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727 f.; zum Fall von Derivatgeschäften siehe LG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.01.2006 – 3/9 O 143/04, BKR 2006, 174, 177; allgemein hierzu Mertens, in: Soergel BGB, 12. Aufl. 1990, Vorbem. § 249 Rn. 233. 264 Vgl. Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 728, der das Beispiel des Erwerbs einer Mehrheitsbeteiligung ohne erforderliche Aufsichtsratszustimmung nennt, bei welcher der Wert der Beteiligung dem Kaufpreis nicht entspricht.

172

Kap. 4: Schaden

(2) Verletzung gesetzlicher Vorschriften Unklarer ist die Frage bei Gesetzesverletzungen. Wird der Gesellschaft beispielsweise wegen eines kartellrechtlichen Verstoßes eine Geldbuße auferlegt, haftet das für den Verstoß verantwortliche Vorstandsmitglied gem. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG der Gesellschaft auf Ersatz des Schadens.265 Aber gerade bei Kartellverstößen kann das pflichtwidrige Handeln wirtschaftliche Vorteile bringen, die zuweilen den Nachteil durch die Geldbuße übersteigen.266 Hier käme für den haftenden Vorstand eine Vorteilsausgleichung in Betracht.267 Die Möglichkeit einer Vorteilsanrechnung wird indes auch in Frage gestellt. Nach den zitierten Grundsätzen hängt die Zulassung der Vorteilsanrechnung in Schadensersatzfällen allgemein davon ab, ob sie dem Sinn und Zweck der Ersatzpflicht nicht zuwiderlaufen.268 (a) Vorteilsausgleich im Schnittfeld divergierender Interessen In der Frage der Vorteilsanrechnung ist ein sachgerechter Ausgleich zwischen Kompensations- und Präventionsfunktion der Organhaftung zu schaffen. Die Zulassung der Vorteilsausgleichung kann zu einer Minderung des Ersatzanspruchs und damit auch einer Unterminierung der präventiv verhaltenssteuernden Funktion der Organhaftung führen. Dagegen bedeutet die Versagung, dass dem Geschädigten im wirtschaftlichen Ergebnis ein Gewinn im Vermögen verbleibt. Dies bedeutet eine Überkompensation, die durch die Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes nicht beabsichtigt ist.269 (aa) Schutzzweck des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG Hauptkritikpunkt an der Zulassung der Vorteilsausgleichung ist die befürchtete Beeinträchtigung der Präventionswirkung der Organhaftung und darüber hinaus die Setzung verfehlter Verhaltensanreize. 270 Im Ergebnis könne dies zu einer 265

Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729. Zwar soll die Geldbuße mindestens den erzielten wirtschaftlichen Vorteil umfassen (vgl. Ausführungen in Kapitel 4, B., I.), es ist jedoch auch denkbar, dass die erfolgte Abschöpfung aufgrund einer unzureichenden Schätzung nicht alle Vorteile erfasst. 267 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 276. 268 Vgl. Kapitel 4, D., I. 269 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527; vgl. Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727; Fleischer, BB 2008, 1070, 1073; Zimmermann, WM 2008, 433, 439; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 281; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 247; siehe allgemein zur Ausgleichsfunktion und Vorteilsausgleichung Thüsing, Wertende Schadensberechnung, 2001, S. 14 ff., 422 ff. 270 Spindler, in: Festschrift Claus-Wilhelm Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 425 f. 266

D. Vorteilsausgleichung

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Billigung von sogenannten „nützlichen Rechtsverletzungen“ führen.271 Zwar bestünde dann eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds im Innenverhältnis; dies hätte aber – bei unterstellter Profitabilität – eben keinen Schadensersatz (-anspruch) zur Folge.272 Andererseits würde es zumindest bei Geldstrafen oder -bußen nach §§ 17 Abs. 4, 30 Abs. 3 OWiG der gewinnabschöpfenden Absicht widersprechen, wenn das Unternehmen den erlittenen Schaden von ihrem Organmitglied voll ersetzt verlangen kann und der wirtschaftliche Vorteil des Gesetzesverstoßes damit verbleiben würde.273 Wie bereits ausführlich geprüft,274 besteht der Zweck der Norm vor allem in der Schadenskompensation, aber auch der Schadensprävention. Schäden, die die Gesellschaft durch pflichtwidriges Handeln der Organmitglieder erlitten hat, sollen ersetzt werden. Bezugspunkt der Haftung ist zunächst der Vermögensschaden der Gesellschaft. Im weiteren Schritt kann der Anspruch damit aber auch eine Kompensation für die Gesellschaftsgläubiger bedeuten.275 (bb) Verhaltenssteuernde Wirkung Die Vertreter einer Inkompatibilität der Vorteilsanrechnung mit der Organhaftung begründen dies damit, dass die Präventionswirkung der Haftungsregeln ausgehöhlt werden würde.276 Entsprächen sich die durch die Pflichtverletzung des Vorstands erlittenen Vor- und Nachteile betragsmäßig, komme ein Ersatzanspruch gegen die beteiligten Vorstandsmitglieder gar nicht in Betracht.277 Da die Gesellschaft selbst nicht handlungsfähig sei, müsse für die Präventionswirkung bei den handelnden Organen angesetzt werden.278 Die herabgesetzte verhaltenssteuernde Wirkung des § 93 Abs. 2 AktG stellt indessen kein Problem dar, wenn es anderweitige, gleichwertige Anreize für das Vorstandsmitglied gibt, die Legalitätspflicht einzuhalten.279 So kann nach dem 271 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 282; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 248. 272 Thole, ZHR 173 (2009), 504, 527. 273 Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 56. 274 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 3., a). 275 Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, B., II., 3., a). 276 Spindler, in: Festschrift Claus-Wilhelm Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 425 f. 277 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 273; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, 2014, S. 64; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 246, jedoch alle für eine Anwendbarkeit der Vorteilsanrechnung. 278 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 281. 279 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 283.

174

Kap. 4: Schaden

Ordnungswidrigkeitenrecht auch ein persönliches Bußgeld gegen das Vorstandsmitglied verhängt werden.280 Nach zutreffender Ansicht kann das Vorstandsmitglied bei einem persönlichen Bußgeld, das aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens verhängt wurde, keinen Erstattungsanspruch gegenüber der Gesellschaft geltend machen.281 Der Gefahr, ohne jegliche Regressmöglichkeiten persönlich bußgeldpflichtig zu werden, ist eine verhaltenssteuernde Wirkung zuzumessen. Des Weiteren ist der Schwerpunkt des Schutzzwecks in der Ausgleichsfunktion zu sehen. Eine dem Schadensersatzrecht widersprechende Verwehrung der Vorteilsausgleichung ist rein aus Präventionsgründen nicht möglich.282 Auch wenn man eine Minderung der verhaltenssteuernden Wirkung als einwandsausschließend ansieht, ist es fraglich, inwieweit eine Minderung tatsächlich droht. Gegen eine Anwendbarkeit der Vorteilsanrechnung wendet Lohse ein, dass die Gewinne typischerweise den Schaden übersteigen und sich das Organmitglied deshalb darauf verlassen könne, dass auf die erzielten Gewinne die aus dem Gesellschaftsvermögen abgeflossenen Schmiergelder angerechnet werden. Dies würde zur Setzung falscher Anreize führen.283 Dies verkennt indes, dass die Gewinne zwar die gezahlten Schmiergelder übersteigen werden, der in dem Regressanspruch geltend gemachte Schaden aber wiederum deutlich höher ist.284 Häufig ist die dem Unternehmen aufgrund von Gesetzesverstößen auferlegte Geldbuße Gegenstand dieser Verfahren, die schon nach dem Gesetz den Gewinn übersteigen soll.285 Dem Anspruch der Gesellschaft kann der Vorstand einzig die erzielten Gewinne entgegenhalten, für deren Eintritt auf prozessualer Ebene dem Vorstand die Beweisführung obliegt.286 Hier können erhebliche Schwierigkeiten bestehen.287 Entfällt aufgrund der Vorteilsanrechnung tatsächlich der komplette 280

Siehe dazu Ausführungen in Kapitel 4, B., I., 2. Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 84 Rn. 91; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 283. 282 Vgl. Ausführungen zum Schutzzweck von § 93 Abs. 2 AktG im Hinblick auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens in Kapitel 3, B., II., 3., a). 283 Lohse, in: Festschrift Uwe Hüffer, 2010, 581, 599. 284 Ähnlich Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 62. 285 Siehe § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG: „Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen.“ 286 Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, 2014, S. 62; Twele, Die Haftung des Vorstandes für Kartellrechtsverstöße, 2013, S. 171. 287 Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1229; Fleischer, DB 2014, 345, 350; vgl. Bayer, in: Festschrift Karsten Schmidt, 2009, 85, 98; Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 58; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 284; vgl. Mack, Die Regresshaftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, 2015, S. 184; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 179; siehe auch Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729 f. 281

D. Vorteilsausgleichung

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Schaden, so kann die präventive Funktion auch durch alternative Sanktionen, wie die Möglichkeit einer persönlichen Bußgeldsanktion288 oder die Möglichkeit der Abberufung erfüllt werden.289 (cc) Gläubigerschutz Zusätzlich zur Beeinträchtigung der Präventionswirkung wird auch auf eine Verminderung des Gläubigerschutzes verwiesen.290 Es bestünde ein berechtigtes Gläubigerinteresse daran, dass das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse nicht durch sorgfaltswidriges Verhalten geschmälert wird.291 Dies ist jedoch kein Spezifikum des Aktienrechts. Eine Beeinträchtigung des Gläubigerschutzes besteht bei Anwendung der Vorteilsanrechnung ebenso im allgemeinen Schadensrecht. Für den Gläubiger wird es stets vorteilhafter sein, wenn der insolvente Geschädigte einen vollumfänglichen Schadensersatz gegenüber dem Schädiger innehat und dieser nicht durch die Vorteilsanrechnung gemindert wird.292 Größere Bedeutung hat der Gläubigerschutz im Rahmen von § 93 AktG nur insoweit, als die Ersatzpflicht den Gläubiger nach § 93 Abs. 5 S. 3 AktG vor einem Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft schützt. Ein darüberhinausgehender Schutzzweck kann aus der Norm indes nicht abgeleitet werden, sodass auch § 93 Abs. 5 S. 3 AktG eine Anwendung der Vorteilsausgleichung nicht ausschließt.293 (dd) Öffentliche Interessen Ein weiterer Ansatz ist es, die Vorteilsanrechnung aufgrund öffentlicher Interessen zu verwehren.294 Thole will eine Vorteilsanrechnung nicht zulassen, wenn 288 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 283; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 252 f.; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 180. 289 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 91; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 411; Fleischer, DB 2014, 345, 350; Habersack, in: Festschrift Uwe H. Schneider, 429, 440; Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 283; Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 253; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 180. 290 Spindler, in: Festschrift Claus-Wilhelm Canaris, Bd. II, 2007, S. 403, 426; ders., in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 107. 291 Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727, der aber für eine Anwendbarkeit der Vorteilsanrechnung plädiert; allgemein hierzu Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 5. Aufl. 2015, § 93 Rn. 29. 292 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 255. 293 Binder, Grenzen der Vorstandshaftung, 2016, S. 255 f.; vgl. auch Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 727. 294 Aufgeworfen durch Fleischer, ZIP 2005, 141, 151; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 7 Rn. 26; Zimmermann, WM 2008, 433, 439; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530.

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Kap. 4: Schaden

ein „qualifiziertes öffentliches Interesse“ vorliegt, welches „nahelegt, dass dem Gesetzgeber an einer unbedingten Einhaltung der Regel gelegen ist“.295 Als Beispiele nennt er das Kartellrecht, weil ein Kartell typischerweise weitreichende und teils diffuse Auswirkungen auf das Marktgeschehen mit sich bringe. Als weiteres Beispiel nennt er Verstöße gegen Umweltvorschriften. Hier gehe der Präventionsgedanke dem Kompensationsgedanken vor.296 Insbesondere im Kartellrecht lässt sich entgegensetzen, dass die der Vorteilsabschöpfung zugrundeliegenden Normen allein das Unternehmen bzw. die Gesellschaft und nicht die Vorstandsmitglieder adressieren.297 Die Regelungen zur Vorteilsabschöpfung haben keine Bedeutung für die Frage im Innenverhältnis, zwischen Organmitglied und Gesellschaft, ob eine Vorteilsanrechnung zuzulassen ist oder nicht, da sie nur das Verhältnis von Unternehmen und Staat betreffen.298 Versage man die Anwendung der Vorteilsanrechnung, würde dies erst recht einen Widerspruch zu der öffentlichen Wertung bedeuten, da hier die Vorteile bei der Gesellschaft verbleiben.299 Indes wurde eine Ersatzfähigkeit der Geldbuße unter anderem mit der Begründung bejaht, dass öffentlich-rechtliche Interessen nicht von Belang sind, weswegen eine Anführung selbiger in der Frage der Vorteilsanrechnung widersprüchlich wäre.300 (b) Zwischenfazit Es konnte festgestellt werden, dass die Schutzzwecke des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG einer Anwendung der Vorteilsanrechnung nicht entgegenstehen. Auch bei der Verletzung gesetzlicher Vorschriften ist die Vorteilsanrechnung möglich.

III. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Einer Vorteilsanrechnung stehen die beschriebenen Schutzzwecke des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nicht entgegen. Insbesondere die der Präventionsfunktion 295

Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530. Thole, ZHR 173 (2009), 504, 530 f. 297 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 285; Zimmermann, WM 2008, 433, 439. 298 Kaulich, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Rechtsanwendungsfehler, 2011, S. 285; Zimmermann, WM 2008, 433, 439. 299 Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 56; ders., BB 2008, 1070, 1073; Zimmermann, WM 2008, 433, 439; siehe auch Hauger/Palzer, ZGR 2015, 33, 56 f. „windfall profit“; Twele, Die Haftung des Vorstandes für Kartellrechtsverstöße, 2013, S. 172; Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 181. 300 Ähnlich auch Hauff, Der Regress von Verbandsgeldbußen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2019, S. 180. 296

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen

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übergeordnete Kompensationsfunktion streitet für die grundsätzliche Zulassung einer Vorteilsanrechnung. Eine Sperrung würde die Gesellschaft ungerechtfertigt begünstigen. 2. Man könnte die Aspekte Schadensprävention und Gläubigerschutz zum Anlass nehmen, dies anders zu bewerten. Beide, und insbesondere der Gläubigerschutz, sind jedoch nicht Schwerpunkt der Norm. 3. Auch öffentlich-rechtliche Interessen versperren die Anwendung nicht. Sowohl bei Verletzung interner als auch gesetzlicher Vorschriften ist die Vorteilsanrechnung möglich.

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen Spätestens seit dem Siemens/Neubürger-Urteil301 des LG München I ist die Relevanz der Fragestellung der Geltendmachung von Kosten interner Untersuchungen unbestritten. Allein an der Aufklärung des VW Dieselskandals sollen 450 interne und externe Berater beteiligt gewesen sein.302 Bereits die Kosten der mit der internen Aufklärung beauftragten Kanzlei sollen sich auf etwa 140 Millionen Euro belaufen.303 Nach eigenen Angaben verursachte die Untersuchung des Korruptionsskandals von Siemens durch externe Berater Kosten in Höhe von 857 Millionen Euro.304 Das Interesse seitens der Unternehmen, zumindest einen Teil dieser Kosten im Rahmen des aktienrechtlichen Binnenregresses zurückzuerhalten, ist damit nicht von der Hand zu weisen. Von primärem Interesse ist die Ersatzfähigkeit von Kosten interner Untersuchungen. In einem zweiten Schritt wird betrachtet, in welcher Höhe Unternehmen die Rechtsanwaltsvergütung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs geltend machen können. Bevor auf diese Fragen im Detail eingegangen wird, wird zunächst der Ursprung der Diskussion, die Siemens/Neubürger-Entscheidung, näher betrachtet und der jeweilige Pflichtenkanon von Vorstand und Aufsichtsrat abgesteckt.

301

LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183. „Wie VW die Dieselgate-Drahtzieher finden will“, welt.de vom 08.04.2016, abrufbar unter https://www.welt.de/wirtschaft/article154157728/Wie-VW-die-DieselgateDrahtzieher-finden-will.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 303 „VW beendet Aufklärung durch US-Kanzlei“, bild.de vom 25.3.2017, abrufbar unter http://www.bild.de/geld/2017/abgas-skandal/us-kanzlei-stellt-arbeit-ein-510051 84.bild.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 304 Einladung zur Hauptversammlung der Siemens AG 2010, S. 27, abrufbar unter https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-903e-97d 67763b622/einladung-hv2010-d.pdf – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 302

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Kap. 4: Schaden

I. Die Siemens/Neubürger-Entscheidung Wie eingangs erwähnt, hat diese Fragestellung im Rahmen der Siemens/Neubürger-Entscheidung das Interesse der breiten (rechtswissenschaftlichen) Öffentlichkeit geweckt, weshalb sich ein genauerer Blick auf die Entscheidung und den ihr zugrundeliegenden Sachverhalt lohnt. 1. Sachverhalt Gegenstand des Verfahrens war die Geltendmachung eines Schadens i. H. v. 15 Millionen Euro durch die Siemens AG gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied. Dem Beklagten wurde vorgeworfen, seine Vorstandspflichten zur Sicherstellung eines rechtmäßigen Verhaltens der Gesellschaft und ihrer Mitarbeiter verletzt zu haben. Er habe nicht dafür gesorgt, dass die Siemens AG ein effizientes Compliance-System erhalte, das auch tatsächlich angewandt und kontrolliert werde. Zentraler Schadensposten waren Honorarzahlungen i. H. v. 12,85 Millionen Euro an eine U.S.-amerikanische Anwaltskanzlei, die mit der Aufklärung der Pflichtverstöße beauftragt worden war.305 2. Entscheidung Das Gericht bejahte eine Haftung des Vorstands aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG und sprach der Siemens AG den Schadensersatz in voller Höhe zu. Der Beklagte habe seine Sorgfaltspflichten verletzt und hafte daher für den entstandenen Schaden. Die Einhaltung des Legalitätsprinzips und demgemäß die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems gehörten zur Gesamtverantwortung des Vorstands.306 3. Einordnung der Schadensposition Nur auf den ersten Blick verwundert der Verzicht auf eine Regressforderung bezüglich der gegenüber der Siemens AG verhängten Bußgelder. Die i. H. v. 201 Millionen Euro gegen die Siemens AG verhängte Geldbuße setzte sich nämlich aus einem Ahndungsteil von einer Million Euro und einer Vorteilsabschöpfung von 200 Millionen Euro zusammen. Die im folgenden Jahr durch die Staatsanwaltschaft verhängte Geldbuße umfasst eine Ahndung i. H. v. 250.000 Euro und eine Abschöpfung i. H. v. 394,75 Millionen Euro.307 Nach der auch hier vertretenen Auffassung ist nur der Ahndungsteil und nicht der Abschöpfungsteil regress-

305 LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183 ff.; hierzu auch Fleischer, NZG 2014, 321, 322. 306 LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183. 307 LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183, 186.

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen

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fähig. Im Verhältnis zu den gesamten Einbußen der Gesellschaft stellt sich der aus der Geldbuße ersatzfähige Schaden als marginal dar, was wohl als Grund für den unterlassenen Regressversuch anzusehen ist. Die Geltendmachung solcher Aufklärungskosten wurde in der Literatur zwar auch schon im Vorfeld dieses Verfahrens vereinzelt genannt; eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Ersatzfähigkeit dieser Kosten erfolgte aber nicht.308 Vor allem wenn Verbandsbußgelder nicht vollständig gegenüber dem Vorstandsmitglied als Schaden geltend gemacht werden können, erhalten Kosten interner Untersuchungen sowie Rechtsverfolgungskosten im Rahmen von Organhaftungsansprüchen erhebliche Bedeutung.

II. Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat Um ein solides Fundament für die Betrachtung der im Rahmen von internen Untersuchungen anfallenden Kosten zu schaffen, lohnt es sich zunächst, einen Blick auf die Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen eben dieser internen Untersuchung zu werfen. Besteht der begründete Verdacht von Compliance-Verstößen, hat der Vorstand die Pflicht, interne Ermittlungen einzuleiten.309 Dies lässt sich aus der allgemeinen Leitungsverantwortung bzw. Sorgfaltspflicht nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG ableiten.310 Die Business Judgment Rule findet insoweit keine Anwendung.311 Grundsätzlich besteht bei der Auswahl der Vorgehensweise bei den jeweiligen Verdachtsmomenten ein Ermessen für den Vorstand.312 Dabei haben sich Art und Umfang der Ermittlungsmaßnahmen an dem Gewicht der in Frage kommenden Rechtsverletzungen und deren möglichen Auswirkungen auf das Unternehmen zu orientieren.313 Fraglich ist, inwieweit der Aufsichtsrat aufgrund seiner gesetzlichen Überwachungspflicht nach § 111 AktG zur Einleitung und Durchführung einer Internal Investigation berufen ist. Die interne Untersuchung wird als Geschäftsführungs308 Jeweils knapp Rieder/Holzmann, AG 2011, 265, 271 und 274; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 398 f.; so auch Fleischer, NZG 2014, 321, 327. 309 Vgl. hierzu LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183 ff.; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 91 Rn. 72; Arnold, ZGR 2014, 76, 81; Fuhrmann, NZG 2016, 881, 882. 310 Fleischer, NZG 2014, 321, 322; Reichert/Ott, NZG 2014, 241, 242; Bicker, AG 2012, 542, 543; vgl. auch Winter, in: Festschrift Hüffer, 2010, 1103, 1107; Arnold, ZGR 2014, 76, 78 ff.; Fuhrmann, NZG 2016, 881, 882. 311 Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 1. Aufl. 2006, § 7 Rn. 55 und § 8 Rn. 19; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2176; dies., NZG 2014, 241, 242; vgl. auch J. Wagner, CCZ 2009, 8, 14. 312 Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, 2176; Arnold, ZGR 2014, 76, 83; Bürgers, ZHR 179 (2015), 173, 178; Fleischer, NZG 2014, 321, 326; Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 211. 313 Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 211.

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Kap. 4: Schaden

maßnahme klassifiziert, weshalb hier ein Spannungsverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bestehen kann. Nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG ist der Aufsichtsrat von der Geschäftsführung ausgeschlossen, gleichzeitig wird man interne Untersuchungen wohl als Überwachungsmaßnahme schlechthin ansehen.314 Eine Differenzierung im Zuständigkeitsbereich lässt sich anhand des Untersuchungsobjekts durchführen. Geht man davon aus, dass Compliance-Verstöße ausschließlich durch dem Vorstand untergeordnete Stellen erfolgen, ist dieser für die Durchführung einer internen Untersuchung verantwortlich.315 Besteht hingegen die Möglichkeit der Beteiligung auch einzelner Vorstandsmitglieder an Verstößen, so ist es Aufgabe des Aufsichtsrats, eine Untersuchung durchzuführen.316

III. Ersatzfähige Kosten 1. Ersatzfähigkeit Kosten interner Untersuchungen Die in dem Urteil aus dem Jahr 2013 durch das LG München I als ersatzfähig eingestuften Honorarzahlungen der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei317 sind als Kosten interner Untersuchung anzusehen. Die Einstufung als ersatzfähig wurde dabei durch das Gericht nicht näher ausgeführt. Die Frage kann damit als von der Rechtsprechung weiterhin ungeklärt bezeichnet werden. Auch das (gesellschafts-)rechtliche Schrifttum hat die Thematik bis dato eher weniger auf dem Schirm.318 a) Grundsätzliches Interne Untersuchungen sind gesetzlich nicht definiert. In der Literatur bestehen unterschiedliche Definitionen des Begriffs „interne Untersuchung“.319 Knauer differenziert zwischen einer engen und einer weiten Definition: Während die enge Definition eine von außenstehenden Experten durchgeführte Ermittlung voraussetzt, beschreiben interne Untersuchungen im weiteren Sinne die von Unternehmen veranlasste Sachverhaltsaufklärung von Compliance-Verstößen, ohne

314

Fuhrmann, NZG 2016, 881, 883; vgl. auch Arnold, ZGR 2014, 76, 90 ff. Fuhrmann, NZG 2016, 881, 883. 316 Bicker, AG 2012, 542, 545; Fuhrmann, NZG 2016, 881, 883; Reichert/Ott, NZG 2014, 241, 248; differenzierend Arnold, ZGR 2014, 76, 100 ff., welcher einen Übergang der Aufklärungskompetenz grundsätzlich ablehnt, aber eine parallele Aufsichtsratsuntersuchung für möglich hält, wenn der Verdacht nicht ordnungsgemäßer Aufklärung besteht; wohl anderer Ansicht J. Wagner, CCZ 2009, 8, 15. 317 LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183, 190. 318 Vgl. Fleischer, NZG 2014, 321; Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209. 319 Vgl. Übersicht bei Nestler, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, 2. Aufl. 2016, Kap. 1, Rn. 20 ff. 315

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen

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dabei zu unterscheiden, durch wen die Untersuchung durchgeführt wird.320 Für diese Arbeit soll eine weite Definition der internen Untersuchungen genutzt werden, um auch eine Betrachtung der durch die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens bei der Untersuchung verursachten Kosten zu ermöglichen. Unter internen Untersuchungen ist demnach die von Unternehmen veranlasste Aufklärung von Compliance-Verstößen im Unternehmen zu verstehen.321 Die Aufklärung kann sowohl von Unternehmensmitarbeitern als auch von externen Kräften durchgeführt werden.322 Häufig wird die interne Untersuchung im Zusammenwirken der internen Revision, des Compliance-Officers, aber auch verschiedener Abteilungen, wie der Rechtsabteilung und der HR-Abteilung, durchgeführt werden.323 Es liegt im Ermessen der Verantwortlichen, externe Berater, wie etwa Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer zu konsultieren. Es bedarf jedoch einer Abwägungsentscheidung im Einzelfall, inwieweit dies notwendig ist.324 Die Abwägung richtet sich primär nach dem Untersuchungsgegenstand und der im Unternehmen hierfür verfügbaren Ressourcen.325 Zentrales Ziel der Gesellschaft wird es zunächst sein, mithilfe der Untersuchung den Schaden und seine Ursache bzw. den Verursacher exakt zu bestimmen.326 Je komplexer der Sachverhalt und je schwerwiegender der Rechtsverstoß, desto eher stoßen die unternehmensinternen Ermittler an ihre Grenzen. Gerade bei Untersuchungen, die mehrere Geschäftsbereiche des Unternehmens betreffen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass mit der Untersuchung betraute Mitarbeiter ein Eigeninteresse an der Untersuchung bzw. ihrem Ausgang haben. Hier werden häufig nur externe Berater/Ermittler eine Unabhängigkeit der Untersuchung gewährleisten können.327 Gleichzeitig wird auch die Einbindung von Unternehmensangehörigen aufgrund ihres unternehmensspezifischen Wissens nicht selten unentbehrlich für eine zweckdienliche Untersuchung sein. Regelmäßig wird in der Praxis für interne Untersuchungen daher eine Kombination aus externen und internen Ermittlern sinnvoll sein und zur Anwendung kommen.328

320

Knauer, ZWH 2012, 41, 42. Fuhrmann, NZG 2016, 881, 882; Weiß, CCZ 2014, 136; vgl. auch Bachmann, ZHR 180 (2016), 563. 322 Arnold, ZGR 2014, 76, 83; Weiß, CCZ 2014, 136. 323 Arnold, ZGR 2014, 76, 83. 324 Potinecke/Block, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, 2. Aufl. 2016, Kap. 2, Rn. 151; Arnold, ZGR 2014, 76, 83. 325 Potinecke/Block, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, 2. Aufl. 2016, Kap. 2, Rn. 152. 326 Vgl. Schnitzer, Die schadensrechtliche Ersatzfähigkeit außergerichtlicher Rechtsverfolgungsschritte, 2000, S. 129. 327 Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 211. 328 Potinecke/Block, in: Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis, Internal Investigations, 2. Aufl. 2016, Kap. 2, Rn. 155. 321

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Kap. 4: Schaden

b) Ersatzfähigkeit nach dem allgemeinen Schadensrecht Es sind zwei schadensrechtliche Fallgruppen denkbar, in denen bei internen Untersuchungen anfallende Kosten ersatzfähig sein könnten. Hierbei handelt es sich um die Fallgruppe der schadensmindernden Aufwendungen und die der Rechtsverfolgungskosten. Diese sollen nachfolgend dargestellt werden, bevor konkrete Kostenpunkte betrachtet und in Bezug auf ihre Ersatzfähigkeit eingeordnet werden. aa) Schadensmindernde Aufwendungen Denkbar ist die Einordnung der im Rahmen einer internen Untersuchung anfallenden Kosten als Aufwendungen zur Minderung des Schadens. Schadensrechtliche Ersatzpflichten können Aufwendungen umfassen, die der Geschädigte zur Geringhaltung des Schadens gemacht hat und die er nach Lage der Dinge für erforderlich halten durfte.329 Was für erforderlich gehalten werden durfte, richtet sich nach den Maßnahmen, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich ansehen durfte.330 bb) Rechtsverfolgungskosten Davon abzugrenzen sind die Rechtsverfolgungskosten. Diese bezeichnen die aufgrund der Durchsetzung des Schadensersatzes anfallenden Kosten.331 Der Geschädigte wird häufig eine Entschädigung erst durch Aufwendung von Rechtsverfolgungskosten erreichen können. Dementsprechend hat er nur die Optionen, den erlittenen Schaden ohne Ausgleich zu akzeptieren oder aber, um einen Erstattungsanspruch durchzusetzen, zunächst noch weitere Kosten zu verursachen.332 Das haftungsbegründete Ereignis „fordert den Geschädigten heraus“, die einen weiteren Schaden begründende Rechtsverfolgung aufzunehmen.333 Die zur außergerichtlichen Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen, wie die Schadens329 BGH, Urteil vom 06.04.1976 – VI ZR 246/74, NJW 1976, 1198, 1200; BGH, Urteil vom 15.11.1977 – VI ZR 101/76, NJW 1978, 210, 211; BGH, Urteil vom 25.09.1980 – III ZR 74/78, NJW 1981, 675; BGH, Urteil vom 24.04.1990 – VI ZR 110/89, NJW 1990, 2060, 2061; BGH, Urteil vom 11.09.2008 – I ZR 118/06, NJW-RR 2009, 43, 46 Rn. 31; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 178. 330 BGH, Urteil vom 06.04.1976 – VI ZR 246/74, NJW 1976, 1198, 1200; BGH, Urteil vom 24.04.1990 – VI ZR 110/89, NJW 1990, 2060, 2061; BGH, Urteil vom 03.12.1985 – VI ZR 160/84, NJW 1986, 981, 982; BGH, Urteil vom 11.09.2008 – I ZR 118/06, NJW-RR 2009, 43, 46 Rn. 31. 331 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 180. 332 Schnitzer, Die schadensrechtliche Ersatzfähigkeit außergerichtlicher Rechtsverfolgungsschritte, 2000, S. 22. 333 Schnitzer, Die schadensrechtliche Ersatzfähigkeit außergerichtlicher Rechtsverfolgungsschritte, 2000, S. 22.

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen

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ermittlung oder Beweissicherung, können durch die Gesellschaft selbst (in Form ihrer Mitarbeiter) oder aber durch Dritte (Anwälte, Sachverständige etc.) vorgenommen werden.334 Der Geschädigte kann im Weg des Schadensersatzes solche Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Die Voraussetzung der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit gilt sowohl für den materiellen als auch den prozessualen Kostenerstattungsanspruch.335 Demnach hat der Schädiger nicht nur die vorgerichtlichen Anwaltskosten, sondern auch Ermittlungskosten, wie etwa für Detektive, zu ersetzen.336 Denkbar sind hier Kosten für die Aufklärung der Compliance-Verstöße, also des Verursachers, des Hergangs und der Schadenshöhe. Diese Informationen machen eine Rechtsverfolgung erst möglich. c) Untersuchungsrelevante Kostenpunkte Nachdem die schadensrechtlichen Fallgruppen im Rahmen ihrer Ersatzfähigkeit dargestellt worden sind, soll nun spezifisch die Ersatzfähigkeit der bei interner Untersuchung anfallenden Kostenpunkte untersucht werden. Bei den relevanten Kostenpunkten ist zwischen den Kosten eigener Mitarbeiter und den Kosten externer Berater zu unterscheiden. aa) Kosten eigener Mitarbeiter Auch der Einsatz eigener, unternehmensinterner Mitarbeiter kann Kosten verursachen. Die rechtliche Beurteilung der Ersatzfähigkeit dieser Kosten gestaltet sich als diffizil. Während die Beauftragung Dritter klar bezifferbare und als ersatzfähig zu qualifizierende Vermögensaufwendungen – wie Honorare und sonstige Aufwandsentschädigungen – zur Folge haben, erscheint dies im Falle des Einsatzes eigener Mitarbeiter, die ohnehin einen Lohnanspruch haben, weniger eindeutig.337 (1) Rechtsprechung (a) Darstellung Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte den eigenen außergerichtlichen Aufwand zur Wahrung von Entschädigungsansprüchen regelmäßig nicht ersetzt verlangen, da es sich hierbei um gewöhnliche Mühewaltung des Ge334

Vgl. Lipp, NJW 1992, 1913. BGH, Urteil vom 08.11.1994 – VI ZR 3/94, NJW 1995, 446 f.; BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – I ZB 27/03, NJW-RR 2004, 1500; Krüger/Rapp, MDR 2010, 422, 423. 336 BGH, Urteil vom 04.05.2011 – VIII ZR 171/10, NJW 2011, 2871, 2872 Rn. 25. 337 Siehe hierzu Lipp, NJW 1992, 1913, 1913 f. 335

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Kap. 4: Schaden

schädigten zur Durchsetzung seines Anspruchs handle.338 Die Kosten der Arbeit des eigenen Personals bei der Schadensabwicklung sollen nur dann ersatzfähig sein, wenn es sich um infolge des Schadensereignisses geleistete Verwaltungsmehrarbeit handele. Dies sei beispielsweise bei einer Freistellung von Arbeitnehmern von ihrer sonstigen Tätigkeit oder der Anstellung neuer Arbeitskräfte explizit zur Schadensabwicklung der Fall.339 (b) Einordnung interner Untersuchungen auf Basis der Grundsätze der Rechtsprechung Konkret zu verbandsinternen Untersuchungen hat sich der BGH – wie eingangs erwähnt – noch nicht verhalten. Dementsprechend stellt sich die Frage, wie interne Untersuchungen in die Dogmatik des BGH einzuordnen sind. Zumindest einen Teil der Aufwendungen für die Tätigkeit eigener Mitarbeiter im Zuge interner Untersuchungen kann man als Rechtsverfolgungs- bzw. Schadensminderungskosten klassifizieren, die nicht unter Bearbeitung bzw. eigener Mühewaltung im Sinne der skizzierten Rechtsprechungspraxis fallen.340 Dies ist dann anzunehmen, wenn die eingesetzten Mitarbeiter für die Untersuchung von ihrer gewöhnlichen Tätigkeit für die Untersuchung abgestellt wurden, es sich also um Mehraufwand und -kosten für das Unternehmen handelt. Zusätzlich muss die Untersuchung der Sachverhaltsaufklärung und der damit einhergehenden Verhinderung von weiteren Rechtsverletzungen dienen. Hier werden weitere Schäden für die Gesellschaft verhindert, weswegen diese Kosten als schadensmindernde Aufwendungen ersatzfähig sein werden. Dienen die in der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse als Grundlage einer Klageerhebung oder Geltendmachung des D&O-Versicherungsfalls, sind sie wiederum als Rechtswahrnehmungskosten zu klassifizieren.341 Es ist im Einzelfall danach zu unterscheiden, ob die Aufwen-

338 Ständige Rechtsprechung BGH, Urteil vom 09.03.1976 – VI ZR 98/75, NJW 1976, 1256, 1257; BGH, Urteil vom 06.11.1979 – VI ZR 254/77, NJW 1980, 119; BGH, Urteil vom 26.02.1980 – VI ZR 53/79, NJW 1980, 1518, 1519; BGH, Urteil vom 24.04.1990 – VI ZR 110/89, NJW 1990, 2060, 2062; BGH, Urteil vom 08.05.2012 – VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267 Rn. 10; OLG Frankfurt a. M., Urteil von 24.01.2012 – 16 U 100/11, NJW 2012, 2977, 2978; siehe ebenfalls Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, § 249 Rn. 128; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 84; Ebert, in: Erman BGB, 16. Aufl. 2020, § 249 Rn. 50; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 153; differenzierend Lipp, NJW 1992, 1913, 1918 ff.; ablehnend Weimar, NJW 1989, 3246, 3247 ff. 339 BGH, Urteil vom 28.02.1969 – II ZR 154/67, NJW 1969, 1109; vgl. auch BGH, Urteil vom 26.02.1980 – VI ZR 53/79, NJW 1980, 1518, 1519 f. und OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 24.01.2012 – 16 U 100/11, NJW 2012, 2977 2978; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 89. 340 Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 214. 341 Vgl. zu der Einordnung im Kontext der Siemens/Neubürger-Entscheidung Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 213.

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen

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dungen einer Geringhaltung des Schadens dienen sollen oder aber in Vorbereitung einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs vorgenommen werden. (2) Bewertung des Ergebnisses auf Basis der Dogmatik des BGH Die vorgestellte Dogmatik findet einen gesunden Mittelweg zwischen den Interessen des Geschädigten und des Schädigers. Die Einschränkung, dass Personalkosten nur dann zu ersetzen sind, wenn sie einen Mehraufwand darstellen, gewährleistet, dass der Schadensersatzanspruch nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten führt. Kosten, die auch ohne das Schadensereignis angefallen wären, sind richtigerweise nicht zu ersetzen. Ebenso zutreffend müssen jedoch die Mehrkosten ersetzt werden, die durch den Einsatz von Personal im Rahmen der Untersuchung anfallen. Es erweist sich als schwer, einen Nachweis über die konkrete Höhe der aufgewendeten Personalkosten zu führen. Die Mitarbeiter werden nur in den seltensten Fällen ausschließlich im Rahmen der internen Untersuchung tätig sein. Vielmehr wird häufig anzunehmen sein, dass sie unabhängig von dem Schadensfall in dem Unternehmen beschäftigt wären. Eine exakte zeitliche Dokumentation der Tätigkeit, wie sie bei extern beauftragten Beratern der Regelfall ist, wird nur in Einzelfällen erfolgen.342 Gelingt der Nachweis jedoch, sind diese Aufwendungen, die einen Verwaltungsmehraufwand darstellen, von dem regresspflichtigen Vorstandsmitglied zu ersetzen. bb) Kosten externer Berater Gegenstand der Siemens/Neubürger-Entscheidung waren – wie dargelegt343 – hauptsächlich Kosten einer amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei, die im Zuge einer Untersuchung der U.S.-amerikanischen Börsenaufsicht SEC beauftragt wurde. Ziel war nach Ansicht des Gerichts eine Abwehr der Vorwürfe oder zumindest eine deutliche Reduktion der Sanktionen.344 Dabei scheinen die Zahlungen als Rechtsverfolgungskosten eingestuft worden zu sein.345 Naheliegender ist es, die Kosten als Aufwendungen zur Geringhaltung des Schadens einzuordnen.346 Durch die Sachverhaltsaufklärung und die damit einhergehende Verhinderung von weiteren Rechtsverletzungen sollten Schäden für das Unternehmen vermieden werden.347 Teilweise könnten die in der Untersuchung gewonnen Erkennt342 343 344

Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 214. Hierzu bereits unter Kapitel 4, E., I. LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183,

190. 345 Vgl. LG München I, Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZWiSt 2014, 183, 190 f. 346 Fleischer, NZG 2014, 321, 327; Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 213. 347 Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 213.

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Kap. 4: Schaden

nisse indes auch Grundlage einer Klageerhebung oder Geltendmachung des D&O-Versicherungsfalls sein, was in diesem Fall wiederum für eine Klassifizierung als Rechtswahrnehmungskosten spräche.348 Hier ist im Einzelfall danach zu unterscheiden, ob die Aufwendungen einer Geringhaltung des Schadens dienen sollen oder aber in Vorbereitung einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs vorgenommen werden. Einen praktischen Unterschied wird die abweichende Einordnung häufig nicht machen: Sowohl Rechtverfolgungskosten als auch Aufwendungen zur Schadensminderung sind ersatzfähig. cc) Zwischenergebnis Die Kosten interner Untersuchungen sind nach der Dogmatik des BGH zumindest teilweise als Aufwendungen zur Geringhaltung des Schadens zu klassifizieren,349 welche, soweit erforderlich, nach dem allgemeinen Schadensrecht ersatzfähig sind.350 Zu unterscheiden ist zwischen der Tätigkeit externer Berater sowie der Tätigkeit der eigenen Mitarbeiter. Während die Kosten der externen Berater größtenteils als schadenmindernde Aufwendungen oder als Rechtsverfolgungskosten ersatzfähig sein werden, sind die Mitarbeiterkosten nur ersatzfähig, wenn sie zusätzlich zu den Voraussetzungen der schadensmindernden Aufwendung oder Rechtsverfolgungskosten einen (dokumentierten) Mehraufwand für das Unternehmen darstellen. 2. Höhe der Rechtsanwaltsvergütung Wenig Aufmerksamkeit hat bis jetzt die Frage der Höhe der Rechtsanwaltsvergütung erhalten. Gerade große Wirtschaftskanzleien verlangen zumeist Stundensätze, die weit über die nach dem RVG möglichen Abrechnungen hinaus gehen. Während auch notwendige externe Beratungskosten als schadensmindernde Aufwendungen oder Rechtsverfolgungskosten ersatzfähig sind, gibt es für die Rechtsanwaltsvergütung mit dem RVG eine spezielle Regelung, die grundsätzlich die Höhe der Vergütung festlegt.

348

Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 213. Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 213; vgl. auch Fleischer, NZG 2014, 321, 327. 350 BGH, Urteil vom 06.04.1976 – VI ZR 246/74, NJW 1976, 1198; BGH, Urteil vom 24.04.1990 – VI ZR 110/89, NJW 1990, 2060; BGH, Urteil vom 11.09.2008 – I ZR 118/06, NJW-RR 2009, 43, 46; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, § 249 Rn. 115; Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, Vor. § 249 Rn. 44; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 178; Lüneborg/Resch, NZG 2018, 209, 213; Würthwein, Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder für entgangene Gebrauchsvorteile?, 2001, 360 ff. 349

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen

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a) Darstellung Die Höhe des anwaltlichen Honorars richtet sich grundsätzlich gem. § 2 Abs. 1 RVG nach dem Gegenstandswert und den im Vergütungsverzeichnis des RVG festgelegten Sätzen. Nach § 3a RVG ist es aber auch möglich, eine abweichende Vergütungsvereinbarung zu treffen. In der Praxis hat sich insbesondere die Abrechnung nach Stundensätzen durchgesetzt.351 aa) Literatur Mit Hinweis auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB wird in der Literatur trotzdem angenommen, dass die Vereinbarung eines die gesetzliche Gebühr überschreitendes Honorar in der Regel ein Mitverschulden darstellt.352 Dabei wird vielfach nur festgestellt, dass die Vereinbarung eines Honorars über die im RVG geregelte Gebührenhöhe „regelmäßig“ einen Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit darstelle.353 bb) Rechtsprechung Auch in der Rechtsprechung finden sich in einer Reihe älterer Entscheidungen ähnliche Ausführungen zu der Frage der Ersatzfähigkeit von Honoraren, die über die im RVG354 geregelte Gebührenhöhe hinausgehen. Demnach ist die Vereinbarung eines höheren als des sich aus dem RVG ergebenden Honorars in der Regel als Verstoß gegen § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zu betrachten.355 Nach der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB solle der Geschädigte im Rahmen des von einem vernünftigen und sorgfältigen Menschen zu Erwartenden dazu beitragen, dass der Schaden nicht unnötig groß wird.356 Dies beinhalte, dass der Geschädigte keine vermeidbaren Rechtsverfolgungskosten verursache.357 351 Vgl. Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte STAR – Bericht, 2020, S. 40, abrufbar unter https://brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-2020/star2020_ergeb nisbericht_02-2021.pdf – zuletzt abgerufen am 01.08.2022; siehe zur Vergütungspraxis mit Stand 2014 auch Saenger/Uphoff, NJW 2014, 1412. 352 Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 95; Bauerschmidt, JuS 2011, 601, 602; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 591. 353 Vgl. Mertens, in: Soergel BGB, 12. Aufl. 1990, § 254 Rn. 84; Schiemann, in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2017, § 251 Rn. 121; für besondere Fälle teilweise einschränkend: Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 95; hierzu bereits Schlosser, NJOZ 2009, 2376, 2387. 354 Damals noch BRAGO. 355 BGH, Urteil vom 10.07.1979 – VI ZR 164/77, VersR 1979, 1004; LG Frankfurt a. M., Urteil vom 21.09.1971 – 2/16 S 94/71, VersR 1972, 180; LG Köln, Urteil vom 04.05.1973 – 11 S 296/72, VersR 1974, 705; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2014, § 254 Rn. 114; Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 95. 356 BGH, Urteil vom 25.01.2018 – VII ZR 74/15, NJW 2018, 944, 946 Rn. 25. Oetker, in: Münchener Kommentar BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 77.

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Kap. 4: Schaden

Mittlerweile gibt es indessen auch eine Reihe von Entscheidungen, nach denen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer Honorarvereinbarung, die über die gesetzliche Vergütung hinausgeht, zu ersetzen sind.358 So verstößt der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nach der Entscheidung des OLG München nicht gegen die Schadensminderungspflicht, wenn im konkreten Streitfall eine Abrechnung nach dem RVG nicht üblich ist.359 Es sei gerichtsbekannt, dass eine Rechtsanwaltskanzlei mit aktien- und gesellschaftsrechtlichem Spezialwissen nicht nach RVG, sondern nur aufgrund Honorarvereinbarung auf der Basis von Stundensätzen abrechne.360 b) Stellungnahme Eine gesetzliche Vorschrift, die der Ersatzfähigkeit von individuell vereinbarten Honorarvereinbarungen im Rahmen eines materiellen Kostenerstattungsanspruches entgegenstehen könnte, besteht nicht.361 Argumente, die gegen eine Ersatzfähigkeit sprechen, werden von der bereits erwähnten Kommentarliteratur selten genannt: Zumeist wird ohne tiefere Ausführungen festgestellt, dass ein über das RVG hinausgehendes Honorar regelmäßig nicht ersatzfähig ist.362 Ähnlich stellt sich dies in der älteren Rechtsprechung dar, die die Frage offensichtlich nicht als besonders diskussionswürdig erachtete. Die Entscheidungen liegen jedoch teilweise über 50 Jahre zurück und können nur beschränkt auf die neuen Vorschriften des RVG übertragen werden. Während nach dem aktuellen RVG auch individuell vereinbarte Honorarvereinbarungen ausdrücklich für zulässig erklärt werden, stellte sich dies zum Zeitpunkt der Rechtsprechung und damit vor Geltung des RVG anders dar. Zudem ist diese (veraltete) Rechtsprechung in Anbetracht der gängigen Honorarvereinbarungen praxisfern.363 Anwälte und Anwaltssozietäten handeln weit verbreitet Stundenhonorare aus. So rechneten im Jahr 2018 nur 30 Prozent der selbständigen Rechtsanwälte keine Mandate über Zeithonorare ab.364 Eine Abrechnung nach dem RVG stellt für erfahrene und auch personell ausreichend aufgestellte Anwaltsso357

LG Köln, Urteil vom 04.05.1973 – 11 S 296/72, VersR 1974, 705. OLG München, Urteil vom 10. März 2005 – 1 U 4947/04, juris Rn. 64; OLG Koblenz, Urteil vom 29.05.2008 – 2 U 1620/06, NJW 2009, 1153; OLG München, Urteil vom 21.07.2010 – 7 U 1879/10, AG 2011, 204; siehe auch BGH, Urteil vom 16.7.2015 – IX ZR 197/14, NZG 2016, 74 Rn. 58 („in besonderen Fällen“). 359 OLG München, Urteil vom 21.07.2010 – 7 U 1879/10, AG 2011, 204. 360 OLG München, Urteil vom 21.07.2010 – 7 U 1879/10, AG 2011, 204, 205. 361 Knott/Gottschalk/Ohl, AnwBl 2010, 749, 751. 362 Vgl. die Nachweise in der Fußnote 353. 363 Hierzu Krüger/Raap, MDR 2010, 422, 425; Schlosser, NJOZ 2009, 2376, 2389. 364 Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte STAR – Bericht, 2020, S. 40, abrufbar unter https://brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-2020/star2020_ergebnis bericht_02-2021.pdf – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 358

E. Ersatzfähigkeit von Kosten interner Ermittlungen

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zietäten häufig keine leistungs- und marktgerechte Vergütung mehr da.365 Davon ist insbesondere im Fall der untersuchten Konstellation eines Verfahrens unter Beteiligung eines oder mehrerer Unternehmen auszugehen. Zuzustimmen ist dagegen der Entscheidung des OLG München, die eine Ersatzfähigkeit auch bei Honorarvereinbarungen anerkennt. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB kann nur angenommen werden, wenn überhaupt die Möglichkeit für den Geschädigten bestand, Rechtsanwälte zu engagieren, die vergleichbare Leistungen auf Grundlage der gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen.366 Gerade in den zu Beginn genannten bekannten Haftungsfällen, wie dem Siemensskandal oder dem Dieselskandal der VW-AG, wird es unmöglich sein Kanzleien zu finden, die über die notwendige Personalstärke verfügen und keine gesonderte Honorarvereinbarung verlangen. Einen Schutz vor einer unangemessen hohen Belastung durch die Kosten für Rechtsanwälte bieten auch die gewichtigen Darlegungspflichten, welche einen Nachweis über die konkreten Dienstleistungen und ihrer Notwendigkeit verlangen. Schlussendlich ist sich ebenfalls vor Augen zu führen, dass das pflichtwidrige Verhalten des Vorstands Auslöser der Rechtsverfolgungskosten ist. Im Einklang mit den Grundgedanken der Kostenerstattungspflicht hat derjenige, der den Prozess und die damit verbundenen Kosten verursacht, indem er das Recht eines anderen verletzt hat oder seine Verpflichtungen nicht erfüllt, auch die Kosten des Prozesses zu tragen.367 c) Darlegungs- und Beweislast Die Entscheidung des OLG München bedeutet nicht, dass die Gesellschaft pauschal die gezahlten Rechtskosten an das Organmitglied weiterleiten kann. Während der Stundensatz für angemessen erachtet wird, divergiert das für die Gesamthöhe der Rechnung. Der Klägerin wird nur ein Mindestschaden zugesprochen, der deutlich hinter dem ursprünglich begehrten Schadensersatzbetrag zurückbleibt, da nicht bei allen Positionen ein konkreter Zusammenhang zu der Pflichtverletzung des Beklagten hergestellt werden kann.368 Darüber hinaus zieht das Gericht die Notwendigkeit der hier in Rechnung gestellten 157 Arbeitsstunden für einen „nicht übermäßig schwierigen Sachverhalt“ in Zweifel.369 Bestehen Unklarheiten bezüglich des Zusammenhangs zur konkreten Pflichtverletzung, geht dies zu Lasten der Gesellschaft, die die Beweislast hinsichtlich der Höhe des Schadens und der Kausalität zwischen Vorstandshandeln und Scha365 366 367 368 369

Schlosser, NJOZ 2009, 2376. Knott/Gottschalk/Ohl, AnwBl 2010, 749, 752. Vgl. Muthorst, in: Stein/Jonas (Begr.) ZPO, 23. Aufl. 2016, vor § 91 Rn. 6. OLG München, Urteil vom 21.07.2010 – 7 U 1879/10, AG 2011, 204, 205. OLG München, Urteil vom 21.07.2010 – 7 U 1879/10, AG 2011, 204, 205.

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Kap. 4: Schaden

den trägt.370 Es obliegt aber wiederum der Anwaltskanzlei im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast, die abgerechneten Leistungen schlüssig darzulegen.371 Der Gesellschaft sollte es deshalb möglich sein, im Verfahren gegen das Vorstandsmitglied darzulegen, welche Kostenpunkte erforderliche und zweckmäßige Aufwendungen darstellen. Kann sie das nicht, führt das, wie in der zitierten Entscheidung, zu einer eingeschränkten Regresspflicht des Vorstandsmitglieds.

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Im Rahmen der für interne Untersuchungen anfallenden Kosten stellt sich die Frage der Ersatzfähigkeit im Regressanspruch. Hierbei ist zwischen den Kosten eigener Mitarbeiter und externer Kräfte zu differenzieren. 2. Einen Teil der Aufwendungen für die Tätigkeit eigener Mitarbeiter im Zuge interner Untersuchungen wird man als Rechtsverfolgungs- bzw. Schadensminderungskosten klassifizieren können, die nicht unter Bearbeitung bzw. eigene Mühewaltung im Sinne der skizzierten Rechtsprechungspraxis fallen. 3. Kosten für die Tätigkeit externer Berater sind, soweit notwendig, entweder als schadensmindernde Aufwendungen oder Rechtsverfolgungskosten ersatzfähig. Hier ist im Einzelfall zu unterscheiden. 4. Eine gesetzliche Vorschrift, die der Ersatzfähigkeit von individuell vereinbarten Honoraren im Rahmen eines materiellen Kostenerstattungsanspruches entgegenstehen könnte, besteht nicht. Insbesondere stellt die Vereinbarung eines höheren als des sich aus dem RVG ergebenden Honorars regelmäßig keinen Verstoß gegen § 254 Abs. 2 S. 1 BGB dar.

F. Reputationsschaden im Regressanspruch Die Reputation eines Unternehmens nimmt einen immer höher werdenden Stellenwert ein. Nach einer Studie der PR-Beratungsgesellschaft Weber Shandwick aus dem Jahr 2020 führen globale Führungskräfte im Durchschnitt 63 Prozent des Unternehmenswertes, ein Drittel der Führungskräfte sogar 76 Prozent auf die allgemeine Reputation zurück.372 Nach einer weiteren Studie hat die Re370 Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 103; Redeke, EWiR 2011, 265, 266; statt vieler Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 272 m.w. N. 371 OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Januar 2011 – 4 U 3/08, juris. 372 So die Studie „The State of Corporate Reputation in 2020: Everything Matters Now“ der Beratungsgesellschaft Weber Shandwick aus dem Jahr 2020, S. 13, abrufbar unter https://webershandwick.de/wp-content/uploads/sites/2/2020/06/State-of-Corpora teReputation_FINAL-report-13.01.20_BRITISH-ENGLISH.pdf – zuletzt abgerufen am 01.08.2022.

F. Reputationsschaden im Regressanspruch

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putation einen Anteil von 35 Prozent an der Marktkapitalisierung der Indizes der 15 größten Kapitalmärkte weltweit. Dies bedeutet einen Wert in Höhe von 16,77 Billionen US-Dollar.373 Die Reputation kann damit als zentraler Wertbestandteil eines Unternehmens klassifiziert werden. Diese immense ökonomische Bedeutung der Reputation hat in den vergangenen Jahren zu einem höheren Risikobewusstsein der Unternehmen diesbezüglich geführt. Hatten im Jahre 2012 nach dem jährlichen „Risikobarometer“ der Allianz lediglich sechs Prozent der Unternehmen Sorgen vor „Reputationsschäden“, stieg diese Zahl im Jahre 2020 um mehr als das Doppelte, auf 15 Prozent an.374 Auch die Versicherungsbranche reagiert auf das erhöhte Risikobewusstsein der Unternehmen und passt ihr Produktportfolio an. Neben großen amerikanischen Versicherern ist auch der europäische Marktführer Allianz in das Geschäft um die Reputation eingestiegen. Die Versicherung soll Umsatzverluste der Unternehmen aufgrund rufschädigender Krisen abdecken.375 Im gesellschaftsrechtlichen Kontext wird der Unternehmensreputation bisher vor allem auf Ebene der Frage der Haftungsdurchsetzung Bedeutung beigemessen. So kann der Aufsichtsrat nach der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung im Einzelfall von der Verfolgung der Haftungsansprüche gegenüber dem Vorstand absehen, wenn der mögliche Schaden des Unternehmensansehens gegenüber den Gesichtspunkten, die für eine Rechtsverfolgung sprechen, überwiegt.376 Aber auch darüber hinaus wird die Unternehmensreputation infolge ihrer fehlenden Konturierung als Argument fruchtbar gemacht, um Entscheidungen, wie eine verweigerte Auskunft oder Maßnahmen, ohne vorherige Zustimmung zu rechtfertigen.377 Im unternehmensrechtlichen Kontext wird im Zuge der Umsetzung der jüngst verabschiedeten Whistleblowing-Richtlinie378 immer wieder auf die Gefahr einschneidender Reputationsschäden verwiesen.379

373 „What price reputation?“ von AMO aus dem Jahr 2019, S. 6, abrufbar unter https://www.deekeling-arndt.com/fileadmin/user_upload/Wissen/Fokusthemen/AMO-Re port_Reputation/2019_07_03_AMO_What_Price_Reputation_Report.pdf – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 374 „Allianz Risk Barometer 2012“, S. 1, abrufbar unter https://www.agcs.allianz. com/content/dam/onemarketing/agcs/agcs/reports/Allianz-Risk-Barometer-2012.pdf – zuletzt abgerufen am 01.08.2022; „Allianz Risk Barometer 2020“, S. 22, abrufbar unter https://www.agcs.allianz.com/content/dam/onemarketing/agcs/agcs/reports/Allianz-RiskBarometer-2020.pdf – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 375 „Trend zur Shitstorm-Versicherung – Firmen fürchten um guten Ruf“, merkur.de vom 12.03.2020, abrufbar unter https://www.merkur.de/wirtschaft/trend-zur-shitstormversicherung-firmen-fuerchten-um-guten-ruf-zr-9976876.html – zuletzt abgerufen am 01.08.2022. 376 BGH, Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926, 1928. 377 Hierzu Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689. 378 Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019, ABl. 2019, L 305/17.

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Kap. 4: Schaden

Eine genauere Konturierung des Begriffs steht jedoch noch aus. Auch haben Reputationsschäden im Rahmen der Frage der konkreten Bezifferung des Vermögensschadens, obwohl ihre Existenz wohl kaum bestritten werden kann, wenig Aufmerksamkeit erhalten. Pionierarbeit leisteten insoweit bisher insbesondere Klöhn/Schmolke.380 Die Möglichkeit der Geltendmachung eines Reputationsschadens im Rahmen der Organhaftung soll nachfolgend untersucht werden. Hierzu wird zunächst die Terminologie des Reputationsschadens näher beleuchtet und mit Leben gefüllt. Anschließend wird sich der Möglichkeit der Geltendmachung eines Reputationsschadens gewidmet. Hierfür werden die bestehenden Ansätze zur Schadensbestimmung einer Analyse unterzogen, um mit der Darstellung eines eigenen Lösungsansatzes zu schließen.

I. Terminologie Der Begriff der Reputation wird vielfach in unterschiedlichen Kontexten genutzt und bezeichnet auch nicht selten verschiedene Dinge.381 Eine trennscharfe Abgrenzung zu in der Sache nahestehenden Begriffen wie „Organizational Identity“, „Image“, „Prestige“ und „Goodwill“ erscheint schwierig. Je nach Schwerpunkt der Diskussion werden diese Begriffe entweder als Synonym der Reputation, als Bestandteil der Reputation oder als Oberbegriff, der die Reputation umfasst, angesehen.382 In der anglo-amerikanischen Literatur kann im Vergleich zur hiesigen Literatur auf einen ungleich größeren Fundus zurückgegriffen werden, weshalb ein Blick über den Atlantik unabdingbar erscheint. Im ökonomischen Kontext gängig ist die Definition Fombruns, der die Unternehmensreputation als „eine wahrnehmbare Darstellung der vergangenen Handlungen und der Zukunftsaussichten eines Unternehmens, die die Gesamtattraktivität des Unternehmens im Vergleich zu anderen führenden Konkurrenten für alle seine Hauptkunden beschreibt“.383 Die drei Schlüsselelemente dieser Definition sind, dass 379 Siehe exemplarisch Schmolke, ZGR 2019, 876, 903, 914; zuvor bereits ders., RIW 2012, 224, 226; in monographischer Form ebenfalls zuvor Kreis, Whistleblowing als Beitrag zur Rechtsdurchsetzung, 2017, S. 28. 380 Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689. 381 Für eine Übersicht von Reputationsdefinitionen je nach Fachgebiet siehe Fombrun/Gardberg/Sever, Journal of Brand Management 7 (2000), 241, 243. 382 Wartick, Business & Society 41 (2002), 371, 373. 383 „A perceptual representation of a company’s past actions and future prospects that describes the firm’s overall appeal to all of its key constituents when compared with other leading rivals.“ Fombrun, Reputation, 1996, S. 72; vgl. hierzu Wartick, Business & Society 41 (2002), 371, 374; siehe auch Walker, CRR 2010, 357, 367 f., der eine statistische Auswertung der genutzten Definitionen in der Fachliteratur vornimmt: 26 Prozent der Artikel, die eine Definition von „corporate reputation“ nennen, nutzen die von Fombrun, während keine andere Definition mehr als einmal zitiert wurde.

F. Reputationsschaden im Regressanspruch

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(a) der wahrnehmungsbezogene Charakter des Konstrukts hervorgehoben wird; (b) es sich um eine Gesamtwahrnehmung aller Stakeholder handelt und nicht nur um die von einem oder zwei Beteiligten; und (c) es sich um einen Vergleich mit einem bestimmten Standard handelt.384 Stakeholder sind hierbei alle Personen, für deren Wohlergehen es von Belang ist, wie sich ein Unternehmen verhält bzw. entwickelt.385

Diese Definition ist jedoch nicht ohne Kritik geblieben. Walker386 macht zwei große Probleme bei der Betrachtung der Unternehmensreputation als Summe aller Wahrnehmungen der Stakeholder aus. Ein Unternehmen könne für jeden der folgenden Punkte eine eigene und potenziell unterschiedliche Reputation haben: Rentabilität, Umweltverantwortung, soziale Verantwortung, Behandlung der Mitarbeiter, Unternehmensführung und Produktqualität. Das zweite Problem bestehe darin, dass ein Unternehmen je nach StakeholderGruppe eine unterschiedliche Reputation haben kann. Nicht angebracht sei es, diese gegensätzlichen Reputationen bei der Entwicklung einer Gesamtwahrnehmung schlicht zu addieren. Dies könne dazu führen, dass ein Unternehmen, das von keiner der befragten Gruppen am besten bewertet wurde, die nach dieser Methode gemessene „beste“ Reputation hat, auch wenn es vielleicht nur das am wenigsten polarisierende Unternehmen ist. Auch wenn die Kritik legitime Punkte enthält, ist die Definition von Fombrun für das Untersuchungsziel zweckdienlich. Zweck ist die Messung eines vermögenswerten Reputationsverlustes der Gesellschaft, weswegen der Gesamtwert Reputation maßgeblich ist. Eine Differenzierung nach Stakeholder-Gruppen oder gar einzelnen Themen würde diese Feststellung erschweren und die Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen „Teilreputationen“ nicht berücksichtigen.387

II. Reputationsschaden als Vermögensschaden Für die Untersuchung entscheidend ist die Frage, inwieweit Reputationsschäden in Form von Vermögensschäden bestimmt und damit geltend gemacht werden können. Es ist Gegenstand verschiedener Beiträge, dass es reelle finanzielle Auswirkungen für das Unternehmen hat, wenn die Reputation zu Schaden

384

Wartick, Business & Society 41 (2002), 371, 374. Vgl. Noe, The Oxford Handbook of Corporate Reputation, 2011, 114, 115; Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 690. 386 Zum Ganzen Walker, CRR 2010, 357, 369; siehe auch Wartick, Business & Society 41 (2002), 371, 377. 387 Siehe Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2019, S. 251. 385

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Kap. 4: Schaden

kommt: Banken verlangen höhere Zinssätze bei der Darlehensvergabe,388 Lieferverträge mit dem betroffenen Unternehmen müssen neu verhandelt werden,389 das Unternehmen verliert Kunden und/oder muss seine Preise heruntersetzen.390 Ein guter Ruf kann dagegen zu zahlreichen strategischen Vorteilen wie der Senkung der eigenen Kosten, der Ermöglichung der Erhöhung der eigenen Preise, Anziehung von Investoren und Kunden usw. führen.391 Während finanzielle Nachteile aufgrund von Reputationsschäden als nachgewiesen anzusehen sind, gestaltet sich eine Feststellung der auf die Reputationsschäden zurückzuführenden Vermögensschäden als deutlich schwieriger. 1. event study Zum Teil wird vertreten, dass der Reputationsschaden mithilfe der sog. event study ermittelt werden könne.392 Sie basiert auf der Annahme, dass sich die Auswirkungen des Ereignisses sofort auf die Wertpapierkurse niederschlagen.393 Die sog. event study verfolgt den Ansatz die Auswirkung des Ereignisses auf den Aktienkurs zu messen.394 Der Schaden sei dann zweistufig zu ermitteln. a) 1. Stufe Die erste Aufgabe bei der Durchführung einer event study besteht darin, das zu untersuchende Ereignis zu definieren und den Zeitraum zu bestimmen, in dem die Wertpapierkurse der an diesem Ereignis beteiligten Unternehmen untersucht

388 Karpoff/Lee/Martin, Journal of Financial and Quantitative Analysis 2008, 581, 598 f.; vgl. auch Graham/Li/Qiu, Journal of Financial Economics 2008, 44, 49 ff.; Murphy/Shrieves/Tibbs, Journal of Financial and Quantitative Analysis 2009, 55, 56; Chakravarthy/deHaan/Rajgopal, Accounting Review 2014, 1329, 1330. 389 Karpoff, in: Barnett/Pollock, The Oxford Handbook of Corporate Reputation, 2011, 361, 366 f.; Karpoff/Lee/Martin, Journal of Financial and Quantitative Analysis 2008, 581, 598 f.; Murphy/Shrieves/Tibbs, Journal of Financial and Quantitative Analysis 2009, 55, 56; Chakravarthy/deHaan/Rajgopal, Accounting Review 2014, 1329, 1330. 390 Karpoff, in: Barnett/Pollock, The Oxford Handbook of Corporate Reputation, 2011, 361, 367; Chakravarthy/deHaan/Rajgopal, Accounting Review 2014, 1329, 1330. 391 Walker, CRR 2010, 357; Eccles/Newquist/Schatz, Harvard Business Review 2007, 104; Rindova/Williamson/Petkova/Sever, Academy of Management Journal 2005, 1033, 1039; Auflistung nach Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 690 f. 392 Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692; Karpoff/Lott, The Journal of Law & Economics 1993, 757, 772 ff.; Karpoff/Lee/Martin, Journal of Financial and Quantitative Analysis 2008, 581, 582 und 598 ff.; Murphy/Shrieves/Tibbs, Journal of Financial and Quantitative Analysis 2009, 55, 63; Mews, ESJ 17 (23) 2021, 67. 393 MacKinlay, JEL 35 (1997), 13; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2019, S. 253. 394 Klöhn/Schmolke, NZG 2015, S. 689, 692; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2019, S. 253.

F. Reputationsschaden im Regressanspruch

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werden sollen – das Ereignisfenster.395 Übertragen auf das deutsche Schadensrecht bzw. hiesige Organhaftungsfälle wird im Rahmen der Schadensbestimmung mittels der Differenzhypothese die Entwicklung des Aktienkurses vor und nach dem reputationsschädigenden Ereignis verglichen. Wenn die vom Reputationsschadensfall unabhängigen Einflüsse auf die Kursentwicklung beseitigt werden, könne man den allein auf das reputationsschädigende Ereignis zurückgehenden Kursverlust feststellen.396 Der Rückgang des Aktienkurses wird als Maß für die Erwartungen der Anleger in Bezug auf die gesamten Kosten betrachtet, die dem Unternehmen durch das reputationsschädigende Ereignis entstehen.397 b) 2. Stufe Im zweiten Schritt wird der Kursverlust um diejenigen Posten bereinigt, die auf die zu erwartenden Sanktionen, wie Bußgelder, Schadensersatzzahlungen etc. zurückgehen.398 Ein Rückgang des Aktienkurses sei nämlich kein Reputationsverlust, sondern ein Maß für die Gesamtverluste eines Unternehmens, die einen Reputationsverlust beinhalten können. Werden alle genannten Posten abgezogen, verbleibt ein Wert, der den Reputationsvermögensschaden der Gesellschaft darstelle.399 c) Untersuchung der Tauglichkeit/Würdigung Dieser Berechnungsvorschlag fügt sich nahtlos in die Dogmatik der Differenzhypothese ein und stellt damit im Grundsatz einen gangbaren Weg dar. Die Ereignisstudie stellt in der Sache keine neue Berechnungsmethode dar, sondern liefert den Vorschlag einer Schätzmethode. Die Art und Weise der Berechnung bleibt die Bekannte im Rahmen der Differenzhypothese. Bei genauerer Betrachtung scheitert diese in der Theorie reizvolle Möglichkeit an ihrer praktischen Undurchführbarkeit. Gerade das Problem der Bestimmung der haftungsausfüllenden Kausalität bzw. Schadenszurechnung kann nicht gelöst werden. Zwar lässt sich mit der Differenz der Aktienkurse eine Schadenshöhe ausmachen; doch ist damit noch nicht festgestellt, dass diese Kursdifferenz tatsächlich auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Der risikobedingte Rückgang des Aktienkurses ist selbst von zu vielen ceteris-paribus-Annahmen abhängig.400 Dabei werden gerade keine Bereinigungsmöglichkeiten geliefert. Es ist 395

MacKinlay, JEL 35 (1997), 13, 14. Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692. 397 Karpoff, in: The Oxford Handbook of Corporate Reputation, 2011, 361, 364. 398 Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692. 399 Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692; siehe auch Karpoff, in: The Oxford Handbook of Corporate Reputation, 2011, 361, 364. 400 Vgl. Sieler, in: Risk Perfomance Management, 2009, 63, 67 f. 396

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Kap. 4: Schaden

nicht ersichtlich, wie etwa die nicht mit dem Ereignis zusammenhängenden Kurseinflüsse zweifelsfrei herausgefiltert werden sollen und können. Auch im Falle von zwei aufeinanderfolgenden Kursverlusten wird unmöglich feststellbar sein, welcher Teil des Kurssturzes auf welche Pflichtverletzung kausal und zurechenbar zurückzuführen ist. Dies müsste der Geschädigte – mithin die Gesellschaft – aber darlegen und beweisen können.401 Dies erscheint im Rahmen eines Reputationsschadens, auch wenn dieser den Wertpapierkurs beeinflusst hat, eine fast unmöglich zu überwindende Hürde. Im Ergebnis kann die event study die Kausalitäts- und Zurechnungsprobleme gerade nicht überwinden. Zwar lässt sich mittels Differenzhypothese zumindest eine theoretische Schadenshöhe in Form des Kursverlustes ermitteln, doch bleibt die herausfordernde Frage, ob dieser auch auf die Pflichtverletzung des Organmitglieds zurückzuführen ist, gerade nicht beantwortet. Die Ereignistheorie ist kein tauglicher Lösungsansatz zur Berechnung eines Reputationsschadens. 2. Betrachtung der unmittelbaren Kosten a) Darstellung des Lösungsansatzes Eine weitere denkbare Möglichkeit ist die Ermittlung des unmittelbaren finanziellen Schadens in Form von Umsatzeinbußen.402 Ebenfalls genannt werden Kosten, wie zusätzliche Werbe- oder PR-Kosten, die der kurzfristigen Wiederherstellung der Reputation dienen.403 Hierbei wird demnach nicht die Entwicklung des Vermögenswerts des Unternehmens betrachtet, stattdessen werden für eine schadensrechtliche Geltendmachung ausschließlich die finanziellen Mehrkosten bzw. Einbußen berücksichtigt. b) Untersuchung der Tauglichkeit/Würdigung Auch diese Berechnungsmethode lässt sich im Ausgangspunkt schön in die Dogmatik des deutschen Schadensrecht und des Anspruchs aus § 93 AktG einfügen. Allerdings wohnen ihr ähnliche Probleme wie der Ereignistheorie inne, die ebenfalls auf Basis dieser Theorie in dieser Form nahezu unüberwindbar 401 BGH, Urteil vom 04.11.2002 – II ZR 224/00, NJW 2003, 358; BGH, Urteil vom 22.02.2011 – II ZR 146/09, NZG 2011, 549, 550 Rn. 17; BGH, Urteil vom 15.01.2013 – II ZR 90/11, NJW 2013, 1958, 1959 Rn. 14; Koch, in: Koch (Hrsg.), AktG, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 103; Mertens/Cahn, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 140; U. Schmidt, in: Nomos Kommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020, § 93 AktG Rn. 112; Fleischer, in: Beck’scher Onlinegroßkommentar AktG, Stand: 01.02.2022, § 93 Rn. 272; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 36; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 196. 402 Sieler, in: Risk Perfomance Management, 2009, 63, 68. 403 Sieler, in: Risk Perfomance Management, 2009, 63, 68.

F. Reputationsschaden im Regressanspruch

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scheinen. Auch wenn die unmittelbaren finanziellen Einbußen nicht den vollen erlittenen Schaden umfassen werden, sind es jedoch bezifferbare Schäden, die im Regressanspruch geltend gemacht werden könnten. Zwar werden die unmittelbaren finanziellen Einbußen nicht den vollen erlittenen Schaden umfassen, zumindest diese können jedoch einen legitimen Schadensposten im Regressanspruch darstellen. Kosten etwa von „Publicity“-Maßnahmen, die durch die Gesellschaft aufgrund eines medienwirksamen Skandals durchgeführt werden, können von dem für das Ereignis verantwortlichen Vorstand verlangt werden. Problematisch wird sich hier ebenfalls die Zurechnung gestalten. Während der Zurechnungszusammenhang bei Kosten für „Publicity“-Maßnahmen naheliegend ist und etwa ein Rekurs auf die Fallgruppe der Herausforderungsfälle denkbar ist,404 wird es schwer fallen, Umsatzeinbußen dem reputationsschädigenden Handeln des Vorstands zuzurechnen. Wie bei der event study sind weitere Faktoren denkbar, die den Umsatz beeinflussen und nicht auf das reputationsschädigende Handeln des Vorstands zurückzuführen sind. 3. Zwischenfazit De lege lata sind Reputationsschäden nur dann ersetzbar, wenn eine unmittelbare Vermögenseinbuße nachgewiesen werden kann. Zwar sind im Einzelfall mögliche Schäden, wie etwa Umsatzeinbußen, bezifferbar, es erweist sich jedoch als problematisch, die Schäden dem Vorstandshandeln zuzurechnen. Die Kausalitätsfeststellung hat sich als Gretchenfrage der Geltendmachung eines Reputationsschadens entpuppt. Kein Lösungsmodell vermag es, das Problem der faktisch vielfach nicht nachweisbaren Kausalität überwinden. Ein Lösungsmodell konnte auf Basis der geltenden Rechtslage nicht entwickelt werden.

III. Lösungsansatz de lege ferenda Aufgrund der Erkenntnisse de lege lata rücken Verbesserungsmöglichkeiten de lege ferenda in den Fokus. Nachfolgend werden Lösungsmöglichkeiten dargelegt und ein eigener, an den Gesetzgeber adressierter, Lösungsansatz entwickelt und vorgestellt. 1. Vermutungslösung Die Lösung des Problems der Kausalitätsfeststellung könnte in der Implementierung einer widerleglichen Vermutung zu sehen sein. Hierbei ist zwischen gesetzlichen und tatsächlichen Vermutungen zu differenzieren. Gesetzliche Vermutungen finden sich beispielsweise in § 1117 Abs. 3 BGB oder § 33a Abs. 2 GWB. Die gesetzliche Vermutung bewirkt eine Umkehr der 404

Vgl. Ausführungen in Kapitel 3, D., II., 2.

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Kap. 4: Schaden

Beweislast, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Das Vorliegen einer Beweistatsache wird vermutet; es ist jedoch der Beweis des Gegenteils zulässig.405 Hiervon abzugrenzen ist die tatsächliche Vermutung. Bei dieser handelt es sich um einen einfachen Erfahrungssatz, der als Indiz im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung dient.406 Sie kommt beispielsweise in der Haftung von Anwälten, Notaren und Steuerberatern für die Verletzung von Aufklärungs-, Hinweisoder Beratungspflichten zur Anwendung.407 Die tatsächliche Vermutung kann durch den Beklagten auf vielfältige Weise erschüttert werden. Möglich ist der Vollbeweis des Gegenteils, die Erschütterung des einfachen Erfahrungssatzes und die Erschütterung der Überzeugung des Tatrichters. Dagegen kann die gesetzliche Vermutung nur durch den Vollbeweis des Gegenteils erschüttert werden.408 2. Erkenntnisgewinn aus dem Kartellrecht Eine gesetzliche Vermutung kommt im Kartellrecht zur Anwendung. Im Hinblick auf die festgestellten Schwierigkeiten bei der Geltendmachung von Reputationsschäden könnte deshalb die Betrachtung des Kartellrechts einen Erkenntnisgewinn bringen. Es gilt damit die Problemlage im Kartellrecht darzustellen und auf ihre Vergleichbarkeit zu untersuchen. Nur wenn diese gegeben ist, kommt ein Transfer des Regelungskonzepts auf hiesige Konstellation in Frage. aa) Darstellung der kartellrechtlichen Problemlage Nach der Rechtsprechung des BGH kann bei Kartellrechtsverletzungen jeglicher Schaden ersetzt verlangt werden, der bei einem Erwerbsgeschäft aus einem 405 Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 808; Prütting, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 292 Rn. 5; Thole, in: Stein/Jonas (Begr.), 23. Aufl. 2018, § 292 Rn. 5; Huber, in: Musielak/Voit ZPO, 19. Aufl. 2022, § 292 Rn. 5; Bacher, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 292 Rn. 10; Laumen, in: Prütting/Gehrlein, 13. Aufl. 2021, ZPO § 292 Rn. 3; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, 4. Aufl. 2013, ZPO § 292 Rn. 30. 406 Zum Ganzen Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 808 f.; siehe auch Laumen, MDR 2015, 1, 3; Thole, in: Stein/Jonas (Begr.), 23. Aufl. 2018, § 292 Rn. 7 f.; Prütting, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 292 Rn. 7; Bacher, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 292 Rn. 6; Laumen, in: Prütting/ Gehrlein, 13. Aufl. 2021, ZPO § 292 Rn. 8; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, 4. Aufl. 2013, ZPO § 292 Rn. 13. 407 Siehe Laumen, MDR 2015, 1, 2; ders., in: Prütting/Gehrlein, 13. Aufl. 2021, ZPO § 292 Rn. 6; Thole, in: Stein/Jonas (Begr.), 23. Aufl. 2018, § 292 Rn. 8 mit jeweils weiteren Anwendungsfällen. 408 Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 809; siehe auch Huber, in: Musielak/Voit ZPO, 19. Aufl. 2022, § 292 Rn. 5; Thole, in: Stein/Jonas (Begr.), 23. Aufl. 2018, § 292 Rn. 21; Prütting, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 292 Rn. 5 ff.; Bacher, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 292 Rn. 10; Laumen, in: Prütting/Gehrlein, 13. Aufl. 2021, ZPO § 292 Rn. 5; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, 4. Aufl. 2013, ZPO § 292 Rn. 30.

F. Reputationsschaden im Regressanspruch

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kartellbedingten Preisaufschlag herrührt.409 Neben dem Nachweis, dass der Kläger durch den Kartellverstoß berührt wurde, muss auch die Entstehung und Höhe eines Schadens nachgewiesen werden.410 Bei der Schadensart des überhöhten Preises besteht der Schaden in der Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Preis und dem hypothetischen Wettbewerbspreis.411 Die Hürde liegt hier in der Bestimmung des hypothetischen Marktpreises. So sah die Europäische Kommission die Schadensermittlung als große Schwierigkeit von Gerichten und Parteien bei Schadensersatzklagen im Rahmen des Kartellrechts an.412 bb) Kartellrechtlicher Lösungsansatz Um die „mit der Quantifizierung des Schadens in wettbewerbsrechtlichen Fällen verbundenen Schwierigkeiten zu beheben“, legte der Unionsgesetzgeber in seiner Richtlinie aus dem Jahr 2014 eine Schadensvermutung fest. Mithilfe der Schadensvermutung soll „die wirksame Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen“ gewährleistet werden.413 Umgesetzt wurde diese in § 33a Abs. 2 S. 1 GWB. Demnach wird widerleglich vermutet, dass Kartelle einen Schaden verursachen. Die Vermutung bezieht sich auf das Bestehen eines Schadens sowie dessen Verursachung durch den Kartellrechtsverstoß.414 Bei einem kartellbedingt erhöhten Marktpreis führt der Erwerb eines betroffenen Produkts bei den Abnehmern zu einem sog. Preishöhenschaden. Der Preishöhenschaden besteht aus der Differenz zwischen dem wirklich gezahlten Preis und dem Preis, den das Produkt ohne den Kartellrechtsverstoß hätte.415 Die Vermutungsregel umfasst zwar nicht den Schadensumfang,416 jedoch gilt nach § 33a Abs. 3 S. 1 GWB für die Bemessung des Schadens § 287 ZPO. Ge409 BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az. KZR 75/10, NJW 2012, 928, 930 Rn. 29; Bernhard, NZKart 2013, 488, 489. 410 Kersting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33a Rn. 44; Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33a Rn. 93. 411 Kersting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33a Rn. 51; Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33a Rn. 98; vgl. auch Lübbig, in: Münchener Kommentar GWB, 3. Aufl. 2020, § 33a Rn. 37; Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 33 Rn. 36. 412 Mitteilung der Kommission zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – 2013/C 167/07. 413 Richtlinie 2014/104/EU vom 26. November 2014, Erwägungsgründe (47). 414 BT-Drs. 18/10207, S. 55; Kersting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33a Rn. 65; Lübbig, in: Münchener Kommentar GWB, 3. Aufl. 2020, § 33a Rn. 33. 415 Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33a Rn. 98. 416 Richtlinie 2014/104/EU vom 26. November 2014, Erwägungsgründe (47): „Diese Vermutung sollte nicht die konkrete Höhe des Schadens erfassen“; hierzu Franck, in:

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Kap. 4: Schaden

richte sind befugt, die Höhe des Schadens zu schätzen, „wenn es praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig ist, die Höhe des erlittenen Schadens aufgrund der vorhandenen Beweismittel genau zu beziffern“.417 Nach § 287 ZPO reicht es aus, wenn der Kläger einen Schaden in ungefährer Höhe behauptet und einen Mindestbetrag beziffert. Er ist nicht verpflichtet, einen Betrag in bestimmter Höhe als Schadensersatz zu fordern.418 Der Kläger ist jedoch verpflichtet, sog. Anknüpfungstatsachen darzulegen, die dem Gericht eine Grundlage für eine Schätzung bieten.419 Eine „völlig abstrakte Berechnung“ des Schadens420 oder eine Schätzung, die „mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft“ hängt,421 ist nicht möglich.422 cc) Stellungnahme und eigener Ansatz Die Probleme, der sich ein Kläger bei der Geltendmachung eines Schadens aufgrund Kartellverstoßes ausgesetzt sieht, und die der Geltendmachung von Reputationsschäden ähneln sich. Auf beiden Seiten gibt es grundsätzliche Probleme im Rahmen der Schadensverursachung und -höhe. Es ist denkbar, dass ein Unternehmen im Nachgang eines reputationsschädigenden Ereignisses erhebliche Umsatzeinbußen oder einen Rückgang in für das Unternehmen relevanten Kennzahlen, wie Abonnentenzuwächse, Seitenaufrufe oder ähnlichem, erleidet. Diese Verluste sind zumindest theoretisch quantifizierbar. Problematisch wird die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität zu dem reputationsschädigenden Ereignis sein. Im Kartellrecht wird dieses Problem mithilfe einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung der Schadensursächlichkeit und der Möglichkeit der Schadensschätzung durch das Gericht gelöst, um die effektive Durchsetzbarkeit des Rechts zu gewährleisten. Auch im Fall des Reputationsschadens kann eine Kausalitätsvermutung weiterhelfen. Die im Kartellrecht genutzte gesetzliche Vermutung greift jedoch zu weit. Während bei der gesetzlichen Vermutung eine Beweistatsache vermutet wird, Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33a Rn. 73; Kersting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33a Rn. 66; Lübbig, in: Münchener Kommentar GWB, 3. Aufl. 2020, § 33a Rn. 33. 417 Art. 17 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2014/104/EU vom 26. November 2014. 418 BGH, Beschluss vom 7. 4. 2009 – KZR 42/08, GRUR-RR 2009, 319; Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33a Rn. 97. 419 Vgl. KG, Urteil vom 01.10.2009 – 2 U 17/03, NJOZ 2010, 536; Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33a Rn. 97. 420 BGH, Urteil vom 08.05.2012 – VI ZR 37/11, NJW 2012, 2267, 2268 Rn. 9. 421 BGH, Urteil vom 16.12.1963 – III ZR 47/63, NJW 1964, 589. 422 Vgl. Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33a Rn. 97.

F. Reputationsschaden im Regressanspruch

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handelt es sich bei der tatsächlichen Vermutung um einen einfachen Erfahrungssatz, der als Indiz im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung dient.423 Auf die hiesige Konstellation angewendet würde dies bedeuten, dass ein Nachweis des Unternehmens, dass es zeitlich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schadensereignis finanziellen Einbußen erlitten hat, als Indiz für die Kausalität zwischen dem feststehenden Verstoß des Organmitglied und der erlittenen finanziellen Einbußen gewertet wird. Wird eine gesetzliche Vermutung genutzt, würde es nicht ausreichen, dass die Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen der gesetzlichen Vermutung erschüttert wird, vielmehr muss ein Vollbeweis des Gegenteils geführt werden.424 Der Vorstand müsste also den Vollbeweis führen, dass die erlittenen Umsatzeinbußen nicht auf seine Pflichtverletzung zurückzuführen sind. Dies wird ihm zumeist unmöglich sein. Für die tatsächliche Vermutung spricht in dieser Konstellation deshalb die einfachere Möglichkeit, die Vermutung zu erschüttern. Es reicht bereits aus, Indizien anzuführen, die gegen die Anwendung des Erfahrungssatzes im vorliegenden Einzelfall sprechen.425 Hier ist etwa denkbar, dass der Vorstand auf saisonale Effekte oder Sonderereignisse verweist, die Auswirkungen auf den Umsatz oder anderweitig geltend gemachte Verluste hatten. Eine schwer bis unmöglich zu widerlegende gesetzliche Vermutung der Kausalität im Regressanspruch würde den Vorstand im Fall der Reputationsschäden unangemessen benachteiligen. Im Kartellrecht wird die Vermutung mit der Informationsasymmetrie und dem geheimen Charakter des Kartells gerechtfertigt.426 Dies leuchtet bei Wettbewerbsstreitigkeiten ein, in denen Geschädigte nur sehr eingeschränkt Einblick in die schadensrelevanten Informationen haben werden. Im Fall eines Reputationsschadens durch pflichtwidriges Vorstandshandeln besteht für die geschädigte Gesellschaft jedoch keine solche Informationsasymmetrie. Die leichter zu erschütternde tatsächliche Vermutung ist deshalb im Hinblick

423 Thole, in: Stein/Jonas (Begr.), 23. Aufl. 2018, § 292 Rn. 7 f.; Prütting, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 292 Rn. 7; Bacher, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 292 Rn. 6; Laumen, in: Prütting/Gehrlein, 13. Aufl. 2021, ZPO § 292 Rn. 8; Assmann, in: Wieczorek/Schütze ZPO, 4. Aufl. 2013, § 292 Rn. 13; Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 808 f.; Laumen MDR 2015, 1, 3. 424 Laumen, in: Prütting/Gehrlein ZPO, 13. Aufl. 2021, § 292 Rn. 5; Huber, in: Musielak/Voit ZPO, 19. Aufl. 2022, § 292 Rn. 5; Thole, in: Stein/Jonas (Begr.), 23. Aufl. 2018, § 292 Rn. 21; Prütting, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 292 Rn. 5 ff.; Bacher, in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 45. Edition Stand: 01.07.2022, § 292 Rn. 10; Assmann, in: Wieczorek/Schütze ZPO, 4. Aufl. 2013, § 292 Rn. 30; Huber, in: Musielak/Voit ZPO, 19. Aufl. 2022, § 292 Rn. 5; Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 809. 425 Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 809; Thole, in: Stein/Jonas (Begr.), 23. Aufl. 2018, § 292 Rn. 7; Huber, in: Musielak/Voit ZPO, 19. Aufl. 2022, § 292 Rn. 1; Assmann, in: Wieczorek/Schütze ZPO, 4. Aufl. 2013, § 292 Rn. 13; siehe auch Laumen, in: Prütting/Gehrlein ZPO, 13. Aufl. 2021, § 292 Rn. 8. 426 Richtlinie 2014/104/EU vom 26. November 2014, Erwägungsgründe (47).

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Kap. 4: Schaden

auf die erheblichen Schäden, die der Gesellschaft im Falle reputationsschädigendem Fehlverhalten drohen, aber auch mit Blick auf die Interessen des Vorstands angemessener.

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform 1. Die Reputation ist nachweislich ein bedeutsamer Vermögenswert der Gesellschaft. 2. Obwohl die Reputation im rechtswissenschaftlichen Diskurs vielfach als Argument herangezogen wird, ist die Frage der tatsächlichen Bestimmung des Reputationsschadens nahezu unbehandelt und ungeklärt. 3. Gretchenfrage ist die Bestimmung der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und (Reputations-)Schaden. Bisher vorgeschlagene Lösungsmodelle vermögen diese nicht zu beantworten und sind deswegen abzulehnen. Die unterschiedlichen Indizes zur Reputation von Unternehmen sind für das Untersuchungsziel ungeeignet, Ansätze wie die event-study leiden unter erheblichen Defiziten. 4. Der vielversprechendste und stimmigste Ansatz ist die Anwendung der gewöhnlichen Grundsätze des Bürgerlichen Rechts, also die Anknüpfung an unmittelbar auf das reputationsschädigende Ereignis (Pflichtverletzung) zurückzuführende Vermögenseinbußen. Auch hier wird die Kausalitätsfeststellung de lege lata jedoch vielfach unmöglich sein. 5. De lege ferenda kann eine Kausalitätsvermutung hierüber hinweghelfen. Kann ein Unternehmen nachweisen, dass es zeitlich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schadensereignis finanzielle Einbußen erlitten hat, wird dies als Indiz für die Kausalität zwischen dem feststehenden Verstoß des Organmitglieds und den erlittenen finanziellen Einbußen gewertet werden. Die Kausalitätsvermutung ist dementsprechend als tatsächliche Vermutung auszugestalten, die durch Vollbeweis des Gegenteils, die Erschütterung des einfachen Erfahrungssatzes und die Erschütterung der Überzeugung des Tatrichters widerlegt werden kann.

Kapitel 5

Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags in Thesenform 1.

Der BGH führt mit dem Schloss-Eller-Urteil seine Rechtsprechungslinie bezüglich des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens fort und entscheidet damit entgegen der wohl herrschenden Ansicht im Schrifttum.

2.

Der Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG verfolgt zwar auch präventive Zwecke, originäre Aufgabe des Anspruchs ist indes der Ausgleich des Schadens. Die nur nachrangige Präventionsfunktion vermag den Weg für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht zu versperren.

3.

Die Untersuchung des im Fall der hypothetischen Aufsichtsratszustimmung maßgeblichen Schutzzwecks der verletzten Norm führt zu dem Ergebnis, dass auch dieser eine Berufung auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht versperrt. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist damit grundsätzlich bei Verletzung von Kompetenz-, Organisations- und Verfahrensverstößen anwendbar.

4.

Auch der Einwand des hypothetischen Hauptversammlungsbeschlusses ist grundsätzlich zuzulassen. Gesichtspunkte, die allgemein eine unterschiedliche Behandlung zwischen der ersten und zweiten Variante des Einwands verlangen, sind nicht ersichtlich.

5.

Die Befragung der maßgeblichen Aufsichtsratsmitglieder stellt die einzige Möglichkeit für den beklagten Vorstand dar, die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens bezüglich der Verletzung des Zustimmungsvorbehalt zu erfüllen. Nur damit ist der Nachweis gewährleistet, wie der Aufsichtsrat in seiner damaligen Besetzung abgestimmt hätte.

6.

Ähnlich wie bei der Aufsichtsratszustimmung kann auch bei der hypothetischen Hauptversammlungszustimmung nur die nachträgliche Befragung der Hauptversammlung die Darlegungs- und Beweislast des Einwands befriedigen.

7.

Es konnte gezeigt werden, dass die nach den gängigen Ansätzen nicht mögliche Zurechnung in Kollegialentscheidungen eine planwidrige Regelungslücke darstellt, die eine analoge Anwendung von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB notwendig macht und rechtfertigt. Sie stellt für die zivilrechtliche Haftung von

204

Kap. 5: Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags in Thesenform

Organmitgliedern in Kollegialentscheidungen eine einfach handhabbare Norm dar, die über das zu Beginn als nicht zufriedenstellend angesehene Ergebnis einer Nicht-Haftung hinweghilft. 8.

Obgleich sich in der strafrechtlichen Literatur diverse Lösungsansätze gebildet haben, kann, trotz grundsätzlicher Ähnlichkeit der Kausalitätsbegriffe, in der strafrechtswissenschaftlichen Literatur kein (1:1) auf das Zivilrecht und hiesige Organhaftungsansprüche transferierbarer Ansatz ausgemacht werden.

9.

Bei einem ablehnenden Votum des Organmitglieds ist eine Mithaftung für den rechtswidrigen Beschluss abzulehnen. Ebenfalls nicht haftbar macht sich ein Organmitglied durch eine Enthaltung. Eine Kausalität kann hier nicht festgestellt werden.

10. Es konnte gezeigt werden, dass eine Kooperation eines Unternehmens mit den Ermittlungsbehörden oder eine vergleichsbedingte Beendigung des Rechtsstreites nicht pauschal zu einer Kausalitätsunterbrechung führt. 11. Der auf der Differenzhypothese basierende Schadensbegriff der §§ 249 ff. BGB ist anzuwenden. Es ist unbeachtlich, ob der Vermögensminderung auch der Unternehmenszweck entgegensteht, weswegen der sogenannte subjektive Vermögensbegriff abzulehnen ist. 12. Geldbußen sind grundsätzlich ersatzfähige Schäden i. S. v. § 93 Abs. 2 AktG und nicht generell vom Regress ausgeschlossen. Weder die Höchstpersönlichkeit von Strafzahlungen noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sprechen grundsätzlich gegen die Ersatzfähigkeit der Geldbuße im Rahmen des Anspruchs nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. 13. Die Ersatzfähigkeit beschränkt sich dabei auf die Ahndungskomponente, die Abschöpfungskomponente ist hingegen nicht regressfähig. 14. Auch bei einer reinen Ahndungsgeldbuße kann eine versteckte Abschöpfung mitenthalten sein, welche nicht ersatzfähig ist. Der Abschöpfungsanteil ist bei reinen Ahndungsgeldbußen genau zu bestimmen, eine pauschalisierte Feststellung ist abzulehnen. 15. Eine Regressbeschränkung ist de lege lata mangels tragfähigen dogmatischen Fundaments abzulehnen. Weder eine Übertragung der Arbeitnehmergrundsätze noch eine Haftungsreduktion auf Basis der Fürsorgepflicht ist dogmatisch begründbar. 16. Während die Grundsätze betrieblicher Tätigkeit nicht ohne Weiteres auf die Organhaftung übertragen werden können, ist die große Schwäche der Haftungsreduktion qua Fürsorgepflicht ihre konturenlose dogmatische Grundlage. Der in mehreren Aktienrechtsreformen nicht angetastete unbegrenzte Regressanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG lässt wenig Raum für Rechtsfortbildungen.

Kap. 5: Zusammenfassung des wesentlichen Ertrags in Thesenform

205

17. De lege ferenda ist eine allgemeine Haftungsbeschränkung mangels Notwendigkeit abzulehnen. Weder die als sehr hart kritisierten Modalitäten der Vorstandshaftung noch rechtsökonomische Erwägungen können eine allgemeine Haftungsbeschränkung oder -reduzierung begründen. 18. Einer Vorteilsanrechnung stehen die beschriebenen Schutzzwecke des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nicht entgegen. Insbesondere die der Präventionsfunktion übergeordnete Kompensationsfunktion streitet für die grundsätzliche Zulassung einer Vorteilsanrechnung. Eine Sperrung würde die Gesellschaft ungerechtfertigt begünstigen. 19. Einen Teil der Aufwendungen für die Tätigkeit eigener Mitarbeiter im Zuge interner Untersuchungen wird man als Rechtsverfolgungs- bzw. Schadensminderungskosten klassifizieren können, die nicht unter Bearbeitung bzw. eigene Mühewaltung im Sinne der skizzierten Rechtsprechungspraxis fallen. 20. Kosten für die Tätigkeit externer Berater sind, soweit notwendig, entweder als schadensmindernde Aufwendungen oder Rechtsverfolgungskosten ersatzfähig. Hier ist im Einzelfall zu unterscheiden. 21. Eine gesetzliche Vorschrift, die der Ersatzfähigkeit von individuell vereinbarten Honoraren im Rahmen eines materiellen Kostenerstattungsanspruches entgegenstehen könnte, besteht nicht. Insbesondere stellt die Vereinbarung eines höheren als des sich aus dem RVG ergebenden Honorars regelmäßig keinen Verstoß gegen § 254 Abs. 2 S. 1 BGB dar. 22. Quaestio famosa im Rahmen der Geltendmachung von Reputationsschäden ist die Bestimmung der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und (Reputations-)Schaden. Bisher vorgeschlagene Lösungsmodelle können diese nicht beantworten und sind deswegen abzulehnen. Die unterschiedlichen Indizes zur Reputation von Unternehmen sind für das Untersuchungsziel ungeeignet, Ansätze wie die „Event-Study“ leiden unter erheblichen Defiziten. 23. Der vielversprechendste und stimmigste Ansatz ist die Anwendung der gewöhnlichen Grundsätze des Bürgerlichen Rechts, also die Anknüpfung an unmittelbar auf das reputationsschädigende Ereignis (Pflichtverletzung) zurückzuführende Vermögenseinbußen. Auch hier wird die Kausalitätsfeststellung de lege lata jedoch vielfach unmöglich sein. 24. De lege ferenda kann eine Kausalitätsvermutung hierüber hinweghelfen. Kann ein Unternehmen nachweisen, dass es zeitlich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schadensereignis finanzielle Einbußen erlitten hat, wird dies als Indiz für die Kausalität zwischen dem feststehenden Verstoß des Organmitglieds und der erlittenen finanziellen Einbußen gewertet werden. Die Kausalitätsvermutung ist als tatsächliche Vermutung auszugestalten.

Quellenverzeichnis Der letzte Abruf der Internetfundstellen erfolgte am 01.08.2022. Allianz: Allianz Risk Barometer 2012; https://www.agcs.allianz.com/content/dam/one marketing/agcs/agcs/reports/Allianz-Risk-Barometer-2012.pdf. Allianz: Allianz Risk Barometer 2020; https://www.agcs.allianz.com/content/dam/one marketing/agcs/agcs/reports/Allianz-Risk-Barometer-2020.pdf. AMO: What price reputation? – 2019; https://www.deekeling-arndt.com/fileadmin/user _upload/Wissen/Fokusthemen/AMO-Report_Reputation/2019_07_03_AMO_What_ Price_Reputation_Report.pdf. Bender, René/Menzel, Stefan/Votsmeier, Volker: Dieselskandal kostet VW mehr als 30 Milliarden Euro – Ex-Chef Winterkorn kommt mit rund elf Millionen davon, handelsblatt.com vom 01.06.2021; https://www.handelsblatt.com/unternehmen/indus trie/streit-ueber-schadensersatz-dieselskandal-kostete-vw-mehr-als-30-milliarden-eu ro-ex-chef-winterkorn-kommt-mit-rund-elf-millionen-davon/27244030.html?ticket= ST-10509140-wCuelSwHfhjwP2ZpQLef-ap1. Bundeskartellamt: B12-22/15 und B12-21/17 – Fallbericht vom 28. September 2021; https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartell verbot/2021/B12-22-15_B12-21_17.html. Bundeskartellamt: Leitlinien für die Bußgeldzumessung im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren 2021; https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/ Leitlinien/Bußgeldleitlinien_Oktober2021.pdf?__blob=publicationFile&v=8. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft; https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzge bungsverfahren/Dokumente/RefE_Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.pdf;jsessionid= 5B242F860A95DFE28FB40FED9CD640FB.1_cid297?__blob=publicationFile&v=1. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetzesentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft; https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_Staer kung_Integritaet_Wirtschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Bundesrechtsanwaltskammer: Statistisches Berichtssystem für Rechtsanwälte STAR – Bericht 2020; https://brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/star-2020/star2020_er gebnisbericht_02-2021.pdf. Bundesregierung: Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP; https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/04221173eef9a67 20059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1. Deutsche Bank: Allianz, Axa und Zurich zahlen für Breuer, versicherungsbote.de vom 03.05.2016; https://www.versicherungsbote.de/id/4840509/Deutsche-Bank-AllianzAxa-Zurich-Breuer/.

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Sachwortverzeichnis Abberufung 110, 175 Adäquanztheorie 31 ff., 97 Aktienrechtliche Binnenhaftung 90 ff. Anspruchsdurchsetzung 26 ff., 155 f., 160 Äquivalenztheorie 30 f., 86, 93, 97 ff. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 20, 74, 80, 131, 155 f., 191 Aufbau der Aktiengesellschaft 53 ff. Aufwendungen 116 f. Business Judgment Rule 63, 69, 174 Compliance-System 163, 178 D&O-Versicherungsschutz 157 ff. Darlegungs- und Beweislast – Kosten interner Ermittlungen 189 f. – Rechtmäßiges Alternativverhalten 64 ff. Differenzhypothese 125 f., 127, 134, 137 f., 167, 169, 195 f. Entlastung durch Hauptversammlung 60 ff. event study 194 ff. Existenzvernichtende Haftung 20 f., 144 f. Fahrlässigkeit 20, 25, 146, 147, 156 Fürsorgepflicht 150 ff.

– Notwendigkeit 154 ff. – Versicherungsschutz 157 ff. hindsight bias 66 ff., 73 Kartellgeldbuße 133, 139 ff., 144 Kollegialentscheidungen 85 ff. – Haftung eines überstimmten Organmitglieds 107 ff. – Haftung nach zustimmendem Votum 88 ff. – Strafrechtliche Ansätze 96 ff. Kooperation mit Verfolgungsbehörden 111 ff. – Aufwendungen 116 f. – Herausforderungsfälle 115 f. – Pflicht 113 f. – Vergleichsvereinbarungen 120 ff. – Zurechnungszusammenhang 114 ff. Kosten interner Ermittlungen 177 – Ersatzfähigkeit 180 ff. – Siemens/Neubürger 178 f. Legalitätspflicht 25, 54, 90 f., 132, 168 f., 173, 178 NESS-Test 103 ff. Nützliche Pflichtverletzungen 172 f. OWiG-Verfahren 112 ff., 129

Gesamtverantwortung 87, 178 Gesetzliche Vermutung 197 ff. Haftungsbegrenzung 144 ff. – Fürsorgepflicht 150 – Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung 145 ff.

Rechtmäßiges Alternativverhalten 36 ff., 64 ff., 79 ff. Rechtsökonomie 161 ff. Rechtswidrigkeitszusammenhang 34 f. Reputationsschaden 190 ff. – event study 194 ff.

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Sachwortverzeichnis

– Terminologie 192 f. – Vermögensschaden 193 f. Schaden – Begriff 125 f. – Subjektiver Vermögensbegriff 126 Schienenkartell 132 f. Schloss-Eller-Urteil 42 ff., 80 ff. Schutzzweck der Norm 33 ff. – Kompensationszweck 48 ff. – Präventionszweck 48 ff. – Rangverhältnis 50 f. – Schutzzweck des Schadensrechts 47 – Vorteilsausgleichung 172 ff. – Zustimmungsvorbehalt 52 ff. Tatsächliche Vermutung 197 ff.

Unternehmerisches Ermessen 37, 44 f., 73 ff. Verbandsgeldbuße 127 ff. – Ahndungsgeldbuße 139 ff. – Regressfähigkeit 130 ff. – Schienenkartell 132 f. – Verfahren 128 f. – Zweck 128 Vermutungslösung 197 ff. Vorteilsausgleichung 167 ff. – Anwendbarkeit im Organhaftungsrecht 168 ff. – Verletzung interner Vorschriften 171 f. Zustimmungsvorbehalt 55 ff. – Schutzzweck 58 ff.