Katalysatoren der Kulturkritik?: Konservative Verlage im Westdeutschland der Nachkriegszeit. Die DVA als Beispiel [1 ed.] 9783428583577, 9783428183579

Obgleich Zeithistoriker immer wieder den immensen Einfluss von Buchverlagen auf die Diskurse der Nachkriegszeit betonen,

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Katalysatoren der Kulturkritik?: Konservative Verlage im Westdeutschland der Nachkriegszeit. Die DVA als Beispiel [1 ed.]
 9783428583577, 9783428183579

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Zeitgeschichtliche Forschungen 59

Katalysatoren der Kulturkritik? Konservative Verlage im Westdeutschland der Nachkriegszeit. Die DVA als Beispiel Von Konstantin Götschel

Duncker & Humblot · Berlin

KONSTANTIN GÖTSCHEL

Katalysatoren der Kulturkritik?

Zeitgeschichtliche Forschungen Band 59

Katalysatoren der Kulturkritik? Konservative Verlage im Westdeutschland der Nachkriegszeit Die DVA als Beispiel

Von

Konstantin Götschel

Duncker & Humblot · Berlin

Das Zentrum für Buchwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlag: Frankfurter Buchmesse 1960 (© Bundesregierung / Egon Steiner) Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18357-9 (Print) ISBN 978-3-428-58357-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Wer ein Dissertationsprojekt abschließen kann, zumal wenn er sich nicht ausschließlich darauf konzentrieren kann, sondern das Glück einer Familie und die Pflicht einer Berufstätigkeit hat, steht in der Schuld von vielen. Besonders danke ich meiner „Doktormutter“ Prof. Dr. Christine Haug für ihre engagierte Betreuung und Beratung, für den fruchtbaren Austausch und das offene Wort. Es ist nicht selbstverständlich, dass fachliche und menschliche Qualitäten in einem solchen Maße zusammenfallen, wie das bei ihr der Fall ist. Für die Übernahme des Zweitgutachtens gilt mein Dank Prof. Dr. Waldemar Fromm, für die Bereitschaft an der mündlichen Prüfung mitzuwirken zudem Prof. Dr. Ferdinand Kramer. Zu Dank verpflichtet bin ich natürlich auch den Mitarbeitern der verschiedenen Archive, in denen ich recherchieren konnte, insbesondere Thorsten Maentel vom WABW, ohne den nicht nur die Arbeit mit den bisher nicht systematisch erschlossenen DVA-Akten nicht möglich gewesen wäre, sondern der auch Bestände für mich gefunden hat, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie suche. Den wunderbaren Kolleginnen und Kollegen des oekom verlags und besonders meinem Cheflektor Dr. Christoph Hirsch danke ich dafür, dass sie es ganz selbstverständlich ermöglicht haben, Archivreisen und Schreibphasen mit der Verlagsarbeit in Einklang zu bringen. Ich danke meinen Eltern Sonja Götschel und Klaus Will, meinem Bruder Dr. Sebastian Götschel und meinen Schwiegereltern Barbara und Dr. Elmar Mayer für ihren vielfältigen ideellen und ganz konkreten Beistand, Karolin Bove, geb. Schmahl, für den Austausch zur Vita Gotthold Müllers sowie meinem partner in crime Anna Greithanner für die wissenschaftlichen und die anderen Gespräche. In allererster Linie aber danke ich meiner Frau Katja und meiner Tochter Luise, deren Liebe und Langmut mir nicht nur den erfolgreichen Abschluss der Dissertation ermöglicht haben, sondern das Glück des Glückes. Ihnen sei dieses Buch gewidmet.

Konstantin Götschel

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erkenntnisinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 15 18 22 31

B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entnazifizierung und Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bundesrepublik als Kulturnation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Restauration“ und Aufbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mangel und massenhafte Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mark und Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Börsenverein und Börsenplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 36 38 46 55 59 61 66 76

C. Konservatismus nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der Kulturkritik zur Technokratie: Akteure des Konservatismus . . . . 1. Esoterik und Elitismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Preußen und Abendland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pragmatismus und Parteinahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sprechverbote und kulturelle Hegemonie: Topoi des Konservatismus . . . 1. Nation nach dem Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ost und West . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Masse und Materialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 86 87 94 102 107 109 114 119

D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945 – eine Typologie . . . . . . . . I. Revisionistische Verlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klosterhaus-Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Plesse-Verlag/Göttinger Verlagsanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kiepenheuer & Witsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bogen-Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konservative Kulturverlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Otto-Reichl-Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heliopolis-Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konfessionelle Verlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neues Abendland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124 129 131 138 145 149 156 162 165 171 178 182

8 Inhaltsverzeichnis 2. Rufer-Verlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konservative Publikumsverlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rowohlt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189 196 199 206

E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die DVA vor 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anfänge des Verlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die DVA im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die DVA im „Dritten Reich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die DVA in der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Treuhänderschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Interregnum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags . . . . 1. Ein Spiegel der Deutschen: zum Umgang mit dem Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Das Gedankengut des Widerstands lebendig erhalten“: die Rolle Gotthold Müllers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Der führende politische Verlag der Bundesrepublik“ . . . . . . . . . . . . . IV. Programmbereiche und Autorengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschichte und Geschichtspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ost und West . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kulturkritik und Zeitdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zum Verhältnis von ökonomischen Zielen und politischer Wirkungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

214 216 218 224 230 237 238 245 253 263 264 281 293 307 308 323 337 353

F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Abkürzungsverzeichnis ACSP Archiv für Christlich-Soziale Politik AG Aktiengesellschaft BAK Bundesarchiv Koblenz BDI Bundesverband der Deutschen Industrie BMG Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen BRD Bundesrepublik Deutschland BVP Bayerische Volkspartei CCF Congress for Cultural Freedom/Kongress für kulturelle Freiheit CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands CSU Christlich-Soziale Union in Bayern DDP Deutsche Demokratische Partei DDR Deutsche Demokratische Republik Deva Deutsche Verlags-Anstalt (auch DVA) DKP–DRP Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei DLA Deutsches Literaturarchiv DNVP Deutschnationale Volkspartei DP Deutsche Partei DRP Deutsche Reichspartei dtv Deutscher Taschenbuchverlag DVA Deutsche Verlags-Anstalt (auch Deva) DVP Deutsche Volkspartei EBK Europäischer Buchklub FDJ Freie Deutsche Jugend FDP Freie Demokratische Partei GB/BHE Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung IfZ Institut für Zeitgeschichte KG Kommanditgesellschaft KgU Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit KNJ Kameradschaftsring Nationaler Jugendverbände KPD Kommunistische Partei Deutschlands KVP Konservative Volkspartei

10 Abkürzungsverzeichnis KZ Konzentrationslager NATO North Atlantic Treaty Organization/Nordatlantikpakt-Organisa­ tion NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei RAF Rote Armee Fraktion RBTV Robert-Bosch-Testamentsvollstreckung RSK Reichsschrifttumskammer SA Sturmabteilung der NSDAP SBZ Sowjetische Besatzungszone SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SRP Sozialistische Reichspartei SS Schutzstaffel der NSDAP StAL Staatsarchiv Ludwigsburg StAS Staatsarchiv Sigmaringen UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken USA United States of America/Vereinigte Staaten von Amerika VfZ Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte WABW Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg

A. Einleitung Die ersten Überlegungen zu dieser Untersuchung, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Februar 2021 als Dissertation angenommen wurde, gehen in das Jahr 2017 zurück. Es war dies das Jahr jener Frankfurter Buchmesse, bei der es zu Rangeleien bei einer Demonstration gegen eine Veranstaltung des rechten Verlegerehepaares Ellen Kositza und Götz Kubitschek kam und sich der im Folgejahr verstorbene Trikont-Verleger Achim Bergmann bei einer Auseinandersetzung mit Besuchern der Jungen Freiheit eine blutige Nase holte.1 Diese Ereignisse waren zwar nicht der Ausgangspunkt, aber vielleicht eine erste Bestätigung der Annahme, dass die Rolle konservativer Verlage – wie auch immer deren Konservatismus im Einzelnen verstanden werden mag – in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung häufig unterschätzt wurde und dies nach wie vor wird, obwohl sie mitunter geradezu handgreiflich in Erscheinung tritt. Im Nachhinein rückte in der medialen Berichterstattung auch die zentrale Rolle sowohl von Zeitschriften wie von Buchverlagen für die Konstituierung, Selbstvergewisserung und Wirkungsentfaltung einer sich oftmals als „konservativ“ gerierenden Neuen Rechten in den Fokus.2 Dass die Öffentlichkeitswirkung konservativer Welt- und Gesellschaftsdeutungen jedoch mitnichten auf randständige Nischen der deutschen Diskurs- und Verlagslandschaft beschränkt bleibt, hatte bereits 2010 Thilo Sarrazins bei der Deutschen VerlagsAnstalt (DVA) erschienenes Buch Deutschland schafft sich ab illustriert, das die öffentliche Debatte über Monate prägen konnte. Dabei fällt die Konjunktur pessimistischer, mitunter alarmistischer Diskurse, Publikationen und letztlich Politiken mit globalen Zäsuren zusammen, die eine bloße Fortsetzung eingeübter Praktiken nicht mehr zulassen. Umbruchphasen verlangen nach Orientierung und neuen, mitunter extrem konfliktbeladenen Verständigungsversuchen über die Werte und Entwicklungsziele einer Gesellschaft vor dem Hintergrund der neuen politischen, kulturellen, ökonomischen und sozialen Situation. Dabei treten stets auch Haltungen

1  Vgl. Thöne, Eva: Tumulte auf der Buchmesse. Dialog unmöglich. In: Spiegel Online, 15.10.2017. URL: www.spiegel.de/kultur/literatur/frankfurter-buchmesse-dieauseinandersetzung-mit-den-rechten-a-1172953.html [letzter Zugriff: 30.12.2017]. 2  Vgl. bspw. Eiermacher, Martin/Fuchs, Christian/Middelhoff, Paul: Ein aktives Netzwerk. In: Die Zeit 72 (2017), Nr. 45.

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A. Einleitung

der Abwehr und Wünsche nach der Bewahrung des Status quo respektive der Restitution des Status quo ante auf – die medial vermittelt werden. Es nimmt nicht wunder, dass gerade nach dem Zusammenbruch des NSRegimes und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 kulturkritische Perspektiven mit konservativem Impetus jenseits der Linken einen hegemonialen Status erlangen konnten. Die katastrophale wirtschaft­ liche Situation, Wohnungsnot und Nahrungsmittelknappheit führten zu einem negativen Blick auf die individuellen und gesellschaftlichen Bedingungen der Nachkriegszeit: 1951 betrachteten 80 Prozent der Bevölkerung die Zeit zwischen dem Kriegsende und der Währungsreform als die Zeit, in der es Deutschland im 20. Jahrhundert am schlechtesten gegangen sei.3 Vor dem Hintergrund solcher Befunde erkennt Axel Schildt „um 1950 nicht nur das ‚normaleʻ, sondern ein spezifisch verschärftes und kumuliertes Krisenbe­wusstsein“.4 Dabei befand sich der Konservatismus nach 1945 in einer außerordentlich schwierigen Situation: Viele seiner Protagonisten waren prononcierte Gegner der Weimarer Demokratie gewesen, hatten dem Autoritarismus das Wort geredet und galten infolgedessen als Steigbügelhalter der Nazis. Wollten Konservative „nach Auschwitz“ artikulationsfähig bleiben beziehungsweise es wieder werden, mussten sie Strategien entwickeln, die eigene Position sowie die eigene Vergangenheit zu legitimieren. Sie bemühten sich zu diesem Zwecke einerseits um die Anknüpfung an politische und ideengeschichtliche Traditionen, die auf die Zeit vor dem Nationalsozialismus zurückgingen und infolgedessen nicht kontaminiert schienen; andererseits zeichneten sie die Deutschen als Opfer: zunächst des „Verführers“ Hitler, dann der Alliierten und ihrer Besatzungspolitik, für die die Entnazifizierungsverfahren zum Symbol avancierten.5 Insbesondere Rechtsintellektuelle aus dem Umfeld der „Konservativen Revolution“ flüchteten sich in einen Gestus der Unbeugsamkeit.6 Für sie war der Nationalsozialismus der Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen „Geist und Macht“, das Ergebnis einer Fehlentwicklung, die letztlich in der Aufklärung ihren Anfang nahm.7 3  Vgl. Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und „Zeitgeist“ in der Bundesrepublik der 50er Jahre (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 31). Hamburg: Christians, 1995. S. 307. 4  Ebd. S. 324. 5  Vgl. Schildt, Axel: Konservatismus in Deutschland. Von den Anfängen im 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München: C. H. Beck, 1998. S. 223. 6  Vgl. Laak, Dirk van: Trotz und Nachurteil. Rechtsintellektuelle Reaktionen im Anschluß an das „Dritte Reich“. In: Loth, Wilfried/Rusinek, Bernd-A. (Hrsg.): Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Frankfurt am Main/New York: Campus, 1998. S. 55–77. 7  Vgl. Fischer, Ludwig: Zur Sozialgeschichte der westdeutschen Literatur. In: Schildt, Axel/Sywottek, Arnold (Hrsg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz, 1998. S. 551–562.



A. Einleitung13

Eine derartige Deutung konnten auch andere Konservative teilen. Borussisch-monarchistische Kräfte wie der Vorsitzende der Deutschen Partei HansJoachim von Merkatz oder der Erlanger Historiker Hans-Joachim Schoeps erblickten im preußischen Obrigkeitsstaat den Gegenentwurf zum „Abso­ lutismus des Volkes“ genauso wie zum „Absolutismus des Fürsten“.8 Die katholische Abendländische Bewegung begriff den Nationalsozialismus als ­Ergebnis der Säkularisierung und setzte auf eine christliche renovatio. Pragmatische Konservative hingegen erblickten gerade im demystifizierten Staats­ verständnis der jungen Bundesrepublik und der Überwindung der Partikular­ interessen durch die Bildung von milieu- und konfessionsübergreifenden „Volksparteien“ die Gewähr gegen einen Rückfall in Autoritarismus und Bar­­barei. Bei allen Differenzen lassen sich einige Topoi skizzieren, die allen konservativen Strömungen gemein waren. Insbesondere der Massendiskurs erlebte nach 1945 einen Aufschwung. Die Moderne wurde, wie bereits in ihren Anfängen, als Prozess der Entpersönlichung begriffen. Dem „uniformen Menschen“ sollte nun wieder eine kulturelle Elite „echter Persönlichkeiten“ entgegengesetzt werden. Auch eine skeptische Haltung gegenüber technologischen Entwicklungen war kennzeichnend. Diese waren nicht nur durch zwei Weltkriege, die in ihrer ganzen Perversion ohne den rationellen und effektiven Einsatz moderner technischer Instrumente nicht denkbar gewesen wären, diskreditiert, sie unterstützten, so eine häufige Deutung, auch die Degradierung des Menschen zum Konsumenten im privaten und zum seinem Werk entfremdeten Maschinenarbeiter im ökonomischen Bereich. Eine unmittelbare Reaktion auf die Umstände der Zeit stellte die Besorgnis nicht nur über diese Entfremdung, sondern auch über eine allgemeine Entwurzelung dar. In einer Situation, in der eine riesige Anzahl Vertriebener in den Westen und hier vor allem in die Großstädte floh, in denen infolge des Bombenkriegs ohnehin viel zu wenig Wohnraum erhalten war, erblickten Kommentatoren wie Otto Friedrich Bollnow Gefahren wie die „Einebnung der Persönlichkeit“ oder die „Auflösung der geistig-seelischen Einheit der Person“.9 Der Verlust der Ostgebiete und die neue Realität des Ost-West-Konflikts verbanden sich mit der Frage nach der Rolle und dem Selbstverständnis Deutschlands beziehungsweise des westdeutschen Teilstaats. Die Auseinandersetzung mit dem „Bolschewismus“ im Osten ging oftmals einher mit seiner Ineinssetzung mit dem nationalsozialistischen Totalitarismus, wodurch sowohl eine 8  Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (künftig: IfZ-Archiv), Schoeps, Hans-Joachim: MS 242, 1: Preußentum und Gegenwart. Vortrag von Prof. Dr. Hans-Joachim Schoeps, gehalten auf der Soldatentagung der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise in Königswinter am 7. Februar 1953. S. 1, 4. 9  Bollnow, Otto Friedrich: Neue Geborgenheit. Das Problem einer Überwindung des Existentialismus. Stuttgart: Kohlhammer, 1955. S. 161, 168.

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A. Einleitung

Relativierung der Singularität der deutschen Verbrechen wie die Anknüpfung an den Antikommunismus als „gesamtdeutsche Integrationsideologie“ ermög­ licht wurden.10 Derlei Deutungen stießen in der depravierten und verunsicherten Nachkriegsgesellschaft auf erhebliche Resonanz, obgleich konservative Schriftsteller, Publizisten und Intellektuelle nicht nur mit einer Delegitimierung mancher Traditionsbestände konfrontiert waren, sondern auch mit ganz handfesten Restriktionen: Bis 1948/49 unterlagen Verlage und Publikationen einem Lizenzierungszwang der Besatzungsmächte, die die Betätigung von in den Entnazifizierungsverfahren belasteten Autoren, Verlegern und Buchhändlern ebenso untersagten wie Veröffentlichungen mit antidemokratischer oder nationalistischer Tendenz; noch bis zur Wiedererlangung der weitgehenden Souveränität der Bundesrepublik 1955 bestanden Eingriffsmöglichkeiten der Siegermächte.11 Darüber hinaus hatte der Buchhandel mit erheblichen Schwierigkeiten bei Produktion und Vertrieb zu kämpfen: Große Teile der Geschäftsgebäude waren ebenso zerstört wie Druckmaschinen, in den ersten Nachkriegsjahren herrschte akuter Papiermangel, die Standesorganisation wurde erst langsam wieder etabliert und mit Leipzig war das bisherige Zentrum des Kommissionsbuchhandels jenseits des „Eisernen Vorhangs“ in unerreichbare Ferne gerückt. Gleichwohl wurden in der frühen Nachkriegszeit zahlreiche Verlage (wieder-)eröffnet, die sich in der vermeintlichen „Stunde Null“12 des Jahres 1945 an der Orientierungssuche nach dem Zivilisations- und Kulturbruch der NSHerrschaft mit Programmen beteiligten, die – unterschiedlich akzentuiert und in variierendem Umfang – konservative Signa trugen. Neben Zeitschriften waren Bücher zentrale Medien dieser Suche, und einige der Bestseller der Nachkriegsjahre illustrieren augenfällig Topoi konservativer Debatten. So wurde José Ortega y Gassets elitistischer Essay Der Aufstand der Massen von der DVA allein zwischen 1947 und 1956 in sieben Auflagen vorge10  Vgl. Creuzberger, Stefan/Hoffmann, Dierk (Hrsg.): „Geistige Gefahr“ und „Immunisierung der Gesellschaft“. Antikommunismus und politische Kultur in der frühen Bundesrepublik (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Sondernummer). Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2014. 11  Vgl. Umlauff, Ernst: Der Wiederaufbau des Buchhandels. Beiträge zur Geschichte des Büchermarktes in Westdeutschland nach 1945. Frankfurt am Main: Börsenverein des Deutschen Buchhandels, 1978. Sp. 72 ff. 12  Zur Diskussion und Problematik der Auffassung des Jahres 1945 als „Stunde Null“ siehe bspw. Möller, Horst: Die Relativität historischer Epochen: Das Jahr 1945 in der Perspektive des Jahres 1989. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 43 (1995), Nr. 18/19. S. 3–9; Goch, Stefan: Deutschlands Erfolgsweg zur demokratischen Gesellschaft? Zu neueren Darstellungen der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland. In: Archiv für Sozialgeschichte 41 (2001). S. 633–662.



I. Erkenntnisinteressen15

legt13 und Ernst von Salomons Abrechnung mit der Entnazifizierung, Der Fragebogen, wurde nach seinem Erscheinen 1951 innerhalb weniger Monate mehr als 200.000 Mal verkauft – ihr Autor war in der Weimarer Republik an der Ermordung Walther Rathenaus beteiligt und reüssierte später als Lektor bei Rowohlt.14

I. Erkenntnisinteressen Während die Bedeutung von Periodika, insbesondere den kulturell-politischen Zeitschriften, für die Auseinandersetzungen und Diskurse über die Neuorientierung in der deutschen Nachkriegsgesellschaft gut erforscht ist, blieb die Rolle von Buchverlagen bislang weitgehend unbeachtet – obgleich Bücher, wie die obigen Beispiele illustrieren, ein deutlich größeres Publikum erreichen konnten als viele der auf ein eher überschaubares kultur- und politikaffines Klientel beschränkten Zeitschriften. Der Einfluss von Büchern, ihren Autoren und Verlagen darf als wesentlich für die gesellschaftlichen Diskurse der Nachkriegszeit angesehen werden. Dem entspricht die Beachtung dieses Themenkomplexes in der Forschung in keiner Weise. Die vorliegende Studie möchte einen Beitrag zum Schließen dieser Lücke leisten. Sie untersucht den spezifischen Beitrag konservativer Verlage zu den politischen und gesellschaftlichen Debatten der Nachkriegszeit und expliziert und exemplifiziert ihre Erkenntnisse anhand des Beispiels der Deutschen Verlags-Anstalt. Sie verfolgt dabei die These, dass konservative Verlage als Multiplikatoren in der gesellschaftlichen Debatte, als geschichtspolitische Akteure und als Katalysatoren der Kulturkritik fungierten, mithin eine wichtige Funktion in den Werte- und Orientierungsdebatten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft einnahmen: Buchverlage waren Institutionen der Artikulation konservativer Theoreme und Weltsichten. Sie ermöglichten die Wiedergewinnung konservativer Sprechfähigkeit und wurden somit zu einem wesentlichen Träger konservativer agency.

13  Vgl. Bühner, Björn: Kulturkritik und Nachkriegszeit. Zur Funktionalisierung bildungsbürgerlicher Semantik in den politisch-kulturellen Zeitschriften 1945–1949. Heidelberg: Winter, 2014. 14  Vgl. Krohn, Claus-Dieter: Intellektuelle und Mandarine in Deutschland um 1930 und 1950. In: Gallus, Alexander/Schildt, Axel (Hrsg.): Rückblickend in die Zukunft. Politische Öffentlichkeit und intellektuelle Positionen in Deutschland um 1950 und um 1930 (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 48). Göttingen: Wallstein, 2011. S. 51–69. Hier S. 68; Schildt, Axel: Auf neuem und doch scheinbar vertrautem Feld. Intellektuelle Positionen am Ende der Weimarer Republik und am Anfang der Bonner Republik. In: Gallus/Schildt, Rückblickend in die Zukunft. S. 13–32. Hier S. 22.

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A. Einleitung

Das Erkenntnisinteresse der Arbeit liegt in der historisch-empirischen Untersuchung der Frage, welche Funktion konservative Verlage, Programme beziehungsweise Programmanteile sowie einzelne Akteure innerhalb und außerhalb der Verlage in der Nachkriegszeit gewannen und welche Position ihnen im westdeutschen Nachkriegskonservatismus und für seine Wirkungsentfaltung zukam, welche Rolle sie mithin für die geistig-kulturellen Neuorientierungsversuche der Nachkriegszeit spielten. Sie verfolgt dabei eine Reihe untersuchungsleitender Fragestellungen: Wie sind Verlage beziehungsweise Programme überhaupt als „konservativ“ zu fassen? Welche Facetten des Konservatismus wurden abgebildet und wie gestaltete sich die entsprechende Verlagslandschaft? Wer waren die Akteure eines kulturpolitischen Konservatismus im Buchhandel? Welche Rolle spielten personelle und strukturelle Kontinuitäten, die ins „Dritte Reich“ beziehungsweise noch weiter zurückreichten? In welchem Verhältnis wurden idea­listische Absichten und ökonomische Zielsetzungen von den Verlagen und ihren Autoren gesehen? Wie ist also auch das Verhältnis von gesellschaft­ licher Wirkungsabsicht und strategischer Marktorientierung zu fassen? Wie begriffen die Verlage und Verleger ihre Rolle im Wiederaufbau der Gesellschaft im westdeutschen Teilstaat? Wie war es um das ideelle Selbstverständnis der untersuchten Verlage bestellt und wie stellten sie sich selbst dar? Welche Rolle spielte das weltanschauliche Profil für die Verlagswahl von Autoren? Wie sind die Verlage und ihre Autoren im Spannungsfeld von „Restauration“ und „Modernisierung“ zu verorten, das die deutsche Nachkriegsgesellschaft im Allgemeinen und den Nachkriegskonservatismus im Speziellen kennzeichnete? Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich dabei vom Kriegsende 1945 bis circa 1960, wobei bei der Betrachtung von Teilaspekten auch in frühere und spätere Zeiträume ausgegriffen wird. Mit dem Ende des Nazi-Regimes und dem Beginn der Verwaltung Deutschlands durch die Militärregierungen der Alliierten änderten sich die Voraussetzungen publizistischen Wirkens grundlegend, wobei durchaus auch Kontinuitäten konstatiert werden können, etwa mit Blick auf die Steuerung des Buchmarkts, die sowohl im Nationalsozialismus eine zentrale Rahmenbedingung buchhändlerischer Aktivität war wie auch, mutatis mutandis, in der Zeit zwischen Kriegsende und der Gründung der Bundesrepublik.15 Auch eine Zensur fand weiterhin statt, freilich änderten sich ihre Prämissen grundlegend: Waren es zuvor „entartete“ Werke, kritische, progressive oder jüdische Literatur, die unterdrückt wurden, achte15  Vgl. Wittmann, Reinhard: Verlagswesen und Buchhandel 1945–1949. Ein Überblick. In: Estermann, Monika/Lersch, Edgar (Hrsg.): Buch, Buchhandel und Rundfunk 1945–1949 (= Mediengeschichtliche Veröffentlichungen, Bd. 1). Wiesbaden: Harrassowitz, 1997. S. 34–52.



I. Erkenntnisinteressen17

ten die Besatzungsmächte nun darauf, dass keine Schriften erschienen, die den Nationalsozialismus verherrlichten, dem Nationalismus, Imperialismus und Rassismus das Wort redeten oder der Idee internationaler Kooperation entgegenstanden. Auch die zunächst prägende Knappheit an Produktionsmitteln war bereits in den Kriegsjahren ein limitierender Faktor der Buchproduktion. Eine wichtige Zäsur innerhalb des Untersuchungszeitraums bildet die Währungsreform: Waren Bücher zuvor ein knappes Gut, das weitgehend unabhängig von Ausstattung und Inhalt seine Käufer fand, änderten sich die Rezeptions- und Erwerbsmodi nach 1948 grundlegend und eine zunehmend scharfe Konkurrenz auf dem Buchmarkt machte neue Strategien und Programmpolitiken notwendig. Bis Mitte der 1950er Jahre konsolidierte sich der Buchmarkt weitgehend, das Verlagssterben infolge der Währungsreform fand ein Ende, die verbleibenden Akteure stabilisierten ihre Position – und mit der Aufhebung des Besatzungsstatuts oblag die Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen des Buchmarkts und der Kulturpolitik endgültig der Bundesrepublik. Das Ende des Untersuchungszeitraumes erklärt sich daraus, aber auch aus der Geschichte der DVA, die das ausführliche Fallbeispiel in der Studie darstellt. Die Eröffnung des neuen Verlagshauses und der Umzug aus dem Provisorium in die angestammte Stuttgarter Neckarstraße im Jahre 1958 sind das augenfällige Symbol für das Ende der Nachkriegszeit im Verlag; 1960 schied mit Gotthold Müller der Verlagsdirektor aus, der die Nachkriegs-DVA wesentlich prägte und sein verlegerisches Handeln auch in den Dienst seiner (geschichts-)politischen Mission stellte.16 Auch der westdeutsche Konservatismus durchlief eine Wandlung, die Ende der 1950er Jahre manifest wurde: Er verlor angesichts der politischen Konsolidierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs der Bundesrepublik seinen kulturkritischen Impetus und häutete sich zu einem „technokratischen Konservatismus“, der von Arnold Gehlen oder Helmut Schelsky vertreten wurde und der antiutopisch-realistisch seine Aufgabe in der Forcierung und Lenkung des Wirtschaftswachstums und der damit verbundenen technologischen Entwicklung sah. Die Modernisierung von Gesellschaft und Kultur suchte er nicht länger zu verhindern, sondern lediglich zu steuern.17 Damit rückten andere Topoi und Prämissen in den Vordergrund – sie zeigen gewissermaßen das Ende der Nachkriegszeit des westdeutschen Konservatismus an.

16  Vgl. DVA (Hrsg.): Im 110. Jahr. Almanach der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart im Jahr der Wiedererrichtung ihres Verlagshauses. Stuttgart: DVA, 1958; DVA (Hrsg.): 175 Jahre DVA. Die Deutsche Verlags-Anstalt von 1831 bis 2006. München: DVA, 2006. S. 42 ff. 17  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 236 ff.

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A. Einleitung

II. Vorgehen Um die skizzierten Fragestellungen zu untersuchen, bedient sich die Arbeit eines zeithistorischen wie buchwissenschaftlichen Instrumentariums. Sie legt die Annahme zugrunde, dass der Doppelcharakter des Buches als geistiger Wert und als Handelsobjekt die Basis verlegerischen Handelns ist, und verortet dieses Handeln im Kontext der spezifischen zeitgenössischen ökonomischen, rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, aber auch der ideengeschichtlichen Hintergründe.18 Die Arbeit verknüpft dies mit der Perspektive einer erneuerten Ideengeschichte, die die Akteure und ihre agency in den Mittelpunkt rückt, einer Intellectual History der westdeutschen Nachkriegszeit, die „die literarischen, kulturellen, sozialen und politischen Denk- wie Rollenmuster, ihre Produzenten, Streiter und Diskurse sowie ihre Kommunikations- und generationellen Netze“ zu ihrem Gegenstand macht.19 Alexander Gallus schlägt zur Handhabbarmachung dieser Aspekte neben anderen einen „die materiell-kulturellen Ermöglichungsbedingungen intellektuellen Wirkens ins Zentrum setzende[n] Weg einer Geschichte der Verlage, Medien und Mentoren“ vor, der in vorliegender Untersuchung mit einem weiteren von ihm skizzierten Ansatz, dem eines „biografie- und erfahrungsgeschicht­ liche[n] Zugang[s]“ gepaart wird.20 Mit diesem Zugriff lässt sich die Rolle des Mediums Buch und seines Verlags, aber auch die Rolle, die die zu untersuchenden Akteure und Institutionen dem Buch als Medium gesellschaftlichpolitischer Kommunikation zubilligen, fassen und analysieren. Freilich ließe sich eine Geschichte konservativer Medialität der Nachkriegszeit auch mit Fokus auf populäre, möglicherweise triviale, jedenfalls massenhaft konsumierte, dem Massengeschmack entsprechende und diesen formende Formate schreiben; und sie sollte geschrieben werden. Die Masse der Populär- und Trivialliteratur, die auch in der Nachkriegszeit eine erhebliche Verbreitung und immense wirtschaftliche Bedeutung hatte, wird hier gleichwohl nur am Rande gestreift. Konstatierte Helmut Kreuzer 1967 noch, dass es umstritten sei, inwieweit Trivialliteratur überhaupt einen legitimen Gegenstand der (hier: literaturwissenschaftlichen) Forschung dar­ 18  Vgl. Abteilung Buchwissenschaft des Gutenberg-Instituts für Weltliteratur und schriftorientierte Medien an der Universität Mainz: Über uns. URL: www.buchwissenschaft.uni-mainz.de/ueber-uns/ [letzter Zugriff: 01.01.2018]. 19  Gallus, Alexander: Wie schreibt man eigentlich eine Intellectual History der Bundesrepublik? Mögliche Konstellationen und Koordinaten einer Vermessung. In: Gallus, Alexander/Liebold, Sebastian/Schale, Frank (Hrsg.): Vermessungen einer ­Intellectual History der frühen Bundesrepublik. Göttingen: Wallstein, 2020. S. 19–35. Hier S. 21. 20  Ebd. S. 22.



II. Vorgehen19

stelle,21 dürfte mittlerweile außer Frage stehen, dass gerade die massenhaft produzierte und rezipierte populäre Literatur ein gewinnbringendes Objekt für die Untersuchung des Einflusses von Printmedien auf gesellschaftliche Diskurse und im spezifischen Fall ihrer Rolle für die Vermittlung und Popularisierung konservativer Topoi wäre, beispielsweise hinsichtlich der Deutung des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Eine solche kann allerdings von der vorliegenden Studie nicht systematisch geleistet werden, zu verschieden wären Fokus und Instrumentarium von einer Intellectual History konservativer Verlage und Autoren, die mehr oder minder explizite, reflektierte und theoretisch fundierte Beiträge zu den Orientierungsdiskursen der Zeit zu leisten beabsichtigten. Denn auch Intellektuelle sind nach wie vor ein lohnender Gegenstand der Betrachtung. Als Akteure gesellschaftlicher Sinnstiftung und politischen agenda settings transzendieren sie, meist eingebunden in bestimmte Gruppen und Netzwerke, in gewissem Maße die soziokulturelle Einbettung ihres Denkens, den historischen Kontext ihres Schaffens. Sie formulieren Ideen und entwickeln Ordnungsentwürfe, die freilich wiederum historisch verortet sind und von den Akteuren in aller Regel selbst auch historisch verortet werden, dabei aber eben über den Status quo ihrer Gegenwart hinausweisen. Axel Schildt zufolge ist es die Qualifikation des Intellektuellen, grundsätzliche Meinungen, in denen sich gesellschaftliche Interessenlagen spiegeln, zu möglichst originellen individuellen Ansichten umzuformen.22 Im Zentrum einer Intellectual History der Bundesrepublik steht dabei die Ordnungen konstituierende Kraft von Vorstellungen, Ideen und Gedankengebäuden. Ihr Gegenstand sind die Strukturen, die Ideen und Träger von Ideen prägen – und die einen Möglichkeitsraum schaffen, aus dem heraus Ideen und Träger von Ideen wiederum auf die Strukturen einwirken können, um so den Möglichkeitsraum gewissermaßen kaskadierend zu verändern. Intellektuelle werden als jene verstanden, die diese Vorstellungen, Ideen und Gedankengebäude entwerfen und artikulieren, als Personen, die geistige Arbeit verrichten und mit dieser über ihre spezifische Tätigkeit hinaus auf eine weitere Öffentlichkeit zielen und dezidiert politische Ideen in die gesellschaftlichen Diskurse tragen. Die frühe Bundesrepublik war dabei ein ausgesprochen differenziertes Spannungsfeld unterschiedlicher politischer Ideen und Ordnungsentwürfe. 21  Vgl. Kreuzer, Helmut: Trivialliteratur als Forschungsproblem. Zur Kritik des deutschen Trivialromans seit der Aufklärung. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 41 (1967), Nr. 2. S. 173–195. Hier S. 174. 22  Vgl. Schildt, Axel: Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. Göttingen: Wallstein, 2020. S. 27.

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A. Einleitung

Und diese wurden in besonderem Maße von Intellektuellen artikuliert und vermittelt. Die Aufgabe der Intellectual History ist es vor diesem Hintergrund, so Harald Bluhm und Walter Reese-Schäfer, „die ideengeschichtliche Dimension eines sozialen Diskussionsmilieus [zu] erschließen, wo die Ideen nicht bloß gedacht und entwickelt worden sind, sondern in dem die Protagonisten vor allem ständig nach geeigneten Organisationsformen suchten und suchen mussten, um ihre Vorstellungen zu entwickeln, zu verbreiten und durchzusetzen“.23 Und Alexander Gallus, Sebastian Liebold und Frank Schale mahnen, „die mediengeschichtliche Grundierung intellektuellen Wissens in den Blick zu nehmen: als gleichsam ‚materielle‘ Seite einer Ideen­ geschichte“.24 Dieser Mahnung eingedenk, präpariert die Studie in vier Teilen in einem Dreischritt die Träger, Topoi, Wirkungsabsichten und Programm- und Geschäftspolitiken konservativer Verlage beziehungsweise solcher mit konservativen Programmanteilen heraus. Dafür werden zunächst die rechtlichen, politischen, kulturellen und ökonomischen Rahmenbedingungen buchhändlerischen Wirkens und publizistischer Arbeit dargestellt. Es werden die Bedingungen der Besatzungszeit in den drei westlichen Zonen in ihren Grundzügen und Unterschieden skizziert. Insbesondere die Restriktionen des Berufszugangs, der Zulassung von Unternehmen und der Genehmigung von Publikationen vor dem Hintergrund der Entnazifizierung und den Zielen der Reeducation und Reorientation müssen hierbei betrachtet werden. Darüber hinaus sind die ökonomischen, technologischen und strukturellen Faktoren der Wiedererrichtung des Buchhandels in Westdeutschland in den Blick zu nehmen. Die veränderten Bedingungen infolge der Währungsreform sollen sodann ebenso erläutert werden wie die Marktkonsolidierungs- und -normalisierungsprozesse nach Gründung der Bundesrepublik. Die Modi der Literaturproduktion, -distribution und -rezeption in der Ära Adenauer sind ebenfalls zu untersuchen, um das Feld, in dem sich die zu untersuchenden Akteure betätigen, zu beleuchten. Anschließend betrachtet die Arbeit die geistig-kulturelle Konstitution Westdeutschlands, insbesondere mit Fokus auf die spezifische Situation des Konservatismus. Diese war zuvörderst geprägt durch die mannigfaltigen Im23  Bluhm, Harald/Reese-Schäfer, Walter: Einleitung. In: Bluhm, Harald/ReeseSchäfer, Walter (Hrsg.): Die Intellektuellen und der Weltlauf. Schöpfer und Missionare politischer Ideen in den USA, Asien und Europa nach 1945 (= Schriftenreihe der Sektion Politische Theorien und Ideengeschichte in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Bd. 8). Baden-Baden: Nomos, 2006. S. 7–22. Hier S. 7. 24  Gallus, Alexander/Liebold, Sebastian/Schale, Frank: Einleitung. In: Gallus/Liebold/Schale, Vermessungen einer Intellectual History der frühen Bundesrepublik. S. 9–15. Hier S. 14.



II. Vorgehen21

plikationen des totalen Zusammenbruchs des Deutschen Reiches: Die jüdische und progressive Intelligenz hatte das Land verlassen oder war ermordet worden; die Vertreter der Exilliteratur und jene der „inneren Emigration“ trugen scharfe Konflikte aus; die Kirchen erlebten einen kaum gekannten Zustrom; die sich abzeichnende deutsche Teilung führte zu Positionierungen, die mitunter quer zu den politischen Lagern lagen. Der Nachkriegskonservatismus leitete aus der Trauer über verlorene Bezüge und Strukturen in aller Regel kein reaktionäres Streben nach einem verklärten Status quo ante ab, sondern einen Anspruch, in den nun gegebenen Rahmenbedingungen, das hieß in den meisten Fällen auch: innerhalb der demokratisch-pluralistischen Grundordnung, die eigenen, freilich universell verstandenen, Werte zur Geltung zu bringen – unbenommen der naturgemäß großen personellen Kontinuitäten, die in die Weimarer Republik und zum Teil ins Kaiserreich zurückreichten. Der Nachkriegskonservatismus gewann also einen genuin kultur­ kritischen Charakter: Die in der Vergangenheit verlorengegangenen Werte wollte er unter den Bedingungen der neuen Realitäten in der Zukunft verwirklichen.25 Am ehesten wird der zeitgenössische Konservatismus durch Topoi operationalisierbar, die, wie die hier angeführten, nach 1945 die Diskurse innerhalb jener politisch-gesellschaftlichen Strömungen prägten, die sich selbst als „christlich“ oder „bürgerlich“, häufig jedoch nicht als „konservativ“ bezeichneten:26 Kritik der „Vermassung“, Klage über „Entpersön­ lichung“, Streben nach Rekonfessionalisierung, damit verbunden die Ablehnung der Verabsolutierung des Rationalismus und Individualismus, Besinnung auf Tradition und überlieferte Strukturen und Werte sowie ein grundsätzlich antiideologisch verstandener Antitotalitarismus – der in Form des Antikommunismus freilich selbst wieder ideologische Züge gewann. Der weitgehende kulturkritische Konsens der Nachkriegszeit begünstigte die Rezeption und Wirkungsentfaltung konservativer Theoreme, während gleichzeitig säkulare Modernisierungsprozesse in Gang gesetzt wurden. In einem zweiten Schritt wird eine Übersicht über die konservative westdeutsche Verlagslandschaft erarbeitet und eine Typologie konservativer Verlage beziehungsweise solcher mit relevanten konservativen Programmanteilen vorgeschlagen. Das umfasst das gesamte Spektrum von Weltanschauungsverlagen des rechten Randes wie Holle Grimms Klosterhaus-Verlag oder den Plesse-Verlag Waldemar Schütz’ über Häuser aus dem Umfeld der Vertriebenenverbände wie den Bogen-Verlag Herbert Fleissners und antikommunistische Verlage wie Kiepenheuer & Witsch und konservative Kulturverlage wie die von Otto Reichl und Ewald Katzmann, der seinen Verlag zu Ehren 25  Vgl. Bollenbeck, Georg: Eine Geschichte der Kulturkritik. Von Rousseau bis Günther Anders. München: C. H. Beck, 2007. S. 7 ff. 26  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 213.

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Ernst Jüngers in Heliopolis-Verlag umbenannte, bis hin zu konfessionellen Häusern wie dem Rufer-Verlag oder dem Verlag Neues Abendland sowie schließlich konservativen Publikumsverlagen wie Klett und Rowohlt. Ihre Positionierungen, Programmpolitiken und Publikationen sowie deren Rezeption sollen rekonstruiert und geschildert werden, um so einen detaillierten Überblick über die Facetten des konservativen Verlagsbuchhandels der 1940er und 1950er Jahre zu erhalten. Der Einfluss und die Wirkungsweise konservativer Intellektueller, die immense öffentliche Präsenz ihrer Thesen und Themen in der Nachkriegszeit können nur verstanden werden, wenn endlich auch die Strukturen ihrer medialen Vermittlung in den Blick genommen werden. In einem dritten Schritt schließlich wird die Deutsche Verlags-Anstalt als ein Beispiel für einen in Teilen deutlich konservativ zu kennzeichnenden etablierten Publikumsverlag in extenso auf die oben genannten Fragestellungen hin untersucht. Ein Haus wie die DVA ist dafür qua Größe und Programmqualität zweifelsohne besser geeignet als ein eindeutiger profilierter Tendenz- oder Kleinverlag: Ihren Publikationen ermöglichte sie eine größere Verbreitung und Wahrnehmung und damit ein größeres Potential der Wirkungsentfaltung im öffentlichen Raum. Größere ökonomische Spielräume ließen auch die Veröffentlichung von Titeln zu, die als qualitativ oder gesellschaftspolitisch publikationswürdig angesehen wurden, auch wenn ihre Rentabilität fraglich war; gleichzeitig agierte die DVA selbstverständlich als ­gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen, das sich an den Marktgegebenheiten orientierte. Die DVA ist weiterhin insofern ein lohnender Unter­ suchungsgegenstand, als sie keineswegs ohne Weiteres als nur „konservativ“ charakterisiert werden kann. Vielmehr legte sie in der Nachkriegszeit als Publikumsverlag breitgefächerte Programme mit Titeln aller möglichen Stoßrichtungen, Hintergründe und Facetten auf. Umso mehr Potential bietet das Objekt für die Untersuchung und Analyse von Programmpolitiken, internen Kommunikations-, Aushandlungs- und Positionierungsprozessen, von der Rolle bestimmter Akteure, von Bewertungen einzelner Titel und bestimmter Autoren oder von Außendarstellungen gegenüber unterschiedlichen Zielgruppen und Multiplikatoren.

III. Forschungslage Die Verlagsgeschichtsschreibung ist ein seit Langem etabliertes Feld buchhandelshistorischer Forschung. Einer ihrer Ursprünge liegt dabei in Festschriften, die oftmals anlässlich von Jubiläen des jeweiligen Hauses beauftragt oder veröffentlicht wurden. Nicht selten handelte es sich dabei auch um ­autobiographisch gefärbte Verlegererinnerungen oder Sammelbände mit Bei-



III. Forschungslage23

trägen der Hausautoren.27 Wissenschaftliche Relevanz erhält derlei Schrifttum in aller Regel nur durch seinen kritisch zu erfassenden Quellencharakter. Fundierter sind die zahlreich vorliegenden von Buchhandelshistorikern wie Heinz Sarkowski oder Reinhard Wittmann stammenden Gesamtdarstellungen, die die Geschichte von Verlagen über größere Zeiträume hinweg darstellen.28 Deren Schwerpunktsetzungen jedoch sind häufig eher Ergebnis der Überlieferungssituation und des zur Verfügung stehenden Quellenmate­ rials als das einer fokussierten analytischen Perspektive. Sie sind chronologisch oder nach Funktions- beziehungsweise Programmbereichen strukturiert, und es mangelt ihnen ob des großen Untersuchungszeitraums mitunter an Tiefenschärfe. So finden sich zur Nachkriegszeit meist nur wenige Zeilen, die dann oftmals die Geschichte des erfolgreichen Wiederaufbaus kolportieren. Beinahe paradigmatisch erscheint da das regelrecht heroische Bild, das Wittmann von der Nachkriegsgeneration im Allgemeinen und dem Oldenbourg-Verlag im Speziellen zeichnet: „Es erscheint heute kaum mehr begreiflich, mit welcher Tatkraft im zerstörten und besetzten Deutschland der Neubeginn angepackt wurde – nichts war zu spüren von lähmender Depression, nur vom unbändigen Willen, nach dem Ende des Alptraums wieder an den Aufbau zu gehen.“29 Bei derlei Darstellungen werden zwar die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen berücksichtigt, die Verlage und ihre Programme aber kaum im geistes- und ideengeschichtlichen Kontext verortet. Analog zu den Bemühungen einiger Unternehmen anderer Branchen und der öffentlichen Verwaltung, das eigene Wirken während des „Dritten Reiches“ zu untersuchen und aufzuarbeiten, sind in den vergangenen Jahren einige Studien erschienen, die die Rolle von Verlagen im Nationalsozialismus beleuchten, etwa Bertelsmann im Dritten Reich von Saul Friedländer et al., Angelika Königseders Untersuchung zu De Gruyter oder Luchterhand im Dritten Reich von Siegfried Lokatis et al.30 27  Vgl. Trinckauf, Korinna: Nicht nur Festschrift – Methodische Überlegungen zur wissenschaftlichen Verlagsgeschichtsschreibung. In: IASL Online. URL: www.iasl. uni-muenchen.de/discuss/lisforen/Trinckauf_Verlagsgeschichtsschreibung.pdf [letzter Zugriff: 05.01.2018]. 28  Bspw. Sarkowski, Heinz: Der Insel Verlag 1899–1999. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel, 1999; Sarkowski, Heinz: Der Springer-Verlag. Stationen seiner Geschichte. 2 Bde. Berlin: Springer, 1992/1994; Wittmann, Reinhard: Der Carl Hanser Verlag 1928–2003. München: Hanser, 2005; Wittmann, Reinhard: Wissen für die Zukunft. 150 Jahre Oldenbourg Verlag. München: Oldenbourg, 2008. 29  Wittmann, Wissen für die Zukunft. S. 112. 30  Friedländer, Saul et al.: Bertelsmann im Dritten Reich. München: C. Bertelsmann, 2002; Königseder, Angelika: Walter de Gruyter. Ein Wissenschaftsverlag im Nationalsozialismus. Tübingen: Mohr Siebeck, 2016; Lokatis, Siegfried/Kräußlich,

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A. Einleitung

Mittlerweile liegen zudem die standardbildenden Bände der Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert zu Nationalsozialismus und Exil vor.31 Instruktiv ist darüber hinaus der von Klaus G. Saur herausgegebene Sammelband Verlage im Dritten Reich, der mit der Betrachtung einer ganzen Reihe von Verlagen nicht nur Impulse für eine verlagsübergreifende wie transnationale Verlagsgeschichtsschreibung bietet, sondern im Großen und Ganzen auch das Versprechen der gleichberechtigten Analyse der ökonomischen wie der kulturellen Sphäre einlöst. Der Band betont die Kontinuitäten, die in die Jahre vor 1933 zurückreichen. Sie dürfen ebenso wenig vernachlässigt werden wie jene, die über 1945 hinausreichen. Diese letzteren müssen in Studien zur Verlagslandschaft der 1940er und 1950er Jahre grundsätzlich berücksichtigt werden. Beispiele für solche sind zwar nicht gerade Legion, einige Untersuchungen liegen jedoch vor. Zu nennen sind hier etwa Jochen Meyer, dessen bereits 1975 erschienene Untersuchung zum Paul-Steegemann-Verlag in diachroner Perspektive die Zwischenund die Nachkriegszeit in den Blick nimmt;32 Bernd Gruschkas in systemtheoretischer Perspektive verfasste Dissertation zum Verlag von Kurt Desch und seiner Etablierung unter den Rahmenbedingungen des gelenkten Buchmarkts der amerikanischen Besatzungszone;33 Birgit Boges Buch Die Anfänge von Kiepenheuer & Witsch,34 das sich jedoch im Wesentlichen auf Programme und Autoren fokussiert und nur ansatzweise den politisch-gesellschaftlichen Kontext einbezieht, der allerdings gerade bei Joseph Caspar Witsch nicht zu vernachlässigen ist und etwa von Frank Möller auch berücksichtigt wird;35 Sophie/Leinemann, Freya: Luchterhand im Dritten Reich. Verlagsgeschichte im Prozess. Stuttgart: Hauswedell, 2018. 31  Fischer, Ernst/Wittmann, Reinhard (Hrsg.): Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 3: Drittes Reich, Teil 1. Berlin/Boston: De Gruyter, 2015; Fischer, Ernst (Hrsg.): Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 3: Drittes Reich und Exil, Teil 3: Exilbuchhandel 1933–1945. Berlin/Boston: De Gruyter, 2021. 32  Meyer, Jochen: Der Paul Steegemann Verlag 1919–1935 und 1949–1960. Stuttgart: Eggert, 1975. 33  Gruschka, Bernd R.: Der gelenkte Buchmarkt. Die amerikanische Kommuni­ kationspolitik in Bayern und der Aufstieg des Verlages Kurt Desch 1945–1950. In: Historische Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (Hrsg.): ­Archiv für Geschichte des Buchwesens 44. Frankfurt am Main: Buchhändler-Vereinigung, 1995. S. 1–186. 34  Boge, Birgit: Die Anfänge von Kiepenheuer & Witsch. Joseph Caspar Witsch und die Etablierung des Verlags (1948–1959) (= Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, Bd. 78). Wiesbaden: Harrassowitz, 2009. 35  Vgl. Möller, Frank: Joseph Caspar Witsch: Verleger und Netzwerker im Dienst des Antikommunismus. In: Creuzberger/Hoffmann, Geistige Gefahr. S. 297–319; Möller, Frank: Das Buch Witsch. Das schwindelerregende Leben des Verlegers ­Joseph Caspar Witsch. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2014.



III. Forschungslage25

schließlich David Oels’ Dissertation zur Entwicklung des Rowohlt-Verlags zwischen der Weimarer Republik und den 1950er Jahren,36 die luzide den kulturkonservativen Charakter der Veröffentlichungen beleuchtet und „ein breites Panorama kulturhistorischer Facetten des populären Konservatismus der frühen Bundesrepublik“ entfaltet.37 Oels’ Werk ist denn auch eines der wenigen, das explizit den konservativen Gehalt eines Verlagsprogramms in den Blick nimmt, die Publikationspraxis an den Zeitgeist rückbindet, indem es sie als Ausdruck einer „reflexiven“ und „kombinatorischen“ Moderne wertet, und sie mithin als Abbild der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ (Bloch) der ideen- wie gesellschaftshistorischen Prämissen der 1940er und 1950er Jahre kennzeichnet.38 Die weltanschauliche Dimension von Verlagen und ihren Programmen und deren Verortung in den Diskursen nach 1945 untersuchen ansonsten nur wenige Arbeiten. Elisabeth Kampmann bezieht in ihre Untersuchung der Kanonisierungspraxis des Deutschen Taschenbuchverlags die ideengeschichtlichgesellschaftlichen Kontexte seines Wirkens und die weltanschaulichen Hintergründe der den Verlag prägenden Akteure mit ein.39 Reinhard Wittmann versteht in seinem Beitrag zu Oldenbourg im „Dritten Reich“ den Verlag zwar expressis verbis als weltanschaulich „konservativen“, berücksichtigt diese weltanschauliche Dimension in der Analyse allerdings nicht systematisch. Ein von Sigrid Stöckel herausgegebener Sammelband untersucht Politik und Popularisierung im J. F. Lehmanns Verlag, geht jedoch in nur einem Beitrag auf die Verlagsgeschichte nach 1945 ein;40 dieser arbeitet klar die erheblichen weltanschaulichen und programmatischen Kontinuitäten zum Nationalsozialismus und zur radikalen Weimarer Rechten heraus, streift aber die Frage der Rezeption nur am Rande.41 Mit Blick auf die Linke hat ein von Stephan Füssel herausgegebener Band Die Politisierung des Buchmarkts im Kontext von „1968“ untersucht, der Beiträge zu verschiedenen Teilbereichen 36  Oels, David: Rowohlts Rotationsroutine. Markterfolg und Modernisierung eines Buchverlags vom Ende der Weimarer Republik bis in die fünfziger Jahre. Essen: Klartext, 2003. 37  Wiede, Wiebke: Rezension zu Oels, David: Rowohlts Rotationsroutine. Markt­ erfolge und Modernisierung eines Buchverlags vom Ende der Weimarer Republik bis in die fünfziger Jahre. In: H-Soz-Kult, 04.12.2013. URL: www.hsozkult.de/publica tionreview/id/rezbuecher-20428 [letzter Zugriff: 07.01.2018]. 38  Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 384. 39  Kampmann, Elisabeth: Kanon und Verlag. Zur Kanonisierungspraxis des Deutschen Taschenbuch Verlags (= Deutsche Literatur. Studien und Quellen, Bd. 5). Berlin: Akademie Verlag, 2011. 40  Stöckel, Sigrid (Hrsg.): Die „rechte Nation“ und ihr Verleger. Politik und Popularisierung im J. F. Lehmanns Verlag. Berlin: Lehmanns, 2002. 41  Vgl. Stöckel, Sigrid: Neubeginn durch Otto Spatz – Kontinuität oder Wandel? In: Stöckel, Die „rechte Nation“ und ihr Verleger. S. 259–303.

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des Buchmarkts beziehungsweise Literaturbetriebs versammelt, sie jedoch in keine übergreifende Deutung einordnet.42 Arbeiten zur Geschichte der DVA liegen kaum vor, neben zwei dünnen Jubiläumsbänden aus den Jahren 1973 und 200643 liegt einer aus dem Jahr 1958 vor, in dem der damalige DVA-Lektor Felix Berner eine Rekonstruktion der Geschichte des Verlags seit seinen Anfängen unternimmt, die den Verlag zwar glorifiziert, gleichwohl aufschlussreich ist;44 von Berner stammt auch eine Arbeit über die Verlagsgründer Louis (eigentlich: Ludwig) und Eduard Hallberger, die sich jedoch kaum von den entsprechenden Darstellungen in seinem Beitrag für die Jubiläumsschrift unterscheidet.45 Lediglich im ersten Teilband des Bandes der Geschichte des deutschen Buchhandels zum Nationalsozialismus finden sich in Reinhard Wittmanns Betrachtung des Verlagsbuchhandels einige wenige Zeilen, die sich der DVA als Beispiel ­eines „konservativ-bürgerlichen Verlags“ annehmen und dabei vor allem die Person des Verlegers Gustav Kilpper ins Zentrum rücken.46 Zu den politischen, kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen sowie den Entwicklungen des Buchhandels in den ersten 15 Nachkriegsjahren sind die beiden von Monika Estermann und Edgar Lersch herausgegebenen Bände zu Buch, Buchhandel und Rundfunk in den Jahren 1945 bis 1949 und 1950 bis 1960 instruktiv.47 Sie werfen naturgemäß ein deutlich präziseres Licht auf diese Epoche, als dies etwa Wittmanns Überblick über die Buchhandels­ geschichte seit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern tun könnte.48 Für die präzise Rekonstruktion der engeren buchhändlerischen Rahmenbedingungen bleibt zudem Ernst Umlauffs reiche Materialsammlung aus dem Jahr 1978 von zentraler Bedeutung.49 42  Füssel, Stephan (Hrsg.): Die Politisierung des Buchmarkts. 1968 als Branchen­ ereignis (= Mainzer Studien zur Buchwissenschaft, Bd. 15). Wiesbaden: Harrassowitz, 2007. 43  DVA (Hrsg.): 125 Jahre DVA. Stuttgart: DVA, 1973; DVA, 175 Jahre. 44  Berner, Felix: Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. In: DVA, Im 110. Jahr. S. 11–64. 45  Berner, Felix: Louis und Eduard Hallberger: Die Gründer der Deutschen Verlags-Anstalt. Stuttgart: DVA, 1983. 46  Vgl. Wittmann, Reinhard: Verlagsbuchhandel. In: Fischer/Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 3. S. 295–379. Hier S. 352–354. 47  Estermann/Lersch, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1945–1949; Estermann, Monika/Lersch, Edgar (Hrsg.): Buch, Buchhandel und Rundfunk 1950–1960 (= Mediengeschichtliche Veröffentlichungen, Bd. 2). Wiesbaden: Harrassowitz, 1997. 48  Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels. München: C. H.  Beck, 32011. 49  Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels.



III. Forschungslage27

Eine ausführliche Übersicht über Themen und Entwicklungen der Buchhandelshistoriographie bietet Monika Estermanns entsprechender Beitrag im Handbuch Buchwissenschaft,50 einen Eindruck einiger in den letzten Jahren erschienener Studien bietet die Rezensionssammlung von Günther Fetzer.51 Bei Korinna Trinckauf findet sich neben einem Abriss der Entwicklung der Verlagsgeschichtsschreibung eine konzise Zusammenfassung zur Theorie der Verlagshistoriographie sowie der Diskussion darüber: Systemtheorie, die Bourdieu’schen Theoreme von „Feld“ und „Habitus“ sowie unternehmensgeschichtliche Ansätze sind häufig gewählte Zugriffe für die Strukturierung und Komplexitätsreduktion verlagshistorischer Arbeiten.52 Insbesondere Georg Jägers Versuche der Fruchtbarmachung der Systemtheorie53 und Florian Triebels Plädoyer für eine stärkere Beachtung betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge sind auf Resonanz gestoßen;54 Triebels unternehmensgeschichtlicher Fokus führt in seiner Studie zum Diederichs-Verlag zwischen 1930 und 194955 dabei tendenziell zu einer Marginalisierung der nichtökonomischen Aspekte. Olaf Blaschke hat die Dimension kollektiver Identität mit Blick auf die Verlagsgeschichtsschreibung greifbar gemacht, indem er dargelegt hat, dass im deutschen Verlagswesen eine Tendenz zur weltanschau­ lichen, konfessionellen respektive politisch-ideologischen Harmonie beziehungsweise Homogenität zwischen Verlag und Autor zu beobachten ist56 – eine Perspektive, die für die vorliegende Untersuchung von großer Bedeutung ist. Die allgemeine zeithistorische Forschung zur Nachkriegszeit hatte zuletzt eine regelrechte Konjunktur und diese scheint noch nicht gänzlich abgeflaut. 50  Estermann, Monika: Buchhandel, Buchhandelsgeschichte und Verlagsgeschichtsschreibung vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein Überblick über Quellenlage und Forschungsliteratur. In: Rautenberg, Ursula (Hrsg.): Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Berlin/Boston: De Gruyter Saur, 2013. S. 257–320. 51  Fetzer, Günther: Verlage und ihre Geschichte. Achtundzwanzig Rezensionen. Norderstedt: Books on Demand, 2017. 52  Trinckauf, Nicht nur Festschrift. 53  Jäger, Georg: Keine Kulturtheorie ohne Geldtheorie. Grundlegung einer Theorie des Buchverlags. In: IASL online. URL: www.iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisfo ren/jaeger_buchverlag.pdf [letzter Zugriff: 05.01.2018]. 54  Triebel, Florian: Theoretische Überlegungen zur Verlagsgeschichte. In: IASL Online. URL: www.iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisforen/Triebel_Theorie.pdf [letzter Zugriff: 03.12.2017]. 55  Triebel, Florian: Der Eugen Diederichs Verlag 1930–1949. Ein Unternehmen zwischen Kultur und Kalkül (= Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Bd. 13). München: C. H. Beck, 2004. S. 281 ff. 56  Vgl. Blaschke, Olaf: Verleger machen Geschichte. Buchhandel und Historiker seit 1945 im deutsch-britischen Vergleich (= Neue Forschungen zur Gesellschaftsund Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 22). Göttingen: Wallstein, 2010.

28

A. Einleitung

So sind jüngst zwei Werke erschienen, die, wie die vorliegende Untersuchung auch, Dimensionen der Verknüpfung von Mediengeschichte und einer Intellectual History der frühen Bundesrepublik in den Blick nehmen, neben dem oben bereits genannten Band von Gallus et al. das posthum (und nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit) erschienene Fragment des Opus magnum Axel Schildts, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik.57 In diesem vernachlässigt Schildt jedoch bedauerlicherweise die Untersuchung der Funktion von Medien und Multiplikatoren für die Wirkungsentfaltung intellektuellen Schaffens, obgleich er weiß: „Der Grundton intellektueller Diskurse wurde in starkem Maße durch Buchverlage bestimmt, die ein bestimmtes Image, einen gewissen Marktwert und die Aufmerksamkeit für die eigenen Publikationen herzustellen vermochten.“58 Die Qualität des Intellektuellen spricht er Verlagsmitarbeitern rundheraus ab, nur um dann punk­ tuell deren herausragende Rolle für die politische Profilierung und gesellschaftliche Wirkung von Verlagen zu betonen, etwa die der Lektoren Walter Boehlich bei Suhrkamp oder Frank Benseler bei Luchterhand.59 Die essen­ tielle Bedeutung der oben angesprochenen materiellen Ermöglichungsbedingungen, die doppelte Rolle von Verlagen als Intermediäre und Mediatoren zwischen Öffentlichkeit und Intellektuellen und deren Werk, bleibt einer systematischen Analyse so unzugänglich. Die jüngsten Darstellungen bauen auf das Fundament umfangreicher Forschung zu mannigfaltigen Aspekten der Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, insbesondere der 1950er Jahre, die eine deutlich differenziertere Sichtweise auf diese Epoche erlaubt. Von zentraler Bedeutung sind dabei auch die älteren Arbeiten Schildts, die die politische und wirtschaftliche Konsolidierung der Bundesrepublik mit ihren kulturellen und ideengeschichtlichen Entwicklungen verquicken.60 Die Entstehung neuer Konsummuster und neuer massenmedialer Formate, die Ausweitung der Freizeit und die zunehmende Orientierung an westlichen Gesellschaften führten zu einer Dynamisierung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse, die überkommene ­ Strukturen infrage stellte. Modernisierungserscheinungen waren nicht nur im ökonomischen Bereich und im Zusammenhang des „Wirtschaftswunders“ wahrzunehmen, sondern deutlich auch in der kulturellen Sphäre. Sie provozierten damit freilich Abwehrhaltungen, die vor dem als nivellierend wahrgenommenen zeitgenössischen Heute auf der Suche nach Orientierung mitunter ins Gestern zurückgriffen. Der Pluralisierung stand zunächst die Tradierung 57  Gallus/Liebold/Schale, Vermessungen einer Intellectual History der frühen Bundesrepublik; Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. 58  Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. S. 132. 59  Vgl. ebd. S. 37, 41, 696, 715. 60  Schildt, Moderne Zeiten; Schildt/Sywottek, Modernisierung im Wiederaufbau.



III. Forschungslage29

kulturkritischer Ideenbestände gegenüber, die zentrale Aspekte vermeintlichen Fortschritts skeptisch bis ablehnend betrachteten. Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage wird das ältere Narrativ eines Übergewichts restaurativer Tendenzen in der Forschung mittlerweile weithin zurückgewiesen. Stattdessen hat sich der treffende, von Christoph Kleßmann geprägte Topos von der „Modernisierung unter konservativen Auspizien“61 durchgesetzt. Analog dazu hat sich die Bewertung der Konservativen in dieser Epoche der westdeutschen Geschichte entwickelt: Ihre Wahrnehmung in der Forschung hat sich von der abseits stehender Demokratiefeinde hin zu der kulturkritischer Skeptiker gewandelt, die als Medium der Integration fungierten und sich schließlich zu technokratischen Hütern und Trägern der neuen demokratisch-marktwirtschaftlichen Ordnung wandelten.62 Axel Schildt und Alexander Gallus setzen die konservativen Theoreme der Nachkriegszeit mit jenen der Zwischenkriegszeit in Verbindung und untersuchen in diachroner Perspektive intellektuelle Positionen und politische Öffentlichkeit der 1930er und 1950er Jahre. Dabei werden die Kontinuitäten ebenso deutlich wie die Brüche und die besonderen Herausforderungen, denen sich der Nachkriegskonservatismus gegenübersah. Die Autoren messen dem kulturellen und insbesondere dem publizistischen Raum eine erhebliche Bedeutung im Prozess des kulturellen Neuaufbaus und der intellektuellen Selbstvergewisserung bei.63 Die integrative Funktion kulturkritischer Topoi findet in vielen Arbeiten Berücksichtigung, etwa bei Friedrich Kießling, der eine „ideengeschichtliche Archäologie der frühen Bundesrepublik“ verfasst hat,64 oder bei Gabriele Metzler65 und Paul Nolte66, die in ihren umfassenden Darstellungen zur Gesellschaft und Politik Deutschlands auch Aspekte der Kulturkritik berücksichtigen. Jens Hacke rückt die „liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik“ in einen größeren ideengeschichtlichen Zusammenhang.67 Einen dezidierten Blick auf Institutionen und Akteure des kulturpolitischen Konservatismus und des Rechtsintellektualismus nach 1945 werfen Erhard 61  Kleßmann, Christoph: Ein stolzes Schiff und krächzende Möwen. Die Geschichte der Bundesrepublik und ihre Kritiker. In: Geschichte und Gesellschaft 11 (1985), Nr. 4. S. 476–494. Hier S. 485. 62  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 236 ff. 63  Gallus/Schildt, Rückblickend in die Zukunft. 64  Kießling, Friedrich: Die undeutschen Deutschen. Eine ideengeschichtliche Archäologie der alten Bundesrepublik 1945–1972. Paderborn: Schöningh, 2012. 65  Metzler, Gabriele: Konzeptionen politischen Handelns von Adenauer bis Brandt. Politische Planung in der pluralistischen Gesellschaft. Paderborn: Schöningh, 2005. 66  Nolte, Paul: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert. München: C. H. Beck, 2000. 67  Hacke, Jens: Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2006.

30

A. Einleitung

Schütz und Peter Hohendahl. Ihr Sammelband betrachtet die Strategien der neuerlichen Entfaltung von Öffentlichkeitswirksamkeit zunächst delegitimierter Autoren und reflektiert die Rolle, die die Publizistik dafür spielte,68 Aspekte die auch bei Frank-Lothar Kroll mit im Mittelpunkt stehen.69 Einige Studien befassen sich mit einzelnen Vertretern des Nachkriegskonservatismus, nicht zuletzt solchen, die zum Autorenstamm der DVA gehörten, etwa Friedrich Sieburg, Gerhard Ritter oder Gottfried Treviranus.70 Unter der Leitung Frank Böschs und Gideon Botschs wurde im April 2021 ein Forschungsprojekt unter dem Titel „Die radikale Rechte in Deutschland, 1945– 2000“ ins Leben gerufen, das explizit auch rechtsradikale Autoren und Verleger als politische Akteure begreift.71 Studien zu Teilaspekten des Konservatismus finden sich bei Frank Bösch etwa zu Milieu und Organisation, bei Johannes Großmann zu transnationalen konservativen Elitenzirkeln oder bei Stefan Creuzberger und Dierk Hoffmann zur Bedeutung des Antikommunismus in der Formierungsphase der Bundesrepublik.72 Martina Steber hat in ihrer Habilitation in komparatistischer Perspektive die politische Sprache des – zuvörderst parteipolitisch organisiert 68  Schütz, Erhard/Hohendahl, Peter (Hrsg.): Solitäre und Netzwerker. Akteure des kulturpolitischen Konservatismus nach 1945 in den Westzonen Deutschlands. Essen: Klartext, 2009. 69  Kroll, Frank-Lothar (Hrsg.): Die kupierte Alternative. Konservatismus in der Bundesrepublik nach 1945 (= Studien und Texte zur Erforschung des Konservatismus, Bd. 6). Berlin: Duncker & Humblot, 2005. 70  Knäbich, Wolfram: Solitär wider Willen. Wandlungen der Kulturkritik bei Friedrich Sieburg nach 1945. In: Schütz/Hohendahl, Solitäre und Netzwerker. S. 147– 166; Kraus, Hans-Christof: Als konservativer Intellektueller in der frühen Bundesrepublik – Das Beispiel Friedrich Sieburg. In: Kroll, Die kupierte Alternative. S. 267– 297; Cornelißen, Christoph: Ein wissenschaftlicher „Erfolgsautor“ und seine Verlage. Gerhard Ritter 1923–1967. In: Blaschke, Olaf (Hrsg.): Geschichtswissenschaft und Buchhandel in der Krisenspirale? Eine Inspektion des Feldes in historischer, internationaler und wirtschaftlicher Perspektive. München: Oldenbourg, 2006. S. 51–70.; Morsey, Rudolf: Treviranus als Interpret Brünings (1955–1973). In: Hildebrand, Klaus/Wengst, Udo/Wirsching, Andreas (Hrsg.): Geschichtswissenschaft und Zeiterkenntnis. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart. München: Oldenbourg, 2008. S. 597–608. 71  Vgl. ZZF Potsdam: Die radikale Rechte in Deutschland, 1945–2000. URL: www.zzf-potsdam.de/de/forschung/projekte/die-radikale-rechte-deutschland-1945–2000 [letzter Zugriff: 10.02.2021]. 72  Bösch, Frank: Das konservative Milieu. Vereinskultur und lokale Sammlungs­ politik in ost- und westdeutschen Regionen (1900–1960) (= Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen, Bd. 19). Göttingen: Wallstein, 2002; Großmann, Johannes: Die Internationale der Konservativen. Transnationale Elitenzirkel und private Außenpolitik in Westeuropa seit 1945 (= Studien zur internationalen Geschichte, Bd. 35). Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2014; Creuzberger/Hoffmann, Geistige Gefahr.



IV. Quellen31

verstandenen – Konservatismus in Deutschland und Großbritannien zwischen 1945 und 1980 untersucht.73 Schließlich liegt mittlerweile eine große Anzahl von Publikationen zur Omnipräsenz der Abendland-Idee und ihren Implika­ tionen vor.74 Überblickswerke zum deutschen Konservatismus haben unter anderem Schildt und Kurt Lenk vorgelegt.75

IV. Quellen Können also sowohl die Geschichte des Konservatismus der 1940er und 1950er Jahre als auch die Buchhandelsgeschichte jener Jahre als durchaus gut erforscht gelten, ist die Verortung von Verlagen, ihren Programmen und den entsprechenden Akteuren im Feld einer konservativen Verlagslandschaft, die Untersuchung der „Karriere- und Publikationswege der ‚konservativen Revolutionäre‘ “ und anderer Akteure des Konservatismus sowie ihren „intellektuellen Milieus und medialen Foren“,76 noch genauso unterbelichtet wie die der Rolle der DVA vor diesem Hintergrund. Um diesen Desiderata zu begegnen, stützt sich die Arbeit auf bestehende Forschung sowie publizistische und insbesondere archivalische Quellen. Während der erste Teil der Arbeit zu den politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und ideengeschichtlichen Rahmenbedingungen weitgehend unter Rückgriff auf die Literatur ausgearbeitet werden kann, stützen sich der dritte und vierte Teil wesentlich auf – größtenteils bislang nicht ausgewertetes – Quellenmaterial. Wenn Birgit Kuhbandner konstatiert, der Forschungsstand zu einzelnen Verlagen sei „ein Abbild der noch verfügbaren Archivmaterialien“,77 so ist das für die DVA nicht gänzlich richtig. Denn der klaffenden Lücke historiographischer Berücksichtigung des Verlags steht eine umfassende Überlieferung gegenüber. So findet sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach eine große Sammlung zur DVA. Sie umfasst 79 Unterbestände, darunter auch das 73  Steber, Martina: Die Hüter der Begriffe. Politische Sprachen des Konservativen in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980 (= Veröffent­ lichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 78). Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2017. 74  Vgl. Götschel, Konstantin: Abendland in Bayern. Zum Verhältnis von Abendländischer Bewegung und CSU zwischen 1945 und 1955. In: Zeitschrift für Reli­ gions- und Geistesgeschichte 69 (2017), Nr. 4. S. 367–398. 75  Schildt: Konservatismus; Lenk, Kurt: Deutscher Konservatismus. Frankfurt am Main/New York: Campus, 1989. 76  Gallus, Wie schreibt man eigentlich eine Intellectual History? S. 31. 77  Kuhbander, Birgit: Unternehmer zwischen Markt und Moderne. Verleger und die zeitgenössische deutschsprachige Literatur an der Schwelle zum 20. Jahrhundert (= Mainzer Studien zur Buchwissenschaft, Bd. 17). Wiesbaden: Harrassowitz, 2008. S. 25.

32

A. Einleitung

Produktionsarchiv mit über 18.000 Bänden; vor allem aber sind zahlreiche Briefwechsel mit den Autoren des Verlags überliefert. Ernst Fischer versteht Briefwechsel zwischen Autor und Verleger als „Materialsteinbrüche“78 und Christine Haug betont deren Bedeutung als „schier unerschöpfliche, instruktiv-informative Quelle“.79 Sie geben Aufschluss über die wechselseitigen Einflüsse und die jeweilige Positionierung im literarischen – und genauso, so ließe sich ergänzen, im politisch-weltanschaulichen – Feld. Aus ihnen lässt sich die Verhandlung programmpolitischer Aspekte nachvollziehen, aber eben auch, da es sich ja in aller Regel um Geschäftskorrespondenz handelt, solche strategischer und ökonomischer Natur.80 Im Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg an der Universität Hohenheim (WABW) ist das rund 80 Laufmeter umfassende Verlagsarchiv der DVA überliefert. Aus seinen Beständen lassen sich interne Abstimmungsprozesse, Perspektiven auf die politische und geistige Situation der Nachkriegszeit genauso wie Überlegungen zur programmatischen Ausrichtung, zu betriebswirtschaftlichen Aspekten und Marktstrategien rekonstruieren. Der Bestand ist zwar noch weitgehend unerschlossen, wurde aber inzwischen, veranlasst durch das Dissertationsvorhaben, verzeichnet; er wurde für diese Arbeit erstmalig systematisch ausgewertet. Aus den Unterlagen lassen sich genaue Einblicke nicht nur in die Geschäftspolitiken, Programmstrategien und Dynamiken zwischen Verlag, Aufsichtsrat und externen Akteuren wie Autoren, Redaktionen und politischen Institutionen gewinnen, anhand der im WABW vorhandenen Briefwechsel lässt sich insbesondere auch die Haltung und Motivation der Geschäftsführer, und hier vor allem Gotthold Müllers, untersuchen; Müller leitete die DVA zwischen 1953 und 1960, in dem Zeitraum also, der im Zentrum der Untersuchung steht, und war als ehemaliger Volks78  Fischer, Ernst: „… diese merkwürdige Verbindung als Freund und Geschäftsmann“. Zur Mikrosoziologie und Mikroökonomie der Autor-Verleger-Beziehung im Spiegel der Briefwechsel. In: Haug, Christine/Poethe, Lothar (Hrsg.): Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte. Wiesbaden: Harrassowitz, 2006. S. 245–286. Hier S. 245. 79  Haug, Christine: Autor-Verleger-Korrespondenzen als eine Quelle der Buchhandels- und Verlagsgeschichtsschreibung. In: Bremer, Thomas/Haug, Christine (Hrsg.): Verlegerische Geschäftskorrespondenz im 18. Jahrhundert. Das Kommunikationsfeld zwischen Autor, Herausgeber und Verleger in der deutschsprachigen Aufklärung (= Buchwissenschaftliche Beiträge, Bd. 96). Wiesbaden: Harrassowitz, 2018. S. 1–17. Hier S. 13. 80  Vgl. Lawall, Christiane: Verlagswahl, Verlagswechsel und Korrespondenzen von Autoren als Quellen für die Verlagsgeschichtsschreibung. In: Norrick, Corinna/ Schneider, Ute (Hrsg.): Verlagsgeschichtsschreibung. Modelle und Archivfunde. Wiesbaden: Harrassowitz, 2012. S. 30–45; siehe zur herausragenden Bedeutung von Autor-Verleger-Korrespondenzen für die Buch- und Buchhandelshistoriographie sowie zur Methodologie ihrer Analyse, hier mit Blick auf das 18. Jahrhundert, wiederum Haug, Autor-Verleger-Korrespondenzen.



IV. Quellen33

konservativer und Vertrauter Carl Friedrich Goerdelers in seiner verlegerischen Arbeit in hohem Maße dadurch motiviert, dem konservativen Widerstand zu gebührendem Ansehen in der deutschen Nachkriegsgesellschaft zu verhelfen. Korrespondenzen zwischen Verlagen und ihren Autoren finden sich, nicht nur für die DVA, sondern ebenso für einige andere der betrachteten Häuser, auch in Nachlässen, die wiederum in Marbach oder im Bundesarchiv Koblenz überliefert sind, etwa denen von Gerhard Ritter, Ernst Jünger oder Eduard Spranger; auch im IfZ-Archiv oder dem Archiv für Christlich-Soziale Politik finden sich Dokumente, die ein Licht auf die untersuchten Akteure und ihr Handeln werfen. Relevantes Verwaltungsschriftgut lokaler und nationaler Einrichtungen findet sich vereinzelt im Bundesarchiv und für die hier betrachteten Verlage und sonstigen Akteure auch in den Staatsarchiven Ludwigsburg und Sigmaringen. Als Indizien für das Selbstverständnis von Verlagen und ihre Programm­ politiken sind natürlich auch ihre Publikationen selbst ins Auge zu fassen. Daniela Gastell betont: „Neben den grundlegenden Informationen, wie den Namen der Autoren, den Titeln, den Themengebieten oder auch der Anzahl der Auflagen, lässt sich durch eine Analyse der Qualität, der Schwerpunktsetzungen und Meinungsrichtungen des Programms das Profil und Image des Verlags rekonstruieren.“81 Insbesondere bei den nicht durch geschlossene Überlieferung zu fassenden Verlagen muss eine Annäherung über diese heterogenen Quellentypen erfolgen.

81  Gastell, Daniela: Verlagsgeschichtsschreibung ohne Verlagsarchiv. In: Norrick/ Schneider, Verlagsgeschichtsschreibung. S. 46–59. Hier S. 51.

B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945 Der deutsche Buchhandel blickte 1945 auf eine lange und spezielle Tradition zurück, die ihn von dem der anderen europäischen Länder wesentlich unterschied. Als eines der „Mutterländer“ des Buchdrucks mit beweglichen Lettern war das Heilige Römische Reich über Jahrhunderte ein Hotspot der Produktion und des Vertriebs von Druckschriften aller Art. Allein bis 1500 hatten sich im Reich 62 Druckorte herausgebildet, in denen bis zu diesem Zeitpunkt beinahe 10.000 Druckwerke hergestellt worden waren.1 In den folgenden Jahrhunderten ging mit der Zunahme der Literalität eine stete Fortentwicklung nicht nur der Zahlen, Formen und Inhalte gedruckter Werke einher, sondern auch eine Evolution der Vertriebsstrukturen. Während das 15. und 16. Jahrhundert vom Wanderverkehr geprägt waren, entwickelte sich im 17. Jahrhundert der Tauschverkehr zur dominanten Handelsform, ehe sich im 18. Jahrhundert mit der Konstituierung einer bürgerlichen Öffentlichkeit unabhängige und kommerzielle Strukturen auf dem Buchmarkt etablierten.2 Im 19. Jahrhundert dann bildeten sich die institutionellen Strukturen in Grundzügen heraus, die den deutschen Buchhandel bis heute prägen. Angesichts der uneinheitlichen Usancen in der Branche, des Übergewichts der Buchhandelszentren Berlin und Leipzig sowie der häufig prekären Situation regionaler Sortimenter, bildete sich im deutschen Buchhandel eine Reformbewegung heraus, für die in der Historiographie pars pro toto insbesondere der Verleger und Vorsteher des damaligen Börsenvereins Deutscher Buchhändler Adolf Kröner einen prominenten Platz einnimmt. Der nach ihm benannten, 1888 umgesetzten Kröner’schen Reform gelang es mit der Einführung der Buchpreisbindung und der Förderung des buchhändlerischen Vereinswesens auf lokaler Ebene nicht nur, ein level playing field für Verleger und Buchhändler zu schaffen, sondern darüber hinaus wesentlich dazu beizutragen, dass sich der Börsenverein als kleinteiliges Netzwerk etablierte, wodurch sich auch in der Fläche eine echte berufsständische Organisation entwickeln konnte, die fürderhin für die Einhaltung der Branchenusancen ebenso verantwortlich zeichnete wie für die Vertretung der buchhändlerischen Inte­ ressen.3 Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 27. ebd. S. 82, 121, 186. 3  Vgl. Titel, Volker: Von der Gründung des Börsenvereins bis zur Krönerschen Reform (1825–1888). In: Füssel, Stephan/Jäger, Georg/Staub, Hermann (Hrsg.): Der 1  Vgl. 2  Vgl.



B. Der westdeutsche Buchhandel nach 194535

Die Weimarer Jahre waren, bei allen anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Krisenerscheinungen, durch eine große kulturelle und mediale Vielfalt charakterisiert. Die Literatur war dabei ebenso von heterogenen Strömungen geprägt wie das Lesepublikum, das sich häufig anhand politischer Grenzen differenzierte; die in den Zwischenkriegsjahren florierenden Buchgemeinschaften illustrieren dies insofern, als sie häufig einen klaren weltanschaulichen Hintergrund aufwiesen und einen entsprechenden Kundenkreis bedienten. Auch der Börsenverein entging der politischen Polarisierung nicht und war in den Zwischenkriegsjahren in hohem Maße von konservativ-national denkenden Akteuren geprägt.4 Eine berufsständische Organisation des Buchhandels wurde zwar auch im Nationalsozialismus beibehalten, von freier Produktion und freiem Vertrieb von Verlagserzeugnissen konnte im „Dritten Reich“ aber natürlich keine Rede mehr sein. Die im September 1933 als eine der Joseph Goebbels unterstehenden Reichskulturkammer nachgeordnete Behörde ins Leben gerufene Reichsschrifttumskammer (RSK) institutionalisierte als Zwangsorganisation den regimekonformen Buchhandel. Politisch missliebige Autoren, jüdische Schriftsteller, dem Ungeist des Nationalsozialismus entgegenstehende Schriften konnten in der Folge offiziell nicht mehr publiziert werden; der Vorstand des Börsenvereins wurde mit überzeugten Nazis besetzt und damit auf Linie gebracht; hunderte Verlage wurden arisiert oder zerschlagen, während der Franz-Eher-Verlag als Parteiverlag eine herausragende Stellung gewann.5 Die Vielfalt und der Facettenreichtum, die den deutschen Buchhandel einstmals gekennzeichnet hatten, waren verloren. Das Ende des Kriegs und des nationalsozialistischen Regimes wirkte vor diesem Hintergrund zunächst dennoch kaum als eine echte Zäsur; diese stellte eher die „Machtergreifung“ des Jahres 1933 dar. Denn während der Besatzungszeit und der Kontrolle durch die alliierten Militärregierungen in den Zonen unterlag der Buchmarkt ebenso der Zensur, waren seine Akteure ebenso wenig in der Lage, sich autonom zu vergesellschaften wie während des Nationalsozialismus; die Prämissen, unter denen die (Wieder-)Aufnahme buchhändlerischer Tätigkeiten ermöglicht oder untersagt wurde, waren freilich gänzlich anderer Natur. So war die Erteilung von Publikationserlaubnissen und Verlagslizenzen zuvörderst an den Nachweis antifaschistischer Gesinnung sowie die Konformität mit den Zielen der Reeducation gebunden.

Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1825–2000. Ein historischer Aufriss. Frankfurt am Main: Buchhändler-Vereinigung, 2000. S. 30–59. Hier v. a. S. 48 ff. 4  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 329–359. 5  Vgl. Saur, Klaus G.: Verlage im Nationalsozialismus. In: Saur, Verlage im „Dritten Reich“. S. 7–15.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

Zahlreiche zuvor etablierte Schriftsteller, Buchhändler und Verleger waren so zunächst gezwungen, in Passivität zu verharren. Eine Zäsur ist im Jahr 1945 dennoch auch insofern nicht zu erblicken, als sich der deutsche Buchhandel, insbesondere im Westen, um die Reetablierung hergebrachter Strukturen wie Marktteilnehmer bemühte. Mit dem Ende der alliierten Besatzung und der Gründung der Bundesrepublik entfielen die meisten Restriktionen, die Branche konnte sich mit dem Börsenverein und seinen verschiedenen Einrichtungen wieder eine berufsständische Organisation geben, die der hergebrachten Form in vielen Aspekten entsprach, und auch die Buchpreisbindung hatte Bestand. Zudem setzten sich grosso modo auch die alten Akteure wieder durch, insbesondere im Verlagswesen, in dem viele der nach 1945 erfolgten Neugründungen keinen dauerhaften Bestand hatten. Die Bestsellerautoren der Vorkriegs- und Kriegsjahre, insbesondere jene der „inneren Emigration“, waren auch die in der Nachkriegszeit meistgelesenen. Nichtsdestoweniger stellt sich die Nachkriegszeit als eine Epoche dar, in der der westdeutsche Buchhandel grundlegende Wandlungen erfuhr, allerdings weniger aufgrund politischer Entwicklungen als aufgrund solcher gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und medientechnischer Natur. Herrschte in den Jahren bis zur Währungsreform ein solcher Mangel an Büchern, vor allem aber an anderen Konsumgütern vor, dass der Buchhandel zwar auf der Produktionsseite mit massiven Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, auf der Absatzseite aber geradezu paradiesische Bedingungen vorfand, setzte nach 1948 eine Bereinigung des Markts ein, die dazu führte, dass zahlreiche Akteure von ihm verdrängt wurden. Mit dem Fortschreiten des Wiederaufbaus und der wirtschaftlichen Erholung traten aber auch neue Lesergruppen auf den Plan, neue Vertriebswege und Formate etablierten sich. So gediehen die Buchgemeinschaften weiterhin, während der Leihbuchhandel seinen Niedergang erlebte; Taschenbücher wurden nun in Massen nachgefragt; und das populäre Sachbuch, das sich im Spannungsfeld zwischen Eskapismus und gesellschaftlicher Debatte bewegte, avancierte zu einer festen Größe auf dem Buchmarkt. Der westdeutsche Buchhandel sah sich in der Nachkriegszeit also jener eigentümlichen Melange aus Kontinuitäten und Neuanfängen gegenüber, die für die gesamte deutsche Nachkriegsgesellschaft prägend war und die das Narrativ von der „Stunde Null“ ins Reich der Mythen verweist.

I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen Die politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen buchhändlerischer Aktivität, kulturellen Wirkens und publizistischen Wirt-



I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen37

schaftens wandelten sich zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den späten 1950er Jahren mehrfach und grundlegend. Von den Akteuren des Buchhandels – wie von denen sämtlicher anderer gesellschaftlicher Bereiche – verlangte dies die Fähigkeit zur fortwährenden Anpassung an neue Voraussetzungen, aber genauso die Entwicklung von Strategien, auf die Änderung dieser Voraussetzungen entsprechend ihrer Interessen hinzuwirken, und durchaus auch die Bereitschaft, die Größe und den Zuschnitt der Möglichkeitsräume auszutesten, in denen sich verlegerisches Handeln vollzog. Im Untersuchungszeitraum wandelte sich der Buchmarkt von einem mit Mitteln der Repression und der Kriminalisierung den weltanschaulichen Zielen des totalitären NS-Regimes untergeordneten zunächst hin zu einem gesteuerten Markt in einer reglementierten Öffentlichkeit unter der Aufsicht der alliierten Siegermächte, die in ihrer jeweiligen Besatzungszone jeweils unterschiedliche Agenden mit unterschiedlichen Mitteln verfolgten. Während etwa in der amerikanischen Zone eine verhältnismäßig permissive Politik herrschte, dank der auch belastete Autoren und Verleger recht schnell wieder aktiv werden konnten, wirkte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) in ihrer Zone auf eine in ihrem Sinne ideologisch opportune Verlags- und Literaturlandschaft hin, in der freilich die Entnazifizierung weitaus gründlicher durchgesetzt wurde. Die Enge des Rahmens stand der Weite des Geistes jedoch nicht entgegen, die sich in den Westzonen etwa in der Vielzahl von Zeitschriften-, aber auch Verlagsgründungen, dem Kulturhunger der Deutschen und den engagierten Debatten der Intellektuellen zeigte. Die Kultur diente nicht zuletzt als Vehikel der Selbstvergewisserung der Deutschen, die wirtschaftlich depraviert, politisch zerrissen und moralisch diskreditiert waren: Statt mit Goebbels setzte man sich mit Goethe auseinander, konstruierte eine Identität, die historische und politische Brüche zu überdecken, wenn nicht zu überbrücken vermochte. Als Kulturnation konnte man auch nach Auschwitz weiterbestehen. Mit der Verbesserung von Kaufkraft und Warenangebot infolge der Währungsreform und dem weitgehenden Wegfall alliierter Eingriffe nicht nur im kulturellen Bereich nach der Gründung der Bundesrepublik, war eine Normalisierung der Verhältnisse zu beobachten, die mitunter als „Restauration“ wahrgenommen wurde. Die Allgemeine Genehmigung Nr. 1 der Alliierten erteilte eine Generallizenz für Veröffentlichungen,6 das Grundgesetz garantierte die Meinungsfreiheit. In der Folge wurden die Strukturen eines freien 6  Vgl. Schwenger, Hannes: Buchmarkt und literarische Öffentlichkeit. In: Fischer, Ludwig (Hrsg.): Literatur in der Bundesrepublik Deutschland bis 1967 (= Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Bd. 16). München: dtv, 1986. S. 99–124. Hier S. 102.

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Buchmarkts und einer unabhängigen Literaturszene wiedererrichtet, Autoren und Verlage, die während der Besatzungszeit zur Inaktivität verdammt waren, traten wieder auf den Plan. Die Kulturemphase blieb. Und auch die Such- und Orientierungsbewegungen der unmittelbaren Nachkriegszeit verschwanden zwar nicht, wirkten aber eher subkutan weiter, während sich in der Breite zunächst die alten Akteure und Themen durchsetzten. Eine von nachholendem Konsum, Vermeidung der Reflexion über den Nationalsozialismus und einem in erster Linie antikommunistischen Antitotalitarismus geprägte, in weiten Teilen relativ konservative Kultur einerseits, die dynamische Marktwirtschaft des „Wirtschaftswunders“ andererseits konturierten ein Feld, in dem Verlage ihre Rolle als Mittler zwischen Kultur und Markt (wieder-)finden mussten. 1. Entnazifizierung und Lizenzierung Noch bevor sie den Krieg gegen Hitler-Deutschland endgültig gewonnen hatten, legten die Alliierten Leitlinien zum Umgang mit den deutschen Kulturschaffenden und ihren Institutionen nach dem Sieg fest; die mediale und intellektuelle Öffentlichkeit spielte in ihren Überlegungen zur Demokratisierung Deutschlands, zur auch kulturell-gesellschaftlichen Überwindung des Nationalsozialismus, der allein durch militärische Mittel nicht besiegt werden könnte, eine herausragende Rolle. Mit den Mitteln der Bildung und der Kultur sollten die Deutschen mit den Traditionen des Westens vertraut gemacht und zu Demokraten erzogen werden – das war die Idee hinter dem Programm der „Reeducation“: „Im Grunde ging es in einem Volk der Verblendeten und Verführten um die planmäßig gesteuerte Einleitung eines umfassend angelegten politischen Sozialisationsprozesses.“7 Das bereits im November 1944 erlassene Gesetz Nr. 191 verbot zunächst pauschal sämtliche kulturellen Aktivitäten, wodurch der Betrieb von Theatern und Kinos genauso untersagt wurde wie das „Drucken, Erzeugen, Ver­ öffentlichen, Vertreiben, Verkaufen und gewerbliche Verleihen von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, Broschüren, Plakaten, Musikalien und sonstigen gedruckten oder (mechanisch) vervielfältigten Veröffentlichungen“.8 Mit der ersten Nachrichtenkontrollvorschrift, die nur wenige Tage nach Kriegsende, am 12. Mai 1945, erlassen wurde, wurde dieses globale Verbot bekräftigt und gleichzeitig geregelt, unter welchen Bedingungen kulturelle beziehungsweise kulturwirtschaftliche Aktivitäten wiederaufgenommen werden durften. Die 7  Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten, 1914–1949. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2010. S. 960. 8  Gesetz Nr. 191, zit. n. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 1490.



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Grundlage dafür war die schriftliche Genehmigung der Militärregierung, die eine Lizenz für Verlage nur dann erteilen würde, wenn der Kandidat seine berufliche Eignung belegen, seine untadelige demokratische Gesinnung während des Nationalsozialismus nachweisen und zudem ein Programm vorlegen konnte, über dessen Verwertungsrechte er verfügte und das ausschließlich aus Titeln bestand, die dem Gedanken der Reeducation nicht zuwiderliefen. Untersagt waren Bücher, die nationalsozialistische, völkische oder rassistische Ideen verbreiteten, einen antidemokratischen Charakter aufwiesen, militaristisch, imperialistisch beziehungsweise großdeutsch ausgerichtet waren, gegen die Vereinten Nationen und die Einigkeit der Völker gerichtet waren, Aufruhr hätten befördern oder die Autorität der Militärregierung untergraben können.9 Die gemeinsamen Ziele der alliierten Siegermächte wurden zunächst in der Berliner Deklaration vom Juni 1945 und dann im Kommuniqué zum Potsdamer Abkommen vom 2. August desselben Jahres festgehalten. Hier wurden die zentralen Grundsätze der Besatzungspolitik entwickelt, die während der folgenden Jahre die Deutschlandpolitik der Siegermächte – in unterschiedlichem Maße und unterschiedlicher Ausprägung – leiteten. Sie werden gemeinhin als die „4 Ds“ gefasst: Demilitarisierung, das heißt die vollständige Auflösung sämtlicher deutscher Streitkräfte sowie die Abschaffung der Rüstungsindustrie; Demokratisierung, mithin die Etablierung von demokratischen Strukturen und Freiheitsrechten sowie der Aufbau von Parteien und Gewerkschaften (insbesondere hier wird deutlich, dass es sich um Formelkompromisse handelte, die in Ost und West unterschiedlich ausgelegt werden konnten); Denazifierung beziehungsweise Entnazifizierung, also die strukturierte Säuberung des öffentlichen Lebens von nationalsozialistischen Einflüssen; schließlich Dezentralisierung, die darauf zielte, politische Entscheidungs- und Verwaltungsstrukturen gemäß des Subsidiaritätsprinzips und als bottom-up-Prozesse zu organisieren, aber auch die Dekartellisierung im wirtschaftlichen Bereich vorsah, wovon auch die Buchbranche betroffen war.10 Der sich entfaltende Kalte Krieg freilich führte dazu, dass das Ziel einer dauerhaften Verhinderung der Möglichkeit einer erneuten deutschen Aggression hinter das der Einbindung der sich konstituierenden deutschen Teile in den westlichen respektive sozialistischen Block zurücktrat. Als oberste Regierungsbehörde der Besatzungsmächte fungierte der Alliierte Kontrollrat, in dem die vier Militärgouverneure versammelt waren und der für alle Zonen verbindliche Gesetze und Direktiven erlassen konnte. Für 9  Vgl. Fetzer, Günther: Droemer Knaur. Die Verlagsgeschichte 1846–2017. München: Droemer, 2017. S. 265 f. 10  Vgl. Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2004. S. 25 ff.

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die Verlagswirtschaft wurden auf dieser höchsten Ebene kaum allgemein­ gültige Regeln verabschiedet, vielmehr setzten sich unterschiedliche zonale Regelungen durch, die in den Westzonen und in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zu grundlegend verschiedenen Entwicklungen der Branche führten. Für sie von Bedeutung waren letztlich nur wenige Erlasse, etwa der Erlass Nr. 4 aus dem Mai 1946, mit dem die Säuberung aller Bibliotheken und Buchhandlungen von unerwünschtem Schriftgut verfügt wurde.11 Was indes als unerwünschtes Schriftgut zu gelten hatte, wurde in den vier Zonen bereits unterschiedlich betrachtet. Während etwa die amerikanische Militärregierung eine nur tausend exemplarische Titel umfassende Liste veröffentlichte, wurde in der SBZ eine schließlich vier Bände starke Liste auszusondernder Literatur mit 30.000 Titeln verfertigt.12 Die Entfernung nationalsozialistischer Relikte beschränkte sich aber nicht auf das gedruckte Wort. Vielmehr zielten die Alliierten mittels der Entnazifizierung darauf, „die deutsche Gesellschaft insgesamt vom Geist des Nazismus zu befreien“.13 Zu diesem Zwecke musste beispielsweise in der amerikanischen Zone jeder Deutsche über 18 Jahren einen 131 Fragen umfassenden Fragebogen ausfüllen und sich gegebenenfalls vor einer der Spruchkammern erklären, deren es allein in der US-Zone 545 gab, um in eine der fünf Kategorien – Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer und Ent­lastete – eingeordnet zu werden.14 Millionen von Menschen waren also von Entnazifizierungsverfahren betroffen, allein in Bayern füllten bis Ende 1949 fast 6,8 Millionen Personen den Fragebogen aus.15 Gerade in konservativen und rechtsintellektuellen Kreisen lehnte man nicht zuletzt aufgrund seiner globalen Anwendung den Entnazifizierungsprozess als ein Element vermeintlicher Siegerjustiz, als „Beschämungsritual“ ab16 – obgleich die Durchführung der Spruchkammerverfahren mit dem Erlass des Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus im März 1946 in der US-Zone in deutsche Hände gelegt wurde, eine Praxis, die in den beiden anderen westlichen Zonen übernommen wurde.17 Diese Interpretation fand in weiten Teilen der Bevölkerung Anklang, die Entnazifizierung entwickelte sich zu einem regelrechten Erin11  Vgl. Ziermann, Klaus: Der deutsche Buch- und Taschenbuchmarkt 1945–1995. Berlin: Spiess, 2000. S. 10. 12  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 393. 13  Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 25. 14  Vgl. Balfour, Michael: Vier-Mächte-Kontrolle in Deutschland 1945–1946. Düsseldorf: Droste 1959. 15  Vgl. Fetzer, Droemer Knaur. S. 273. 16  Vgl. Krohn, Intellektuelle und Mandarine. S. 65. 17  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 26.



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nerungsort der Deutschen, und nur vor diesem Hintergrund ist der immense Erfolg von Ernst von Salomons bei Rowohlt erschienenem Buch Der Fragebogen zu erklären, in dem der Autor – in der Zwischenkriegszeit ein rechtsextremer Gegner der Weimarer Republik und für die Beteiligung an der Ermordung Walther Rathenaus verurteilt18 – die 131 Fragen in aller Ausführlichkeit beantwortet, sie somit ad absurdum führt, dabei die deutsche Schuld am Nationalsozialismus relativiert und dessen Verbrechen gegen amerikanisches Unrecht aufrechnet.19 Realiter hatte nur ein minimaler Teil der Bevölkerung infolge der Entnazifizierung Sanktionen zu gewärtigen. Die meisten Deutschen galten schon aufgrund ihrer Angaben im Fragebogen als vom Entnazifizierungsgesetz nicht betroffen, weil keine relevante Verstrickung in den NS-Apparat angenommen wurde; und von denen, die sich einem Spruchkammerverfahren stellen mussten, wurde wiederum der allergrößte Teil als entlastet oder minderbelastet eingestuft – oftmals auf Basis von „Persilscheinen“ und häufig trotz tatsächlicher Schuld, sodass viele Angehörige der NS-Eliten, insbesondere im Westen, auch nach 1945 wieder führende Positionen einnahmen.20 Neben jenen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft allerdings waren von der Entnazifizierung deutlich stärker auch solche Akteure betroffen, die in den Medien und in der Kultur aktiv waren, insbesondere wenn sie im Nationalsozialismus führende Positionen innegehabt hatten. Für die deutsche Verlagslandschaft der Besatzungszeit bedeutet das, dass viele der Verleger, Verlagsmitarbeiter und Autoren, die während des „Dritten Reiches“ tätig gewesen waren und ihre Distanz oder gar Opposition gegenüber dem Regime nicht glaubhaft machen konnten, nach 1945 zunächst einem Publikations- und damit gewissermaßen Sprechverbot unterworfen ­ wurden; wer als belastet galt, konnte entsprechend der Nachrichtenkontrollbestimmungen keine Lizenz erhalten. In der Folge dominierten die unmittelbaren Nachkriegsjahre Kulturschaffende, die bereits vor 1939 etabliert (und oftmals im Kaiserreich sozialisiert) waren, vereinzelt auch solche, die aufgrund ihrer Jugend im Nationalsozialismus einigermaßen unbelastet geblieben waren.21 18  Vgl. Fröhlich, Gregor: Soldat ohne Befehl: Ernst von Salomon und der soldatische Nationalismus. Paderborn: Schöningh, 2018. S. 262 ff. 19  Vgl. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 357 ff. 20  Vgl. bspw. die nach wie vor instruktive Studie Lutz Niethammers zur Entnazifizierung in Bayern: Niethammer, Lutz: Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns. Berlin: Dietz 1982. 21  Vgl. Schildt, Axel: Ein Jahrzehnt des Wiederaufbaus und der Modernisierung. Zur Sozialkultur und Ideenlandschaft. In: Estermann/Lersch, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1950–1960. S. 9–32. Hier S. 10.

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Insofern sind auch über das Kriegsende hinausreichende starke Kontinuitätslinien auszumachen. Viele Verlage knüpften an ihre Tätigkeit in der Zwischenkriegszeit an, sowohl hinsichtlich der Titel, die bei ihnen erschienen, als auch mit Blick auf das Personal, das diese produzierte und vertrieb. Gerade unter den Bedingungen der „Zusammenbruchsgesellschaft“ (Kleßmann) konnten fast ausschließlich jene Verlage reüssieren, die über alte Verwertungsrechte verfügten.22 Dabei nahmen auch Verlage, die de jure nicht lizenziert wurden, de facto ihre Arbeit wieder auf – zunächst unter anderer Führung und oftmals unter anderem Namen. So firmierte C. H. Beck zunächst als Biederstein-Verlag oder Oldenbourg als Leibniz-Verlag.23 Einer legitimierenden, oftmals geradezu emphatischen Betonung des Neuanfangs freilich tat dies keinen Abbruch.24 Durchaus authentisch war der Anspruch eines grundlegenden Neubeginns im Zuständigkeitsbereich der SMAD. Zwar waren auch hier in vielen Fällen altgediente Büchermacher die Verleger der ersten Stunde, wie schon die Entnazifizierung allerdings zielte auch die Lizenzierungspolitik in der SBZ nicht nur auf die Beseitigung nationalsozialistischer Überbleibsel, sondern ebenso auf die Ausschaltung der Opposition im kulturellen Bereich, mithin auf die Etablierung einer der Ideologie der Kommunisten entsprechenden Buchhandels- und Literaturlandschaft.25 Die ersten Verlagsgründungen erfolgten bereits im Sommer 1945 auf Initiative der Kommunistischen Partei und ihrer Vorfeldorganisationen und unter Mitwirkung linientreuer Remigranten wie dem Schriftsteller und späteren DDR-Kulturminister Johannes R. Becher. Mit dem Verlag Neuer Weg (aus dem nach der Vereinigung mit dem Vorwärts-Verlag der Ost-SPD der Dietz-Verlag hervorging), Aufbau sowie Volk und Wissen wurden offiziöse Unternehmen geschaffen, die gewährleisten sollten, dass politisches Schrifttum und Schulbücher genauso auf Linie der neuen Machthaber lagen wie die Belletristik.26 Generell vergaben die Behörden in der SBZ Lizenzen vornehmlich an „antifaschistische“ gesellschaftliche Organisationen, wodurch auf dem dortigen Buchmarkt dieser Sektor dominierte und eine entsprechende Konzentration herrschte.27 Gleichwohl wurden auch private Verlage lizenziert, deren Fischer, Sozialgeschichte der deutschen Literatur. S. 556. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 76. 24  Vgl. Wallrath-Janßen, Anne-Margret: Quellenüberlieferung zum Verlagswesen 1945–1949. In: Estermann/Lersch, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1945–1949. S. 158–168. Hier S. 159. 25  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 26. 26  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 394. 27  Vgl. Links, Christoph: Bücher verlegen, Bücher verkaufen in veränderten Verhältnissen. Wendeerfahrungen eines ostdeutschen Verlegers. In: Fromm, Eberhard/ Mende, Hans-Jürgen (Hrsg.): Vom Beitritt zur Vereinigung. Schwierigkeiten beim 22  Vgl. 23  Vgl.



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Programme sich jedoch ebenfalls innerhalb des, je nach politischer Großwetterlage mal engeren, mal weiteren, konformen Meinungskorridors zu bewegen hatten. Die Lizenzvergabe an Privatpersonen zog sich zudem oftmals in die Länge; erst nachdem sich im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Unmut geäußert hatte, wurde im Frühjahr 1946 etwa die Wiedererrichtung einiger renommierter Altverlage zugelassen, darunter Kiepenheuer in Weimar und Reclam in Leipzig.28 Der spätere DVA-Geschäftsführer Gotthold Müller, der seit 1936 in Diensten Reclams gestanden hatte, erinnerte sich 1977 an die, zunächst erfolglosen, Versuche, eine Lizenz für den Verlag zu erhalten. Ihm sei, auch aufgrund von Reclams „oppositionelle[r] Haltung im Dritten Reich“29 die Erteilung der ersten Verlagslizenz in der SBZ in Aussicht gestellt worden. Nach einer mehrere Tage währenden Odyssee, während der er immer wieder vertröstet, ihm die Erteilung der Lizenz aber weiterhin in Aussicht gestellt wurde, musste er schließlich erkennen, dass der Verlag seine Arbeit zunächst wohl nicht würde aufnehmen können.30 Dass auch in der SBZ die Entnazifizierung nicht immer mit letzter Konsequenz im Sinne ihrer postulierten Ziele verfolgt wurde, illustriert die Begegnung Müllers mit dem Referenten für Verlagsangelegenheiten von Balluseck, den er zuvor als NS-Kulturfunktionär kennengelernt hatte. Rückblickend erklärt er: „Diese Wandlung eines im Dienste des Nationalsozialismus stehenden Funktionärs zum Funktionär des SED-Regimes überraschte mich, und ich hatte alle Mühe, dies zu verbergen.“31 Erst am 14. März 1946 schließlich erhielt Ernst Reclam die Lizenz, seinen Verlag in Leipzig wiederzueröffnen. Nachdem im folgenden Jahr eine Niederlassung in Stuttgart gegründet worden war, setzte sich Ernst Reclam 1950 in den Westen ab. Auch der Kiepenheuer-Verlag gründete, nachdem die verlegerischen Spielräume im Osten eng geworden waren, unter der Führung des in den Westen übergesiedelten ehemaligen Leiters der Thüringischen Landesstelle für Buchund Bibliothekswesen Joseph Caspar Witsch eine Filiale im Westen, die dann als eigenständiges Haus bis zur Wiedervereinigung parallel zum Weimarer Verlag bestand.32 Gustav Kiepenheuers Weg im Osten war ähnlich langwieUmgang mit deutsch-deutscher Geschichte. Akademische Tage 1993, Protokoll. Berlin: Luisenstädtischer Bildungsverein 1993. S. 383–389. 28  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 12. 29  Vgl. Müller, Gotthold: Die Lizenzierung der ersten Verlage in der russisch besetzten Zone. In: Lokatis, Siegfried/Sonntag, Ingrid (Hrsg.): 100 Jahre KiepenheuerVerlage. Berlin: Ch. Links 2011. S. 152–155. Hier S. 152. 30  Vgl. ebd. S. 152 f. 31  Ebd. S. 152. 32  Vgl. Möller, Das Buch Witsch. S. 226 ff.

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rig wie der Reclams.33 Trotz derlei widriger Umstände wurden in der SBZ bis 1949 immerhin insgesamt 160 Verlagslizenzen erteilt.34 Großzügiger und rascher erfolgte die Lizenzvergabe in der Regel in den Westzonen, wobei in der US-Zone die permissivste und in der französischen Zone die restriktivste Politik verfolgt wurde. In der letzteren etwa wurde die Vorzensur sämtlicher zur Publikation vorgesehener Titel erst 1948 gelockert und 1949 abgeschafft, während die Amerikaner sie bereits Ende 1945 aufgaben.35 Diese richteten ihre Lizenzierungspolitik zuvörderst an den Zielen der Reeducation und Reorientation aus, an der Aufklärung über die NS-Verbrechen also und der Vermittlung westlicher Werte und demokratischer Haltungen. Dafür griffen sie mit Zensur, Lizenzzwang und der durchaus nach politischen Gesichtspunkten erfolgenden Zuteilung des bis zur Währungsreform chronisch knappen Papiers auf Mittel zurück, die selbst mit Demokratie und freiem Markt wenig zu tun hatten und mitunter auch die Westalliierten selbst an den gesteuerten Buchmarkt der Nazis erinnerten – freilich verfolgten sie damit eine grundlegend andere Absicht.36 Wie Lucius D. Clay, von 1947 bis 1949 Militärgouverneur in der US-Zone, betonte, war es ihnen darum zu tun, „das deutsche Gewissen [zu] wecken“: „[…] darauf legten wir es mit allen verfügbaren Mitteln an: mit den Mitteln der Information und der Erziehung, mit Zeitschriften, Zeitungen, dem Rundfunk, Büchern, dem Film, dem Theater, Konzerten, Vorträgen und Versammlungen, in Tagungssälen der Gewerkschaften, in Schulen und Kirchen.“37 Dieser Ansatz beinhaltete auch, den Deutschen wieder den Anschluss an die internationalen beziehungsweise westlichen kulturellen und intellektuellen Entwicklungen zu ermöglichen, von denen sie während des „Dritten Reiches“ weitgehend abgeschnitten waren. Entsprechend wurden Übersetzungen französischer, britischer oder amerikanischer Titel besonders gefördert, vor allem solcher, die demokratische Werte und das jeweilige Ursprungsland in einem besonders guten Licht erscheinen ließen. Verlage, die entsprechende Programme auflegten, konnten mit wesentlichen Erleichterungen ihrer Arbeit rechnen, umso mehr, wenn sie während der NS-Zeit untadelig agiert hatten. So wurden etwa der neugegründete Verlag von Kurt Desch von den Amerikanern oder der Exilverlag S. Fischer von den Briten prote33  Vgl. Wahl, Volker: Gustav Kiepenheuer, Theodor Plivier und Joseph Caspar Witsch über alle Zonen hinweg. In: Lokatis/Sonntag, 100 Jahre Kiepenheuer-Verlage. S. 138–151. 34  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 12. 35  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 107 f. 36  Vgl. Ziegler, Edda: 100 Jahre Piper. Die Geschichte eines Verlags. München: Piper, 2004. S. 142 f. 37  Clay, Lucius D.: Entscheidung in Deutschland. Frankfurt am Main: Verlag Frankfurter Hefte, 1955. S. 320.



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giert; die Franzosen ließen als Erstes den christlichen Wunderlich-Verlag von Hermann Leins zu – der auch als Treuhänder der DVA fungierte.38 Auch nach Ende des Lizenzzwangs und der Gründung der Bundesrepublik konnten Verleger durchaus noch mit der Unterstützung der Amerikaner rechnen, wenn sie eine Politik in ihrem Sinne propagierten – in den 1950er Jahren freilich war darunter eher eine antikommunistische denn eine antifaschistische Stoßrichtung zu verstehen; Joseph Caspar Witsch etwa finanzierte entsprechende Veröffentlichungen auch mit US-Geheimdienstgeldern.39 Neben einem politisch opportunen Programm waren weitere Faktoren für die Erteilung einer Lizenz von Bedeutung. Wer etwa im Sinne des Entnazifizierungsgesetzes als Hauptschuldiger, Belasteter oder Minderbelasteter eingestuft worden war, durfte weder eigene noch fremde Werke veröffentlichen; wer als Mitläufer galt, durfte nur in seinem Fachgebiet publizieren.40 Auch Verlage indes, die im „Dritten Reich“ Literatur veröffentlicht hatten, deren Publikation nun inkriminiert war, konnten mitunter frühzeitig lizenziert werden; die DVA war zum Beispiel mit 35 Titeln auf der Sperrliste vertreten, erhielt aber dennoch bereits 1945 eine Lizenz, wenngleich sie ihre Arbeit aufgrund unklarer Besitzverhältnisse zunächst unter Treuhänderschaft fortsetzen musste. Wie Olaf Blaschke schreibt, spielten neben politischen Faktoren eben auch „die Schwere der Kriegsschäden, Besitzverhältnisse bis 1945, Beziehungen, Verhandlungsgeschick“ eine Rolle.41 Nichtsdestoweniger wurden Lizenzen tendenziell bevorzugt an Verlage vergeben, deren Titel sich nur in geringer Zahl auf der Sperrliste fanden. Der Rowohlt-Verlag etwa, der dort, trotz mitunter enger Verbindungen zu nationalrevolutionären Kreisen in der Weimarer Republik, nur mit acht Titeln vertreten war, war das erste Haus, dessen Betrieb in allen vier Zonen genehmigt wurde.42 Auch nachdem eine Lizenz erteilt worden war, konnte es mitunter noch lange dauern, ehe ein Verlag seine Arbeit tatsächlich wieder aufnehmen konnte, sei es, weil weitere bürokratische Hürden zu überwinden waren, weil rechtliche Fragen offen waren, etwa hinsichtlich der Rechtsnachfolge, oder weil es an Personal, Räumlichkeiten, Infrastruktur und Produktionsmitteln fehlte.43 So nimmt es nicht wunder, dass die Titelproduktion in den West­ 38  Vgl. Gruschka, Der gelenkte Buchmarkt; Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 409. 39  Vgl. Körner, Klaus: Kiepenheuer & Witsch und der Kalte Krieg in Deutschland. In: Lokatis/Sonntag, 100 Jahre Kiepenheuer Verlage. S. 248–263; siehe auch Kapitel D. II. 1. 40  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 13. 41  Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 252. 42  Vgl. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 72 f., 164 ff. 43  Vgl. Fetzer, Droemer Knaur. S. 269.

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zonen inklusive Westberlins in den ersten Nachkriegsjahren gerade einmal rund zehn Prozent der des Jahres 1932 entsprach. Es erschienen zwischen dem Kriegsende und der Währungsreform nur einige wenige tausend Titel. Publiziert wurden sie von rund 850 Verlagen, von denen etwa die Hälfte in der amerikanischen Zone lizenziert worden war.44 2. Die Bundesrepublik als Kulturnation Mit der Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949 endete im Westen der Lizenzzwang für Verlage und Autoren. Der neue Staat, der seine Souveränität weitgehend, wenn auch noch nicht vollständig zurückgewonnen hatte – bis 1955 etwa bestanden auf Basis des Besatzungsstatuts Vorbehaltsrechte der Alliierten in wirtschaftlichen oder außenpolitischen Fragen, noch bis 1990 solche hinsichtlich des Status Berlins und Deutschlands als Ganzem –,45 etablierte einen freien Buchmarkt, auf dem Verleger und Autoren sämtlicher Couleur wieder aktiv werden konnten – ohne Lizenz, ohne Zensur, unabhängig von der weltanschaulichen und politischen Ausrichtung, solange Inhalte nicht gegen geltendes Recht und die Verfassung verstießen. Die Grundlage dafür war das Grundgesetz, das als interimistische Verfassung fungieren sollte, bis sich ein wiedervereinigtes Gesamtdeutschland eine neue, gemeinsame Verfassung geben würde. Im Artikel 5 wurde das Grundrecht der Meinungsfreiheit festgeschrieben: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“46 Obgleich im Grundgesetz bis heute die Förderung und der Schutz der Kultur nicht explizit festgeschrieben sind, lässt sich die Bundesrepublik doch auf drei Ebenen als „Kulturnation“ verstehen. Die Verfassung selbst impliziert das Verständnis Deutschlands als Kulturnation in Abgrenzung zur Staatsnation, als die Deutschland 1949 angesichts der sich abzeichnenden Eigenstaatlichkeit der DDR, die nun genauso hinter dem „Eisernen Vorhang“ lag wie die deutschen Ostgebiete, nicht konstituierbar war. Das Grundgesetz bekräf44  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 211; Wittmann, Verlagswesen und Buchhandel. S. 38. 45  Vgl. Geppert, Dominik: Die Ära Adenauer. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2012. S. 37 ff. 46  Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949. Art. 5. URL: www.documentarchiv.de/brd/1949/grundgesetz.html [letzter Zugriff: 27.09.2018].



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tigte nichtsdestoweniger den Anspruch, eine Ordnung zu formulieren, die perspektivisch für ein wiedervereinigtes Gesamtdeutschland gelten konnte und sollte, und die von einer – letztlich nur kulturell zu fassenden – Zusammengehörigkeit aller Deutschen ausging, unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit, mithin ein irredentistisches Moment aufwies. Die Präambel macht das deutlich: „Es [das deutsche Volk; KG] hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war. Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“47 Auf einer zweiten Ebene erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg ein essentialistisches Verständnis der deutschen Kultur eine Konjunktur. Eine so begriffene Kultur lieferte nicht nur über Räume, sondern auch über Epochen hinweg ein Identifikationsangebot und ermöglichte ein Anknüpfen an, meist bildungsbürgerliche, Traditionsbestände, die auf die Zeit vor dem, so gesehen nicht nur als Zivilisations-, sondern auch als Kulturbruch interpretierten, Nationalsozialismus zurückgingen und infolgedessen unbelastet schienen: „Vor allem die deutsche Literatur und Philosophie der Klassik wurde zum nicht-korrumpierten Ankerpunkt ästhetischer Autonomie. Das Dritte Reich schien das bessere Deutschland nur beiseite geschoben zu haben.“48 Gerade in konservativen Kreisen wurde eine solche Rückbesinnung propagiert, die apolitisch beziehungsweise antipolitisch daherkam; berühmt wurde Friedrich Meineckes Aufforderung, die Deutschen sollten zum Zwecke der Identitätsund Orientierungsfindung Goethe-Gemeinschaften gründen.49 Vor diesem Hintergrund entfaltete sich die dritte Dimension der BRD als „Kulturnation“, die durch die zentrale Rolle, die der Kultur insbesondere in den ersten Nachkriegsjahren zukam, konstituiert wurde. Gerade in der Phase des Wiederaufbaus und der vier Jahre nach Ende von Krieg, Völkermord und Diktatur freilich keineswegs abgeschlossenen Orientierungssuche, aber auch darüber hinaus, galten das gedruckte und gesprochene Wort als wichtige Debatten- und letztlich Kulturträger. Insbesondere die kulturell-politischen Zeitschriften erlebten nach dem Krieg einen regelrechten Boom. Sie stellten das zentrale Forum des intellektuellen Austauschs dar, in ihnen wurden die Ursachen des Sturzes in die Barbarei reflektiert, die Gegenwart des Wiederaufbaus debattiert, miteinander gestritten und aus kommunistischer, sozialistischer, liberaler, christlicher 47  Ebd.

Präambel. Monika: Tendenzen der Literaturdistribution in der Bundesrepublik Deutschland durch Bücher und Zeitschriften. In: Estermann/Lersch, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1950–1960. S. 33–57. Hier S. 43. 49  Vgl. Krohn, Intellektuelle und Mandarine. S. 65. 48  Estermann,

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oder konservativer Sicht Perspektiven für die Zukunft entworfen.50 Ein zeitgenössischer Beobachter kommentierte mit Blick auf das in seiner Vielfältigkeit aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbare Zeitschriftenwesen: „Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die Deutung der Gegenwart und die Vorschau auf die Zukunft laufen auf höchsten Touren.“51 Dabei boten die Zeitschriften gerade den Autoren des Exils eine Möglichkeit, wieder mit den deutschen Lesern in Kontakt zu kommen, und der jungen Generation gaben sie Raum, mit ihren literarischen und politischen Vorstellungen in die Öffentlichkeit zu treten.52 In den ersten Nachkriegsjahren wurden in Westdeutschland rund 1.400 Periodika ins Leben gerufen, die sich mit politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, technischen oder wissenschaftlichen Gegenständen befassten und eine Gesamtauflage von mehreren Millionen Exemplaren erreichten.53 Zwar verschwanden nach 1948/49 viele Zeitschriften genauso wieder vom Markt wie viele Buchverlage und die Debatten wurden danach stärker in Büchern und Zeitungen geführt, aber auch in den 1950er Jahren noch spielte eine ganze Reihe von Zeitschriften wichtige Rollen in der bundesrepublikanischen Medienöffentlichkeit, etwa die linkskatholischen Frankfurter Hefte von Walter Dirks und Eugen Kogon (der mit dem SS-Staat54 einen der ersten Bestseller Nachkriegsdeutschlands vorlegte),55 der von Melvin Lasky gegründete Monat, der als Organ der antikommunistischen Linken illustriert, wie der Kalte Krieg auf die kulturelle Landschaft zurückwirkte56 – oder der von Hans Paeschke und Joachim Moras herausgegebene Merkur, der seit 1948 von der DVA verlegt wurde und dieser als intellektuelles Flaggschiff diente.57 Mit der Reduktion der kulturell-politischen Titel stieg zwar oftmals die Qualität der Veröffentlichungen, das bunte Panorama an Meinungen, Ideen und Entwürfen jedoch wurde monochromer – Engagement galt, auch beim 50  Vgl. Payk, Marcus M.: Der Geist der Demokratie. Intellektuelle Orientierungsversuche im Feuilleton der frühen Bundesrepublik: Karl Korn und Peter de Mendelssohn (= Ordnungssysteme, Bd. 23). München: Oldenbourg, 2008. S. 100 f. 51  Goertz, Hartmann: Die Flucht in die Zeitschrift. In: Die Neue Zeitung, 13.01.1947, zit. n. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 407. 52  Vgl. Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 41. 53  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 229 f. 54  Kogon, Eugen: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager. München: Alber, 1946. 55  Vgl. Adam, Christian: Der Traum vom Jahre Null. Autoren, Bestseller, Leser: Die Neuordnung der Bücherwelt in Ost und West nach 1945. Berlin: Galiani, 2016. S.  75 ff. 56  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 231 f. 57  Vgl. Ohde, Horst: Agenten, Konkurrenten und die Gruppe 47. In: Estermann/ Lersch, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1950–1960. S. 181–200. Hier S. 187; siehe zum Merkur auch Kapitel E. IV. 3.



I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen49

Merkur, mitunter als Antipode der Ästhetik.58 Die Gesamtzahl der Zeitschriften indes stieg auch in den 1950er Jahren weiter an, nichtsdestoweniger muss die zeitgenössische und historiographische Diagnose einer „Zeitschriftenschwemme“ relativiert werden: Die circa 5.200 Titel des Jahres 1954 entsprachen noch nicht einmal einem Drittel des Vorkriegsstandes.59 Freilich blieb die Rezeption der politisch-kulturellen Zeitschriften trotz ihrer Vielfalt und mitunter hohen Auflagen auf eine relativ kleine, meist bildungsbürgerliche Elite beschränkt.60 Als erstes veritables Massenmedium nach dem Krieg hingegen darf der Rundfunk gelten, der die breite Masse genauso erreichte wie ein kulturaffines Publikum, das Programme verfolgte, die sich politischer, gesellschaftlicher und kultureller Themen annahmen und die ähnlich zahlreich produziert wurden wie die entsprechenden Periodika. Seine Rolle als zentrales Medium und damit auch als zentraler Kulturvermittler konnte der Hörfunk auch gewinnen, weil zum einen durch die massenweise Verbreitung des „Volksempfängers“ der Nazis bereits eine flächendeckende Infrastruktur sowie eine Gewöhnung an das Medium gegeben waren, zum anderen, weil der Rundfunk weitaus weniger stark unter Raum- und Rohstoffmangel zu leiden hatte als etwa die Buchverlage, die fehlendes Material und fehlende Infrastruktur vor massive Herausforderungen stellten. In der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte rund die Hälfte der Bevölkerung ­Radioempfang, Mitte der 1960er Jahre waren es bereits über zwei Drittel.61 Die immense Reichweite des Rundfunks illustrieren die gigantischen Auflagen, die Programmzeitschriften wie Hör Zu! erzielen konnten: Von der von Axel Springer 1946 in Kooperation mit dem Nordwestdeutschen Rundfunk und der britischen Militärregierung als Radio-Post ins Leben gerufenen Zeitschrift wurden Ende der 1950er Jahre wöchentlich drei Millionen Exemplare gedruckt.62 Der relativ ausgeprägte Radiokonsum ging dabei nicht zulasten der Rezeption von Büchern oder anderen Medien, vielmehr war in den 1940er und 1950er Jahren ein Phänomen der Medienverdichtung zu beobachten, sodass sich unterschiedliche Medien nicht gegenseitig verdrängten, sondern sich 58  Vgl. Reitmayer, Morten: Das politisch-literarische Feld um 1950 und 1930 – ein Vergleich. In: Gallus/Schildt, Rückblickend in die Zukunft. S. 70–91. Hier S. 80. 59  Vgl. Laurien, Ingrid: Zeitschriftenlandschaft Nachkriegszeit. Zu Struktur und Funktion politisch-kultureller Zeitschriften 1945–1949. In: Publizistik 47 (2002), Nr. 1. S. 57–82. Hier S. 58. 60  Vgl. Schildt, Axel: Kontinuität und Neuanfang im Zusammenbruch. Zu den politischen, sozialen und kulturellen Arbeitsbedingungen der Nachkriegszeit. In: Estermann/Lersch, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1945–1949. S. 9–33. Hier S. 31 f. 61  Vgl. ebd. S. 25. 62  Schwarz, Hans-Peter: Axel Springer. Die Biografie. Berlin: Propyläen, 2008. S.  113 ff.

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vielmehr komplementär zueinander verhielten.63 Gerade zwischen Rundfunk und Literatur gab es eine enge Verzahnung. Titel und Themen wurden im reichweitenstarken Radio populär gemacht, Literaturadaptionen entwickelten sich zu einem integralen Bestandteil der Programme und die Sender und ihre Redaktionen dienten insbesondere jungen Schriftstellern – sowohl Belletristik- als auch Sachbuchautoren – als Orte des Broterwerbs, aber auch als Experimentierstuben für ihr Schreiben: „Autoren, die sich zur literarischen Avantgarde rechnen, wie etwa die Autoren der Gruppe 47, schreiben getreu der allgemeinen negativen Einschätzung der audiovisuellen Medien durch den Kulturbetrieb in den fünfziger Jahren fast ausnahmslos nicht für Film und Fernsehen – dafür jedoch umso mehr für den Hörfunk. Besonders die Hörspiel- und Feature-Redaktionen, in dieser Zeit häufig noch nicht getrennt, übernahmen damit für das Entstehen der modernen deutschen Gegenwarts­ literatur nach 1945 eine fast schon mäzenatisch zu nennende Funktion.“64 Die Literaturlandschaft der ersten anderthalb Nachkriegsjahrzehnte war nicht nur durch diese jungen Autoren gekennzeichnet, sondern auch durch die Wiederentdeckung ausländischer Werke, die, wie dargestellt, von den Alliierten besonders gefördert wurden, sowie durch die physische oder literarische „Heimkehr“ der Exilanten – genauso aber durch ein nach wie vor bestehendes Übergewicht der Autoren der „inneren Emigration“ und die Rückkehr jener auf den literarischen Markt, die bis 1949 einem Publikationsverbot unterlegen hatten. Neuanfang und Wiederaufnahme lagen eng beieinander, prägten die Kultur gleichermaßen – und gerieten mitunter in heftige Konflikte miteinander. In der Phase zwischen dem Zusammenbruch des NS-Regimes und der Gründung der Bundesrepublik wurden in den westdeutschen Zonen vor ­allem die Großautoren aus den USA, Großbritannien und Frankreich (wieder-)entdeckt: Thomas Wolfe und Ernest Hemingway, T. S. Eliot und Graham Greene, Paul Valéry und André Gide, dessen Werk das DVA-Programm über Jahrzehnte mitprägte.65 Neben diesen griffen die frisch lizenzierten Verlage auf ihre Backlist zurück – schlicht weil sie hier über die Verwertungsrechte verfügten, aber auch, weil sich das Leseverhalten der Kunden gegenüber den 1930er Jahren nicht grundlegend gewandelt hatte.66 So veröffentlichte die westdeutsche Reclam-Filiale vor allem die Klassiker in der Universal-Bibliothek – aber durchaus auch Autoren der Emigration wie Ste63  Vgl. Hickethier, Knut: Literatur und Massenmedien. In: Fischer, Literatur in der Bundesrepublik. S. 125–141. Hier S. 126. 64  Ebd. S. 133. 65  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 219. 66  Vgl. Ziegler, Piper. S. 145.



I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen51

fan Zweig;67 Droemer lebte in den ersten Jahren nach dem Krieg nicht zuletzt von zahlreichen Neuauflagen der Bücher Ludwig Ganghofers;68 Piper reaktivierte das künstlerische und kunsthistorische Programm;69 die DVA brachte zunächst Werke der sowohl während der Weimarer Jahre als auch im Nationalsozialismus vielgelesenen Autoren Otto Rombach, der von den Nazis genauso anerkannt wurde wie von der Bundesrepublik,70 oder Wal­ demar Bonsels, Erfinder der Biene Maja, Bohème-Verleger des frühen 20. Jahrhunderts und Verfechter von Nazi-Ideologemen, der als Vertreter der literarischen Moderne und Verfasser von vermeintlichem „Schmutz und Schund“ gleichwohl immer wieder Repressalien des Regimes zu gewärtigen hatte,71 aber auch der Hausautorin Ina Seidel, die durch die Unterzeichnung des Gelöbnisses treuester Gefolgschaft und wiederholte Huldigungsgedichte zu Ehren Adolf Hitlers ihre Nähe zum Naziregime bewiesen hatte, auf den Markt.72 Wie Reclam veröffentlichte auch Rowohlt frühzeitig neben bereits seit Langem etablierten, zum Teil dezidiert konservativen Autoren Schriftsteller des Exils und der modernen Weltliteratur.73 In größerem Maße wurde die Exilliteratur jedoch erst nach 1950 verlegt und ihre Protagonisten und deren Werke hatten in der Bundesrepublik einen schweren Stand.74 Exemplarisch für die Auseinandersetzung um die Wertung von „innerer Emigration“ und Exil steht die „Große Kontroverse“, die 1945 zwischen Thomas Mann einerseits und Walter von Molo und Frank Thiess andererseits ausgetragen wurde und die auch deshalb besonders intensiv geführt wurde, weil sie pars pro toto für die Frage nach Schuld und Unschuld jener Deutschen stand, die während des „Dritten Reiches“ im Land geblieben waren und das Nazi­regime vielleicht nicht aktiv gestützt, aber ebenso wenig aktiv gegen es opponiert hatten. Thomas Mann befand, dass der Literatur, die während des National67  Vgl. Bode, Dietrich: Reclam. Daten, Bilder und Dokumente zur Verlagsgeschichte 1828–2003. Dietzingen: Reclam, 2003. S. 117. 68  Vgl. Fetzer, Droemer Knaur. S. 286 f. 69  Vgl. Ziegler, Piper. S. 145 f. 70  Vgl. Zeller, Bernhard: Rombach, Otto August. In: Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Neue Deutsche Biographie, Bd. 22. Berlin: Duncker & Humblot, 2005. S. 18. 71  Vgl. Haug, Christine: Der E. W. Bonsels-Verlag (1904–1927) – ein literarischer Kleinverlag in Schwabing um 1900. In: Hanuschek, Sven (Hrsg.): Waldemar Bonsels. Karrierestrategien eines Erfolgsschriftstellers (= Buchwissenschaftliche Beiträge, Bd. 82). Wiesbaden: Harrassowitz, 2012. S. 27–42; Haefs, Wilhelm: Waldemar Bonsels im „Dritten Reich“: Opportunist, Sympathisant, Nationalsozialist? In: Hanuschek, Waldemar Bonsels. S. 197–228. 72  Vgl. DVA, 175 Jahre. S. 42. 73  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 410. 74  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 219.

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sozialismus erscheinen konnte, „ein Geruch von Blut und Schande“ anhafte; er musste sich von Molo und Thiess dafür anhören, er habe von „den Logen und Parterreplätzen der deutschen Tragödie“ zugesehen und hätte sich eines Urteils deshalb zu enthalten.75 Gegenüber Friedrich Sieburg fasste es Ernst Jünger 1956 in noch deutlichere Worte: „Daß Unverschämtheit und Emigration eng zusammenhängen, ist nicht nur seit 1815, sondern seit der Antike bekannt. Wer sich vor den Gefahren des Krieges und Bürgerkrieges drückt und anderen die Unannehmlichkeiten überläßt, muß doppelt das Maul auf­ reißen, wenn er wiederkommt.“76 Wenn auch Mann zweifelsohne das größere Renommee besaß – den Buchmarkt und die öffentliche Meinung beherrschten die Vertreter der „inneren Emigration“; zwischen 1945 und 1957 gingen zum Beispiel zwei Drittel der vergebenen Literaturpreise an Autoren der „inneren Emigration“ oder an solche, die dem NS-Regime mehr oder minder nahegestanden hatten.77 Nach Ende der Lizenzpflicht traten auch jene Autoren wieder an das Licht der Öffentlichkeit, die, wie Ernst und Friedrich Georg Jünger, Gottfried Benn oder der auch der bei der DVA publizierende Literaturkritiker und Historiker Friedrich Sieburg, aufgrund ihrer antidemokratischen Haltung zuvor einem Veröffentlichungsverbot unterworfen gewesen waren.78 Ihnen gegenüber stand eine Riege spätgeborener Autoren, die sich gegen bereits zeitgenössisch empfundene restaurative Tendenzen der Gesellschaft, insbesondere aber der Literatur wandten. Stellvertretend steht für diese die Gruppe 47 um Hans Werner Richter. In der ersten Ausgabe der 1952 von ihm herausgegebenen Zeitschrift Die Literatur polemisierte er gegen die „geistige Restauration“ und die „Stillen im Lande (die mit ihrem Mimikry die zwölfjährige Terrorwelle gut überdauert hatten)“.79 Es ist für die Frage nach dem Charakter des Hauses durchaus vielsagend, dass Die Literatur neben dem konservativen Aushängeschild Merkur bei der DVA erscheinen konnte. Auf dem Buchmarkt also spiegelten sich gesamtgesellschaftliche Konflikte, Entwicklungen und Ungleichzeitigkeiten wider, die Literatur gewann in der Nachkriegszeit mithin eine nicht zu unterschätzende diskursive Bedeutung. Dieser Bedeutung entsprach die politische Aufmerksamkeit für das Buch und den Buchhandel nicht unbedingt. Auch wenn es, wie am Beispiel der DVA zu sehen sein wird, durchaus enge Kontakte zwischen der Politik Adam, Der Traum vom Jahre Null. S. 120. Literaturarchiv (künftig: DLA), A: Sieburg, Friedrich/Literatur-Ressort FAZ: Schreiben Ernst Jüngers an Friedrich Sieburg vom 21. Oktober 1956. 77  Vgl. Adam, Der Traum von Jahre Null. S. 16. 78  Vgl. Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 43; vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 211. 79  Zit. n. Ohde, Agenten, Konkurrenten. S. 182. 75  Zit. n.

76  Deutsches



I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen53

und Verlagen beziehungsweise Verlegern gab, befasste sich etwa die Gesetzgebung nur auf wenigen Feldern mit für die Branche relevanten Fragen. Der Bundestag räumte dem Buchhandel im 1957 verabschiedeten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung etwa weiterhin das Recht ein, gebundene Ladenpreise festzulegen, denn, so formulierte bereits der erste Regierungsentwurf für das Gesetz aus dem Jahr 1952, das „System des festen Ladenpreises […] ist mit dem Gesamtsystem des buchhändlerischen Vertriebs- und Abrechnungsvorganges, mit der Erhaltung eines gut ausgebildeten Sortimenterstandes fest verknüpft, so daß Eingriffe nicht ohne Schädigung für Autor, Verleger und Sortimenter bleiben würden“;80 der Schutz des „Kulturguts Buch“, wie er später im Buchpreisbindungsgesetz festgeschrieben wurde, war mithin Teil der kulturpolitischen Agenda. Während also auf dem Feld der Wettbewerbssteuerung den Wünschen des Buchhandels entsprochen wurde, blieben dessen Invektiven in einem anderen Bereich relativ wirkungslos: 1953 verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, mit dem eine Bundesprüfstelle geschaffen wurde, die dafür zuständig sein sollte, „Schriften, die geeignet sind, Jugendliche sittlich zu gefährden […] in eine Liste aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche sowie Verbrechen, Krieg und Rassenhaß verherrlichende Schriften“, außerdem solche, die „durch Bild für Nacktkultur werben“.81 Derlei Schrifttum durfte Jugendlichen nicht zugänglich gemacht und grundsätzlich nicht beworben werden. In der Folge landeten zahlreiche Werke auf dem Index: 1955 waren es über 200 Titel, vor allem solche der Unterhaltungsliteratur, die wegen Darstellungen von Gewalt und Sex indiziert wurden. Und auch der Börsenverein bemühte sich, die Sittlichkeit zu verteidigen: Als die Erotikunternehmerin Beate Uhse 1961 die Aufnahme ihres Stephenson-Verlags in seine Reihen beantragte, wehrte er sich „mit Zähnen und Klauen“ dagegen und focht beim Bundeskartellamt durch, dass Uhse die Aufnahme verweigert werden durfte.82 Die sich solcherart auf 80  Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 13. Juni 1952. Drucksache Nr. 3462. URL: dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/034/0103462.pdf [letzter Zugriff: 27.09.2018]; vgl. auch Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957. In: Bundesgesetzblatt 41 (1957). S. 1081–1102. URL: www.bgbl.de/ xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F* %5B%40attr_id%3D %27bgbl157i1081.pdf%27 %5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl157s1081.pdf%27%5D__ 1538072345098 [letzter Zugriff: 27.09.2018]. 81  Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vom 9. Juni 1953. In: Bundesgesetzblatt 27 (1953). S. 377–379. Hier S. 377. URL: www.bgbl.de/xaver/ bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl153s0377.pdf%27%5D# __bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl153s0377.pdf%2 %5D__153806633 2247 [letzter Zugriff: 27.09.2018]. 82  Zit. n. Steinbacher, Sybille: Wie der Sex nach Deutschland kam. Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik. München: Siedler, 2011. S. 269.

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die Medien und damit auf den Buchhandel auswirkende Sexualmoral fügte sich mitunter in kulturkritische Begründungszusammenhänge – die bereits im Nationalsozialismus konstruiert worden waren: Erotische, häufig als „pervers“ titulierte Literatur galt den Kulturwächtern des „Dritten Reiches“ als Ergebnis der „geistigen Verstädterung“ der Weimarer Jahre und die „schädi­ gende[n] Einflüsse dieser modernen Lebensform“ drohten eine sittlich reine Gesellschaft (beziehungsweise „Volksgemeinschaft“) zu zersetzen.83 Auch die Verletzung religiöser Gefühle konnte Konsequenzen nach sich ziehen; Arno Schmidt etwa hatte eine Anzeige wegen Gotteslästerung zu gewärtigen.84 Weniger rigoros begegneten Staat und Buchhandel hingegen Trivialliteratur, die mitunter sehr wohl geeignet schien, den Krieg zu verherrlichen und vor allem die Realität des Zweiten Weltkriegs mit seinen massenhaften Verbrechen deutscher Soldaten zu verfälschen. Augenfällig illustrieren das die seit 1957 (und noch bis 2013) im Rastatter Pabel-Moewig-Verlag unter dem Titel Der Landser erschienenen Heftromane, in denen Ursachen und Tat­ sachen des Kriegs und des Völkermords hinter den dramatischen Geschichten heldenhafter deutscher Soldaten verschwanden, die als ideale Vertreter eines sich selbst als verführt empfindenden Volkes fungierten. Derlei Publikationen trugen zum „Umwidmen und Überschreiben von NS-Vergangenheit und NSVerbrechen“ in den Geschichtsbildern und Erinnerungspolitiken er 1950er Jahre wesentlich bei.85 Jenseits konkreter Kodifizierung wirkte sich auch das zunehmend aufgeheizte Klima des Kalten Kriegs auf Kulturschaffende aus. Der Verleger Willi Weismann etwa geriet unter öffentlichen Druck, weil er als Kommunistenfreund galt; als dann infolge einer Verurteilung wegen der Verbreitung unzüchtiger Schriften sein Verlag boykottiert wurde, geriet er in zunehmende finanzielle Schwierigkeiten und musste seine Tätigkeit schließlich einstellen.86

83  Zit. n. Linthout, Ine van: Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 131). Berlin/Bosten: De Gruyter, 2012. S. 372. 84  Vgl. Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 40. 85  Knoch, Habbo: Der späte Sieg des Landsers. Populäre Kriegserinnerung der fünfziger Jahre als visuelle Geschichtspolitik. In: Arbeitskreis Historische Bildforschung (Hrsg.): Der Krieg im Bild – Bilder vom Krieg. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2003. S. 163–186. Hier S. 164. 86  Vgl. Wittmann, Verlagswesen und Buchhandel. S. 42.



I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen55

3. „Restauration“ und Aufbruch Es sind Aspekte wie die neuerliche „Schmutz und Schund“-Debatte oder der prononcierte Antikommunismus, die dazu beitrugen, dass das Narrativ von der Ära Adenauer als Epoche der „Restauration“ nicht nur von den Autoren der Gruppe 47, sondern oftmals auch in der rückblickenden Betrachtung kolportiert worden ist. In dieser Perspektive gelten die Jahre unmittelbar nach dem Zusammenbruch als eine Phase der Hoffnung, des Suchens nach einer bislang ungedachten, genuin modernen Zukunft und nicht zuletzt des schier unstillbaren Kulturhungers und der kulturellen Fruchtbarkeit. Seit der Währungsreform, spätestens aber seit der Gründung der Bundesrepublik hätten sich im politischen, im gesellschaftlichen und im kulturellen Raum ­jedoch althergebrachte Ideen und Strukturen und deren Vertreter durchgesetzt, der Aufbruch sei bis in die 1960er Jahre vertagt worden, als die Studentenbewegung endlich die Verkrustungen der „Restaurationsepoche“ aufgebrochen habe.87 In der Tat überwogen nach 1945 fast zwangsläufig die Kontinuitäten im politischen Bewusstsein und im kulturellen Interesse; die Menschen, die den Neuanfang gestalteten, waren schließlich im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus sozialisiert worden. Die Besatzungszeit überdeckte diese Kontinuitäten zu erheblichen Teilen, ließen die alliierten Kontrollmaßnahmen eine gleichmäßig freie Artikulation aller weltanschaulichen Standpunkte doch ebenso wenig zu wie die zerstörte physische und informelle Infrastruktur eine (Wieder-)Vergemeinschaftung und öffent­ liche Wirkungsentfaltung bestimmter Milieus und Kreise.88 Nach der Gründung der Bundesrepublik jedoch traten die weitgehend erhaltenen sozialen Strukturen ebenso deutlich zutage wie die Beständigkeit politischer Orientierungen: „Jetzt erst, um 1950, wurde die Dimension generationeller, gruppenbiographischer Kontinuitäten, befördert durch weit zurückreichende Netzwerke und nützliche Freundschaften in kirchlichen, konservativen oder liberalen Milieus, auch in Universitätsorten, so recht deut­ lich.“89 Konzeptionen einer klaren Stratifikation der Gesellschaft, an deren Spitze ein elitäres Bürgertum stand, verloren während der 1950er Jahre ebenso wenig ihre Hegemonie wie kulturpessimistische, modernekritische Topoi; sie prägten bereits die Diskurse der Zwischenkriegszeit, und es nimmt nicht wunder, dass sie angesichts der Nachkriegssituation eine neuerliche 87  Vgl. für eine v. a. kultur- und literaturorientierte Perspektive Fischer, Ludwig: Die Zeit von 1945 bis 1967 als Phase der Gesellschafts- und Literaturentwicklung. In: Fischer, Literatur in der Bundesrepublik. S. 29–96. Hier S. 44 ff. 88  Vgl. Schildt, Kontinuität und Neuanfang. S. 16. 89  Schildt, Intellektuelle Positionen. S. 22.

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Konjunktur erlebten.90 In den Verlagsprogrammen spiegelte sich dies wider: José Ortega y Gassets Der Aufstand der Massen etwa, das im Original 1930 erschienen war, wurde von der DVA allein zwischen 1947 und 1956 in sieben Auflagen vorgelegt.91 Neben dem Ende der alliierten Kontrollen und Eingriffe und der Wiedereinrichtung von Medien oder öffentlichen Foren wie den Buchmessen trug zu dieser Konjunktur auch die Entfaltung des Ost-West-Gegensatzes bei; der Antikommunismus stellt ein zentrales Charakteristikum der Regierungszeit Adenauers dar. Er erfüllte eine doppelte Integrationsfunktion: Außenpolitisch demonstrierte er die Verlässlichkeit der BRD in der Konfrontation mit dem Ostblock und unterstützte damit die Bestrebungen einer raschen Westintegration; innenpolitisch bot er all jenen die Möglichkeit, sich in das bundesrepublikanische System zu integrieren, die zuvor antidemokratische Positionen vertreten hatten, aber dem breiten Spektrum des antikommunistischen Konsenses zuzurechnen waren, der nicht nur im „Dritten Reich“, sondern auch in der Weimarer Republik bestanden hatte.92 Andreas Wirsching spricht vom Antikommunismus für die Jahre zwischen 1917 von 1945 als einem „Querschnittsphänomen“, das fast alle politischen Kräfte mit Ausnahme der Kommunisten selbst umfasste.93 Diese Beschreibung trifft auch auf die Situation in Westdeutschland nach 1945 zu. Mit Ausnahme des äußersten linken Randes waren sich alle politischen Parteien in der Ablehnung des „Bolschewismus“ einig. Nach Wirsching lassen sich drei Kategorien des Antikommunismus unterscheiden: der ideologische, der empirische und der funktionale. Der ideologische Antikommunismus definiert seine Gegnerschaft aus weltanschaulichen Gründen und lehnt den Kommunismus als ein falsches, ja böses Prinzip ab. Er wurde vor allem von den Konservativen und dem politischen Katholizismus getragen und teilweise für innenpolitische Ziele gegen die Sozialdemokratie instrumentalisiert. In deren Reihen wiederum war der empirische Antikommunismus vorherrschend. Er zeichnet sich durch eine theoretische und teils biographisch beeinflusste Auseinandersetzung innerhalb der Linken aus. Der funktionalistische Antikommunismus schließlich war vor allem aufseiten der radikalen Rechten zu finden. Er kennzeichnet sich durch eine paradoxe Nähe zum

90  Vgl.

ebd. S. 24. ebd. S. 25. 92  Vgl. Wentker, Herrmann: Antikommunismus in der frühen Bonner Republik. Dimensionen eines zentralen Elements politischer Kultur im Ost-West-Konflikt. In: Creuzberger/Hoffmann, Geistige Gefahr. S. 355–369. 93  Vgl. Wirsching, Andreas: Antikommunismus als Querschnittsphänomen politischer Kultur, 1917–1945. In: Creuzberger/Hoffmann, Geistige Gefahr. S. 15–28. 91  Vgl.



I. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen57

Kommunismus, der inhaltlich scharf abgelehnt, dessen autoritäre Praxis aber durchaus affirmiert wird.94 Der Antikommunismus der SPD war in der Zwischenkriegszeit nicht weniger präsent als nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber mit der Verabschiedung des Godesberger Programms 1959 entwickelte die Partei nun ein Verständnis des demokratischen Sozialismus, dessen auch marxistische ideengeschichtliche Tradition negiert wurde.95 Die Sozialdemokratie beschritt damit ebenso den Weg weg von der Vertretung einer bestimmten Klientel hin zur Volkspartei wie die christlichen und konservativen Kräfte. Mit der Gründung von CDU und CSU suchten diese die konfessionelle Spaltung der Weimarer Jahre zu überwinden, als „Union“ Katholiken und Protestanten politisch zu vereinen, aber auch Liberalen, Christen und Konservativen unterschiedlicher Couleur eine gemeinsame politische Heimat zu geben.96 Insofern ist Ludwig Fischers Klage, in der Bundesrepublik sei die Parteienpraxis der Weimarer Republik strukturell und personell weitgehend unverändert wiederaufgenommen worden, sicher nur teilweise berechtigt.97 Natürlich dominierten oftmals jene Köpfe die Parteien, die sie oder ihre Vorgänger auch vor dem Krieg bereits geprägt hatten; eine bloße Reetablierung Weimarer Strukturen jedoch betrieben sie keineswegs: Die Parteien selbst organisierten sich nicht nur in durchaus neuer Form und mit wesentlich anderen Zielsetzungen, sie operierten auch in einem verfassungsmäßig grundlegend anderen Rahmen, der den Parteien eine stärkere Rolle zubilligte, sie damit aber auch in größerem Maße in die Verantwortung für politische und gesellschaftliche Entwicklungen nahm. Der antikommunistische Konsens zwischen Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen ermöglichte die militärisch-politische Integration in den Westen, er bedeutete aber keineswegs, dass der dünkelhafte Antiamerikanismus der Zwischenkriegsjahre überwunden worden wäre. Mit althergebrachter Kulturemphase wurde, besonders pointiert in konservativen Kreisen, der westlichen „Zivilisation“ eine deutsche beziehungsweise mitteleuropäische „Kultur“ gegenübergestellt. Nicht nur Adenauer und die Union beschworen eine abendländische Kulturidentität, in weiten Teilen der Mittelschichten berief man sich auf eine essentialistische deutsche Kulturtradition, deren inner94  Vgl.

ebd. S. 18 ff. bspw. Klotzbach, Kurt: Der Weg zur Staatspartei. Programmatik, praktische Politik und Organisation der deutschen Sozialdemokratie 1945 bis 1965. Berlin/ Bonn: Dietz, 1982. 96  Vgl. bspw. Becker, Winfried: Gründung und Wurzeln der Christlich-Sozialen Union. In: Hanns-Seidel-Stiftung (Hrsg.): Geschichte einer Volkspartei. 50 Jahre CSU – 1945–1995. München: Hanns-Seidel-Stiftung, 1995. S. 69–108. 97  Vgl. Fischer, Die Zeit von 1945 bis 1967. S. 49. 95  Vgl.

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licher und apolitischer Charakter dem als medioker und kommerzialistisch gekennzeichneten Schaffen westlicher Künstler und Denker überlegen sei – und der durch den Nationalsozialismus unberührt schien.98 Auch in der Literatur dominierte häufig eine politikferne Idealisierung des „Geistes“, der als Antipode der „Macht“ gesehen wurde;99 das heißt freilich nicht, dass eine politisch engagierte Literatur nicht existiert hätte – sie wurde nur weitaus weniger rezipiert als die apolitische. Einen zentralen Grund dafür erblickt Ludwig Fischer in der großen personellen Kontinuität in den literaturvermittelnden Instanzen, den Feuilletons, den Akademien oder den Jurys der Literaturpreise, aber auch in dem Literaturunterricht an den Schulen, der „extrem restaurativ, ja geradezu reaktionär“ gewesen sei und dem er „idyllisierende Verlogenheit“ und ein „regressive[s] Gesellschaftsbild“ vor­ wirft;100 die „Geschmackskonstanz“101 der Leser unterstützte diese Tendenz. Obgleich auch in der Buchbranche restaurative Tendenzen insofern zu beobachten waren, als nach der Währungsreform und dem Ende der Lizenzpflicht eine „Rückkehr der Altverleger“102 zu beobachten war und viele bereits in der Weimarer Republik etablierte Verlage den Markt wieder zu dominieren begannen, während zahlreiche Nachkriegsgründungen sich nicht durchsetzen konnten,103 mithin, wie Olaf Blaschke konstatiert, eine Vielzahl von „ideologischen, personellen und betrieblichen Kontinuitätsstränge[n]“ festzustellen sind,104 war der Buchhandel doch ein Ort der Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Interessen der Käufer und den unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen und damit auch zwischen dem konservativen System „Kultur“ und dem modernisierungsfreudigeren System „Markt“.105 Und so änderten sich nicht nur die Herstellungs- und Vertriebsbedingungen, sondern allmählich auch die Stoffe, Formate und Themen der Publikationen. Hier können eher die 1950er Jahre als Zeit beginnender Vielfalt verstanden werden denn die unmittelbare Nachkriegszeit, in der aufgrund der Rechtelage, wie dargestellt, vor allem Neuauflagen alter Titel erschienen. Nicht nur die Praxis der Literaturproduktion und -distribution oder die Reorganisation der Parteien stellen das Narrativ der „Restauration“ infrage. 98  Vgl. Schildt, Axel: Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre (= Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit, Bd. 4). München: Oldenbourg, 1999. S. 32; Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 263. 99  Vgl. Fischer, Die Zeit von 1945 bis 1967. S. 89 f. 100  Fischer, Zur Sozialgeschichte der westdeutschen Literatur. S. 557. 101  Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 64. 102  Vgl. Schwenger, Buchmarkt. S. 105. 103  Siehe auch Kapitel B. II. 2. 104  Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 76. 105  Vgl. Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 38, 47.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen59

Auch in den 1950er Jahren berief sich sehr wohl ein relevanter Teil der Gesellschaft und insbesondere der Intellektuellen auf liberale, demokratische, allgemein auf progressive Ideen und Ziele, der die Diagnose einer vermeintlichen „Restauration“ überhaupt erst stellen konnte. Die Linksliberalen, vor allem die Kulturschaffenden, fanden sich in der Adenauer’schen Politik nicht wieder und sie wurden vom Bundeskanzler auch weitgehend übersehen;106 wirkungslos jedoch blieben sie nicht. In der Literatur, in der Kunst, aber auch im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs gaben sie Anstöße, die dazu führten, dass alte Werte infrage gestellt und neue geprägt wurden, dass die Pluralisierung der westdeutschen Gesellschaft voranschritt und dass sich auch der Konservatismus wandelte.107 Diese Entwicklungen wurden häufig erst in nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten manifest – angestoßen wurden sie häufig in den 1950er Jahren: „Bei genauem Hinsehen zeigten sich in Politik und Gesellschaft sehr unterschiedliche Mischungsverhältnisse von Neuem und Altem, von ‚Modernisierung im Wiederaufbau‘.“108 Und so ist sich die zeithistorische Forschung denn mittlerweile auch weitgehend einig, dass Christoph Kleßmanns zum geflügelten Wort avancierter Befund der „Modernisierung unter konservativen Auspizien“109 die tatsächlichen Verhältnisse in der ersten Dekade der Bundesrepublik recht präzise beschreibt. Vor diesem Hintergrund spielten Verlage als oftmals reichweitenstarke Vermittler von gesellschaftlich, politisch und kulturell engagierten Debattenbeiträgen und Orientierungsangeboten eine wichtige, mitunter diskursprägende Rolle, nicht zuletzt solche, die die vielfältigen konservativen Topoi der Nachkriegszeit artikulierten.

II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen Nicht nur die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verlegerischen Handelns waren in den Jahren zwischen 1945 und 1960 von spezifischem Charakter, auch die wirtschaftlichen, produktionstechnischen und im weiteren Sinne infrastrukturellen Voraussetzungen für den Buchhandel waren besondere und unterlagen stetem Wandel. Und auch auf diesem Feld stellten die Währungsreform und die Gründung der Bundesrepublik Einschnitte der Nachkriegszeit dar. Sie beförderten Prozesse, die den Markt und die auf ihm agierenden Akteure grundlegend veränderten.

Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 260 f. Schildt, Intellektuelle Positionen. S. 29. Siehe auch Kapitel C. 108  Schildt, Kontinuität und Neuanfang. S. 17. 109  Kleßmann, Ein stolzes Schiff. S. 485. 106  Vgl. 107  Vgl.

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So waren die Jahre bis 1948 von Mangel gekennzeichnet: Es fehlte an Gebäuden, an Personal, an Energie, an Nahrungsmitteln und ganz besonders fehlte es an Papier. Der Papiermangel limitierte die Buchproduktion nicht weniger als der Lizenzzwang – und er war mitunter genauso politisch begründet wie dieser. An einem indes mangelte es nicht: an Buchkäufern. So schwierig die Produktion von Büchern war, so dankbar war ihre Distribution. Denn da die Produktion auch in den meisten anderen Bereichen am Boden lag, war das Warenangebot extrem beschränkt und das Interesse der Käufer richtete sich auf die wenigen Exemplare jener Titel, die die Verlage herausbrachten und die ihren Weg in den Buchhandel fanden – oder auf den Schwarzmarkt. Das änderte sich nach 1948/49 gründlich. Nicht nur richtete sich der nachholende Konsum nach der Währungsreform vornehmlich auf Haushaltsgüter und Waren des täglichen Bedarfs; als mit Gründung der Bundesrepublik auch jene Verlage und Autoren wieder publizieren konnten, denen eine Lizenz zuvor verwehrt geblieben war, vervielfachte sich auch die Zahl der buchhändlerischen Marktteilnehmer, wodurch sich der Wettbewerb um die wenigen verbliebenen Buchkäufer verschärfte. Die „Rückkehr der Altverleger“ führte zudem dazu, dass traditionsreiche Häuser oftmals reüssierten, während nicht wenige der in den ersten Nachkriegsjahren ins Leben gerufenen Neugründungen auf der Strecke blieben. Obwohl die Akteure oftmals dieselben blieben wie in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“ – der Buchmarkt der Bundesrepublik wurde ein wesentlich anderer. Zwar spielten hergebrachte Literaturvermittler wie Leihbibliotheken oder der Versandbuchhandel zunächst weiterhin eine wichtige Rolle, verloren aber bald an Bedeutung. Die Buchgemeinschaften veränderten ihren Charakter und entpolitisierten sich. Gleichzeitig wandelten sich Formen, in denen Literatur dargeboten wurde: Taschenbücher wurden häufig in enormen Auflagen vorgelegt und verloren ihre randständige Position; Sachbücher erreichten Millionen Leser, solche, die sie an exotische Orte und in vergangene Zeiten entführten ebenso wie solche, die sie mit drängenden politischen und gesellschaftlichen Problemen konfrontierten. Neben dem Wiederaufbau der eigenen Betriebe und Programme ging die Branche nach Kriegsende zügig daran, auch die buchhändlerischen Institu­ tionen wiederherzustellen. Frankfurt kristallisierte sich dabei zunehmend als „Leipzig des Westens“ heraus: Hier formierte sich der Börsenverein neu, hier wurde die Deutsche Bibliothek institutionalisiert und hier etablierte sich die bald schon weltgrößte Buchmesse. Dabei blieben diese Institutionen nicht allein wichtig für den Branchenverkehr, sie gewannen auch originäre politische Relevanz.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen61

1. Mangel und massenhafte Nachfrage Selbst wenn die Verleger nach dem Sieg der Alliierten ihre Arbeit hätten unmittelbar wiederaufnehmen dürfen, sie hätten es kaum gekonnt. Denn die deutsche Wirtschaft war 1945 wenngleich nicht gänzlich zerstört, so doch in höchstem Maße gelähmt.110 Ein erheblicher Anteil des Wohnraums in den deutschen Großstädten war infolge der Bombardements verwüstet, während gleichzeitig Millionen von Geflüchteten und Vertriebenen in die Westzonen strömten. In der Folge herrschte akute Wohnungsnot: Die Zahl der Obdachlosen war immens, und wer eine Wohnung hatte, musste in der Regel mit Einquartierungen leben.111 Gewerbeflächen waren vor diesem Hintergrund schierer Luxus, oft diente die Verlegerwohnung deshalb als Büro – oder umgekehrt. Und selbst, wer einen Ort gefunden hatte, an dem die verlegerische Tätigkeit wieder aufgenommen werden konnte, hatte damit zu kämpfen, dass er kaum auf geeignetes Personal zurückgreifen konnte, denn zahllose Menschen waren im Krieg geblieben, die Überlebenden der früheren Belegschaft mitunter über das gesamte ehemalige Reichsgebiet versprengt.112 Bereits im Nationalsozialismus waren zahlreiche langjährige Verlagsmitarbeiter aus rassischen oder politischen Gründen aus den Unternehmen entfernt worden, und nach Kriegsende wurden gerade Multiplikatoren wie Angehörige von Medienunternehmen auf ihre politische Belastung hin überprüft, mussten das, mal zügig abgeschlossene, mal langwierige, Entnazifizierungsverfahren durchlaufen und unterlagen bis 1949 nicht selten einem Berufsverbot. So waren nicht wenige Verlage bei ihrer (Wieder-)Gründung mit ihrem Verleger identisch.113 Weiterer Mangel kennzeichnete die Zusammenbruchsgesellschaft: Die Lebensmittelversorgung, insbesondere die der Städte, war völlig unzureichend. Lebten die Deutschen auch kurz vor Kriegsende – auf Kosten der besetzten und ausgebeuteten Gebiete im Osten und der dortigen Bevölkerung – noch verhältnismäßig gut,114 mussten sie sich in den ersten Monaten nach der Niederlage teilweise mit weniger als 1.000 Kilokalorien täglich begnügen. Nicht nur hörten die Lieferungen aus dem Osten auf, es nahmen auch die Erntemengen ab und die Städte wurden nur noch zögerlich vom Land versorgt; Hamsterfahrten und Schwarzmarktkäufe bestimmten den AllSchildt, Kontinuität und Neuanfang. S. 19. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 29. 112  Vgl. Wittmann, Verlagswesen und Buchhandel. S. 39. 113  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 402. 114  Vgl. Buchheim, Christoph: Der Mythos vom „Wohlleben“. Der Lebensstandard der deutschen Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 58 (2010), Nr. 3. S. 299–328. Hier S. 310. 110  Vgl. 111  Vgl.

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tag der Städter. Erst 1951 stand pro Person wieder dieselbe Kalorienmenge wie vor dem Krieg zur Verfügung.115 Hinzu kam, dass die allgemeine Infrastruktur in erheblichem Maße zerstört war: Das Transportwesen war zusammengebrochen, Kommunikation und Postversand waren mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, Elektrizität und Gas wurden kaum noch produziert oder transportiert, immer wieder gab es Stromsperren.116 Es liegt auf der Hand, wie schwierig schon vor diesem Hintergrund die Produktion und Auslieferung von Büchern während der ersten Monate und Jahre nach Kriegsende war. Darüber hinaus lag jedoch die buchhändlerische Infrastruktur im Speziellen darnieder: Nicht nur lag mit Leipzig das bisherige Zentrum des Kommissionsbuchhandels und der wichtigste Messeplatz der Branche in der SBZ, die zunehmend von den Westzonen abgeschottet wurde, im Osten befanden sich auch drei Viertel der Druckund Bindekapazitäten; und in den Westzonen waren rund 40 Prozent der Setz- und Druck- sowie 65 Prozent der Bindekapazitäten verloren.117 Zunächst behalf man sich mit der Überholung alter oder zerstörter Maschinen, sodass die Qualität der Nachkriegspublikationen oftmals nicht mit der der Vorkriegswerke vergleichbar war, und schon ihre vergleichsweise geringe Quantität überlastete die verbliebenen Betriebe. Selbst wer eine Lizenz besaß, Papier zugeteilt bekam und über Autoren, Rechte, Personal und die technischen Mittel verfügte, um ein Manuskript druckfertig zu bekommen, musste damit rechnen, dass es ungedruckt blieb, wenn andere Werke, etwa solche der Militärregierungen, Priorität hatten. Erst im Verlauf der späten 1940er Jahre entstanden wieder leistungsfähige und moderne Druckereien.118 Gleichwohl berichtete Ilse Spemann, die Gattin des Engelhorn-Verlegers Adolf Spemann, noch im September 1948: „Auf Grund einer nach drei Jahren nun wieder zum 1.mal erfolgten Börsenblatt-Anzeige werde ich überschwemmt von Bestellungen, sodass die in Herstellung befindlichen Werke schon vor Erscheinen überzeichnet sind. Die Produktion zu steigern, ist rein technisch unmöglich, da es kaum möglich ist, bei den techn. Betrieben einen Auftrag unterzubringen.“119 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4. S. 951 f. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 29. 117  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 407. 118  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 17 f. 119  Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg (künftig: WABW), Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 188 Allgemeiner Briefwechsel O 1944–1953: Schreiben Ilse Spemanns an Hans-Georg Olwig vom 20. September 1948. In Quellenzitaten wird hier und im Folgenden in der Regel im Sinne besserer Lesbarkeit auf die Auszeichnung falscher oder antiquierter Schreibweisen, etwa die häufige Verwendung von ss anstelle von ß in den Brieftranskripten, durch [sic] verzichtet, wenn diese dem Verständnis nicht im Wege stehen. 115  Vgl. 116  Vgl.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen63

Ein noch größeres Hindernis für die verlegerische Arbeit als fehlendes Personal und zerstörte Infrastruktur aber war der massive Rohstoffmangel, der die Produktion von Büchern in größerem Maßstab nahezu unmöglich machte. So fehlte es den Buchbindereien an Überzugstoffen genauso wie an Heftfaden, den graphischen Betrieben an Fotomaterial genauso wie an Chemikalien; am prekärsten jedoch war der Papiermangel. Die „Papierkalamität“ beherrschte die Überlegungen der Branche und der sie reglementierenden Militärregierungen. Dabei war der Papiermangel zwar ein Ergebnis scheiternder Wirtschaftssteuerung, gleichzeitig aber selbst ein Mittel solcher Steuerung: „Die Besatzungsmächte wollten ein deutsches Verlagswesen aufbauen oder wenigstens seinen Aufbau fördern, freilich ein Verlagswesen, das dem entsprach, was sie für wünschenswert, d. h. ihren politischen Zielen dienlich hielten. Dabei waren ihnen aber Grenzen gesetzt durch den Mangel an Papier, den zu beheben sie nicht imstande waren. Über die Zellstoff- und Papierwirtschaft war das Verlagswesen mittelbar von weit umfassenderen Wirtschaftspositionen abhängig, von der Holzwirtschaft und der Kohle- bzw. Energiewirtschaft. Außerdem war das Verlagswesen nicht der einzige Papierverbraucher, vielmehr machten andere Wirtschaftszweige einen vordringlichen und lebenswichtigen, zudem weit größeren Papierbedarf geltend.“120 Im Jahr 1947 betrug der Pro-Kopf-Verbrauch von Papier in der amerikanischen Zone gerade einmal neun Kilogramm – vor dem Krieg hatte er noch bei fast 50 Kilogramm gelegen.121 Zwischen Januar 1947 und März 1948 standen sämtlichen bayerischen Buchverlagen zusammen lediglich 379 Tonnen Papier zur Verfügung (1949 waren es dann fast 3.300 Tonnen allein für die Münchner Verlage).122 Die Papierfabriken der Westzonen waren bis zur Währungsreform zu gerade einmal 20 Prozent ausgelastet123 – das bedeutete für Verlage nicht nur, dass eben nur geringe Auflagen gedruckt werden konnten; wer über eigene Papierfabriken verfügte, litt womöglich zusätzlich unter deren defizitärer Arbeit. Die Besatzungsbehörden, so Wittmann, „steuerten […] unverhohlen den Markt“.124 Lawrence Dalcher, Leiter der Publikationsabteilung der US-Militärregierung, bekannte das aus der Perspektive des Jahres 1949 ganz offen: „Durch die Kontrolle der Papierproduktion und die Zuweisung der Kontingente vonseiten der Militärregierung spiegelten die deutschen Veröffent­ lichungen in den ersten Jahren weniger die Wünsche des Lesers als das

120  Umlauff,

Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 412. ebd. Sp. 414. 122  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 17. 123  Vgl. ebd. 124  Wittmann, Verlagswesen und Buchhandel. S. 40. 121  Vgl.

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­ izenzierungssystem der Militärregierung wider.“125 Bevorzugt wurden etwa L Schulbücher, wissenschaftliche und technische Fachbücher sowie politisch opportune Sachbuch- und Belletristikprogramme. Für die Ziele der Reeducation und Reorientation schienen den Behörden zudem Zeitschriften und ­Zeitungen zunächst wichtiger als Bücher, ermöglichten sie doch eine kurzfristigere und reichweitenstärkere Information beziehungsweise Diskussion. Glücklich konnte sich schätzen, wer vor diesem Hintergrund Zuteilungen für Zeitschriften erhielt und von diesen Beständen Teile für die Buchproduktion abzweigen konnte, wie dies beispielsweise Rowohlt möglich war, der mit den auf Zeitungspapier gedruckten Rowohlts Rotations-Romanen geradezu einen Erinnerungsort der deutschen Buchhandelsgeschichte schuf.126 Um eine möglichst transparente und zweckmäßige Verteilung der Papierbestände zu gewährleisten, wurden vonseiten des Buchhandels und seiner Organisationen immer wieder Forderungen erhoben, ein, möglichst für die drei westlichen Zonen gemeinsam einzurichtendes, zentrales Bewirtschaftungssystem zu etablieren. Sie zielten darauf, den Verlegern die Selbstverwaltung und damit eine möglichst große Autonomie zu ermöglichen, um Auflagen und Qualitäten zu steuern, nicht zuletzt, um wieder exportfähig zu werden und so an dringend benötigte Devisen zu kommen.127 Tatsächlich aber blieb es bei den jeweils eigenen Systemen der Besatzungsmächte, die Zuteilungen an die Länder vornahmen, die wiederum den Verlagen entsprechend der befundenen Wichtigkeit ihrer Vorhaben Papier zubilligten.128 Die Steuerung der Papierzuteilung wurde selbst in den einzelnen Zonen nicht zentralisiert, sodass es dort erhebliche Unwuchten gab; in Hessen etwa, einem der neuen Zentren der Buchwirtschaft, gab es so gut wie keine Papierindustrie.129 So betrugen die Auflagen der meisten Titel pauschal 5.000 Exemplare, die zumeist auf minderwertigem, stark holzhaltigem Papier gedruckt wurden und häufig nur einen geringen Umfang aufwiesen. Den Tiefstand erreichte die Papierversorgung Ende 1947; erst nach der Währungsreform normalisierte sich der Papiermarkt langsam – und die Papierpreise stiegen deutlich an.130 Die Papierbewirtschaftung endete in der britischen und amerikanischen Zone Mitte 1948, in der französischen erst im Frühjahr 1949.131 125  Zit. n. Oels, David: Kulturimport. Einleitung. In: Agazzi, Elena/Schütz, Erhard (Hrsg.): Handbuch Nachkriegskultur. Literatur, Sachbuch und Film in Deutschland (1945–1962). Berlin/Boston: De Gruyter, 2016. S. 509–523. Hier S. 509. 126  Vgl. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 167. 127  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 418 f. 128  Vgl. ebd. Sp. 428. 129  Vgl. ebd., Sp. 420. 130  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 17. 131  Vgl. Fetzer, Droemer Knaur. S. 280.



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Aller widrigen Umstände zum Trotz bemühten sich die zahlreichen wieder- oder neugegründeten Verlage, ihre Arbeit zügig aufzunehmen. Bereits 1945 wurden einige Verlage lizenziert, darunter die Kurt Deschs, Peter Suhrkamps oder Eugen Claassens;132 am Ende des Jahres waren es in den west­ lichen Zonen bereits 179, bis zur Währungsreform dann rund 850 Unternehmen, etwa die Hälfte davon fand sich in der amerikanischen Zone.133 In den westlichen Besatzungszonen entwickelte sich die Titelproduktion auf niedrigem Niveau durchaus dynamisch: Bis Ende 1946 waren dort etwas mehr als 4.200 Titel erschienen, zwischen Mitte 1947 und Mitte 1948 waren es bereits rund 7.500.134 Ungleich schneller wuchsen diese Zahlen nach der Währungsreform. So undankbar die Produktionsbedingungen für die lizenzierten Unternehmen waren, so paradiesisch musste ihnen mitunter die Marktsituation erscheinen: Die Diskrepanz zwischen Produktion und Nachfrage schuf einen Angebotsmarkt, in dem so gut wie jedes Buch sofort einen Abnehmer fand.135 Es ist sicher ein idealisierender Blick, dies allein dem „Kulturhunger“ der Deutschen zuzuschreiben, gleichwohl gab es ein Verlangen nach Ablenkung einerseits, nach Selbstvergewisserung und Orientierung andererseits.136 Eine wichtige Rolle spielte aber darüber hinaus, dass auch andere Güter kaum angeboten wurden, deren Anschaffung vielleicht vordringlich gewesen wäre. Die Mischung aus der Suche nach Orientierungsangeboten und Eskapismus spiegelte sich in den Verlagsprogrammen der ersten Nachkriegsjahre wider: Knapp ein Drittel der Titel waren religiöse Schriften, ein gutes Fünftel belletristische Werke, meist etablierte Werke oder Klassiker und Titel unpolitischen Charakters – der Geschmack des Publikums richtete sich auf Bewährtes.137 Der Buchhandel verwaltete unter diesen Umständen in erster Linie den Mangel. Bücher avancierten zu einem wertvollen Tauschgut, wurden gehortet und ebenso auf dem Schwarzmarkt gehandelt wie beinahe alle Gebrauchsgüter. Gottfried Bermann Fischer, der Verleger des S.-Fischer-Verlags, berichtete in seinem seither vielzitierten Vortrag an der New Yorker ColumbiaUniversität über die Situation auf dem deutschen Buchmarkt: „Mit dem Moment seiner Auslieferung an den Buchhandel verschwindet [ein Buch] 132  Vgl. 133  Vgl.

Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 409. Fetzer, Droemer Knaur. S. 279; Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels.

Sp. 477. 134  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 483; Fetzer, Droemer ­Knaur. S.  284. 135  Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 74. 136  Vgl. Schildt, Kontinuität und Neuanfang. S. 22. 137  Vgl. Fetzer, Droemer Knaur. S. 282; Ziegler, Piper. S. 145.

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spurlos. Was mit diesen Büchern geschieht, lässt sich nur vermuten. […] Bei der geringen Auflage des Einzeltitels […] entfallen auf den einzelnen Buchhändler nur wenige Exemplare, die er zum Teil an seine ständigen Kunden verkauft, zum anderen Teil aber als wertbeständige Ware auf seinem Lager hält, um sie im schwarzen Markt als Tauschobjekte zu verwenden, oder aber, um sie für eine Zeit aufzubewahren, in der die Mark wieder einen stabilen Wert hat. Im schwarzen Markt ist ein Buch eine Ware wie jede andere und wird genau so zu Phantasiepreisen gehandelt. Der Bedarf nach Lese- und Lernstoff ist so enorm und das Angebot so gering, dass für ein wissenschaftliches Buch oder das Werk eines bekannten Autors aus der Emigration viele Hundert Mark bezahlt werden, das Monatsgehalt eines mittleren Angestellten und mehr.“138 2. Mark und Markt Nicht nur im Buchhandel, auch in fast allen anderen Bereichen der Wirtschaft war ein krasses Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sowie zwischen Kaufkraft und Preisentwicklung zu beobachten. Güter aller Art wurden nur in völlig unzureichender Menge produziert und die wenigen Waren oftmals nicht im freien Handel angeboten, sondern gehortet oder zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt feilgeboten. Die industrielle Produktion in den drei Westzonen lag in der ersten Jahreshälfte 1948 nur bei circa 50 Prozent der Leistung von 1936 – damit war es um die westdeutsche Wirtschaft weit schlechter bestellt als um die Ökonomien der meisten anderen vom Krieg betroffenen Länder in Ost und West.139 Gleichzeitig war ein immenser Geldüberhang vorhanden: Während des Kriegs wurde zu dessen Finanzierung die Geldmenge erhöht und aus den besetzten Gebieten wurden Abgaben gepresst, die auch nach dem Mai 1945 noch ebenso kursierten wie aktivierte Reserven der öffentlichen Hand und das Besatzungsgeld der Soldaten und Angestellten der Alliierten. So entstand eine immer größere Geldmenge, die unter anderem wegen des faktisch nicht existenten Außenhandels nicht abfließen konnte; 1946 waren rund 170 Milliarden Reichsmark im Umlauf – gegenüber weniger als 60 Milliarden im Jahr 1938.140 Während auf dem schwarzen Markt Produkte zu Wucherpreisen gehandelt wurden, stiegen die Arbeitseinkommen kaum an. Die Bewirtschaftung etwa von Lebensmit138  Zit. n. Pfäfflin, Friedrich/Kussmaul, Ingrid: S. Fischer Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum in Marbach am Neckar (= Marbacher Katalog, Bd. 40). Marbach: Deutsche Schillergesellschaft, 1985. S. 659. 139  Vgl. Buchheim, Christoph: Die Währungsreform 1948 in Westdeutschland. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 36 (1988), Nr. 2. S. 189–231. Hier S. 191. 140  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 629 f.



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teln, das heißt ihre Rationierung und Ausgabe gegen Nährmittelmarken, entzog diese Produkte dem freien (nicht aber natürlich dem illegalen) Handel. Daneben sorgten Tauschwirtschaft und teilweise die Vergütung in Naturalien dafür, dass die monetäre Dimension der Löhne und Gehälter von der Entwicklung der Geldmenge und der Inflation abgekoppelt war.141 Angesichts dieser Gemengelage entschieden die Alliierten, eine Währungsreform durchzuführen, die die kursierende Geldmenge drastisch reduzieren und die Grundlage für die Aufhebung der Rationierung der meisten Güter darstellen sollte. Nachdem die Verhandlungen mit der Sowjetunion über eine einheitliche Umsetzung in allen Besatzungszonen gescheitert waren, trat die Währungsreform in den drei westlichen Zonen am 20. Juni 1948 in Kraft. In insgesamt vier Gesetzen wurden ihre Details festgeschrieben. In der praktischen Umsetzung wurde es jedermann ermöglicht, insgesamt 60 Reichsmark gegen 60 ­D-Mark „Kopfgeld“ einzutauschen; Guthaben wurden im Verhältnis 10:0,65 und Verbindlichkeiten im Verhältnis 10:1 abgewertet.142 Entsprechende Pläne wurden frühzeitig kundgetan, sodass im Vorfeld der Reform Waren noch stärker gehortet wurden als zuvor, in der Hoffnung, dass nach der Einführung der ­D-Mark die Kaufkraft steigen würde und die Güter nun gegen eine harte Währung verkauft werden könnten. Diese Strategie verfolgte man durchaus auch im Buchhandel. Bereits im Mai 1948 allerdings warnte ein Artikel im Leipziger Börsenblatt, dass wer so handle, „falsch spekuliert“ haben werde.143 Und in der Tat, nach der Währungsreform trat die erhoffte Normalisierung des Markts ein: Er wandelte sich von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt, die Geldmenge wurde effektiv verringert, Produktion und Produktivität nahmen zu, die Bewirtschaftung der meisten Güter wurde rasch eingestellt, sodass die ­D-Mark auch jene Geldfunktionen erfüllen konnte, die die Reichsmark faktisch nicht mehr hatte. Es etablierte sich eine echte Marktwirtschaft. Für den Handel mit Büchern freilich bedeutete dies, dass sie mit nun wieder beinahe im Überfluss vorhandenen Gütern aller Art konkurrieren mussten, und das vor dem Hintergrund zunächst geringen Barvermögens und angesichts der Notwendigkeit nachholender Investitionen in Güter des täglichen Bedarfs oder Haushaltsartikel. Und je mehr sich auch die Papierproduktion normalisierte, Buchbindereien und graphische Betriebe ihren regulären Betrieb wiederaufnehmen konnten, desto weniger konnten die qualitativ minderwertigen Nachkriegsbücher die Leser noch zum Kauf überzeugen. Aber nicht nur die im Laden gehüteten Altwerke blieben Ladenhüter, auch Buchheim, Währungsreform. S. 193. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 150 f. 143  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 632 ff., Anm. 53. 141  Vgl. 142  Vgl.

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hochwertig ausgestattete Neuerscheinungen konnten zunächst nur schwer abgesetzt werden.144 Adolf Spemann berichtete noch im Juli 1952 von „der immer noch bestehenden Absatzkrise im Buchhandel, die mich zwingt, weiterhin kurz zu treten“.145 Trotzdem stieg die Titelzahl rasant an: 1951 wurden insgesamt fast 14.100 Titel verlegt – beinahe doppelt so viele wie 1947/48.146 Während jedoch die westdeutsche Wirtschaft insgesamt seit den frühen 1950er Jahren eine Phase raschen Wachstums erlebte, blieb der Buchhandel dahinter zurück. Der deutlich gestiegenen Titelzahl entsprach eine größere Anzahl buchhändlerischer Unternehmen. Das Bruttosozialprodukt stieg um durchschnittlich 7,6 Prozent jährlich, die Umsätze von Betrieben des Buchhandels im Schnitt nur um 6 Prozent. Erst ab der Mitte der 1950er Jahre holte der Buchhandel auf und ließ am Ende des Jahrzehnts andere Handelsbranchen hinter sich: Mit fast 20.500 Titeln, davon rund 80 Prozent Erstauflagen, war nicht nur der Vorkriegsausstoß wieder erreicht (wobei die Durchschnittsauflage nur leicht anstieg), die Wachstumsrate des Buchhandels betrug mit knapp 11 Prozent fast das Dreifache des Einzelhandelsdurchschnitts.147 Die gestiegene Anzahl von Marktakteuren war natürlich wesentlich auf das Ende der Lizenzpflicht und die Konsolidierung der Währung zurückzuführen. Nach 1949 traten auch jene Verlage und Verleger wieder in Erscheinung, denen eine Tätigkeit in ihrem angestammten Feld zuvor nicht möglich gewesen war. Nach 1948/49 verschwanden zahlreiche der neugegründeten Verlage rasch wieder vom Markt, es setzten sich die Altverlage und Altverleger durch, sodass circa zwei Drittel der 1960 in der Bundesrepublik publizierenden Verlage bereits vor 1945 existiert hatten. Dabei waren nicht nur die personellen und programmatischen Kontinuitäten augenfällig, sondern mit ihnen in aller Regel auch die weltanschaulichen – freilich jeweils vor dem Hintergrund der neuen gesellschaftlichen und politischen Realität: Konfes­ sionelle Verlage bedienten die größer werdende Nachfrage nach spiritueller Literatur, linke Verlage setzten sich mit Fragen der deutschen Einheit, der Sozialstaatlichkeit und des Kommunismus auseinander, konservative Verlage trugen kulturkritische Topoi in die Diskussion und auch rechtsradikale Verlage traten in der jungen Bundesrepublik wieder in Erscheinung.148 So norWittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 412 f. Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 188 Allgemeiner Briefwechsel O 1944–1953: Schreiben Adolf Spemanns an Adolff, Oehlschläger’sche Buchdruckerei, vom 25. Juli 1952. 146  Vgl. Fetzer, Droemer Knaur. S. 284. 147  Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 71, 84 f.; Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 34. 148  Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 79. 144  Vgl.

145  WABW,



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen69

malisierte sich der westdeutsche Buchmarkt nicht nur in ökonomischer Hinsicht, sondern auch hinsichtlich der politischen Verhältnisse sowie in Bezug auf die auf ihm handelnden Akteure.149 Gleichwohl nahm auf diesem normalisierten Markt der 1950er Jahren eine Reihe von Entwicklungen ihren Anfang, die den Buchhandel deutlich von dem vergangener Dekaden unterschieden und auf die kommenden Jahrzehnte verwiesen. Im Bereich der Distribution spielte nicht nur der klassische Sortimentsbuchhandel eine zentrale Rolle, denn gerade dieser war häufig von den Zerstörungen besonders stark betroffen. Stattdessen trugen gerade in den ersten Nachkriegsjahren andere Distributionsformen zur Wiedererrichtung buchhändlerischer Infrastruktur bei. So war hierfür mitunter der Bahnhofsbuchhandel von herausragender Bedeutung, der sich in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Gleichschritt mit dem Ausbau der Eisenbahninfrastruktur verbreitet und dabei nicht nur ein neues Vertriebssystem, sondern auch innovative Werbe- und Marketingstrategien etabliert hatte.150 Aber auch der werbende Zeitschriften- und Buchhandel gewann nach Kriegsende noch einmal an Relevanz, nicht zuletzt, weil er im Nationalsozialismus zum einen expandiert hatte und zum anderen zwar stärker reguliert, aber auch institutionalisiert worden war,151 sodass nach 1945 auf bestehende Strukturen und Beziehungen zurückgegriffen werden konnte, wenngleich auch der Versandbuchhandel von den Zerstörungen erheblich betroffen war, insbesondere natürlich von denen der Postinfrastruktur. Nichtsdestotrotz war er ein wesentliches Instrument, um die Bevölkerung insbesondere außerhalb der städtischen Zentren mit Literatur und vor allem mit Fachbüchern zu versorgen und mithin den Buchhandel in der Fläche wiederaufzubauen.152 Auch der kommerzielle Leihbuchhandel spielte bis zum Ende des 1950er Jahre noch einmal eine wichtige Rolle und gewann für kurze Zeit besonders im Bereich der unterhaltenden Literatur eine wichtige Vermittlungsfunktion zurück, die er jedoch alsbald endgültig verlieren sollte. Die Entwicklung von Blüte und Niedergang, die den Leihbuchhandel im 19. Jahrhundert geprägt Schildt, Kontinuität und Neuanfang. S. 16. Haug, Christine: Reisen und Lesen im Zeitalter der Industrialisierung. Die Geschichte des Bahnhofs- und Verkehrsbuchhandels in Deutschland von seinen Anfängen um 1850 bis zum Ende der Weimarer Republik (= Schriften und Zeugnisse zur Buchgeschichte, Bd. 17). Wiesbaden: Harrassowitz, 2007. S. 144 ff., 189 ff., 366. 151  Vgl. Haug, Christine/Kruse, Natalie: Geschichte des Versandbuchhandels. Von den Anfängen in den 1860er Jahren bis zur Gegenwart. Wiesbaden: Harrassowitz, 2004. S.  94 ff.; Garke-Rothbart, Thomas: „… für unseren Betrieb lebensnotwendig …“. Georg von Holtzbrinck als Verlagsunternehmer im Dritten Reich (= Archiv für Geschichte des Buchwesens – Studien, Bd. 7). München: Saur, 2008. S. 44 ff. 152  Vgl. Haug/Kruse, Geschichte des Versandbuchhandels. S. 117 f.; Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 757. 149  Vgl. 150  Vgl.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

hatte,153 wiederholte sich im 20. Jahrhundert: Nach 1918 entstanden zahlreiche neue Leihbibliotheken, die in einer Zeit des Umbruchs einerseits einem Bedürfnis nach Eskapismus Rechnung trugen, andererseits den Rezeptionsmöglichkeiten der Leserschaft angesichts prekärer wirtschaftlicher Verhältnisse entgegenkamen. Angesichts ähnlicher Bedingungen nach 1945 ähnelte auch die Entwicklung der ersten Jahre nach dem Zweiten denen nach dem Ersten Weltkrieg: Eine ungeheure Vielzahl von Leihbuchhändlern trat auf den Plan, um das große Lesebedürfnis der Deutschen zu befriedigen, wozu der Sortimentsbuchhandel der ersten Nachkriegsjahre nicht in der Lage war.154 Monika Estermann geht für 1950 von rund 13.000 Leihbüchereien aus, Raimund Kast für den Anfang der 1960er Jahre von über 20.000.155 Welche Zahl auch stimmen mag – sie nahm in den folgenden Jahren rasch ab. Während die zunehmende Verbreitung von Radio- und Fernsehgeräten sich nicht per se negativ auf den Anteil des Buches am Gesamtmedienbudget auswirkte, galt dies für die Leihbüchereien sehr wohl. Seit der Mitte der 1950er Jahre waren sie einem schnellen und nachhaltigen Niedergang ausgesetzt. Dazu trug die steigende Kaufkraft ebenso bei wie die zunehmende Verbreitung von Taschenbüchern und die massenhafte Mitgliedschaft der Leser in den zahlreichen Buchgemeinschaften der Nachkriegszeit.156 Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt von den Leihbuchhändlern selbst vorangetrieben. Denn um die immense Nachfrage nach günstiger Unterhaltungsliteratur zu befriedigen, bildete sich ein neuer Typus von Verlag heraus, der sich auf die Produktion von Leihbuchromanen spezialisierte.157 Diese 153  Zur Geschichte des Leihbuchhandels in dieser Zeit siehe Jäger, Georg: Die deutsche Leihbibliothek im 19. Jahrhundert. Verbreitung – Organisation – Verfall. In: Jäger, Georg/Martino, Alberto/Sengle, Friedrich (Hrsg.): Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 2. Tübingen: Max Niemeyer, 1977. S. 96–133; Martino, Alberto: Die deutsche Leihbibliothek. Geschichte einer literarischen Institution (1756–1914). Wiesbaden: Harrassowitz, 1990; Florestedt, Renate: Leihbibliotheken, Arbeiterbibliotheken, Bücherhallen. Bibliothekarische Bemühungen um die Volksbildung vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1933. Leipzig: Stadt- und Bezirksbibliothek, 1989. 154  Vgl. Kast, Raimund: Die Leihbibliothek Siegel in Hof. Organisation, Buch­ bestand und Publikum einer provinziellen Leihbücherei nach 1945. In: Historische Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (Hrsg.): Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 28. Frankfurt am Main: Buchhändler-Vereinigung, 1987. S. 293–337. Hier S. 294. 155  Vgl. Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 52; Kast, Die Leihbi­ bliothek Siegel. S. 295. 156  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 417. 157  Vgl. Haug, Christine: Leihbuchromane und Leihbuchroman-Verlage. Ein spezielles Marktsegment nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In: Kuttner, Sven/ Kempf, Klaus (Hrsg.): Buch und Bibliothek im Wirtschaftswunder. Entwicklungs­ linien, Kontinuitäten und Brüche in Deutschland und Italien während der Nachkriegs-



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen71

nicht nur dem Inhalt, sondern auch der Ausstattung nach speziell für den Vertrieb durch gewerbliche Leihbibliotheken konzipierten Publikationen spielten für rund zwei Jahrzehnte eine erhebliche Rolle im Portfolio populärer Medien – und verhalfen Erfolgsautoren mitunter erst zum Durchbruch.158 So verdingte sich Heinz G. Konsalik zunächst als Verfasser von Leihbuchromanen, ehe er auch auf dem „regulären“ Buchmarkt zu einem der erfolgreichsten Unterhaltungsautoren avancierte.159 Konsaliks Beispiel verdeutlicht, dass freilich nicht nur der Höhenkamm für Geschichtsdeutungen und Gegenwartsdebatten der Nachkriegszeit von Belang war. Auch und gerade hier wurden zum Beispiel NS-Narrative wie die vom anständigen deutschen Soldaten, dem primitiven Russen oder dem verschlagenen Juden fortgeschrieben, die auch in den elaborierteren Wortmeldungen regelmäßig aufschienen.160 Mit der Popularisierung von Unterhaltungsromanen in einfacher, dem praktischen Nutzen, nicht der bibliophilen Repräsentation verpflichteter Ausstattung schufen die Leihbuchhändler eine der Voraussetzungen für die Akzeptanz und Durchsetzung des Taschenbuchs als massenmedialem Buchformat – und damit für die Minimierung ihres eigenen Markts, der durch den Erfolg der Buchgemeinschaften ohnehin bereits begrenzt wurde. Diese waren bereits in der Weimarer Republik ein wichtiger Akteur auf dem Buchmarkt und ein zentraler Vermittler von Büchern und Themen gewesen. In der Zwischenkriegszeit wiesen sie oftmals ein dezidiert politisches Profil auf, sodass die Mitgliedschaft in einer bestimmten Buchgemeinschaft weniger ein Ausdruck der literarischen Vorlieben als vielmehr der ideologischen Verortung war.161 In der Bundesrepublik erlebten Buchgemeinschaften eine neuerliche Blüte, die bis in die 1990er Jahre anhielt. Zahlreiche neue Buchclubs gründeten sich in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren, darunter der spätere Beinahemonopolist Bertelsmann Lesering, die Wissenschaftliche Buchgemeinschaft und der Europäische Buchklub (EBK); andere, zeit (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, Bd. 63). Wiesbaden: Harrassowitz, 2018. S. 239–252. Hier S. 243 f. 158  Vgl. ebd. S. 239. 159  Vgl. Haug, Christine: „Lebe wild, schnell und gefährlich“ – Die industrielle Produktion von Leihbuchromanen nach 1945. Ein Baustein zur Populärkultur der Nachkriegszeit in Deutschland. In: Haug, Christine/Thiele, Rolf (Hrsg.): Buch – Bibliothek – Region. Wolfgang Schmitz zum 65. Geburtstag. Wiesbaden: Harrassowitz, 2014. S. 71–91. Hier S. 83. 160  Vgl. Harder, Matthias: Erfahrung Krieg. Zur Darstellung des zweiten [sic] Weltkrieges in den Romanen von Heinz G. Konsalik. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1999. 161  Vgl. Melis, Urban van: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik. Mit einer Fallstudie über die sozialdemokratische Arbeitsbuchgemeinschaft Der Bücherkreis (= Bibliothek des Buchwesens, Bd. 13). Stuttgart: Hiersemann, 2002.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

wie die Büchergilde Gutenberg oder die Deutsche Buch-Gemeinschaft, konnten bereits auf eine längere Tradition zurückblicken.162 Eine ausgeprägte Politisierung wie in den Weimarer Jahren war bei diesen Buchgemeinschaften nicht mehr zu beobachten. Nichtsdestoweniger wiesen einige von ihnen auch in den Nachkriegsjahren durchaus noch weltanschauliche Tendenzen auf. So bewahrte die Büchergilde Gutenberg ihr gewerkschaftsnahes, sozialdemokratisches Profil, die Bücher des Europäische Buchklubs nahmen häufig eine konservative Perspektive ein und die vom zunächst in der Deutschen Reichspartei (DRP), dann in der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) engagierten Ernst Anrich gegründete Wissenschaftliche Buchgesellschaft verfügte über ein gerüttelt Maß rechtsradikalrevisionistischer Agenda.163 Für die Verlage waren die Buchgemeinschaften wichtige Lizenznehmer, wenngleich das Geschäft mit Nebenrechten in den 1950er Jahren noch ein vergleichsweise kleines war;164 lukrativ war das Geschäft mitunter aber nicht nur durch die Lizenzvergabe selbst, sondern auch durch die Produktion der entsprechenden Auflagen. So war der Europäische Buchklub der präferierte Lizenznehmer der DVA, aber in den 1950er Jahren auch der größte Auftraggeber der verlagseigenen technischen Betriebe – 1956 etwa entfielen zwei Drittel der Produktion auf den EBK.165 Nicht zuletzt waren die Buchgemeinschaften wichtige Multiplikatoren von Verlagsinhalten, überstiegen die Auflagen ihrer preiswerten Ausgaben die des Originals doch nicht selten um ein Vielfaches.166 Da neben der gehobenen Unterhaltungsliteratur das populäre Sachbuch einen erheblichen Anteil der Lizenzausgaben ausmachte, sind die Programme der Buchgemeinschaften ein wichtiger Indikator für die Relevanz und Rezeption bestimmter Themen in der Gesellschaft.167 Am Ende der 1950er Jahre waren mehr als vier Millionen Menschen Mitglied in einer der rund 30 Buchgemeinschaften der Bundesrepublik. Während Peter Uwe Hohendahl 1974 zu der Einschätzung gelangte, dass die Buchgemeinschaften zuvörderst über ein gebildetes Publikum verfügten, legt Heinz Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 51. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 139, 309 f.; Ziegler, Edda: Vermischte Zustände. Der NS-Nationalpreisträger Bruno Brehm im Piper-Verlag nach 1945. In: Estermann, Monika/Fischer, Ernst/Schneider, Ute (Hrsg.): Buchkulturen. Beiträge zur Geschichte der Literaturvermittlung. Wiesbaden: Harrassowitz, 2005. S. 381–396. Hier S. 391. 164  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 419. 165  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1956. 166  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 419. 167  Vgl. Fischer, Sozialgeschichte der Literatur. S. 554. 162  Vgl. 163  Vgl.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen73

Ludwig Arnold Zahlen vor, die darauf hindeuten, dass vor allem Leser der mittleren Bildungsschichten ihre Mitglieder ausmachten.168 Auch die zeitgenössische Einschätzung der Buchgemeinschaften aus verlegerischer Sicht ist uneindeutig: Joseph Caspar Witsch etwa betonte einerseits, dass sie eine wichtige Rolle bei der Gewinnung von Lesern und der Vermittlung von Inhalten spielten, beklagte aber andererseits, dass sie zu einer Absenkung des literarischen Niveaus beitrügen.169 Auch als Reaktion auf diesen wahrgenommenen Qualitätsverlust durch die günstigen Ausgaben populärer Titel in den Buchclub-Programmen entstand der Trend zur stärkeren Kooperation zwischen Verlagen. Joseph Caspar Witsch etwa regte die Etablierung einer Reihe monatlich erscheinender, hochwertig ausgestatteter Titel renommierter Autoren sowohl der Belletristik wie des Sachbuchs mit an, die im Verbund von 19 Qualitätsverlagen publiziert wurde – die Bücher der 19. Die ersten Bände erschienen 1954 und die Reihe wurde bis in die 1970er Jahre fortgesetzt.170 An diesem Unternehmen war die DVA ebenso beteiligt wie an der 1960 erfolgten Gründung des Deutschen Taschenbuchverlags (dtv), in dem sich, wiederum auf Initiative Witschs, elf Verlage zusammenfanden, um die eigenen Rechte gemeinsam auch im Paperback-Format zu verwerten und die stetig steigende Nachfrage nach Taschenbüchern unter Ausschaltung von Intermediären zu befriedigen.171 Denn die massenhafte Verbreitung des Taschenbuchs nahm in den 1950er Jahren ihren Anfang. Zwar begegneten Teile der bildungsbürgerlichen Öffentlichkeit diesem Format zunächst mit einiger Geringschätzung, der DVAAutor und konservative Historiker Gerhard Ritter etwa äußerte wiederholt seine Vorbehalte dagegen, die eigenen Werke als Taschenbuch veröffentlichen zu lassen;172 im Programm der DVA spielten Taschenbücher denn zunächst auch keine Rolle, durch die Beteiligung an dtv konnte man nichtsdestotrotz am rasch wachsenden Taschenbuchmarkt partizipieren. Zwischen 1950 und 1957 erschienen in Westdeutschland rund 1.300 Titel im Taschenbuch, die mit jeweils 50.000 Exemplaren eine durchschnittlich weit höhere 168  Vgl. Hohendahl, Peter Uwe: Literaturkritik und Öffentlichkeit. München: Piper, 1974. S. 157; Arnold, Heinz Ludwig (Hrsg.): Literaturbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland. Ein kritisches Handbuch. München: Edition Text und Kritik, 21981, zit. n. Wittmann, Geschichte des Buchhandels. S. 418. 169  Vgl. Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 51; Körner, Kiepenheuer & Witsch und der Kalte Krieg. S. 256. 170  Vgl. ebd. 171  Vgl. Kampmann, Kanon und Verlag. S. 118 f. Zur Geschichte von dtv siehe auch Berthel, Werner: 30 Jahre Deutscher Taschenbuch Verlag, 1961–1991. Daten, Bilder, Bücher. München: dtv, 1991. 172  Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 102.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

Auflage aufwiesen als Hardcover-Originalausgaben.173 Taschenbücher trugen durch die hohen Auflagen und in der Regel sehr niedrigen Preise mithin ebenso wie die Buchgemeinschaften zur Demokratisierung des Leseverhaltens bei.174 Der wirkliche Durchbruch des Formats erfolgte zwar erst in den 1960er Jahren, doch auch in der vorherigen Dekade bildete es „schon fast einen eigenständigen Produktions- und Vertriebssektor“.175 Bereits seit der ersten Hälfte der 1950er hatten zahlreiche renommierte Verlage Taschenbücher in ihre Programme aufgenommen, darunter Suhrkamp, Ullstein oder Goldmann;176 die Vorreiterrolle freilich hatte Rowohlt mit seinen rororo-Taschenbüchern eingenommen: Im Sommer 1950 erschienen die ersten Titel, im Januar 1952 berichtete Ernst Rowohlt bereits von fast zweieinhalb Millionen verkauften Exem­ plaren.177 Die häufig vertretene Auffassung, das deutsche Taschenbuch sei im Prinzip eine Weiterentwicklung von Rowohlts Rotations-Romanen indes greift zu kurz, Vorläufer des modernen Taschenbuchs existierten bereits seit dem 19. Jahrhundert.178 Auch im Zusammenhang der Etablierung des Taschenbuchs lassen sich kulturkritische Vorbehalte der Nachkriegsgesellschaft ausmachen: In den Augen vieler Kommentatoren reduzierten die rationalisierte Herstellung, die uniforme Ausstattung und die massenhafte Verbreitung das Buch auf seinen Warencharakter, waren ein weiterer Ausdruck von „Amerikanisierung“ und „Vermassung“.179 Eine solche Wahrnehmung war keineswegs auf Konservative beschränkt. Hans Magnus Enzensberger etwa beschrieb den Taschenbuchkäufer in einem Essay von 1958 als einen unreflektierten Konsumenten, „der wenig Geduld hat, wenig Eigensinn und wenig Neugier“.180 Derlei Vorbehalte verschwanden seit den 1960er Jahren zunehmend, zum einen, Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 54. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 102; Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S.  54 f. 175  Fischer, Sozialgeschichte der Literatur. S. 553. 176  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 69; eine umfassende Übersicht der Vielzahl von seit den 1950er Jahren aufgelegten Taschenbuchreihen in BRD, DDR, Österreich und der Schweiz findet sich in Klimmt, Reinhard/Rössler, Patrick: Reihenweise. Die Taschenbücher der 1950er Jahre und ihre Gestalter, Bd. 2. Butjadingen et al.: Achilla Presse, 2016. 177  Vgl. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 13. 178  Vgl. Ziermann, Buch- und Taschenbuchmarkt. S. 68; Klimmt, Reinhard/Rössler, Patrick: Reihenweise. Die Taschenbücher der 1950er Jahre und ihre Gestalter, Bd. 1. Butjadingen et al.: Achilla Presse, 2016. S. 41 f. 179  Vgl. Kampmann, Kanon und Verlag. S. 76 ff. 180  Enzensberger, Hans Magnus: Bildung als Konsumgut. Analyse der Taschenbuchproduktion. In: Enzensberger, Hans Magnus (Hrsg.): Einzelheiten I: Bewußtseins-Industrie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1964. S. 134–166. 173  Vgl. 174  Vgl.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen75

weil sich das Taschenbuch zunehmend etablierte, sich zudem stark diversi­ fizierte und damit tradierteren Buchtypen annäherte, zum anderen, weil das Format nicht zuletzt im Zusammenhang mit Studentenbewegung und Bildungsexpansion als Mittel der Demokratisierung von Wissen und Bildung eine positive Konnotation erfuhr.181 War also das Taschenbuch zwar in seiner Form nicht wirklich neuartig, gleichwohl freilich in seiner Rolle für die Entwicklung des Buchmarkts, so gilt Oels das Sachbuch „buchgeschichtlich als wesentliche Innovation der Nachkriegszeit“.182 Das Sachbuch gab ganzen Verlagen wie Econ, der, 1950 gegründet, sein Programm ganz dem deutschen und internationalen Sachbuch widmete, ihr Gepräge, es spielte aber auch für Programme wie die der DVA mit ihren renommierten Belletristikautoren eine zentrale und profilprägende Rolle.183 Bereits in der Zwischenkriegszeit waren „Tatsachenromane“, „Sach­romane“ oder „Kulturreportagen“ populär184 und auch im „Dritten Reich“ wurden ­fiktionalisierte Sachbuchstoffe wie Karl Aloys Schenzingers Anilin, eine Art Heldenepos der Wissenschafts- und Unternehmensgeschichte der organischen Chemie, in großen Auflagen abgesetzt.185 Der Terminus „Sachbuch“ bürgerte sich erst in den 1960er Jahren ein, als Verleger dazu übergingen, entsprechende Programme aktiv und offensiv zu bewerben (etwa im Rahmen des nach ähnlichem Muster wie die Bücher der 19 funktionierenden Zusammenschlusses Das moderne Sachbuch) und gegen Kritiker zu verteidigen, die „Tatsachenromane“ als tendenziell minderwertige Literatur verstanden und eine Verdrängung belletristischer Werke befürchteten – nicht ganz zu Unrecht, schließlich waren gut drei Viertel der in den 1950er Jahren publizierten Bücher nicht-fiktionaler Natur, als Sachbücher im engeren Sinn waren um 1960 etwa zwölf Prozent zu fassen, der Belletristik hingegen waren nur zehn Prozent der Titel zuzuschlagen.186 Nach dem Krieg reüssierte insbesondere der Rowohlt-Lektor Kurt W. Marek, der mit seinem unter dem Pseudonym C. W. Ceram veröffentlichten, 181  Vgl. Kampmann, Kanon und Verlag. S. 103 ff.; Klimmt/Rössler, Reihenweise, Bd. 1. S. 517 f. 182  Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 14. 183  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 416 f. 184  Vgl. Diederichs, Ulf: Annäherungen an das Sachbuch. Zur Geschichte eines umstrittenen Begriffs. In: Radler, Rudolf (Hrsg.): Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart. Autoren – Werke – Themen – Tendenzen seit 1945: Die deutschsprachige Sachliteratur. München: Kindler, 1978. S. 1–37. Hier S. 2. 185  Vgl. Adam, Der Traum vom Jahre Null. S. 244 ff. 186  Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 108, 110; Diederichs, Annäherungen. S. 2.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

ebenfalls als Tatsachenroman charakterisierten Parforceritt durch die Archäologiegeschichte Götter, Gräber und Gelehrte nicht nur einen der Bestseller der Nachkriegszeit vorgelegt hatte – zwischen 1949 und 1962 wurden rund 1,3 Millionen Exemplare verkauft187 –, sondern gleich ein ganzes Genre populärwissenschaftlicher Sachbücher begründete, das mitunter spöttisch als „Ceramik“ tituliert wurde.188 Olaf Blaschke erklärt deren Erfolg vor allem mit ihrem exotisierenden und eskapistischen Charakter: „Zwischen 1949 und 1959 boten die erfolgreichsten Sachbücher eine Ausflucht in entlegene Welten […]. Mit der jüngsten Vergangenheit oder den demokratischen Verhältnissen der BRD hatten diese Bücher wenig zu tun. Die Begeisterung für Entdecker, Archäologie und ferne Länder gilt als ‚Fluchtreaktion‘ der deutschen Nachkriegsgesellschaft […].“189 Auch die DVA legte im Fahrwasser der „Ceramik“ 1956 eine Reihe auf, „die in wissenschaftlich fundierten Einzeldarstellungen den Alltag vergangener Kulturen und Epochen zu neuem Leben erweck[en]“ wollte und sich mit der Geschichte der Azteken, der Inkas oder der Babylonier befasste.190 Blaschkes Sichtweise ist vor dem Hintergrund des großen Erfolgs solcher Titel zweifelsohne plausibel. Gleichwohl blendet sie die große Zahl und breite Rezeption gesellschaftspolitisch relevanter Werke aus, die nicht nur bei der DVA den Großteil des Sachbuchprogramms ausmachten, sondern sich auch bei anderen Verlagen in großer Zahl fanden. Denn gerade für die Verhandlung aktueller gesellschaftlicher Debatten, für die Formulierung von Thesen, die Artikulation von Standpunkten waren das Sachbuch und der Essay naturgemäß passende und öffentlichkeitswirksame Formate – aus linker oder liberaler Perspektive genauso wie aus konservativer. 3. Börsenverein und Börsenplatz Bis 1945 war Leipzig die weitgehend unangefochtene Hauptstadt des deutschen Buchhandels gewesen: Hier hatte sich ein Großteil der deutschen Druckereien befunden; hier waren 90 Prozent des Zwischenbuchhandels konzentriert gewesen; hier hatte die größte deutsche Buchmesse stattgefunden; hier hatte der Börsenverein der Deutschen Buchhändler seinen Sitz gehabt.191 Als nach 1945 die Zonengrenzen immer undurchlässiger wurden und der Verkehr zwischen der SBZ und den Westzonen weitgehend zum Erliegen Adam, Der Traum vom Jahre Null. S. 239. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 267. 189  Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 112. 190  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlagsanstalt, Frühjahr 1956. S. 11. 191  Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 75. 187  Vgl. 188  Vgl.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen77

kam, war der (west-)deutsche Buchhandel nicht nur seines institutionellen, sondern auch seines mentalen Zentrums beraubt. Sowohl die Lage Leipzigs im sowjetischen Machtbereich als auch der Vorsatz der Alliierten, zentralistische Strukturen auch im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich zu verhindern, ließen eine bloße Restauration der alten Strukturen der Buchhandels­ institutionen nicht zu.192 Nichtsdestoweniger unternahmen verschiedene Akteure unmittelbar nach dem Ende des Kriegs Versuche, die Organisationen der Branche wiederaufzubauen. Dabei konnten sie auf die Unterstützung insbesondere der amerikanischen Behörden zählen, die trotz strenger Reglementierung gegenüber den Interessen des Buchhandels keineswegs gleichgültig waren. So gab es in ihren Reihen einige Fachleute, unter anderem branchenerfahrene Exilanten, vor allem aber Douglas Waples bei der Information Control Division, die etwa bestrebt waren, Leipziger Verlagen vor der Übergabe der zunächst amerikanisch besetzten Stadt an die Sowjets im Juli 1945 die Gründung von Zweigstellen im Westen zu ermöglichen, und die die Gründung einer Filiale des Leipziger Börsenvereins in Wiesbaden initiierten, die zunächst vornehmlich der Abstimmung zwischen den Alliierten und dem Buchhandel, weniger als Selbstverwaltungs- und Standesorganisation der Branche dienen sollte.193 Seit Oktober erschien, zunächst ebenfalls in Wiesbaden, dann in Frankfurt am Main, auch wieder das Börsenblatt.194 Bereits im Herbst 1945 wurde dann aus dem Buchhandel selbst heraus ein Anlauf zur Gründung eines eigenen Börsenvereins als globaler Standesorganisation in den Westzonen unternommen. Unter dem Vorsitz Horst Kliemanns vom Oldenbourg-Verlag wurde er am 9. Oktober in Stuttgart ins Leben gerufen (seinen Sitz allerdings sollte er in Frankfurt nehmen). Seine Aufgabe erblickten die Initiatoren darin, tradierte Ordnungssysteme und Strukturen unter den neuen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen wiederzuerrichten: „Dazu gehört der feste Ladenpreis, das buchhändlerische Vereinsrecht (Verkehrs- und Verkaufsordnung), die Bibliographie, die Kommissionsplätze mit ihren Verkehrseinrichtungen, die Ausbildung des Nachwuchses usw. usw.“195 Kurz: Frankfurt sollte das neue Leipzig werden. Der Börsenverein wurde jedoch nur wenige Tage später von der amerikanischen Militärregierung wieder aufgelöst, nicht nur, weil länderübergreifende berufsständische Institutionen nicht erwünscht waren, sondern auch, weil Kliemann als ehemaliger SS-Angehöriger an der Spitze einer solchen Organisation nicht tragUmlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 135. ebd. Sp. 136 f. 194  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 413. 195  Kommuniqué zur Gründungsversammlung des Börsenvereins am 9. Oktober in Stuttgart, zit. n. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 153. 192  Vgl. 193  Vgl.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

bar war.196 Da in der Folge auch die Wiesbadener Zweigstelle des Leipziger Börsenvereins liquidiert wurde, war die Wiedererrichtung des Börsenvereins in den Westzonen zunächst gescheitert; bis auf Weiteres stellten die buchhändlerischen Landesvereine, wie es sie in Bayern oder Nord-Württemberg/ Nord-Baden gab, die oberste Organisationsebene dar.197 Spielte 1945 für das Verbot des West-Börsenvereins der Wunsch noch eine wichtige Rolle, die Sowjets nicht durch eine eigene buchhändlerische Organisation in den Westzonen zu verärgern, um angestrebte Erleichterungen im interzonalen Verkehr nicht zu erschweren, so war dies vor dem Hintergrund der Entfaltung des Ost-West-Konflikts einige Jahre später naturgemäß nicht mehr von Belang. Als 1948 die zwischenzeitlich gegründeten zonalen und interzonalen Arbeitsgemeinschaften einen neuerlichen Anlauf unternahmen, den Börsenverein Deutscher Verleger- und Buchhändler-Verbände als Dachverband in Frankfurt zu gründen, stieß das zwar ob der zentralistischen beziehungsweise kartellistischen Tendenz nicht auf das Wohlwollen, zumindest aber auf die Toleranz der westlichen Besatzungsmächte.198 Schon die ersten Vorsitzenden des neuen Börsenvereins, Vittorio Klostermann und Carl Hanser, strebten danach, ihn in seiner Gestalt und Funktionsweise seiner Vorkriegskonstitution anzunähern. Wie auf anderen Gebieten der gesellschaftlichen Reorganisation dominierten auch in den buchhändlerischen Verbänden jene Personen, die dort schon vor 1933 beziehungsweise 1945 aktiv waren und während des „Dritten Reiches“ tendenziell der eher konservativen „inneren Emigration“ zuzurechnen waren.199 Beim Wiederaufbau des Börsenvereins trugen sie dem föderalistischen Prinzip des neuen Staates zwar Rechnung, die Rolle der lokalen und regionalen Verbände sollte aber dennoch insoweit reduziert werden, als sie als Organisationsebenen bestehen bleiben, aber nicht die eigentlichen Mitglieder des Börsenvereins darstellen sollten; in den ersten Jahren der Organisation war der Wunsch zur Rückkehr der Einzelmitgliedschaft von Verlegern und Buchhändlern ein ­stetes Thema.200 Im Mai 1955 schließlich gab sich der Börsenverein eine neue Satzung, mit der die Einzelmitgliedschaft festgeschrieben wurde und die den Verband als Börsenverein des Deutschen Buchhandels benannte. Ein Jahr später waren ihm etwas über 4.600 Mitglieder angeschlossen, zu rund 70 Prozent entstammten sie dem Bucheinzelhandel, Ende der 1990er Jahre war diese Zahl auf gut 7.000 angestiegen.201 Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 130 f. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 159, 161 f. 198  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 413. 199  Vgl. Fischer, Sozialgeschichte der Literatur. S. 556. 200  Vgl. Umlauff, Wiederaufbau des Buchhandels. Sp. 352 ff. 201  Vgl. ebd. Sp. 393 ff.; Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 413. 196  Vgl. 197  Vgl.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen79

Der Börsenverein nahm rasch wieder seine alten Aufgaben als Standesvertretung und Organ der Selbstverwaltung wahr, etwa hinsichtlich der Regulierung des Zugangs zu buchhändlerischen Berufen oder der Herstellung und Durchsetzung eines einheitlichen Rahmens für den Verkehr innerhalb des Buchhandels.202 Mit dem Ende der Ausübung der Regierungsgewalt durch die Alliierten wurde die Politik der Dekartellisierung zwar etwas weniger strikt gehandhabt, die Freiheit des Wettbewerbs war aber eines der Grundprinzipien der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik. Vor diesem Hintergrund waren der Branche formelle Absprachen, etwa der Erlass einer verbindlichen Verkehrs- und Verkaufsordnung wie vor 1945, unmöglich. Der Börsenverein musste seine ordnungspolitische Rolle für den Buchhandel auf einen informellen Rahmen beschränken.203 Gleichwohl entwickelten Leitlinien wie der Usancen-Kodex einen quasi-gesetzlichen Charakter – der Börsenverein war schlicht ein zu mächtiger Verband, als dass einzelne Akteure auf dem Buchmarkt erfolgreich hätten gegen ihn agieren können: „Dem Sog der Institutionalisierung, besonders dem übermächtigen Börsenverein, konnte sich kaum ein Branchenangehöriger entziehen.“204 Wenn der Verband entgegen den Prinzipien des freien Markts durchsetzen konnte, dass der Gesetzgeber den gebundenen Ladenpreis legitimierte, so ist dies ein Ausweis dafür, dass der Börsenverein einer weiteren seiner Kernaufgaben, der Lobbyarbeit für den Buchhandel und die effektive Vertretung seiner Interessen, durchaus mit Erfolg nachkam. Darüber hinaus entfaltete der Börsenverein Aktivitäten, die nicht bloß von branchenspezifischer, sondern von allgemeiner kultur- und gesellschaftspolitischer Relevanz waren. So war er wesentlich an der Einrichtung der Deutschen Bibliothek als Vorläuferin der Deutschen Nationalbibliothek beteiligt, die 1947 als westdeutsches Pendant zur Leipziger Deutschen Bücherei eingerichtet wurde. Bereits in der ersten Ausgabe des Wiesbadener Börsenblatts vom 6. Oktober 1945 wurden die Verlage der Westzonen darum gebeten, Pflichtexem­ plare ihrer Titel vorrätig zu halten. Die Idee einer systematischen Archivierung der dort erscheinenden Werke war also früh in der Branche präsent; dass die Deutsche Bücherei in Leipzig ihre Funktion für den westdeutschen Buchhandel auf absehbare Zeit nicht würde einnehmen können, zeichnete sich da bereits deutlich ab.205 Auf Initiative des Direktors der Frankfurter Fischer, Sozialgeschichte der Literatur. S. 555. Estermann, Monika: Der Börsenverein in den Westzonen und in der Bundesrepublik Deutschland. In: Füssel/Jäger/Staub, Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. S. 161–191. Hier S. 175 f. 204  Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 131. 205  Vgl. Estermann, Der Börsenverein. S. 165. 202  Vgl. 203  Vgl.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

Stadt- und Universitätsbibliothek, Hanns Wilhelm Eppelsheimer, wurde die Gründung einer eigenen westdeutschen „Nationalbibliothek“ ins Auge gefasst – unterstützt von den amerikanischen und bald auch britischen Militärbehörden, in Sonderheit wiederum von Douglas Waples, der Stadt Frankfurt sowie den Landesverbänden des Börsenvereins, die über einen Beirat auch administrativ in die Ausgestaltung der Deutschen Bibliothek einbezogen wurden.206 Als diese im November 1946 schließlich ins Leben gerufen wurde, stieß sie auf erheblichen Widerstand. Denn in der SBZ war die Deutsche Bücherei unter Heinrich Uhlendahl keineswegs bereit, ihren gesamtdeutschen Sammel- und Informationsanspruch aufzugeben. Seit dem Frühjahr 1946 erschienen dort wieder wöchentlich Bibliographien, die auch im westdeutschen Buchhandel, der weiterhin Pflichtstücke nach Leipzig sandte, sowie bei den wissenschaftlichen Bibliotheken wohlgelitten waren, während die Qualität der Frankfurter Deutschen Bibliographie als unzureichend empfunden wurde.207 Umgekehrt sammelte die Frankfurter Bibliothek auch die in der Ostzone erscheinenden Bücher und Broschüren. Mit Deutscher Bibliothek und Deutscher Bücherei konkurrierten also zwei Institutionen miteinander, die jeweils einen gesamtdeutschen Anspruch vertraten. Erst nach der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 verlor die Frankfurter Bibliothek ihren prekären Status. Der antikommunistische Impetus der bundesrepublikanischen Politik ließ eine Sammlung weniger westdeutscher Literatur, als vielmehr der Ergebnisse westdeutscher Forschung im Osten als wenig wünschenswert erscheinen. Insbesondere das CDU-geführte Innenministerium wirkte auf eine Stärkung der Deutschen Bibliothek hin, nicht zuletzt durch eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung der Einrichtung; für Innenminister Gerhard Schröder stellte dies gar eine Frage der nationalen Sicherheit dar.208 Die Konfrontation zwischen den Blöcken trug zudem dazu bei, dass sowohl der Buchhandel als auch die Bibliotheken nun die Forderung nach einer eigenen westdeutschen Nationalbibliothek zunehmend teilten. Mit der Beteiligung des Staates nahm die Deutsche Bibliothek die Form einer Stiftung öffentlichen Rechts an, die seitdem vom Bund, dem Land Hes-

206  Vgl. Rau, Christian: „Nationalbibliothek“ im geteilten Land. Die Deutsche Bücherei 1945–1990. Göttingen: Wallstein, 2018. S. 193; Estermann, Der Börsenverein. S. 166. 207  Vgl. Rau, Christian: Bibliotheksgeschichte als Zeitgeschichte: Die Deutsche Bibliothek seit 1946. In: Dialog mit Bibliotheken (30) 2018, Nr. 2. S. 16–26. Hier S. 18. 208  Vgl. Rau, „Nationalbibliothek“ im geteilten Land. S. 333.



II. Ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen81

sen, der Stadt Frankfurt und dem Börsenverein getragen wurde.209 Als infolge der Wiedervereinigung deutsch-deutsche Doppelstrukturen aufgelöst wurden, war es im Falle der Nationalbibliothek wie in so vielen anderen Fällen: die ostdeutsche Variante ging in der westdeutschen auf. Leipzigs Status als Buchstadt litt nach 1990 in erheblichem Maße. Dazu trug ganz wesentlich auch der Verlust der Bedeutung der Stadt als Messeplatz bei. Seit dem 18. Jahrhundert war die Leipziger Messe der zentrale Ort für die Begegnung, den Austausch und den Handel der Buchbranche gewesen, und für die ostdeutschen Verlage und Buchhändler blieb sie es bis 1990. Im Westen allerdings herrschte rasch Klarheit, dass auch sie substituiert werden musste. Wo der westdeutsche Messeplatz eingerichtet werden sollte, war hingegen zunächst weniger klar. So schickten sich auch Hamburg und Stuttgart an, Leipzig zu ersetzen210 und auch München mit seiner reichen Verlags- und Literaturszene und seiner zentralen Rolle für Buchhandel und Kulturwirtschaft in der amerikanischen Zone schien ein geeigneter Kandidat zu sein.211 Frankfurt allerdings hatte sich bereits in der Zwischenkriegszeit bemüht, eine eigene Buchmesse aufzubauen; als nach dem Ende des Kriegs nun, abermals wesentlich auf Betreiben der US-Behörden, eine Alternative zu Leipzig gesucht wurde, sprach nicht nur das für Frankfurt, sondern auch seine günstige geographische Lage und nicht zuletzt, dass hier mit dem 1946 aus Wiesbaden umgezogenen Börsenverein und der Deutschen Bibliothek bereits zwei zentrale buchhändlerische Institutionen ihren Sitz genommen hatten.212 Eine erste Buchausstellung fand auf Initiative des hessischen Landesverbandes des Börsenvereins 1948 statt und die Absatzkrise infolge der Währungsreform führte die Notwendigkeit der Schaffung eines Forums nicht nur für die Branche, sondern insbesondere für die Bewerbung des Buches deutlich vor Augen.213

Estermann, Der Börsenverein. S. 168. Schwenger, Buchmarkt. S. 103. 211  Vgl. Hanuschek, Sven: Die amerikanischste Stadt Deutschlands? Die Nachkriegsjahre (1945–1960). In: Fromm, Waldemar/Knedlik, Manfred/Schellong, Marcel (Hrsg.): Literaturgeschichte Münchens. Regensburg: Pustet, 2019. S. 443–462; Wittmann, Reinhard: Die Münchner literarische Nachkriegsszene. In: Fromm, Waldemar (Hrsg.): Statt einer Literaturgeschichte. Wege der Forschung. Literatur in Bayern (= Bavaria. Münchner Schriften zur Buch- und Literaturgeschichte. Kleine Reihe, Bd. 1). München: Allitera, 2015. S. 385–409. 212  Vgl. Füssel, Stephan: Ein Frankfurter Phoenix, Die Anfänge der Frankfurter Messe und ihre frühe Internationalisierung. In: Füssel, Stephan (Hrsg.): 50 Jahre Frankfurter Buchmesse 1949–1999. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1999. S. 12–25. Hier S.  14 f. 213  Vgl. ebd. S. 16. 209  Vgl. 210  Vgl.

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B. Der westdeutsche Buchhandel nach 1945

Am 17. September 1949 schließlich wurde die erste Frankfurter Buchmesse mit über 200 Ausstellern in der Paulskirche eröffnet. Bis zu ihrem Ende hatten sie rund 14.000 Menschen besucht und die Aussteller verzeichneten ein erhebliches Auftragsvolumen. Dieser erfolgreiche Auftakt trug dazu bei, dass Frankfurt die Hamburger und Stuttgarter Messen in der Folge marginalisieren konnte. Bereits seit 1950 wurden auch internationale Aussteller eingeladen, die Messe war somit ein Vehikel, um die Isolation des deutschen Buchhandels seit 1945 zu durchbrechen. In den folgenden Jahren zog die Buchmesse zuverlässig nicht nur die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, sondern auch immer mehr Besucher und Aussteller an. Letztere kamen in großer Zahl aus dem Ausland; internationale Aussteller waren bereits 1953 in der Überzahl, sodass Frankfurt nicht nur für den deutschen, sondern auch für den internationalen Buchhandel ein zentraler Ort wurde.214 Mit der Etablierung der Buchmesse war Frankfurt endgültig zum „Leipzig des Westens“ geworden. Dass die Frankfurter Buchmesse nicht nur als ein Ort des Handels, sondern in erheblichem Maße auch durch gesellschaftliche Wirkung und Wirkungsabsicht charakterisiert ist, zeigt die Diskussion über die Präsenz rechtsradikaler und rechtsextremer Verlage und die explizite Politisierung der Messe in den vergangenen Jahren. Dieser Charakterzug war bereits ihren Anfängen eingeschrieben. Seit 1951 wurde auf der Buchmesse der – bereits zwei Jahre zuvor von Verlegern und Schriftstellern als Friedenspreis deutscher Verleger initiierte – Friedenspreis des deutschen Buchhandels vergeben, mit dem bis heute Persönlichkeiten ausgezeichnet werden, die sich um den Frieden und die Völkerverständigung verdient gemacht haben. Dass der Börsenverein rasch die Schirmherrschaft übernommen hatte und der Preis gewissermaßen von der Buchbranche als solcher vergeben wurde, war sicher auch von dem Wunsch nach einem Symbol der Katharsis und der Rückkehr in die Gemeinschaft der Völker nach der Überwindung des NS-Regimes, in das Börsenverein und Buchhandel erheblich verstrickt waren, motiviert.215 Gleichwohl illustriert auch diese Initiative den Anspruch westdeutscher Verleger, nicht nur mittelbar über ihre Programme, sondern auch direkt als gesellschaftliche Akteure auf politische Debatten einzuwirken.

214  Vgl.

ebd. S. 18 ff. Scheideler, Britta: Vom Konsens zur Kritik: Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In: Füssel, 50 Jahre Frankfurter Buchmesse. S. 46–88. 215  Vgl.

C. Konservatismus nach 1945 Der Konservatismus ist seit jeher – zumal in Deutschland – ein sich unentwegt veränderndes Konstrukt. Er unterliegt steter Wandlung, entzieht sich einer achronistischen Definition oder einer kohärenten Theoriebildung. Anders als die anderen im 18. Jahrhundert entstandenen wirkmächtigen gesellschaftlich-politischen Denksysteme wie der Liberalismus oder der Sozialismus, stützt er sich nicht auf einen mehr oder minder festen Kern von Überzeugungen, es fehlt ihm eine klar umrissene Vision der Zukunft, gewissermaßen eine Ideologie. Konservatives Denken und Handeln leiten sich nicht aus dem Künftigen ab, sondern aus dem Gewesenen: Das geschichtlich Gewordene gilt ihnen per se als legitimiert, das im Werden Begriffene als legitimationsbedürftig. Konservative Ideologeme artikulieren sich daher notwendig vor dem Hintergrund sich wandelnder gesellschaftlicher, politischer oder ökonomischer Bedingungen, in denen – oder gegen die – tradierte Werte, Institutionen, Ordnungen verteidigt werden sollen. Der Konservatismus sucht im Modernisierungsprozess das Althergebrachte zu bewahren, er steht gegen die Kräfte des „Fortschritts“. Der Konservatismus steht also schon seiner Anlage nach stets auf verlorenem Posten; nichtsdestoweniger wurde er, wurden konservative Ideen und Politiken, zu einer der einflussreichsten und prägekräftigsten gesellschaftlichen und politischen Strömungen in Deutschland – und das über Jahrhunderte hinweg. Die Herausbildung konservativer Haltungen lässt sich letztlich auf die Entstehung des Absolutismus zurückführen: Adelige sahen ihre ständischen Privilegien in Gefahr und opponierten gegen die Zentralisierung staatlicher Macht.1 Im Angesicht der sich in der gesellschaftlichen und zusehends auch in der politischen Elite verbreitenden Ideen der Aufklärung verbreiterte sich nicht nur die Trägerschaft konservativer Haltungen, deren Wirkung und Anspruch gewannen auch größere Reichweite: Sie betonten den Wert der Religion gegenüber der Verabsolutierung der Vernunft, beharrten auf der göttlichen Provenienz irdischer Macht, suchten die soziale und politische 1  Vgl. Epstein, Klaus: Die Ursprünge des Konservatismus in Deutschland. Der Ausgangspunkt: Die Herausforderung durch die Französische Revolution 1770–1806. Berlin: Propyläen, 1973. Panajotis Kondylis versteht in seiner stark verengten Konservatismusdefinition den Adel gar als den einzigen originären Träger konservativer Ideen. Vgl. Kondylis, Panajotis: Konservativismus. Geschichtlicher Gehalt und Untergang. Stuttgart: Klett-Cotta, 1986.

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C. Konservatismus nach 1945

Ungleichheit zu legitimieren und verteidigten das organisch Gewachsene gegen das rational Konstruierte.2 Konservative setzten Hierarchie, Ordnung, Autorität gegen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die Dogmen der Französischen Revolution, in denen die Ideen der Aufklärung sich in radikalisierter Form zu realisieren schienen.3 Im 19. Jahrhundert vollzog der deutsche Konservatismus eine seiner grundlegendsten Häutungen, indem er seinen „antietatistische[n] Impuls“ überwand und „zur gouvernementalen Partei“ wurde.4 Spätestens mit der Gründung des preußisch dominierten Deutschen Reiches war die Staatsidee eine konservative. Die Träger des Konservatismus waren nach wie vor im Adel zu finden, nun vor allem aber auch in Bürgertum und Beamtenschaft. Der zuvor antibürgerliche Konservatismus wurde ein zuvörderst antiproletarischer.5 In diesem Zusammenhang ist eine der weiteren schicksalhaften Wandlungen des Konservatismus zu sehen: die vom Gegner des Nationalstaatsgedankens hin zum Vehikel eines exkludierenden Nationalismus. Nicht nur der Internationalismus der Arbeiterklasse, auch jener der katholischen Kirche stand im Widerspruch zur absolut gesetzten Nation; Sozialistengesetze und Kulturkampf waren der augenfällige Ausdruck dieses nationalen Staatskonservatismus. Die „hybride Selbstüberschätzung des Nationalen“6 im Wilhelminismus schließlich war ein wesentlicher Faktor auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg. Antisemitische und völkische Tendenzen, die bereits im Kaiserreich, etwa durch die Agitation des Alldeutschen Verbands, weit verbreitet waren, blieben auch in der Zwischenkriegszeit das Kennzeichen vieler konservativer Strömungen. Und diese waren zahlreich: Vertreter des politischen Katholizismus, Monarchisten, Volkskonservative, „Konservative Revolutionäre“ und die ihnen mehr oder minder eng verbundenen Parteien der Rechten, Zentrum, DVP, KVP, DNVP, schließlich die NSDAP.7 Insbesondere die Vertreter der „Konservativen Revolution“ galten und gelten als geistige Wegbereiter des Nationalsozialismus. Ihre Vorstellungen Schildt, Konservatismus. S. 12. Kaltenbrunner, Gerd-Klaus: Gibt es eine konservative Theorie? In: Aus Politik und Zeitgeschichte 22 (1974), Nr. 42. S. 3–13. Hier S. 11. 4  Nolte, Paul: Konservatismus in Deutschland. In: Merkur 55 (2001), Nr. 621. S. 559–271. Hier S. 561. 5  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 15. Das heißt allerdings nicht, dass antibürgerliche Affekte nicht weitergetragen wurden. In der Zwischenkriegszeit feierten sie fröhliche Urständ. 6  Ebd. S. 114. 7  Vgl. Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik, 1918–1933. Stuttgart: Klett-Cotta, 2008; Schildt, Konservatismus. S. 131–181. 2  Vgl. 3  Vgl.



C. Konservatismus nach 194585

von Volksgemeinschaft, Militarismus oder charismatischer Führung schienen Kernelemente der nationalsozialistischen Herrschaft vorwegzunehmen.8 Viele Rechtsintellektuelle, die dem Autoritarismus das Wort redeten und den Aufstieg der Nazis zunächst begrüßten – Gottfried Benn etwa fand sich in einem „Schicksalsrausch“ wieder9 –, wendeten sich bald angewidert von den neuen Machthabern ab, andere blieben bis zuletzt überzeugte Unterstützer des Systems, dazwischen gab es „eine breite Palette vom freudigen oder bedenkenbehafteten Mittun über verschiedene Formen der inneren (und äußeren Emigration) bis zur partiellen Verweigerung und zum Widerstand“.10 Egal, wie sie bis zum Jahr 1945 zum Regime gestanden hatten – die deutschen Konservativen fanden sich nach dem Untergang des Nazi-Regimes und der Etablierung der zweiten deutschen Republik in einer bislang gänzlich ungekannten Situation wieder: Ihre Ideenbestände waren delegitimiert und der Bruch ließ keinen langsamen Wandel zu, sondern verlangte nach einer biographischen wie argumentativen Neuverortung.11 In besonderem Maße wird in der Betrachtung der Jahre nach 1945 greifbar, welche Anpassungen, Veränderungen und Lernprozesse dem Konservatismus und den Konservativen abverlangt wurden. Was bleibt angesichts dieser nur angedeuteten unentwegten Metamorphosen des Konservatismus von seinem Begriff? „[Ü]brig bleibt ein formaler Begriff des Konservatismus, dessen Gehalt sich stets aus einem relationalen Verhältnis ergibt“, konstatiert Jens Hacke.12 Für einen überschaubaren, abgegrenzten Betrachtungszeitraum lässt sich dieses relationale Verhältnis freilich präziser bestimmen, indem man die je spezifischen Bezugssysteme des Konservatismus in den Blick nimmt:13 Vor dem Hintergrund welcher gesellschaftlichen Entwicklungen artikuliert sich der konservative Diskurs und auf welche Modernisierungs- und Verlusterfahrungen bezieht er sich? Was sind mithin die Topoi des Konservatismus einer bestimmten Epoche? Außerdem: Wer sind die Vertreter kulturkritischer oder modernisierungsskeptischer be8  Tatsächlich lässt sich das Verhältnis von „Konservativer Revolution“ und Nationalsozialismus so pauschal nicht fassen. Vgl. dazu z. B. Breuer, Stefan: Ordnungen der Ungleichheit. Die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2001. 9  Zit. n. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 56. 10  Schildt, Konservatismus. S. 21. 11  Vgl. Greiffenhagen, Martin: Das Dilemma des Konservatismus in Deutschland. Berlin: Suhrkamp, 22016. S. 19, 303. 12  Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. S. 19. 13  Letztlich wird der Konservatismus als historische und politische Kraft erst dadurch greifbar, von einem anthropologischen Traditionalismus analytisch trennbar. Vgl. Mannheim, Karl: Konservatismus. Ein Beitrag zur Soziologie des Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1984.

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C. Konservatismus nach 1945

ziehungsweise wertbewahrender Positionen und wes Geistes Kind sind sie? Wer sind mithin die Akteure dieses Konservatismus?

I. Von der Kulturkritik zur Technokratie: Akteure des Konservatismus Wie bereits angedeutet, mieden nach 1945 viele derer, die zuvor, mehr oder minder präzise, als Konservative beschrieben worden waren und sich selbst auch als solche verstanden hatten, diesen Terminus. In der Zwischenkriegszeit hatten radikale Intellektuelle den Konservatismusbegriff sich anverwandelt, indem sie ihn der Kontinuitätsdimension beraubten und ihn reaktionär wendeten: „Realisiert werden sollte eine politische und gesellschaftliche Ordnung, die sich an den Konstitutionsprinzipien einer Welt vor den Umwälzungen der Französischen Revolution orientierte.“14 Die „Konservativen Revolutionäre“ bereiteten mit derlei Ideen den geistigen Boden, in dem der Nationalsozialismus wurzeln konnte, aber auch die „bürgerlicheren“ Kräfte der politischen Rechten konnten sich nicht davon freisprechen, strukturell und ideologisch zur Errichtung des Nazi-Regimes beigetragen zu haben.15 Gemäßigte Konservative präferierten in den ersten Nachkriegsjahren Adjektive wie „bürgerlich“ oder „christlich“ für ihre weltanschauliche Haltung, vor allem Rechtsintellektuelle wie Armin Mohler oder Hans Freyer unternahmen aber schon bald Versuche, den Konservatismusbegriff wieder nutzbar zu machen.16 Die gesellschaftlich-politischen Kräfte waren noch da, sie suchten jedoch nach einer neuen Terminologie. Wenn also der Konservatismusbegriff in der Selbstbeschreibung nach 1945 nur zögerlich verwandt wurde, so lässt sich nichtsdestoweniger ein Panorama des Konservatismus nach 1945 zeichnen. Als Konservative werden hier ganz unterschiedliche Köpfe und Strömungen gefasst. Das bringt eine gewisse begriffliche Unschärfe mit sich, bildet aber den Facettenreichtum auf der politischen Rechten ab, wie er die Weimarer Republik prägte und wie er auch nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland durchaus noch zu ­beobachten war – die Akteure der Zwischenkriegszeit waren ja nicht ver­ schwunden;17 die Bedingungen ihrer Artikulation und Wirkungsentfaltung hatten sich jedoch grundlegend geändert. Insbesondere galt dies für jene Akteure, die in der Zwischenkriegszeit eine demokratiefeindliche, autoritäre Vorstellung der Gesellschaft propagiert hat14  Steber,

Hüter der Begriffe. S. 110. Schildt, Konservatismus. S. 168 ff. 16  Vgl. Steber, Hüter der Begriffe. S. 112. 17  Vgl. ebd. S. 108. 15  Vgl.



I. Von der Kulturkritik zur Technokratie87

ten, unabhängig davon, ob sie den Nationalsozialismus zumindest zweitweise unterstützt oder sich in klarer Gegnerschaft zu ihm befunden hatten, also vor allem die Vertreter der „Konservativen Revolution“. Prominente Intellektuelle wie Gottfried Benn oder die Brüder Jünger zogen sich nach 1945 auf einen apolitischen Beobachterposten zurück, verkehrten in esoterischen Zirkeln, die scheinbar nicht darauf zielten, in die Öffentlichkeit hineinzuwirken – realiter freilich eine wirksame Selbstinszenierung, die die Rezeption eher beförderte als behinderte. Andere Konservative wie Friedrich Sieburg hingegen spielten im Kulturbetrieb der Bundesrepublik rasch auch formal eine herausragende Rolle und suchten aus ihrer nach wie vor elitistischen, aber demokratisch gewendeten Perspektive auf die Neuformierung der westdeutschen Gesellschaft einzuwirken. Das zentrale und einende Moment blieb eine pointierte Kulturkritik an der modernen Gesellschaft. Eine kulturelle Wirkungsabsicht verfolgten die Akteure des borussischprotestantischen Rechtskonservatismus ebenso wie die des abendländischkatholischen; im Gegensatz zu den ehemaligen „Konservativen Revolutionären“ zielten Persönlichkeiten wie Hans-Joachim von Merkatz oder Richard Jaeger aber auf eine Mitgestaltung der Grundlegung der neuen Institutionen und arbeiteten entsprechend an einer Verankerung ihrer Ideen im parlamentarischen Prozess; sie verbanden damit auf eigentümliche Weise demokratie­ skeptische Theorie mit demokratieaffirmativer Praxis. Dieser Pragmatismus wandelte sich insbesondere bei jüngeren Konserva­ tiven zu einer dezidierten Unterstützung des republikanisch-demokratischen Systems. Kulturkritische Vorbehalte gegen bestimmte Modernisierungsprozesse und -verluste trugen sie zwar weiter, die zeitgemäße und gesellschaftskonforme Antwort auf sie erblickten sie aber nicht in regressiven Entwürfen, sondern in der Gestaltung dieser Herausforderungen, mithin in einem technokratischen Konservatismus, der nicht zuletzt durch Parlamentarismus und Parteien verwirklicht werden sollte. 1. Esoterik und Elitismus Jene Konservativen oder Rechtsintellektuellen, die in der Zwischenkriegszeit als Apologeten des Autoritarismus, als Republikverächter und Demokratiefeinde in Erscheinung getreten waren, schienen nach 1945 gezwungen, über den weiteren Umgang mit ihrer politischen und persönlichen Biographie eine bewusste Entscheidung zu fällen: Entweder sie zeigten sich öffentlich als Reuige, die ihren Anteil an der Genese und der Durchsetzung des Nationalsozialismus reflektierten, oder sie verweigerten sich solch demons­ trativer Abwendung von ihrem bisherigen Wirken und beharrten im Bruch auf vermeintlicher Kontinuität. So wenig wie Hans Grimm, einer der meist-

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C. Konservatismus nach 1945

gelesenen NS-Autoren, der mit seinem ursprünglich 1926 erschienenen Roman Volk ohne Raum das nationalsozialistische Expansionsparadigma vorwegnahm, der sich einer Distanzierung von seinem früheren Wirken verweigerte und der auch nach 1945 nicht nur an seinen Überzeugungen festhielt, sondern diese weiterhin verbreitete,18 wählte auch kaum ein Konservativer den ersten Weg – nach Durchlaufen des Entnazifizierungsverfahrens oder dem Ende der Besatzung ließen sie sich in aller Regel dennoch bereitwillig in das neue System integrieren –, schon gar nicht aber jene, die in der Weimarer Republik den Ideen der „Konservativen Revolution“ nahegestanden hatten. Die Ablehnung eines Schuldbekenntnisses, die Weigerung, sich vom eigenen Werk zu distanzieren, bedeutete unter den Bedingungen der alliierten Besatzung einen Ausschluss aus der breiteren Öffentlichkeit, in der Regel durch Publikationsverbot beziehungsweise Nichtlizenzierung. In dieser Situation zogen sich viele Rechtsintellektuelle auf eine Position selbstgerechten Trotzes zurück, inszenierten sich als Unbeugsame und Solitäre. „Wie in einem ‚Laboratorium der Selbstbehauptung‘ wurden alle denkbaren Strategien ausgearbeitet, um sich dem Bekenntnis eigener Verantwortung zu ent­ ziehen.“19 So zog sich etwa der als politisch belastet geltende Gottfried Benn nach 1945 zunächst aus der Öffentlichkeit zurück und flüchtete sich in eine Haltung geistesaristokratischer Kulturemphase, die die Sphäre des Politischen als dem wahren Künstler und Intellektuellen unwürdig deklassierte.20 In einem im Sommer 1948 in Reaktion auf eine Anfrage nach der Bereitschaft zur Publikation in der Zeitschrift an die Herausgeber des Merkur gerichteten Briefes, den diese im Februar 1949 anlässlich des Erscheinens einer ganzen Reihe von Benn-Werken im Limes-Verlag unter dem Titel Ein Berliner Brief veröffentlichten, wird diese nicht nur apolitische, sondern antipolitische Haltung deutlich: „[W]enn man wie ich die letzten 15 Jahre lang von den Nazis als Schwein, von den Kommunisten als Trottel, von den Demokraten als geistig Prostituierter, von den Emigranten als Renegat, von den Religiösen als pathologischer Nihilist bezeichnet wird, ist man nicht so scharf darauf, wieder in diese Öffentlichkeit einzudringen. Dies umso weniger, wenn man sich dieser Öffentlichkeit innerlich nicht verbunden fühlt.“21 Mit Blick auf die omnipräsenten kulturkritischen Abendlandbezüge seiner Zeitgenossen unterstreicht er die Aversion gegen das Politische und bedient dabei en pas18  Siehe

dazu Kapitel D. I. 1. Dirk van: „Persönlichkeit“ und „Charakter“. Ideengeschichtliche Elemente in den Grundkonstellationen der frühen Bundesrepublik. In: Schütz/Hohendahl, Solitäre und Netzwerker. S. 13–22. Hier S. 18. 20  Vgl. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 62 f. 21  Benn, Gottfried: Ein Berliner Brief. In: Merkur 3 (1949), Nr. 12. S. 203–206. Hier S. 203. 19  Laak,



I. Von der Kulturkritik zur Technokratie89

sant einen gerade in rechtsintellektuellen Kreisen häufig verhandelten Topos, nämlich den der Gleichartigkeit des Nationalsozialismus mit anderen (totalitären) Systemen: „Das Abendland geht nämlich meiner Meinung nach gar nicht zugrunde an den totalitären Systemen oder den SS-Verbrechen, auch nicht an seiner materiellen Verarmung oder an den Gottwalds und Molotows, sondern an dem hündischen Kriechen seiner Intelligenz vor den politischen Begriffen. Das Zoon politikon, dieser griechische Mißgriff, diese Balkan­ idee – das ist der Keim des Untergangs, der sich jetzt vollzieht.“22 Auch Friedrich Georg Jünger, der jüngere Bruder Ernst Jüngers, der in der Nachkriegszeit als weniger belastet galt als sein Bruder und insbesondere mit seiner 1946 in Die Perfektion der Technik artikulierten Technikkritik auf große Resonanz stieß, erblickte im Rückzug die angemessene Reaktion auf die Zumutungen der Moderne im Allgemeinen und die der Nachkriegszeit im Speziellen.23 Für Jünger waren Technik und der moderne Staat untrennbar miteinander verwoben, gemeinsam zerstörten sie die Grundlage des musischen und geistigen Lebens.24 Die Aufgabe des konservativen Oppositionellen sei es vor diesem Hintergrund, die Substanz der Dinge und Ideen zu wahren, sich der Partizipation am System zu enthalten. Die Mittel des Widerstands erblickte Jünger im Schweigen und in der Muße.25 Größere Prominenz erlangten die von Ernst Jünger entwickelten Typen der Vereinzelung: Der „Waldgänger“, den er in seinem 1977 erschienenen Roman Eumeswil zum Anarchen weiterentwickelte, trägt aggressivere Züge als Friedrich Georgs musischer und müßiger Mensch, eine aktive Opposition ist ihm zumindest vorbehalten;26 der Aktivismus der Zwischenkriegsjahre schien bei Ernst Jünger weniger gründlich erlahmt als bei seinem Bruder. Die Vereinzelung freilich geschah nicht vereinzelt, sondern in informellen, esoterischen Netzwerken, am prominentesten sicher in dem eben der Brüder Jünger, Carl Schmitts und Martin Heideggers, dem seit den späten 1940er Jahren auch der ehemalige Sozialist Gerhard Nebel angehörte, der in der Nachkriegszeit als konservativer, mitunter reaktionärer Journalist und Schriftsteller re­ 22  Ebd.

23  Vgl. Magenau, Jörg: Brüder unterm Sternenzelt – Friedrich Georg und Ernst Jünger. Eine Biographie. Stuttgart: Klett-Cotta, 2012. S. 228 f. 24  Vgl. Jünger, Friedrich Georg: Die Perfektion der Technik. Frankfurt am Main: Klostermann, 82010 [1946]. S. 14 ff. 25  Vgl. Morat, Daniel: Friedrich Georg Jünger und die kulturkonservative Öffentlichkeit der Nachkriegszeit. In: Schütz/Hohendahl, Solitäre und Netzwerker. S. 105– 119. Hier S. 109 f. 26  Vgl. Jünger, Ernst: Der Waldgang. Stuttgart: Klett-Cotta, 2014 [1951]; Jünger, Ernst: Eumeswil. Stuttgart: Klett-Cotta, 2015 [1977]; Laska, Bernd A.: „Katechon“ und „Anarch“. Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner (= Stirner-Studien, Bd. 3). Nürnberg: LSR, 1996.

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C. Konservatismus nach 1945

üssierte,27 das „in der Defensivsituation der Nachkriegszeit […] als Schutzraum vor den Angriffen in der Öffentlichkeit dienen und die ungestörte Neusortierung des eigenen Ideenhaushalts erlauben sollte“.28 Das von den ehemaligen Nationalradikalen formulierte Ideal einer so verstandenen Souveränität propagierten sie nicht nur in ihren Werken, sie erhoben den Anspruch, ihm auch selbst gerecht zu werden.29 Das bedeutete in erster Linie, sich dem Diktat der Besatzungsmächte nicht zu beugen, deren Herrschaft nicht nur als illegitim, sondern letztlich als ein bloße Fortsetzung des Totalitarismus betrachtet wurde. Lizenzierung und Entnazifizierung, Reorientation und Reeducation galten ihnen als Instrumente fremder Mächte, die sich gegen eine souveräne, wahrhaft deutsche Kultur und Identität richteten und eine freie Vergemeinschaftung nicht zuließen; Carl Schmitt etwa polemisierte in diesem Zusammenhang gegen das „trübe Zwielicht einer ­lizenzierten Öffentlichkeit“.30 Die Entnazifizierung wurde als ein Akt der Willkür und der Entehrung verstanden. Rechtsintellektuellen wie Ernst Jünger blieb angesichts dieser Diagnose und ihres Selbstbildes gar keine andere Wahl, als die Beantwortung des alliierten Fragebogens zu verweigern – und das daraus resultierende Publikationsverbot auf sich zu nehmen. Er und seine Gleichgesinnten dienten für eine deutsche Bevölkerung, die den Entnazifizierungsprozess in weiten Teilen als Ausdruck einer Siegerjustiz wahrnahm, selbst aber nicht die Konsequenz aufbrachte, sich dem Verfahren zu verweigern, als „Heroen des Trotzes“;31 der Erfolg des ehemaligen „Konservativen Revolutionärs“ Ernst von Salomon als Autor des Fragebogens ist nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Die Delegitimierung der alliierten Besatzungsherrschaft reproduzierte rechtskonservative Deutungsmuster der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, Claus-Dieter Krohn sieht hier „das gleiche hermetische Denken“ am Werk.32 Die Vollständigkeit der Niederlage, die grundlegende Delegitimierung totalitärer Ideen durch Völkermord und Kriegsverbrechen der Nazis und nicht zuletzt die Repression der Besatzungsmächte machten indes nach 1945 ein akzentuiertes, fortgesetztes und mithin destabilisierendes Revisionsstreben der radikalen Rechten wie nach 1918 unmöglich.33 27  Vgl. Neumann, Michael: Briefwechsel mit Gerhard Nebel. In: Schöning, Matthias (Hrsg.): Ernst Jünger-Handbuch. Leben – Werk –Wirkung. Stuttgart/Weimar: Metzler, 2014. S. 298–301. Hier S. 301. 28  Morat, Friedrich Georg Jünger. S. 112. 29  Vgl. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 58. 30  Zit. n. Goschler, Radikalkonservative Intellektuelle. S. 25 f. 31  Laak, Trotz und Nachurteil. S. 58. 32  Krohn, Intellektuelle und Mandarine. S. 65. 33  Vgl. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 72.



I. Von der Kulturkritik zur Technokratie91

Das Narrativ einer nach 1945 nur von anderen Akteuren fortgesetzten Unrechtsherrschaft erlaubte es, die eigene Schuld zu ignorieren, sich gar zu Opfern zu stilisieren. Ernst Jünger schrieb 1945, die „aufeinanderfolgenden Regierungssysteme gleichen Netzen, denen kaum ein Fisch entgeht“,34 und auch Gottfried Benn machte sich eine solche Perspektive zu eigen, wenn er im Berliner Brief konstatierte, er sei „in der besonderen Lage, seit 1936 verboten und aus der Literatur ausgeschlossen zu sein und auch heute weiter unverändert auf der Liste der unerwünschten Autoren zu stehen“.35 Die „Kreise, die mich nicht wieder in der Literatur zulassen wollen“,36 freilich kann er nicht benennen – angesichts der Veröffentlichung von mindestens fünf Büchern in den Jahren 1948 und 1949 können sie so mächtig ohnehin nicht gewesen sein.37 Nichtsdestoweniger beklagten sich prominente Rechtsintellektuelle regelmäßig über ihre vermeintliche Entrechtung, inszenierten sich als Verfolgte – und unterstützten so die Marginalisierung der tatsächlichen Opfer, nämlich jener des Nationalsozialismus, im öffentlichen Diskurs. Man darf wohl unterstellen, dass sie in der deutschen Öffentlichkeit auch deshalb wohlgelitten waren, weil sie dazu beitrugen, die Erinnerung an das Unrecht des „Dritten Reiches“ zu verdrängen.38 Um ihre eigenen Positionen der Zwischenkriegszeit zu relativieren, ohne von ihnen abrücken zu müssen, beriefen sich die ehemaligen „Konservativen Revolutionäre“ mit Vorliebe auf die Rolle des feinfühligen intellektuellen Beobachters: Ihre Veröffentlichungen spiegelten als diagnostisches, gewissermaßen seismographisches Œuvre den Zeitgeist wider, sie selbst fungierten als „Barometer“, wie es Ernst Jünger bereits nach dem Ersten Weltkrieg für sich in Anspruch nahm.39 Carl Schmitt erblickte denn auch im Vorgehen gegen sich und seine Brüder im Geiste einen unreflektierten Reflex, ein Steinigen des Überbringers der schlechten Botschaft: „Die Wut auf Ernst Jüngers ‚Arbeiter‘ und vielleicht noch mehr meinen ‚Begriff des Politischen‘ ist die Wut des Kurhausdirektors auf den Arzt, der im Kurort einen Pestfall diagnostiziert.“40 Diese Position des hellsichtigen Beobachters beanspruchte Ernst Jünger auch nach 1945 weiterhin einzunehmen: „Es kommt ja auch nicht darauf an, dass à tout prix Bücher von mir erscheinen, sondern darauf,

34  Zit. n. 35  Benn, 36  Ebd. 37  Seit

Magenau, Brüder unterm Sternenzelt. S. 224. Ein Berliner Brief. S. 203.

Herbst 1948 unterlag Benn nicht mehr dem Publikationsverbot. Goschler, Radikalkonservative Intellektuelle. S. 27. 39  Vgl. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 63. 40  Schmitt, Carl: Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947–1951. Berlin: Duncker & Humblot, 1991. S. 161. 38  Vgl.

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dass nach wie vor an meiner Unabhängigkeit und an der autarken Beurteilung der Lage kein Zweifel möglich ist.“41 Ein weiterer Ansatz, die eigene Rolle in der Weimarer Republik umzudeuten, bestand darin, „Konservative Revolution“ und Nationalsozialismus systematisch zu trennen. Armin Mohler, in den Jahren 1949 bis 1953 Privat­ sekretär Ernst Jüngers und einer der Vordenker der Neuen Rechten in der Bundesrepublik, unternahm diesen Versuch in seiner 1949 vorgelegten Dissertation Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932.42 In einer affirmativen Perspektive auf seinen Untersuchungsgegenstand begreift er „Konservative Revolution“ und Nationalsozialismus als zwei voneinander unabhängige Stränge rechten Denkens. Die gegen die Französische Revolution, gegen den Fortschritt selbst gerichtete Idee der „Konservativen Revolution“ sei zwar von den Rechtsintellektuellen in den Weimarer Jahren theoretisch entwickelt und durchdacht worden, ihre praktische Umsetzung sei jedoch noch nie in Angriff genommen worden – schon gar nicht, so der Subtext, durch die Nationalsozialisten. Mit dieser systematischen Scheidung hoffte Mohler nicht zuletzt darauf, den Gedanken der Weimarer Rechten auch in der Bonner Republik zur Rezeptionsfähigkeit zu verhelfen.43 Armin Mohler war es auch, der warme Worte für andere Vertreter der antirepublikanischen Rechten der Zwischenkriegszeit fand, die sich in der neuen Republik bequem einrichteten, ohne deshalb den Gestus der Unangepasstheit aufzugeben. Friedrich Sieburgs 1959 erschienene Betrachtung Chateaubriand. Romantik und Politik etwa lobte er als „eines der schönsten, wenn nicht das allerschönste überhaupt in der langen Reihe von Sieburgs Büchern“.44 Intellektuelle wie Friedrich Sieburg, einer der prominentesten Literaturkritiker der Nachkriegszeit und Autor zahlreicher, häufig historischer Bücher bei der DVA, oder Hans Zehrer und Giselher Wirsing, prägende Köpfe der sich in den späten Weimarer Jahren um die bei Diederichs erscheinende Zeitschrift Tat gruppierenden jungkonservativen Gruppe, die nach dem Krieg als Journalisten – Zehrer als einer der engsten Vertrauten Axel Springers und einer seiner einflussreichsten Redakteure,45 Wirsing als Mitbegründer von Christ und Welt – und Buchautoren wichtige Rollen in der westdeutschen Öffentlichkeit spielten, verstanden sich genau wie die Jünger-Brüder, Magenau, Brüder unterm Sternenzelt. S. 224. Weiß, Volker: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart: Klett-Cotta, 2017. S. 40 ff. 43  Vgl. Steber, Hüter der Begriffe. S. 111 f. 44  Mohler, Armin: Ein Schriftsteller ist mehr … als man gemeinhin in Deutschland glaubt. In: Die Zeit 6 (1959), Nr. 51. (DLA, H: Sieburg, Rezensionssammlung zu „Chateaubriand. Romantik und Politik“). 45  Vgl. Sothen, Hans B. von: Hans Zehrer als politischer Publizist nach 1945. In: Kroll, Die kupierte Alternative. S. 125–178. 41  Zit. n. 42  Vgl.



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Carl Schmitt und Martin Heidegger als geistige Elite in einer geistlosen Zeit. Sie verharrten aber nicht in ostentativem Trotz, sondern suchten die Debatte, um gesellschaftliche, politische und kulturelle Diskurse aktiv zu prägen, und nahmen im Kulturbetrieb der jungen Bundesrepublik schon bald neue, oftmals herausragende Positionen ein. Anders als Zehrer, der sich bereits zu Beginn seiner Karriere in rechts­ intellektuellen Kreisen bewegt, den rechten Stalling-Verlag geleitet und sich als herausragende Persönlichkeit des Tat-Kreises hervorgetan hatte,46 um nach dem Krieg den revolutionären gegen einen vor allem christlich geprägten Konservatismus zu tauschen – ein Konservatismus ohne Gottesbezug war ihm einer „Dame ohne Unterleib“ vergleichbar47 –, erlebte Friedrich Sieburg seine intellektuelle Sozialisation im Umfeld der linken Weltbühne, gewissermaßen der Antipode der Tat. Nachhaltig beeinflusst von Gottfried Benn und Stefan George wurde das Sieburg’sche Denken jedoch zunehmend geprägt von einem radikalen Ästhetizismus und der Verabsolutierung der Persönlichkeit, die sich zu einer elitistischen Kulturkritik verbanden. Diese Kulturkritik gewann ein nationalistisches Moment, indem sie Rationalismus, Demokratie und Ökonomismus als in der Aufklärung wurzelnde, nivellierende Angriffe nicht nur auf die individuelle Persönlichkeit, sondern auch auf die letztlich ebenfalls personalistisch verstandene Nation begriff;48 die Sieburg’sche Publizistik auch der folgenden Jahrzehnte ist denn auch wesentlich von dem Ansinnen getragen, die Nationalidentität der Deutschen zu stärken beziehungsweise überhaupt zu entwickeln; eine religiöse Wende blieb bei ihm anders als bei Zehrer aus. Während Sieburgs Vision der deutschen Identität in der Zwischenkriegszeit auch eine politische und schließlich eine technizistisch-militaristische Dimension gewann, sah er eine solche nach Zweitem Weltkrieg und Nationalsozialismus als inopportun und unmöglich an; ganz im Sinne rechtskonservativen esoterischen Elitismus und im Gleichklang mit dem kulturkritischen Mainstream der 1950er Jahre entwarf er eine Idee der Nation, die zuvörderst im „Geistigen“ gründen sollte.49 Während des Nationalsozialismus hatte Sieburg im Auswärtigen Dienst des Deutschen Reiches in Belgien und Frankreich als Propagandist für die Nazis gedient und sein journalistisches Arbeiten in den Dienst ihrer Sache gestellt; seine eigene, freilich NS-opportune Agenda hatte er dabei nicht aufgegeben. In seinen Reisereportagen der Kriegsjahre etwa waren „vor allem Wittmann, Verlagsbuchhandel. S. 332. Schildt, Intellektuelle Positionen. S. 22; Sothen, Hans Zehrer. S. 144 f. 48  Vgl. Knäbich, Solitär wider Willen. S. 151 f. 49  Vgl. Krause, Tilman: Mit Frankreich gegen das deutsche Sonderbewußtsein. Friedrich Sieburgs Wege und Wandlungen in diesem Jahrhundert. Berlin: Akademie Verlag, 1993. S. 191 ff.; Schildt, Moderne Zeiten. S. 324 ff. 46  Vgl. 47  Vgl.

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Staaten und Gesellschaften in den Blickpunkt [geraten], in denen Modernisierung nicht mit Demokratisierung und Liberalisierung einherging“.50 Als Nazifunktionär und NSDAP-Mitglied wurde der Frankophile Sieburg nach dem Krieg von den Franzosen in Arrest genommen und unterlag nach seiner Freilassung bis 1948 einem Publikationsverbot.51 Auch Sieburg freilich verweigerte sich demonstrativer Reue und distanzierte sich nicht von seiner Rolle im Nationalsozialismus; in seiner Perspektive verblasste neben einem herausragenden intellektuellen Gesamtwerk ein den Umständen der Zeit geschuldeter „politischer Irrtum“. Gleichwohl vollzog er nach 1945 eine liberalkonservative Wende, die ihn zur Unterstützung nicht nur des demokratischen Systems, sondern auch der aktiven Partizipation seiner Bürger führte. Seiner kulturkritischen Perspektive blieb er dabei treu: Die Politisierung der Menschen begriff er als Antidot gegen die materialistische Entmündigung der Persönlichkeit im „Wirtschaftswunder“ – deren Siegeszug er allerdings verbittert zur Kenntnis nahm. Sieburg blieb zwar nach 1945 eine umstrittene Figur, das Gros der Gruppe 47 etwa lehnte ihn entschieden ab, insbesondere aber als Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, als der er seit 1956 fungierte, und Autor zahlreicher Essays und Sachbücher blieb Friedrich Sieburg ein vielgelesener und einflussreicher Intellektueller der frühen Bundesrepublik.52 2. Preußen und Abendland Während die „Konservativen Revolutionäre“ das Bewahrenswerte erst zu erschaffen gesucht hatten, richtete sich der Blick anderer in der frühen Bundesrepublik einflussreicher konservativer Akteure in die Vergangenheit. So betonte der Erlanger Historiker Hans-Joachim Schoeps, dass man auf der Suche nach Orientierung und handlungsleitenden Werten „über das Heute und das Gestern zurückgreifen [müsse] in das Vorgestern“.53 Schoeps hatte zwar in der Zwischenkriegszeit ebenfalls der „Konservativen Revolution“ nahegestanden, sein eigentlicher Bezugspunkt aber war der preußische Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts, seine „Überzeugung, daß im alten Preu50  Knäbich,

Solitär wider Willen. S. 153. Longerich, Peter: Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop. München: Oldenbourg, 1987. S. 195; Knäbich, Solitär wider Willen. S. 154. 52  Vgl. Knäbich, Solitär wider Willen. S. 154 ff. 53  IfZ-Archiv, Schoeps, Hans-Joachim: MS 242, 1: Preußentum und Gegenwart. Vortrag von Prof. Dr. Hans-Joachim Schoeps, gehalten auf der Soldatentagung der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise in Königswinter am 7. Februar 1953. S. 1. 51  Vgl.



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ßentum Werte liegen, die für unsere Gegenwart ans Licht gehoben werden können und auch sollten, weil sie ihr etwas zu bedeuten haben.“54 Schoeps wurde in 1909 in ein preußisches Elternhaus geboren, das die Loyalität gegenüber der Obrigkeit und dem Staat verinnerlicht hatte – und jüdischen Glaubens war.55 Das hinderte ihn indes nicht daran, den Weg von der Freideutschen Jugendbewegung über die Bündische Jugend hin zur „Konservativen Revolution“ zu finden, ungeachtet ihrer antisemitischen Tendenzen;56 nachgerade prophetisch wirken da die Worte, mit denen Schoeps von seiner ersten Begegnung mit der Jugendbewegung 1923 berichtet: „Freideutsch sein heißt wahrhaftig sein bis zur Selbstpreisgabe.“57 Denn allen Bemühungen nach 1933 zum Trotz, die Untrennbarkeit von Judentum und „Deutschtum“ herauszustellen – wobei er zwischen „deutschbewußten“, deutschen und undeutschen Juden differenzierte58 – und sich dem Nationalsozialismus dienstbar zu machen,59 geriet Schoeps zunehmend unter Druck des Regimes und flüchtete 1938 schließlich ins schwedische Exil.60 Umso mehr berief sich Schoeps, der 1946 nach Deutschland zurückkehrte und ein Jahr später einen Ruf als Professor für Religions- und Geistesgeschichte nach Erlangen erhielt, in der Nachkriegszeit auf ein Preußenbild, das er selbst als Gegenentwurf zum Totalitarismus verstand und das er auch von anderen so verstanden wissen wollte. Gerade der Obrigkeitsstaat sei ein Garant der Rechtsstaatlichkeit gewesen, denn „[p]reußisch war gleichbedeutend mit sauber, anständig, gerecht und pflichtgetreu […]. Ich glaube nicht, daß der neue deutsche Bundesstaat ohne dieses Erbe, das aus dem echten preußischen Ethos stammt, wird existieren können.“61 Nur die straffe Staats54  Ebd.

55  Vgl. Kroll, Lothar: Geschichtswissenschaft in politischer Absicht. Hans-Joachim Schoeps und Preußen (= Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Bd. 61). Berlin: Duncker & Humblot, 2010. S. 17 f. 56  Vgl. ebd. S. 22 ff. 57  Zit. n. Hempel, Wolfgang: Hans-Joachim Schoeps und die deutsche Jugendbewegung – Texte. In: Botsch, Gideon/Knoll, Joachim H./Ludewig, Anna-Dorothea (Hrsg.): Wider den Zeitgeist. Studien und Werk von Hans-Joachim Schoeps (1909– 1980) (= Haskala, Bd. 39). Hildesheim u. a.: Georg Olms Verlag, 2009. S. 213–226. Hier S. 216. 58  Vgl. Schoeps, Hans-Joachim: „Bereit für Deutschland“. Der Patriotismus deutscher Juden und der Nationalsozialismus. Berlin: Haude & Spener, 1970. S. 114. 59  Vgl. Kroll, Geschichtswissenschaft in politischer Absicht. S. 27 f. 60  Vgl. Schoeps, Julius H.: „Hitler ist nicht Deutschland“. Der Nationalsozialismus, das Exil in Schweden und die Rückkehr von Hans-Joachim Schoeps in die ehemalige Heimat. In: Botsch/Knoll/Ludewig, Wider den Zeitgeist. S. 227–248. Hier S.  234 f. 61  IfZ-Archiv, Schoeps, Hans-Joachim: MS 242, 1: Preußentum und Gegenwart. Vortrag von Prof. Dr. Hans-Joachim Schoeps, gehalten auf der Soldatentagung der

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struktur nach preußischem Vorbild, Aristokratismus und Monarchie böten gleichermaßen Sicherheit gegen den „Absolutismus des Volkes“ wie gegen den „Absolutismus des Fürsten“.62 Im Sinne dieser Idee von Preußen entfaltete Schoeps seine „vielfältigen Aktivitäten und weitstrahlenden Unternehmungen vor allem der frühen 1950er Jahre“63 – in publizistischer und institutioneller Hinsicht –, um vom wissenschaftlichen in den politischen Raum hineinzuwirken. Mitte der 1950er Jahre zielte er gar darauf, mit Bundestagsabgeordneten einen monarchistischen Verband ins Leben zu rufen.64 Die fortgesetzte Bezugnahme auf borussische Strukturen und Werte kann als konservativer Selbstbehauptungsakt wider den Zeitgeist verstanden werden, gerade weil Preußen nach 1945 diskreditiert war; so wird im Alliierten Kontrollratsgesetz Nr. 46 aus dem Februar 1947, mit welchem die Auflösung des Staates Preußen verfügt wurde, konstatiert, Preußen sei „seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland“ gewesen.65 Schoeps begriff diese Darstellung als Zerrbild, wähnte Preußen „verfemt“.66 Neben Schoeps lassen sich weitere prominente Köpfe dieser borussischen Strömung des Nachkriegskonservatismus zuordnen. Auch Hans-Joachim von Merkatz etwa, der zwischen 1955 und 1962 verschiedene Bundesministerämter bekleidete und führende Positionen in der Deutschen Partei (DP) innehatte, ehe er 1960 zur CDU wechselte, und der einer der wenigen preußischprotestantischen Protagonisten war, die auch der katholischen Abendländischen Bewegung nahestanden, plädierte noch nach 1949 für ein monarchis­ tisches System als Ausdruck eines organischen Konservatismus, dessen Funktion die „Verteidigung der natürlichen Entwicklung des Lebens gegen alle übertriebenen, überspitzten Ansprüche jener abstrakten Rationalität, die mit der fortschreitenden Zivilisation in Wirtschaft, Technik und Wissenschaft immer mächtiger wurde“, sei.67 Und auch Gerhard Ritter trug seine „borussisch-nationalprotestantischen Positionen aus den 1930er Jahren nach 1945 unverdrossen weiter“ in den Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise in Königswinter am 7. Februar 1953. S. 2. 62  Ebd. S. 4. 63  Kroll, Geschichtswissenschaft in politischer Absicht. S. 16. 64  Vgl. o. V.: Die Ehre Preußens. In: Der Spiegel 8 (1954), Nr. 10. S. 6–10. 65  Alliiertes Kontrollratsgesetz Nr. 46: Auflösung des Staates Preußen. In: Journal Officiel du Commandement en Chef Français en Allemagne 3 (1947), Nr. 58. S. 582. 66  IfZ-Archiv, Schoeps, Hans-Joachim: MS 242, 1: Preußentum und Gegenwart. Vortrag von Prof. Dr. Hans-Joachim Schoeps, gehalten auf der Soldatentagung der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise in Königswinter am 7. Februar 1953. S. 1. 67  Merkatz, Hans-Joachim von: Die konservative Funktion (= Konservative Schriftenreihe, Bd. 1). München: Isar Verlag, 1957. S. 11.



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wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs.68 Bereits 1946 veröffentlichte er in der DVA-Reihe Der Deutschenspiegel unter dem Titel Geschichte als Bildungsmacht ein schmales Bändchen, mit dem er ganz im konservativen Sinne darauf zielte, aus der Historie handlungsleitende Werte für die Neugestaltung der Gesellschaft abzuleiten.69 Die preußisch-konservative Haltung suchte er in seinen Nachkriegsarbeiten vom Nationalsozialismus abzugrenzen, ja sie geradezu als diesem entgegengesetzt zu profilieren; nicht von ungefähr widmete sich Ritter in einer seiner ersten Nachkriegsmonographien Carl Friedrich Goerdeler und der konservativen Widerstandsbewegung70 – seine positive Bezugnahme auf dieselbe blieb allerdings die Ausnahme. Denn der Blick ins Gestern führte in den wenigsten Fällen zu einer Anverwandlung des nationalkonservativen Widerstands der Gruppe um Stauffenberg und Goerdeler, obgleich der Verschwörerkreis des 20. Juli mit seinen überwiegend aristokratischen und militärischen Köpfen geradezu prädestiniert schien, sich zum Bezugspunkt gerade der borussischen Nachkriegskonservativen zu entwickeln, indem er eine Möglichkeit geboten hätte, ihre ­Positionen nach 1945 zu legitimieren beziehungsweise der Perzeption konservativer Mitschuld am Nationalsozialismus entgegenzuwirken. Doch zu negativ war die allgemeine Einschätzung des Widerstands, als dass ein Rekurs auf diesen die eigene Position gestärkt hätte. Das nationalsozialistische Narrativ über den Widerstand wirkte weit über Kriegsende hinaus: Seine Protagonisten galten gemeinhin als „Verräter“ und „Feiglinge“, die eidbrüchig geworden waren; in den 1950er Jahren beurteilte eine Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung den Widerstand negativ.71 Wo ein solches Urteil zu pointiert vorgetragen wurde, reagierte indes auch eine „insgesamt indolente[…] Justiz“,72 wie das Verfahren gegen Otto Ernst Remer zeigte, der als Wehrmachtsoffizier an der Niederschlagung des Umsturzversuches vom 20. Juli mitgewirkt hatte und sich in der Bundesrepublik als rechtsextremistischer Publizist und Politiker hervortat. Er hatte die ­Widerständler auf einer Veranstaltung der Sozialistischen Reichspartei (SRP) als Landesverräter und vom Ausland bezahlte Agenten beschimpft. Vom 68  Kroll,

Geschichtswissenschaft in politischer Absicht. S. 11. Gerhard: Geschichte als Bildungsmacht. Ein Beitrag zur historisch-politischen Neubestimmung (= Der Deutschenspiegel, Bd. 6). Stuttgart: DVA, 1946. 70  Ritter, Gerhard: Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung. Stuttgart: DVA, 1954. 71  Vgl. Tuchel, Johannes: Zwischen Diffamierung und Anerkennung: Zum Umgang mit dem 20. Juli in der frühen Bundesrepublik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 62 (2014), Nr. 72. S. 18–24. Hier S. 19. 72  Frei, Norbert: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. München: C. H. Beck, 21997. S. 91. 69  Ritter,

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Landgericht Braunschweig wurde Remer dafür wegen Verleumdung und übler Nachrede zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt, der er sich jedoch entzog. Das Urteil stieß in der jungen Bundesrepublik auf erhebliche Resonanz, weil mit seiner „vergangenheitspolitischen Grenzziehung“ eine Neubewertung des konservativen Widerstands einherging.73 Eine öffentliche Erinnerungskultur, die eine Rehabilitation des 20. Juli hätte unterstützen können, folgte dem Urteil jedoch nur zögerlich. Gleichwohl gab es nach 1945 in Kreisen des Adels genauso vereinzelte Ansätze, sich mit den Verschwörern zu identifizieren,74 wie unter ehemaligen „Konservativen Revolutionären“ wie Rudolf Pechel;75 Hans-Joachim Schoeps erblickte in den Männern des 20. Juli die wahre Verkörperung Preußens.76 Auch die Abendländische Bewegung, die sich nach 1945 als Strömung des politischen Katholizismus in der Tradition abendländischer intellektuell-politischer Foren und Formen der 1920er und 1930er Jahre ausbildete und neben dem borussischen einen weiteren Hauptstrang des rechten Nachkriegskonservatismus darstellte, distanzierte sich wortreich vom Nationalsozialismus. Dieser wurde als Gipfel einer Fehlentwicklung der Moderne interpretiert, der fürderhin als Mahnung gegen Liberalismus, Materialismus und Totalitarismus, das hieß in erster Linie: gegen den Kommunismus, dienen sollte. Die scharfe Verurteilung des Nationalsozialismus wies indes auch ein Moment der retrospektiven Exkulpation auf. Denn so glaubhaft viele – freilich nicht alle – von ihnen nach 1933 auf Distanz zum NS-Regime gingen,77 hatten sich die „Abendländer“ in der Weimarer Zeit doch keineswegs immun gegen antidemokratische und nationalistische Ideenbestände gezeigt.78 73  Ebd.

74  Vgl. Jahn, Barbara: „Eine Klasse, die von Rechts wegen keine mehr sein sollte“. Der Adel in der frühen Bundesrepublik. In: Raasch, Markus (Hrsg.): Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die Adelsgeschichte der Moderne (= Elitenwandel in der Moderne, Bd. 15). München: De Gruyter, 2014. S. 262–287. Hier S.  273 f. 75  Vgl. Pechel, Rudolf: Vom Ethos des deutschen Widerstands. In: Unser Appell 1 (1947), Nr. 3/4. S. 8; Pechel, Rudolf: Die Rollkommandos der Rufmörder. In: Der Telegraf, 12.11.1958; vgl. auch Solchany, Jean: Vom Antimodernismus zum Antitotalitarismus. Konservative Interpretationen des Nationalsozialismus in Deutschland 1945–1949. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 44 (1996), Nr. 3. S. 373–394. 76  IfZ-Archiv, Schoeps, Hans-Joachim: MS 242, 1: Preußentum und Gegenwart. Vortrag von Prof. Dr. Hans-Joachim Schoeps, gehalten auf der Soldatentagung der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise in Königswinter am 7. Februar 1953. S. 1. 77  Vgl. Seefried, Elke: Abendland in Augsburg. Zur Renaissance eines katholischen Deutungsmusters nach 1945 auf lokaler Ebene. In: Fassl, Peter/Jehl, Rainer (Hrsg.): Schwaben im Hl. Römischen Reich und das Reich in Schwaben. Studien zur geistigen Landkarte Schwabens. Augsburg: Wißner, 2009. S. 165–211. Hier S. 172.



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Das Engagement der „Abendländer“ in den Orientierungsdiskursen der Nachkriegszeit folgte fast zwangsläufig aus der Diagnose, die Totalitarismen seien ein unvermeidliches „Erbe der Neuzeit, das seinen Gedankenbau auf den trügerischen Fundamenten eines atheistischen Materialismus und Evolutionismus errichtete“.79 Eine neue staatliche und gesellschaftliche Ordnung müsse demzufolge ihre Legitimation aus Gott selbst beziehen, die „Verfassungen mit dem Ziel einer Erneuerung staatlichen Lebens aus dem Geiste der Schöpfungsordnung“ reformiert werden;80 die Regierung sollte in erster Linie Gott verantwortlich sein, nicht dem Volk.81 Den „Abendländern“ schweb­te eine ständisch gegliederte, korporatistisch organisierte Gesellschaft vor, die anstelle individualistischer oder kollektivistischer Werte die freie Persönlichkeit in ihr Zentrum stellte. Als ihr wesentliches Ordnungselement sollte ein umfassend verstandener Föderalismus fungieren.82 Begünstigt wurde die Rezeption abendländischer Topoi und Theoreme durch den kulturkritischen Zeitgeist der Nachkriegsgesellschaft, der Vermassung und Entfremdung als drängende Probleme, vor allem aber als gemeinsame Charakteristika Nazideutschlands und Sowjetrusslands begriff. Ihnen wurde eine durch christliche Werte, kulturelle Tradition und äußeren politischen Druck geeinte Schicksalsgemeinschaft der Europäer gegenübergestellt, sodass eine „zeitweise nahezu ubiquitäre Durchsetzung der Abendland-Terminologie“ zu beobachten war.83 Die Vision einer christlichen Restitution Deutschlands und Europas vereinte zahlreiche, mitunter ausgesprochen hochrangige Politiker, Publizisten und Intellektuelle in einem dynamischen Netzwerk. Neben dem ersten Direktor des Instituts zur Erforschung des Nationalsozialismus, dem späteren ­Institut für Zeitgeschichte (IfZ), Gerhard Kroll gehörten ihm unter anderem der CSU-Bundestagsabgeordnete und zweimalige Bundestagsvizepräsident ­Richard Jaeger, der Mitbegründer der CDU und spätere Richter am rhein78  Vgl. bspw. Müller, Nils: Karl Anton Rohan (1898–1975). Europa als antimoderne Utopie der Konservativen Revolution. In: Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Jahrbuch für Europäische Geschichte 2011. München: Oldenbourg, 2011. S. 179–203. 79  Archiv für Christlich-Soziale Politik (künftig: ACSP): NL Kroll, Gerhard 11, Artikel und Aufsätze (Manuskripte) (1950–1959): Politisches Verantwortungsbewußtsein unerwünscht! Kesseltreiben gegen Abendländische Aktion und Akademie. 80  ACSP, NL Kroll, Gerhard 13, Druckschriften und Aufsätze 1951–1962: Das Ordnungsbild der Abendländischen Aktion (München 1952). 81  Vgl. ACSP, NL Kroll, Gerhard 4, Christliche Aktion; 1948: Programm der Christlichen Aktion (Entwurf) (1950). S. 6. 82  Vgl. Conze, Vanessa: Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920–1970) (= Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 69). München: Oldenbourg, 2005. S. 124. 83  Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 32.

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land-pfälzischen Verfassungsgerichtshof Adolf Süsterhenn oder der Außenminister der Jahre 1955 bis 1961 Heinrich von Brentano an.84 Ihre Aktivitäten stützten sie auf eine Reihe von Institutionen: die Abendländische Akademie, die Abendländische Aktion, das Centre Européen de Documentation et d’Infor­mation und nicht zuletzt die Zeitschrift Neues Abendland, die gewissermaßen als Zentralorgan der „Abendländer“ fungierte; sie wurde 1946 von Johann Wilhelm Naumann ins Leben gerufen, ging 1951 in den gleichnamigen Verlag des umtriebigen Publizisten und ambitionierten Konservativen Erich von Waldburg-Zeil über, ehe sie 1958 eingestellt wurde.85 Zahlreiche konservative Intellektuelle publizierten in dem Medium, um ihre Gedanken zu Zustand und Zukunft der Kultur und Politik zu entwickeln, vorzustellen und zu diskutieren. Als regelmäßige Beiträger traten beispielsweise Emil Franzel, Walter Ferber oder der spätere DVA-Autor Robert ­Ingrim in Erscheinung. Wie andere Konservative setzte Ingrim (ein Pseudonym Franz Robert Kleins) sich bevorzugt mit Russland beziehungsweise der Sowjetunion auseinander. Bei ihm spiegelt sich die zeit- und milieutypische Relativierung deutscher Schuld durch die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und „Bolschewismus“ wider, ja er macht sie sogar explizit: „Rußland, einer der Haupturheber beider Weltkriege, soll völlig reingewaschen werden. Deutschland soll für den ersten Weltkrieg ebenso verantwortlich sein wie für den zweiten und für beide Kriege ganz allein.“86 Seine antikommunistische Perspektive indes ging nicht mit den gerade unter den „Abendländern“ verbreiteten Vorstellungen eines von den beiden Machtblöcken unabhängigen Mitteleuropas einher – Ingrim hatte in den 1940er Jahren in Nordamerika gelebt und 1946 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten87 –, sondern mit einem klaren Bekenntnis zur Notwendigkeit der Westbindung.88 In diesem Sinne publizierte er auch regelmäßige Beiträge in den DVA-Zeitschriften Merkur und Außenpolitik.89 84  Vgl. Götschel, Abendland in Bayern. S. 370, 384 f.; Uertz, Rudolf: Konservative Kulturkritik in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Die Abendländische Akademie in Eichstätt (1952–1956). In: Historisch-Politische Mitteilungen 8 (2001). S. 45–71. 85  Vgl. Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 42 ff. 86  Ingrim, Robert [= Klein, Franz Robert]: Die drei Invasionen. In: Neues Abendland 7 (1952), Nr. 4. S. 231 f. Hier S. 231. 87  Vgl. Munzinger Online – Internationales Biographisches Archiv: Ingrim, Robert. URL: www.munzinger.de/document/00000006504 [letzter Zugriff: 20.01.2019]. 88  Vgl. u. a. Ingrim, Robert [= Klein, Franz Robert]: Das Atlantische Dreieck. In: Neues Abendland 7 (1952), Nr. 2. S. 107–110; Ingrim, Robert [= Klein, Franz Robert]: Das verzerrte Amerikabild. In: Neues Abendland 8 (1953), Nr. 7. S. 421–424. 89  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 304 Bosch Korrespondenz 1950–1952: Schreiben Willy Marquardts an Hans Walz vom 4. August 1950.



I. Von der Kulturkritik zur Technokratie101

Die „Abendländer“ waren nicht die einzige katholische Bewegung, die in der Nachkriegszeit eine neuerliche Blüte erlebte. Auch der Renouveau catholique, der im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts in Opposition zu laizistischen Bestrebungen entstanden war, erlebte zunächst in der Zwischen- und dann in der Nachkriegszeit Konjunkturen. Anders als die Abendländische Bewegung zielte der Renouveau catholique nicht zuvörderst auf eine Umgestaltung der Politik, sondern auf eine Besinnung auf die Werte des Katholizismus in der Kultur; er war denn auch und vor allem eine literarische Bewegung, gekennzeichnet durch „die Überzeugung, dass es die Kunst im heraufkommenden Zeitalter des Nihilismus nicht mit dem Konzept des mittlerweile dominierenden Rationalismus und Psychologismus, sondern sehr wohl mit Metaphysik im Sinne der christlichen Botschaft“ zu tun habe.90 Der Renouveau catholique geht nicht zuletzt auf Chateaubriand zurück, der auch durch die Darstellung Friedrich Sieburgs in den 1950er Jahren in Deutschland wieder breit rezipiert wurde – genauso wie die der Bewegung nahestehenden eigenen Autoren, die als konservative Christen den Nationalsozialisten in der Regel ablehnend gegenübergestanden hatten. Neben Werner Bergengruen und Theodor Haeckel nahm hier vor allem die Konvertitin Getrud von le Fort eine wichtige Rolle ein.91 Bereits in den ersten Nachkriegsjahren wurden zahllose ihrer Werke neu aufgelegt, unter anderem von Kösel, Insel oder dem Zürcher Verlag Die Arche. Gerade in den 1950er Jahren publizierte die 1876 geborene Autorin aber auch eine Vielzahl neuer Erzählungen. Gemeinsam ist den Werken le Forts die „Angst um die gefährdete abendländische Kultur“ und eine Perspektive, in der die Religion und mithin die Kirche die Rolle der Schutz- und Ordnungsmacht dieser Kultur einnimmt und die Transzendierung menschlicher Schuld ermöglicht.92 In den 1940er und 1950er Jahren war das insbesondere in katholischen Kreisen unbedingt anschlussfähig. Die Chancen einer christlichen renovatio schienen in der Nachkriegszeit größer, als dies im Rückblick zu vermuten wäre. Denn nicht nur Intellektu90  Kühlmann, Wilhelm/Luckscheiter, Roman: Vorwort. In: Kühlmann, Wilhelm/ Luckscheiter, Roman (Hrsg.): Moderne und Antimoderne. Der Renouveau catholique und die deutsche Literatur. Beiträge des Heidelberger Colloquiums vom 12. bis 16. September 2006 (= Catholica. Studien und Quellen zur Kulturgeschichte des modernen Katholizismus, Bd. 1). Freiburg/Berlin/Wien: Rombach, 2008. S. 9–16. Hier S. 11. 91  Vgl. Pottier, Joel: Ein Anti-Claudel? Getrud von le Fort und der französische Renouveau catholique. In: Kühlmann/Luckscheiter, Moderne und Antimoderne. S. 489–509. 92  Goslich, Roswitha: Orientierungssuche im Zeitalter der Angst. Gertrud von le Forts Weg zur Mystik (= Germanistische Texte und Studien, Bd. 71). Hildesheim/ Zürich/New York: Olms, 2003. S. 190.

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elle wie Hans Zehrer vollzogen eine christliche Wende, die Kirchen insgesamt erlebten nach dem Krieg eine Konjunktur.93 Aber so wenig sich diese Tendenz in den folgenden Jahrzehnten verstetigte, so wenig etablierte sich die Abendländische Bewegung auf Dauer in der Bundesrepublik. Zwar blieb die Paneuropa-Union um Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi als ideell und personell eng verbundene Organisation noch über Jahrzehnte einflussreich, die „Abendländer“ selbst allerdings spielten seit Anfang der 1960er Jahre keine Rolle mehr, nachdem sie infolge eines ausnehmend kritischen Spiegel-Artikels anlässlich der Feierlichkeiten zum tausendjährigen Jubiläum der Schlacht auf dem Lechfeld 1955 massivem publizistischen Gegenwind ausgesetzt gewesen waren,94 und sich die Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der erfolgreichen Konsolidierung und Modernisierung der Bundesrepublik von immer antiquierter wirkenden regressiv-konservativen Vorstellungen distanzierte.95 3. Pragmatismus und Parteinahme Während die rechtskonservativen „Esoteriker“ wie Heidegger und die Brüder Jünger in ostentativer Politikferne verharrten, übten sich die „Abendländer“ nicht in demonstrativer Autonomie, richteten sich nicht in der durchaus bequemen Sphäre des Apolitischen ein. Nichtsdestotrotz überwanden sie sogar dann, wenn sie selbst herausragende Positionen in der neuen Republik einnahmen, die Distanz zu Parlamentarismus und Parteienstaat nie gänzlich. So tat Außenminister Brentano in einem Brief an Richard Jaeger freimütig kund, dass er sich frage, „ob die chemisch reinen Formen der parlamentarischen Demokratie noch in die Gegenwart passen“;96 er konnte gewiss sein, dass der Bundestagsvizepräsident diese Bedenken teilte. Den „schranken­ losen Parlamentarismus“97 lehnte der Vordenker Kroll ebenso ab wie den „Vielparteienstaat und die durch ihn herbeigeführte Vergiftung des öffentlichen Lebens“.98 Gleichwohl wirkten die „Abendländer“ gezielt und pragmatisch in den demokratisch-parlamentarischen Strukturen mit – um diese zu prägen, aber genauso, um von ihnen nolens volens geprägt zu werden; auch Schildt, Konservatismus. S. 214 f. Die missionäre Monarchie. In: Der Spiegel 9 (1955), Nr. 33. S. 12–14. 95  Vgl. ACSP, NL Jaeger, D: 72: Abendländische Akademie, Kuratorium 1953– 1963. 96  ACSP, NL Jaeger D: 74: Abendländische Akademie, Pressekampagnen 1956: Schreiben Heinrich von Brentanos an Richard Jaeger vom 3. März 1956. 97  ACSP, NL Kroll, Gerhard 4, Christliche Aktion 1948: Programm der Christ­ lichen Aktion (Entwurf) (1950). S. 6. 98  ACSP, NL Kroll, Gerhard 13, Druckschriften und Aufsätze 1951–1962: Das Ordnungsbild der Abendländischen Aktion (München 1952). S. 19. 93  Vgl.

94  o. V.:



I. Von der Kulturkritik zur Technokratie103

Bundeskanzler Konrad Adenauer war in erheblichem Maße von abendländischen Ideen motiviert.99 Andere junge konservative Intellektuelle hingegen waren weitgehend unberührt von Vorbehalten gegen die „Formaldemokratie“. Insbesondere die Vertreter der nach Joachim Ritter benannten, in sich durchaus heterogenen Ritter-Schule wie Hermann Lübbe oder Odo Marquard stehen für eine anti­ ideologische Vernunftethik und die Vorstellung von der Notwendigkeit der konstruktiven Kompensation von Fortschrittsverlusten, wenngleich sie erst in den 1970er Jahren einen diskursprägenden Einfluss gewannen.100 Aber auch der radikalen Rechten entstammende Denker entwickelten in der Nachkriegszeit Ansätze, die geeignet waren, die autoritären Deutungsmuster der Weimarer Jahre zu überwinden und einen modus vivendi mit der Republik zu finden. So porträtierte Helmut Schelsky die „skeptische Generation“ der Nachkriegszeit als jene, die durch das Erlebnis des Zusammenbruchs des NS-Regimes grundlegend ernüchtert, unverführbar und unrevolutionär, ja geradezu biedermeierlich auf die eigene familiäre und berufliche Lebenswelt fokussiert sei – und damit die erste völlig mit der modernen Industriegesellschaft kompatible Generation.101 Eine solche Diagnose könnte einen konservativen Denker zu kulturkritischer Ablehnung verführen; Schelsky fasste die „skeptische Generation“ jedoch weniger wertend denn als echten Ausdruck der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“, die die Bundesrepublik des wirtschaftlichen Aufschwungs prägte.102 Auch Hans Freyer, ein Lehrer Schelskys, dessen zentrales Nachkriegswerk Die Theorie des gegenwärtigen Zeitalters 1955 bei der DVA erschien, nahm eine Irreversibilität der Modernisierungsentwicklungen an, die es ihm deshalb zu gestalten, nicht mehr zu überwinden galt; die Idee einer „Konservativen Revolution“, der auch Freyer in der Zwischenkriegszeit angehangen hatte, war damit nicht mehr vereinbar.103 Freyer und andere bereiteten so den Weg für einen „technologisch unterlegten Konservativismus“,104 der, ohne kulturpessimistische Deutungsmuster gänzlich abzulegen, die Systemkompa99  Vgl. Schildt, Axel: Das „christliche Abendland“ als Zentrum politischer Inte­ gration in der Frühzeit der Ära Adenauer. In: Mayer, Tilman (Hrsg.): Medienmacht und Öffentlichkeit in der Ära Adenauer (= Rhöndorfer Gespräche, Bd. 23). Bonn: Bouvier, 2009. S. 39–54. 100  Vgl. Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. 101  Vgl. Schelsky, Helmut: Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend. Düsseldorf, Köln: Diederichs, 1957. 102  Vgl. Rauh, Cornelia: Bürgerliche Kontinuitäten? Ein Vergleich deutsch-deutscher Selbstbilder und Realitäten seit 1945. In: Historische Zeitschrift 287 (2008), Nr. 2. S. 341–362. Hier insbesondere S. 345–348. 103  Vgl. Schildt, Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 29. 104  Krohn, Intellektuelle und Mandarine. S. 69.

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tibilität der Mainstream-Rechten ermöglichte. Die Agenten der Gestaltung des Wandels im dergestalt liberal gewendeten konservativen Sinne waren in jenem System die politischen Parteien. In den späten 1940er Jahren wurden zahlreiche Parteien neu- oder wiedergegründet, die der Vielzahl möglicher Antworten auf die Frage nach der gesellschaftlichen Entwicklung in (West-)Deutschland Ausdruck verliehen. Gerade aufseiten der politischen Rechten spiegelten sich die heterogenen Themen und Milieus eines weit verstandenen Konservatismus wider. Die bereits erwähnte Deutsche Partei etwa wurde 1946 in der Tradition der Deutsch-Hannoverschen Partei gegründet und ihr Schwerpunkt lag denn auch auf den norddeutschen Ländern, in Niedersachsen stellte sie von 1955 bis 1959 gar den Ministerpräsidenten.105 Wenngleich die gesamtdeutsche Ausdehnung nicht gelang, erreichte sie doch durch die Beteiligung an den ersten drei Regierungen Konrad Adenauers bundespolitische Bedeutung.106 Programmatisch orientierte sich die Partei an einem vor allem protestantisch geprägten Nationalkonservatismus, der sich Preußen zum Vorbild nahm und starke monarchistische Tendenzen aufwies. Die DP zeigte sich dabei auch dem rechten Rand gegenüber offen und bemühte sich expressis verbis „die zum Rechtsradikalismus hin tendierenden Teile der Bevölkerung […] über und mit uns in die Bahn einer konstruktiven Politik zu lenken“.107 Das schloss eine klare Abgrenzung gegenüber revisionistisch-nationalsozialistischen Strömungen ein.108 Die ebenfalls weitgehend auf Nordwestdeutschland beschränkte, aus der Fusion von Deutscher Konservativer Partei und Deutscher Aufbau-Partei hervorgegangene Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP–DRP), in der wiederum Hans Zehrer zunächst eine prominente Rolle spielte, wies ein ähnliches preußisch-monarchistisches Profil auf. Gegen die strukturell und organisatorisch weit besser etablierte DP konnte sie sich nicht durchsetzen und ging faktisch in ihr auf.109 Ebenfalls vornehmlich in Niedersachsen aktiv war die Deutsche Reichspartei, die 105  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 224; insbesondere zu den Bemühungen der DP, den Konservatismusbegriff zu besetzen Steber, Martina: Kein Abschied von Wunschbildern. Die Deutsche Partei in den 1950er Jahren. In: Liebold, Sebastian/ Schale, Frank (Hrsg.): Neugründung auf alten Werten? Konservative Intellektuelle und Politik in der Bundesrepublik. Baden-Baden: Nomos, 2017. S. 33–52. 106  Vgl. Decker, Frank/Neu, Viola (Hrsg.): Handbuch der deutschen Parteien. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2017. S. 287. 107  So der Parteivorsitzende Heinrich Hellwege 1949, zit. n. Schildt, Konservatismus. S. 225. 108  Vgl. Rowold, Manfred/Immerfall, Stefan: Im Schatten der Macht. Nicht-eta­ blierte Kleinparteien. In: Mintzel, Alf/Oberreuther, Heinrich (Hrsg.): Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Leske und Budrich, 1992. S. 362–420. Hier v. a. S.  393. 109  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 224.



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aus einem Zusammenschluss des niedersächsischen Landesverbands der DKP–DRP und der hessischen NPD hervorging und programmatisch in der Tradition der DNVP stand.110 Wenngleich Parteien wie die DP sich darum bemühten, die Vertriebenen als ihre Klientel zu gewinnen, organisierte sich mit dem Gesamtdeutschen Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) 1950 ein eigener politischer Arm der Vertriebenen- und Flüchtlingsverbände. Der GB/ BHE mäanderte zwischen klassisch-konservativen Anliegen wie dem Erhalt bäuerlicher Strukturen, der Kultur und der traditionellen Familie einerseits und nationalistisch-revisionistischen Forderungen andererseits; insbesondere den vermeintlichen oder tatsächlichen Ausschluss ehemaliger Nationalsozialisten aus dem öffentlichen Leben lehnte er ab. Nichtsdestotrotz war der GB/ BHE in den 1950er Jahren an fünf Landesregierungen sowie am zweiten Adenauer-Kabinett beteiligt.111 So erfolgreich manche der konservativen Kleinparteien vor allem in den 1950er Jahren waren – auf Dauer konnten sie neben der Union nicht bestehen. Die Gründung von CDU und CSU erfolgte nicht zentral, vielmehr entstanden die Parteien aus disparaten regionalen und ideellen Wurzeln. Gerade deshalb waren sie prädestiniert, die Heterogenität des deutschen Konservatismus nicht nur abzubilden, sondern ihr als Sammlungsbewegung politischen Ausdruck und politische Wirksamkeit zu verleihen – nicht nur über Konfessions-, sondern auch über Haltungsgrenzen hinweg, von den nationalkonservativen Protestanten bis hin zu den Linkskatholiken, die sich, wie etwa Walter Feber, um eine – nur kurzlebige – Reetablierung des Zentrums bemüht hatten.112 Gleichzeitig macht das die Anwendung des Konservatismusbegriffs auf die Union nicht unproblematisch. Denn der konservative Strang ist nur eine der Traditionslinien, auf die sich CDU und CSU – bis heute – berufen, neben weiteren wie dem sozialen oder dem liberalen. Gerade weil sie jedoch beinahe alle systemkonformen Kräfte der politischen Rechten absorbierte, lässt sich die Union nicht nur, aber eben auch als konservativer Akteur fassen – und zudem als einer der wichtigsten.113 In vielen Regionen hatten sich unmittelbar nach Kriegsende Gruppierungen zusammengefunden, die sich „christlich-demokratisch“ oder „christlich110  Vgl. Sowinski, Oliver: Die Deutsche Reichspartei 1950–1965. Organisation und Ideologie einer rechtsradikalen Partei. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1998. 111  Vgl. ebd. S. 222 f. 112  Vgl. bspw. Schmidt, Ute: Zentrum oder CDU. Politischer Katholizismus zwischen Tradition und Anpassung. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1987. 113  Vgl. dazu insbesondere Steber, Hüter der Begriffe. S. 164 ff.; Uertz, Rudolf: Die Christliche Demokratie im politischen Ideenspektrum. In: Historisch-Politische Mitteilungen 9 (2002), Nr. 1. S. 31–62.

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sozial“ verstanden und darauf zielten, eine politische Kraft zu formieren, die die Zersplitterung der Weimarer Republik zu überwinden und alle Gesellschaftsschichten zu vertreten vermochte, mithin eine echte bürgerlich-demokratische Volkspartei zu werden.114 Den Kern ihres Selbstverständnisses bildete neben einem umfassend zu verstehenden Föderalismus die Ablehnung jedes Totalitarismus – zahlreiche der Gründer waren dem Nationalsozialismus mit Widerstand oder doch wenigstens Nichtanpassung begegnet.115 Ihre Mitglieder gewannen die Unionsparteien vor allem aus Kreisen des Weimarer Zentrums und in Bayern der Bayerischen Volkspartei (BVP), aber auch der Deutschkonservativen, vor allem der volkskonservativen Abspaltung, der auch Gotthold Müller angehört hatte, sowie der Nationalliberalen.116 1950 schlossen sich die verschiedenen Landesverbände der CDU auf Bundesebene zusammen, lediglich in Bayern blieb mit der CSU eine unabhängige Organisation erhalten, die im Bundestag allerdings bereits seit 1949 eine Fraktionsgemeinschaft mit der CDU eingegangen war. Durch eine frühe Unterstützung durch die Besatzungsmächte, ihre breite und anschlussfähige inhaltliche Ausrichtung und die rasche bundesweite Ausdehnung gelang es der Union, andere Parteien der Rechten wie der bürgerlichen Mitte zu marginalisieren; dass etwa der DP oder dem GB/BHE angehörende Bundesminister schließlich zur CDU übertraten, veranschaulicht das augenfällig.117 Die Union ging nur aus einer einzigen Bundestagswahl der Bonner Republik – der des Jahres 1972 – nicht als stärkste Kraft hervor.118 Nicht zuletzt diese dominante Rolle der Unionsparteien auch innerhalb des konservativen Milieus zeigt einerseits, dass die Konservativen die Parteien als zentrale Instanz des Meinungs- und Willensbildungsprozesses erkannt und akzeptiert hatten – mithin die prävalenten parteien- und parlamentsfeind­ lichen Haltungen der Zwischenkriegszeit aufgegeben hatten – und diese deshalb entsprechend ihrer Weltanschauung zu beeinflussen beziehungsweise mitzuprägen suchten. Andererseits illustriert sie die kaum zu überschätzende Integrationsleistung der deutschen Nachkriegsparteien, insbesondere auf der politischen Rechten, denen es gelang, auch demokratieskeptische Konservative in den demokratischen Prozess einzubinden und eine republikfeindliche Radikalisierung wie in den Weimarer Jahren zu verhindern. 114  Vgl. Buchstab, Günter: Ein parlamentarisches Unikum: die CDU/CSU-Frak­ tionsgemeinschaft. In: Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.): Die Fraktion als Machtfaktor. CDU/CSU im Deutschen Bundestag 1949 bis heute. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2010. S. 255–274. Hier S. 255 f. 115  Vgl. Becker, Gründung und Wurzeln der Christlich-Sozialen Union. 116  Vgl. Schildt, Kontinuität und Neuanfang. S. 13. 117  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 223. 118  Vgl. Decker/Neu, Handbuch der deutschen Parteien. S. 246.



II. Sprechverbote und kulturelle Hegemonie107

Dass jedoch nicht nur demokratische Parteien Demokratieskeptiker aufnehmen und gewissermaßen bändigen konnten, sondern dass es andererseits auch Versuche von Antidemokraten gab, solche Parteien zu übernehmen und zu Vehikeln ihrer Agenda zu machen, zeigt das Beispiel der neben der Union zweiten deutschen Sammlungsbewegung, der Freien Demokratischen Partei (FDP). Auch die FDP suchte die Spaltung der Weimarer Liberalen zu überwinden, links- und nationalliberale Strömungen zu vereinen. Während etwa die südwestdeutschen Liberalen um den ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss – nicht nur ein Autor, sondern ein regelrechter Förderer der DVA – ein ausgeprägtes sozialliberales, demokratisches Profil aufwiesen, entwickelte sich der nordrhein-westfälische Landesverband zu einer nationalistischen Hochburg.119 Nicht zuletzt deshalb glaubte ein Kreis ehemaliger Nationalsozialisten um Werner Naumann in ihm ein passendes Ziel für eine Unterwanderung der Partei gefunden zu haben, die – nach dem Verbot der SRP – als Vehikel für eine revisionistische, rechtsextreme Politik dienen sollte. 1953 jedoch zerschlugen die britischen Behörden entsprechend ihrer weiter bestehenden Interventionsrechte den Naumann-Kreis und setzten zahlreiche seiner Angehörigen fest.120 Mit dem Verbot der unter anderem von Otto Ernst Remer nach seinem Ausschluss aus der DKP–DRP gegründeten SRP hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr zuvor verdeutlicht, dass eine öffentliche Zustimmung zum NS-Regime und eine politisches Wirken in seinem Sinne in der Bundesrepublik nicht toleriert würde;121 mit Ausnahme einer Konjunktur der NPD in den 1960er Jahren blieben rechtsextreme Parteien in der Bonner Republik denn auch ohne nennenswerten Einfluss.122

II. Sprechverbote und kulturelle Hegemonie: Topoi des Konservatismus In der westdeutschen Nachkriegsöffentlichkeit bildeten sich Topoi heraus, die für die Verortung Deutschlands und der Deutschen in der Gemeinschaft der Völker einerseits und die Auseinandersetzung über das Wesen und den Weg der Gesellschaft anderseits von zentraler Bedeutung waren und in der Öffentlichkeit entsprechend engagiert und breit diskutiert wurden. Diese Diskurse wurden über alle politischen Strömungen, Akteursgruppen oder Milieus hinweg geführt; Fragen nach der Rolle der Nation, nach der Auseinandersetzung mit den Totalitarismen oder nach den ideellen Grundlagen des WiederSchildt, Konservatismus. S. 220. Frei, Vergangenheitspolitik. S.  91 f. 121  Vgl. Herbert, Ulrich: NS-Eliten in der Bundesrepublik. In: Loth/Rusinek, Verwandlungspolitik. S. 93–115. Hier S. 107. 122  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 243 f. 119  Vgl.

120  Vgl.

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aufbaus waren aber gerade für Konservative von entscheidender Wichtigkeit, sowohl hinsichtlich ihrer eigenen Positionierung nach dem Nationalsozialismus als auch hinsichtlich ihrer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Neuformierung von Staat und Gesellschaft. Die Überwindung des ultranationalistischen NS-Regimes führte nach 1945 mitnichten zu einer Abkehr von der Idee der Nation als solcher, im Gegenteil: Angesichts der Konstituierung eines westdeutschen Staates, der nur noch über einen Teil des ehemaligen Territoriums sowie einen Teil seiner Souveränität verfügte, gewann die Frage nach Nation, Nationalismus und Nationalstaat eine geradezu existentielle Dimension. Gerade Konservative begriffen dies jedoch nicht als Widerspruch. Ihrer geschichtsphilosophischen Interpretation zufolge stellte der Nationalsozialismus eine Pervertierung der nationalen Idee dar, einen späten Höhepunkt der mit der Aufklärung beginnenden Fehlentwicklung. Insbesondere in den Auseinandersetzungen über Entnazi­ fizierung und Amnestie schienen nationalistische Sentiments klar auf. Der Rekurs auf ein völkisches, rassisch definiertes Ganzes freilich unterlag informellen und formellen Sprechverboten; der Bezug auf ein kulturell homogenes, christliches Abendland mit einem von den westlichen wie östlichen Traditionslinien wesensverschiedenen Charakter war indes weit verbreitet. Auch in anderen Zusammenhängen blieben – vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs mehr oder minder zwangsläufig – Ost und West wesentliche Bezugsgrößen. Denn die Konfrontation der Supermächte und ihrer Satelliten führte dazu, dass nicht nur die Konstituierung der Nation verhandelt werden musste, sondern auch ihre Positionierung in oder zwischen den Blöcken. Der größte Teil des bürgerlich-konservativen Lagers folgte der Adenauer’schen Politik der Westintegration, freilich ohne dabei tradierte Vorbehalte gegen eine als minderwertig empfundene amerikanische Kultur abzulegen. Gerade rechtskonservative Intellektuelle jedoch plädierten häufig für eine Äquidistanz zu den Supermächten, für einen eigenen mitteleuropäischen Block beziehungsweise nationalneutralistische Positionen – womit sie ausgerechnet für einen Teil der Sozialdemokraten in deutschlandpolitischen Fragen anschlussfähig wurden. Eindeutiger war der Blick auf die Sowjetunion, die als Hort des unchristlichen, entseelten Materialismus galt. Der antikommunistische Konsens weitester Teile der westdeutschen Gesellschaft erfüllte dabei auch und nicht zuletzt eine innenpolitische Funktion. Indem eine Wesensgleichheit des nationalsozialistischen und des sowjetischen Totalitarismus verkündet wurde, konnte die originäre Schuld der Deutschen relativiert werden. Beide Systeme wurden als Ergebnisse materialistischer und kollektivistischer Entwicklungen teleologisch gedeutet. Gerade Konservative wähnten diese Entwicklungen aber auch im Nachkriegsdeutschland nach wie vor am Werk. Die Totalitarismustheorie, die zunehmend parti-



II. Sprechverbote und kulturelle Hegemonie109

zipativen und pluralistischen Strukturen sowie der seit Mitte der 1950er Jahre dynamische wirtschaftliche Aufschwung leisteten einer kulturkritischen Perspektive auf „Vermassung“, „Materialismus“, „Konsumismus“ und technologisch-ökonomische Entwicklung Vorschub, die auf ältere Traditionsstränge zurückgriff, in ihrer aktualisierten Nachkriegsvariante aber nichts­ destoweniger hegemonialen Charakter in den westdeutschen Nachkriegsdiskursen gewann. 1. Nation nach dem Nationalsozialismus Die Besetzung des deutschen Territoriums durch die Alliierten, seine Aufteilung in Besatzungszonen und die Ausübung der Regierungsgewalt durch alliierte Oberbefehlshaber entsprechend den Vereinbarungen der Konferenz von Jalta, des Potsdamer Abkommens und der Berliner Deklaration bedeuteten auch das vorläufige Ende souveräner deutscher Staatlichkeit und die Zerschlagung des deutschen Nationalstaats, der spätestens seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die zentrale Orientierungsgröße der deutschen Politik und Gesellschaft gewesen war.123 In der zeithistorischen Forschung ist vor diesem Hintergrund mitunter kolportiert worden, dass damit letztlich auch die nationalistischen und nationalstaatlichen Vorstellungen in der geistes- und ideengeschichtlichen Tradition des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ihr Ende fanden; Dieter Langewiesche etwa versteigt sich zu der Behauptung, die Deutschen (aber nicht nur diese) hätten im Ende des nationalsozialistischen Regimes das Ende der nationalistischen Ära als solcher erblickt: „Nationalismus und Nationalstaat alter Form, so glaubten sie, sind politisch und moralisch endgültig diskreditiert und zudem militärisch wie wirtschaftlich überholt. Übernationale Ordnungen sollten an ihre Stelle treten.“124 Tatsächlich jedoch blieb die Nation auch nach 1945 die zentrale Bezugsgröße, nicht nur aufgrund der ideengeschichtlichen Persistenzen und ideellen Überhänge; die konkrete politische Situation im Nachkriegsdeutschland ließ eine rasche Überwindung der Bezogenheit auf Nation und Nationalstaat kaum zu, seien es Entnazifizierung und Demontagen, die Antipathien der Bevölkerung gegen die Besatzungsmächte Vorschub leisteten, der Verlust der Souveränität und die Frage nach den Möglichkeiten ihrer Restitution und der Wiederherstellung deutscher Staatlichkeit, die sich entwickelnde und konsolidierende deutsche Frage durch die Zonenteilung und schließlich die Grün123  Vgl. Conze, Eckart: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart. München: Siedler, 2009. S. 26 ff. 124  Langewiesche, Dieter: Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert zwischen Partizipation und Aggression (= Gesprächskreis Geschichte, Bd. 6). Bonn: FriedrichEbert-Stiftung, 1994. S. 7.

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dung zweier deutscher Staaten, der Verlust der Ostgebiete oder die Situation und Forderungen der Heimatvertriebenen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus führte infolgedessen nur bei wenigen zu einer grundlegenden Abkehr von der Idee des Nationalstaats. Vielmehr wurde gerade auf konservativer Seite häufig zwischen einem „wahren“ und einem „falschen“ Nationalismus geschieden, mithin der Nationalsozialismus nicht als der Gipfel, sondern die Pervertierung des nationalen Gedankens interpretiert.125 Der Nationalsozialismus galt aus einer teleologischen konservativen Perspektive als folgerichtiger, geradezu zwangsläufiger Höhepunkt einer Entwicklung, die in der Aufklärung und dem Zerfall des Universalismus wurzelte, Rationalismus, Zentralismus und Kollektivismus das Feld bereitete und schließlich in den totalitären Staat mündete.126 Entsprechend stellte er keineswegs eine spezifisch deutsche Entwicklung dar, ja er sei gerade die „verbrecherisch verzerrte letzte Konsequenz einer verkehrten, das Wesen des Deutschtums verkennenden Staats- und Geschichtsauffassung“ gewesen, so Otto Freiherr von Glaubitz.127 Der Nationalsozialismus galt in dieser Lesart also als Vollendung des Nationalismus, gleichzeitig aber als Vergewaltigung der nationalen Eigenart, des Volkscharakters der Deutschen. Es ist hier der – in einen größeren ideengeschichtlichen Kontext gesetzte – Nationalismus selbst, der den nationalen Interessen zuwiderläuft. Gerade angesichts dieses Befunds nimmt es nicht wunder, dass die Ent­ nazifizierung nicht nur von Rechtskonservativen wie Jünger und Schmitt als ein Angriff auf die nationale Souveränität verstanden wurde. Insbesondere die durch den Entnazifizierungsprozess beförderte Wahrnehmung einer Kollektivschuldthese der Alliierten stieß auf vehemente Ablehnung in weiten Teilen der westdeutschen Bevölkerung, hatte man dort doch häufig ein Narrativ verfolgt, das die Verantwortung für den Nationalsozialismus und seine Verbrechen auf Hitler und eine kleine Führungsclique abwälzte, wodurch es nicht nur vermieden wurde, das deutsche Volk moralisch zu diskreditieren, sondern auch die Perspektive der deutschen Nation als legitimer politischer Kraft erhalten werden konnte.128 Indem nun das Vorgehen der Besatzungsmächte als antidemokratisch und tendenziell totalitär bewertet wurde und die 125  Vgl. Echternkamp, Jörg: „Verwirrung im Vaterländischen“? Nationalismus in der deutschen Nachkriegsgesellschaft 1945–1960. In: Echternkamp, Jörg/Müller, Sven Oliver (Hrsg.): Die Politik der Nation: Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen 1760–1960 (= Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 56). München: Oldenbourg, 2002. S. 219–246. Hier S. 221 ff. 126  Vgl. Schildt, Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 24. 127  Glaubitz, Otto Freiherr von: Einheitsstaat oder Bund? In: Neues Abendland 1 (1956), Nr. 5. S. 23–25. Hier S. 24 f. 128  Vgl. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 57 f.



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Reeducation als ein Akt der Gehirnwäsche, dem es nicht um die Bekämpfung des Totalitarismus und Extremismus zu tun sei, sondern um die Auslöschung einer genuin deutschen Kultur und Politik, konnten Selbstviktimisierung und Schuldabwehr fortgeschrieben werden, ohne die Rolle, die Nation und Gesellschaft im Nationalsozialismus gespielt hatten, (selbst-)kritisch reflektieren zu müssen.129 Kaum, dass die Vergangenheit vergangen war, wurden Rufe nach einem Ende der Vergangenheitsbewältigung laut. Konservative Intellektuelle verlangten nach der Beendigung der Entnazifizierung und einer weitreichenden Amnestie, zumindest für Minderbelastete und Mitläufer. Dabei argumentierten sie auch mit der politischen Situation: Eine fortgesetzte Konfrontation der Deutschen berge nicht nur die Gefahr, dass den eigentlichen bedrohlichen Tendenzen im Innern – zuvörderst Kommunismus und Nihilismus – nicht adäquat begegnet würde, sondern auch die, dass sich Belastete radikalisierten und die Entnazifizierung damit das Gegenteil dessen erreichte, was sie zu beabsichtigen vorgab. So drohte die Demokratisierung der Deutschen zu scheitern, und damit auch die Integration der Bundesrepublik in den west­ lichen Block, für den sie als antikommunistisches Bollwerk unverzichtbar sei.130 Derlei Forderungen blieben keineswegs theoretisch, auch im politischen Raum entfalteten sie Wirkung. So forderte die DP im September 1949 ein sofortiges Ende der Entnazifizierung und eine Amnestie für alle Betroffenen der Gruppen 3 und 4, und auch andere konservative Parteien wirkten auf entsprechende Gesetze hin;131 selbst die rechtliche Gleichstellung von ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS mit Wehrmachtssoldaten stand auf ihrer Agenda.132 Ein solches Anliegen mag randständig geblieben sein, der Wunsch einer raschen Beendigung der Entnazifizierung und der mit ihr verbundenen kritischen Beleuchtung des Handelns der Deutschen zwischen 1933 und 1945 wurde von fast allen Parteien geteilt. Bundeskanzler Adenauer formulierte diese Haltung folgendermaßen: „Wir haben so verwirrte Zeitverhältnisse hinter uns, daß es sich empfiehlt, generell tabula rasa zu machen.“133 Folgerichtig verabschiedete der Bundestag im April 1951 das Entnazifizierungsschlussgesetz nahezu einstimmig.134 Mit dem so beschlossenen Ende der Entnazifizierung schienen die Voraussetzungen gegeben, sich, ohne omKrohn, Intellektuelle und Mandarine. S. 65. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 65. 131  Vgl. Frei, Vergangenheitspolitik. S.  80 f. 132  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 230. 133  Zit. n. Frei, Vergangenheitspolitik. S. 81. 134  Plenarprotokoll der 132. Sitzung des Deutschen Bundestages am 10. April 1951. URL: dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01132.pdf [letzter Zugriff: 09.02.2019]. 129  Vgl. 130  Vgl.

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nipräsente Konflikte und Verwerfungen ob der jüngsten Vergangenheit, endgültig wieder als handlungsfähige Nation zu etablieren, und das hieß im Kontext der frühen 1950er Jahre vor allem: als ein Teil der antikommunistischen Allianz. Denn nationale Ideen wurden insbesondere angesichts der Entfaltung des Kalten Kriegs und der latenten Bedrohung durch eine sowjetische Aggression ins Übernationale transzendiert, die Verwirklichung der Nation in die Sphäre der europäischen Integration gerückt.135 Damit ging keineswegs ein Verzicht auf den Anspruch der deutschen Einheit einher. Vielmehr folgten nach 1949 viele Konservative der außen- und deutschlandpolitischen Konzeption Konrad Adenauers und seines Staatssekretärs Walter Hallstein, die eine Wiedervereinigung in Freiheit nur vermittels der Westintegration für möglich erachteten. Die Vereinigung von BRD und DDR unter der Prämisse einer Neutralisierung des Landes, der einzigen hypothetischen Option für eine Wiederherstellung des deutschen Nationalstaats, die ebenso von der UdSSR wie von den Sozialdemokraten in den 1950er Jahren wiederholt ins Gespräch gebracht wurde, lehnten sie ab, hätte sie doch aller Wahrscheinlichkeit nach eine faktische kommunistische Dominanz in Deutschland bedeutet.136 Robert Ingrim etwa plädierte für die Integration des westdeutschen Teilstaats in europäische und transatlantische Bündnisse, ohne dabei das – durchaus nationalistisch aufgeladene – Fernziel einer Wiedervereinigung aus den Augen zu verlieren. So schlägt er vor, „statt von der ‚Wiedervereinigung‘ von der ‚Befreiung der unerlösten Reichsteile‘ zu sprechen. Ich halte das nach wie vor für die richtigere Losung, weil das Wort ‚Wiedervereinigung‘ als Anerkennung zweier oder mehrerer Deutschland gewertet werden kann, während es meines Erachtens nur ein Deutschland gibt, das derzeit schwer verstümmelt ist. Wenn ein Festungskommandeur ein Außenwerk verliert, kann er nichts anderes tun, als das Hauptwerk zu stärken, um damit die Wiedergewinnung des Außenwerkes vorzubereiten. Leute, die das als Verrat am Außenwerk beklagen, schlagen sich selbst ins Gesicht, wenn sie beim Klang des Wortes aufschreien, als ob ihnen jemand auf die Zehen getreten wäre. Das prägnante Wort ‚Befreiung‘ ist um nichts kriegerischer als das schwammige Wort ‚Wiedervereinigung‘, sofern man sich diese nämlich in Freiheit vorstellt.“137 135  Vgl. Timmermann, Heiner: Nation, Nationalstaat und Integration. In: Timmermann, Heiner (Hrsg.): Nationalismus in Europa nach 1945 (= Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Bd. 96). Berlin: Duncker & Humblot, 2001. S. 361–371. Hier S. 362. 136  Vgl. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik. S. 271 ff. 137  Ingrim, Robert [= Klein, Franz Robert]: Die Außenpolitik Eisenhowers. In: Abendländische Aktion: Berichte und Informationen 2 (1953), Nr. 2. S. 1–4. Hier S. 1.



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Andere Konservative hingegen sahen die Adenauer’sche Politik kritisch, wähnten sie kontraproduktiv sowohl für die deutsche wie für die europäische Einigung. Gerade innerhalb der heterogenen Europaentwürfe der Nachkriegszeit wurden Mitteleuropa-Ideen wieder aufgegriffen, die bereits in der ­Zwischenkriegszeit eine gewisse Strahlkraft entwickelt hatten. Insbesondere föderalistische Ansätze in der Tradition Constantin Frantz’ oder Friedrich Naumanns schienen manchen geeignet, gesellschaftliche, staatliche und su­ pranationale Strukturen zu errichten, die auf der Basis der weitgehenden Autonomie der einzelnen Vergesellschaftungsebenen – des Subsidiaritätsprinzips – einer Überwindung der Gegenüberstellung von Individualismus und Kollektivismus fähig seien.138 Die Position Deutschlands sei dabei in der Mitte zwischen Ost und West zu suchen, politisch ebenso wie kulturell. Der rechtskonservative Publizist Erik von Kuehnelt-Leddihn etwa, der sich nota bene 1960 erfolglos um die Veröffentlichung eines Manuskripts bei der DVA bemühte,139 bedauerte, dass während des Zweiten Weltkriegs die Chance vertan worden sei, eine mitteleuropäische Föderation zu konstituieren, nicht ohne zu implizieren, dass eine solche nach wie vor geeignet sein könnte, die Herauslösung Europas aus der Blockkonfrontation zu bewirken.140 Auch in den nach 1945 noch virulenten Ansätzen des bürgerlichen Widerstands, wie sie während des Kriegs etwa von der Gruppe um Goerdeler oder dem Kreisauer Kreis formuliert wurden, sollte Deutschland, ganz im Sinne der Bismarck’schen Politik des 19. Jahrhunderts, als Brücke zwischen Ost und West fungieren und das Herzstück einer eigenständigen mitteleuropäischen Föderation bilden.141 Und selbst innerhalb der Union wurden Stimmen laut, die die Westintegration kritisierten. Jakob Kaiser, einer der Mitbegründer der CDU in der SBZ, verband das konservative Brückenkonzept mit linkskatholischen und christlich-sozialistischen Elementen zur Vorstellung einer europäischen Solidargemeinschaft, in der das geeinte Deutschland die Mittlerrolle einzunehmen hätte, während der Nauheimer Kreis um Joachim Noack eine neutralistisch-pazifistische Position vertrat.142 Der gemeinsame Fokus all dieser Überlegungen lag in der Perspektive einer Überwindung der dualistischen Logik des Kalten Kriegs beziehungsweise der einer Nichtintegration in die antagonistischen Blöcke. Ein geeintes, aber Großmann, Internationale der Konservativen. S. 50 ff. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 452 Interne Mitteilungen 1959–1961: Schreiben Eugen Kurz’ an E. Dieterle vom 1. März 1960. 140  Vgl. Kuehnelt-Leddihn, Erik von: Europa, Rom und Wittenberg. In: Neues Abendland 9 (1954), Nr. 8. S. 459–469. 141  Vgl. Brechtefeld, Jörg: Mitteleuropa and German Politics. 1848 to the Present. Basingstoke: Macmillan, 1996. S. 58 ff. 142  Vgl. Loth, Wilfried: Der Weg nach Europa. Geschichte der europäischen Integration, 1939–1957. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1990. S. 30 f. 138  Vgl. 139  Vgl.

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unabhängiges und möglicherweise neutrales Europa sollte dabei nicht nur den Frieden gewährleisten, sondern auch die Rolle Deutschlands stärken. Denn die Vorstellungen einer kulturell und womöglich auch ethnisch homogenen Gemeinschaft wurden von Konservativen nach 1945 nicht mehr zuvörderst auf der Ebene der Nation gesucht; und Bezugnahmen auf völkisches oder rassistisches Gedankengut waren nicht mehr denkbar – spätestens das SRP-Verbot hatte deutlich gemacht, dass deren Vertreter nicht nur de facto, sondern auch de jure einem Sprechverbot unterlagen. Der Bezug auf ein christlich verstandenes Abendland oder ein kulturell konstruiertes Mitteleuropa jedoch erlaubte es Konservativen weiterhin, einen Raum weitgehender kultureller Einheit zu imaginieren, in dem die Umsetzung eines ihren Werten verpflichteten Gesellschaftmodells möglich wäre. Gerade in Form transnationaler Entwürfe konnten Muster nationalistischen Denkens in veränderter Form antinationalistisch gewendet werden. So wurde in Teilen des Konservatismus ein deutscher Exzeptionalismus perpetuiert, der nach der Überwindung der Ideologie einer deutschen Sendung in Europa, die auf eine politisch-militärische Hegemonie zielte, die Mission des deutschen Volkes nun in der Führung der europäischen Völker bei der Überwindung aller nationalen Egoismen erblickte. In dieser Perspektive galten gerade die Deutschen aufgrund der Erfahrung des Nationalsozialismus und des radikalen Zivilisationsbruchs, den er darstellte, als prädestiniert, die kulturell-moralische Erneuerung des Kontinents voranzutreiben.143 Es war nicht zuletzt nationales Denken, das nach 1945 eine herausragende Rolle bei der Überwindung des Nationalismus gespielt hat. 2. Ost und West Mit derselben Eindringlichkeit wie die Frage nach der Nation stellte sich die nach der eigenen Position in der polaren Welt. Das galt mutatis mutandis nach dem Zweiten Weltkrieg für alle europäischen Staaten, für die deutschen aber in besonderem Maße: Sie waren mit der Konkurrenz der USA und der Sowjetunion unmittelbar konfrontiert, auf ihren Territorien waren die beiden Supermächte militärisch präsent und zudem konnten diese ihre Vorbehaltsrechte gegenüber der BRD und der DDR geltend machen. Vor diesem Hintergrund konnte die Auseinandersetzung mit den polaren Mächten und ihren Gesellschaftsmodellen keine rein außenpolitische bleiben; vielmehr gewann sie gerade in Westdeutschland eine wesentlich innen- und gesellschaftspolitische Dimension. 143  Vgl. Echternkamp, Nationalismus in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. S.  226 f.



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Insbesondere die Beschäftigung mit der Sowjetunion und dem Kommunismus im Allgemeinen war nach 1945 von größter Bedeutung für die Konstituierung der westdeutschen Gesellschaft. Antikommunistische Perspektiven waren dabei kein konservatives Reservat, sie entwickelten, wie bereits an­ gedeutet, die Funktion einer „konsensfähigen Integrationsideologie“,144 die zusammen mit dem Antifaschismus einen Wesenskern des Grundgesetzes bildete, das die BRD als einen im Sinne der Totalitarismustheorie, die eine prinzipielle Gleichartigkeit von Kommunismus und Nationalsozialismus annimmt, antitotalitären Staat etablierte.145 Für die Regierungszeit Adenauers stellte der Antikommunismus ein zentrales Charakteristikum dar und erfüllte eine doppelte Integrationsfunktion: Außenpolitisch demonstrierte er die Verlässlichkeit in der Konfrontation mit dem Ostblock und unterstützte damit die Bestrebungen einer raschen Einbindung in den Westen; innenpolitisch bot er auch jenen die Möglichkeit, sich in das bundesrepublikanische System zu integrieren, die zuvor antidemokratische Positionen vertreten hatten, aber dem breiten Spektrum des antikommunistischen Konsenses zuzurechnen waren, der nicht nur im Nationalsozialismus, sondern auch in der Weimarer Republik bestanden hatte.146 Dabei gelang es nicht nur, das „im Regierungslager vorhandene Konglomerat von neoliberalen, liberaldemokratischen, christlich-sozialen, katholisch-abendländischen und nationalkonservativen Ideologien“ einzubinden,147 sondern auch den größten, nämlich den nicht-kommunistischen, Teil der politischen Linken. Gerade die SPD positionierte sich in aller Deutlichkeit gegen den Kommunismus sowjetischer Prägung.148 Ihr Ostbüro bemühte sich um die Etablierung einer Gegenöffentlichkeit in der DDR und organisierte dort antikommunistische Propaganda; in dieser Funktion wurde es auch für politisch engagierte Verlage zum Ansprechpartner.149 144  Kleßmann, Christoph: Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 51991. S. 255. 145  Vgl. Wentker, Antikommunismus in der frühen Bonner Republik. S. 355. 146  Vgl. Schwartz, Michael: Antikommunismus und Vertriebenenverbände: Ein differenzierter Blick auf scheinbar Eindeutiges in der frühen Bundesrepublik Deutschland. In: Creuzberger/Hoffmann, Geistige Gefahr. S. 161–176. Hier S. 164. 147  Schildt, Konservatismus. S. 227. 148  Vgl. ebd. S. 228. 149  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Stephan Thomas vom Ostbüro der SPD vom 20. Februar 1958, in der dem Ostbüro eine größere Abnahme des Titels „Schein und Wirklichkeit in der DDR“ von Hermann Weber und Lothar Pertinax für seine politische Arbeit angeboten wird; zu Geschichte und Funktion der Ostbüros westdeutscher Parteien siehe bspw. Buschfort, Wolfgang: Parteien im Kalten Krieg. Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP (= Analysen und Dokumente, Bd. 19). Berlin: Ch. Links, 2000.

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In ihrer Begründung und weltanschaulichen Fundierung freilich unterschieden sich sozialdemokratischer und konservativer Antikommunismus wesentlich. Denn gerade für die politische Rechte war die Frontstellung gegen den „Bolschewismus“ nicht nur und nicht einmal in erster Linie außenoder deutschlandpolitisch motiviert. Ihr galt der Kommunismus als eine Spielart des Totalitarismus, der Nationalsozialismus als eine andere – und beide als ein Ergebnis der rationalistischen und kollektivistischen Entwicklung seit der Aufklärung (zu den prominenten Vertretern dieser Säkularisierungstheorie zählten auch DVA-Autoren wie Gerhard Ritter oder Helmut Thielicke):150 Diese Lesart ermöglichte zum einen die teilweise Rehabilitierung der NS-Vergangenheit der Deutschen, stand man doch zumindest in der Verteidigung Europas gegen den Kommunismus auch während des „Dritten Reiches“ auf der richtigen Seite. Entsprechend wurde in der Regel der bestimmende Antagonismus nicht als der zwischen Demokratie und Diktatur, sondern als der zwischen Kollektivismus und Freiheit benannt;151 Friedrich Georg Jünger erblickte im „technischen Zentralismus“ das einende Moment von Nationalsozialismus, Kommunismus – und „unmittelbarer Demokratie“.152 Zum anderen bedeutete diese geschichtsphilosophische Deutung aber auch, dass der Feind der „abendländischen Kultur“ nicht nur außen, sondern genauso im Innern zu suchen war, nämlich im Zweifelsfall überall dort, wo zu dynamische Modernisierung, Pluralisierung und Liberalisierung affirmiert und vorangetrieben wurden – etwa bei den Sozialdemokraten. Wer gar in den Verdacht geriet, mit dem Kommunismus zu sympathisieren, durfte nicht nur der Feindschaft der Konservativen, sondern der gesamtgesellschaftlichen Ächtung gewiss sein.153 Insbesondere katholisch geprägte Konservative spitzten die Säkularisierungstheorie dergestalt zu, dass ihnen der Kommunismus als die vollständige Verwirklichung des Materialismus, als ultimative Negation christlicher Werte galt. Er gewinne selbst einen quasireligiösen Charakter, für den die transzendent zunehmend heimatlosen europäischen Gesellschaften besonders anfällig seien: „Der Kommunismus ist eine Universalkirche ohne Christus, ohne ein Jenseits, ohne Übernatur; sein Glauben und Hoffen geht nur auf die Dinge dieser Welt. Im Grunde ist es […] ein Katholizismus, der das Übernatürliche preisgegeben und sich soweit erniedrigt hat, sich einzig auf diese Welt zu beschränken. Wie die Freiheit mit der Notwendigkeit ineinsfällt, so fällt auch die Revolution ineins mit der schlimmsten Reaktion. Wenn das übernatür­ liche Leben sich zersetzt und verschwindet, wenn die katholischen Völker Schildt, Konservatismus. S. 216, 228. Schildt, Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 27. 152  Morat, Friedrich Georg Jünger. S. 109. 153  Vgl. Schildt, Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 24. 150  Vgl. 151  Vgl.



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den Glauben verlieren und Christus aus ihrem gesellschaftlichen und politischen Leben verbannen, sind sie soziologisch reif für den Kommunismus; sie passen ihm wie seine eigenen Stiefel.“154 Solche Blicke auf den Kommunismus machten eine Einbindung der Bundesrepublik in den westlichen Block auch in den Augen der meisten Konservativen unumgänglich. Einige imaginierten zwar, wie dargestellt, ein neutrales Deutschland oder einen unabhängigen mitteleuropäischen Block, aber die Realität einer Bedrohung durch die übermächtige Sowjetunion, der die Bundesrepublik ohne den Schutz der USA und des westlichen Militärbündnisses nicht würde begegnen können, wurde doch von den wenigsten geleugnet. Marshallplan und NATO-Beitritt bildeten die Grundlagen einer engen ökonomischen, militärischen und politischen Verflechtung und Abhängigkeit zwischen den USA und Westdeutschland, die von säkularen kulturellen Einflüssen begleitet wurde. Unter den speziellen Bedingungen der Nachkriegssituation setzten sich hier Prozesse durch, die bereits während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts virulent waren, die nun aber deutlich an Dynamik gewannen: Amerikanisierung beziehungsweise Westernisierung.155 Die zunehmende Verflechtung und die nicht zu verleugnende Abhängigkeit von den USA führten aber, gerade auf der Rechten, nach 1945 nicht etwa zu einem Abbau tradierter antiamerikanischer respektive antiwestlicher Ressentiments, ganz im Gegenteil. Von Beginn an war der Aufstieg der USA zur militärischen, politischen, ökonomischen und kulturellen Weltmacht von ablehnenden Stimmen begleitet. Bereits Heinrich Heine warf den Amerikanern Heuchelei, Materialismus und Oberflächlichkeit vor – klassische Topoi des Antiamerikanismus.156 Mit der Entwicklung zur westlichen Hegemonialmacht nach 1918 beziehungsweise 1945 wuchsen derlei Vorbehalte noch, insbesondere in Deutschland, das den USA in zwei Weltkriegen unterlegen war. Nicht nur in konservativen Kreisen also, aber dort vor allem, dominierte ein Blick auf die USA, der von einer alteuropäischen Hybris kultureller Überlegenheit geprägt war. Bestenfalls wurden sie als eine Nation betrachtet, die aufgrund ihrer Jugend die europäische Kulturhöhe noch nicht erreicht 154  Bruckberger, Raymond L.: Die Christenheit und Europa. In: Neues Abendland 9 (1954), Nr. 4. S. 195–208. Hier S. 199; vgl. auch Brechenmacher, Thomas: Katholische Kirche und (Anti-)Kommunismus in der frühen Bundesrepublik. In: Creuzberger/Hoffmann, Geistige Gefahr. S. 177–197. 155  Vgl. dazu insbesondere Doering-Manteuffel, Anselm: Wie westlich sind die Deutschen? Amerikanisierung und Westernisierung im 20. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1999. 156  Vgl. Schwan, Gesine: Antikommunismus und Antiamerikanismus in Deutschland. Kontinuität und Wandel nach 1945. Baden-Baden: Nomos, 1999. S. 41 f.

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habe, schlechtestenfalls als eine wirklicher Kultur unfähige Gesellschaft der einseitigen technisch-kommerziellen Entwicklung; in jedem Fall aber betrachtete man sie als zwar zivilisatorisch überlegen, aber kulturell inferior. Während das Gros der Konservativen die Adenauer’sche Politik der militärischen Westintegration entsprechend der Hallstein-Doktrin unterstützte, pochten sie deshalb gleichzeitig auf eine kulturelle „Äquidistanz gegenüber dem seelenlosen bolschewistischen Kollektivismus Moskaus und dem ebenso seelenlosen Materialismus Detroits“.157 Gerade konservative Intellektuelle wie Hans Zehrer versuchten im publizistischen Raum, eine spezifische europäische beziehungsweise deutsche Kultur gegen die Verwestlichung zu verteidigen;158 Ernst Jünger formulierte seine Aversion gegen „technische[s] Analphabetentum mit Auto, Kino, Radio“159 und im Neuen Abendland explizierte ein als „HB“ firmierender Anonymus antikapitalistische Vorbehalte, die mit der Kritik an einer durch die politische Macht der USA sich verbreitenden minderwertigen Kultur – hier an „Features“ genannten comichaften Bildergeschichten festgemacht – als einem Agenten der Nivellierung verknüpft wurden: „Echt amerikanisch unterhalten sie sich in Versalien (Großbuchstaben). Schon beginnen die features im deutschen Blätterwald zu rauschen. Bald werden ‚comics‘ und ‚cartoons‘, ihre ungeistigen Verwandten, uns die Gehirne verkleistern. Business over all – Geschäft, Geschäft! Und es geht gut. Über 5.000 Zeitungen und Zeitschriften auf der ganzen Welt drucken diese Völkerverblödung ab. Für jede geistige Bereicherung sind wir aufrichtig dankbar. […] [B]escheidentlich gefragt, hat dieser kulturwidrige Unfug etwas mit Re-education zu schaffen?“160 Genauso wie in der Interpretation der Sowjetunion und des Kommunismus schwingen in diesen antiamerikanischen Ressentiments exkulpierende Momente mit: Indem die USA als eine politisch und kulturell imperialistische, kollektivistisch organisierte, gewissermaßen technische Gesellschaft gezeichnet werden, rückt man auch sie in die Nähe des Nationalsozialismus. Es ist durchaus bemerkenswert, dass dieses Muster von der politischen Linken, die infolge des Vietnamkriegs und der Studentenbewegung seit den 1960er Jahren den Konservatismus als prononciertesten Träger des Antiamerikanismus ablöste, weitergetragen wurde.161 157  Schildt,

Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 26. Laak, Trotz und Nachurteil. S. 73. 159  Zit. n. Schütz, Erhard/Hohendahl, Peter: Solitäre, Mittler und Netzwerker. Einleitende Vorbemerkungen. In: Schütz/Hohendahl, Solitäre und Netzwerker. S. 9–12. Hier. S. 11. 160  HB: Features. In: Neues Abendland 5 (1950), Nr. 6. S. 251. 161  Vgl. Krakau, Knud: Zwischen alten Stereotypen und neuen Realitäten: Westdeutsche Bilder der USA. In: Junker, Detlef et al. (Hrsg.): Die USA und Deutschland 158  Vgl.



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3. Masse und Materialismus Während hinsichtlich antikommunistischer und antiamerikanischer Topoi im westdeutschen Nachkriegsdiskurs insofern keine konservative Hegemonie konstatiert werden kann, als die Haltungen weiter Teile der Konservativen dem Mainstream entsprachen, kann eine solche hingegen auf dem Feld der Perpetuierung kulturkritischer, modernekritischer Theoreme durchaus erkannt werden: Konservative Deutungen stießen auf große Resonanz und weite Zustimmung in der westdeutschen Öffentlichkeit, provozierten aber auch Gegnerschaft, wurden kritisch bewertet und angegriffen. Die ersten Nachkriegsjahre waren geprägt von Entfremdungs- und Entwurzelungsängsten. Die zahllosen aus den verlorenen Ostgebieten oder auch der SBZ fliehenden Menschen verschärften die Wohnungsnot, die in den westlichen Regionen, vor allem in den Großstädten, infolge der Kriegszer­ störungen ohnehin herrschte. Die Konzentration in den „anonymen“ Städten und der Verlust einer zuvörderst ländlich verstandenen Heimat besorgten etwa den Philosophen und Pädagogen Otto Friedrich Bollnow genauso wie andere Kulturkritiker: In den urbanen Räumen erblickten sie einen Faktor der „Einebnung der Persönlichkeit“ und „Auflösung der geistig-seelischen Einheit der Person“;162 sie propagierten stattdessen eine Rückkehr auf das Land und die Rückbindung des Menschen an die eigene Scholle, eine Position, die besonders prominent im Heidegger’schen Antiurbanismus aufscheint.163 Besondere Attraktivität konnten solche Imaginationen sicherlich auch entfalten, weil nicht nur akuter Wohnraummangel herrschte, sondern auch eine noch bis in die späten 1940er Jahre andauernde Nahrungsmittelknappheit. Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, dass ein Großteil der Westdeutschen die Bedingungen der Nachkriegsjahre als geradezu katastrophal wahrnahm. Aus dem Rückblick des Jahres 1951 begriffen, wie erwähnt, 80 Prozent der Bevölkerung die Zeit zwischen der Kapitulation Nazideutschlands und der Durchführung der Währungsreform als jene, in der es den Deutschen im 20. Jahrhundert am schlechtesten gegangen sei. Axel Schildt erkennt vor diesem Hintergrund „um 1950 nicht nur das ‚normaleʻ, sondern ein spezifisch verschärftes und kumuliertes Krisenbewusstsein“ und infolgedessen eine „Dominanz der pessimistischen Fixierung auf den aus dem Gleichgewicht geworfenen ‚entfremdetenʻ Mensch der ‚Massengesellschaftʻ in der Zeitdiagnostik

im Zeitalter der Kalten Krieges 1945–1990. Ein Handbuch. Bd. 1: 1945–1968. Stuttgart/München: DVA, 2001. S. 920–931. 162  Bollnow, Neue Geborgenheit. S. 161, 168. 163  Vgl. Müller, Oliver: Heideggers Dorf. In: Zeitschrift für Ideengeschichte 9 (2015), Nr. 2. S. 12–18.

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um 1950“.164 Mit dem zunehmenden Wiederaufbau der Infrastruktur, der Verbesserung der Lebensmittelversorgung und allgemein der Konsolidierung der Nachkriegsgesellschaft jedoch entschärfte sich dieses Krisenbewusstsein, ohne dass sich an der Tatsache eines weitverbreiteten kulturkritischen beziehungsweise kulturpessimistischen Blicks auf die Bedingungen und Strukturen der westdeutschen Gesellschaft zunächst grundsätzlich etwas änderte. So erfuhr nach 1945 insbesondere der Massendiskurs eine neuerliche Konjunktur. Das Erlebnis der Massenmobilisierung im Nationalsozialismus prägte diesen ebenso wie der „bolschewistische Kollektivismus“, der im Ostblock wahrgenommen wurde. Nicht nur in diesen Totalitarismen jedoch erkannten kulturkritische Beobachter Agenten der Entpersönlichung des ­Individuums, sondern eben auch im liberalen, angelsächsisch-amerikanisch geprägten, mithin westlichen System. Überall dort sahen sie zivilisatorisch zwar starke, kulturell aber minderwertige Kräfte am Werk, die in Opposition zum alteuropäischen Geist stünden.165 Industrialisierung, Verstädterung, tech­nologische Dynamik und Demokratisierung konturierten nach konservativer Lesart eine Entwicklung, die im 18. Jahrhundert ihren Ausgang genommen hatte und im 20. Jahrhundert zur Blüte gelangte. Diese Entwicklung habe zum Eintritt der Vielen in alle gesellschaftlichen Bereiche geführt, auch in jene, die zuvor das Reservat einer kleinen Auslese gewesen waren – mit dem Ergebnis, dass es nicht mehr einer herausragenden und weitsichtigen Elite obliege, die Geschicke der Gesellschaft zu lenken, sondern mediokren und kurzsichtigen Massemenschen.166 Indem auch im bürgerlichen Vermassungsnarrativ der Nationalsozialismus letztlich auf Aufklärung und Französische Revolution und eben ein „Delirium der Massen“ zurückgeführt wurde,167 konnte nicht nur die eigene ambivalente Rolle in der Zwischenkriegszeit ausgeblendet werden, es gestattete gerade konservativen Intellektuellen, sich selbst als eine kulturelle Elite echter Persönlichkeiten dem uniformen Menschen entgegenzusetzen: „Die Suche nach elitären Ergänzungen und Korrektiven für die Massengesellschaft und die durch sie geprägte Parteiendemokratie fand allenthalben statt. Als kleinster gemeinsamer Nenner galt in der frühen Bundesrepublik, erörtert auf zahllosen Foren, die Notwendigkeit einer verantwortlichen abendländischen Elite, die den epochalen Nivellierungstendenzen Einhalt gebieten sollte.“168 164  Schildt,

Moderne Zeiten. S. 324, 332. Goschler, Radikalkonservative Intellektuelle. S. 27; Schildt, Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 24. 166  Vgl. Rioux, Jean-Pierre/Sirinelli, Jean-François: Le Temps des Masses. Le Vingtième Siècle (= Histoire Culturelle de la France, Bd. 4). Paris: Éditions de Seuil, 1998; Schildt, Konservatismus. S. 217 f. 167  Laak, Trotz und Nachurteil. S. 57. 168  Schildt, Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 28. 165  Vgl.



II. Sprechverbote und kulturelle Hegemonie121

Gerade in der Massen- und Elitendiskussion spiegelt sich die Persistenz älterer bildungsbürgerlicher Topoi im kulturkritischen Kontext wider.169 Denn in nahezu identischem Duktus wurde bereits in den Zwischenkriegsjahren das Problem der „Masse“ verhandelt (das letztlich aber bereits mindestens seit dem 19. Jahrhundert eine Konstante der gelehrten und öffentlichen Diskussion war).170 Prominent meldete sich etwa 1931 Karl Jaspers zu Wort, der Die geistige Situation der Zeit als von Vermassung und Technisierung geprägt wähnte, und damit Pate stand für die Diagnosen der 1950er Jahre:171 „Auch die gegliederte Masse wird immer wieder geistlos und unmenschlich. Sie ist Dasein ohne Existenz, Aberglaube ohne Glaube. Sie kann alles zertreten, hat die Tendenz, keine Selbständigkeit zu dulden und keine Größe, aber die Menschen zu züchten, so daß sie zu Ameisen werden.“172 Dass mit der Konjunktur dieser Deutungsmuster auch eine Konjunktur entsprechender Publizistik einherging, zeigt wiederum Ortega y Gassets Aufstand der Massen: Auch dieser Titel entstand im Kontext des Massendiskurses der 1920er und 1930er Jahre und war in seiner deutschen Übersetzung in den Vorkriegsjahren genauso ein Bestseller wie in den Nachkriegsjahren.173 Anders als in den 1930er Jahren schien die „Vermassung“ der Menschen nun aber – zumindest im Westen – nicht infolge totalitärer Ideologien und Politiken zu drohen, sondern als Ergebnis des liberal-kapitalistischen Materialismus, der etablierte Traditionen, Strukturen und Werte zu nivellieren beziehungsweise zu marginalisieren suchte. Insbesondere vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Aufschwungs seit der Mitte der 1950er Jahre und der mit ihm einhergehenden Wohlstands- und Freizeitgewinne artikulierten sich kulturkritische Vorbehalte gegen „Materialismus“ und „Konsumismus“. Dabei handelte es sich nicht um gänzlich neue Phänomene der Nachkriegszeit, wenngleich sie hier zu voller Blüte gelangten. Denn der stetigen Massenmobilisierung zum Trotz war es NS-Forschern wie Detlev Peukert oder Wolfgang Zollitsch zufolge gerade die nationalsozialistische Gesellschaft, die Individualisierung, Freizeit und Konsum Vorschub geleistet hätte – am augenfälligsten vielleicht durch das Programm Kraft durch Freude –,174 indem sie eine Tendenz zum Rückzug ins apolitische Private als Gegenwelt zur permanenten Politisierung und zur Vereinnahmung des Einzelnen im öffentSchildt, Auf neuem und doch scheinbar vertrautem Feld. S. 24. bspw. Krenzlin, Norbert (Hrsg.): Zwischen Angstmetapher und Terminus: Theorien der Massenkultur seit Nietzsche. Berlin: Akademie-Verlag, 1992. 171  Vgl. Schildt, Intellektuelle Positionen. S. 25. 172  Jaspers, Karl: Die geistige Situation der Zeit. Berlin/New York: Walter de Gruyter, 1999 [1931]. S. 37. 173  Vgl. Schildt, Intellektuelle Positionen. S. 25. 174  Vgl. Schanetzky, Tim: „Kanonen statt Butter“. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich. München: C. H. Beck, 2015. S. 101. 169  Vgl. 170  Vgl.

122

C. Konservatismus nach 1945

lichen Raum gefördert habe.175 Insofern stehen das „Wirtschaftswunder“ und seine sozialen Implikationen in einer Traditionslinie, die aus dem Nationalsozialismus herüberreichte, der selbst freilich an Weimarer Entwicklungen anknüpfte. Dieses „Wirtschaftswunder“ jedenfalls, das ja in nicht unerheblichem Maße dazu beitrug, dass große Teile der westdeutschen Bevölkerung dem Nachkriegselend entkommen konnten, führte in den Augen nicht weniger konservativer Beobachter zu einer neuen Art des Elends: Dem ökonomischen Pauperismus drohe ein geistiger Pauperismus nachzufolgen, da die Menschen dem Überangebot an Waren und dem Übermaß an Freizeit nicht gewachsen seien; die Entfaltung des Markts trage dazu bei, aus ihnen manipulierbare und entmündigte Massen zu machen, die an den gesellschaftlich-kulturellen Prozessen weder teilhaben könnten noch teilhaben wollten.176 Auch diese Perspektive fand selbstverständlich ihren Weg auf den Buchmarkt. David Riesmans 1958 bei Rowohlt erschienene Abhandlung zur Entmündigung des Menschen durch den Konsumismus Die einsame Masse avancierte in der Bundesrepublik zum Bestseller.177 Eng verbunden war die Kritik an Konsum und Freizeit notwendig mit der an der rasanten technologischen Entwicklung, war diese doch eine essen­ tielle Grundlage für jene. Die konservative Technologiekritik stand genauso wie die Massenkritik in der Tradition von Ideen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, die die Kultur- und Naturverluste angesichts der fortschreitenden Industrialisierung, die von ihr entfesselte „Verwüstungsorgie“, so Ludwig Klages, in den Fokus rückten;178 diese Sichtweise wurde nach 1945 oftmals beibehalten, ihre gesellschaftlich-politische Kontextualisierung aktualisiert. So rekurrierten viele konservative Technikkritiker der Nachkriegszeit wiederum auf den Ost-West-Konflikt: Einerseits wurde das destruktive Potential der „Technik“ in einem globalen Maßstab im Bild des nuklearen Showdowns zwischen den Supermächten besonders greifbar, andererseits dienten der Zentralismus und die forcierte Industriepolitik der Sowjetunion auch als abschreckendes Beispiel für die innergesellschaftlichen Entwicklungen.179 Die Konjunktur dieser Kritik stand mitunter in erheblichem Widerspruch zum politischen Zeitgeist. Denn gerade vor dem Hintergrund der Weimarer 175  Vgl. Bavaj, Ricardo: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus. Eine Bilanz der Forschung. München: Oldenbourg, 2003. S. 79 f. 176  Vgl. Schildt, Jahrzehnt des Wiederaufbaus. S. 28 f. 177  Vgl. ebd. S. 29. 178  Vgl. Sieferle, Rolf Peter: Fortschrittsfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart. München: C. H. Beck, 1984. S. 155 ff. 179  Vgl. Goschler, Radikalkonservative Intellektuelle. S. 28.



II. Sprechverbote und kulturelle Hegemonie123

Erfahrungen mit wirtschaftlichen Krisen und konfligierenden Arbeitnehmerund Arbeitgeberinteressen strebten die politischen Parteien danach, den Wiederaufbau Westdeutschlands durch eine staatlich gelenkte Technologie- und Industriepolitik zu befördern. Insbesondere die Sozialdemokraten machten sich diese Perspektive zu eigen.180 Doch auch die bürgerlich-konservativen Parteien standen einer zentralistischen Steuerung in der Technologie- und Wirtschaftspolitik nach 1945 durchaus wohlwollend gegenüber, wenngleich sie sich gegen planwirtschaftliche Züge verwahrten. So hielten die Düsseldorfer Leitsätze der CDU von 1949 fest: „Wissenschaft und Technik sind die Grundlage des Fortschritts. Technischer Fortschritt bewirkt Rationalisierung in Erzeugung und Vertrieb sowie schafft [sic] neue Produktionsmöglichkeiten. Beides vermehrt und verbilligt die Produktion und erhöht das Realeinkommen. So entsteht Nachfrage und zusätzlicher Konsum.“181 Bei vielen konservativen Intellektuellen freilich durften diese Vorboten des technokratischen Konservatismus nicht auf Verständnis hoffen. Der Publizist Otto B. Roegele etwa, der ab 1949 als Chefredakteur des Rheinischen Merkur fungierte, artikulierte in seiner Europavision unter dem Titel Konservativer Geist und europäische Einigungspolitik weitverbreitete Vorbehalte gegen deren Positionen: „Eine sehr entschiedene Gegnerschaft wird der konservative Europäer dort anmelden, wo sich die Ansätze eines jakobinischen Zentralismus, einer bürokratischen und technokratischen Verachtung historischer Strukturen und die Vorboten eines allzu heftigen planerischen Ehrgeizes zeigen. Der Konservative weiß, daß Europas Reichtum in seiner Vielfalt liegt; er wird widersetzlich, sobald diese Vielfalt angegriffen wird, wenn nivelliert und applaniert werden soll.“182

180  Vgl. bspw. Prinzipienerklärung der Sozialistischen Internationale, beschlossen auf dem 1. Kongreß der Sozialistischen Internationale in Frankfurt am Main 1951: Ziele und Aufgaben des Demokratischen Sozialismus, zit. n. Weber, Hermann: Das Prinzip Links. Beiträge zur Diskussion des demokratischen Sozialismus in Deutschland 1848–1990. Eine Dokumentation. Berlin: Ch. Links, 1991. S. 221: „Die Entwicklung der Wissenschaft und Technik hat der Menschheit die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu zerstören oder ihren Wohlstand steigend zu erhöhen. Daher kann die Produktion nicht dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte überlassen bleiben. Sie muß geplant werden. Diese Planung muß die fundamentalen Rechte der menschlichen Persönlichkeit sichern. Der Sozialismus erstrebt die Verbindung von Freiheit und Planung im nationalen wie im internationalen Maßstab.“ 181  Christlich-Demokratische Union Deutschlands: Düsseldorfer Leitsätze über Wirtschaftspolitik, Landwirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Wohnungsbau vom 15. Juli 1949. URL: www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=e96f38a1-b923-a79e-c5 a3-11569de3f64e&groupId=252038 [letzter Zugriff: 18.03.2019]. 182  ACSP, NL Jaeger, D: 102, Österr. CEDI, 1957–1964: Otto B. Roegele: Konservativer Geist und europäische Einigungspolitik. S. 20 f.

D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945 – eine Typologie Angesichts der Vielzahl von Anknüpfungspunkten für konservative Weltund Gesellschaftsdeutungen und vor dem Hintergrund der breiten Rezeption konservativer Theoreme und Ideologeme in der Nachkriegszeit ist es nicht verwunderlich, dass auch die westdeutsche Verlagslandschaft die vielfältigen Facetten eines wie oben skizziert weit verstandenen Konservatismus widerspiegelte. Weltanschaulich ausgerichtete Häuser versuchten mit ihren Titeln die öffentliche Debatte mitzuprägen, genauso wirkte umgekehrt die öffent­ liche Debatte auf die Programmgestaltung der Verlage zurück. Dabei fanden sich diese nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Situation wieder, in der sich zwar der politisch-administrative Rahmen grundlegend gewandelt hatte, nicht aber der politisch-weltanschauliche. Denn die sozialmoralischen und konfessionellen Milieus, die sich seit dem 19. Jahrhundert – unter aktiver Beteiligung des Buchhandels – herausgebildet hatten, veränderten sich in den ersten Nachkriegsjahren noch kaum.1 Wie für die Akteure und Themen des Konservatismus galt vor diesem Hintergrund auch für den Buchhandel, dass die Kontinuitäten nach 1945 in der Regel stärker waren als die Brüche, schließlich griffen die Verlage notwendigerweise auf bestehende Autorenbeziehungen und vorhandene Verwertungsrechte zurück, mit denen sie bereits in den Jahren und Jahrzehnten, mitunter Jahrhunderten, vor dem Zweiten Weltkrieg ein oftmals charakteristisches Profil ausgebildet hatten: „Nach 1945 schlossen viele Verlage wieder an die Tendenz an, die sie, wenn sie national waren, 1933 hatten verstärken dürfen oder, wenn sie republikanisch waren, hatten verdecken müssen.“2 Die in Kapitel B. dargestellte Persistenz verlegerischer Strukturen über das „Dritte Reich“ hinaus ist für die der politischen Rechten nahestehenden Akteure besonders augenfällig – ein scheinbares Paradoxon angesichts der gesellschaftlichen und behördlichen Bemühungen, nach 1945 potentiell undemokratische Ideenbestände zu marginalisieren. Doch waren auch im Verlagswesen jene Mechanismen zu beobachten, mit denen der Konservatismus insgesamt versuchte, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren, ohne dabei seine ideengeschichtlichen Traditionen aufgeben zu müssen. 1  Vgl.

2  Ebd.

Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 65 f. S. 66.



D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945125

Der Verlag E. S. Mittler & Sohn mag dafür als Beispiel dienen. Der Verlag geht auf das Jahr 1789 zurück und ist damit nicht nur eines der ältesten Häuser in Deutschland, es war insbesondere im späten 19. Jahrhundert auch eines der größten. Mittler profitierte mit seinem wehrwissenschaftlichen und militärhistorischen Schwerpunkt nicht nur von der Militarisierung der Weimarer Republik – wesentlich durch nominell von der Reichswehr unabhängige Verbände wie den Stahlhelm –,3 sondern insbesondere auch von der umfassenden Kriegsorientierung sämtlicher Gesellschaftsbereiche im Nationalsozialismus.4 Nur folgerichtig wird Konrad Toeche-Mittler, der dem Verlag während des „Dritten Reiches“ vorstand, in der offiziösen, anlässlich des 200. Jubiläums publizierten Verlagsgeschichte, die die Jahre zwischen 1933 und 1945 eher verdunkelt denn erhellt, als „tragische Figur“ gezeichnet, denn: „Als dann in den dreißiger Jahren eine neue Blüte des Verlages eintrat – die politischen Verhältnisse hatten sich grundlegend geändert – mußte er erleben, wie auch dieses ‚Dritte Reich‘ unterging.“5 Am grundlegenden Profil des Mittler-Verlags indes änderte sich auch nach 1945 nichts, die Deutung des eigenen Schaffens freilich zielte darauf, eine nicht-nationalsozialistische Kontinuität zu konstruieren: „In den mannigfachen Auseinandersetzungen, die wir vor der erneuten Zulassung unseres Verlages in den Jahren nach dem Kriege zu bestehen hatten, haben wir nicht aufgehört darauf hinzuweisen, dass Soldatentum und soldatisches Denken, denen die Arbeit unseres Verlages gegolten hat und die sich u. a. auch in dem bei uns erschienenen Gesamtwerk Moltkes verkörpern, nicht zu verwechseln sind mit Militarismus.“6 Nicht nur bei Mittler, auch bei vielen anderen konservativen Verlagen paarten sich die ideellen Kontinuitäten mit den institutionellen, insbesondere bei jenen Verlagen, die als konservative Kulturverlage in der Weimarer Republik reüssiert hatten, oder bei den eine allgemeine Leserschaft adressierenden Publikumsverlagen mit konservativen Programmanteilen. Am rechten Rand freilich waren diesen Kontinuitäten häufig, wenngleich nicht immer, getrennt: „Dezidierte NS-Verlage wie der Eher Verlag blieben verboten. Doch ein Verlag wie Langen-Müller, der sich ganz der ‚geistigen Wehrmacht‘ 3  Vgl. Frevert, Ute: Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland. München: C. H. Beck, 2001. S. 309. 4  Vgl. Hildebrand, Klaus: Geschichte des Dritten Reiches. München: Oldenbourg, 2012. S. 66 ff. 5  Schulz, Gerd: S. Toeche-Mittler Verlagsbuchhandlung GmbH, vormals E. S. Mittler & Sohn, Berlin. 200 Jahre eines deutschen Verlages. Darmstadt: Toeche-Mittler, 1989. S. 83. 6  Bundesarchiv Koblenz (künftig: BAK), N 1166/363, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 7: Schreiben des Verlags Mittler & Sohn an Gerhard Ritter vom 23. Januar 1950.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

und dem ‚deutschen Lebenswillen‘ verschrieben hatte (Katalog 1936), durfte 1952 wieder publizieren.“7 Neue Arten konservativer Verlage hingegen entstanden aus der spezifischen Situation der Nachkriegszeit, etwa solche, die sich der Vertriebenenfrage widmeten oder einem gewissermaßen aktualisierten Antikommunismus, der seine Relevanz nun zuvörderst aus der deutschen Teilung gewann. Im Folgenden wird in heuristischer Absicht eine Typologie konservativer Verlage im Westdeutschland der Nachkriegszeit vorgeschlagen, die auf den oben dargestellten Themen und Wesenszügen der epochenspezifischen Inkarnation des Konservatismus basiert. Bei der Betrachtung der – letztlich beinahe unüberschaubaren – Verlagslandschaft der ersten anderthalb Nachkriegsjahrzehnte haben sich fünf Kategorien herauskristallisiert: revisionistische beziehungsweise rechtsradikale Verlage, Verlage mit auf die Vertriebe­ nenthematik oder antikommunistische Titel fokussierenden Programmen, konservative Kulturverlage, konfessionelle Verlage sowie konservative Publikumsverlage. Diese Kategorien mögen insofern nicht gänzlich erschöpfend sein, als sich einzelne Häuser mit sehr spezifischem Profil einer immer auch pauschalisierenden Zuordnung entziehen, und sie sind freilich nicht vollständig trennscharf zu konturieren; so verhandelten beispielsweise Verlage mit revisionistischer Programmgestaltung selbstverständlich Aspekte des Vertriebenenproblems und Publikumsverlage mit konservativen Programmanteilen veröffentlichten Titel mit antikommunistischer Zielrichtung – es stellt sich also im ersten Fall die Frage, ob der entsprechende Verlag als revisionistischer oder als Vertriebenenverlag, im zweiten Fall, ob er als konservativer Publikumsverlag oder als antikommunistischer Verlag betrachtet werden sollte. Die hier vorgenommene Zuordnung zu einer der Kategorien erfolgte anhand des dominierenden beziehungsweise übergeordneten und im obigen Sinne konservativen Deutungsmusters. Das heißt zum einen etwa, dass ein Verlag, der sich der Vertriebenenfrage widmet, dies aber im Kontext eines Programmes tut, das allgemein revisionistische Tendenzen aufweist, etwa hinsichtlich rassistischer Ideologeme oder des Umgangs mit NS-Funktionären, als revisionistischer Verlag zu fassen wäre, wohingegen ein Verlag, der sich ganz überwiegend der Vertriebenenfrage widmet, als Vertriebenenverlag charakterisiert wird; das heißt zum anderen auch, dass ein Publikumsverlag, der keine relevanten allgemein-konservativen Programminhalte aufweist, aber über mehrere Programme hinweg antikommunistische Titel publiziert, nicht als konservativer Publikumsverlag, sondern als antikommunistischer Verlag in den Blick genommen wird, wohingegen ein Publikumsverlag, dessen Pro7  Blaschke,

Verleger machen Geschichte. S. 76.



D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945127

gramme Raum für eine Vielzahl konservativer Autoren und Topoi bieten, als konservativer Publikumsverlag betrachtet wird. Diesen Einschränkungen zum Trotz lässt sich der überwiegende Großteil jener Verlage, die in der Nachkriegszeit auch oder hauptsächlich als Mittler der Topoi und Akteure des Konservatismus fungierten, einer dieser fünf Kategorien zuordnen. Seit Helmut Hiller und Wolfgang Strauß 1961 beklagten, es erweise sich „als kaum möglich, ein auch nur halbwegs brauchbares, allgemeingültiges Kriterium“ für die Klassifizierung von Verlagen zu finden, sind durchaus Anstrengungen in diese Richtung unternommen worden.8 Inwieweit „allgemeingültige Kriterien“ angesichts der Vielzahl potentieller Parameter bei der Betrachtung von Verlagen, ihren Charakteristika und Relationen tatsächlich zu konstruieren sind, sei dahingestellt. Olaf Blaschke jedenfalls hat den Versuch gewagt, eine Kategorisierung von Verlagen anhand ihres weltanschau­ lichen Profils vorzunehmen. Die hier entwickelten Kategorien liegen dabei quer zu seiner – auf Geschichtsverlage bezogenen, aber auch darüber hinaus anwendbaren – entwickelten Typologie. Blaschke sucht der „Banalität“ der üblichen vertikalen Klassifizierung nach „Quantität, Qualität und Reputation“9 zu begegnen und macht anhand der Analyse von „horizontalen Homologien aufgrund von Gesinnungsaffinitäten“ drei Kategorien von Verlagen aus:10 Als „Gesinnungsverlage“ gelten ihm solche, die parteilich gebunden oder streng weltanschaulich ausgerichtet sind, etwa der Dietz-Verlag;11 als „Tendenzverlage“ „werden Verlage verstanden, die auch ohne programmatische Proklamation als Sympathisanten einer politischen, konfessionellen oder ideologischen Richtung, auch wissenschaftlichen Lagerüberzeugung, operieren und deren Publikationen dauerhaft oder zu einem gegebenen Zeitraum in großen Teilen eine parteiische Linie bevorzugen, aber auch dieser widersprechende Titel entgegensetzen können“,12 beispielsweise die rechten Häuser Musterschmidt oder Stalling. Die dritte Kategorie schließlich bilden „tendenzfreie Verlage“, die gänzlich ohne politisch-gesellschaftliche Wirkungsabsicht, allein unter kommerziellen Gesichtspunkten agieren, etwa Heyne und dtv.13

8  Hiller, Helmut/Strauß, Wolfgang (Hrsg.): Der deutsche Buchhandel. Wesen, Gestalt, Aufgabe. Gütersloh: C. Bertelsmann, 1961. S. 78 f. 9  Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 230. 10  Ebd. S. 252. 11  Vgl. ebd. S. 283. 12  Ebd. S. 306. 13  Vgl. ebd. S. 283, 342. Dass dtv keineswegs als gänzlich „tendenzfrei“ betrachtet werden kann, wird in Kapitel E. II. 3. deutlich werden.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Wie schwierig und mitunter unbefriedigend die Anwendung dieser Kategorien jedoch ist, weil sie zwar einen möglichen ideologischen Hintergrund und eine etwaige weltanschauliche Intention in den Blick nehmen, nicht aber die Programmgestaltung als solche, wird bei Blaschke selbst deutlich, wenn er darauf verweist, dass sich in einem „weiteren Sinne […] Gesinnungsaffinitäten bei den Verlagen S. Fischer und Suhrkamp identifizieren [lassen] oder, auf der anderen Seite, bei Diederichs, Bruckmann, Stalling und Mus­ terschmidt“.14 Der Musterschmidt-Verlag etwa wird „als zuverlässige Anlaufstelle für Manuskripte ehemaliger nationalsozialistischer und bekennender nationalkonservativer Historiker“ dennoch als Tendenz- und nicht als Gesinnungsverlag gefasst, weil ihm eine „proklamierte Linie“ fehle und es ihm „eher um die Ausnutzung von Geschäftschancen“ denn um ideelle Ziele gegangen sei;15 für Unternehmen der Buchbranche, deren Produkte eben den spezifischen Doppelcharakter als geistiges wie kommerzielles Objekt aufweisen, freilich eine in der Regel bloß fiktive Trennung. Die Vielzahl unterschiedlicher, mitunter schillernder Facetten der inhaltlich-programmatischen Ausrichtung der Verlage wird so nicht greifbar. Der Vorteil der hier vorgeschlagenen Kategorisierung hingegen liegt darin, dass sie ebendiese Heterogenität und mithin das Korrespondieren der Verlage und ihrer Programme mit der spezifischen gesellschaftlich-politischen Situation des Untersuchungszeitraums sichtbar und analysierbar macht. Die hier vorgenommene Betrachtung bleibt auf Publikumsverlage im weiteren Sinne beschränkt, das heißt auf solche Häuser, die sich (auch) an eine allgemeine Öffentlichkeit wandten und darauf zielten, dass ihre Titel und Programme grundsätzlich eine möglichst breite Rezeption erfuhren. Reine Fachverlage, die für ein eng abgegrenztes Feld, eine spezielle Disziplin publizierten, bleiben hier außen vor; zwar weisen auch diese mitunter eine weltanschauliche Dimension auf, ihre Wirkung bleibt aber in der Regel auf den innerdisziplinären Diskurs beschränkt. Das bedeutet zwar wiederum nicht, dass aus dieser Disziplin heraus nicht mitunter auf den allgemeinen Diskurs gewirkt worden wäre, gleichwohl ist die Bedeutung von Fachverlagen etwa mit Blick auf die allgemeingesellschaftlichen Orientierungsdiskurse der Nachkriegszeit relativ gering. Nicht von ungefähr entschied sich etwa ein Autor wie Gerhard Ritter, jene Werke, mit denen er auf eine Wirkung über die eigene Disziplin hinaus zielte, nicht bei seinem Stammverlag Oldenbourg zu publizieren, sondern bei Publikumsverlagen.16

14  Ebd.

S. 285. S.  307 f. 16  Vgl. Cornelißen, Ein wissenschaftlicher „Erfolgsautor“. 15  Ebd.



I. Revisionistische Verlage129

Die im Folgenden grob skizzierten Beispiele für Verlage, die der jeweiligen Kategorie zugeordnet werden können, sollen weniger Idealtypen darstellen, geschweige denn die Gesamtheit konservativer westdeutscher Verlage abbilden, als vielmehr Schlaglichter auf das Panorama der konservativen Verlagslandschaft der Nachkriegszeit werfen. Um diese Vielfalt greifbar zu machen, aber auch um den Nutzen des Zugriffs für die Analyse der gesellschaftlich-politischen Dimension verlegerischen Handelns zu verdeutlichen, werden große genauso wie kleine Verlage dargestellt, Akteure, die bereits Gegenstand einer breiten Forschung waren, ebenso wie solche, die noch kaum untersucht wurden, Häuser, für die die Quellenlage ergiebig ist, ebenso wie solche, die kaum konturiert zu zeichnen sind. Die Auswahl ist in diesem Sinne gezielt eklektizistisch.

I. Revisionistische Verlage Im „Dritten Reich“ nahm der Franz-Eher-Verlag als Parteiverlag der ­ SDAP eine privilegierte und dominierende Stellung im deutschen BuchN und Pressewesen ein. Bereits in den Weimarer Jahren war er der Hausverlag der Ideologen des Nationalsozialismus und des völkischen Antisemitismus gewesen. Nach der „Machtergreifung“ wurde er zielgerichtet zu einem der weltweit größten Medienkonzerne ausgebaut: Durch die Übernahme beinahe aller relevanten Periodika des Deutschen Reiches, aber auch durch die Einverleibung zahlreicher Buchverlage wurde die politisch-weltanschauliche Publizistik im Eher-Verlag monopolisiert.17 Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom Oktober 1945 wurde die Franz Eher Nachfolger GmbH als NS-Organisation verboten.18 Der herausragende Verlag der extremen Rechten war nach 1945 also nicht mehr existent. Andere Verlage des rechten Randes konnten unter den Bedingungen der Besatzung nicht auf eine Lizenzierung hoffen. Obgleich es mit Häusern wie Langen-Müller, E. S. Mittler oder J. F. Lehmann Beispiele für institutionelle Kontinuitäten über 1933 und 1945 hinaus gibt, konnten sich viele der hier als revisionistisch gefassten Verlage nach 1945 auf keine unmittelbaren Vorläuferorganisationen stützen. Nach dem Ende des Lizenzzwangs gründeten sich gleichwohl zahlreiche Verlage, die in einer ideellen Traditionslinie zum Nationalsozialismus standen. Sie erstrebten eine Revision des durch Besatzung, Entnazifizierung, Reeducation und Reorientation sowie die Konstituierung der Bundesrepublik als pluralistische parlamentarische Demokratie geschaffenen Status quo und wehrten sich gegen die Marginali17  Vgl. Tavernaro, Thomas: Der Verlag Hitlers und der NSDAP: Die Franz-EherNachfolger-GmbH. Wien: Edition Praesens, 2004. Hier v. a. S. 46 ff. 18  Vgl. Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 76.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

sierung nationalistischer, völkischer, rassistischer und autoritärer Ideenbestände. Es handelt sich mithin um rechtsradikale beziehungsweise rechtsextreme Verlage, die vielleicht nicht vordergründig darauf zielten, den Nationalsozialismus zu rehabilitieren, aber doch Teile der NS-Ideologie, der NS-Organisationen sowie ihrer Akteure. In einer Betrachtung der konservativen Verlagslandschaft nach 1945 haben sie dennoch einen Platz, weil sich in ihren Programmen nicht nur Elemente spiegeln, die den Konservatismus der Zwischenkriegsjahre prägten, sondern weil sie auch jene Themen verhandelten, die für den Nachkriegskonservatismus von herausragender Bedeutung waren. Die Beispiele der Verlage, die sich dieser Themen aus einer weltanschaulichen, hier eben revisionistischen Perspektive annahmen, sind zahlreich. Das Bundesinnenministerium zählte für das Jahr 1959 25, für das Jahr 1962 bereits 32 rechtsradikale Verlage, die Bücher und Periodika verlegten. Sie beschäftigten zusammen jeweils rund 200 Mitarbeiter.19 Neben den im Folgenden vorgestellten wäre als ein Beispiel solcher Verlage etwa der von Herbert Grabert 1953 gegründete Verlag der deutschen Hochschullehrer-Zeitung zu nennen, der die Sache der wegen NS-Verstrickungen entlassenen Hochschullehrer vertrat, darüber hinaus aber auch den Nationalsozialismus affirmierende und geschichtsrevisionistische Titel verlegte.20 Solche Titel fanden sich auch im Programm des Türmer-Verlags, der 1949 vom ehemaligen NS-Dichter Herbert Böhme gegründet wurde. Böhme war eine der zentralen Figuren des rechtsextremen Kulturlebens der Bundesrepublik. Er rief das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes ins Leben und ebenso die Gesellschaft für freie Publizistik – an deren Gründung neben anderen Holle Grimm, Tochter Hans Grimms und Verlegerin des Klosterhaus-Verlags, beteiligt war.21 Auch der oben bereits erwähnte MusterschmidtVerlag könnte unter die Kategorie revisionistischer Verlage subsumiert werden.

19  Vgl. IfZ-Archiv, Bundesministerium des Innern, MS 548: Erfahrungen aus der Beobachtung und Abwehr rechtsradikaler und antisemitischer Tendenzen im Jahre 1962. 20  Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Der organisierte Rechtsextremismus in Deutschland nach 1945. Zur Entwicklung auf den Handlungsfeldern „Aktion“ – „Gewalt“ – „Kultur“ – „Politik“. In: Schubarth, Wilfried/Stöss, Richard (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Opladen: Leske & Budrich, 2001. S. 71–100. Hier S. 75 f. 21  Vgl. Schaper, André: Herbert Böhme – der Dichter der „preußischen Ostmark“. In: Düsterberg, Rolf (Hrsg.): Dichter für das „Dritte Reich“, Bd. 4: Biografische Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie. Bielefeld: Aisthesis, 2018. S. 83– 114. Hier S. 108 f.



I. Revisionistische Verlage131

Die Bücher, die diese Verlage veröffentlichten, arbeiteten sich etwa an der vermeintlichen Illegitimität der Besatzungsherrschaft, insbesondere der Entnazifizierung und der Verfolgung der deutschen Kriegsverbrecher, ab oder boten jenen ein Forum, die im Zuge der Entnazifizierung ihre Stellung in der Politik, der Verwaltung oder an den Hochschulen verloren hatten, bis hin zu herausragenden Figuren der NS-Führungsriege. Manche dieser Titel bedienten mit der systematischen Trennung zwischen der „Idee“ des Nationalsozialismus beziehungsweise ihren aufrichtigen Vertretern und einer „verbrecherischen Clique“, die diese Idee pervertiert und die Deutschen in die Katastrophe geführt hätte, ein Narrativ, das in der deutschen Nachkriegsgesellschaft weit verbreitet war, ermöglichte es doch die Relativierung eigener Schuld;22 ein anschauliches Beispiel dafür bietet die Publikation der Rosenberg-Tagebücher im Plesse-Verlag, die unten dargestellt wird. Die Konversion vom Täter zum Opfer ermöglichte auch eine entsprechend einseitige Behandlung der Vertreibung der Deutschen und des Verlusts der Ostgebiete, die ebenfalls Gegenstand vieler Betrachtungen war. Eine weitere Vielzahl von Werken glorifizierte das Soldatische und zielte auf eine Rehabilitation von Wehrmacht und sogar Waffen-SS als vermeintlich unbelastete militärische Organisationen ab, die an den Verbrechen der Nazis nicht beteiligt gewesen seien. Und selbst rassistische Ideologeme wurden perpetuiert – wenngleich in neuer Form, wie dies etwa im traditionsreichen LehmannsVerlag der Fall war, der in seinem vorwiegend medizinisch ausgerichteten Programm rassische und rassistische Theoreme aktualisierte;23 aber auch mit seinen „Beiträgen zum kulturellen und politischen Leben konnte der Verlag bald wieder mit den Werken Kurt Ziesels oder mit Eichlers ‚Könner, Künstler, Scharlatane‘ eine volksbewußte, nationale, ordentliche Gesinnung verbreiten und gegen Verwahrlosung, Unordnung usw. zu Felde ziehen“ – so die jeder kritischen Betrachtung abholde Überblickspublikation Verlage in Bayern aus dem Jahre 1974.24 1. Klosterhaus-Verlag Den Anspruch, mit ihrem Programm einer „nationalen, ordentlichen Gesinnung“ zu dienen, hegte zweifellos auch die Verlegerin des KlosterhausVerlags Holle Grimm. Als Tochter Hans Grimms diente ihr der Verlag in erster Linie dazu, das Werk des Vaters fortzusetzen.

Laak, Trotz und Nachurteil. S. 57 f. Stöckel, Neubeginn durch Otto Spatz. 24  Flemmer, Walter: Verlage in Bayern. Geschichte und Geschichten. Pullach bei München: Verlag Dokumentation, 1974. S. 289 f. 22  Vgl. 23  Vgl.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Hans Grimm hatte, nachdem er bereits in journalistischen Formen aus Deutsch-Südwestafrika berichtet hatte, seine literarische Karriere 1913 mit dem Erstling Südafrikanische Novellen begonnen. Sein Schreiben war in erster Linie ein affirmatives Schreiben über den Kolonialismus, sein Blick auf die kolonisierten Völker zutiefst rassistisch.25 Schon in seinen frühen Arbeiten beschäftigte sich Grimm mit Aspekten einer „Lebensraumpolitik“, die bei ihm zwar vor allem auf die Besiedlung überseeischer Gebiete zielte, mit seinem 1926 veröffentlichten Roman Volk ohne Raum wurde er gleichwohl zum Stichwortgeber der Nationalsozialisten und ihres eliminatorischen Expansionismus im europäischen Osten.26 Grimm ist zwar nie in die NSDAP eingetreten, war aber nach eigenem Bekunden „schon früh zu einem Anhänger der Nationalsozialisten gewor­ den“27 und setzte sich publizistisch immer wieder für Hitler und seine Partei ein. Im „Dritten Reich“ wurde er dafür mit herausgehobenen Positionen in den Institutionen des nationalsozialistischen Kulturbetriebs, etwa in der Deutschen Akademie für Dichtung und der Reichsschrifttumskammer, be­ lohnt;28 nicht umsonst gilt er als herausragender Vertreter des Typus des „NS-Dichters“. Dem Nationalsozialismus schwor Grimm auch nach 1945 nicht ab. Vielmehr stellte er sich auf den Standpunkt, die nationalsozialistische „Idee“ sei legitim und notwendig, lediglich ihre Umsetzung im „Dritten Reich“ sei in illegitimer Weise erfolgt.29 Seiner Reputation und Rezeption nach Ende des Zweiten Weltkriegs tat dies keinen Abbruch: Reinhard Mohn bemühte sich, den Autor, der in den Kriegsjahren bei Bertelsmann publiziert hatte, auch in der Nachkriegszeit für das Haus zu gewinnen,30 Reclam spielte mit dem Gedanken, eines der Grimm’schen Werke in die UniversalBibliothek aufzunehmen, und in Nordrhein-Westfalen standen sie auf dem Lehrplan der höheren Schulen.31 Die hohen Auflagenzahlen von Grimms Büchern auch nach 1945 illustrieren, so der Befund Dirk van Laaks, „welch irritierender Bedarf nach Rechtfertigung bestand“.32 25  Vordermayer, Thomas: Bildungsbürgertum und völkische Ideologie. Konstitu­ tionen und gesellschaftliche Tiefenwirkung eines Netzwerks völkischer Autoren (1919–1959) (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 109). Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2016. S. 33 ff. 26  Vgl. ebd. S. 50. 27  Ebd. S. 266. 28  Vgl. ebd. S. 325. 29  Insbesondere in der „Erzbischofschrift“ vertrat er diese Position; siehe auch Kapitel D. I. 2. 30  Vgl. Friedländer et al., Bertelsmann im Dritten Reich. S. 522, 526. 31  Vgl. DLA, A: Grimm, Hans: Schreiben Heinrich Naumanns an Holle Grimm vom 29. Dezember 1959. 32  Laak, Trotz und Nachurteil. S. 75.



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Das schriftstellerische Werk Grimms nach 1945 zielte denn auch darauf, die nationalistische Rechte und ihre Agenda zu legitimieren und ihr in der jungen Bunderepublik Gehör zu verschaffen. Ein Vehikel dafür war der Klosterhaus-Verlag, den Grimm 1951 an seinem Wohnsitz in Lippoldsberg zusammen mit seiner Tochter ins Leben rief, die die Geschäfte in den folgenden Jahren führte. Holle Grimm selbst war eine mindestens ebenso eifrige Netzwerkerin im rechtsradikalen und rechtsextremen Milieu wie ihr Vater, in ihren Bemühungen verbanden sich Publizistik und Politik aufs Engste. So gehörte sie 1960 zum Initiatorenkreis der Gesellschaft für freie Publizistik,33 einer Kultur­ organisation ehemaliger NSDAP-Angehöriger und nationalsozialistischer Schriftsteller, darunter Kurt Ziesel34 und Herbert Böhme, der bereits 1950 das erwähnte Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes als nationalistische Gegengründung zur Gruppe 47 ins Leben gerufen hatte und dem wiederum Hans Grimm angehörte, aber auch Autoren wie Will Vesper oder Wilhelm Pleyer, der unter anderem in Herbert Fleissners Bogen-Verlag veröffentlichte.35 Auch parteipolitisch engagierte sich Holle Grimm. So gehörte sie, wie ihr Vater, der Deutschen Reichspartei an, für die sie etwa an der Organisation von Frauentagungen beteiligt war.36 Wie der Parteivorsitzende Adolf von Thadden, mit dem sie in losem Kontakt stand, wechselte auch Holle Grimm nach Auflösung der DRP zur NPD, für die sie 1965 für den Bundestag kandidierte.37 Die Arbeit in der DRP war dabei keine rein parteipolitische, sondern immer auch eine verlags- und kulturpolitische. Denn durch sie trat sie mit anderen Kulturschaffenden der extremen Rechten in Verbindung, etwa mit dem Plesse-Verleger Karl Waldemar Schütz,38 der Grimm auch für die 1959 konstituierte Arbeitstagung nationaler Verleger gewinnen wollte (neben Schütz nahmen an dieser die Verleger des Hamburger Holsten-Verlags, des Wiesbadener Priester-Verlags, des Münchner Schild-Verlags, des ebenfalls in München beheimateten Welsermühl-Verlags sowie des Stutt­ 33  Vgl. Mecklenburg, Jens (Hrsg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus. Berlin: Elefanten Press, 1996. S. 464. 34  Siehe zu Ziesel auch Kapitel E. III. 1. 35  Vgl. Klünemann, Daniel: Das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG). In: Düsterberg, Dichter für das „Dritte Reich“, Bd. 3. S. 277–306. 36  DLA, A: Grimm, Hans/Deutsche Reichs-Partei: Schreiben Holle Grimms ans Hildegard von Rhedden vom 24. April 1961. 37  Vgl. Bott, Hermann: Die Volksfeind-Ideologie. Zur Kritik rechtsradikaler Propaganda (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 18). Stuttgart: DVA, 1969; Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus. S. 464 f. 38  DLA, A: Grimm, Hans/Deutsche Reichs-Partei: Schreiben Klaus Waldemar Schütz’ an Holle Grimm vom 30. April 1958.

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garter Silberburg-Verlags teil).39 Darüber hinaus stand Holle Grimm mit einer ganzen Reihe von Größen des NS-Regimes oder deren Gattinnen in regelmäßigem Austausch, darunter das Ehepaar von Ribbentrop, Ilse Heß und Gertrud Hugenberg.40 Im Zentrum ihres Bemühens standen aber stets der Klosterhaus-Verlag und sein Ziel, das Werk Hans Grimms fortzusetzen, zu erweitern und mit ihm der Revision der deutschen Nachkriegsordnung zuzuarbeiten. So erschienen 1951 als erste Veröffentlichungen des Verlags zwei Titel Hans Grimms, eine Neuauflage des in den 1920er Jahren erstmals erschienenen Der Richter in der Karu41 und die zuvor unveröffentlichten Geschichten aus Südwest­ afrika42. In der Folge veröffentlichte der Klosterhaus-Verlag zahlreiche weitere Werke Hans Grimms, Neuauflagen und Originalausgaben, Erzählendes43 wie Biographisches,44 Gedichtsammlungen45 wie Essayistisches46 und Politisches. So legte er 1954 die Rechtfertigungsschrift Warum, woher, aber wohin? Vor, unter und nach der geschichtlichen Erscheinung Hitler vor,47 neben der Erzbischofschrift sein zentrales Werk der Relativierung und Verklärung des Nationalsozialismus. Darin verteidigte er unter anderem die nationalsozialistische Rassenpolitik und erklärte, die Nürnberger Gesetze als „durch den Notstand der Nation veranlaßt“; sie hätten „mit Antisemitismus im schlechten Sinne nichts zu tun“.48 1956 erfolgte auch eine Neuauflage von Volk ohne Raum.49

39  DLA, A: Grimm, Hans: Sitzungsprotokoll der Ersten Arbeitstagung nationaler Verleger am 12. Oktober 1959. 40  DLA, A: Grimm Hans: Korrespondenzen Holle Grimms mit Rudolf und Ilse Marie von Ribbentrop 1960, Gertrud Hugenberg 1960 und Ilse Heß 1951–1969. 41  Grimm, Hans: Der Richter in der Karu. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1951. 42  Grimm, Hans: Geschichten aus Südwestafrika. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1951. 43  Bspw. Grimm, Hans: Mordenaars Graf. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1958. 44  Grimm Hans: Leben in Erwartung. Meine Jugend. Lippoldsberg: KlosterhausVerlag, 1952; Grimm, Hans: Suchen und Hoffen. Aus meinem Leben 1928 bis 1934. Lippoldsberg: Klosterhaus Verlag, 1960. 45  Grimm, Hans (Hrsg.): Gedichte vielerlei Herkunft, als irdische Losungen für werktätige Menschen. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1955. 46  Grimm, Hans: Wir von der Weser. Deutung einer Landschaft und ihrer Menschen. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1962. 47  Grimm, Hans: Warum, woher, aber wohin? Vor, unter und nach der geschichtlichen Erscheinung Hitler. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1954. 48  Ebd. S. 188. 49  Grimm, Hans: Volk ohne Raum. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1956.



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Ein wichtiger Fokus lag – wiederum vor dem Hintergrund des entsprechend akzentuierten Werks Hans Grimms – auf Afrika, vor allem dem Südafrika des Apartheid-Regimes, und der Verbindung zwischen dem Kontinent und einem vereinigt und blockfrei imaginierten Europa. In für die Nachkriegszeit typischer Manier wurde auch in Lippoldsberg der eigene Nationalismus ins Europäische und sogar ins Transkontinentale transzendiert. So beschrieb Holle Grimm die Mission des Verlags gegenüber dem Afrikaanse Studentebond damit, „die nationalen Kulturen der Völker Europas zu erhalten und eine gemeinsame europäische Zukunft anzustreben. Hierzu gehört selbstverständlich auch, dass es unser Anliegen ist, die nationale Kultur der weissen Bevölkerung Südafrikas zu erhalten und zu sichern, denn wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot.“50 Gegenüber dem sowjetisch dominierten Osten wie gegenüber dem amerikanisch dominierten Westen müsse ein unabhängiges Mitteleuropa auch ökonomisch autonom sein: „Das Vereinigte Europa bedarf eines grossen Wirtschaftsraumes, in dem es sich gegen wirtschaftspolitische Kampfmassnahmen der anderen Wirtschaftsblöcke, wie immer sie hiessen und heissen werden, schützen kann. Der allein mögliche Wirtschaftsraum für Europa ist Afrika.“51 Im Klosterhaus-Verlag dominierten also das Werk und die Ideen Hans Grimms das Programm zwar in ganz erheblichem Maße; es präsentierte aber auch Werke anderer, wenn diese dazu beitrugen, „deutsches Volks- und Kulturbewusstsein [zu] wahren“52 und eine Deutung der jüngsten Vergangenheit in revisionistischer Absicht zu unterstützen. So wurde als erstes Werk eines Dritten der antikommunistische Bericht des Chefs der britischen Militärmission bei den sowjetischen Besatzungstruppen in Ostdeutschland, Claude Hector Dewhurst, über seine Erfahrungen hinter dem „Eisernen Vorhang“ ver­ öffentlicht;53 militär- und geopolitische Betrachtungen fanden einen Platz;54

50  DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Holle Grimms an den den Afrikaanse Studentebond vom 27. Dezember 1960. 51  DLA, A: Grimm, Hans/Afrika: Schreiben Holle Grimms an Afrika-Post vom 3. Oktober 1960. 52  DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Holle Grimms an den Bundesverband der Deutschen Industrie vom 8. August 1960. 53  Dewhurst, Claude Hector: In nächster Berührung mit der Sowjet-Besatzungstruppe. Beobachtungen des Chefs der Britischen Militärmission hinter dem Eisernen Vorhang (1951 bis 1953). Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1955. 54  Bauer, Hermann: Reichsleitung und U-Bootseinsatz 1914 bis 1918. Zusammenarbeit zwischen politischer und militärischer Führung im Kriege. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1956; Boehm, Hermann: Norwegen zwischen England und Deutschland. Die Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1956.

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Will Vesper und Peter Ursel legten Gedichtsammlungen vor;55 Tacitus’ Berichte über die Germanen sollten einen deutschen Ursprungsmythos stärken und ein historisches und legitimierendes Beispiel für den „Kampf um die Erhaltung Germanien-Deutschlands in seinen Grenzen“ liefern;56 und der britische Faschistenführer Oswald Mosley durfte seine Vision Europas skizzieren.57 Als ein wichtiges Forum für den Verlag, seine Autoren und die revisionistische Literaturszene insgesamt, als Ort „einer möglichst engen Fühlungnahme jener Autoren, die sich nicht in die freiheitlich-demokratische Ordnung der jungen Bundesrepublik einfügen wollten“, sollten die Lippoldsberger Dichtertage dienen.58 Hans Grimm hatte das Format als „Lippoldsberger Dichtertreffen“ für nationalistische Autoren bereits 1934 ins Leben gerufen, ab 1950 versuchten sich Vater und Tochter an einer jährlichen Neuauflage der Veranstaltung.59 „Bei der Weiterführung der Dichtertage“, so Holle Grimm, „liegt uns daran, in Lippoldsberg eine Dichtung zu Wort kommen zu lassen, die die nationalen Kräfte der einzelnen europäischen Völker löst und erhält.“60 Hier stellten „nationale“ Literaten ihre Werke einem anfangs großen Publikum vor, suchten Verleger und Verleger suchten sie, politische und kulturelle Akteure der radikalen Rechten trafen sich und tauschten sich aus. An den ersten Neuauflagen der Dichtertage nahmen noch mehrere tausend Menschen teil, nach dem Tode Hans Grimms jedoch sanken die Besucherzahlen in einen in der Regel niedrigen dreistelligen Bereich.61 Dem Bedeutungsverlust suchte Holle Grimm genauso mit der Hilfe von Sponsoren zu begegnen, die als in der bürgerlichen Gesellschaft arriviert gelten durften, auf deren Sympathie sie gleichwohl hoffte – so bat sie etwa Friedrich Flick ebenso um Unterstützung wie den Bundesverband der Deutschen Indus­ 55  Vesper, Will: Kleiner Kranz des Lebens. Auswahl meiner Gedichte aus 50 Jahren. Lippoldsberg: Klosterhaus, 1960; Ursel, Peter: 42 deutsche Gedichte. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1960. 56  Tacitus: Arminius, Römer und Deutsche. Der erste Kampf um die Erhaltung Germanien-Deutschlands in seinen Grenzen. Aus dem Urtext übertragen von Theobald Lehbrink. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1957. 57  Mosley, Oswald: Ich glaube an Europa. Ein Weg aus der Krise. Eine Einführung in das europäische Denken. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1962. 58  Vordermayer, Bildungsbürgertum und völkische Ideologie. S. 357. 59  Vgl. Botsch, Gideon: Lippoldsberger Dichtertage. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 7: Literatur, Film, Theater und Kunst. Berlin/Boston: De Gruyter, 2015. S. 290–293. 60  DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Holle Grimms ans Friedrich Flick vom 16. November 1960. 61  Vgl. Koch, Gerd: Hans Grimms Lippoldsberger Dichterkreis. In: Faber, Richard/ Holste, Christine (Hrsg.): Kreise – Gruppen – Bünde. Zur Soziologie moderner Intellektuellenassoziation. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2000. S. 165–188.



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trie –,62 wie mit dem Versuch, auch mit den teilnehmenden Autoren eine über den rechten Rand ins bürgerlich-konservative Milieu hinausreichende Strahlkraft zu entwickeln. So bemühte sie sich etwa um eine Teilnahme Ernst von Salomons an den Dichtertagen 1960; mit diesem hatte sie in den Jahren zuvor in vertrauter persönlicher Beziehung gestanden.63 Dennoch musste sie ihm gegenüber bald bekennen: „[I]ch werde ausgelacht, dass ich je daran glauben konnte, dass Sie ernsthaft bereit gewesen seien, nach Lippoldsberg zum Dichtertag am 10. Juli dieses Jahres herzukommen.“64 In der Tat war er es ebenso wenig wie die meisten anderen im Mainstream etablierten Autoren. Auch ihre Netzwerke im rechtsextremen Milieu selbst suchte Holle Grimm für die Dichtertage, den Verlag und sein Programm nutzbar zu machen. So lud sie etwa die Angehörigen des Kameradschaftsrings Nationaler Jugendverbände (KNJ) zu den Lippoldsberger Dichtertagen 1961 ein, an denen der KNJ „auf jeden Fall teil[zu]nehmen“ ankündigte, „und zwar möglichst stark“,65 und die Gesellschaft für freie Publizistik veröffentlichte seit 1961 ihre Zeitschrift Das freie Forum im Klosterhaus-Verlag.

62  Vgl. DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Holle Grimms an Friedrich Flick vom 16. November 1960; DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Holle Grimms an den Bundesverband der Deutschen Industrie vom 8. August 1960. 63  So adressierte sie Ernst von Salomon etwa im März 1952 als „Liebe Holle“ und schilderte ihr – affektiert und durchaus unterhaltsam – sein Befinden kurz nachdem er seinen Bestseller Der Fragebogen veröffentlicht hatte: „Bin ausserdem in schrecklich verkommenem Zustand, dauernd besoffen, zynisch, faul, unfähig zu produktiver Arbeit – kurz, ich kriege eben demnächst ein Kind. […] Wissen Sie keinen produktiven Beruf für mich? Ich bin jetzt 50, gelernt habe ich nichts, aber es wird langsam Zeit, dass ich anfange, irgendetwas zu tun. Früher hätte mich die Familie nach Amerika abgeschoben. Wie froh bin ich, dass sich die Zeiten geändert haben. Meine Damen lassen herzlich grüssen, sie zehren an meinem Mark. Mit besten, herzlichen Grüssen und Flehen um Vergebung[,] Ihr Ernst von Salomon“. DLA, A: Grimm, Hans: Schreiben Ernst von Salomons an Holle Grimm vom 4. März 1952. 64  DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Holle Grimms an Ernst von Salomon vom 24. Mai 1960. In dem Schreiben skizziert Holle Grimm auch den geplanten Ablauf der Veranstaltung, die einen guten Eindruck von der Gestaltung und den Teilnehmern der Lippoldsberger Dichtertage vermittelt: „Nachmittags Begrüssung durch Wernt, Ursel Peter Gedicht auf H[ans] G[rimm], Superintendent i. R. (Autor unseres Verlages als Arminius-Übersetzer, nicht Hofprediger) Lehbrink, Gedenkworte, Rose Zeller (eine uns bekannte Rezitatorin) spricht ‚Modernaars Graf‘. – Hier hätte ich gern Salomon, Fragebogen und Claudius, Kleine Randleiste zu Hans Grimm gehabt, aber Salomon antwortet nicht und Claudius liegt mir gebrochenem Oberschenkel. Dann lesen Vesper, Pleyer, Noelle, Kern und Mahncke.“ 65  DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Konrad Windischs an Holle Grimm vom 15. Januar 1961.

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Insbesondere die ersten zehn Jahre seit der Verlagsgründung waren eine Zeit reger Aktivität in Lippoldsberg, für die der Klosterhaus-Verlag den Ankerpunkt bildete. Er sollte eine Plattformfunktion für die nationalistische Literaturszene der Nachkriegszeit einnehmen und tat dies in einem gewissen Grade auch; das eigentliche Verlagsprogramm hingegen blieb verhältnismäßig überschaubar: bis 1961 erschienen rund 30 Titel. In den folgenden Jahrzehnten bis zu Holle Grimms Tod 2009 bestand der Verlag fort, publizierte weiterhin vor allem die Werke Hans Grimms, legte unter anderem eine Gesamtausgabe seines Œuvres vor, und bot nur wenigen anderen Autoren einen Platz im Programm, insbesondere Hans Venatier. Doch nach dem Tode Hans Grimms 1959 und angesichts der bald völligen Marginalisierung der radikalen und extremen Rechten in der Bundesrepublik verlor er ebenso an Bedeutung wie die Dichtertage. Die Hoffnung auf einen Brückenschlag zwischen den reaktionären Nationalisten und dem Mainstream-Konservatismus, den die Lippoldsberger bewerkstelligen wollten, blieb unerfüllt, die Revision der Nachkriegsordnung im Grimm’schen Geiste eine Illusion. 2. Plesse-Verlag/Göttinger Verlagsanstalt Als eine der herausragenden Figuren des revisionistischen Spektrums publizierte Hans Grimm nicht nur im familieneigenen Klosterhaus-Verlag, sondern unter anderem auch im Plesse-Verlag beziehungsweise in der Göttinger Verlagsanstalt. Beide Verlagsunternehmen gingen aus dem Umfeld der ­niedersächsischen borussisch-nationalistischen Kleinparteien hervor. In den 1950er Jahren standen sie wiederholt im Fokus der Öffentlichkeit und der Behörden. Der Plesse-Verlag wurde 1949 von Karl Waldemar Schütz und Leonhard Schlüter gegründet. Schütz war während des „Dritten Reiches“ nicht nur Mitglied der NSDAP gewesen, sondern hatte auch in der Waffen-SS gedient.66 Seine Tätigkeiten nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren geprägt von dem Bestreben, die Ideenbestände der „Konservativen Revolution“ und des Nationalsozialismus zu bewahren. So war er einerseits politisch aktiv, zunächst in der DRP, in den 1960er Jahren dann in der NPD, und zwischen 1955 und 1959 Mitglied des niedersächsischen Landtags;67 andererseits nutzte er auch seine publizistische Arbeit, um diese Agenda umzusetzen. In den Programmen des Plesse-Verlags dominierten Werke, die die deutschen Soldaten der Wehrmacht, vor allem aber der Waffen-SS in den Mittelpunkt rückten – und glorifizierten. So berichtete Erich Kern vom Russland66  Vgl. 67  Vgl.

Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus. S. 526 f. ebd.



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feldzug 1941–1945 und dem Kampf in der Ukraine 1941–1944,68 ErnstGünther Krätschmer stellte Die Ritterkreuzträger der Waffen-SS 69 vor und Paul Hausser zeigte die Waffen-SS im Einsatz;70 Haussers Titel lag 1953 bereits in der sechsten Auflage vor. Auch Werner Naumann, der Kopf der rechtsextremen Unterwanderung der nordrhein-westfälischen FDP, publizierte bei Plesse.71 Darüber hinaus fanden sich Bücher, die die Verfolgung der NS-Kriegsverbrecher und die Besatzungsherrschaft insgesamt zu delegitimieren suchten, etwa Maurice Bardèches Die Politik der Zerstörung: Nürnberg oder Europa,72 in dem der Autor behauptet, die Konzentrationslager seien von den Alliierten errichtete Attrappen,73 oder Erich Kerns Das große Kesseltreiben. Bleibt der deutsche Soldat vogelfrei?74. Der Plesse-Verlag ist vor allem aber ein Paradebeispiel für eine Programmatik, die darauf zielte, eine Scheidung zwischen der „Idee“ des Nationalsozialismus und der Praxis des „Dritten Reichs“ vorzunehmen, um nationalsozialistisches Gedankengut in der jungen Bundesrepublik anschlussfähig zu machen beziehungsweise anschlussfähig zu halten. Als einer der ersten Titel des Verlags erschien die Erzbischofschrift von Hans Grimm. In diesem Buch trennt Grimm den „Nationalsozialismus“ vom „Hitlerismus“, seiner vermeintlichen Pervertierung durch Hitler und seine Schergen also, und rechtfertigt ihn in klassisch kulturkritischer Diktion als historisch notwendige Reaktion auf die Verfallserscheinungen der europäischen Moderne: Der junge, originäre Nationalsozialismus sei eine „Abwehrbewegung gewesen gegen die Vermassung, eine Abwehrbewegung dagegen, daß von der Lebensgier der metaphysische Drang überwältigt werde“.75 Die Rezeption dieses Titels illustriert, welch große Resonanz derlei Rechtfertigungslite68  Kern, Erich: Der große Rausch. Russlandfeldzug 1941–1945. Göttingen: PlesseVerlag, 31962; Kern, Erich: Kampf in der Ukraine 1941–1944. Göttingen: PlesseVerlag, 1963. 69  Krätschmer, Ernst-Günther: Die Ritterkreuzträger der Waffen-SS. Göttingen: Plesse-Verlag, 1955. 70  Hausser, Paul: Waffen-SS im Einsatz. Göttingen: Plesse-Verlag, 61953. 71  Naumann, Werner: Nau-Nau gefährdet das Empire? Göttingen: Plesse-Verlag, 1953. 72  Bardèche, Maurice: Die Politik der Zerstörung: Nürnberg oder Europa. Göttingen, Plesse-Verlag, 1950. 73  Vgl. Bott, Die Volksfeind-Ideologie. S. 15 f. 74  Kern, Erich: Das große Kesseltreiben. Bleibt der deutsche Soldat vogelfrei? Göttingen: Plesse-Verlag, 1960. 75  Grimm, Hans: Die Erzbischofschrift. Antwort eines Deutschen. Göttingen: Plesse-Verlag, 1950. S. 13, 31.

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ratur auch jenseits des rechten Randes hatte: Bereits im Jahr des Erscheinens wurde das Buch in mindestens 41.000 Exemplaren vorgelegt.76 Einer ähnlichen Argumentation wie Grimm bediente sich auch Alfred Rosenberg in seiner Rechtsfertigungsschrift für die Nürnberger Prozesse.77 Rosenberg, einer der Vordenker der nationalsozialistischen Ideologie und als Leiter des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete unmittelbar mitverantwortlich für den systematischen Genozid an den osteuropäischen Juden, wurde in den Nürnberger Prozessen als Hauptschuldiger verurteilt und 1946 hingerichtet. Seine Schrift erschien unter dem Titel Letzte Aufzeichnungen. Ideale und Idole der nationalsozialistischen Revolution posthum 1956 im Plesse-Verlag. Die Vorstellung des Rosenberg-Buches auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 1955 sorgte für eine „Aktion einzelner Aussteller gegen den Stand des Plesse-Verlags“ – die Analogie zu den Ereignissen rund um den AntaiosStand auf der Frankfurter Buchmesse 2017 ist augenfällig –, wodurch die Aufmerksamkeit nicht nur des Bundestags,78 sondern auch des Bundesinnen­ ministeriums auf diese spezifische Publikation, aber auch allgemein auf „Schrifttum […] nationalsozialistischen Inhalts oder nationalsozialistischer Tendenz“ gelenkt wurde.79 Die Rosenberg-Aufzeichnungen waren Anlass einer Prüfung, ob es geboten sei, die Strafgesetze dahingehend zu verschärfen, dass bereits die Veröffentlichung von Büchern „im Hinblick auf ihren gravierenden Inhalt eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ darstellen könnte.80 Jedenfalls wurde gegen Waldemar Schütz ein Verfahren angestrengt, da der Verdacht im Raum stand, dass die Veröffentlichung der Rosenberg’schen Verteidigungsschrift den Nationalsozialismus verherrliche und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik

76  Vgl.

ebd. Impressum, S. 8. Alfred: Letzte Aufzeichnungen. Ideale und Idole der nationalsozialistischen Revolution. Göttingen: Plesse-Verlag, 1956. 78  Vgl. Plenarprotokoll der 120. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1955. URL: dipbt.bundestag.de/doc/btp/02/02120.pdf [letzter Zugriff: 23.06.2019]. 79  BAK, B 106/15595, Bundesministerium des Innern, Staatsschutz im Allgemeinen, Rechtsradikale Literatur bzw. Autoren und Verlage: Veröffentlichungen der „Letzten Aufzeichnungen“ Alfred Rosenbergs durch den Plesse-Verlag, Göttingen, Bd. 1, 1956–1960: Schreiben ORR Dr. Hartings i. V., Referat VI A 3, (BMI) an die Innenminister und -senatoren der Länder vom 9. Januar 1956 (Referentenentwurf). 80  Ebd.; vgl. auch BAK, B 106/15595, Bundesministerium des Innern, Staatsschutz im Allgemeinen, Rechtsradikale Literatur bzw. Autoren und Verlage: Veröffentlichungen der „Letzten Aufzeichnungen“ Alfred Rosenbergs durch den PlesseVerlag, Göttingen, Bd. 1, 1956–1960: Schreiben ORR Dr. Hartings, Referat VI A 3, an Herrn Abteilungsleiter VI vom 24. Januar 1956. 77  Rosenberg,



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gerichtet sei – insbesondere durch redaktionelle Eingriffe, die in den Aufzeichnungen vorgenommen, aber nicht transparent gemacht wurden.81 Ein ausführliches Gutachten Hans-Günther Seraphims gelangte denn auch zu der Einschätzung, dass die Affirmation des Nationalsozialismus, die in der Rosenberg’schen Schrift eben vor allem durch eine Distanzierung von der NS-Führung (der er freilich selbst angehört hatte), „die seiner Meinung nach die Idee, an der er immer noch hing, ‚zerfetzt‘ “ habe, stattfindet, durch die Eingriffe des Verlages noch verstärkt worden, gar ein „renazifizierter Rosenberg dem Leser vorgestellt“ worden sei.82 Seraphim sieht eine klare „Tendenz der politischen Korrekturen, […] zu harte und zu scharfe Urteile – nach der Auffassung des Herausgebers [das ist in diesem Fall der Verlag selbst; KG] – über die Führer des Dritten Reiches zu eliminieren. Das aber bedeutet, man wollte vermutlich Rosenberg zum Kronzeugen dafür machen, daß ‚alles nicht so schlimm‘ war, daß die Idee, richtig und gut an sich, wenn sie durch entsprechende Männer vertreten würde, eine Zukunft habe.“83 Nichtsdestoweniger stellte der Generalbundesanwalt vor dem verhandelnden Bundesgerichtshof den Antrag, das Verfahren gegen Schütz einzustellen, da die Letzten Aufzeichnungen keine konkrete Propagierung eines gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Systems enthielten, sondern als bloße „persönliche Rechtfertigungsschrift“ anzusehen seien, nicht anders als etwa bei C. H. Beck erscheinende Titel solcher Art, und Schütz somit keine bewusste Propaganda gegen die verfassungsmäßige Ordnung nachzuweisen sei.84 Dem Antrag folgte das Gericht mit seiner Entscheidung vom 21. April 1960: Schütz wurde „aus dem tatsächlichen Grunde mangelnden Beweises ausser Verfolgung gesetzt“.85

81  Vgl. BAK, B 106/15595, Bundesministerium des Innern, Staatsschutz im Allgemeinen, Rechtsradikale Literatur bzw. Autoren und Verlage: Veröffentlichungen der „Letzten Aufzeichnungen“ Alfred Rosenbergs durch den Plesse-Verlag, Göttingen, Bd. 1, 1956–1960: Gutachten zu der Veröffentlichung des Plesse-Verlages: „Alfred Rosenberg, Letzte Aufzeichnungen.“ von Dr. H.-G. Seraphim. S. 28. 82  Ebd. S.  31 f. 83  Ebd. S. 32. 84  BAK, B 106/15595, Bundesministerium des Innern, Staatsschutz im Allgemeinen, Rechtsradikale Literatur bzw. Autoren und Verlage: Veröffentlichungen der „Letzten Aufzeichnungen“ Alfred Rosenbergs durch den Plesse-Verlag, Göttingen, Bd. 1, 1956–1960: Schreiben des Generalbundesanwalts an den Vorsitzenden des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 24. März 1960. 85  BAK, B 106/15595, Bundesministerium des Innern, Staatsschutz im Allgemeinen, Rechtsradikale Literatur bzw. Autoren und Verlage: Veröffentlichungen der „Letzten Aufzeichnungen“ Alfred Rosenbergs durch den Plesse-Verlag, Göttingen, Bd. 1, 1956–1960: Abschrift des Beschlusses des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 21. April 1960, Az. 1 StE 2/60.

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Die Rosenberg-Episode war es auch, die Schütz zur Gründung des PlesseNachfolgers Verlag K. W. Schütz veranlasste. Nachdem der Börsenverein infolge der Vorkommnisse den Plesse-Verlag von künftigen Buchmessen ausschloss, suchte er mit der neuen Firma dem drohenden Bedeutungsverlust entgegenzuwirken.86 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet noch bis 1964 unter Plesse-Signet erschienene Werke, danach scheint die Verlagsproduktion zum Erliegen gekommen zu sein. Bereits 1951 verließ Leonhard Schlüter den Plesse-Verlag, um seine eigene Unternehmung ins Leben zu rufen: Die Göttinger Verlagsanstalt war in Charakter und Programm dem Plesse-Verlag sehr ähnlich. Auch hier nahm die Rechtfertigung der nach 1945 Entlassenen oder Verurteilten großen Raum ein, etwa in den Büchern Herbert Graberts, des Verlegers der Deutschen Hochschullehrer-Zeitung,87 oder Karl Siegerts, der einen dezidierten „Beitrag zur Rechtfertigung der Kriegsverurteilten“88 vorlegte. Darüber hinaus nahmen die bei der Göttinger Verlagsanstalt veröffentlichten Titel aber auch allgemeinere kulturelle, gesellschaftliche und ökonomische Fragen in den Blick. Hans Bruno Andresen etwa beschäftigte sich mit dem Wohnungsbau,89 Fritz Alten mit der Nahrungsmittelproduktion90 oder Hermann Pongs mit dem „Romanschaffen der Gegenwart“91. Ähnlich wie Waldemar Schütz war Leonhard Schlüter gleichermaßen im publizistischen wie im politischen Feld aktiv. Während Schütz aber einfacher Abgeordneter im niedersächsischen Landtag blieb, avancierte Schlüter 1955, mittlerweile Mitglied der FDP-Fraktion, zum Kultusminister des Landes.92 Als solcher geriet auch sein verlegerisches Schaffen in den Fokus der akademischen und politischen Öffentlichkeit. Als Verleger der Göttinger Verlagsanstalt schien er insbesondere den Vertretern der Göttinger Universität als Kultusminister untragbar. Noch am Tag Mecklenburg, Handbuch deutscher Rechtsextremismus. S. 426. Herbert: Hochschullehrer klagen an. Von der Demontage deutscher Wissenschaft. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1952; sowie unter Pseudonym Backhaus, Hugo C. [= Grabert, Herbert]: Wehrkraft im Zwiespalt. Zur Psychologie des Besiegten. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 21952. 88  Siegert, Karl: Requisition und höherer Befehl. Ein Beitrag zur Rechtfertigung der Kriegsverurteilten. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1953. 89  Andresen, Hans Bruno: Der Weg aus der Not: Wohnungsbau für alle. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1951. 90  Alten, Fritz: Die westdeutsche Nahrungsmittelproduktion in Abhängigkeit von der Welternährungswirtschaft. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1953. 91  Pongs, Hermann: Im Umbruch der Zeit: Das Romanschaffen der Gegenwart. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1952. 92  Vgl. o. V.: Ein Feuer soll lodern. In: Der Spiegel 9 (1955), Nr. 25. S. 12–24. Hier S. 12, 18. 86  Vgl.

87  Grabert,



I. Revisionistische Verlage143

seiner Ernennung erklärten der Rektor und die Angehörigen des Senats geschlossen ihren Rücktritt, weil sie infolge der Berufung Schlüters eine Gefährdung von „Entwicklung und Ansehen der Universität in Deutschland und im Ausland“ befürchteten.93 Während, wenig überraschend, die Deutsche Hochschullehrer-Zeitung Partei für Schlüter ergriff und den Göttinger Protest als „Verleumdungspropaganda“ und „moralische Lynchjustiz“ bezeichnete, ja ihn in eine Reihe mit den „Judenverfolgungen“ stellte – und en passant mit den „Naziverfolgungen“ dasselbe tat.94 Die Deutsche Universitätszeitung dagegen erblickte im Fall Schlüter den „Prüfstein des Geistes der Freiheit in der Bundesrepublik“ und in der verlegerischen Tätigkeit Schlüters den Beleg, dass er für ein staatliches Amt ungeeignet sei.95 Der Deutsche Gewerkschaftsbund zählte Schlüter zu den „Feinden der Demokratie“.96 Derart aufgeladen war die Stimmung vor allem deshalb, weil die Causa Schlüter infolge des Protests auf bundeweite Beachtung stieß und reges mediales Interesse hervorrief. Zwei Sonderausgaben der Deutschen Universitätszeitung waren allein der Dokumentation des Falles und der Sammlung von Presseberichten gewidmet;97 die Süddeutsche Zeitung schrieb ebenso darüber wie die Bild, die Frankfurter Rundschau ebenso wie die Neue Zürcher Zeitung.98 Der Spiegel hob den niedersächsischen Kultusminister gar aufs Cover und widmete ihm volle 13 Seiten, auf denen der Autor zu dem Ergebnis kam, dass das „Programm dieses Verlages [der Göttinger Verlagsanstalt; KG] ohne Zweifel eine der wichtigsten Ursachen des Göttinger Aufstandes“ gewesen sei.99 Selbst Theodor Eschenburg, Ordinarius der Politikwissenschaft in Tübingen und Mitherausgeber der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte des IfZ, sah sich genötigt, bei Ministerpräsident Heinrich Hellwege zu intervenieren und ihn darauf hinzuweisen, dass „das Programm des 93  BAK, N 1529/226, Nachlass Werner Weber, Wissenschaftliche und rechtsgutachtliche Arbeit, Bd. 2: Der Fall Leonhard Schlüter, 1955, 1958: Beschluss des Akademischen Senats der Georg-August-Universität zu Göttingen am Donnerstag, dem 26. Mai 1955. 94  o. V.: Der Göttinger Protest ein Historisch-Politisches Ereignis? In: Deutsche Hochschullehrer-Zeitung 3 (1955), Nr. 4/6. S. 9–11. Hier S. 9. 95  o. V.: Der Fall Schlüter. In: Deutsche Universitätszeitung 10 (1955), Nr. 11. S. 3 f. Hier S. 3. 96  Feinde der Demokratie 6 (1955), Nr. 6: „Zum Fall Schlüter“. 97  Deutsche Universitätszeitung: Dokumentation zum Fall Schlüter, Sonderdruck (1955); Deutsche Universitätszeitung: Dokumentation zum Fall Schlüter zweiter Teil, Sonderdruck (1955). 98  Vgl. Deutsche Universitätszeitung: Dokumentation zum Fall Schlüter, Sonderdruck (1955). S. 5 ff. 99  o. V., Ein Feuer soll lodern. S. 18.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Verlags von Schlüter, […] nicht nur keine Empfehlung für ihn als Kultusminister darstellt, sondern ihn geradezu disqualifiziert. Ich kann mir dieses Urteil erlauben, da ich die meisten seiner Verlagserscheinungen kenne.“100 Nicht nur seine Rolle als revisionistischer Verleger jedoch brachte Schlüter in Bedrängnis, gegen ihn wurde zudem wegen des Verdachts der versuchten Bestechung eines Polizeibeamten ermittelt. Bei dieser Gemengelage ließ sich ein Kultusminister Schlüter nicht halten. Am 9. Juni 1955 trat er von seinem Amt zurück. Beendet war der Fall damit jedoch nicht: Der niedersächsische Landtag setzte einen Untersuchungsausschuss ein, der klären sollte, wie es überhaupt zur Nominierung Schlüters für das Amt kommen konnte;101 und Emil Woermann, 1955 Rektor der Göttinger Universität, sah sich in dem 1958 in der Göttinger Verlagsanstalt anonym erschienenen Buch Die große Hetze102 mit Vorwürfen konfrontiert, er habe im „Dritten Reich“ als Rektor der Universität Halle aktiv an der „Vertreibung angesehener Gelehrter, denen ihre Gesinnung oder Abkunft wie ein Verbrechen vorgeworfen wurde“, mitgewirkt, gegen die er sich mit wortreichen Erklärungen und Unterstützungsschreiben von den Nationalsozialisten verfolgter Kollegen zur Wehr zu setzen genötigt sah.103 Das Ende der politischen Karriere Leonhard Schlüters ging nicht mit einem Ende seiner Karriere als Verleger einher: Noch bis 1979 wurden in der Göttinger Verlagsanstalt Bücher publiziert. Der Plesse-Verlag und die Göttinger Verlagsanstalt waren in den 1950er und 1960er Jahren als publizistische Heimat prominenter Köpfe des rechten Randes zwei herausragende Häuser des revisionistischen Spektrums, deren Rezeption aufgrund der Kontroversen, die ihre Verleger im politischen und publizistischen Raum provozierten, weit über die engere Leserschaft der Verlage hinausreichte.

100  BAK, N 1529/226, Nachlass Werner Weber, Wissenschaftliche und rechtsgutachtliche Arbeit, Bd. 2: Der Fall Leonhard Schlüter, 1955, 1958: Schreiben Theodor Eschenburgs an Heinrich Hellwege vom 2. Juni 1955. 101  BAK, N 1529/226, Nachlass Werner Weber, Wissenschaftliche und rechtsgutachtliche Arbeit, Bd. 2: Der Fall Leonhard Schlüter, 1955, 1958: Bericht des 6. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Niedersächsischen Landtages, betreffend die Vorgänge, die zur Berufung des Abg. Schlüter zum Niedersächsischen Kultusminister am 26. Mai 1955 führten. Landesdrucksache Nr. 177 vom 6. Februar 1956. 102  o. V.: Die große Hetze. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1958. 103  Vgl. BAK, N 1529/226, Nachlass Werner Weber, Wissenschaftliche und rechtsgutachtliche Arbeit, Bd. 2: Der Fall Leonhard Schlüter, 1955, 1958: Stellungnahme zu den Angriffen, die in dem kürzlich in der Göttinger Verlagsanstalt anonym erschienenen Buch „Die große Hetze“ gegen mich geführt werden“. Von Professor Dr. Woer­ mann, 6. Juli 1958. S. 3.



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage145

II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage Pointiert könnte man formulieren: Der Antikommunismus in Deutschland ist älter als der Kommunismus selbst. Spätestens aber in unmittelbarer Reaktion auf die Oktoberrevolution 1917 in Deutschland waren verbreitet antikommunistische Haltungen zu beobachten, die nach einem Muster funktionierten, das sich bereits in den Jahrzehnten zuvor herausgebildet hatte, nämlich in der Auseinandersetzung der politischen Rechten mit der Sozialdemokratie des deutschen Kaiserreiches.104 Doch auch der Großteil der Linken der Weimarer Republik ging auf Distanz zur repressiven Praxis des Sowjetkommunismus. Insofern lässt sich der Antikommunismus auch in der Zwischenkriegszeit als Querschnittsphänomen der deutschen Gesellschaft begreifen; anders als nach dem Zweiten Weltkrieg war er freilich in erster Linie ein ideologischer, kein empirischer, insofern, als keine unmittelbare Konfrontation der Systeme bestand.105 Die weit über die Sowjetunion hinausreichende Wirkung der Revolution und der Entfaltung einer kommunistischen Realität in einem Land, das für die europäische Politik und das europäische Geistesleben von wesentlicher Bedeutung war, spiegelte sich naturgemäß auch in der deutschen Kulturlandschaft, und damit auch im Buchhandel: „Im Spiegel der Literatur von/über 1917 offenbart sich der Graben, der mit dem bolschewistischen Einschnitt in die Geschichte […] gezogen wurde und – landes- wie auch weltweit – die kulturellen Eliten entzweite. […] Der Wunsch, zu einem objektiveren Bild beizutragen, manifestiert sich im Engagement von Verlegern wie den Begründern des Malik-Verlags, die kommunistische Literatur aus dem Land der Bolschewiken zugänglich machten und eigene Sichten auf die Revolution literarisch kommunizierten […].“106 Denn Resonanz fand die Realität des Kommunismus, seiner Politik und seiner Kunst vor allem in weltanschaulich verorteten Verlagen, den linken wie den rechten, die sich konstruktiv-kritisch oder engagiert-ablehnend mit dem Phänomen auseinandersetzten. Das schloss freilich nicht aus, dass mit der Ablehnung eine gewisse Faszination für die Geschichtsmächtigkeit und Dynamik der kommunistischen Revolution einherging, die sich auch aufseiten der Rechten äußerte, prominent etwa beim „Nationalbolschewisten“ Ernst 104  Vgl. Wirsching, Antikommunismus als Querschnittsphänomen. S. 18 f.; Merz, Kai-Uwe: Das Schreckbild. Deutschland und der Bolschewismus 1917 bis 1921. Berlin: Propyläen, 1995. 105  Vgl. Wirsching, Antikommunismus als Querschnittsphänomen. S. 18 ff. 106  Petzer, Tatjana: Einleitung. In: Petzer, Tatjana (Hrsg.): Literatur und Revolution. Rückblicke auf 100 Jahre Oktoberrevolution (= Reflexionen des Gesellschaft­ lichen in Sprache und Literatur. Hallesche Beiträge, Bd. 6). Halle: Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg, 2018. S. 5–18. Hier S. 7 f.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Niekisch, dessen Umfeld auch Ernst Rowohlt angehörte.107 Auch insofern „figuriert Literatur nicht nur als Prisma zeitgenössischer Weltsichten, sondern ist vielmehr intervenierender Kommentar“.108 Für die Nazis war ein in der Tradition des Antiliberalismus und des Antisozialismus stehender Antikommunismus ein wichtiges Vehikel für die Einbeziehung des bürgerlich-konservativen Lagers und für die Zerschlagung der Republik mitsamt ihrer liberalen und rechtsstaatlichen Strukturen.109 Der Antikommunismus war für Hitler aber auch insofern essentiell, als der Krieg gegen die Sowjetunion zur Eroberung von „Lebensraum im Osten“ ein zen­ trales strategisches Ziel war; was, so fragte er, nütze dabei eine „Armee aus marxistisch infizierten Soldaten“.110 Infolge des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion, des verbrecherischen Kriegs gegen diese sowie gegen kommunistische Partisanenverbände wurden zunächst vor allem die Beteiligten des Feldzugs mit der sowjetischen Armee konfrontiert, durch das Vorrücken derselben auf deutsches Territorium seit 1944 dann auch erhebliche Teile der deutschen Zivilbevölkerung. Die „Erfahrung, die Millionen Deutsche mit der Roten Armee, der russischen Kriegsgefangenschaft und der Parteidiktatur der ostdeutschen Bolschewiki gemacht hatten“,111 wandelten den zuvor zuvörderst ideologischen Antikommunismus zu einem empirischen. Dieser beschränkte sich nicht auf Individuen, sondern gewann eine kollektive Dimension durch die Inbesitznahme eines erheblichen Teils des bisherigen deutschen Territoriums durch die Sowjetunion beziehungsweise ihre Satellitenstaaten, die Vertreibung der Deutschen aus diesen Gebieten und die latente oder manifeste Bedrohung auch der westlichen Teile Deutschlands durch die UdSSR. Dass ein prononcierter Antikommunismus nach 1945 aber nicht zuletzt auch dem Versuch diente, die deutschen Verbrechen zu relativieren beziehungsweise vergessen zu machen, wurde bereits dargelegt. Es erscheint naheliegend, dass auch und gerade die Vertriebenen sich in den antikommunistischen Konsens der Bundesrepublik fügten, was in der zeitgenössischen Perspektive aber keineswegs als sicher galt: In der Masse weitgehend besitz- und perspektivloser Menschen erblickte man ein sozialrevolutionäres, destabilisierendes Potential. Um dem zu begegnen, suchte man Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 73. Einleitung. S. 6. 109  Vgl. Wirsching, Antikommunismus als Querschnittsphänomen. S. 20. 110  Zit. n. Wirsching, Andreas: „Man kann nur Boden germanisieren“. Eine neue Quelle zu Hitlers Rede vor den Spitzen der Reichswehr am 3. Februar 1933. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 49 (2001), Nr. 3. S. 517–550. Hier S. 547. 111  Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 5: Bundesrepublik und DDR, 1949–1990. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2010. S. 9. 107  Vgl.

108  Petzer,



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage147

einerseits die Not der Vertriebenen mittels sozialpolitischer Maßnahmen zu lindern und sie in die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft möglichst gut zu integrieren; konservative Funktionäre wie Rudolf Lodgman von Auen setzten zum anderen auf Vertriebenenorganisationen, die die Kultur der ostdeutschen Volksgruppen bewahren, ein organisch verstandenes Herkunftsprinzip festschreiben – und die Ansprüche auf die verlorenen Gebiete aufrechterhalten sollten.112 Die Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Osten und seinen vermeintlichen, tatsächlichen oder potentiellen Sympathisanten im Westen wurde nicht zuletzt im geistigen Raum geführt. Entsprechend wurden in Westdeutschland nach 1945 zahlreiche Medien, auch eine Reihe von Buchverlagen, ins Leben gerufen, die sich mit dem Osten und seiner Politik beziehungsweise mit der Propagierung der Überlegenheit des Westens befassten, teils mit gezielter Unterstützung der Besatzungsmächte, teils aus politischen Strukturen oder weltanschaulichen Milieus heraus. So gründete Bernhard Woischnik 1951 den Verlag für Publizistik. Woischnik, der im „Dritten Reich“ als Verleger für das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gearbeitet hatte,113 veröffentlichte nun offiziöse Schriften im Auftrag des Bundesministeriums für den Marshallplan beziehungsweise des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen­ arbeit114 oder auch der Krupp AG.115 Das die Publikation Das Tor nach Deutschland steht offen beschließende Credo darf als Beschreibung seiner verlegerischen Mission insgesamt gelten: „Es gilt, nicht nur den 49 Millionen Bewohnern der Bundesrepublik das Bewußtsein zu geben, daß sie wieder zur freien Welt gehören, sondern der Ruf der Freiheit muß vor allem auch hinter den Eisernen Vorhang dringen und den dort lebenden 20 Millionen Deutschen die Gewißheit geben, daß sie nicht vergessen sind.“116 Woischnik war nicht von ungefähr in der engeren Auswahl für die Führung der 1952 ins Leben gerufenen Bundeszentrale für Heimatdienst (der Vorgängerin der Bundeszentrale für politische Bildung), die als Institution zur Förderung des demokratischen Bewusstseins und der republikanischen Schwartz, Antikommunismus und Vertriebenenverbände. Hentges, Gudrun: Staat und politische Bildung. Von der „Zentrale für Heimatdienst“ zur „Bundeszentrale für politische Bildung“. Wiesbaden: Springer VS, 2013. S.  107 f. 114  Bspw. Bender, Gerd M.: Der Mittelstand ist nicht vergessen. Bonn: Verlag für Publizistik, 1959. 115  Fried, Ferdinand: Krupp: Tradition und Aufgabe. Bonn: Verlag für Publizistik, 1957. 116  Woischnik, Bernhard: Das Tor nach Deutschland ist offen. Bonn: Verlag für Publizistik, 1954. S. 72. 112  Vgl. 113  Vgl.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Strukturen konzipiert wurde und die als dem Bundesministerium des Innern nachgeordnete Behörde vor allem in den ersten Jahren ihres Bestehens eine antikommunistische Agenda verfolgte.117 Während Woischnik die Vertriebenen vor allem als Opfer des Kommunismus und Beleg für die Wirtschaftskraft und Integrationsfähigkeit der Bundesrepublik dienten,118 widmeten sich genuine Vertriebenenverlage diesen in weit umfassenderer Manier. Der Wegweiser-Verlag beispielsweise publizierte vor allem Schriften zu Rechts-, Sozial- und Bildungsfragen,119 der Kammwegverlag konzentrierte sich auf nostalgische Heimatliteratur sowie Unterrichtsmaterialien.120 Beide Verlage hatten ihren Sitz in Troisdorf – es ist weder auszuschließen noch mit Sicherheit zu sagen, dass sie einem gemeinsamen Verleger als Imprints mit unterschiedlicher Konturierung des Vertriebenenthemas dienten. Jedenfalls finden sich in beider Verlagen Programm, anders als bei vielen anderen Vertriebenenverlagen, keine revisionistischen Titel; möglicherweise bezog sich der Chefredakteur des Wegweisers für Vertriebene, dem zentralen Periodikum des Wegweiser-Verlags, Wolfgang Steinbichl, darauf, als er Dolf Sternberger schrieb, „dass bei einem Vergleich mit anderen Publikationen aus dem Vertriebenenlager sich unsere Arbeit vorteilhaft abhebt“.121 Antikommunistische und Vertriebenenverlage werden hier unter einer gemeinsamen Kategorie subsumiert, weil ihnen Grundlage und Stoßrichtung ihres Wirkens gemein waren: Sie entstanden infolge der spezifischen europäi­ schen Nachkriegssituation, die durch den Krieg und die Niederlage Deutschlands entstand, durch die sich die Perzeption einer kommunistischen Gefahr von einer vor allem ideellen zu einer unmittelbar realpolitischen wandelte. Antikommunistische wie Vertriebenenverlage beschäftigten sich mit „dem Osten“, vor allem mit den (ehemaligen) Teilen Deutschlands, die nun unter Hentges, Staat und politische Bildung. S. 107 f. Woischnik, Das Tor nach Deutschland. S. 56. 119  Bspw. Gerfeldt, Ewald: Die Vertriebenenfürsorge im Lande Nordrhein-West­ falen. Troisdorf: Wegweiser-Verlag, 1953; Baehr, Albrecht: Auf dem Wege. Eine Zwischenbilanz des Vertriebenen- und Flüchtlingsproblems. Troisdorf: WegweiserVerlag, 1960; Arbeits- und Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Ostkunde im Unterricht. Vorträge gehalten auf der Arbeitstagung vom 10. November 1961. Troisdorf: Wegweiser-Verlag, 1962. 120  Bspw. Bertram, Fritz: De Heiroatsannunx. Ein heiteres Spiel in schlesischer Mundart. Troisdorf: Kammwegverlag, 1954; Schenke, Ernst: Die bunte Schlesiertruhe. Ein schlesisches Heimatbüchlein für alt und jung. Troisdorf: Kammwegverlag, 1957; Schmidt, Josef: Die Donauschwaben im Unterricht. Troisdorf: Kammwegverlag, 1959. 121  DLA: A: Sternberger, Dolf: Schreiben Wolfgang Steinbichls an Dolf Sternberger vom 2. November 1955. 117  Vgl. 118  Vgl.



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage149

kommunistischer Herrschaft standen, und zielten auf eine Eindämmung des Kommunismus, auf die Destabilisierung kommunistischer Regimes und die Wiedervereinigung der deutschen Teile unter nichtkommunistischen Vorzeichen. 1. Kiepenheuer & Witsch Als Joseph Caspar Witsch 1948 von der britischen Besatzungsbehörde die Lizenz erhielt, Bücher zu produzieren und zu vertreiben, hatte er bereits Erfahrungen mit dem sich konsolidierenden kommunistischen System gesammelt, das in der SBZ unter sowjetischer Aufsicht installiert worden war. 1957 schrieb er an Ernst Niekisch, dass er sich nicht vorstellen könne, „daß es ­irgendeine Art von Verteidigungsmöglichkeit des gegenwärtigen Ostzonen­ regimes gibt. […] Es handelt sich um eine dem Nationalsozialismus ähnliche Despotie“.122 Ursprünglich ein Sympathisant der Linken, hatte Witsch in den Nachkriegsjahren, deren erste er in Thüringen verbrachte, eine tiefsitzende Ablehnung des Kommunismus entwickelt, die für sein verlegerisches Schaffen von wesentlicher Bedeutung werden sollte, das in relevanten Teilen der Auseinandersetzung mit dem deutschen, ehemals deutschen und nicht deutschen Osten und dem dort herrschenden Gesellschaftssystem diente. Der gelernte Volksbibliothekar Witsch war zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ an der Kölner Stadtbibliothek tätig; den Nazis galt er als Sympathisant der Kommunisten, weshalb er seine dortige Anstellung noch im Frühjahr 1933 verlor.123 Kurze Zeit später indes konnte er in Stralsund seinem Beruf wieder nachgehen – nachdem er noch im Herbst 1933 die Mitgliedschaft in der SA beantragt hatte (seit 1937 war er zudem Mitglied der NSDAP). In welchem Verhältnis Opportunismus und eventuelle Sympathien für das neue Regime zueinander standen, welche Motive für Witschs Integration in den NS-Staat ausschlaggebend waren, lässt sich letztlich nicht ergründen. Ein überzeugter Nazi war er wohl kaum, gleichwohl machte er deutliche Konzessionen an die Machthaber, auch in Form einer Vielzahl die Kriegsziele unterstützender, gegen den „Bolschewismus“ gerichteter Artikel.124 Von seiner ihn auch in späteren Jahren auszeichnenden wendigen Haltung hatte Witsch im „Dritten Reich“ freilich profitiert: Bereits 1936 wurde er zum Direktor der Jenaer Ernst-Abbé-Bücherei und zum Leiter der Staatlichen Landesstelle für das volkstümliche Büchereiwesen berufen, 122  Schreiben Joseph Caspar Witschs an Ernst Niekisch vom 14. Januar 1957. In: Witsch, Kristian (Hrsg.): Joseph Caspar Witsch, Briefe 1948–1967. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1977. S. 81. 123  Vgl. Boge, Die Anfänge von Kiepenheuer & Witsch. S. 353. 124  Vgl. ebd. S. 357 f.

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als der er die Organisation und Optimierung des Bibliothekswesens in Thüringen maßgeblich mitbestimmte.125 Nach Kriegsende, das Witsch als Soldat in Italien erlebte, kehrte er nach Thüringen zurück – und knüpfte dort recht nahtlos an seine Karriere in den NS-Jahren an, als er als Leiter der Thüringischen Landesstelle für Buch- und Bibliothekswesen eingesetzt wurde. Es war diese Funktion, die zu der Begegnung führte, die die Transformation Witschs, der 1935 mit einer Arbeit über Fichte promoviert worden war, vom Bibliothekar zum Verleger ermöglichte, wurde er doch „[z]ur wichtigsten Person für die Einreichung der Lizenzierungsunterlagen und für die Vorbesichtigung der zum Druck beabsichtigten Druck- und Schriftwerke in Thüringen“.126 Witsch wurde so auch zum Ansprechpartner Gustav Kiepenheuers, der 1909 seinen Verlag gegründet hatte, der mit den Werken Lion Feuchtwangers, Bertolt Brechts oder Anna Seghers’ zu einem der herausragenden Verlage der 1920er und 1930er Jahre avancierte; nach dem Krieg wollte er in Weimar, dem ursprünglichen Verlagsort, sein Unternehmen neu aufbauen. Die euphorische Erwartung des Anfangs – im September 1945 schrieb Kiepenheuer seiner Sekretärin: „Die Leute sind mir in geradezu fabelhafter Weise entgegengekommen. Ich kann dort alles machen. Und kriege ein Haus für Wohnung und Verlag, vor allen Dingen jede Möglichkeit zu drucken, soviel ich kann und will.“127 – wich bald der Ernüchterung, zog sich das Genehmigungserfahren für die Verlagseröffnung dann doch lange Monate hin (gleichwohl war Kiepenheuer im März 1946 der erste private Verlag, der in Thüringen eine Lizenz erhielt), machte die Einmischung der Zensurbehörde eine freie Programmplanung ebenso schwierig wie die fehlenden Produktionskapazitäten und drohte die zunehmende Abschottung der SBZ den Wirkungskreis des Verlags erheblich einzuschränken.128 Insbesondere die Perspektive, Akquise- und Absatzmöglichkeiten in den Westzonen zu verlieren, dürfte Kiepenheuer veranlasst haben, den Plan einer Filialgründung im Westen zu entwickeln. Witsch kamen diese Pläne zupass, geriet er doch über den Zuschnitt und die Zielrichtung eines geplanten Büchereigesetzes mit den sowjetischen Kulturverantwortlichen zunehmend in Konflikt und trug sich nicht nur angesichts des immer repressiveren Klimas in der SBZ, sondern auch, weil er sich Angriffen aufgrund seiner NS-Vergangenheit ausgesetzt sah, mit dem Gedanken Möller, Das Buch Witsch. S. 74 ff. Gustav Kiepenheuer, Theodor Plivier und Joseph Caspar Witsch. S. 138– 151. Hier S. 143. 127  Zit. n. ebd. S. 142. 128  Vgl. ebd. S. 147. 125  Vgl.

126  Wahl,



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage151

an eine Übersiedlung in die Westzonen.129 Als ihm wegen tatsächlicher oder angeblicher Unterstützung sozialdemokratischer Untergrundgruppen die Verhaftung drohte, floh er in den Westen. 1948 wurde in Hagen die westdeutsche Filiale des Kiepenheuer-Verlags unter der Leitung Joseph Caspar Witschs ins Leben gerufen, die bald als Kiepenheuer & Witsch firmieren sollte. Anders als viele der dortigen Kol­ legen konnte er auf keinen gewachsenen Autorenstamm zurückgreifen, da Kiepenheuer im „Dritten Reich“ zahlreichen seiner in Deutschland verfemten Autoren die Rechte an ihren Werken zurückgegeben hatte und diese nun bei ausländischen Verlagen lagen.130 In dieser Situation, die durch die Verwerfungen infolge der Währungsreform noch verschärft wurde, kamen die Bestrebungen der Amerikaner, Kulturschaffende für das Engagement im Wettbewerb der Systeme zu gewinnen, Witsch sehr gelegen, der es als „Homo Politicus und Netzwerker […] geschickt verstanden hat, ökonomische mit politischen Interessen zu verknüpfen“.131 Witsch war für die Amerikaner ein prädestinierter Partner, hatte er sich doch durch seinen Widerstand gegen das „bolschewistische Bibliotheksgesetz“ und die „Sowjetisierung“ der Bibliotheken ausgezeichnet und sich dem Vorwurf ausgesetzt, mit dem Ost-Büro der SPD zusammengearbeitet und gegen die SED agitiert zu haben.132 „Die Erfahrungen in der ‚Zone‘, das mit der Flucht verbundene abrupte Ende seiner Existenz als Bibliothekar und die Angst um seine Familie, die später in den Westen nachkam, hatten Witsch zu einem verbissenen Gegner der Kommunisten werden lassen.“133 Witsch war deshalb bestrebt, mit publizistischen Mitteln gegen die empfundene Teilnahmslosigkeit im Westen gegenüber den Entwicklungen im Osten und die Propagierung einer Wiedervereinigung Deutschlands als neu­ tralem Staat anzugehen. 1950 gründete er das Publizistische Zentrum für die Einheit Deutschlands, das die Westbindung unterstützte und mit dem PZ-­ Archiv (später SBZ-Archiv) eine zweiwöchentlich erscheinende Veröffent­ lichung herausgab, um Multiplikatoren in Medien und Institutionen mit Informationen über Vorgänge im Osten zu informieren, die Öffentlichkeit für die Entwicklungen in der DDR zu sensibilisieren und eine antisowjetische Haltung zu stärken.134 129  Vgl. Boge, Die Anfänge von Kiepenheuer & Witsch. S. 361; Wahl, Gustav Kiepenheuer, Theodor Plivier und Joseph Caspar Witsch. S. 149. 130  Vgl. ebd. S. 148. 131  Möller, Verleger und Netzwerker. S. 297. 132  Vgl. Körner, Kiepenheuer & Witsch und der Kalte Krieg. S. 249. 133  Möller, Verleger und Netzwerker. S. 298. 134  Vgl. ebd. S. 300.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Witschs Wirken lag dabei ganz auf der Linie der kulturpolitischen Strategie der Amerikaner, wie sie vor allem in der Einrichtung des Kongresses für kulturelle Freiheit (Congress for Cultural Freedom, CCF) Ausdruck fand, an dessen Tagungen Witsch regelmäßig teilnahm.135 Der CCF sammelte links­ liberale Intellektuelle und unterstützte ihre Arbeit – nicht zuletzt mit Geheimdienstgeldern –, um die prowestliche Position in den öffentlichen Debatten der Bundesrepublik zu stärken.136 Aber auch politische Aktionsgruppen wurden von den Amerikanern gefördert beziehungsweise ins Leben gerufen, deren wichtigste die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) war. Sie suchte das SED-Regime unter anderem durch die Verbreitung von in der SBZ beziehungsweise DDR illegalen Publikationen zu schwächen. Die Verbindungen zwischen der KgU und Witsch waren eng: Als Vorstand des Publizistischen Zentrums für die Einheit Deutschlands fungierten neben Witsch selbst Eugen Kogon, Herausgeber der Frankfurter Hefte, und der Sozialdemokrat Ernst Tillich, der zugleich Leiter der KgU war; Berend von Nottbeck, ein früherer NS-Journalist und SS-Angehöriger, der später die Leitung des politischen Lektorats bei Kiepenheuer & Witsch übernahm, hatte die Göttinger Gruppe der KgU geleitet.137 Das Publizistische Zentrum diente als Dach für drei Verlage, die für die Verbreitung antikommunistischer Schriften sorgen sollten und die formal unabhängig von Kiepenheuer & Witsch waren, faktisch aber als Imprints des Verlags fungierten: der Verlag Rote Weißbücher, der Verlag für Politische Publizistik und der Verlag des PZ-Archivs; alle Einrichtungen wurden infolge der Berliner Tagung des CCF 1950 gegründet – und zunächst vollständig von den Amerikanern finanziert.138 Auch in diesem Zusammenhang gelang es Witsch also, Ökonomie und Politik vortrefflich miteinander in Einklang zu bringen. Neben dem PZ-Archiv dienten auch die Roten Weißbücher den skizzierten Zwecken. Sie befassten sich mit Empirie und Analyse der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der DDR, aber auch des sowjetisch dominierten Ostens insgesamt.139 Hierzu publizierten etwa Margarete BuberNeumann (die auch bei der DVA veröffentlichte),140 der KgU-Mitarbeiter Körner, Kiepenheuer & Witsch und der Kalte Krieg. S. 249. Hochgeschwender, Michael: Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen (= Ordnungssysteme, Bd. 1). München: Oldenbourg, 1998. 137  Vgl. Körner, Kiepenheuer & Witsch und der Kalte Krieg. S. 250. 138  Vgl. ebd. 139  Vgl. Möller, Verleger und Netzwerker. S. 303. 140  Buber-Neumann, Margarete: Als Gefangene bei Stalin und Hitler. Köln: Verlag Rote Weißbücher, 1952. 135  Vgl. 136  Vgl.



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage153

Gerd Friedrich,141 der republikanische spanische General Valentin Gonzales142 oder der sowjetische Überläufer Gregory Klimow.143 Diese Titel waren vor allem für die Verbreitung in Westdeutschland vorgesehen, es wurde aber auch eine Reihe von Tarnausgaben produziert, die, mit unverfänglichen Umschlägen versehen, in die DDR gebracht wurden, um die dortige Bevölkerung gegen das SED-Regime zu vereinnahmen.144 So wurde etwa Wolfgang Leonhards Bestseller Die Revolution entläßt ihre Kinder, den Andreas Wirsching als ein antikommunistisches „Standardwerk“ bezeichnet, das dazu beigetragen habe, „dass die Bundesrepublik ein klares intellektuelles Fundament für die normative Distanzierung vom Kommunismus ent­ wickelte“,145 getarnt als Marx’ Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte in den Osten geschmuggelt.146 Der Titel Leonhards ist zudem ein Beispiel dafür, dass auch unter dem Signet von Kiepenheuer & Witsch selbst Titel erschienen, die sich mit dem sowjetischen System und dem kommunistischen Teil Deutschlands auseinandersetzten.147 Der Großteil der politischen Produktion bei Kiepenheuer & Witsch war prononciert antikommunistisch, aber nicht im eigentlichen Sinne konservativ. Witsch selbst war in den frühen Jahren nicht nur der verbreitete Kulturpessimismus der Konservativen fremd – so schrieb er 1950, „[d]ie Moralisten, die heute nach dem Schmutz- und Schundgesetz schreien, sprechen immer im Gefühl ihrer absoluten Unwissenheit von der Schundliteratur 141  Friedrich, Gerd: Die Freie Deutsche Jugend. Stoßtrupp des Kommunismus in Deutschland. Köln: Verlag Rote Weißbücher, 1950. 142  Gonzalez, Valentin: Die große Illusion. Von Madrid nach Moskau. Verlag Rote Weißbücher, 1951. 143  Klimow, Gregory: Berliner Kreml. Verlag Rote Weißbücher, 1951. 144  Vgl. Körner, Kiepenheuer & Witsch und der Kalte Krieg. S. 252. 145  Wirsching, Antikommunismus als Querschnittsphänomen. S. 16. 146  Leonhard, Wolfgang: Die Revolution entläßt ihre Kinder [mit Tarnumschlag: Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Verlag JHW Dietz Nachf. Berlin]. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1955. 147  Witsch beschrieb die Beweggründe für die Publikation des Buches folgendermaßen: „Mich haben bei der Herausgabe zwei Gesichtspunkte geleitet: einmal, eine literarisch unbearbeitete, also stilistisch nicht verbesserte Darstellung des Lebens eines jungen Mannes zu veröffentlichen, der ganz und gar das Produkt kommunistischer Erziehung darstellt; zum anderen schienen mir die Fakten […] weitgehend unbekannt gewesen zu sein […]. Mir scheint, […] die Bedeutung des Buches […] in der Tatsache zu liegen, […] daß man sieht, welche Art von Menschen das System produziert, wie ein solcher Mensch schreibt, wie er reflektiert und in wieviel Bezügen er, ohne daß er selbst es weiß und auch ohne daß er es wahrhaben will, doch ein Opfer des Systems geworden ist […].“ Zit. n. Stern, Carola: Politik im Dachgeschoß. In: Kiepenheuer & Witsch (Hrsg.): Kiepenheuer & Witsch 1949–1974. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1974. S. 50–64. Hier S. 54.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

als einem Ergebnis der modernen Zivilisation“, das sei „völlig dummes Zeug“ –,148 er kandidierte bei den Kommunalwahlen 1949 in Hagen sogar für die SPD (aus der er allerdings 1950 austrat).149 Entsprechend war die Perspektive der politischen Schriften des Verlags meist eine linke – und häufig die enttäuschter ehemaliger Kommunisten. Das politische Lektorat ent­ wickelte sich in den 1950er Jahren „zu einer Art Asyl ehemaliger kommunistischer Funktionäre“.150 Allzu ausgeprägte Berührungsängste gegenüber rechten Autoren hatte Witsch dennoch nicht. Zwar veröffentlichte er 1950 eine Polemik Max Benses gegen Ernst Jünger151 und bekannte, dass er die „ ‚Jüngerei‘ hasse, wie nichts auf der Welt“, wenige Jahre später jedoch gab er zu Protokoll, er „schätze ihn sehr und teile diese allgemeine Bausch- und Bogen-Verurteilung […] nicht“;152 auch Friedrich Sieburg achtete er und korrespondierte freundschaftlich mit ihm, ebenso, wie erwähnt, mit Ernst Niekisch. So fanden denn auch Publikationen bei Kiepenheuer & Witsch ihren Platz, die konservative beziehungsweise christdemokratische Perspektiven vertraten.153 In einer Typologie konservativer Verlage hat Kiepenheuer & Witsch auch deshalb seinen Platz, weil sich der Verlag wie kaum ein zweiter in einem weltanschaulichen Kampf engagierte, der von fast allen politischen Fraktionen Westdeutschlands, aber sowohl auf gesellschaftlicher wie auf institutioneller Ebene wesentlich unter konservativer Ägide geführt wurde. Kiepenheuer & Witsch machte sich mit zunächst sozialdemokratischer Tendenz einem konservativen Antikommunismus dienstbar – zumal Witsch eine ­ „­allmählich zum Konservativismus neigende[…] politische[…] und ästhetische[…] Anschauungsweise“154 entwickelte, „gewisse restaurative Züge be­ 148  Schreiben Joseph Caspar Witschs an O. E. H. Becker vom 22. April 1950. In: Witsch, Briefe. S. 26. Gleichwohl beklagte er besonders gegenüber konservativen Gesprächspartnern wie Friedrich Sieburg die „konforme[…] Mittelmäßigkeit, die uns jetzt durchgängig in der Literatur geboten wird“, so im Schreiben Witschs an Sieburg vom 2. August 1955. In: Witsch, Briefe. S. 66. 149  Vgl. Schreiben Joseph Caspar Witschs an Heinrich Troeger vom 17. Februar 1949. In: Witsch, Briefe. S. 18 f. 150  Stern, Politik im Dachgeschoß. S. 50. 151  Bense, Max: Ptolemäer und Mauretanier oder die theologische Emigration in der deutschen Literatur. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1950. 152  Zit. n. Boge, Die Anfänge von Kiepenheuer & Witsch. S. 368 f. 153  Etwa Kurt Zentners auf Anregung Witschs entstandene Dokumentation „Aufstieg aus dem Nichts“, die die Aufbauleistung seit Kriegsende und die enormen Wohlstandsgewinne unter der Regierung Konrad Adenauers inszenierte. Zentner, Kurt: Aufstieg aus dem Nichts. Deutschland von 1945 bis 1953. Eine Soziographie in 2 Bänden. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1954. 154  Wellershoff, Dieter: Residuum der Freiheit oder befreites Gebiet. In: Kiepenheuer & Witsch, Kiepenheuer & Witsch 1949–1974. S. 65–89. Hier S. 67.



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage155

jahte“155 und Adenauer für ihn in den Worten Carola Sterns, die in den 1960er Jahren das politische Lektorat des Verlags leitete, ein „Idol“ war – nicht zuletzt, weil er für einen klaren Westkurs stand, während nationalneu­ tralistische Positionen in der SPD verbreitet waren.156 Die Anbindung an Regierungseinrichtungen war denn bei Kiepenheuer & Witsch auch sehr eng. Denn als die US-Institutionen ab 1952 weniger Mittel bereitstellten, die direkt in antikommunistische Kulturunternehmungen flossen, konnte Witsch die ökonomisch komfortable Position, für die Produktion und Verbreitung politisch erwünschter Veröffentlichungen bezahlt zu werden, ohne einem Marktrisiko ausgesetzt zu sein, insofern sichern, als die entsprechenden Programme nun von bundesdeutschen Behörden unterstützt wurden, allen voran vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, als dessen „Hausverlag“ Kiepenheuer & Witsch mitunter wahrgenommen wurde und das über ein erhebliches Budget für Publikationen verfügte.157 So nahm das Ministerium die Hälfte der in der Regel 5.000 Exemplare betragenden Auflagen der Roten Weißbücher fest ab, um diese an Abgeordnete, Bürgermeister, Landräte, Behördenchefs und Beamte zu verteilen, oder ließ eine gekürzte Ausgabe von Leonhards Die Revolution entläßt ihre Kinder produzieren.158 Die Produktion von Kiepenheuer & Witsch diente mithin dazu, den weiten antikommunistischen Konsens der jungen Bundesrepublik zu festigen, die Aufmerksamkeit für die Vorgänge jenseits des „Eisernen Vorhangs“ zu erhöhen und im Sinne der Adenauer-Regierung für die enge Anlehnung an den Westen und gegen neutralistische Positionen, wie sie sowohl auf der Linken als auch auf der Rechten eingenommen wurden, anzugehen – und das in einem erheb­ lichen Umfang: Frank Möller zufolge machten kommunismuskritische Publikationen zwischen 1951 und 1953 20 bis 30 Prozent des Verlagsprogramm aus.159 Der eigentliche Kern blieb gleichwohl das belletristische Programm des Verlags, das vor allem mit den Namen Heinrich Böll (der freilich ebenfalls im CCF engagiert war), Erich Kästner und Joseph Roth verbunden ist; doch insbesondere in den 1950er Jahren war Kiepenheuer & Witsch eben nicht nur ein schöngeistiger, sondern wesentlich auch ein politischer Verlag, der sich nicht auf eine beobachtende Rolle beschränkte, sondern aktiv auf die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse einzuwirken suchte.

155  Boge,

Die Anfänge von Kiepenheuer & Witsch. S. 367. Politik im Dachgeschoß. S. 59. 157  Vgl. Körner, Kiepenheuer & Witsch und der Kalte Krieg. S. 252. 158  Vgl. Möller, Verleger und Netzwerker. S. 300. 159  Vgl. ebd. S. 304. 156  Stern,

156

D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

2. Bogen-Verlag Einen solchen Anspruch verfolgte während seiner gesamten Karriere auch Herbert Fleissner. Der Nukleus seiner Verlagsgruppe Langen-Müller-HerbigNymphenburger, heute Teil der Mediengruppe Franckh und in den frühen 2000er Jahren noch eine der größten Verlagsgruppen Deutschlands, und damit die Grundlage von Fleissners Aufstieg zu einem der einflussreichsten Buchverleger Westdeutschlands, war der 1952 in Stuttgart gegründete BogenVerlag. Heute weitgehend vergessen, stellt er ein für die in der Nachkriegszeit relativ zahlreich gegründeten Vertriebenenverlage durchaus typisches Beispiel dar, als der Fokus des Verlagsunternehmens und seines Verlegers – wesentlich aus biographischen Gründen – ganz auf die Geschichte, das Schicksal und die Kultur der aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten Vertriebenen gerichtet war sowie auf die politischen Agenden, die sie entwickelten. Die neue Situation der Ostdeutschen führte so zu einem neuen Verlagstyp konservativer Ausrichtung, der ganz unter dem Eindruck der neuen politisch-geographischen Situation der Epoche stand und entstand. Herbert Fleissner wurde 1928 im Sudetenland, in Eger, geboren und wurde als Gymnasiast noch kurz vor der deutschen Kapitulation zum Volkssturm einberufen,160 nicht zuletzt deswegen dürfte es schwierig gewesen sein, jenen Nachweis einer eindeutig antinazistischen Gesinnung zu erbringen, der entsprechend der Beneš-Dekrete Voraussetzung war, um als Deutscher im nach Kriegsende nun wieder unter tschechoslowakischer Verwaltung stehenden Sudetenland verbleiben zu dürfen.161 Wer diesen Nachweis nicht erbringen konnte, wurde zwangsausgesiedelt oder zunächst in Arbeitslager verbracht. Auch Fleissner wurde wohl im Herbst 1945 verhaftet, um Zwangsarbeit im Uranbergwerk Sankt Joachimsthal zu leisten. Ihm gelang jedoch die Flucht nach Österreich, zunächst zu Verwandten in der Steiermark. In Salzburg legte er die Maturaprüfung ab und studierte anschließend Jura in Innsbruck, wo er 1952 promoviert wurde.162 160  Vgl. Sarkowicz, Hans: Rechte Geschäfte. Der unaufhaltsame Aufstieg des deutschen Verlegers Herbert Fleissner. Frankfurt am Main: Eichborn, 1994. S. 8. 161  Vgl. Perzi, Niklas: Der Weg der Vertreibung und Enteignung – die BenešDekrete. In: Timmermann, Heiner/Voráček, Emil/Kipke, Rüdiger (Hrsg.): Die BenešDekrete. Nachkriegsordnung oder ethnische Säuberung: Kann Europa eine Antwort geben? (= Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Bd. 108). Münster: Lit-Verlag, 2005. S. 218–243. Hier S. 239; Slapnicka, Helmut: Die rechtlichen Grundlagen für die Behandlung der Deutschen und der Magyaren in der Tschechoslowakei 1945–1948. In: Timmermann/Voráček/Kipke, Die BenešDekrete. S. 286–300. Hier S. 299. 162  Vgl. SdJ-Geschichte: Dr. Herbert Fleissner. URL: www.sdj-geschichte.de/ Struktur/C-Gruendung/d-Gruender/ua-Gruender-01/Fleissner-Herbert.htm [letzter Zugriff: 19.01.2020].



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage157

Die Flucht aus dem Sudetenland und die Unmöglichkeit, angesichts der Blockkonfrontation dorthin zurückzukehren, prägten die politischen und publizistischen Aktivitäten Fleissners. Den Verlust der deutschen Ostgebiete und die Teilung des übrigen Deutschlands in Bundesrepublik und DDR empfand er, wie das Gros seiner Zeitgenossen, als tiefes Unrecht. So erstaunt es nicht, dass das Programm des Bogen-Verlags, den er zusammen mit Freunden 1955 als GmbH in Stuttgart gründete163 und dessen alleinige Geschäftsführung er 1959 übernahm,164 sich vor allem in den Dienst der Vermittlung der ostdeutschen Kultur, der Bewahrung der Erinnerung an oftmals verklärte Landschaften und der politischen Ziele der Vertriebenenverbände stellte. Fleissner war eng in die Strukturen, die die vertriebenen oder geflohenen Sudetendeutschen nach 1945 im Westen rasch aufbauten, eingebunden. So arbeitete er in der Kanzlei des ersten Sprechers des Bundesverbandes der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Exponenten des nationalkonserva­ tiven Flügels der Organisation Rudolf Lodgman von Auen, war selbst in Sudetendeutscher Landsmannschaft und Sudetendeutscher Jugend aktiv, hatte die Sudetendeutsche Zeitung mitbegründet und war Mitglied des 1950 gegründeten Witikobundes, eines völkischen sudetendeutschen Vereins, den das Bundesministerium des Innern als rechtsextrem einstufte.165 Die enge Vernetzung innerhalb der Vertriebenenorganisationen hat sicher dazu beigetragen, den Verlag, der vor allem auf das Sudetenland fokussiert war, aber auch Titel zu anderen ehemals deutschen beziehungsweise deutsch geprägten Regionen ins Programm nahm, zu etablieren, ihm Geschäftsfelder zu eröffnen und Autoren zuzuführen. So verlegte der Bogen-Verlag etwa verschiedene Schriften der Deutschen Jugend des Ostens, einer Jugendorganisation der Heimatvertriebenen, die in ihren Anfängen durchaus völkische und revisionistische Züge aufwies.166 163  Vgl. Staatsarchiv Ludwigsburg (künftig: StAL), FL 300/31, Amtsgericht Stuttgart: Handelsregister, 1801–2000, Bü 67, Bogen-Verlag: Gesellschaftsvertrag vom 23. Dezember 1955. Außer Fleissner selbst waren Oskar Böse (Bad Kissingen), Walter Richter (Lohhof), Karl und Otto Knötig (beide Stuttgart) Gesellschafter des Verlags, die jeweils 4.000 ­D-Mark Stammeinlage in die GmbH einbrachten. 164  Vgl. StAL, FL 300/31, Bü 67, FL 300/31, Amtsgericht Stuttgart: Handelsregister, 1801–2000, Bü 67, Bogen-Verlag: Schreiben des Justizinspektors Brodbeck an Herbert Fleissner vom 4. September 1959. 165  Vgl. Facius, Gernot: Erfolgreicher Verleger und Patriot: Zum Tod von Herbert Fleissner. In: Sudetenpost 63 (2017), Nr. 1. S. 12; Sarkowicz, Rechte Geschäfte. S. 8.; Salzborn, Samuel: Samuel Grenzenlose Heimat. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenverbände. Berlin: Elefanten Press, 2000. S. 127. 166  Vgl. Hamel, Anne-Christine: Meta-Organisationen in Zeiten des Wandels. Die „Deutsche Jugend des Ostens“ als Gegenstand gesellschaftspolitischer Kontroversen der Nachkriegszeit. In: Böick, Marcus/Schmeer, Marcel (Hrsg.): Im Kreuzfeuer der Kritik. Umstrittene Organisationen im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main/New York:

158

D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Zu den ersten und wichtigsten Autoren des Verlags zählte Wilhelm Pleyer. Pleyer war unter den „Grenzlanddichtern“ des „Dritten Reichs“ ein besonders erfolgreicher und wohlgelittener. Insbesondere die beiden Romane Der Puchner und Die Brüder Tommahans begründeten den Rang des Sudetendeutschen im Nationalsozialismus. Walther Killy zufolge stellten „[d]ie natio­ nale Opferbereitschaft des völkischen Helden im ‚Puchner‘ und die mystische ‚Blutsverwandtschaft mit der Erde‘ der Brüder Tommahans […] Eckpfeiler preisgekrönter NS-Dichtung“ dar.167 Für Herbert Fleissner war Wilhelm Pleyer nach 1945 ein zentraler Verbündeter bei dem Unterfangen, „die Neuauflage jener tragenden sudetendeutschen Grenzlandbücher, deren Lektüre vielfach in der Vergangenheit zu dem grossen völkischen Erlebnis wurde und zu dem neben dem Puchner und Watzliks ‚O Böhmen!‘ wohl auch das Buch von Hugo Scholz ‚Noch steht ein Mann‘ zählen darf“, in Angriff zu nehmen, dem der Bogen-Verlag vor allem diente.168 Noch 1971 wurde die Rolle deutlich, die Fleissner Pleyer zugebilligt hatte, als er diesem zu seinem 70. Geburtstag schrieb: „Ich bewundere wie je her Ihre ungebeugte Haltung, die in einmaliger Weise aus den soeben erschienenen ‚Jahrzehnten‘ deutlich wird. […] Es wird, so wie Ihr Werk der Beleg dafür sein, daß es in der geistigen Umnachtung der heutigen Dichtung Lichter gab.“169 Und so gehörte neben dem Türmer-Verlag Böhmes der Bogen-Verlag zu den Stammverlagen Pleyers, hier veröffentlichte er einen großen Teil seiner in der Nachkriegszeit erschienenen Werke, darunter die Neuauflage des ursprünglich 1940 publizierten autobiographischen Romans Tal der Kindheit, die 1957 im insgesamt 231. bis 240. Tausend vorgelegt wurde, ebenso weitere Romane,170 Erzählungen171 und Gedichte172, aber auch eine zusammen Campus, 2020. S. 453–484. Im Bogen-Verlag erschienen in Kommission: Deutsche Jugend des Ostens, Bundesgruppe Ostpreußen (Hrsg.): Ostpreußen (Ostkundliche Studie für Schulen und Jugendgruppen). Stuttgart: Bogen-Verlag, 1958; Deutsche Jugend des Ostens, Bundesführung (Hrsg.): Schlesien und Oberschlesien (Ostkund­ liche Studie für Schulen und Jugendgruppen). Stuttgart: Bogen-Verlag, 1959; Deutsche Jugend des Ostens, Bundesführung (Hrsg.): Volk auf dem Weg. Vom Schicksal der Deutschen aus Rußland (Ostkundliche Studie für Schulen und Jugendgruppen). München: Bogen-Verlag, 1960. 167  Zit. n. Sarkowicz, Rechte Geschäfte. S. 10. 168  DLA: A: Pleyer, Wilhelm, Fleissner an Pleyer, 1954–1974: Schreiben Herbert Fleissners an Wilhelm Pleyer vom 12. November 1955. Die genannten Werke sollten zusammen in einer „Grenzlandkassette“ angeboten werden. 169  DLA: A: Pleyer, Wilhelm, Fleissner an Pleyer, 1954–1974: Schreiben Herbert Fleissners an Wilhelm Pleyer vom 6. März 1971. 170  Bspw. Pleyer. Wilhelm: Der Puchner. Ein Grenzlandschicksal. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1959; Pleyer, Wilhelm: Wege der Jugend. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1962.



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage159

mit der Gesellschaft für freie Publizistik herausgegebene Gedenkrede für die NS-Dichter Hans Grimm, Erwin Guido Kolbenheyer und Will Vesper, die Pleyer im Rahmen der Lippoldsberger Dichtertage hielt,173 sowie der als „politisches Lesebuch“ bezeichnete Titel Europas unbekannte Mitte, der 1957 in erster, 1959 in zweiter Auflage veröffentlicht wurde. Der Band, in dem Pleyer argumentiert, dass die Tschechen ein „Fremdvolk im Herzraume Deutschlands“ seien, dem es unter deutscher Herrschaft weitaus besser gegangen sei als unter eigener Verwaltung,174 ging mit seinen geschichtsrevi­ sionistischen Tendenzen aber selbst wohlmeinenden Rezipienten mitunter zu weit. So schrieb Herbert von Stein im März 1958 an Fleissner, Pleyers Werk sei ein „Buch[,] von dem gesagt werden kann, daß es eine empfindliche Lücke ausfüllt und namentlich dem westdeutschen und westeuropäischen Leser manche Wahrheit auf recht herzhafte Art vermittelt“. Aber: „Meiner Ansicht nach kann der Sache der Sudetendeutschen nur mit der vollen Wahrheit gedient werden. Das Eingeständnis, daß die sprachliche Benachteiligung der Tschechen durch Hitler die vorherige Beeinträchtigung der sudetendeutschen Sprachrechte bei weitem übertraf und durch den erzwungenen Unterricht von Geschichte, Erdkunde und Mathematik in deutscher Sprache an tschechischen höheren Schulen noch unerhört verschärft wurde, hätte gewiß nichts geschadet. Auf dem Hintergrund einer solchen Wahrheitsliebe würde sich eine so zutreffende Bemerkung wie diejenige über die ‚Logik der Friedensdiktatoren von Paris‘ (S. 217) ganz anders ausnehmen.“175 Auch die Werke Will Vespers selbst, einem der anderen herausragenden und nach 1945 in manchen Kreisen noch gerne gelesenen NS-Autoren, hätten in den frühen 1960er Jahren im Bogen-Verlag beziehungsweise in Kooperation mit diesem erscheinen sollen. Nach dem Tod Will Vespers im Jahr 1962 unternahm sein Sohn Bernward Vesper, der wenige Jahre später als eine der schillerndsten Figuren des radikal-linken Intellektuellenmilieus der Bundesrepublik in Erscheinung treten sollte und auch für die linke Verlags171  Bspw. Pleyer, Wilhelm: So tief ist keine Nacht. Geschichten und Lieder aus der Zeit. München/Stuttgart, Bogen-Verlag, 1957; Pleyer, Wilhelm: Aus Winkeln und Welten: Erzählungen. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1962. 172  Bspw. Pleyer, Wilhelm: Dennoch. Neue Gedichte. München/Stuttgart: BogenVerlag, 1958; Pleyer, Wilhelm: Gedichte vieler Jahre. München/Stuttgart: BogenVerlag, 1962. 173  Pleyer, Wilhelm: Hans Grimm, E. G. Kolbenheyer, Will Vesper. Gedenkrede am 15. Juli 1962 aus Anlass der Lippoldsberger Dichtertages. München: Bogen-Verlag, 1962. 174  Pleyer, Wilhelm: Europas unbekannte Mitte. Ein politisches Lesebuch. München/Stuttgart, 21959. S. 27. 175  DLA, A: Pleyer, Wilhelm: Schreiben Herbert von Steins an den Bogen-Verlag vom 27. März 1958. Hervorhebung im Original.

160

D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

szene wichtige Impulse setzen sollte,176 den Versuch, eine Gesamtausgabe der Werke seines Vaters herauszubringen. Bernward Vespers Lebensgefährtin, die spätere RAF-Anführerin Gudrun Ensslin, erblickte in der Edition der Werke Vespers, des „liebenswertesten, unterhaltendsten und geistreichsten Dichter[s], den Deutschland in diesem Jahrhundert besessen hat“, eine wichtige „Aufgabe für das nationale Deutschland“.177 Bernward Vesper und Gu­ drun Ensslin hatten einen eigenen Verlag gegründet, der in erster Linie der Herausgabe des (schwieger-)väterlichen Œuvres dienen sollte, waren jedoch auf einen Partner angewiesen, um die Bände produzieren und vertreiben zu können. Im Dezember 1962 wandte sich Bernward Vesper deshalb an Herbert Fleissner: „Ich möchte mich also mit einem gleichgesinnten Verlag liieren, der Interesse daran hat, im Laufe der Zeit einem nach dem andern die Titel Will Vespers herauszubringen.“178 Fleissner begrüßte den „vorgeschlagenen Plan ganz ausserordentlich.“179 Dieser sah vor, dass der Bogen-Verlag eine Auflage von 6.000 Stück des Buches herstellen sollte, von denen Bernward Vesper, vor allem für eine bereits verhandelte Buchclubausgabe, den Großteil abnehmen sollte, während Bogen einige Exemplare – schließlich waren es 1.500 – in den Buchhandel bringen sollte.180 Mehr als der erste Band wurde allerdings nie veröffentlicht. Fleissners Sympathien für das Vesper-Unternehmen dürften groß gewesen sein, in die Programme seiner späteren Verlagsgruppe hätten sie sich auch gut eingefügt; zum Profil des Bogen-Verlags hätten sie allerdings nur bedingt gepasst, denn dieses blieb von Autoren geprägt, die aus dem Sudetenland oder anderen der verlorenen deutschen Ostgebiete stammten und/oder über sie und ihre Menschen schrieben. Bücher zu Land und Leuten, zur Kultur der Ostdeutschen legten zum Beispiel Erwin Nadolny181 und Erhard Knobloch182 vor; zu ihrer Geschichte 176  Vgl. Roth, Andreas: Der Voltaire Verlag und die Edition Voltaire. In: Füssel, Die Politisierung des Buchmarkts. S. 11–89. Hier S. 12. 177  Zit. n. Schultz-Gerstein, Christian: Die Zerstörung einer Legende. In: Der Spiegel 33 (1979), Nr. 52. S. 146–150. Hier S. 148. 178  DLA, A: Vesper, Bernward, Vesper, Ensslin an Bogen-Verlag, 1963: Schreiben Bernward Vespers an Herbert Fleissner vom 27. Dezember 1962. 179  DLA, A: Vesper, Bernward, Fleissner an Vesper, 1963: Schreiben Herbert Fleissners an Bernward Vesper vom 10. Januar 1963. 180  Vgl. DLA, A: Vesper, Bernward, Vesper, Ensslin an Bogen-Verlag, 1963: Schrei­ben Bernward Vespers an Herbert Fleissner vom 25. April 1963. 181  Nadolny, Erwin: Ostdeutsche Lebensbilder. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1957. 182  Knobloch, Erhard: Hinter dem Hügel. Bilder der Erinnerung. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1957.



II. Antikommunistische und Vertriebenenverlage161

publizierten der im rechtsextremen Kulturmilieu gut vernetzte Reinhard Pozorny183 oder der „Abendländer“ Georg Stadtmüller184; belletristische Werke stammten aus der Feder Hans Watzliks185 oder Franz Liebls186; und auch auf die spezifischen Bedürfnisse der Vertriebenen ausgerichtete Handreichungen wie Emil Breuers Darstellung der Lastenausgleichsgesetze fanden sich im Programm187 – dezidiert politische Bücher indes waren bemerkenswert selten unter den Bogen-Titeln. Das verlegerische Spektrum Herbert Fleissners erweiterte sich seit den späten 1950er Jahren jedoch kontinuierlich. 1958 war er als Hauptgesellschafter in den Klinger-Verlag eingetreten, der vor allem Periodika wie den Vertriebenenanzeiger, Der Sudetendeutsche oder die Schlesische Rundschau publizierte. 1960 zog Fleissner mit den Verlagen Bogen und Klinger von Stuttgart nach München;188 bereits in den Jahren zuvor waren in den Publikationen des Bogen-Verlags als Verlagsort sowohl Stuttgart als auch München angegeben, das mittlerweile zum Zentrum von Fleissners Wirken geworden war. Von hier aus erfolgte der Aufstieg vom Vertriebenen- zum bundesdeutschen Großverleger. Durch weitere Zukäufe entstand aus den beiden kleinen Verlagen eine große Verlagsgruppe: 1962 erwarb Fleissner den Wiener Amalthea-Verlag, 1966 den Berliner Herbig-Verlag, im Jahr darauf den Münchner Verlag Langen-Müller und 1974 schließlich den ebenfalls in München ansässigen Nymphenburger Verlag.189 In den Programmen der Verlagsgruppe waren Vertriebene und ihre Themen nach wie vor präsent, sie spielten aber keine herausragende Rolle mehr. Die Fleissner’sche Verlagsgruppe wies vor allem Elemente eines konservativen Publikumsverlags auf – und solche revisionistischer Tendenz. Denn Fleissner war der einzige Großverleger der Bundesrepublik, der über Jahrzehnte hinweg an NS-Autoren festhielt und revisionistischen Stimmen, etwa Hans Grimm, Paul Ettighofer oder Heinrich Zillich, immer wieder ein Forum bot.190 183  Pozorny, Reinhard: Wir suchten die Freiheit. Weg einer Volksgruppe. München/Stuttgart, Bogen-Verlag, 1959. 184  Stadtmüller, Georg: Geschichtliche Ostkunde. Abriß der Geschichte des deutschen und europäischen Ostens. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1959. 185  Watzlik, Hans: Der Verwunschene. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1957. 186  Liebl, Franz: Unterwegs. Gedichte eines jungen Suchers. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1959. 187  Breuer, Emil: Die Lastenausgleichsgesetze. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1957. 188  Vgl. Sarkowicz, Rechte Geschäfte. S. 17. 189  Vgl. ebd. S. 23 ff.; Flemmer, Verlage in Bayern. S. 245. 190  Vgl. Sarkowicz, Rechte Geschäfte. S. 12.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

In der Öffentlichkeit und auch im Buchhandel wurde das kritisch beobachtet und mitunter auch sanktioniert. So wurde Fleissner etwa die Aufnahme in den Kreis der Verleger der Bücher der 19, dem unter anderem die DVA, Kiepenheuer & Witsch, Kösel und Rowohlt angehörten, verwehrt, obwohl er durch den Erwerb des Herbig-Verlags eigentlich in das Unternehmen eingetreten wäre.191 Seinen weiteren Aufstieg allerdings hielt das nicht auf: 1984 wurde Fleissners Verlagsgruppe mit Ullstein und Propyläen fusioniert, wodurch der Verleger eine herausgehobene Position im Springer-Konzern einnahm. Der Bogen-Verlag hatte derweil schon länger nur noch eine untergeordnete Rolle für Fleissner gespielt; ab 1974 verzeichnet die Deutsche Natio­ nalbibliothek keine Publikationen des Verlags mehr.

III. Konservative Kulturverlage Wie nach 1945 die vermeintliche oder tatsächliche Kulturbeflissenheit der deutschen Nachkriegsgesellschaft im publizistischen Bereich ihren augenfälligsten Ausdruck in dem oben skizzierten Zeitschriftenboom fand, so äußerte sich das Kulturstreben des vorherigen Jahrhundertwechsels und der Jahre um den Ersten Weltkrieg in einer neuen Form des Buches und seines Verlags: dem des „Kulturbuchs“ beziehungsweise „Kulturverlags“; diese freilich waren oftmals weitaus langlebiger als die kulturellen Zeitschriften der 1940er und 1950er Jahre. Samuel Fischer, einer der frühesten Vertreter des Typus des Kulturverlegers, sah die Aufgabe, die er sich mit der Gründung seines Verlags 1886 stellte, darin, „[d]em Publikum neue Werte aufzudrängen, die es nicht will“192 – eine Motto, unter das auch die konservativen Kulturverleger der Nachkriegsjahre ihre Arbeit hätten stellen können. Fischer, der „Cotta des Naturalismus“,193 und viele seiner Autoren indes waren eher bestrebt, der progressiven Sache zu dienen. So gruppierten sich um den Verlag und die bei S. Fischer erscheinende Neue Rundschau, eine der herausragenden Literaturzeitschriften der Jahre um die Jahrhundertwende, Schriftsteller und Mitarbeiter wie Gerhart Hauptmann, Henrik Ibsen, Alfred Döblin und Peter Suhrkamp, die dazu beitrugen, den Verlag „zu einem Zentrum der damaligen sozialen Bewegung“ zu machen.194 Flemmer, Verlage in Bayern. S. 245. Janzin, Marion/Güntner, Joachim: Das Buch vom Buch. 5.000 Jahre Buchgeschichte. Hannover: Schlütersche Verlagsanstalt, 1995. S. 382. 193  Vgl. Zeller, Bernhard (Hrsg.): S. Fischer, Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im SchillerNationalmuseum Marbach am Neckar (= Marbacher Katalog, Bd. 40). Marbach: Deutsche Schillergesellschaft, 1985. S. 11 f. 194  Bermann Fischer, Gottfried: Bedroht – bewahrt. Weg eines Verlegers. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1967. S. 42. 191  Vgl.

192  Zit. n.



III. Konservative Kulturverlage163

Während auch Kurt Wolff als der renommierteste deutsche Expressionismus-Verleger tendenziell der politischen Linken zuzurechnen war, verlor der Verlag Albert Langen nach dem Tod des Verlegers „seinen lästerlichen, oppositionellen Charakter“ und fand sich aufseiten der nationalistischen Kulturverlage wieder, in der Gesellschaft etwa Georg Müllers oder Karl Robert Langewiesches.195 Beeinflusst waren fast alle Kulturverleger von den Ideen und Impulsen der Reformbewegung, wenngleich sich in den jeweiligen Häusern daraus je andere Schlussfolgerungen und Forderungen an Kultur und Gesellschaft ergaben. Eine nationalromantische und konservative Linie verfolgte der wohl berühmteste Vertreter der Gattung „Kulturverleger“, der ihr auch ihren Namen gab: Eugen Diederichs. Zehn Jahre nach Fischer gründete er seinen Verlag in Florenz, 1904 zog er nach Jena um und machte die Stadt abermals zu einem literarischen Zentrum, das sie bereits für die Frühromantiker gewesen war. Im Programm des Diederichs-Verlags dominierten pädagogische, lebensreformerische und kulturphilosophische Werke sowie Reihen, die Märchen und Mythen vorstellten, aber auch die „Deutsche Volkheit“ oder die „Deutsche Stammeskunde“ in den Blick nahmen.196 Als Gegenpart zu Fischers Neuer Rundschau etablierte sich die bei Eugen Diederichs erscheinende und zunächst von ihm selbst herausgegebene Zeitschrift Die Tat, die unter der Leitung Hans Zehrers seit den späten 1920er Jahren eine klar rechtsradikale Ausrichtung bekam.197 Anders als der Verlag Kurt Wolffs, der 1940 aufgelöst worden war, setzten viele der seit dem späten 19. Jahrhundert gegründeten Kulturverlage nach 1945 ihre Tätigkeit fort: Der S.-Fischer-Verlag erlebte eine faktische Spaltung, als Gottfried Bermann Fischer, der nach Samuel Fischers Tod 1934 den Verlag übernommen hatte und 1936 ins Exil gegangen war, und Peter Suhrkamp, der die Geschäfte seitdem geführt hatte, sich nicht über die Zukunft des Verlags einigen konnten, woraufhin letzterer sein eigenes Unternehmen gründete. Der Großteil der bisherigen S.-Fischer-Autoren wechselte zum Suhrkamp-Verlag, der nicht zuletzt deshalb zu dem Kulturverlag der Bundesrepublik avancieren konnte;198 der Langen-Müller-Verlag wurde im Nationalsozialismus zunächst der Deutschen Arbeitsfront, 1943 schließlich dem zum parteieigenen Eher-Verlag gehörenden Verlag Knorr & Hirth angegliedert 195  Janzin/Güntner, Buch vom Buch. S. 386. Vgl. auch Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 309. 196  Janzin/Güntner, Buch vom Buch. S. 384 f. 197  Vgl. Mendelssohn, Peter de: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1986. S. 1246 f. 198  Suhrkamp Verlag (Hrsg.): Die Geschichte des Suhrkamp Verlages, 1950–2000. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2000. S. 25 f.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

und nach Kriegsende von den Amerikanern beschlagnahmt.199 In den frühen 1950er Jahren nahm Langen-Müller die Arbeit wieder auf und legte unter anderem Werke von Knut Hamsun, Otto Heinrich Kühner oder Max Mell vor. 1967 wurde das Unternehmen von Herbert Fleissner erworben und in sein Verlagskonglomerat integriert; auch Diederichs knüpfte an seine Vergangenheit an, als die Söhne des Gründers, Peter und Niels, 1949 beziehungsweise 1952 den Verlag in Düsseldorf und Köln neu gründeten, nachdem die Bemühungen um eine Lizenzierung in der SBZ gescheitert waren.200 Sie legten Programme vor, die sich mit Autoren wie Svend Fleuron, Otto Gmelin oder Agnes Miegel sowie mit Mystik, Mythen und Märchen von denen der Vorkriegszeit nicht wesentlich unterschieden. Niels Diederichs spielte als Verleger nach 1945 eine wichtige Rolle im Netzwerk der konservativen Kulturelite der Nachkriegszeit. So wandte sich etwa Klaus Mehnert im Juli 1946 noch von dem Schiff aus, das ihn nach jahrelangem Aufenthalt in China nach Deutschland zurückbrachte, mit einem „Kopf voller Plaene“ an Diederichs, bei dem er sich auch nach dem Verbleib Giselher Wirsings erkundigte.201 Neben diesen relativ großen Kulturverlagen gab es eine Vielzahl kleinerer Häuser, die nach 1945 ihre Arbeit fortsetzten oder neu aufnahmen, nicht wenige von ihnen beseelt von einer konservativen Kulturmission. Diese „Kulturmission“ ist es, die Kulturverlage von anderen Belletristikund Sachbuchverlagen unterscheidet. Das Büchermachen verstand der Kulturverleger (primär) als Kulturakt, er wollte nicht nur Verleger, sondern Gleicher unter Gleichen sein, einer, der als „Partner, Freund und Gleichgesinnter unter seinen Autoren lebt“,202 mithin Teil eines Zirkels von Kulturschaffenden ist, aus dem das Buch gewissermaßen organisch hervorgeht; das Produkt „Buch“ ist hier ein Mittel, keinesfalls der Zweck des kulturellen Schaffens – jedenfalls behauptet es, das zu sein. Denn es steht freilich dahin, in welchem Maß der kulturmissionarische Duktus im Einzelfall eine Inszenierung war, die ganz profanen wirtschaftlichen Zwecken diente. Solche Zwecke zu verfolgen blieb derweil das Geschäft auch und gerade der Kulturverleger und der wirtschaftliche Erfolg ihrer Programme oder zuWittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 341 ff. Triebel, Der Eugen Diederichs Verlag. S. 281 ff. 201  DLA, A: Diederichs°Eugen-Diederichs-Verlag, Mehnert an Diederichs, 1933– 1946: Schreiben Klaus Mehnerts an Niels Diederichs vom 24. Juli 1946. 202  Hellge, Manfred: Der Verleger Wilhelm Friderich und das „Magazin für die Literatur des In- und Auslandes“. Ein Beitrag zur Literatur- und Verlagsgeschichte des frühen Naturalismus in Deutschland. In: Historische Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (Hrsg.): Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 16. Frankfurt am Main: Buchhändler-Vereinigung, 1976. Sp. 791–1216. Hier Sp. 1165. 199  Vgl. 200  Vgl.



III. Konservative Kulturverlage165

mindest ein ausreichendes Vermögen der Verleger (oder ihrer Gönner) waren unabdingbar, erforderte ihre Rolle doch im Zweifelsfall größere ökonomische Mittel als die der Produzenten von „Massenware“. Schließlich war der Kulturverleger einer, der seine Autoren „finanziert, anregt, fördert, ihre ‚Bewegung‘ organisiert, ihre Öffentlichkeit steuert, ihre Bücher und ihre gemeinsame Zielsetzung noch vor Gericht vertritt“ und wurde somit im Idealfall „ein Akteur im Literaturgeschehen, der als produktives Element an den Äußerungen, Beziehungen und Entwicklungen seiner Autoren teilhat, d. h. ein integraler Faktor ihrer Literaturgeschichte“.203 Konservative Kulturverlage, wie sie hier verstanden werden, zeichnen sich dabei dadurch aus, dass sie in ihrer programmatischen Ausrichtung auf eine kulturkritische Beschreibung und Analyse ihrer Gegenwart zielen und mit ihren Publikationen unter Annahme eines geistigen gegenüber einem politischen Primat auf die jeweiligen gesellschaftlichen Orientierungsdiskurse einzuwirken suchen. Sie bilden dabei Zirkel von Intellektuellen und Kulturschaffenden aus, mit dem Ziel, eine kulturell-intellektuelle Elite konservativer Denker und Multiplikatoren hervorzubringen. Zentral für ihren Konservatismus ist ein ästhetisches und ästhetisierendes Moment, er ist nicht zuvörderst politisch zu fassen. Für konservative Kulturverlage gilt im Besonderen, was für Kulturverlage im Allgemeinen gilt, nämlich, dass sie „sich mit den Büchern, die sie produzierten, identifizierten, wobei die Abgrenzung nicht nur gegen andere Inhalte funktionierte, sondern häufig auch gegen ‚kommerzielle‘ Verlage und Bücher“.204 In der Nachkriegszeit äußerte sich diese programmatische Ausrichtung konservativer Kulturverlage in der Verhandlung kulturkritischer Topoi der Zeit, in der Diagnose eines geistigen Verfalls, dem durch kulturelle Bildung, gelehrte Betrachtungen, intellektuelle Einwürfe begegnet werden soll. Ihre Autoren und Bücher setzen sich mit Materialismus, Gottlosigkeit, Sittenverfall, Bildungsverlust auseinander, häufig sind dabei spirituelle, religiöse, aber auch kulturesoterische Ansätze zu beobachten. 1. Otto-Reichl-Verlag Als Otto Reichl im Jahr 1909 in Berlin seinen ersten Verlag, den Reichl-&Co.-Verlag, gründete, tat er dies explizit als Kulturverleger, sollte sich sein Programm doch vornehmlich Fragen der Philosophie und der Religion widmen, und er tat dies mit einer konservativen Wirkungsabsicht. Denn mit seinen Programmen wollte er, aus einer geradezu idealtypischen kulturpessi203  Ebd.

204  Blaschke,

Verleger machen Geschichte. S. 286 f.

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mistischen Gegenwartsdeutung heraus, der „zersplitterten“ und „materialistischen“ Kultur seiner Zeit, der „müde und skeptisch gewordene[n] geistige[n] und geistliche[n] Welt“ begegnen.205 Nicht nur mit Büchern, auch mit Periodika wollte er darauf hinarbeiten. So sollte die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Jahreszeiten „formvollendete Essays geschmackvoll […] vereinigen“ und einer „anmutigen Gelehrsamkeit“ ein Forum bieten.206 Die Diagnose Reichls über den Zustand der deutschen Gesellschaft um die Jahrhundertwende könnte genauso von einem kulturkritischen Kommentator der jungen Bundesrepublik stammen: „Reichl sah seine Zeit durch eine Orientierungskrise geprägt, in der ein Ungleichgewicht zwischen gesellschaft­ licher (politischer, wirtschaftlicher, technischer) Entwicklung und geistiger Entwicklung bestand.“207 Vor diesem Hintergrund strebte Reichl danach, einer einheitlichen deutschen Weltanschauung das Feld zu bereiten, einer der ersten Titel seines Verlags hieß denn auch Weltanschauung – Philosophie und Religion.208 Der von Max Frischeisen-Köhler herausgegebene Band beschreibt in seinem Titel nicht nur die wesentlichen Topoi, mit denen sich die Reichl’schen Publika­ tionen bis zum Tode des Verlegers beschäftigen sollten, seine Beiträger, etwa Hermann Graf Keyserling, Ernst Troeltsch oder Eduard Spranger, blieben ihm auch später wichtige intellektuelle Wegbegleiter. Der Begriff und die Idee der Weltanschauung blieb Zeit seines Lebens zentral für den Verleger. Die Anregung zur Auseinandersetzung mit Weltanschauungsfragen erhielt er dabei von Houston Stewart Chamberlain, dem er seit seiner Tätigkeit als Hersteller bei Bruckmann, wo Chamberlains berüchtigtes Werk Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts erschien,209 verbunden war.210 Mit seinem Hauptwerk legte der Brite eine der einflussreichsten Schriften des rassistischen Antisemitismus vor, das unter anderem die Ideologie Alfred Rosenbergs prägte und mithin die nationalsozialistische Vernichtungspolitik mit vorbereitete.211 Die von Chamberlain behauptete deutsche Überlegenheit interpretierte Reichl indes, gegen die Intention des Autors, eher als eine kultu205  Zit. n. Seng, Thomas: Weltanschauung als verlegerische Aufgabe. Der Otto Reichl Verlag 1909–1954. St. Goar: Reichl Verlag, 1994. S. 17. 206  BAK, N 1136/24, Nachlass Georg Jellinek, Korrespondenzreihen: R, 1891– 1911: Schreiben Otto Reichls an Georg Jellinek vom 29. März 1909. 207  Seng, Otto Reichl Verlag. S. 20. 208  Frischeisen-Köhler, Max (Hrsg.): Weltanschauung – Philosophie und Religion. Berlin: Reichl Verlag, 1911. 209  Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts. München: Bruckmann, 1899. 210  Vgl. Seng, Otto Reichl Verlag. S. 49 ff. 211  Vgl. Lobenstein-Reichmann, Anja: Houston Stewart Chamberlain – Zur text­ lichen Konstruktion einer Weltanschauung. Eine sprach-, diskurs- und ideologiege-



III. Konservative Kulturverlage167

relle denn eine rassische – und so sah er auch nach 1945 keinen Anlass, sich von Chamberlain zu distanzieren, im Gegenteil verstand er ihn als ein Opfer böswilliger Missinterpretation: „Leider hat man Chamberlain nach seinem Tode zum Nationalsozialisten stempeln wollen, aber die ganze Geschichte ist ein grosser Schwindel wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß.“212 So sehr Reichl ein umtriebiger Geschäftsmann war und etwa als Initiator der Reihe Deutsche Bibliothek, die er zusammen mit dem Kaufhaus Wertheim ins Leben gerufen hatte,213 als einer der Väter des Warenhausbuchhandels angesehen werden kann, so sehr war seine Arbeit von einem weltanschaulichen Impetus getrieben. Den Ersten Weltkrieg sah Reichl denn auch als eine Möglichkeit, die „Gesamtheit des deutschen Volks auch geistig zu organisieren“;214 als der Krieg mit der Niederlage der deutschen Armee und dem Untergang des Kaiserreiches endete, nahm Reichl dennoch, anders als der Großteil der deutschen Konservativen nach 1918/19, keine revanchistische Position ein. Er suchte einen Neuanfang vielmehr auf geistigem Gebiet. Vor allem mit zwei Projekten wollte Reichl zu diesem Neuanfang beitragen: einer Gesamtausgabe der Werke Gottfried Wilhelm Leibniz’ und der Einrichtung einer Philosophenkolonie, der „Schule der Weisheit“ in Darmstadt, wohin er 1918 übergesiedelt war. Den Plan für die Gesamtausgabe hegte Reichl bereits seit der Jahrhundertwende, doch erst in den 1920er Jahren wurde er konkret. Im Juni 1921 wurde ein Verlagsvertrag zwischen Reichl und der Preußischen Akademie der Wissenschaften geschlossen, der die Veröffentlichung sämtlicher Schriften und Briefe Leibniz’ in 40 Bänden vorsah.215 Das Projekt war von vornherein zum Scheitern verurteilt, war die Finanzierung – Reichl verzichtete auf einen Zuschuss der Akademie – doch ungewiss und verbindliche Regelungen über Manuskriptabgaben fehlten ebenfalls. So konnten bis 1931 erst fünf Bände fertiggestellt werden.216 Als Reichl im selben Jahr gezwungen war, seine Rechte zu verkaufen, war die Gesamtausgabe im Reichl-Verlag gestorben – und damit ein verlegerisches Großprojekt, das das Fundament für eine Neugestaltung des Lebens aus christlicher Perspektive legen sollte.

schichtliche Analyse (= Studia Linguistica, Bd. 95). Berlin/Boston: De Gruyter, 2008. S.  142, 613 ff. 212  BAK, N 1182/250, Nachlass Eduard Spranger, Korrespondenz 1882–1963: Schreiben Otto Reichls an Eduard Spranger vom 13. Oktober 1947. 213  Vgl. BAK, N 1182/250, Nachlass Eduard Spranger, Korrespondenz 1882–1963: Schreiben Otto Reichls an Eduard Spranger vom 7. November 1911. 214  Zit. n. Seng, Otto Reichl Verlag. S. 21. 215  Vgl. ebd. S. 282. 216  Vgl. ebd. S. 284, 289.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Auch in der „Schule der Weisheit“ verbanden sich lebensreformerische, esoterische und zeitkritisch-philosophische Ansätze. Die Philosophenkolonie orientierte sich an der Darmstädter Künstlerkolonie und wurde vom letzten Großherzog von Hessen-Darmstadt, Ernst Ludwig, gefördert. In ihrem Zen­ trum stand Hermann Graf Keyserling, der in den Zwischenkriegsjahren ein veritabler Bestsellerautor war und damit nicht nur der intellektuelle, sondern auch der ökonomische Fixstern Otto Reichls.217 Dieses Verhältnis allerdings verschlechterte sich rapide, als Reichl in zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und den Forderungen Keyserlings, der sich übervorteilt fühlte, nicht entsprechen konnte. 1931 war der Verlag faktisch insolvent, ein Verkauf an die Hanseatische Verlagsanstalt stand im Raum.218 Stattdessen jedoch wurden sämtliche Verwertungsrechte, darunter die der Leibniz-Ausgabe, an die Firma Koehler-Volckmar verkauft, sodass der Verlag ohne sein eigentliches Kapital dastand.219 In den ersten Jahren des „Dritten Reiches“ versuchte sich Reichl mit dem neuen Regime zu arrangieren, ja er wollte sich gar die NS-Justiz zunutze machen, um gegen Keyserling, mit dem er sich inzwischen vollends entzweit hatte, vorzugehen.220 Als Reichl jedoch 1941 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen wurde, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren keine regelmäßige Verlagsproduktion mehr nachweisen konnte, und im selben Jahr von einer Aktion der Gestapo „gegen Geheimlehren und sogenannte Geheimwissenschaften“ betroffen war, brach er mit dem Nationalsozialismus. In der Folge wandte sich Reichl verstärkt der Religion zu und von der Philosophie ab.221 Sein Weltbild beschrieb er fortan als „christozentrisch“.222 Nach Ende des Zweiten Weltkriegs unternahm der mittlerweile am Ende seines siebten Lebensjahrzehnts stehende Otto Reichl wieder Anläufe, ein neues Verlagsunternehmen im Geiste seiner Vorgänger ins Leben zu rufen. Im Zentrum sollten abermals Werke stehen, die in einer Phase des Umbruchs die Neuorientierung der Gesellschaft und Kultur und ihre Grundlegung durch überzeitliche Werte ermöglichen sollten, nun eben zuvörderst „christozentrische“. So sollte „die Krisis des autonomen Menschen, ihre Ursachen und 217  Vgl. ebd. S. 161 ff., zur Geschichte und Organisation der „Schule der Weisheit“ S.  173 ff. 218  Vgl. Lokatis, Siegfried: Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im „Dritten Reich“. Frankfurt am Main: Buchhändler-Vereinigung, 1992. S. 75. 219  Vgl. Seng, Otto Reichl Verlag. S. 302 ff. 220  Vgl. ebd. S. 32 f. 221  Vgl. ebd. S. 366 ff. 222  Vgl. bspw. BAK, N 1166/360, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 4, 1. Okt 1946–31. Dez. 1947 Schreiben Otto Reichls an Gerhard Ritter vom 2. Dezember 1946.



III. Konservative Kulturverlage169

ihre Folgen als christozentrische Anthropologie aufgezeigt, dem Menschen als Wesen zweier Welten der Heilsweg gewiesen werden mit dem Ziel eines neuen Menschentums im christlichen Menschenbild, das die ursprüngliche Freiheit und Würde des Menschen wiederherstellt“.223 Zu diesem Zwecke gründete Reichl 1946 in Tübingen den Otto-ReichlVerlag, der am 6. März als einer der ersten in der französischen Zone eine Lizenz erhielt. Ein Jahr später siedelte Reichl nach Pfullingen über, weil die Wohnungsnot in Tübingen zu drückend war.224 Dort traf er auf Günther Neske. Neske, der selbst Verleger werden wollte, trat 1948 im Alter von 34 Jahren als Teilhaber in den Reichl-Verlag ein. Mit ihm kamen neue Autoren zum Verlag, unter ihnen der mit Neske persönlich bekannte Ernst Jünger.225 Die Kooperation mit Neske kam Reichl insofern zupass, als er die Notwendigkeit sah, „dem Verlag durch Originalwerke wieder eine festere Substanz zu geben“ und nach „40 Jahren als selbstständiger Verleger“ den Wunsch verspürte, seine „Firmen unversehrt nach und nach reinen Händen zu überlassen und mich selbst auf geistige Arbeit zurückzuziehen“.226 Neben Werken Jüngers erschienen im Reichl-Verlag vor allem Bücher, die eine gesellschaftliche Erneuerung unter christlichen Vorzeichen propagierten, etwa Kurt Plachtes Der heilige Weg227 oder Friso Melzers Christus und die indischen Erlösungswege228. Dieses Programm ergänzten konservative Geschichtsdeutungen wie Helmut Thieleckes Auseinandersetzung mit dem ­Nihilismus229 oder die Betrachtungen zum „Sinn der Geschichte“ von Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew,230 der dem Renouveau catholique nahestand. Die Zusammenarbeit mit Neske endete 1951 mit einer gerichtlichen Trennung und der Gründung des Verlags Günther Neske, der alle bis dahin erschienenen Titel des Tübinger Reichl-Verlags übernahm (und ebenfalls als ein konservativer Kulturverlag zu charakterisieren ist), während Reichl bloß die Namensrechte an seinem Verlag blieben;231 einigermaßen verbittert be223  Ebd.

Seng, Otto Reichl Verlag. S. 34. erschienen Lizenzausgaben von Atlantische Fahrt und Auf den Marmorklippen bei Reichl. 226  BAK, N 1182/250, Nachlass Eduard Spranger, Korrespondenz 1882–1963: Schreiben Otto Reichls an Eduard Spranger vom 13. Oktober 1947. 227  Plachte, Kurt: Der heilige Weg. Tübingen: Reichl Verlag, 1949. 228  Melzer, Friso: Christus und die indischen Erlösungswege. Tübingen: Reichl Verlag, 1949. 229  Thielicke, Helmut: Der Nihilismus. Tübingen: Reichl Verlag, 1950. 230  Berdjajew, Nikolai Alexandrowitsch: Der Sinn der Geschichte. Tübingen: Reichl Verlag, 21950. 231  Vgl. Seng, Otto Reichl Verlag. S. 375. 224  Vgl. 225  So

170

D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

richtete Reichl im folgenden Jahr denn auch Eduard Spranger: „Sie werden sich vielleicht erinnern, dass ich vor einigen Jahren in Tübingen meine Verlagstätigkeit fortgesetzt habe, die mir durch das verruchte Naziregime gestört worden war. Nachdem ich im ganzen 4 mal um die Früchte meiner Arbeit und meine Existenz gebracht worden war, hatte ich leider das Pech, auf einen Teilhaber hereinzufallen, der sich als Schwindler und Betrüger erwiesen hat und den ich nur unter grossen Verlusten wieder loswerden konnte.“232 Nach der Trennung von Neske war Reichl darum bemüht, den „Verlag auf eine breitere Basis zu stellen und über mein zeitliches Dasein hinaus zu sichern“.233 Ein Projekt, das Reichl dabei bis zum Ende seines Lebens weiter verfolgte, ja das sich zu einer regelrechten fixen Idee entwickelte, war die Fortsetzung der Leibniz-Gesamtausgabe. Ungeachtet der Tatsache, dass die Rechte an der Reihe nicht mehr bei ihm lagen, bemühte er sich unverdrossen um deren Veröffentlichung sowie um die Publikation der Abhandlungen der Leibniz-Gesellschaft, die, so berichtete er im September 1947, unter dem Titel Leibniz-Archiv erscheinen sollten. Als Herausgeber sollte Paul Ritter fungieren, obwohl „es auf die Saumseligkeit Ritters zurückzuführen [sei], der immer Angst vor der eigenen Courage hatte“, dass aus der Leibniz-Gesellschaft und der Leibniz-Ausgabe „nichts Rechtes geworden“ sei.234 Tatsächlich gründete sich 1948 eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Koehler & Amelang, dem Nachfolger der enteigneten Firma Koehler-Volckmar, und dem Akademie-Verlag zur Fortsetzung der Leibniz-Ausgabe.235 Nichtsdestoweniger hielt Reichl an dem Vorhaben fest, übernahm 1950 gar den Verlagsnamen „Leibniz“ vom Oldenbourg-Verlag und verstarb im Januar 1954, so Thomas Seng, „im Bewußtsein, der einzig legitime Verleger der Leibniz-Gesamtausgabe zu sein“.236 Reichl ist insofern eine durchaus tragische Figur im Feld der konservativen Kulturverleger, als er mit seinem Renommee, seiner langjährigen verlegerischen Erfahrung und seinen, in ihrer kulturkritischen und christlichen Ausprägung ausgesprochen zeitgeistkompatiblen, Programmen beste Voraussetzungen hatte, um in der jungen Bundesrepublik eine breite Rezeption hervorzurufen. Nutzen konnte er sie nicht. 232  BAK, N 1182/250, Nachlass Eduard Spranger, Korrespondenz 1882–1963: Schreiben Otto Reichls an Eduard Spranger vom 12. Oktober 1952. 233  BAK, N 1166/365, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 9, 1. Okt. 1951–31. Aug. 1953: Schreiben Otto Reichls an Gerhard Ritter vom 26. Mai 1952. 234  BAK, N 1182/250, Nachlass Eduard Spranger, Korrespondenz 1882–1963: Schreiben Otto Reichls an Eduard Spranger vom 22. September 1947. 235  Vgl. Seng, Otto Reichl Verlag. S. 327 f. 236  Ebd. S. 328.



III. Konservative Kulturverlage171

2. Heliopolis-Verlag Auch der heute weitgehend vergessene Ewald Katzmann war einer der umtriebigen und renommierten Kulturverleger der ersten anderthalb Nachkriegsjahrzehnte – anders als Otto Reichl aber war Katzmann für diese Rolle nicht unbedingt prädestiniert: Der promovierte Jurist war mehr als 20 Jahre lang, von 1927 bis 1947, bei der Schwäbischen Treuhand AG in Stuttgart als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater beschäftigt. Bereits in den Jahren 1937, 1938 und 1945 jedoch war Katzmann für den Furche-Verlag tätig, 1945 wurde er dessen Gesellschafter und Geschäftsführer.237 Dass er überhaupt zum Verleger wurde und dass er, seiner Vita zum Trotz, ein Verleger wurde, der den geistig-kulturellen Wert eines Werkes als wichtiger einschätzte als sein ökonomisches Potential, ist nicht in erster Linie einem buchhändlerischen Interesse zu verdanken, sondern seinem christlichen Engagement. Als gläubiger Protestant war Katzmann eigenen Angaben zufolge seit Studententagen in evangelischen Organisationen aktiv, so etwa als stellvertretender Vorstand der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung und, nachdem diese 1938 von den Nazis verboten worden war, des Württembergischen Altfreundeverbands der Christlichen Studentenbewegung.238 Über die engen Kontakte im protestantischen Milieu Württembergs dürfte Katzmann der Weg zum Furche-Verlag geführt haben: Neben ihm fungierten als Gesellschafter der spätere Kirchentagspräsident Reinhold von ThaddenTrieglaff, der mit Zehrer befreundete spätere Landesbischof von Hannover Hanns Lilje, die später in der evangelischen Akademie Bad Boll aktiven Eberhard Müller und Bischof Samuel Bauder-Herrnhut sowie Franz Irmer und Heinrich Rennebach; veranlasst wurde die Neugründung in Tübingen durch den deutschnationalen württembergischen Landesbischof Theophil Wurm.239 Der Verlag blickte 1945 bereits auf eine fast drei Jahrzehnte währende Geschichte zurück, als dezidiert evangelischer Verlag wurde er 1917 in Ber237  Vgl. Staatsarchiv Sigmaringen (künftig: StAS), Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern, Nr. 771, Lizenzverfahren: Fragebogen zum Werdegang von Ewald Katzmann, übersandt am 24. Juni 1949 an das Württembergische Kultministerium anlässlich der Lizenzbeantragung für die Übernahme der Zeitschrift Welt und Wort; StAS, Wü 13 T 2, Staatskommissariat für die politische Säuberung, Nr. 2209/00: Spruchkammerakten Ewald Katzmann, Fragebogen; Widmann, Hans: Tübingen als Verlagsstadt. Tübingen: J. C. B. Mohr, 1971. S. 195 f. 238  Vgl. StAS, Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern, Nr. 771, Lizenzverfahren: Fragebogen zum Werdegang von Ewald Katzmann, übersandt am 24. Juni 1949 an das Württembergische Kultministerium anlässlich der Lizenzbeantragung für die Übernahme der Zeitschrift Welt und Wort. 239  Vgl. Widmann, Tübingen als Verlagsstadt. S. 195.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

lin gegründet. Hier veröffentlichten etwa der Sekretär der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung Franz Spemann,240 der Religionsphilosoph Kurt Lesse,241 der kurzzeitige, der DNVP nahestehende, preußische Ministerpräsident Georg Michaelis,242 genauso wie der sozialdemokratische Theologe Christoph Blumhardt,243 aber auch Werke Tolstois und Dostojewskis wurden publiziert. Im „Dritten Reich“ bot Furche den Theologen der Bekennenden Kirche eine verlegerische Heimat, deren prominentester Ausdruck die seit 1934 erscheinende Zeitschrift Die Furche war, die es sich zum Ziel setzte, ein gegen die Deutschen Christen gerichtetes Verständnis des Christentums vor allem in der akademischen Jugend zu verbreiten; 1940 verfügte die Reichspressekammer ihre Einstellung.244 Der neue Furche-Verlag wies zunächst ein ganz ähnliches Profil auf, das auf theologische Schriften, Betrachtungen zum Verhältnis von Kirche und Staat sowie politische Einwürfe aus protestantischer Perspektive konzentriert war. Zu den Autoren der rund 100 Titel, die bis Ende 1948 vorgelegt wurden, gehörten etwa Otto Dibelius245 und Martin Niemöller246, aber auch Theodor Heuss247 und Gerhard Ritter248. Mit der Reihe Das christliche Deutschland 1933–1945, die in Zusammenarbeit mit dem Herder-Verlag erschien, knüpfte man bewusst an die Tradition der Bekennenden Kirche an.249 Dieses Profil beziehungsweise die Frage nach seiner Erweiterung um andere geisteswissenschaftliche sowie schöngeistige Bereiche entwickelte sich jedoch schon bald zu einem Streitpunkt zwischen den Gesellschaftern. 1947 spaltete sich Furche deshalb in drei Verlage auf: „die Furche-Verlag H. Rennebach K. G., Berlin, die seit 1917 besteht und unter dem bisherigen 2

240  Bspw.

1924.

Spemann, Franz: Idealismus und Christentum. Berlin: Furche-Verlag,

241  Bspw. Leese, Kurt: Moderne Theosophie. Ein Beitrag zum Verständnis der geistigen Strömungen der Gegenwart. Berlin: Furche-Verlag, 21921. 242  Bspw. Michaelis, Georg: Für Staat und Volk. Eine Lebensgeschichte. Berlin: Furche-Verlag, 1922. 243  Blumhardt, Christoph: Von der Nachfolge Jesu Christi. Berlin: Furche-Verlag, 2 1924. 244  Vgl. Schult, Maike: Im Banne des Poeten. Die theologische Dostoevskij-­ Rezeption und ihr Literaturverständnis (= Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, Bd. 126). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2012. S. 192 f. 245  Bspw. Dibelius, Otto: Ruf zum Gebot. Tübingen: Furche-Verlag, 1948. 246  Niemöller, Martin: Zur gegenwärtigen Lage der evangelischen Christenheit. Tübingen: Furche-Verlag, 1946. 247  Heuss, Theodor: Der Zeitgeist in seiner Wirkung auf die Lehrerschaft. Tübingen: Furche-Verlag, 1946. 248  Ritter, Gerhard: Politische Ethik: Vom historischen Ursprung ihrer Problematik. Tübingen: Furche-Verlag, 1946. 249  Vgl. Widmann, Tübingen als Verlagsstadt. S. 196.



III. Konservative Kulturverlage173

geschäftsführenden Gesellschafter Heinrich Rennebach, der Name und Ruf des Verlags begründet hat, vor allem die theologisch-religiöse Linie weiter führen wird; in Stuttgart wird ein Furche-Verlag H. Rennebach & Dr. Katzmann K. G. Entstehen, der die geisteswissenschaftlichen Gebiete ausserhalb der Theologie bearbeitet […]. […] Die Furche-Verlag Dr. Katzmann K. G. In Tübingen wird in Zukunft nur Belletristik und Zeitschriften pflegen.“250 Diese Entwicklung erleichterte Katzmann einen programmatischen Schwenk hin zu einem stärker kultur- und gesellschaftsorientierten Programm, das die Transformation vom zuvörderst christlichen zum Kulturverleger ermöglichte. Titel wie Der Friede Gottes im Streit der Welt251 oder Die Kirche und die internationale Unordnung252 illustrieren aber, dass die christliche Färbung des Programms noch deutlich war. So war es nur konsequent, dass der Tübinger Verlag ab 1950 nicht mehr „Furche“ hieß, sondern nun nur noch als „Katzmann K. G.“ firmierte, der alte Name sei „doch für die Zukunft allzu sehr mit einer ‚pietistischen‘ Hypothek belastet“ gewesen.253 Dieses Unternehmen spielte jedoch im Katzmann-Kosmos fürderhin keine nennenswerte Rolle mehr. Denn bereits im Jahr zuvor hatte Katzmann eine weitere Unternehmung ins Leben gerufen: den Heliopolis-Verlag, der als genuiner konservativer Kulturverlag fungieren sollte. Eine zentrale Rolle spielte die Übernahme von Welt und Wort, eine der zahlreichen kulturellen Zeitschriften der Nachkriegszeit, die seit 1946 unter amerikanischer Lizenz in Bad Wörishofen vom Drei-Säulen-Verlag herausgegeben wurde.254 Durch diese „bekannte[…] deutsche[…] Literaturzeitschrift“, so Katzmanns eigene Einschätzung, sei „der Verlag sehr rasch bekannt geworden“.255 Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, „das literarisch interessierte Publikum […] über das geistige Leben der Gegenwart zu unterrichten“,256 und zielte in ihrem 250  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 16. Mai 1947. 251  Heiseler, Bernt von: Der Friede Gottes im Streit der Welt. Ein Vortrag. Tübingen: Furche-Verlag Dr. Katzmann, 1948. 252  Studienkommission des Ökumenischen Rates in Genf (Hrsg.): Die Kirche und die internationale Unordnung. Ökumenische Studien. Tübingen: Furche-Verlag Dr. Katzmann, 1948. 253  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 18. Oktober 1949. 254  StAS, Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern, Nr. 771, Lizenzverfahren: Schreiben Ewald Katzmanns an das Gouvernement Militaire du Wurtemberg betr. Übernahme Zeitschrift Welt und Wort vom 24. Juni 1949. 255  BAK, N 1340/67, Nachlass Albert Speer, Korrespondenzen, Bd. 70: Schreiben Ewald Katzmanns an Grete Speer vom 25. Mai 1950. 256  StAS, Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern, Nr. 771, Lizenzverfahren: Schreiben Ewald Katzmanns an das Gouvenement Militaire du Wurtemberg betr. Übernahme Zeitschrift Welt und Wort vom 24. Juni 1949.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Beiträgen, ganz im Sinne der konservativen Kulturkritik der Nachkriegszeit, immer wieder auf eine Kunst, die sich „einer bloß zweckrationalen Denkweise, die die moderne Gesellschaft angeblich dominiert“, entzieht und entgegenstellt.257 Doch welchen Schriftsteller Katzmann im Zentrum des Autorenkreises sah, den er zu versammeln gedachte, macht der Name der neuen Firma bereits deutlich: Ernst Jünger, nach dessen Werk Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt, das 1949 als erstes Werk des neuen Unternehmens erschien,258 der Verlag getauft wurde.259 Die Verbindung mit Jünger geht auf den Oktober 1946 zurück, als Katzmann – offenbar mit dem Ziel, das Profil des Verlags entsprechend zu verändern – an ihn herantrat mit der Bitte, das „Pariser Tagebuch“, die späteren Strahlungen, im Furche-Verlag zu veröffentlichen. Bemerkenswerterweise wirbt Katzmann in dem Schreiben kaum für den Verlag, charakterisiert ihn lediglich als (noch) vor allem theologisch geprägt und beschreibt das Bestreben, ihn stärker in eine schöngeistige Richtung zu entwickeln.260 Nichtsdestoweniger waren sich die Parteien bereits einen Monat später handelseinig: „Wir zweifeln nicht daran, dass Ihr Werk das bedeutsamste Ereignis der Kriegs- und Nachkriegsliteratur darstellt, das insbesondere alle bisher erschienenen Veröffentlichungen weit übertrifft. Er gereicht uns deshalb zur besonderen Ehre, dieses Buch in unserem Verlag herausbringen zu können. Sie dürfen versichert sein, dass wir von uns aus alles Denkbare unternehmen werden, um dies so rasch wie möglich zu verwirklichen.“261 Zur zügigen Einigung mag beigetragen haben, dass Katzmann Jünger ein mit 20 bis 25 Prozent des Ladenpreises durchaus üppiges Honorar zugestanden hatte. Bis die erste Jünger-Publikation dann tatsächlich auf den Markt kam, vergingen allerdings noch drei Jahre, denn auch wenn Katzmann „in Unter­ redungen mit französischen Offizieren der Direction de l’information, BadenBaden“ festzustellen glaubte, dass Jünger „dort sehr geschätzt“ werde und

257  Bühner,

Kulturkritik und Nachkriegszeit. S. 74. Ernst: Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt. Tübingen: HeliopolisVerlag, Tübingen. 259  Vgl. StAS, Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern, Nr. 715, Lizenzverfahren: Bekanntgabe der Einreichung von Verlagsprodukten des Furche- sowie des Heliopolis-Verlags bei der Sûreté Nationale, Tübingen, vom 7. Dezember 1949.; o. V.: Der Traum von der Technik. In: Der Spiegel 4 (1950), Nr. 4. S. 37–40. Hier S. 37. 260  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 23. Oktober 1946. 261  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 25. November 1946. 258  Jünger,



III. Konservative Kulturverlage175

seinem „Buch Verständnis und Förderung entgegengebracht“ würden,262 bedeutete dies nicht, dass der Schriftsteller, der sich schließlich der Entnazifizierung und der öffentlichen Abkehr von seinen konservativ-revolutionären Überzeugungen der Zwischenkriegszeit verweigert hatte und entsprechend einem Veröffentlichungsverbot unterlag, vor dem Ende beziehungsweise der Lockerung des Lizenzzwangs ein neues Werk hätte publizieren können. Denn tatsächlich saß mit Alfred Döblin ein Jünger gegenüber ausgesprochen ablehnend eingestellter Literaturinspektor der französischen Militärverwaltung an entscheidender Stelle. Wenngleich Katzmann diesem, ganz im Sinne der Selbstinszenierung der vormaligen „Konservativen Revolutionäre“, klarzumachen suchte, dass Jünger seine Bücher „vom Standpunkt des Beobachters aus geschrieben“ habe, beharrte Döblin darauf, „dass erst ein öffentliches Schuldbekenntnis [Jüngers] kommen müsse, […] von dem er sich […] für die Jugend und das Ausland einen gewaltigen Eindruck verspricht“, was Katzmann wiederum „absolut unangebracht“ und „indiskutabel“ dünkte.263 Und so änderte sich an Katzmanns schmeichlerisch-kulturkritischem Befund zunächst nichts: „Das literarische Bild unseres Volkes lässt in seiner gegenwärtigen Einseitigkeit und Dürre viele massgebende Striche vermissen. Wer wie wir aufmerksam den um Ihre Person entbrannten Streit verfolgt, spürt das Bedürfnis weiter Kreise unseres Volkes und der Welt, dass aus Ihrer Feder bald wieder kräftige Zeichen zur notwendigen Ergänzung eingefügt werden. Dies zu ermöglichen, wird auch in Zukunft unser vornehmstes Ziel sein.“264 Verwirklicht wurde dieses Ziel schließlich Ende 1949: Neben Heliopolis und den Strahlungen, die sich innerhalb kürzester Zeit rund siebentausendmal verkauften, erschienen in kurzer Folge auch die beiden Jünger-Werke Myrdun und Ein Inselfrühling.265 Katzmann zeigte sich dem Autor gegenüber beglückt, dass „der grosse Einbruch Ihrer Geisteswelt in die Literatur sich fast wie eine Springflut vollzog“.266 262  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 23. Oktober 1946. 263  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 2. Februar 1948. 264  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 26. März 1947. 265  Vgl. StAS, Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern, Nr. 715, Lizenzverfahren: Bekanntgabe der Einreichung von Verlagsprodukten des Furche- sowie des Heliopolis-Verlags bei der Sûreté Nationale, Tübingen, vom 7. Dezember 1949; Jünger, Ernst: Strahlungen. Tübingen: Heliopolis-Verlag, 1949; Jünger, Ernst: Myrdun. Briefe aus Norwegen. Tübingen: Heliopolis, 1949; Jünger, Ernst: Ein Inselfrühling. Ein Tagebuch aus Rhodos. Tübingen: Heliopolis-Verlag, 1949. 266  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 28. März 1950. Die Titel wurden noch während der

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Der Verleger bemühte sich, Jünger eng an sich und sein Haus zu binden, Heliopolis zu dem deutschen Jünger-Verlag zu machen, was sich ja schon in der Namensgebung deutlich spiegelte. In diesem Anspruch verbanden sich elitistisches Kulturstreben, aber, so darf man unterstellen, auch politische Sympathien. So hatte Katzmann in der Zwischenkriegszeit der DNVP nahegestanden und nach eigenen Angaben „dt.national“ gewählt.267 Wie Jünger selbst war auch er auf Abstand zum Naziregime geblieben und nie in die NSDAP eingetreten. Gleichwohl hatte er einigen wenigen NS-Organisa­tionen angehört, nämlich dem NS-Rechtswahrerbund, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt sowie dem Reichsbund Deutsche Familie, in denen er jedoch keinerlei Funktionen ausgeübt habe.268 So kam denn die Spruchkammer auch zu dem Ergebnis, Katzmann sei „als politisch unbelastet anzusehen, da er nicht der NSDAP angehörte und sich politisch nicht betätigte“.269 Die Verbindung zu Ernst Jünger suchte Katzmann, indem er Armin Mohler, den spiritus rector der späteren Neuen Rechten und damaligen Privat­ sekretär Ernst Jüngers, dem gemeinhin nachgesagt wurde, er kenne dessen Werk besser als der Autor selbst, als Lektor für seinen Verlag gewann.270 Mohler wandte sich jedoch strikt gegen Überarbeitungen der frühen Werke Jüngers, die dieser immer wieder vornahm; Ernst Klett galt er als „Nazi“.271 Trotz dieser Verbindung in Jüngers engstes Umfeld und der schnellen Folge von Jünger-Publikationen im Heliopolis-Verlag war Ewald Katzmann mitnichten der exklusive oder auch nur der bevorzugte Verleger Ernst Jüngers. gesamten 1950er Jahre breit rezipiert, wie zahlreiche Lizenzvergaben an Buchgemeinschaften zeigen. So nahm beispielsweise der Europäische Buchklub insgesamt 11.000 Exemplare von Heliopolis ab, die Deutsche Buchgemeinschaft 8.000 Exemplare und Bertelsmann 30.000 Exemplare der Strahlungen. Vgl. ebd., Schreiben Ewad Katzmanns an Ernst Jünger vom 1. August 1952, 3. Juli 1954, 29. Dezember 1954, 13. Juli 1955, 24. Januar 1956,15. April 1958, 23. November 1959. 267  StAS, Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern, Nr. 771, Lizenzverfahren: Fragebogen zum Werdegang von Ewald Katzmann, übersandt am 24. Juni 1949 an das Württembergische Kultministerium anlässlich der Lizenzbeantragung für die Übernahme der Zeitschrift Welt und Wort. 268  Vgl. ebd. 269  StAS, Wü 13 T 2, Staatskommissariat für die politische Säuberung, Nr. 2209/00: Spruchkammerakten Ewald Katzmann, Schreiben Paul Zankers an das Sekretariat des Säuberungsausschusses für freie Wirtschaft vom 30. August 1946. 270  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 1. Juli 1949; DLA, A: Eschmann, Ernst Wilhelm, Katzmann an Eschmann, 1950–1969: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Wilhelm Eschmann von 16. Februar 1950. 271  Vgl. Schwilk, Heimo: Ernst Jünger: Versuch einer Bilanz „Ernst Jünger und sein Verleger Ernst Klett“. In: Żarska, Natalia/Diesener, Gerald/Kunicki, Wojciech (Hrsg.): Ernst Jünger – eine Bilanz. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2010. S. 520–528. Hier S. 524.



III. Konservative Kulturverlage177

Dieser entschied sich ganz bewusst dafür, sein Werk auf mehrere Verlage zu verteilen, wozu ihn „einerseits Gründe meiner persönlichen Unabhängigkeit, Produktionsrücksichten andererseits“ bewogen.272 In den 1940er und 1950er Jahren publizierte er auch bei Vittorio Klostermann, Günther Neske und seit 1958 vor allem bei Ernst Klett.273 So beklagte sich Katzmann im September 1948 bei Jünger, dass Sprache und Körperbau bei Neske in Pfullingen erscheinen würde: „Nun wird also ein anderer die Ehre haben, als erster mit ­einem Werk von Ihnen auf dem deutschen Markt herauszukommen“.274 Doch auch Jünger hatte im Laufe der Jahre Grund genug, sich über seinen Verleger Katzmann zu beschweren. Schon mit der Namensgebung des Heliopolis-Verlags zeigte sich Jünger wenig glücklich: „Ich hatte den Eindruck, daß man mich in besonderer Weise für alle Erscheinungen des Verlages verantwortlich glaubt, mich sogar an dem Unternehmen für beteiligt hält. Das hatte ich nicht vorausgesehen.“275 Es war dies aber freilich genau die Intention des Verlegers. Doch auch handfeste ökonomische und publizistische Konflikte entfalteten sich zwischen Autor und Verleger. So beschwerte sich Jünger über verzögerte Honorarzahlungen,276 befürchtete gar, „daß der Heliopolis-Verlag früher oder später in Schwierigkeiten geraten wird“ und war bestrebt, seine Position zu sichern: „Es wird kaum möglich sein, ihm die Bücher zu entziehen, die er zur Zeit verlegt. Dagegen läßt sich das Verhältnis durch Neufassung der Verträge so regeln, daß Sicherungsmaßnahmen eingebaut werden.“277 Das hieß vor allem, dass Jünger sich vorbehielt, für jedes Werk den Verlag nach Gutdünken zu wählen und auch jene Werke, über deren Rechte Katzmann verfügte, in die, später bei Klett erscheinende, Gesamtausgabe aufzunehmen.278 Der Streit über diese Fragen führte, so Jüngers Gattin Gretha, die die geschäftliche Korrespondenz für ihren Mann schließlich übernahm, dazu, „daß sich die Basis des Vertrauens, die ja grundlegend für das Verhältnis zwischen Autor und Verleger ist, im Laufe dieser Jahre bei 272  DLA, A: Jünger, Ernst, Jünger an Katzmann, 1946–1953: Schreiben Ernst Jüngers an Ewald Katzmann vom 5. Februar 1949. 273  Vgl. Mühleisen, Horst: Bibliographie der Werke Ernst Jüngers (= Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Bd. 47). Stuttgart: Cotta, 1996. 274  DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Schreiben Ewald Katzmanns an Ernst Jünger vom 13. September 1948. 275  DLA, A: Jünger, Ernst, Jünger an Katzmann, 1946–1953: Schreiben Ernst Jüngers an Ewald Katzmann vom 12. November 1949. 276  DLA, A: Jünger, Ernst, Jünger an Katzmann, 1946–1953: Schreiben Ernst Jüngers an Ewald Katzmann vom 20. September 1948. 277  DLA, A: Jünger, Ernst, Jünger an Katzmann, 1946–1953: Schreiben Ernst Jüngers an den Rechtsanwalt Mussotter vom 29. Oktober 1950. 278  Vgl. DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Notiz betr. Besprechung Professor Ulmer/Ernst Jünger, München am 1. Februar 1957 vom 5. Fe­ bruar 1957.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

meinem Mann verschlechtert hat; das nimmt ihm die Lust an der Arbeit für die Fortsetzung der Strahlungen, und ebenfalls an einem persönlichen Gespräch. […] Wie ich die Dinge überblicke, glaube ich nicht an eine Wiederherstellung der ursprünglichen Beziehungen, und ich frage mich hier, ob es in beider Interesse nicht ratsam wäre, eine gütliche Trennung herbeizu­ führen.“279 Erst in einer Güteverhandlung vor einem Schiedsgericht konnte schließlich eine Einigung über die Verteilung der Rechte erreicht werden.280 Allen Schwierigkeiten zum Trotz blieb Jünger als prominentester konservativer Autor der Nachkriegszeit integraler Bestandteil und Aushängeschild des Heliopolis-Verlags. Katzmann bemühte sich aber auch um einige andere der herausragenden konservativen Kulturschaffenden, etwa Gerhard Nebel, Gerhard Ritter oder Eduard Spranger, und darum, einen Kreis um den Verlag herum zu bilden, der, zum Beispiel im Rahmen, der „Welt-und-WortAbende“, „der Pflege des literarischen Gespräches und der nachbarlichen Verbindung zwischen Autoren, Kritikern, Verlegern, Buchhändlern und Lesern dienen“ sollte.281 Dabei war es Katzmann zuvörderst um eine geistige renovatio zu tun, um die Vermittlung kulturkritischer Vergangenheits- und Gegenwartsdeutungen, die dazu beitragen sollten, ein Bewusstsein zu schaffen für Werte und Strukturen, die den kulturellen Wiederaufbau Deutschlands unter konservativen Auspizien ermöglichen würden; dies war wichtiger als eine unmittelbare politische Wirkung, im Zweifelsfall auch wichtiger als die wirtschaftliche Rentabilität.282

IV. Konfessionelle Verlage In den Worten Christoph Kleßmanns war Westdeutschland in der Nachkriegszeit „[g]emessen an gängigen Indikatoren von ‚Modernisierung‘ und ‚Modernität‘ […] im Hinblick auf Religion und Kirche ein restauratives 279  DLA, A: Jünger, Ernst, Jünger an Katzmann, 1954–1973: Schreiben Gretha Jüngers an Ewald Katzmann vom 13. Juli 1954. 280  Vgl. DLA, A: Jünger, Ernst, Katzmann an Jünger, 1946–1950: Notiz betr. Besprechung Professor Ulmer/Ernst Jünger, München am 1. Februar 1957 vom 5. Februar 1957. 281  BAK, N 1182/202, Nachlass Eduard Spranger, Korrespondenz 1882–1963: Schreiben Ewald Katzmanns an Ewald Spranger vom November 1955; DLA, A: Jünger, Ernst, Jünger an Katzmann 1946–1953: Schreiben Ernst Jüngers an Ewald Katzmann vom 11. Juni 1949. 282  Zumal Katzmann weiterhin als Wirtschaftsprüfer und Berater tätig war, unter anderem auch für die DVA, für die er ein Gutachten über die Rentabilität des Fachverlags erstellte. Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Ewald Katzmann vom 17. April 1958.



IV. Konfessionelle Verlage179

Gebilde“.283 Denn anders als die Jahrzehnte zuvor und danach war die Phase der späten 1940er bis Mitte der 1960er Jahre eine Zeit „außerordentlich hohe[r] Kirchlichkeit“, die Ära Adenauer mithin von einer „vordergründigen Religiosität“ geprägt.284 In der Tat ist die „Säkularisierung als Paradigma und Prozess der Moderne“ nicht ohne Weiteres zu konstatieren, wie Ferdinand Kramer betont, die „Kirchen-, Religions- und Konfessionsgeschichte in der Zeitgeschichte bisweilen weniger als Verlust-, sondern stärker auch als Transformationsgeschichte zu sehen“.285 Als eine solche ist auch die Geschichte der Kirchen in der Nachkriegszeit zu begreifen, die in den formativen Jahren der Bundesrepublik auch deshalb eine ungewöhnlich starke gesellschaftliche Stellung gewannen, weil sie als scheinbar relativ unbelastete Institutionen das geistige Vakuum zu füllen vermochten, das die Nationalsozialisten hinterlassen hatten. Realiter freilich waren die Kirchen, die protestantische noch mehr als die katholische, Stützen des NS-Regimes gewesen, Akte des Widerstands in der Regel individuelle Ausnahmen geblieben. Ohne die eigene Rolle in der Tiefe zu hinterfragen, räumten 1945 sowohl die katholische Bischofskonferenz wie im „Schuldbekenntnis“ die evangelische Kirche ihr Versagen ein;286 mit den Übeln der Vergangenheit hielt man sich indes nicht lange auf und richtete den Blick auf die Übel der Gegenwart. Deren Deutungen stießen auf große Resonanz, die von konservativen Christen propagierte „Rechristianisierung“ der Gesellschaft gelang zumindest in Teilen, die „Durchsetzung kirchlicher Prinzipien und Moralvorstellungen in der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Öffentlichkeit [war] beachtlich“.287 Dieser Einfluss stützte sich nicht zuletzt auf den Wiederaufbau und Ausbau der kirchlichen und konfessionellen Infrastrukturen. Das umfasste zum einen die kirchlichen Hilfswerke Caritas und Diakonie und das kirchliche Verbands-, Ausbildungs- und Schulwesen, zum anderen aber auch kulturell-politische Einrichtungen. Die Evangelischen Akademien etwa entwickelten sich zu angesehenen Foren der Debatte über christliche Stand283  Kleßmann, Christoph: Kontinuitäten und Veränderungen im protestantischen Milieu. In: Schildt/Sywottek, Modernisierung im Wiederaufbau. S. 403–417. Hier S. 403. 284  Vgl. Gabriel, Karl: Von der „vordergründigen“ zur „hintergründigen“ Religiosität: Zur Entwicklung von Religion und Kirche in der Geschichte der Bundesrepu­ blik. In: Hettlage, Robert (Hrsg.): Die Bundesrepublik. Eine historische Bilanz. München: C. H. Beck, 1990. S. 255–279. Hier S. 258, 260. 285  Kramer, Ferdinand: Thesen zur Katholizismusforschung. In: Damberg, Wilhelm/Hummel, Karl-Joseph (Hrsg.): Katholizismus in Deutschland. Zeitgeschichte und Gegenwart (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Bd. 130). Paderborn: Schöningh, 2015. S. 143–148. Hier S. 145. 286  Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5. S. 365. 287  Kleßmann, Kontinuitäten und Veränderungen. S. 404.

180

D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

punkte und ihrer Verortung im gesellschaftlichen Diskurs und zu wichtigen Institutionen kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit.288 In noch stärkerem Maße nahmen diese Funktion konfessionell geprägte Medien wahr. Noch während der Besatzungszeit wurde eine Vielzahl verschiedener Periodika ins Leben gerufen, die eine konfessionell geprägte und häufig dezidiert konservative christliche Weltanschauung vertraten. Auf ­katholischer Seite waren dies beispielsweise Neues Hochland, Frankfurter Hefte oder Herder-Korrespondenz; der die letztere herausgebende Verlag, eben Herder, fungierte als einer der „wesentlichen publizistisch-intellektuellen Verdichtungspunkt[e] des bundesdeutschen Katholizismus in seinen heterogenen Strömungen und Subgesellschaften“.289 Von herausragender Bedeutung waren zudem der bereits erwähnte, 1946 in der französischen Zone lizenzierte und lange Jahre von Otto B. Roegele herausgegebene Rheinische Merkur oder die 1948 erstmals im Augsburger Verlag Johann Wilhelm Naumanns publizierte Deutsche Tagespost sowie auf protestantischer Seite das Wochenblatt Christ und Welt, das zunächst vom unter anderem bei Rowohlt publizierenden Ernst A. Hepp, dann vom DVA-Hausautor Klaus Mehnert und schließlich vom ehemaligen „Konservativen Revolutionär“ Giselher Wirsing zu einem der auflagenstärksten und einflussreichsten Printmedien der jungen Bunderepublik gemacht wurde.290 Blätter wie diese waren es, die „den rechten Rand im seriösen Zeitungsspektrum der westdeutschen Demokratie markierte[n]“291 – und dort ausgesprochen erfolgreich waren. Das christliche Medienwesen blieb nicht auf Zeitungen und Zeitschriften beschränkt, wenngleich diese dominierten.292 So waren etwa systematische Bemühungen der katholischen Kirche zu erkennen, auch mit dem Mittel des Films die jährlich hunderte Millionen zählenden Kinobesucher mit ihren Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. 5. S. 367 f. Stefan: Offensiven oder Refugien? Publizistische Projekte im deutshen Katholizismus 1945–1970. In: Gallus, Alexander/Liebold, Sebastian/Schale, Frank (Hrsg.): Vermessungen einer Intellectual History der frühen Bundesrepublik. Göttingen: Wallstein, 2020. S. 370–384. Hier S. 372. 290  Vgl. Rutz, Rainer: Alte Netze – neu gestrickt. Von der NS-Auslandspropaganda zur konservativen Nachkriegspresse: Die Netzwerker von „Signal“. In: Schütz/Hohendahl, Solitäre und Netzwerker. S. 167–184. Hier S. 167 f. 291  Weiß, Matthias: Journalisten: Worte als Taten. In: Frei, Norbert (Hrsg.): Kar­ rieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945. München: dtv, 2003. S. 218–265. Hier S. 237. 292  Vgl. Schmolke, Michael: Von der „schlechten Presse“ zu den „guten Medien“. Katholische Publizistik im 20. Jahrhundert. In: Hömberg, Walter/Pittrof, Thomas (Hrsg.): Katholische Publizistik im 20. Jahrhundert. Positionen, Probleme, Profile (= Catholica. Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte des modernen Katholizismus, Bd. 3). Freiburg/Berlin/Wien: Rombach, 2014. S. 21–38. Hier S. 32. 288  Vgl.

289  Gerber,



IV. Konfessionelle Verlage181

Botschaften zu erreichen und zu „rechristianisieren“,293 und natürlich gab es auch eine Vielzahl konfessionell geprägter christlicher Buchverlage, Verlage also, deren Programme dahin ausgerichtet waren, kirchlichen, konfessionellen oder allgemein christlichen Standpunkten, Deutungsmustern und Ethiken Geltung und Gewicht zu verschaffen. Viele dieser Häuser blickten 1945 bereits auf eine Jahrzehnte oder Jahrhunderte währende Geschichte zurück. So ging der fest im konfessionell geprägten Nachkriegskonservatismus verankerte katholische Echter-Verlag aus Würzburg auf das Jahr 1900 zurück. Das Unternehmen war eng an das Zentrum und die Bayerische Volkspartei (BVP) angelehnt, das zentrale Medium, das Fränkische Volksblatt, zuvörderst weltanschaulich ausgerichtet.294 In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft blieb das Haus Echter zunächst auf Distanz beziehungsweise ging in Opposition zum Regime, ehe der Verlag 1942 verboten wurde.295 Auch der Echter-Verlag erhielt bereits 1946 eine Lizenz, um den Betrieb wieder aufzunehmen und Bücher zu publizieren; bis 1950 waren wieder rund 100 Titel lieferbar.296 Wie in der Zwischenkriegszeit eine große, auch personelle Nähe zur BVP bestanden hatte, war der Verlag in der Nachkriegszeit der CSU eng verbunden,297 genauso wie manche seiner Autoren, etwa Emil Muhler, der sich als Pfarrer und CSULandesvorstandsmitglied aus konfessionell-konservativer Perspektive am Orientierungsdiskurs der Nachkriegsjahre beteiligte.298 Auch die Auseinandersetzung mit den Kommunismus fand im Programm des Verlags ihren Platz.299 Noch älter war der ebenfalls katholische Kösel-Verlag: Er geht auf eine Offizin zurück, die möglicherweise bereits im späten 16. Jahrhundert aktiv war.300 Während des Ersten Weltkriegs gab sich das Haus im Geiste der Zeit 293  Vgl. Kuchler, Christian: Zwischen Rechristianisierung und säkularer Medienwelt: Die katholische Filmarbeit in Westdeutschland nach 1945. In: Holzem, Andreas/ Holzapfel, Christoph (Hrsg.): Zwischen Kriegs- und Diktaturerfahrung. Katholizismus und Protestantismus in der Nachkriegszeit. Stuttgart: Kohlhammer, 2005. S. 109–136. 294  Vgl. Dettelbacher, Werner: 100 Jahre Fränkische Gesellschaftsdruckerei Echter, Würzburg: 1900–2000. Würzburg: Echter, 2000. S. 33. 295  Vgl. ebd. S. 37 ff. 296  Vgl. ebd. S. 77. 297  Vgl. ebd. S. 67 f., 84 f. 298  Bspw. Muhler, Emil: Der Christ in der Zeitenwende. Würzburg: Echter, 1948. 299  Bspw. Falk, Heinrich: Die Weltanschauung des Bolschewismus. Würzburg: Echter, 1951. 300  Vgl. Wittmann, Reinhard: Vierhundert Jahre Kösel. Lust und Last der Geschichte. In: Kösel-Verlag (Hrsg.): 400 Jahre Kösel-Verlag: 1593–1993. München: Kösel, 1993. S. 11–40. Hier S. 12 f.

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betont national; in den Zwischenkriegsjahren bot Kösel unter anderem Gertrud von le Fort und damit dem Renouveau catholique, aber auch jugendbewegten Autoren eine programmatische Heimstatt. Während des „Dritten Reiches“ indes verharrte der Verlag des Hochlands in Gegnerschaft zu den Nazis. Auch deshalb erhielt er bereits im Januar 1946 eine Lizenz der Amerikaner.301 Das Programm der Nachkriegsjahre war geprägt von einer breit verstandenen Katholizität. Der Verleger jener Jahre, Heinrich Wild, skizzierte seinen Anspruch, „die abgerissenen Fäden europäischer und christlicher Überlieferung neu zu knüpfen, das geistige Leben, das in nationalistischer Isolierung erstickt war, wieder zu entfachen. […] Für die Verlagsproduktion dieser Zeit ist es charakteristisch, daß inländische und ausländische, geist­ liche und weltliche, katholische, evangelische und jüdische Autoren zu Wort gekommen sind, in der Meinung ‚katholisch‘ heiße ‚allgemein‘ und es komme weniger auf den ‚Standpunkt‘ eines Autors an als darauf, daß sein Beitrag von geistigem Rang sei und zugleich einer aufrichtigen Gesinnung entstamme.“302 Für Kösel traf das offenbar vor allem auf progressive und Exilautoren zu: Eric Voegelin, Martin Buber, Else Lasker-Schüler oder Karl Kraus wurden hier veröffentlicht. So lassen sich also natürlich nicht alle konfessionellen Verlage pauschal als konservativ fassen, gerade mit Strömungen wie dem Linkskatholizismus oder den „linken“ Protestanten in der Tradition der Bekennenden Kirche gab es verschiedene konfessionelle Richtungen, die progressiv waren; doch in vielen Häusern setzten sich Autoren und Werke mit dem Lamento über „Materialismus“, „Rationalismus“ und die Säkularisierung der Gesellschaft für den Erhalt oder die Restitution tradierter, mitunter antiquierter Ordnungssysteme und Wertvorstellungen ein. 1. Neues Abendland Die Abendländische Bewegung suchte als Kraft des politischen Katholizismus über politische Netzwerke die Grundlegung der deutschen Nachkriegsgesellschaft und ihres neuen Staates zu beeinflussen, aber auch ganz wesentlich, auf entsprechende Diskussionen und Debatten im publizistischen Raum Einfluss zu nehmen. Als zentrales Medium diente ihr dabei die Zeitschrift Neues Abendland, die gewissermaßen das Zentralorgan der Abendländischen Bewegung darstellte. Die Zeitschrift wurde 1946 unter dem vollständigen Titel Neues Abendland. Zeitschrift für Politik, Kultur und Gesellschaft von Johann Wilhelm 301  Vgl.

ebd. S. 26 ff. ebd. S. 32 f.

302  Zit. n.



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Naumann gegründet und in seinem Augsburger Verlag veröffentlicht.303 Dabei knüpfte das Periodikum nicht nur inhaltlich an das in der Zwischenkriegszeit publizierte Abendland an, das christlichen Politikern, vor allem des Zentrums und der BVP, und katholischen Intellektuellen ein Forum der Diskussion und der philosophisch-politischen Reflexion geboten hatte,304 sein Titel sollte zudem „mit dem Zusatz ‚neu‘ das publizistische Anliegen ausdrücken, abendländische Traditionen fortzuführen und gleichzeitig in ­dieser Tradition gesellschaftliche Umkehr und einen neuen Anfang zu for­ dern“.305 Der von Naumann selbst verfasste erste Artikel der ersten Ausgabe unter dem Titel Neues Abendland bot denn auch eine komprimierte kulturkritische Interpretation der Gegenwart aus konfessionell-katholischer Perspektive. Die wesentliche Ursache für „die ganze Kulturzerrissenheit der Moderne mit ihrer trostlosen Gottferne“ beruhe auf der „Ueberheblichkeit der ratio“. Die Zeitschrift solle als ein Instrument gegen diese wirken, sie „steht im Dienst der Erneuerung Deutschlands aus christlich-universalistischem Geist, also im Sinne echter abendländischer Geisteshaltung; wohlwissend, daß nur ein wieder christliches und föderalistisches Deutschland heimfindet zur – Mater occidentalis!“306 Die grundlegende Positionierung der Zeitschrift als katholisch-föderalistisches Medium war gesetzt, die Frage allerdings, ob sie dieser durch eine zuvörderst theologische oder eine zuvörderst politische Ausrichtung Rechnung tragen sollte, blieb zunächst ungeklärt und führte immer wieder zu Konflikten zwischen dem Herausgeber Naumann und dem Chefredakteur der ersten Monate, Walter Ferber, der nach nur einem halben Jahr vom Neuen Abendland zu den Föderalistischen Heften wechselte.307 Erst mit der Berufung Emil Franzels zum Chefredakteur im Herbst 1947 begann eine Phase struktureller Konstanz. Franzel, ein Sudetendeutscher, der vor dem Zweiten Weltkrieg der Deutschen Sozialdemokratischen Partei der Tschechoslowakei angehört hatte, hatte sich seit Mitte der 1930er Jahre zu einem prononcierten Konservativen

Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 39. Hürten, Heinz: Der Topos vom christlichen Abendland in Literatur und Publizistik nach den beiden Weltkriegen. In: Langner, Albrecht (Hrsg.): Katholizismus, nationaler Gedanke und Europa seit 1800. Paderborn: Schöningh, 1985. S. 131– 154. Hier S. 135. 305  Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 39. 306  Naumann, Johann Wilhelm: Neues Abendland. In: Neues Abendland 1 (1946), Nr. 1. S. 1–3. Hier S. 2 f. 307  Vgl. Conze, Das Europa der Deutschen. S. 116. 303  Vgl. 304  Vgl.

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gewandelt.308 In seinem 1971 in Naumanns Verlag vorgelegten Buch Fortinbras, das er darin selbst als sein „Kleine[s] Testament“ bezeichnet, erblickt er in den „Progressisten“ die „Feinde Gottes, sie erstreben die Herrschaft des Widersachers, ob er sich im Kleid des Demiurgen oder in dem des kommunistischen Verwandlers der Welt zeigt“.309 In diesem Geiste führte er das Neue Abendland auf einen politischeren und deutlich rechtskonservativen Kurs. Nahm während der ersten beiden Jahre der Nationalsozialismus, der als Folge der Säkularisierung gedeutet wurde, großen Raum ein, rückte nun die aggressive Auseinandersetzung mit Kommunismus und Liberalismus in den Mittelpunkt.310 Ob es in erster Linie dieser Radikalisierung des Blattes oder dem allgemeinen „Zeitschriftensterben“ nach 1948 anzulasten ist, dass das Neue Abendland 1950 in massive ökonomische Schwierigkeiten geriet, steht dahin.311 Jedenfalls gaben Redaktion und Verlag bekannt, dass das ­Erscheinen der Zeitschrift gefährdet sei und in der Folge die „ChristlichKonservativen und Föderalisten Deutschlands ohne ein meinungsbildendes, repräsentatives und in der Welt beachtetes Organ“ dastehen könnten.312 Der Verleger Naumann versuchte in dieser Situation, die guten Beziehungen der Abendländer in die Politik auch ökonomisch nutzbar zu machen. So wandte sich der Verlag wiederholt an die Bundesregierung mit der Bitte, Teilauflagen bestimmter Ausgaben abzunehmen, insbesondere solcher, die geeignet erschienen, die Ziele der Adenauer-Regierung zu unterstützen. Im Februar 1951 etwa warb er für das zweite Heft des Neuen Abendlands unter dem Titel Von Bismarck zu Adenauer; tatsächlich nahm das Presse- und Informationsamt 1.000 Exemplare der Ausgabe ab, wovon 500 vom Verlag autonom an ihm geeignet erscheinende Adressaten – „Abgeordnete des Parlaments, Universitäten, Jugendverbände, Parteien“ – versandt wurden.313 Noch im Schreiben, mit dem er über diesen Versand berichtete, bat Naumann um eine Abnahme auch des dritten Heftes des Jahres, die zwar nicht in der gewünschten Höhe erfolgte, aber dem Verlag wiederum die Möglichkeit zur Verteilung nach Gutdünken gab: „Wir möchten Sie […] bitten, diesmal lediglich 200 Hefte dieser Ausgabe an Ihnen geeignet erscheinende Adressaten 308  Vgl. Conze, Vanessa: „Gegen den Wind der Zeit“? Emil Franzel und das „Abendland“ zwischen 1930 und 1950. In: Gallus/Schildt, Rückblickend in die Zukunft. S. 181–199. 309  Franzel, Emil: Fortinbras. Ansichten eines Konservativen. Würzburg: Verlag Johann Wilhelm Naumann, 1972. S. 15, 120. 310  Vgl. Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 42 f. 311  Vgl. Conze, Das Europa der Deutschen. S. 129. 312  Zit. n. Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 46. 313  BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Aktennotiz des Presse- und Informationsdienstes der Bundesrepublik an Ministerialdirektor Globke vom 26. Februar 1951.



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des In- und Auslandes zu versenden.“314 So konnten Verlag und Redaktion also nicht nur zusätzliche Einnahmen generieren, sondern auf Kosten der Bundesregierung auch ihre weltanschaulich-politischen Positionen verbreiten. Jenseits dieser Abnahmen waren der Zeitschrift bereits in den Monaten zuvor Zuwendungen des Bundeskanzleramtes in Höhe von insgesamt 10.000 ­D-Mark zugeflossen.315 Nichtsdestotrotz gelang es Naumann nicht, dem Neuen Abendland in seinem Verlag eine sichere Zukunft zu ermög­ lichen. 1951 wurde die Zeitschrift an Erich Fürst von Waldburg-Zeil veräußert. Waldburg-Zeil war ein umtriebiger katholischer Konservativer. 1930 war er an der Gründung der Katholischen Tatgemeinschaft beteiligt, aus der heraus zusammen mit Fritz Gerlich der Natur-Verlag entstand. Mit diesem sollte das Ziel der missionarischen Verbreitung der Idee des Naturrechts verfolgt werden. Die Zeitschriften des Verlags, der Illustrierte Sonntag beziehungsweise Der gerade Weg waren herausragende Publikationen der katholischen Opposition gegen den Nationalsozialismus.316 Auch auf die Orientierungs­ diskursen der jungen Bundesrepublik wollte Waldburg-Zeil mithilfe eines Me­diums gemäß seiner Vorstellungen Einfluss nehmen.317 Diese Vorstellungen teilte Gerhard Kroll, der nun zum Chefredakteur berufen wurde. Kroll, Mitglied der CSU, 1946 bis 1948 Landrat in Staffelstein, 1946 bis 1950 Abgeordneter im Bayerischen Landtag sowie Mitglied des Parlamentarischen Rats,318 war einer der führenden Köpfe der Abendländischen Bewegung und gerierte sich als ihr Vordenker. In seinen programmatischen Schriften entwickelte er ein Gesellschafts- und Staatsmodell, das der „Restauration“ in der Bundesrepublik entgegenwirken sollte und in Richtung autoritärer Staaten wie Portugal oder Spanien wies.319 314  BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Schreiben Johann Wilhelm Naumanns an Twardowski vom 2. April 1951. 315  Vgl. BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Aufzeichnung für Herrn Krueger vom 27. Februar 1951. 316  Vgl. Dornheim, Andreas: Adel in der bürgerlich-industrialisierten Gesellschaft. Eine sozialwissenschaftlich-historische Fallstudie über die Familie Waldburg-Zeil (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 31: Politikwissenschaft, Bd. 218). Frankfurt am Main: Peter Lang, 1993. S. 295 ff. 317  Vgl. Conze, Das Europa der Deutschen. S. 219. 318  Vgl. Uertz, Rudolf: Gerhard Kroll (1910–1963). URL: www.kas.de/upload/ dokumente/verlagspublikationen/ParlamentarischerRat/ParlamentarischerRat_kroll. pdf [letzter Zugriff: 27.07.2020]. 319  Vgl. Götschel, Abendland in Bayern. S. 376 f.

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Die Zielsetzung der Zeitschrift bleibe unverändert, teilte man nach dem Verlagswechsel mit, jedoch erhebe man den Anspruch, die Ideen der Abendländischen Bewegung nicht nur publizistisch, sondern auch aktiv politisch zu vertreten und „in die Phase der kämpferischen Auseinandersetzung“ einzu­ treten;320 zu diesem Zwecke wurde die Abendländische Aktion ins Leben gerufen. Deren Grundsätze hielt Gerhard Kroll im Manifest der Abendländischen Aktion fest.321 Dieses Manifest war denn auch die erste Buchpublikation, die im Verlag Neues Abendland erschien, den Waldburg-Zeil mit dem Erwerb des Neuen Abendlands gegründet hatte und in dem die Zeitschrift fürderhin erschien. Das Buchprogramm des Verlags blieb überschaubar und weitgehend auf Titel aus dem Umfeld der Abendländischen Akademie und Abendländischen Aktion beschränkt. So wurde neben dem Manifest auch Das Ordnungsbild der Abendländischen Aktion322 veröffentlicht und die Dokumentationen der Jahrestagungen der Abendländischen Akademie sowie eine Publikation ihres Sozialreferats verlegt.323 Mit William F. Buckleys Verteidigung des McCarthyismus und Robert Ingrims Plädoyer für eine enge außenpolitische Anlehnung an die USA324 legte der Verlag darüber hinaus zwei Titel auf, die unterstreichen, dass eine kulturelle Geringschätzung der USA mit einer realpolitischen Annäherung aus antikommunistischer Stoßrichtung im abendländischen Denken problemlos miteinander kompatibel waren. Johannes Großmann kons­ tatiert vor diesem Hintergrund: „Erstaunlich früh betätigten sich die ‚Abendländer‘ somit als interkulturelle Mittler zwischen konservativen Denktraditionen in den USA und Deutschland.“325 Neben den genannten erschien lediglich eine weitere Buchpublikation im Verlag Neues Abendland, Monika Mayrs Portrait Pius’ XII.326 Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 47. Gerhard: Grundlagen abendländischer Erneuerung. Das Manifest der Abendländischen Aktion. München: Neues Abendland, 1951. 322  Kroll, Gerhard: Das Ordnungsbild der Abendländischen Aktion. München: Verlag Neues Abendland, 1953. 323  o. Hrsg.: Der Mensch und die Freiheit. Vorträge und Gespräche der Jahres­ tagung der Abendländischen Akademie. München: Neues Abendland, 1953; o. Hrsg.: Staat, Volk, übernationale Ordnung. Vorträge und Gespräche der Jahrestagung der Abendländischen Akademie. München: Neues Abendland, 1954; Sozialreferat der Abendländischen Akademie (Hrsg.): Eigentum in Arbeiterhand. München: Neues Abendland, 1954. 324  Buckley, William F.: Im Schatten der Freiheitsstatue. München: Neues Abendland, 1954; Ingrim, Robert [= Klein, Franz Robert]: Bündnis oder Krieg? München: Neues Abendland, 1955. 325  Großmann, Internationale der Konservativen. S. 73. 326  Mayr, Monika: Vater der Christenheit: Pius XII. in seinen Enzykliken, Botschaften und Ansprachen. München: Neues Abendland, 1955. 320  Zit. n. 321  Kroll,



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Weder das Zeitschriften- noch das Buchgeschäft indes erlaubten eine ökonomische Konsolidierung der abendländischen medialen Unternehmungen. Wie der Verlag Naumanns erhoffte sich auch jener Waldburg-Zeils eine ­Linderung der ökonomischen Not durch die Regierung. Als 1955 angesichts eines jährlichen Defizits von rund 65.000 D-Mark das Erscheinen des Neuen Abendlands erneut infrage gestellt war, wendete sich Gerhard Kroll mit ­einem Schreiben an Bundeskanzler Adenauer und betonte den großen Wert der Zeitschrift für Staat und Gesellschaft. Wenn die Regierung sich bereit erkläre, durch ihre Unterstützung die jährlichen Verluste für den Verlag auf 20.000 ­D-Mark zu begrenzen, würde Waldburg-Zeil die Zeitschrift weiterhin veröffentlichen und er, Kroll, wäre bereit, wieder als ihr Herausgeber zu fungieren. Anderenfalls drohe „Deutschland die einzige konservative christ­ liche Monatszeitschrift, die der Politik der CDU wirklich nahestand und die eine zeitlang mit erheblichem Erfolg den destruktiven Tendenzen anderer politischer Zeitschriften mit entweder rein liberalem oder sozialistischem Kurs entgegengetreten war“, zu verlieren. „Das in der Zeitschrift vertretene Wertbild eines aufgeschlossenen christlichen Konservatismus“ sei unter anderem geeignet, „die geistige Erziehung des Offiziersnachwuchses zu unter­ stüt­zen.“327 Im Bundeskanzleramt begegnete man dem Vorstoß durchaus wohlwollend: „Vom politischen Standpunkt aus wäre es gewiß sehr wünschenswert, wenn Möglichkeiten bestünden, den Fortbestand dieses ausgezeichneten Blattes zu sichern. Von der Haushaltssituation meiner Abteilung sehe ich hierzu jedoch nicht die geringste Möglichkeit. Die Frage bleibt dabei offen, ob zur gegebenen Zeit Geldmittel aus dem bisher nicht vorhandenen Fonds für Wehraufklärung abgezweigt werden könnten, zumal das Blatt unter anderem gerade diese Fragen im Sinne der Bundesregierung behandeln will.“328 Eine globale Unterstützung wurde Verlag und Zeitschrift also nicht zuteil. Gleichwohl nahm das Bundespresseamt wie bereits in früheren Jahren Teilauflagen ab und stützte damit das Geschäft des Verlags.329 Als der Verlag allerdings 1957 – das Erscheinen der Zeitschrift wurde nicht wie angekündigt 1955 eingestellt – die vom Bundepresseamt finanzierten Exemplare mit als „im Auftrag des Presse- und Informationsamtes“ versandt kennzeichnete, 327  BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Schreiben Gerhard Krolls an Konrad Adenauer vom 21. Mai 1955. 328  BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Aufzeichnung des Abteilungsleiters Inland vom 4. August 1955. 329  Vgl. BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Schreiben des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung an den Verlag Neues Abendland vom 4. Juni 1956.

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sorgte das für erhebliche Verstimmungen. Ein Mitarbeiter der Behörde wies Verlagsleiter Jehle zurecht, „daß keinerlei Berechtigung bestand, diese Versendung ‚im Auftrag des Presse- und Informationsamtes‘ vorzunehmen. Es wird hier als vollkommen unverständlich empfunden, wie Ihr Verlag auf einen solchen Einfall kommen konnte. Es darf doch wohl als selbstverständlich gelten, daß die Versendung von Verlagserzeugnissen im Namen des Herstellers zu erfolgen hat, wenn die Versendung von diesem selbst vorgenommen wird.“330 In der Folge galt das Neue Abendland nun nicht mehr als Aushängeschild eines christlichen Konservatismus, sondern als „der geistigen Abseitigkeit verdächtig“.331 Diese scharfe Abwendung lag freilich nicht nur in der Anmaßung des Verlags begründet, vielmehr nahm die öffentliche Kritik an der Nähe konservativer Politiker zu den Abendländern zu diesem Zeitpunkt massiv zu, weil der zweiten Ausgabe des Neuen Abendlands des Jahres 1957 ein Geleitwort Adenauers vorangestellt wurde.332 Denn während die Radikalisierung des Neuen Abendlands unter Kroll fortschritt, gerieten die Abendländische Bewegung, ihre Protagonisten und Ziele zunehmend in den Blick der Öffentlichkeit. Ihre mitunter verfassungsfeind­ liche Stoßrichtung provozierte teilweise alarmierte Reaktionen. Der oben erwähnte, bereits 1955 erschienene Spiegel-Artikel, in dem der Autor betonte, „daß die Erneuerungspläne darauf ausgehen, einen Teil der in den Grund­ gesetz-Artikeln 1 bis 20 verbrieften Grundrechte abzuändern oder ganz aufzuheben“,333 hatte eine fortgesetzte kritische Auseinandersetzung mit den Abendländern eingeläutet, die sogar zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Frage ihrer Verfassungsfeindlichkeit führte. In der Folge verlor die Abendländische Bewegung an Sympathisanten, Einfluss und Wohlwollen in politischen Kreisen, nicht zuletzt bei der Bundesregierung. Die öffentliche Auseinandersetzung führte zu einer Distanzierung selbst der meisten konfessionell gebundenen Konservativen. Mit der Abendländischen Bewegung verlor naturgemäß auch ihr Zentral­ organ an Bedeutung: Die letzte Ausgabe des Neuen Abendlands erschien 330  BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Schreiben Welcherts an Jehle vom 9. August 1957. 331  BAK, B 145/3693, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Neues Abendland, 1951–1957: Aufzeichnung Welcherts vom 10. August 1957. 332  In der Folge erschienen in zahlreichen Tageszeitungen Artikel, die die Frage nach dem Einfluss der Abendländer und ihrer demokratieskeptischen Positionen auf die Politik stellten: o. V.: Ziele der Abendländische Akademie im Kreuzfeuer. In: Frankfurter Rundschau, 10.08.1957; o. V.: Kritik an „Abendländern“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.08.1957; o. V.: Die Hintertreppe der Demokratie. Die „Abendländische Akademie“ und ihre zweifelhaften Ziele. In: Nordwestdeutsche Rundschau, 29.08.1957. 333  o. V., Die missionäre Monarchie. S. 14.



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1958, bereits seit 1955 sind keine Buchpublikationen des Verlags Neues Abendland in der Deutschen Nationalbibliothek mehr nachgewiesen – allerdings erschien 1958 im Verlag Johann Wilhelm Naumann noch einmal ein Sonderdruck eines Artikels zu Ernst Jünger aus der Zeitschrift.334 2. Rufer-Verlag Von christlichem Eifer motiviert war auch ein anderer Verleger, der bereits hundert Jahre zuvor in Erscheinung getreten war: Als der gelernte Buchbinder Carl Bertelsmann 1835 in Gütersloh den nach ihm benannten Verlag gründete, tat er dies ganz wesentlich aus einem christlichen Sendungsbewusstsein heraus. Sein Unternehmen sollte dazu beitragen, im Sinne der Erweckungsbewegung einen „patriotischen Protestantismus oder protestantischen Patriotismus“ zu entwickeln und zu verbreiten.335 Ohne dabei ökonomische Ziele hintanzustellen, war es Bertelsmann um die „ ‚Formierung der Frömmigkeit‘ im Dienste einer Rechristianisierung der Gesellschaft“ zu tun336 – als christlicher Konservativer des Vormärz verfolgte er dieselben Ziele wie christliche Konservative der Nachkriegszeit. Auch während der folgenden Jahrzehnte, als das zunächst auf Liederbücher und an das kleinbürgerliche Publikum adressierte Ratgeber konzentrierte Programm unter Bertelsmanns Nachfolgern vergrößert und verbreitert wurde, etwa um Lehr- und Schulbücher sowie „Zeitungen und Zeitschriften meist konservativ-religiösen Charakters“,337 blieb der Kern eine neupietistische, nationalprotestantische Programmatik – die aufs Beste mit dem wilhelminischen Imperialismus kompatibel war;338 „religiöser und politischer Konservatismus [bildeten] bei C. Bertelsmann eine Einheit.“339 In den wirtschaftlich prekären Weimarer Jahren öffnete sich der Verlag dann neuen Inhalten, die der ökonomischen Zielsetzung stärker verhaftet waren als der missionarischen. Insbesondere mit einer Fokussierung auf belletristische Werke suchte man den Kundenkreis zu erweitern, auch über das religiöse Publikum hi­ naus.340 Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten verlor der Ver334  Paetel, Karl Otto: Ernst Jünger und die Politik. Augsburg: Verlag Johann Wilhelm Naumann, 1958. 335  Lehning, Thomas: Das Medienhaus. Geschichte und Gegenwart des Bertelsmann-Konzerns. München: Wilhelm Fink, 2004. S. 18. 336  Friedländer et al., Bertelsmann im Dritten Reich. S. 22. 337  Bundesmann-Jansen, Jörg/Pekruhl, Ulrich: Medienkonzern Bertelsmann. Neues Management und gewerkschaftliche Betriebspolitik (= HBS Forschung, Bd. 7). Köln: Bund-Verlag, 1992. S. 16. 338  Vgl. Lehning: Das Medienhaus. S. 22 f., 25. 339  Friedländer et al., Bertelsmann im Dritten Reich. S. 43. 340  Vgl. ebd. S. 119 ff.

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lag C. Bertelsmann endgültig den Charakter des konfessionellen Verlags und setzte in und neben der Belletristik ganz auf völkisch-nationalistische Machwerke im Einklang mit dem Ungeist der Zeit.341 Nicht von ungefähr avancierte er im Zweiten Weltkrieg zum wichtigsten Buchlieferanten der Wehrmacht.342 Im theologischen Programm des Bertelsmann-Verlags bildeten sich schon in den sechs Jahren vor der Ausgründung des Rufer-Verlags die Konflikte (und Konvergenzbemühungen) ab, die im deutschen Protestantismus angesichts der neuen Ordnung entstanden. Eine Vielzahl veröffentlichter Schriften beschäftigte sich mit den „Möglichkeiten und Grenzen, Kirche und Christentum der neuen weltanschaulichen Politik des nationalsozialistischen Regimes anzupassen“.343 Anders als etwa bei den katholischen Verlagen Echter und Kösel ging es bei Bertelsmann kaum je um das Ob, sondern hauptsächlich um das Inwieweit der Anpassung (was jedoch schon genügte, um mitunter in Konflikt mit dem Regime zu geraten).344 Heinrich Mohn, von 1921 bis 1947 Chef des Hauses, war als „traditionsverbundener, volksmissionarisch ausgerichteter lutherischer Verleger“ und ehemaliges Mitglied der DNVP für völkische Theologien anschlussfähig, gehörte selbst jedoch der Bekennenden Kirche an.345 Als die Reichsschrifttumskammer 1939 eine Bekanntmachung erließ, die Verlage, „die sich in der Hauptsache in den Dienst einer bestimmten, nicht Gedankengut der Gesamtheit des deutschen Volkes bildenden Weltanschauung, eines religiösen Bekenntnisses oder einer ihren Zwecken dienenden Einrichtung stellen“,346 zwang, sich als solche zu erklären, wobei bereits die Veröffentlichung eines einzigen religiösen Werkes einen Verlag zu einem solchen machte, blieb konfessionell geprägten Häusern faktisch nur die Wahl, sich auf religiöse Schriften zu beschränken oder diese gänzlich aus dem Programm zu verbannen. C. Bertelsmann indes wählte eine dritte Option: Der ehemals zentrale Bereich des Hauses, die christliche Literatur, wurde 1939 in ein Imprint ausgelagert, den Rufer-Verlag. Dieser war als der Erweckungsbewegung verpflichteter, der Bekennenden Kirche nahestehender Verlag erst zwei Jahre zuvor gegründet worden und befand sich mittlerweile in der Trägerschaft eines Bielefelder Missionsvereins. Als er nun infolge des RSK-Erlasses, der auch festlegte, dass Vereine 341  Vgl.

ebd. S. 136 ff. Plate, Markus et al.: Große deutsche Familienunternehmen. Generationenfolge, Familienstrategie und Unternehmensentwicklung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011. S. 82. 343  Friedländer et al., Bertelsmann im Dritten Reich. S. 175. 344  Vgl. ebd. S. 183 f. 345  Ebd. S. 206. 346  Zit. n. ebd. S. 224. 342  Vgl.



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nicht Mitglied der RSK sein und damit nicht verlegerisch tätig sein konnten, die Übernahme durch ein größeres Haus suchte, fügte sich das trefflich in die Ausgründungspläne Heinrich Mohns.347 Damit waren die Probleme für das konfessionell ausgerichtete Programm bei Bertelsmann aber keineswegs passé. Bereits 1939 wurden einzelne RuferPeriodika verboten, da diese die öffentliche Ordnung und die Erziehung der deutschen Jugend im nationalsozialistischen Sinne gefährdet hätten; 1941 wurde beinahe die gesamte evangelische Presse im Reich stillgelegt.348 Doch auch das Buchprogramm war von Restriktionen betroffen: Bereits seit dem Spätsommer 1940, so beklagte sich Mohn, seien dem Verlag alle Anträge auf Papierzuteilungen abgelehnt worden.349 Unter den Bedingungen verschärfter Repression gegen konfessionelle Verlage konnte der Rufer-Verlag während des „Dritten Reiches“ die ihm zugedachte Rolle als Substitut des theologischchristlichen Programms mithin nicht einnehmen – was er insofern auch nicht musste, als der RSK-Erlass faktisch nicht umgesetzt wurde und C. Bertelsmann weiterhin auch konfessionelles Schrifttum veröffentlichte. Erst 1943, als die Schließung Bertelsmanns ernsthaft zu befürchten war, wurden die entsprechenden Programmteile in den Rufer-Verlag überführt – der im selben Jahr geschlossen wurde.350 Nach dem Zusammenbruch des Regimes ging Bertelsmann zügig von der engen Kooperation mit den Institutionen des nationalsozialistischen Staats zur engen Kooperation mit den Besatzungsbehörden über; insbesondere aufgrund der großen Papiermengen, die dem Unternehmen zur Verfügung standen, war es als Partner für die Erfüllung von Druckaufträgen wertvoll, sodass bereits vor Erteilung einer Lizenz der Betrieb wieder anlief.351 1946 schließlich gestattete die britische Militärregierung Heinrich Mohn in seinen Verlagen C. Bertelsmann und Rufer auch wieder die Produktion und den Vertrieb eines eigenen Programms. Ein Jahr später sah sich Mohn, der mit den Nazis und insbesondere der Wehrmacht nicht nur glänzende Geschäfte gemacht und insbesondere vom Frontbuchhandel in erheblichem Maße profitiert hatte, sondern auch Fördermitglied der SS gewesen war, angesichts des ihn erwartenden Entnazifizierungsverfahrens, das er als „Belasteter“ abzuschließen drohte, genötigt, die Führung des Unternehmens an seinen Sohn Reinhard zu übergeben.352 Unter dessen Ägide und federführend umgesetzt vom zweiten Mann des Unternehmens, Fritz Wixforth, der bereits im „Dritten Reich“ neue 347  Vgl. 348  Vgl. 349  Vgl. 350  Vgl. 351  Vgl. 352  Vgl.

ebd. S. 234. ebd. S. 230 f. ebd. S. 194. ebd. S. 482. ebd. S. 517. Lehning, Das Medienhaus. S. 33.

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Absatz- und Vertriebswege für Bertelsmann erschloss, etwa durch die Kooperation mit dem Reisebuchhandel und die Konzeption von Buchkassetten vor allem mit Kriegsromanen für diesen,353 wurde 1950 der Bertelsmann Lesering ins Leben gerufen, der, den Reise- und Versandbuchhandel sowie die Ladensortimenter zunächst einbeziehend, die erfolgreichste Buchgemeinschaft der Bundesrepublik und die Grundlage des Aufstiegs Bertelsmanns zum Medien-Großunternehmen werden sollte.354 Programmatisch knüpfte man bei Bertelsmann an Altbewährtes an: Theologisches, Belletristisches, Kulturperiodika konservativen Zuschnitts; selbst um belastete Autoren, Aushängeschilder des Nationalsozialismus wie Will Vesper und, wie erwähnt, Hans Grimm gar, bemühte sich Mohn.355 Während die wissenschaftlich ausgerichtete theologische Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin unter C.-Bertelsmann-Signet erschien, konzentrierte sich Rufer auf praktisch-religiöses und pädagogisches Schrifttum.356 Die ersten Titel, die nach der Lizenzierung unter dem Rufer-Label erschienen, waren typisch für ihre Zeit. Das betrifft sowohl die Ausstattung, die den Papiermangel widerspiegelte – viele der Bände waren eher Broschüren, die häufig weniger als 20 Seiten umfassten357 –, das betrifft aber vor allem die Topoi, die Rufer-Autoren verhandelten. Diese zielten zuvörderst auf eine christliche renovatio, auf den Ausweg aus der akuten moralischen wie materiellen Katastrophe der späten 1940er Jahre durch die Rückbesinnung auf tradierte religiöse Werte und die Institution der Kirche. Oskar Hammelsbeck etwa verfasste Vier Briefe als Antwort auf ein Gesuch um Wiederaufnahme, in denen er sich mit dem Wunsch einer aus der Kirche ausgetretenen Person befasst, die in seine Gemeinde zurückkehren möchte.358 In ihnen ist nicht nur eine Auseinandersetzung über eigentliche Glaubensfragen enthalten, sondern auch eine Religion, Kulturkritik und eine „Ideologie der Ideologielosigkeit“ verbindende Reflexion über die Rolle der Kirche und ihrer Angehörigen in ihrer Zeit, die in besonderem Maße das allgemeine irdische Schicksal widerspiegele: „Das ist die Wirklichkeit: Welt und Leben liegen im Argen, in Tod und Verwesung; welches Geschlecht, wenn nicht das unsere, hätte größere Gewißheit darüber angesichts aller Not, allen Verderbens, aller FurchtbarHaug/Kruse, Geschichte des Versandbuchhandels. S. 114 f. Gööck, Roland: Bücher für Millionen. Fritz Wixforth und die Geschichte des Hauses Bertelsmann. Gütersloh: Bertelsmann, 1968. S. 116 f. 355  Vgl. Friedländer et al., Bertelsmann im Dritten Reich. S. 522, 526. 356  Vgl. Plate et al., Große deutsche Familienunternehmen. S. 82. 357  Bspw. Hammelsbeck, Oskar: Zurück in die Kirche? Vier Briefe als Antwort auf ein Gesuch um Wiederaufnahme. Gütersloh: Rufer, 1946; Schäfer, Daniel: Der einzige Rettungsweg für unser deutsches Volk. Gütersloh: Rufer, 1947; Gaudecker, Rita von: Nacht am Berg. Gütersloh: Rufer, 1947. 358  Hammelsbeck, Zurück in die Kirche. 353  Vgl. 354  Vgl.



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keit! Keine noch so schöne Weltanschauung und Illusion hilft uns darüber hinweg.“359 Wilhelm Hahn publizierte sieben Vorträge unter dem Titel Der christliche Glaube und der Mensch der Gegenwart,360 in der sich Religion und Zeitdeutung in ganz ähnlicher Weise verbinden, und für Daniel Schäfer war die Rückkehr zu Glaube und Kirche Der einzige Rettungsweg für unser deutsches Volk.361 Im selben Jahr wie diesen Titel veröffentlichte Schäfer auch einen Rückblick auf die NS-Jahre, in denen er Viereinhalb Jahre Redeverbot erhalten hatte – wegen „staatsabträglicher Äußerungen“.362 Schäfer, wie Hammelsbeck einer der Stammautoren des Verlags, steht damit stellvertretend für eine Reihe von Autoren, die aus einem christlich-konservativen Weltbild heraus die Nachkriegsgegenwart deuteten – und die im „Dritten Reich“ auf Distanz zum Nationalsozialismus geblieben waren. Hammelsbeck etwa war ebenso Mitglied der Bekennenden Kirche gewesen wie Karl Bernhard Ritter, der 1949 bei Rufer seine „Geschichte einer Wandlung“ vorlegte;363 der Theologe war nicht nur Mitinitiator verschiedener innerkirchlicher Bewegungen, sondern in den 1920er Jahren auch in der DNVP aktiv und Abgeordneter des Preußischen Landtags sowie einer der Mitbegründer des nationalkonservativen Jungdeutschen Bunds gewesen.364 Das heißt freilich nicht, dass Hitlertreue bei Rufer keinen Platz gehabt hätten: In den späten 1940er und frühen 1950er Jahren wurden in dem Verlag Werke von oder über Personen publiziert, die sich mit der nationalsozialistischen Ideologie gemein gemacht oder dieser gar das Feld bereitet hatten. So veröffentlichte Fritz Bachmann ein Portrait Johannes Kuhlos, des 1941 verstorbenen Gründers der evangelischen Posaunenchorbewegung, den er als Spielmann Gottes vorstellte365 – nicht aber als Antisemiten, Anhänger der Reichskirche und frühes Mitglied der NSDAP;366 der Theologe Erich Sauer, der seine heilsgeschichtlichen Überlegungen vor 1945 rassistisch unterfüttert 359  Ebd.

S. 14. Wilhelm: Der christliche Glaube und der Mensch der Gegenwart. Sieben Vorträge. Gütersloh: Rufer, 1947. 361  Schäfer, Der einzige Rettungsweg. 362  Schäfer, Daniel: Viereinhalb Jahre Redeverbot. Gütersloh: Rufer, 1947. S. 5. 363  Ritter, Karl Bernhard: Die Geschichte einer Wandlung. Gütersloh: Rufer, 1949. 364  Vgl. Hederich, Michael: Karl Bernhard Ritter: Reformer – Kämpfer – Seelsorger. Ein Lebensbild. Kassel: Evangelischer Medienverband, 2010. Auch der „Konservative Revolutionär“ Paul Alverdes publizierte nach 1945 bei Rufer. Vgl. DLA, A: Alverdes, Paul: Schreiben Paul Alverdes’ an den Rufer Verlag 1955–1957. 365  Bachmann, Fritz: Johannes Kuhlo: Ein Spielmann Gottes. Gütersloh: Rufer, 1947. 366  Vgl. Neumann, Reinhard: Pastor Johannes Kuhlo (1856–1941). Seine politischen Einstellungen als Vorsteher der Westfälischen Diakonenanstalt Nazareth von 360  Hahn,

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

hatte,367 durfte sich nach Kriegsende erneut Gedanken über Zweck und Ziel der Menschenschöpfung machen;368 und auch Hans Franck, der schon 1922 ein „Glaubensbekenntnis“ zum „Dritten Reich“ abgelegt und folgerichtig 1933 das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichnet hatte, fand bei Rufer eine publizistische Heimat.369 Der gemeinsame Nenner der durchaus heterogenen Autorengruppen blieb die Perspektive einer evangelischen Spiritualität und Kirchlichkeit, die reli­ giöse beziehungsweise konfessionelle Traditionsbestände in der spezifischen Situation der Nachkriegszeit zugänglich und fruchtbar machen wollte und so dazu beizutragen suchte, die Wieder- und Neuformierung der deutschen Gesellschaft im entsprechenden Sinne zu begleiten. An der grundlegenden Ausrichtung des Verlagsprogramms änderte sich in den anderthalb Jahrzehnten nach 1945 recht wenig. So standen neben Titeln mit gesellschaftlich-politischer Stoßrichtung Auseinandersetzungen mit innerkirchlichen Fragestellungen, christliche Gebrauchsliteratur wie Gesangsbücher hatten ihren festen Platz, pädagogische Titel wie Erziehungsratgeber und erziehungswissenschaftliche Studien nahmen viel Raum ein, große Protestanten der Weltgeschichte wurden porträtiert und Erzählungen, etwa zum Weihnachtsfest, publiziert. In den 1950er Jahren spielten dann zunehmend – insbesondere an Jugendliche adressierte – Heftreihen eine große Rolle, in den sich pädagogisch-religiöse Anliegen mit einer unterhaltsamen Form verbanden, so etwa Acht Seiten – Freude zu bereiten (erstmals 1953 erschienen), Spannende Geschichten (1954) oder Dein Leseheft (ebenfalls 1954). Die Orientierung hin zu eher populären Inhalten verlief parallel zu einer zunehmenden Diversifizierung des Geschäfts des Mutterhauses. Die Mohns blickten freilich zufrieden auf die kommerziellen Erfolge, sahen jedoch durch die Vielzahl verschiedener Felder, auf denen sich das Unternehmen betätigte, seine Einheitlichkeit und Erkennbarkeit gefährdet. 1959 wurden die beiden Verlage C. Bertelsmann und Rufer deshalb wieder zusammengeführt: im

1893–1922 und darüber hinaus. In: Jahrbuch für westfälische Kirchengeschichte 102 (2006). S. 367–403. 367  Vgl. Afflerbach, Horst: Die heilsgeschichtliche Theologie Erich Sauers (= Systematisch-theologische Monographien, Bd. 16). Witten: R. Brockhaus, 2006. 368  Sauer, Erich: Vom Adel des Menschen. Gedanken über Zweck und Ziel der Menschenschöpfung. Gütersloh: Rufer, 1947. 369  Franck, Hans: Das dritte Reich. Ein Glaubensbekenntnis. Stuttgart/Heilbronn: W. Seifert, 1922: Franck, Hans: Tidemann Butthoff. Gütersloh: Rufer, 1954. Vgl. Zur Biografie Francks Klee, Ernst: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor uns nach 1945. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2007. S. 144.



IV. Konfessionelle Verlage195

Gütersloher Verlagshaus. Gerd Mohn erläuterte die Beweggründe dafür in einem Schreiben an Hans Blumenberg: „Sie werden in den vergangenen Jahren beobachtet haben, wie einzelne unter dem Namen Bertelsmann arbeitende Zweige unseres Hauses eine ungewöhnliche Entwicklung zu verzeichnen hatten. In erster Linie ist dabei auf den Lesering hinzuweisen, der heute mit seinen fast 2,5 Millionen Mitgliedern in starkem Maße den Klang des Namens Bertelsmann in der Öffentlichkeit bestimmt. Ich erinnere aber auch an die neu aufgenommene Schallplattenproduktion sowie an die Arbeit des Sach- und Lexikon-Verlags, der allein in seiner Produktion einem großen Verlage entspricht. Je stärker diese und andere Abteilungen ihr Eigenleben entwickelten, umso schwieriger wurde es für mich, meine kirchliche und theologische Verlagsarbeit als einen geschlossenen Bereich eigener Konzeption der Öffentlichkeit vorzustellen. Für einen Verlag jedoch, der sich der christlichen Verkündigung und der theologischen Forschung verpflichtet weiß, ist das klare Verlagsgesicht eine Lebensfrage. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, in Zukunft die Firmenbezeichnung ‚Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn‘ zu führen. Dieser neue Verlag wird sowohl die theologisch-wissenschaftliche Arbeit des Carl Bertelsmann Verlages als auch die des Rufer-Verlages weiterführen. Alle bestehenden Rechte und Pflichten werden selbstverständlich von dem neuen Verlagshaus übernommen. Es war für mich kein leichter Entschluß, den Namen Bertelsmann aufzugeben, der seit fast 125 Jahren über der verlegerischen Tätigkeit unseres Verlagshauses gestanden hat. Ich bin aber der festen Zuversicht, daß diese Entscheidung im Hinblick auf die weitere Arbeit gut und notwendig war. Der Leitspruch des Gründers Carl Bertelsmann soll auch über dem jungen Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn stehen: ‚Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe‘.“370 1971 wurde aus dem Familienunternehmen die Bertelsmann Aktiengesellschaft, die sich zu einem der größten und heterogensten Medienkonzerne Europas entwickelte. Das Gütersloher Verlagshaus besteht bis heute als auf religiöses und theologisches Schrifttum konzentriertes Imprint innerhalb des Random-House-Konzerns fort.371

370  DLA, A: Blumenberg, Hans: Schreiben Gerd Mohns an Hans Blumenberg vom 15. Mai 1959. 371  Vgl. Plate et al., Große deutsche Familienunternehmen. S. 82 f.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

V. Konservative Publikumsverlage Wurden die bisher vorgestellten Kategorien anhand der inhaltlichen Ausrichtung der Programme beziehungsweise der weltanschaulichen Ausrichtung der Verlage gebildet, werden die Parameter der Kategorienbildung bei den konservativen Publikumsverlagen um die Dimensionen der Größe der Verlage beziehungsweise der Breite ihres Programms erweitert. Trotz dieser scheinbaren Inkohärenz ist es sinnvoll, so gefasste Publikumsverlage als eigene Kategorie zu etablieren, da sie aufgrund dieser Parameter eigene ­ Voraus­setzungen für die Distribution konservativer Inhalte in einem diversifizierten Massenmarkt boten, den Publikumsverlage aufgrund ihrer größeren ökonomischen und vertrieblichen Potenz und programmatischen Breite besser bedienen (und teilweise formen) konnten. Sie konnten mithin ein breiteres Publikum und damit eine allgemeine Öffentlichkeit ansprechen, die über die weltanschaulich mehr oder weniger fest geprägte beziehungsweise auf bestimmte Themenkomplexe fokussierte Leserschaft, die die bisher dargestellten, wenn man so will: (Nischen-)Verlage zuvörderst bedienten, hinausreichten. Sie waren dadurch in besonderer Weise in der Lage, konservativen Theoremen und kulturkritischen Deutungen Aufmerksamkeit zu verschaffen, und sind damit im Panorama konservativer Verlage mit Blick auf die politische Meinungsbildung und die gesellschaftlichen Orientierungsdiskurse im Westdeutschland der Nachkriegszeit von herausragender Bedeutung, von wesentlich größerer jedenfalls als etwa die Verlage des revisionistischen Randes, die Vertriebenenverlage oder auch die Kulturverlage; deshalb wird das Beispiel eines Publikumsverlags in dieser Untersuchung auch in extenso dargestellt. Die Untersuchung von Publikumsverlagen lässt mit Blick auf die Rolle konservativer Verlage in der Nachkriegszeit entsprechend Betrachtungen in zwei Richtungen zu: wie konservative Programme beziehungsweise Programmanteile die Öffentlichkeit mitprägten und wie umgekehrt ein bestimmter Zeitgeist auf die Programmgestaltung wirkte; dass diese beiden Dimen­ sionen analytisch kaum scharf zu trennen sind, versteht sich. Publikumsverlage hatten den größten Anteil an den Titeln und Umsätzen, die die vielfältige und vielgestaltige Verlagslandschaft der Nachkriegszeit hervorbrachte; 1951 wurden bereits über 14.000 Titel veröffentlicht, fast doppelt so viele wie noch drei Jahre zuvor.372 Dabei dominierten meist die Altverlage, sowohl im Markt wie auch in der Wahrnehmung und Wertschätzung der Leser: 1949 galten ihnen Insel, Suhrkamp, der Verlag Kurt Desch, 372  Vgl.

Fetzer, Droemer Knaur. S. 284.



V. Konservative Publikumsverlage197

der Verlag Rainer Wunderlich, die DVA, Piper, der Münchner Verlag (ehemals Bruckmann), Bertelsmann und Rowohlt als die wichtigsten und renommiertesten deutschen Verlage.373 Es konnten sich also nur wenige Verlage durchsetzen, die nicht bereits Vorläufer in der Weimarer Republik hatten. Neben Desch war das insbesondere der erst ein Jahr nach dieser Umfrage gegründete Econ-Verlag, der ganz auf den Sachbuchmarkt fokussierte und damit wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich war, wodurch auch andere, eher belletristisch geprägte Verlage sich ermutigt oder genötigt sahen, Sachbuchprogramme aufzulegen – in denen sich die Orientierungsdiskurse der 1950er Jahre natürlich in besonderem Maße widerspiegelten.374 Mit den alten Verlagen und Verlegern prägten zunächst auch die etablierten Autoren und Werke die Literatur der Nachkriegszeit: „Es dominierten zunächst die alten Titel, die Übersetzungen, die Wiederauflagen. Die Unterhaltungsliteratur nahm dabei einen in seiner Größe bisher unbekannten Umfang ein – charakteristisch für die sich in den fünfziger Jahren entwickelnde Popularkultur.“375 Während sich Nischenverlage dieser Popularkultur oftmals verweigerten, gerade die kulturkritisch-konservativen gerne im Gestus elitärer Kulturüberlegenheit, bedienten die Publikumsverlage die neue Nachfrage – und boten gleichzeitig der Kritik an dieser Raum. Neben den größeren ökonomischen und vertrieblichen Möglichkeiten unterscheidet das die Publikumsverlage von den Verlagen der anderen hier skizzierten Kategorien: Sie sind in ihren Programmen gerade nicht eindeutig weltanschaulich ausgerichtet, sondern bieten mitunter ganz unterschiedlichen Personen, Perspektiven und Produkten ein Forum. Für alle Verlage der Zeit gilt Monika Estermanns Feststellung: „Ihre Programmpolitik war doppelt orientiert, sowohl zur literarischen Kommunikation, die in dieser Zeit noch stark an dem konservativ bestimmten System Kultur ausgerichtet war, als auch an dem System Wirtschaft mit den Markt- und Käuferinteressen.“376 Welches der beiden Systeme jedoch als primäres Bezugssystem verstanden wurde, unterschied sich im Zweifelsfall zwischen politisch eindeutiger zu qualifizierenden Häusern und auf eine allgemeine Öffentlichkeit und deren Kaufkraft zielenden Publikumsverlagen. Gleichwohl lassen sich auch bei Publikumsverlagen politisch-weltanschauliche Tendenzen feststellen, die in der Person des Verlegers genauso begründet liegen können wie in den Lesergruppen, die bedient werden sollen. So Wittmann, Verlagswesen und Buchhandel. S. 49. Wittmann, Der deutsche Buchhandel. S. 416 f. 375  Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 37. 376  Ebd. S. 38. 373  Vgl. 374  Vgl.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

bildeten sie spezifische Profile aus, die sie zum Anlaufpunkt für bestimmte weltanschaulich orientierte Akteursgruppen machten. Gerade die auf Wirkung bedachten und tatsächlich wirkmächtigen konservativen Denker der späten 1940er und der 1950er Jahre veröffentlichten nicht oder doch nicht nur bei programmatisch anhand weltanschaulicher Positionen eingeschränkten Verlagen, sondern bei den reichweitenstarken Publikumsverlagen, von denen aufgrund ihres Gepräges einige für konservative und kulturkritische Intellektuelle besonders attraktiv waren, die wiederum zum speziellen Gepräge der Verlage beitrugen und dadurch die Anziehungskraft auf andere Konservative vergrößerten. So publizierte Ernst Jünger seine nach 1945 neu- oder wiedererscheinenden Werke zunächst bei verschiedenen Verlagen unterschiedlicher Kategorien, schließlich versammelte er sein Werk jedoch bei Klett. Sein Bruder Friedrich Georg dagegen publizierte den Großteil seiner Arbeiten beim wissenschaftlich ausgerichteten Klostermann-Verlag, einzelne Titel erschienen jedoch auch bei Hanser, Reclam oder Klett. Weitere Autoren aus dem Jünger-Umfeld fanden ebenfalls bei Klett eine Heimat, so Gerhard Nebel, der aber auch bei Bertelsmann oder Hoffmann & Campe publizierte. Armin Mohler hingegen, dem Ernst Klett mit Misstrauen begegnete, veröffentlichte seine Werke unter anderem beim Zürcher AnkerVerlag, aber auch bei Ullstein und Piper. Die beiden herausragenden Köpfe dieses Kreises, Carl Schmitt und Martin Heidegger, veröffentlichten vor allem in Wissenschaftsverlagen, Schmitt bei Duncker & Humblot, Heidegger bei Klostermann, brachten einzelne Titel aber auch im konservativen Kulturverlag von Günther Neske, dem Nachfolger Otto Reichls, heraus. Hans Zehrer veröffentlichte ebenso überwiegend bei Rowohlt wie Ernst von Salomon und auch Arnold Gehlen und Helmut Schelsky publizierten dort eine Reihe von Titeln. Gerhard Ritter veröffentlichte seine zuvörderst an ein Fachpublikum gerichtete Schriften in wissenschaftlich ausgerichteten Verlagen, allen voran Oldenbourg, aber auch Mohr Siebeck oder Quelle & Meyer. Die auf eine weitere Öffentlichkeit zielenden Titel jedoch erschienen bei konservativen Kultur- und Publikumsverlagen, so in Katzmanns Furche-Verlag, beim Münch­ ner Verlag beziehungsweise Bruckmann, bei Bertelsmann oder der DVA. Dort erschien auch der Großteil des Œuvres Friedrich Sieburgs, die herausragenden Werke Hans Freyers und ebenso die Schriften José Ortega y Gassets, die im deutschen Diskus stark rezipiert wurden. Dieser kursorische und unvollständige Überblick über die Verlage einiger der einflussreichen Konservativen der Nachkriegszeit illustriert zum einen, wie wichtig Publikumsverlage waren, um diesen Zugang zu einer breiten



V. Konservative Publikumsverlage199

Öffentlichkeit zu ermöglichen und die Wiedergewinnung der Sprechfähigkeit auch jener Akteure zu unterstützen, die unmittelbar nach 1945 aus dem öffentlichen Diskurs verbannt waren beziehungsweise verbannt werden sollten, zum anderen, dass das Feld von Publikumsverlagen, die diesen Akteuren und ihren Themen Raum boten, weitaus größer war, als es hier dargestellt werden kann. 1. Klett Eine der wichtigen Anlaufstellen für konservative Intellektuelle der Nachkriegszeit war also der Klett-Verlag. Als Ernst Klett am 23. November 1945 die Lizenz Nr. US-W-1023 der amerikanischen Militärregierung für den Betrieb einer Druckerei und eines Verlags für „Wissenschaftl. Werke, schöne Literatur, Schul- und Fachbuch, Musik“ erhielt,377 blickte er bereits auf eine ein knappes halbes Jahrhundert währende Unternehmensgeschichte zurück. 1897 erwarb Ernst Kletts Großvater, der ebenfalls auf den Namen Ernst hörte, in Stuttgart die Königliche Hofbuchdruckerei zu Gutenberg, die den Ursprung des Klett-Verlags bildete. Druck und Plakatanschlag stellten zunächst den Kern des Geschäfts dar, ergänzt wurde es schon früh durch einen kleinen Verlag, der ein vor allem musikwissenschaftliches Programm aufwies, das durch die Übernahme des in Konkurs geratenen Schulbuchverlags Bonz 1930 durch entsprechende Titel ergänzt wurde.378 Mit dem Eintritt Ernst Kletts d. J. 1936 verschoben sich sowohl der Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit wie auch das Verlagsprogramm: Der Verlag rückte nun in den Mittelpunkt und Klett wandelte seinen Charakter von einem primär musikwissenschaftlichen zu einem allgemeinen Verlag mit einem Fokus auf Belletristik und Sachbuch. Bis zum Kriegsende konnten trotz Papiermangels und Restriktionen rund 15 Titel erscheinen, darunter beispielsweise Johann Gottfried Herders Volkslieder und Ulrich Kraiss’ Kleine Geschichten aus Hellas379 – zwei Titel, die bereits ein Licht auf die Ausrichtung auch des Nachkriegsverlags werfen. Die schnelle Lizenzvergabe an Klett nach Kriegsende erfolgte zum einen, weil er im „Dritten Reich“ auf Distanz zur NSDAP geblieben war, zum anderen, weil Druckerei und Verlag kaum beschädigt und rasch wieder arbeits377  De Gruyter (Hrsg.): Lizenzen-Handbuch deutscher Verlage 1949. Berlin: De Gruyter, 1949. S. 268. 378  Vgl. Klett, Ernst: Über den Verlag – Rückblick auf die Anfänge 1936–1945. In: Klett, Michael (Hrsg.): Ernst Klett zum 70. Geburtstag. Stuttgart: Klett, 1981. S. 37 f. 379  Herder, Johann Gottfried: Stimmen der Völker. Volkslieder nebst untermischten anderen Stücken. Stuttgart: Klett, 1938; Kraiss, Ulrich: Kleine Geschichten aus Hellas. Stuttgart: Klett, 1942.

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

fähig waren.380 Klett nahm nun eine organisatorische Zweiteilung des Unternehmens in einen Schulbuchverlag sowie den allgemeinen Verlag für Belle­ tristik, Sachbuch und Psychoanalyse vor. Die Ausrichtung des allgemeinen Verlags war insofern idealtypisch kulturkritisch, als er sich nach 1945 auf tradierte, kanonische Werte berief, nämlich vor allem auf jene eines klassischen Humanismus, diese aber nicht bloß zu restaurieren, sondern für die Gegenwart heilsam und für die Zukunft fruchtbar zu machen suchte. Die scheinbar disparaten Programmteile fügen sich unter diesem Aspekt zu einem Ganzen: „Um Wiederherstellung und Heilung sind die Veröffentlichungen bemüht […]. Am meisten zerstört wurden nicht die Häuser, sondern wir selbst, die wir in ihnen wohnen“, wie ein Verlagsprospekt aus dem Jahre 1949 formulierte.381 In diesem Geiste wurde auch eines der ersten großen Nachkriegsprojekte des Verlags konzipiert: die Anker-Bücherei. In der Reihe sollten zeitlos „gültige[…] Zeugnisse europäischen Geistes“ versammelt werden,382 Autoren und Werke vor allem, die in den unsicheren, orientierungssuchenden späten 1940er Jahren „Hilfe und Halt zu bieten“ versprachen.383 Das Symbol der Reihe war in diesem Sinne gewählt: „Wenn ein Schiff nach notvoller Fahrt seinen Anker auswirft, dann bedeutet das, daß es Sicherheit sucht gegen mögliche und wirkliche Gefahren. Jetzt braucht nicht mehr alle Kraft auf die Bewältigung des Augenblicks verwandt zu werden, sondern es gilt, rein Schiff zu machen, die Sturmschäden zu erkennen und zu beheben, Ordnung zu schaffen, wo sich Unordnung ausgebreitet hat, und sich vorzubereiten auf das neue Wagnis der Ausfahrt. Sicherheit gewinnen und Ordnung schaffen: das soll auch der Auftrag der Anker-Bücherei sein.“384 Diese Sicherheit und Ordnung sollte ein abendländischer Kanon bieten, der in Ernst Kletts zeittypischer Konstruktion durch sich wechselseitig anziehende wie abstoßende Elemente der griechisch-römischen Antike und des Christentums konturiert wurde. Der Idee der Anker-Bücherei lag ein kulturkritischer, aber nicht kulturpessimistischer Befund zugrunde; sie zielte auf eine renovatio, die allerdings nicht im engeren Sinne religiös verstanden werden darf, wobei Klett durchaus betonte, dass Bildung auch durch das konstituiert wird, „was jenseits der physischen Welt liegt“.385 380  Klett,

Über den Verlag. S. 37. Hohoff, Curt: Der „Allgemeine Verlag von Ernst Klett“. In: Klett-Verlag (Hrsg.): Aufrisse. Almanach des Ernst Klett Verlages 1946–1971. Stuttgart: Klett, 1971. S. 296–318. Hier S. 297. 382  Ebd. S. 298. 383  Klett, Ernst: Der Plan. In: Klett, Ernst Klett zum 70. S. 48–54. Hier S. 48. 384  Ebd. 385  Ebd. S. 49. 381  Zit. n.



V. Konservative Publikumsverlage201

Die Reihe war zunächst auf 58 Bände angelegt, von denen bis 1949 auch ein Großteil erschienen war. Neben Platon, Cicero, Dante oder Balzac umfasste sie beispielsweise auch Thomas von Aquin und Luther, Eichendorff und den französischen Romantiker Alfred de Vigny sowie eine ganze Reihe von Goethe-Werken.386 Nach der Währungsreform allerdings geriet die Anker-Bücherei, wie viele vergleichbare Projekte, in Schwierigkeiten. 1950 berichtete Klett: „Die ärgerliche wirtschaftliche Entwicklung hat es nun mit sich gebracht, dass wir die Anker-Bücherei erheblich zurückschrauben müssen […].“387 Die letzten Bände der Reihe wurden 1956 vorgelegt. Dass Veröffentlichungen aus der noch recht jungen Disziplin der Psychoanalyse in der dem Anspruch der (Ab-)Bildung eines abendländischen Kanons verpflichteten Anker-Bücherei keinen Platz hatten, nimmt nicht wunder, für das weitere Verlagsprogramm waren sie jedoch prägend. Klett war charakterisiert durch die „bezeichnende Verflechtung von Kulturkritik, Literatur und Psychoanalyse. Klett ist der erste deutsche Verlag, welcher den erweiterten Freudianismus ins Programm aufnahm.“388 Progressive Methodologie – wie sie sich auch im pädagogischen Programm fand, in dem unter anderem Maria Montessori vorgelegt wurde389 – verband sich hier aufs Beste mit einer kulturkritischen Agenda. Alexander Mitscherlich, der sich in den Zwischenkriegsjahren im Umfeld Ernst Jüngers und Ernst Niekischs bewegt hatte, mag dafür stellvertretend stehen. Neben Mitscherlich publizierten bei Klett aber etwa auch der Stichwortgeber der „68er“ Herbert Marcuse390 oder der in das NS-Euthanasieprogramm verwickelte Viktor von Weiz­säcker391. Wie im psychoanalytischen Bereich des Programms lässt sich auch im allgemein-literarischen eine kulturkritisch-konservative Tendenz feststellen, die jedoch nicht in dem Maße dominierte, dass Programmentscheidungen wesentlich durch eine weltanschauliche Motivation geprägt gewesen wären. Weltanschaulich nicht (konservativ) profilierte Autoren machten den Großteil des Verlagsprogramms aus, Klett wollte kein politischer Tendenzverlag, sondern ein breiter Publikumsverlag sein und erfüllte diesen Anspruch durchaus. So veröffentlichte hier in den ersten anderthalb Nachkriegsjahrzehnten Hans 386  Vgl.

ebd. S. 54 f. D: Merkur, Klett an Merkur, 1949–1966: Schreiben Ernst Kletts an Hans Paeschke vom 12. April 1950. 388  Hohoff, Der „Allgemeine Verlag“. S. 298. 389  Bspw. Montessori, Maria: Kinder sind anders. Stuttgart: Klett, 1952. 390  Marcuse, Herbert: Eros und Kultur. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud. Stuttgart: Klett, 1957. 391  Weizsäcker, Viktor von: Körpergeschehen und Neurose. Analytische Studie über somatische Symptombildungen. Stuttgart: Klett, 1947. 387  DLA,

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D. Die konservative Verlagslandschaft nach 1945

Blüher genauso wie Carlo Schmid.392 Unterschiedlicher politischer und parteilicher Zugehörigkeiten zum Trotz eint viele der Klett-Autoren doch eines: „Sie sind Schriftsteller eines kulturkritischen Denkens.“393 Nichtsdestoweniger wies ein relevanter – und repräsentativer394 – Teil des Klett-Programms eine gesellschaftspolitisch konservative Stoßrichtung auf – kein Wunder, war Ernst Klett schließlich selbst ein bekennender und reflektierter Konservativer. Den Kern seines Konservatismus bildete dabei die Trias aus Bewahrung, Ordnung und Transzendenz, wobei er diese durchaus weit fasste und etwa auch in „Heideggers ‚Sein‘ oder Ernst Jüngers nicht zu erschütternde[m] Glauben an Bestände, aus denen sich die Welt je und je erneuert“, erblickte.395 Wie er die Aufgabe des Konservativen sah, beschrieb Klett im Rahmen eines Vortrags, den er im Juli 1971 in der Stuttgarter Privatstudiengesellschaft hielt: „Der konservative Auftrag ist deutlicher erteilt als in den letzten Generationen. Er lautet: in Frage stellen, das überkommene Wertesystem prüfen, nicht zu verhindern trachten, wenn das Verbrauchte ausgeschieden wird, ja stoßen, wem zu fallen bestimmt ist; aber zäh und unerbittlich kämpfen für das Unverzichtbare. Und was ist das, worauf nicht verzichtet werden kann? Eben das zu bestimmen ist die Aufgabe. Jeder muß sie für sich selbst leisten.“396 Als Verleger bemühte sich Klett natürlich, dieser Aufgabe auch mit verlegerischen Mitteln gerecht zu werden. In diesem Sinne bot Klett einigen der herausragenden konservativen Beiträgern zum gesellschaftspolitischen Diskurs der Nachkriegszeit ein Forum. Gerhard Nebel publizierte hier,397 ebenso der Pädagoge und zeitweilige CDUKultusminister Gerhard Storz398 oder Hans-Joachim Schoeps, der „unter dem Titel ‚Konservative Erneuerung‘ […] eine Untersuchung der parteipolitischen Strömungen der letzten hundert Jahre und zugleich Antwort auf die Frage nach dem Wert einer traditionsgebundenen Haltung für Gegenwart und Zukunft der deutschen Geschichte“ zu geben suchte, wie der Verlag verkündete.399 Doch 392  Bspw. Blüher, Hans: Parerga zur Achse der Natur. Stuttgart: Klett, 1952; Schmid, Carlo: Die Forderung des Tages. Reden und Aufsätze. Stuttgart, Klett: 1946. 393  Hohoff, Der „Allgemeine Verlag“. S. 314. 394  So sieht Curt Hohoff in seinem Rückblick auf die Nachkriegsjahre vor allem Borchard und Jünger als die „Schwergewichte“ im Verlagsprogramm an. Vgl. ebd. S. 302. 395  Klett, Ernst: Konservativ. Ein Vortrag. In: Klett: Ernst Klett zum 70. S. 271– 280. Hier S. 272. 396  Ebd. S. 280. 397  Bspw. Nebel, Gerhard: Unter Partisanen und Kreuzfahrern. Stuttgart: Klett, 1950. 398  Bspw. Storz, Gerhard: Der Lehrer. Stuttgart: Klett 1948. 399  DLA, D: Merkur, Klett an Merkur, 1949–1966: Schreiben Erne Langs an die Redaktion des Merkur vom 18. April 1958; Schoeps, Hans-Joachim: Konservative Erneuerung. Ideen zur deutschen Politik. Stuttgart: Klett, 1958.



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genauso wie für Ewald Katzmann oder Günther Neske blieb auch für Ernst Klett der Fixstern: Ernst Jünger. Noch ehe Jünger wieder publizieren konnte, suchte Klett die Verbindung mit dem Autor, der gleichermaßen verfemt wie gefragt war. Klett hatte Jüngers Arbeit bereits vor dem Krieg verfolgt und seine Bücher gelesen. Es war wohl Gerhard Nebel, der mit Jünger und Klett gleichermaßen bekannt war, der diesen dazu drängte, mit jenem in Kontakt zu treten und dem Bestreben, Jüngers Verleger zu werden – idealiter sein einziger –, Ausdruck zu verleihen. Einem Buchpaket, das Klett Ende 1948 an Jünger sandte, folgte ein reger Briefwechsel, der fürderhin die jahrzehntelange Verbindung des Autors und des Verlegers begleiten sollte.400 Ehe Klett und Jünger jedoch über die Herausgabe von Büchern sprachen, gingen sie zunächst daran, ein gemeinsames Zeitschriftenprojekt zu entwickeln. Die Idee, ein Periodikum unter dem Namen Pallas ins Leben zu rufen, ging auf Ernst Jünger zurück, der damit darauf reagierte, dass der Merkur nicht, wie von ihm und Gerhard Nebel erhofft, auf die politische und publizistische Linie ihres Kreises einschwenkte.401 Dieser Kreis wollte sich nun also ein eigenes Medium schaffen, das von einem konservativen Geist in seinem Sinne durchdrungen sein sollte und als dessen Herausgeber Ernst und Friedrich Georg Jünger, Martin Heidegger und Werner Heisenberg, als seine Redakteure Gerhard Nebel und Armin Mohler fungieren sollten; erscheinen sollte die Zeitschrift bei Klett.402 Welche Bedeutung die Zeitschrift ihrer Meinung nach haben sollte, wird deutlich, wenn sich Gerhard Nebel, trotz der schwierigen Situation der Pallas-Protagonisten als ehemalige „Konservative Revolutionäre“, überzeugt zeigt, dass „nach den beiden ersten Heften […] sich alles, was in Deutschland noch ein eigenes Wort wenigstens stammeln kann, um uns drängen [wird]. Was den Kairos anbetrifft, so halte ich ihn, aufs Allgemeine gesehen, für günstig. Unser Unternehmen hat, wie alles was heute geschieht, auch eine politische Seite. Unsere Zeitschrift wird der erste Ausdruck der deutschen Souveränität sein, zum ersten Mal keine Agentur irgendeiner Besatzungsmacht – und wir können damit nicht warten, bis wenigstens scheinbar eine politische Souveränität hergestellt ist. Der Geist muss vorangehen, muss Promachos sein.“403 Und Klett war selbstbewusst genug, um überzeugt zu Schwilk, Ernst Jünger. S. 520. Morat, Daniel: Von der Tat zur Gelassenheit. Konservatives Denken bei Martin Heidegger, Ernst Jünger und Georg Friedrich Jünger. Göttingen: Wallstein, 2017. S. 337. 402  Vgl. Neumann, Briefwechsel mit Gerhard Nebel. S. 301. 403  Schreiben Gerhard Nebels an Martin Heidegger, zit. n. Morat, Von der Tat zur Gelassenheit. S. 343. 400  Vgl. 401  Vgl.

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sein, dass das Erscheinen von Pallas das Ende des Merkur bedeutet hätte.404 Dieser blieb allerdings die herausragende politisch-kulturelle Zeitschrift der 1950er und 1960er Jahre – und kam 1968 zu Klett405 –, denn trotz monatelangen Planungen und einem bereits unterzeichneten Verlagsvertrag scheiterte das Projekt am Unwillen Heideggers und Jüngers, sich zu diesem Zeitpunkt bereits der Öffentlichkeit zu stellen – sie wollten vorerst in ihren esoterischen Zirkeln verharren, um dort die rechtskonservativen Intellektuellen zu sammeln.406 Zehn Jahre später hegte Jünger derlei Bedenken nicht mehr: 1959 gingen er und Klett abermals daran, eine Zeitschrift ins Leben zu rufen, der schließlich mehr Erfolg beschieden war: Antaios. Die Kulturzeitschrift erschien bis 1971, als Herausgeber fungierten Mircea Eliade und Ernst Jünger. Der Personenkreis war dem, der sich um Pallas gruppiert hatte, durchaus ähnlich, wenngleich weiter: Georg Friedrich Jünger etwa verfasste für die erste Ausgabe der Zeitschrift den einleitenden Essay, der sich mit der namensgebenden „mythische[n] Gestalt des Antaios“ auseinandersetzte, die „in ihrer Bindung und Beziehung zur Erde für den Charakter unserer Zeitschrift symbolhaft“ sein sollte.407 Zu den Beiträgern der Zeitschrift gehörte außerdem wiederum Gerhard Nebel – neben zahlreichen anderen wie Hans Bender, Ernst Benz, Manfred Graf Keyserling, Julián Marías (ein Schüler Ortega y Gassets), Rudolf Pannwitz, Denis de Rougemont oder Jan de Vries. Auch in der konservativ-elitären Ausrichtung wies Antaios durchaus Ähnlichkeiten mit dem gescheiterten früheren Projekt auf: „Auf der Suche nach dem Gültigen muß der heutige Mensch, will er nicht völlig den Weg in die Knechtschaft der von ihm geschaffenen Automaten gehen, wieder die Verbindung mit dem Beständigen erstreben, bereit, anzunehmen, aber auch zu verwandeln. Dabei begreifen wir unter ‚Tradition‘ das, was im Ablauf der Menschengeschichte sich bewährt und bewahrheitet hat und deshalb auch in der heutigen Situation bestimmend und im doppelten Sinne des Wortes zu ‚richten‘ vermag.“408 Ernst Jünger betonte dabei die Rolle einer geistigen Avantgarde der Kulturkritik: „Eine freie Welt kann nur eine geistige Welt sein. Die Freiheit wächst mit dem geistigen Überblick, mit der Gewinnung fester, erhöhter Standorte. Dort werden die Tatsachen erkannt und wiedererkannt, und damit wird es möglich, sie zu benennen, zu ordnen und in ihrem Gang zu bändigen. Dort und von dort aus nimmt auch die Sicherheit zu. Die 404  Vgl.

ebd. S. 342, Anm. 97. dazu auch Kapitel E. IV. 3. 406  Vgl. Morat, Von der Tat zur Gelassenheit. S. 345 f. 407  DLA, A: Sternberger, Dolf: Klett an Sternberger, 1949–1985: Schreiben Erne Langs an Dolf Sternberger vom 6. Juli 1959. 408  Ebd. 405  Siehe



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Freiheit folgt nicht der Sicherheit, sie geht ihr als geistige Macht voraus.“409 Mit Kletts Perspektive und mit Kletts Programm war das in höchstem Maße kompatibel. Als die erste Antaios-Ausgabe erschien, verband Ernst Jünger und Klett bereits nicht nur eine längere persönliche Bekanntschaft – die so weit ging, dass sie gemeinsam mit Drogen experimentierten –,410 sondern auch eine kürzere professionelle. 1957 war mit Gläserne Bienen Jüngers erstes Buch bei Klett erschienen, das den Grundstein dafür legte, dass Kletts Wunsch, zum wichtigsten Jünger-Verleger in Deutschland zu werden, sich erfüllte. Klett profitierte dabei von den geschilderten Problemen mit Katzmann und Reichl beziehungsweise Neske und vor allem von dem Wunsch Jüngers, seinen administrativen Aufwand zu verringern – und sein Werk dafür im Zweifelsfalle in die Hände eines einzigen Verlegers zu legen. Denn war Jünger Ende der 1940er Jahre, wie oben erwähnt, durchaus zufrieden damit, sein Werk auf mehrere Verlage verteilt zu sehen, so hatte sich seine Perspektive knapp zehn Jahre später gewandelt. Administrative und rechtliche Fragen verkomplizierten sich zunehmend und nahmen immer mehr Zeit in Anspruch. Jünger verabscheute es, sich diesen Dingen zu widmen, da sie ihn vom ­Schreiben abhielten. So ging er daran, sein Werk bei einem Verlag zu konzentrieren. Klett war dabei der Verleger seiner Wahl, führte er doch den größten und vertriebsstärksten der Verlage, zu denen Jünger in Beziehung stand. Zunächst freilich vereinfachte diese Entscheidung die Abläufe nicht unbedingt: Auseinandersetzungen über Rechts- und Rechtefragen bestimmten in den nächsten Jahren einen Großteil der Korrespondenz zwischen Jünger und Klett, der mit Katzmann und Neske regelrecht um Jüngers Bücher kämpfte.411 Nach der Publikation von Gläserne Bienen schloss Klett mit Jünger einen Rahmenvertrag mit für den Autor attraktiven Konditionen: Jünger erhielt in den kommenden vier Jahren einen jährlichen Vorschuss von 25.000 ­D-Mark und ein Titelhonorar von jeweils 15 Prozent des Ladenpreises; Klett erhielt dafür die Rechte an allen Titeln, die nach Kriegsende nicht wieder erschienen waren, an allen Titeln, deren Rechte an den Autor zurückgefallen waren, sowie vor allem die Rechte an der Gesamtausgabe. Jünger behielt sich aber weiterhin vor, neue Bücher auch anderen Verlagen anzubieten.412 In den nächsten Jahren erschienen in schneller Folge weitere Jünger-Titel bei Klett: 1958 Strahlungen, Jahre der Okkupation und Gärten und Straßen, 1959 An 409  Ebd.

Schwilk, Ernst Jünger. S. 521. bspw. DLA, A: Jünger, Ernst, Ernst Klett an Ernst Jünger, 1957–1960: Schreiben Ernst Kletts an Ernst Jünger vom 8. März 1960. 412  Vgl. Schwilk, Ernst Jünger. S. 523. 410  Vgl. 411  Vgl.

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der Zeitmauer, 1960 Sgraffiti413 – und schließlich der erste Band der zehn Bände umfassenden Werkausgabe. Für Klett und das Programm seines Verlags blieb Ernst Jünger über Jahrzehnte hinweg identitätsstiftend;414 bis heute ist das Jünger’sche Gesamtwerkt dort lieferbar. 2. Rowohlt Als Heinrich Maria Ledig-Rowohlt am 6. November 1945 mit der Lizenz US-W-1014 die Erlaubnis erhielt, in Stuttgart einen Verlag für Belletristik zu eröffnen,415 war dies bereits der dritte Verlag, der auf Initiative seines Vaters Ernst Rowohlt ins Leben gerufen wurde. Dieser dritte Rowohlt-Verlag sollte zu einem der prägenden Publikumsverlage der bundesdeutschen Verlagslandschaft werden. Insbesondere in den ersten anderthalb Nachkriegsjahrzehnten spielte Rowohlt im westdeutschen Buchhandel eine kaum zu überschätzende Rolle, und dies nicht nur wegen des bahnbrechenden Erfolgs der Rowohlts Rotations-Romane. David Oels versteht Rowohlt und seinen Verlag als „Indikatoren, als Fälle, an denen Entwicklungen, Positionen und Tendenzen der Buchhandels- und Verlags-, aber auch der Kultur- und Literaturgeschichte der frühen Bundesrepublik und ihrer Vorgeschichte exemplarisch ablesbar sind“.416 Dass der Verlag eine so herausragende Rolle einnehmen konnte, lag nicht zuletzt an der langjährigen Expertise und den einschlägigen Netzwerken, die Ernst Rowohlt zum Zeitpunkt der Neugründung bereits seit über vierzig Jahren aufgebaut hatte. Nach einer Lehre als Bankkaufmann absolvierte Rowohlt, der zumindest seiner eigenen retrospektiven Darstellung nach bereits in jungen Jahren beschlossen hatte, Verleger zu werden, zunächst ein Volontariat bei der Leipziger Druckerei Breitkopf & Härtel, sodann eines in der Münchner Buchhandlung Ackermann; beide Anstellungen gingen auf die Vermittlung des InselVerlegers Anton Kippenberg zurück, der ein Jugendfreund von Rowohlts Mutter war.417 Im Jahr 1908 gründete Rowohlt im Alter von gerade einmal 20 Jahren seinen ersten Verlag, den Rowohlt Verlag Paris–Leipzig. Als Vorbild diente ihm S. Fischer, an dem er sich teilweise auch in seiner Programm413  Jünger, Ernst: Strahlungen. Stuttgart: Klett, 1958; Jünger, Ernst: Jahre der Okkupation. Stuttgart: Klett, 1958; Jünger, Ernst: Gärten und Straßen. Stuttgart: Klett, 1958 [1942]; Jünger, Ernst: Sgraffiti. Stuttgart: Klett, 1960. 414  Nicht nur Titel von Jünger erschienen bei Klett, sondern auch solche über ihn, bspw. die Hommage des Nationalbolschewisten Karl Otto Paetel: Paetel, Karl Otto: Ernst Jünger: Weg und Wirkung. Eine Einführung. Stuttgart: Klett, 1948. 415  Vgl. De Gruyter, Lizenzen-Handbuch. S. 270. 416  Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 10. 417  Vgl. Mayer, Paul: Ernst Rowohlt in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1968. S. 20 ff.



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gestaltung orientierte. Im Zentrum stand bei Rowohlt vor allem die zeitgenössische Literatur mit Autoren wie Paul Scheerbart, Max Dauthendey und Herbert Eulenberg, eine zweite Säule bildeten als kanonisch empfundene Texte, unter anderem von Goethe und Shakespeare, die in anspruchsvoller Ausstattung vorgelegt wurden.418 1910 trat Kurt Wolff in den Verlag ein, zunächst als stiller Teilhaber, der Rowohlt Mittel zur Verfügung stellte, die seine verlegerische Arbeit erleichtern sollten. In der Praxis allerdings war Wolff durchaus darauf bedacht, auch in programmatische und kaufmännische Entscheidungen einbezogen zu werden, was wiederholt zu Konflikten mit Rowohlt führte. Dieser verließ 1912 schließlich den von ihm gegründeten Verlag, der fürderhin als Kurt-WolffVerlag von seinem ehemaligen Sozius geführt wurde, und arbeitete anschließend in führenden Positionen bei S. Fischer und im Hyperion-Verlag.419 So wie Rowohlt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wieder einen Verlag eröffnete, so hatte er auch kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs einen gegründet, den zweiten Rowohlt-Verlag, der 1919 ins Leben gerufen wurde. Der Hyperion-Verlag hatte den Krieg nicht überlebt, wohl nicht zuletzt, weil der Geschäftsführer Rowohlt sich, wie andere Angestellte auch, als Freiwilliger zum Kriegsdienst gemeldet hatte. So ging er also daran, abermals selbst als Verleger zu wirken und schloss dabei programmatisch an sein erstes Unternehmen an. Der zweite Rowohlt-Verlag nahm sich wiederum der literarischen Moderne, der zeitgenössischen Autoren an, deutschen wie internationalen, linken wie rechten. Kurt Tucholsky wurde ebenso verlegt wie Rudolf Borchardt oder Ernest Hemingway.420 Der in verlegerischer Hinsicht zweifelsohne progressive Rowohlt verkehrte in den Zwischenkriegsjahren mit Intellektuellen ganz unterschiedlicher Couleur. Eine stärkere Beschäftigung mit politischen und gesellschaftlichen Themen ließ sich nicht nur beim Menschen Rowohlt beobachten, sondern auch beim Verlag Rowohlt: 1932 machte Non-Fiction bereits die Hälfte des Verlagsprogramms aus, Rowohlt trug mit dieser „politisch-dokumentarische[n] Richtung“ seinem sich wandelnden Verständnis der Aufgabe des Verlegers Rechnung, die „nicht bei der Produktion sogenannter Belletristik stehen bleiben“ dürfe, sondern auch „Probleme unter Debatte zu setzen und Anteilnahme der öffentlichen Meinung zu schaffen“ habe.421 Dabei spielten im Rowohlt-Programm seit Anfang der 1930er Jahre zunehmend zeitkritische Autoren der Rechten eine herausragende Rolle, etwa Arnold Bronnen und 418  Vgl.

ebd. S. 20, 29 ff. ebd. S. 49, 51, 53. 420  Vgl. ebd. S. 60, 69, 102. 421  Zit. n. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 42. 419  Vgl.

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Ernst von Salomon.422 Letzterer prägte Rowohlts Programm der Vorkriegswie der Nachkriegszeit nicht nur als Autor – auch als sein Lektor formte er das Profil des Verlags. Rowohlt bediente mit derlei Titeln freilich die Tendenzen der Zeit, er scheint aber in jenen Jahren auch eine eigene Faszination für autoritäre Ideen und ihre Vertreter entwickelt zu haben, wie sie sich in einer durchaus affirmativen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion einerseits und der Integration in nationalistische Kreise um Ernst Jünger und Hans Zehrer andererseits ausdrückte – und konsequenterweise in eine nationalbolschewistische Perspek­ tive mündete: Rowohlt verkehrte nicht nur regelmäßig mit Ernst Niekisch, er plante auch zusammen mit Otto Strasser eine entsprechend ausgerichtete Zeitschrift herauszubringen.423 Den engen Kontakten zu Rechtsintellektuellen und -aktivisten zum Trotz, die nach der „Machtergreifung“ schon bald in Ungnade des Regimes fielen, versuchte sich Ernst Rowohlt mit den Nationalsozialisten zu arrangieren. Weder sein persönliches Umfeld noch sein verlegerisches Programm freilich stießen bei den Nazis auf großes Wohlwollen. Einer seiner vor allem ökonomisch herausragend bedeutenden Autoren, Emil Ludwig, war ihnen ebenso verhasst wie andere Rowohlt-Autoren, in Sonderheit, wenn sie jüdisch oder politisch missliebig waren wie Mascha Kaléko, Bruno Adler oder Joachim Ringelnatz. Das halbe Verlagsprogramm fiel erst der Zensur und dann den Flammen zum Opfer.424 Derlei Repressionen allerdings führten Rowohlt nicht in Opposition gegen die Machthaber, sondern bewegten ihn dazu, sich anzubiedern. So fand sich schon in den frühen 1930er Jahren NS-Apologetik wie Peter Zinglers Ein Volk steht auf. 53 Tage nationaler Revolution, Militaristisches wie Italo Balbos Fliegerschwärme über dem Ozean und Revisionistisches wie Louis von Kohls Der Wortbruch von Versailles im Programm seines Verlags.425 Allerdings war zu diesem Zeitpunkt Rowohlt nicht mehr allein für dessen Führung verantwortlich. Nachdem der Verlag 1931 bankrottgegangen war, beteiligte sich Ullstein an ihm, wodurch, infolge von Aktienkäufen, seit November 1933 mittelbar auch der Franz-Eher-Verlag an dem Unternehmen beteiligt war. 1937 trat Rowohlt in die NSDAP ein oder wurde in sie eingegliedert und gehörte ihr bis 1945 an.

422  Vgl.

ebd. S. 44. ebd. S. 73. 424  Vgl. Hage, Volker/Oels, David/Wiegrefe, Klaus: Hauptmann der Propaganda. In: Der Spiegel 62 (2008), Nr. 22. S. 156–159. Hier S. 156. 425  Vgl. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 57. 423  Vgl.



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Gleichzeitig – und trotz überlieferter antisemitischer Auslassungen – versuchte Rowohlt zum Teil, jüdische oder systemkritische Autoren und Mitarbeiter weiterhin zu publizieren beziehungsweise zu beschäftigen. Es dürfte nicht zuletzt die Veröffentlichung von Bruno Adlers unter Pseudonym erschienenem Adalbert Stifter gewesen sein, die 1938 zum Ausschluss Ernst Rowohlts aus der Reichsschrifttumskammer führte, wodurch ihm die Ausübung seines Berufes unmöglich gemacht wurde.426 1940 trat der Veteran des Ersten Weltkriegs in den Dienst der Wehrmacht, für die er in einer Propagandakompanie an der Legitimation des deutschen Angriffs- und Vernichtungskriegs arbeitete.427 Sein früherer Verlag war derweil an die DVA übergegangen. Warum Ullstein, mittlerweile als Deutscher Verlag firmierend und ganz in den FranzEher-Verlag integriert, Rowohlt verkaufte, lässt sich nicht genau rekonstruieren. David Oels betrachtet den Vorgang jedenfalls als wenig weitreichend, wenn er ob der Zugehörigkeit der DVA zur Vera-Verlagsanstalt und damit ebenfalls zum Eher-Konzern meint, dass es sich „bei der Übertragung nach Stuttgart also um eine Umstrukturierung innerhalb einer Firmengruppe“ gehandelt habe.428 1951 schilderte der damalige DVA-Geschäftsführer Willy Marquardt den Vorgang folgendermaßen: „Wie Ihnen bekannt ist, wurde der Rowohlt-Verlag etwa im Jahre 1938 von Herrn Dr. Kilpper mit sämtlichen Rechten und Pflichten gegen einen Kaufpreis von ca. RM 20.000.– übernommen und in die Deva eingegliedert. Der Grund dafür lag in finanziellen und politischen Schwierigkeiten des Verlegers Rowohlt, der mit der Kaufsumme nach Südamerika ging und dort bis 1945 lebte. Nach dem Umbruch kehrte er nach Deutschland zurück mit der Absicht, seinen Verlag wieder zu errichten und in seine Hand zu bekommen.“429 Wenn hier auch die Vita Rowohlts falsch wiedergegeben ist – er kehrte bereits 1940 aus Brasilien zurück und diente ab 1941 in der Wehrmacht –, so ist es doch korrekt, dass Rowohlt nach Kriegsende sofort daranging, wieder als Verleger tätig zu werden. Die formalen Voraussetzungen dafür waren rasch geschaffen. Ledig-Rowohlt erhielt wie erwähnt bereits im November 1945 die amerikanische Lizenz für einen neuen Stuttgarter Verlag, der als Rowohlt Verlag GmbH mit erheblicher Unterstützung der DVA gegründet wurde. Und auch Ernst Rowohlt selbst wurde bald Lizenzträger: Im März 1946 erhielt er die Erlaubnis der Briten, in Hamburg einen weiteren Rowohlt426  Vgl.

ebd. S. 99 f. ebd. S. 125 ff. 428  Ebd. S. 113. 429  WABW Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 683 Beteiligungen, Übernahme von Fachzeitschriften und Werken 1951–1952: Schreiben Willy Marquardts an Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 7. Juni 1951. 427  Vgl.

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Verlag zu etablieren.430 Schließlich erhielt Rowohlt als erster deutscher Verlag eine Lizenz in allen vier Besatzungszonen.431 Dass Ernst Rowohlt trotz seiner NS-Verstrickungen so frühzeitig wieder als Verleger wirken durfte, war nicht zuletzt einer Reihe von Leumundszeugnissen zu verdanken, die die Wahrheit zwar verfälschten, wie es das Wesen dieser „Persilscheine“ eben war, aber ihren Zweck erfüllten und dazu beitrugen, dass Rowohlt das Entnazifizierungsverfahren ohne sanktioniert zu werden abschloss. So schrieb Hans Fallada, er habe „mit Kummer“ davon gehört, „dass auch Sie plötzlich ein Nazi gewesen sein sollen. Ich, der ich vor netto 28 Jahren Ihr Autor geworden bin und der im Herzen nie einen anderen Verleger gekannt hat als Sie – ich kann’s Ihnen wahrhaftig bestätigen, dass Sie die braune Pest gehasst haben wie nur einer und dass Sie in dieser Haltung nie schwankend geworden sind, die Dinge mögen von aussen aussehen, wie sie wollen!“432 Und Paul von Bergen erklärte „nach bestem Wissen und Gewissen, dass ich in zahllosen Besprechungen vor und nach Ihrer Auswanderung Ihre einwandfreie antifaschistische Haltung immer wieder feststellen konnte und erkläre mich bereit, diese Tatsache vor Gericht zu beeiden. Nicht nur in Ihrem Interesse, sondern zum Wohle des ganzen deutschen Buchhandels; denn ohne einen ‚Rowohlt‘ kann ich mir den Wiederaufbau des deutschen Verlagswesens schwer vorstellen.“433 Ernst Rowohlt ging es da nicht anders. Und als er daranging, abermals einen Buchverlag zu gründen, der einen hohen geistigen Anspruch mit einer breiten Rezeption zu verbinden suchte, konnte er sich also auf vielfältige Erfahrungen und Verbindungen stützen, vor allem aber auf seine findige Geschäftstüchtigkeit. Auf den in den ersten Nachkriegsjahren alle verlegerischen Sorgen dominierenden Papiermangel reagierte er mit einem Format, das für die deutsche Buchhandelsgeschichtsschreibung vielleicht noch wichtiger ist als für die deutsche Buchhandelsgeschichte, nämlich die auf Zeitungspapier und im Zeitungsformat gedruckten Rowohlts Rotations-Romane, deren erste 1946 erschienen. In der Belletristik wurden in diesem Format zunächst Größen der internationalen Literatur wie Hemingway, Faulkner und Saint-Exupéry sowie deutsche Antifaschisten wie Kurt Tucholsky, Anna Seghers und Erich Kästner vorgelegt, im Non-Fiction-Bereich fanden sich der ehemalige Reichswirtschaftsminister der Nazis Hjalmar Schacht und der Rechtskonservative Hans Zehrer neben dem pazifistischen Sozialisten Kurt Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 179 f. Wittmann, Verlagswesen und Buchhandel. S. 43. 432  DLA, A: Rowohlt-Verlag/Verlagsleitung: Leumundszeugnis über Ernst Rowohlts Verhältnis zum Nationalsozialismus von Hans Fallada vom 20. März 1946. 433  DLA, A: Rowohlt-Verlag/Verlagsleitung: Leumundszeugnis über Ernst Rowohlts Verhältnis zum Nationalsozialismus von Paul von Bergen vom 11. März 1946. 430  Vgl. 431  Vgl.



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Hiller.434 Den expandierenden Sachbuchmarkt und das Bildungs- und Konversationsbedürfnis der 1950er Jahre bediente der Verlag mit Rowohlts deutscher Enzyklopädie, die in der Regel knappe, monographische Sachbücher aus ganz unterschiedlichen Themenbereichen versammelte.435 Sie gewann schnell einen prominenten Status in der bundesdeutschen Öffentlichkeit: „Wer am intellektuellen Diskurs teilnehmen wollte, musste die Bände der Reihe zur Kenntnis nehmen.“436 Herausgegeben wurde sie vom Heidegge­ rianer Ernesto Grassi, im sie begleitenden wissenschaftlichen Beirat fanden sich nicht wenige ehemalige Nazis und Faschisten.437 Die zeitgemäße Form der Publikationen ging mit einer durchaus zeitgeistigen inhaltlichen Ausrichtung einher. Und das bedeutete in den ersten 15 Nachkriegsjahren häufig: mit einer kulturkritisch-konservativen. So konstatiert Edda Ziegler für Rowohlts Rotations-Romane: „Schlagworte[…] wie ‚Menschlichkeit und Moral‘, ‚Freiheit und Wahrheit‘, ‚Glaube und Gnade‘, die im Sprachgebrauch der Nachkriegsjahre zwar gängig waren, aber schon damals konservative Standpunkte signalisierten, beherrschten die Texte.“438 Und in Rowohlts deutscher Enzyklopädie erschien als erster Band eine polemische Abrechnung mit der modernen Kunst aus der Feder Hans Sedlmayrs,439 die Monika Estermann als „konservatives Pamphlet“ (dis-)qualifiziert.440 Weitere prominente Konservative fanden in der Enzyklopädie einen Platz, darunter Helmut Schelsky, Margret Boveri oder Arnold Gehlen.441 Auch außerhalb der Reihen spielten kulturkritische Befunde eine wichtige Rolle in den Rowohlt-Programmen. So erschien bereits 1948 Hans Zehrers dreibändiges Hauptwerk Der Mensch in dieser Welt, „ein Dokument des Konservativismus, der den totalen Zusammenbruch […] als Chance vorbeKlimmt/Rössler, Reihenweise, Bd. 1. S. 44. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 187 ff.; Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 55. 436  Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. S. 515. 437  Vgl. Klimmt/Rössler, Reihenweise, Bd. 1. S. 79 f. 438  Ziegler, Edda: Rowohlts Rotations Romane 1946–1949. Eine Programmanalyse. In: Estermann, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1945–1949. S. 125–136. Hier S. 135. 439  Sedlmayr, Hans: Die Revolution der modernen Kunst (= Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Bd. 1). Hamburg: Rowohlt, 1955. 440  Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 55. 441  Schelsky, Helmut: Soziologie der Sexualität: Über die Beziehungen zwischen Geschlecht, Moral und Gesellschaft (= Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Bd. 2). Hamburg: Rowohlt, 1955; Boveri: Margret: Sachgebiet Zeitgeschichte: Der Verrat im 20. Jahrhundert, 2 Bde. (= Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Bd. 23, 24). Hamburg: Rowohlt, 1956; Gehlen, Arnold: Die Seele im technischen Zeitalter: Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft (= Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Bd. 53). Reinbek bei Hamburg Rowohlt, 1963. 434  Vgl. 435  Vgl.

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haltloser ‚Rückwendung‘ zu durchaus undemokratischen Werten und Gesellschaftsstrukturen“ begriff.442 Rowohlt hatte im Jahr der Währungsreform erhebliche Mittel in das Werk investiert, die Nachfrage blieb gleichwohl überschaubar, die Kritik an dem Buch war mitunter deutlich. So sah Max Bense Zehrer den „Ungeist der Vergangenheit“ heraufbeschwören und Paul Coulmas warf ihm „Kulturpessimismus und Obskurantismus“ vor.443 Und neben Cerams Götter, Gräber und Gelehrte444 war es eben Ernst von Salomons 1951 erschienenes Buch Der Fragebogen445, das Rowohlt einen seiner größten Bestseller der 1950er Jahre bescherte. Der autobiographische Roman (der sich ausführlich auch Rowohlt als Salomons langjährigem Verleger widmet), strukturiert anhand des großen Fragebogens der amerikanischen Militärregierung, verwahrt sich gegen die als einseitig empfundene alliierte Perspektive auf das „Dritte Reich“, seine Akteure und seine vermeintlichen oder tatsächlichen Wegbereiter und war als Rechtfertigungsschrift des rechtskonservativen Autors zugleich eine Rechtfertigungsschrift für das deutsche Volk insgesamt, das diese nicht zuletzt wohl deshalb gerne kaufte und las.446 Auch mit diesem Titel provozierte Rowohlt heftige internationale und nationale Kritik. Curt Bley, ebenfalls ein Rowohlt-Autor, sah mit dem Fragebogen eine „lautlos platzende Bombe mit Zeitzündung, die sich gegen den Bestand der neuen Republik, ja gegen die abendländische Ordnung überhaupt richtet“ gelegt.447 Für Schütz und Hohendahl unterstützen Publikationen wie die Zehrers oder Salomons den Befund einer „kulturkonservativen Durchdringung der frühen Bundesrepublik“ und trugen dazu bei, ein geistiges Klima zu schaffen, das der Wiedergewinnung der Sprechfähigkeit konservativer Akteure dienlich war: „Eben der entideologisierte Lifestyle-Konservativismus der Illus­ trierten- und Magazin-Macher oder das Netzwerk der bestsellernden Sachbuch-Autoren im Rowohlt-Verlag […] stellten ein wesentliches Element im kulturpolitischen Umfeld dar, in dem ein kulturpessimistischer Konservatismus wie der von Arnold Gehlen oder die – sit venia verbo – elitäre Popularisierung von Heidegger, Schmitt und Jünger durch Armin Mohler, Egon Vietta, Gerhard Nebel oder Margret Boveri stattfand.“448 442  Oels,

Rowohlts Rotationsroutine. S. 254. Sothen, Hans Zehrer. S. 149 f. 444  Ceram, C. W. [= Marek, Kurt W.]: Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie. Hamburg/Stuttgart: Rowohlt, 1949. 445  Salomon, Ernst von: Der Fragebogen. Hamburg: Rowohlt, 1951. 446  Vgl. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 357 ff. 447  Zit. n. ebd. S. 359. 448  Schütz/Hohendahl, Solitäre, Mittler und Netzwerker. S. 12. Die uneinheitliche Verwendung der Termini „Konservativismus“ und „Konservatismus“ findet sich im Original. 443  Vgl.



V. Konservative Publikumsverlage213

Neben konservativen Autoren fanden sich freilich eine ganze Reihe anderer im Programm, die den Charakter Rowohlts als Publikumsverlag bestätigen, so die bald kanonischen Amerikaner Ernest Hemingway und Thomas Wolfe, aber auch die Linken Jean-Paul Sartre und Joseph Conrad oder der Widerstandskämpfer Günther Weisenborn.449 Mit dieser Mischung war Rowohlt nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, der Verlag prägte auch die Öffentlichkeit der Nachkriegsjahre in durchaus erheblichem Maße mit und verschaffte neben anderen gerade auch konservativen Autoren eine Plattform für ihre Gegenwartsdiagnosen und Zukunftsvisionen. 1949 galt er den Deutschen, wie erwähnt, als einer der renommiertesten Verlage und er blieb es auch über Ernst Rowohlts Tod im Jahre 1960 hinaus.450

449  Hemingway, Ernest: Tod am Nachmittag. Hamburg: Rowohlt, 1957; Wolfe, Thomas: Vom Tod zum Morgen. Erzählungen. Hamburg: Rowohlt, 1949; Sartre, Jean-Paul: Der Ekel. Hamburg: Rowohlt, 1949; Conrad, Joseph: Taifun. Hamburg: Rowohlt, 1946; Weisenborn, Günther: Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des deutschen Volkes 1933–1945. Hamburg: Rowohlt, 1953. 450  Vgl. Wittmann, Verlagswesen und Buchhandel. S. 49.

E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag Im Februar 1958 äußerte der damalige Verlagsdirektor der DVA, Gotthold Müller, die Hoffnung, „daß es mir im Laufe der nächsten Jahre möglich sein wird, eine Geschichte der DVA. schreiben zu lassen“.1 Einer umfassenden Historiographie des Verlags stand damals und steht heute die Tatsache im Wege, dass das Verlagsarchiv bei der Zerstörung der Verlagsgebäude im September 1944 vollständig vernichtet wurde. Insofern ist es nicht überraschend, dass auch über 60 Jahre, nachdem Müller dieser Hoffnung Ausdruck verliehen hat, eine geschichtswissenschaftlich und buchhandelshistorisch fundierte Geschichte des Verlags noch nicht geschrieben ist. Anlässlich verschiedener Jubiläen wurden von der DVA selbst allerdings mehrere Publikationen zur eigenen Geschichte vorgelegt, von denen insbesondere die Darstellungen Felix Berners, der in der Nachkriegszeit als Lektor in ihren Diensten stand, wenngleich erwartungsgemäß hagiographisch daherkommend, eine aufschlussreiche Rekonstruktion der frühen Verlagsgeschichte zur Verfügung stellen – und das Selbstbild der Nachkriegs-DVA verdeutlichen. Für die Nachkriegsgeschichte der DVA freilich stellt sich die Überlieferungssituation anders dar. Im Deutschen Literaturarchiv finden sich umfangreiche Bestände mit Korrespondenz zwischen Mitarbeitern der DVA und Autoren, Redakteuren und Herausgebern. Im Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg liegen die gesammelten, wenngleich noch weitgehend unerschlossenen Akten, die im Verlag seit 1945 gesammelt worden waren und zwischen 2005 und 2010 ans WABW abgegeben wurden, wo sich der Bestand auf rund 80 Laufmeter erstreckt. Neben weiterer Korrespondenz mit Autoren umfasst er insbesondere solche mit Geschäftspartnern, den Aufsichtsratsmitgliedern und weiteren Stakeholdern sowie Kataloge, Geschäftsberichte, Bilanzunterlagen, Personalakten. Für die vorliegende Untersuchung wurde der Bestand erstmals systematisch gesichtet. Ergänzt wird er durch Archivalien aus dem ebenfalls im WABW befindlichen Bestand der Handelsbank Heilbronn, die vor allem Unterlagen und Schriftwechsel des Aufsichtsrats beinhalten. Die Überlieferung ist für die ersten Nachkriegsjahre ungleich weniger dicht als für die 1950er Jahre, weshalb sich der Schwerpunkt der Darstellung auf den letzten zwei Dritteln dieser Dekade nicht nur aus inhaltlichen Gründen – dem 1  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Rolf Keller, Franckh’sche Verlagsbuchhandlung, vom 13. Februar 1958.



E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag215

Schwerpunkt auf der Phase unter der Leitung Müllers, der den Verlag in der Nachkriegszeit konsolidierte und ihn dabei sowohl in struktureller wie in inhaltlicher Hinsicht deutlich prägte, nicht zuletzt aufgrund seiner dezidierten politischen Agenda –, sondern eben auch aus der Überlieferungssituation ergibt. Auf dieser, durch einzelne Bestände aus anderen Archiven ergänzten, Grundlage wird im Folgenden der Versuch unternommen, die Geschichte der DVA in der Nachkriegszeit, das heißt hier: zwischen 1945 und 1960, nachzuzeichnen – mit einer auf die skizzierten Fragestellungen konzentrierten und entsprechend eingeschränkten Perspektive, die gleichwohl ein recht umfassendes und plastisches Bild des Verlags, seiner Handlungsbedingungen, Entwicklungen und Zielsetzungen zeichnet, das die programmatische Dimension des verlegerischen Handelns ebenso illustriert wie die ökonomische. Dafür wird zunächst ein Blick auf die Geschichte des Verlags seit der Gründung seines unmittelbaren Vorläuferunternehmens, der Hallberger’schen Verlagshandlung, im Jahr 1831 geworfen, da sich seitdem Strukturen und Profile ausgebildet hatten, die auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg tradiert wurden, die anschließend betrachtet wird, und von unklaren Vermögensverhältnissen und häufigen personellen Wechseln an der Spitze geprägt war. Sodann werden Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung sowie Programmbereiche und Autorengruppen und die mit diesen verbundenen Politiken dargestellt und analysiert, ehe abschließend, gewissermaßen anstelle eines Zwischenfazits, ein Blick auf das Verhältnis von betriebswirtschaftlichen Zielen und der politisch-gesellschaftlichen Wirkungsabsicht geworfen wird, wie es in Verlag und Aufsichtsrat ganz explizit reflektiert wurde. Als konservativer Publikumsverlag ist die DVA insofern zu fassen, als sie einerseits mit einem an Formen und Inhalten vielgestaltigen und keinesfalls weltanschaulich geschlossenen Programm ein breites und heterogenes Publikum anzusprechen suchte, sich andererseits aber klar konservative Haltungen und Vorstellungen ausmachen lassen, etwa hinsichtlich des Verständnisses der eigenen Aufgabe in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft und der mit dem eigenen Schaffen verfolgten Ziele, aber auch in ganz konkreter politischer und historischer Hinsicht. Bei der DVA trafen viele der oben skizzierten Bedingungen des Nachkriegsbuchhandels zusammen, diese in der Regel aber, und das macht die Betrachtung der DVA im Feld der konserva­ tiven Verlage der westdeutschen Nachkriegszeit besonders fruchtbar, gerade nicht in idealtypischen Ausformungen, sondern in je spezifischen Inkarnationen und Bezogenheiten, die die Komplexität und Vielgestaltigkeit des konservativen Verlagswesens im Betrachtungszeitraum verdeutlichen.

216

E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Die „doppelt orientierte“ Programmpolitik von Publikumsverlagen, die Monika Estermann benennt, manifestierte sich bei der DVA insofern in eigentümlicher Weise, als die Ziele der „literarischen Kommunikation“ – und das bedeutet in diesem Fall eben auch: die gesellschaftlich-politische Wirkungsabsicht – und die Imperative des Markts zwar häufig nicht harmonier­ ten,2 Konflikte zwischen den beiden Systemorientierungen aber nicht unbedingt, zumindest nicht kurzfristig, gelöst werden mussten, da die Gesellschafter der DVA, das heißt vor allem die Robert-Bosch-Testamentsvollstreckung (RBTV), grosso modo eine Verlagspolitik unterstützten, die sich nicht zuvörderst an der Rentabilität der Publikationen orientierte. Natürlich unterlag die DVA ökonomischen Zwängen und war als privatwirtschaftliches Unternehmen bestrebt, profitabel zu arbeiten. Dass ihr das in den Nachkriegsjahren über weite Strecken nicht gelang, brachte sie allerdings nicht in existenzielle Nöte und auch nicht dazu, ihren inhaltlich-programmatischen ­Anspruch grundsätzlich zu überdenken. Der Aufsichtsrat trug, wenngleich Mahnungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in großer Zahl überliefert sind, diese Haltung in der Regel mit. Nicht zuletzt deshalb spiegelten sich, wie seit den frühen Tagen des Unternehmens, auch in der Nachkriegszeit die Charakteristika der Epoche im Wirken des Verlags, das die Bemühungen um eine betriebliche Konsolidierung mit denen um eine Konsolidierung der Gesellschaft und des Geistes verband.

I. Die DVA vor 1945 Die DVA war eines jener Häuser, die bei Kriegsende bereits auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblickten. Ihre Ursprünge reichen zurück in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts, in die Zeit von Restauration und Vormärz, in eine Epoche widerstreitender gesellschaftlicher und politischer Kräfte und Visionen. Dieser Widerstreit fand sich in den Programmen der DVA wieder, wo Legitimisten ihre Positionen ebenso darlegen konnten wie Jungdeutsche; die Position der Verleger und Verlagsgründer Eduard und Louis Hallberger selbst wäre wohl am ehesten als eine gemäßigt liberale zu fassen. Die DVA war insofern vielleicht nicht nur Objekt, sondern, in dem geringen Maße, in dem Literatur auf die großen gesellschaftlichen Dynamiken überhaupt einen Einfluss haben kann, auch Gestalterin der Zeitläufte. Jedenfalls spiegeln sich in ihrer Geschichte und in ihren Programmen viele der prägenden Entwicklungen der deutschen Historie seit dem Vormärz wider. Der Verlag ist insofern ein Abbild der politischen wie der Ideengeschichte und natürlich ebenso der Buchhandelsgeschichte. Entwicklungen etwa des 2  Vgl.

Estermann, Tendenzen der Literaturdistribution. S. 37.



I. Die DVA vor 1945217

Liberalismus von einer das System infrage stellenden zu einer systemkonformen, schließlich systemstabilisierenden, zunehmend konservativ zu fassenden Strömung lassen sich anhand ihres Beispiels ebenso nachvollziehen wie die Veränderungen der Modi der Buchproduktion, -distribution und -rezeption. Bereits im 19. Jahrhundert zeigte sich die DVA als ein durchaus politischer, aber eben auf ein breites und heterogenes Publikum ausgerichteter Verlag, in dem die politische Streitschrift ebenso ihren Platz fand wie der Reisebericht, das Jugendbuch oder die Illustrierte. Im ersten Drittel des 20. Jahrhundert änderte sich daran nichts Grundsätzliches. Die DVA behielt den Charakter eines Publikumsverlags, verbreiterte jedoch durch den Einstieg in den Tageszeitungsmarkt ihr Geschäftsmodell weiter und bemühte sich weiterhin, ein Forum für die politischen Debatten der Gegenwart und die Deutungen der Vergangenheit und ihrer herausragenden Köpfe zu sein. Mit Gustav Kilpper trat 1910 ein Verlagsdirektor an die Spitze des Unternehmens, der über drei Jahrzehnte lang die Programme und die Strategien der DVA prägte und dem Verlag damit jenes Gesicht gab, das auch seine Nachfolger in der Nachkriegszeit, zumindest in seinen groben Zügen, zu erhalten wünschten. Insbesondere der Fokus auf Politik und Zeitgeschehen wurde unter seiner Leitung noch verstärkt. Der Einstieg Robert Boschs in das Unternehmen 1920 bedeutete eine wesentliche Änderung in der Struktur der DVA. Sie sollte in den kommenden Jahrzehnten erheblichen Einfluss auf Art und Möglichkeit des Agierens des Verlags haben, insofern nun zumindest mittelbar ein finanzstarkes Industrieunternehmen dem, jedenfalls nach 1945, nicht immer rentablen Verlag Stabilität und Sicherheit versprach, aber auch insofern, als Bosch den Verlag, in erster Linie seine Tageszeitungen, als Vehikel für politische Zielsetzungen verstand. Nicht zuletzt aufgrund dieser geriet die DVA nach der „Machtergreifung“ der Nazis in eine mitunter prekäre Situation. Wenngleich sie alles andere als ein Oppositionsverlag war, hielt sie doch an bei dem neuen Regime wenig beliebten Autoren fest und bot beispielsweise konservativen Antifaschisten Möglichkeiten zur Publikation – genauso hatte man freilich bereits seit den 1920er Jahren rechtsextremen Antidemokraten Plätze im Programm eingeräumt. Infolge der Umwandlung des Verlags in eine GmbH und der Eingliederung in den Eher-Konzern 1941 blieb dann allerdings kein Raum mehr für Ambivalenzen. Erlosch die DVA damit faktisch als autonomes Unternehmen, bedeutete ein vernichtender Bombenangriff 1944 das vorläufige Ende des Verlagsbetriebs nach 113 Jahren.

218

E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

1. Die Anfänge des Verlags 1958 veröffentlichte die DVA einen Almanach unter dem Titel Im 110. Jahr, 1973 wurde eine Pressemappe anlässlich 125 Jahre Deutsche Ver­ lags-Anstalt vorgelegt und 2006 würdigte eine Jubiläumsschrift 175 Jahre DVA.3 Selbst mathematisch untalentierten Historikern dürfte auffallen, dass diese Zahlen nicht recht zusammenpassen wollen. Die Erklärung liegt darin, dass sich der Verlag auf unterschiedliche Ursprungshäuser und damit auf unterschiedliche Gründungsjahre beruft. Die Jubiläumspublikationen des Jahres 1958 und 1973 rekurrieren auf den Verlag Eduard Hallberger als ­Ursprung der DVA, die des Jahres 2006 aber auf die Hallberger’sche Verlagshandlung; beides ist plausibel, weil sich Traditionslinien beider Häuser in die DVA fortsetzten. Die Hallberger’sche Verlagshandlung wurde 1831 vom 1796 geborenen, Louis genannten Ludwig Hallberger in Stuttgart gegründet. Hallberger entstammte einer schwäbisch-fränkischen Familie, in der sich neben einigen protestantischen Pfarrern auch mehrere Buchdrucker fanden. So war Louis Hallbergers Urgroßvater ebenso in dem Gewerbe tätig wie sein Großonkel. Er selbst allerdings hatte, wie sein Vater, den Beruf des Kaufmanns erlernt. Als solcher war er zunächst im Textilhandel tätig und machte sich in dieser Branche mit einer Großhandlung auch selbstständig.4 Zum Buchhandel hatte er außer den losen familiären Banden keine Beziehung, als er sich 1827 an der Brodhag’schen Buchhandlung Friedrich Brodhags und der Brüder Friedrich Gottlob und Johann Friedrich Franckh beteiligte.5 Es dürften denn auch in erster Linie die vielversprechenden ökonomischen Möglichkeiten eines sich im Vormärz dynamisch entwickelnden Buchmarkts gewesen sein, die Louis Hallberger zum Eintritt in die Branche bewogen haben. Stuttgart entwickelte sich in jenen Jahren zu einer der führenden Verlagsstädte in den deutschen Ländern und bot, zusammen mit der rasch voranschreitenden Alphabetisierung der Bevölkerung, der rasanten technischen Entwicklung der Buchproduktion und der allmählichen Verrechtlichung der buchhändlerischen Rahmenbedingungen, gute Voraussetzungen, um auf dem Buchmarkt zu reüssieren.6 3  DVA,

Im 110. Jahr; DVA, 125 Jahre; DVA, 175 Jahre. Felix: Die Verlegerfamilie Hallberger. In: Uhland, Robert (Hrsg.): Lebensbilder aus Schwaben und Franken, Bd. 15. S. Stuttgart: Kohlhammer, 1983. S. 280–315. Hier S. 284. 5  Vgl. ebd. 6  Vgl. Schneider, Ute: Literaturverhältnisse I: Entwicklung des Literaturmarkts: Buchhandelsbranche und Druckgewerbe. In: Eke, Norbert Otto (Hrsg.): VormärzHandbuch. Bielefeld: Aisthesis, 2020. S. 455–464. Hier S. 457 f.; Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 218 ff. 4  Berner,



I. Die DVA vor 1945219

Nach nur drei Jahren schied Hallberger indes aus der Brodhag’schen Buchhandlung wieder aus – und gründete im Jahr 1831 seinen eigenen Verlag, die Hallberger’sche Verlagshandlung, die einen der Nuklei der DVA bildete. Hallberger hatte wohl durchaus Sympathien für die liberal-demokratischen und nationalen Bestrebungen, die schließlich in die Revolution von 1848 mündeten, und es ist nicht auszuschließen, dass er auch deshalb als Verleger tätig wurde, weil er den Kombattanten in den Auseinandersetzungen der Zeit ein Forum bieten wollte. Mindestens ebenso wichtig dürften freilich die Renditeaussichten gewesen sein, die besonders für die von Friedrich Christoph Perthes so betitelte „Stuttgarter speculative Richtung“ von Verlagen, die in hohen Auflagen billig ausgestattete, auf Schnellpressen produzierte Novitäten unters Volk brachten, recht rosig waren.7 Im Programm von Hallbergers Verlag fanden sich zahlreiche Franzosen, etwa Honoré de Balzac, Alexandre Dumas, Stendhal oder Alfred de Vigny, aber auch weitere heute kanonische internationale Autoren wie Charles Dickens. Mit Hermann von Pückler-Muskau hatte Hallberger zudem einen der erfolgreichsten Reiseschriftsteller der Zeit im Programm, dessen 1830 beziehungsweise 1832 erschienene Briefe eines Verstorbenen er von den Gebrüdern Franckh übernommen hatte.8 Darüber hinaus entwickelte der Verlag ein stark politisch geprägtes Programm, mit diesem „profilierte Hallberger den Verlag in der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist“.9 Hier fanden vor allem liberale Autoren wie der Jungdeutsche Heinrich Laube einen Platz, genauso der Konstitutionalist Carl von Rotteck oder der Satiriker Julius Weber mit seinen Attacken gegen Adel und Kirche. Gleichwohl publizierte Hallberger 1841 auch Friedrich Gentz’ Mémoires et Lettres Inédites, die das autobiographische Zeugnis dieses herausragenden Vertreters des konservativ-legitimistischen Prinzips und Vertrauten Metternichs darstellten.10 Mit dieser Mischung war Hallberger nicht nur wirtschaftlich erfolgreich – er konnte etwa bald schon eine eigene Druckerei einrichten –, er stieg auch zu einem der renommierten und einflussreichen Verleger der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Meyers Konversationslexikon etwa konstatierte, dass er „in den 1830er Jahren im Mittelpunkt der belletristischen Bewegung stand“.11 Louis Hallberger führte den Verlag noch in fortgeschrittenem Alter 7  Vgl. Berner, Die Verlegerfamilie Hallberger. S. 284; Schneider, Entwicklung des Literaturmarkts. S. 461. 8  Berner, Louis und Eduard Hallberger. S. 15 f. 9  Berner, Die Verlegerfamilie Hallberger. S. 287. 10  Vgl. ebd. 11  Zit. n. Berner, Die Verlegerfamilie Hallberger. S. 286.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

und zog sich erst 1873 aus ihm zurück, woraufhin die Hallberger’sche Verlagshandlung mit dem Verlag seines Sohnes vereinigt wurde. Dieser Sohn, Eduard Hallberger, hatte das Handwerk des Buchsatzes und Buchhandels erlernt, war zunächst auch in der Firma des Vaters tätig gewesen, gedachte aber offenbar nicht, dessen Ausscheiden abzuwarten, um selbst Verleger zu werden. So gründete der 1822 Geborene im Alter von 26 Jahren seinen eigenen, nach ihm benannten Verlag.12 Die Gründung erfolgte am 1. September 1848, also inmitten der revolutionären Unruhen, die gegen die nach dem Wiener Kongress das öffentliche Leben bestimmende Restaurationspolitik gerichtet waren und unter anderem auf die Einführung bürgerlicher Verfassungen, die Gewährung und Gewährleistung bürgerlicher Freiheiten, in Deutschland aber auch auf die nationale Einigung zielten.13 Befördert wurde die Revolution nicht zuletzt von jungen Schriftstellern, die sich nach der französischen Julirevolution von 1830 nicht länger nur als Künstler verstehen, sondern aktiv auf die gesellschaftlichen Entwicklungen einwirken, das hieß eben vor allem: gegen die reaktionäre Ordnung im Geiste Metternichs ankämpfen wollten.14 Diesen „Jungdeutschen“ wurde das Schrei­ ben freilich bald untersagt.15 Bereits im Programm Louis Hallbergers fand sich wie erwähnt mit Heinrich Laube einer ihrer Vertreter und auch Eduard Hallberger war durchaus bereit, denen eine Bühne zu bieten, die 1848 das repressive System zum Einsturz bringen wollten. So brachte er beispielsweise eine deutsche Übersetzung der Schriften Sándor Petőfis, eines der Anführer der ungarischen Revolution von 1848.16 Noch 1870 war die Aus­ einandersetzung mit den Forderungen des Vormärz und der Revolution von 1848 Hallberger ein Anliegen, als er in diesem Jahr die zweibändigen Memoiren Karl Gutzkows, eines der jungdeutschen Wortführer, herausbrachte.17 Doch bereits „[d]as erste Buch des Verlags, ‚Wehrmanns Lieder‘, ein schlichtes Pappbändchen, atmet den Geist des Gründungsjahres, von dem offenbar auch der junge Verleger ergriffen war: hochgemute Freiheits- und Vaterlandsliebe – ‚Nun schlingt die schwarzrotgoldnen Fahnen zusammen in ein festes Band‘ –, erfüllt von einer treuherzigen Gläubigkeit, der wir heute lächelnd Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 12. Winkler, Heinrich August: Geschichte des Westens, Bd. 1: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert. München: C. H. Beck, 22010. S.  606 ff. 14  Vgl. Steinecke, Hartmut: Das Junge Deutschland. In: Eke, Vormärz-Handbuch. S. 824–831. Hier S. 828 f. 15  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 241 f. 16  Vgl. DVA, 175 Jahre. S. 20. 17  Vgl. Lauster, Martina: Karl Gutzkow (1811–1878). In: Eke, Vormärz-Handbuch. S. 776–782. 12  Vgl. 13  Vgl.



I. Die DVA vor 1945221

nachtrauern. Mit diesem unscheinbaren Band begegnet uns gleich zu Beginn ein Zug, der den Verlag Eduard Hallbergers durch seine ganze Geschichte bis heute charakterisiert: in wechselnder Form blieb er immer der Gegenwart dicht auf der Spur, empfing aus ihr seine Impulse und wirkte auf sie zurück, nicht indem er flüchtigen Aktualitäten nachjagte, sondern indem er den Geist der Zeit zu fassen suchte.“18 Diese Deutung stammt von Felix Berner, der in den 1950er Jahren als Lektor bei der DVA beschäftigt war und die Geschichte des Hauses rekonstruierte. Da es kaum andere Arbeiten zur Vorgeschichte der DVA gibt, stützen sich Darstellungen dieser notwendig auf seine Ausführungen – denen freilich mit großer Vorsicht zu begegnen ist. Berner schreibt im Zusammenhang mit der Jubiläums- und Einweihungsfeier des Jahres 1958 – seine Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt wurde ja im Jubiläumsalmanach veröffentlicht – und also im Auftrag des Verlags eine Art institutionelle Hagiographie der DVA, die gleichwohl aufschlussreich ist. Denn hier wird deutlich, welches Bild der Verlag von sich zeichnen möchte, auf welche Traditionslinien er sich in der Nachkriegszeit beruft und welchen Anspruch er damit verbindet. Es nimmt nicht wunder, dass er sich unter der Ägide Gotthold Müllers, von dem noch ausführlich die Rede sein wird, in eine Tradition stellt, die nationalliberale, demokratische und konservative Züge vereinigt und die Erinnerung an einen Aufbruch unter diesen Vorzeichen aufleben lassen möchte. Und tatsächlich entspricht das durchaus dem Gesicht der DVA in der Nachkriegszeit. Gleichzeitig wurde der Bezug auf 1848 sicher auch deshalb gewählt, weil sich so ein – wenngleich etwas schiefes – Jubiläum begehen ließ, das im Jahr der Errichtung des neuen Verlagshauses am alten Standort des Verlags Eduard Hallberger in der Neckar­ straße die für die DVA recht turbulente Nachkriegszeit symbolisch beschließen konnte. Den Charakter des Verlags zeichnete ein Beitrag in der Zeitschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes drei Jahre zuvor in ganz ähnlicher Weise: „Das heißt nicht, daß dies nun ein revolutionärer Verlag werden mußte. Er ist es bestimmt nicht geworden, aber er kam aus einer liberalen Gesinnung, die einerseits historisch fundiert war, andererseits von der Wallung befreiter Phantasie bestimmt war und schließlich von einem aufklärerischen Ernst getragen schien. […] Mit der Zeit zeigten sich auch betont nationale Züge, die aber weit von dem entfernt waren, was der laute Tagesschreier dieser Prägung darunter versteht.“19 18  Berner,

Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 13. Absicht, Linie und Ziel eines Verlages. Unsere Eindrücke von der Deutschen Verlagsanstalt Stuttgart. In: Welt der Arbeit, 16.12.1955. Bei: WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 602 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Be19  o. V.:

222

E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Trotz der scheinbar eindeutigen Positionierung des neuen Verlags durch den Erstling Wehrmanns Lieder prägte zunächst das Jugendbuch das Programm des Verlags Eduard Hallberger. Seit dem Anfang der 1850er Jahre spielten aber vor allem Zeitschriften eine zentrale Rolle. 1853 erschien die erste Ausgabe der Illustrirten Welt, die, angelehnt an französische und englischer Vorbilder, mit zahlreichen Abbildungen versehen eine Vielzahl von Themen behandelte, die sich insbesondere an ein mittelständisches Publikum richteten. Die Zeitschrift erreicht innerhalb weniger Jahre eine Auflage von 100.000 Exemplaren und erschien ein halbes Jahrhundert lang.20 Das zweite Periodikum des Verlags war nicht weniger erfolgreich. Die von 1858 bis 1923 erschienene Zeitschrift Land und Meer war ähnlich zugeschnitten und ähnlich breit angelegt wie die Illustrirte Welt, wendete sich jedoch an die „höheren Stände“ – oder die, die sich für deren Lebensstil interessierten. Mit einer Viertelmillion Abonnenten gehörte das von Friedrich Wilhelm Hackländer herausgegebene Blatt zu den reichweitenstärksten deutschen „Familienblättern“.21 Die Zeitschriften waren für Hallberger, wie für den deutschen Literaturmarkt des 19. Jahrhunderts überhaupt,22 von herausragender Bedeutung, sowohl in ökonomischer wie in programmatischer Hinsicht, denn die dort abgedruckten Fortsetzungsromane brachten nicht nur einem großen Publikum Autoren nahe, die bereits bei dem Verlag publizierten, sondern führten diesem auch neue zu; eine weitere Zeitschrift, die 1873 ins Leben gerufene Deutsche Romanbibliothek, zielte darauf in besonderer Weise. Die großen Auflagen, die die Periodika erreichten, waren umso wichtiger, als der Buchmarkt nach 1848 in eine tiefe und langanhaltende Krise stürzte, nicht zuletzt aufgrund des repressiven Vorgehens gegen missliebige Verleger und Buchhändler sowie der eingeschränkten Gewerbefreiheit in der Reak­ tionsära; erst 1879 erschienen wieder so viele Novitäten wie im Jahr 1843.23 Nichtsdestoweniger konnte Hallberger weiter expandieren. So übernahm er mit dem Verlag nicht nur die Druckerei seines Vaters, er stellte ihnen im Laufe der Zeit auch mehrere Papierfabriken an die Seite (auch nach dem Krieg verfügte die DVA noch über eigene papierproduzierende Betriebe), errichtete Filialen in Leipzig, Berlin und zeitweise auch in München und richte über den Geschäftsgang; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben Gotthold Müllers und Josef Webers an Erwin Bohner, Handelsbank Heilbronn, vom 29. Dezember 1955. 20  Vgl. Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 13. 21  Vgl. Berner, Die Verlegerfamilie Hallberger. S. 290 f. 22  Vgl. Schneider, Entwicklung des Literaturmarkts. S. 456 f. 23  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 257.



I. Die DVA vor 1945223

Wien; in den 1870er Jahren waren allein im Stuttgarter Stammhaus rund 500 Angestellte und Arbeiter beschäftigt.24 1871 zog das Unternehmen in einen neu errichteten, repräsentativen Bau „im Stil eines Palazzos der Neurenaissance“ in der Neckarstraße,25 den Berner als „Ausdruck eines männlichen Willens, eines männlichen Verhältnisses zur Welt“ verstand;26 im September 1944 wurde er durch einen alliierten Luftangriff völlig zerstört. Grundlage dieser Expansion war nicht nur ein wachsendes Zeitschriften-, sondern auch ein facettenreiches Buchprogramm, das sich über die Jahre politisch weniger eindeutig entwickelte, als es sich in der Gründungsphase abgezeichnet hatte. Hier erschien der Revolutionär Paul Barras ebenso wie der Konservative Chateaubriand, der Imperialist Rudyard Kipling ebenso wie der Antiimperialist Mark Twain. Ausländische Autoren fanden sich, ganz der Tradition des Vaters entsprechend, also in großer Zahl, vor allem Franzosen, neben Barras und Chateaubriand etwa Alphonse de Lamartine, Germaine de Staël und Guy de Mau­ passant, aber auch Russen wie Leo Tolstoi und Iwan Turgenjew. Deutsche „Unterhaltungsautoren“ wie Georg Eber, Carl Spindler, Joseph Kürschner oder Hackländer, aber auch der Gründer des späteren Zentralorgans der Jungkonservativen Deutsche Rundschau Julius Rodenberg, der Fortschrittskritiker Wilhelm Raabe oder der Humorist Wilhelm Busch erschienen bei Hallberger.27 Das im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts weitgehend entpolitisierte Bildungsbürgertum wurde mit illustrierten Prachtausgaben für den repräsentativen Salon der Werke Goethes, Shakespeares oder der Gebrüder Grimm bedient.28 Ergänzt wurde das belletristische Programm durch Ländermonographien, zeitgeschichtliche und politische Darstellungen. Neben dem erwähnten Gutzkow fanden sich hier vor allem seit den 1870er Jahren viele Titel, die die konservativen Eliten des Deutschen Reiches in den Mittelpunkt rückten, etwa eine Briefesammlung Helmuth von Moltkes, „Ansprachen und Tischgespräche Bismarcks, dazu ein Bismarck-Portefeuille in drei Bänden“ sowie eine Geschichte des deutsch-französischen Kriegs.29 Hinzu kam mit Otto Luegers Lexikon der gesamten Technik, das in der Nachkriegszeit neu aufgelegt wurde, die erste einer Reihe von technisch-wirtschaftlichen Publikatio-

Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 21. 175 Jahre. S. 24. 26  Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 16. 27  Vgl. ebd. S. 20. 28  Vgl. ebd. 29  Ebd. S. 21. 24  Vgl.

25  DVA,

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

nen, die für die enge Verbindung der DVA mit den südwestdeutschen Industriellen von Bedeutung waren.30 Eduard Hallberger starb 1880. Sein Verlag wurde im darauffolgenden Jahr in eine Aktiengesellschaft umgewandelt: die Deutsche Verlags-Anstalt. Die Familie Hallberger hielt die Hälfte der Aktien an dem Unternehmen, war also zwar nicht mehr mit der Führung des Verlags betraut, hatte auf diese aber nach wie vor nicht unerheblichen Einfluss.31 Es mag auch daran liegen, dass sich am Charakter des Verlags zunächst nichts Grundsätzliches änderte. Bis 1900 waren im Verlag Eduard Hallberger beziehungsweise bei der Deutschen Verlags-Anstalt rund 1.200 Titel erschienen, zwei Drittel davon im Bereich der Belletristik. Denn das Programm hatte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts zwar weiter diversifiziert – medizinische, theologische, naturwissenschaftliche, land- und hauswirtschaftliche sowie Schulbücher fanden sich darin –, doch die Bereiche der Belletristik und der Politik blieben die umfangreichsten und wichtigsten für den Verlag.32 Das änderte sich auch im 20. Jahrhundert nicht. 2. Die DVA im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts Felix Berner erklärt mit Blick auf die Ideengeschichte des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert, „daß die deutschen Verlage zu Beginn unseres Jahrhunderts ein Umschlagplatz erster Ordnung für jene Entwicklung waren, die mit der Verwandlung des Weltbilds auch das Antlitz der Erde umformte“.33 Und in der Tat waren die ökonomischen und strukturellen Bedingungen dafür ungemein günstigere als ein halbes Jahrhundert zuvor: Waren 1849 nicht einmal 8.200 Novitäten erschienen, stieg deren Zahl bis 1900 bereits auf knapp 25.000.34 Das erheblich gewachsene und entsprechend seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten, inhaltlichen Interessen und angestrebten Lektüre­ ziele fein ausdifferenzierte Lesepublikum konnte nicht zuletzt dank immer ausgereifterer und günstigerer industrieller Produktionsmethoden bedient werden. Im Gesamtmarkt, in dem Jugendschriften den größten Anteil hatten, machten belletristische und politische beziehungsweise populärwissenschaftliche 30  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsrats­ sitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die konstituierende Aufsichtsratssitzung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am Freitag, 4. Juli 1958. 31  Vgl. DVA, 175 Jahre. S. 28. 32  Vgl. Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 18. 33  Ebd. S. 23. 34  Vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. S. 258, 295.



I. Die DVA vor 1945225

Werke ungefähr ein Drittel der Titel aus, mit steigender Tendenz.35 Auch für die DVA blieben diese Produktgruppen die zentralen, zumal sich in ihnen besonders niederschlug, dass der Verlag, wie von Berner postuliert, in jener Phase der Orientierungssuche und der gesellschaftlichen Aushandlung von Zukunftsentwürfen den politisch-gesellschaftlichen Diskursen und Diskutanten Foren bot, nicht anders als nach 1945. Mit Blick auf tagesaktuelle politische Debatten galt dies vor allem durch den Einstieg in das Tageszeitungsgeschäft, das dem Buch- und Zeitschriftenprogramm eine dritte Sparte an die Seite stellte. Bereits 1890 erwarb die DVA mit dem Stuttgarter Neuen Tagblatt eine der wichtigsten württembergischen Tageszeitungen und ein liberales Aushängeschild; 1905 erfolgte die Übernahme der 1924 gegründeten und bis heute erscheinenden Cannstatter Zeitung. 1909 brachte die DVA beide Blätter in den neu konstituierten Stuttgarter Zeitungsverlag ein, den Vorläufer der heutigen Südwestdeutschen Medienholding.36 Noch Ende der 1950er Jahre hielt die DVA Anteile an verschiedenen Zeitungen, die sie teilweise zur Finanzierung des Neubaus des Verlagsgebäudes veräußerte.37 Von größerer Bedeutung blieb jedoch das Buchprogramm, das sich insbesondere seit dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts noch stärker der Behandlung aktueller Fragen und gesellschaftlicher Entwicklungen öffnete. Denn seit 1910 führte Gustav Kilpper als Generaldirektor, eine Position, die 1907 eingeführt wurde, den Verlag. Er sollte die prägende Gestalt des Verlags bis in die 1940er Jahre hinein werden.38 Gotthold Müller berief sich noch 1958 betont ehrfurchtsvoll auf Kilppers Vorbild für seine eigene Arbeit an der Spitze der DVA: „Ich darf Ihnen bekennen, daß ich meine Arbeit bewußt auf die Tradition der Kilpper-Zeit gestellt habe und das Haus in seinem Sinne zu führen bemüht bin. Dabei möchte ich mich aber in keiner Weise auch nur in die Nähe des großen Mannes stellen, sondern bin mir bewußt, nur ein bescheidener Nachfahre zu sein, der das ihm anvertraute Erbe in seinem Sinne zu hüten hat.“39 Kilppers Augenmerk lag in besonderem Maße auf Politik und Zeitgeschehen. In den Worten Berners: „Das Ziel, zu dem er hinstrebte, läßt sich in 35  Vgl.

ebd. S. 295 f. DVA, 175 Jahre. S. 28. 37  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 599 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Aufsichtsrat: Schriftwechsel, Aktennotizen: Schreiben Josef Webers an den Aufsichtsrat vom 7. Juni 1957. 38  Vgl. DVA, 175 Jahre. S. 28. 39  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Theodor Volckmar-Frenzel vom 13. Oktober 1958. 36  Vgl.

226

E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

zwei Begriffe fassen: Historische Selbstbesinnung und politische Erziehung. […] Wahrlich, kein passives Hinnehmen der Gegenwart, kein Sichtreibenlassen auf den dahinschießenden Wogen, sondern die tätige Antwort auf eine sich steigernde Herausforderung.“40 Dem verklärenden Tenor zum Trotz ist das sachlich nicht falsch, das Programm entwickelte sich unter Kilppers Ägide in diese Richtung. Ein frühes Zeugnis dafür stellt die Reihe Weltbild der Gegenwart dar. Sie wurde 1914 begonnen, aufgrund des Ablebens des Herausgebers, des Historikers Karl Lamprecht, nur ein Jahr später jedoch nie vollendet. Hier wurden Schriften eher liberaler Geister versammelt, darunter des Diplomaten und späteren DDP-Politikers Kurt Riezler, der ebenfalls der DDP angehörenden Frauenrechtlerin Gertrud Bäumer oder des Juristen Josef Kohler.41 Die in der Reihe erscheinenden Titel verstand der Verlag expressis verbis als Beitrag zur Orientierung angesichts der „sehr wenig übersichtlichen“ Zeitläufte, der „außerordentlichen Masse von Verschiebungen auf dem Gebiet der höheren Kultur“ und der „sozialen Umschichtung“, die in der Umbruchphase nach dem Ersten Weltkrieg zu beobachten waren.42 Die Ähnlichkeiten zur Situation nach 1945 sind augenfällig. Die liberale, mitunter progressive Seite des Programms wurde etwa auch durch die US-amerikanischen Reformer Ben B. Lindsey und John Dewey konturiert.43 Ferdinand Lassalle war nicht nur mit einer Ausgabe seiner Briefe in sechs Bänden im Programm vertreten, sondern auch mit einer Biographie aus der Feder Hermann Onckens, die innerhalb weniger Jahre in vier Auflagen publiziert wurde.44 Biographien spielten überhaupt eine wichtige Rolle. So verfasste der spätere erste Bundespräsident der Bundesrepublik Theodor Heuss, der der DVA zeit seines Lebens eng verbunden blieb, ein Portrait Friedrich Naumanns, Gerhard Ritter eines des Freiherrn vom Stein, des Vertreters nationaler Einheit und ständischer Interessen in der Restaurationszeit, das in der Nachkriegszeit neu aufgelegt wurde, und Erich Marcks eines Bismarcks, das der 40  Berner,

Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 23. Kurt: Grundzüge der Weltpolitik in der Gegenwart. Stuttgart: DVA, 1914; Bäumer, Gertrud: Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart. Stuttgart: DVA, 1914; Kohler, Josef: Recht und Persönlichkeit in der Kultur der Gegenwart. Stuttgart: DVA, 1914. 42  Zit. n. Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 30. 43  Lindsey, Ben B.: Die Revolution der modernen Jugend. Stuttgart: DVA, 1927; Dewey, John: Die menschliche Natur. Ihr Wesen und ihr Verhalten. Stuttgart: DVA, 1931. 44  Mayer, Gustav (Hrsg.): Ferdinand Lassalle: Nachgelassene Briefe und Schriften, 6 Bde. Stuttgart: DVA, 1921–1925; Oncken, Hermann: Lassalle. Eine politische Biographie. Stuttgart: DVA, 41923. 41  Riezler,



I. Die DVA vor 1945227

Autor mit der Vision eines autoritären Staates verband.45 Darüber hinaus erschienen diverse Ego-Dokumente prägender Figuren des Kaiserreiches, da­runter Briefe Wilhelms I. und Kurd von Schlözers oder die Aufzeichnungen Alfred von Kiderlen-Waechters. Häufig standen also die konservativen Funktions- und Geisteseliten im Zentrum. Damit wurde eine Tradition fortgesetzt, die, wie gezeigt, noch unter Eduard Hallberger begründet und auch nach 1945 beibehalten wurde; auf ihr gründete der Ruf der DVA als „Staatsverlag“.46 Daneben wurden unter Kilpper weitere konservative Intellektuelle ins Programm genommen: Gottfried Benn, der esoterische Elitist Hermann Keyserling, der bei den „Abendländern“ wohl gelittene Salvador de Madariaga – und José Ortega y Gasset, dessen Die Aufgabe unserer Zeit das erste seiner Bücher war, das bei der DVA veröffentlicht wurde.47 Das Pathos Berners, mit dem er von der Inverlagnahme schreibt, zeigt, welch zentrale Rolle Ortega für die DVA noch Jahrzehnte später spielte: „[D]ie Kettenreaktion jenes Augenblicks, da die verlegerische Wünschelrute ausschlug und einen lebendigen Quell anzeigte, pflanzt sich über die Generationen fort, so wie sie von Deutschland auf die anderen Völker übersprang.“48 Derweil hatte sich im Jahr 1920 die Eigentümerstruktur der DVA grund­ legend und in einer Weise verändert, die für die kommenden Jahrzehnte prägend sein sollte: Der Stuttgarter Großindustrielle Robert Bosch erwarb die Mehrheit der Aktien an dem Unternehmen – „um eine Übernahme durch den deutschnationalen Pressemagnaten Alfred Hugenberg zu verhindern“, wie es zumindest die Jubiläumsschrift aus dem Jahr 2006 verlautbart.49 Tatsächlich hatte Bosch schon seit Langem ein reges Interesse an Publizistik und Literatur entwickelt, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen sonstigen unternehmerischen Aktivitäten stand. Ihm war es mit seinen Beteiligungen an Medienunternehmen und Zeitschriften zum einen darum zu tun, eine Volksbildung zu fördern, die der Verständigung zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft diente und reformerische gegenüber revolutionären Ansätzen zur Lösung der sozialen Frage fördern sollte – insofern hatte sein Engagement dann natürlich doch auch eine unternehmens- beziehungsweise 45  Heuss, Theodor: Friedrich Naumann: Der Mann, das Werk, die Zeit. Stuttgart: DVA, 1937; Ritter, Gerhard: Stein. Bd. 1: Der Reformer; Bd. 2: Der Vorkämpfer nationaler Einheit und Freiheit. Stuttgart: DVA, 1931; Marcks, Erich: Bismarck. Eine Biographie (1815–1851). Stuttgart: DVA, 181940. 46  Siehe dazu auch Kapitel E. III. 3. 47  Vgl. Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S.  32; DVA, 125 Jahre. S. 2. 48  Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 33. 49  DVA, 175 Jahre. S. 28.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

wirtschaftspolitische Dimension –,50 zum anderen darum, die liberale Position in der öffentlichen Debatte zu stärken. Bosch-Biograf Peter Theiner sieht im Einklang mit der Selbstdarstellung der DVA deren Übernahme zuvörderst dadurch motiviert, „dem ihm besonders verhassten alldeutsch-­ konservativen Medienmogul und späteren Steigbügelhalter Hitlers, Alfred Hugenberg, und seinem Presseimperium den Weg nach Württemberg zu verlegen, indem Bosch zwischen 1917 und 1920 die Kapitalmehrheit an der Deutschen Verlagsanstalt [sic] (DVA) übernahm. Da die DVA 50 Prozent der Anteile des Stuttgarter Zeitungsverlags, Mutterhaus des Stuttgarter Neuen Tagblatts und der Württembergischen Zeitung, kontrollierte, stieg Robert Bosch mit dieser Akquisition zu einer Schlüsselfigur des Zeitungswesens in Südwestdeutschland auf. Anders als Alfred Hugenberg, der sein Medien­ imperium zu einem Sturmgeschütz gegen die Weimarer Republik ausbaute, mischte sich Robert Bosch nicht in das journalistische Geschäft ein.“51 Tatsächlich hatte man in Stuttgart jedoch kein grundsätzliches Problem mit deutschnationalen Positionen: 1920 erschien bei der DVA Albert von Hofmanns fünfbändiges Opus magnum Das deutsche Land und die deutsche Geschichte,52 in dem der Marburger Historiker, der 1933 als einer von rund 900 Unterzeichnern das Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler mittragen sollte, eine Vision eines postdynastischen Großdeutschlands entwirft, das auch Stauffenbergs Vorstellung der Ordnung des Reiches nach Hitler beeinflusste.53 Auch der nationalistische Deuter des Ersten Weltkriegs Hermann Stegemann brachte in den 1920er Jahren bei der DVA zwei Titel heraus: die vierbändige Geschichte des Krieges sowie Der Kampf um den Rhein,54 mit dem er 1924 „unmittelbar auf das politische Geschehen“ einzuwirken suchte.55 Zwei Jahre später fand sich dann noch ein weiterer rechtsradikaler Geschichtsdeuter im Programm: 1926 erschienen unter dem Titel Deutsche Geschichte und deutscher Charakter Aufsätze und Vorträge des republikfeindlichen Historikers Karl Alexander von Müller, in denen er etwa beklagt, 50  Vgl. Theiner, Peter: Robert Bosch. Unternehmer im Zeitalter der Extreme. Eine Biographie. München: C. H. Beck, 2017. S. 198. 51  Ebd. S. 199. 52  Hofmann, Albert von: Das deutsche Land und die deutsche Geschichte. 5 Bde. DVA: Stuttgart, 1920. 53  Vgl. Venohr, Wolfgang: Stauffenberg – Symbol des Widerstandes. Eine politische Biographie. München: Herbig, 2000. S. 88. 54  Stegemann, Hermann: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. 4 Bde. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1917–1921; Stegemann, Hermann: Der Kampf um den Rhein. Das Stromgebiet des Rheins im Rahmen der großen Politik und im Wandel der Kriegsgeschichte. Stuttgart: DVA, 1924. 55  Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 28.



I. Die DVA vor 1945229

die „tiefste Not“ der Deutschen sei „seit wie langem schon die Führer­ losigkeit“;56 unter dem NS-Regime machte er als einer der besonders systemtreuen Wissenschaftler Karriere. In den Jahren vor und während des „Dritten Reiches“ erschienen noch einige weitere Titel bei der DVA – und seiner Rolle im Nationalsozialismus zum Trotz nahm sie ihn nach dem Krieg schon 1949 mit einem Essay über Danton wieder ins Programm.57 Einige Jahre nach Weltbild der Gegenwart entstand 1921 eine weitere Reihe, die sich politischen und gesellschaftlichen Fragen widmete, die Politische Bücherei. Hier erschienen das genannte Werk Onckens, eine gemeinsame Betrachtung Frankreichs von Ernst Robert Curtius und Arnold Berg­ straesser sowie beispielsweise auch eine gemeinsame Arbeit Marcks’ und von Müllers über den Aufstieg des Reiches.58 Wenn Felix Berner über die weniger historisch als unmittelbar politisch ausgerichteten Titel der Reihe lapidar hinweggeht – „Es hat kaum Sinn, hier noch mit Autoren und Titeln aufzuwarten, denn was die Gegenwart von 1910, 1920, 1930 bewegte, ist so, wie es damals erlebt wurde, für uns Vergangenheit, Geschichte geworden“59 –, so womöglich nicht zuletzt deshalb, weil sich hier weitere Autoren finden, die sich in das liberalkonservative Narrativ, das er ausbreitet, nicht fügen wollten. So veröffentlichte der Austrofaschist Ludwig Bittner ebenso einen Band in der Politischen Bücherei wie der völkische Historiker Erich Keyser.60 Im polarisierten politischen Klima der Weimarer Republik bot der Verlag also vor allem (national-)liberalen und rechten Standpunkten ein Forum. Olaf Blaschke tendiert vor diesem Hintergrund ein wenig zu eindimensional dazu, die „ ‚Linie‘ des Verlages […] mit dem Begriff zu belegen, mit dem sein Autor Hermann Oncken beschrieben wurde. Er galt in der Weimarer Repu­ blik als Vernunftrepublikaner und ‚Mittelparteiler‘, Extreme zwischen rechts und links scheuend. […] Wie Oncken stand der Verlag in einer gewissen 56  Müller, Karl Alexander: Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Stuttgart: DVA, 1926. S. 215. 57  Müller, Karl Alexander von: Zwölf Historikerprofile. Stuttgart: DVA, 1935; Müller, Karl Alexander von: Vom alten zum neuen Deutschland. Reden und Aufsätze 1914–1938. Stuttgart: DVA, 1938; Müller, Karl Alexander von: Danton. Ein historischer Essay. Stuttgart: DVA, 1949. 58  Curtius, Ernst Robert/Bergsträßer, Arnold: Frankreich. Bd. 1: Die französische Kultur; Bd. 2: Staat und Wirtschaft Frankreichs. Stuttgart: DVA, 1931; Marcks, Erich/ Müller, Alexander von: Der Aufstieg des Reiches. Deutsche Geschichte von 1807– 1871/78. Bd. 1: Die Vorstufen; Bd. 2: Bismarck. Stuttgart: DVA, 1936. 59  Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 29. 60  Bittner, Ludwig: Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden. Stuttgart: DVA, 1924; Keyser, Erich (Hrsg.): Der Kampf um die Weichsel. Untersuchungen zur Geschichte des polnischen Korridors. Stuttgart: DVA, 1926.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Nähe zu den nationalliberalen Naumannianern.“61 Diese Nähe bestand zweifelsohne, aber der Verlag veröffentlichte auch eine ganze Reihe von Autoren, die von „Vernunftrepublikanismus“ und liberaler Gesinnung denkbar weit entfernt waren. Die Expansion und Vielfalt des Programms nahmen auch in anderer Hinsicht weiter zu. 1921 wurde die DVA erheblich erweitert, indem drei Verlage übernommen wurden: Schuster & Loeffler, in dessen Programm sich zahlreiche musik- und theaterbezogene Titel fanden, Egon Fleischel & Co. mit einem vor allem belletristischen Programm sowie Friedrich Andreas Perthes, der 1854 gegründete Nachfolgeverlag von Friedrich Christoph Perthes, der neben Belletristik und Jugendbuch einen Schwerpunkt auf Geschichte und Theologie hatte.62 Mit diesen Akquisitionen erweiterte sich nicht nur das Geschäftsvolumen der DVA, sie übernahm auch eine Reihe von Autoren – etwa Waldemar Bonsels von Schuster & Loeffler oder Ina Seidel von Egon Fleischel –, die in den kommenden Jahren das Verlagsprogramm prägen sollten, auch über das „Dritte Reich“ hinaus. 3. Die DVA im „Dritten Reich“ Für die Jahre zwischen 1933 und 1945 ist die Geschichte der DVA nur bruchstückhaft zu rekonstruieren. Da es infolge der Vernichtung des Verlagsarchivs so gut wie keine überlieferten Akten aus jener Zeit gibt, erschließt sie sich großenteils aus retrospektiven Darstellungen in den Akten der Nachkriegszeit sowie aus den Selbstdarstellungen der DVA beziehungsweise ihrer Vertreter. Und auch die sind wenig ergiebig. Sowohl die älteren Darstellungen Felix Berners als auch die späteren Jubiläumspublikationen beschränken die Betrachtung der Jahre des „Dritten Reiches“ auf wenige Zeilen. Und diese sind mit besonderer Vorsicht zu interpretieren, wird der wenige Raum doch, wie es in diesen Formaten üblich ist, vor allem genutzt, um die tatsächlich oder vermeintlich widerständigen Elemente des Verlegers und des Verlegens in den Fokus zu rücken.63 Diese waren in den Programmen der DVA durchaus zu erkennen, wenngleich sie wohl weniger Ausdruck einer dezidiert oppositionellen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten, als vielmehr eines Festhaltens an Auto61  Blaschke,

Verleger machen Geschichte. S. 335 f. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 623 Allgemeines DVA, Zeitungsartikel 1950–1958: Manuskript zur Sendung „Bücherstunde“ im Hessischen Rundfunk vom 22. November 1949; DVA, 125 Jahre. S. 2 f. 63  Vgl. Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 42–45; Berner, Felix: Louis und Eduard Hallberger. Die Gründer der Deutschen Verlags-Anstalt. Stuttgart: DVA, 1983. S. 88 f.; DVA, 125 Jahre. S. 3; DVA, 175 Jahre. S. 28. 62  Vgl.



I. Die DVA vor 1945231

ren, Publikationen und durchaus auch Haltungen oder Weltsichten waren, die vielleicht nicht mit dem Wohlwollen des Regimes rechnen durften, aber auch nicht in Frontstellung gegen dieses gingen. Die wirtschaftliche Lage DVA war in den 1930er Jahren stabil, was neben dem nachgefragten politisch-historischen und dem belletristischen Programm – in das in den ersten Jahren der Dekade mit André Gide und Charles Morgan zwei internationale Autoren aufgenommen wurden, die auch zwei Jahrzehnte später noch eine herausragende Rolle in ihm spielen sollten – wesentlich auch an dem größer werdenden technischen Programm lag. Dieses umfasste eine Reihe von Fachzeitschriften wie Der Süddeutsche Möbel- und Bauschreiner, das Malerblatt, das Industrieblatt und Die Bauzeitung, die in der 1924 ausgegliederten Verlagstochter Gewerblicher FachzeitschriftenVerlag erschienen; 1927 wurde zudem der Berliner Fachverlag M. Krayn übernommen, der allerdings bereits fünf Jahre später wieder abgestoßen wurde.64 Insbesondere mit den Fachpublikationen konnte die Auslastung der unternehmenseigenen Papierfabriken Salach und Wildbad gewährleistet werden, die noch im Geschäftsjahr 1938/39 einen Anteil von über 60 Prozent am Gesamtumsatz der DVA – das heißt des Verlags, der technischen Betriebe und eben der Papierfabriken –, der sich auf rund 7,1 Millionen Reichsmark belief, hatten.65 An die Seite der Fachzeitschriften, der Tageszeitungen sowie der bereits erscheinenden Publikumszeitschriften, zu denen unter anderem Die Literatur gehörte, die, von Fleischel & Co. übernommen, zunächst als Das literarische Echo veröffentlicht wurde und zu den wichtigsten literarischen Zeitschriften der Epoche zählte, traten in den 1930er Jahren zwei weitere: die Europäische Revue und die Deutsche Zukunft.66 Es sind vor allem diese beiden Blätter, auf die die Jubiläumsschriften des Verlags rekurrieren, um die Distanz zum NS-Regime zu illustrieren, denn, so Berner, beide Zeitschriften hätten „zu den Zentren des heimlichen Widerstandes gegen das Dritte Reich“ gehört.67 Insbesondere im Fall der Europäischen Revue muss dieser Widerstand schon sehr heimlich gewesen sein, wurde sie doch bereits ab 1933 von Auswärtigem Amt und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gesteuert. Gegründet wurde sie 1925 als Publikation, die aus konservativ-abendländischer Warte für den euBerner, Louis und Eduard Hallberger. S. 88. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 605 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Geschäftsberichte, Bilanzen, Prüfungsberichte: Bericht über die Prüfung der Geschäftsführung des Treuhänders Herrn Hermann Leins bei der Firma Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart (II.1949). 66  Vgl. Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 44 f. 67  Ebd. S. 45. 64  Vgl. 65  Vgl.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

ropäischen Austausch und die europäische Einigung eintrat; gefördert wurde sie unter anderem von Robert Bosch. In ihr publizierten Intellektuelle eines weiten nationalliberalen bis rechtsradikalen Feldes, das von Thomas Mann über Gustav Stresemann und Winston Churchill bis hin zu Carl Schmitt, ­Julius Evola oder Max Hildebert Boehm reichte.68 Herausgegeben wurde sie seit 1933 von Joachim Moras, der nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit Hans Paeschke den Merkur gründete, der seit 1948 wiederum bei der DVA erschien. Richtig ist freilich, dass die Europäische Revue trotz der Goebbels’schen Steuerung auch Platz für regimekritische Autoren wie Theodor Heuss oder Ulrich von Hassell, der später zum Kreis des 20. Juli zählte, bot; Anspruch, „ein Zentrum des Widerstands“ gewesen zu sein, darf sie deshalb jedoch wohl kaum erheben. Ähnlich ausgerichtet, aber klarer mit konservativen Oppositionskreisen verbunden war die Deutsche Zukunft. Die Wochenzeitung wurde von Fritz Klein, Paul Fechter und Peter Bamm gegründet, letzterer blieb der DVA auch als Buchautor verbunden. Die Herausgeber standen Kreisen nahe, aus denen zahlreiche Angehörige des Widerstands kamen, teilweise publizierten diese auch in der Deutschen Zukunft, so wiederum Ulrich von Hassell.69 Insbesondere Fechter war in verschiedenen widerständigen konservativen Strukturen verankert, war Mitglied der Mittwochsgesellschaft, einer Gelehrtengesellschaft, in der sich zunehmend Gegner der Nazis versammelten, gab, ebenfalls seit 1933, zusammen mit Rudolf Pechel die Deutsche Rundschau heraus und publizierte in den monarchistischen Weißen Blättern, in denen vor allem christliche Gegner des Nationalsozialismus veröffentlicht wurden, darunter Reinhold Schneider, Werner Bergengruen und Jochen Klepper, dessen Bücher in den 1930er Jahren von der DVA herausgebracht wurden.70 Eher als die Europäische Revue war die Deutsche Zukunft im Netzwerk geistiger, politischer und wirtschaftlicher konservativer Eliten zu verorten, die in Distanz oder Gegnerschaft zum Nationalsozialismus standen. Ein he­ rausragendes Forum ihrer Gegenentwürfe freilich war auch sie nicht.

68  Vgl. Müller, Guido: Von Hugo von Hofmannsthals „Traum des Reiches“ zum Europa unter nationalsozialistischer Herrschaft – Die „Europäische Revue“ 1925– 1936/44. In: Kraus, Hans-Christof (Hrsg.): Konservative Zeitschriften zwischen Kaiserreich und Diktatur. Fünf Fallstudien. Berlin: Duncker & Humblot, 2003. S. 155– 180. 69  Vgl. Schöllgen, Gregor: Ulrich von Hassell, 1881–1944. Ein Konservativer in der Opposition. München: C. H. Beck, 1990. S. 262 f. 70  Vgl. Bottlenberg-Landsberg, Theodora von dem: Die Weißen Blätter. Eine konservative Zeitschrift im und gegen den Nationalsozialismus (= Schriften der Gedenkstätten Deutscher Widerstand, Reihe A, Bd. 6). Berlin: Lukas, 2012. S. 39, 184, 194, 263.



I. Die DVA vor 1945233

Gleichwohl wurde noch 2006 ein Konnex zwischen einer vorübergehenden Verhaftung Gustav Kilppers und der Inverlagnahme der beiden Periodika hergestellt, sei er doch „mittlerweile auch Verleger zweier regimekritischer Zeitschriften“ gewesen.71 Ob die Verhaftung tatsächlich im Zusammenhang mit seinem Festhalten an Publikationen und Autoren, die den Nazis missfielen, stand, steht dahin. Bei der DVA erschienen etwa weiterhin Werke Erich Kästners oder Friedrich Wolfs,72 auch solche des vom Apologeten des Nationalsozialismus zu seinem Gegner gewandelten Gottfried Benn. Jedenfalls konstatierte Josef Winckler, Autor von Der tolle Bomberg, 1958 im Rückblick: „In diesen Jahren war Gustav Kilpper ein starker Beistand. Seine Unerschrockenheit und sein Wagemut waren eine Stütze für den unerwünschten Autor.“73 Und auch Heinrich Maria Ledig-Rowohlt berichtet, dass Kilpper „rückhaltlos und bis zur Selbstgefährdung“ zu angefeindeten Autoren gestanden habe.74 Ledig-Rowohlt hatte die DVA aus nächster Nähe beobachten können: 1938 wurde er Geschäftsführer des Rowohlt-Verlags, der, wie erwähnt, kurze Zeit später an die DVA überging. Als für Ernst Rowohlt bereits absehbar war, dass er nicht mehr als Verleger würde tätig sein können, er sein Unternehmen aber noch nicht verlassen hatte, hatte er den Verkauf wohl noch selbst in die Wege geleitet. Der Rowohlt-Verlag blieb unter dem Dach der DVA nominell bestehen, Ernst Rowohlt selbst schied zwar aus, fungierte aber noch eine Zeitlang als Berater; das operative Geschäft sollte nun ein Sohn übernehmen.75 Im Herbst 1943 erlosch der zweite Rowohlt-Verlag und seine Rechte gingen an die DVA über. In einem Schreiben an seinen Autor Hans Fallada betonte der Verlag, dass es sich bei der Schließung „nicht etwa um eine im Zuge der Kriegsmassnahmen behördlicherseits verfügte Stillegung [handelt], sondern um eine innerorganisatorische Massnahme unseres Parteikonzerns. Der Rowohlt-Verlag geht damit unter Beendigung seiner Produktion in der Deutschen Verlags-Anstalt auf.“76 Retrospektive Erzählungen wie die Walther Kiaulehns, der Übergang an die DVA sei letztlich eine Maßnahme gegen den größer werden Einfluss des regimehörigen Deutschen Verlags auf den Rowohlt-Verlag gewesen, sind wenig plausibel, denn die beiden Verlage waren bereits vor der Übernahme über den Parteiverlag Eher miteinander verbunden. Rowohlt gehörte mittler-

71  DVA,

175 Jahre. S. 28. Wittmann, Verlagsbuchhandel. S. 353. 73  Zit. n. ebd. 74  Zit. n. Berner, Louis und Eduard Hallberger. S. 89. 75  Vgl. Oels, Rowohlts Rotationsroutine. S. 112 ff. 76  Zit. n. ebd. S. 114 f. 72  Vgl.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

weile zum in den Eher-Konzern eingegliederten Deutschen Verlag, die DVA teilweise zur ebenfalls Eher zugehörigen Vera-Verlagsanstalt.77 Die Vera-Verlagsanstalt war, ehe sie von Eher übernommen wurde, Teil des Hugenberg-Konzerns gewesen, in dem sie weitgehend apolitische Zeitungen, vor allem die viel gelesenen Generalanzeiger, publiziert hatte.78 Wie die Einbindung der DVA in das Unternehmen – und damit die Transformation zu einem Teil des, wie es in oben angeführtem Zitat heißt, „Parteikonzerns“ – zustande kam, erhellt ein Schreiben, das die Robert-Bosch-Testamentsvollstreckung – das Gremium, das nach dem Ableben Robert Boschs das hinterlassene Vermögen verwaltete79 – im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Rückerstattung der Unternehmenswerte, die die Nazis, die Alteigentümer übervorteilend, übernommen hatten, im Juni 1946 an die amerikanische Militärregierung in Stuttgart richten wollte. Hier wird ausgeführt, dass Robert Bosch seine Beteiligungen an den beiden DVA-Zeitungen Stuttgarter Neues Tagblatt und Cannstatter Zeitung, deren politischer Charakter auch hier betont wurde – mit ihnen habe er „die demokratischen Ideen Naumanns und später Stresemanns im Volke zu verbreiten und lebendig zu erhalten“ gesucht –, 1936 gezwungenermaßen „auf Grund der von dem Reichsleiter Amann (dem Zeitungsdiktator) mit Billigung Hitlers erlassene Presseanordnungen an die Vera Verlags-Anstalt GmbH. abgeben [musste]. Herr Bosch wollte erst durch seine Beauftragten in einem öffentlichen Rechtsstreit die Verfassungswidrigkeit dieser Anordnungen nachweisen. Es kam aber nicht soweit, weil Reichsminister Göring sich bei ihm unmittelbar einschaltete und von ihm im Auftrage Hitlers die Abgabe dieser Beteiligungen, notfalls durch Enteignung, verlangte. Herr Bosch gab diesem Zwang schliesslich nach.“80 Kilpper wollte den Naumann’schen Geist in seiner DVA durchaus wahren. Nach der Erfahrung seiner kurzen Inhaftierung wenige Jahre zuvor wollte er den Verlag dafür jedoch nicht in Opposition zu den Nazis bringen. So ließ er die ursprünglich 1919 erschienene Naumann-Biografie Theodor Heuss’ 1937 77  Vgl.

ebd. S. 113. Hoser, Paul: Franz Eher Nachf. Verlag (Zentralverlag der NSDAP). In: Historisches Lexikon Bayerns. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/ Franz_Eher_Nachf._Verlag_(Zentralverlag_der_ NSDAP) [letzter Zugriff: 31.03. 2020]. 79  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an den Aufsichtsrat vom 28. Januar 1953. 80  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 603 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Rückerstattung; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart): Entwurf eines Schreibens der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an die Militärregierung in Stuttgart vom 12. Juni 1945. 78  Vgl.



I. Die DVA vor 1945235

der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums vorlegen, die 1934 eingerichtet worden war und die zunächst Werke über den Nationalsozialismus zu prüfen und zu überwachen hatte, sich aber zunehmend anmaßte, sämtliche wissenschaftlichen und politischen Publikationen auf ihre Kompatibilität mit der nationalsozialistischen Selbstdarstellung und Propaganda zu überprüfen. Heuss reagierte mit Unverständnis: „Nach meinem Gefühl war das Naumannbuch total ungefährdet, nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen seines Umfangs – es scheint mir, erlauben Sie, daß ich das deutlich sage, ‚taktisch‘ vollkommen unrichtig, durch diese Anfrage den Eindruck der eigenen Unsicherheit über diesen Tatbestand hervorzurufen.“81 Unsicher war auch der Status der Werke Jochen Kleppers, des Theologen und Schriftstellers, der mit einer jüdischen Frau verheiratet war, der SPD angehört hatte und, wie erwähnt, in den Weißen Blättern publizierte. Seine Bücher wurden zwar trotz der Missbilligung der Nazis veröffentlicht, gleichzeitig aber war man bemüht, eine direkte Konfrontation zu vermeiden. Die Verbindung Kleppers mit der DVA kam vor allem über Karl Pagel zustande, der 1933 die Leitung der Berliner Dependance des Verlags übernommen hatte, um die Fühlung mit den dortigen Schriftstellern zu wahren. Im Juni 1933 erschien Kleppers erster Roman Der Kahn der fröhlichen Leute. Nachdem er zuvor seine Anstellung beim Rundfunk hatte aufgeben müssen, war er auf das Honorar und die Unterstützung des Verlags angewiesen – an der er jedoch zweifelte: „Denn an den Beistand der Deutschen Verlags-Anstalt kann ich nicht recht glauben. Wie soll ein Verlag heute einen Autor durchhalten, der nicht ausgesprochen ‚Hoffnung der Nation‘ ist?“82 Die Sorge, die sich als unbegründet erwies – der Verlag unterstützte den Autor mit monatlichen Zahlungen –, wurde noch größer, als sich Klepper entschloss, die ihn im „Dritten Reich“ belastenden Faktoren darzulegen: „Dr. Pagel, der neue Leiter der Berliner Dependance der Deutschen VerlagsAnstalt, war zum Abendbrot bei uns. Eine wichtige Unterredung: denn Dr. Pagel, am ‚Vater‘ [dem schließlich erst 1937 erschienenen Buch Der Vater. Roman des Soldatenkönigs; KG] wirklich mit Wärme interessiert, wird nun alle belastenden Dinge offiziell an Dr. Kilpper berichten: die ehemalige Zugehörigkeit zum Bund religiöser Sozialisten, die Mischehe. Es geht ja auf Dauer nicht, daß diese Dinge unerwähnt bleiben, und ich kann meine kaputten Nerven nicht auch noch mit diesem Verschweigen belasten. Aber nimmt 81  Schreiben Theodor Heuss an Gustav Kilpper vom 6. August 1937, zit. n. Seefried, Elke (Hrsg.): Theodor Heuss. In der Defensive – Briefe 1933–1945. München: Saur, 2009. S. 297. 82  Tagebucheintrag Jochen Kleppers vom 7. Juni 1933, zit. n. DVA, Im 110. Jahr. S. 91.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

mich die Schrifttumskammer nicht auf, kann kein noch so loyaler Verleger etwas für mich tun.“83 Drei Tage später hielt er fest, „[d]ie Mischehe berührt Dr. Kilpper nicht“,84 und als das Erscheinen des Romans näherrückte, zeigt er sich erstaunt ob der Tatsache, dass „es gar keinen Kampf mehr gegeben [hat]; am meisten verwundert es mich im Hinblick auf die religiöse und politische Einstellung des Buches.“85 Tatsächlich gelang 1934 die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer, die es Klepper zunächst ermöglichte, weiterhin zu publizieren; drei Jahre später, kurz nach der Veröffentlichung des Vaters wurde er jedoch wieder ausgeschlossen. Weitere fünf Jahre später nahm sich Klepper angesichts der drohenden Deportation seiner jüngsten Tochter und der zu erwartenden Zwangsscheidung von seiner Frau gemeinsam mit seiner Familie das Leben.86 Das Festhalten an Klepper bis zum Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer wird in den Jubiläumsschriften als weiterer Ausweis einer regimekritischen Haltung dargestellt. Und an diesem Beispiel macht Felix Berner auch einmal mehr deutlich, dass die DVA durchaus den Anspruch hegte, auf die Meinungsbildung Einfluss zu nehmen: „Hier, am Beispiel Jochen Kleppers, wird auch völlig deutlich, wie die Deutsche Verlags-Anstalt ihren Grundauftrag, der Gegenwart auf der Spur zu bleiben und den Geist der Zeit zu fassen, noch in den Zeiten der Verfinsterung zu verwirklichen suchte: nicht indem sie sich von der Tagesmeinung formen ließ, sondern indem sie, aus tieferen Quellen schöpfend, diese Meinung zu formen suchte.“87 Die Veröffentlichung der Klepper-Tagebücher war denn auch eines der großen Projekte der DVA in der Nachkriegszeit. Eine von der Parteilinie abweichende Meinung zu formen wurde dem Verlag spätestens 1941 unmöglich gemacht, auf Dauer konnte das Haus seinen Schlingerkurs zwischen Anpassung und dem Festhalten an NS-kritischen Themen und Autoren nicht durchhalten und musste sich dem Totalitätsanspruch der nationalsozialistischen Buchhandelsorganisation unterwerfen. In diesem Jahr wurde die DVA in eine GmbH umgewandelt, vollständig in den Eher-Konzern eingegliedert und programmatisch gleichgeschaltet; 1957 schrieb Gotthold Müller davon, dass „der Verlag von den Machthabern des Dritten Reiches okkupiert“ worden sei.88 Kilpper jedenfalls, der seit 1940 83  Tagebucheintrag

Jochen Kleppers vom 17. Januar 1934, zit. n. ebd. S. 92. Jochen Kleppers vom 20. Januar 1934, zit. n. ebd. 85  Tagebucheintrag Jochen Kleppers vom 14. August 1936, zit. n. ebd. S. 98. 86  Vgl. Baum, Markus: Jochen Klepper. Schwarzenfeld: Neufeld, 22012. S.  262 ff. 87  Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 48 f. 88  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 598 Geschäftsleitung Korrespondenz 1953–1958: Entwurf Gotthold Müllers für eine Erklärung des Bun84  Tagebucheintrag



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 237

nur noch kommissarischer Geschäftsführer war, schied 1942 aus dem Verlag aus.89 Die Zerstörung des Verlagshauses im September 1944 bedeutete faktisch das vorläufige Ende der DVA, deren Sitz bis zum Kriegsende nach Göppingen verlegt wurde.90

II. Die DVA in der Nachkriegszeit Dieses Ende war in der Tat ein sehr vorläufiges, denn bereits zwei Jahre später erhielt die DVA eine Lizenz der amerikanischen Besatzungsbehörden und konnte ihre Arbeit in Stuttgart wiederaufnehmen. Von der ausgeprägten Kontinuität, insbesondere der personellen, die die Verlagsgeschicke seit der Gründung des Hauses geprägt hatte, blieb zunächst allerdings wenig übrig. Während der ersten fünf Nachkriegsjahre befand sich die DVA, nach einem kurzen Intermezzo mit dem ersten Lizenzinhaber Franz Mittelbach an der Spitze, in der Treuhänderschaft Hermann Leins’, der gemeinsam mit Geschäftsführer Hermann Maier für den Verlag verantwortlich zeichnete. Infolge der Übernahme des Verlags durch den Eher-Konzern waren die Besitzverhältnisse unklar und mussten zunächst in einem langwierigen Restitutionsverfahren geklärt werden. 1950 schließlich erhielten die Erben Robert Boschs den Mehrheitsanteil am Stammkapital der DVA, das Land Württemberg-Baden behielt einen Minderheitsanteil, von dem es bald einen Anteil dem Stuttgarter Zeitungsverlag überließ, an dem wiederum die DVA beteiligt war. Nach dem Ende der Treuhänderschaft und dem Ausscheiden Leins’ und Maiers standen mit Willy Marquardt und Wilhelm Kimmich nacheinander zwei eher glücklose Nachfolger an der Spitze des Verlags, die es nicht vermochten, ihm ein klares Profil und einen akzeptablen Profit zu verschaffen. Umschichtungen im Zeitschriftenprogramm sollten den intellektuellen Anspruch der DVA unterstreichen, Annäherungen an eine junge Generation von despräsidialamtes, übersandt mit einem Schreiben an Ministerialdirektor Hans Bott vom 13. September 1957. 89  Vgl. DVA, 175 Jahre. S. 28. Unmittelbar nach dem Krieg fungierte Kilpper, der neben seiner Tätigkeit bei der DVA in den 1920er und 1930er Jahren verschiedene Positionen in Wirtschaftsverbänden wie der Vereinigung Württembergischer Arbeitgeberverbände und der IHK Stuttgart innehatte, als Landesdirektor für Wirtschaft von Württemberg-Hohenzollern. Vgl. Becker, Ernst Wolfgang/Vogt, Martin/ Werner, Wolfram (Hrsg.): Theodor Heuss. Der Bundespräsident – Briefe 1949–1954. Berlin/Boston: De Gruyter, 2012. S. 635. 90  Vgl. BAK, N 1353/23, Nachlass Hermann Stegemann, Journalistische, literarische und Verlagskorrespondenz, 1914–1945, Bd. 7, Schriftwechsel mit der Deutschen Verlags-Anstalt (Deva), Stuttgart, und dessen Direktor Gustav Klipper [sic] über Geschäftliches, 1940–1945: Mitteilung der DVA von Mitte September 1944.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Schriftstellern, etwa der Gruppe 47, sollten den Verlag für den Zeitgeist anschlussfähig machen. Allein, nachhaltiger Erfolg stellte sich damit nicht ein, insbesondere blieb die ökonomische Substanz des Unternehmens schwach. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht war die DVA bis 1954/1955 eher ein Papierhersteller mit angeschlossenem Verlag denn umgekehrt. Der Gewinn, den seine beiden eigenen Papierfabriken in den ersten Nachkriegsjahren erwirtschafteten, erlaubte es dem Verlag, defizitär zu arbeiten. Als allerdings die Notwendigkeit hoher Investitionen absehbar war, um die Papierfabriken konkurrenzfähig zu erhalten, entschieden sich Geschäftsführung und Aufsichtsrat, diese abzustoßen, auch, weil sie den Fokus von der eigentlichen Aufgabe – dem Verlegen von Büchern und Zeitschriften – abzulenken drohten. Der Verkauf fiel bereits in die Zeit der Geschäftsführung Gotthold Müllers, der von 1953 bis 1960 als Verlagsdirektor fungierte. Auch andere – für den Buchhandel der Nachkriegszeit nicht untypischen – Hemmungsfaktoren suchte er zu minimieren, etwa durch die Konzentration und Straffung der Verlagsorganisation oder die Verringerung der Abhängigkeit von den Buchgemeinschaften, die insbesondere für die technischen Betriebe der DVA ein gefährliches Maß angenommen hatte. Das Geschäft des allgemeinen Verlags blieb weiterhin defizitär, konsolidierte sich aber allmählich, auch, weil sich der Verlag unter Müllers Ägide wieder stärker auf die klassischen Felder seiner Tätigkeit besann, die zwar auch seine Vorgänger nicht vernachlässigt, aber als allein nicht tragend angesehen hatten: die anspruchsvolle wie unterhaltsame Belletristik, das politische und historische Sachbuch sowie ein Zeitschriftenportfolio, das in den Nachkriegsjahren allerdings einige Häutungen durchlief. 1. Die Treuhänderschaft Es waren neben anderen zwei Aspekte, von denen nach der Besetzung Deutschlands die rasche Zulassung beziehungsweise Wiederzulassung eines Verlags abhing: die physische Fähigkeit zur Produktion, das heißt überschaubare Kriegsschäden, sowie der Anteil kompromittierender Titel an der Produktion während der Jahre des „Dritten Reiches“. Umso erstaunlicher ist es, dass die DVA unter der Nummer US-W-1070 bereits am 16. Februar 1946 wieder eine Lizenz erhielt, um „Schöne Literatur, Geschichte, Kulturgeschichte, Philosophie, Biographie, Memoiren, Sprache, Populärwissenschaften, Gesetze, Deutschenspiegel“ zu veröffentlichen.91 Denn nicht nur waren 91  De Gruyter, Lizenzen-Handbuch. S. 267. Zum „Deutschenspiegel“ siehe Kapitel E. III. 1.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 239

sowohl der Verlag wie seine technischen Betriebe weitgehend zerstört, in der SBZ landeten auch immerhin 35 Titel der DVA auf der Liste auszusondernder Literatur. Damit lag sie zwischen Goldmann mit 51 und Bruckmann mit 33 Titeln an der Spitze der großen deutschen Verlage; Rowohlt war auf der Liste beispielsweise nur mit acht Titeln vertreten, Piper mit drei.92 Da die Besitzverhältnisse infolge der erzwungenen Übertragung der Anteile Robert Boschs und anderer an den Eher-Konzern sowie der Umwandlung der AG in eine GmbH 1941 die Beantwortung der Frage nach den legitimen Besitzern des Verlags und der ihm angeschlossenen Unternehmen erschwerten, fungierte während der ersten fünf Jahre nach Kriegsende Hermann Leins als Treuhänder; er war auch der Träger der DVA-Lizenz. Leins, der im „Dritten Reich“ auf Distanz zu den Machthabern geblieben war, hatte bereits in der Zwischenkriegszeit den Tübinger Verlag Rainer Wunderlich geleitet, für den er 1945 die erste Lizenz in der französischen Zone erhalten hatte. Darüber hinaus stand er auch den Verlagen J. B. Metzler und Carl Ernst Poeschel als Treuhänder vor.93 Als Geschäftsführer fungierte Hermann Maier, mit Alois Pistotnik, dem Leiter der technischen Betriebe, sowie Richard Keck und Emil Schnabel waren drei weitere Personen zeichnungsberechtigt.94 Interimistisch hatte im Herbst 1945 zunächst allerdings Franz Mittelbach die Leitung der DVA von der amerikanischen Militärregierung übertragen bekommen.95 Während die Druckerei der DVA zunächst in Göppingen weiterarbeitete, nahm der Verlag den Betrieb an seinem alten Verlagsort Stuttgart wieder auf, wo er zunächst im Tagblatt-Turm residierte, einem markanten Hochhaus in der Stadtmitte, das 1928 für das Stuttgarter Neue Tagblatt erbaut worden war und dieses bis 1943 beherbergt hatte.96 Wenngleich also das repräsentative Verlagshaus in der Neckarstraße in Trümmern lag, erwählte sich die DVA einen Ort als vorläufigen Sitz, mit dessen Geschichte sie durch die Beteiligung am Stuttgarter Zeitungsverlag eng verbunden war. Der Rekurs auf diese Blaschke, Verleger machen Geschichte. S. 250. De Gruyter, Lizenzen-Handbuch. S. 267, 272 f. 94  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Verzeichnis der bisher zeichnungsberechtigten Herren vom 18. April 1950. 95  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 260 Korrespondenz mit DVA 1945–1965: Schreiben Franz Mittelbachs an Karl Pagel vom 5. Oktober 1945; Jordan, Hans: Wie ich Verlagsvertreter wurde. In: Jordan, Hans (Hrsg.): Auf Verlegers Rappen. Verlagsvertreter berichten von ihren Begegnungen mit Buchhändlern, Verlegern und Autoren. Stuttgart/Weimar: Metzler, 21994. S. 123–148. Hier S. 127. 96  Vgl. Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 47. 92  Vgl. 93  Vgl.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Geschichte und die verwobenen Besitzverhältnisse blieb kein äußer­ licher: Die Frage nach der Restitution dominierte bis 1950 die inneren Angelegenheiten des Verlags. Zum Zeitpunkt der übervorteilenden Übernahme der Verlagsanteile Boschs und der anderen Anteilseigner 1936 hatte sich das Stammkapital der DVA auf 3,6 Millionen Reichsmark belaufen, wovon Bosch 1.964.200, der Stuttgarter Zeitungsverlag 868.000, die Handels- und Gewerbebank Heilbronn – aus deren Akten sich das Restitutionsverfahren wesentlich rekonstruieren lässt –, 189.900, Gustav Kilpper 60.200 und Kleinaktionäre insgesamt 517.700 Reichsmark gehalten hatten;97 gleichzeitig war die DVA zu 50 Prozent am drei Millionen Reichsmark betragenden Stammkapital des Stuttgarter Zeitungsverlags beteiligt.98 In diesem Zusammenhang richtete auch Gustav Kilpper Rückerstattungsforderungen an das Land Württemberg, an das das DVA-Vermögen beim Eher-Konzern nach Kriegsende übergegangen war.99 An der DVA nahm er weiterhin Anteil, wurde aber kein Teil des Verlags mehr, denn, so zumindest die Darstellung eines Vertreters der RobertBosch-Testamentsvollstreckung, er hielt keine großen Stücke auf Leins und hätte es lieber gesehen, hätte Mittelbach weiterhin als Treuhänder fungiert und sein – Kilppers – Sohn als Geschäftsführer.100 Als langjähriger Verleger blieb er, wie angedeutet, dennoch als Übervater und Vorbild bei der DVA präsent; 1953 gründete er seinen eigenen, nach ihm benannten Verlag.101 Das Finanzministerium erkannte die Rechtmäßigkeit der Rückerstattungsforderungen zunächst nicht an, da es unterstellte, die Enteignungen seien nicht aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen erfolgt, und nur solche seien restitutionsfähig. Die RBTV argumentierte dagegen, dass das Vorgehen gegen Bosch genuin politisch motiviert, dieser als Demokrat bekannt und engagiert und mit dem Kreis um Goerdeler eng verbunden gewesen sei.102 97  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 603 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Rückerstattung; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart): Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an Erwin Bohner, Handelsbank Heilbronn, vom 5. Februar 1948. 98  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 603 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Rückerstattung; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart): Entwurf eines Schreibens der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an die Militärregierung in Stuttgart vom 12. Juni 1945. 99  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 603 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Rückerstattung; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart): Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an Erwin Bohner, Handelsbank Heilbronn, vom 5. Februar 1948. 100  Vgl. ebd. 101  Vgl. Becker/Vogt/Werner, Theodor Heuss. Der Bundespräsident. S. 635. 102  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 603 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Rückerstattung; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testaments-



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 241

Schließlich einigte man sich auf einen Vergleich, bei dem die Erben Robert Boschs die Mehrheit des nun 1.083.000 Reichsmark und nach der Währungsreform drei Millionen ­D-Mark betragenden Stammkapitals der neuen DVA vom Land erhielten, das weiterhin am Verlag beteiligt blieb. Zwar blieb zunächst noch die Frage der Rechtmäßigkeit der von den Treuhändern abgeschlossenen Pachtverträge ungeklärt, im März 1950 wurde der Vergleich dann aber wirksam: „Die seit 1945 bestehende Vermögenskontrolle wurde am 31.3.1950 unter Übergabe des Gesellschaftsvermögens zu 54,56 % an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung als Vertretung der Erben von Dr. Robert Bosch und zu 45,44 % an das Finanzministerium Württemberg-Baden aufgehoben. Das Land Württemberg-Baden hat inzwischen 24,61 % der übernommenen 45,44 % an die Stuttgarter Zeitungsverlag GmbH. abgetreten. Mit Aufhebung der Vermögenskontrolle schied der bisherige Treuhänder, Herr Verlagsbuchhändler Hermann Leins, aus; ebenso der alleinige nicht eingetragene Geschäftsführer Herr Dr. Hermann Maier. Herr Willy Marquardt wurde zum alleinigen, allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführer berufen.“103 Auch strukturell und ökonomisch waren die Jahre der Treuhänderschaft von dem Bemühen um Konsolidierung geprägt. Am Ende des Jahres 1946 betrug der Gewinn der DVA insgesamt etwas mehr als 82.000 Reichsmark – die Verbindlichkeiten beliefen sich auf über 1,2 Millionen.104 An diesem Missverhältnis hatte sich am Ende der der Treuhänderschaft wenig geändert, sodass noch die Prüfer des Jahresabschlusses 1950 konstatieren mussten: „Die Höhe der Schulden ist besorgniserregend; mit der Möglichkeit, dass sie auf Verlangen der Gläubiger kurzfristig abgedeckt werden müssen, muss gerechnet werden; Notverkäufe und Betriebseinschränkungen sind dann unvermeidlich, und damit auch Erfolgsschmälerungen und evtl. Substanzverluste.“105 vollstreckung (Stuttgart): Entwurf einer Stellungnahme zu den Ausführungen des Finanzministeriums vom 28. Februar 1949, II., vom 16. März 1949. 103  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 605 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Geschäftsberichte, Bilanzen, Prüfungsberichte: Auszug aus dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1950 der Deutschen Verlagsanstalt GmbH, Stuttgart, durch die Treuhandgesellschaft Süd-West vom 30. Dezember 1951. 104  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 605 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Geschäftsberichte, Bilanzen, Prüfungsberichte: Handels-Bilanz, Stand 31. Dezember 1946; WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 603 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Rückerstattung; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart): Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an Erwin Bohner, Handelsbank Heilbronn, vom 5. Februar 1948. 105  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 605 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Geschäftsberichte, Bilanzen, Prüfungsberichte: Auszug aus dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1950 der Deutschen Verlagsanstalt GmbH, Stuttgart, durch die Treuhandgesellschaft Süd-West vom 30. Dezember 1951.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Gleichzeitig hätte sich, so betonten sie, diese Substanz seit Kriegsende gut entwickelt. Tatsächlich stiegen etwa die Umsätze nach der Währungsreform – in deren Folge sich die Barreserven der DVA von 2,2 Millionen auf 150.000 D-Mark reduziert hatten – weiter an, von rund 9,3 im Jahr 1949 auf rund 12 Millionen D-Mark ein Jahr später. Und auch die Gewinne nahmen zu, im Geschäftsjahr 1950 betrugen sie immerhin rund 255.000 D-Mark beziehungsweise – unter Einberechnung von Zuweisungen an die Unterstützungskasse, Sonderabschreibungen und Körperschaftssteuer – circa eine Million oder 8,5 Prozent des Umsatzes; im verlängerten Geschäftsjahr vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1949 hatte dieser Wert noch bei 3,4 Prozent gelegen.106 Diese Entwicklung war vor allem den Papierfabriken Salach und Wildbad zu verdanken, die von der Mangelsituation der Nachkriegsjahre profitieren konnten und nicht nur den Großteil des Umsatzes erwirtschafteten – 1950 rund 8,4, 1951 bereits rund 14,8 Millionen ­D-Mark –,107 sondern auch den gesamten Gewinn. Der Verlag hingegen war schwer defizitär: 1950 hatten seine Verluste über 1,4 Millionen ­D-Mark betragen (allerdings wurden dabei die Kosten für die Verwaltung des Unternehmens oder Zahlungen an die Unterstützungskasse voll zu seinen Lasten berechnet).108 In den Papierfabriken sowie in der Druckerei arbeitete auch ein erheblicher Teil des Personals, das überwiegend aus Arbeitern bestand; von den 779 Beschäftigten am Ende des Jahres 1951 (Anfang Januar 1948 waren es noch 478) wurden 649 als solche kategorisiert, lediglich 130 als „Angestellte“.109 Und von diesen ­arbeitete wohl weniger als die Hälfte im Verlag – 1955 waren es 59 von 139 Angestellten.110 In ihrer programmatischen Ausrichtung knüpfte die DVA, wie die meisten deutschen Verlage, in den Nachkriegsjahren an bewährte Autoren und Werke an. Insbesondere Ina Seidel wurde zur herausragenden Autorin der DVA der 106  Vgl.

ebd. ebd.; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 342 Umsätze, Finanzpläne, Bilanzen 1953–1959: Erläuterungen zur Bilanz per 31. Dezember 1952 für die Besprechung bei der Landeszentralbank, Stuttgart. 108  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 605 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Geschäftsberichte, Bilanzen, Prüfungsberichte: Auszug aus dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1950 der Deutschen Verlagsanstalt GmbH, Stuttgart, durch die Treuhandgesellschaft Süd-West vom 30. Dezember 1951. 109  Vgl. ebd.; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 342 Umsätze, Finanzpläne, Bilanzen 1953–1959: Erläuterungen zur Bilanz per 31. Dezember 1952 für die Besprechung bei der Landeszentralbank, Stuttgart. 110  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1955. 107  Vgl.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 243

1940er und 1950er Jahre, deren zahlreiche Werke in hohen Stückzahlen und immer neuen Auflagen vorgelegt wurden. 1946 wandte sich Hermann Maier an sie, um sie einerseits über den Wechsel an der Verlagsspitze zu informieren und andererseits die Bindung des Verlags an die Autorin (und vice versa) zu unterstreichen: „Die Unruhe der Zeiten hat leider auch die inneren Verhältnisse der Deutschen Verlags-Anstalt ergriffen. Gegen Ende Januar ist Herr Mittelbach aus der Leitung der DVA ausgeschieden und an seine Stelle trat Herr Hermann Leins, der bekannte Inhaber des Rainer Wunderlich Verlags in Tübingen, sowie der Unterzeichnete. […] Die neue Geschäftsleitung – das möchte ich ausdrücklich und vorab betonen – sieht ihre Aufgabe darin, die ebenso würdige als erfolgreiche Tradition der Deutschen VerlagsAnstalt fortzusetzen und in diesem Sinne den Neuaufbau des Verlages mit allen Kräften und mit unverzagtem Mut anzupacken. Dass Sie, sehr verehrte gnädige Frau, dabei Pate stehen möchten, ist unser aufrichtiger Wunsch und unsere Bitte an Sie.“111 In einem Katalog, in dem die Produktion der Jahre 1946 bis 1949 vorgestellt wurde, zeigte der Verlag, „wie wir der Aufgabe, die uns gestellt ist, zu dienen bestrebt sind: das Bleibende und Gültige aus dem Traditionsgut der Deutschen Verlags-Anstalt in würdiger und dauerhafter Gestalt wieder zugänglich zu machen und zugleich aufgeschlossen die geistige Auseinandersetzung der Gegenwart in weitestem Umfange zu fördern und jungen, starken Talenten den Weg zu bereiten.“ In den Kategorien „Schöne Literatur“, „Geschichte und Philosophie“, „Biographien, Memoiren“, „Länder – Völker – Zeiten“, „Gesetze“, „Sprache“, „Deutschenspiegel“ und „Verschiedenes“ wurden dabei 132 Titel aufgeführt (30 davon allein in der Reihe Der Deutschenspiegel). Dominiert wurde die „Schöne Literatur“ neben Ina Seidel von Otto Rombach und André Gide, in „Geschichte und Philosophie“ waren José Ortega y Gasset, Wilhelm Mommsen und Jean Gebser mit jeweils mehreren Titeln vertreten, „Biographien, Memoiren“ kamen genauso aus der Feder des ersten Gestapo-Chefs Rudolf Diels oder des bereits erwähnten Karl Alexander von Müller wie aus der des Sozialdemokraten Wilhelm Keil.112 Der im „Dritten Reich“ übernommene Rowohlt-Verlag war schon 1945 außerhalb der DVA neu gegründet worden, allerdings unter Beteiligung dieser, die vom insgesamt 20.000 Reichsmark zählenden Stammkapital der neuen GmbH 9.000 einbrachte – und die anderen 11.000 Ledig-Rowohlt als Darlehen zur Verfügung stellte. Dass diese Beteiligung ohne Not aufgegeben wurde, war ein Vorwurf, den Willy Marquardt später gegen Leins und Maier 111  DLA, A: Seidel, Deutsche Verlags-Anstalt/Seidel, Ina, 1946: Schreiben Hermann Maiers an Ina Seidel vom 28. März 1946. 112  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 120 Broschüre „Bücherverzeichnis 1946–1949, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart“, 1949.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

erhob: „Die Beteiligung der Deva am Rowohlt-Verlag bestand bis Juni 1946. Zu diesem Zeitpunkt hatte Herr Dr. Maier in Verbindung mit dem Treuhänder, Herrn Leins, an die Property Control den in Abschrift hier beiliegenden Brief vom 14.6.46 abgesandt. Demselben ist zu entnehmen, dass die Deva mit der Auflösung des Gesellschaftsvertrags vom 8.11.45 einverstanden ist und dass sie sich bereit erklärt, eine Reihe von Verlagsrechten an den Rowohlt-Verlag abzugeben. […] Der Fall Rowohlt stellt also eine Parallele zu dem Fall Metzler-Poeschel dar, da auch hier Herr Leins in Verbindung mit Herrn Dr. Maier Vermögenswerte der Deva ohne irgendwelche äussere Veranlassung abgegeben hat.“113 Neben dem Buchprogramm spielten die Zeitschriften weiterhin eine große Rolle. Im Bereich der Publikumszeitschriften stand die DVA zunächst ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts, indem sie auch nach 1945 wieder ­Familien- beziehungsweise Frauenblätter publizierte, die ein breites Mittelschichtspublikum adressierten. Die Welt der Frau und Die Landfrau waren allerdings wenig rentabel – genauso wie das intellektuelle Kultur- und Gesellschaftsmagazin Merkur, das die DVA 1948 vom eigens für die Herausgabe des Merkur gegründeten Verlag Heller und Wegner übernahm und das Bild eines zunächst sehr heterogenen Zeitschriftenportfolios vervollständigte.114 Ende der 1940er Jahre nahm der Verlag auch die Produktion seiner Fachzeitschriften Das deutsche Malerblatt, Die deutsche Bauzeitung und Der süddeutsche Möbel- und Bauschreiner wieder auf; Leins und Maier wurde später allerdings der Vorwurf gemacht, sie hätten durch eine zu zögerliche Wiederaufnahme der Titel die Position des Fachverlags nachhaltig geschwächt: „Die tiefsten Ursachen der mangelnden Ertragslage sind auf die Zeit der Treuhänderschaft zurückzuführen, als es versäumt wurde, unsere alten Fachzeitschriften rechtzeitig wieder erscheinen zu lassen, sodaß die Konkurrenz inzwischen das Geschäft an sich reißen konnte.“115 Umstrukturierungen im Zeitschriftenbereich waren denn auch während der folgenden Jahre immer wieder ein Thema, mit dem sich Geschäftsführung und Aufsichtsrat der DVA zu beschäftigen hatten. 113  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 683 Beteiligungen, Übernahme von Fachzeitschriften und Werken 1951–1952: Schreiben Willy Marquardts an Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 7. Juni 1951. 114  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Hermann Maiers an Willy Schloßstein vom 26. Januar 1950. 115  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am 11. Juli 1958, 9 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 245

2. Das Interregnum So war es eine der ersten Amtshandlungen Willy Marquardts, der nach der Entlassung der DVA aus der Treuhänderschaft als alleiniger Geschäftsführer an die Spitze des Verlags berufen worden war, die beiden Zeitschriften Die Landfrau und Welt der Frau abzustoßen, was vor allem der Wunsch des Aufsichtsrats, allen voran Willy Schloßsteins – seines Schwagers –, gewesen war. Der Wunsch, die defizitären Objekte loszuwerden, war so groß, dass die Welt der Frau, nachdem Verhandlungen mit dem Münchner EhrenwirthVerlag erfolglos geblieben waren, sogar unentgeltlich dem Frauenparlament Württemberg überlassen wurde.116 Gleichzeitig ging Marquardt jedoch daran, andere Zeitschriften in den Verlag zu holen. So plädierte er im Dezember 1951 dafür, die Zeitschrift des spiritus rector der Gruppe 47, Hans Werner Richters Die Literatur zu übernehmen, weil „sie das geistige Ansehen der Deva stärken wird“ und „eine neue Möglichkeit, bekannte Autoren für Buchveröffentlichungen zu verpflichten“, böte – wohlwissend, dass auch dieses Objekt absehbar nicht rentabel würde arbeiten können. Die Zeitschrift erschien dann auch lediglich in 16 Ausgaben während des Jahres 1952.117 Auch beim Merkur befürchtete man, dass die DVA die Zeitschrift, für die der Verlag allein zwischen September 1949 und Juni 1950 über 100.000 ­D-Mark zuschießen musste, würde einstellen oder verkaufen wollen.118 So berichtete Joachim Moras, neben Hans Paeschke der zweite Herausgeber, an Theodor Heuss: „In diesem Augenblick trifft uns der Wechsel in den Besitzverhältnissen und in der Leitung der Deutschen Verlags-Anstalt, für die offenbar die Parole ausgegeben worden ist, alle nicht rentablen Verlagsobjekte so rasch wie möglich abzubauen.“ Er bat ihn darauf hinzuwirken, „daß man etwas Geduld mit uns hat und nicht übereilt aus kapitalistischen Gründen ein recht empfindliches geistiges Kapital gefährdet, das wir so kühn sind, angesichts der ideologischen Bedrohung – nicht nur aus dem Osten –,

116  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Hermann Maiers an Willy Schloßstein vom 26. Januar 1950; Schreiben Willy Marquardts an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 23. Juni 1950; Schreiben Hildegard Grosches an die DVA vom 18. Juli 1951. 117  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 683 Beteiligungen, Übernahme von Fachzeitschriften und Werken 1951–1952: Schreiben Willy Marquardts an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 10. Dezember 1951. 118  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Zusammenstellung der Zuschüsse für Merkur, Welt der Frau, Landfrau.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

für unersetzlich zu halten“.119 Die Sorge war – zumindest zunächst – unbegründet, denn der Merkur fügte sich in die Neuausrichtung des Zeitschriftenprogramms, das sich mit Blättern wie der Literatur oder eben dem Merkur an ein bildungsbürgerliches Publikum wandte, auch wenn sie keine unmittelbaren ökonomischen Vorteile boten; zumindest waren sie dem Prestige des Verlags zuträglich und dienten dadurch mittelbar, so die Erwartung, der ­Leser- wie der Autorengewinnung. Zwei weitere neue Periodika kamen unter Marquardt zur DVA: die Zeitschrift Osteuropa, die sich mit politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten des kommunistischen Ostens auseinandersetzte, und die Außenpolitik, die sich mit Fragen der Weltpolitik und der Rolle Deutschlands in dieser beschäftigte. Sie fügten sich nicht nur in diese neue programmatische Linie, sondern auch in die Tradition des Hauses. So hieß es von der Außenpolitik: „Die Deutsche Verlags-Anstalt hat von jeher die historisch-politische und die Memoiren-Literatur besonders gepflegt. Die Zeitschrift wird durch ihre He­ rausgeber und ihre Mitarbeiter für diese Abteilung des Verlages wesentliche Verbindungen schaffen, und ihr Erscheinen im Verlag wird von grosser werbender Kraft, insbesondere im Ausland, sein.“120 Darüber hinaus hatte sich Marquardt um die Kultur- und Reisezeitschrift Atlantis bemüht, da sie „ausgezeichnet in die Deva passen würde“, obgleich ihm bewusst war, dass eine Versiebenfachung der Abonnements notwendig gewesen wäre, wenn die Zeitschrift sich hätte tragen sollen, ebenso um die von Karl Silex, der in der Zwischenkriegszeit der DNVP nahegestanden hatte und nach 1945 nationalneutralistische Positionen vertrat, herausgegebenen Deutschen Kommentare sowie die bei Callwey erscheinende Maler-Fachzeitschrift Die Mappe; alle diese Vorhaben scheiterten jedoch, nicht zuletzt weil Marquardt vom Aufsichtsrat ermahnt wurde, dass „jede Zersplitterung der Geldmittel vermieden werden und eine Konzentration auf die Erstellung des Neubaus in der Neckarstraße erfolgen“ müsse.121 Auch im Bereich des Buchprogramms unternahm Marquardt verschiedene Anläufe zur Expansion. So standen im Mai 1951 etwa Überlegungen im Raum, ob sich die DVA am Bonner Athenäum-Verlag beteiligen sollte, der 119  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Joachim Moras’ an Theodor Heuss vom 7. Mai 1950. 120  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Aktennotiz von Eichborns betr. Zeitschrift Aussenpolitik vom 2. Mai 1950. 121  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 683 Beteiligungen, Übernahme von Fachzeitschriften und Werken 1951–1952: Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an Willy Marquardt vom 16. Juni 1951.



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sich mit seinem politisch-historischen, kulturgeschichtlichen und populärnaturwissenschaftlichen Programm, das unter anderem Werke von Arnold Gehlen, Carl Friedrich von Weizsäcker und dem NS-Diplomaten Peter Kleist umfasste,122 nicht nur thematisch gut ins Sachbuchprogramm gefügt hätte, interessant war für die DVA, die bereits gute Kontakte in die Politik im Südwesten pflegte und sich zunehmend auch um die Nähe zur Bundespolitik bemühte, insbesondere auch, dass Athenäum „über beste Beziehungen zu den Bonner Kreisen“ verfügte.123 Zu einer Beteiligung an dem Verlag kam es schließlich nicht, die DVA und Athenäum gründeten jedoch eine gemeinsame GmbH, für die die DVA die Herstellung und den Druck einiger Werke auf Kredit übernahm. Eine weitere Überlegung betraf die Übernahme des Gesamtwerks Gerhart Hauptmanns. Die Erben des Autors hegten den Wunsch, S. Fischer das Werk zu entziehen, was beim DVA-Lektorat großes Interesse hervorrief, da man infolge einer Übernahme mit einem erheblichen Prestigegewinn rechnete – und einem gleichzeitigen Prestigeverlust Suhrkamps als potenziellem anderen Verlag für das Œuvre; da das Unternehmen aber als kaum rentabel angesehen wurde, verzichtete man darauf, es weiter zu verfolgen.124 So unterschied sich das Programm also nicht wesentlich von dem der Phase der Treuhänderschaft. In der Belletristik prägten weiterhin Seidel, Rombach oder Gide das Bild. Dem Zeittrend zu wohlfeilen Ausgaben sollte mit den Stern-Ausgaben entsprochen werden, in denen „wertvolle Werke zeitgenössischer Autoren in vorbildlicher Ausstattung und zu erschwing­ lichem Preise“ vorgelegt werden sollten.125 Neben Werken von Hermann Lenz oder Bruno Frank fanden sich hier vor allem solche konservativer beziehungsweise rechter Autoren, etwa Ludwig Tügels, Karl Krolows oder Paul Alverdes’. Auch im Sachbuch überwogen konservative Betrachtungen. Hier fanden sich der „Abendländer“ Robert Ingrim, der spanische Nationalliberale Salvador de Madariaga, der Ortega-Schüler Julián Marías sowie Ortega 122  Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Bonn: Athenäum, 41950; Weizsäcker, Carl Friedrich von: Physik der Gegenwart. Bonn: Athenäum, 1952; Kleist, Peter: Zwischen Hitler und Stalin 1939–1945. Aufzeichnungen. Bonn: Athenäum, 1950. 123  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 683 Beteiligungen, Übernahme von Fachzeitschriften und Werken 1951–1952: Schreiben Willy Marquardts an Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 4. Mai 1951; Vertrag zwischen Der Deutschen Verlags-Anstalt, Stuttgart, und dem Athenäum-Verlag Gerhard von Reutern K. G., Bonn. 124  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 683 Beteiligungen, Übernahme von Fachzeitschriften und Werken 1951–1952: Aktennotiz vom 7. März 1951. 125  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 110 Katalog „Das Jahr 1951“. S. 17.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

selbst, und Jürgen Rausch schrieb über Ernst Jüngers Optik; aber auch gemäßigte Sozialdemokraten wie Wilhelm Wolfgang Schütz, der später dem Kuratorium Unteilbares Deutschland vorstand, fanden weiterhin ihren Platz bei der DVA.126 Trotz der Akquise weiterer Zuzahlprojekte waren die nicht einmal zwei Jahre der Geschäftsführung Marquardts von dem Bemühen um eine weitere Konsolidierung der Finanzen geprägt. Und dieses Bemühen war durchaus erfolgreich: Das Geschäftsjahr 1951 schloss mit einem Umsatz von über 19,5 Millionen ­D-Mark, das entsprach einem Plus von 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Abermals waren es die Papierfabriken, die den Großteil dazu beitrugen, denn der „Nachholbedarf an Papier überstieg das Angebot, sodaß keinerlei nicht absetzbare Vorräte vorhanden waren“.127 Der Umsatz des Verlags stieg ebenfalls – auf rund 1,8 Millionen ­D-Mark, womit nun auch ein geringer Gewinn von nicht ganz 39.000 ­D-Mark erwirtschaftet wurde.128 Dem Aufsichtsrat waren die Fortschritte gleichwohl nicht umfassend genug. Gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Walz verteidigte sich Marquardt im Dezember 1951: „Ich glaube, damit die mir von Ihnen gestellte Aufgabe, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Deva zu bereinigen, in verhältnismässig kurzer Zeit erfüllt zu haben.“ Auch gegen den Vorwurf, dem Verlag drohe angesichts der unklaren programmatischen Ausrichtung unter Marquardt „sein geistiges Gesicht“ verloren zu gehen, verwahrte sich dieser: Er habe dem Lektorat freie Hand gelassen und das „geistige Gesicht wird vielmehr von den dafür von Ihnen bestimmten Herren weitgehend be­ stimmt.“129 Einer dieser benannten Herren war Helmut Dingeldey, der im September 1951 als „literarischer Verlagsleiter“ zur DVA kam;130 er zog ein wenig schmeichelhaftes Resümee des Wirkens Marquardts, dessen Rechtfertigungen ihn nicht davor bewahrten, im Januar 1952 von seinen Aufgaben entbunden zu werden:

126  Vgl.

ebd.

127  WABW,

Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1951. 128  Vgl. ebd. 129  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben Willy Marquardts an Hans Walz vom 3. Dezember 1951. 130  WABY, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 679 Personalakten 1951– 1952: Schreiben Willy Marquardts an Helmut Dingeldey vom 19. September 1951.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 249

„Es war vorauszusehen, dass Herr Marquardt die ihm aufgebürdete Arbeits- und Verantwortungslast auch bei bestem Willen auf die Dauer schon rein physisch nicht würde tragen können; ganz abgesehen davon, dass er mit den Erfordernissen eines vorwiegend geisteswissenschaftlichen und belletristischen Verlags überhaupt nicht vertraut, darum gerade im Wichtigsten, der Festlegung und Einhaltung eines neuen, erfolgversprechenden Kurses, auf fremdes Urteil angewiesen war. Seine Berufung hat denn auch damals in und ausserhalb der Deva allgemeine Bestürzung hervorgerufen, denn durch sie wurde zugleich auch der Verdacht wenigstens scheinbar bestätigt, dass ‚die gute alte Tante Deva‘ – wie sie schon damals in Fachkreisen teils bedauernd, teils spöttisch genannt wurde – unter den Einfluss verlagsfremder Mächte geraten war. Im Betrieb selbst aber merkte man sehr bald, dass der neue Chef von vielen Dingen, in denen er entscheiden sollte, nichts oder nur wenig verstand […].“131 Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses unverlangten Rapports an den Aufsichtsrat befand sich Dingeldey zwar nicht nur im Streit, sondern auch in einem arbeitsrechtlichen Konflikt mit der DVA, denn im Zuge der Bestallung der Nachfolger Marquardts wurde sein „Anstellungsvertrag, der ihn als Leiter der Gesamtproduktion bezeichnete, […] vorsorglich gekündigt“;132 sein harsches Urteil wurde von Walz jedoch bestätigt – der damit nolens volens sein eigenes Scheitern einräumte: „Mit seiner Kritik an den Herren Marquardt und Kimmich hat, obwohl sie zum Teil einseitig und tendenziös ist, Herr Dingeldey weitgehend recht. Er sagt nur mir damit nicht viel Neues. Zur Verteidigung des Herrn Marquardt muss immerhin angeführt werden, dass er in der Deva zunächst einen geschäftlichen Augiasstall angetroffen und einigermassen zu säubern hatte. Die Herren Marquardt und Kimmich waren von unserem Standpunkt aus gesehen ausgesprochene Verlegenheitslösungen, da der einzige in der Verlagsanstalt noch tätige Leiter, Herr Dr. Maier, offensichtlich unfähig war. Von Anfang an war übrigens von uns geplant, dass neben Herrn Marquardt, der zunächst die wirtschaftliche Seite der Deva in Ordnung bringen sollte, eine überlegene Verlegerpersönlichkeit (oder deren zwei) gewonnen werden müsse, die dem Verlag das geistige Gesicht zu geben hätte. Wir waren uns von vornherein klar, dass Herr Marquardt dieser Anforderung nicht genügen konnte; Herr 131  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Exposé über eine neue Produktion in der Deutschen VerlagsAnstalt von Helmut Dingeldey. 132  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben Karl Schreibers an den Aufsichtsrat vom 22. Juli 1953.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Dr. Maier, der als ungeeignet erkannt war, sollte noch so lange beibehalten werden, bis eine geistige Führung des Verlags gefunden wäre.“133 Marquardts kommissarischer Nachfolger Wilhelm Kimmich (dem Felix Olpp vom Stuttgarter Zeitungsverlag als Ko-Geschäftsführer zur Seite gestellt wurde) schien dafür zwar, so Walz’ Einschätzung, geeigneter als dieser gewesen zu sein, habe „aber viel weniger geschäftsmännische Fähigkeit als jener“ gehabt.134 In der Tat reduzierte sich unter seiner Führung der Umsatz des Verlags etwas – auf 1,6 Millionen ­D-Mark im Geschäftsjahr 1952 –, was auf „die wachsende Verbreitung der billigen Bücherreihen“ zurückgeführt wurde. Die Literatur wurde mit einem Nettoverlust von 75.000 ­D-Mark wieder aufgegeben, während das Personal auf 850 Mitarbeiter weiter anwuchs.135 Das Zeitschriftenprogramm wurde unter Kimmich noch einmal erweitert: Mit den von Theodor Eschenburg und Hans Rothfels im Auftrags des Instituts für Zeitgeschichte herausgegebenen Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte kam eine Publikation ins Haus, die bis 1986, als sie an Oldenbourg überging, wesentlich zum Renommee des Verlags im geschichtswissenschaftlichen Bereich beitrug.136 Sie signalisierte eine langsame Veränderung des Schwerpunkts im Sachbuchprogramm, weg von eher bildend-unterhaltenden Werken beispielsweise in Form von Länder- und Reiseberichten sowie der historischen Betrachtung vergangener Jahrhunderte, wie sie in den ersten Nachkriegsjahren prägend waren und für die Titel wie Wilhelm Mommsens Die politischen Anschauungen Goethes oder Victor Heisers Eines Arztes Weltfahrt beispielhaft stehen,137 hin zu einer Akzentuierung der Auseinandersetzung mit der jüngeren und jüngsten Vergangenheit und ihren politisch-gesellschaftlichen Implikationen für Gegenwart und Zukunft, die bei der DVA schon immer – auch in den ersten Nachkriegsjahren – eine Rolle gespielt hatte, unter Marquardt, Kimmich und dann vor allem Gotthold Müller aber noch stärker ins Zentrum rückte. Auch im Buchprogramm spiegelte sich diese Verschiebung wider. Hier häuften sich nun die Titel, die sich beispielsweise mit den Verwerfungen der 133  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Memorandum Hans Walz’ vom 20. Juli 1953. 134  Ebd. 135  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1952. 136  Vgl. WABW, Y-328, 109 Katalog Herbst und Weihnachten 1952; Graml, Hermann/Woller, Hans: Fünfzig Jahre Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1953–2003. In: Vierteljahrshefte für Zeitschichte 51 (2003), Nr. 1. S. 51–87. Hier S. 54 f. 137  Mommsen, Wilhelm: Die politischen Anschauungen Goethes. Stuttgart: DVA, 1948; Heiser, Victor: Eines Arztes Weltfahrt. Stuttgart: DVA, 1946.



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Zwischenkriegs- und Nazizeit sowie der Nachkriegssituation und der Rolle Deutschlands in dieser befasste, etwa Erich Matthias’ Sozialdemokratie und Nation, Wilhelm Wolfgang Schütz’ Deutschland am Rande zweier Welten oder Richard Wichterichs Benito Mussolini.138 Ortega behielt dabei seine herausragende Rolle, würden in seinen Werken, von denen allein im Herbstkatalog 1952 vier vorgestellt wurden, doch „hochaktuelle politische und soziologische Fragen aufgeworfen“.139 Diese Entwicklung eines klareren Profils angesichts eines noch immer heterogenen Programms wurde zeitgenössisch durchaus wahrgenommen. So war in der Zeitschrift Das Ufer in einem Portrait der DVA zu lesen: „Das also ist das Gesicht der Deva: es geht in die Tiefe ebenso wie in die Breite. Es spiegelt Zeitgeschichte und Zeitgeschehen, es ist beseelt von dichterischer Phantasie wie von poetischer Vergrübelung, und es zeugt vom Ringen um den Geist, ganz gleich, ob dieser nun in deutscher oder fremder Sprache seinen Niederschlag gefunden hat. Denn Deutschsein heißt in der Deutschen Verlagsanstalt [sic] stets: europäisch denken.“140 Gleichzeitig sollte im Sachbuch- wie im belletristischen Programm gezielter nach potentiellen Bestsellerautoren und -titeln Ausschau gehalten werden und neue Autorengruppen gewonnen werden, etwa im Umfeld der Gruppe 47. Die Tagung der Gruppe im Herbst 1951 fand gar auf Einladung der DVA in der Laufenmühle bei Welzheim statt und für die folgende Frühjahrstagung stiftete sie einen Preis für „die beste Geschichte“ in Höhe von 2.000 ­D-Mark.141 Durch Wolfdietrich Schnurre, der 1949 einen Band im Deutschenspiegel veröffentlicht hatte, bestand ein Kontakt, der zu Akquisezwecken sowie zur „Werbung für den Verlagsnamen“ genutzt werden sollte.142 Das Interesse an den jungen Literaten, ihren Themen und ihrem Schreiben stand nicht notwendig im Widerspruch zu einem eher konservativen Charakter des Verlags. So macht Marcus Payk Ähnlichkeiten mit Rechtskonservativen in Stil und 138  Matthias, Erich: Sozialdemokratie und Nation. Ein Beitrag zur Ideengeschichte der sozialdemokratischen Emigration in der Prager Zeit des Parteivorstandes, 1933–1938. Stuttgart: DVA, 1952; Schütz, Wilhelm Wolfgang: Deutschland am Rande zweier Welten. Voraussetzungen und Aufgabe unserer Außenpolitik. Stuttgart: DVA, 1952; Wichterich: Richard: Benito Mussolini. Aufstieg, Größe, Niedergang. Stuttgart: DVA, 1952. 139  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 109 Katalog Herbst und Weihnachten 1952. S. 29. 140  o. V.: Fülle und Tiefe: Die Deutsche Verlagsanstalt. In: Das Ufer 5 (1952), Nr. 21. 141  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 588 Deva Geschäftsberichte 1951: Zur Tagung der „Gruppe 47“ in der Laufenmühle bei Welzheim auf Einladung der Deutschen Verlags-Anstalt am 18.–21.10.51. 142  Ebd.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Habitus aus, wenn er feststellt, dass die „Schriftstellervereinigung […] nicht nur eine Ernst Jünger und anderen Weimarer Rechtsintellek­tuellen (etwa aus dem Umfeld der Tat) vergleichbare mediale Selbstinszenierung [praktizierte], mit der man sich als geschlossen-elitäre Gruppe in einer ignoranten Umwelt präsentierte und zugleich einen Status als scharfsichtige Außenseiter reklamierte. Auch übte man in beiden Fällen die Offenheit der internen Diskussion bei gleichzeitiger äußerer Verschwiegenheit und Geschlossenheit, was bei Ernst Jünger im Hang zu loyalen Gefolgschaftskreisen, bei der Gruppe 47 im Grundsatz der Kooptation seinen Ausdruck fand. Und der jeweils hervorgehobene Anspruch, einzig nach autonomen ästhetischen Kriterien zu operieren, zielte darauf ab, gegenüber Politik und Gesellschaft eine geistige Führerschaft zu begründen, weshalb beispielsweise in beiden Fällen die amerikanische Kulturoffensive der Re-Education schroff abgelehnt worden war.“143 Eine allzu enge Verbindung zwischen den Autoren der Gruppe und der DVA entstand in der Folge jedoch nicht. Mit dem Versuch der Gewinnung aufmerksamkeits- und damit auflagenstarker Autoren wollte der Verlag sich nicht zuletzt sukzessive von der Notwendigkeit der Querfinanzierung durch die Papierfabriken befreien. Strukturelle Reformen wurden dabei unter Kimmich jedoch nicht angestoßen, eine Zusammenarbeit mit Agenten beispielsweise nicht initiiert und auch kein enger Austausch zwischen den Mitarbeitern, die für betriebswirtschaftliche Fragen zuständig waren, und jenen, die die Programme inhaltlich verantworteten, ermöglicht, der für eine auch ökonomisch tragfähige Programmplanung allerdings unabdingbar ist.144 Freilich wäre dem interimistisch bestallten Kimmich nur wenig Zeit geblieben, grundlegende Reformen innerhalb des Verlags auf den Weg zu bringen. Am 9. April 1953 nahm die Gesellschafterversammlung die Rücktritte Kimmichs und Olpps zur Kenntnis und bestellte Gotthold Müller zum Verlagsdirektor und ordentlichen Geschäftsführer und Heinrich Leippe zum Verlagsleiter und stellvertretenden Geschäftsführer.145

143  Payk,

Der Geist der Demokratie. S. 198. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Exposé über eine neue Produktion in der Deutschen Verlags-Anstalt von Helmut Dingeldey. 145  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Gesellschafterbeschluss vom 9. April 1953. 144  Vgl.



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3. Die Konsolidierung Mit der Ernennung Gotthold Müllers trat die DVA in eine Phase ihrer Nachkriegsgeschichte ein, in der das Bemühen um eine wirtschaftliche Konsolidierung und die Gewinnung eines klareren Profils nach den turbulenten Anfangsjahren nun auch mit einer gewissen personellen Konstanz einherging. Zwar war auch die „Ära Müller“, die bis Anfang 1960 währte, mitnichten frei von Auseinandersetzungen, es gelang Müller aber in knapp sieben Jahren, dem Verlag sowohl strukturell als auch programmatisch ein Gepräge zu geben, das es der DVA ermöglichte, sich als einer der großen und renommierten Verlage der jungen Bundesrepublik zu etablieren. Ehe Müller im April 1953 als Geschäftsführer und Verlagsdirektor zur DVA kam, hatte er insgesamt 17 Jahre in Diensten des Reclam-Verlags gestanden, wo er während des Kriegs als Geschäftsleiter fungiert hatte und 1947 als Mitgründer und Gesellschafter maßgeblich an der Etablierung des westdeutschen Verlags in Stuttgart beteiligt war.146 Es war nicht zuletzt diese langjährige Branchenerfahrung, mit der sich Müller von seinen Vorgängern Marquardt und Kimmich absetzte und die für seine Berufung ausschlaggebend war – und höher gewichtet wurde als betriebswirtschaftliche Kompetenz. So schrieb das Aufsichtsratsmitglied Erwin Bohner: „Herr Müller mag seine Fehler haben, doch bezweifle ich es sehr, ob wir zur Zeit eine bessere Leitung wie das Gespann Müller–Leipe [sic], finden können. Als Mann, der lang in leitender Stellung bei dem Reclam-Verlag tätig war, bringt Herr Müller ohne Zweifel ausgezeichnete Kenntnisse des Verlagswesens und des Buchhandels mit. Bei dem längeren Gespräch, das ich mit ihm führte, bin ich nur auf dem kaufmännischen Gebiet (im engeren Sinn) auf ein Manko ge­ stossen. Herr Müller weiss ohne Zweifel, womit man beim Verlag Geld auf anständige Weise verdienen kann, aber er hat nach meinem Dafürhalten keine ausreichenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Die Forderung, solche Kenntnis zu haben, würde bei einem Verleger wohl auch das Maß des Möglichen übersteigen.“147 Der hier genannte Heinrich Leippe wurde als Verlagsleiter und stellvertretender Geschäftsführer unter Müller installiert, im Dezember 1953 wurde die Geschäftsführung um die bisherigen Leiter der Papierfabrik Salach, Carl 146  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Lebenslauf Gotthold Müllers; zu Vita und Details der Berufung Gotthold Müllers siehe Kapitel E. III. 2. 147  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben Erwin Bohners an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 2. Februar 1953.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Büchner und Josef Weber, erweitert; Büchner stand fortan allein der Papierfabrik vor, Weber wurde zum kaufmännischen Leiter des Gesamtunternehmens.148 Müller als Verlagsdirektor unterstanden natürlich sämtliche Bereiche der DVA, er sah seine Rolle allerdings keineswegs auf eine übergeordnete Führungsfunktion beschränkt, die den stellvertretenden Geschäftsführern die operative Leitung ihrer Bereiche weitgehend überlassen hätte. Sein beson­ deres Interesse galt dem Publikumsverlag und seinem Programm, was fast zwangsläufig zu unklaren Zuständigkeiten zwischen ihm und Leippe und entsprechenden Konflikten führen musste. Leippe selbst hatte sehr klare Vorstellungen, wie der Verlag künftig strukturiert und ausgerichtet sein sollte. Bereits im Oktober 1952 hatte er dem Aufsichtsratsmitglied Willy Schloßstein ein dichtes, elfseitiges Papier zugesandt, in dem er seinen „Plan eines zentralen Industrie-Verlages als wirtschaftliches Fundament der Deva“ skizzierte und die wichtige Rolle, die das Taschenbuch seiner Meinung nach für den Verlag spielen könnte, darlegte.149 In einer groben Skizze, die acht Monate später entstand, erkannte Leippe „1. Kulturgeschichte, Geistesgeschichte und Philosophie, 2. Popularwissenschaftliche Literatur (verständliche Wissenschaft), 3.  Schöne Literatur, 4. Zeitgeschichte und Politik, 5. Weltkunde (Länder und Völker), 6. Indus­ trie-Literatur“ als die Hauptbereiche des DVA-Programms.150 Müller dürfte das nicht grundsätzlich anders gesehen habe, und tatsächlich sind das die Bereiche, die die Verlagsprogramme prägten. Ein starker Gestaltungswille beider Persönlichkeiten in diesen führte aber zunehmend zu Verwerfungen und zur Frustration Leippes. Dieser zog sich deshalb zum Mai 1955 entnervt aus dem Verlag zurück. In einer Vereinbarung zwischen ihm und der DVA wurde festgehalten, „in letzter Zeit aufgetretene Spannungen zeigten […], daß hinsichtlich der persönlichen Auffassungen Wesensunterschiede bestehen, die eine fruchtbare Zusammenarbeit künftig erschweren würden; ein unmittelbares Verschulden hieran trifft keinen der beiden Herren.“151 Tatsächlich aber war für den Aufsichtsrat die Lage klar und der Rücktritt Leippes willkommen. So zitierte Walz zustimmend die Einschätzung Bohners: 148  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1953. 149  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 343 Personal 1951–1960: Schreiben Heinrich Leippes an Willy Schloßstein vom 13. Oktober 1952. 150  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 602 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Berichte über den Geschäftsgang; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Verlagsplanung Heinrich Leippes vom 11. Juni 1953. 151  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 343 Personal 1951–1960: Vereinbarung zwischen der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart, und Herrn Dr. Heinrich Leippe, Stuttgart vom 31. März/14. April 1955.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 255

„Die Differenzen zwischen den beiden Geschäftsführern der Deva, Müller und Dr. Leippe, wundern mich nicht. Herr Müller ist eine ernsthafte, seriöse Persönlichkeit, Herr Dr. Leippe der Typ des intellektuellen Literaten unserer Zeit. Wahrscheinlich hätte auch Herr Weber als kaufmännischer Geschäftsführer im Laufe der Zeit schwer überbrückbare Meinungsverschiedenheiten mit ihm bekommen. […] Der Wertunterschied zwischen den beiden Herren Müller und Dr. Leippe für die Deva liegt auf der Hand.“152 Die „schwer überbrückbaren Meinungsverschiedenheiten“ hat Weber dann allerdings mit Müller bekommen. Bei Bohner schlug er 1955 ob der Rentabilität des Verlags Alarm: „Wenn der Verlag seine fixen Kosten decken wollte, müßte er bei der Aufrechterhaltung seines gegenwärtigen Apparates, jedoch ohne Steigerung desselben und bei der gleichen Umschlaghäufigkeit der Produktion einen Umsatz von nahezu 4 Millionen statt gegenwärtig 2,1 Millionen machen. Eine solche Umsatzsteigerung halte ich bei der strengen und ausschließlichen Sortimentsstruktur unseres Verlags nicht für erreichbar. Diese Auffassung wird von Herrn Müller nicht geteilt, der von einem geradezu impulsiven Optimismus erfüllt ist. Nüchtern betrachtet ist jedoch das Verlagsgeschäft der DVA mindestens zu 75 % ein Glücksgeschäft und es ist jedesmal eine fast dramatische Spannung, ob und wie das einzelne Werk einschlägt und den Umsatz bringt, der für die Masse unserer Verlagsobjekte normalerweise nicht zu erwarten ist. […] Diese streng genommen kaufmännischen Überlegungen sind der DVA seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten, zu kurz gekommen und ich habe mich sehr zu wehren, daß sie nicht weiterhin zu kurz kommen.“153 Die Uneinigkeit über das richtige Verhältnis zwischen betriebswirtschaftlichen und programmpolitischen Zielen bestimmte die ganze Dauer der Zusammenarbeit von Müller und Weber. Als dieser zum Ende des Jahres 1959 den Verlag verließ – zu einem Zeitpunkt, da bereits klar war, dass Müller nicht mehr lange als Verlagsdirektor fungieren würde –, begründete er das mit dem Bedauern darüber, „daß es ihm, vor allem in den letzten beiden Jahren, nicht gelungen sei, sich gegenüber Herrn Müller durchzusetzen“, also eine strengere Orientierung der Verlagsarbeit an ihrer Profitabilität zu erreichen.154 152  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 343 Personal 1951–1960: Schreiben Hans Walz’ an die Mitglieder des Aufsichtsrats vom 4. April 1955. 153  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 602 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Berichte über den Geschäftsgang; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben Josef Webers an Erwin Bohner vom 3. März 1955. 154  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 343 Personal 1951–1960: Auszug aus der Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Deutsche VerlagsAnstalt GmbH in Stuttgart am Mittwoch, 2. Dezember 1959, 9 Uhr, im Sitzungszimmer Bau 115/3 der Robert Bosch GmbH vom 17. Dezember 1959.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Derlei Verwerfungen lagen nicht nur, aber doch wesentlich darin begründet, dass bei den unterschiedlichen Akteuren unterschiedliche Vorstellungen darüber herrschten, wie sich der Verlag in einer Phase weitreichender Umbrüche und Umstrukturierungen entwickeln sollte. Direkt nach seiner Berufung hatte Müller die strukturellen Probleme der DVA untersucht und in einem Vorläufigen Bericht festgehalten, der ein verheerendes Bild des Verlags zeichnet. So nehme das Sortiment kaum noch Bücher ab, da diese von den Lesern nicht nachgefragt würden; das Verhältnis zu den Autoren sei oftmals sehr schwierig, langjährige Autoren des Hauses wie Otto Rombach oder Peter Bamm seien verärgert oder bereits abgewandert, während die zahlreich neu verpflichteten, darunter einige aus dem Umfeld der Gruppe 47, die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hätten; während die Fachzeitschriften rentabel seien, sei beim Verlag insgesamt ein weiterer Umsatzrückgang zu erwarten; die Qualität der Arbeit der technischen Betriebe sei mitunter mangelhaft und deren Abhängigkeit vom Europäischen Buchklub, dessen Lizenzausgaben von der DVA gedruckt wurden, zu hoch, sodass dieser die Preise nahezu nach Belieben diktieren könne; die Mitarbeiter seien angesichts dieser Gesamtlage resigniert und erfüllten „ihre Pflicht nur noch ohne innere Anteilnahme“.155 Um dem entgegenzuwirken – und um die notwendigen Geldmittel aufzubringen, die der Neubau des Verlagshauptsitzes am alten Standort in der Neckarstraße verschlingen würde –, strebten Geschäftsführung und Aufsichtsrat gleichermaßen eine Verschlankung des Unternehmens und eine Konzentration auf die Verlagsarbeit an. Die bereits von Leippe angemahnte Reorganisation des Fachverlags wurde 1958 umgesetzt, nachdem er im Geschäftsjahr 1957 bei einem Umsatz von fast zwei Millionen einen Verlust von rund 260.000 ­ D-Mark erwirtschaftet hatte.156 Zum Zwecke einer „straffe[n] Konzentration der Arbeiten“ und einer „Verschmelzung gleichartiger Arbeiten mit der DVA“ wurde die zuvor formal eigenständige Deutsche Fachzeitschriften- und Fachbuchverlag GmbH nun als Abteilung „Fachverlag“ in die DVA integriert, um ihre Veröffentlichungen – neben Fachbüchern und Corporate-Publishing-Publikationen vor allem die vier Zeitschriften das 155  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 602 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Berichte über den Geschäftsgang; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Vorläufiger Bericht Gotthold Müllers vom 3. Juni 1953. 156  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 195: Lagebericht der Geschäftsführer für das 4. Vierteljahr 1957; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die konstituierende Aufsichtsratssitzung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am Freitag, 4. Juli 1958, 13 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, Breitscheidstr. 4.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 257

Malerblatt, der Süddeutsche Möbel- und Bauschreiner, die Bauzeitung und das Industrieblatt – durch die „ ‚horizontale‘ Konzentration der einzelnen Arbeitsgebiete“ effizienter und personalärmer produzieren und vertreiben zu können.157 Weitreichender war freilich der Verkauf der beiden Papierfabriken Wildbad und Salach, die zuvor, wie geschildert, den größten Anteil am Umsatz des Unternehmens hatten. Im Mai 1954 wurde zunächst Wildbad, im Januar 1955 dann auch Salach an Aschaffenburger Papierhersteller verkauft. Die zunehmend veraltenden Fabriken wiesen einen immensen Investitionsbedarf auf – rund 20 Millionen ­D-Mark –, der die Arbeit des Gesamtunternehmens über Jahre hinweg beeinträchtigt hätte. Mit ihrem Verkauf sollte es der Gesellschaft nun ermöglicht werden, sich auf „ihren ureigensten Firmenzweck, das Verlags- und Druckereigeschäft sowie Beteiligungen auf diesem Gebiet“ zu konzentrieren.158 War im Gesellschaftsvertrag zuvor auch die „Herstellung von Waren und Materialien, welche im Druckereigewerbe Verwendung finden, sowie die Fabrikation von Holzstoffen und Papier“ als Geschäftszweck aufgeführt, beschränkte sich dieser nach der Änderung vom 18. Januar 1955 nun auf den „Betrieb von Verlags- und Druckereigeschäften nebst Hilfsgeschäften jeder Art“.159 1957 wurden schließlich auch die Beteiligungen an der Württemberger Zeitung und dem Stuttgarter Zeitungsverlag verkauft.160 Dieser Verschlankung und Konzentration auf das Kerngeschäft widersprach es allerdings nicht, mit anderen Unternehmen zu kooperieren oder andere Verlage zu akquirieren. So beteiligte sich die DVA unter Müller an den – gegen die zunehmende Marktmacht der Buchgemeinschaften gerichteten – Büchern der 19, wodurch mitunter erkleckliche Umsatzsteigerungen zu verzeichnen waren,161 und war an der Gründung der dtv-Verlagsgesellschaft 157  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 394 DEVA Fachverlag 1958–1959: Vorbemerkung zur Geschäftsordnung des Fachverlags; Zum Organisationsplan des Fachverlages. 158  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959. Geschäftsbericht 1954. 159  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 604 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Gesellschaftsvertrag, Geschäftsordnung (Akte betr. Robert Bosch Testamentsvollstreckung, Stuttgart): Gesellschaftsvertrag der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart, mit Änderungen vom 18. Januar 1955. 160  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 599 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Aufsichtsrat: Schriftwechsel, Aktennotizen: Schreiben Josef Webers an den Aufsichtsrat vom 7. Juni 1957. 161  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 197 Korrespondenz Aufsichtsrat, Gesellschafter 1952–1959: Lagebericht für das 2. Vierteljahr 1958 vom 4. August 1958.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

1960 beteiligt: „Von dem Gedanken ausgehend, daß die Taschenbücher noch weiter an Verbreitung gewinnen werden, und daß wir mit unseren Lizenzen an die drei bis vier führenden Taschenbuch-Verleger unsere Konkurrenz stärken […], sei der Augenblick gekommen, die Frage zu stellen, ob wir mit unseren guten Titeln zu niedrigen Lizenzgebuehren unsere Konkurrenz weiterhin stärken wollen.“162 Bereits 1947 hatte sich die DVA an einer Gemeinschaftsunternehmung verschiedener Verlage beteiligt, die gemeinsam, aber in jeweils eigener Verantwortung im Rotationsdruckverfahren gedruckte Lesehefte in Großauflagen herausbrachte.163 Die Verbindung mit dtv passte nicht nur zur ökonomischen Strategie der DVA, sondern im Großen und Ganzen auch zu ihrem programmatischen Profil. Denn wenngleich der Verlag keine politische Wirkungsabsicht verfolgte und, durchaus zeittypisch, dezidierter Politisierung mit Skepsis begegnete, fühlte er sich doch einer Mission der Volksbildung und der nationalen Identitätsstiftung verpflichtet.164 Deren Stoßrichtung war insofern durchaus mit dem kulturkritischen Nachkriegskonservatismus kompatibel, als der erste (und bis 1990 amtierende) dtv-Verleger, Heinz Friedrich, als Rationalismusund Fortschrittsskeptiker das Programm in starkem Maße selbst zu formen suchte. So überrascht es nicht, dass sich gerade in den frühen 1960er Jahren eine Reihe rechter Autoren im Programm fand, die aber nicht so prägend waren, dass der Verlag eine einseitige weltanschauliche Tendenz gewonnen hätte.165 Insgesamt war dtv seinem Selbstverständnis nach ein „liberaler Verlag der bildungsbürgerlichen Mitte“166 – eine Charakterisierung, die auch als Selbstbeschreibung der DVA nicht verwundern würde. Bei der DVA selbst wurde auch eine Vergrößerung des Verlags durch Zukäufe immer wieder ins Auge gefasst. So wurde 1955 die Übernahme des Cotta-Verlags geprüft, da die Familie Kröner der DVA ein entsprechendes Angebot unterbreitet hatte. Zwar schien die Angliederung dieses altehrwürdigen Hauses, des Verlags Goethes, Schillers und Herders, reizvoll und der Aufsichtsrat war der Meinung, in „ihrem verlegerischen Programm würden Cotta und Deva weitgehend übereinstimmen. Da jedoch die alte verlegerische Substanz verbraucht und eine nennenswerte Neuproduktion unterblieben ist, müßte angesichts des totalen Niedergangs dieses in einer früheren Epoche führend gewesenen Verlags durch Deva ein grundlegender Neuaufbau ein­ geleitet werden, der sich lediglich auf den alten Namen ‚Cotta‘ stützen 162  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Reisebericht Gotthold Müllers vom 18. Januar 1960. 163  Vgl. Klimmt/Rössler, Reihenweise, Bd. 1. S. 52. 164  Vgl. Kampmann, Kanon und Verlag. S. 127, 161 f. 165  Vgl. ebd. S. 161, 167. 166  Ebd. S. 134.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 259

könnte.“167 Müller konstatierte, von Cotta sei „nur noch eine leere Hülle übrig geblieben“.168 Die Übernahme dünkte die Unternehmensführung daher wenig rentabel; Cotta wurde schließlich mit Klett fusioniert. Auch ein Angebot Günter Olzogs, seinen Isar-Verlag der DVA zu überlassen, wurde, vor allem aufgrund der Inkompatibilität der Programme, abgelehnt.169 Anders verhielt es sich mit dem Engelhorn-Verlag Adolf Spemanns, der das 1860 gegründete Haus 1910 übernommen hatte. Im Gegensatz zu Cotta habe sich Engelhorn mit seinem literarischen Programm „noch eine erheblich Substanz erhalten“.170 Für eine Kaufsumme von 145.000 ­ D-Mark wurden 1956 der Verlag und mit ihm die Rechte an Werken etwa Kurt Kluges, Stijn Streuvels’ oder Hugh Walpoles übernommen.171 Mit ihnen suchte man das belletristische Portfolio zu erweitern und nach Müllers Auffassung bot das Engelhorn-Signet „die Möglichkeit, unter dem populären Namen Engelhorn gute Unterhaltungsliteratur zu billigem Preise herauszubringen, eine Aufgabe, der sich der Verlag systematisch unterziehen will“.172 Der neue Engelhorn-Verlag wurde als eigenständige GmbH mit einem Stammkapital von 20.000 ­D-Mark ausgestattet, als Geschäftsführer fungierten Müller und Weber.173 Denn der Verlag wurde faktisch als Imprint gänzlich in die DVA integriert, seine Programme wurden etwa auch in gemeinsamen Prospekten vorgestellt.174

167  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am 9. September 1955, 10.30 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart. 168  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 440 Engelhorn Verlag Übernahme 1955/56: Memorandum Gotthold Müllers betr. Erwerb des Engelhornverlages Adolf Spemann, Stuttgart, vom 16. Dezember 1955. 169  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 178 1959: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Günter Olzog vom 25. September 1959. 170  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 440 Engelhorn Verlag Übernahme 1955/56: Memorandum Gotthold Müllers betr. Erwerb des Engelhornverlages Adolf Spemann, Stuttgart, vom 16. Dezember 1955. 171  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1956. 172  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am 16. Februar 1956, 15:00 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart. 173  Vgl. ebd. 174  Vgl. bspw. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958–1959.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Zur Umsatzentwicklung trug der Engelhorn-Verlag im ersten Jahr seiner Zugehörigkeit zur DVA rund 56.000 ­D-Mark bei, im Folgejahr waren es bereits um die 240.000;175 da der Verkauf der mit dem Verlag übernommenen Lagerbestände circa 100.000 ­ D-Mark erbrachte, hatte sich der Kauf als durchaus lukrativ erwiesen.176 Auch der Fachverlag konnte seine Umsätze steigern: von rund 1,3 Millionen ­ D-Mark im Geschäftsjahr 1953 auf fast 2,2 Millionen 1957.177 Insgesamt erwirtschaftete der Verlag 1958 – Zahlen für Müllers letztes vollständiges Geschäftsjahr 1959 sind in den Akten nicht zu finden – ein Minus von 674.000 ­D-Mark, das Gesamtunternehmen von immerhin noch 294.000 ­D-Mark;178 ohne die Gewinne der Papierfabriken war die DVA insgesamt kaum rentabel. Im Jahr zuvor wurde für die DVA insgesamt noch Gewinn von rund 57.000 ­D-Mark verzeichnet, während mit dem Verlagsgeschäft 168.000 ­D-Mark verloren wurden – was freilich eine runde Viertelmillion weniger Verlust war als 1956.179 Der Geschäftsbericht dieses Jahres führt die schleppende wirtschaftliche Konsolidierung des Unternehmens auf einen in der Treuhänderschaft begründeten Wettbewerbsnachteil zurück: „Während in der deutschen Industrie im allgemeinen und im graphischen und Verlagsgewerbe im besonderen die kriegs- und nachkriegsbedingte Investitionstätigkeit im Jahr 1956 zu einem gewissen Abschluß gekommen war, konnte die Deva wegen der verzögerten Rückerstattung in umfassender Weise erst von 1955 an mit diesem Wiederaufbau einsetzen […].“180 Mit dem Ergebnis des Jahres 1957 zeigte man sich dennoch zufrieden: „Man könne also sagen, daß der Buchverlag im Jahre 1957 in sich selbst zum ersten Mal keinen Verlust gebracht habe“ – allerdings nur „nach Ausklammerung der auf die Zeitschriften ‚Merkur‘ und ‚Außenpolitik‘ entfallenden Zuschüsse […] und der für das Lueger-Lexikon aufgewendeten 175  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Lagebericht der Geschäftsführer für das 4. Vierteljahr 1957. 176  Vgl. WABW, Y-328, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1956. 177  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Lagebericht der Geschäftsführung der DVA für das Jahr 1953; Lagebericht der Geschäftsführer für das 4. Vierteljahr 1957. 178  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1958. 179  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1957. 180  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1956.



II. Die DVA in der Nachkriegszeit 261

Kosten-Investition […] sowie unter Anrechnung des vom Technischen Betrieb auf die Lieferungen an den Verlag gemachten Gewinns“. Gleichwohl stellte Walz fest, „daß der der Geschäftsführung vor 2 Jahren erteilte Auftrag, die Firma im Jahr 1957 in der Gesamtrechnung zum Ausgleich zu bringen, erfüllt worden sei“.181 Nicht nur strukturell, auch inhaltlich gewann die DVA unter Müller ein Gesicht, das ihr lange Jahre zu eigen bleiben sollte. Wie bereits angedeutet, gewannen unmittelbar gegenwartsbezogene historische, politische und philosophische Betrachtungen und mit ihnen das Sachbuch insgesamt an Gewicht. 1954 etwa habe man insbesondere durch die Goerdeler-Biografie Gerhard Ritters und den Vertragsschluss über die Memoiren Heinrich Brünings das politische Profil der DVA deutlich geschärft;182 mit Schriftstellern wie Klaus Mehnert oder Friedrich Sieburg stießen Autoren zum Verlag, die das Sachbuchprogramm über Jahre hinweg prägen sollten. In der Belletristik dominierten, nachdem die Anläufe von Müllers Vorgängern, das literarische Programm progressiver zu gestalten, gescheitert waren, weiterhin die bereits im Programm etablierten Autoren wie Charles Morgan, André Gide, Otto Rombach und vor allem Ina Seidel. Wurden 1956 insgesamt 59 Neuerscheinungen und Neuauflagen in insgesamt rund 305.000 Exemplaren produziert, waren es 1957 61 bei der DVA und 9 bei Engelhorn in zusammen rund 500.000 Exemplaren und 1958 bereits 70 neue und neu aufgelegte Titel bei der DVA und 12 bei Engelhorn mit zusammen aber wiederum nur etwas über einer halben Million Exemplaren – die „Pasternak-Sensation“ habe dem schöngeistigen Bereich ein schwieriges Jahr beschert.183 Der Verlag hatte jedenfalls eine grundlegende Transformation durchlaufen, als im September 1958 der neue Verlagssitz eingeweiht wurde. Der riesige Neubau, in dem nun Verlag und technische Betriebe wieder gemeinsam untergebracht waren, hatte rund 2,2 Millionen ­D-Mark gekostet.184 Mit seiner feierlichen Eröffnung, der neben einigen der DVA besonders verbundenen 181  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die konstituierende Aufsichtsratssitzung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am Freitag, 4. Juli 1958, 13 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, Breitscheidstr. 4. 182  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1954. 183  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1958. 184  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Lagebericht für das 1. Vierteljahr 1959.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Verlagsautoren auch zahlreiche Vertreter der Wirtschaft und der Politik beiwohnten, gelangte das Nachkriegskapitel der DVA symbolisch zu einem Abschluss: „Mit der Wiederherstellung der räumlichen und organisatorischen Einheit nach 14 Jahren der Trennung ist der äußere Wiederaufbau nunmehr zum Abschluß gekommen und die Deva in einen neuen Zeitabschnitt ihrer Entwicklung eingetreten.“185 Müller selbst jedoch begleitete diesen Zeitabschnitt nur noch ein gutes Jahr. Noch im Juli 1958 hatte sich der Aufsichtsrat angesichts der relativ guten Entwicklung des Vorjahres bestrebt gezeigt, Müller längerfristig an die DVA zu binden,186 und er selbst schrieb im November desselben Jahres dem Autor Günther Thaer: „Es waren keine leichten Jahre der Aufbauarbeit in der DVA., und ich spüre sie wahrlich mehr als mir lieb ist. Aber ich freue mich über das Geschaffene und hoffe, die Geschicke der DVA noch lange Zeit lenken zu können.“187 Die „ungünstige wirtschaftliche Entwicklung“ sowie eine ausgemachte, aber nicht näher spezifizierte „schlechte programmatische Situation“ bewogen den Aufsichtsrat jedoch Ende 1959 dazu, Müller das Vertrauen zu entziehen. Müllers eigener Darstellung nach schied er „nach schweren Richtungskämpfen um die Zukunft der DVA“ aus.188 An seiner statt jedenfalls wurde Eugen Kurz mit der Geschäftsführung betraut. Dieser war bereits im Juli 1959 in die Geschäftsleitung aufgerückt; erst unter seiner Ägide, die rund zwölf Jahre währen sollte, erfuhr der Verlag seine nachhaltige Konsolidierung. Diese beruhte freilich in erheblichem Maße auf den in der „Ära Müller“ ergriffenen Maßnahmen. Und auch das inhaltliche Profil, das in der Tradition der DVA gründete und von Müller akzentuiert wurde, wurde von Kurz fortgeführt, mit den herausragenden Erfolgstiteln Klaus Mehnerts oder den Memoiren Brünings trug das Programm auch in den 1960er Jahren mitunter noch deutlich die Müller’sche Handschrift.189

185  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 197 Korrespondenz Aufsichtsrat, Gesellschafter 1952–1959: Lagebericht für das 3. Vierteljahr 1958 vom 14. November 1958. 186  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der Deutsche Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am Freitag, 4. Juli 1958, 12 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, Breitscheidstr. 4. 187  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Günther Thaer vom 28. November 1958. Die uneinheiliche Punktsetzung nach „DVA“ findet sich im Original. 188  Zit. n. Morsey, Treviranus als Interpret Brünings. S. 601. 189  Vgl. DVA, 175 Jahre. S. 49.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 263

III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags Alle Verlage, die nach 1945 den Betrieb aufnahmen beziehungsweise wiederaufnahmen, waren genötigt, sich zunächst in den instabilen und vorläufigen Strukturen der Besatzungszeit, schließlich in dem sich stabilisierenden und ausdifferenzierenden System der Bundesrepublik zu verorten. Dabei mussten sie sich – wenn nicht explizit, so mindestens implizit – in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen einerseits, Diskussionen über deren Ausgestaltung andererseits positionieren und mithin selbst einen Standpunkt in beziehungsweise zu solchen Diskursen einnehmen – und wenn dieser nur darin bestand, nicht an ihnen teilzunehmen. Insbesondere für Verlage aus dem konservativen Spektrum, die auch mit einer weltanschaulichen Motivation arbeiteten, stellte sich die Frage, wie sie der neuen Ordnung grundsätzlich begegneten: partizipativ, indifferent oder oppositionell. Gerade für Häuser, die auf eine längere Geschichte zurückblickten, stellte sich die doppelte Aufgabe der Positionierung in der Gegenwart unter Berücksichtigung des Profils, der Programme und Personen der Vergangenheit. Zwangsläufig spiegeln sich die Zeitläufte in der Geschichte eines Unternehmens wider, das über Zäsuren hinweg, freilich in immer neuen Inkarnationen, besteht und unter sich ändernden gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen seine Produktion fortzuführen, seine Rolle zu definieren und seine wirtschaftlichen Ziele zu erreichen sucht. Bei der DVA beschränkte sich der Anspruch jedoch nicht darauf, Orientierung zu finden und sich in den Strukturen einzurichten. Vielmehr verfolgte man als gleichermaßen geistiger wie wirtschaftlicher Akteur den Anspruch, Orientierung auch zu geben, die Ausformung der Strukturen mitzugestalten; das war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so, im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ebenfalls, und nach 1945 war es nicht anders. Das bedingte zunächst einmal die Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit, das heißt den Umgang mit den Jahren des „Dritten Reiches“, die Bewertung der Rolle der Deutschen im Allgemeinen und die des eigenen Hauses im Speziellen sowie Entscheidungen über die Darstellung und Deutung des Geschehenen. Im Falle der DVA zeigt sich, dass die direkte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sowohl im Programm wie in den Autorenbeziehungen schon früh eine wichtige Rolle spielte, sie dabei grosso modo aber in den konservativ geprägten Mainstream-Narrativen der Nachkriegszeit verharrte, die eine Scheidung zwischen einer Führungselite der Täter und einer verführten Masse des deutschen Volkes vornahmen, deutsche Opfer betonten und die Shoah weitgehend verdrängten.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Eine besondere Akzentuierung erfuhr die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus durch Gotthold Müller, der in der Zwischenkriegszeit bei der Konservativen Volkspartei engagiert gewesen war und in Verbindung sowohl mit Mitgliedern des Kreisauer wie des Goerdeler-Kreises gestanden hatte. Sein verlegerisches Handeln bei der DVA widmete er in starkem Maße der Förderung der Anerkennung des Widerstands gegen das NS-Regime, zuvörderst des konservativen, und einer Revision des Bildes der Weimarer Republik. Auch dadurch, vor allem aber durch den gezielten Ausbau des politischen Programms und der politischen Verbindungen, die zunächst für Debatten über die Ausgestaltung des neuen Staates und seiner eigenen wie der ihm vorgelagerten Institutionen, dann für die publizistische Unterstützung ihrer Ziele und deren Exponenten fruchtbar gemacht wurden, positionierte sich die DVA als ein explizit politischer Verlag, der eine demonstrativ affirmative Haltung gegenüber der Errichtung der Bundesrepublik in konservativem Geiste einnahm. 1. Ein Spiegel der Deutschen: zum Umgang mit dem Nationalsozialismus Im Herbstprogramm 1954 publizierte die DVA eine von Joachim Moras und Hans Paeschke herausgegebene Sonderveröffentlichung des Merkur, die unter dem Titel Deutscher Geist zwischen Gestern und Morgen. Bilanz der kulturellen Entwicklungen seit 1945 „ein umfassendes Panorama unserer geistigen Landschaft, eine Diagnose der deutschen Gegenwart, eine Rechenschaft, die zugleich den Blick in Neues und Zukünftiges freigibt“, vorzulegen versprach.190 Für Axel Schildt ist der Band ein „Dokument des düster getönten nationalhistorischen Horizonts der Gegenwartsdiagnostik“.191 Prominente Intellektuelle unterschiedlicher Couleur und Profession wie Dolf Sternberger, Wilhelm Emanuel Süskind, Arnold Bergstraesser, Helmut Schelsky oder Hans Egon Holthusen nahmen sich knapp zehn Jahre nach Kriegsende Fragen an wie: „Wo standen wir und wo stehen wir heute? Welche Themen und Probleme rückten in den Vordergrund? Wo konnte an die Leistungen der Vergangenheit angeknüpft werden und wo nicht? Wo sind neue Impulse zu verzeichnen, welche Hemmungen liegen vor und wo wurde versagt?“192 Derlei Fragen zu stellen und Möglichkeiten ihrer Beantwortung darzulegen, war ein Auftrag, den sich die DVA nach 1945 gab – ausgehend von einem kulturkritischen Befund. 190  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1954. S. 2. 191  Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. S. 279. 192  Ebd.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 265

Noch 13 Jahre nach Kriegsende konstatierte Gotthold Müller, „daß wir Deutschen unsere Vergangenheit noch nicht bewältigt haben und uns noch weitgehend in dem Chaos befinden, das uns das Jahr 1945 gebracht hat. Das Wirtschaftswunder, auf das die Welt starrt, verdeckt nur die Schwäche unserer geistigen Situation.“ Sein verlegerisches Bestreben gelte „einer inneren geistigen und seelischen Konsolidierung“.193 Dass die DVA den Anspruch hatte, ein wesentlicher Akteur dieser Konsolidierung zu sein, wollte Müller von der deutschen Öffentlichkeit und Politik gesehen wissen. So stellte er die Arbeit des Verlags für den Entwurf einer Erklärung durch das Bundespräsidialamt, zu dem die DVA durch den persönlichen Referenten Theodor Heuss’ Hans Bott gute Kontakte pflegte, wie folgt dar: „Zu den wenigen Verlagen, die im Zeichen der geistigen Verflachung in ihrer Arbeit kulturelle Verantwortung beweisen und sich ein Profil bewahrt haben, gehört die Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart. Obwohl der Verlag von den Machthabern des Dritten Reiches okkupiert wurde und infolgedessen in den Nachkriegsjahren unter Vermögenskontrolle stand, die seinen Wiederaufbau und seine Entfaltung behindert und verzögert hat, konnte er seit 1950 seine kulturelle Bedeutung und sein Ansehen als führender deutscher Verlag im In- und Auslande zurückgewinnen. So gehört er heute wieder zu den Verlagen, deren Arbeit auch im Auslande ernst genommen wird und die an der geistigen Repräsentation der Bundesrepublik wesentlichen Anteil haben.“194 Für die DVA spielten, wie für beinahe alle deutschen Verlage, die in den ersten Nachkriegsjahren die Arbeit wiederaufnehmen konnten, zunächst Neuauflagen alter Titel, Neuverwertungen bestehender Rechte die wichtigste Rolle für die Gestaltung der ersten Programme. Doch daneben und darüber hinaus wurden recht bald genuine Neuerscheinungen veröffentlicht, die einerseits die gerade vor der Währungsreform immense Nachfrage nach neuem Lesestoff im Allgemeinen befriedigen sollten und die andererseits auf das Bedürfnis nach Klärung, Reflexion, Orientierung, vielleicht auch Katharsis, angesichts der verwirrenden, ambivalenten, aber eben auch zukunftsoffenen Situation der Nachkriegszeit reagierten. In vielen Verlagen erschienen vor diesem Hintergrund Reihen mit häufig kurzen Texten bekannter Autoren, beispielsweise bereits erwähnte Rowohlts deutsche Enzyklopädie, die eine intellektuelle Grundlage für die Diskurse über einen kulturellen und politischen Neuanfang schaffen sollten. Eine solche Reihe, Der Deutschenspiegel, war denn auch eines der ersten großen Nachkriegsprojekte der DVA. 193  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Aar van de Werfhorst vom 17. November 1958. 194  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 598 Geschäftsleitung Korrespondenz 1953–195: Entwurf einer Erklärung des Bundespräsidialamtes, übersandt von Gotthold Müller an Ministerialdirektor Hans Bott am 13. September 1957.

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Unter der Herausgeberschaft des Historikers Gerhart Binder sollte die Reihe einen „Beitrag echter Besinnung“ leisten, ihre Autoren – „Historiker und Philosophen, Theologen und Pädagogen, Techniker und Wirtschaftler“ – „in immer weiteren Kreisen der Betrachtung zu wesentlichen Problemen unserer Zeit Stellung nehmen“.195 Ausgangspunkt war dabei die Notwendigkeit einer Verständigung über die Grundlagen und die Ziele des gesellschaftlichen Handelns, nachdem die vorherigen durch die Niederlage Deutschlands – nicht etwa durch die „Machtergreifung“ der Nazis – infrage gestellt oder negiert worden seien: „Die Schriftenreihe ‚Der Deutschenspiegel‘ erscheint in einer Zeit, da wir Deutschen nach der Katastrophe des Mai 1945 darauf angewiesen sind, einen völlig neuen Weg in die Zukunft zu suchen. Die vergangene Epoche der Scheinmacht war auf dem Sand törichter und böser Halbwahrheiten errichtet; sie stürzte, weil sie wesentliche Grundlagen unseres Daseins, Christentum und Erbe der Antike, zerstören wollte und das an Kräften so reiche und deshalb so verletzliche deutsche Wesen verfälschte. Nun gilt es, das Unvergängliche wieder in die Mitte zu rücken und sich auf die dauernden Werte zu besinnen.“196 Dieser Versuch wurde in 39 Bänden unternommen, die zwischen 1946 und 1950 erschienen, meist zwischen 50 und 100 Seiten Umfang aufwiesen und in der Regel zunächst in jeweils 10.000, später in 5.000 Exemplaren aufgelegt wurden. Der erste Band stammte von der Liberalen Gertrud Bäumer und befasste sich mit der neuen Rolle der Frau;197 der Psychoanalytiker Felix Schottlaender, der ab 1947 gemeinsam mit Alexander Mitscherlich und Hans Kunz die Zeitschrift Psyche herausgab, untersuchte gleich im zweiten Band „die Entstehung des Terrors in Deutschland“.198 Auch die konservativen Protestanten Helmut Thielicke und Gerhard Ritter waren vertreten.199 Die Bände der Reihe deckten ein breites Spektrum ab, das von Christentum, Erziehung und Bildung sowie Sport und Kunst über Betrachtungen zu Gewalt oder Technik bis hin zu Fragen des Landbaus oder der Außenpolitik reichte.200 Allen Bän195  BAK, N 1166/359, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 3, 13. Juli 1944–30. Sept. 1946: Schreiben Gerhart Binders an Gerhard Ritter vom 21. Dezember 1945. 196  Anhang. In: Messerschmid, Felix: Alte Wahrheit und neue Ordnung (= Der Deutschenspiegel, Bd. 11). Stuttgart: DVA, 1946. 197  Bäumer, Gertrud: Der neue Weg der deutschen Frau (= Der Deutschenspiegel, Bd. 1). Stuttgart: DVA, 1946. 198  Schottlaender, Felix: Zwang und Freiheit. Über die Entstehung des Terrors in Deutschland (= Der Deutschenspiegel, Bd. 2). Stuttgart: DVA, 1946. 199  Thielicke, Helmut: Weltanschauung und Glaube (= Der Deutschenspiegel, Bd. 4). Stuttgart: DVA, 1946; Ritter, Geschichte als Bildungsmacht. 200  Guardini, Romano: Der Heilbringer in Mythos, Offenbarung und Politik. Eine theologisch-politische Besinnung (= Der Deutschenspiegel, Bd. 7). Stuttgart: DVA, 1946; Messerschmid, Alte Wahrheit und neue Ordnung; Scheurich, Hans: Bildung



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den gemein war, dass sie den Anspruch hatten, ihren Lesern Orientierungsangebote zu unterbreiten und mithin den Diskurs über die Rekonstituierung der westdeutschen Gesellschaft mitzugestalten. Eine Besprechung in der Schwäbischen Donau-Zeitung bescheinigte der DVA, dass ihr das gelungen und die Reihe „ein wesentlicher Beitrag zur deutschen Umerziehung“, eine „wertvolle Handbibliothek über die bewegenden Fragen unserer Zeit“ geworden sei.201 Eine Frage, die nach 1945 freilich von herausragender Bedeutung im Hinblick auf die Verortung in Orientierungs- und Zukunftsdebatten war, war die nach der Schuld während der Jahre des Nationalsozialismus. „Das verletzliche deutsche Wesen“, das im Reihentext des Deutschenspiegel benannt wurde, lässt schon ahnen, dass in den Programmen, aber auch in der Korres­ pondenz der DVA, ganz dem Geiste der Zeit entsprechend, immer wieder Narrative aufschienen, die sich in die verbreitete (nicht nur) konservative Deutung einer Scheidung zwischen verbrecherischer Führung und unbeteiligtem Volk, einer Wahrnehmung der Deutschen als Opfer – erst der Verführung durch die Nazis, dann der alliierten Gewalt – fügten. Gegenüber Ina Seidel gab Hermann Maier diese Haltung explizit zu erkennen, als er seine Sympathien dafür bekundete, „eine deutliche, eindeutige und einfache Scheidung zwischen den wirklichen Urhebern unserer nationalen Verwirrung und unseres Unglücks einerseits und dem Insgesamt des deutschen Volkes, das krankt und dem man zur Genesung helfen muss, andererseits zu vollziehen“.202 Nicht nur gegenüber einer Autorin, die aufgrund ihrer Nähe zum Regime in der Kritik stand, wurde diese Auffassung geäußert, auch die breitere Öffentlichkeit sprach man in dieser Weise an, wenn beispielweise in der Beschreibung der Schrift des IfZ-Historikers Hans Buchheim Glaubenskrise im Dritten Reich konstatiert wird, diese sei das Ergebnis der „tief in der geistiund Selbstverantwortung. Von den zwei Seiten menschlicher Freiheit (= Der Deutschenspiegel, Bd. 17): Stuttgart: DVA, 1948; Pelzer, Otto: Sport. Ein Weg zu Freiheit und Kultur (= Der Deutschenspiegel, Bd. 15). Stuttgart: DVA, 1946; Schnurre, Wolfdietrich: Rettung des deutschen Films. Eine Streitschrift (= Der Deutschenspiegel, Bd. 38). Stuttgart: DVA, 1950; Berendt, Joachim-Ernst: Der Jazz. Eine zeitkritische Studie (= Der Deutschenspiegel, Bd. 39). Stuttgart: DVA, 1950; Binder, Gerhart: Gebändigte Dämonen: Von der Überwindung der Gewalt (= Der Deutschenspiegel, Bd. 12). Stuttgart: DVA, 1946; Graner, Hans: Fluch und Segen der Technik. Ein Beitrag zum neuen Beginn (= Der Deutschenspiegel, Bd. 5). Stuttgart: DVA, 1946; Bronsart, Huberta von: Weizen oder Spinat. Der deutsche Landwirt am Scheideweg (= Der Deutschenspiegel, Bd. 24). Stuttgart: DVA, 1947; Brühl, Helmut: Im Ausland unerwünscht. Betrachtungen zu den deutschen Auslandsbeziehungen (= Der Deutschenspiegel, Bd. 14). Stuttgart: DVA, 1946. 201  Zit. n. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 120 Broschüre „Bücherverzeichnis 1946–1949“, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart. S. 34. 202  DLA, A: Seidel, Ina: Deutsche Verlags-Anstalt/Seidel, Ina, 1947: Schreiben Hermann Maiers an Ina Seidel vom 18. November 1947.

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gen Situation unserer Zeit begründete[n] Verstrickung echter Glaubensimpulse in politische Hoffnungen, Irrtümer und Zugeständnisse“. Hitler habe das die Verführung wohlmeinender Christen leicht gemacht: Er „lenkte das religiöse Vermögen seiner Anhänger auf politische Ziele ab“.203 Und in der Bewerbung seiner Memoiren wird selbst der erste Gestapo-Chef Rudolf Diels als „verhaßte[r] Gegner der nationalsozialistischen Revolutionäre“ dargestellt, der – als Untergebener Görings! – „die Verteidigung des Rechtsstaats gegen den Machtstaat“ unternommen, „gegen die Übergriffe von SA und SS“ gekämpft habe; jedoch „unterlag er. Himmler und Heydrich gewannen die Macht über Hitler und das Reich“.204 Darüber hinaus wurde das Handeln der Deutschen während des „Dritten Reiches“ in den Programmen der DVA häufig nicht in erster Linie in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen, sondern eher mit den Widrigkeiten, denen sie durch den Kampf der Alliierten gegen diese ausgesetzt waren, gestellt. So werden die unter dem Titel In einer Stunde wie dieser erschienenen Aufzeichnungen Jürgen Rauschs der Jahre 1945 bis 1947, der „während des Krieges in Italien mit einer besonderen Aufgabe betraut“ gewesen sei und in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet, als „ein Akt der Selbstbehauptung im Widerstand gegen die Verhältnisse“ beschrieben. Sie würden im Programm der DVA nicht nur veröffentlicht, weil „die Erlebnisse des Autors spannend zu lesen sind“ oder „weil Flucht und Gefangenschaft zu allgemeinen Schicksalen unserer Zeit geworden sind, sondern weil hier diese allgemeinen Schicksale geistig bewältigt werden“.205 Orientierung und Katharsis schien nicht die Auseinandersetzung mit der eigenen Verstrickung, sondern die Beleuchtung der eigenen vermeintlichen Opferrolle zu bieten. Hans Joachim Langes Soldatenroman Die Mauer von Mallare wurde mit dem Auszug einer Besprechung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beworben, in der die „Figur des Oberleutnants Clausen, die wichtigste unter den deutschen des Buches“, als „ein sauberer Mensch“ beschrieben wird. Als potentielle Käufer benennt der Verlag unter anderem „[a]lle Männer, die Soldaten waren; für sie ist der Roman ein Dokument des eigenen Erlebnisses“ – und wohl auch eine Möglichkeit, dieses zu verklären.206 Ein weiterer Soldatenroman, Willi Heinrichs Das geduldige Fleisch, wurde in der Buch203  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1953. S. 3. 204  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 120 Broschüre „Bücherverzeichnis 1946–1949, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart“, 1949. S. 26. 205  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1953. S. 13. 206  Ebd. S. 34.



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handelsbroschüre gar mit der Zuschrift eines in Chicago lebenden Lesers beworben, der erklärte: „Das Unwahrscheinliche ist Ihnen gelungen: Sie haben den deutschen Soldaten in den Augen vieler Amerikaner wieder zu Menschen gemacht.“207 Die Volksausgabe dieses Werkes, die im Frühjahr 1957 erschien, sollte „die Masse der Leser erreichen, für die es eigentlich geschrieben wurde: die einfachen Soldaten des letzten Krieges, besonders die Rußlandkämpfer, und die jungen Menschen, die wissen wollen, wie dieser Krieg wirklich gewesen ist.“208 Das heißt nicht, dass in den Programmen der Jahre 1952 bis 1956, in denen die hier angeführten Werke veröffentlicht wurden, nicht auch Bücher erschienen wären, die sich explizit einer Aufarbeitung des Nationalsozialismus gewidmet hätten. So wurden beispielsweise Berichte von Verfolgten des Regimes veröffentlicht, etwa Hendrik de Mans Gegen den Strom oder eben Erich Matthias’ Sozialdemokratie und Nation; mehr als das Faktum der Flucht vor den Machthabern wird in den Beschreibungs- und Werbetexten jedoch nicht ausgeführt; die Züge des Nationalsozialismus bleiben so seltsam unkonturiert.209 Otto Heinrich Kühner nahm sich in Wahn und Untergang 1939–1945 einer Darstellung des Zweiten Weltkriegs an, „um allen Entstellungen der Wirklichkeit entgegenzutreten“ und „keinen Zweifel daran [zu] lassen, daß der Krieg militärisch und politisch von Anfang an verloren war“.210 Doch derlei Bücher schrieben eben, implizit oder explizit, in der Regel die Mär einer Dichotomie zwischen schuldiger Führung und unschuldigem Volk fort und beschränkten sich in der Regel auf die militärische oder staatliche Dimension des „Dritten Reiches“; der systematische Genozid spielte hingegen kaum eine Rolle. So standen das Leid der Deutschen und das Leid, das sie über die Welt gebracht hatten, gleichwertig nebeneinander. Auch Ina Seidel als wichtigster DVA-Autorin der Nachkriegsjahre fiel es leichter, das Schicksal ihrer „Volksgenossen“ zu bedauern als das ihrer Opfer. In ihrem Vorwort für einen bei Klett erschienenen Gryphius-Band stellte sie Analogien zwischen Dreißigjährigem Krieg und Zweitem Weltkrieg her und klagte: „Wenn wir durch eine unsrer verheerten Städte gehen und uns angesichts der uns entgegenstarrenden Zerstörung die apokalyptischen Todes­ nächte vergegenwärtigen, in denen Feuer vom Himmel fiel, Menschen, unter 207  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1957. S. 9. 208  Ebd. 209  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952–1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1953. S. 9; WABW, Y-328, 24 Mitteilungen 1952–1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1953. S. 38. 210  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955–1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1956. S. 4.

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berstenden, zusammenstürzenden Häusern begraben, verbrannten und erstickten oder, durch Phosphorregen flüchtend, im schmelzenden Asphalt der Straßen hängen blieben und elend zugrundegingen – dann haben wir vielleicht das Recht, festzustellen, daß die Pest sich diesmal erübrigte.“211 Die Ursache für die Verwüstungen erblickte sie denn auch nicht in der konkreten geschichtlichen Erscheinung des Nationalsozialismus, sondern, wie so viele Kulturkritiker der Zeit, in einem abstrakten „Rationalismus mit seiner Kehrseite der Skepsis, des Nihilismus, der Unfähigkeit, sich gläubig hinzugeben“.212 Freilich ist es ihr selbst durchaus gelungen, sich gläubig hinzugeben, einem christlichen Gott genauso wie einem nationalsozialistischen Führer. Seidel, 1885 in Halle geboren, veröffentlichte seit den 1910er Jahren Lyrik, 1915 erschien ihr erstes Buch Gedichte;213 bis zu ihrem Tod 1974 folgten mehr als fünfzig weitere Werke, lyrische genauso wie prosaische. Seidels frühe Gedichte behandelten neuromantische Motive des genialen Künstlers ebenso wie solche von Mütterlichkeit, Heimat und Natur; in den Jahren des Ersten Weltkriegs veröffentlichte sie zudem eine Reihe von Kriegsgedichten.214 Im Zentrum ihrer auch durch ihre Religiosität, ihren protestantischchristlichen Glauben, geprägten erzählenden Werke der Zwischenkriegszeit stehen die Familie und die sich in ihr entfaltenden Beziehungen, insbesondere die Mutter-Kind-Beziehung. Sie entwerfen das Bild einer friedlichen matriarchalen Weltordnung, das dem nationalsozialistischen Mütterpathos Anknüpfungspunkte bot.215 Die Affinität zwischen den Nationalsozialisten und der Autorin war dabei wechselseitig: Seidel gehörte 1933 zu den 88 Unterzeichnern des Gelöbnisses treuester Gefolgschaft für Hitler, dem sie in den Jahren des „Dritten Reiches“ wiederholt Huldigungstexte zueignete.216 Nach dem Krieg bestätigte Seidel ihre Nähe zum Regime in den Jahren vor 1945 und relativierte sie zugleich. In ihrem Fragebogen gab sie an, zwar kein Mitglied der NSDAP gewesen zu sein, aber, als publizierende Schriftstellerin unvermeidlich, eines der Reichsschrifttumskammer, und dass sie der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt einen monatlichen Betrag gespendet 211  DLA, 212  Ebd.

A: Seidel, Ina: Schreiben Ina Seidels an Ernst Klett vom 5. Juni 1948.

213  Vgl. Gehler, Eva-Maria: Weibliche NS-Affinitäten. Grade der Systemaffinität von Schriftstellerinnen im „Dritten Reich“. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2010. S.  148 f. 214  Vgl. Detering, Nicolas: Die „deutsche Frau“ im Weltkrieg. Literarischer Bellizismus bei Thea von Harbou, Ina Seidel und Agnes Sapper. In: Gerdes, Aibe-Marlene/Fischer, Michael (Hrsg.): Der Krieg und die Frauen. Geschlecht und populäre Kultur im Ersten Weltkrieg (= Populäre Kultur und Musik, Bd. 16). Münster: Waxmann, 2016. S. 29–52. Hier S. 41 f. 215  Vgl. Gehler, Weibliche NS-Affinitäten. S. 150 f. 216  Vgl. Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. S. 565.



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habe. Sie habe Hitlers proklamierten Friedenzielen Glauben geschenkt und die Sozialpolitik der Nazis unterstützt. Auch sie stellte sich mithin als eine Verführte dar: „Meine Irrtümer entstanden aus einem Mangel an politischer Nüchternheit. Ich habe die Lehre, die das furchtbare Schicksal meines Volkes enthält, begriffen.“217 Auch nach 1945 reagierte Seidel nicht eben nüchtern, wenn es um den Nationalsozialismus ging beziehungsweise um ihr Handeln und Schreiben während seiner Herrschaft. Als Hermann Maier sie im Juli 1946 „um eine kurze, aber offene Mitteilung darüber [bat], wie es um [i]hre derzeitige politische Situation bestellt“ sei und einen entsprechenden Fragebogen über­ sandte,218 um festzustellen, ob die Autorin „ ‚unbelastet‘ im Sinne der amerikanischen Auffassung“ oder in „irgendwelche dem Verlag unbekannt gebliebenen Kontroversen in Presse oder Vortrag“ verwickelt sei, und ob man ihr „etwa z. Zt. von amtlichen Stellen in Bayern irgendwelche Schwierigkeiten machen würde“,219 reagierte Seidel in höchstem Maße aufgebracht. Die Schärfe der Antwort ließ Maier an der Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit zweifeln: „Ihr Brief vom 8. Juli, der mich gestern erreicht hat, hat mich befremdet und beinahe gekränkt, auf jeden Fall aber zutiefst bestürzt. Es geht aus ihm sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seinem Ton eine solche Fülle von Misstrauen gegen die Geschäftsleitung der Deutschen Verlags-Anstalt hervor, dass ich beinahe die Hoffnung aufgeben muss, dass die offenbar vorhandene Kluft je nocheinmal tragfähig überbrückt werden könnte. […] Diese kleine Anfrage kann doch unmöglich zum Anlass genommen werden, um meine Kompetenz in Fragen der Beurteilung Ihres künstlerischen und geistigen Wirkens in Frage zu stellen.“220 Und in der Tat zeugt der weitere Briefwechsel von der Versöhnung zwischen Autorin und Verlag, der ihr Werk ins Zentrum der ersten Nachkriegsprogramme stellte: „In einer Zeit, da 99 % aller Deva-Autoren vergeblich auf Neuauflagen ihrer Werke warten müssen, wurde und wird von Ihnen das ‚Wunschkind‘ (sogar in einer abnorm grossen Auflage) ‚Lennacker‘ und ‚Peregrin‘ gleichzeitig neu aufgelegt, die Publikation einer Sammlung Ihrer Gedichte erwogen und die intensive Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Verlag über die Brücke unserer neuen Zeitschrift erbeten. Ich glaube nicht, dass es uns in absehbarer Zeit möglich sein wird, auch nur einen einzigen andern Autor im selben 217  DLA, A: Seidel, Ina, Briefe von ihr an Deutsche Verlags-Anstalt, 1945–1946: Erklärung zur Haltung zur NSDAP. 218  DLA, A: Seidel, Ina, Deutsche Verlags-Anstalt/Seidel, Ina, 1946: Schreiben Hermann Maiers an Ina Seidel vom 2. Juli 1946. 219  DLA, A: Seidel, Ina, Deutsche Verlags-Anstalt/Seidel, Ina, 1946: Schreiben Hermann Maiers an Ina Seidel vom 10. Juli 1946. 220  Ebd.

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Masse zu bevorzugen wie wir das in Ihrem Fall getan haben.“221 Diese Bevorzugung resultiere „aus der wissenden Ueberzeugung, dass Sie zu den wenigen Persönlichkeiten gehören, deren Lebenswerk ein tragfähiges Fundament zur Wiederherstellung einer deutschen Kultur abgeben kann“.222 Zweifelsohne passte Seidels Werk tatsächlich hervorragend in eine Zeit, in der der Rekurs auf überbrachte Werte wie Familie, Heimat und Glaube allgegenwärtig war, die in der chaotischen Nachkriegszeit Orientierung genauso versprachen wie ein Refugium angesichts der politischen Ernüchterung. Zwischen 1946 und 1960 erschienen insgesamt 13 Bücher Seidels bei der DVA, davon drei, allesamt Vorkriegswerke, bereits 1946,223 darunter Das Wunschkind in besagter „abnorm grossen Auflage“ von angesichts des Papiermangels und der Produktionsschwierigkeiten für die Zeit tatsächlich bemerkenswerten 20.000 Exemplaren.224 Drei weitere bereits in den Zwischen­ kriegsjahren erschienene Titel folgten 1949, 1958 und 1960.225 Mit einem abermals Gedichte betitelten Band erschien 1949 auch das erste neue Werk, dem rasch weitere folgten.226 Die erzählenden Werke wurden in Erstauflagen von mitunter über 50.000 Exemplaren gedruckt,227 setzten sich sämtlich gut ab, erlebten häufig innerhalb weniger Jahre zahlreiche Neuauflagen – von Das Wunschkind erschienen bis 1960 sechs, von Lennacker bis 1955 fünf – und wurden fast alle für Taschenbuch-, Buchgemeinschafts- und ausländische Ausgaben lizenziert.228

221  Ebd. 222  Ebd.

223  Seidel, Ina: Unser Freund Peregrin. Aufzeichnungen des Jürgen Brook. Stuttgart: DVA, 1946; Seidel, Ina: Lennacker. Das Buch einer Heimkehr. Stuttgart: DVA, 1946; Seidel, Ina: Das Wunschkind. Stuttgart: DVA, 1946. 224  Vgl. DLA, A: Seidel, Ina, Deutsche Verlags-Anstalt/Seidel, Ina, 1946: Schreiben Hermann Maiers an Ina Seidel vom 28. März 1946. 225  Seidel, Ina: Das Labyrinth. Stuttgart: DVA, 1949; Seidel, Ina: Renée und Rainer. Stuttgart: DVA, 1958; Seidel, Ina: Die Fürstin reitet, Stuttgart: DVA, 1960. 226  Seidel, Ina: Gedichte. Eine Auswahl. Stuttgart: DVA,1949; Seidel, Ina: Das Tor der Frühe. Roman einer Jugend. Stuttgart: DVA,1952; Seidel, Ina: Das unverwesliche Erbe Stuttgart: DVA,1954; Seidel, Ina: Die Fahrt in den Abend. Stuttgart: DVA,1955; Seidel, Ina: Drei Dichter der Romantik: Clemens Brentano, Bettina, Achim von Arnim. Stuttgart: DVA, 1956; Seidel, Ina: Michaela. Aufzeichnungen des Jürgen Brook. Stuttgart: DVA, 1959; Seidel, Ina: Drei Städte meiner Jugend. Stuttgart: DVA, 1960. 227  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 197 Korrespondenz Aufsichtsrat, Gesellschafter 1952–1959: Übersicht über den Absatz der Herbstproduktion: Neuerscheinungen 1954. 228  Vgl. bspw. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 465 Buchgemeinschaften D, E 1951–1964.



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Das 1959 erschienene Michaela war „das literarische Erfolgsbuch des Jahres“.229 Um diesen Status hatte sich Gotthold Müller redlich bemüht, der den Titel als „ein großes Werk des deutschen Schrifttums“ ansah.230 Das Buch changiert zwischen Selbstanklage und Rechtfertigungsversuch, mit dem Seidel die weitgehend affirmative Haltung der Deutschen (und mithin ihre eigene) gegenüber dem Nationalsozialismus darzulegen sucht. In Müllers Augen war das „Thema ihres Buches […] sozusagen das Zentralthema jedes verantwortungsbewussten Deutschen“ und es leiste „einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung dessen, was noch immer unbewältigt ist“.231 Diese „Bewältigung“ reichte indes nicht über den entsprechenden Konsens der Zeit – und des DVA-Programms – hinaus, verklärte es die deutsche Schuld doch als ein „instinktloses Hineingleiten in den Nationalsozialismus“, dem „oftmals die Besten aus ihrem Unvermögen heraus, die Dämonen zu erkennen“, sich nicht zu erwehren vermochten.232 Diese rückwirkende Entschuldigung konnte freilich auch auf Seidel selbst angewendet werden und gar als vermeintlicher Beweis gegen antisemitische Tendenzen vorgebracht werden. So schrieb Müller an Erna Feder, die ebensolche in Seidels Wunschkind auszumachen meinte, „daß Ihre Annahme, Frau Seidel hätte in ihrem ‚Wunschkind‘, das in den zwanziger Jahren entstanden ist, aus antisemitischen Tendenzen heraus die jüdische Gestalt ihres Romanes karikiert und verzerrt dargestellt, völlig irrtümlich ist. Wir wissen, daß Frau Seidel treu zu ihren jüdischen Freunden gehalten hat und weiterhin hält, und wir wissen ferner, daß in ihrem neuen großen Zeitroman, der das Aufkommen des Natio­ nalsozialismus schildert, ein jüdischer Gelehrter nobelster Wesensart, dessen Werk in den ‚braunen Fluten‘ versinkt, eine der Hauptfiguren sein wird.“233 Mit dem Blick der 1970er Jahre konstatierte die Zeit in einem Nachruf auf Ina Seidel gleichwohl, der „Rechtfertigungsversuch im letzten großen Roman ‚Michaela‘ ist denn auch peinlich gescheitert“.234

229  Schütz, Erhard: Nach dem Entkommen, vor dem Ankommen. Eine Einführung. In: Agazzi/Schütz, Handbuch Nachkriegskultur. S. 1–139. Hier S. 138. 230  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Walter Richter, Akademische Buchhandlung Calvör, vom 26. Juni 1959. 231  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Karl Silex, Verlag Die Bücherkommentare, vom 16. Juli 1959. 232  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Gertrud Fussenegger vom 25. Juni 1958. 233  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Erna Feder vom 7. Juli 1958. 234  o. V.: Zeitmosaik. In: Die Zeit 29 (1974), Nr. 42.

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Dass Ina Seidels Rede anlässlich des 100. Jubiläums der DVA 1948 – Hermann Maier bekundete ihr gegenüber, es sei „doch so, daß, wenn Sie überhaupt teilnehmen, Ihre dichterische Persönlichkeit einfach gemäss der Rangordnung der geistigen Werte Sie in den Vordergrund rückt“235–, in der sie betonte, „im Namen und in Vertretung der Verlagsautoren zu sprechen“, um der „Mutter Deva“ die Ehre zu erweisen,236 zehn Jahre später in dem zum 110. Jubiläum und der Einweihung des neuen Verlagsgebäudes erscheinenden Almanach an erster Stelle der Texte von Autoren des Hauses aufgenommen wurde und diese von einem Jochen Kleppers gefolgt wurde, wirft ein Schlaglicht auf das Spannungsfeld, in dem sich die Auseinandersetzung mit Nation und Nationalsozialismus bei der DVA nach 1945 bewegte. Denn größer als gegenüber NS-freundlichen Literaten wie Seidel waren mitunter die Vorbehalte gegen Exilanten, gegen jene, die das Leid der NaziJahre beschrieben. So lehnte der zu diesem Zeitpunkt auch der erweiterten Geschäftsleitung angehörende Lektor Karl-Eberhard Felten in bemerkenswertem Duktus den stark dokumentarischen Roman Die Wenigen und die Vielen des in der Weimarer Republik prominenten und heute zu Unrecht weitgehend vergessenen Essayisten und Kritikers Hans Sahl, der als Jude und Kommunist aus Nazi-Deutschland über Frankreich in die USA floh und angesichts seiner auch innerhalb der Emigration isolierten Situation nach der Distanzierung von den Kommunisten die Wendung vom „Exil im Exil“ prägte, ab, weil ihm die nötige Distanz zum Erlebten fehle: „Wenn das Ergebnis der Lektüre nicht zu ihrer Annahme führt, so liegt der Grund darin, dass wir das Gefühl haben, der Stoff sei Ihnen noch zu nahe. Sie stehen noch zu sehr als Miterlebender und Miterleidender in dem Geschehen drin und können nicht sine ira et studio als epischer Gott über den Wassern schweben und den Sie bedrängenden Erinnerungen, Assoziationen und Gedanken befehlen, dass es nun Tag werde, der Tag, in dessen Licht sich die tausend Formen entfalten, die schließlich die höchst künstliche und kunstvolle Gestalt eines echten Romans ausmachen.“237 Paul Celan scheint die künstlerische Überhöhung des erlittenen Unrechts nach Auffassung des DVA-Lektorats besser gelungen zu sein. Denn in den mit Blick auf die Bewertung des Nationalsozialismus und der Rolle Deutsch-

235  DLA, A: Seidel, Ina, Deutsche Verlags-Anstalt/Seidel, Ina, 1948: Schreiben Hermann Maiers an Ina Seidel vom 3. Dezember 1948. 236  Seidel, Ina: Ansprache bei der Feier des hundertjährigen Bestehens der Deutschen Verlags-Anstalt, 12. Dezember 1948. In: DVA, Im 110. Jahr. S. 77–87. Hier S. 77, 86. 237  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 Verlagsleitung P–Sch (1958): Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Hans Sahl vom 22. Juli 1958.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 275

lands nach Shoah und Weltkrieg ausgesprochen ambivalenten Programmen fügte er sich scheinbar reibungslos neben eine Ina Seidel. 1952 war der auf der Tagung der Gruppe 47 anwesende DVA-Cheflektor Willi Koch auf Celan aufmerksam geworden, dessen Lesung allerdings ein Debakel war und bei der Gruppe größtenteils auf Unverständnis stieß.238 Vor allem sorgten die nicht zuletzt in der besonderen kulturellen und sprachlichen Sozialisation in der Bukowina begründete Ästhetik von Celans Dichtung und mit ihr die musikalische Art seines Vortrags für Irritiation und Ablehnung, weil sie die vor ganz anderen biographischen Hintergründen erwachsene Erwartung einer nüchternen Dichtung nach dem Kulturbruch grundlegend enttäuschten.239 Thomas Sparrs Interpretation zufolge „spricht viel dafür, dass Richter und andere Teilnehmer der Gruppe sich deshalb gegen Celans Vortragsweise wendeten, um über den Inhalt der Gedichte nicht sprechen zu müssen“.240 Ein mal latenter, mal manifester Antisemitismus führender Köpfe der Gruppe 47 wie eines erheblichen Teils der maßgeb­ lichen Intellektuellen des Kulturbetriebs der jungen Bundesrepublik trug zu dieser Ablehnung bei, die den Umgang mit Emigranten und Remigranten während der 1950er Jahre insgesamt prägte.241 Bei der DVA konnte man Celans Dichtung offenbar mehr abgewinnen, denn noch im selben Jahr erschien mit Mohn und Gedächtnis dort der erst zweite, aber vielleicht herausragendste Gedichtband Celans.242 Seine literaturhistorische Bedeutung liegt nicht zuletzt in der dort aufgenommenen ­Todesfuge begründet, die John Festiner als „das Guernica der europäischen Nachkriegsliteratur“ beschreibt243 und die die Antwort auf Adornos Frage, ob es nach Auschwitz möglich sei, Gedichte zu schreiben, ehe sie gestellt war dahingehend beantwortete, dass es nicht nur möglich war – Auschwitz zwang geradezu zum Schreiben. Jedenfalls Paul Celan, dessen Eltern in einem Zwangsarbeiterlager der Nazis ermordet wurden und der selbst bis zur

238  Vgl. Goßens, Peter: Celan bei der Gruppe 47 in Niendorf. In: May, Markus/ Goßens, Peter/Lehmann, Jürgen (Hrsg.): Celan-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: Metzler, 2008. S. 19 f. 239  Vgl. Böttiger, Helmut: Celans Zerrissenheit. Ein jüdischer Dichter und der deutsche Geist. Berlin: Galiani, 2020. S. 45 f., 67. 240  Sparr, Thomas: Todefuge. Biographie eines Gedichts. München: DVA, 2020. S. 130. 241  Vgl. ebd. S. 123 ff.; Bötiger, Celans Zerrissenheit, S. 123 ff. 242  Celan, Paul: Mohn und Gedächtnis. Stuttgart: DVA, 1952. Ein erster Band war 1948 unter dem Titel „Der Sand aus den Urnen“ im Wiener Verlag Sexl erschienen, er wurde auf Celans Wunsch hin jedoch makuliert. 243  Zit. n. Calzoni, Raul: Paul Celan: Mohn und Gedächtnis. Gedichte. In: Agazzi/ Schütz, Handbuch Nachkriegskultur. S. 178–182. Hier S. 180.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Befreiung durch die Rote Armee 1944 in einem Arbeitslager festgehalten worden war.244 Celans Auftritt im Programm der DVA blieb ein Gastspiel. Mohn und Gedächtnis folgte 1955 mit Von Schwelle zu Schwelle nur ein weiterer Band,245 von dem er allerdings bereits vermutet hatte, dass „Frau Deva […] darauf nicht sonderlich erpicht zu sein scheint“;246 um eine für ihn annehmebare Ausgestaltung der Verträge und die Einhaltung der Regelungen musste er denn auch kämpfen.247 Später publizierte Celan vor allem bei S. Fischer und Suhrkamp. Die Bände wurden, üblich im Bereich der Lyrik, in verhältnismäßig geringen Stückzahlen vorgelegt, Von Schwelle zu Schwelle etwa in einer Auflage von 2.300 Exemplaren;248 von Mohn und Gedächtnis erschien 1954 die zweite, 1958 die dritte, 1960 die vierte und 1961 die fünfte Auflage, von Von Schwelle zu Schwelle 1960 die zweite, 1961 die dritte. Für das Renommee des Verlags war Celan von großer Bedeutung, in den Werbemitteln des Verlags wurden er und seine Werke prominent dargestellt.249 Entsprechend zeigte sich Gotthold Müller „schwer erschüttert“, als er erfuhr, dass Moras in der sogenannten Goll-Affäre – der infolge von Behauptungen Claire Golls hochkochenden Debatte, ob Celan in einigen seiner Gedichte, darunter die Todesfuge, plagiiert habe250 – dazu neigte, Claire Goll Glauben zu schenken. Letztlich tat er das Ganze jedoch mit antisemitischem Unterton ab als „hass­ erfüllte[n] jüdische[n] Familienstreit, der mehr oder weniger immer zwielichtig bleiben wird“.251 Auch in der Darstellung der Vita und Werke Celans durch die DVA blieb der Holocaust weitgehend ausgeblendet, obwohl sich Celans Schreibens ohne diesen nicht verstehen lässt. Selbst beim Blick auf Autoren also, die Opfer des Nationalsozialismus geworden waren, blieb die Darstellung des Verlags 244  Vgl.

ebd. S. 180 f. Paul: Von Schwelle zu Schwelle. Gedichte. Stuttgart: DVA, 1955. 246  Zit. n. Wiedemann, Barbara: „Ein Faible für Tübingen“: Paul Celan in Württemberg. Deutschland und Paul Celan. Tübingen: Klöpfer & Meyer, 2013. S. 65. 247  Vgl. ebd. S. 69. 248  Vgl. WABW, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, Y-328, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Statistik: Neu-Titel und Neu-Auflage 1955, Stand am 31.12.1955, vom 31.1.1956, Neuerscheinungen Frühjahr 1955. 249  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 115 Katalog 1958– 59: Deutsche Verlags-Anstalt im 110. Jahr. 250  Vgl. Wiedemann, „Ein Faible für Tübingen“. S. 67 f. 251  DLA, D: Merkur, Briefe an ihn von DVA, 1956: Schreiben Gotthold Müllers an Joachim Moras vom 12. Oktober 1956. Schon im Jahr zuvor hatte Leippes laue Reaktion auf den deutlich antisemitischen Tenor einer Rezension Curt Hohoffs Celans Einschätzung bestärkt, dass im deutschen Literaturbetrieb der 1950er Jahre eine scharfe Ausgrenzung von Antisemiten nach wie vor nicht zu erwarten war. Vgl. Wiedemann, „Ein Faible für Tübingen“. S. 68 f. 245  Celan,



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in der Regel beschränkt auf das Element der Gewaltherrschaft nach innen, die des Vernichtungsregimes nach außen spielte nur dort eine Rolle, wo sie sich qua Gegenstand nicht ignorieren ließ.252 Die Werbung für Jochen Klepper, um dessen Werk sich die DVA in den 1930er Jahren verdient gemacht hatte und der in den 1950er Jahren ein weiterer die Verlagsprogramme prägender Autor war, folgte ebenfalls diesem Muster. So erschien 1950 eine Neuausgabe des ursprünglich 1937 in zwei Bänden veröffentlichten Der ­Vater, ein Jahr später das ursprünglich 1933 erschienene Der Kahn der fröhlichen Leute, im selben Jahr Die Flucht der Katharina von Bora als erster Teil des unvollendet gebliebenen Werkes Das ewige Haus. 1956 schließlich wurde ein erster Band mit Tagebuchaufzeichnungen unter dem Titel Unter dem Schatten Deiner Flügel publiziert, die „den wachsenden Druck der natio­ nalsozialistischen Gewaltherrschaft“ dokumentierten,253 und 1958 ein Band Tagebücher und Aufzeichnungen aus dem Krieg.254 Kleppers Werke waren nicht nur zahlreich bei der DVA vertreten, sie zählten auch zu den erfolgreichsten. Der Vater, der 1950 im 91. bis 97. Tausend vorgelegt wurde, erschien 1957 bereits im 122.000. bis 131.000. Exemplar, Der Kahn der fröhlichen Leute wurde 1954 in zweiter Nachkriegsauflage im 31. bis 35. Tausend veröffentlicht und die 1956 publizierten Tagebücher gehörten in dem Jahr zu den „meistbegehrten Titeln“.255 In den mit dem Haupttitel Überwindung erschienenen Kriegstagebüchern schreibe, so der Werbetext, zwar „immer noch der gleiche Mann in seiner fraglosen Gläubigkeit, seiner fraglosen Verbundenheit mit seinem Volke und seiner Geschichte – aber die Verbundenheit im Glauben und in der Geschichte ist lebendiger, aktueller – aus der Teilhabe am Leben der Kameraden“.256 Diese Beschreibung der Kameradschaft unter den Wehrmachtssoldaten veranlasste Kurt Ziesel, rechtsradikaler und revisionistischer Publizist, Mitbegründer der Gesellschaft für Freie Publizistik und notorischer Querulant, der 252  Und auch dann standen, wie in den vom IfZ herausgegebenen, bei der DVA 1958 veröffentlichten autobiographischen Aufzeichnungen Rudolf Höß’, eher die Perspektiven der Täter denn die der Opfer im Vordergrund. Siehe auch Kapitel E. IV. 1. 253  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1956. S. 7. 254  Klepper, Jochen: Der Vater. Roman eines Königs. Stuttgart: DVA, 1950; Klepper, Jochen: Der Kahn der fröhlichen Leute. Stuttgart: DVA, 1951; Klepper, Jochen: Die Flucht der Katharina von Bora. Oder: Die klugen und die törichten Jungfrauen. Stuttgart: DVA, 1951; Klepper, Jochen: Unter dem Schatten deiner Flügel. Aus den Tagebüchern der Jahre 1932–1942. Stuttgart: DVA, 1956; Klepper, Jochen: Überwindung: Tagebücher und Aufzeichnungen aus dem Kriege. Stuttgart: DVA, 1958. 255  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Zum Vierteljahresbericht 1956. 256  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1958. S. 11.

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es sich nach 1945 zur Aufgabe gemacht hatte, bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens für ihr Tun und Lassen während der Jahre des „Dritten Reiches“, die er selbst als glühender Nationalsozialist verbracht hatte, anzugreifen,257 in seinem Buch Das verlorene Gewissen Klepper als Gewährsmann für die „Humanität“ der Wehrmacht anzuführen. Gotthold Müllers Reaktion darauf war scharf und er nutzte die Korres­ pondenz mit Autoren und Partnern wiederholt, um Ziesel und den Verlag J. F. Lehmann, in dem das Buch erschienen war, anzugreifen und Klepper als Antinazisten zu verteidigen. So schrieb er Bernt von Heiseler: „Was nun das ominöse Buch des Herrn Ziesel betrifft, so bin ich mit Ihnen keinesfalls einig, sondern stimme mit Ina Seidel und anderen maßgeblichen Autoren darin überein, daß es seit den dunklen Tagen des ‚Schwarzen Korps‘ kaum eine Schrift gegeben hat, die so abscheuerregend ist wie dieses. Spüren Sie denn gar nicht die gekränkte Eitelkeit, aus der heraus jede Zeile dieses Machwerks geschrieben ist, und ekelt es Sie nicht vor dem abgrundtiefen Haß, aus dem dieses Pamphlet entstanden ist? […] Die Gewissenlosigkeit, mit der er Klepper’schen Tagebücher als Zeugnis dafür mißbraucht, daß ‚unter den jungen Nationalsozialisten jener Zeit echte Brüderlichkeit und Humanität‘ gewaltet habe, empört mich zutiefst. Der Charakter dieser Tagebücher, die eine flammende Anklage sind, wird damit in bedenklicher Weise verfälscht […].“258 Und an Hugo Koch wendete er sich mit Durchschlag an seine Autoren Ina Seidel und Josef Winckler sowie an Hermann Kasack von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (gegen den selbst von Ziesel, weil er diesen als „Neofaschisten“ bezeichnet hatte, 1956 eine Klage angestrengt worden war, die schließlich allerdings abgewiesen wurde)259 „nach Lektüre des Buches von Kurt Ziesel Das verlorene Gewissen an Sie mit der Bitte um Ihren Beistand. Sie werden sich dieses Buch, das erhebliches Aufsehen erregt und in dem Herr Ziesel aus gekränktem Ehrgeiz mit geradezu infernalischem Haß gegen alles geifert, was heute im Kulturleben einen Namen hat, leicht beschaffen können. Es ist bezeichnenderweise bei J. F. Lehmann, München, erschienen. Auf Seite 102 dieses Elaborates finde ich die in der Anlage als Abschrift beigefügte Stelle. Sie werden verstehen, daß es mich als Verleger 257  Auch Friedrich Sieburg beispielsweise sah sich Angriffen Ziesels ausgesetzt. Vgl. DLA, A: Sieburg, Schreiben Kurt Ziesels an Friedrich Sieburg vom 7. Dezember 1959; vgl. auch Schildt, Medien-Intellektuelle, S. 428 ff. 258  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Bernt von Heiseler vom 3. Februar 1958. 259  Vgl. DLA, A: Kasack, Hermann/Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ‹Darmstadt›: Beschluss der 3. Strafkammer des Landgerichts München I vom 21. Januar 1956.



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der Tagebücher Jochen Kleppers zutiefst empören muß, wenn hier versucht wird, diese erschütternden Tagebücher, die den Untergang eines Dichters unter der Gewalt staatlicher Tyrannei dokumentieren, als Beweis und Zeugnis für eine ‚Welt wirklicher Brüderlichkeit und Humanität‘ anzuführen. Eine so schamlose Verdrehung und ein so gewissenloser Mißbrauch des Vermächtnisses dreier Toter ist mir bisher noch nicht begegnet.“260 Müller beließ es nicht bei dieser scharfen Abgrenzung von revisionistischen Verlagen wie Lehmanns, in den folgenden Monaten verwendete er einige Zeit und Energie darauf, Lehmanns zu desavouieren (und damit auch ökonomisch zu schaden), indem er beispielsweise in den Redaktionen der medizinischen Zeitschriften des Verlags auf dessen politischen Charakter hinwies. So berichtete er Kasack: „Im Kuratorium der Münchener medizinischen Wochenschrift, die der Lehmann-Verlag herausgibt, befindet sich der bekannte Orthopäde Professor Dr. Hohmann, ein altes Mitglied des Naumann-Kreises und als solcher ein Freund von Theodor Heuss. Herr Professor Hohmann wurde über die Scheusslichkeit des Ziesel’schen Buches genauestens informiert und hat versprochen, die Angelegenheit im Kreise des Kuratoriums der Münchener medizinischen Wochenschrift zur Sprache zu bringen. […] Da die Münchener medizinische Wochenschrift das Rückgrad [sic] des Lehmann-Verlages ist, über das er nicht selbständig verfügt, sondern das Kuratorium der Zeitschrift als Partner hat, scheint mir hier der richtige Ansatzpunkt gegeben.“261 Ähnlich deutlich äußerte sich Müller auch in anderen Zusammenhängen über Relativierer des Nazi-Unrechts. So schrieb er Paul Zöckler, der ein religionsphilosophisches Manuskript Edmund Schopens begutachtet hatte, dieses entlarve seinen Autor „als einen der vielen Phantasten à la Rosenberg, die Herrn Hitlers Zerstörungswerk als Handlanger dienten“.262 Und bei Bertold Hack beklagte er sich über die unglückliche Platzierung einer Anzeige der DVA im Börsenblatt: „Ich muß mich bei Ihnen als dem Hauptschriftleiter des Börsenblattes einmal beschweren über die politische Instinktlosigkeit des Anzeigenleiters, der es fertigbringt, […] unsere halbseitige Anzeige für Gessler Reichswehrpolitik in der Weimarer Zeit, herausgegeben von dem Herrn Bundespräsidenten, geschmackvollerweise unter Salazar und sein neues Por260  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Hugo Koch vom 8. Januar 1958. 261  WABW, Y-328 Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 598 Geschäftsleitung Korrespondenz 1953–1958: Schreiben Gotthold Müllers an Hermann Kasack vom 10. Juli 1958. 262  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Paul Zöckler aus dem November oder Dezember 1958.

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tugal zu plazieren, sozusagen die Demokratie unter die Knute des Diktators zu stellen.“263 Ein paar Jahr früher freilich, im Herbst 1954, bereits unter der Leitung Müllers also, erschien in der DVA unter dem Titel Das Ende aller Sicherheit eine „Kritik des Westens“ von Winfried Martini, der nach dem Krieg der CSU angehörte und als Journalist für christlich-konservative Blätter wie Christ und Welt oder den Rheinischen Merkur arbeitete und Gast der Abendländischen Akademie war.264 In seiner Schrift kritisiert er den Westen, das heißt zuvörderst: die westlichen Siegermächte, als schwach und handlungsunfähig. Sein Befund: „Der Westen krankt an der Demokratie“, denn von den beiden die Demokratie definierenden, widerstreitenden Prinzipien, „der jakobinischen Idee der Volkssouveränität und der liberalen Idee der individuellen Freiheit“, habe sich das erste durchgesetzt, was die Gefahr des Abrutschens in den Totalitarismus einerseits, die „Auslieferung der Politik an den von Gruppeninteressen und Parteien beeinflußten und daher ständig schwankenden Wählerwillen“ andererseits berge.265 Hier wird ein klassisch kulturkritisches Narrativ bedient, demzufolge eine Absolutsetzung demokratischer Prinzipien in die totalitäre Herrschaft führe, Hitler mithin die Folge der Massenherrschaft sei, und/oder zu einer Auflösung des Gemeinwesens in von ihren Partikularinteressen getriebene Gruppen führe. Das Gegenmodell erblickt Martini im autoritären Estado Novo Salazars, der beweise, dass die Demokratie „nicht die ‚absolute‘ Staatsform ist und daß sie, wie das Beispiel Portugals erweist, keineswegs nur durch den totalitären Zwangsstaat abgelöst werden könnte“.266 So bleibt ein uneindeutiges Bild des Umgangs der DVA mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen. Insbesondere in den ersten zehn Nachkriegsjahren verdunkelten die verlegten Titel und ihre Darstellung die historische Realität eher, denn sie zu erhellen. Das ist freilich kein Spezifikum des Verlags, sondern entspricht vielmehr einem breiten unausgesprochenen Konsens der Nachkriegsgesellschaft im Umgang mit den Verbrechen des National­ sozialismus. Gotthold Müller vertrat dann insbesondere in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre einen klareren antifaschistischen Standpunkt, der allerdings die Exkulpation eigener Autoren mit NS-Vergangenheit nicht ausschloss. Müllers Haltung spiegelt dabei seine Vita und seine eigene politisch-weltanschauliche Haltung. 263  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Bertold Hack vom 10. Juli 1958. 264  Vgl. Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. S. 274. 265  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1954. S. 9. 266  Ebd.



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2. „Das Gedankengut des Widerstands lebendig erhalten“: die Rolle Gotthold Müllers Als Müller 1953 als Geschäftsführer beziehungsweise Verlagsdirektor der DVA berufen wurde, sollte er vor allem zwei Dinge leisten: dem Verlag ein klares Profil, eine „geistige Führung“ geben und die Verluste des Unternehmens reduzieren.267 Beides gelang ihm in unterschiedlichem Maße. Während sich die wirtschaftliche Situation der DVA unter seiner Führung besserte, schließlich, wie oben ausgeführt, den Erwartungen des Aufsichtsrats jedoch nicht genügte, entwickelte der Verlag insbesondere im Sachbuchbereich ein klareres Gesicht, wurde vor allem zu einem Ort der Auseinandersetzung mit politischen und zeithistorischen Fragestellungen. Müller prägte das Wirken und Werden des Verlags im hier betrachteten Zeitraum wie kein zweiter. Müllers Berufung war derweil nicht unumstritten. Die bereits im Vorfeld bestehenden Zweifel an seiner betriebswirtschaftlichen Expertise wurden bereits skizziert. Aufschluss über seine Befähigung zur Leitung des Verlags und des Gesamtunternehmens sollte zudem eine Analyse seiner Handschrift geben, die jedoch wenig vorteilhaft ausfiel: Das Aufsichtsratsmitglied „Dr. Bae[uchle] prüfte Mü[ller]’s Handschrift und äußerte sich Schlo[ßstein] gegenüber wie folgt: ‚Wertvoll die Aktivität, alles andere ist bedenklich. Man muß Mü[ller] energisch führen, damit nicht lästige Nebenerscheinungen auftreten. Ausgekochter Schlingel. Sollte vornehmer sein, besonders in der Gesinnung. Wird uns viel zu schaffen machen.‘ Da der Inhalt dieser Schriftanalyse in scharfem Gegensatz zu dem stand, was wir über Mü[ller] selber wußten (dieser war übrigens Mitglied der Widerstandsbewegung Dr. Goerdelers), so holten wir eine weitere Schriftanalyse ein, die im wesentlichen das bestätigte, was Dr. Bae[uchle] feststellte. […] Er mache auf den ersten Anhieb den Eindruck eines Bierbrauers. […] Kulturminister a. D. Bäuerle hält die graphologischen Beurteilungen für falsch.“268 Offenbar schenkten auch die meisten Aufsichtsratsmitglieder der Schriftanalyse kein allzu großes Vertrauen und sahen Müller aufgrund seiner jahrzehntelangen Branchenerfahrung als durchaus geeignet an, die DVA zu leiten. Der 1904 geborene Müller verbrachte seine Kindheit und Jugend in Potsdam nicht nur im Herzen Preußens, sondern wohl auch in preußischem 267  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben Erwin Bohners an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 2. Februar 1953. 268  WABY, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an den Aufsichtsrat vom 26. Januar 1953.

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Geiste, jedenfalls in gleichsam geschichtsbewusster wie literarischer Atmosphäre, war sein Vater Conrad Müller doch Autor mehrerer Werke zur deutschen und preußischen Geschichte.269 Als Neunzehnjähriger verließ Gotthold Müller seine Heimatstadt, die nach 1945 zunehmend unerreichbar wurde. Da erstaunt es nicht, wenn er 1958 berichtet, „daß die Tage zwischen den Jahren die Gedanken immer wieder in die Potsdamer Heimat lenken. Dabei taucht dann immer der erschreckende Eindruck des zerstörten Stadtschlosses, der Nikolaikirche und des Palastes Barberini auf, den ich erst vor wenigen Wochen beim Überfliegen der Stadt gewonnen habe und der mich zutiefst erschüttert hat“.270 Die Lehre zum Buchhändler hat Müller noch in Potsdam, bei Max Jaeckel, absolviert. In den folgenden zehn Jahren führten ihn dann verschiedene Stellungen als Buchhändler-Gehilfe an andere Orte, zunächst nach Berlin, dann nach Gotha und schließlich nach Halle, wo er in der Buchhandlung Albert Neubert tätig war.271 In dieser Funktion lernte er den an der Hallenser Pädagogischen Akademie lehrenden Adolf Reichwein kennen, für den er die Bi­ bliothek seines Seminars einrichtete. Mit der professionellen verband sich in der Folge auch eine persönliche Beziehung, Müller berichtete davon, dass er Reichwein später „unzählige Male“ besucht habe.272 Der Sozialdemokrat Reichwein schloss sich im „Dritten Reich“ dem Kreisauer Kreis an. Als dessen Umsturzpläne aufflogen, wurde Reichwein von Freislers Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und im Oktober 1944 in Plötzensee ermordet.273 Müller war es nach dem Krieg ein Herzensanliegen, Reichwein im Programm der DVA ein Denkmal zu setzen.274 1934 schließlich wechselte Müller vom Bucheinzelhandel in den Verlagsbuchhandel, als er zum Vertriebsleiter der Hanseatischen Verlagsanstalt berufen wurde275 – mithin eines Hauses, das bis 1933 Teil des Konzerns des 269  Müller, Conrad: Bismarcks Mutter und ihre Ahnen. Berlin: Martin Warneck, 1909; Müller, Conrad: Altgermanische Meeresherrschaft. Gotha: F. A. Perthes, 1914; Müller, Conrad: Die Urheimat der Dynasten von Schönburg. Eine hausgeschichtliche Studie. Leipzig: Seemann, 1920. 270  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Hans Georg von Studnitz vom 7. Januar 1958. 271  Vgl. StAL, EL 901/20, Spruchkammer 37 – Stuttgart, Bü 657: Meldebogen Gotthold Müllers vom 29. Januar 1946. 272  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Gotthold Müllers an Rosemarie Reichwein vom 13. Januar 1958. 273  Vgl. Hett, Ulrike/Tuchel, Johannes: Die Reaktionen des NS-Staates auf den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. In: Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes (Hrsg.): Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1994. S. 377–389. Hier S. 381. 274  Siehe Kapitel E. IV. 1. 275  Vgl. StAL, EL 901/20, Spruchkammer 37 – Stuttgart, Bü 657: Meldebogen Gotthold Müllers vom 29. Januar 1946; in dem dem DVA-Aufsichtsrat vorliegenden



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Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbands war und das, so Siegfried Lokatis, bis dahin die Charakteristika eines „jungkonservativen Richtungs­ verlag[s]“ aufwies.276 1933 wurde die Hanseatische Verlagsanstalt von der Deutschen Arbeitsfront übernommen und in deren Medienkonglomerat eingegliedert. In der Folge waren große Teile des Buchprogramms geprägt durch genuin nationalsozialistische Schriften oder dem Regime genehme Autoren, die das breite Lesepublikum bedienten. Gleichzeitig bot der Verlag verschiedenen Autoren der „inneren Emigration“ ein Forum, Werner Bergengruen oder Ernst Jünger publizierten hier auch nach 1933 weiterhin. Bergengruen begründete dies damit, dass er „meinte in diesem gleichgeschalteten Unternehmen eine nicht ganz unbedeutende konservative und damit antinazistische Restposition festzustellen. Sie gruppierte sich um den Verlagsdirektor Benno Ziegler, einen aufrechten und klar sehenden Mann, dessen ich gern gedenke“.277 Besagter Benno Ziegler stand in Verbindung mit Köpfen des konservativen Widerstands gegen den Nationalsozialismus wie Jakob Kaiser oder Max Habermann; der Verlag hätte den Plänen der Verschwörer zufolge wohl eine wichtige publizistische Rolle für die neue Regierung spielen sollen, wäre der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 geglückt.278 Ähnlich ambivalent – das heißt als überwiegend systemkonformes Haus, in dem sich aber konservativ-antifaschistische „Restpositionen“ halten konnten – zeigte sich auch Reclam während des „Dritten Reiches“. Müller fungierte dort seit 1937 als Vertriebsleiter und Prokurist, bald auch als Geschäftsleiter des Verlags wie seiner technischen Betriebe und Tochterfirmen.279 Als solcher war er nicht nur für die betriebswirtschaftliche Führung des Unternehmens verantwortlich (in dieser Funktion gelang es ihm, späterer kritischer Blicke auf seine wirtschaftlichen Fähigkeiten zum Trotz, eine existenzielle Krise des Verlags zu überwinden),280 sondern prägte wesentlich auch die inhaltliche Gestalt des Reclam-Verlags. Diese war einerseits geprägt durch regimekonforme Programme, die bereits seit 1933 der NS-Kulturpolitik Lebenslauf Müllers ist der Eintritt in die Hanseatische Verlagsanstalt allerdings auf das Jahr 1932 datiert. Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Lebenslauf Gotthold Müllers. 276  Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt. S. 188. 277  Zit. n. ebd. S. 91. 278  Vgl. ebd. S. 4. 279  Vgl. StAL, EL 901/20, Spruchkammer 37 – Stuttgart, Bü 657: Meldebogen Gotthold Müllers vom 29. Januar 1946; WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Lebenslauf Gotthold Müllers. 280  Vgl. Schmahl, Karolin: Ein gelungener Schachzug. Die Umschuldung des Reclam Verlags unter Gotthold Müller. In: Flachware. Fußnoten der Leipziger Buchwissenschaft 2 (2011/2012). S. 15–24.

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weitgehend entsprachen und ihre Geschichtsdeutung oder Rassentheorien verbreiteten, andererseits initiierte Müller die Übernahme der Deutschen Rundschau Rudolf Pechels und damit der wohl wichtigsten publizistischen Heimat konservativer Widerständigkeit.281 Im Rückblick erklärte Müller den Vorgang zum demonstrativen Akt, mit dem er eine NS-kritische Linie des Verlags habe dokumentieren wollen.282 Er sei sich dabei der Rückendeckung des Verlegers Ernst Reclam sicher gewesen, habe als „Betriebsführer im Sinne des damaligen ‚Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit‘ […] jedoch die volle politische Verantwortung für das Haus Reclam allein“ getragen.283 Müllers retrospektive Darstellung seiner verlegerischen Arbeit während der Jahre des Nationalsozialismus unter Betonung der Gefahren, der er seiner widerständigen Haltung wegen ausgesetzt gewesen sei, ist freilich mitunter unscharf.284 Müllers Meldebogen zufolge hatte er im „Dritten Reich“ keiner NS-Or­ ganisation angehört, von der berufsbedingten Pflichtmitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer abgesehen, und keinen Naziorganisationen Zuwen­ dungen zukommen lassen, mit Ausnahme des Winterhilfswerks des Deutschen Volkes, die in der Regel jedoch Zwangsabgaben gleichkamen.285 Müller vermerkte, dass ihm eine Unbedenklichkeitserklärung des Bezirksausschusses der antifaschistischen Parteien des Leipziger Verwaltungsbezirks II Nordost vom 20. Mai 1946 bescheinigte, dass er „als Antifaschist bekannt“ sei. Mit Stempel vom 30. Mai 1947 wurde auf dem Bogen festgehalten, dass Müller „[v]om Gesetz nicht betroffen“ sei – gemeint ist das Gesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus – und also kein Entnazifizierungsverfahren zu durchlaufen habe.286 Nach dem Krieg war Müller maßgeblich am Aufbau der westdeutschen Filiale des Reclam-Verlags in Stuttgart beteiligt, der in Leipzig bereits im 281  Vgl. Schmahl, Karolin: „für das deutsche Ansehen als schädigend zu erachten“. Die Programmpolitik des Reclam Verlages zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur. In: Saur, Verlage im „Dritten Reich“. S. 17–38. Hier S. 33, 36. Zur Geschichte der Deutschen Rundschau siehe Mauersberger, Volker: Rudolf Pechel und die „Deutsche Rundschau“. Eine Studie zur konservativ-revolutionären Publizistik in der Weimarer Republik (1918–1933) (= Studien zur Publizistik, Bd. 16). Bremen: Schünemann, 1971. 282  Vgl. Schmahl, „Die Programmpolitik des Reclam Verlages. S. 36. 283  DLA, B: Müller, Gotthold/Kopien: Als der heiße Draht über mich laufen sollte. Ein Stück Zeitgeschichte und ein Beitrag zur Geschichte des Hauses Reclam (Manuskripttitel). 284  Vgl. Schmahl, Die Programmpolitik des Reclam Verlages. S. 22. 285  Vgl. Linthout, Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik. S.  183 f. 286  StAL, EL 901/20, Spruchkammer 37 – Stuttgart, Bü 657: Meldebogen Gotthold Müllers vom 29. Januar 1946.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 285

September 1945 eine Lizenz der Sowjetischen Militäradministration erhalten hatte. Angesichts der zunehmenden Abschottung der SBZ und der faktischen Unmöglichkeit des Interzonenhandels mit Publikationen und Rechten, wurde die Stuttgarter Firma ins Leben gerufen, um Reclam auch in den Westzonen wieder etablieren zu können. Müller fungierte hier nicht nur als Geschäftsführer, sondern auch als Lizenzträger.287 Der Schwerpunkt der verlegerischen Tätigkeit lag dabei auf der Wiederauflage, gewissermaßen dem Neuaufbau der Universal-Bibliothek, jener Edition wohlfeiler Ausgaben von Werken der Weltliteratur, die das Bild Reclams bis heute prägen. Diese Fokussierung war in erster Linie dem Verleger Heinrich Reclam geschuldet, der sein ganzes Augenmerk auf die Universal-Bibliothek und ihre Durchsetzung vor allem an Schulen und Universitäten richtete. Zwar tat 1947 auch Müller noch kund, „[d]er Gedanke eines grosszügigen Wiederaufbaus der Universal-Bibliothek beschäftigt mich unentwegt“,288 doch in der Verengung des Verlagsprogramms auf diese sah er eine falsche verlegerische Entscheidung. Um dem westdeutschen Reclam-Verlag in der Nachkriegszeit den Rang zu sichern, den er als Leipziger Haus in den Jahrzehnten zuvor innegehabt hatte, schien es ihm nötig, stärker auf andere Formate und zeitgenössische Autoren zu setzen und dadurch die „Herausgabe hochwertiger geistiger Werke“ zu ermöglichen.289 Die Möglichkeit dazu hätte auch beim Insel-Verlag bestanden, dessen Leitung Müller angetragen worden war, die er allerdings ausschlug, „weil nach dem Tod von Professor Kippenberg dessen verheiratete Tochter sein Chef geworden wäre. Auf eine solche Lösung wollte er nicht eingehen“.290 Eine konservative Perspektive war Müller also auch in Geschlechterfragen eigen. So wechselte er zur DVA, um dort seine programmatischen Vorstellungen umzusetzen. Diese zielten ganz wesentlich und vielleicht in erster Linie darauf, die Erinnerung an den konservativen Widerstand gegen den Nationalsozialismus 287  Vgl. Reclam, Heinrich: Die Geschichte der Universal-Bibliothek. In: ReclamVerlag (Hrsg.): 100 Jahre Universal-Bibliothek. Stuttgart: Reclam, 1967. S. 9–53. Hier S. 44. 288  DLA, A: Ackerknecht, Erwin: Schreiben Gotthold Müllers an Erwin Ackerknecht vom 12. September 1947. 289  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an den Aufsichtsrat vom 26. Januar 1953; vgl. auch Bode, Reclam. S. 117 ff. 290  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an den Aufsichtsrat vom 28. Januar 1953.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

zu wahren und zu fördern und damit dazu beizutragen, die in der Nachkriegszeit weit verbreitete ablehnende Haltung seinen Protagonisten gegenüber aufzubrechen. Müller strebte danach, „im Geiste der Männer zu wirken, die das Opfer ihrer Vaterlandsliebe geworden sind“291 und erblickte darin die „Erfüllung einer Aufgabe, die mir die Freunde, die das Opfer dieser Zeit wurden, als Vermächtnis hinterlassen haben“.292 Für die Programmgestaltung war das eine durchaus verbindliche Orientierung. So wurde ein historio­ graphisches Manuskript Katharina Barons von Müller abgelehnt, weil eine Veröffentlichung seiner Überzeugung nach „nicht im Interesse der deutschen Opposition“ gestanden hätte.293 Damit einher ging der Anspruch, mit der Würdigung des rechten Antifaschismus den Narrativen der extremen Rechten in der jungen Bundesrepublik entgegenzutreten. Gerhard Ritter gegenüber formulierte Müller das in aller Deutlichkeit: „Nazi bleibt Nazi, und die Herren erheben ihr Haupt bereits wieder sehr kühn, und es ist unsere Aufgabe, sie in ihre Schranken zu wei­ sen.“294 Dass er gleichwohl auch Ex-Nazis verteidigte und bei der DVA verlegte, spiegelt den schwierigen und unklaren Umgang mit dem Erbe des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit und illustriert einmal mehr die hier nur implizite Scheidung zwischen „echten“ Nazis und verführtem Volk. Müllers Mission lag nicht allein in der Bekanntschaft mit späteren Angehörigen des Widerstands begründet, die er in Halle, Hamburg und Leipzig schloss und pflegte, sondern auch in seiner eigenen Zugehörigkeit zum weiteren Kreis um Carl Friedrich Goerdeler, die wiederum eine Folge seiner weltanschaulich-politischen Überzeugung war. Müller war in der Zwischenkriegszeit ein pragmatischer Rechter, den zwar keine innige Liebe mit der Republik verband, dem ihre extremistischen Gegner aber zuwider waren. Neben der Korrektur des Bildes des Widerstands in der Nachkriegsgesellschaft hat es sich Müller deshalb „zur Aufgabe gemacht […], das Bild der viel verschmähten und viel verkannten Weimarer Republik zu revidieren“.295 Gleichwohl resümierte Müller noch Ende der 1950er Jahre, 291  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z Schreiben Gotthold Müllers an Theodor Volckmar-Frenzel vom 13. Oktober 1958. 292  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Gottfried Treviranus vom 6. Mai 1958. 293  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Katharina Baron vom 19. Januar 1959. 294  BAK, N 1166/367, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 11, 1. Okt. 1954–30. Juni 1955: Schreiben Gotthold Müllers an Gerhard Ritter vom 14. März 1955. 295  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Erich Wende vom 6. Oktober 1958.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 287

„daß der Sturz aus der Monarchie in die Republik viel zu jäh erfolgte, als daß das deutsche Volk die Zeit zur Besinnung für den Neubau des Staates gehabt hätte“ und „daß die Einflüsse der Siegermächte die Entwicklung negativ beeinflusst haben“.296 Der Weimarer Parlamentarismus habe ein Übriges getan, um die Fremdheit der Deutschen gegenüber der Republik zu vertiefen: „Tatsache ist, daß das Bürgertum mit Recht von dem Treiben der republikanischen Parteien angewidert und durch dieses Verhalten mehr und mehr in die Obstruktion getrieben wurde. Ich kann Ihnen auch nicht zugeben, daß es allen einsichtigen Deutschen klar war, daß die politische Zukunft ausschließlich von der Linken gestaltet werden müsse. Die politische Zukunft Deutschlands hätte von der Mitte gestaltet werden müssen, also weder von der einen noch von der anderen Seite. Daß es dazu nicht kam, haben beide Gruppen zu verantworten.“297 Mit dieser republik- und demokratieskeptischen Position ging bei Müller jedoch keine Frontstellung gegen den Staat einher, sondern der Anspruch, ihn durch Mitwirkung und Mitgestaltung in einem konservativen Sinne zu reformieren. Seine Vorstellungen einer dem deutschen Volk gemäßen Ordnung mögen mit denen eines erheblichen Teils der radikalen Rechten konform gewesen sein, deren bloß obstruktives reaktionäres oder aber revolutionäres Vorgehen lehnte er jedoch entschieden ab. Politisch lag er damit auf der Linie eines gleichermaßen prononcierten wie pragmatischen Konservatismus, den die 1930 gegründete Konservative Volkspartei vertrat. Müller gehörte in Halle zu ihren dortigen Gründern.298 Entstanden war die Partei aus einer Strömung innerhalb der DNVP. Die Anhänger der volkskonservativen Bewegung, so formulierte es ihr als Herausgeber der seit 1924 erschienenen Politischen Wochenschrift wohl wichtigster Publizist Hermann Ullmann, „nehmen eine unabhängige Stellung zwischen den Traditionen des alten zusammengebrochenen Bismarckschen Reiches und den sogenannten gegebenen Tatsachen der Revolution ein. Sie bildeten im alten Reich meist Opposition, Kritik, Reformwillen. Gegenüber den gegebenen Tatsachen von Weimar betonen sie die positiven Kräfte der alten Tradition und bejahen keineswegs kritiklos die Weimarer Verfassung. Sie stehen dem alten wie dem neuen Staate mit dem Maßstabe des in beiden Formen nicht verwirklichten deutschen Staatsgedankens gegenüber.“299 An296  WABW, Y-328, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Helmut Lindemann vom 13. Januar 1958. 297  Ebd. 298  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Gottfried Treviranus vom 6. Mai 1958. 299  Ullmann, Hermann: Das werdende Volk. Gegen Liberalismus und Reaktion. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1929. S. 101.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

ders als erhebliche Teile der DNVP, die in den späten 1920er Jahren einer konstruktiven Mitarbeit in der parlamentarischen Republik zunehmend ablehnend gegenüberstanden, zielten die Volkskonservativen nicht darauf, diesen Staatsgedanken gegen das bestehende System, sondern – in zweierlei Sinn – aus diesem System heraus zu verwirklichen und sich weiterhin an Mitte-Rechts-Koalitionsregierungen zu beteiligen, mit Zentrum, BVP, DDP und DVP zusammenzuarbeiten, wie sie das in den Kabinetten Hans Luthers und Wilhelm Marx’ zwischen 1925 und 1928 getan hatten.300 Für eine solche gouvernementale Linie standen neben Ullmann etwa auch Gottfried Treviranus oder Kuno von Westarp, der sich von einem Unterstützer des Kapp-Putsches zum relativ gemäßigten Führer der DNVP-Reichstagsfraktion entwickelt hatte. Sie konnten sich jedoch nicht gegen Alfred Hugenberg durchsetzen; der rechtsradikale Pressemagnat, sein Konzern kontrollierte den Großteil der deutschen Presse, war einer der Mitbegründer der DNVP und löste 1928 Westarp als ihren Vorsitzenden ab. Er vertrat eine radikal gesinnungspolitische Linie, die der Politik der Nationalsozialisten näherstand als der etwa des Zentrums, und beanspruchte ganz offen die programmatische Führerschaft auch gegenüber der Reichstagsfraktion.301 Nachdem sich die Konflikte zwischen den Volkskonservativen und dem Hugenberg-Flügel bereits seit 1928 massiv verschärft hatten, bot die Auseinandersetzung über den Young-Plan Anlass für eine auch organisationelle Abspaltung der Volkskonservativen.302 Der Young-Plan hatte eine Neuregelung der Reparationszahlungen zum Ziel, die das Deutsche Reich den Siegermächten des Ersten Weltkriegs auf Basis des Versailler Vertrags zu leisten hatte. Obgleich er eine erhebliche Entlastung bedeutete, nahmen ihn rechtsradikale und rechtsextreme Organisationen und Parteien, darunter DNVP und NSDAP, zum Anlass, mit einer großangelegten Kampagne und mit dem In­ strument des Volksentscheids gegen ihn, gegen den Versailler Vertrag insgesamt und letztlich gegen die Republik zu agitieren. Während auch die gemäßigteren Kräfte innerhalb der DNVP die Forderungen des als „Freiheitsgesetz“ in den Reichstag eingebrachten Entwurfs auf Basis des Volksentscheids im Großen und Ganzen unterstützten – sie beinhalteten Zurückweisung der Kriegsschuld und die Ablehnung weiterer Reparationszahlungen –, waren sie nicht bereit, Paragraph 4 mitzutragen. Dieser sah vor, dass Regierungsvertre300  Vgl. Gasteiger, Daniela: Kuno von Westarp (1864–1945). Parlamentarismus, Monarchismus und Herrschaftsutopien im deutschen Konservatismus (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 117). Berlin/Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2018. S. 302. 301  Vgl. Jonas, Erasmus: Die Volkskonservativen 1928–1933. Entwicklung, Struktur, Standort und staatspolitische Zielsetzung. Düsseldorf: Droste, 1965. S. 31 f., 47. 302  Vgl. ebd. S. 33 ff.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 289

ter, die Reparationszahlungen verantworteten, als Landesverräter zu gelten und entsprechend verurteilt zu werden hätten.303 Die gouvernemental ausgerichteten DNVP-Abgeordneten erblickten darin eine Provokation, die eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Rechtsparteien fürderhin unmöglichen machen und die DNVP an die NSDAP binden würde.304 Hugenberg verlangte die Unterstützung auch dieses Paragraphen und wies den Wunsch einiger Abgeordneter, die sich bei der Abstimmung enthalten wollten, eine Erklärung abzugeben, in der sie die Unterstützung des Gesetzes insgesamt betonen, aber die Ablehnung des Paragraphen 4 begründen wollten, zurück. Als einige Abgeordnete eine solche Erklärung – noch dazu in scharfer Form – nichtsdestoweniger veröffentlichten, führte das zum Austritt dieser Abgeordneten und weiterer Fraktionsmitglieder, unter ihnen Treviranus.305 Diese formierten sich zunächst als Volkskonservative Vereinigung, während andere Vertreter des volkskonservativen Flügels wie Westarp zunächst noch in der DNVP verblieben. Mit der Frage nach der Beteiligung der Partei am ersten Präsidialkabinett unter der Führung Heinrich Brünings (Zentrum) spitzte sich der Konflikt mit Hugenberg jedoch abermals zu. Während Hugenberg weiterhin jede Mitarbeit in einer Regierung auf der Basis der Weimarer Verfassung ablehnte, sah die Gruppe um Westarp die Entwicklung hin zu einer autoritäreren Regierungsform als begrüßenswerten Schritt an und war entschlossen, die Regierung Brüning zu unterstützen. Gegen die Parteilinie stimmten 25 Abgeordnete der DNVP-Fraktion in der Abstimmung über eine Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen im Juli 1930 für Brüning; daraufhin traten sie aus der DNVP aus und verbanden sich mit der Volkskonservativen Vereinigung.306 Noch im selben Monat formierte sich mit der Konservativen Volkspartei (KVP) eine gemeinsame Organisation der beiden Sezessionistengruppen, in denen monarchistisch-altkonservative Standpunkte genauso zu finden waren wie bündisch-jungkonservative. Ihre Vorstellungen verbanden sich in den im Gründungsaufruf der KVP proklamierten Zielen einer „starken Staatsgewalt“ und eines „wehrhaften Staates“, der die „regellose Massenherrschaft“ überwinden und an ihre Stelle „einen der geschichtlichen Entwicklung und natürlichen Gliederung unseres Volkes entsprechenden Staatsaufbau“ setzen, also eine ständische Ordnung etablieren sollte.307

Schildt, Konservatismus. S. 166 f. Jonas, Die Volkskonservativen. S. 50. 305  Vgl. ebd. S. 54 f. 306  Vgl. Schildt, Konservatismus. S. 169. 307  Zit. n. ebd. S. 170. 303  Vgl. 304  Vgl.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Bei der Wahl im September 1930 war der KVP jedoch kein großer Erfolg beschieden: gerade einmal 0,8 Prozent der Wählerstimmen konnte sie gewinnen. Nichtsdestoweniger trat Treviranus, der schon der ersten Regierung Brünings angehört hatte, auch in dessen zweites Kabinett ein. Der Sturz Brünings Ende Mai 1932 und die Ernennung Franz von Papens zum Reichskanzler bedeutete allerdings faktisch bereits das Ende der KVP; zur Reichstagswahl im Juli 1932 trat die Partei nicht mehr an.308 Müller teilte nicht nur die politischen Ziele der KVP, er suchte nach 1945 auch den Kontakt zu ihren Vertretern, um ihre historische Rolle in seinem Sinne ins rechte Licht zu rücken. So berichtet er, dass er mit Ullmann wiederholt verkehrte, und zusammen mit Treviranus kämpfte er in den späten 1950er Jahren zäh um die Memoiren Brünings und wollte auch dessen eigene Erinnerungen bei der DVA verlegen.309 Während der 1920er und 1930er Jahre stand Müller zudem mit Vertretern anderer Rechtsparteien in Kontakt, die sich gegen eine Annäherung an die NSDAP verwahrten und schließlich den Weg in den Widerstand gegen die Nazis fanden. So bezeichnete Müller Fritz-Dietlof von der Schulenburg als seinen Freund,310 vor allem aber verband ihn eine enge Beziehung mit Carl Friedrich von Goerdeler, der von 1930 bis 1937 für die DNVP als Leipziger Oberbürgermeister amtierte und 1944 neben Claus Schenk Graf von Stauffenberg der führende Kopf der Verschwörer des 20. Juli war; im Falle des erfolgreichen Umsturzes hätte er neuer Reichskanzler werden sollen.311 Müller, der seine Erinnerungen an die Zwischenkriegszeit und die Jahre des „Dritten Reiches“ in den 1970er Jahren in verschiedenen kurzen Texten festhielt, die mitunter der Charakter kleiner Abenteuergeschichten annehmen, schildert etwa, wie Goerdeler ihn durch Nutzung seiner Kontakte zur Reichsbank dabei unterstützte, eine Schweizer Niederlassung des Reclam-Verlags zu gründen, die als Umschlagplatz für literarische Rechte dienen, aber auch Leipziger Buchbestände aufnehmen sollte, um diese – vor dem Hintergrund der Bombardierung Leipzigs im Dezember 1943 – vor der Zerstörung zu schüt­zen.312 Jonas, Die Volkskonservativen. S. 122 f. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Gottfried Treviranus vom 6. Mai 1958; Morsey, Treviranus als Interpret Brünings. S. 601. Siehe dazu auch Kapitel E. IV. 1. 310  Vgl. BAK, N 1166/366, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 10, 1. Sept. 1953–30. Sept. 1954: Schreiben Gotthold Müllers an Gerhard Ritter vom 11. August 1954. 311  Vgl. Mommsen, Hans: Zur Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Demokratie, Diktatur, Widerstand. München: DVA, 2010. S. 264–287. 312  Vgl. DLA, B: Müller, Gotthold/Kopien: Die Gründung der Firma Reclam & Cie. Zürich. Ein verborgenes Kapital der Verlags- und Zeitgeschichte (Manuskripttitel). 308  Vgl. 309  Vgl.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 291

Die Verbindung zwischen den beiden war jedoch nicht auf berufliche Dinge beschränkt, sondern erstreckte sich auch auf das Politische. Denn Müllers Festhalten an seiner, in seinen Formulierungen, „unwandelbaren Ge­ sinnung“ und seiner „engen Beziehung zu Goerdeler“ führte ihn in das Umfeld des Goerdeler-Kreises und damit in das des Widerstands gegen den Nationalsozialismus,313 dem er durch seine Beziehungen zu Adolf Reichwein oder Benno Ziegler ohnehin nahestand. Müller, so berichtete dieser es Gerhard Ritter im August 1954 und hielt es im Mai 1970 in einem ausführlicheren Text fest, war von Goerdeler in die Vorbereitungen eines schließlich unausgeführt gebliebenen Umsturzversuches im Herbst 1943 eingebunden worden, obgleich er nicht zum engeren Kreis der Widerständler gehörte: „Die Generäle seien endlich bereit zu handeln. Sein Vertrauensmann, der in seiner Nachbarschaft wohnende Fabrikbesitzer Kramer, befände sich z. Z. in Rumänien und Stände [sic] ihm daher nicht zur Verfügung. Er hätte gestern in Berlin bei einer Zusammenkunft mit meinem Freunde, dem Grafen Fritz-Dietlof von der Schulenburg, vereinbart, daß mich Schulenburg an dem bevorstehenden Tag X anruft, um mir eine für ihn bestimmte camouflierte Nachricht durchzusagen. Sollte Schulenburg verhindert sein selbst zu sprechen, würde entweder ein Graf Stauffenberg (hier hörte ich den Namen des Attentäters zum ersten Mal) oder ein Reichsbankdirektor Waldhecker das entscheidende Gespräch führen. Dr. Goerdeler teilte mir mit, daß er sich noch heute Abend in die Privatklinik von Prof. Seiffert […] begeben wollte, […] um sich in diesen entscheidenden Tagen in den Hintergrund zu begeben. Er bat mich, ihn sofort nach dem zu erwartenden Anruf aus Berlin in seinem Krankenzimmer aufzusuchen, ‚denn dann ist es soweit‘, wie er mir mit starker Betonung sagte, und seine Worte klingen mir heute noch im Ohr. Ich erklärte mich ohne Zögern bereit, diesen Auftrag zu übernehmen, worauf mich Dr. Goerdeler sehr schnell verabschiedete, da er noch viel zu erledigen hätte. Es war eine der kürzesten, aber auch die schwerwiegendste meiner zahlreichen Begegnungen, die ich in jenen dunklen Jahren mit Dr. Goerdeler hatte.“314 Dass der Plan nicht in die Tat umgesetzt wurde, so hält Müller mehr als ein Vierteljahrhundert später fest, habe in ihm ein „Gefühl der Enttäuschung über die verpaßte Gelegenheit“ ausgelöst.315

313  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Gottfried Treviranus vom 6. Mai 1958. 314  DLA, B: Müller, Gotthold/Kopien: Als der heiße Draht über mich laufen sollte. Ein Stück Zeitgeschichte und ein Beitrag zur Geschichte des Hauses Reclam (Manuskripttitel). Hervorhebung im Original. 315  Ebd.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Auch im Vorfeld des Attentatsversuchs vom 20. Juli 1944 hatte Müller seiner eigenen Überlieferung zufolge eine Rolle gespielt. Im Auftrag Goerdelers habe er, nachdem im Juni die alliierte Invasion begonnen hatte, in Stockholm eine Unterredung mit dem Konsul Wallenberg geführt, um zu eruieren, welche Friedensbedingungen im Falle eines erfolgreichen Umsturzes zu erwarten seien. Müller hatte die Möglichkeit zur Ausreise, weil Reclam am schwedischen Unternehmen Weltbokhandel beteiligt und er während des Kriegs bereits mehrfach in Verlagsangelegenheiten nach Stockholm gereist war.316 Ritter berichtete er vom Ergebnis der Gespräche, die „Auskunft, die ich Goerdeler am 20. Juni, unmittelbar vor seiner Reise nach Ostpreussen in seiner Leipziger Wohnung erteilen konnte, lautete negativ“.317 In Müllers Obhut habe sich außerdem das Manuskript einer von Goerdeler und anderen erarbeiteten „Wirtschaftsfibel“ befunden, das er im Falle eines erfolgreichen Umsturzes „sofort in hoher Auflage herauszubringen“ sich verpflichtet habe.318 Wenngleich unklar bleibt, wie eng Müller tatsächlich mit den Akteuren des Widerstands verbunden war und welche Rolle er für deren Aktivitäten spielte, so deutlich ist sein Bemühen, seine Arbeit nach 1945 in den Dienst der Erinnerung und Ehrung des konservativen Widerstands zu stellen. Sie bestimmten seine verlegerische Tätigkeit nicht nur bei der DVA. Nach seinem Ausscheiden gründete er in München seinen eigenen Verlag, den Gotthold-MüllerVerlag, für dessen Programme, die mitunter wie eine Fortsetzung der DVAProgramme der zweiten Hälfte der 1950er Jahre in einem anderen Hause scheinen, Darstellungen des Widerstands ebenfalls von herausragender Bedeutung waren. Hier erschienen eine Sammlung der politischen Programme Becks und Goerdelers, Dokumente und Briefe Adolf Reichweins, ein Portrait des widerständigen Heeresrichters Karl Sack, Eberhard Zellers Betrachtungen zum 20. Juli unter dem Titel Geist der Freiheit oder die Dokumentation der Ansprachen, Manifeste und Predigten anlässlich des Gedenktages am 20. Juli 1964.319 316  Vgl. Ruppelt, Georg: Gotthold Müller. Verleger in schweren Zeiten. In: Aus dem Antiquariat 25 (1991). S. 98–101. Hier S. 99. 317  BAK, N 1166/366, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 10, 1. Sept. 1953–30. Sept. 1954: Schreiben Gotthold Müllers an Gerhard Ritter vom 10. August 1954. In einer seiner Erinnerungsnotizen, die unter dem Titel „Meine Stockholmer Mission“ im Reclam-Archiv Stuttgart überliefert ist, die allerdings nicht persönlich eingesehen werden konnte, berichtet Müller hingegen, dass Wallenberg ausgeführt habe, dass ein Umsturz sich trotz der fortgeschrittenen Invasion positive Auswirkungen bei möglichen Friedensverhandlungen hätte. 318  DLA, B: Müller, Gotthold/Kopien: Als der heiße Draht über mich laufen sollte. Ein Stück Zeitgeschichte und ein Beitrag zur Geschichte des Hauses Reclam (Manuskripttitel). 319  Schramm, Wilhelm Ritter von (Hrsg.): Beck und Goerdeler. Gemeinschafts­ dokumente für den Frieden 1941–1944. München: G. Müller, 1965; Schulz, Ursula



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 293

Auch zivilgesellschaftlich engagierte sich Müller in diesem Zusammenhang: Im Vorfeld des 25. Jahrestages des Attentatsversuchs vom 20. Juli 1944 war er im Arbeitsausschuss der Aktionsgemeinschaft 20. Juli 1944 tätig und in dieser Funktion gemeinsam mit einer Vielzahl von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter neben vielen anderen Hermann Abs, Theodor W. Adorno, Innenminister Ernst Benda, Heinrich Böll, Willy Brandt, Werner Conze, Günter Grass, Otto B. Roegele, Carlo Schmid, Hans Walz, Herbert Wehner und Richard von Weizsäcker, Unterzeichner eines Manifests, das der Befürchtung Ausdruck verlieh, „daß das Bewußtsein für das historische Phänomen der Widerstandsbewegung und ihre fortwirkende geistige und politische Bedeutung in unserem Volke schwindet“. Die Unterzeichneten seien der „Überzeugung, daß einer solchen Entwicklung begegnet werden muß. Sie sind daher entschlossen, durch gemeinsame Anstrengungen das Gedankengut des Widerstandes über den Wechsel der Generationen hinaus lebendig zu erhalten, ein Vermächtnis, das in der Besinnung auf elementare Menschlichkeit, dem Beispiel entschiedener Überzeugungstreue und der Vertiefung rechtsstaatlichen Denkens besteht.“320 Müllers Motivation und mithin seine Mission sind so präzise umschrieben. 3. „Der führende politische Verlag der Bundesrepublik“ Die Aufarbeitung der Zeitgeschichte und der Kampf um einen angemessenen Platz der Widerstandsbewegung in ihr war freilich nicht das einzige Anliegen der DVA unter Müller. Unter seiner Ägide knüpfte sie auch an eine Tradition an, die bereits seine Vorgänger nach 1945 pflegten, nämlich an die eines auch in dem unmittelbaren politischen Geschehen seiner Gegenwart engagierten Verlags. Bereits im 19. Jahrhundert spiegelten sich, wie dargestellt, die politischen Entwicklungen Deutschlands im Programm der DVA wider, wo sich Liberale und Konservative, Revolutionäre und Reformer gleichermaßen fanden. Nach der Reichsgründung indes dominierte eine etatistische Linie, die sich vor allem den etablierten Eliten des neuen Staates widmete. Nur eine Anekdote ist es, dass die Nähe zu diesen Eliten, vor allem denen des Südwestens, auch eine persönliche war: Eduard Hallbergers jüngere Tochter Helena war mit der württembergischen Königin Charlotte befreundet. Durch Heirat des (Hrsg.): Adolf Reichwein. Ein Lebensbild aus Briefen und Dokumenten. München: G. Müller, 1974; Bösch, Hermann: Heeresrichter Dr. Karl Sack im Widerstand. Eine historisch-politische Studie. München: G. Müller, 1967; Zeller, Eberhard: Geist der Freiheit: Der 20. Juli. München: G. Müller, 41963; o. Hrsg.: Berlin, 20. Juli 1964: Ansprachen, Manifeste und Predigten. München: G. Müller, 1964. 320  DLA, A: Zuckmayer, Carl/Gedenkrede zum 20. Juli 1969: Schreiben Gotthold Müllers an Carl Zuckmayer, 1969.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Oberhofmarschalls Charlottes, des Freiherrn Carl von Reitzenstein, stieg sie in den Adelsstand auf und durch das Erbe ihres Vaters kam sie zu einem erklecklichen Vermögen. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließ sie sich ein wahrlich fürstliches Heim errichten: die Villa Reitzenstein. Nicht einmal zehn Jahre nach der Fertigstellung veräußerte Helena sie an den Volksstaat Württemberg. Von 1952 an residierten hier die baden-württembergischen Ministerpräsidenten.321 Die instabilen politischen Verhältnisse der Weimarer Republik indes scheinen die DVA unter Kilpper nicht besonders angeregt zu haben, genauso wenig ihre führenden Persönlichkeiten, jedenfalls finden sie sich nicht in den Verlagsprogrammen der Zwischenkriegszeit. Da freilich eine Beschäftigung mit den prägenden Politikern und Politiken einer Zeit in aller Regel erst aus dem Blick zurück fruchtbar wird, ist es nur folgerichtig, dass auch in den 1920er und 1930er Jahren in erster Linie noch die Figuren der Kaiserzeit von Interesse waren, wenngleich zum Beispiel Matthias Erzberger – der Politiker des Zentrums fungierte 1919/20 als Reichsminister der Finanzen und wurde 1921 von rechtsextremen Attentätern ermordet – im Programm der DVA vertreten war (allerdings mit einem Rückblick auf den Krieg).322 Stärker noch rückte die Weimarer Politik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den Fokus der DVA, insbesondere nachdem Gotthold Müller die Geschäftsführung übernommen hatte. Gleichzeitig entwickelte sich die DVA nach 1945 zu einem Forum der politisch Verantwortlichen der neuen deutschen Demokratie – und trug mithin zu deren Legitimation gerade in konservativen Kreisen bei, indem sie in eine implizite Traditionslinie mit dem Kaiserreich gestellt wurden; den demokratischen Kräften der Weimarer Republik war das weitestgehend verwehrt geblieben. Die Titel wiesen dabei einerseits einen regionalen Fokus auf (das spätere) Baden-Württemberg auf, nahmen andererseits und in zunehmendem Maße Bonn in den Blick und entwickelten teilweise auch eine europäische Perspektive. Hier publizierten und publizieren bis heute Ministerpräsidenten, Bundespräsidenten, Bundeskanzler, Bundestagspräsidenten sowie deren Biographen und Deuter.323 Die DVA, weiß Blaschke, „entfaltete mit DVA, 175 Jahre. S. 26. Matthias: Erlebnisse im Weltkrieg. Stuttgart: DVA, 1920. 323  Bspw. Lübke, Heinrich: Führung und Bildung in der heutigen Welt. Festschrift zum 60. Geburtstag von Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger. Stuttgart: DVA, 1964; Adenauer, Konrad: Erinnerungen, Bd. 1–4. Stuttgart: DVA, 1965–1968; Heuss, Theodor: Von Ort zu Ort. Wanderungen mit Stift und Feder. Stuttgart: DVA, 1986; Schmidt, Helmut: Was wird aus Deutschland? Stuttgart: DVA, 1994; Schwarz, HansPeter: Helmut Kohl. Eine politische Biographie. München: DVA, 2012; Lammert, Norbert (Hrsg.): Christlich-Demokratische Union. Beiträge und Positionen zur Geschichte der CDU. München: DVA, 2020. 321  Vgl.

322  Erzberger,



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 295

Brüning, Adenauer, Kiesinger, Gräfin Dönhoff, Heuss ihre Sammeltätigkeit stark im christlich-konservativen und liberalen Gefilde“.324 Nicht zu Unrecht konstatierte deshalb Felix Berner, derlei Titel hätten der DVA „den Ruf eingebracht, der Verlag der deutschen Kanzler zu sein“.325 Schon in den ersten Nachkriegsjahren entwickelte die DVA ein deutlich von der Politik ihrer Gegenwart geprägtes Programm, sodass im Geschäftsbericht für das Jahr 1954 konstatiert werden konnte, dass der „Ruf der Deutschen Verlags-Anstalt als des führenden politischen Verlags der Bundesrepublik wesentlich gefestigt“ worden sei.326 Dabei hielt die DVA einerseits an im skizzierten Sinne etatistischen Schriften fest, die sich entfernterer Epochen annahmen. 1950 erschien Bismarck selbst, in dem der „Abendländer“ Robert Ingrim „1.000 Gedanken des Fürsten Otto von Bismarck“ versammelte, 1954 sollte der vom Marcks-Schüler Willy Andreas herausgegebene Politische Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar vorgelegt werden, der dann allerdings, obwohl er bereits in den Buchhandels­ prospekten angekündigt war, bei Vandenhoeck & Ruprecht erschien.327 Auch solche Titel wurden freilich in eine unmittelbare Beziehung zur Gegenwart gestellt – und damit in einen Diskurs, der konservative Topoi in die Debatte über die Konstitution der jungen Bundesrepublik einbrachte. So wurde etwa in der Werbung für den Bismarck-Titel eine in den Deutschen Kommentaren Silex’ erschienene Rezension zitiert, die betont: „In jedem dieser tausend Gedanken finden wir aktuellste Bezogenheiten auf die Fragen, die die Mensch­ heit heute quälen.“328 Die Neue Zürcher Zeitung hingegen übte „schar­fe Kritik“ an dem Buch.329 Andererseits bildeten weiterhin zeithistorische Betrachtungen einen Schwer­punkt, die noch unmittelbarer für die Gestaltung der neuen Republik instruktive Lehren bereitzuhalten versprachen. Mittelbar war das bei Titeln der Fall, die sich ideellen Grundlagen der Politik widmeten, wie Friedrich 324  Blaschke,

Verleger machen Geschichte. S. 350. Louis und Eduard Hallberger. S. 92. 326  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1954. 327  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 108 Das gute DVABuch. Katalog Herbst 1950. S. 32; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952–1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1954. S. 6. 328  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 108 Das gute DVA-Buch. Katalog Herbst 1950. S. 32. 329  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 304 Bosch Korrespondenz 1950–1952: Schreiben Wilhelm Kimmichs an Willy Marquardt vom 4. Januar 1951. 325  Berner,

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Sells im Frühjahr 1953 veröffentlichte Geschichte des deutschen Liberalis­ mus,330 die „zugleich eine Geschichte Deutschlands der letzten 150 Jahre“ sei und damit ein historisches Interesse ebenso befriedige wie denjenigen, „der am politischen Geschehen unserer Zeit Anteil nimmt“.331 Auch politische Memoiren von „Weimarern“ zielten nicht direkt auf politische Wirksamkeit in der Nachkriegsgesellschaft, trugen aber wiederum zur Herstellung einer epochenübergreifenden Kohärenz bei. Wilhelm Keil beispielsweise habe mit seinen Erinnerungen eines Sozialdemokraten ein „sachlich wichtiges, menschlich schönes Werk geschaffen, das für die politische Geschichte Württembergs und Deutschlands in den letzten fünfzig Jahren von großer Bedeutung ist und bleiben wird“.332 Ähnlich zu verorten sind die Memoiren Ernst Jäckhs, der Beziehungen zu Friedrich Naumann, Alfred von Kiderlen-Waechter und Theodor Heuss pflegte und ein engagierter Befürworter eines demokratisch-parlamentarischen Systems war, das im Frühjahr 1954 unter dem Titel Der goldene Pflug erschien und „hinter die Kulissen der Politik unseres Jahrhunderts“ zu führen versprach.333 Ganz explizit hingegen war der Anspruch, einen Beitrag zur Gestaltung der deutschen Nachkriegsordnung zu leisten, bei Hermann Dietrich, der nach dem Ersten Weltkrieg die DDP mitgegründet hatte, unter Brüning zum Vizekanzler aufgestiegen war und 1946 mit Theodor Heuss und Reinhold Maier die Demokratische Volkspartei in der Tradition der DDP ins Leben rief, die später den baden-württembergischen Landesverband der FDP konstituieren sollte. Mit seinem 1951 veröffentlichten Buch Auf dem Weg zum neuen Staat334 gedachte er aus liberal-konservativer Warte „seine Meinung zur heutigen Lage Deutschlands zu sagen“.335 Seine Ratschläge verband die DVA in der Darstellung des Titels mit einer Kritik an der erst seit wenigen Jahren sich entfaltenden Praxis der öffentlichen politischen Auseinandersetzung im neuen demokratisch-parlamentarischen System: „Als ein Mann, der lange Jahre an entscheidender Stelle politisch handelte, gibt er keine Theo330  Sell,

1953.

Friedrich: Die Tragödie des deutschen Liberalismus. Stuttgart: DVA,

331  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1953. S. 17. 332  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 120 Broschüre „Bücherverzeichnis 1946–1949, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart“, 1949. S. 27. 333  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1954. S. 9. 334  Dietrich, Hermann: Auf dem Weg zum neuen Staat. Die deutsche Aufgabe Stuttgart: DVA, 1951. 335  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 107 Broschüre „Unsere Bücher 1946–1951“ aus dem Herbst 1951. S. 20.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 297

rien, sondern eine nüchterne Bestandsaufnahme und ebenso nüchterne praktische Vorschläge. Die Fragen, die er anschneidet, sind die Fragen, die in jedem Deutschen aufsteigen, wenn er sich Gedanken darüber macht, wo wir stehen und was weiter werden soll. Die betonte Schmucklosigkeit des Vortrags, die schlichte Sachlichkeit wird den mit politischen Phrasen überfütterten Leser besonders wohltuend berühren.“336 Einer solchen Kritik – einer konstruktiven, grundsätzlich systemaffirmativen, die Ausdruck von Orientierungsdiskursen war, die sich eben nicht nur auf die ideelle Grundlagen des neuen Staates beschränkten, sondern auch seine politische Praxis in den Blick nahmen – entsprach auch Theodor Eschenburgs 1955 in einer Erstauflage von 3.300 Exemplaren erschienene Betrachtung zu Staatsautorität und Gruppenegoismus.337 Eschenburg, der verschiedene Ämter in der Regierung Württemberg-Hohenzollerns bekleidet hatte, Mitherausgeber der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte war und 1952 als Ordinarius der Politikwissenschaft nach Tübingen gerufen worden war, beschreibt darin die von ihm ausgemachte „deutliche Tendenz der Wandlung unseres Verfassungszustandes zu einem ‚Bund der vereinigten Verbände, Kirchen, Kreis- und Stadtrepubliken‘ “. In der Manier eines klassischen Konservatismus, der eine Auflösung der Gemeinschaft zugunsten von Partikular­ interessen befürchtet, deren augenfälliger Ausdruck der „Parteienstaat“ ist, warnt er davor, dass die „Unabhängigkeit der Verwaltung, die in einem Vielparteienstaat allein die Geltungskraft demokratischer Entscheidungen sichern kann, [gefährdet würde] durch die sich immer mehr verbreitende und verfeinernde Einflußnahme der Interessenverbände aller Art auf die Personalpolitik. […] Ein ‚Gefälligkeitsstaat‘ entsteht, in dem die Parteien, die Berufsverbände, Konfessionen, die Landsmannschaften usw. sich ihre ‚Verbandsherzogtümer‘ sichern. Auf diese Art werden die Qualität und Verantwortungsfreude der Beamten gemindert, Ministerien zu Parteiinstitutionen de­ gradiert.“338 In der Darstellung des Werks betont die DVA, dass es dabei um „alles andere als ‚zersetzende Kritik‘ “ gehe, sondern „darum, einen Beitrag zur Formung unserer politischen Sitten zu liefern, deren Verfall eine natürliche Folge des Hitlerschen Überstaates ist“,339 es Autor und Verlag also um einen Beitrag zu Formierung der Nachkriegsordnung in einem organisch-demokra336  Ebd.

337  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Statistik: Neu-Titel und Neu-Auflage 1955, Stand am 31.12.1955, vom 31.1.1956, Neuerscheinungen Herbst 1955. 338  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen-Verlagsanstalt, Herbst 1955. S. 4. 339  Ebd.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

tischen Sinne zu tun sei. In dessen Zentrum stand freilich eher die Exekutive denn die Legislative und man mag hier Anklänge konservativer beziehungsweise nationalliberaler Affinitäten zu den Präsidialkabinetten der Endphase der Weimarer Republik erkennen.340 Wie Eschenburgs Beitrag widmeten sich eine ganze Reihe von DVA-Titeln, insbesondere der frühen Nachkriegsjahre, ganz konkreten, mitunter recht spezifischen Fragen der Neuformierung der deutschen Gesellschaft und ihres Staates sowie der vorpolitischen Vergesellschaftungsinstanzen. So skizzierte der 1945 als Antinazist (er hatte zum Kreis um Rudolf Pechel gehört) von der französischen Militärregierung eingesetzte und schließlich bis 1974 amtierende Stuttgarter Oberbürgermeister Arnulf Klett 1948 in Bürger, Gemeinde, Staat341 „ein Bild von den neuen Wegen, die nach dem Zusammenbruch beim Wiederaufbau der deutschen Kommunalverwaltungen beschritten werden mußten“, mit dem die zentrale Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips betont wurde.342 Eberhard Müller legte im Frühjahr 1950 seine Überlegungen zu Recht und Gerechtigkeit in der Mitbestimmung vor und entwarf das evangelisch-christlich fundierte Ideal einer durch Partnerschaft geprägten Mitverantwortung und Mitbestimmung von Arbeitnehmern, das sich in der in der Nachkriegszeit hitzig debattierten Mitbestimmungsfrage einen organisch-harmonischen Kompromiss anstatt einer interessengeleiteten Konfrontation versprach und zu einem industrienahen Verlag wie der DVA zweifellos gut passte.343 Speziellen Zuschnitts war eine Arbeit Heinrich Hassingers, die bereits 1946 erschien und sich der Jugendherbergen im Neuaufbau Deutschlands annahm.344 Im DVA-Programm nahm sie sich einerseits durchaus merkwürdig aus, fügte sich andererseits aber insofern stimmig darin ein, als Hassinger 340  Vgl. bspw. zur Position Gerhard Ritters Cornelißen, Christoph: Gerhard Ritter. Geschichtswissenschaft und Politik im 20. Jahrhundert (= Schriften des Bundesarchivs, Bd. 58). Düsseldorf: Droste, 2001. S. 180. 341  Klett, Arnulf: Bürger – Gemeinde – Staat. Aus dem Wirken einer Stadtverwaltung in den Jahren nach dem Zusammenbruch. Stuttgart: DVA, 1948. 342  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 120 Broschüre „Bücherverzeichnis 1946–1949, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart“, 1949. S. 20. 343  Müller, Eberhard: Recht und Gerechtigkeit in der Mitbestimmung. Ein evangelischer Ratschlag Stuttgart: DVA, 1950; siehe auch Jähnichen, Traugott: Kirchentage und Akademien. Der Protestantismus auf dem Weg zur Institutionalisierung der Dauerreflexion. In: Friedrich, Norbert/Jähnichen, Traugott (Hrsg.): Gesellschaftspolitische Neuorientierungen des Protestantismus in der Nachkriegszeit (= Bochumer Forum zur Geschichte des sozialen Protestantismus, Bd. 3). Münster: Lit-Verlag, 2002. S. 127–144. Hier S. 130. 344  Hassinger, Heinrich: Die Jugendherbergen im Neuaufbau Deutschlands. Stuttgart: DVA, 1946.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 299

1945 von Theodor Bäuerle als Mitarbeiter des, bis 1954 so titulierten, Kultministeriums nach Stuttgart geholt wurde und damit einer von vielen Vertretern südwestdeutscher Kultuspolitik war, die bei der DVA Debattenbeiträge veröffentlichten.345 Diese widmeten sich vor allem Fragen der Gestaltung des Schulsystems der Nachkriegszeit, deren Beantwortung durchaus progressive Züge trug. So hatte Hellmut Becker, der dem George-Kreis angehört hatte, als Jurist zahlreiche NS-Kriegsverbrecher vertreten hatte,346 später Mitbegründer des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung war, in den 1950er Jahren zwei Titel bei der DVA pu­bliziert,347 die konstatierten, „daß die Zukunft der westlichen Welt davon abhängt, freie Menschen zu bilden und nicht bereits durch die Schule Funktionäre zu erzeugen“.348 Die Notwendigkeit der Autonomie von Schülern und Schule betonte auch Hans Heckel, der 1958 Eine Grundordnung der deutschen Schule skiz­ zierte:349 „Dazu gehört insbesondere die Klarstellung des Status der einzelnen Schule, die als freier Träger demokratischer Bildungs- und Erziehungsarbeit mehr sein muß als nur ein verwaltetes Glied in der Organisations­ hierarchie der Schulbehörden.“350 Die Beziehungen der DVA zum baden-württembergischen Kult(us)ministerium waren in der Nachkriegszeit besonders eng, sodass es Gotthold Müller schon beinahe irritierte, dass der 1958 amtierende Kultusminister Gerhard Storz der Einweihung des Verlagsneubaus nicht beiwohnte.351 Doch nicht nur zu dieser Institution bestanden gute Verbindungen, auch zu anderen politischen Akteuren des Landes und des Bundes suchte man im Verlag eine gewisse Nähe. Zum Bundespräsidialamt bestand diese ohnehin, da Theodor Heuss dem Verlag nicht nur seit den 1920er Jahren als Autor verbunden war, sondern sein bisheriger persönlicher Referent Hans Bott, der vom Bundespräsidialamt zu Bosch wechselte,352 1958 auch in den Aufsichtsrat der DVA 345  Vgl. Wurtzbacher-Rundholz, Ingrid: Verfassungsgeschichte und Kulturpolitik bei Dr. Theodor Heuss bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland durch den Parlamentarischen Rat 1948–49. Frankfurt am Main: Peter Lang, 1981. S. 199. 346  Vgl. Frei, Vergangenheitspolitik. S.  179 f. 347  Becker, Hellmut: Kulturpolitik und Schule. Probleme der verwalteten Welt. Stuttgart: DVA, 1956; Becker, Hellmut: Bildung zwischen Plan und Freiheit. Stuttgart: DVA, 1957. 348  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1956. S. 1. 349  Heckel, Hans: Eine Grundordnung der deutschen Schule. Stuttgart: DVA, 1958. 350  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1958. S. 6. 351  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Gerhard Storz vom 24. September 1959. 352  Vgl. o. V.: Berufliches: Hans Bott. In: Der Spiegel 13 (1959), Nr. 41. S. 95.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

berufen wurde. Von dieser Personalie versprach man sich dort ganz explizit „eine wertvolle Mitarbeit, vor allem hinsichtlich der Zuführung politischer Autoren“.353 Die Nähe ging so weit, dass es opportun erschien, dass Müller Bott den oben erwähnten Entwurf für eine Stellungnahme des Bundespräsidialamts übersandte, die nicht nur die besondere Rolle der DVA bei „der geistigen Repräsentation der Bundesrepublik“ betonte, sondern den Bundespräsidenten auch „jede vertretbare Förderung der Deutschen Verlags-Anstalt durch die zuständigen Behörden“ befürworten ließ.354 Aber auch zu anderen Stellen wurden Kontakte gesucht und gepflegt. So berichtet Gotthold Müller von einer Reise nach Brühl, die er 1959 unternommen hatte. Dort habe er „so ungefähr alles getroffen und sprechen können, was mir interessant war, vom Herrn Bundeskanzler angefangen“.355 Dieser steuerte denn auch ein Vorwort für das in diesem Jahr erschienene Hoffnung im Wandel des christlichen Philosophen Gabriel Marcel bei,356 so wie Müller den nationalkonservativen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier als ehemaliges Mitglied des Kreisauer Kreises (und Vertrauten Klaus Mehnerts) für ein Vorwort der Reichwein-Biographie gewinnen wollte.357 Schriften führender politischer Köpfe selbst waren allerdings in den 1950er Jahren, anders als in den folgenden Jahrzehnten, im Programm der DVA nur selten zu finden. Dass insbesondere Müller jedoch darauf zielte, das zu ändern, zeigen seine Bemühungen um Manuskripte der DDP-Politikerin Else Ulich-Beil358 oder Carlo Schmids, den er – mit kulturkritischem Impetus – als Autor für den Verlag zu gewinnen suchte, denn „unserer an geistigen Direktiven so armseligen Zeit wäre ein gedankenreiches Werk aus Ihrer Fe353  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der Deutsche Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am Freitag, 4. Juli 1958, 12 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, Breitscheidstr. 4. 354  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 598 Geschäftsleitung Korrespondenz 1953–1958: Entwurf Gotthold Müllers für eine Erklärung des Bundespräsidialamtes, übersandt mit einem Schreiben an Ministerialdirektor Hans Bott vom 13. September 1957. 355  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 178 1959: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Wenzel Jacksch vom 22. September 1959. 356  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an einen Staatssekretär des Bundeskanzleramts vom 17. Dezember 1959. 357  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Eugen Gerstenmaier vom 27. Juni 1958; Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. S. 39. 358  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Else Ulich-Beil vom 16. Oktober 1958.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 301

der zu wünschen und wir wagen es, Sie darum zu bitten“.359 Mit der Darstellung der Reichswehrpolitik in der Weimarer Zeit durch den ehemaligen Reichswehrminister Otto Geßler fand sich ein weiterer DDP-Politiker im DVA-Programm.360 Beziehungen zu politischen Stellen konnten aber fruchtbar sein, ohne dass die Repräsentanten des Staates und seiner Institutionen selbst im Programm in Erscheinung traten. Denn ganz ähnlich, wie es für das Neue Abendland gezeigt wurde, suchte auch die DVA Veröffentlichungen, die sie als den Zwecken politischer Akteure dienlich verstand, durch diese fördern zu lassen. Angesichts des Ost-West-Gegensatzes betraf das in besonderem Maße Publikationen, die sich mit dem kommunistischen Europa befassten und um deren Unterstützung durch Bundesbehörden sich insbesondere Verlagsdirektor Müller und Cheflektor Felten intensiv bemühten. Dabei waren die Beziehungen zum Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (BMG) besonders eng, weil nicht nur der regelmäßig bei der DVA publizierende Wilhelm Wolfgang Schütz als „politischer Berater“ des Ministeriums fungierte,361 sondern der ehemalige Leiter der Berliner Außenstelle Karl Pagel auch dorthin wechselte und sich ein offenes Ohr für Anliegen seines alten Verlags bewahrte.362 Ein solches Anliegen war nicht zuletzt die Unterstützung der Zeitschrift Außenpolitik, die die DVA seit 1950 herausbrachte – und deren Schriftleiter Schütz bis 1958 war.363 Aufgabe der Zeitschrift sollte „die sachliche Information über weltpolitische Fragen aus der Feder erster in- und ausländischer Politiker, Wissenschaftler und Publizisten, die Eröffnung eines deutschen Forums für die Diskussion aussenpolitischer Fragen und die Schaffung eines Organs sein […], das die Möglichkeit bietet, eine deutsche Stellungnahme zu weltpolitischen Problemen vor der Weltöffentlichkeit laut werden zu lassen“.364 Ganz explizit war mit der Herausgabe das Ziel verbunden, die DVA noch stärker als politisch führenden Verlag zu positionieren und „wesentliche Verbindun359  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Gotthold Müllers an Karlo [sic] Schmid vom 31. Januar 1958. 360  Geßler, Otto: Reichwehrpolitik in der Weimarer Zeit. Stuttgart: DVA, 1958. 361  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952–1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1953. S. 47. 362  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 260 Korrespondenz mit DVA 1945–1965. 363  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 598 Geschäftsleitung Korrespondenz 1953–1958: Schreiben Gotthold Müllers an Wilhelm Wolfgang Schütz vom 3. Dezember 1958. 364  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Aktennotiz von Eichborns betr. Zeitschrift Aussenpolitik vom 2. Mai 1950.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

gen [zu] schaffen“, um „die historisch-politische und die Memoiren-Literatur“ im Programm weiter zu stärken.365 Die „selbstverständliche Überparteilichkeit der Zeitschrift“ sollte dadurch gewährleistet werden, dass keine Parteienvertreter als Herausgeber fungieren, als Mitarbeiter jedoch Vertreter verschiedener politischer Richtungen gewonnen werden sollten.366 Und in der Tat schrieben mit Carlo Schmid, Theodor Heuss, Walter Hallstein oder Kurt Georg Kiesinger nicht nur Angehörige von Union, FDP und SPD gleichermaßen für die Zeitschrift, sondern eben auch Köpfe, die die (außen-)politische Agenda der Bundesrepublik wesentlich mitbestimmten. Darüber hinaus finden sich zahlreiche, weltanschaulich unterschiedlich verortete Autoren unter den Beiträgern der Außenpolitik, die häufig auch Buchautoren der DVA waren oder wurden, darunter der liberale Max Bense genauso wie der „Abendländer“ Robert Ingrim, der als „ständiger Mitarbeiter“ in Erscheinung trat,367 der CSU-Rechtsaußen Winfried Martini oder eben der spätere Sozialdemokrat Wilhelm Wolfgang Schütz.368 Gleichwohl fügte sich das Gepräge der Außenpolitik bruchlos in den Regierungskonservatismus der Ära Adenauer; die sozialdemokratischen Beiträger sind denn auch in der Regel auf dem rechten Flügel ihrer Partei zu verorten. Die antikommunistische Stoßrichtung jedenfalls war Konsens, die Perspektive eines jenseits der Blöcke vereinten Deutschlands mitunter eine Tendenz369 – wenig verwunderlich, ging der Gründungsimpuls doch von dem Journalisten Hans Georg von Studnitz aus, der als überzeugter Anhänger des Nationalsozialismus während des „Dritten Reiches“ für das Auswärtige Amt und den Sicherheitsdienst gearbeitet hatte, nach dem Krieg Pressechef der Lufthansa wurde und seit den 1960er Jahren für konservative Periodika wie Christ und Welt und Welt am Sonntag schrieb, im Laufe der Zeit jedoch „immer mehr zu einem Außenseiter am rechten Rand der politischen Publizistik“ wurde und eine nationalistisch-neutralistische Position in der Deutschland­ politik bezog.370 Die neue Zeitschrift jedenfalls wurde durchaus wohlwollend aufgenommen. So konstatierte die Zürcher Tat, dass mit der Außenpolitik „[z]um 365  Ebd. 366  Vgl.

ebd.

367  WABW,

Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 304 Bosch Korrespondenz 1950–1952: Schreiben Willy Marquardts an Hans Walz vom 4. August 1950. 368  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Aktennotiz von Eichborns betr. Zeitschrift Aussenpolitik vom 2. Mai 1950. 369  Vgl. Asmussen, Nils: Hans-Georg Studnitz. Ein konservativer Journalist im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997), Nr. 1. S. 75–120. Hier S. 92 f. 370  Ebd. S. 75.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 303

erstenmal seit dem Zusammenbruch […] in Deutschland wieder eine repräsentative Zeitschrift, herausgegeben von einem Kollegium bewährter Sachkenner, die den außenpolitischen Problemen im weitesten Sinne gewidmet ist“, erscheine.371 Trotz solchen Lobs und der Zuversicht des für die Realisierung der Zeitschrift zuständigen DVA-Lektors von Eichborn, dass „praktisch ein fühlbares Defizit bei dieser Zeitschrift nicht entstehen“ dürfte,372 blieb auch die Außenpolitik, wie alle DVA-Publikumszeitschriften, ein Verlust­ geschäft. Allein im ersten Erscheinungsjahr musste der Verlag über 22.000 ­D-Mark zuschießen.373 Um dem zu begegnen, wollte Marquardt die „Beziehung zu Bonner Stellen“ fruchtbar machen und warb bei Bundespräsidial-, Bundespresse- und Bundeskanzleramt erfolgreich für die Abnahme von Abonnements.374 Eine grundlegende Verbesserung brachte das freilich nicht, weshalb noch acht Jahre später Müller die Unterstützung von Ministerpräsident Kiesinger, Kultusminister Storz und Bundesaußenminister Brentano erbat, während Felten beim BMG für die Wiederaufnahme von 150 Abonnements warb, denn die „Tatsache, dass die ‚Aussenpolitik‘ immer wieder Aufsätze über die das Ministerium interessierenden Themenkreise auch aus prominenten Federn bringt, dürfte doch wohl unsere Zeitschrift für Ihre Ziele geeignet erscheinen lassen“.375 Auch die Überlegungen für die Herausgabe einer englischsprachigen Ausgabe der Zeitschrift erfolgten in enger Abstimmung mit der Bundesregierung, konkret mit dem Bundespresseamt, das in den 1950er und 1960er Jahren regelmäßig Teilauflagen besonders interessierender Ausgaben abgenommen hatte.376 Nicht nur für die Außenpolitik hoffte man auf Förderung, auch politische Bücher erschienen mitunter in solchen Kooperationen. So sollte ein Band mit 371  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 108 Das gute DVA-Buch. Katalog Herbst 1950. S. 46. 372  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Aktennotiz von Eichborns betr. Zeitschrift Aussenpolitik vom 2. Mai 1950. 373  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Willy Marquardts an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 8. März 1951. 374  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 602 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Berichte über den Geschäftsgang; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Bericht Willy Marquardts zur „Außenpolitik“ vom 8. März 1951. 375  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Murawski, BMG, vom 2. Juni 1959. 376  Vgl. BAK, B 145/3158, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: „Außenpolitik“, herausgegeben von der Deutschen Verlags-Anstalt, Stuttgart. Haushalts- und Kassenangelegenheiten, 1954–1965.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Material aus dem Nachlass des 1957 verstorbenen Diplomaten und nationalliberalen Politikers Karl Georg Pfleiderer, der sich für ein vereinigtes Deutschland im Ausgleich mit der Sowjetunion eingesetzt hatte, in Zusammenarbeit mit dem baden-württembergischen Justizministerium entstehen, das – in Person des Ministers Wolfgang Haußmann selbst – eine Abnahmeverpflichtung des Auswärtigen Amtes für immerhin 500 Exemplare erwirkte.377 Das Außenministerium hatte bereits einige Jahre zuvor zugesagt, eine geplante Tocqueville-Gesamtausgabe mit 32.000 ­D-Mark zu finanzieren, um „im Anbeginn des Deutsch-Französischen Kulturabkommens […] die Franzosen durch diese Leistung für einen grossen französischen Autor zu gewin­ nen“.378 Und auch für Wenzel Jakschs Buch Europas Weg nach Potsdam,379 das die Vertreibung der Sudetendeutschen infolge der Politik Beneš’ behandelt und belegen will, dass „der führende tschechische Politiker durch seine Haltung und vor allem durch seine Moskaureise ‚ohne Not und Zwang‘ seine Heimat dem Kommunismus auslieferte“,380 bemühte sich der Verlag um Druckkostenzuschüsse und Festabnahmen. So konnte das Auswärtige Amt dazu bewogen werden, 300 Exemplaren des Buches abzunehmen,381 und zumindest für die 1959 erschienene zweite Auflage des Werkes schien der DVA ein Zuschuss notwendig, um den sich Autor und Verlag beim Staatssekretär des BMG, Franz Thedieck, bemühen wollten.382 Tatsächlich gewährte das Ministerium schließlich immerhin 2.500 der gewünschten 4.700 ­D-Mark „als Druckbeihilfe“.383 Auch die Produktion einer englischsprachigen Ausgabe wurde mit 25.000 ­D-Mark unterstützt384 und von Wolfgang Wagners 377  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 178 1959: Verlagsleitung F–J: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an das Justizministerium Baden-Württemberg aus dem Mai oder Juni 1959. Das Buch erschien 1961 unter dem Titel Politik für Deutschland. Reden und Aufsätze 1948–1956. 378  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Aktennotiz Gotthold Müllers vom 18. Oktober 1955. 379  Jaksch, Wenzel: Europas Weg nach Potsdam. Schuld und Schicksal im Donauraum. Stuttgart: DVA, 1958. Zu Vita und Wirken Wenzel Jakschs siehe Kapitel E. IV. 2. 380  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1958. S. 4. 381  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Wenzel Jaksch vom 25. August 1958. 382  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 178 1959: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Wenzel Jaksch vom 21. Juli 1959. 383  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an das BMG vom 23. November 1959. 384  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 178 1959: Verlagsleitung F–J: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Wenzel Jaksch vom 13. Mai 1959.



III. Wirkungsabsicht, Selbstverortung und Selbstdarstellung des Verlags 305

1959 erschienener Betrachtung über Die Teilung Europas wurde für das BMG eine mit besonderem Signet kenntlich gemachte Sonderauflage von 2.000 Exemplaren gedruckt.385 Exemplare des Buches (wie anderer Bücher auch) wurden vom Verlag zudem an Bundeskanzler Adenauer, Außenminister Brentano, Innenminister Schröder und Verteidigungsminister Strauß geschickt, „in der Annahme, Sie auf eine Veröffentlichung aufmerksam machen zu dürfen, die von ihrem Thema her – die Geschichte der sowjetischen Expan­sion bis zur Spaltung Deutschlands – sicherlich Ihr Interesse finden wird“, und in der Hoffnung, dass die Adressierten „Gelegenheit hätten, es im Rahmen Ihrer Absichten und Möglichkeiten zu fördern“.386 Die DVA stellte Teile ihrer Programme also bewusst in den Dienst der Ziele staatlicher und sonstiger politischer Akteure, unterstützte diese und teilte sie, so darf man wohl unterstellen, in einem gewissen Grade. Das ermöglichte die Akquise von Geldmitteln, die das verlegerische Risiko minimierten und damit die Produktion von Titeln ermöglichten, die nicht zuvörderst aufgrund ihres ökonomischen Potentials, sondern vor allem aufgrund ihrer Wirkungsabsicht in Verlag genommen wurden, erfüllte mithin gleichermaßen eine betriebswirtschaftliche wie politische Funktion. Die Nachkriegs-DVA ist also nicht nur insofern als politischer Verlag zu verstehen, als sie politische Diskurse und Entwicklungen in ihrem Programm spiegelte, politischen Akteuren ein Forum bot und gleichzeitig diese und andere politische Akteure als Unterstützer für die eigenen wirtschaftlichen Ziele zu gewinnen suchte; sie wirkte auch selbst als ein solcher politischer Akteur. Das schlug sich nicht nur in der Gestaltung des politischen Buchprogramms und der Veröffentlichung der Außenpolitik mit der Absicht, auf politische Diskussionen und politische Entscheidungsträger mit einer bestimmten Zielrichtung einzuwirken, selbst, wenn es ökonomisch wenig lukrativ war, nieder. Die DVA engagierte sich vereinzelt auch direkt in der Auseinandersetzung mit der DDR. So produzierte der Verlag 1958 eine Sonderauflage von 3.000 Exemplaren des SED-kritischen Buches Schein und Wirklichkeit in der DDR zweier in den Westen geflüchteter (Ex-)Sozialisten,387 die das Ostbüro der SPD zur Agitation gegen die SED in BRD und DDR nutzen 385  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Murawski, BMG, vom 19. November 1959. 386  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Außenminister Heinrich von Brentano vom 24. November 1959. An die anderen Genannten erging das Schreiben in gleichem Wortlaut. 387  Siehe dazu auch Kapitel E. IV. 2.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

konnte.388 Natürlich verbanden sich auch hier politische und ökonomische Ziele, bemerkenswert ist es dennoch, dass die liberal-konservative, arbeitgebernahe DVA im Dienste des Antikommunismus auch mit der vor Godesberg ja nach wie vor einer marxistischen Programmatik folgenden SPD zusammenarbeitete. Ebenfalls einer antikommunistischen Agenda folgend, aber genauso werbende Wirkung suchend, initiierte die DVA gemeinsam mit ihrem Autor Klaus Mehnert ein tibetisch-deutsches Freundschaftsstipendium, das dem Exil-Tibeter Tsewang C. Tethong – ein Dolmetscher des Dalai Lama – das Studium in Tübingen ermöglichen sollte.389 Müllers Nachfolger Kurz freilich sah derlei Aktionen kritisch und bezweifelte deren „ideellen Wert oder die Werbewirksamkeit für die Deva“.390 Der Verlag verschloss sich auch nicht dem Wunsch der Internationalen Vereinigung zur Gründung einer WeltUniversität,391 mit deren Hilfe ihr Initiator, der Theologe und Religionswissenschaftler Gustav Mensching, einen interreligiösen und interkulturellen Dialog institutionalisieren wollte, um der „Notsituation der Gegenwart“ zu begegnen.392 Weniger Ausdruck eines gezielten politischen Engagement denn der Branchenusancen war hingegen die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Gruppen, deren Rolle im pluralistischen bundesrepublikanischen System der Verlag damit gleichwohl stärkte, darunter vor allem solche, die kulturelle und soziale Arbeit leisteten, buchhändlerische Einrichtungen genauso wie zahlreiche kirchliche Initiativen oder auch die Arbeiterwohlfahrt.393

388  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Hermann Weber vom 24. März 1958; zu Geschichte und Wirken des Ostbüros der SPD vgl. Buschfort, Wolfgang: Das Ostbüro der SPD. Von der Gründung bis zur Berlin-Krise (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 63). München: Oldenbourg, 1991. 389  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Zeitungsartikel „Tibeter studiert in Tübingen“. 390  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 452 Interne Mitteilungen 1959–1961: Aktennotiz Eugen Kurz’ vom 21. September 1959 betr. Studienzuschuss für tibetanischen Studenten. 391  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Friedrich Planck, Sekretär der Internationalen Vereinigung zur Gründung einer Welt-Universität, vom 3. Oktober 1957. 392  Mensching, Gustav: Idee und Aufgabe der Weltuniversität. In: Yousefi, Hamdi Reza (Hrsg.): Gustav Mensching: Aufsätze und Vorträge zur Toleranz- und Wahrheitskonzeption. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2002. S. 283–292. Hier S. 286. 393  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 452 Interne Mitteilungen 1959–1961: Aktennotiz Eugen Kurz’ vom 23. Juli 1959 betr. „Spenden“.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 307

IV. Programmbereiche und Autorengruppen Dass die ersten Nachkriegsjahre angesichts der strukturellen und personellen Instabilität auch programmatisch weniger klar konturiert waren, nimmt nicht wunder. Der Wunsch nach der Akquise ein Massenpublikum ansprechender Bestsellerautoren zum einen, der jungen Avantgarde etwa um die Gruppe 47 zum anderen illustriert ein Tasten nach neuen Formen und Formaten, das sich der Tradition und des entwickelten Profils des Verlags bewusst war, diese aber zu ergänzen suchte. Das tragende Fundament blieben dabei gleichwohl die etablierten belletristischen Autoren, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle in den Programmen gespielt hatten, sowie Sachbücher zu Politik und Zeitgeschehen. Obgleich auch Leins, Maier, Marquardt und Kimmich diesen letzteren Programmbereich gepflegt und etwa die enge Kooperation mit dem IfZ initiiert hatten, war es insbesondere Gotthold Müller, der, wie Kilpper in der Zwischenkriegszeit, diesen Bereich in der Nachkriegszeit besonders gefördert hat. Die Entwicklung des Programms unter seiner Ägide muss auch vor seinem persönlichen und politischen Hintergrund verstanden werden. Insbesondere im Bereich der His­ toriographie verfolgte er ein klares geschichts- und gesellschaftspolitisches Pro­gramm. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus folgte in aller Regel einem Narrativ, das das Gros des deutschen Volkes als Opfer einer verbrecherischen Nazi-Elite begriff. Angesichts seiner eigenen engen Beziehungen zu Vertretern des Widerstands, vor allem der konservativen Gruppe um Goer­ deler, war es Müller aber darum zu tun, den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes deutlich zu machen, um die Notwendigkeit und den Heroismus des aktiven Vorgehens gegen ihn zu illustrieren. Damit ging einerseits eine Legitimierung des Weimarer Konservatismus einher, andererseits eine des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, dem in der Nachkriegszeit häufig noch der Ruch des Verrats anhaftete. Die Betrachtung des Kalten Kriegs erfolgte aus einer klar antikommunistischen Haltung heraus. Sie ging aber weder mit einer Verdammung all jener einher, die sozialistisches Gedankengut vertraten, noch mit einer ressentimentgeladenen Skizzierung des „Russen“ oder „Amerikaners“, wie es in konservativen Kreisen durchaus üblich war, wo häufig eine kulturelle Hybris sowohl gegenüber einem amerikanisch-materialistisch wahrgenommenen Westen wie gegenüber einem asiatisch-unzivilisiert charakterisierten Osten anzutreffen war. Solche Perspektiven verbanden sich häufig mit einer allgemeinen kulturkritischen Haltung gegenüber der Gegenwart, die sich auch in den Programmen der DVA niederschlug. Auch diese allerdings fanden sich hier meist

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

nicht in idealtypischer Form. Zeitdiagnostik, wie sie etwa im Merkur eine große Rolle spielte oder in den Werken Freyers und Ortegas, erschöpfte sich bei den DVA-Autoren in der Regel nicht im Konstatieren des Verlusts, sondern nahm die Herausforderung einer Auseinandersetzung mit Gefahren und Chancen ausgemachter (Fehl-)Entwicklungen an, aus der in einem dialektischen Prozess eine Gesellschaft erwachsen könne, in der konservative Werte bewahrt würden, die reaktionären Versuchungen aber widerstünde. In den Programmen der Nachkriegs-DVA spiegelten sich also zahlreiche der gerade den konservativen Diskurs der Zeit prägenden Topoi wider, seien es Fragen der Deutung des Nationalsozialismus und der deutschen Zeitgeschichte, sei es die Auseinandersetzung mit der geopolitischen Situation Deutschlands, dem Ost-West-Konflikt und dem Kommunismus, sei es eine an unterschiedlichen Entwicklungen und Beobachtungen festgemachte Kulturkritik; sie fanden sich dort aber eben häufig in gewendeter Form. 1. Geschichte und Geschichtspolitik Alle drei in Kapitel E. III. ausgeführten Dimensionen des Selbstverständnisses und der Selbstdarstellung der DVA sind entweder selbst genuin historischen und historiographischen Charakters oder stehen in einer unmittel­ baren Beziehung zur Geschichte. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass das historische Programm einerseits auch in der Nachkriegszeit konstitutiv für das Profil des Verlags war und dass dieses historische Programm andererseits tendenziell gegenwartsbezogener wurde. 1959 erklärte Gotthold Müller seine diesbezügliche „Grundeinstellung“ dahingehend, dass „je mehr die historische Belletristik dem Zuge unserer Zeit folgend, den Markt beherrscht, umso wichtiger und bedeutender […] die Pflege der exakten und historischen Wissenschaft“ sei.394 Diese Aussage stand freilich eher am Ende denn am Anfang einer Entwicklung, in der die Geschichte, die bei der DVA ja seit ihren Anfängen einen festen Platz in den Programmen hatte, eine zunehmend wichtigere Rolle für den Verlag spielte. Dies gilt zum einen in quantitativer Hinsicht, insofern als der Anteil historischer Betrachtungen in den DVA-Programmen der 1950er Jahre stetig zunahm: Können von den 53 im Katalog Das Jahr 1951 aufgeführten Titeln 10 Bücher, oder rund 17 Prozent, dem historischen oder zeithistorisch unterfütterten politischen Sachbuch zugeordnet werden, waren es im Katalog des Jahres 1957 bereits 12 von 36, also exakt ein Drittel.395 394  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Willy Andreas vom 8. Januar 1959. 395  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 110 Katalog „Das Jahr 1951“; WABW, Y-328, 117 DVA Katalog 1957. Die höhere Titelzahl des Katalo-



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 309

Das gilt zum anderen aber auch in qualitativer Hinsicht. Denn in den Nachkriegsprogrammen der DVA finden sich nicht wenige Beispiele jener „apologetischen Memoirenliteratur“, die Hermann Graml und Hans Woller als zeittypischen Gegensatz zu einer seriösen zeithistorischen Forschung ausmachen,396 etwa die oben erwähnten Memoiren Rudolf Diels’ oder auch die Leo Geyr von Schweppenburgs, der dem Hitler-Regime als Militärattaché in London gedient hatte.397 Solchen Selbstdarstellungen trat aber zunehmend eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seiner Vorgeschichte an die Seite, umso mehr, seit die DVA zum Hausverlag des IfZ avancierte, wohl nicht zuletzt, da zu dessen Vertretern zum Teil enge Verbindungen bestanden.398 Das IfZ, das seit 1952 seinen heutigen Namen trägt, wurde 1949 als Deutsches Institut für Geschichte der nationalsozialistischen Zeit in gemeinsamer Trägerschaft der Länder und des Bundes gegründet. Seine Etablierung ging auf die Anregung des Leiters der württemberg-badischen Landeszentrale für Heimatdienst Ernst Sattler und des Generalsekretärs des Länderrats Erich Roßmann zurück – eine erste Vorbesprechung von Emissären der Länder fand 1947 übrigens in der Villa Reitzenstein statt399 – und wurde von den amerikanischen Behörden unterstützt, schon weil dem Ziel der Reeducation der Deutschen ohne Bewahrung der Quellen, ohne Dokumentation und Analyse des nationalsozialistischen Staates, seines Funktionierens und seiner Verbrechen eine wesentliche Grundlage gefehlt hätte.400 Als erster Direktor, zunächst als „Generalsekretär“ betitelt, wurde mit Gerhard Kroll eine Persönlichkeit berufen, die als katholisch-konservativer Publizist und Politiker und als einer der Köpfe der Abendländischen Bewegung in Erscheinung getreten war – aber nicht als Historiker. Diese Personalie illustriert bereits die eigentümliche „Stellung zwischen Politik und Wissenges des Jahres 1951 erklärt sich vor allem daraus, dass in diesem auch Backlist-Titel aufgeführt sind, in dem des Jahres 1957 aber nur Neuerscheinungen und Neuauflagen. 396  Graml/Woller, Fünfzig Jahre Vierteljahrshefte. S. 54. 397  Geyr von Schweppenburg, Leo: Erinnerungen eines Militärattachés. London 1933–1937. Stuttgart: DVA, 1949. 398  Vgl. Graml/Woller, Fünfzig Jahre Vierteljahrshefte. S. 54. 399  Vgl. Auerbach, Helmuth: Die Gründung des Instituts für Zeitgeschichte. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 18 (1970), Nr. 4. S. 529–554. Hier S. 530. 400  Vgl. Schwarz, Hans-Peter: Warum eine Festschrift? Einführende Überlegungen des Beiratsvorsitzenden. In: Möller, Horst/Wengst, Udo (Hrsg.): 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte eine Bilanz. München: Oldenbourg, 1999. S. XV–XXV. Hier S. XXII; Möller, Horst: Das Institut für Zeitgeschichte und die Entwicklung der Zeitgeschichtsschreibung in Deutschland. In: Möller/Wengst, 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte. S. 1–68. Hier S. 8.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

schaft“, die das Institut auszeichnen sollte.401 Das Kuratorium als administratives Aufsichtsgremium wurde ebenfalls politisch besetzt, insofern in dieses Vertreter von Bund und Ländern entsandt wurden. Die Züge der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit sollte die Institutsleitung hingegen im Zusammenspiel mit einem wissenschaftlichen Beirat festlegen, der in seiner ersten Zusammensetzung ab 1950 15 reguläre Mitglieder hatte. Ludwig Bergsträsser, der in der Weimarer Republik erst der DDP, dann der SPD angehört hatte und für diese von 1949 bis 1953 im Bundestag saß, stand ihm vor. Mit Hermann Brill war ein weiterer SPD-Bundestagsabgeordneter vertreten, mit dem Holocaustüberlebenden Philipp Auerbach ein zweiter ehemaliger DDP-Angehöriger (dem schon 1951 Hellmuth Becker nachfolgte). Dem linkskatholischen Lager gehörte Eugen Kogon an, aus dem protestantisch-konservativen mit Beziehungen zum Widerstandskreis um Goerdeler waren Constantin von Dietze und – als einflussreichstes und lautstärkstes Mitglied des Beirats – Gerhard Ritter vertreten. Auch Hans Speidel, ehemaliger Reichswehr-General und Militärwissenschaftler aus dem Umfeld des militärischen Widerstands gegen Hitler, wurde berufen, genauso allerdings war in dem Gremium Platz für den NS-nahen Anthroposophen Ernst von Hippel. Des Weiteren gehörten dem Beirat Ludwig Dehio, Fritz Hartung, Erich Kaufmann, Theodor Litt, Franz Schnabel, Bernhard Vollmer und Wilhelm Winkler sowie als Ehrenmitglieder Theodor Heuss und Friedrich Meinecke an.402 Als Leiter des historisch-politischen Referats fungierte der katholische Historiker und Geschichtsphilosoph Karl Buchheim, der dem Goerdeler-Kreis nahegestanden hatte und an der Gründung der Leipziger CDU beteiligt war. Mit Kroll zusammen sorgte er in der Anfangsphase des Instituts für „eine deutlich katholisch-konservativ ausgerichtete Tendenz“.403 Kroll konnte sich auch deshalb nicht lange an seiner Spitze halten, weil insbesondere Gerhard Ritter, als einer der renommiertesten Neuzeithistoriker seiner Zeit und Vorsitzender des Deutschen Historikerverbands mit einigem Gewicht versehen, schon 1949 gegen die – von vornherein vorläufig intendierte – Berufung Krolls opponiert hatte und sich gegen die Weiterbeschäftigung eines nicht einschlägig qualifizierten Generalsekretärs verwahrte, der nicht nur seine umstrittene politische Tätigkeit fortsetzte, sondern am Beirat vorbei ein neues Statut entworfen hatte, das, so dessen Befürchtung, eine zu starke politische Steuerung und journalistische Ausrichtung der Arbeit nach sich ziehen könnte.404 Dabei spielten freilich auch persönliche und politische Animositäten eine Rolle, der „Abendländer“ Kroll warf dem Nationalprotes401  Auerbach,

Die Gründung des Instituts für Zeitgeschichte. S. 529. Möller, Das Institut für Zeitgeschichte. S. 21. 403  Auerbach, Die Gründung des Instituts für Zeitgeschichte. S. 550. 404  Vgl. Möller, Das Institut für Zeitgeschichte. S. 17 f. 402  Vgl.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 311

tanten Ritter etwa einen „engstirnigen, machtstaatlich orientierten Nationalismus“ vor.405 Auch danach spiegelte sich das facetten- und spannungsreiche Bild eines bürgerlich-institutionellen Nachkriegskonservatismus in der – politisch wie methodologisch konservativen – Führung des IfZ mitunter wider, das freilich durch die Heterogenität des Beirats wesentlich ergänzt wurde.406 Krolls 1951 berufener und bereits ein Jahr später verstorbener Nachfolger Hermann Mau erlitt im „Dritten Reich“ Repressalien und war neben seiner wissenschaft­ lichen Arbeit sozial engagiert und in der CDU politisch aktiv gewesen, während der anschließend bis 1959 amtierende Paul Kluke NS-konforme Forschung betrieben hatte und dessen Nachfolger Helmut Krausnick in der Weimarer Republik zunächst Mitglied der DNVP gewesen war, sich dann den sich abspaltenden Volkskonservativen angeschlossen hatte, 1932 jedoch, wie später pikanterweise bekannt wurde, in die NSDAP eingetreten war.407 Jedenfalls waren alle von Krolls Erben veritable Historiker, unter deren Führung zwar die politischen Verflechtungen des IfZ notwendig bestehen blieben, der Primat der Wissenschaft jedoch nicht mehr infrage gestellt wurde. Eine streng wissenschaftliche Betrachtung bedeutete indes nicht, dass sie keine Kontroversen provoziert hätte. Gleich die erste Monographie des Instituts, Henry Pickers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941–1942 he­ rausgegeben von Ritter, hatte aufgrund editorischer Mängel, vor allem aber wegen eines sensationsheischenden Vorabdrucks in der Illustrierten Quick, „scharfe Mißbilligung“ hervorgerufen – beim bayerischen Ministerpräsidenten Ehard genauso wie bei Bundeskanzler Adenauer.408 Erschienen war der Band beim Bonner Athenäum-Verlag. In den folgenden Jahren allerdings wurde die DVA zum Hausverlag des IfZ. Bereits 1952 wurde etwa Erich Matthias’ bereits erwähntes Buch Sozialdemokratie und Nation veröffentlicht, ab 1957 erschienen dann die Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, deren fünfter Band abermals kontroverse Reaktionen hervorrief. Es handelte sich dabei um Selbstzeugnisse des Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz, Rudolf Höß, die von Martin Broszat ausgewählt und eingeordnet wurden.409 Vom Verlag wurden sie als eine „tief 405  Zit. n.

ebd. S. 22. Möller, Das Institut für Zeitgeschichte. S. 28; Graml/Woller, Fünfzig Jahre Vierteljahrshefte. S. 52. 407  Vgl. Möller, Das Institut für Zeitgeschichte. S. 27; Graml/Woller, Fünfzig Jahre Vierteljahrshefte. S. 52, 63. 408  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 304 Bosch Korrespondenz 1950–1952: Artikel „Scharfe Mißbilligung“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.9.1951. Vgl. auch Möller, Das Institut für Zeitgeschichte. S. 35. 409  Höß, Rudolf: Kommandant in Auschwitz: Autobiographische Aufzeichnungen (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 5). Stuttgart: DVA, 1958. 406  Vgl.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

erregende Lektüre“ beworben.410 Geradezu pervers ist es, dass selbst eine Figur wie Höß hier als Verführter erscheint: „So sehr schon die Exaktheit und Sachlichkeit dieses Lebensberichts schockieren, noch verwirrender ist, daß sich ihr Verfasser sich [sic] keineswegs als sadistischer Henkersknecht erweist. Rudolf Höß war vielmehr ein Mann der Ordnung und Disziplin, in der Freizeit ‚innerlich‘, tierliebend und ein guter Familienvater, aber im Dienst als ‚anständiger‘ SS-Führer stets beflissen und bereit, auch den unmenschlichsten Befehl zur besten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten auszuführen. Seine Aufzeichnungen stellen deshalb vor allem auch ein psychologisches Dokument von exemplarischer, historischer Bedeutung dar. Sie decken, wie kaum sonst ein Zeugnis, Hintergründe moralischer, geistiger und seelischer Pervertierung auf, die sich im Deutschland Hitlers und Himmlers bei ungezählten ehrgeizigen ‚Gläubigen‘ des Regimes vollzog.“411 Es ist nicht verwunderlich, dass ein solches Werk zum einen Irritationen hervorrief, weil hier einem der Hauptverantwortlichen des Völkermords an den europäischen Juden die (posthume) Möglichkeit der Selbstdarstellung gegeben wurde, wenngleich man seitens des Verlags darauf verwies, „dass die Aufzeichnungen von Höss durch die Einleitung, die ihnen vom Institut für Zeitgeschichte mitgegeben wurde, für die Beurteilung durch den Leser in den richtigen Rang eingeordnet werden und dass dadurch die Gefahr eines Missverständnisses im Sinne eines Rechtfertigungsversuchs oder einer ‚Mohrenwäsche‘ ausgeschaltet wird“;412 zum anderen geriet die DVA über die Vergabe von Auslandslizenzen in einen Konflikt mit dem Internationalen AuschwitzKomitee, das Anspruch auf die Rechte an dem Titel anmeldete, den die DVA zwar nicht anerkannte, schließlich aber respektierte, um nicht in den Verdacht zu geraten, die Interessen der Shoah-Überlebenden geringzuschätzen.413 Zu dem Zeitpunkt der Übernahme der zentralen Buchreihe des Instituts hatte bereits eine enge Beziehung zwischen DVA und IfZ bestanden, insbesondere durch die seit 1953 erscheinende Zeitschrift des IfZ, die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ), die von Beginn an – und bis 1986 – von der DVA verlegt wurden. Als Herausgeber wurde der während des Nationalsozialismus in die USA emigrierte Hans Rothfels berufen, der nicht nur als herausragender Historiker in Erscheinung getreten war, sondern als gewende410  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1958. S. 24. 411  Ebd. 412  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an C. L. M. Salomon vom 16. Dezember 1958. 413  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlags­ leitung St–Z: Schreiben Weigers an George Weidenfeld & Nicolson, London, vom 15. Oktober 1958.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 313

ter prononcierter Deutschnationaler, der nach 1945 einen „unerschütterten patriotischen Konservatismus mit der frischen Weltoffenheit des jüdischen Emigranten“ verband, zugleich die gesellschaftspolitische Zielsetzung des Instituts verkörperte.414 Damit personifiziert er geradezu die Integrationsleistung, die der Nachkriegskonservatismus erbrachte. Er rief sich Theodor Eschenburg als gleichberechtigten Mitherausgeber an seine Seite. Der Plan der Gründung der Zeitschrift geht ins Jahr 1950 zurück, im Januar 1953 konnte schließlich die erste Ausgabe erscheinen. Ihre Aufgabe erblickte Rothfels zuvörderst darin, jenen mit strengster Objektivität zu begegnen, „die am liebsten den Mantel des Verdeckens ausbreiten und sich in die Wolke des Vergessens hüllen möchten“.415 Die DVA schloss sich diesem Verständnis des zeithistoriographischen Auftrags an, benannte ihn beispielsweise in der Broschüre Zur Zeitgeschichte, die 1957 ausschließlich IfZ-Produktionen gewidmet war, damit, „über die jüngst vergangene Geschichte in verläßlicher Weise und auf wissenschaftlich gesichertem Wege Klarheit zu gewinnen“.416 Überhaupt bemühte sich der Verlag um die breite Rezeption einer Forschung, die zwar von einer spezialisierten – oder vielmehr: sich spezialisierenden – Wissenschaftsdisziplin geleistet wurde, in der Nachkriegszeit aber von unmittelbarer gesellschaft­ licher und politischer Relevanz und für die Orientierungssuche der Epoche durch die Freilegung nicht nur des Wesens und Funktionierens des Nationalsozialismus, sondern auch seiner Bedingungen von wesentlicher Bedeutung war, und mithin auf eine über den engeren akademischen Kreis hinausreichende Wirkung hoffen durfte. Mit Blick auf das Höß-Buch etwa zweifelte Müller nicht daran, „daß der schreckliche Lebensbericht des Kommandanten von Auschwitz einen gewissen Sensationserfolg auch bei den deutschen Lesern haben wird“,417 und in der Tat verkaufte sich der Titel bis 1999 rund 140.000-mal.418 Das Lesepublikum von Spezialstudien hingegen blieb naturgemäß klein, weshalb die DVA die Veröffentlichung solcher Titel vom IfZ bezuschussen ließ.419 414  Graml/Woller, Fünfzig Jahre Vierteljahrshefte. S. 61. Vgl. auch Danyel, Jürgen: Bilder vom „anderen Deutschland“. Frühe Widerstandsrezeption nach 1945. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 42 (1994), Nr. 7. S. 612–622. Hier S. 613. 415  Rothfels, Hans: Zeitgeschichte als Aufgabe. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), Nr. 1. S. 1–8. Hier S. 8. 416  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 445 Geschichte und Politik Programm 1957: Broschüre „Zur Zeitgeschichte“. S. 1. 417  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Paul Kluke vom 29. Mai 1958. 418  Vgl. Möller, Das Institut für Zeitgeschichte. S. 3. 419  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Paul Kluke vom 29. Mai 1958.

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Die Einführung der VfZ begleitete der Verlag mit einigem Aufwand in Sachen Öffentlichkeitsarbeit, versandte Broschüren unter anderem an alle Bundestagsabgeordneten, an zahlreiche Historiker oder Bibliotheken.420 Derlei Werbebemühungen waren durchaus erfolgreich, wie die große Presseresonanz im In- und Ausland, aber auch die steigenden Abonnentenzahlen illus­ trieren.421 Freilich blieb der Kreis der Bezieher einer streng wissenschaft­ lichen Zeitschrift dennoch überschaubar: Im April 1953 umfasste er 770, Ende 1958 dann rund 2.000 Personen, was Müller dazu bewog, Kluke gegenüber zum Ausdruck zu bringen, „welch tiefe Befriedigung uns die Zusammenarbeit mit Ihrem Institut bereitet und wie sehr wir die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte als feste Grundlage unserer zeitgeschichtlichen und zeitpolitischen Arbeit zu schätzen wissen“.422 Doch auch die VfZ blieben für die DVA ein Zuschussgeschäft,423 gleichwohl eines, das den Anspruch des Verlags, ein führendes Haus in der Auseinandersetzung mit Politik und Zeitgeschichte und ihrer Fruchtbarmachung für die Gegenwart zu sein, unterstrich. Diesen Anspruch entwickelten bereits die Vorgänger Gotthold Müllers, und seiner eigenen Vorstellung des Profils und der Aufgabe des Verlags entsprach das in hohem Maße. Unter seiner Ägide traten neben die Behandlung der Nationalsozialisten die Auseinandersetzung mit ihren Gegnern und die Würdigung der Weimarer Republik, wofür drei Bücher stellvertretend stehen, die Müller mit besonderer Anteilnahme begleitet hat, weil sie seine geschichtspolitische Mission in besonderem Maße zu unterstützen versprachen und er mit ihren Protagonisten persönlich bekannt war: die Biographie Adolf Reichweins von James Henderson, die Abhandlung über Carl Goerdeler und die konservative Widerstandsbewegung von Gerhard Ritter und die BrüningMemoiren, die in Zusammenarbeit mit Gottfried Treviranus erscheinen sollten. Adolf Reichwein steht stellvertretend für den breiten Konservatismus, dem sich Gotthold Müller und mit ihm die DVA verpflichtet fühlten und der für eine Reihe rechter Sozialdemokraten durchaus Sympathien hegte. Ein solcher war auch Reichwein. Inspiriert von der Jugendbewegung wandte sich der studierte Volkswirtschaftler, Philosoph und Historiker der Reformpädagogik Graml/Woller, Fünfzig Jahre Vierteljahrshefte. S. 67. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 615 Vierteljahreshefte [sic] für Zeitgeschichte 1953–1972 mit Lücken. 422  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Paul Kluke vom 13. Oktober 1958. 423  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1954; WABW, Y-328, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Schreiben Weigers an Gotthold Müller vom 28. August 1957. 420  Vgl. 421  Vgl.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 315

zu. Er verband seine pädagogischen Überlegungen mit sozialistischen Anschauungen, die gleichermaßen antikapitalistisch, antimarxistisch, aber auch parlamentarismusskeptisch daherkamen.424 Reichweins Ideen waren organizistischer Natur, verbanden Vorstellungen eines nationalen, sogar nationalistischen Sozialismus mit denen einer korporatistisch-ständischen Gesellschaftsordnung, eines „Gildensozialismus“, der volksgemeinschaftliche Züge trug.425 Damit waren sie für die Rechte so anschlussfähig wie die Rechte für Reichwein. Der antikapitalistischen und antiliberalen Stoßrichtung der Nationalsozialisten begegnete er durchaus mit Sympathie und arbeitete nach deren „Machtergreifung“, etwa als Museumspädagoge am Staatlichen Museum für deutsche Volkskunde, mit NS-Organisationen zusammen.426 Mit Reichweins Vorstellungen, die beispielsweise eine von KPD, SPD und NSDAP gemeinsam getragene neue Gesellschaftsordnung imaginierten, hatte die nationalsozialistische Praxis jedoch wenig gemein, sodass sich Reichwein zunächst innerlich, schließlich auch aktiv gegen sie stellte.427 Seit 1940 stand er in Kontakt mit Helmuth James Graf von Moltke und stieß über ihn zum Kreisauer Kreis. Dort beteiligte er sich an der Konzeption einer Nachkriegsordnung, die nach dem Umsturz des NS-Regimes hätte errichtet und von ihm als prädestiniertem Kultusminister an maßgeblicher Stelle hätte gestaltet werden sollen. 1944 wurde Reichwein verhaftet, vom „Volksgerichtshof“ abgeurteilt und hingerichtet.428 Die einseitige Deutung Reichweins als einer von Beginn an gegen den Nationalsozialismus opponierenden Persönlichkeit jedenfalls wird der komplexen Realität nicht gerecht; eine ihrer Grundlagen war das Henderson’sche Werk. Hendersons Reichwein-Biographie erschien im Herbst 1958 (im selben Programm wie die Höß-Memoiren) mit dem Untertitel Eine politisch-pädagogische Biographie.429 Dass dieser, so erläuterte Müller gegenüber Gerstenmaier die Intention des Werks, „nicht nur den Lebensinhalt Adolf Reichweins meint, sondern auch Absicht und Ziel des Buches kennzeichnet, werden Sie gewiß spüren. Dem Verfasser und vor allem dem Verlag und dem Herausgeber geht es nicht um Geschichte als Vergangenheit – es geht uns um die Beschwörung eines Vorbild-schaffenden Lebens, und es geht uns um die 424  Vgl. Hohmann, Christine: Dienstbares Begleiten und später Widerstand. Der nationale Sozialist Adolf Reichwein im Nationalsozialismus. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 2007. S. 41. 425  Vgl. Hohmann, Dienstbares Begleiten. S. 120; Philippi, Klaus: Die Genese des „Kreisauer Kreises“. Berlin: epubli, 2013. S. 195. 426  Vgl. Hohmann, Dienstbares Begleiten. S. 85, 169 ff. 427  Vgl. Philippi, Die Genese des „Kreisauer Kreises“. S. 196. 428  Vgl. Hett/Tuchel, Die Reaktionen des NS-Staates. S. 381. 429  Henderson, James L.: Adolf Reichwein. Eine politisch-pädagogische Biographie. Stuttgart: DVA, 1958.

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Mithilfe bei der Gestaltung unserer Zukunft als einer politisch-pädagogischen Aufgabe.“430 Das Nachwort steuerte der evangelische Publizist Helmut Lindemann bei. Anhand der Korrespondenz mit ihm wird deutlich, wie stark Müller, da es ihm „eine Herzensangelegenheit ist, Adolf Reichwein der heutigen Generation nahezubringen“,431 auf die Darstellung der Person in dem Werk Einfluss zu nehmen suchte. Dabei war ihm besonders die Akzentuierung der antikommunistischen Haltung Reichweins wichtig, gegen die Henderson selbst durchaus Vorbehalte hatte,432 und er belehrte Lindemann, er glaube nicht, „daß Sie recht haben, wenn Sie Reichwein einseitig der politischen Linken zuweisen, Reichwein war ein Mensch, der über den Gruppen stand […]. Sein Umgang mit konservativen Elementen, z. B. mit Rothe und anderen, dürfte wohl ebenso stark gewesen sein wie mit sozialistischen. Ich habe auch in den ganzen Jahren meines intimen Umganges mit Reichwein nie ein geringschätziges Wort über die konservativen Kreise der Widerstandsbewegung gehört, sondern eher im Gegenteil hohe Anerkennung.“433 Auch die Interpretation Lindemanns, dass es zuvörderst den bürgerlichen Kräften anzulasten sei, dass die Republik sich nicht hatte konsolidieren können, wies Müller zurück und betonte – ganz seiner volkskonservativen Vergangenheit verpflichtet –, dass der Untergang „sowohl vom nationalen Bürgertum wie von den jungen republikanischen Parteien verursacht wurde und nicht dem Bürgertum allein zur Last gelegt werden kann“.434 Es ist durchaus bezeichnend, wenn Müller nicht davon schreibt, dass die DVA den Reichwein-Titel zu veröffentlichen gedenke, sondern er selbst: „Im Herbst bringe ich die Biographie eines jungen Engländers James L. Henderson über Adolf Reichwein, den mir befreundet gewesenen Pädagogen, der ein Opfer des nazistischen Terrors geworden ist, heraus.“435 Henderson gegenüber gab er seiner Hoffnung Ausdruck, „daß das Buch in den Kreisen der deutschen Pädagogen und darüber hinaus bei unserer Jugend eine gute Aufnahme finden 430  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Eugen Gerstenmaier vom 27. Juni 1958. 431  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Helmut Lindemann vom 2. September 1958. 432  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an James L. Henderson vom 13. Januar 1958. 433  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 180 1958: Verlagsleitung K–O: Schreiben Gotthold Müllers an Helmut Lindemann vom 13. Januar 1958. 434  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an James L. Henderson vom 13. Januar 1958. 435  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Wenzel Jaksch vom 3. Februar 1958.



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wird“, und versprach ihm, „alles zu tun, um ihm eine gute Verbreitung zu sichern“.436 Nichtsdestoweniger scheint der Erfolg des Buches überschaubar geblieben zu sein; eine zweite Auflage jedenfalls erlebte es nicht. Hier wird deutlich, wie sich bei Müller die beiden Rollen des Verlegers und des Zeitzeugen vermischen, dass es ihm nicht nur um eine präzise geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung des Gegenstands, sondern auch um eine autobiographische Deutung zu tun war. In noch stärkerem Maße trifft dies auch auf das Ritter’sche Goerdeler-Buch zu, bei dem freilich der Autor zudem in einer engen Beziehung zu dem Gegenstand seiner Betrachtung stand. Der aus einem nordhessischen protestantischen Pfarrhaus stammende Ritter wurde in Heidelberg mit einer Arbeit über Bismarck und die preußischen Konservativen bei Hermann Oncken promoviert, der ihm, neben anderen wie Erich Marcks, nicht nur als akademischer Lehrer, sondern auch privat und, als Nationalliberaler und späterer „Vernunftrepublikaner“, politisch nahestand.437 Ritter hatte vor dem Ersten Weltkrieg reflektierte konservative Standpunkte eingenommen, die klar auf das autoritäre System des späten Kaiserreiches bezogen waren und etwa auch die Kolonial- und Flottenpolitik bejahten, dabei aber radikalen und völkischen Ideologemen etwa der Alldeutschen mit Ablehnung begegneten.438 Nach 1918 vollzog Ritter „eine Wendung zur politischen Mitte“;439 nachdem er sich im Wahlkampf für die Nationalversammlung noch für die DNVP engagiert hatte, trat er 1929 der DVP bei, der er jedoch nur drei Jahre angehörte. Während der Weimarer Jahre schwenkte Ritter von einer monarchistisch-konservativen auf eine nationalliberale Linie – er rechnete sich selbst zum „rechten Flügel der Liberalen“440 –, blieb Parlamentarismus und Parteiensystem gegenüber jedoch skeptisch bis ablehnend eingestellt, woran sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg nichts Grundsätzliches änderte.441 Die Präsidialkabinette Brünings und von Papens erschienen ihm dementsprechend als eine positive Entwicklung, die die Autorität der Exekutive gegenüber dem Parlament zu stärken versprach. Den Nationalsozialismus hingegen begriff er schon in der Endphase der Republik als „volkszerstörende“ Ideologie.442 436  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an James L. Henderson vom 2. September 1958. 437  Vgl. Cornelißen, Gerhard Ritter. S. 33 f. 438  Vgl. ebd. S. 41, 43. 439  Ebd. S. 177. 440  Zit. n. ebd. S. 179. 441  Vgl. Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. S. 32. 442  Vgl. Cornelißen, Gerhard Ritter. S. 180, 183.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Während der Jahre des „Dritten Reiches“ blieben Konzessionen an das Regime freilich nicht aus, im akademischen Betrieb – Ritter war 1925 nach Freiburg gerufen worden – ließ sich das kaum vermeiden, er blieb ihm gegenüber jedoch stets auf Distanz und ging schließlich in Opposition zu seinen Vertretern. Ritter gehörte zum Freiburger Kreis widerständiger Universitätsangehöriger, der sich um Constantin von Dietze formiert hatte und der sich vor allem der politischen Diskussion und der Erarbeitung von Denkschriften widmete. Unter dem Titel Politische Gemeinschaftsordnung etwa wurde die politische und gesellschaftliche Verfasstheit eines postnazistischen Deutschen Reiches imaginiert, deren Hauptaufgabe die Überwindung der „seelischgeistigen Krisis“ durch eine erneuerte christliche Fundierung sei;443 den neuen Staat sollte eine „neue[…] Notablenschicht der politisch Einsichtigen und sittlich Zuverlässigen“ führen.444 Ritters Idealvorstellung war ein autoritärer Staat, der eine „wahre Volksgemeinschaft“ und die „Entmassung der Massen“ ermöglichen sollte.445 Derlei Vorstellungen waren nicht allzu weit entfernt von denen Goerdelers, mit dem Ritter ebenfalls in Kontakt stand, ohne jedoch in dessen Umsturzpläne eingeweiht gewesen zu sein. Gleichwohl war diese Bekanntschaft der Grund dafür, dass Ritter im November 1944 inhaftiert wurde; wenige Wochen vor Ende des Kriegs wurde er aus der Haft entlassen.446 Nach Kriegsende war die Familie Goerdelers mit der Bitte an Ritter he­ rangetreten, seinen Nachlass auszuwerten, während ihm gleichzeitig das Hilfswerk 20. Juli den Auftrag zur Sammlung von Materialien zum Umsturzversuch und der Widerstandsbewegung erteilte.447 Vor diesem Hintergrund trug sich Ritter schon früh mit dem Gedanken an eine Biographie Goerdelers, die gleichzeitig eine Darstellung des konservativen und militärischen Widerstands sein sollte. Hinderten ihn zunächst die schwierige Quellenlage und die Erwartung, dass sich das IfZ einer solchen Aufgabe annehmen würde, daran, das Unternehmen in Angriff zu nehmen,448 entschloss er sich schließlich doch noch dazu, weil es ihn „politisch notwendig“ dünkte449 443  Zit. n.

ebd. S. 359. ebd. S. 360. 445  Zit. n. ebd. S. 298. 446  Ebd. S.  362 f. 447  Vgl. BAK, N 1166/359, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 3, 13. Juli 1944–30. Sept. 1946: Schreiben Rudolf Pechels an Gerhard Ritter vom 7. September 1946. 448  Vgl. BAK, N 1166/362, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 6, 1. Jan–31. Dez. 1949: Schreiben Gerhard Ritters an von Eichborn vom 9. März 1949. 449  Ritter, Gerhard: Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung. Stuttgart: DVA, 41984. S. 7. 444  Zit. n.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 319

und er „die politischen Ideen und die dahinter stehenden sittlich-religiösen Überzeugungen“ der Widerständler um Goerdeler und Stauffenberg darlegen und ihnen im deutschen Nachkriegsdiskurs eine Stimme geben wollte.450 Sein Buch ist insofern nicht bloße Geschichtsschreibung, sondern ein Beitrag zur Würdigung des Widerstands und damit zum politisch-historischen Selbstverständnis und einer bürgerlich-antifaschistischen Identitätsbildung der Bundesrepublik, der in Gotthold Müller zweifelsohne den passenden Verleger gefunden hatte. Das Buch erschien unter dem Titel Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung schließlich im Dezember 1954 bei der DVA. Dort hatte Ritter bereits in der Zwischenkriegszeit seine Stein-Biographie verlegt und nach dem Krieg im Deutschenspiegel den Band Geschichte als Bildungsmacht veröffentlicht. Schon 1949 war er an den Verlag herangetreten, um zu eruieren, ob man sich dort vorstellen könne, ein Buch über Goerdeler zu veröffentlichen, was, so von Eichborn, jedoch „nur dann von Interesse sein könnte, wenn wir in die Lage versetzt werden, eine umfassende Publikation zur deutschen Widerstandsbewegung zu verlegen“.451 Als Ritter eine solche schließlich zu schreiben beabsichtigte, bemühte sich Müller intensiv um das Manuskript und warb nicht zuletzt mit seiner Vita für den Verlag: „Schliesslich darf ich darauf hinweisen, dass ich Dr. Goerdeler persönlich nahegestanden und ihm während des Dritten Reiches wertvolle Dienste geleistet habe. Mit Frau Goerdeler und ihren Kindern stehe ich noch heute in freundschaftlicher Verbindung. Ich erwähne dies, sehr verehrter Herr Professor, um Ihnen zu vergegenwärtigen, dass die Drucklegung Ihres Werkes in der Deutschen Verlags-Anstalt mit der grössten persönlichen Anteilnahme er­ folgen würde. Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie sich dazu entschliessen könnten, der Deutschen Verlags-Anstalt Ihr Werk anzuvertrau­ en.“452 Müllers Arbeit war freilich auch in diesem Fall nach erfolgreicher Akquise nicht getan, denn auch hier berichtete er dem Autor von seinen eigenen Erfahrungen und teilte ihm seine Deutungen des Geschehenen mit. Ritter gegenüber wies er auf seiner Auffassung nach fehlende Sachverhalte hin, die noch integriert werden sollten, und verwahrte sich auch hier gegen eine Deutung Reichweins als Marxist und schlug dem Autor gleich eine 450  Cornelißen,

Gerhard Ritter. S. 548. N 1166/362, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 6, 1.Jan–31. Dez. 1949: Schreiben von Eichborns an Gerhard Ritter vom 23. Februar 1949. 452  BAK, N 1166/365, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 9, 1. Okt. 1951–31. Aug. 1953: Schreiben Gotthold Müllers an Gerhard Ritter vom 10. August 1953. 451  BAK,

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

passende Terminologie vor: „Da ich Prof. Reichwein gut gekannt habe […], bin ich überrascht, aus Ihrer Darstellung zu ersehen, dass Reichwein mit dem Kommunismus so stark sympathisiert haben soll. Obwohl wir sehr vertrauensvoll standen und ich auch wiederholt in seinem Haus verkehrt habe, habe ich nie eine derartige Wahrnehmung machen können. Ich konnte auch beobachten, dass Reichwein mit sehr vielen aristokratisch gesinnten und konservativen Menschen eng befreundet war. Ich würde daher vorschlagen, den Ausdruck ‚Linkssozialist‘ zu vermeiden und ihn als Sozialisten zu bezeichnen.“453 Mit dem Ergebnis der Ritter’schen Arbeit jedenfalls zeigte sich Müller sehr zufrieden, nicht zuletzt, weil Ritters Geschichtsdeutung mit seiner eigenen weitgehend übereinstimmte: „Mit diesem Werk erfährt die Widerstandbewegung zum ersten Mal die Würdigung, die sie verdient und zum ersten Mal werden Irrtümer, Einseitigkeiten etc. richtiggestellt. […] Die überragende Bedeutung der Persönlichkeit Goerdelers für den Aufstand des 20. Juli wird von Ihnen zum ersten Mal schlüssig erbracht.“454 Und auch in der Verlagswerbung für den Titel wird die geschichtspolitische Dimension, die Autor und Verlag gleichermaßen verfolgten, deutlich, wenn Werner Bergengruens euphorische Empfehlung zitiert wird: „Mit diesem Buch der Lauterkeit, Gewissenhaftigkeit und historischer Objektivität hat Gerhard Ritter eine von der ganzen Nation kontrahierte Schuld eingelöst. Die Selbstreinigung des deutschen Gewissens kann sich erst vollenden, wenn der Entschluß gefaßt wird, die Wahrheit anzunehmen und im Rückblick auf die furchtbaren zwölf Jahre der Tyrannei die moralischen Gewichte nicht nach Gefallen, sondern nach der Wirklichkeit des Geschehens zu verteilen. In solchem Zusammenhang kann ein Buch wie Ritters ‚Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung‘ gar nicht hoch genug eingeschätzt wer­ den.“455 Bei der deutschen und internationalen Öffentlichkeit stieß der Titel denn auch auf größeres Interesse als Hendersons Reichwein-Buch: Die erste, 5.000 Exemplare umfassende Auflage war bereits im Januar 1955 ausverkauft, der zweiten genauso umfangreichen folgte 1956 das 11. bis 14. Tausend.456 Lizenzausgaben des Titels erschienen bald in Frankreich, Italien, Großbritan453  BAK, N 1166/366, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 10, 1. Sept. 1953–30. Sept. 1954: Schreiben Gotthold Müllers an Gerhard Ritter vom 10. August 1954. 454  Ebd. 455  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 115 Katalog 1958–59: Deutsche Verlags-Anstalt im 110. Jahr. S. 30. 456  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 352 Verschiedene Karteikästen nach Autoren und Werken geordnet, Ru–Ste: Ritter, Goerdeler.



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nien und den USA,457 und das Presseecho war in Deutschland wie interna­ tional groß. So erschienen Rezensionen unter anderem in der Schwäbischen Landeszeitung, die der Meinung war, das Buch habe „alle Voraussetzungen, um für lange Zeiten, ja vielleicht für immer das gültige historische Werk über Goerdeler zu sein“, in der Revue Historique, in der Neuen Zürcher Zeitung oder auch in der New York Times.458 Auch vor diesem Hintergrund zählte der Geschäftsbericht des Jahres Ritters Buch „zu den großen politischen Bucherscheinungen und moralischen Erfolgen des vergangenen Jahres“.459 Der Fokus des Ritter’schen Buches liegt seinem Gegenstand entsprechend auf den Jahren des Nationalsozialismus und der inneren und äußeren Entwicklung jener, die gegen ihn opponierten. Es ist damit auch ein Beitrag zur Ehrenrettung von Teilen der Weimarer Konservativen. Andere Titel und Autoren widmeten sich noch dezidierter dem bereits zitierten Ziel, „das Bild der viel verschmähten und viel verkannten Weimarer Republik zu revidieren“,460 nicht zuletzt das der nicht-nationalsozialistischen Rechten. So zeigte sich Müller beispielsweise überzeugt, dass die Memoiren des ehemaligen Reichskanzlers Hans Luther, der als Parteiloser seit 1925 einem Mitte-Rechts-Kabinett vorgestanden hatte, an dem zum ersten Mal die DNVP beteiligt gewesen war, „zu dem engsten Aufgabenbereich der DVA. gehören“;461 1960 erschienen sie dort unter dem Titel Politiker ohne Partei.462 Genauso bemühte sich Müller um die Erinnerungen Heinrich Köhlers, der während der Weimarer Republik dem Zentrum angehört hatte, nach 1945 der CDU beitrat und als Finanzminister im 1927 gebildeten vierten Kabinett Wilhelm Marx’ gewirkt hatte, das ebenso wie Luthers erstes Kabinett aus einer Koalition von Zen­ trum, BVP, DDP, DVP und DNVP hervorging. Müller sah sie als „wichtige Quelle zu den wichtigsten Ereignissen in der Weimarer Republik, im süddeutschen Raum und in der Zentrumspartei“ an, bei dem es sich jedoch 457  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Weigers an Éditions France-Empire vom 31. Dezember 1958; Schreiben Weigers an Hans Hermann Hagedorn vom 23. Dezember 1958; Ritter, Carl Goerdeler (1984). S. 11. 458  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 664 Ritter: Goerdeler 1955–1960: Rezensionssammlung. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 664 Ritter: Goerdeler 1955–1960: Rezensionssammlung. 459  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1954. S. 2. 460  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Erich Wende vom 6. Oktober 1958. 461  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Waldemar Besson vom 25. März 1959. 462  Luther, Hans: Politiker ohne Partei. Erinnerungen. Stuttgart: DVA, 1960.

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„wieder um ein etwas schwieriges Vorhaben“ handle und die Drucklegung nur erfolgen könne, wenn öffentliche Mittel dafür bereitgestellt werden könnten;463 erschienen ist das Werk dann allerdings bei Kohlhammer.464 Besonderes Augenmerk lag auf den Memoiren Heinrich Brünings, die dieser im US-Exil verfassen wollte, um die sich die DVA, schließlich zusammen mit Müllers ehemaligem volkskonservativen Parteifreund Treviranus, lange – und lange vergeblich – bemühte. Bereits im Geschäftsbericht für das Jahr 1954 wurde über den Vertragsschluss über das Werk berichtet, das als wichtiges Element für die Profilierung als politischer und zeithistorischer Verlag verstanden wurde und 1956 erscheinen sollte.465 Im März des geplanten Erscheinungsjahres allerdings berichtete Müller gegenüber Paeschke, dass er auch für den bereits verschobenen Manuskriptabgabetermin „[n]ach allen Erfahrungen […] mit einer Terminüberschreitung rechnen“ müsse;466 im Mai 1958 beschwerte er sich gegenüber Treviranus, dass sich „Herr Dr. Brüning dem Verlage und mir gegenüber völlig aus[schweige] und […] uns damit in eine höchst peinliche Situation gebracht“ habe. Treviranus hatte sich zwischenzeitlich als Vermittler angeboten, nicht zuletzt, da er seine eigenen Memoiren, gewissermaßen als Kommentar zu denen Brünings, bei der DVA zu veröffentlichen gedachte, was für das Jahr 1962 in Aussicht genommen worden war.467 Treviranus und Müller verband dabei nicht nur die politische Nähe miteinander und mit Brüning, sondern auch das Ziel, die historische Wertung der Person Brünings und mit ihm des Weimarer Konservatismus in ihrem Sinne mitzuformen. Müller betonte, dass er „an keiner anderen verlegerischen Aufgabe persönlich so hänge und so interessiert“ sei, wie an dieser, nicht zuletzt, da Brünings „ganzes politisches Prestige auf dem Spiel“ stehe.468 Und auch Treviranus bewegte die Sorge, dass Brüning, wenn es nicht gelänge, seine Sicht auf die Endphase der Weimarer Republik rechtzeitig in den Diskurs einzubringen, „nach seinem Tode missbraucht“ werden könnte.469 463  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Waldemar Besson vom 2. Juli 1959. 464  Köhler, Heinrich: Lebenserinnerungen des Politikers und Staatsmannes, 1878–1949. Stuttgart: Kohlhammer, 1964. 465  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Geschäftsbericht 1954. S. 2. 466  DLA, D: Merkur, Briefe an ihn von DVA, 1956: Schreiben Gotthold Müllers an Hans Paeschke vom 2. März 1956. 467  Vgl. Morsey, Treviranus als Interpret Brüning. S. 600. Letzten Endes erschienen sie dann jedoch bei Henry Goverts, was Eugen Kurz eine „schwere Enttäuschung“ bereitete. 468  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Gottfried Treviranus vom 6. Mai 1958. 469  Zit. n. Morsey, Treviranus als Interpret Brüning. S. 600.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 323

Tatsächlich scheint Carl Joachim Friedrich, ein Vertrauter Brünings, mit dem sich der der Geschäftsleitung der DVA angehörige Weiger zu den Memoiren besprach, nicht gänzlich falsch gelegen zu haben, wenn er ausführte, Brüning sei ein „psycho-pathologischer Fall“ und die Memoiren wären für ihn „so etwas wie ein Fetisch, von dem er sich nicht trennen könne“.470 Jedenfalls erschienen sie erst lange nach Müllers Ausscheiden, in Brünings Todesjahr 1970.471 2. Ost und West Es ist durchaus bemerkenswert, dass angesichts des Befunds, dass die programmatische Ausrichtung des politisch-zeithistorischen Bereichs der DVA zu einem nicht unerheblichen Teil das Ergebnis einer geschichtspolitischen agency war, die der Würdigung des Weimarer Konservatismus verpflichtet war, ihre Auseinandersetzung mit dem sozialistischen Osten gleichermaßen den prävalenten Antikommunismus der Weimarer Republik wie den der frühen Bundesrepublik, insbesondere den der Konservativen, an Differenzierungsbereitschaft deutlich übertraf. Die grundsätzlich antikommunistische Ausrichtung stand dabei freilich nicht infrage. Diese Auseinandersetzung hatte in den 1950er Jahren ihren festen Platz in den Verlagsprogrammen und war seit 1951 durch die Neugründung der Zeitschrift Osteuropa gewissermaßen institutionalisiert. Als Herausgeber fungierte die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, die in der Tradition der Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas der Zwischenkriegsjahre stand. Gegründet worden war dieser Vorläufer von Otto Hoetzsch, der nicht nur aktiver Politiker der DNVP und für diese Reichstagsabgeordneter war, sich 1929 aber ebenfalls den Volkskonservativen anschloss, sondern auch als einer der Begründer der deutschen Ostforschung gilt.472 Im Gegensatz zum Mainstream der sich ausbildenden und in den Weimarer Jahren insbesondere aufseiten der Rechten zunehmend populären Disziplin, die in weiten Teilen antislawische, rassistische und völkische Ideologeme vertrat,473 sah Hoetzsch seine Aufgabe in der konstruktiven, anteilnehmenden und annähernden Be470  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Undatierte Aktennotiz betr. einer Besprechung Josef Webers mit Carl Joachim Friedrich. 471  Brüning, Heinrich: Memoiren 1918–1934. Stuttgart: DVA, 1970. 472  Vgl. Schlögel, Karl: Von der Vergeblichkeit eines Professorenlebens. Otto ­Hoetzsch und die deutsche Rußlandkunde. In: Osteuropa 55 (2005), Nr. 12. S. 5–28. 473  Vgl. Nietzel, Benno: Im Bann des Raums. Der „Osten“ im deutschen Blick vom 19. Jahrhundert bis 1945. In: Gebhard, Gunther/Geisler, Oliver/Schröter, Steffen (Hrsg.): Das Prinzip „Osten“. Geschichte und Gegenwart eines symbolischen Raums. Bielefeld: Transcript, 2010. S. 21–50; Unger, Corinna R.: „Objektiv, aber nicht neu­

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schäftigung mit Osteuropa und der Sowjetunion. In diesem Geiste brachte die Gesellschaft bereits ab 1925 eine Osteuropa betitelte Zeitschrift heraus, an die das Nachkriegsperiodikum explizit anknüpfte.474 Als ihr Chefredakteur amtierte zwischen 1931 und 1934 Klaus Mehnert, auf den auch die Wiedergründung wesentlich zurückging und der bis 1975 Schriftleiter der neuen Zeitschrift blieb. Mehnert hatte 1928 bei Hoetzsch promoviert und sich in der Zwischenkriegszeit im Umfeld der Bündischen Jugend und der „Konservativen Revolution“ bewegt – in den frühen 1930er Jahren war er ein Anhänger der Schwarzen Front Otto Strassers und über seinen Bruder Frank stand er in Verbindung mit dem George-Kreis.475 Für den Fortbestand von in den Weimarer Jahren geknüpften Netzwerken über den Nationalsozialismus hinaus und in die Bundesrepublik hinein bildet dieser ein ebenso anschauliches Beispiel wie der Kreis um Jünger.476 Mehnerts Blick auf den kommunistischen Osten war zunächst geprägt von der Faszination der revolutionären sowjetischen Dynamik und nationalbolschewistischen Ideen, zunehmend aber auch von einer genauen Kenntnis des Landes, seiner Gesellschaft und seiner Politik.477 Denn Mehnert war in eine russlanddeutsche Familie geboren worden und verbrachte seine ersten Lebensjahre in Moskau, wohin er zunächst in den späten 1920er Jahren auf ausgedehnten Reisen, zwischen 1934 und 1936 dann als Auslandskorrespondent für deutsche Medien zurückkehrte. Schon während der Jahre des Nationalsozialismus galt er „angesichts geheimer außenpolitischer Missionen und tral“. Zur Entwicklung der Ostforschung nach 1945. In: Osteuropa 55 (2005), Nr. 12. S. 113–131. Hier S. 115. 474  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 110 Katalog „Das Jahr 1951“. S. 29. 475  Vgl. Kohlstruck, Michael: „Salonbolschewist“ und Pionier der Sozialforschung Klaus Mehnert und die Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas 1931–1934. In: Osteuropa 55 (2005), Nr. 12. S. 29–47. Hier S. 35 f.; Karlauf, Thomas: Stefan George. Die Entdeckung des Charisma. München: Pantheon, 2008. S.  617 f. 476  Neben die (auto-)biographischen Deutungen des Kreises durch jene, die ihm selbst angehört hatten, traten in der Nachkriegszeit auch jene affirmativer Kommentatoren, die aus seinem weiteren Umfeld stammten oder in gar keiner Verbindung mit ihm gestanden hatten und deren Interpretationen der Vergangenheit häufig auch (kultur-)politische Perspektiven auf ihre Gegenwart implizierten. Unter ihnen waren nicht zuletzt einige DVA-Stammautoren, etwa Hellmut Becker, Ernst Robert Curtius oder Friedrich Sieburg. Vgl. Raulff, Ulrich: Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben. München: C. H. Beck, 22010. S.  347 ff.; Raulff, Ulrich: Steinere Gäste. Im Lapidarium des George-Kreises. In: Raulff, Ulrich/Näfelt, Lutz (Hrsg.): Das geheime Deutschland. Eine Ausgrabung. Köpfe aus dem George-Kreis (= Marbacher Magazin, Bd. 121). Marbach: Deutsche Schillergesellschaft, 2008. S. 5–33. Hier S. 13. 477  Vgl. Kohlstruck, Salonbolschewist. S. 30.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 325

publizistischer Aktivitäten in rechtskonservativen und nationalsozialistischen Zeitungen und Zeitschriften als hervorragend informiert“.478 Auch danach hielt sich Mehnert wiederholt und teils über längere Zeiträume hinweg in der Sowjetunion auf.479 Nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte er – nicht zuletzt aufgrund seiner bei der DVA erschienenen Bestseller – zu einem in der deutschen Öffentlichkeit gefragten Experten nicht nur für Osteuropa und die Sowjetunion, sondern auch für Japan und China, Länder, in denen er sich ebenfalls länger aufgehalten hatte.480 Das postulierte Ziel der Nachkriegsinkarnation der Zeitschrift Osteuropa war „die zuverlässige Unterrichtung des Lesers über die politischen, wirtschaftlichen und geistigen Vorgänge des heute von Moskau beherrschten oder mit ihm verbundenen Raumes“.481 Angesichts des Ost-West-Konflikts und des Verlusts der deutschen Ostgebiete verstand sie sich freilich nicht als bloß wissenschaftliches, sondern auch als politisches Medium. Ihren Standpunkt bezeichnete sie als „objektiv, aber nicht neutral“: „Objektiv, das heißt unter sorgfältiger und verantwortungsbewußter Verwendung allen erreichbaren Materials, nicht neutral, das heißt mit der Klarheit der Stellungnahme, die heute von jedermann und auch von uns Deutschen gefordert wird“.482 Diese Nicht-Neutralität äußerte sich in einer zwar antikommunistischen, aber nicht revisionistischen Stoßrichtung. Die Wiedervereinigung der in BRD und DDR konstituierten deutschen Teile, gegebenenfalls außerhalb der beiden Blöcke, war natürlich ein Ziel der Beteiligten an Zeitschrift und Gesellschaft, mit einem Anspruch der Restitution. So skizzierte Mehnert – allerdings Mitte der 1960er Jahre – den Standpunkt von Osteuropa, die Nicht-Anerkennung der DDR wie die Anerkennung des Verlusts der Ostgebiete implizierend, wie folgt: „[F]ür die Zeitschrift beginnt Osteuropa an der Oder-Neiße-Linie, nicht an der Oder-Werra-Linie.“483 Neben der allgemeinen Hauptausgabe der Zeitschrift wurden mit Ost­ europa-Recht, Osteuropa-Wirtschaft und Osteuropa-Naturwissenschaft auch Nebenausgaben mit speziellem Fokus veröffentlicht; zudem wurden in einer Schriftenreihe Monographien veröffentlicht, die ebenfalls bei der DVA er478  Schildt,

Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. S. 68. Ulrich: Wie bolschewistisch ist der „Sowjetmensch“? Klaus Mehnert erkundet die russische Mentalität. In: Zeithistorische Forschungen 4 (2007), Nr. 3. S. 466–471. Hier S. 467 f. 480  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 15 Redaktion Osteuropa 1951–1958: Zeitschrift für Gegenwartsfragen Osteuropa: Broschüre „Osteuropa“. 481  Ebd. 482  Ebd. 483  DLA, D: Merkur, Mehnert an Merkur, 1950–1966: Schreiben Klaus Mehnerts an den Merkur vom 29. März 1966. 479  Schmid,

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

schienen.484 Eine allzu große Reichweite allerdings gewannen die Publi­ kationen nicht: die erste, am 1. Oktober 1951 erschienene Ausgabe von Ost­europa wurde in 600 Exemplaren gedruckt, die bei CDU, FDP und SPD genauso beworben wurden wie bei Konsulaten und Botschaften, bei „­ massgeblichen Personen bei der Bonner Regierung“, bei Industrie- und Wirt­ schaftsverbänden sowie bei den Organisationen der Heimatvertriebenen.485 Gleichwohl hatten sich bis zum Erscheinen der zweiten Ausgabe gerade einmal 284 Abonnenten gefunden.486 Auch die Osteuropa-Zeitschriften blieben vor diesem Hintergrund defizitär, da die Kosten jedoch größtenteils von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde getragen wurden und der Unkostenbeitrag der DVA vertraglich auf höchstens 4.000 ­D-Mark im Jahr festgelegt war, gingen die politische Profilierung und die Bindung und Gewinnung von Autoren in diesem Fall mit überschaubaren ökonomischen Nachteilen einher.487 Allerdings trug die Vielzahl der Osteuropa-Produkte dazu bei, dass die Kapazitäten des technischen Betriebs an ihre Grenzen kamen. Mehnert gegenüber zeigte sich Müller deshalb zufrieden ob der Möglichkeit, dass Osteuropa-Recht nicht mehr von der DVA selbst hergestellt werden müsste: „Sie wissen, daß unser Technischer Betrieb stark überlastet ist, und daß die Osteuropa-Zeitschriften, wie Sie richtig feststellen, mehr aus Interesse an der Sache und vor allen Dingen an Ihnen persönlich von uns übernommen wurden und wir in der Tat nicht böse sind, wenn wir eine dieser Töchter wieder verlieren. Verlieren tut sie ja nur der Technische Betrieb, denn verlegerisch bleiben wir ja sozusagen die Mutter der osteuropäischen Zeitschriftenfamilie.“488 Nicht nur programmpolitische Gesichtspunkte verdeutlichen sich am Beispiel von Osteuropa. Wie in anderen Kontexten auch, wird hier deutlich, wie wenig dogmatisch insbesondere Müllers Blick auf Angehörige der Linken war. So verteidigte er gegenüber Karl Pagel den neu in die Redaktion berufenen Karl Eugen Wädekin, der aufgrund seiner sozialistischen Vergangenheit angefeindet wurde: „Dr. Wädekin hat nie einen Hehl daraus gemacht, 484  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 115 Katalog 1958– 59: Deutsche Verlags-Anstalt im 110. Jahr. 485  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 15 Redaktion Osteuropa 1951–1958: Zeitschrift für Gegenwartsfragen Osteuropa: Übersicht der Prospekt- und Probeheftempfänger für Heft 1. 486  Vgl. WABW, Y_328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 15 Redaktion Osteuropa 1951–1958: Zeitschrift für Gegenwartsfragen Osteuropa: Schreiben Richard Hillers an Klaus Mehnert vom 20. Dezember 1951. 487  Vgl. WABW, Y-328, 14 Osteuropa Recht 1951–1958: Zeitschrift für Gegenwartsfragen Osteuropa: Vertrag der DVA mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde vom 22. Juni 1951. 488  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Klaus Mehnert vom 9. September 1959.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 327

daß er ehemals als junger Mensch in der Zone der SED angehört hat und daß er […] eine Zeitlang so etwas wie eine Hoffnung der sowjetzonalen Geschichtswissenschaft gewesen ist. Aber er hat bald eingesehen, was da gespielt wird, und hat früh die Konsequenzen daraus gezogen, auch die der Aufgabe einer aussichtsreichen Karriere, auch die einer recht lange dauernden wirtschaftlichen Einbuße. Soll man es einem jungen Menschen immer noch nachtragen, daß er durch die Verhältnisse, in denen er aufwuchs, gezwungen einmal drüben ‚mitgemacht‘ hat? Heute noch, nachdem er fünf Jahre lang bewiesen hat, wo er zu stehen gewillt ist?“489 Wie im politischen Lektorat von Kiepenheuer & Witsch schienen (ehemalige) Sozialisten aus dem Osten, die die Praxis des SED-Regimes aus eigener Betrachtung kannten, besonders geeignet, glaubwürdiges Zeugnis von der Realität hinter dem „Eisernen Vorhang“ abzulegen und damit die antikommunistische Sache zu unterstützen. Das spiegelte sich auch im Buchprogramm der DVA wider. So erschien 1958 das Buch Schein und Wirklichkeit der DDR.490 Ihre Autoren, Hermann Weber und der unter dem Pseudonym Lothar Pertinax publizierende Joseph Scholmer, waren Funktionäre in der DDR gewesen – Weber bei der FDJ, Scholmer in der SBZ-Gesundheitsverwaltung – und hatten mit der SED gebrochen, weil sich ihre Vorstellung des Sozialismus grundlegend von der Realität im Ostblock unterschied.491 In „65 Fragen an die SED“ prangern die Autoren die Missstände in der DDR an und machen die SED für das Scheitern des sozialistischen Experiments verantwortlich. Der Verlagsprospekt macht deutlich, welcher politischen Agenda die Inverlagnahme des Werks dienen sollte: „Wenn das vorliegende Buch vor dem Hintergrund dieser erregenden großen Auseinandersetzung uns zwischen Schein und Wirklichkeit in der DDR unterscheiden lehrt, so gibt es uns dadurch die Möglichkeit, mit den Menschen jenseits des eisernen Vorhangs in ihrer Sprache von ihren Problemen zu sprechen und auf diese Weise auch die Wiedervereinigung Deutschlands geistig vorzubereiten.“492 Nach den Aufständen in Polen und Ungarn wollte das Buch nicht nur eine Dokumentation, sondern auch ein Agent der „geistige[n] Zersetzung des Systems“ 489  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Gotthold Müllers an Karl Pagel vom 13. Februar 1958. 490  Weber, Hermann/Pertinax, Lothar [= Scholmer, Joseph]: Schein und Wirklichkeit in der DDR. 65 Fragen an die SED. Stuttgart: DVA, 1958. 491  Vgl. Wilke, Manfred: Die Entstalinisierung: Dissens und Opposition in der Sowjetunion und in der DDR. In: Florath, Bernd (Hrsg.): Annäherungen an Robert Havemann. Biographische Studien und Dokumente. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2016. S .439–466. Hier S. 451. 492  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1957. S. 24.

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sein,493 weshalb es, wie oben geschildert, für die Zwecke des SPD-Ostbüros dienstbar gemacht werden konnte. Allerdings hatte die DVA auf eine über dieses hinausreichende Resonanz bei politischen Stellen gehofft, die das Buch, von einer Abnahme von 200 Exemplaren durch die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung abgesehen,494 nicht erzielen konnte – vor allem, wie das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen ausführte, weil die Autoren ihren sozialistischen Standpunkt nicht aufzugeben bereit waren: „Für den Westen ist nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Produkt, dem Stalinismus, sondern ebenso die mit dem Ursprung, dem Marxismus notwendig. Dieser gehen die Vf. geflissentlich aus dem Weg.“495 Diese Vorbehalte teilte man beim Verlag und sah es gar als notwendig an, sich in einem Nachwort von der Position der Autoren zu distanzieren, die man doch zu veröffentlichen sich entschieden hatte. Felten erklärte die Nöte der DVA gegenüber dem Ostbüro der SPD: „Wir haben uns nicht ganz leicht zur Ver­ öffentlichung dieses Buches entschlossen, weil wir uns darüber klar waren, dass es sich hier um eine durchaus nicht vom westlichen Standpunkt, sondern vor allem aus dem Blickwinkel zweier von der Entwicklung enttäuschter Marxisten geschrieben wurde, deren ursprüngliche Überzeugung sich nicht geändert hat. Wichtig erschien uns eine Veröffentlichung deshalb, weil hier einmal mit den in der SED üblichen Begriffen gezeigt wird, was in der Ostzone innenpolitisch vor sich geht und weil mit den Begriffen auch die Inhalte vermittelt werden, deren Verständnis bei der Führung von Diskus­ sionen unerlässlich ist.“496 Ein Sozialist beziehungsweise Sozialdemokrat war auch Wenzel Jaksch, wenngleich einer mit einer gänzlich anderen Vita. Jaksch war in der Zwischenkriegszeit in der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik aktiv gewesen, in der sich sudetendeutsche Sozialdemokraten organisiert hatten. Nach 1933 hatte er in der Partei, unter anderem zusammen mit dem bereits erwähnten „Abendländer“ Emil Franzel, einen deutschnationalen Flügel etabliert, in dem sozialistisches, nationalistisches und abendländisches Gedankengut eine eigenartige Melange bildeten, die gleichwohl mit den Vorstellungen der Nationalsozialisten inkompatibel war. Jaksch war nach der Besetzung des Sudetenlands durch das Deutsche 493  Ebd.

494  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Gotthold Müllers an Hermann Weber vom 28. Mai 1958. 495  Zit. n. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Hermann Weber vom 3. September 1958. 496  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung St–Z: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Stephan Thomas, Ost-Büro der SPD, vom 20. Februar 1958.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 329

Reich nach Großbritannien emigriert, ließ sich nach Kriegsende in Westdeutschland nieder und trat der SPD bei, für die er von 1953 bis zu seinem Tod 1966 im Bundestag saß.497 Bei der DVA veröffentlichte er, ebenfalls 1958, das Buch Europas Weg nach Potsdam. Schuld und Schicksal im Donauraum, in dem er mit der Politik Beneš’ abrechnete. Seine Darstellung wendete sich gegen die Vorstellung eines hegemonialen Nationalstaats und mithin gegen die deutschlandpolitischen Pläne der Alliierten und ihre Umsetzung. Er plädierte für ein „Recht auf Rückkehr“ und hoffte auf eine übernationale Zukunft Böhmens und Mährens, in der die Sudetendeutschen wieder einen Platz hätten.498 Die Betrachtung des Donauraums und seiner Geschichte reiche deshalb, so Müller, „entscheidend in die Ost-Probleme hinein“.499 Das Buch, so warb der Verlagsprospekt, sei ein „wesentlicher Beitrag zur Entzerrung unsere Geschichts­bildes“,500 und Müller glaubte, es würde „der geschichtlichen Wahrheit in der ganzen Welt dienen“.501 Diese Hoffnung mag ein wenig übertrieben gewesen sein, doch den Absatz des Buches – knapp zwei Monate nach Erscheinen hatten sich rund 2.000 Exemplare verkauft – bewertete er als „in dieser ‚Sauren Gurkenzeit‘ des Buchhandels für ein politisches Buch sehr gut“.502 Im Februar 1959 erschien die in 2.600 Exemplaren gedruckte zweite Auflage,503 das Buch hatte „besonders starken Widerhall in der Presse und in der Öffentlichkeit“ gefunden,504 und auch das Ausland zeigte Interesse an seinem Gegenstand, in den USA, Großbritannien und Frankreich erschienen Lizenzausgaben. Weitere Ex-Kommunisten unterstützten diese eher agitatorische Linie, die eine der Dimensionen in der Auseinandersetzung mit dem Ostblock dar497  Vgl. Schwartz, Michael: Das Gründungspräsidium des Bundes der Vertriebenen und das „Dritte Reich“. München: Oldenbourg, 2013. S. 269 ff. 498  Vgl. Goinard, Myriam: Nationsverständnis der sudetendeutschen Sozialdemokraten im 20. Jahrhundert. In: Hudemann, Rainer/Schmeling, Manfred (Hrsg.): Die „Nation“ auf dem Prüfstand. Berlin: Akademie Verlag, 2009. S. 33–46. Hier S. 41. 499  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Gotthold Müllers an Praeger vom 2. Dezember 1958. 500  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1958. S. 4. 501  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Wenzel Jaksch vom 14. April 1958. 502  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Wenzel Jaksch vom 9. Juni 1958. 503  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 197 Korrespondenz Aufsichtsrat, Gesellschafter 1952–1959: DVA-Statistik: Buchproduktion 1959 und deren Verkauf. 504  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 197 Korrespondenz Aufsichtsrat, Gesellschafter 1952–1959: Lagebericht für das 2. Vierteljahr 1958 vom 4. August 1958.

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stellte. Sie wurde unterstrichen durch die Herausgabe der deutschen Lizenzausgabe der Aufzeichnungen des in die USA übergelaufenen ehemaligen sowjetischen Geheimdienstoffiziers Nikolai Khoklow, die von Wädekin übersetzt und 1959 bei der DVA herausgebracht wurden,505 oder durch Margarete Buber-Neumanns autobiographische Schrift Als Gefangene bei Stalin und Hitler, die, ursprünglich 1949 erschienen, in einer Neuauflage 1958 veröffentlicht wurde.506 Buber-Neumann war als Kommunistin aus dem Schweizer Exil, in das sie nach der „Machtergreifung“ der Nazis geflohen war, in die Sowjetunion abgeschoben worden. Dort wurde ihr Ehemann im Zuge des Großen Terrors hingerichtet, sie selbst in Lagerhaft genommen, ehe sie 1940 nach Deutschland übersiedeln musste, wo sie bis kurz vor Kriegsende im KZ Ravensbrück inhaftiert war.507 Diese tragische Vita habe sie, so die Darstellung des Verlags, dazu gezwungen, „die kommunistischen Arbeitslager in Sibirien mit den nazideutschen Konzentrationslagern zu vergleichen und […] dabei jeden konstruierten Unterschied schwinden [zu sehen]. Es wurde ihr klar, daß das KZ Bestandteil jedes totalitären Staates ist, daß kein diktatorisches System ohne das Verbrechen existieren kann.“508 Das Buch bediente mithin ein Nachkriegsnarrativ, das die Verbrechen der Deutschen gegen die der anderen kriegsbeteiligten Staaten aufrechnete und damit relativierte. Mitunter klang ein antikommunistisches Element selbst in der Belletristik an, wenn etwa André Malraux’ von den Erlebnissen des Autors im Spanischen Bürgerkrieg inspirierter, dokumentarischer Roman Die Hoffnung unter anderem damit beworben wird, „daß Malraux sich mit diesem Buch vom Kommunismus zu lösen beginnt“.509 Die zweite, sich mit der ersten überschneidende, Linie wird deutlich, wenn Felten die Entscheidung für die Herausgabe der deutschen Übersetzung von Khoklows Buch wie folgt begründet: „Was uns schliesslich in unserer positiven Entscheidung bestärkte, war die Tatsache, dass in diesem Buch aussergewöhnlich starke rein menschliche Aspekte zur Geltung kommen, die dafür zeugen, dass die Menschen unter der sowjetischen Diktatur nicht anders als im Westen ethische, sogar religiöse Gesichtspunkte für ihr Verhalten in Aus-

505  Khoklow,

Nikolai: Recht auf Gewissen. Ein Bericht. Stuttgart: DVA, 1959. Margarete: Als Gefangene bei Stalin und Hitler. Eine Welt im Dunkel. Stuttgart: DVA, 1958. 507  Vgl. Wachsmann, Nikolaus: KL: Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. München: Pantheon, 2018. S. 267. 508  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1958. S. 2. 509  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1954. S. 11. 506  Buber-Neumann,



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 331

nahmesituationen gelten lassen.“510 Selbst in pointiert antikommunistischen Werken sollte die Auseinandersetzung mit Russland in der Regel keine bloße Spiegelfechterei gegen einen konstruierten bolschewistischen Typus sein, in dem, wie im Nachkriegsdiskurs häufig der Fall, tradierte antirussische Ressentiments personifiziert wurden.511 Allerdings finden sich auch solche vereinzelt. Wladimir Weidlés 1956 erschienenes Buch Rußland: Weg und Abweg512 etwa „geht von der Feststellung aus, daß die russische Geschichte als Fehlschlag anzusehen ist. Hiermit ist nicht ausschließlich das Abgleiten in den Bolschewismus gemeint, die russische Entwicklung steht vielmehr von vornherein unter einem tragischen Vorzeichen. […] Der russische Mensch hat stets gehorcht, aber nie bejaht.“513 Gleichwohl bemühten sich die meisten DVA-Autoren um ein realitätsgetreues, facettenreiches und differenziertes Bild Russlands beziehungsweise der Sowjetunion und damit um eine verstehende Annäherung, die sich nicht nur im Programm, sondern auch im politischen Raum spiegelte. So sagte die DVA einen geplanten Besuch von Vertretern des Handelsrats der russischen Botschaft im Verlag angesichts der sich infolge von Chruschtschows Forderung nach einer Demilitarisierung Berlins und seiner Rekonstitution als „Freie Stadt“ entfaltende Berlin-Krise Ende 1958 ab und machte dabei ihren deutschlandpolitischen Standpunkt deutlich, ohne die Hoffnung auf eine Annäherung aufzugeben: „Der schwere Schock, den die am Freitagmorgen in der Presse veröffentlichte Note unvermeidlich bei jedem Deutschen, der sein Vaterland liebt, auslöste, ließ es uns geraten erscheinen, Herrn Taubert und Sie zu bitten, im gegenwärtigen Moment von dem beabsichtigten Besuch Abstand zu nehmen. Daß uns dieser Entschluß nicht leicht gefallen ist, bitten wir uns zu glauben. Wir geben die Hoffnung trotz aller Rückschläge nicht auf, daß es noch zu einer befriedigenden, für beide Teile tragbaren Lösung der strittigen Probleme kommen wird, die die langersehnte Entspannung zwischen dem russischen Volk und unserem herbeiführt. Im Zeichen dieser Entspannung würde es uns eine Freude sein, wenn sie uns die Ehre erweisen würden, den unter dem ungünstigen Vorzeichen verschobenen Besuch und

510  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an die Bundeszentrale für Heimatdienst vom 29. Juni 1959. 511  Vgl. bspw. Gollwitzer, Helmut: Sowjetkritik und Antikommunismus. In: Das Argument 21 (1979), Nr. 113. S. 82–93; Koenen, Gerd: Der Rußland-Komplex. Die Deutschen und der Osten 1900–1945, München: C. H. Beck, 2005. S. 438 f. 512  Weidlé, Waldimir: Rußland. Weg und Abweg. Stuttgart: DVA, 1956. 513  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1956. S. 12.

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die Besichtigung des Verlagshauses und unseres technischen Betriebes nachzuholen.“514 Im Programm schlug sich die differenzierte Linie in Sonderheit in Klaus Mehnerts Der Sowjetmensch nieder.515 Anders als es der Worttitel vermuten lassen könnte, ist es Mehnert gerade nicht darum zu tun, einen russisch-bolschewistischen Idealtypen zu skizzieren, der als westliche Projektionsfläche dienen kann. Vielmehr unternimmt er den „Versuch, zum Verständnis der Sowjetbevölkerung“ beizutragen und dem deutschen (und internationalen) Leser Kultur und Gesellschaft der Sowjetunion unabhängig von außen- und staatspolitischen Schlagzeilen nahezubringen.516 Mehnert, der das Buch seiner Mutter widmete, die ihn „die Russen lieben lehrte“,517 verlieh „den Bewohnern der Sowjetunion ein lebendiges und vor allem auch liebenswertes Gesicht“.518 In dem Buch untersucht er vier Vergemeinschaftungsebenen und -institutionen, nämlich Familie, Wirtschaft, Bildung und Religion sowie das Verhältnis von Individuum und Staat. Mehnert streicht dabei die grundsätzliche Wesensähnlichkeit der russischen und der deutschen beziehungsweise „westlichen“ Menschen heraus und vertritt die These, dass die Russen sich dem Regime zwar weitgehend bereitwillig fügten, dabei aber im Großen und Ganzen apolitisch blieben, sich nicht eigentlich „bolschewisieren“ ließen. Der Mehnert’sche Antikommunismus richtete sich also dezidiert gegen den sowjetischen Staat, während er dem russischen Volk mit Anteilnahme und Sympathie begegnete.519 Müller war der Überzeugung, „daß dieses Buch eine ganz grosse Aufgabe zu erfüllen hat, nicht nur in Deutschland, sondern im Westen schlechthin […], denn es versucht in überzeugender Weise das Bild des Russen, das durch die Fratze des Bolschewismus völlig überdeckt ist, freizulegen und zu seinem wahren Wesen vorzustossen.“520 In den Mitteilungen betonte der Verlag, das Buch sei „von höchstem Interesse, denn es ist von gewaltiger Bedeutung für die ganze Menschheit und besonders für uns Deutsche, wie weit die Bolschewisierung der Russen gelungen ist und gelin514  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Gotthold Müllers an Russakow, Büro des Handelsrates bei der Botschaft der UdSSR in der BRD, vom 9. Dezember 1958. 515  Mehnert, Klaus: Der Sowjetmensch. Versuch eines Porträts nach 12 Reisen in die Sowjetunion 1929–1957. Stuttgart: DVA, 1958. 516  Mehnert, Klaus: Der Sowjetmensch. Versuch eines Porträts nach 12 Reisen in die Sowjetunion 1929–1957. Stuttgart: DVA, 31959. 517  Ebd. S. 5. 518  Schmid, Wie bolschewistisch ist der „Sowjetmensch“? S. 467. 519  Vgl. ebd. S. 469. 520  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 14 Osteuropa Recht 1951–1958: Zeitschrift für Gegenwartsfragen Osteuropa: Schreiben Gotthold Müllers an Klaus Mehnert vom 25. April 1957.



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gen kann, […] weil sich daraus Folgerungen für die Zukunft der übrigen unter bolschewistischer Herrschaft stehenden Länder ableiten lassen“.521 Und in der Tat trafen Verlag und Autor den Nerv des Lesepublikums, das vor dem Hintergrund der Entstalinisierung in der Sowjetunion offenbar ein großes Interesse an den dortigen inneren Vorgängen und Verfasstheiten entwickelte, und landeten einen der auflagenstärksten Bestseller der DVA in der Nachkriegszeit. So wurde Der Sowjetmensch zu einem Buch, das „das Bild der Deutschen über die Sowjetunion geprägt“ habe wie kaum ein anderes.522 War Mehnerts 1957 bei der DVA erschienener Vorgängertitel Asien, Moskau und wir bereits sehr erfolgreich und erlebte innerhalb von fünf Jahren nicht nur diverse Verlags-, sondern auch Buchgemeinschaftsauflagen – bis 1961 hatte er sich über 80.000-mal verkauft –, stieß der Sowjetmensch auf eine noch weitaus größere Resonanz: Bis 1963 lag er in fast einer Million Exemplaren vor.523 Lizenzausgaben erschienen nicht nur im Bertelsmann Lesering, im Europäischen Buchklub, im Buchclub Ex Libris und als Taschenbuch bei S. Fischer, es wurden auch Übersetzungen in Israel, Brasilien, den USA, Großbritannien, Italien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Finnland und Japan veröffentlicht; selbst die Herausgabe einer jugoslawischen Ausgabe wurde sondiert.524 Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt wurde außerdem die Möglichkeit einer arabischen Ausgabe geprüft und auch andere staatliche Stellen sollten wiederum für das Buch interessiert werden, unter anderem hatte das Bundesverteidigungsministerium die „Absicht, eine große Anzahl Exemplare für die Dienststellen der Bundeswehr anzuschaffen“.525 Angesichts dieser umfangreichen Rezeption ist es nicht verwunderlich, wenn Müller konstatierte, dass Mehnert „nun einmal im Rahmen unserer Verlagsproduktion ein solches Schwergewicht gewonnen“ habe, dass er gegenüber anderen Autoren bevorzugt wurde – und mit ihm die Auseinandersetzung mit dem sozialistischen Osten.526

521  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1958. S. 7. 522  Schmid, Wie bolschewistisch ist der „Sowjetmensch“. S. 466. 523  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 350 Verschiedene Karteikästen nach Autoren und Werken geordnet Kl–Mo: Mehnert, Asien; Mehnert, Sowjetmensch. 524  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Weigers an Potrc vom 15. Dezember 1958. 525  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens ans Bundesministerium für Verteidigung vom Januar oder Februar 1959. 526  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Gotthold Müllers an Karl Pagel vom 17. Februar 1958.

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Genauso spielte die Auseinandersetzung mit dem „Westen“ in den Nachkriegsjahren in den Programmen der DVA eine Rolle, wenngleich eine kleinere. Es ist nicht verwunderlich, dass ein liberalkonservativer, staatsnaher und betont staatstragender Verlag, nachdem die Westbindung politische Realität der Bundesrepublik geworden war, kein kulturpessimistisch verzerrtes Bild der USA und ihrer Verbündeten zeichnete, wie dies Revisionisten oder „Abendländer“ häufig taten. Stattdessen dominierte auch hier, analog zur Betrachtung des Ostens, eine wohlwollende Annäherung an die neue Schutzmacht. Explizit wird die Distanzierung von wohlfeiler Amerikakritik, wenn Bruno E. Werners „Notizen von einer Europareise“, die 1952 unter dem Haupttitel Kannst Du Europa vergessen? erschienen,527 mit dem Zitat aus einer Rezension in der Stuttgarter Zeitung beworben wurde, in der dem Autor attestiert wird, es sei ihm gelungen, „einen charmanten Baedeker des Erstaunens und der liebevollen Nachdenklichkeit zu schreiben, mit dem er ganze Kategorien falschen europäischen Bildungshochmuts über den Haufen wirft“.528 In der Annonce zu Russell Lynes’ Zuviel Honig: Ist Amerika die beste aller Wel­ ten?529 klingt gar eine Westernisierungstheorie avant la lettre an: „In dieser sehr lebendigen und scharfsichtigen soziologischen Studie über Amerika werden nicht nur die amerikanischen Verhältnisse glänzend beleuchtet, der Leser entdeckt zu seiner Überraschung manche Analogie zur europäischen, zur deutschen Lage. Die viel besprochene Amerikanisierung Europas scheint eine Europäisierung Amerikas nicht auszuschließen.“530 Und auch Helmut Schoeck setzte sich in seinem im Frühjahr 1958 bei der DVA erschienenen Buch USA – Motive und Strukturen mit europäischen Amerika­bildern aus­ einander.531 Der Publizist und Soziologe Schoeck lehrte zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren an US-Universitäten, war mit der Realität des Landes also gut vertraut. In seiner Weltanschauung mischte sich ein traditioneller euro­ päischer Konservatismus mit Spielarten seines US-amerikanischen Pendants mit seiner Marktorientierung und Staatsskepsis. Schoeck publizierte zwar in

527  Werner, Bruno E.: Kannst Du Europa vergessen? Notizen von einer Amerikareise. Stuttgart: DVA, 1952. 528  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 109 Katalog Herbst und Weihnachten 1952. S. 38. 529  Lynes, Russell: Zuviel Honig: Ist Amerika die beste aller Welten? Stuttgart: DVA, 1958. 530  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1958. S. 14. 531  Schoeck, Helmut: USA – Motive und Strukturen. Stuttgart: DVA, 1958.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 335

christlich-konservativen Blättern wie dem Rheinischen Merkur532 und korrespondierte mit Gehlen und Mohler,533 die politische Stoßrichtung seiner Betrachtungen wurden aber deutlich durch insgesamt 15 Jahre in den USA und die Auseinandersetzung mit der dortigen Gesellschaft geprägt. Insbesondere im Laufe der 1960er Jahre entwickelte sich Schoeck zu einem scharfen Kritiker der Linken, die „an einem allgemeinen Weltschmerz, einem krankhaften Bedürfnis, alles (und sich selbst) madig zu machen“, kranke.534 Die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte belege diesen Zwang der „Nationalmasochisten“: „In USA lehnen sie sich seit Jahrzehnten an das, was die böse Nation den Farbigen angetan hat und antut, in Deutschland eben an Hitlers Untaten usw. Hätte es aber in Deutschland nie Juden und in USA nie Neger gegeben, so würde dieser Menschentyp irgendetwas anderes zu seiner moralischen Rechtfertigung finden. Aber es gibt ihn ja auch in Skandinavien, wo weder Juden noch Neger verfolgt wurden. Kann man ihn also überhaupt aus einer bestimmten geschichtlichen Vergangenheit und ihrer Pseudobewältigung erklären?“535 In seinem Buch sucht er aus der hier anklingenden libertär-konservativen Haltung heraus europäische Vorbehalte gegenüber den USA zu hinterfragen und Parallelen zwischen den dortigen und den hiesigen Entwicklungen zu ziehen: „Er ist den alten Vorurteilen nachgegangen vom ‚Materialismus‘, der ‚Gewinnsucht‘, dem ‚Egoismus‘ in den Vereinigten Staaten, von der ‚Verweichlichung durch Zivilisation‘, von der ‚Kultur- und Geschichtslosigkeit‘ der USA. Schoeck legt seinen Finger auf alle legendären Vorstellungen und Mythenbildungen. Er zeigt überraschende Parallelen in amerikanischen und europäischen Problemen, wie das Verstaatlichungsfieber, die Einengung der individuellen Sphäre, den Konformismus oder die ‚Verpreußung‘ des zivilen Lebens.“536 Insbesondere in den frühen 1950er Jahren, als die Westoption in der westdeutschen Öffentlichkeit als eine von mehreren diskutiert wurde, fanden sich gleichwohl auch Titel, die die Möglichkeit eines blockfreien Deutschlands in den Raum stellten und an tradierte konservative Mitteleuropa-Ideen anknüpften. Sie klingen beispielsweise in Wilhelm Wolfgang Schütz’ Deutschland

532  Vgl. DLA, A: Ackerknecht, Erwin: Schreiben Helmut Schoecks an Erwin Ackerknecht vom 28. Juni 1960. 533  Vgl. DLA, D: Merkur: Schreiben Arnold Gehlens an Helmut Schoeck vom 28. August 1966. 534  DLA, A: Mohler, Armin, Schoeck an Mohler, o. D.: Schreiben Helmut S ­ choecks an Armin Mohler vom 30. April 1965. 535  DLA, A: Mohler, Armin, Schoeck an Mohler, o. D.: Schreiben Helmut S ­ choecks an Armin Mohler vom 1. Dezember 1965. 536  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1958. S. 10.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

am Rande zweier Welten an.537 Darin wendet sich der Autor „gleichermaßen gegen jede zwielichtige Ostpolitik wie gegen das im Westen gelegentlich anzutreffende lineare Ultimativ-Denken. Er glaubt, daß die Nichtbenutzung des (westlichen) Potentials zum Verhandlungsgegenstand im Austausch gegen territoriale Konzessionen Rußlands im östlichen Mitteleuropa gemacht werden könne. In der Vertretung dieser These und der darin enthaltenen Möglichkeiten für Deutschlands Einigung sieht er die große Aufgabe der deutschen Außenpolitik, die sich nicht darauf beschränken dürfen, alliierte Thesen nachzusprechen oder sich passiv von den Amerikanern, Briten und Franzosen mitreißen zu lassen.“538 Noch deutlicher wird ein alternativer Europaentwurf freilich bei dem Vordenker der konservativen Paneuropa-Union Richard Nikolaus CoudenhoveKalergi, der in der Zwischenkriegszeit einen von den USA und der Sowjetunion unabhängigen europäischen Staatenbund unter christlichen und potentiell autoritären Vorzeichen imaginierte.539 Über sein bei der DVA veröffentlichtes Buch Die europäische Nation war die Zeit beim Erscheinen im Jahr 1953 bereits hinweggegangen: Sein Werk skizziere ein Gegenmodell zum eingeschlagenen Weg der Einigung und ermögliche „interessante Vergleiche“ zwischen pan-europäischer Vision und dem zeitgenössischen „Entwurf eines europäischen Bundesstaates“; die besondere Bedeutung des Buches liege darin, „daß die moralisch-geistige Pionierarbeit einer der wichtigsten Komponenten des europäischen Einheitsstrebens sichtbar wird. Die geschichtliche Rolle Coudenhove-Kalergis wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß die realpolitische Entwicklung andere Wege zur Verwirklichung des pan-europäischen Ideals gegangen ist, als sie Coudenhove ursprünglich im Auge hatte.“540 Diese realpolitische Entwicklung indessen war in den kommenden Jahren kaum Gegenstand in den Programmen der DVA. Der Verlag, der sich in der Selbstdarstellung häufig als von europäischem Geist, einem „Gefühl euro­ päischer Zusammengehörigkeit“ getragen darstellte,541 betrachtete den Kontinent eher aus einer deutschen Perspektive, die um Einblicke in andere Länder und Kulturen ergänzt wurde, in der Nachkriegszeit jedoch nur selten aus einem gesamteuropäischen Blickwinkel. 537  Schütz,

Deutschland am Rande zweier Welten. Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1953. S. 47. 539  Zu Coudenhove-Kalergi und der Paneuropa-Union vgl. bspw. Conze, Vanessa: Richard Coudenhove-Kalergi. Umstrittener Visionär Europas. Göttingen: Musterschmidt, 2004. 540  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 24 Mitteilungen 1952– 1954: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1953. S. 7. 541  DVA, 175 Jahre. S. 10. 538  WABW,



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 337

3. Kulturkritik und Zeitdiagnostik Expliziert wurde die europäische Dimension des publizistischen Schaffens der DVA auch im Untertitel des Merkur, der als Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken firmierte. Und in der Tat bot die Zeitschrift Gedanken über das Abendland und Europa genauso Raum wie ganz unterschiedlichen europäischen Intellektuellen, die sich mit Kunst und Literatur genauso aus­ einandersetzten wie mit Geschichte und Geschichtsphilosophie oder Politik und Wirtschaft – an Wielands Teutschem Merkur orientierte sich die Zeitschrift auch wegen dessen „enzyklopädischen Anspruchs“.542 Der Merkur entwickelte sich rasch zu einer der wichtigsten und einflussreichsten kulturellen Zeitschriften der Nachkriegszeit, die sich mit Kulturkritik und Zeit­ diagnostik, mit den Bedingungen und Ausformungen von Kultur, mit ihren Protagonisten und deren Visionen, mithin mit wesentlichen Topoi der westdeutschen Nachkriegsdiskurse auseinandersetzten. Zu ihren Beiträgern gehörten in den ersten Jahren beispielsweise Hans Egon Holthusen, Leopold Ziegler, Ernst Robert Curtius, Jürgen von Kempski und Kurt Kusenberg, José Ortega y Gasset, André Malraux und André Gide, auch Gerhard Nebel, Arnold Gehlen oder Friedrich Georg Jünger. Gegründet wurde der Merkur 1947 und erschien, nachdem eine Inverlagnahme durch Peter Suhrkamp gescheitert war, im eigens für die Zeitschrift etablierten Verlag Heller und Wegner. Seine Väter waren Joachim Moras und Hans Paeschke, die ein „Generalsekretariat der Ideen“ ins Leben zu rufen suchten.543 Moras hatte von 1934 bis 1944 die bei der DVA erschienene Europäische Revue herausgegeben, eine Tätigkeit, die er zwar, im Gleichklang mit der Darstellung der Zeitschrift durch die DVA, in die Nähe des „geistigen Widerstands“ rückte, die aber dazu führte, dass er zunächst ein, ihn schließlich entlastendes, Spruchkammerverfahren durchlaufen musste, ehe er wieder publizistisch in Erscheinung treten konnte.544 Für die ersten fünf der insgesamt sechs Hefte des ersten Jahrgangs trat Hans Paeschke, der von Baden-Baden aus die Gründung der Zeitschrift in der französischen Besatzungszone vorangetrieben hatte, deshalb als alleiniger Herausgeber des Merkur auf. Auch Paeschke war in den Jahren der Weimarer Republik und des „Dritten Reiches“ journalistisch tätig gewesen, hatte unter anderem für

542  Paeschke, Hans: Kann keine Trauer sein. In: Merkur 32 (1978), Nr. 367. S. 1169–1193. Hier S. 1169. 543  Demand, Christian/Knörrer, Ekkehard: „Wir sind uns einig über das Versagen der Zeitschrift“. Krisenhaftes aus der Frühzeit des Merkur. In: Merkur 67 (2013), Nr. 766. S. 229–238. Hier S. 229. 544  Vgl. ebd. S. 230.

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die Deutsche Zukunft geschrieben und ab 1939 Die neue Rundschau unter ihrem He­rausgeber Peter Suhrkamp geleitet.545 Mit dem Merkur wollten Moras und Paeschke ein Organ schaffen, das ein Ort der gelehrten Reflexion, der Auseinandersetzung mit der Gegenwart unter Berücksichtigung der Vergangenheit durch einige der herausragenden Geister ebendieser Gegenwart und ebendieser Vergangenheit sein konnte und für das Lessing Pate stand, dessen Aufsatz Über eine Aufgabe im „Teutschen Merkur“ den Auftakt der ersten Ausgabe bildete und nicht nur die geistige Höhe, sondern mit seiner Feststellung, Aufgabe der Philosophen sei es, „die Begriffe […] aufzuklären und so deutlich als möglich zu machen“, auch die Richtung der Zeitschrift veranschaulichen sollte.546 Eine – von vielen Konservativen der Nachkriegszeit zur Schau getragene – vordergründig betont ideologiekritische bis antiideologische, tatsächlich aber durchaus weltanschaulich ausgerichtete Haltung formulierte Paeschke bereits in der ersten Ausgabe, als er „Mut zur Distanz gegenüber allen angeblich endgültigen Lösungen“ versprach.547 Gemeinsam mit Moras unterstrich er sie in einer Adresse, die die beiden anlässlich des Wechsels zur DVA und des Übergangs zu einer monatlichen Erscheinungsweise An unsere Leser richteten; denn wie so viele andere der Nachkriegszeitschriften hatte auch der Merkur unter den Folgen der Währungsreform gelitten und konnte im zweiten Jahr seines Erscheinens nur noch vier Hefte produzieren. Hier postulierten die Herausgeber, dass „kein Dogma, keine Doktrin, keine Ideologie, sondern eine Haltung“ die Zeitschrift charakterisiere, die es sich zur Aufgabe gemacht habe, deutsche Intellektuelle „an jedem geistigen Gespräch in Europa“ teilnehmen zu lassen.548 Dabei zeigte der Nachkriegs-Merkur ein deutlich konservatives Gesicht, machte sich, anders als viele der anderen politisch-kulturellen Periodika der Zeit, kein emphatisches Aufbruchspathos zu eigen, sondern blieb skeptisch gegenüber vermeintlicher Avantgarde, betonte Kontinuität und abendländische Tradition und focht mit Autoren wie Nebel und Curtius für die Restitution überkommener, organischer Werte gegen gegenwärtigen Verfall und konstruierte Institutionen.549 Gerade Paeschke nahm mitunter eine dezidiert antiliberale Haltung ein, zeigte sich etwa überzeugt, „dass nämlich gerade der Liberalismus ein Hauptteil der Verantwortung an der modernen Nationalisierung und Totalisierung trägt, wobei Jakobinertum, also FanatisPaeschke, Kann keine Trauer sein. S. 1171. Gotthold Ephraim: Über eine Aufgabe im „Teutschen Merkur“. In: Merkur 1 (1947), Nr. 1. S. 1–7. Hier S. 6. 547  Zit. n. Bohrer, Karl Heinz: Hans Paeschke und der Merkur. In: Merkur 45 (1991), Nr. 510/511. S. 991–996. Hier S. 991. 548  Moras, Joachim/Paeschke, Hans: An unsere Leser. In: Merkur 2 (1948), Nr. 4. S. 481–484. Hier S. 482. 549  Vgl. Kießling, Die undeutschen Deutschen. S. 69 f. 545  Vgl.

546  Lessing,



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 339

mus, und Moralismus zusammenwirken“.550 Die hier aufscheinenden Vorbehalte gegen eine politisch unmündige Plebs schwangen in vielen Beiträgen des Merkur mit, der sich in seiner hundertsten Nummer als „eine Zeitschrift für die geistige Elite“ kennzeichnete.551 Das bedeutete freilich nicht, dass nicht auch liberale und linke Autoren wie Adorno, Habermas oder Enzensberger dort veröffentlicht worden wären.552 Mit seiner hochstehenden, kulturkritischen Ausrichtung fügte sich der Merkur durchaus als sein Profil unterstreichendes intellektuelles Aushängeschild in das Programm seines neuen Verlags, der sich ebenfalls an die Leser der Zeitschrift wandte und sich dabei überzeugt zeigte, dass er „mit ihrer Übernahme der inneren Entwicklungslinie der Deutschen Verlags-Anstalt gemäß“ handle.553 Bernhard Fischer verallgemeinert diese Funktion für die politisch-literarischen Nachkriegszeitschriften insgesamt: „Durchweg von namhaften Verlagen herausgebracht, fungierten und fungieren sie innerhalb der literarischen Gesellschaft als Aushängeschilder, weil sie, ungleich lebendiger als das schwerfällige Buchprogramm, die geistige Physiognomie und Programmatik eines Verlags zum Ausdruck bringen.“554 Mit dem Merkur schmückte sich der Verlag auch gegenüber der allgemeinen Leserschaft, wenn er ihn als eine „Zeitschrift des weltoffenen Lesers, der zu den zeitbewegenden Fragen der Literatur, Wissenschaft und Politik die unabhängige, undoktrinäre und kritische Stellungnahme führender Autoren europäischen Ranges verlangt“, bezeichnete.555 Auf der anderen Seite gaben sich auch die Herausgeber des Merkur mit Blick auf die DVA überzeugt, dass ihre „eigenen Bestrebungen“ mit „deren bewährter Tradition“ hervorragend zu vereinbaren seien.556 Das hieß freilich nicht, dass das Verhältnis zwischen Redaktion und Verlag unkompliziert gewesen wäre. Zwar gab es eine enge inhaltliche Zusammenarbeit, indem etwa Manuskripte von Merkur-Beiträgern von Moras und Paesch­ke an die DVA herangetragen wurden, andere durch sie im Auftrag 550  BAK, N 1166/363, Nachlass Gerhard Ritter, Schriftwechsel mit Verlegern und Herausgebern 1924–1968, Bd. 7, 1. Jan.–31. Dez. 1950: Schreiben Hans Paeschkes an Gerhard Ritter vom 14. April 1950. 551  Zit. n. Ohde, Horst: Agenten, Konkurrenten. S. 187. 552  Vgl. Reitmayer, Das politisch-literarische Feld. S. 88 f. 553  Leins, Hermann/Maier, Hermann: An unsere Leser. In: Merkur 2 (1948), Nr. 4. S. 484. 554  Fischer, Bernhard: Literatur – Rundfunk – Zeitschrift. Anmerkungen zum intermedialen Austausch. In: Estermann, Buch, Buchhandel und Rundfunk 1950–1960. S. 247–255. Hier S. 251 f. 555  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 120 Broschüre „Bücherverzeichnis 1946–1949, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart“, 1949. S. 37. 556  Moras/Paeschke, An unsere Leser. S. 481.

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des Verlags geprüft wurden; selbst Klappentexte gegenzulesen wurden die Herausgeber mitunter beauftragt. Darüber hinaus spielte der Merkur stets eine wichtige Rolle für die Promotion des Buchprogramms des Verlags, sowohl durch Rezensionen wie auch durch Vorabdrucke.557 Die mit allen Verlagszeitschriften, mit dem Merkur jedoch in besonderem Maße verbundene Hoffnung, neue, idealiter herausragende und publikumswirksame Autoren zu gewinnen, wurde in den ersten Jahren der Einschätzung Dingeldeys zufolge gründlich enttäuscht: „Gerade in dieser Beziehung war aber auch von den gelegentlich als Aussenlektoren fungierenden Herausgebern des ‚Merkur‘ gewiss nichts zu erwarten, deren Geschmack völlig dem ihres esoterischen Leserkreises entsprach“.558 Bis 1960 hatte sich daran nichts Grundsätzliches geändert. So berichtete Kurz von einem Gespräch mit dem Leiter des Kulturkreises des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Gustav Stein: „Bezüglich der literarischen Verbindung zwischen DVA und MERKUR-­ Herausgebern verwies ich darauf, dass nach meiner Beobachtung das Ver­ legen des MERKURs der Deva in manchen Personenkreisen, vor allem bei anderen Verlegern, ein gutes Ansehen verschafft habe, ohne dass aber damit eine Förderung der Verlagsgeschäfte selbst eingetreten sei. So sei über ­MERKUR oder seine Herausgeber bislang kein einziger namhafter Autor – und auch kein Nachwuchsautor – der Deva zugeführt worden.“559 Hinzu kam, dass der Merkur, wie die anderen Verlagszeitschriften auch, bis er 1963 schließlich von Kiepenheuer & Witsch, 1968 dann von Klett übernommen wurde, aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein gänzlich unrentables Geschäft blieb. Die ökonomische Situation führte immer wieder zu Konflikten zwischen Verlag und Redaktion und es verging kaum einmal ein längerer Zeitraum, in dem nicht mit dem Gedanken einer Einstellung der Zeitschrift gespielt wurde. Schon 1950 – bis zur Mitte des Jahres hatte der Merkur den Verlag seit seiner Übernahme bereits über 100.000 ­D-Mark gekostet560 – schien „durch den Wechsel in den Besitzverhältnissen und in der Leitung der Deutschen Verlags-Anstalt, für die offenbar die Parole ausgegeben worden ist, alle nicht rentablen Verlagsobjekte so rasch wie möglich 557  Vgl.

bspw. DLA, D: Merkur, Briefe an ihn von DVA 1956. B-112, Handelsbank Heilbronn 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Exposé über eine neue Produktion in der Deutschen VerlagsAnstalt von Hermann Dingeldey. 559  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 452 Interne Mitteilungen 1959–1961: Aktenvermerk Eugen Kurz’ vom 5. März 1960, betr. Merkur-Besprechung mit Gustav Stein am 20. Februar 1960. 560  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Zusammenstellung der Zuschüsse für „Merkur“, „Welt der Frau“, „Landfrau“. 558  WABW,



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 341

abzubauen“,561 so die Interpretation Moras’ und Paeschkes, „die Existenzfrage gestellt“.562 Als sich die Zeitschrift neun Jahre später immer noch nicht konsolidiert hatte, gab es abermals konkrete Überlegungen, sie einzustellen,563 worüber sich unter anderem Friedrich Sieburg gegenüber Müller sehr beunruhigt zeigte, habe es sich beim Merkur doch um die „einzige wirklich gebildete Zeitschrift in Deutschland“, einen der wenigen „Sammelpunkte“ des „gebildeten Publikums“ gehandelt, „auf das Sie und wir so sehr angewiesen sind“.564 Zwar rang man sich immer wieder dazu durch, den Merkur am Leben zu erhalten und manche Drohung des Verlags dürfte auch in erster Linie dem Versuch der Disziplinierung Paeschkes und Moras’ gedient haben, die weitgehende Autonomie der in München angesiedelten Redaktion war den Stuttgartern, insbesondere dann unter Eugen Kurz, aber zunehmend ein Dorn im Auge. 1962 verlangte Kurz deshalb – letzten Endes erfolglos –, dass die Redaktion nach Stuttgart übersiedeln solle, was für Paeschke bloßer Ausdruck des Willens der DVA war, die Unabhängigkeit der Zeitschrift zu unterminieren und ihren Charakter grundlegend zu verändern, worüber er sich bei Klett in einer Weise beschwerte, aus der die Verbitterung gegenüber dem Verlag deutlich wird: „Es wurde vollkommen klar, daß die Forderung nach der Verlegung des Redaktionssitzes ein Vorwand für eine von Anfang an geplante und im Zuge der Kündigung offen erklärte ‚Reform‘ der Zeitschrift war. Wenn man es mit dem MERKUR ehrlich gemeint und nicht an eine Veränderung des Niveaus und damit des Gesichtes der Zeitschrift gedacht hätte, sondern an die größtmögliche Leistungsfähigkeit der Redaktion, würde man diesen Punkt gar nicht zum Streitpunkt erhoben haben. Der Druck mit der Kündigung und nach der Kündigung durch all das, was ich Ihnen berichtete, zeigen deutlich, daß es hier um Tendenzen in Richtung einer Verlagszeitschrift geht. Der Punkt Stuttgart dient dabei als Alibi, um den Schwarzen Peter mir zuzuschieben. Ich habe mich in ausführlichen Begründungen im letzten Jahr mehrfach (und diesem Hause gegenüber natürlich vergeblich) dagegen verwahrt, diese Frage in ein subjektives Licht zu rücken.“565 561  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Joachim Moras an Theodor Heuss vom 7. Mai 1950. 562  DLA, D: Merkur, Merkur an Klett, 1949–1979: Schreiben Hans Paeschkes an Ernst Klett vom 24. Mai 1950. 563  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 452 Interne Mitteilungen 1959–1961: Aktennotiz Eugen Kurz’ vom 29. Juni 1959. 564  DLA, A: Sieburg, Friedrich/Kopien, Sieburg an Müller, 1957–1964: Schreiben Friedrich Sieburgs an Gotthold Müller vom 26. August 1959. 565  DLA, D: Merkur, Merkur an Klett, 1949–1979: Schreiben Hans Paeschkes an Ernst Klett vom 30. März 1962.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Tatsächlich schätzte die DVA den Merkur allen Ärgernissen zum Trotz als „Sendbote des deutschen Geistes“566 und hielt insgesamt 15 Jahre an ihm fest, nicht zuletzt eben weil er das Ansehen des Verlags insbesondere bei Autoren steigerte, die sich in ihren Werken selbst mit einer kulturkritischen Zeitdiagnostik hervortaten. Die „Bezieher des ‚Merkur‘ “ waren denn auch eine der häufig genannten Zielgruppen für jene Bücher, die sich ähnlichen Themenfeldern aus ähnlicher Warte näherten, etwa jene Hans Freyers.567 Freyer, als etablierter Soziologe der Zwischenkriegszeit Lehrer unter anderem Gehlens und Schelskys, hatte Jugendbewegung und „Konservativer Revolution“ nahegestanden, den Nationalsozialismus begrüßt und unter ihm Karriere gemacht und gehörte in der Nachkriegszeit, wie erwähnt, zu jenen Rechtsintellektuellen, die den Versuch unternahmen, frühere Ideenbestände mit den neuen Realitäten der Bundesrepublik in Einklang zu bringen. Sie erbrachten damit eine wichtige Integrationsleistung, die nicht zuletzt die Wiedergewinnung ihrer eigenen Sprechfähigkeit erlaubte, nachdem sie als NS-Sympathisanten in den ersten Jahren nach 1945 zunächst marginalisiert worden waren.568 Freyer hatte bereits im Jahr 1948 seine Weltgeschichte Europas publiziert, in der er konservatives Denken und Handeln in einer dialektischen Beziehung zum Fortschritt, wie er sich in Folge der Französischen Revolution ausgebildet habe, verortet. In diesem Zusammenspiel hätten sie eine konstruktive Rolle in der gesellschaftlichen Weiterentwicklung gespielt, die durchaus begrüßenswert sei. Damit überwand Freyer die Idee einer „Revolution von rechts“569 und redete einer demokratiekonformen, reformorientierten Haltung das Wort – das Buch sei, so Martina Steber, ein „Manifest eines revidierten, deradikalisierten Konservatismus“;570 die zweite Auflage des Titels erschien 1954 bei der DVA.571 In der dort ein Jahr später veröffentlichten Theorie des gegenwärtigen Zeitalters572 entwickelte Freyer diesen Ansatz systematisch weiter und legte einen geschlossenen Entwurf vor, mit dem er einen zeitgemäßen Konservatismus konturieren wollte – und der eine erhebliche Wirkung entfaltete. 566  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Metzner, Kulturabteilung des Auswärtigen Amts, vom 28. September 1959. 567  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1955. S. 3. 568  Vgl. Muller, Jerry Z.: The Other God that Failed: Hans Freyer and the Deradicalization of German Conservatism. Princeton: Princeton University Press, 1987. S.  316 f. 569  So der Titel eines Aufsatzes Freyers aus dem Jahr 1931. 570  Steber, Hüter der Begriffe. S. 122. 571  Freyer, Hans: Weltgeschichte Europas. Stuttgart: DVA, 21954. 572  Freyer, Hans: Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Stuttgart: DVA, 1955.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 343

Freyer attestiert der industriellen Moderne darin ein immenses Entfremdungspotenzial, das aus den sie prägenden „sekundären Systemen“, die als „gemachte“ Ordnungen im Gegensatz zu den gewachsenen Ordnungen der präindustriellen Zeit keine Einflussnahme und damit auch keine Identifikation erlaubten, sondern den Menschen auf Funktionen reduziere, erwachse;573 daraus folgt allerdings keine reaktionäre Verdammung der Moderne, sondern der Versuch einer Bewältigung und Formung der Gegenwart aus konservativer Warte. Geschaffen werden soll eine Verbindung aus Organizismus und Technokratie, eine Synthese aus klassisch kulturkritischen Vorbehalten und der Zukunftsorientierung der zunehmend prosperierenden Bundesrepublik. Auch in der Verlagswerbung verbinden sich diese beiden Aspekte: „Wir gehen einer gemachten Welt entgegen, die den Menschen in das Arbeitsgefüge einmontiert, ihn auf eine gesteuerte Zivilisation einengt und ihn an die Vollendbarkeit der Geschichte glauben läßt. Ein Modell dieser Welt, die sich an vielen Stellen schon rein ausprägt, läßt sich bereits heute zeichnen. Wie die Stahl- und Glasbauten der Gegenwart ist sie auf dem schmalsten Unterbau errichtet, auf einer undurchlässigen Schicht, die den gewachsenen Boden ausspart. Hier wird der Mensch abgeschnitten von seinen natürlichen Bedingungen, hier wird er nicht mehr ‚für voll‘ genommen, hier wird er immer nur teilweise ‚betroffen‘: als Wähler, als Ortsansässiger, als Steuerpflichtiger, als Konsument, bis hinein in die schon vorgestanzte private Sphäre. Ist diese ‚Entfremdung‘ ein Ende oder schreitet die Geschichte der Menschheit gerade durch sie weiter? Für beides gibt es in der Geschichte Beispiele. Geschichte bleibt immer an der Stirnseite offen; sie wird nicht kalkuliert, sondern riskiert. Heute setzen die Völker nicht nur die Schätze ihres Bodens ein, sondern alle menschlichen Energien, die sie als Erbe in sich tragen. Was dabei an Vitalität, an sittlichen und geistigen Kräften mobilisiert wird, entscheidet darüber, was uns die Zukunft bringt: ein für immer der Schöpfung entfremdetes Dasein oder eine neue Epoche der Menschlichkeit.“574 Dass eine solche Verquickung scheinbar gegensätzlicher Konservatismen eine relativ breite Zielgruppe ansprach, zeigt die Resonanz, auf die das Werk stieß. Es wurde in starkem Maße innerhalb des intellektuellen und insbesondere des soziologischen Diskurses rezipiert, nicht zuletzt durch Gehlen und Schelsky,575 rief aber auch in der Presse Echo hervor, die Zürcher Tat etwa bekundete „seit Jahren kein so gescheites und förderliches Buch gelesen“ zu haben,576 und erreichte durchaus auch ein allgemeines Publikum. Es wurde ebd. S. 121 f.; Freyer, Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. S. 83. Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1955. S. 3 f. 575  Vgl. Steber, Hüter der Begriffe. S. 123 ff. 576  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 115 Katalog 1958–59: Deutsche Verlags-Anstalt im 110. Jahr. S. 46. 573  Vgl.

574  WABW,

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

für einen Titel dieses Zuschnitts in durchaus respektablen 13.000 Exemplaren vorgelegt, die in insgesamt vier Auflagen – Neuauflagen erfolgten 1956, 1958 und 1961 – veröffentlicht wurden. Auch international stieß Freyer auf große Aufmerksamkeit, Lizenzen seiner beiden DVA-Werke wurden unter anderem nach Brasilien, Mexiko, Spanien, Frankreich und in die Niederlande verkauft.577 Müller hoffte wohl nicht zuletzt deshalb darauf, dass sich die Beziehungen zwischen Verlag und Autor verstetigen würden, und wollte etwa Freyers „Lebensbericht“ publizieren,578 es dürfte ihm aber auch dessen neuer, liberal gewendeter Konservatismus zugesagt haben, sodass es vermutlich nicht nur Schmeichelei war, wenn Müller mit Blick auf die Theorie des gegenwärtigen Zeitalters den Wunsch formulierte, „daß das Werk erneut seine Beständigkeit erweisen und in die Hände vieler, vor allem junger Leser, gelangen wird“.579 Einer der wichtigsten Treiber der industriellen Entwicklung und damit der Entfremdung des Menschen war nach Freyer, und wer wollte ihm widersprechen, die immer dynamischere Entwicklung und Ausweitung neuer Technologien, die viele der „sekundären Systeme“ beziehungsweise deren Reichweite überhaupt erst ermöglichten. Damit bewegte er sich inmitten eines präsenten konservativen Nachkriegsdiskurses, in dem sich eine allgemeine Kulturkritik häufig aus einer grundlegenden Technikkritik entwickelte.580 Eine solche fand sich vereinzelt auch in den Programmen der DVA. So erschien im Herbst 1957 Jürgen Rauschs Essaysammlung Der Mensch als Märtyrer und Monstrum.581 Der Ausgangspunkt seiner „Überlegungen war das fundamentale Problem der Technik und des bedrängten Weltbewußtseins, das sich aus der so schnell entwickelten Industrialisierung ergeben hat. Sehr bald zeigte sich, daß die Technik selber kein technisches Problem ist, sondern daß in ihr der Mensch auf eine ganz besondere Weise in Frage gestellt wird. Ausgerüstet mit seinen riesigen Apparaturen und Organisationen erscheint sein Wesen überall verlängert und vergrößert, ja zuweilen ins Monströse verzerrt. Den ungeheuren Möglichkeiten, die uns zugewachsen sind, stehen ebenso große Gefahren entgegen, die in der Verzerrung des

577  Vgl. u. a. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Weigers an Ediciones Guadarrama vom 26. Juni 1958. 578  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Hans Freyer vom 14. Oktober 1958. 579  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Hans Freyer vom 4. Februar 1958. 580  Vgl. Sieferle, Fortschrittsfeinde. S. 229. 581  Rausch, Jürgen: Der Mensch als Märtyrer und Monstrum. Essays. Stuttgart: DVA, 1957.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 345

Menschenbildes und der ihr folgenden Unsicherheit, was denn der Mensch im Grunde sei, gipfeln.“582 Im Programm der DVA war eine solche Perspektive allerdings nicht vorherrschend – für ein eng mit Bosch assoziiertes Unternehmen hätte sich das auch reichlich merkwürdig ausgenommen. Vielmehr sah sie sich „als Ort der Auseinandersetzung und Klärung für den unsere deutsche Gegenwart wesentlich bestimmenden Gegensatz zwischen Kultur und Technik im Sinne einer fruchtbaren Versöhnung“,583 wie sie auch bei Freyer anklang. Deshalb fanden sich nicht nur theoretische Auseinandersetzungen, die die Chancen neuer Technologien betonten im Programm, wie sie beispielsweise Egmont Hiller vornahm, dessen Buch Automaten und Menschen die Gefahren der Technisierung in den Blick nahm,584 jedoch die Überzeugung transportierte, dass „uns die Automatisierung nicht nur im Technischen, sondern auch im Sozialen einen entscheidenden Schritt weiterbringen“ könne,585 sondern vor allem auch Titel, die die Faszination an Technik und Ingenieurskunst transportieren wie das seit 1956 erschienene Jahrbuch Starten und Fliegen.586 Freyer war derweil nicht der einzige ehemalige „Konservative Revolutionär“, der in der DVA eine Mittlerin fand, kulturkritische Standpunkte in die Orientierungsdiskurse der Bundesrepublik einzubringen: Giselher Wirsing, in der Zwischenkriegszeit neben Hans Zehrer einer der prägenden Köpfe des Tat-Kreises, wie Mehnert ein Anhänger des Strasser-Flügels der National­ sozialisten und nach dem Krieg Mitbegründer von Christ und Welt, veröffentlichte 1956 seine Gedanken zur globalen demographischen Entwicklung unter dem Titel Die Menschenlawine,587 in der er das Schreckensbild einer massenhaften Migration aus der „Dritten Welt“ infolge der dortigen, durch den technischen und medizinischen Fortschritt ermöglichten, Bevölkerungszunahme zeichnete.588 582  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1957. S. 17. 583  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 602 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Berichte über den Geschäftsgang; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Verlagsplanung Heinrich Leippes vom 11. Juni 1953. 584  Hiller, Egmont: Automaten und Menschen. Stuttgart: DVA, 1958. 585  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1958. S. 3. 586  o. Hrsg.: Starten und Fliegen. Das Buch der Luftfahrt und Flugtechnik. Stuttgart: DVA, 1956–1962. 587  Wirsing, Giselher: Die Menschenlawine. Der Bevölkerungszuwachs als weltpolitisches Problem. Stuttgart: DVA, 1956. 588  Vgl. Laak, Dirk van: Afrika vor den Toren. Deutsche Raum- und Ordnungsvorstellungen nach der erzwungenen „Dekolonisation“. In: Hardtwig, Wolfgang (Hrsg.):

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Gerade in den späten 1940er Jahren standen auch die herausragenden Figuren des Weimarer Rechtsintellektualismus im Fokus der DVA: Weniger für das Buchprogramm als vielmehr für eine Zusammenarbeit mit dem Merkur sollte beispielsweise Carl Schmitt gewonnen werden, schon, weil man das Pallas-Projekt mit Unbehagen beobachtete. Von Eichborn schien es deshalb, wie er Paeschke mitteilte, „höchste Zeit, dass wir eine enge Verbindung mit ihm herstellen“;589 auch im Buchprogramm fand sich Schmitt später wieder, allerdings nur in Form von Sekundärliteratur: In der IfZ-Publikation Ausnahmezustand und Norm590 untersuchte Peter Schneider „das vieldeutige Gesamtwerk des bekannten Staats- und Völkerrechtslehrers Carl Schmitt, dessen Name unheilvoll mit dem Dritten Reich verbunden ist“.591 Sein Anliegen war dabei allerdings „keineswegs in erster Linie polemischer Natur. Seine Darstellung läßt daher die anregende Kraft Schmitts voll zur Geltung kommen. Er versucht vielmehr im Schmittschen Werk jene gedanklichen Bewegungen sachlich aufzuzeigen, deren Ergebnisse die Grundform des Rechtsstaates sprengen und welche besonders dann unheilvoll wirken, wenn ihre innere Konsequenz verborgen bleibt“592 – eine Darstellung, die pars pro toto die Melange aus Faszination und Distanzierung erkennen lässt, die den Blick der Nachkriegskonservativen auf die einflussreichen, aber kompromittierten Rechtsintellektuellen der Zwischenkriegszeit prägte. Zu diesen zählte natürlich in besonderem Maße Ernst Jünger. Auch er schrieb, wie sein Bruder, wiederholt Beiträge für den Merkur, was nicht nur die Redaktion goutierte, sondern ebenso der Verlag.593 Anders als für viele andere Verlage des oben skizzierten konservativen Spektrums war Jünger für die DVA allerdings nie ein Fixpunkt und anders als Klett, Reichl oder Katzmann, die große Mühen auf sich nahmen, um Jünger als Autor zu gewinnen, scheint der DVA nie ernstlich daran gelegen gewesen zu sein, auch Bücher Jüngers zu verlegen. Gleichwohl war man sich dort über Gewicht und An­ Ordnungen in der Krise: Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933 (= Ordnungssysteme, Bd. 22). München: Oldenbourg, 2007. S. 95–112. Hier S. 111. 589  DLA, D: Merkur, Briefe an ihn von Deutsche Verlags-Anstalt/Moras, Joachim, 3.1.1949–29.6.1949: Schreiben Wolfgang von Eichborns an Hans Paeschke vom 29. Juni 1949. 590  Schneider, Peter: Ausnahmezustand und Norm. Eine Studie zur Rechtslehre von Carl Schmitt (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 1). Stuttgart: DVA, 1957. 591  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1956. S. 18. 592  Ebd. 593  Vgl. DLA, D: Merkur, Briefe an ihn von Deutsche Verlags-Anstalt/Moras, ­Joachim, 3.1.1949–29.6.1949: Schreiben Hermann Maiers an Hans Paeschke vom 19. Juni 1949; DLA, D: Merkur, Klett an Merkur, 1949–1966: Schreiben Ernst Kletts an Joachim Moras vom 9. Juli 1957.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 347

sehen des Autors im Klaren und so beklagte es Müller, dass keines von dessen Büchern in einem der Verlage der Bücher der 19 erschienen ist: „Ernst Jünger ist, wie wir alle wissen, einer der im Ausland meistdiskutierten deutschen Autoren. Keines seiner Werke ist bei einem Verleger unseres Kreises erschienen. Er würde in dem Katalog fehlen und die Interessenten an Jünger würden ihn sofort enttäuscht aus der Hand legen. Ich möchte keineswegs mit diesem Beispiel in den Verdacht kommen, ein Jünger-Enthusiast zu sein, weit gefehlt, aber an der Tatsache, daß das ausländische Schrifttum über Ernst Jünger viel umfassender ist als das deutsche, und daß er im Ausland mehr Beachtung findet als bei uns, können wir nicht vorbeigehen.“594 Zentraler war für den Verlag ein Autor, der von Jünger geschätzt wurde und mit diesem genauso in Verbindung stand wie mit seinem Exegeten Armin Mohler,595 nämlich Friedrich Sieburg. Es ist vielsagend, dass bei der Eröffnung des Verlagsneubaus im September 1958 neben Walz als Vertreter des Aufsichtsrats und Müller als Vertreter des Verlags Sieburg als einziger der Autoren des Hauses für diese sprach,596 denn seine Titel waren nicht nur zahlreich bei der DVA vertreten und erfolgreich auf dem Buchmarkt, Sieburg schien auch ein geeigneter Repräsentant des „Geistes“ des Verlags zu sein, wie man diesen in Stuttgart verstanden wissen wollte, nicht zuletzt, weil sich bei ihm Geschichtsbetrachtung mit Kulturkritik und dem Anspruch geistiger Höhe verband, der mitunter kulturelitistische Züge annahm.597 Anlässlich des 60. Geburtstags des Autors 1953 – noch ehe dieser in der Nachkriegszeit wieder ein Werk bei der DVA veröffentlicht hatte – stellte der Verlag den Autor in einer Presseaussendung ganz dezidiert als eine Persönlichkeit dar, die intellektuelle und sprachliche Schärfe mit einer gesellschaftlichen Wirkungsabsicht verband, mit der sich die DVA letztlich gemein machte. Sieburg, so liest man hier, „gehört zu den seltenen Erscheinungen unserer Literatur, die sich ganz bewusst als Schriftsteller bezeichnen und ihre Aufgabe darin sehen, im Dienste des menschlichen Zusammenlebens und der Gesittung zu stehen. […] Er repräsentiert, mit einem Wort, den Typus des grossen Schriftstellers, der nicht nur ein sich selbst betrachtender Dichter sein, sondern durch seine Kunst die deutsche Lebensform mitgestalten will. Der Schriftsteller als Weltmann, als Europäer, als der bewusste Bildner, Kri594  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Hopp, Geschäftsstelle der Bücher der Neunzehn, aus dem Juli 1958. 595  Vgl. DLA: A: Sieburg, Friedrich/Literatur-Ressort FAZ, Jünger an Sieburg, 1953–1963; DLA, A: Sieburg, Friedrich/Kopien, Sieburg an Mohler, 1953–1963. 596  Vgl. DLA, SUA: Suhrkamp°Peter-Suhrkamp-Archiv/01 Verlagsleitung/Allgemeine Korrespondenz, Suhrkamp an DVA, 1950–1959: Einladung der DVA an Peter Suhrkamp zur Eröffnung des neuen Verlagshauses. 597  Vgl. Knäbich, Solitär wider Willen. S. 156 f.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

tiker und Deuter seiner Zeit – diese in Deutschland seltene literarische Erscheinung findet in Friedrich Sieburg ihre liebevolle Verkörperung.“598 Sieburg jedenfalls fühlte sich bei der DVA gut aufgehoben und dankte zum Jahresende 1957 Müller und den Verlagsmitarbeitern „von Herzen für die freundschaftliche Atmosfäre [sic], die ich in Ihrem Verlagshaus genießen darf, und vor allem für Ihr Wohlwollen und die Mühe, die Sie meiner Arbeit zugute kommen lassen. Ich wäre glücklich, wenn wir noch einige gute Jahre fruchtbare Zusammenarbeit mit Ihnen vom Schicksal geschenkt würden.“599 Diese Dankbarkeit mag auch daher gerührt haben, dass sich Sieburg vor dem Ende des Lizenzzwangs noch als Opfer eines „Boykotts“, einer „geistigen Internierung“ sah, insofern er aufgrund seiner NS-Verstrickungen zunächst einem Publikationsverbot unterlag.600 Den Wunsch des Jahres 1957 jedenfalls schien das Schicksal durchaus zu erfüllen geneigt, denn den beiden zu diesem Zeitpunkt bereits bei der DVA erschienenen Büchern – Miniaturen zur Literatur unter dem Titel Nur für Leser und eines mehrerer Portraits großer Franzosen aus seiner Feder, Napoleon: Die 100 Tage 601 – folgten bis zu seinem Todesjahr 1964 noch acht weitere.602 Schon mit dem Erfolg von Nur für Leser konnte die DVA durchaus zufrieden sein: Von den gut 11.000 Exemplaren der ersten beiden Auflagen des Jahres 1955 – der Titel war erst im Herbstprogramm erschienen – waren bis zum Jahresende bereits mehr als zwei Drittel abgesetzt;603 1956 wurde die dritte Auflage mit weiteren 9.000 Exemplaren vorgelegt. Die Folgetitel, die historisch-politischen Betrachtungen Napoleon, Robespierre (eine Neuausgabe des ursprünglich 1935 beim Frankfurter Societät-Verlag erschienenen 598  DLA, A: Sieburg, Friedrich, DVA: Briefe betreffend Sieburgs 60. Geburtstag, 1953: Pressemitteilung der DVA. 599  DLA, A: Sieburg, Friedrich/Kopien, Sieburg an Müller, 1957–1964: Schreiben Friedrich Sieburgs an Gotthold Müller vom 21. Dezember 1957. 600  DLA, A: Sieburg, Friedrich: Schreiben Friedrich Sieburgs an Walter Dirks vom 12. Februar 1948. 601  Sieburg, Friedrich: Nur für Leser. Jahre und Bücher. Stuttgart: DVA, 1955; Sieburg, Friedrich: Napoleon. Die 100 Tage. Stuttgart: DVA, 1956. 602  Sieburg, Friedrich: Robespierre. Stuttgart: DVA, Neuausgabe 1958; Sieburg, Friedrich: Lob des Lesers. Stuttgart: DVA, 1958; Sieburg, Friedrich: Chateaubriand. Romantik und Politik. Stuttgart: DVA, 1959; Sieburg, Friedrich: Das Geld des Königs. Eine Studie über Colbert. Stuttgart: DVA, 1960; Sieburg, Friedrich: Lauter letzte Tage. Prosa aus 10 Jahren. Stuttgart: DVA, 1961; Sieburg, Friedrich: Im Licht und Schatten der Freiheit: Frankreich 1789–1848. Stuttgart: DVA, 1961; Sieburg, Friedrich: Gemischte Gefühle. Notizen zum Lauf der Zeit. Stuttgart: DVA, 1964; Sieburg, Friedrich: Hundertmal Gabriele. Stuttgart: DVA, Neuausgabe 1964. 603  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Statistik: Neu-Titel und Neu-Auflage 1955, Stand am 31.12.1955, vom 31.1.1956.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 349

Buches) und Chateaubriand stießen auf noch größere Resonanz. Diese Titel waren zuvörderst Werke der Historiographie, aber stets auch Kommentare zur Zeit, die sich in die zeitgenössischen Narrative betteten. In Chateau­ briand etwa klingt Sieburgs eigene Perspektive auf seine Gegenwart und den in den 1950er Jahren präsenten Massendiskurs an, wenn er über die beiden Seiten seines Protagonisten, die des Künstlers und die des Politikers, schreibt: „Beide standen sie gegen die neue Gesellschaft, die sich nach so vielen heroisch nutzlosen Erschütterungen heranzubilden begann; beide ignorierten sie die Masse, die gerade anfing, sich zu einem selbständigen Phänomen zu bilden, und sich darauf vorbereitete, die Form der Unform über die Menschheit zu bringen.“604 Von Sophie Dorothee von Podewils durfte sich Sieburg bestätigt fühlen, wenn diese konstatierte: „[U]nsere Zeit schuldet Ihnen Dank dafür, daß Sie dieses Buch geschrieben haben. Denn an der Gestalt Chateaubriands, glanzvoll d. h. vollendet wie sie dargestellt ist, klärt sich für uns Heutige nicht nur das Geschichtsbild des vergangenen Jahrhunderts, sie trägt auch bei, uns das jetzige zu erhellen.“605 Von Chateaubriand waren im vierten Jahr nach Erscheinen bereits 134.000 Exemplare gedruckt, von Napoleon sogar 180.000 und von Robespierre im sechsten Jahr immerhin 71.000.606 Das Interesse an den Titeln blieb nicht auf Deutschland beschränkt, wo auch Buchclub-Ausgaben, etwa der Deutschen Buch-Gemeinschaft erschienen,607 Lizenzen wurden auch in die USA, nach Großbritannien, Frankreich, Italien, Polen oder in die Niederlande verkauft.608 Gleichwohl blieb Sieburg, auch nachdem er den vermeintlichen „Boykott“ ganz offensichtlich hinter sich gelassen hatte, umstritten und sah sich sowohl seiner Vergangenheit wie seines Stils wegen immer wieder Angriffen ausgesetzt, die natürlich zu einem gewissen Grade auch auf den Verlag zurückfielen. In solchen Zusammenhängen konnte dann auch Mohler ein mittelbarer Verbündeter werden, wenn er Sieburg publizistisch gegen Anwürfe in der 604  Sieburg, Friedrich: Chateaubriand. Romantik und Politik. Stuttgart: DVA, Neuausgabe 1986. S. 29. 605  DLA, A: Sieburg, Friedrich/Literatur-Ressort FAZ, Sophie Dorothee Podewils an Sieburg, 1960–1963: Schreiben Sophie Dorothee Podewils an Friedrich Sieburg vom 14. Januar 1960. 606  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 352 Verschiedene Karteikästen nach Autoren und Werken geordnet Ru–Ste: Sieburg: Chateaubriand; Sieburg: Napoleon; Sieburg: Robespierre. 607  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Müller-Alfeld, Deutsche Buch-Gemeinschaft, vom 17. Juli 1959. 608  Vgl. die umfassende Korrespondenz Karl-Eberhard Feltens mit verschiedenen Lizenznehmern in WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J; WABW, Y-328, 181 1958: Verlagsleitung P–Sch.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Zeit verteidigte, die dieser nicht ohne antikommunistische und antisemitische Ressentiments disqualifizierte: „Es geht von der Bande, die sich in der ‚Zeit‘ zusammengerottet hat und von der Herr Ranitzki [sic] s­icherlich wohl die trübste Figur ist, ein Terror aus, dem sich sogar einige große Sortimenter beugen. Das alles hat mit Literatur nichts zu tun; es sind reine Machtkämpfe, für deren Führung ein so geschulter ehemaliger Kommunist wie Ranitzki die besten Voraussetzungen mit sich bringt.“609 Weniger polarisierend hingegen war der andere mit zahlreichen Werken die Programme der Nachkriegs-DVA prägende Kulturkritiker, José Ortega y Gasset. Deutsche Übersetzungen von Ortegas Werken wurden bereits seit den 1930er Jahren in großer Zahl von der DVA herausgebracht, bis 1943 waren neun Titel, häufig in mehreren Auflagen, erschienen. Auch nach dem Krieg blieb er nicht nur ein ökonomisch wichtiger, sondern zudem ein identifikationsstiftender Autor des Verlags, umso mehr als die gesellschaftliche Rezeption Ortegas in den 1950er Jahren einen Höhepunkt erreichte.610 Er war ein in der westdeutschen Öffentlichkeit wohlgelittener und nachgefragter Zeitendeuter, dessen Thesen und Beobachtungen für viele, gerade konservative Beobachter und Beteiligte der Nachkriegsdiskurse anschlussfähig waren. Er wurde so „zum meistverkauften philosophischen Autor der frühen Bun­ desrepublik“.611 Die Begeisterung war keine einseitige. Vielmehr hatte Ortega nach seiner philosophischen Promotion in Madrid einige Jahre an deutschen Universitäten verbracht und eine Faszination für das Land entwickelt, das für ihn „zum Inbegriff der Modernität“, wesentlich aber auch der „Dissonanzen des Fortschritts“ wurde, die für sein Schaffen von großer Bedeutung waren.612 Auch nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Ortega weiterhin Anteil am intellektuellen Leben in Deutschland. So überlegte er, der in Spanien selbst eine Reihe von Zeitschriften ins Leben gerufen hatte, etwa gemeinsam mit den Herausgebern des Merkur, wie man der Zeitschrift „vielleicht eine neue Form geben könnte“.613 Seine kulturkritischen Deutungen, allen voran Der Aufstand der Massen, erfuhren viel Zustimmung gerade vonseiten konservativer Deutscher, die sich 609  DLA, A: Mohler, Armin, Sieburg an Mohler, 1953–1963: Schreiben Friedrich Sieburgs an Armin Mohler vom 23. Dezember 1962. 610  Vgl. Schildt, Auf neuem und doch scheinbar vertrautem Feld. S. 24 f. 611  Ebd. S. 25. 612  Stürmer, Michael: Nachwort. In: Ortega y Gasset, José: Der Aufstand der Massen. München: Deutsche Verlags-Anstalt, Neuausgabe 2012. S. 205–223. Hier S. 207. 613  DLA, D: Merkur, Ortega y Gasset an Merkur, 1949–1955: Schreiben José Ortega y Gassets an Hans Paeschke vom 16. Mai 1955.



IV. Programmbereiche und Autorengruppen 351

nicht ohne Vorbehalte dem zweiten Versuch der Etablierung einer politischen Ordnung auf Basis der Volkssouveränität stellten, ohne dass Ortega selbst ohne Weiteres der politischen Rechten zuzurechnen gewesen wäre. Während viele seiner enthusiastischen Leser der 1950er Jahren zumindest in der Zwischenkriegszeit der Republik mit Skepsis, wenn nicht Ablehnung begegnet waren, hatte sich Ortega selbst als streitbarer Verfechter der Spanischen Volksrepublik hervorgetan, war gar mit einem von ihm mitgegründeten antiradikalen, prorepublikanischen Bündnis in das Parlament eingezogen, das er öffentlich gegen den Putsch der Franquisten verteidigte.614 Sein eigener politischer Standpunkt war denn auch eher einer des Liberalismus denn einer des Konservatismus, wenngleich einige konservative Theoreme durchaus in seiner Kulturkritik aufschienen.615 So war ihm linker Utopismus suspekt, der Versuch der Gestaltung einer von der Vergangenheit losgelösten Zukunft erschien ihm als aussichtsloser Irrweg, den der Mensch der Nachkriegsgegenwart, wie der Werbetext für Vergangenheit und Zukunft im heutigen Menschen616 insinuierte, jedoch beschritten hatte: „Vorwärtsgedrängt ins Ungewisse, benutzt er die Vergangenheit als Arsenal, das ihm die Waffen liefert, um die Zukunft zu bestehen. Wie aber, wenn diese Waffen versagen, wenn die Vergangenheit nutzlos wurde, wie, wenn dies heute der Fall wäre? Ortega macht deutlich, daß dies in der Tat unsere Lage ist.“617 Neben Betrachtungen zur Kunsthistorie618 brachte die DVA eine ganze Reihe von geschichtlichen und geschichtsphilosophischen Arbeiten Ortegas heraus,619 die, wie jene Sieburgs, immer auch den Anspruch verfolgten, auf ihre Gegenwart einzuwirken, Lehren für diese bereitzuhalten. In diesen wurden, so die Einschätzung der staatlichen Volks­ büchereistelle Nürnberg, die sich der Verlag zu eigen machte, „hochaktuelle politische und soziologische Fragen aufgeworfen, z. B. Probleme über ‚Masse und Auslese‘ oder über die ‚geistigen Gravitationszentren‘ “;620 ein Jahr vor 614  Vgl. Fernández Agis, Domingo: El Desarrollo del Pensamiento Político de José Ortega y Gasset. Santa Cruz de Tenerife: Ediciones Idea, 2007. S. 230. 615  Vgl. Dobson, Andrew: An Introduction to the Politics and Philosophy of José Ortega y Gasset. Cambridge: Cambridge University Press, 1989. S. 71 f. 616  Ortega y Gasset, José: Vergangenheit und Zukunft im heutigen Menschen. Stuttgart: DVA, 1955. 617  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Frühjahr 1955. S. 8. 618  Bspw. Ortega y Gasset, José: Velázquez und Goya. Beiträge zur spanischen Kulturgeschichte. Stuttgart: DVA, 1955. 619  Bspw. Ortega y Gasset, José: Europäische Kultur und europäische Völker. Stuttgart: DVA, 1954; Ortega y Gasset, José: Geschichte als System und Über das römische Imperium. Stuttgart: DVA, 21952. 620  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 109 Katalog Herbst und Weihnachten 1952. S. 29.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

dem Tod des Autors 1955 begann die DVA die in vier Bänden erschienenen Gesammelten Werke Ortegas zu veröffentlichen.621 Während diese jeweils nur in einer Auflage mit 4.000 bis 5.000 Exemplaren vorgelegt wurden,622 waren die bis 1962 insgesamt von der DVA herausgebrachten 16 Titel Ortegas in der Regel nachgefragter. Um einen Goethe von innen bittend etwa,623 eines der wenigen genuinen Nachkriegswerke Ortegas, die bei der DVA erschienen, wurde bis 1957 in 23.000 Exemplaren vorgelegt, und Über die Liebe, ursprünglich 1933, nach dem Krieg dann wie der Goethe erstmals 1949 veröffentlicht,624 lag bis 1960 in einer Nachkriegsauflage von 53.000 Exemplaren vor. Verglichen mit den Auflagen- und Absatzzahlen von Der Aufstand der Massen freilich erscheinen diese Zahlen gering. Das Buch erschien im spanischen Original 1929, die erste deutsche Ausgabe brachte die DVA 1931 heraus.625 Ortegas elitistische Skizze des „Durchschnittsmenschen“ und seines aktiven Eintretens in den politischen und sonstigen öffentlichen Raum als Katalysator der Vermassung, der Nivellierung und des Verlusts der Moral, zu der er nicht zuletzt durch seine im Deutschland der Weimarer Republik gewonnenen Eindrücke angeregt worden war, sei, so zitierte der Verlag Hermann Hesse, „ein Warnungsruf des Geistigen an die Dumpfen, des Aristokraten an die Fahnenträger der kollektiven Ideale, ein Protest der Persönlichkeit gegen die Masse“.626 Nicht nur Hesse, auch eine Masse von Durchschnittsmenschen goutierte Ortegas Aristokratismus: Schon 1947 brachte die DVA das Buch in einer Sonderausgabe neu heraus, zwischen 1949 und 1955 dann in insgesamt sechs Neuauflagen der Vorkriegsausgabe in insgesamt 114.000 Exemplaren. 1957 erschien eine ergänzte und erweiterte Neuausgabe, die bis 1969 in 54.000 Exemplaren gedruckt wurde627 im diesem Jahr erreichte die Rowohlt-Taschenbuchausgabe in der 19. Auflage das 214. bis 218. Tausend. Hinzu kamen Buchgemeinschaftsausgaben, die bei der Deutschen Hausbücherei, der Deutschen Buchgemeinschaft und im Bertelsmann Lesering erschienen.628 Und an den höhe621  Ortega

y Gasset, José: Gesammelte Werke. Stuttgart: DVA, 1954–1956. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 351 Verschiedene Karteikästen nach Autoren und Werken geordnet Mu–Ra: Ortega: Ges. Werke I–IV. 623  Ortega y Gasset, José: Um einen Goethe von innen bittend. Stuttgart: DVA, 1949. 624  Ortega y Gasset, José: Über die Liebe. Meditationen. Stuttgart: DVA, 1949. 625  Ortega y Gasset, José: Der Aufstand der Massen. Stuttgart: DVA, 1931. 626  WABW, Y-328, 25 Mitteilungen 1955–1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1956. S. 15. 627  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 351 Verschiedene Karteikästen nach Autoren und Werken geordnet Mu–Ra: Ortega: Aufstand der Massen (NA); Ortega: Aufstand der Massen (alte Ausgabe). 628  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 467 Buchgemeinschaften F–Z 1951–1960: Vertrag zwischen der Deutschen Verlags-Anstalt und dem 622  Vgl.



V. Ökonomische Ziele und politische Wirkungsabsicht353

ren Schulen Westdeutschlands wurden die Schüler mit dem Aufstand der Massen, wie Claus-Dieter Krohn in bemüht polemischer Diktion konstatiert, „mal­trätiert“.629

V. Zum Verhältnis von ökonomischen Zielen und politischer Wirkungsabsicht Bei den Werken Ortegas war also keine Diskrepanz zwischen den beiden den Doppelcharakter des Verlags konstituierenden Dimensionen zu beobachten: Mit dem Vertrieb seiner Werke ließen sich gesellschaftlich-politische mit betriebswirtschaftlichen Zielen bestens in Einklang bringen. Das war in anderen Konstellationen freilich häufig nicht der Fall. Durch ihre Unternehmensstruktur spiegelte sich das mitunter spannungsreiche Verhältnis zwischen Wirkungsabsicht und Gewinnerzielung nicht nur in der Geschäftsführung der DVA oder in ihren Lektoraten wider, sondern auch in ihrem Aufsichtsrat, der als auf die Verlagspolitik einwirkender, gleichzeitig in das operative Geschäft nicht unmittelbar einbezogener Akteur mit den Anteilseignern Stakeholder vertrat, denen die Profitabilität des Verlags ein zentrales Anliegen war, die aber zugleich nicht ausschließlich in betriebswirtschaftlicher Absicht handelten und dem Verlag ein gewisses Maß an Sicherheit auch im Falle des ökonomischen Misserfolgs boten. Robert Bosch, der 1942 verstorben war, hinterließ komplizierte Regelungen für seine Nachfolge, die natürlich in erster Linie das Unternehmen Bosch betrafen, aber eben auch die von ihm mehrheitlich gehaltene DVA. Nach seinem Tode wurde mit der Robert-Bosch-Testamentsvollstreckung ein eigentümliches und vor allem mächtiges Gremium geschaffen, das aus sieben altgedienten und führenden Bosch-Mitarbeitern zusammengesetzt wurde, die allesamt Gesellschafter der in den 1920er Jahren gegründeten Vermögensverwaltung Bosch GmbH (VVB) waren.630 Ihnen oblag es gemäß den Verfügungen des Verstorbenen nicht nur, das Unternehmen weiter in seinem Sinne zu führen, mithin mit der Gewalt des Eigentümers die Firma zu steuern, sondern nach Ablauf der höchstens 30 Jahre dauernden Treuhänderschaft über die Unternehmensanteile der Bosch-Erben zu entscheiden, ob unter diesen ein würdiger Rowohlt-Verlag vom 15. März 1954; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 465 Buchgemeinschaften D, E 1951–1964: Rechnung der Deutschen VerlagsAnstalt an die Deutsche Hausbücherei vom 15. Januar 1958; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an Deutsche Buchgemeinschaft vom 24. Februar 1959. 629  Krohn, Intellektuelle und Mandarine. S. 68. 630  Vgl. Bähr, Johannes/Erker, Paul: Bosch. Geschichte eines Weltunternehmens. München: C. H. Beck, 2013. S. 250.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

und kompetenter Nachfolger des Firmengründens zu finden sei und ob die Anteile an die Erben übergehen oder von der VVB erworben werden sollten.631 Der mächtigste Mann in RBTV, VVB und in der Robert Bosch GmbH war Hans Walz – und dieser stand auch dem Aufsichtsrat der DVA vor, der Ende der 1950er Jahre aus sieben Personen bestand, von denen fünf von der RBTV entsandt wurden, einer von der Handels- und Gewerbebank Heilbronn und einer vom Land Baden-Württemberg.632 Nach dem Krieg war die Situation des Bosch-Konzerns einerseits prekär, weil der Tod Robert Boschs eine neue Unternehmensverfassung nötig machte, deren Herausbildung keineswegs reibungsfrei und konfliktarm ablief, vor allem aber, weil das Unternehmen über Jahre hinweg gegen Entflechtungsund Dekartellisierungsforderungen der Alliierten und damit mit einer unsicheren Zukunft kämpfte.633 Andererseits erlebte Bosch in den Jahren nach der Währungsreform ein ungeheures Wachstum und versechsfachte seine Umsätze von 188 Millionen ­D-Mark im Jahr 1949 auf über 1,1 Milliarden im Jahr 1958.634 In diesem Jahr betrug der Gesamtumsatz der DVA inklusive des technischen Betriebs gerade einmal knapp zehn Millionen ­D-Mark.635 Vor diesem Hintergrund ist es durchaus bemerkenswert, dass der Aufsichtsrat, der ja größtenteils eng in die Führung des Industriegiganten Bosch eingebunden war, sich mit ehrlicher Anteilnahme bei der DVA engagierte, aber nicht unbedingt erstaunlich, dass er diese weniger als Bestandteil des Konzerns begriff, sondern eher als eine Unternehmung, die Bosch schmückte, wirtschaftlich aber von vernachlässigbarer Bedeutung war. Entsprechend war es dem Aufsichtsrat zwar nicht gleichgültig, ob die DVA rentabel agierte oder nicht, ihre Profitabilität war für ihn aber nicht der einzig relevante, nicht einmal der wichtigste Aspekt. Das ermöglichte es der DVA ihrem, dem wissenschaftlichen Verständnis eines Verlags entsprechenden, Selbstbild als „geistiger Ort und Wirtschaftsunternehmen“ gemäß weder als Tendenzverlag noch als von jeder politischgesellschaftlichen Agenda freier, allein nach Marktgesichtspunkten agierender Publikumsverlag zu handeln.636 Sein Verständnis dieses „geistigen Orts“ 631  Vgl.

ebd. S. 249. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 599 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Aufsichtsrat: Schriftwechsel, Aktennotizen: Schreiben Josef Webers an den Aufsichtsrat vom 7. Juni 1957. 633  Vgl. Bähr/Erker, Bosch. S. 267 ff. 634  Vgl. ebd. S. 275. 635  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, Bilanzunterlagen 1958: Bericht über den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1958 der Firma Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart, vom 20. Mai 1959. Bl. 8. 636  Vgl. WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 602 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Berichte über den Geschäftsgang; Schriftwechsel mit der 632  Vgl.



V. Ökonomische Ziele und politische Wirkungsabsicht355

hatte Leippe in seiner „Verlagsplanung“ im Juni 1953 festgehalten: Er sei zu „definieren als das Forum für ein europäisches Gespräch zwischen wirklich repräsentativen Geistern der verschiedenen Nationen, als Mittler­instanz für Weltkunde und geistige Orientierung gegenüber dem eigenen Volk, als Pflegestätte für den dichterischen Nachwuchs innerhalb Deutschlands, als Ort der Auseinandersetzung und Klärung für den unsere deutsche Gegenwart wesentlich bestimmenden Gegensatz zwischen Kultur und Technik im Sinne einer fruchtbaren Versöhnung, als maßgebliche Institution zur Verwirklichung des Kulturwillens der Industrie“.637 Insbesondere dieser letzte Aspekt zeigt, dass der geistige Ort der DVA von ihrem materiellen Ort nicht weit entfernt lag. Es waren nicht zuletzt die engen Beziehungen zur westdeutschen Industrie, zum einen durch die direkte Beteiligung Boschs, zum anderen in Form von Corporate-Publishing-Projekten und Kooperationen mit verschiedenen Unternehmen beziehungsweise deren Verbänden (aber auch dem Staat), die deren „Kulturwillen“ zum Ausdruck brachten, es dem Verlag aber auch ermöglichten, andere Titel zu veröffentlichen, die die Topographie des „geistigen“ Ortes formten, auch wenn diese für sich genommen nicht rentabel waren. Neben Starten und Fliegen, für dessen dritten Band die DVA 1958 vom Bundespresseamt einen Zuschuss von 17.648 ­D-Mark erhielt,638 rückte beispielsweise auch das 1957 erschienene Buch Vom Motor zum Autor. Fünf Männer und ihr Werk die Leistung deutscher Industrieller – hier Nicolaus Otto, Gottlieb Daimler, Carl Benz, Rudolf Diesel und Robert Bosch – und ihrer Produkte ins „rechte Licht“, was in diesem Fall der Sohn Rudolf Diesels, Eugen Diesel, gemeinsam mit zwei Co-Autoren unternahm.639 Gefördert wurde der Band von der New Yorker Max-Kade-Stiftung, herausgegeben im Auftrag der Vereinigung von Freunden der Technischen Hochschule Stuttgart. Auch exklusive Privat­ drucke produzierte die DVA, wenn sie ausreichend lukrativ schienen, etwa für den Bankier Kurt Graf Blücher von Wahlstatt.640 Seit 1954 erschien bei der DVA zudem der Jahresring. Diese Publikation wurde zu einem festen Bestandteil der DVA-Programme, in denen sie bis Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Verlagsplanung Heinrich Leippes vom 11. Juni 1953. 637  Ebd. 638  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 181 1968; Verlagsleitung P–Sch: Schreiben Gotthold Müllers und Karl-Eberhard Feltens an das Presseund Informationsamt der Bundesregierung vom 9. Mai 1958. 639  Diesel, Eugen/Goldbeck, Gustav/Schildberger, Friedrich: Vom Motor zum Auto. Fünf Männer und ihr Werk: Otto, Daimler, Benz, Diesel, Bosch. Stuttgart: DVA, 1957. 640  Vgl. DLA, D: Merkur, Briefe an ihn von DVA, 1956: Schreiben Gotthold Müllers an Joachim Moras vom 4. Oktober 1956.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Ende der 1980er Jahre im jährlichen Turnus erschien. Es handelte sich dabei um ein Renommierprojekt des BDI, das von seinem Kulturkreis herausge­ geben wurde und einen „Schnitt durch Literatur und Kunst der Gegenwart“ präsentieren wollte.641 Auf seine inhaltliche Gestaltung und Ausrichtung hatte der Verlag, so Müller, „keinerlei Einfluß“.642 Gleichwohl fanden sich hier zahlreiche der prägenden Autoren der DVA. Der Jahresring 1957/58 etwa hob die „Persönlichkeit“ gegenüber dem „Kollektiv“ – eine gängige Dichotomie des konservativen Diskurses jener Zeit – mit Beiträgen unter anderem Sieburgs und Freyers hervor, die in der Verlagswerbung natürlich besonders betont wurden: „Ob Friedrich Sieburg unter dem Titel ‚Einige neue Formen der Tyrannei‘ die Gefahren unserer Konsumkultur enthüllt, ob Hans Freyer dem einzelnen Wege zur Überwindung dieser Gefahren weist, ob Werner Haftmann die Freiheit als Bedingung und innersten Impuls der modernen Kunst erkennt – gemeinsam ist diesen Arbeiten die kritische Besinnung auf den Menschen, der mehr ist als das Kollektiv.“643 Daneben fanden sich aber auch zahlreiche Autoren des konservativen Spektrums, die zwar nicht bei der DVA publizierten, aber zum Autorenstamm des Merkur gehörten, darunter Friedrich Georg Jünger, Leopold Ziegler oder Karl Krolow; genauso fanden aber auch Theodor W. Adorno oder Günter Grass einen Platz im Jahresring.644 In seinem ersten Jahr erschien der Jahresring in einer Auflage von immerhin 5.500 Exemplaren,645 im folgenden Jahr waren es bereits 7.700 Exem­ plare;646 es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil davon auf Abnahmen des BDI und der ihm zugehörigen Unternehmen entfiel. Die Pflege der Hochkultur durch die Industrie zeigt, dass sich Geld und Geist durchaus gut miteinander in Einklang bringen ließen.

641  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1955. S. 8. 642  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Hildegard Bauer vom 24. April 1959. 643  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955– 1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1957. S. 9. 644  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 25 Mitteilungen 1955–1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1956. S. 6; WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 26 Mitteilungen 1958–1959: Mitteilungen der Deutschen Verlags-Anstalt, Herbst 1958. S. 9. 645  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952– 1959: Bericht des Verlags über die Monate Okt.–Dez. 1954. 646  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Statistik: Neu-Titel und Neu-Auflage 1955, Stand am 31.12.1955, vom 31.1.1956, Neuerscheinungen Herbst 1955.



V. Ökonomische Ziele und politische Wirkungsabsicht357

Dieses – häufig eben doch schwierige – Verhältnis war und ist eine der grundlegenden Herausforderungen für Verlage, die sich bestimmten kulturellen und weltanschaulichen Selbstverständnissen und Zielsetzungen verpflichtet fühlen, mithin eine über die Profitabilität des eigenen Schaffens hinausreichende Wirkungsabsicht verfolgen. Dieser Herausforderung war man sich bei der DVA freilich bewusst und reflektierte sie immer wieder, hinterfragte kritisch die jeweilige Gewichtung und prüfte, inwieweit diese angepasst werden musste. Das grundlegende Selbstverständnis der DVA, wie es Müller mitunter recht einseitig darstellte, sei es, dass diese ein Verlag sei, „dessen Arbeit nicht auf Erwerbssinn beruht, sondern im Zeichen einer geistigen und kulturellen Verpflichtung steht“, und der „in Erfüllung dieser Aufgabe schon so viele Opfer [bringe], daß ihm keine Mittel mehr zur Verfügung stehen“ (in diesem Fall zur Unterstützung der oben genannten „Welt-Universität“), schließlich seien „zahllose unserer Verlagswerke von vornherein Verlust­ge­ schäfte“.647 Schwerer als der ökonomische wog denn auch mitunter „der moralische Erfolg“ eines Programmes, der beispielsweise im Geschäftsbericht 1956 betont wurde – nicht zuletzt, um gegenüber dem Aufsichtsrat den nach wie vor defizitären Betrieb des Verlags in den Hintergrund zu rücken.648 Denn für die Aufsichtsräte war – wie für Müller realiter natürlich auch – der „Erwerbssinn“ durchaus von Belang, und auch der Verlagsführung war nur allzu klar, dass für die „einzigartige Verbindung zwischen Geist und Materie, die die Ware ‚Buch‘ kennzeichnet und die auch den Verlag als Produzenten dieser Werke von allen anderen Produktionszweigen unterschei­ det“,649 die materielle Seite eben nicht zu vernachlässigen war. Schon der Geschäftsbericht für das Jahr 1954 konstatierte: „Eine der wichtigsten und zugleich schwierigsten Aufgaben der nächsten Zeit wird darin bestehen, nicht nur durch Einführung einer schlagkräftigen Organisation Betrieb und Verwaltung von dem schweren Ballast einer unter dem Ertragsschleier der Papierfabriken eingenisteten Traditionsträgheit zu befreien, sondern ein neues auf dem Grundsatz der Leistung beruhendes Betriebsklima zu schaffen.“650 647  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 179 1958: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Friedrich Planck, Sekretär der Internationalen Vereinigung zur Gründung einer Welt-Universität, vom 3. Oktober 1957. 648  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1956. S. 2. 649  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 182 1958: Verlagsleitung ­St–Z: Schreiben Karl-Eberhard Feltens an den Grafiker R. H. Stöcker vom 24. Juli 1958. 650  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 196 Geschäftsberichte, Jahres- und Vierteljahres-Lageberichte, Geschäftsführerbesprechungen 1952–1959: Geschäftsbericht 1954. S. 8.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

Fünf Jahre später hatte dies indes immer noch nicht zu einer wirklich soliden wirtschaftlichen Grundlage geführt, sodass sich Weiger zu mahnen genötigt sah, die DVA müsse „dahin kommen, dass zum verlegerischer [sic] Erfolg auch der wirtschaftliche kommt. Diese wirtschaftliche Problematik des Buchverlags erfüllt uns zur Zeit mit grosser Sorge. Zwar wird allenthalben anerkannt, dass das kulturelle und verlegerische Niveau sich in den letzten Jahren ausserordentlich gehoben hat, es ist auf der anderen Seite aber auch so, dass dieses Anheben des Niveaus erkauft werden musste durch beträchtliche Verluste. Es ist eine Tatsache, dass die Produktion der vergangenen Jahre im groben Durchschnitt liegen geblieben ist, soweit sie nicht im Jahr des Erscheinens und im darauf folgenden Jahr verkauft werden konnte.“651 Wenn es doch einmal in Vergessenheit zu drohen geriet, dass ein Verlag eben auch und nicht zuletzt ein Wirtschaftsunternehmen ist, zögerte der Aufsichtsrat nicht, die Geschäftsführung daran zu erinnern. Zu Konflikten führte in dieser Hinsicht immer wieder der Merkur. Die Zeitschrift war, wie gesagt, von Beginn an hoch defizitär. Ihre Notwendigkeit trotz der ökonomischen Verluste für den Verlag wurde von diesem wie von der Redaktion mit ihrer Strahlkraft begründet, die nicht nur dem Verlag Autoren zuführen und seinen Ruf, vor allem im Ausland, stärken sollte, sondern auch auf die Diskurse im Inland eine spürbare Wirkung entfalten, weshalb sie, so Marquardt 1950, „nur im äussersten Notfalle eingestellt werden sollte“.652 Schon 1950, nur zwei Jahre, nachdem der Merkur zur DVA gekommen war, zeigten sich die Vertreter der RBTV von dieser Argumentation wenig beeindruckt: „Zudem darf doch füglich der große Einfluß dieser Zeitschrift auf die Formung des Bewußtseinsinhalts der Menschen des Bundesgebiets kritisch betrachtet und ins rechte Maß gerückt werden in Anbetracht des Umstandes, daß nur rund 1.600 Exemplare z. Zt. abgesetzt werden können.“653 Auch außerhalb des Verlags jedoch waren einige, nicht zuletzt unter den Industriellen, der Überzeugung, dass der Merkur eine wichtige Funktion im jungen bundesrepublikanischen Medienpluralismus zu spielen habe. Um die laufenden Defizite, die 1950 bei rund 4.000 ­ D-Mark monatlich lagen, zu kompensieren, bildete sich der Freundeskreis des Merkur, in dem sich wohlhabende Gönner des Periodikums zusammenfanden, um, vor allem mittels 651  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Aktennotiz Weigers zur Vertreterbesprechung vom 14. Juli 1959. 652  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Willy Marquardts an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 22. Mai 1950. 653  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben der Robert Bosch Testamentsvollstreckung an Willy Marquardt vom 11. Mai 1950.



V. Ökonomische Ziele und politische Wirkungsabsicht359

Inseraten, dessen finanzielle Situation zu stabilisieren.654 Es war gar im Vertrag zur Übernahme der Zeitschrift festgeschrieben, dass dieser fristlos gekündigt werde könne, „wenn nicht durch den Freundeskreis der Zeitschrift bis zum 30.6.50 die Mittel zur Deckung des grössten Teils des monatlichen Fehlbetrags beschafft werden“.655 Allein im zweiten Halbjahr dieses Jahres stellte der Freundeskreis einen Zuschuss von 15.000 ­ D-Mark zur Verfügung656 – löste sich Ende 1950 allerdings in dieser Form auf und wandelte sich zum Kreis der Freunde europäischen Denkens, der den Merkur zwar weiterhin zu unterstützen gedachte, allerdings seinen Wirkungskreis zu vergrößern suchte.657 Bei der DVA versuchte man entsprechend, weitere Beziehungen und Netzwerke fruchtbar zu machen, um ein Medium zu subventionieren, das einen ideellen Zweck erfüllte. So bemühte man sich um den regelmäßigen Bezug von staatlichen Stellen, etwa dem Auswärtigen Amt, aber auch vom Verband der Volkshochschulen, dem Hellmut Becker vorstand,658 oder von Inter Nationes, einer ursprünglich beim Bundespresseamt angesiedelten Organisation zur Förderung des Ansehens Deutschlands im Ausland, denn des Verlags „Bemühungen um die Erhaltung des Merkur, über dessen Bedeutung für das deutsche Geistesleben und dessen Ausstrahlung in das Ausland wir uns vollauf bewußt sind, würden durch Übernahme einer nennenswerten Anzahl von Abonnements wesentlich erleichtert werden“.659 Und wiederum halfen auch die engen Kontakte zur Industrie: „Nach langen Bemühungen ist es gelungen, den Kulturkreis im Bundesverband der deutschen Industrie zu einer Subvention für den Merkur in Höhe von je DM 20.000,– für die Jahre 1955 654  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Aktennotiz Wilhelm Kimmichs über eine Besprechung mit Hermann Maier vom 28. März 1950. 655  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 304 Bosch Korrespondenz 1950–1952: Schreiben der Rechtsanwälte Löffler, Sandberger, Schopfer an die DVA vom 15. Mai 1950. 656  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Willy Marquardts an die Robert Bosch Testamentsvollstreckung vom 7. März 1951. 657  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 682 Fachzeitschriften „Welt der Frau“, „Landfrau“, „Merkur“, „Außenpolitik“, „Die Literatur“: Schreiben Willy Marquardts an Karl Geiler vom 5. Juli 1951. 658  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Hellmut Becker vom 19. August 1959. 659  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 178 1959: Verlagsleitung F–J: Schreiben Gotthold Müllers an Richard Mönning, Inter Nationes, vom 25. Januar 1959.

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E. Die DVA als konservativer Publikumsverlag

und 1956 zu gewinnen.“660 Und auch in späteren Jahren haben infolge seiner Vermittlung „verschiedene Firmen Zuschüsse zur Weiterführung des MERKUR bezahlt“.661 Derlei Zuwendungen blieben freilich ein Tropfen auf den heißen Stein, an der strukturellen Unrentabilität des Merkur änderten sie nichts. Immer wieder ging man im Verlag und im Aufsichtsrat deshalb mit dem Gedanken schwanger, das Objekt endlich abzustoßen und sich von den erheblichen finanziellen Belastungen – allein im ersten Halbjahr 1957 etwa bedeutete es einen Verlust von über 25.000 ­D-Mark662 – zu befreien. Gleichwohl rangen sich die Geschäftsführer und Aufsichtsräte bis 1963 nicht durch, den Schritt auch wirklich zu tun. Denn vorläufig blieben eben doch andere Aspekte wichtiger als der ökonomische. So wurde im Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 26. Juli 1957 festgehalten: „Die Zeitschrift ‚Merkur‘ hat auch im Berichtsjahr einen Zuschuß von rund DM 60.000,– erfordert; jedoch sind sich Aufsichtsrat und Geschäftsführung darin einig, daß eine grundlegende Änderung, etwa ein Aufgeben dieser im europäischen Geistesleben führenden Zeitschrift, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ratsam erscheint.“663 Und Hans Walz war zwar mit Dingeldey natürlich der Meinung, dass auch bei der DVA grundsätzlich „der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit walten“ müsse, stimmte diesem aber auch zu, wenn er es „selbstverständlich“ fand, dass „gelegentlich Entscheidungen gefällt werden [müssen], bei denen man aus kulturellen Gründen das eine oder andere Mal bewusst einen Verlust oder eine verhältnismässig lange Kapitalfestlegung in Kauf nehme (z. B. Zeitschrift Merkur), wie das übrigens bei jedem bedeutenden Verlag vorkomme“.664 Es war nicht zuletzt diese Haltung des Aufsichtsrates, die es der DVA ermöglichte, ihr spezifisches Nachkriegsgesicht zu entwickeln, das einerseits 660  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 197 Korrespondenz Aufsichtsrat, Gesellschafter 1952–1959: Lagebericht für das 2. Vierteljahr 1956 vom Juli 1956. 661  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 452 Interne Mitteilungen 1959–1961: Aktenvermerk Eugen Kurz’ vom 5. März 1960, betr. Merkur-Besprechung mit Gustav Stein am 20. Februar 1960. 662  Vgl. WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 597 Verwaltung Verlage 1953–1958: Schreiben Weigers an Gotthold Müller vom 29. August 1957. 663  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 198 Aufsichtsratssitzungen, Gesellschafterversammlungen, Korrespondenz 1952–1959: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Deutschen Verlags-Anstalt GmbH in Stuttgart am 26. Juli 1957, 15.00 Uhr, in den Räumen der Robert Bosch GmbH in Stuttgart. 664  WABW, B-112, Handelsbank Heilbronn, 600 Deutsche Verlagsanstalt GmbH (DVA), Stuttgart: Personal; Schriftwechsel mit der Robert Bosch Testamentsvollstreckung (Stuttgart) u. a.: Memorandum Hans Walz’ vom 20. Juli 1953.



V. Ökonomische Ziele und politische Wirkungsabsicht361

noch deutliche Züge des seit dem 19. Jahrhundert entstandenen Profils mitsamt seiner Programm- und Autorenstruktur trug, dieses andererseits in einer durch die geistes- wie wirtschaftshistorischen Spezifika der Nachkriegszeit geprägten Weise veränderte und sich so nach 1945 als ein Publikumsverlag inkarnierte, der ganz unterschiedliche Zielgruppen mit ganz unterschied­ lichen Themen und Formaten anzusprechen versuchte, dessen mentale und ökonomische Verfassung es ihm aber erlaubte, eine eigene weltanschaulich geprägte Wirkungsabsicht zu entfalten, die mit betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen häufig wenig kompatibel war.

F. Fazit Wie in allen anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen Deutschlands auch, war das Jahr 1945 im Buchhandel gleichermaßen durch Konti­ nuitäten wie durch Brüche gekennzeichnet; eine „Stunde Null“ jedenfalls gab es für die Branche genauso wenig wie für den Rest des Landes. Lesegewohnheiten veränderten sich nur langsam; bei einem großen Teil der in den ersten Nachkriegsjahren erschienenen Bücher handelte es sich um Neuauflagen älterer Titel; die meisten der Akteure waren bereits vor 1945 beziehungsweise 1933 im Buchhandel tätig gewesen. Gleichwohl war die Situation, in der sie zunächst agieren mussten, eine genuin neue. Rohstoffmangel, fehlende Produktionsmittel, mangelhafte Transportmöglichkeit und der weitgehende Verlust der buchhändlerischen Infrastruktur bestimmten die Bedingungen für die Herstellung und Distribution von Büchern, während die Nachfrage nach ihnen so groß war, dass sie kaum bedient werden konnte. Auch die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, gekennzeichnet durch umfassende Eingriffsrechte der Besatzungsmächte, die Entnazifizierung und den Lizenzzwang, schufen besondere Bedingungen für die (Wieder-)Aufnahme buchhändlerischer Tätigkeit. Ihnen kam wesentlich eine politische Steuerungsfunktion zu. Besondere Aufmerksamkeit und Skepsis hegten die Alliierten dabei gegenüber Verlegern, von denen eine weltanschauliche Positionierung aufseiten der Rechten zu erwarten war. Wo sich diese als antinazistisch, prodemokratisch und die Ziele der Reeducation fördernd bewiesen – entweder weil sie in der Nachkriegszeit den Willen zu einem Aufbruch entsprechend dieser Zielsetzungen glaubhaft machen konnten, oder weil sie bereits in den Zwischenkriegsjahren, vielleicht sogar im „Dritten Reich“ solche verfolgt hatten und auf Distanz zu den Nazis geblieben waren (oder wenigstens so wahrgenommen wurden) –, durften sie in den Westzonen mit dem Wohlwollen, mitunter der massiven Unterstützung durch die Besatzungsmächte rechnen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des sich entfaltenden Kalten Kriegs. Wer allerdings an den Ideologemen des „Dritten Reiches“ festhielt, revisionistische Ziele verfocht, eine reaktionäre Linie verfolgte, konnte, solange der Lizenzzwang anhielt, nicht damit rechnen, die Tätigkeit im Verlagsbuchhandel (wieder-)aufnehmen zu können. Nach der Gründung der Bundesrepublik und dem Ende des Lizenzzwangs freilich gab es kaum noch Zugangsbeschränkungen zum Markt. Dieser hatte



F. Fazit363

sich insbesondere seit der Währungsreform dynamisch entwickelt. Der Wohlstand wuchs, die Kaufkraft nahm zu, ebenso das Warenangebot, das einen nachholenden Konsum erlaubte, für den Bücher allerdings keine große Rolle spielten; der Anbieter- wandelte sich zu einem Käufermarkt, viele insbesondere der neuen Verlage konnten sich auf diesem nicht behaupten. Mit der ökonomischen Stabilität der Bundesrepublik nahm auch ihre politische zu und es zeichnete sich bald ab, dass „Bonn nicht Weimar“ sein würde. Doch gerade angesichts dieser Dynamik, die überkommene Strukturen, aber auch Ideenbestände obsolet erscheinen ließ, entwickelte sich in Teilen der Gesellschaft ein Unbehagen an Modernisierungsprozessen, die unter anderem durch Technisierung, Konsum, Verstädterung und Bedeutungsverlust der Religion gekennzeichnet waren beziehungsweise wurden. Sie förderten einen Rekurs auf kulturkritische Deutungen, auf konservative Weltsichten, die trotz des Kulturbruchs der Nazis an tradierte Theoreme anknüpfen konnten, insbesondere vermittels des Antikommunismus, der angesichts der neuen deutschland- und weltpolitischen Realität, die durch den Verlust der Ostgebiete, die Teilung Deutschlands in BRD und DDR und deren Einbettung in die Blöcke des Kalten Kriegs gekennzeichnet war, in der westdeutschen Gesellschaft prävalent war und eine Integration auch zuvor antidemokratischer Rechter erlaubte, zumal er eine Distanzierung vom Nationalsozialismus, vor allem aber von der Auseinandersetzung mit seinen Ursachen und Folgen erlaubte. Vor diesem Hintergrund artikulierte ein vielgestaltiger Konservatismus seine Vorbehalte gegen und Wünsche an die neue Ordnung. Seine Akteure einten kulturkritische und modernisierungsskeptische beziehungsweise wertbewahrende und organizistische Perspektiven auf Kultur, Politik und Gesellschaft. Dabei unterschieden sich Deutungen und Prioritäten mitunter erheblich und damit die Themen und Thesen, die konservative Intellektuelle in die Orientierungsdiskurse der Nachkriegszeit einzubringen suchten. Während die einen in ostentativer Politikferne zu verharren und sich in ein elitistisch-ästhetizistisches Refugium zurückzuziehen vorgaben, suchten andere in längst vergangenen Ordnungen, sei es eine universalistische mittel­ alterliche Katholizität, sei es der preußische Obrigkeitsstaat, nach Orientierung, und wieder andere arrangierten sich rasch mit der Bundesrepublik, suchten sie zu stabilisieren und auf ihre ideelle und strukturelle Ausgestaltung Einfluss in einem liberal-konservativen Sinne zu nehmen. Dabei blieben aus Weimar überkommene Traditionsstränge stark und gerade ehemalige „Konservative Revolutionäre“ blieben ein Bezugspunkt, nicht nur für Rechtsaußen, sondern auch für Mainstream-Konservative – entweder weil sie, wie Ernst Jünger, mit ihrer Haltung einen unkorrumpierten Trotzstolz signalisierten und einer Gesellschaft der Kriegsverbrecher und Kriegs-

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F. Fazit

verlierer so einen Heroismus der Niederlage anboten, oder weil sie ihre ­Ideenbestände so umdeuteten und aktualisierten, dass sie einer Bevölkerung, die den Nationalsozialismus ja nicht willentlich überwunden hatte, einen Weg in die neue Ordnung wiesen, der ein, zumindest teilweises, Festhalten an überkommenen Ideen und damit an gewachsenen Identitäten erlaubte. Gerade für Konservative war das essentiell, ihre Weltanschauung ließ den radikalen Bruch mit alten Ordnungen und Überzeugungen kaum zu; ihre Legitimierung durch ein organisches Gewachsen- und geschichtliches Ge­ wordensein verbot ihn. Die goldene Brücke in die Demokratie wollten gleichwohl nicht alle beschreiten, die ihr zuvor ablehnend gegenübergestanden hatten. Vermittelt wurden die Akteure, Themen und Entwicklungen eines so konturierten epochenspezifischen Konservatismus in Rundfunkbeiträgen, in den politisch-kulturellen Zeitschriften, wesentlich auch in Büchern. Nach dem Krieg entwickelte sich eine breite und facettenreiche Verlagslandschaft, nicht nur, aber eben gerade auch im konservativen Bereich. Zahlreiche Verlage boten unterschiedlichen der skizzierten Themen und Autoren in unterschiedlichem Maße und mit unterschiedlicher Intention Foren der Artikulation. Diese beinahe unüberschaubare Vielfalt bleibt einer systematischen Analyse unzugänglich, wenn sie nicht kategorial gefasst und damit handhabbar gemacht wird. Westdeutsche Verlage der Nachkriegszeit mit konservativen Programmen, Programmanteilen und Wirkungsabsichten lassen sich in fünf Kategorien gliedern, die sich an den tatsächlichen verlegerischen Aktivitäten, der Programmgestaltung, aber darüber hinaus auch an ihrer Einbettung in die gesellschaftlichen Diskurse der Nachkriegszeit und die konservativen Beiträge zu ihnen orientieren. Insbesondere als Beitrag zur Konservatismusforschung ist die Kategorisierung aufschlussreich, weil sie die Betrachtung wichtiger Akteure und Multiplikatoren im konservativen Milieu und in den Orientierungsdiskursen der Nachkriegszeit ermöglicht, die bislang eine zu geringe Beachtung erfahren haben, obwohl sie für die Vermittlung und Debatte konservativer Topoi und für die Konstituierung eines Diskursraumes von entscheidender Bedeutung waren. Dabei wurde in dieser Untersuchung jedoch kein festes Set an Analysekategorien zugrunde gelegt, mit dessen Hilfe einzelne Verlage streng komparatistisch durchdekliniert werden könnten. Sie hätten die je spezifischen Bedingungen und Absichten der einzelnen Verlage eher verdunkelt als erhellt, wohingegen sich der hier verfolgte Ansatz insofern bewährt hat, als er dazu beiträgt, einerseits die agency, andererseits die rechtlichen, ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Kontexte und damit die Möglichkeit der Umsetzung der agency der einzelnen Vertreter der ausgemachten Typen konservativer Verlage beispielhaft und qualitativ zu fassen und zu analysieren; eine breit angelegte, systematisch-quantitative Untersu-



F. Fazit365

chung der Landschaft konservativer Nachkriegsverlage bleibt vorerst ein Desiderat. Revisionistische Verlage, das heißt hier solche, die in einer direkten Traditionslinie zum Nationalsozialismus standen, nationalistische, völkische, rassistische und autoritäre Perspektiven perpetuierten und die Revision der durch Besatzung, Entnazifizierung, Reeducation und Reorientation sowie die Gründung der Bundesrepublik als parlamentarisch-demokratischem Staat konstituierten Ordnung zu revidieren suchten, konnten erst nach 1948/49 wieder in Erscheinung treten, dabei jedoch auf bestehende Netzwerke, Strukturen und Ideenbestände zurückgreifen. Der Klosterhaus-Verlag war vor allem dem Werk Hans Grimms verpflichtet und damit seiner völkisch-nationalistischen Weltsicht, deren Strahlkraft man in der Bundesrepublik zu bewahren oder vielmehr wiederherzustellen versuchte; dem eingeschränkten verlegerischen Programm stand ein umfangreiches gesellschaftliches gegenüber, nämlich die nationalistische Revision der Nachkriegsordnung, um „die nationalen Kulturen der Völker Europas zu erhalten“.1 Holle und Hans Grimm bemühten sich darüber hinaus um die Vernetzung der revisionistischen Szene, insbesondere im Rahmen der Lippoldsberger Dichtertage, und darum, über diese hinaus anschlussfähig zu werden, etwa durch die Gewinnung arrivierter Autoren oder von Unternehmenspartnern. Die Erfolge dieses Unterfangens waren, mitunter bemerkenswerten Auflagen der Grimm’schen Werke zum Trotz, eher überschaubar – zu randständig waren schon in den 1950er Jahren Positionen einer radikalen Systemopposition. Dass nicht nur eine breitere Öffentlichkeit in den 1950er Jahren kein nennenswertes Interesse mehr an einem autoritären und rassistischen Nationalismus hatte, auch wenn dieser im Geiste der Zeit transnational beziehungsweise im Falle des Klosterhaus-Verlags transkontinental gewendet wurde, sondern Staat und Zivilgesellschaft auch nicht gewillt waren, dessen Propagierung ohne Weiteres zu akzeptieren, gerade weil die Auflagen entsprechender Titel mitunter deutlich machten, dass die Zielgruppe zwar nicht riesig, aber auch nicht vernachlässigenswert klein war, veranschaulichen die Beispiele des Plesse-Verlags und der Göttinger Verlagsanstalt. Den von Karl Waldemar Schütz und Leonhard Schlüter gegründeten und geführten Verlagen war es kaum verhohlen um die Delegitimierung der Nachkriegsordnung und die Aufwertung nationalsozialistischer Residuen zu tun. Im Falle des Plesse-Verlags war es die Vorstellung der Rechtfertigungsschrift Alfred Rosenbergs auf der Frankfurter Buchmesse, die Proteste hervorrief und das 1  DLA, A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage: Schreiben Holle Grimms an den den Afrikaanse Studentebond vom 27. Dezember 1960.

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Augenmerk staatlicher Behörden auf den Verlag lenkte. Wenngleich das Verfahren gegen Schütz eingestellt wurde, führte die Episode dazu, dass Öffentlichkeit und Behörden ein klareres Bewusstsein für die Rolle revisionistischer Verlage in den Diskursen der Nachkriegszeit und die mögliche Gefahr, die sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedeuten konnten, entwickelten. Im Falle des Göttinger Verlagshauses rief die Person Leonhard Schlüters, der, genauso wie Holle Grimm, politisch aktiv war – allerdings in ungleich prominenterer Rolle – den Widerstand der Gesellschaft hervor. Und es war diese politische Rolle, die öffentliche Aufmerksamkeit auch für sein verlegerisches Schaffen provozierte; andere Verlage des revisionistischen Spektrums blieben von ihr unbehelligt. Als FDP-Kultusminister des Landes Niedersachsen schien er vor allem führenden Köpfen der Universität Göttingen und ihren Studenten angesichts der durch ihn verantworteten Publikationen untragbar. Die Skandalisierung seiner Ernennung rief ein bundesweites Echo hervor, das seinen Rücktritt unumgänglich machte und die Einsetzung eines Unter­ suchungsausschusses nach sich zog. Breitere Rezeption war Verlagen und Titeln möglich, die sich nicht in Frontstellung gegen die neue Ordnung begaben, sondern tradierte Ideenbestände, gegebenenfalls in aktualisierter Form, in ihr zu erhalten und für neue Bedingungen fruchtbar zu machen versuchten. Solche neuen Bedingungen entstanden nicht zuletzt infolge der Vertreibung der Ostpreußen, Schlesier oder Sudeten aus den verlorenen deutschen Ostgebieten, der Teilung Deutschlands in zwei Staaten und die Teilung der Welt in zwei Machtblöcke. Sie beförderten die Entstehung neuer Typen von Verlagen konservativer Ausrichtung, die den Fokus ihres Schaffens auf die Auseinandersetzung mit dem „Osten“ und der ihn beherrschenden Ideologie richteten. Im Falle von Kiepenheuer & Witsch war diese Ausrichtung getrieben vom empirischen Antikommunismus Joseph Caspar Witschs und unterstützt von den Amerikanern, in deren (kultur-)politische Agenda sich Programm und Aktion seiner Verlage trefflich fügten. Witsch verfolgte eine mitunter kämpferische Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis des Kommunismus, zunächst aus einer sozialdemokratischen, im Laufe der Jahre aus einer zunehmend konservativen Position heraus, die ihre Authentizität nicht zuletzt aus der Indienstnahme ehemaliger Kommunisten als Autoren und Lektoren gewann, ganz im Sinne der Staatsraison der Ära Adenauer. Staatliche Stellen waren es denn auch, die dafür sorgten, dass die Diskrepanz zwischen politischem Wirken und ökonomischer Rentabilität nicht zu groß wurde – genauso wie das breite literarische und populäre Programm, das den Kern des Verlags ausmachte und ihm Handlungsräume als auch politischer Akteur erst eröffnete.



F. Fazit367

In vergleichbarer Weise war Herbert Fleissners Werdegang von dem Mitund Nebeneinander apolitischer Werke und weltanschaulicher Literatur geprägt. Als einer der großen Publikumsverleger Deutschlands verfolgte er neben einer ökonomischen immer auch eine politische Agenda. Seine früheste Verlagsgründung, der Bogen-Verlag, stand dabei ganz im Zeichen seiner Biographie als vertriebener Sudetendeutscher. Der Bogen-Verlag ist ein durchaus typisches Beispiel für die Vertriebenenverlage, die sich nach 1945 in relativ großer Zahl gründeten und, meist aus eigener Betroffenheit, Programme entwickelten, die das Schicksal und die Kultur der verlorenen Heimat und ihrer Menschen in den Mittelpunkt rückten. Oft waren sie eng mit den Strukturen der Vertriebenenorganisationen verbunden und verfolgten die gleichen Ziele wie diese, nämlich die Förderung antikommunistischer Haltungen und Politiken, das Streben nach der Wiedervereinigung sowie den Erhalt und die Förderung der Kultur der Vertriebenen. So stand im Vordergrund der meisten Bogen-Publikationen die Bewahrung und Tradierung der sudetischen oder schlesischen Kultur – häufig verbunden mit revisionistischen und völkischen Elementen und gleichsam konserviert in ihrer Konstitution vor der Vertreibung und dadurch mitunter als aus der Zeit gefallenes Relikt einer vordemokratischen Realität, die manchen der Vertriebenen und ihren Organisationen die Akzeptanz der neuen Ordnung erschwerte. Von vornherein einen primär kulturellen Fokus hatten naturgemäß die hier als Kulturverlage gefassten Häuser. Sie stehen für einen Typus des Verlegers und des Programms, die in ihren konservativen Nachkriegsinkarnationen das kulturkritische Element in besonderem Maße vertraten und noch klarer einen Primat des Geistigen bei der Überwindung und Umkehrung der Verfallserscheinungen betonten, deren Ursachen sie in Materialismus, Rationalismus und dem Verlust des Transzendenten erblickten. Gerade das transzendente Moment war für Otto Reichl von besonderer Bedeutung. Schon am Beginn des 20. Jahrhunderts machte er einen Kulturverlust und einen Kulturverfall aus, die er in der Entkoppelung der gesellschaftlichen Dynamik von der geistigen Kapazität ihrer Verarbeitung begründet sah. Suchte er diesen Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit durch die Herausbildung einer philosophisch-esoterischen Avantgarde zu begegnen, rückten nach 1945 von ihm so bezeichnete „christozentrische“ Perspektiven in den Fokus, die der Zusammenbruchsgesellschaft eine Neuorientierung unter Besinnung auf christliche Werte und Traditionen ermöglichten sollten. Vor allem durch Günther Neske fanden aber auch Autoren ihren Weg in den Verlag, die einer weiter gefassten Kulturkritik Raum gaben, die mit religiösen Orientierungen wenig gemein hatte, darunter Ernst Jünger. Christliche Überzeugungen und eine Faszination für die Person und das Werk Ernst Jüngers verbanden sich auch bei Ewald Katzmann, der den Autor

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ganz ins Zentrum seines verlegerischen Schaffens stellen wollte. Ihm zu Ehren – und um den Anspruch zu verdeutlichen, der Jünger-Verleger zu sein –, taufte er seinen Verlag auf den Namen Heliopolis. Das Jünger’sche Werk und das anderer Autoren in seinem Geiste schienen ihm das mächtigste Mittel gegen die Mittelmäßigkeit der geistigen und literarischen Verfassung der Nachkriegszeit zu sein, Werkzeuge, um das Geistesleben der Bundesrepublik in einem kulturkritischen Sinne zu formen. Der in den Weimarer Jahren deutschnational gesinnte Katzmann suchte, wie vor dem Zweiten Weltkrieg auch Otto Reichl, einen Kreis zu bilden, in dem er einige der he­ rausragenden ehemaligen „Konservativen Revolutionäre“ und deren Epigonen versammeln wollte, um ihre Stimmen orchestriert in der Öffentlichkeit erklingen zu lassen. Da Katzmann sie jedoch nicht dauerhaft an sich binden konnte – Jünger und Nebel publizierten bald fast ausschließlich bei Klett –, nicht zuletzt aufgrund mangelnder ökonomischer und vertrieblicher Potenz, blieb der Erfolg seiner Kulturmission indes überschaubar. Ähnlich wie die skizzierten Kulturverlage beklagten auch viele der konfessionell geprägten Verlage die Dominanz rationalistischer, materialistischer und säkularisierender Entwicklungen. Sie gewannen häufig einen genuin konservativen Charakter insofern sie tradierte Werte und Institutionen gegen Modernisierungs- und letztliche Marginalisierungsprozesse zu verteidigen suchten und nicht nur für deren Erhalt stritten, sondern auf die Prägung der neuen Ordnung durch diese zielten, eine christliche renovatio der Gesellschaft nach dem Zusammenbruch erstrebten. In aller Deutlichkeit war das auf katholischer Seite bei den Verlagen des Neuen Abendlands der Fall. Der Diagnose der Gottes- und Wertferne der Gegenwart folgten in den Beiträgen und Büchern ihrer Autoren ganz handfeste politisch-strukturelle Forderungen, die häufig vor allem auf eine Eindämmung der „Formaldemokratie“ zielten, etwa durch ständische Elemente, und die Sehnsucht nach einem autoritären System christlicher Ausrichtung zu erkennen gaben. Bemerkenswert ist es, dass ein solcher radikaler und partikularer katholischer Konservatismus, zumindest für einige Zeit, auf großes Wohlwollen in den konservativen Parteien und den von ihnen geführten Ministerien der Bundesrepublik rechnen durfte, die mit ihrer finanziellen Unterstützung dafür sorgten, dass die weltanschauliche Mission der „Abendländer“ eine Zeitlang verfolgt werden konnte, ohne dass sie auf ein eigenes stabiles ökonomischen Fundament bauen konnte. Erklärlich ist dies freilich durch die enge Verbindung zahlreicher prominenter Politiker, vor allem der CDU und CSU, mit der Bewegung. Denn bei den „Abendländern“ verbanden sich nicht nur publizistische und politische Zielsetzungen, sondern auch publizistische und politische Methoden.



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Ähnliche, wenngleich in der Regel weniger zugespitzte Ansprüche an die Formung der Gegenwart wie die der „Abendländer“ waren auf evangelischer Seite bei den Publikationen des Rufer-Verlags zu beobachten. In der nationalprotestantischen Tradition des Mutterhauses C. Bertelsmann versammelten sich dort Gegenwartsdeuter, die eine Besinnung nicht nur auf christliche Werte, sondern auch auf kirchliche Institutionen als unabdingbar für die Konstitution der Nachkriegsgesellschaft ansahen, sollte diese nicht wieder in den Totalitarismus abzugleiten drohen; mit seinem pädagogischen Programm zielte der Rufer-Verlag zudem nicht nur darauf, Beiträge zu abstrakten gesellschaftliche Debatten zu liefern, sondern auch die Bildung der Jugend in christlich-restitutivem Sinne zu fördern. So hatte sich zwar ein missionarisches Moment, das C. Bertelsmann von Beginn an ausgezeichnet hatte, erhalten, dieses geriet aber selbst zunehmend in den Schatten einer stärkeren Konzentration auf materielle Zielsetzungen, die die dynamische Entwicklung des Gütersloher Verlagshauses, in dem C. Bertelsmann und der Rufer-Verlag aufgingen und das sich zum späteren Bertelsmann-Konzern weiterentwickeln sollte, in einem sich strukturell verändernden Buch- und Medienmarkt mit sich brachte. Wie sich C. Bertelsmann zu einem Publikumsverlag entwickelte, ohne seine weltanschauliche Motivation für das verlegerische Wirken ganz aufzugeben, verband sich auch bei anderen Häusern die Orientierung an einem breiten und heterogenen Lesepublikum, das mit Veröffentlichungen ganz unterschiedlicher Art und Stoßrichtung angesprochen wurde, mit einer weltanschaulich-politischen Haltung, die neben wirtschaftlichen Zielsetzungen Ausdruck in ihren Programmen fand. Konservative Publikumsverlage bildeten dabei bestimmte Profile aus, ohne die Anschlussfähigkeit für Autoren und Leser aus ganz anderen Zusammenhängen zu verlieren. Gerade dadurch konnten sie die Sichtbarkeit konservativer Autoren und ihrer Werke in weitaus größerem Maße gewährleisteten als kleinere und programmatisch eingeschränktere Verlage. Im Falle des Klett-Verlags stellte sich das Programm insofern als besonders breit dar, als es neben der Belletristik und dem allgemeinen Sachbuch der Psychoanalyse eine tragende Rolle einräumte. Die unterschiedlichen Bereiche einte mit dem Humanismus und den antiken und christlichen Tradi­ tionen, auf die sich der Verlag in den Nachkriegsjahren vor allem berief, die Perspektive einer Heilung – nicht zuletzt einer Heilung der Gegenwart von ihren Wunden und Unzulänglichkeiten. Der selbsterklärte Konservative Klett erhob an sein Programm den Anspruch, dass es in einer Phase der Orientierungssuche und des Neuanfangs Halt bot, indem es Überliefertes bewahrte und zugänglich, mithin fruchtbar für die Gegenwart machte. Das Programm war gleichwohl divers, wenngleich es häufig einen kulturkritischen Impetus aufwies. Konservative Schriftsteller stellten nicht den größten Teil der Klett-

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Autoren, durchaus aber den prägenden. Zu diesem gehörte auch für Klett zweifelsohne Ernst Jünger. Nicht nur, dass dieser ab dem Ende der 1950er Jahre den überwiegenden Großteil seiner Werke in die Hände Kletts legte, dieser sollte auch der Verleger der Zeitschrift Pallas sein, die einige der ­prominentesten Rechtsintellektuellen der Zeit zu versammeln versprach und vom DVA-Lektor von Eichborn als Ausdruck einer „nationalistische[n] Welle“ gedeutet wurde;2 anders als ihr ähnlich geartetes Nachfolgeprojekt Antaios 1959 wurde sie jedoch nicht realisiert. Fühlung mit rechtsintellektuellen Kreisen hatte auch Ernst Rowohlt bereits seit der Zwischenkriegszeit, und nach 1945 änderte sich daran wenig. In seinem nach Ende des Kriegs gegründeten dritten Verlag spielten sie eine wichtige Rolle. Als Verleger von einigen der prominentesten und vor allem meistrezipierten konservativen Denkern und Publizisten der Nachkriegszeit spielte sein Programm für die zeitgenössische Gegenwartsdeutung und die Artikulation konservativer Gesellschaftsentwürfe eine erhebliche Rolle, wie sie insbesondere durch Ernst von Salomons Bestseller Der Fragebogen transportiert oder auch von Zehrer, Schelsky oder Boveri in ganz verschiedenen Formen, aber eben stets aus kulturkritischer Perspektive entwickelt wurden. Deren Narrative fügten sich dabei in ein Umfeld, das geprägt war von verlegerischer Innovationsbereitschaft, dem Interesse an den literarischen Entwicklungen und Neuerungen der Zeit und einer programmatischen Breite, die von keinen weltanschaulichen Scheuklappen eingeengt wurde – und eben deshalb die Normalisierung und Vermittlung konservativer Sichten und Deutungen in den Diskursen der jungen Bundesrepublik ermöglichte. Zumindest in programmatischer Hinsicht trifft dies genauso auf die DVA zu, wenngleich sie zunächst auf altbewährte Formate zurückgriff – bei ihr war eine konservative Haltung durchaus auch hinsichtlich der Modi verlegerischer Arbeit zu finden. Das mag auch damit in Zusammenhang gestanden haben, dass die DVA nach 1945 bereits auf eine über einhundertjährige, in das Jahr 1831 zurückreichende Tradition und Traditionsbildung zurückblickte. Bereits im 19. Jahrhundert und insbesondere im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, als Gustav Kilpper das Gesicht des Verlags prägte, wollte die DVA, mit Berner, zur „politische[n] Erziehung“ und zur Ordnung der Unübersichtlichkeit in Phasen des Umbruchs beitragen.3 In ihren Programmen spiegelte sich das durch die wichtige Rolle, die historisch-politische Titel in ihnen spielten und die eine Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Per­ 2  DLA, D: Merkur, Briefe an ihn von Deutsche Verlags-Anstalt, 4.7.1949– 28.12.1949: Schreiben von Eichborns an Hans Paeschke und Joachim Moras vom 6. Juli 1949. 3  Berner, Zur Geschichte der Deutschen Verlags-Anstalt. S. 23.



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spektiven ermöglichen sollten, ohne dabei den eigenen, tendenziell nationalliberalen Standpunkt zu verleugnen, der von Autoren wie Heuss, Ortega und Ritter umrissen wurde und nach links genauso anschlussfähig war wie nach rechts. So wurden Schriften Lassalles genauso verlegt wie solche Karl Ale­ xander von Müllers. In dieses Bild fügt sich die ambivalente Haltung, die die DVA während des „Dritten Reiches“ einnahm. Einerseits hielt man an NS-kritischen Autoren wie Jochen Klepper fest und publizierte sie auch angesichts zu erwartender Widerstände, andererseits bemühte man sich, das Risiko der Konfrontation möglichst gering zu halten, und veröffentlichte ebenso Titel im Geiste und Dienste des Nationalsozialismus. Mit der vollständigen Eingliederung in den Eher-Konzern 1941 schließlich wurde die DVA gänzlich auf Linie gebracht. Nach 1945 veränderten sich der Fokus und die Haltung des Verlags gegenüber den Zwischenkriegsjahren nicht grundlegend, sie mussten sich aber angesichts des Aufstiegs und Zusammenbruchs des „Dritten Reiches“, seiner Verbrechen und der aus ihnen resultierenden Konsequenzen der Nachkriegszeit noch weiter ausdifferenzieren, einer komplexeren gesellschaftlich-politischen Gemengelage Herr werden, als dies vor dem Nationalsozialismus der Fall gewesen war. Diese spiegelte sich in den Betriebsverhältnissen unmittelbar wider. Aufgrund der unklaren Besitzverhältnisse infolge der Umwandlung in eine GmbH durch die Nazis befand sich die DVA während der ersten fünf Jahre nach Kriegsende in treuhänderischer Verwaltung, ehe sie mit den beiden jeweils nur kurz amtierenden Geschäftsführern Marquardt und Kimmich und schließlich dem bis 1960 den Verlag leitenden Gotthold Müller ihre Autonomie zurückgewann. In den ersten 15 Nachkriegsjahren standen dabei das Bemühen um eine wirtschaftliche Konsolidierung und die Gewinnung eines klaren inhaltlichen Profils im Mittelpunkt. Denn der Verlag wirtschaftete während des Betrachtungszeitraums die meiste Zeit defizitär, wenngleich die unternehmenseigenen Papierfabriken in den ersten Nachkriegsjahren ausgesprochen rentabel arbeiteten und die Verluste auffingen, ehe sie aufgrund der Notwendigkeit erheblicher Investitionen abgestoßen wurden. Daraus folgte ein stetes Bemühen um strukturelle und organisationelle Anpassungen, die eine effizientere Produktion ermöglichen sollten, um die Rentabilität zu erhöhen, ohne dass dabei regelmäßig programmatische den ökonomischen Zielen untergeordnet worden wären. Damit ging die Konzentration aufs Kerngeschäft einher, innerhalb dieses sollte aber eine Diversifizierung der Formate und Inhalte erfolgen. So beteiligte sich die DVA an den Büchern der 19, um vom Markt für Buchgemeinschaftsausgaben zu profitieren, und an dtv, um am schnell an Bedeutung gewinnenden Ta-

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schenbuchgeschäft zu partizipieren; der Engelhorn-Verlag wurde als Imprint für leichtere Unterhaltungsliteratur eingegliedert. In programmatischer Hinsicht hielt die DVA über Zeiten- und Verlegerwechsel hinweg an ihren eta­ blierten Autoren und Programmsegmenten fest, während sie insbesondere unter Marquardt und Kimmich gleichzeitig den Versuch unternahm, ihr Programm sowohl im Buch- wie im Zeitschriftenbereich zu erweitern, ehe mit Müller eine Konzentration auf hergebrachte Schwerpunkte und die Stärkung dieser, insbesondere im politisch-historischen Bereich, einsetzte. Die neue gesellschaftliche und politische Situation machte genauso wie Anpassungen an der Betriebsstruktur solche an der inhaltlich-programmatischen Ausrichtung notwendig. Bücher der DVA sollten auch dazu beitragen, Orientierung für die Zukunft durch die Besinnung auf bewährte Grundlagen zu geben; der Deutschenspiegel steht stellvertretend für diesen Anspruch und die Linie des Programms, die ihn einlösen sollte. Bei der DVA wurde sie vor dem Hintergrund einer Reflexion des Nationalsozialismus entwickelt, die die konservativ geprägten Mainstream-Narrative der Nachkriegsjahre an Aufarbeitungsbereitschaft nicht übertraf und sich weitestgehend auf die Behauptung einer Dichotomie zwischen einer nationalsozialistischen Täterelite und der apolitischen, böswillig verführten Mehrheitsbevölkerung zurückzog, die erst das Opfer der Nazis und dann der Alliierten geworden sei. Gleichzeitig verwahrte sich insbesondere Gotthold Müller gegen die Verharmlosung des Nationalsozialismus, gegen Versuche, seinen Unrechtscharakter zu relativieren. Im Programm spiegelte sich diese Ambivalenz beispielsweise im Nebeneinander von Ina Seidel und Jochen Klepper. Müllers verlegerische Haltung war dabei wesentlich von seiner politischen Biographie geprägt. Als ehemaliges Mitglied der Volkskonservativen und Bekannter und Unterstützer verschiedener Akteure des Widerstands gegen Hitler, verfolgte er eine klare geschichtspolitische Agenda, die auf die Revision der Bewertung der Weimarer Republik und vor allem auf die Würdigung des Widerstands zielte. Die Position der Konservativen Volkspartei der Zwischenkriegszeit, die konkreten Ausformungen der parlamentarischen Demokratie zwar wenig wohlwollend gegenüberstand, aber in antiextremistischer Haltung das System nicht revolutionär stürzen, sondern reformistisch überwinden wollte, vertrat Müller mutatis mutandis auch nach 1945, wenn er die Autorität des antifaschistischen Konservatismus in der Bundesrepublik zu stärken und in den Dienst der neuen Ordnung zu stellen suchte. Dieser diente letztlich auch die Ausrichtung der DVA als ein politischer Verlag. Sie suchte sich eng mit den Eliten des neuen westdeutschen Staates und seiner bürgerlichen Parteien zu verbinden, sowohl auf inhaltlicher wie auf institutioneller Ebene. So wurden zahlreiche Titel publiziert, die politischen Akteuren ein Forum boten oder aus zeithistorischer oder unmittelbar



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gegenwartsbezogener Perspektive Impulse für die politische und administrative Ausgestaltung der Bundesrepublik zu geben versprachen und sich akuten politischen Fragen der Zeit widmeten, nicht zuletzt denen des Ost-West-Gegensatzes. Dass die Stoßrichtung dabei häufig auf Regierungslinie lag, entsprach einerseits der Haltung des Verlags, eröffnete andererseits aber auch die Möglichkeit zur Kooperation mit staatlichen und parteilichen Stellen, für deren Agenden Bücher und Zeitschriften des Verlags anschlussfähig waren und für die dieser deshalb auf finanzielle Unterstützung hoffen durfte, wodurch sich politische und ökonomische Ziele verbinden ließen. Von einem Standpunkt aus also, in dem sich die Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte mit geschichtspolitischem Anspruch, dem Selbstverständnis als führender politischer Verlag der Bundesrepublik und kulturkritischen Perspektiven verband, konturierte die DVA ein spezifisches Profil, für das bestimmte Programmbereiche und Autorengruppen eine herausragende Rolle spielten und in dem die Topoi des konservativ geprägten Diskurses der Nachkriegszeit in besonderer Weise aufschienen. Im Bereich der Geschichte stehen die Zusammenarbeit mit dem IfZ und die biographisch-historiographischen Arbeiten James Hendersons, Gerhard Ritters und Gottfried Treviranus’ idealtypisch für einen Programmteil, der gleichzeitig gegenwartsbezogener, wissenschaftlicher und politischer wurde. Verbanden sich Forschung und Politik bei einer Institution wie dem IfZ qua seiner Konstruktion und bei Titeln wie denen über Reichwein, Goerdeler und Brüning qua ihres Gegenstandes zwangsläufig miteinander, gewannen sie eine zusätzliche weltanschauliche Dimension durch den Verlag, in dem sie erschienen – und in diesem Falle insbesondere durch den Mann, der ihm vorstand. Denn Gotthold Müller trennte hier kaum zwischen seinen Rollen als Verleger und als involvierter Zeitzeuge. Sein postulierter Anspruch einer Pflege der „exakten und historischen Wissenschaft“ konfligierte mehr als einmal mit dem Wunsch, die Darstellungen seinen Deutungen und Zielen gemäß zu beeinflussen.4 Eine biographische Note hatte für Müller auch die Auseinandersetzung mit der Realität des sich entfaltenden Kalten Kriegs, war er doch in Potsdam aufgewachsen, das in der Nachkriegszeit von Stuttgart zunehmend unüberwindbar weit weg lag. Die Betroffenheit war dennoch ungleich geringer, wohl nicht zuletzt, weil die Deutung des Verlusts der Ostgebiete und die Teilung Deutschlands in zwei Staaten in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unumstritten war, anders als die Bewertung der Weimarer Republik und des Widerstands. So war denn auch die Ausrichtung des DVA-Programms, 4  WABW, Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 177 1959: Verlagsleitung A–E: Schreiben Gotthold Müllers an Willy Andreas vom 8. Januar 1959.

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das sich diesen Themen widmete, eine nicht geschichts-, sondern vor allem gegenwartspolitische, die beispielsweise, anders als in vielen Verlagen, die schwerpunktmäßig zu diesem Feld publizierten, weitgehend ohne revisionistische Tendenz auskam. Im Mittelpunkt stand vielmehr ein Bemühen um ein Verständnis des Ostens und eine konstruktive, gleichwohl konfrontative Auseinandersetzung mit seiner Ideologie und politisch-gesellschaftlichen Praxis, wie sie in Publikationen wie denen Klaus Mehnerts, Lothar Pertinax’ und Hermann Webers, Wenzel Jakschs, aber auch in den Osteuropa-Zeitschriften erfolgte. Und genauso wie sich Polemiken gegen den „Bolschewismus“ nur selten fanden, erfolgte auch der Blick auf den Westen und allen voran die USA, anders als so häufig in den deutschen konservativen Milieus, nicht durch die Brille kulturpessimistischer Überheblichkeit. Gleichwohl hatte auch die Kulturkritik ihren festen Platz in den Programmen der DVA. Eine der wichtigsten Publikationen ihrer zeitgenössischen Ausformungen mit konservativer Färbung war der Merkur, das intellektuelle Aushängeschild der DVA. Hier paarten sich Elitismus und Vorbehalte gegen gemachte Ordnungen mit der Offenheit zur Debatte und der Reflexion ganz unterschiedlicher Standpunkte, um daraus Impulse für Gesellschaft, Kultur und Politik zu entwickeln. In ähnlicher Weise finden sich solche Haltungen und Ansprüche auch im Buchprogramm des Verlags, in dem mit Freyer, Sieburg oder Ortega einige der beredtsten Kulturkritiker ihrer Zeit vertreten waren, in deren Schriften sich die Dialektik aus dem Leiden an der Gegenwart und der Fruchtbarmachung dieses Leidens für die Zukunft spiegelte, die den meisten konservativen Denkern und Verlagen der Zeit gemein war. Als einer dieser Verlage stand die DVA in den konservativen Diskursen der Zeit, nahm an ihnen teil, suchte sie zu beeinflussen, ohne in festgelegten Positionen oder starren Narrativen zu verharren. Aus den Programmen werden ein Suchen nach den Entwicklungen der Zeit und das Bemühen um ihre Reflexion und Deutung deutlich, die von einer grundlegenden Offenheit zeugen, die jedoch durch tradierte Bezugssysteme – institutionelle, personelle und ideelle – sowie die politisch-weltanschaulichen und letztlich biographischen Voraussetzungen der den Verlag und sein Umfeld prägenden Akteure begrenzt wurde. Dass die Direktoren, Geschäftsführer, Programmleiter, Lektoren des Verlags innerhalb dieser Bezugssysteme und nach ökonomischen wie ideellen Gesichtspunkten gleichermaßen agieren konnten, lag nicht zuletzt in der spezifischen Struktur der DVA begründet, die ihrerseits selbst ein Ergebnis der Überschneidung politischer und wirtschaftlicher Ziele war. In anderen Häusern herrschten freilich andere Voraussetzungen und Strategien, um ökonomische Ziele und politisch-weltanschauliche Wirkungsabsichten in Einklang zu bringen (oder eben nicht). Gemein ist dabei allen hier untersuchten



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Verlagen, dass eine solche Wirkungsabsicht erkannt werden kann, die jeweils unterschiedlich akzentuiert und unterschiedlich priorisiert in Erscheinung trat. Diese Häuser illustrieren, dass die westdeutschen Verlage der Nachkriegszeit mitunter in erheblichem Maße und in teilweise erstaunlicher Deutlichkeit Vertreter und Unterstützer konservativer agency waren. In einer Nachkriegsgesellschaft, in der konservative Deutungen für erhebliche Teile der Bevölkerung und vor allem des Lesepublikums anschlussfähig waren, die angesichts der Erfahrungen der Instabilität der Weimarer Republik und der verheerenden Folgen des „Dritten Reiches“ kulturkritische Positionen in den Orientierungsdiskursen der Zeit plausibel dünkten, durften sie auf eine starke Rezeption ihrer Themen und Titel hoffen, die in einigen Fällen in bemerkenswertem Maße tatsächlich erfolgte, in anderen weitgehend ausblieb. In diesen Orientierungsdiskursen und mithin gegenüber der Etablierung der Nachkriegsordnung nahmen konservative Verlage unterschiedliche Haltungen ein, die in aller Regel maßgeblich in der Person und den Anschauungen des Verlegers oder anderen prägenden Führungsfiguren des jeweiligen Verlags begründet waren. Während randständige revisionistische Verlage eine Agenda verfolgten, die Nachkriegsordnung zu destabilisieren, richtete sich das Gros der konservativen Verlage zügig in dieser ein – aus politischen genauso wie aus ökonomischen Gründen. Und sie haben, wenigstens mittelbar, zu ihrer Stabilisierung beigetragen. Indem sie die Wiedergewinnung der Sprechfähigkeit Konservativer nach 1945 in erheblichem Maße unterstützten beziehungsweise erst ermöglichten, insofern sie ihnen Foren der Reflexion und Aktualisierung ihrer Ideenbestände boten, trugen sie zu einer Entwicklung bei, in der demokratieskeptische Rechtsintellektuelle zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik und ihrer Öffentlichkeit fanden, statt sich dauerhaft in einen Gestus und womöglich eine Praxis de­ struktiver Opposition zu flüchten, wie dies in den ersten Nachkriegsjahren durchaus möglich schien. Hinzu kam, dass gerade konservative Verlage oftmals in engem Austausch mit staatlichen und politischen Akteuren standen, einerseits von ihnen abhängig waren, andererseits auch diesen Foren der Darstellung und Vermittlung ihrer selbst und ihrer Programme boten und damit ihre Position und ihre Legitimität stärkten. Verlage fungierten in der Tat als „Maschinen- und Resonanzraum intellektueller Positionen und ihrer Werkzeuge“.5 Die konservativen Verlage im Westdeutschland der Nachkriegszeit wirkten so ihren individuellen Zielen, Bedingungen und Möglichkeiten entsprechend als Katalysatoren – als Katalysatoren der Kulturkritik und der Moder5  Gallus,

Wie schreibt man eigentlich eine Intellectual History? S. 30.

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nisierung, als Katalysatoren der Kontinuität und des Neubeginns, als Kata­ lysatoren der Opposition und der Integration. Sie spiegeln damit den Facettenreichtum und die Widersprüchlichkeit des Nachkriegskonservatismus insgesamt wider. Und sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich dieser Facettenreichtum überhaupt entwickeln und vor allem artikulieren ­ konnte.

Quellenverzeichnis Archivalien Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München (= IfZ-Archiv) Bundesministerium des Innern Schoeps, Hans-Joachim Archiv für Christlich-Soziale Politik. München (= ACSP) NL Jaeger NL Kroll, Gerhard Bundesarchiv, Koblenz (= BAK) B 106, Bundesministerium des Innern B 145, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung N 1136, Nachlass Georg Jellinek N 1166, Nachlass Gerhard Ritter N 1182, Nachlass Eduard Spranger N 1340, Nachlass Albert Speer N 1353, Nachlass Hermann Stegemann N 1529, Nachlass Werner Weber Deutsches Literaturarchiv, Marbach (= DLA) A: Ackerknecht, Erwin A: Alverdes, Paul A: Blumenberg, Hans A: Diederichs Eugen-Diederichs-Verlag A: Grimm, Hans A: Grimm, Hans/Afrika A: Grimm, Hans/Deutsche Reichs-Partei A: Grimm, Hans/Lippoldsberger Dichtertage A: Jünger, Ernst A: Kasack, Hermann/Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ‚Darmstadt‘ A: Mohler, Armin A: Rowohlt-Verlag/Verlagsleitung A: Seidel, Ina A: Sieburg, Friedrich A: Sieburg, Friedrich/Literatur-Ressort FAZ A: Sieburg, Friedrich/Kopien A: Pleyer, Wilhelm A: Sternberger, Dolf A: Vesper, Bernward A: Zuckmayer, Carl/Gedenkrede zum 20. Juli 1969 B: Müller, Gotthold/Kopien

378 Quellenverzeichnis D: Merkur H: Sieburg, Rezensionssammlung zu „Chateaubriand. Romantik und Politik“ SUA: Suhrkamp Peter-Suhrkamp-Archiv/01 Verlagsleitung/Allgemeine Korrespondenz Staatsarchiv Ludwigsburg (= StAL) EL 901/20, Spruchkammer 37 – Stuttgart FL 300/33, Amtsgericht Stuttgart: Handelsregister Staatsarchiv Sigmaringen (= StAS) Wü 13 T 2, Staatskommissariat für die politische Säuberung Wü 80 T 1–2, Kultministerium Württemberg-Hohenzollern Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart (= WABW) B-112, Handelsbank Heilbronn AG Y-328, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart

Veröffentlichungen der untersuchten Autoren und Verlage Adenauer, Konrad: Erinnerungen, Bd. 1–4. Stuttgart: DVA, 1965–1968. Alten, Fritz: Die westdeutsche Nahrungsmittelproduktion in Abhängigkeit von der Welternährungswirtschaft. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1953. Andresen, Hans Bruno: Der Weg aus der Not: Wohnungsbau für alle. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 1951. Arbeits- und Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Ostkunde im Unterricht. Vorträge gehalten auf der Arbeitstagung vom 10. November 1961. Troisdorf: Wegweiser-Verlag, 1962. Bachmann, Fritz: Johannes Kuhlo: Ein Spielmann Gottes. Gütersloh: Rufer, 1947. Backhaus, Hugo C. [= Grabert, Herbert]: Wehrkraft im Zwiespalt. Zur Psychologie des Besiegten. Göttingen: Göttinger Verlagsanstalt, 21952. Baehr, Albrecht: Auf dem Wege. Eine Zwischenbilanz des Vertriebenen- und Flüchtlingsproblems. Troisdorf: Wegweiser-Verlag, 1960. Bäumer, Gertrud: Der neue Weg der deutschen Frau (= Der Deutschenspiegel, Bd. 1). Stuttgart: DVA, 1946. Bäumer, Gertrud: Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart. Stuttgart: DVA, 1914. Bardèche, Maurice: Die Politik der Zerstörung: Nürnberg oder Europa. Göttingen, Plesse-Verlag, 1950. Bauer, Hermann: Reichsleitung und U-Bootseinsatz 1914 bis 1918. Zusammenarbeit zwischen politischer und militärischer Führung im Kriege. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1956. Becker, Hellmut: Bildung zwischen Plan und Freiheit. Stuttgart: DVA, 1957. Becker, Hellmut: Kulturpolitik und Schule. Probleme der verwalteten Welt. Stuttgart: DVA, 1956.

Quellenverzeichnis379 Bender, Gerd M.: Der Mittelstand ist nicht vergessen. Bonn: Verlag für Publizistik, 1959. Benn, Gottfried: Ein Berliner Brief. In: Merkur 3 (1949), Nr. 12. S. 203–206. Bense, Max: Ptolemäer und Mauretanier oder die theologische Emigration in der deutschen Literatur. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1950. Berdjajew, Nikolai Alexandrowitsch: Der Sinn der Geschichte. Tübingen: Reichl Verlag, 21950. Berendt, Joachim-Ernst: Der Jazz. Eine zeitkritische Studie (= Der Deutschenspiegel, Bd. 39). Stuttgart: DVA, 1950. Bertram, Fritz: De Heiroatsannunx. Ein heiteres Spiel in schlesischer Mundart. Troisdorf: Kammwegverlag, 1954. Binder, Gerhart: Gebändigte Dämonen: Von der Überwindung der Gewalt (= Der Deutschenspiegel, Bd. 12). Stuttgart: DVA, 1946. Bittner, Ludwig: Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden. Stuttgart: DVA, 1924. Blüher, Hans: Parerga zur Achse der Natur. Stuttgart: Klett, 1952. Blumhardt, Christoph: Von der Nachfolge Jesu Christi. Berlin: Furche-Verlag, 21924. Boehm, Hermann: Norwegen zwischen England und Deutschland. Die Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges. Lippoldsberg: Klosterhaus-Verlag, 1956. Bösch, Hermann: Heeresrichter Dr. Karl Sack im Widerstand. Eine historisch-politische Studie. München: G. Müller, 1967. Bollnow, Otto Friedrich: Neue Geborgenheit. Das Problem einer Überwindung des Existentialismus. Stuttgart: Kohlhammer, 1955. Boveri: Margret: Sachgebiet Zeitgeschichte: Der Verrat im 20. Jahrhundert, 2 Bde. (= Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Bd. 23, 24). Hamburg: Rowohlt, 1956. Breuer, Emil: Die Lastenausgleichsgesetze. München/Stuttgart: Bogen-Verlag, 1957. Bronsart, Huberta von: Weizen oder Spinat. Der deutsche Landwirt am Scheideweg (= Der Deutschenspiegel, Bd. 24). Stuttgart: DVA, 1947. Bruckberger, Raymond L.: Die Christenheit und Europa. In: Neues Abendland 9 (1954), Nr. 4. S. 195–208. Brühl, Helmut: Im Ausland unerwünscht. Betrachtungen zu den deutschen Auslandsbeziehungen (= Der Deutschenspiegel, Bd. 14). Stuttgart: DVA, 1946. Brüning, Heinrich: Memoiren 1918–1934. Stuttgart: DVA, 1970. Buber-Neumann, Margarete: Als Gefangene bei Stalin und Hitler. Köln: Verlag Rote Weißbücher, 1952. Buber-Neumann, Margarete: Als Gefangene bei Stalin und Hitler. Eine Welt im Dunkel. Stuttgart: DVA, 1958. Buckley, William F.: Im Schatten der Freiheitsstatue. München: Neues Abendland, 1954.

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Personenregister Abs, Hermann  293 Adenauer, Konrad  56 f., 59, 103–105, 108, 111–113, 115, 118, 155, 184, 187 f., 295, 305, 311 Adler, Bruno  208 f. Adorno, Theodor Wiesengrund  275, 293, 339, 356 Alten, Fritz  142 Alverdes, Paul  193, 247 Amann, Max  234 Andreas, Willy  295 Andresen, Hans Bruno  142 Anrich, Ernst  72 Auerbach, Philipp  310 Bachmann, Fritz  193 Bäumer, Gertrud  226, 266 Balbo, Italo  208 Balzac, Honoré de  201, 219 Bamm, Peter  232, 256 Bardèche, Maurice  139 Baron, Katharina  286 Barras, Paul  223 Bauder-Herrnhut, Samuel  171 Becher, Johannes Robert  42 Beck, Ludwig  292  Becker, Hellmut  299, 310, 324, 359 Benda, Ernst  293 Bender, Hans  204 Beneš, Edvard  304, 329 Benn, Gottfried  52, 85, 87 f., 91, 93, 227, 233 Bense, Max  154, 212, 302 Benz, Carl  355 Benz, Ernst  204 Berdjajew, Nikolai Alexandrowitsch  169

Bergen, Paul von  210 Bergengruen, Werner  101, 232, 283, 320 Bergstraesser, Arnold  229, 264  Bergsträsser, Ludwig  310 Bermann Fischer, Gottfried  65, 163 Berner, Felix  26, 214, 221, 223–225, 227, 229–231, 236, 295, 370 Bertelsmann, Carl  189, 195 Binder, Gerhart  266 Bismarck, Otto von  184, 223, 226, 295, 317 Bittner, Ludwig  229  Bley, Curt  212 Blüher, Hans  201 f. Blumenberg, Hans  195 Blumhardt, Christoph  172 Boehm, Max Hildebert  232 Böhme, Herbert  130, 133, 158 Böll, Heinrich  155, 293 Böse, Oskar  157 Bohner, Erwin  253–255, Bollnow, Otto Friedrich  13, 119 Bonsels, Waldemar  51, 230 Borchardt, Rudolf  202, 207 Bosch, Robert  217, 227 f., 232, 234, 239 f., 353–355 Bott, Hans  265, 299 f. Boveri, Margret  211 f., 370 Brandt, Willy  293 Brecht, Bertolt  150 Brentano, Heinrich von  100, 102, 303, 305 Breuer, Emil  161 Brill, Hermann  310 Brodhag, Friedrich  218 Bronnen, Arnold  207

Personenregister421 Broszat, Martin  311 Bruckberger, Raymond Léopold  116 f. Brüning, Heinrich  261 f., 289 f., 295 f., 314, 317, 322  f., 373 Buber, Martin  182 Buber-Neumann, Margarete  152, 330 Buchheim, Hans  267 Buchheim, Karl  310 Buckley, William Frank  186 Büchner, Carl  253 f. Busch, Wilhelm  223 Carl August von Weimar  295 Celan, Paul  274–276 Ceram, C. W. (= Marek, Kurt Wilhelm)  75 f., 212 Chamberlain, Houston Stewart  166 f. Chateaubriand, François-René de  92, 101, 223, 349 Chruschtschow, Nikita Sergejewitsch  331 Churchill, Winston  232 Cicero, Marcus Tullius  201 Claassen, Eugen  65 Clay, Lucius Dubignon  44 Conrad, Joseph  213 Conze, Werner  293 Coudenhove-Kalergi, Richard Nikolaus 102, 336 Coulmas, Paul  212 Curtius, Ernst Robert  229, 324, 337 f. Daimler, Gottlieb  355 Dalcher, Lawrence  63 Dante Alighieri  201 Danton, Georges  229 Dauthendey, Max  207 Dehio, Ludwig  310 Desch, Kurt  24, 44, 65, 196 f. Dewey, John  226 Dewhurst, Claude Hector  135 Dibelius, Otto  172 Dickens, Charles  219

Diederichs, Eugen  163 f. Diederichs, Niels  164 Diederichs, Peter  164 Diels, Rudolf  243, 268, 309 Diesel, Eugen  355 Diesel, Rudolf  355 Dietrich, Hermann  296  Dietze, Constantin von  310, 318 Dingeldey, Helmut  248 f., 340, 360 Dirks, Walter  48 Döblin, Alfred  162, 175 Dönhoff, Marion Gräfin  295 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch  172 Dumas, Alexandre  219 Eber, Georg  223 Ehard, Hans  311 Eichborn, ? von  303, 319, 346, 370 Eichendorff, Joseph von  201 Eliade, Mircea  204 Eliot, Thomas Stearns  50 Ensslin, Gudrun  160 Enzensberger, Hans Magnus  74, 339 Eppelsheimer, Hanns Wilhelm  80 Erzberger, Matthias  294 Eschenburg, Theodor  143, 250, 297 f., 313 Ettighofer, Paul  161 Eulenberg, Herbert  207 Evola, Julius  232 Fallada, Hans (= Ditzen, Rudolf Wilhelm)  210, 233 Faulkner, William  210 Fechter, Paul  232 Feder, Erna  273 Felten, Karl-Eberhard  274, 301, 303, 328, 330 Ferber, Walter  100, 183 Feuchtwanger, Lion  150 Fischer, Samuel  162 f., 206

422 Personenregister Fleissner, Herbert  21, 133, 156–162, 164, 367 Fleuron, Svend  164 Flick, Friedrich  136 Franck, Hans  194 Franckh, Friedrich Gottlob  218 f. Franckh, Johann Friedrich  218 f. Frank, Bruno  247 Frantz, Constantin  113 Franzel, Emil  100, 183, 328 Freisler, Roland  282 Freyer, Hans  86, 103, 198, 308, 342–345, 356, 374 Friedrich, Carl Joachim  323 Friedrich, Gerd  152 Friedrich, Heinz  258 Frischeisen-Köhler, Max  166 Ganghofer, Ludwig  51 Gebser, Jean  243 Gehlen, Arnold  17, 198, 211 f., 247, 335, 337, 342 f. Gentz, Friedrich  219 Gerstenmaier, Eugen  300, 315 Geßler, Otto  279, 301 Gide, André  50, 231, 243, 247, 261, 337 Glaubitz, Otto von  110 Gmelin, Otto  164 Goebbels, Joseph  35, 37, 232 Goerdeler, Carl Friedrich  33, 97, 113, 240, 261, 264, 281, 286, 290–292, 307, 310, 314, 317–321, 373 Göring, Hermann  234, 268 Goethe, Johann Wolfgang von  37, 201, 207, 223, 250, 258, 352 Goll, Claire  276 Gonzales, Valentin  153 Grabert, Herbert  130, 142 Grass, Günter  293, 356 Grassi, Ernesto  211 Greene, Graham  50 Grimm, Hans  87, 130–136, 138 f., 159, 161, 192, 365

Grimm, Holle  21, 130 f., 133–138, 365 f. Grimm, Jacob  223 Grimm, Wilhelm  223 Gutzkow, Karl  220, 223 Habermann, Max  283 Habermas, Jürgen  339 Hack, Bertold  279 Hackländer, Friedrich Wilhelm  222 f. Haeckel, Theodor  101 Haftmann, Werner  356 Hahn, Wilhelm  193 Hallberger, Eduard  26, 218, 220–224, 227, 293 Hallberger, Ludwig (Louis)  216, 218–220 Hallstein, Walter  112, 118, 302 Hammelsbeck, Oskar  192 f. Hamsun, Knut  164 Hanser, Carl  78  Hartung, Fritz  310 Hassell, Ulrich von  232  Hassinger, Heinrich  298 Hauptmann, Gerhart  162, 247 Hausser, Paul  139 Haußmann, Wolfgang  304 Heckel, Hans  299 Heidegger, Martin  89, 93, 102, 119, 198, 202–204, 212 Heine, Heinrich  117 Heinrich, Willi  268 Heiseler, Bernt von  278 Heisenberg, Werner  203 Heiser, Victor  250 Hellwege, Heinrich  143 Hemingway, Ernest  50, 207, 210, 213 Henderson, James  314–316, 320, 373 Hepp, Ernst Adolf  180 Herder, Johann Gottfried  199, 258 Heß, Ilse  134 Heuss, Theodor  107, 172, 226, 232, 234–235, 245, 265, 279, 295 f., 299, 302, 310, 371

Personenregister423 Hiller, Egmont  345 Hiller, Kurt  210 f. Hippel, Ernst von  310 Höß, Rudolf  277, 311–313, 315 Hoetzsch, Otto  323 f. Hofmann, Albert von  228 Hohmann, Georg  279 Holthusen, Hans Egon  264, 337 Hugenberg, Alfred  227 f., 288 f. Hugenberg, Gertrud  134 Ibsen, Hendrik  162 Ingrim, Robert (= Klein, Franz Robert)  100, 112, 186, 247, 295, 302 Irmer, Franz  171 Jaeckel, Max  282 Jäckh, Ernst  296 Jaeger, Richard  87, 99, 102 Jaksch, Wenzel  304, 328 f., 374 Jaspers, Karl  121 Jehle, ?  188 Jünger, Ernst  22, 33, 52, 87, 89–92, 102, 110, 118, 154, 169, 174–178, 189, 198, 201–206, 208, 212, 248, 252, 283, 324, 346 f., 363, 367 f., 370 Jünger, Georg Friedrich  52, 87, 89, 92, 102, 116, 198, 203 f., 337, 346, 356 Jünger, Gretha  177 Kästner, Erich  155, 210, 233 Kaiser, Jakob  113, 283 Kaléko, Mascha  208 Kasack, Hermann  278 f. Katzmann, Ewald  21, 171, 173–178, 198, 203, 205, 346, 367 f. Kaufmann, Erich  310 Keck, Richard  239 Keil, Wilhelm  243, 296 Kempski, Jürgen von  337 Kern, Erich  138 f. Keyser, Erich  229 Keyserling, Hermann  166, 168, 227 Keyserling, Manfred  204

Khoklow, Nikolai  330 Kiderlen-Waechter, Alfred von  227, 296 Kiepenheuer, Gustav  43 f., 150 Kiesinger, Kurt Georg  295, 302 f. Kilpper, Gustav  26, 209, 217, 225–227, 233–237, 240, 294, 307, 370 Kimmich, Wilhelm  237, 249 f., 252 f., 307, 371 Kipling, Rudyard  223 Kippenberg, Anton  206, 285 Klages, Ludwig  122 Klein, Fritz  232 Kleist, Peter  247 Klepper, Jochen  232, 235 f., 274, 277–279, 371 Klett, Arnulf  298 Klett, Ernst  176 f., 198–206, 346, 369 f. Kliemann, Horst  77 Klimow, Gregory  153 Klostermann, Vittorio  78, 177 Kluge, Kurt  259 Kluke, Paul  311, 314 Knobloch, Erhard  160 Knötig, Karl  157 Knötig, Otto  157 Koch, Hugo  278 Koch, Willi  275 Köhler, Heinrich  321  Kogon, Eugen  48, 152, 310 Kohl, Louis von  208 Kohler, Josef  226 Kolbenheyer, Erwin Guido  159 Konsalik, Heinz G. (= Heinz Günther)  71 Krätschmer, Ernst-Günther  139 Kraiss, Ulrich  199 Kraus, Karl  182 Krausnick, Helmut  311 Kröner, Adolf  34 Kroll, Gerhard  99, 102, 185–188, 309–311 Krolow, Karl  247, 356

424 Personenregister Kuehnelt-Leddihn, Erik von  113 Kühner, Otto Heinrich  164, 269 Kürschner, Joseph  223 Kuhlo, Johannes  193 Kunz, Hans  266 Kurz, Eugen  262, 306, 340 f. Kusenberg, Kurt  337 Lamartine, Alphonse de  223 Lamprecht, Karl  226 Lange, Hans Joachim  268 Langen, Albert  163 Langewiesche, Karl Robert  163 Lasker-Schüler, Else  182 Lasky, Melvin  48 Lassalle, Ferdinand  226, 371 Laube, Heinrich  219 f. Ledig-Rowohlt, Heinrich Maria  206, 209, 233, 243 le Fort, Gertrud von  101, 182 Leibniz, Gottfried Wilhelm  167 f., 170 Leins, Hermann  45, 237, 239–241, 243 f., 307 Leippe, Heinrich  252–256, 276, 355 Lenz, Hermann  247 Lesse, Kurt  172 Leonhard, Wolfgang  153, 155 Liebl, Franz  161 Lilije, Hanns  171 Lindemann, Helmut  316 Lindsey, Ben Barr  226 Litt, Theodor  310 Lodgman von Auen, Rudolf  147, 157 Ludwig, Emil  208 Lübbe, Hermann  103 Luther, Hans  288, 321 Luther, Martin  201 Lynes, Russell  334 Madariaga, Salvador de  227, 247 Maier, Hermann  237, 239, 241, 243 f., 249 f., 267, 271, 274, 307 Maier, Reinhold  296

Malraux, André  330, 337 Man, Hendrik de  269 Mann, Thomas  51 f., 232 Marcel, Gabriel  300 Marcks, Erich  226, 229, 295, 317 Marcuse, Herbert  201  Mariás, Julián  204, 247 Marquard, Odo  103 Marquardt, Willy  209, 237, 241, 243, 245 f., 248–250, 253, 303, 307, 358, 371 f. Martini, Winfried  280, 302 Marx, Wilhelm  288, 321 Mattias, Erich  251, 269, 311 Mau, Hermann  311 Maupassant, Guy de  223 Mayr, Monika  186 Mehnert, Frank  324 Mehnert, Klaus  164, 180, 261 f., 300, 306, 324–326, 332 f., 345, 374 Meinecke, Friedrich  47, 310 Mell, Max  164 Melzer, Friso  169 Mensching, Gustav  306 Merkatz, Hans-Joachim von  13, 87, 96 Michaelis, Georg  172 Miegel, Agnes  164 Mitscherlich, Alexander  201, 266 Mittelbach, Franz  237, 239 f., 243, Mohler, Armin  86, 92, 176, 198, 203, 212, 335, 347, 349 Mohn, Gerd  195 Mohn, Heinrich  190 f. Mohn, Reinhard  132, 191   f., 194 Molo, Walter von  51 f.  Moltke, Helmuth James von  315 Moltke, Helmuth Karl Bernhard von  125, 223 Mommsen, Wilhelm  243, 250 Montessori, Maria  201 Moras, Joachim  48, 232, 245, 264, 276, 337–339, 341 Morgan, Charles  231, 261

Personenregister425 Mosley, Oswald  136 Müller, Conrad  282 Müller, Eberhard  171, 298 Müller, Georg  163 Müller, Gotthold  17, 32 f., 43, 106, 214 f., 221, 225, 236, 238, 250, 252–257, 259–262, 264 f. 273, 276, 278–287, 290–294, 299–301, 303, 307 f., 313–317, 319–323, 326, 329, 332 f., 341, 344, 347 f., 356 f., 371–373 Müller, Karl Alexander von  228 f., 243, 371 Muhler, Emil  181 Nadolny, Erwin  160 Naumann, Friedrich  113, 226, 234, 279, 296 Naumann, Johann Wilhelm  100, 180, 182–185, 189 Naumann, Werner  107, 139 Nebel, Gerhard  89, 178, 198, 202–204, 212, 337 f., 368 Neske, Günther  169 f., 177, 198, 203, 205, 367  Niekisch, Ernst  146, 149, 154, 201, 208 Niemöller, Martin  172 Noack, Joachim  113 Nottbeck, Berend von  152 Olpp, Felix  250, 252 Olzog, Günter  259 Oncken, Hermann  226, 229, 317 Ortega y Gasset, José  14, 56, 121, 198, 204, 227, 243, 247, 251, 308, 337, 350–353, 371, 374 Otto, Nicolaus  355 Paeschke, Hans  48, 232, 245, 264, 322, 337–339, 341, 346 Pagel, Karl  235, 301, 326 Pannwitz, Rudolf  204 Papen, Franz von  290, 317 Pechel, Rudolf  98, 232, 284, 298

Perthes, Friedrich Christoph  219, 230 Pertinax, Lothar (= Scholmer, Joseph)  115, 327, 374 Petőfi, Sándor  220  Pfleiderer, Karl Georg  304 Picker, Henry  311 Pistotnik, Alois  239 Plachte, Kurt  169 Platon  201 Pleyer, Wilhelm  133, 137, 158 f. Podewils, Sophie Dorothee von  349 Pongs, Hermann  142 Pozorny, Reinhard  161 Pückler-Muskau, Hermann von  219 Raabe, Wilhelm  223 Rathenau, Walther  15, 41 Rausch, Jürgen  248, 268, 344 Reclam, Ernst  43 f., 51, 132, 284  Reclam, Heinrich  285 Reichl, Otto  21, 165–171, 198, 205, 346, 367 f. Reich-Ranicki, Marcel  350 Reichwein, Adolf  282, 291 f., 300, 314–316, 319 f., 373 Reitzenstein, Freiherr Carl von  294 Remer, Otto Ernst  97 f., 107 Rennebach, Heinrich  171, 173 Ribbentrop, Ilse Marie von  134  Ribbentrop, Rudolf von  134 Richter, Hans Werner  52, 245, 251, 275 Riesman, David  122 Riezler, Kurt  226 Ringelnatz, Joachim (= Bötticher, Hans Gustav)  208 Ritter, Gerhard  30, 33, 73, 96 f., 116, 128, 172, 178, 198, 226, 261, 266, 286, 291 f., 310 f., 314, 317–321, 371, 373 Ritter, Joachim  103 Ritter, Karl Bernhard  193 Ritter, Paul  170 Rodenberg, Julius  223

426 Personenregister Roegele, Otto Bernhard  123, 180, 293 Rombach, Otto  51, 243, 247, 256, 261 Rosenberg, Alfred  131, 140–142, 166, 279, 365 Roßmann, Erich  309 Roth, Joseph  155 Rothfels, Hans  250, 312 f. Rotteck, Carl von  219 Rougemont, Denis de  204 Rowohlt, Ernst  74, 146, 206–210, 212 f., 233, 370 Sack, Karl  292 Sahl, Hans  274 Saint-Exupéry, Antoine de  210 Salazar, António de Oliveira  279 f. Salomon, Ernst von  15, 41, 90, 137, 198, 208, 212, 370 Sartre, Jean-Paul  213 Sattler, Ernst  309 Sauer, Erich  193 Schacht, Hjalmar  210 Schäfer, Daniel  193 Scheerbart, Paul  207 Schelsky, Helmut  17, 103, 198, 211, 264, 342 f., 370 Schenzinger, Karl Aloys  75 Schlözer, Kurd von  227 Schloßstein, Willy  245, 254, 281 Schlüter, Leonhard  138, 142–144, 365 f.  Schmid, Carlo  202, 293, 300, 302 Schmidt, Arno  54 Schmitt, Carl  89–91, 93, 110, 198, 212, 232, 346 Schnabel, Emil  239 Schnabel, Franz  310 Schneider, Peter  346 Schneider, Reinhold  232 Schnurre, Wolfdietrich  251 Schoeck, Helmut  334 f. Schoeps, Hans Joachim  13, 94–96, 98, 202

Scholz, Hugo  158 Schopen, Edmund  279 Schottlaender, Felix  266 Schröder, Gerhard  80, 305 Schütz, Karl Waldemar  21, 133, 138, 140–142, 365 f. Schütz, Wilhelm Wolfgang  248, 251, 301 f., 335 f. Schulenburg, Fritz-Dietlof von der  290 f. Schweppenburg, Leo Geyr von  309 Sedlmayr, Hans  211 Seghers, Anna  150, 210 Seidel, Ina  51, 230, 242 f., 247, 261, 267, 269–275, 278, 372 Sell, Friedrich  295 f. Seraphim, Hans-Günther  141 Shakespeare, William  207, 223 Sieburg, Friedrich  30, 52, 87, 92–94, 101, 154, 198, 261, 341, 347–349, 351, 356, 374 Siegert, Karl  142 Silex, Karl  246, 295 Speidel, Hans  310 Spemann, Adolf  62, 68, 259 Spemann, Franz  172 Spemann, Ilse  62 Spindler, Carl  223 Spranger, Eduard  33, 166, 170, 178 Springer, Axel  49, 92 Stadtmüller, Georg  161 Staël, Germaine de  223 Stauffenberg, Claus Schenk Graf von  97, 228, 290 f., 319 Stegemann, Hermann  228  Stein, Gustav  340 Stein, Heinrich Friedrich Karl vom und zum 226, 319 Stein, Herbert von  159 Steinbichl, Wolfgang  148 Stendhal (= Beyle, Marie-Henri)  219 Stern, Carola  155 Sternberger, Dolf  148, 264

Personenregister427 Storz, Gerhard  202, 299, 303 Strasser, Otto  208, 324, 345 Strauß, Franz Josef  305 Stresemann, Gustav  232, 234 Streuvels, Stijn  259 Studnitz, Hans-Georg von  302 Süskind, Wilhelm Emanuel  264 Süsterhenn, Adolf  100 Suhrkamp, Peter  65, 162 f., 337 f. Tacitus  136 Tethong, Tsewang Choegyal  306 Thadden, Adolf von  133 Thadden-Trieglaff, Reinhold von  171 Thaer, Günther  262 Thedieck, Franz  304  Thielicke, Helmut  116, 266 Thiess, Frank  51 Thomas von Aquin  201 Tillich, Ernst  152 Tocqueville, Alexis de  304 Toeche-Mittler, Konrad  125 Tolstoi, Leo Nikolajewitsch  172, 223 Treviranus, Gottfried  30, 288–290, 314, 322, 373 Troeltsch, Ernst  166 Tucholsky, Kurt  207, 210 Tügel, Ludwig  247 Turgenjew, Ivan  223 Twain, Mark  223 Uhlendahl, Heinrich  80 Uhse, Beate  53 Ulich-Beil, Else  300 Ullmann, Hermann  287 f., 290 Ursel, Peter  136 f. Valéry, Paul  50 Venatier, Hans  138 Vesper, Bernward  159 f. Vesper, Will  133, 136 f., 159 f., 192 Vietta, Egon  212 Vigny, Alfred de  201, 219

Voegelin, Eric  182 Vollmer, Bernhard  310 Vries, Jan de  204 Wädekin, Karl Eugen  326, 330  Wagner, Wolfgang  304 f. Wahlstatt, Kurt Graf Blücher von  355 Waldburg-Zeil, Erich Fürst von  100, 185–187 Waldhecker, Hermann  291 Wallenberg, Raoul  292 Walpole, Hugh  259 Walz, Hans  248–250, 254, 261, 293, 347, 354, 360 Waples, Douglas  77, 80 Watzlik, Hans  158, 161 Weber, Hermann  115, 327, 374 Weber, Josef  254 f., 259 Weber, Julius  219 Wehner, Herbert  293 Weidlé, Wladimir  331 Weiger, ?  323, 358 Weisenborn, Günther  213 Weizsäcker, Carl Friedrich von  247 Weizsäcker, Richard von  293 Weizsäcker, Viktor von  201 Werner, Bruno Erich  334 Westarp, Kuno von  288 f. Wichterich, Richard  251  Wieland, Christoph Martin  337 Wild, Heinrich  182  Wilhelm I.  227 Winckler, Josef  233, 278 Winkler, Wilhelm  310 Wirsing, Giselher  92, 164, 180, 345 Witsch, Joseph Caspar  24, 43, 45, 73, 149–155, 366 Wixforth, Fritz  191 Woermann, Emil  144 Woischnik, Bernhard  147 f. Wolf, Friedrich  233 Wolfe, Thomas  50, 213 Wolff, Kurt  163, 207

428 Personenregister Wurm, Theophil  171 Zehrer, Hans  92 f., 102, 104, 118, 163, 171, 198, 208, 210–212, 345, 370 Zeller, Eberhard  292 Ziegler, Benno  283, 291

Ziegler, Leopold  337, 356 Ziesel, Kurt  131, 133, 277–279 Zillich, Heinrich  161 Zingler, Peter  208 Zöckler, Paul  279 Zweig, Stefan  50 f.